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German Pages 129 [130] Year 1970
WALTER LEISNER
Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung
Schriften zum Steuerrecht Band6
V erfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung
Von
Dr. Walter Leisner o. Professor der Rechte an der Universität Erlangen·Nürnberg
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
©
Alle Rechte vorbehalten
1970 Duncker & Humblot, Berlin 41
Gedruckt 1970 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany
Vorwort Der Erbschaftsteuer ist von jeher in der juristischen, nationalökonomischen und finanzwissenschaftliehen Diskussion in Deutschland ein Raum gewährt worden, der weit über ihre praktisc..h-fiskalische Bedeutung hinausreicht. Wirtschafts- und sozialpolitische Reformen sahen in ihr ein mögliches Instrument der Sozialpolitik; in der Rechtswissenschaft hat sie das Bürgerliche Recht als Erscheinung des Erbrechts oder als Gefahr für dieses interessiert; das Staatsrecht beschäftigt sich mit ihr, seit es eine Verfassungsgarantie von Erbrecht und Eigentum gibt. Hier stehen die verfassungsrechtlichen Grenzen der Erbschaftsbesteuerung im Vordergrund. Dieses Problem ist bisher noch nicht monographisch behandelt worden, obwohl hier Grundfragen sowohl des Steuerrechts als auch der Grundrechtlichkeit auftreten. Wenn diese Arbeit versucht, eine Lücke zu schließen, so geschieht dies nicht in der Absicht, eine zusammenfassende Untersuchung über die Erbschaftsteuer aus juristischer Sicht vorzulegen. Es geht vielmehr ausschließlich um die Schranken, welche die höchsten Normen der bundesdeutschen Staatlichkeit dem weiten Ermessen des Steuergesetzgebers ziehen. Hier wird die These vertreten, daß es solche Begrenzungen gibt, daß sie rechtlich faßbar sind. Die Arbeit versteht sich daher gleichermaßen als ein Beitrag zu der heute in voller Entwicklung stehenden Lehre von den Grenzen steuergesetzlicher Gestaltungsfreiheit wie als Untersuchung zur Dogmatik von Erbrecht, Eigentum und Familiengarantie. Wieder einmal hat die Diskussion um die ErbSt in Deutschland begonnen. Die Staatsrechtslehre hat Sorge zu tragen, daß sie von vorneherein in dem Rahmen geführt werde, den die Verfassung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates bietet. Erlangen, den 25. 11. 1969
W alter Leisner
Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung- Fragestellung- Gang der Untersuchung . . . . . . . . . .
13
A. Grenzen der Erbschaftsbesteuerung aus steuer(verfassungs)rechtlichen Grundprinzipien und steuerlicher Begri:fflichkeit . . . . . . . . . . . .
15
I. Spezielle erbschaftsteuerliche Begrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
1. ErbSt und grundgesetzliche Steueraufkommenverteilung . . . . . .
15
2. Begrenzung der ErbSt aus dem vom GG vorausgesetzten traditionellen Wesen dieser Steuerart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
a) Die Lehre vom Steuerkern . ....... . ... . .. .. . . .. . . . . ..... . .
17
b) Die "Rechtfertigung" der ErbSt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
aa) Der Sozialleistungsstaat als "Nächster" . . . . . . . . . . . . . . . .
18
bb) Der Staat als "Verwandter" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
cc) ErbSt als Sozialgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
Exkurs: Die sozialpolitischen Argumente zugunsten einer Anhebung der ErbSt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
dd) Fiskalische Zielsetzung - Die Bedeutung der Leistungsfähigkeit ........................................ ....
26
c) Die Ausgestaltung der ErbSt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
3. Kongruenz mit dem bürgerlichen Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
Il. Begrenzungen durch allgemeine steuerliche Grundsätze und Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
1. Die ErbSt zwischen Verkehrsteuer und Vermögensteuer . . . . . .
32
a) Die h . Auffassung vom "Mischcharakter" der ErbSt . . . . . . . .
32
b) Folgerungen für eine Begrenzung der ErbSt-Gesetzgebung..
33
2. Erhaltung der Steuerquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
3. Zwa ng zum Verkauf des "besteuerten Objekts" . . . . . . . . . . . . . .
36
Inhaltsverzeichnis
8 B.
Grenzen der Erbschaftsbesteuerung aus der Verfassungsgarantie von Eigentum und Erbrecht (Art.14 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Eigentum und Erbrecht als Grundlage bundesdeutscher Staat-
lichkeit
39
.... ....................................................
39
Il. Das Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
l. Die Formen der verfassungsrechtlichen Verbürgung des Erb-
rechts
............................... .................. .....
43
2. Der Inhalt der Rechtsinstitutsgarantie des Erbrechts (Art. 14 Abs. I GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
a) Selbständiger Gesetz"
Verfassungsinhalt
oder
"Verfassung
nach
44
b) Die Kategorie des "Wesensgehaltes" (Art. 19 Abs. II GG) und die Inhaltsbestimmung der Einrichtungsgarantie "Erbrecht"
4.6
c) Verwandtenerbrecht, Testierfreiheit, Universalsukzession als Wesenselemente des "Erbrechts" .. . . . .. ............ .
48
d) Erbrecht (im ganzen) als Fortsetzung der privaten Eigentumsordnung, als Strukturprinzip einer staatsunabhängigen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
3. Normativer Rang der Erbrechtsverbürgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
4. Mögliche Verletzung der Erbrechtsgarantie durch ErbSt- Insbesondere: Verletzung des Begriffs der "Erbschaft" . . . . . . . . . . . .
56
a) Höhe der ErbSt-Sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
b) Zertrümmerung des ererbten Vermögens- qualitative Alterierung der Einheit der Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
c) Praktische Unvererbbarkeit bestimmter Vermögenspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
5. Aushöhlung des Verwandtenerbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
6. Aushöhlung der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
7. Institutionelle Aspekte - Störung der gesamtgesellschaftlichen Ordnungsfunktion des Erbrechts durch überhöhte ErbSt . . . . . .
70
III. Eigentum
73
1. Verhältnis von Eigentums- und Erbrechtsschutz gegenüber der
ErbSt -
(Selbständige) Bedeutung der Eigentumsgarantie . . . .
73
9
Inhaltsverzeichnis a) Erbrecht als Fortsetzung des Eigentums
73
b) Die selbständige Bedeutung des Eigentums gegenüber der ErbSt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
2. Eigentumsschutz gegenüber der Steuergesetzgebung - Abgaben als mögliche Enteignung - Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . .
76
a) Die Lehre vom allgemeinen Steuervorbehalt -
Kritik . . . . . .
76
b) Begriffliche Unmöglichkeit der "Geldenteignung"? . . .
78
c) Enteignung durch Steuergesetze nur bei Entzug von "Volksvermögen"?
79
d) Ausschluß der Enteignungswirkung von Steuergesetzen wegen deren Beruhen auf der Abgabenhoheit des Staates. . . .
79
3. Grenzen der Steuergesetzgebung nach Enteignungsrecht . . . . . .
81
a) Problematik der Grenzziehung nungsrechts
Grundsätze des Enteig-
81
b) Insbesondere: Kontiskatarische und Erdrosselungssteuern . .
82
4. Gleichmäßiger Schutz für alles private Eigentum ........ . . ... .
84
a) Der weite verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff - Erbschaft und Vermögen als "Eigentum" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
b) Die Einheit des Eigentumsbegriffs - Kein geringerer Schutz für ererbtes Gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
5. Mögliche Verletzung individueller Eigentumsrechte durch ErbSt . . ................. . .............. .. .............. .
87
a) Verletzung von Eigentum ohne Verletzung von Erbrecht
87
b) Objektverkaufszwang, Verschleuderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
c) Erzwungene Umstrukturierung und grundlegende Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
6. Verletzung des "Instituts Eigentum" durch die ErbSt . . . . . . . . . .
92
a) Gefährdung des Eigentumssystems als einer Ordnung . . . . . .
92
b) Aufhebung des "Eigentums" an bestimmten Kategorien von Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. I GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
1. Möglichkeit einer Verletzung der Berufsfreiheit durch ErbSt-
Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
a) Schutz der Berufsfreiheit gegen Steuergesetze - Die Fragestellung n a ch dem Apothekenurteil . . . . . ................
96
10
Inhaltsverzeichnis b) Berührungspunkte von ErbSt und Berufsfreiheit
98
2. Regelung und Verletzung der individuellen Berufsausübung und der Berufswahl durch die ErbSt .....................
98
a) Die ErbSt als Berufsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
b) ErbSt als Berufsausübungs- und Berufswahlregelung . . . . . .
99
c) ErbSt als objektive Zulassungsgrenze
101
3. Verletzung der "Institution freier Beruf"
102
Grenzen der Erbschaftsbesteuerung aus der Garantie von Ehe, Familie und Erziehung (Art. 6 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
I. Allgemeines zur Schutzfunktion von Art. 6 GG .. . ............. . .
103
C.
1. Die grundsätzliche Bedeutung von Art. 6 GG für das ErbSt-
Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
2. Der Schutz gegen staatliche Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
3. Das Gebot der "Förderung" von Familie und Ehe
106
II. Der Schutz der Familie . . ...... . .. .... .. . . . .. .. . ...... .. . ... . ... .
107
1. Der Familienbegriff und das ErbSt-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
a) "Familie" i. S. des Art. 6 Abs. I GG als Kleinstfamilie? . . . . . .
107
b) Bedenken gegen die Beschränkung der ErbSt-lichen Vergünstigungen auf in gerader Linie Verwandte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
2. Beeinträchtigung der Familienbindungen durch Erbschaftsbesteuerung
111
a) Spezielle familienrechtliche Akzentuierung der Erbrechtsgarantie als Grenze der Erbschaftsbesteuerung . . . . . . . . . . . .
111
b) Hemmung des Erwerbsstrebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
c) "Doppelbesteuerung" bereits verdienten Vermögens
114
III. Der Schutz der Ehe . . .. . ... . . . . .. . .. . .. .. .... . ... .. ... . . . . .. . . . 1. Ehebegriff und ErbSt
115 115
a) Begriff und Bedeutung der Ehe im ErbSt- Recht - Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115
b) Unsachgerechte ErbSt-liehe Erwägungen zum Eheschutz . . . .
116
2. Auswirkungen angespannter ErbSt auf die Ehegarantie . . . . . .
119
Inhaltsverzeichnis
11
a) Hemmung des Fürsorgewillens ....... .. . . . . ...... . ....... .
119
b) Anreiz zur Enterbung ............. . . . ................... .
119
c) Verminderung des Anreizes zur Eheschließung
120
IV. Das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. II, III GG)
121
1. Der Begriff des elterlichen Erziehungsrechts und die ErbSt . . . .
121
2. Der Umfang des elterlichen Erziehungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .
122
D. Anhang
Rechtsstaatliche Bedenken Sachregister
125 125 127
Vorbemerkung - Fragestellung Gang der Untersuchung 1. In letzter Zeit sind mehrfach Pläne bekannt geworden, die Erbschaftsteuer (ErbSt) in der BRD drastisch zu erhöhen. Vor allem der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister der Finanzen hat Vorschläge gemacht', welche auf eine grundlegende Veränderung des geltenden ErbSt-Rechts hinauslaufen.
Derartige Absichten werfen nicht nur "technische" Fragen des Steuerrechts auf; sie berühren verfassungsrechtlich gesicherte Rechtspositionen der Steuerbürger ebenso wie Institutionen, welche durch das GG in ihrem Bestand gewährleistet werden. Es ist daher zu untersuchen, welche Grenzen die Verfassung einer Erbschaftsteuerreform zieht. Die Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats deuten hier die wichtigsten Richtungen an, welche eine künftige ErbSt-Gesetzgebung einschlagen könnte: - Aufhebung tariflicher Vergünstigungen für alle nicht in gerader Linie Verwandten; Bildung von nur mehr zwei Steuergruppen: in gerader Linie Verwandte- übrige Erben; - Erhebliche Anhebung des Steuersatzes für beide Steuergruppen; - Herabsetzung von Freibeträgen und Freigrenzen für die überlebende Ehefrau sowie für die Abkömmlinge des Erblassers; - Berücksichtigung des Vermögens der Erben bei der Bemessung der Steuerschuld; - Einheitliche Bewertung von Grund- und anderem Vermögen, möglichst nach dem Marktwert, Verzicht auf Pauschalierungen.
2. Daß subjektiv-öffentliche verfassungsmäßige Rechte und Institutsgarantien des GG nicht generell unter einem "allgemeinen Steuervorbehalt"2 stehen können, hat die Rechtsprechung des BVerfG deutlich gemache. Zwar hat dieselbe Judikatur dem Steuergesetzgeber sowohl in der Bestimmung der Steuerzwecke4 wie in der Mittelwahl zu deren 1 Gutachten zur Reform der direkten Steuern in der BRD, 1967, S . 59/60, 72 f. 2 Vgl. dazu Huber, E. R., Wirtschaftsverwaltungsrecht I, 1953, S. 647. 3 Nachw. bei Leibholz-Rinck, GG, 1966, Art. 3 Rdnr. 23; 6, 4 f.; 12, 8, 12; 20, 34 d; 105, Vorbem. 3 f; 105, 1 f . 4 Vgl. u. a. BVerfGE 13, S. 203; 13, S. 346.
14
Vorbemerkung- Fragestellung- Gang der Untersuchung
Erreichung im einzelnen (insbesondere bei der Tatbestandsbildung)5 ein sehr weites Ermessen zugebilligt. Im Falle der Erbschaftsbesteuerung ist dieses jedoch in verschiedener Hinsicht eingeengt: Die ErbSt ist im GG besonders erwähnt (Art. 106 Abs. II); die Verfassung verbindet mit ihr also gewisse Grundvorstellungen. Die ErbSt betrifft einen Sachbereich, der im GG spezie1l geregelt ist- Art. 14 Abs. I (Erbrecht). Die ErbSt hat besonders deutliche und unmittelbare Auswirkungen auf andere Bereiche, welche in der Verfassung mit speziellen Garantien umgeben sind (Ehe, Familie, Erziehung). Die verfassungsrechtliche Prüfung der Grenzen einer ErbSt-Regelung setzt daher nicht dort ein, wo dies sonst meist im Steuerverfassungsrecht geschieht - bei der Frage einer möglichen Verletzung der Steuergleichheit (Art. 3 Abs. I GG), welche dem Gesetzgeber einen besonders weiten Gestaltungsraum eröffnet. Hier sind vielmehr zunächst die speziellen verfassungsrechtlichen Grenzen zu achten. 3. Die ErbSt erweist sich daher schon am Ausgang der Untersuchung als ein deutlicher Sonderfall gegenüber dem allgemeinen, praktisch nahezu verfassungsfreien Ermessen der Steuergesetzgebung. Hier sind vor allem die möglichen (sozialgestaltenden) "Nebenwirkungen" der fiskalischen Maßnahmen zu berücksichtigen - gerade sie müssen ja mit der Verfassung in Einklang stehen6 • Dem muß der Gang der Untersuchung entsprechen: Zunächst sind diejenigen verfassungsrechtlichen Grenzen aufzuzeigen, welche sich bereits aus dem Begriff der Erbschaftsteuer sowie aus den Grundprinzipien des geltenden Steuer(verfassungs)rechts ergeben (Teil A). Sodann ist die Bedeutung der Garantie von Erbrecht und Eigentum als Schranke der Erbschaftsbesteuerung aufzuzeigen (Teil B). Schließlich setzen auch die Verfassungsnormen über Ehe, Familie und Erziehung dem Ermessen des Steuergesetzgebers spezielle Grenzen (Teil C). Erwägungen zur Rechtsstaatlichkeit sollen die Darlegungen abschließen (Teil D).
5 Vgl. u.a. BVerfGE2, S.263; 6, S.77; 7, S.297; 9, S.10/1; 9, 5.349/50; 11, S. 283 etc. 6 BVerfGE 6, S. 81; 20, S. 356; vgl. auch Klein, F., Gleichheitssatz und Grundgesetz, 1966, S. 163; Bühler-Strickrodt, Steuerrecht I, 1959, S. 233.
A. Grenzen der Erbschaftsbesteuerung aus steuer( verfassungs )rechtlichen Grundprinzipien und steuerlicher Begrifflichkeit I. Spezielle erbschaftsteuerliche Begrenzungen Der Ertrag der ErbSt steht nach Art. 106 Abs. 2 Ziff. 2 GG den Ländern zu. Aus dieser Verfassungsbestimmung ergeben sich allgemeine Richtlinien und Grenzen für die ErbSt: - aus der grundgesetzliehen Steuerverteilung (vgl. 1); - aus dem Wesen der so angesprochenen Steuerart in Verbindung mit der herkömmlichen Steuergestaltung (vgl. 2); aus der bereits hier begrifflich zum Ausdruck kommenden Verbindung mit dem bürgerlichen Erbrecht (vgl. 3). 1. ErbSt und grundgesetzliche Steueraufkommenverteilung
Die ErbSt ist zur Zeit eine wenig ergiebige Abgabeart. Mit einem Jahresaufkommen von ca. 300 Millionen DM liegt sie unter der Rennwett- und Lotteriesteuer 1• Nicht im einzelnen, wohl aber der Größenordnung nach entspricht dies dem Ertrag der ErbSt in der Weimarer ZeW. Davon ist auch der GG-Geber ausgegangen, als er das Aufkommen der ErbSt in Art. 106 Abs. II Ziff. 2 den Ländern überlassen hat. Die Steuerverteilung zeigt deutlich, daß den Ländern mit Ausnahme der Vermögensteuer nur solche (herkömmliche) Abgaben bleiben sollten, welche sich nach ihrer Größenordnung generell von den "großen" Steuern (USt, ESt, KSt) unterscheiden. Dem Sinn der grundgesetzliehen Steuerverteilung widerspricht es also, die ErbSt zu einer neuen "Großsteuer" auszubauen3 , ihr Aufkommen nicht nur zu steigern, sondern größenordnungsmäßig so zu verändern, daß sie zu einer der tra1 Vgl. Frank, D., Möglichkeiten und Grenzen einer Einflußnahme auf die ErbSt-Belastung bei der Unternehmensnachfolge, Finanz-Rundschau 1969,
S.7.
2 Nachw. bei Bitter, Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung, 3. A., 1928 III, S. 468. 3 Wie dies früher etwa Bamberger, G., Erbrechtsreform, 1908, S. 61 f., gefordert hat.
16
A.
Steuer(verfassungs)rechtliche Grundprinzipien
genden Stützen deutscher Staatshaushalte würde. Bereits die Steuerverteilung des GG zieht den rein fiskalischen Absichten des Gesetzgebers letzte Schranken. Dies zeigt besonders deutlich die Funktion, welche das GG der Einkommen- und Körperschaftsteuer zukommen läßt (Art. 106 Abs. III f.). Diese Steuerart muß von Verfassungs wegen in ihrer Größenordnung besonders bedeutsam sein. Über sie sind die finanziellen Bedürfnisse von Bund und Ländern auszugleichen. Das GG geht also von einem wenn auch nur rahmenmäßig bestimmten - Größenordnungsgefüge der Steuerarten aus, das auch im einzelnen nicht durch eine radikale Veränderung der Größenordnung, etwa bei der ErbSt, zerstört werden darf. Art. 106 Abs. I und II GG zeigen schließlich, daß der Sozialgestaltungsfunktion der ErbSt gewisse äußerste Grenzen durch die Verfassung selbst gezogen sind: Das ergibt sich bereits aus dem Größenordnungsgefüge, in dem der ErbSt nur ein verhältnismäßig bescheidener Platz zukommen kann. Dies schließt es bereits aus, daß die ErbSt allein oder doch überwiegend zum Hebel sozialrevolutionärer Veränderungen werden kann. Nach Art. 106 Abs. I Ziff. 5 stehen die einmaligen Vermögensabgaben und das Aufkommen aus dem Lastenausgleich dem Bunde zu. Wenn also eine große Vermögensumschichtung erfolgen soll, welche die bisherigen Eigentumsverhältnisse entscheidend verändert, so hat dies nicht durch Forcierung einer traditionell unbedeutenden Steuer zu geschehen, welche den Ländern zusteht; vielmehr muß sich der Bund hier offen durch Vermögensabgaben einschalten. Nur dies entspricht dem Sinn der Steuerverteilung der Verfassung und den gesamtwirtschaftlichen Bedürfnissen. Allein aus der Art der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern lassen sich also Folgerungen für eine äußerste Begrenzung der ErbSt ziehen. Diese darf -
nicht in eine generell andere Größenordnung des Aufkommens hinaufgesteigert werden;
-
nicht zu einer "sozialrevolutionären", gesamtwirtschaftlich strukturverändernden Vermögensumverteilung führen ;
-
bei einer erheblichen Erhöhung nur im Zusammenhang mit der Vermögensteuer reformiert werden, der sachnächsten Großsteuer, deren Aufkommen gleichfalls den Ländern zusteht.
Das Gesamtgefüge der steuerlichen Größenordnung darf nicht alteriert werden. Solche Begrenzungen mögen nur "letzte" Schranken aufrichten- diese sind nicht etwa "rein theoretisch". Deutlicher noch werden sie in Verbindung mit der näheren Bestimmung der im GG angesprochenen
I. Spezielle erbschaftsteuerliche Begrenzungen
17
"Steuerart ErbSt" (vgl. unten 2). Die Verfassungsgerichtsbarkeit hat darüber zu wachen, daß der Föderalismus in einem Gleichgewicht erhalten bleibe, das nicht durch Forcierung einer Einzelsteuer gestört, sondern über die Anteile an den Großsteuern stets balanciert wird. 2. Begrenzungen der ErbSt aus dem vom GG vorausgesetzten traditionellen Wesen dieser Steuerart
a) Die Lehre vom Steuerkern Die Steuerbegriffe der Art. 105 f. GG sind aus sich selbst heraus nicht verständlich. Es muß ihnen jedoch ein präziser Inhalt gegeben werden. Dies ist vor allem wegen der Steueraufkommenverteilung erforderlich4 • Es ist anerkannt, daß hier auf "bewährte Begriffsbildungen der Finanzwissenschaft sowie auf die in engem Zusammenhang hiermit entwickelten Begriffe der vorkonstitutionellen Steuergesetzgebung" zurückgegriffen werden muß5 • Mögen bei den allgemeinen und steuersystematischen Einteilungsbegriffen finanzwissenschaftliche Konzeptionen im Vordergrund stehen - die Begrifflichkeit der Einzelsteuern wird sich zunächst an der Einzelgesetzgebung orientieren müssen. Das Steuerverfassungsrecht ist in besonderem Maße "Verfassung nach Gesetz", es muß aus den einzelnen Steuergesetzen heraus sinnerfüllt werden6 • Ob und inwieweit dies gerade im Steuerbereich auch noch durch den Grundsatz der Steuergerechtigkeit und der Steuergleichheit gefordert wird, der eine systematische Geschlossenheit des Rechts der Einzelsteuern verlangt, kann hier offenbleiben. So ist also auch der Begriff der ErbSt aus der ErbSt-Gesetzgebung heraus zu entwickeln, das Ergebnis solcher Auslegung ist sodann gegebenenfalls an der Gesamtkonstellation der Verfassungsnormen verfassungskonform zu korrigieren. Der Normhöhe der Verfassung entspricht jedoch nur ein Verständnis, das nicht alle Einzelheiten des 1949 oder heute geltenden einfachen Gesetzesrechts in das GG projiziert und dort zementiert; andernfalls könnte die einfache Gesetzgebung die Verfassung ändern. Einerseits dürfen daher nur Grundsätze, zum anderen lediglich die herkömmlichen Inhalte des ErbSt-Begriffs in das GG eingehen. Sie aber bilden den Rahmen, den auch künftige einfache Gesetze beachten müssen, soll nicht die verfassungsrechtlich festgesetzte Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern durch Steuergesetze verändert werden können. Diese Grenzen dürfen also nicht "höchst theoretischer" Vgl. oben 1. Vgl. Maunz-Dürig-Herzog, GG, Art. 105 Rdnr. 6 m. Nachw. 1 Dazu m. Nachw. Leisner, W., Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, 1964, insbes. S. 33 f . 4
5
2 Leiener
18
A. Steuer(verfassungs)rechtliche Grundprinzipien
Natur sein, sie müssen dem Gesetzgeber deutliche Schranken setzen und darüber hinaus durch ihre Grundvorstellungen mögliche Gesetzgebungstendenzen orientieren. Gerade dies erstrebt die Lehre vom "Kern der Steuerarten" 7 : Die im GG genannten Steuerarten müßten in ihrem Kernbereich aus Verfassung oder einfachen Steuergesetzen definiert werden, di€ser Kern müsse zur Gewährleistung der föderalistischen Ordnung von der Gesetzgebung unbedingt geachtet werden. Geht man davon aus, daß der Steuerkern aus dem Steuertatbestand zu gewinn€n ist8 , so bietet bereits der in Art. 106 Abs. II Ziff. 2 GG genannte Begriff "Erbschaftsteuer" einen Anhalt zur Auslegung "aus der Verfassung", die aller anderen Interpretation vorgehen muß: Er verweist auf die "Erbschaft" und damit auf Art. 14 Abs. I GG, darüber hinaus aber auf das steuerexterne bürgerliche Erbrecht9 • Dies kann aber bei einer so spezialisierten Steuerart nicht der einzige Inhalt des "Steuerkerns" sein. Die Steuerverteilung wäre auch dann gebrochen, wenn die Grundprinzipien der herkömmlichen ErbSt-Zielsetzung und -gestaltung völlig verändert würden. Gerade bei Steuern, die in der steuerrechtliehen Systematik eine Sonderstellung einnehmen, wie im Fall der ErbSt, kann der Steuerkern nur ermittelt werden, wenn im ganzen erhalten bleiben -
Zielsetzungen (die sich meist aus der "Rechtfertigung" der betreffenden Steuerart ergeben) (vgl. im folgenden b)
-
grundlegende Gestaltungsformen, die den "Charakter" der Steuerart grundsätzlich bestimmen (vgl. im folgenden c).
Es ist daher zu prüfen, wie die ErbSt gerechtfertigt und wie sie in ihren Grundzügen ausgestaltet worden ist. Aus beidem können sich verfassungsrechtliche Grenzen für künftige Reformen ergeben.
b) Die "Rechtfertigung" der ErbSt aa) Der Sozialleistungsstaat als "Nächster" Eine Rechtfertigung der ErbSt kann heute grundsätzlich nicht etwa darin gesehen werden, daß der Staat dem Erblasser näherstehe als ein sehr "entfernter" Erbe, weil eben für jeden Erblasser die staatliche Gemeinschaft von einer besonderen Bedeutung sei, der nur die Interessen 7 Anklingend bereits bei Wacke, G., Das Finanzwesen in der BRD, 1950, S. 64, neuerdings besonders entwickelt von BeUstedt, Chr., Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung durch Steuern, 1962, S. 58 f . 8 Vgl. Bellstedt, Chr., a.a.O. S. 68 f. 9 Dazu unten 3.
I. Spezielle erbschaftsteuerliche Begrenzungen
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des "nahestehenden" Erben vorgingen10• Der Erbvorgang liegt heutewie noch näher nachzuweisen sein wird11 - schon auf Grund der verfassungsrechtlichen Zuordnung zum privaten Eigentum wesentlich in der Privatsphäre. Eine generelle Erbschaftsbegründung aus öffentlichen Interessen oder aus öffentlich-rechtlichen Leistungen, welche etwa die Gemeinschaft dem Erblasser gegenüber erbracht habe 12 , scheidet damit von Anfang an aus. Dasselbe muß für eine Begründung der ErbSt gelten, welche diese als Ersatz für ein (nicht in Anspruch genommenes) Staats-Erbrecht konstruieren will. Im ErbSt-Anspruch steht der Staat dem Gewaltunterworfenen als ein "ganz anderer" gegenüber, nicht als Teil der "Gesellschaft"; er macht hier nicht etwa Ansprüche eines privaten Quasi-Fiskus geltend. ErbSt ist nicht Ersatz für Staats-Erbrecht. Sie kann daher auch nicht mit der speziellen Begründung angehoben werden, in einer Zeit steigender Sozialleistungen "werde der Staat dem Einzelnen immer näher verwandt". Solche Gedanken widersprechen den Grundprinzipien des GG, das keine derart unbestimmten Übergänge vom privaten zum öffentlichen Bereich kenne 3 • Der Staat kann sich also zur Rechtfertigung der ErbSt nicht auf eine generell durch Sozialleistungen begründete Quasi-Erbenstellung berufen. bb) Der Staat als "Verwandter" Eine spezielle Rechtfertigung der ErbSt soll sich aus der Auflösung der Großfamilie ergeben: Die Erbfolge habe sich im Familienverband vollzogen. Familiengut sei es eigentlich gewesen, das der pater familias bei Lebzeiten "verwaltet" habe und was nach seinem Ableben den Erben zufalle14 • Dieser Vermögensanfall könne steuerfrei bleiben, solange das Familiengut auch familienverbandliehe Funktionen erfülle, indem es die Einheit der Großfamilie vermögensrechtlich verfestige und für den Unterhalt bedürftiger Familienmitglieder zur Verfügung stehe. Bei konsequenter Fortführung derartig vorwiegend deutschrechtlicher Gedanken erscheint es dann sogar fraglich, ob noch von einem Vermögensübergang, von einem eigentlichen "Erbfall" gesprochen werden 10 Vgl. etwa bei Kipp, Th., Kommentar z. Erbschaftsteuergesetz, 1927, S. 5 - ein Gedanke, der für eine Zeit typisch ist, in der das Miterbenrecht des Staates auf Grund der WV diskutiert werden mußte (vgl. unten c). 11 Vgl. unten S. 43 f . 12 So etwa (allg.) Brinz, Erbrecht, in: Bluntschli-Brater, Dt. Staatswörterbuch, 1858, III, S. 412. 13 Daß sich die ErbSt nicht aus einem Miteigentumsrecht des Staates erklären lasse, ist auch früher bereits erkannt worden; vgl. etwa Zimmermann, F. W., Erbschaftsteuer, in: Stengel-Fleischmann, Wörterbuch des Dt. Staatsu. Verwaltungsrechts, 1911, I, S. 735/6. 14 Vgl. etwa Kipp-Coing, Erbrecht, 12. Aufl., 1965, S. 4.
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könne, wo doch die Erbschaft recht eigentlich der Familie gehöre, welche überdauere. ErbSt kann dann entweder überhaupt nicht in Betracht kommen oder es muß doch insoweit von ihr befreit werden, als das Vermögen gemeinsam erarbeitet wurde und als es familiensoziale Funktionen erfüllt. Nun läßt sich aber unschwer feststellen, daß seit Jahrhunderten der Großfamilienverband wenigstens als Wirtschaftseinheit in Auflösung steht. Dem entspricht die Regelung der Unterhaltspflicht, welche nur mehr auf Verwandte gerader Linie beschränkt ist. An die Stelle der zerstörten Großfamilie seien, so wird seit langem argumentiert15, Gemeinden und Staat getreten, welche nun ihre Fürsorge (Alimentierungspfiicht, Vormundschaft u. ä. m.) gewähren. Dies begründe ein "Erbrecht des Staates" 16, weil dieser Aufgaben der Großfamilie übernommen habe und damit in eine Art von "Verwandtenstellung" einrücke17• In der Weimarer Zeit wurde die ErbSt als Ersatz eines solchen Staatserbrechts gerechtfertigt18, von dem auch die Weimarer Verfassung auszugehen schien ("Anteil des Staatesam Erbgut", Art. 154 Abs. II) 19• Diese Begründung der ErbSt als Äquivalent für eine Quasiverwandtenstellung des Staates begegnet erheblichen Bedenken. Heute wird nicht mehr Familiengut, sondern Individualgut vererbt. Was ausnahmsweise, als "gemeinsam erarbeitetes Gut", zu Lebzeiten gemeinsames Eigentum ist (Gesetzlicher Güterstand), wird im Todesfall wieder ge15 Diese These wurde vor allem von Adolf Wagner vertreten, vgl. Lehrund Handbuch der polit. Oekonomie, IV/2, 2. Aufl. 1890, S. 589; vgl. auch Schanz, G., ErbSt, Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 111, 1900, S. 701; Marcus, J., Entwurf eines Gesetzes über das Erbrecht des Staates, Zentralblatt f. freiwillige Gerichtsbarkeit und Notariat 9 (1908), S. 346; Baron, J., AcP75 (1889), S.180); ders. bereits 1876 in: Jahrbücher für Nationalökonomie (Hildebrand-Conrad), S. 289. 16 Diese Gedanken fanden bereits vor 1914 verbreitete Billigung, vgl. etwa Hermes, J., Der Gesetzentwurf über das Erbrecht des Staates, 1913, insbes. S.14 f. 17 Früher wurde dies geradezu aus der Blut- und Rassengemeinschaft begründet, in der der Einzelne im Staats- oder Gemeindeverband stehe, vgl. etwa Bluntschli, J. C., Das Erbrecht und die Reform des Erbrechts, in: Ges. Kleine Schriften I, 1879, S. 236, 254; soweit eine Nachlaßsteuer nur damit begründet wird, daß der (Rechts-)Staat ja den Erbgang erst ermögliche (so etwa Harnack, A., Die Nachlaßsteuer vom sozialethischen Gesichtspunkt, Deutsche Revue, 34. Jg., 1. Bd. (1909), S. 171), wird der allgemeinen liberalen Rechtfertigung der Steuern nichts hinzugefügt (ebenso u. a. Wagner, A., Lehr- und Handbuch der politischen Oekonomie, IV/2, 2. Aufl., 1890, S. 589; Stier-Somio. F., Erbrecht, in: Elster, Wörterbuch der Volkswirtschaft, 1911, I, S. 809; Lampe, A., ErbStn, in: Wörterbuch der Volkswirtschaft, I, 4. Aufl., 1931, s. 701). 1s Grundlegend Boehmer, G., Erbrecht, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der RV, III, 1930, S. 278. 19 Anschütz, G., Kommentar zur RV, 14. Aufl., 1933, S. 721, meint, der Anspruch könne durch ErbSt oder in Form eines gesetzlichen Erbrechts des Staates verwirklicht werden.
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trennt. Es ist schwer verständlich, daß der Staat irgendwelche Rechte aus Begriff oder Funktion einer Großfamilie ableiten soll, die seit langem de jure und de facto nicht mehr besteht. Ein Erbrecht des Versorgungsstaates kann auch nicht damit begründet werden, daß es eben stets auf die Versorgungs- und Fürsorgestellung des Erben ankomme, was die herkömmlichen ErbSt-Privilegien der nahen Verwandten ja bewiesen. Ganz abgesehen davon, daß diese Vergünstigungen ein Recht des Staates schon voraussetzen - sie werden nicht gewährt, weil die nahen Verwandten unterhaltspflichtig sind, sondern weil nahe Blutsbande bestehen (aus denen sich wiederum die Unterhaltspflicht ergibt). Die Begründung: "ErbSt-Privileg als Äquivalent für Übernahme der Unterhaltslast durch Private- ErbSt als Äquivalent für den Unterhalt durch den Staat" entstammt der vermögensrechtlich-mechanistischen Zivilrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts. Sie wäre aus rechtsstaatlicher Sicht unhaltbar, würde doch das "Äquivalent" stets und praktisch nur dort in Anspruch genommen, wo die "Leistung" gerade nicht erbracht werden muß - wenn nämlich der Erblasser so vermögend ist, daß für Unterhalt und Fürsorge kein Raum ist. Dort umgekehrt, wo der Staat "die Großfamilie tatsächlich fürsorgend ersetzt", ist weder ErbSt zu holen, noch können Privilegien in Anspruch genommen werden. Das einzig geeignete und damit rechtsstaatlich unbedenkliche Mittel, die Privaten dazu anzureizen, dem Staat Unterhaltslast abzunehmen, ist die steuerliche Abzugsfähigkeit der Unterhaltsleistungen. Mit der ErbSt und der Befreiung von ihr hat all dies nichts zu tun. Art. 154 Abs. II WV gilt nicht mehr, der Staat hat nicht von Verfassungs wegen einen "Anteil am Erbgut" 20• Der Erbgang ist heute auch kraft Verfassung das, was er seit langem war - etwas essentiell Privates. Diese pseudofamilienrechtliche "Begründung" führt also auf Umwegen doch nur zu der bereits (oben aa) abgelehnten These "ErbSt weil Sozialfürsorge" zurück. Die ErbSt kann heute weder mit einer Verwandtenstellung des Fiskus begründet, noch kann ihre Erhöhung damit gerechtfertigt werden, daß der Einzelne "immer weniger in der Familie und immer mehr im Staat" stehe. Es ist für das Verständnis der ErbSt viel gewonnen, wenn all diese Begründungen ausscheiden, die auf privatrechtlich-genossenschaftliche Versuche der Konstruktion und Rechtfertigung der Staatsgewalt zurückgehen. Was immer deren wissenschaftliches Verdienst sein mag - in einem Staat des strikten Öffentlichen Rechts haben sie keinen Platz. 20 Vgl. zu diesem Begriff die klassischen Ausführungen von Wagner, A., Lehr- und Handbuch der politischen Oekonomie, IV, Finanzwissenschaft, 2. Teil, 2. Aufl., 1890, S. 588 f. Zum "Miterbrecht" des Staates vgl. kritisch aus finanzwissenschaftlicher Sicht (m. Nachw.) Ritschl, H., HDSW III, 1963, S. 275, sowie bereits Lampe, A., Erbschaftssteuern, in: Elster, Wörterbuch der Volkswirtschaft I, 4. Aufl., 1931, S. 703.
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cc) ErbSt als Sozialgestaltung Sozialgestaltung mag heute für manche Reformer wichtigstes Ziel und zugleich Rechtfertigung forcierter ErbSt sein, welche dann geradezu als Redistribution des Volksvermögens wirkt21 • Daß der Staat Sozialgestaltung durch Steuern betreiben22 , daß er so insbesondere Wirtschaftsintervention durchführen darf23, ist unbestritten. Die Sozialgestaltungswirkung einer forcierten ErbSt muß hier nicht im einzelnen dargestellt werden. Stets ist erkannt worden, daß eine Abschaffung oder wesentliche Reduzierung der Erbansprüche Privater zugunsten des Staates eine soziale Nivellierung bis zum integralen Kommunismus zur notwendigen Folge hat24 • Mögliche Sozialgestaltungswirkungen der ErbSt sind zwar, vor allem in früherer Zeit, häufig diskutiert worden. In diesem Zusammenhang wurden sogar Grundfragen der Sozialpolitik unter starkem politischen Engagement erörtert. Sozialpolitische Thesen haben jedoch, soweit ersichtlich, bisher nie die Ausgestaltung der ErbSt in nennenswerter Weise beeinflußt. Dies aber ist entscheidend, wenn der traditionelle Steuerkern der ErbSt bestimmt werden solF5 • Wenn es überhaupt eine Tradition im Steuerrecht gibt, so zeigt sie eindeutig die ErbSt als eine Finanzbedarfs-, nicht als eine Sozialgestaltungsabgabe. Neben den rein fiskalischen Erwägungen der leichten Realisierbarkeit26 ist es vor allem der Gesichtspunkt des Vermögens21 Vgl. insbesondere Kisker, K. P., Die ErbSt als Mittel der Vermögensredistribution, 1964. 22 Vgl. m. Nachw. Klein, F., Gleichheitssatz, S. 118 f., 207/8, sowie insbes. BVerfGE 13, S. 346. 23 Dazu u . a. Badura, P., Verwaltungsrecht im liberalen und im sozialen Rechtsstaat, 1966, S. 25/6; Herzog, R., Eigentum, EvStL 1966, Sp. 384/5; Klein, F., Gleichheitssatz, S. 121, 203 f.; Schüle, A., Die staatl. Intervention im Bereich der Wirtschaft, VVdStL 11 (1954), S. 93 f. m. Nachw.; Knoll, E., Eingriffe in das Eigentum im Zuge der Umgestaltung gesellschaftl. Verhältnisse, AöR 79 (1953/54), S. 471 f.; sowie aus der Judikatur vor allem BVerfGE 13, s. 203; 13, s. 331; 16, s. 161; 19, s. 125. 24 Einzelheiten und Nachw. zu den sozialistischen und kommunistischen Anti-Erbrecht-Bestrebungen seit dem Kommunistischen Manifest bei Böhmer, G., in: Die Grundrechte und Grundpflichten der RV, S. 265; Boehmer, G., Erbrecht, Staudingers Kommentar zum BGB, 1954, Einl. § 23 II ; vgl. auch Menger, A., Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1908, S. 214; Renner, K., Die Rechtsinstitute des Privatrechts und ihre soziale Funktion, (Neudr.) 1965, S. 167 f. 25 Zur Geschichte der ErbSt vgl. u. a. Brunner, H., Zur Geschichte der ältesten deutschen ErbSt, Festschrift für von Martitz, 1911, S. 1 f.; Ritschl, H., ErbSt, HDSW 3, 1963, S. 273; Kisker, K. P., ErbSt, S. 96 f. 26 Vgl. bereits Schanz, G., Erbschaftsteuer, S . 699; Schall, K. Frh. v., in: v. Schönberg, Hdb. der polit. Ökonomie, III/1, 4. Aufl., 1897, S. 738; Neumann, Fr. J., Annalen des Dt. Reiches, 1909, S. 417.
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anfalls27 , der sie rechtfertigen soll. Dies aber steht weit näher bei fiskalischen Bestrebungen, die holen wollen, wo sich etwas fordern läßt28 , als bei echter, tiefgreifender Sozialgestaltung. Auch wenn die Rechtfertigung der ErbSt darin gesehen wird, daß hier ex post das bisher ungenau erfaßte oder hinterzogene Vermögen belastet wird, oder daß Wertsteigerungen abgeschöpft werden sollen29 , so steht nicht Sozialgestaltung, sondern Realisierbarkeit und Steuergerechtigkeit im Vordergrund. Eine drastische Erhöhung der ErbSt würde daher einen völligen Bruch mit der gesamten Tradition der Steuerziele bei dieser Steuerart bedeuten und den Kern der ErbSt alternieren. Wer es noch mit dem GG in Einklang bringt, daß eine typische "Abschöpfungssteuer" zu einer gesellschaftverändernden Sozialgestaltungssteuer ausgebaut wird, der kann wohl bei keiner Steuerart mehr einen Wesenskern finden, was doch die Steuerverteilung des GG verlangt. Wird überdies bei einer Steuerart, welche bisher kaum sozialgestaltenden Effekt hat, zu solcher Zielsetzung übergegangen, so müssen besonders sorgfältig die grundrechtlichen Schranken beachtet werden30• Das herkömmliche Wesen der deutschen ErbSt schließt daher eine primär sozialgestaltende Zielsetzung aus. Jedenfalls muß diese hinsichtlich ihrer Intensität in Grenzen gehalten werden. Wo solche im einzelnen liegen, kann nur die Verfassungsgerichtsbarkeit bestimmen. Sie muß sie jedoch - unabhängig von jeder Grundrechtlichkeit schon aus dem Begriff der ErbSt selbst zu entwickeln suchen.
Exkurs: Die sozialpolitischen Argumente zugunsten einer Anhebung der ErbSt Obwohl also sozialpolitische Argumente nicht Eingang in die deutsche ErbSt-Gesetzgebung gefunden haben, soll doch noch kurz auf die wichtigsten bisherigen Begründungsversuche für eine sozialgestaltend-forcierte ErbSt eingegangen werden, ist doch damit zu rechnen, daß sie von den Reformern erneut aufgegriffen werden. Sie kommen weniger 27 Z. B. Zimmermann, in: Stengel-Fleischmann, Wörterbuch, S. 735/6; Paulick, H., Erbschaftsteuer, Staatslexikon III, 1959, Sp. 1; Lenski, E., Erbschaftsteuer, 2. Aufl., 1960, S. 2; Megow, H., ErbSt-Gesetz, 3. Aufl., 1955, S. 23; Schall, K. Frh. v., a.a.O ..
Vgl. unten dd. Siehe Ritschl, H., a.a.O. S. 275. Solche Begründungen sind übrigens nach heutigem Verfassungsrecht unzulässig: Die ErbSt ist ein viel zu grobes Instrument, um derartige Ungerechtigkeiten auszuschalten, für deren Ausgleich zahlreiche andere sachnähere Gestaltungsformen zur Verfügung stehen. Sie trifft nicht nur Spekulanten und Hinterzieher, und es ist schlechthin abwegig, gegenüber allen Staatsbürgern den impliziten Vorwurf der Steuerhinterziehung zu erheben. Hier würde gegen die Rechtsstaatlichkeit, insbesondere gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. ao Vgl. unten S. 39 f. 28
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aus sozialistischer Parteipolemik31 , als vielmehr aus dem deutschen Kathedersozialismus. Bei näherer Prüfung ergibt sich jedoch, daß sie meist mit den Prinzipi€-n der grundgesetzliehen Ordnung nicht vereinbar sind: Häufig wird betont, daß die ErbSt nur unverdientes Einkommen entziehe, das dem Prinzip der Arbeit widerspreche, auf dem Staat und Gesellschaft aufgebaut seien32• Der Erbe müsse daran erinnert werden, daß erben etwas anderes s€-i als erwerben33• Einige Länderverfassungen verlangen besondere Rücksicht auf erarbeitetes Einkommen3' . Diesen Thesen steht jedoch nicht nur entgegen, daß die ErbSt neben dem Erben auch den Erblasser trifft, der das Vermögen etwa €-rarbeitet hat, und daß das GG "verdientes" wie "unverdientes" Vermögen gleichmäßig schützt35• Es wird hier ein scharfes, geradezu hochliberales Leistungsprinzip zugrundegelegt, das der heutigen Sozialstaatlichkeit nicht entspricht und das überdies in sich nicht folgerichtig ist. Wird das "un• v€-rdiente" Vermögen in großem Umfang durch ErbSt entzogen, so kann dies in der heutigen Wirtschaftsordnung nur zu einer Form der Redistribution führen. Damit aber erhalten gerade jene das Entzogene, welche dies ihrerseits- wahrhaft nicht "verdient" haben. So enthüllt sich eine wirklich "doppelte Moral" dieser Leistungsbegeisterung, die nur beim Nehmen gilt, nicht beim Verteilen - ganz abgesehen davon, daß es einem Staat, der in mächtigen Lotterien den Anfall wahrhaft unverdienten Großvermögens fördert, schlecht ansteht, nur "verdient€-5" Vermögen zu schützen. Die These von der Schutzunwürdigkeit des nicht verdienten Gutes vermag also schon deshalb eine forcierte ErbSt nicht zu begründen, weil sie die Redistribution und damit das Ziel solcher Steuergestaltung nicht rechtfertigen kann. Diskutabel wird sie allenfalls in Verbindung mit der - ebenfalls dem Liberalismus entlehnten - Begründung aus der Notwendigkeit der Herstellung ökonomischer Startgleichheit durch Nivellierung der Vermögensverhältnisse36 : G€-rade eine auf Wettbewerb 31 So verlangt etwa das Erfurter Programm der SPD (1891) lediglich eine Progression der ErbSt nach Umfang des Erbgutes und Verwandtschaftsgrad, betont jedoch zugleich die fiskalische Rechtfertigung der Abgabe (Zit. nach Mommsen, W., Deutsche Parteiprogramme, 2. Aufl., 1960, S. 352). 32 Vgl. insbes. Baron, J., Das Erbrecht in dem Entwurf eines bürgerl. Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, AcP 75 (1889), S. 189; Neumann, Fr. J ., Annalen des Dt. Reiches, 1909, S. 417; vgl. auch Boehmer, G., Erbfolge und Erbenhaftung, 1927, S. 4; siehe auch Ritschl, H., HDSW 3, S. 275; Lange, H., Lehrb. des Erbrechts, 1962, S. 21; Kisker, K. P., ErbSt, S. 15. 33 Harnack, A., Die Nachlaßsteuer vom sozialethischen Standpunkt, Deutsche Revue, 34. Jg., 1. Bd. (1909), S. 171. 3c BayVerf. Art. 168 Abs. li; HessVerf. Art. 47 Abs. II. 35 Dazu näher unten S. 84 f. 36 Vgl. dazu Ritschl, H., a.a.O.
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beruhende Wirtschaftsordnung wie das GG sie voraussetze, verlange staatliche Eingriffe, welche immer wieder die Ungleichheiten der konkurrenziellen Ausgangslage beseitigten. Doch auch diesem Rechtfertigungsversuch stehen bereits die oben angedeuteten Bedenken entgegen: Er setzt voraus, daß unsere Wettbewerbsordnung eine reine Ordnung persönlicher Leistung sei, was nicht zutrifft. In den Konkurrenzbegriff wird a priori eine Erbschaftsfeindlichkeit hineininterpretiert, welche die Argumentation zu einer petitio principii macht. Die Wettbewerbsordnung fragt eben - in ihrem herkömmlichen Verständnis - nicht nach der Herkunft der in der Konkurrenz eingesetzten Mittel. Regelnd greift der Staat hier nur in einem Punkt ein: nicht um die Leistungsherkunft der Mittel zu erzwingen, sondern um deren wettbewerbswidrigen Einsatz zu verhindern. Eine Begründung redistributiver ErbSt aus der Startgleichheit würde ferner sogar das durch den Marxismus geforderte Verständnis der Funktion von Eigentum und Kapital ignorieren: Nicht so sehr der Start entscheidet, die unsoziale Ungleichheit stellt sich vielmehr gerade "beim Lauf" ein. Das Problem der Wettbewerbsgleichheit darf heute nicht mehr vereinfachend auf die Startegalität reduziert werden. Schließlich ist die ErbSt gerade nicht das adäquate Instrument, um eine Startgleichheit zu erzwingen. Die Ungleichheit liegt in aller Regel in den Einkommensverhältnissen der Eltern37• Erbschaften fallen häufig erst an, nachdem das "Rennen längst gelaufen ist". Die ErbSt ist also ein derart ungeeignetes Mittel, um die Startgleichheit herzustellen, daß sie sich nach rechtsstaatliehen Grundsätzen aus dieser nicht rechtfertigen läßt. Bleibt die allerallgemeinste sozialpolitische Begründung: Der "überspannten Ansammlung von Gütern in wenigen Familien" 36 könne und müsse durch sozialgestaltende ErbSt entgegengewirkt werden39• Dem GG ist ein so allgemeines Verfassungsziel nicht zu entnehmen. Soweit "Riesenvermögen" als bedenklich erscheinen~0 , beruht dies nicht pauschal auf der Größe der Vermögensmasse, sondern auf deren spezieller und besonders nachzuweisender sozialer Gefährlichkeit. Diese kann sich entweder daraus ergeben, daß marktbeherrschender Einfluß ausgeübt wird, oder daß sich das Riesenkapital übermächtigen Einfluß auf die politische Willensbildung schafft. Beidem - ebenso wie besonders antisozialen, So zutr. Ritschl, H., a.a.O. Vgl. aus der klassischen Lit. Bluntschli, J. C., Das Erbrecht und die Reform des Erbrechts, in: Ges. Kleine Schriften, 1879, S. 253; krit. dazu StierSomlo, F., Erbrecht, in: Elster, Wörterbuch der Volkswirtschaft, 1911, I, s. 808/9. 39 Vgl. dazu Ritschl, H., a.a.O., S. 275 f. 40 Vgl. etwa Art. 123 Abs. li S. 1: "Die ErbSt dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern." 37
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etwa betriebsstrukturellen Auswirkungen - kann und muß durch gezielte Maßnahmen entgegengewirkt werden, die auch auf steuerlichem Sektor liegen könen. Das Antikonzentrationsrecht stellt hier ein - noch weiter zu entwickelndes- Instrumentarium zur Verfügung. Die grobe und pauschale Waffe der ErbSt läßt sich so nicht in einem Rechtsstaat rechtfertigen, der das spezielle Interventionsziel wie die speziell darauf gerichtete geeignete Maßnahme verlangt. Mit dem naiven generellen Affekt gegen "das Riesenvermögen" kann heute nicht mehr, nach Art des 19. Jahrhunderts, Sozialpolitik betrieben werden. Und wenn dies schon über Steuern geschehen soll, so bieten sich hier andere Abgaben, insbesondere Einkommen- und Vermögensteuer an, nicht die ungeeignete und unverhältnismäßig schwer belastende ErbSt. Die einzige m. E. stichhaltige Argumentation, die sich zur Rechtfertigung der ErbSt der sozialpolitischen Diskussion entnehmen läßt, geht dahin, daß diese Abgabe als ein Äquivalent für das sozialpolitisch nicht unbedenkliche41 unbeschränkte Verwandtenerbrecht verstanden wird42 - dann aber beschränkt sich die Begründung auf die Rechtfertigung erheblicher Progression bei entfernten Verwandten. Im ganzen sind also heute keine möglichen sozialpolitischen Begründungen ersichtlich, welche eine durchgreifende Sozialgestaltung durch ErbSt tragen könnten. Was früher vor allem erörtert worden ist, steht heute meist im Widerspruch zu den Grundgedanken des Grundgesetzes, die der Steuergesetzgeber selbst dann berücksichtigen muß, wenn ihm ein weites Gestaltungsermessen zusteht. Wenn in Zukunft überhaupt Sozialgestaltung durch ErbSt zulässig sein soll, so müssen Ziele und ZielMittel-Relationen völlig neu überdacht und vor allem spezialisiert werden. Auf das alte sozialpolitische Repertoire kann nicht zurückgegriffen werden. dd) Fiskalische Zielsetzung Die Bedeutung der Leistungsfähigkeit Erste und beste Begründung für jede Steuer ist der Finanzbedarf des Staates43 • Fiskalische Erwägungen standen auch stets bei der ErbSt 41 Vgl. die Polemik dagegen bei MilZ, J. St., Grundsätze der polit. Ökonomie, 2 Bde., übersetzt von Soetbeer, A., 1852, Buch II, Kapitel II, § 2 (S. 261); Menger, A., Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1908, S. 320 f.; Bamberger, G., Für das Erbrecht des Reiches, 1912, S. 16 f. m. Nachw.); Bamberger, G., Erbrechtsreform, 1908, S. 18; für ein unbeschränktes Verwandtenerbrecht vgl. Motive zu den Entwürfen eines BGB für das Deutsche Reich, V, Erbrecht, 2. Aufl., 1896, S. 36617. 42 Ritschl, H., a.a.O., S. 276. 43 Dazu Klein, F., Eigentumsgarantie und Besteuerung, StuW 1966, S. 480 f. m. Nachw. Aus der Judikatur vgl. jedoch vor allem BVerfGE 6, S. 81; 13, s. 203.
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deutlich im Vordergrund44 : Es sei Vermögen vorhanden, das der bisherige Eigentümer offensichtlich nicht mehr benötige und welches für den Erben ein oft unvorhergesehenes Geschenk darstelle. Daß sich hier der Staat einschaltet, ist grundsätzlich berechtigt, weil ersichtlich "etwas zu holen" ist, also jene steuerliche Leistungsfähigkeit vorliegt, welche seit der Französischen Revolution zugleich als Rechtfertigungs- und Gestaltungsprinzip für die Steuergesetzgebung angesehen worden ist45 • Gerade weil die Erhebung einer ErbSt grundsätzlich und bisher ausschließlich durch den Finanzbedarf des Staates in Verbindung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip gerechtferti•gt worden ist, muß einer Behauptung entgegengetreten werden, mit der die Erhöhung der ErbSt rein steuerrechtlich begründet werden soll 46 : Die Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit verlange die Anhebung der Steuersätze, die Umgestaltung der Privilegien, die Gleichbehandlung verschiedener Arten von Vermögensgegenständen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist jedoch mehrdeutig. Soweit es besagt, daß Steuerschuld dort begründet werden soll, wo die Steuer praktisch erhoben werden kann, handelt es sich um das Problem einer Praktikabilität, welche Steuererhöhungen nicht "fordert". Soll jedoch nach dem Prinzip "jeder nach seinen Vermögensverhältnissen" herangezogen werden, so wird nicht ein Ziel der Steuer oder deren Rechtfertigung angesprochen, sondern allenfalls Ausgestaltungsformen (insbesondere die Progression)47 • Im ganzen ist das Leistungsfähigkeitsprinzip eine nähere Bestimmung von Voraussetzungen, unter denen der staatliche Finanzbedarf gedeckt werden darf, und der Formen, in denen dies geschehen kann. Eine selbständige Rechtfertigungsbedeutung neben dem staatlichen Finanzbedarf kommt ihm nicht zu. Der Grundsatz der Leistungsfähigkeit enthält ferner kein zwingendes, rechtlich faßbares Gebot für die Staatsgewalt, diese oder jene Steuer zu erheben oder die Abgabenschuld in einer bestimmten Form auszugestalten. Die Schranke bildet hier die Steuergerechtigkeit, insbesondere die Steuergleichheit (Art. 3 Abs. I GG). Diese gewährt dem Gesetzgeber einen sehr weiten Gestaltungsspielraum. Werden dessen letzte Schranken nicht überschritten, so ist der Staat frei; er kann sich aber, 44 Vgl. oben cc; selbst der wiss. Beirat beim BMinFin, der 1953 die Beibehaltung dieser Abgabenart um deren "politisch-sozialer Funktion willen" empfahl, räumte ein, daß sie hinter primär sozialgestaltende Großsteuern (insbesondere LAG) zurückzutreten habe (Organische Steuerreform, 1953,
s. 55).
45 Dazu Klein, Franz, Gleichheitssatz, S. 44/5, 70, 117/8, 154, 191, 208 f. m. Nachw.; Grundlegend Wagner, A., a.a.O. 46 Gutachten des wiss. Beirats beim BMinFin, a.a.O. 47 So auch Ritschl, H., HDSW 1963, S. 275.
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solange er die Gleichheit nicht verletzt, nicht darauf berufen, daß er durch das Leistungsfähigkeitsprinzip zu dieser oder jener Gestaltung, etwa von Verfassungs wegen, verpflichtet sei. Außer Zweifel steht, daß die bisherige Form der ErbSt nach Tarif, Vergünstigungen, Verschiedenbehandlung von Vermögensgegenständen mit der Verfassung vereinbar ist. Zu ihrer Veränderung kann der Staat nicht eine angebliche rechtliche Verpflichtung (Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit) in Anspruch nehmen. Er würde sonst eine Ermessensbindung zugrunde legen, wo eine solche im einzelnen nicht besteht und somit ermessensfehlerhaft handeln. Überdies würde zu Unrecht der Eindruck erweckt, als gingen den Grundrechten der Bürger präzise Gegenrechte der Staatsgewalt auf eine bestimmte Steuergestaltung vor, welche soz. als leges speciales die Geltendmachung von Grundrechten ausschlössen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip steht schließlich als Ausdruck der Steuergleichheit stets unter dem Vorbehalt, daß unter Berufung darauf nicht andere Grundrechte verletzt werden'8 • Die Verfassung verlangt grundsätzlich zunächst die Beachtung derjenigen Differenzierungen, welche sie selbst in den Grundrechten ausdrücklich fordert. Erst wenn dem Genüge getan ist, kann im übrigen die allgemeine Gleichheit (Art. 3 Abs. I GG) und damit auch das Prinzip der Leistungsfähigkeit eingreifen. Nie können also unter Berufung auf Leistungsfähigkeit grundrechtliche Schranken beseitigt werden. Der Grundsatz der Leistungsfähigkeit ist somit bei richtigem Verständnis nicht eine selbständige Steuerrechtfertigung, sondern er rechtfertigt Ausgestaltungsformen einer bereits begründeten Abgabenart. Die Veränderung des geltenden ErbSt-Systems wird durch ihn nicht in besonderer Weise nahe gelegt, geschweige denn zwingend gefordert. Noch eine weitere mögliche "Rechtfertigung" der ErbSt (und ihrer Erhöhung) erweist sich bei näherem Zusehen nur als Ausdruck allgemein fiskalischer Erwägungen in Verbindung mit dem Gedanken der Steuergle-ichheit: Da die Erbschaft für den Erben einen (großen) Anfall von "Einkommen" darstelle, müsse dieser Vorgang von einer Staatlichkeit besonders besteuert werden, die geradezu auf einem Einkommensteuersystem beruhe. Sicher hat dieser Gedanke des "Anfalls" von Anfang an Bedeutung für die Einführung der ErbSt gehabt49• Wohl können an sich die Relationen zwischen Einkommensteuer und ErbSt bei der Ausgestaltung der letzeren herangezogen werden50• Beachtlich 48 Zum "Zurücktreten" des Leistungsfähigkeitsprinzips vgl. in anderem Zusammenhang Klein, F., Gleichheitssatz, S. 154. 49 Vgl. Zimmermann, F. W., a.a.O. 50 Anklingend etwa bei Terdenge, H., Erbschaftsteuer, Staatslexikon 1926, I, S.1714 f. ; für die Schweiz vgl. Großmann, E., Der Standort der Erbschaftsteuer im Föderativstaat, Festschr. f. Blumenstein, Zürich 1946, S. 42 f.
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ist jedoch, daß dem in der bisherigen Tradition der deutschen ErbSt noch nie ausschlaggebende Bedeutung zugemessen worden ist. Die deutsche ErbSt war nie Ergänzung oder Korrelat zur Einkommensteuer. Eine Veränderung des geltenden ErbSt-Rechts wird also nicht durch die Entwicklung der Einkommensteuer zwingend gefordert. Zweifelhaft ist es sogar, ob die Ausgestaltung der ErbSt in voller Anlehnung an die Einkommensteuer nicht den traditionellen Grundsätzen des deutschen ErbSt-Rechts widersprechen würde. Erbschaft ist ein herkömmlicher steuerlicher Sondertatbestand, sie ist weder "Vermögenszugewinn schlechthin" noch "Einkommen". Im einzelnen mag hier dem Gesetzgeber Spielraum bleiben - wenn er diese Grundsätze nicht beachtet, verändert er den Steuerkern und verstößt gegen die Steueraufkommensverteilung des GG. Die ErbSt ist also wie die Einkommensteuer - aber nicht als Ergänzung zu dieser - bisher durch den allgemeinen staatlichen Finanzbedarf gerechtfertigt worden; die Tradition zeigt dies sogar als einzige Begründung. Verstummt sind zwar die Stimmen, welche das erbschaftsteuerliche Eingreifen in den privaten Bereich nicht mit den so vorübergehenden Bedürfnissen staatlichen Finanzbedarfs rechtfertigen lassen wollten51 • Für die mit dem Begriff ErbSt gegebenen Steuerziele läßt sich jedoch feststellen: Die ErbSt hat nach deutschem Finanzverfassungsrecht der Deckung des staatlichen Finanzbedarfs zu dienen. Sozialgestaltung kann hier nur sekundär, am Rande betrieben werden. Der Gesetzgeber ist durch das Wesen der ErbSt, durch das Leistungsfähigkeitsprinzip oder durch spezielle Steuerrechtfertigungsgründe nicht zu einer Veränderung des geltenden ErbSt-Rechts gezwungen.
c) Die Ausgestaltung der ErbSt Jede Veränderung der ErbSt-Gestaltung muß den herkömmlichen Ausgestaltungsprinzipien Rechnung tragen, welche neben den Abgabenzielen den Kern dieser Steuerart ausmachen. Hier ist zunächst der traditionelle Grundcharakter der deutschen ErbSt herauszustellen: Sie war stets eine Partizipations-, nicht eine Abschöpfungsabgabe. Selbst in der späten kaiserlichen und in der Weimarer Zeit, als noch der Erbanteil des Staates diskutiert wurde52, war unbestritten, daß es ein "Anteil" nur sein dürfe, der einem größeren Ganzen gegenüberstehe. Selbst damals, bei solcher Gestaltung, wäre also der (wirtschaftlich) vollständige Entzug des Erbgutes verfassungs51
s2
Vgl. Boehmer, Erbrecht, in: Die Grundrechte, 1930, S. 279 m. Nachw. Vgl. oben S. 19 f.
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A. Steuer(verfassungs)rechtliche Grundprinzipien
widrig gewesen. Bei einem quasi-totalen Einziehen der Erbschaft hätte von "Anteil" kaum die Rede sein können. Es kann hier offen bleiben, ob nach dem Wegfall des Art. 154 Abs. II WV eine erbanteilsmäßige Beteiligung des Fiskus überhaupt noch mit dem wesentlich privaten Charakter des Erbrechts vereinbart werden könnte (Art. 14 Abs. I GG). Der Gesetzgeber hat schon damals mit der ErbSt ersichtlich die mildere Form des staatlichen Beteiligungsrechts realisieren wollen. Was aber selbst dem Staat als Miterben versagt geblieben wäre, darf erst recht nicht durch Mißbrauch der zurückhaltenden Beteiligungsform der Steuer erreicht werden: Ein vollständiger oder quasi-totaler Entzug des Erbgutes auf dem Umweg über die ErbSt ist schon wegen Verstoßes gegen den Begriff der deutschen ErbSt verfassungswidrig. Hie·r kann auch nicht mit dem noch zu erörternden Kunstgriff argumentiert werden, die Steuer entziehe kein Gut, sie begründe lediglich Forderungen53 : Da der ErbStGesetzgeber höchstens den "Anteil des Staates am Erbgut" realisieren soll, kann ihm unter keineri Umständen mehr gestattet sein, als dem Staat als Miterben. Daß das GG durch Nichterwähnung des Grundsatzes von Art. 154 Abs. II WV die Lage der Erben gegenüber dem Steuergesetzgeber noch habe versc.l-tärfen wollen, ist abwegig. Der traditionelle Partizipationscharakter der deutschen ErbSt kommt auch darin zum Ausdruck, daß ihre Tarife bisher so gestaltet waren, daß sie in der Regel durch Belastung des ererbten Gutes oder Veräußerung von Randwerten des Erbgutes aufgebracht werden konnte. Die Tarifhöhe hat also unter diesem Gesichtspunkt Bedeutung für den Wesenskern der ErbSt. Wird die Steuer dagegen in einer Weise angespannt, daß sie in aller Regel nur mehr nach Veräußerung oder Zerschlagung des Erbgutes oder tiefgreifender Umgestaltung der sonstigen Vermögenspositionen des Erben entridltet werden kann, so partizipiert, der Staat nicht mehr an einem Vorgang, den er als solchen ablaufen läßt- er bestimmt vielmehr den Ablauf und die Bedeutung des Vorganges selbst. Hier bereits, beim Begriff der ErbSt scheint daher ein Gedanke auf, der bei der Garantie des Erbrechts wiederkehren wird: Die ErbSt setzt begrifflich einen selbständigen Bereich "Erbschaft" voraus, an dessen Genuß der Fiskus teil hat, den er aber nicht oder jedenfalls nicht für ganze Klassen von Vermögensobjekten als solche alterieren darf. Die Analogie zu einem in den Spitzen vollständigen Wegsteuern des Einkommens trifft hier schon begrifflich nicht zu: Einkommen ist ein in sich wesentlich gleichartiger Geldbetrag, der quantitativ reduziert wird; ein "Wegsteuern" der Erbschaft dagegen eliminiert das "Erbgut" als solches, als strukturierte Einheit und vollzieht daher, von der Partizipation zur Entwehrung fortschreitend, eine Metabasis 53
Näher unten S. 73 f.
I. Spezielle erbschaftsteuerliche Begrenzungen
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eis allo genos, welche den Wesenskern der Steuerart verändert. Die ErbSt muß also stets in ihrem Partizipationscharakter erhalten bleiben. Sie ist akzessorische Teilhabe an einem Erbgut, das sie nicht entwehren darf, ohne den traditionellen ErbSt-Begriff preiszugeben. Daß die ErbSt nicht aus einer speziellen, wenig bedeutsamen SondersteuE-r zu einer zentralen Großsteuer der Bonner Finanzverfassung werden darf, wurde bereits54 dargelegt. Daß die Einteilung in mehrere Steuerklassen, daß Freigrenzen oder Freibeträge als solche zum Wesen der ErbSt gehören, läßt sich zwar nicht behaupten. Fraglich ist dagegen, ob die Berücksichtigung des Erbenvermögens nicht gegen die herkömmlichen Prinzipien des ErbSt-Rechts verstößt, welches stets auf Erblasser und Erbschaft, nicht auf den Erben geblickt hat55• Die herkömmliche Ausgestaltung der deutschen ErbSt verlangt also, daß auch in Zukunft deren Partizipationscharakter erhalten bleibe; eine radikale Anhebung verstößt sowohl dagegen, wie sie auch den traditionellen Spezialsteuercharakter alteriert.
3. Kongruenz mit dem bürgerlichen Erbrecht
Daß die verfassungsmäßige Garantie des Erbrechts (Art. 14 Abs. I GG) eine gewisse Kongruenz zwischen ErbSt und Grundsätzen des bürgerlichen Erbrechts verlangt, wird näher bei der Behandlung der Erbrechtsgarantie nachzuweisen sein56 • Bereits im Begriff der ErbSt liegt jedoch, unabhängig von jeder weiteren Verfassungsgarantie, eben diese wesentliche Verbindung zu den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts. Daran hat Art. 14 Abs. I GG nichts geändert. Steuertatbestand ist hier "die Erbschaft", welche durch das bürgerliche Recht näher bestimmt wird. Inhalt des Steueranspruchs ist (wirtschaftliche) Teilhabe am Erbgut. Die ErbSt-Gestaltung darf sich daher weder in Widerspruch setzen zu dem, was das bürgerliche Recht als Erbschaft (im Sinn etwa der Universalsukzession) bezeichnet oder mit fiskalischen Mitteln diesen Begriff wieder aus der wirtschaftlichen Wirklichkeit eliminieren, noch ist es bedeutungslos, wer nach Zivilrecht anfallsberechtigt ist - denn wirtschaftlich gesehen ist es mit dem Steueranspruch auch der Staat; dies muß mit den zivilrechtliehen Anfallbestimmungen in einem Sinnzusammenhang koordiniert werden.
54
55 56
Vgl. oben S. 15 f.
Dazu noch unten S. 32 f. Unten S. 43 f.
32
A. Steuer(verfassungs)rechtliche Grundprinzipien
II. Begrenzungen durch allgemeine steuerliche Grundsätze und Begrifflichkeit Die ErbSt ist eine öffentliche Abgabe, nicht eine zivilrechtliche Forderung des Staates, welche etwa nur dessen "Pflichtteilanspruch" bezeichnen würde 57• Sie muß daher auch nach Grundsätzen und Begrifflichkeit des allgemeinen Steuerrechts, nicht nach den rechtstechnischen Formen des Pflichtteil- und Vermächtnisrechts beurteilt werden. 1. Die ErbSt zwischen Verkehrssteuer und Vermögenssteuer
a) Die h. Auffassung vom "Mischcharakter" der ErbSt In der Dogmatik des deutschen Steuerrechts ist nicht entschieden, ob die ErbSt eine Verkehrsteuer oder Besitzsteuer isf;8 • Im letzteren Fall wäre sie eine Personensteuer mit der Wirkung einer effektiven Vermögensteuer (Paulick). Die überwiegende Auffassung geht auch heute noch59 dahin, daß bei der ErbSt Elemente der Verkehr- und Besitzsteuern zusammentreffen, daß sie aber wenigstens insoweit der Vermögensteuer nahesteht, als der Gesetzgeber davon ausgeht, daß sie (notfalls auch) aus der Substanz des angefallenen Vermögens bezahlt werden muß60 • Aus dem GG ergibt sich, daß die ErbSt keine Verkehrsteuer ist sie wird mehrfach den "Verkehrsteuern" schlechthin (nicht etwa "den übrigen Verkehrsteuern") gegenübergestellt (Art 105 Abs. II Nr. 1 und 2; Art. 106 Abs. II Nr. 2 und 4). Daraus folgt aber noch nicht, daß von Verfassungs wegen nunmehr die ErbSt als Besitzsteuer anzusehen wäre61 : In Art. 105 Abs. II Nr. 2 GG steht die Erbschaft- und Schenkungsteuer neben der Vermögen- und der Einkommensteuer. Letztere aber ist sicher keine Besitzsteuer. In Art. 106 Abs. II GG ist die ErbSt zwar nach der Vermögensteuer genannt, jedoch nicht neben dieser, sondern in 57 Vgl. dazu Großmann, E., Festschr. f. Blumenstein, 1946, S. 37 f., unter Kritik der Auffassungen von Bhmtschli und Ad. Wagner; bedenklich die Formulierungen bei Boehmer, G., in: Die Grundrechte III, 1930, S. 279. •s Barske, K., RAO, Kurzlehrbuch, 1962, S. 10; Bilhler, 0., Steuerrecht II, 3. Auf!., 1958, S. 169; Troll, M., Erbschaftsteuere 1959, S. 41; Lenski, E., Erbschaftsteuer, 2. Auf!., 1960, S. 3; Paulick, H., Erbschaftsteuer, Staatslexikon III,
Sp.l.
59 Nachw. zum früheren Meinungsstand bei Kipp, Th., Kommentar z. ErbSt-Gesetz 1927, S. 7; vgl. etwa Schall, K. Frh. v., in: v. Schönberg, Handbuch der polit. Ökonomie III/1, 4. Aufl., 1897, S. 738: Vermögensteuer in Verkehrsteuerform; Lampe, A., ErbStn, in: Elster, Wörterbuch der Volkswirtschaft, I, 4. Aufl., 1931, S. 701: Vermögensverkehrsteuer. &o So Paulick, Bilhler, Troll, a.a.O.; den Vermögensteuercharakter betont Ritschl, H., HDSW 3, 1963, S. 274. 61 So vorschnell Maunz-Dilrig-Herzog, GG, Art. 105 Rdnr. 6.
II. Allgemeine steuerliche Grundsätze und Begrifflichkeit
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einer besonderen Ziffer. Im selben Absatz wird aber auch das Aufkommen von Verkehrsteuern den Ländern überlassen. Das GG hat also die ErbSt in keiner Weise qualifiziert. Will man seine Formulierungen nicht überinterpretieren, so spricht alles dafür, daß die ErbSt als eine "Abgabe sui generis" angesehen wird, bei der eben Elemente von Besitz- und Verkehrsteuern zusammentreffen. Hinreichende Tradition hat die ErbSt in Deutschland, dieser "Mischcharakter" ist auch stets angenommen worden. Verfassung und Steuerrechtsdogmatik stimmen insoweit überein. b) Folgerungen für eine Begrenzung der ErbSt-Gesetzgebung Wenn die ErbSt eine Verkehrsteuer ist, welche (zugleich) Wirkungen einer Besitzsteuer entfaltet, so ergeben sich aus dieser allgemeinen Steuerbegrifflichkeit gewisse Schranken für den Steuergesetzgeber: - Er muß auch dem Verkehrsteuercharakter der ErbSt stets Rechnung tragen, die eben nicht die laufende Besteuerung eines Vermögens sondern den einmaligen Zugriff auf einen "Anfall" darstellt: Der Staat will durch die ErbSt an einem Vermögensverkehr partizipieren, er darf daher diesen Vorgang nicht völlig aufheben oder in eine andere Richtung lenken, ihn also als solchen "umfunktionieren". Dies aber geschähe, wenn die ErbSt die (Quasi-)Totalität des Erbgutes wirtschaftlich wieder entzöge und damit den Staat zum Erben machte. Die Erbschaft als Vermögensverkehrsvorgang zwischen Privaten muß erhalten bleiben. - Die Verkehrsteuerelemente der ErbSt tragen noch weiter: Unzulässig wäre es, wenn der Verkehrsvorgang "Erbschaft", der Anlaß und Ausgangspunkt für die systematische Erfassung der ErbSt ist, alteriert würde. Wesen und Sinn einer Verkehrsteuer kann es zwar sein, zum Verkehrsvorgang anzureizen oder von ihm abzuschrecken, den Vorgang selbst aber darf sie nur "grenzkorrigierend", am Rande dadurch verändern, daß er eben erschwert oder erleichtert wird und damit unter anderen Voraussetzungen, in veränderter Häufigkeit auftritt. Der Verkehrsvorgang selbst darf nicht durch die Verkehrsteuer in seinem Kern verändert werden. Bei einer ErbSt, welche die Belastungsgrenze der Grundstücke übersteigt oder sonst eine bestimmte Höhe (etwa erheblich über 50 Ofo des Wertes des Erbgutes) erreicht, wird jedoch der Verkehrsvorgang selbst nicht etwa "teurer" - er wird in sich verändert, indem nicht mehr "die Erbschaft", sondern Trümmer der Erbschaft übernommen werden. Bei nicht formalistischer Betrachtung ist damit der Verkehrsvorgang verändert, es ist gegen die Begrifflichkeit einer finanzwissenschaftliehen Steuersystematik verstoßen, welche auch dem GG zugrunde 3 Leianer
A. Steuer(verfassungs)rechtliche Grundprinzipien
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liegt62 • Der Mischcharakter der ErbSt mag hier eine gewisse Eingriffstiefe gestatten - die Besitzsteuerelemente müssen jedoch stets gegenüber den Verkehrsteuerelementen abgewogen werden. Die Erbschaft darf teurer werden, sie muß aber noch "Erbschaft" bleiben. Das ist nicht mehr der Fall, wenn sie zertrümmert oder wirtschaftlich uninteressant wird63 • Soweit die ErbSt Verkehrsteuer ist, wäre es unzulässig, das Erbenvermögen tariferhöhend zu berücksichtigen64 • Der Verkehrsteuertatbestand ist "der Anfall" -ohne Rücksicht auf das Erbenvermögen. Wird dagegen die ErbSt der Vermögensteuer gleichgestellt, so könnte eine Progression aus dem Erbenvermögen systemgerecht sein. Es muß aber klar sein, daß sie dann zu einer Art von "einmaliger Ergänzungsabgabe zur Vermögensteuer" wird. Dies wird m. E. der Eigenständigkeit der ErbSt nicht gerecht. Diese soll zwar insoweit, aber auch nur in dem Sinne Besitzsteuer sein, daß sie die Substanz der Erbschaft mindern kann, allenfalls noch so, daß sie die Substanz des Gesamtvermögens verringert. Es widerspricht jedoch ihrem (gleichzeitigen) Verkehrsteuercharakter, daß die Steuerlast nicht nach dem Verkehrsvorgang, sondern nach der wirtschaftlichen Lage eines Teilnehmers an diesem bemessen wird. Geschähe dies, so könnte auch die Vermögenslage des a quo berücksichtigt werden- es würde umso mehr Steuer auf die Erbschaft, das Legat, den geschenkten Gegenstand gelegt werden, je mehr der Erblasser oder Schenker insgesamt vererbt hätte oder nach der Schenkung noch besäße. Daran ist im deutschen ErbSt-Recht nie gedacht worden. Es macht jedoch deutlich, wie wenig systemgerecht die Berücksichtigung des Erbenvermögens bei der ErbSt ist. -
Wenn aber schon die ErbSt als Besitzsteuer verstanden und praktisch als Ergänzung zur Vermögensteuer konstruiert wird, so müßte bei einer Umgestaltung des ErbSt-System zugleich auch eine solche der Vermögensteuer gefordert werden. Eine isolierte ErbSt-Reform 62
Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O.
Insofern zieht auch die Analogie zu hohen Verkehrsteuern nicht: Wird Branntwein hoch besteuert, so wird er damit teuerer, der Kauf des Gutes wird aber nicht generell inattraktiv - wer es haben will, wird die Steuer entrichten. Anders bei der ErbSt - hier wird nicht nur die "Flasche zur Hälfte geleert", es wird nicht mehr "die Erbschaft" geboten - wie wenn der Prozentsatz an Alkohol herabgesetzt würde! 6 ~ Im Sinn einer Erbanfallsteuer, vgl. Megow, H., ErbSt-Gesetz, 3. Aufl., 1955, S. 22; Kisker, K. P., Die ErbSt als Mittel der Vermögensredistribution, 1964, S. 126 f. m. Nachw.; Kisker weist übrigens (S. 138) mit Recht darauf hin, daß eine Berücksichtigung des Erbenvermögens gerade den "untüchtigen Sohn" privilegieren könne. Aus früherer Zeit vgl. dazu Neumann, Fr. J., Nach dem Vermögen der Erbenden klassifizierte ErbSt, Annalen des Dt. Reichs, 1909, S. 421 f.; Lampe, A., ErbStn, in: Elster, Wörterbuch der Volkswirtschaft I, 4. Aufl., 1931, S. 702 f. 63
II. Allgemeine steuerliche Grundsätze und Begrifflichkeit
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wäre nicht sachgerecht; die ErbSt mußte u. U. in besonderem Maße vermögensteuerlich abzugsfähig ausgestaltet werden. Dies mag kein Verfassungsgebot sein - eine systemgerechte Steuergesetzgebung muß es berücksichtigen. 2. Erhaltung der Steuerquelle
Als Verkehrsteuer darf die ErbSt den Vorgang des Vermögensüberganges nicht eliminieren oder wesentlich umprägen65. Es würde jedoch gegen die Begrifflichkeit der Steuer als solcher - unabhängig von der näheren systematischen Einreihung - verstoßen, wollte der ErbSt-Gesetzgeber in einer von vorneherein abgrenzbaren Kategorie von Fällen zu einem (quasi-) totalen Entzug der Erbschaft übergehen, weil dadurch derselbe Vorgang wirtschaftlich aufgehoben würde, der eben Steuertatbestand war. Hier müssen drei Komplexe unterschieden werden: a) der "besonders intensive" Steuereingriff, der die besteuerte Aktivität (auf die Dauer) zum Erliegen bringt (die eigentliche "Erdrosselungssteuer")66. Dies ist ein spezieller Fall der Aufhebung des Anfallvorganges, welcher noch näher zu erörtern sein wird67 ; hier wird die Verfassungswidrigkeit aus einer Verletzung des Art. 14 GG hergeleitet. b) die Verletzung der Kongruenz mit dem bürgerlichen Recht, welches den Steuertatbestand normiert hat68. c) der Verstoß gegen den Steuerbegriff selbst, der es verbietet, die Steuerquelle durch die Besteuerung zu vernichten. Dieses Verbot allein ist hier zu behandeln. Es ist seit langem anerkannt69, daß der finanzwissenschaftliche Grundsatz der Erhaltung der Steuerquelle von der steuerlichen Abgabengewalt stets berücksichtigt werden muß: Der besteuerte Vorgang darf nicht durch die Steuer generell unmöglich gemacht werden. Dies ist aber nicht eine Frage der Grundrechtlichkeit, insbesondere des Eigentumschutzes, es ergibt sich vielmehr aus dem Wesen der Steuer 65 Vgl. oben S. 33 f. 66 Vgl. BVerfGE 6, S. 144; 6, S. 247 f. m. Nachw.; Pappermann, E., Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit des verkehrspolitischen Programmes der Bundesregierung, DB 1968, S. 1744 f.; vgl. i. übr. Nachw. b. Klein, F., Eigentumsgarantie und Besteuerung, StuW, 1966, Sp. 436 f. 67 Vgl. unten S. 73 f. 68 Dazu BVerfGE 13, S. 331 Ls; vgl. oben S. 31 f. 69 Vgl. u. a. PreußOVG, PreußVerwBl. 38 (1917), S.116; BVerwGE 6, S. 266 f. m. Nachw.; OVG Hamburg, KStZ 1957, S. 75 f.; Kruse, H. W., Steuerrecht, Allg. Teil, § 6 III 3, § 20 VII 1.
s•
A. Steuer(verfassungs)rechtliche Grundprinzipien
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selbst. Wer einen Tatbestand abgabepflichtig macht, will ihn vielleicht erschweren, nicht aber eliminieren. So hat denn das Preußische OVG davon gesprochen, daß bei Zerstörung der Steuerquelle die Abgabe "das Wesen der Steuer nicht mehr hätte" 70 • Nach dem BVerfG wäre "von einem solchen (Formen-)Mißbrauch allenfalls zu sprechen, wenn das Steuergesetz dem ihm begrifflich zukommenden Zweck, Steuereinnahmen zu erzielen, geradezu zuwiderhandelte, indem es ersichtlich darauf ausging, die Erfüllung des Steuertatbestandes praktisch unmöglich zu machen, also in diesem Sinne "erdrosselnde" Wirkungen auszuüben" (Hervorh. v. Verf.) 71 • Gegen die Steuerbegrifflichkeit würde also ein (quasi-) totales Wegsteuern der Erbschaft verstoßen. Dies würde eine Verfassungswidrigkeit durch Verletzung der Steuergerechtigkeit (Art. 3 Abs. I GG) und der Rechtstaatlichkeit (Art. 20 GG) bedeuten, weil die Konsequenz der Besteuerung in schwerwiegender Weise gebrochen72 und schwerer Formenmißbrauch getrieben würde. Das BVerfG spricht ausdrücklich aus, daß es hierbei nicht darauf ankommt, ob die Steuerquelle formal erhalten wird, daß es also nicht genügt, wenn der Anfallvorgar1g rechtlich doch noch stattfindet - von einer wirtschaftichen Betrachtung der Steuerquelle ist auszugehen, es genügt die "praktische" Unmöglichkeit. Sie aber ist gegeben, wenn der Erbe zwar die Erbschaft erhält, sie aber entweder in vollem Umfang veräußern oder dem Staat mit eigenen Mitteln abkaufen muß. Erbschaft wird dann ein Vorgang zwischen Staat und Erben, der ursprüngliche Steuertatbestand (unentgeltlicher Vermögensübergang) existiert wirtschaftlich nicht mehr. Was für die Zerstörung der Steuerquelle als solcher gilt, muß wohl auch für ihre tiefgreifende Alterierung zutreffen. Wegen Verstoßes gegen den Steuerbegriff wäre daher auch eine Gestaltung der ErbSt verfassungswidrig, welche den Anfalltatbestand als solchen gänzlich veränderte. Wiederum darf dies nicht for malrechtlich, es muß wirtschaftlich beurteilt werden. 3. Zwang zum Verkauf des "besteuerten Objekts"
Die ErbSt wird auf Grund des Erbanfalls erhoben, sie bemißt sich nach dessen Höhe. In diesem Sinne "liegt sie auf der Erbschaft", mag sie auch eine persönliche Forderung gegen den Erben schaffen. Zum 70
71 72
a.a.O. BVerfGE 16, S. 161. Dazu u. a. BVerfGE 13, S. 331; 18, S. 233; Klein, Franz, Gleichheitssatz,
S.142 f.
II. Allgemeine steuerliche Grundsätze und Begrifflichkeit
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Wesen der Steuer aber gehört es, daß sie im Gegensatz zu Maßnahmen der Vermögensumschichtung nicht dazu zwingen darf, daß der Abgabenschuldner "seine Vermögenswerte verschleudert, nur um deren Gegenwert zur Tilgung seiner Abgabe zu verwenden". Der BFH hat dies in einem grundlegenden Urteil zum LAG73 in einer Weise ausgesprochen, welche sich am Steuerbegriff orientiert. Selbst für den Lastenausgleich, der doch als grundsätzlich einmalige Leistung der Vermögensumschichtung sehr nahekommt, hält der BFH noch am Steuercharakter fest und bestimmt diesen so: "(Steuern sind) Abgaben, die weder sofort, noch während ihrer Laufzeit zu einer Vermögensumschichtung führen können, da sie in der Regel aus dem Ertrag des Vermögens, nicht aber aus dessen Substanz zu entrichten sind". Steuern dürfen also gelegentlich Substanzeingriffe erforderlich machen. Wenn es jedoch generell und selbst bei größtem wirtschaftlichen Geschick unmöglich ist, den Substanzeingriff zu vermeiden, so ist der Steuerbegriff des GG verletzt, die Gestaltung ist verfassungswidrig, weil es sich um "Vermögensvernichtung", nicht mehr um "Besteuerung" handelt. Dies mag heute besonders im Hinblick auf Art. 14 GG deutlich sein 74 ; die Unterscheidung ist jedoch eine steuerbegriffliche, nicht eine grundrechtliche, sie müßte gelten, selbst wenn es keine spezielle Eigentumsgarantie gäbe; auch dann hätte sie, wegen der Kompetenzordnung des GG, selbständige Bedeutung: Der Bundesgesetzgeber könnte sich nicht auf eine spezielle Steuerkompetenz oder die generelle Abgabenhoheit berufen, um Vermögensumschichtungen durchzuführen. Eine Ausgestaltung der ErbSt, welche generell oder in einem im einzelnen ohne weiteres kategoriemäßig erfaßbaren Umfang die Steuerpflichtigen zum Verkauf des besteuerten" Gutes (Erbschaftsgegenstände) zwingen würde, müßte unabhängig von der Eigentumsgarantie wegen Verstoßes gegen den grundgesetzliehen Steuerbegriff als verfassungswidrig angesehen werden. Das Erbenvermögen aber darf, wie bereits dargelegt75 , begrifflich nicht bei der Beurteilung der Möglichkeit der Entrichtung der Steuerschuld berücksichtigt werden. Nur in außergewöhnlichen Fällen sollte also ein Substanzeingriff erforderlich sein. Und selbst wenn man, der bisherigen Dogmatik zur ErbSt entsprechend76, hier Substanzeingriffe regelmäßig und in größerem Umfang ex traditione rechtfertigen wollte - bestehen bliebe die begriffliche letzte Schranke: kein Zwang zur Verschleuderung, überhaupt kein genereller Verkaufsdruck! BFHE 77, S. 269/70. 74 Dazu näher unten S. 73 f. 75 Vgl. oben S. 33 f . 7& Vgl. oben S. 32 f. m. Nachw.
73
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A. Steuer(verfassungs)rechtliche Grundprinzipien
Die ErbSt ist daher insoweit verfassungswidrig, als sie zur Veräußerung von Gegenständen führen muß, die den wirtschaftlichen Kern des Erbgutes bilden; insbesondere muß auf die wirtschaftliche Belastbarkeit von Grundvermögen weitgehend Rücksicht genommen werden. Nicht jeder Verkaufszwang ist verfassungswidrig, wohl aber derjenige, welcher tiefgreifend vermögensverändernd wirkt.
B. Grenzen der Erbschaftsbesteuerung aus der V erfassung!'garantie von Eigentum und Erbrecht (Art. 14 GG) I. Eigentum und Erbrecht als Grundlage bundesdeutscher Staatlichkeit Reformen der ErbSt, denen die Verfassung Einhalt gebieten müßte, sollen nicht nur dem Staat einige Mittel zuführen oder ihm eine neue fiskalische Basis schaffen 1 - hier soll die Eigentumsordnung langfristig verändert werden. Durch laufende Umverteilung allen Vermögens2 würden nicht nur die Eigentümer wechseln, sondern das Eigentum verändert. Weil diese Wirkungen nicht sogleich allen im Opfer neuer Abgaben einsichtig wären, sondern ad kaiendas graecas vertagt erschienen, könnte lange Zeit ein Trojanisches Pferd in den Mauern des Rechtsstaates stehen. In einer heute leichthin für ferne Zukunft beschlossenen redistributiven ErbSt würde Stein für Stein eine der Grundlagen bundesdeutscher Staatlichkeit unterhöhlt: das im Erbrecht sich fortsetzende private Eigentum. Vor aller Grenzziehung aus Art. 14 GG im einzelnen3 muß die Erkenntnis der fundamentalen Bedeutung dieser Eigentumsordnung stehen, deren Veränderung nicht nur eine politische Ära beenden, sondern eine Staatsform zerstören würde. Eigentumschutz ist eine Grundentscheidung des Grundgesetzes nicht als Privile-g unrechten Gutes, sondern als Anreiz zur Leistung und als deren Belohnung, als Grundlage planmäßigen und verantwortungsbewußten menschlichen Handelns. Deshalb ist heute, wie in der besten Tradition des deutschen Konstitutionalismus, das Eigentum ebenso wie die Freiheit ein elementares Grundrecht, ist das Bekenntnis zu ihm eine "Wertentscheidung des GG von besonderer Bedeutung für den sozialen Rechtsstaat4 • "Eigentum" steht neben "Freiheit", weil diese Wertent1 Es mag offenbleiben, ob dem nicht schon Planungsschwierigkeiten entgegenstünden: Das Aufkommen läßt sich nur schwer vorausschätzen, steuerlich relevante Veränderungen der Vermögensstruktur treten erst nach längerer Zeit auf. 2 Dazu Kisker, K. P., ErbSt, passim. a Vgl. unten S. 73 f. 4 BVerfGE 14, S. 277.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
scheidung unverbrüchlich festlegt, daß Freiheit ohne Eigentum nichts als eine liberte inutile, nur eine unwirksame Freiheit wäre, und weil Eigentum selbst nichts ist als Freiheit, das Zentrum wirtschaftlicher, familiärer, kultureller Libertät. Dieser rechtlichen Grundentscheidung gegenüber bedeuten wissenschaftliche Theoreme, angebliche oder wirkliche finanzwissenschaftliche oder ökonomische Erkenntnisse nichts. Und wenn sich nachweisen ließe, daß der Mensch auch bei 99 °/oiger ErbSt weiter schaffen und raffen würde, wenn auch die Thermiten eines Staates der Redistribution in festem Gemeinschaftsbewußtsein erhalten werden könnten- dieses Bewußtsein, diesen Arbeitstrieb will die Verfassung nicht. Sie bekennt sich zum Wert des Eigentums gerade nicht aus besserer ökonomischer Erkenntnis, sondern aus politisch-weltanschaulicher Überzeugung. Nicht weil das Eigentum an sich gut wäre, sondern weil mit ihm so vieles gebrochen würde, dem diese selbe politische Entscheidung für das Eigentum politische Priorität vor allgemeiner maximaler Wohlfahrt und vor der integrierten Staatstreue von Staatssklaven einräumt. Hier steht die Verantwortung, ohne die es Demokratie, wie immer verstanden, nicht geben kann. Und diese Verantwortung wird ohne Erbrecht sterblich, allzu sterblich, wenn das Eigentum von heute mit seinem Herrn in Staub zerfällt, wenn es nicht erworben und erhalten wird, weil es, damit es die wenigen Jahre der Menschen überdauert. Das Menschenbild unserer Verfassung kennt keine Verantwortung auf Zeit, kein Planen, das stets vor dem Unvorhersehbaren des Todes Halt machen müßte. Dieser Mensch soll nicht auf das Ende im Tode, sondern auf das Fortleben im Erben sehen, weil der große Schwung jeder verantwortlichen menschlichen Planung das Sterben nicht als Passivum bucht, sondern nur als einen Übertrag, weil ein Planen bis zum Ende stets schwächlich und ängstlich sein wird. Dieses Bekenntnis zum Eigentum ist eine Entscheidung zur Werthaftigkeit all jenes Überschießenden, Ungebändigten, was den menschlichen Schaffenstrieb größer macht als die menschliche Existenz, in der Achtung vor jener geheimnisvollen "Persönlichkeit", deren Kern in der "Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Lebensgestaltung" 5 liegt- eben nicht in einer Gestaltung nur bis zum Tod, bis zu einem Ereignis, dessen Zeitpunkt unbekannt ist, sondern virtuell "immer weiter". Eigentum und Erbrecht sind so die Entscheidungen für die Lebenshoffnung, gegen die Todesgewißheit , selbst bei Todesgewißheit, für eine Verantwortung, die mit dem Tode nicht aufhört. Vererbliches Eigentum ist Entscheidung für jene persönliche Leistung, auf die der Staat gegründet ist, nicht als auf das beste Mittel vorüber5
BVerfGE 5, S. 204 f.
I. Eigentum und Erbrecht als Grundentscheidungen
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gehender Bedürfnisbefriedigung, sondern als einen Wert in sich, in dem menschliche Selbstverantwortung hervortritt. Deshalb wird der private Eigentumsbegriff geradezu dadurch konstituiert, daß dieses Gut durch "eigene Leistung" erworben wird6 • Der Gegensatz zu dieser Werthaftigkeit der eigenen Leistung aber ist hier nicht die persönliche Leistung anderer, eines Erblassers, der seine Arbeit anderen schenken will. Das GG macht den Menschen nicht zum Zwangshändler, der nichts verschenken darf. Der privaten Leistung steht vielmehr nur jenes Staatsgeschenk gegenüber, das keinen Eigentumsschutz verdient, weil "keine den Eigentumsschutz rechtfertigende Leistung des Einzelnen hinzutritt"7. Und in solche Staatsgeschenke würde eine redistributorische ErbSt das gesamte Volksvermögen verwandeln - im Namen einer angeblich "gerechteren" Verteilung eines Eigentums, von dessen sozialstaatlichem Begriff nicht mehr erhalten bliebe. Zwar wäre die Identität von Staat und Gesellschaft dann - entgegen der Verfassung - eine vollständige, zugleich aber müßte die Verkürzung des Sinnes jeder Leistung den Menschen auch dem Staat gegenüber in einen Egoismus drängen, der nur mehr vom Verteiler fordert, nichts mehr zu schaffen bereit ist. Und daß man nie anders als sub specie aeternitatis schafft, ist eben das Credo des Grundgesetzes. Das Bekenntnis zur Leistung trägt also die Grundentscheidung für die tesorisierte Leistung, für das Eigentum. In einem System forcierter ErbSt aber wird die Leistung nur einem erbracht - dem Staat; damit wird der Leistungsbegriff selbst aufgehoben. Mit ihm verschwindet jener Raum der durch die Herrschaft über Sachen fundierten Verantwortung, die allein den Bürger des demokratischen Gemeinwesens befähigt, "in möglichst weitem Umfang verantwortlich auch an den Entscheidungen der Gesamtheit mitzuwirken"8 • Gerade wenn schließlich Herrschaft über Menschen minimiert werden soll, kann n icht auch jede Herrschaft über Sachen zur zeitlich begrenzten, prekären Beziehung werden, wenn die Verantwortung, welche stets irgendwie Dispositionsbefugnis voraussetzt, nicht vollends zum leeren Wort werden soll. Eigentum und Erbrecht sind primär Schutzentscheidungen für das Individuum, nicht für den Staat. Erbrecht ist heute kein Phänomen des Sozialrechts oder der Gemeinschaftsbindung mehr, wie dies noch im alten Familienverband der Fall gewesen sein mag. Die Gemeinschaft soll hier partizipieren, ihre Belange wahren und entsprechend begrenzen dürfen. Eigentumsinitiative und Eigentumsdynamik aber liegen beim Einzelnen. Die Gesetze können beschränken (Art. 14 Abs. I GG), aber nur, weil das zu Begrenzende nicht von ihnen hervorgebracht, 8 7 8
BVerfGE1, S.277f. ; 14, S.293; 18, S. 397. BVerfGE 16, S. 113; 18, S. 397. BVerfGE 5, S. 204 f .
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
sondern vorausgesetzt wird. Eine ErbSt, welche den Einzelnen nur zum nicht befreiten Vorerben seines Eigentums, den Staat aber zum Nacherben macht, höhlt nicht nur ein Grundrecht aus - sie entzieht allen Freiheitsrechten die Basis materieller Unabhängigkeit, die Mittel wirksamer Geltendmachung. Wie in prämarxistischer Zeit kann der Polizist dann unschwer Freiheit gewähren, wenn der Staatskapitalist deren Grundlage und Zweck vorher genommen hat. Wenn das Eigentum den Tod nicht überdauert, wird die Freiheit nicht einmal bis zum Sterben dauern. Gerade wenn schließlich das Eigentum par excellence Gegenstand moderner staatlicher Sozialgestaltung ist, darf es nicht durch den vorsintflutlichen Morgenstern einer konfiskatorischen Steuer zerschlagen werden, soll Gestaltung nicht Vernichtung bedeuten. Das Grundgesetz billigt die Gestaltung - eben weil deren Objekt, das vererbbare Eigentum, erhalten bleiben muß. Und ein Fürsorgestaat sollte sich nicht noch mehr belasten, indem er jeden privaten Fürsorgewillen zerstört. Der freie Bürger, den sich das GG wünscht, soll das Eigentum als Chance sehen: wenn er es besitzt, es wohl zu nutzen, wenn nicht, es zu erwerben. Diese Chance soll er aber auch weitergeben dürfen, soll nicht nur der Staat die öde bureaukratische Vorsehung sein. Diese Gestalt des privaten Menschen, der dem Kaiser gibt, was des Kaisers ist - aber nicht beim Tode alles -, sie wird ohne Erben sterben, wenn das Öffentliche an ihrem Sarge beginnt, wenn jeder Todesfall schon deshalb ein Staatsbegräbnis sein müßte, weil vor allen anderen der tränenlose Fiskus am Grabe steht. Es droht also kein punktueller Verfassungsverstoß, dem mit advokatarischer Akribie zu begegnen wäre. Radikale Reformpläne stehen hier gegen den Geist der Verfassung, gegen all ihre zentralen Entscheidungen. Jeder Einzelne wird hier in seinen Hoffnungen, in seinen Chancen gelähmt- jener allgegenwärtige Jedermann, der als Kanzler regiert, der als Bürger "das Volk ist". Dies mag ein Fall sein, wo die Formel vom "Menschenbild" der Verfassung einmal ihre Berechtigung hat - es wird sich ändern, wenn an die Stelle des selbstbewußten Bürgers, der im Tode noch etwas Staatsunabhängiges tun kann, der Staatsknecht tritt, der schon zu Lebzeiten nur sein eigener Verwalter ist. Denn auf ihn, auf den Erblasser muß sich vor allem unser Blick richten, nicht nur auf einen Erben, den wir um Unverdientes beneiden mögen. Wenn es überhaupt eine Grundlage der heutigen staatlichen Ordnung gibt - sie liegt in Eigentum und Erbrecht zugleich, in jenem Recht, Eigentum weiterzugeben, das so einfach-selbstverständlich ist wie der Tod und uns so sicher erhalten bleiben sollte wie er.
li. Das Erbrecht
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II. Das Erbrecht Die ErbSt berührt das Erbrecht (Art. 14 Abs. I GG). Es fragt sich daher, mit welchem Inhalt dieses Recht vom GG verbürgt wird und welche Schranken es im einzelnen dem ErbSt-Gesetzgeber zieht. 1. Die Formen der verfassungsrechtlichen Verbürgung des Erbrechts
"Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt". Aus dieser Formulierung des Art. 14 Abs. I GG9 entnimmt die h . L. 10, daß das Erbrecht in doppelter Weise geschützt werde: Als Rechtsinstitutsgarantie und als subjektiv-öffentliches Recht des einzelnen am Erbgang Beteiligten. Die ursprüngliche Bedeutung war die der Einrichtungsgewährleistung11 , also der verfassungsrechtlichen Sicherung eines Bestandes von objektiven Rechtsnormen des privaten Rechts (daher Rechtsinstitutsgarantie im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen institutionellen Garantien12). Auf diese Weise wurden die aussagearmen Deklamationen der Verfassung bereits in der Weimarer Zeit erstmals "normativiert". Damals schon wurde jedoch die Tendenz sichtbar, aus jeder Institutionsgarantie zugleich subjektiv-öffentliches Recht zu gewinnen; sie hat sich heute völlig durchgesetzt, wie Theorie und Rechtsprechung zu Art. 14 und Art. 6 GG beweisen. Umgekehrt wird sogar heute aus zahlreichen Grundrechten - im Sinn einer neuen "Objektivierungsbewegung" jeweils zugleich auch eine Institutsgarantie (der freien Berufsordnung, des freien Vereins, der freien Versammlung, der freien Meinungsäußerung und Presse13} abgeleitet. Es läßt sich daher heute kaum mehr sagen, welche Gestaltungsform, welche Schutzfunktion grundsätzlichen 9 Vgl. allgemein dazu Boehmer, G., Erbrecht, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der RV, III, 1930, S. 250m. Nachw.; Boehmer, G., Erbrecht, in: Staudingers Kommentar z. BGB, V, 1954, Einl. § 23; Boehmer, G., Erbrecht, in: Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte II, 1954, S. 401 f. (m. Nachw. S. 422 f.); v. Mangoldt-Klein, BGG I, 1957, S. 422617; Kimmini ch, 0., im BK Art. 14 GG; Mikat, P., Erbrecht, Staatslexikon II, Sp. 1213 f . 18 Vgl. insbes. v. Mangoldt-Klein, BGG, S. 415 f.; Maunz, Th., Deutsches Staatsrecht, § 13 II 7. 11 Dazu m. Nachw. Leisner, W., Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 90 f. 12 Diese Unterscheidung mag heute wenig bedeutsam sein (vgl. dazu Brinkmann, Grundrechtskommentar zum GG, 1967, f. Art. 5 I 2) - gerade für das Erbrecht macht sie deutlich, daß diese Institution als eine "wesentlich private" verbürgt werden sollte. 13 Vgl. etwa Scheuner, U., Pressefreiheit, VVdStL 22, 1965, S. 95; Ri dder, H., Die Grundrechte II, 1954, S. 243 f .; zusammenfassend Häberle, P., Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. II GG, 1962, S. 70.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
Vorrang hat14• Dies gilt auch für das Erbrecht, das gleichgewichtig Garantie objektiven wie Gewährung subjektiven Rechts ist.
Inhaltlich allerdings kommt es darauf an, ob die Grundrechtsverbürgung institutionell oder als Anspruch formuliert ist. Trifft ersteres zu, so kann auch der subjektive Anspruch nur soweit reichen, wie eben das objektive Recht gesichert ist - er erschöpft sich zwar nicht in einem subjektiven Anspruch auf objektiven Rechtsbestand, wohl aber in einem subjektiven Anspruch nach Maßgabe des institutionell gesicherten objektiven Rechts. Auf das Erbrecht angewendet: Zunächst muß ermittelt werden, welcher Normbestand des Privatrechts hier gewährleistet wird. Der grundrechtliche Anspruch geht dann lediglich darauf, daß die Staatsgewalt kein subjektives Recht entziehe, das sich aus eben diesen Privatrechtsnormen ergeben kann. Im folgenden ist daher stets - was den Inhalt der Erbrechtsverbürgung anlangt - von dem institutionellen Aspekt auszugehen. Art wie Umfang des garantierten "Erbrechts" werden inhaltlich dadurch bestimmt. 2. Der Inhalt der Rechtsinstitutsgarantie des Erbrechts (Art. 14 Abs. I GG)
a) Selbständiger Verfassungsinhalt oder "Verfassung nach Gesetz" Es gibt eine für Einrichtungsgewährleistungen typische "Art des Norminhalts", nach der auch der Sinn der Garantie des Erbrechts zu ermitteln ist. In der Theorie überwiegen bisher negative Bestimmungsversuche: Das Erbrecht dürfe durch die Gesetzgebung nicht aufgehoben, es dürfe als Einrichtung auch nicht in einer Weise "ausgehöhlt" werden, die nur mehr leere Formen ohne praktische, ideelle und wirtschaftliche Bedeutung bestehen lasse, es müsse eben noch "von einem bürgerlichen Erbrecht gesprochen werden können". Die nähere Bestimmung dessen, "was bleiben muß" vom Erbrecht, ist auf zwei Wegen möglich: - in Form der Auslegung "Verfassung nach Gesetz" 15 , indem der Inhalt der grundgesetzliehen Erbrechtsgarantie mit einem Komplex bestimmter Normen des bürgerlichen Erbrechts schlechthin identifiziert wird16• Dafür spricht, daß sich ja "der Inhalt des Erbrechts" aus den Gesetzen ergeben soll. Verwandtenerbrecht, Testierfreiheit Bedenklich Brinkmann, a.a.O., Art. 14 I 1 e. Dazu Leisner, W., Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, 1964, S. 48 f. 16 Beispiele: Boehmer, G., in: Die Grundrechte II, 1954, S. 410, 412, 418; Küchenhoff, E., ZStW 113, S. 337 f. (Ehe); BAG NJW 61, S. 478 (Mutterschaft, nach dem MuSchG); BVerfGE 10, S. 66 (Ehe und Familie) u. ä. m. 14 15
II. Das Erbrecht
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u. ä. m. wären dann in ihrer jeweiligen konkreten bürgerlich-rechtlichen Ausgestaltungsform auch verfassungsrechtlich gesichert. Dies aber würde das Wesen verfassungsrechtlicher Sicherung wieder aufheben, den Verfassungsinhalt dem Gesetzgeber ausliefern und somit gerade zu jenem Leerlauf der Grundrechte führen, der hier verhindert werden sollte. indem ein "selbständiger Verfassungsinhalt des Erbrechts" ermittelt wird, der auch dem Gesetzgeber gegenüber als Richtmaß erhalten bleibt17•
Darüber besteht zwar Einigkeit, es steht auch fest, daß nur eine besondere "verfassungskonforme" Art des Rückgriffs auf das niederrangige Recht möglich ist, doch ist noch nicht näher präzisiert worden, was hier im einzelnen in das Verfassungsrecht eingeht. So wenig befriedigend es sein mag - es gibt bisher keine andere •Umschreibung des "institutskonformen" Grundrechtsinhalts, als daß man auf Formeln wie "Grundstrukturen", "tragende Grundsätze", "herkömmliche Prinzipien" u. ä. m. zurückgreift. Soll dies den Begriff der Einrichtungsgarantie auch nur in etwa näher bestimmen, so müßte darin liegen: - die besondere Bedeutung traditioneller G€staltungsformen - die Übernahme gewisser einzelner "Kernelemente" des Instituts in den Verfassungsschutz, indem also bestimmte Regelungen als wesensbestimmend, andere dagegen als rechtstechnische Einzelheiten, als "unwesentlich" bezeichnet werden. - eine gewisse Abstraktionshöhe, ein inhaltlicher Prinzipiengehalt der verfassungsrechtlich verfestigten Elemente, die alle in sich wieder Rand- und Grenzkorrekturen zugänglich wären. Traditionelle Kernelemente mit Prinzipiengehalt - auch dies hat noch viel von einer Leerformel, doch es vermag die Bestimmung des institutskonformen Inhalts der Erbrechtsgarantie zu orientieren. Fest steht jedenfalls, daß nicht das ganze bürgerliche Erbrecht, daß dieses nicht in einer bestimmten historisch-kontingenten Form und daß nicht eine spezielle Einzelheit des BGB den Verfassungsschutz genießen kann. Der Institutsinhalt muß in allem "noch durch die Gesetzgebung ausgestaltbar" bleiben. Auch ein derartiger Inhalt des vom GG garantierten Erbrechts wird als solcher "aus dem Privatrecht kommen". Das Verfassungsrecht stellt nur die Rezeptionsvoraussetzungen auf - es kanalisiert die privatrechtliehen Inhalte. 17 u. a. Diirig, G., ZStW 109 (1953), S. 326 f.; Weber , W., Eigentum, in : Die Grundrechte II, 1954, S. 356; Städter, R., DöV 1953, S. 98.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
b) Die Kategorie des "Wesensge haltes" (Art.19 Abs. II GG) und die Inhaltsbestimmung der Einrichtungsgarantie "Erbrecht" Die Verfassungskategorie des "Wesensgehaltes", der bei jedem Grundrecht, bei jeder Institutsgarantie erhalten bleiben muß (Art. 19 Abs. II GG), ist in der Weimarer Zeit gerade für Eigentum und Erbrecht entwickelt worden 18, um den Leerlauf dieser Verbürgung zu vermeiden. Man sollte daher erwarten, daß aus Art. 19 Abs. II GG heute entnommen werden könnte, was "an Erbrecht erhalten bleiben muß", was also auch der ErbSt-Gesetzgeber unbedingt achten muß. In Lehre und Judikatur wird der Wesensgehalt des Erbrechts laufend als Schranke des ErbSt-Rechts genannt19 ; die ErbSt ist geradezu das Paradebeispiel für eine mögliche Verletzung des Wesensgehalts des Erbrechts. Bei der Bestimmung des Wesensgehaltsbegriffs20stehen sich heute im ganzen zwei Theorien gegenüber: - Die Kernbereichlehre, nach der es darauf ankommen soll, "was nach der Beschränkung von dem Grundrecht überhaupt übrig bleibt21 und - die Güterabwägungslehre 22 , nach der ein Grundrecht nur soweit eingeschränkt werden darf, wie dies noch unter Abwägung des betroffenen Freiheitsgutes gegenüber denjenigen Rechtsgütern als zulässig erscheint, deren Schutz das eingreifende Gesetz bezweckt. Eng damit zusammen hängt auch die Bestimmung des Wesensgehalts aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz23 , der ja ebenfalls eine gewisse Güterahwägung voraussetzt24 • Die Güterabwägungslehre ist nicht geeignet, den Wesensgehalt des Erbrechts gegenüber Eingriffen des ErbSt-Gesetzgebers zu bestimmen. Hier müßte das Rechtsgut "(freies) Erbrecht" gegenüber dem Rechtsgut Boehmer, G., Erbrecht, in: Die Grundrechte II, 1954, S. 402 f. Abraham, in: BK (Erstbearbeitung), Art. 14 113; Boehmer, G., in: Staudingers Kommentar, a.a.O., II, IV; Diester, H., Enteignung und Entschädigung nach altem und neuem Recht, 1953, S.139; Flume, W., Steuerwesen und Rechtsordnung, Smend-Festschr. 1952, S. 61/2; Forsthoff, E., Eigentumsschutz 18
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öffentlich-recht!. Rechtsstellungen, NJW 1955, S. 1250; Huber, E. R., AÖR n. F. 23 (1933), S. 49/50; Kipp-Coing, Erbrecht, 1965, S. 2; KnoU, E., AöR 79 (1953/4), S. 471/2; Lange, H., Lehrb. d. Erbrechts, 1962, S. 20; v. MangoldtKlein, BGG I, 1957, S. 427; Mikat, P., Erbrecht, Staatslexikon II, Sp. 1219; Weber, W., in: Die Grundrechte 1954, II, S. 360. 20 Passim Häberle, P., Die Wesensgehaltsgarantie. 21 Nachw. bei Hamann, A., Das GG 1961, S. 197. 22 Dazu insbes. Häberle, P., a.a.O., S. 51 f. 2a Vgl. Häberle, P., a.a.O., S. 67 f. 24 Dazu Hesse, K., Grundzüge des Verfassungsrechts, 1969, S. 133, der eine Verbindung beider Theorien versucht.
II. Das Erbrecht
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"Deckung des staatlichen Finanzbedarfs" abgewogen werden. Das GG bietet keinerlei Anhaltspunkte für eine wertmäßige Einstufung der beiden "Rechtsgüter", welche einem Vergleich vorausgehen müßte, es sei denn, man verliert sich in reiner Spekulation über den "Menschenrechtscharakter" des Erbrechts. Und selbst dann bleibt die Grundaporie: Freiheitswerte mögen noch vergleichbar sein; wie aber soll die staatliche Finanzhoheit oder gar die (finanziell zu sichernde) Existenz des Staates gegenüber dem privaten Erbrecht abgewogen werden? Wie nur allzu oft verschleiert die "Abwägung" nur Entscheidungslosigkeit, oder sie läßt eine konkrete Frage in das Grundsatzproblem "Freiheit oder Staatlichkeit" ausmünden. Damit aber ist hier kein Fortschritt zu erzielen. Es droht sogar die Gefahr, daß eine solche "Abwägung" lediglich mit einem vollen Sieg der staatlichen Finanzgewalt enden würde, weil die Fragestellung notwendig undifferenziert bleibt: "Dem Finanzbedarf" wird ein spezifisches Institut gegenübergestellt. Güterahwägungen dieser Art müssen also bei der Inhaltsbestimmung des Erbrechts völlig ausscheiden. Was hier der ErbSt-Gesetzgeber achten muß, kann nur nach der Kernbereichslehre beurteilt werden. Der "Kernbereich" des Erbrechts darf jedoch nicht rein quantitativ bestimmt werden, wie es bei denjenigen naheliegt, nach welchen "noch etwas bleiben muß". Dies würde nämlich voraussetzen, daß "das Erbrecht" als eine quantitativ homogene Summe von Rechten erfaßt würde, welche der Gesetzgeber verringern, aber nicht aufheben dürfte. Dies wiederum könnte nur erwogen werden, wenn "Erbrecht" in Art. 14 Abs. I GG mit "Rechten des Erben" identifiziert würde. Der Staat dürfte dann nur soviel entziehen, daß dem Bedachten "noch etwas bliebe". Dies aber ist abzulehnen: - Es würde sich - die prinzipielle Quantifizierbarkeit allen Erbrechts unterstellt - nicht mit auch nur annähernder rechtsstaatlicher Sicherheit sagen lassen, wieviel (prozentual) bleiben müßte. Hier könnte nur Willkür herrschen. Quantitative Bestimmung des Wesensgehalts ist ohne qualitative Richtpunkte, ohne Fixierung der Schwelle, an der sie in Qualität umschlägt, unzulässig. - Gerade die Quantifizierung des Erbrechts ist schon deshalb ausgeschlossen, weil unter "Erbrecht" in Art. 14 Abs. I GG nicht die Rechte des Erben, sondern diejenige Institution zu verstehen ist, in deren Rahmen sich unentgeltliche Vermögensübergänge von Todes wegen vollziehen. Das Erbrecht ist nicht nur Recht des Erben, sondern auch des Erblassers25 ; es ist auch nicht einfach identisch mit 25 Der Erblasser wie der Erbe werden nicht durchArt. 2 Abs. I GG, sondem durch den deutlich sachnäheren Art. 14 Abs. I GG allein geschützt. Abzulehnen daher Lange, H., Lehrbuch des Erbrechts, 1962, S. 19.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit der Summe der Rechte am Erbgut. Es ist vielmehr die Summe der Rechtsvorschriften, nach denen diese Rechte bestimmt sind und übergehen können. "Erbrecht" ist also primär ein Qualitäts-, kein Quantitätsbegriff. Nur mit Blick auf die Erhaltung der Qualität kann es (quantitativ) reduziert werden. Art. 19 Abs. II GG bewirkt generell keine Quantifizierung aller Freiheitsräume: Diese sind ganz wesentlich nicht Quanten, sondern besitzen eine Werthaftigkeit, welche sich konzentrisch aufbaut. Das GG spricht dies deutlich aus, wenn es auf das "Wesen" -und nicht auf den "Restbestand" der Freiheit verweist. Es muß also der quantitative Kern erhalten bleiben, diejenigen Norminhalte, welche den herkömmlichen Grundcharakter des Erbrechts ausmachen. Was aber für das Erbrecht als solches gilt, das muß auch für jene Wesenselemente gefordert werden, die im einzelnen28 das Erbrecht konstituieren: Auch sie dürfen in Randzonen beschränkt, im einzelnen ausgestaltet werden - als solche, als qualitative Einheiten müssen sie erhalten bleiben.
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Will man also den Wesensgehalt als Grenze der ErbSt fruchtbar machen, so kann dies nur so geschehen, daß die qualitative Identität des Erbrechts und seiner wesentlichen Konstruktivelemente um jeden Preis erhalten wird. Dies setzt voraus, daß nur diejenigen Regelungen des bürgerlichen Erbrechts überhaupt als Inhalt der Erbrechtsgarantie in Betracht kommen, die einen Identitätskern haben, der qualitativ erhalten werden kann. Von der oben abgelehnten Güterabwägungslehre unterscheidet sich diese allein praktikable Auffassung darin, daß der Kern nicht durch Vergleich mit der Rechtfertigung des gesetzlichen Eingriffs, sondern immanent, aus der Eigengesetzlichkeit des isoliert betrachteten Erbrechts gewonnen wird27• Und hier hat die Zivilrechtsdogmatik seit langem die zentralen Komplexe herausgestellt. Die erforderliche qualitative Geschlossenheit ist sowohl bei den Einzelelementen des Erbrechts (im folgenden c) wie hinsichtlich des Grundgedankens des Erbrechts als solchen (im folgenden d) klar feststellbar.
c) Verwandtenerbrecht, Testierfreiheit Universalsukzession als Wesenselemente des "Erbrechts" aa) Seit von einer Institutsgarantie des Erbrechts die Rede ist, war es im Prinzip unbestritten, daß der Grundsatz des Verwandtenerbrechts u Vgl. unten c. Wobei selbstverständlich die Beziehungen zum Ganzen der Privatrechtsordnung zu beachten sind (vgl. Boehmer, G., Erbrecht, in: Die Grundrechte 27
III, 1930, S. 267).
II. Das Erbrecht
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durch die Verfassung gegenüber dem Gesetzgeber gesichert werde 28 : "In des Menschen Brust lebt das Gefühl, daß Eltern füreinander und für ihre Kinder arbeiten und sammeln, es ist ein mächtiger Trieb im Menschen, für seine Hinterbliebenen zu sorgen, diejenigen, denen er im Herzen so nahe stand29." Vorwiegend wird die Unentziehbarkeit des Pflichtteilrechts als von der Verfassung gesichert hervorgehoben30• Dabei wird aber betont, daß das Erbrecht hier nicht nur der Alimentierung bedürftiger Verwandter dienen dürfe31 , sondern den Anfall des Erbgutes wegen der Verwandtschaft als solcher- unter dem Vorbehalt der Testierfreiheit - zu gewährleisten habe. "Verwandtenerbrecht" als prinzipieller Erbrechtsinhalt bedeutet also, daß den Verwandten das Erbgut zufallen muß, wenn nicht von der Testierfreiheit Gebrauch gemacht wird und daß den Verwandten ein gewisser Anteil am Erbgut (Pflichtteil) bleiben muß. Diese Aussagen haben prinzipiellen Charakter, sind also durch die Gesetzgebung ausgestaltungsfähig; von jeher war anerkannt, daß das Prinzip des Verwandtenerbrechts nicht etwa die Anfallberechtigung aller wie immer Verwandter beinhaltet32 • Es kann (in gewissem Umfang) der Verwandtenbegriff näher bestimmt werden; die Verwandtschaftsgrade dürfen in ihrer Erbberechtigung fixiert, gestaffelt oder gleichgestellt werden. Höhe und rechtliche Natur des Pflichtteilsanspruchs können ebenso bestimmt werden, wie dessen Entzug als Ausnahme vorgesehen werden mag. Überhaupt kann in jeder dieser Richtungen "beschränkt", Ausnahmen, welche die Regel unberührt lassen, können eng begrenzt vorgesehen werden. Bleiben muß jedoch der Identitätskern des Begriffs des Verwandtenerbrechts: Verwandte müssen hinsichtlich des Vermögensüberganges - vorbehaltlich der Testierfreiheit - privilegiert werden. Natürliche Anfallsrechte darf es nicht in Konkurrenz zu ihnen geben. Auf ihre wirtschaftliche Stellung kommt es nicht an. Erbrecht, nicht Alimentation wird geboten. Verwandte müssen ferner unbedingt in den Genuß eines gewissen wirtschaftlichen Anteils am Erbgut kommen. Dieser muß ihnen möglichst als solcher, nicht als Summe disparater Trümmer, 28 Siehe etwa Hermes, J., Der Gesetzentwurf über das Erbrecht des Staates, 1913, S. 6 f. (insbes. S. 26); Mikat, P ., Erbrecht, a.a.O. 29 Schanz, G., Erbschaftsteuer, Handwörterb. d. Staatswissenschaften III, s. 700. 3o Boehmer, G., a.a.Oen. 31 Boehmer, G., in: Die Grundrechte III, 1930, S. 257; Boehmer, G., in: Staudingers Kommentar, V, § 23, II, IV; Abraham, BK (Erstbearb.) Art. 14 II 3; v. Mangoldt-Klein, BGG I, S. 427. 32 Hermes, J., Der Gesetzentwurf über das Erbrecht des Staates, S. 14 f.; Boehmer, G., in: Die Grundrechte II, 1954, S. 410, 440; Boehmer, G., in: Staudingers Kommentar V, § 23 Rdnr. 2.
4 Leisner
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
sondern in einer noch erkennbaren Bezogenheit auf das Gesamtgut zukommen. Eine Gesetzgebung, welche die besondere Nähe der Verwandten zum Erbgut in diesen beiden Richtungen nicht berücksichtigt, sie etwa Fremden gleichstellt, ist verfassungswidrig. Dem Grundsatz des Verwandtenerbrechts ist es eigentümlich, daß es nicht durch den Staat, sondern durch den Erbj::~sser verdrängt werden kann, der von seiner Testierfreiheit Gebrauch macht. bb) Die Testierfreiheit gehört zum Wesen des deutschen Erbrechts33• Begrifflich hat sie ein doppeltes Gesicht: Sie sichert sowohl die Freiheit des Erblassers zur Gestaltung seiner Vermögensverhältnisse nach dem Tode, wie auch das Recht des Bedachten, unabhängig von sonstiger Anfallberechtigung allein kraft Testament das dort bestimmte Vermögen frei von staatlichem Zwang oder Einflußnahme Dritter zu übernehmen. Die Testierfreiheit schützt somit den freien gewillkürten Vermögensübertragungsvorgang von Todes wegen gegen Beeinträchtigung durch den Staat oder seitens Dritter34 • Die Testierfreiheit sichert ein freies, nicht etwa ein in spezieller Weise sozial gebundenes Beliebengleichgültig ist, ob der Erblasser die Einheit des Familiengutes erhalten, lediglich unwürdige Verwandte ausschalten, oder sich "Wahlverwandte" durch Testament gewinnen will. Diese Freiheit ist vielleicht das nach Wesen und Tradition am deutlichsten individuelle, am wenigsten gemeinschaftsgebundene Recht35, welches das GG schützt. Die Testierfreiheit sichert nicht nur das Recht, "den" Vermögensnachfolger, den Erben zu bestimmen, sie umfaßt auch das Recht, eine Erbenmehrzahl zu benennen und Legate auszusetzen, das Erbgut also rechtlich oder wirtschaftlich zu teilen. Die Testierfreiheit wird damit zum Recht der Bestimmung des Erbgutanteils, dem die Befugnis entspricht, dies~n übernehmen zu dürfen. Soweit hier der Erblasser geschützt wird, handelt es sich zwar um einen besonderen Aspekt seiner Persönlichkeitsentfaltungsfreiheit Art. 2 Abs. I GG)=6 • Hier ist jedoch der sachnähere Art. 14 Abs. I GG 33 Boehmer, G., in Die Grundrechte III, 1930, S. 272; Boehmer, G. in: Staudingers Kommentar V, Einl. § 23, Rdnr. 14, 16; Boehmer, G., in: Die Grundrechte II, 1954, S. 418 f.; Kimminich, 0., BK (Zweitbearb.) Art. 14 Rdnr. 27; Mikat, P., Erbrecht, Staatslexikon II, Sp. 1219; Hamann, A., GG, S. 162; Lange, H., Lehrbuch des Erbrechts, 1962, S. 19, 21. 34 Der Schutz der Freiheit gegen den "Erblasser selbst" (gegen seine Selbstbindung) gehört nicht zur verfassungsmäßigen Garantie (vgl. dazu Boehmer, G., in: Die Grundrechte II, 1954, S. 421), weil dies gerade Ausfluß der Privatautonomie ist. 35 Zur Gemeinschafts- und Verfassungsbindung vgl. Boehmer, G., a.a.O., S. 421/2; Leisner, W., Grundrechte und Privatrecht, S. 359. ae Vgl. Lange, H., a.a.O.
II. Das Erbrecht
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Iex specialis- die Testierfreiheit ist Teil des Erbrechts, die Schenkungsfreiheit gehört. zur Dispositionsbefugnis über das Eigentum. Die Schrankentrias des Art. 2 Abs. I GG kann daher im folgenden außer Betracht bleiben. Der Gesetzgeber darf die Testierfreiheit in verschiedener Weise ausgestalten, ja beschränken: Die Testamentsform kann bestimmt, die Testierfähigkeit geregelt, Gültigkeits-, Anfechtungs-, Widerrufsvoraussetzungen mögen festgelegt werden. Testat- und Verwandtenintestaterbfolge kann, muß vom Gesetzgeber harmonisiert werden, wobei nach h. L.37 Pflichtteilsansprüche vorzusehen sind. Schließlich könnte in begrenzten Ausnahmefällen die testamentarische Erbfolge ad personam oder quoad rem ausgeschlossen werden. Bleiben muß jedoch die Freiheit des Erblassers, jeden Beliebigen unter Vorbehalt eines beschränkten Rechts der Familienangehörigennach seiner freien Wahl zu bedenken, insbesondere das Recht, jedem Beliebigen den sachlichen Kernbestand des Erbgutes zukommen zu lassen, sodaß dieser als Testamentserbe die Persönlichkeit des Erblassers fortsetzt; daraus folgt schließlich die Befugnis, "das Erbgut" für jeden Bedachten frei zu gestalten, zu begrenzen, welches ihm sodann "als solches" zukommen muß38• Die Freiheit der Bedachten zur Übernahme der Hinterlassenschaft muß dem entsprechen. Die Gesetzgebung darf die Testierfreiheit nicht dadurch aushöhlen, daß sie die Testamentserrichtung übermäßig formal erschwert, die Testierfähigkeit generell einschränkt, Pflichtteilsrechte übermäßig ausdehnt oder in anderer Weise39 dem Testaterben das Erbgut entzieht. cc) Universatsukzession, ErhaLtung der Identität des Erbgutanteits: Der Grundsatz der Universalsukzession bei der Bestimmung der Wesenselemente des Begriffs des verfassungsrechtlichen Erbrechts wird nur selten erwähnt40 • Dies hängt damit zusammen, daß die "politische" Bedeutung dieser herkömmlichen Gestaltungsform des deutschen Erbrechts bisher nicht erkannt wurde: Der staatliche Zugriff wurde stets nur durch Sicherung der Verfügungs- und der Anfallberechtigung abgewehrt; es war nicht klar, daß hier eine nähere Präzisierung nur möglich ist, wenn der Erbvorgang als Übergang bestimmter Güter zu verstehen ist, die in einem (meist vom Erblasser kraft Erbrechts gewollten) Zusammenhang vererbt werden sollen - eben als (gewillkürtes oder gesetzlich bestimmtes) Erbgut. 37 38 39 •0
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Vgl. oben aa. Dazu unten cc. Insbesondere eben durch Steuer, vgl. unten S. 68 f. Z. B. Mikat, P., a.a.O.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
Dies also verdeutlicht die Institution der Universalsukzession, welche in der Erbrechtsdogmatik als rechtstechnisches Zentrum des geltenden Sukzessionsrechts angesehen wird41 : Der Erbe setzt die Persönlichkeit des Erblassers bruchlos fort. Das Vermögen geht unverändert "wie es steht und liegt" auf ihn über. Der Erbe übernimmt ferner das ganze Vermögen des a quo, er erhält im Prinzip nicht eine Summe von Vermögensgegenständen, sondern eine echte Vermögenseinheit, welche eben durch die Persönlichkeit des Erblassers zusammengefaßt, geprägt worden ist. Dem Erben fallen schließlich alle Vermögensgegenstände des Erblassers einheitlich zu, eine gesonderte Erbfolge für Grundbesitz, Mobilien, Geschäftsvermögen o. ä. gibt es nicht. Was übertragen werden kann, wird auch vererbt. Werden einzelne Kategorien von Vermögensgütern (praktisch) unvererbbar, so bricht dies von vorneherein die Gesamtnachfolge, weil das Erbgut den Erben anders strukturiert erreicht als es den Erblasser verläßt. Der gemeinsame, für den Wesenskern des Erbrechts wichtige Grundgedanke dieser Vorstellungen ist: Alles was der Erblasser dem Erben überläßt, bildet eine Vermögenseinheit, welche durch seine Persönlichkeit geprägt, durch seinen Willen als Erbgut fixiert und damit als seine den Tod überdauernde wirtschaftlich-ideelle Persönlichkeit anzusehen ist. Diese Einheit darf nicht durch die Staatsgewalt gegen den Willen des Erblassers oder des Erben zertrümmert oder sonst in ihrer wesentlichen Struktur verändert werden. Nach deutschem Recht wird Vermögen vererbt, nicht Vermögensbestandteile, nicht Trümmer eines Vermögens. Wie die Universalsukzession die Identität des Toten über sein Ableben hinaus erhalten will, so muß die Identität de-r vom Erblasser gewollten Vermögensgestaltung und Vermögensverteilung gewahrt werden. Die Gesamtnac.~folge mag ursprünglich ein rechtstechnisches Ordnungsmittel gewesen sein, um alle Vermögenspositionen einem neuen Rechtsträger zuordnen zu können - in einem persönlichkeitsbezogenen Staatsrecht muß sie als Ausdruck einer Entfaltung und Fortsetzung der Persönlichkeit verstanden werden, welche, wie kaum ein anderes Rechtsinstitut des Privatrechts, der Menschenwürde nahe-steht, die den Tod überdauert. Der Grundsatz der Einheit des Erbgutes, der in der Universalsukzession zum Ausdruck kommt, trägt jedoch weiter: Auch bei Bestimmung einer Erbenmehrheit oder durch Legat macht der a quo von einem verfassungsrechtlich gesicherten Bestimmungsrecht des Anteils am Erbgut Gebrauch. Werden mehrere Personen zu Erben eingesetzt, so sind Erbgut und Anteile bestimmt, auf die Bedachten ist im übrigen, 41 Vgl. u. a. Kipp-Coing, Erbrecht, 12. A., S. 3/4; Lange, H., Lehrbuch des Erbrechts, 1962, S. 37/38; Boehmer, G., Staudingers Kommentar, V, § 1922, Rdnr. 121 f.
II. Das Erbrecht
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was die Verteilung anlangt, die Freiheit des Erblassers zur Erbgutgestaltung übertragen. Auch durch Vermächtnis wird ferner ein Anteil am Erbgut gebildet, der als solcher eine vom Erblasser bestimmte Vermögens€·inheit darstellt. Ob dies mit dinglicher Wirkung oder in Form einer Forderung geschieht, ist für die Verfassungsgarantie ohne Belang - der Staat kann die Rechtsformen der Anteilbestimmung normieren, das private Recht auf diese selbst muß er, in seinem Kern wenigstens, achten. Der Grundsatz der "Erhaltung der Identität des Erbgutanteils", zu dem aus verfassungsrechtlicher Sicht der Grundgedanke der Universalsukzession erweitert werden muß, ist zugleich eine nähere Bestimmung der Testierfreiheit, des Erbschaftsbegriffes überhaupt: Der Erbgutanteil wird stets durch den Testatwillen des a quo bestimmt- sei es positiv, sei es durch Unterlassen. Die Bestimmung des Erbgutanteils ist daher ein echt freiheitlicher, verfassungsrelevanter Aspekt der privaten Verfügungsbefugnis. Zu dem Begriff "Erbrecht" gehört wesentlich der einer "Erbschaft", welche eben nicht quantitative Summe, sondern qualitative Einheit von Vermögensgegenständen ist und sich gerade deshalb dazu eignet, den qualitativen Kern des Erbrechts zu bestimmen42 • Zusammenfassend läßt sich sagen: Der Gesetzgeber muß die qualitative Einheit des Erbgutes oder des vom a quo bestimmten Anteils an diesem wahren. Er darf daher auch nicht einzelne Kategorien (praktisch) unvererbbar machen.
d) Erbrecht (im ganzen) als Fortsetzung der privaten Eigentumsordnung, als Strukturprinzip einer staatsunabhängigen Gesellschaft Der Wesensgehalt des Erbrechts kann nicht ausschließlich dadurch erfaßt werden, daß hier gewisse Kernelemente (etwa die Testierfreiheit) auch ihrerseits im Kern erhalten bleiben sollen. Das Erbrecht ist als ganzes eine Einrichtung, sein einheitlicher institutioneller Sinn muß ermittelt und er vor allem muß im Kern erhalten bleiben. Der Blick darf hier nicht auf den einzelnen Erblasser oder Erben, er muß auf das Ganze der deutschen Staats- und Gesellschaftsorganisation gerichtet werden. Hier zeigt sich der Sinn des Erbrechts als einer Fortsetzung - und damit recht eigentlich erst der Ermöglichung - der privaten Eigentumsordnung43. Daß nach dem GG "die Gesellschaft" als solche, als eine eigenständige Ordnungseinheit der staatlichen Ordnungsmacht gegen42 43
Vgl. oben S. 46 f. Dazu unten S. 73 f.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
übersteht44 , bedarf hier ebensowenig näherer Begründung, wie daß sich die Eigengesetzlichkeit der Gesellschaft in den Formen des Privatrechts entfaltet. Die bürgerliche Eigentumsordnung ist eines ihrer Kernstücke. Ganz abgesehen davon, daß die Verfügungsbefugnis a titre gratuit begrifflich geradezu als Teil des Eigentumsrechts verstanden werden kann - nur durch Erbrecht kann die Eigentumsordnung perpetuiert werden. Nur so wird die Eigentumsverteilung zur dauerhaften Ordnung, so allein wiederum kann die Eigentumsordnung den Kern der staatsunabhängigen Gesellschaftsordnung mitbilden. In dem Maße also, in welchem der Staat großen Anteil am Erbgut verlangt, greift er in den Kern gesellschaftlicher Eigengesetzlichkeit ein. Seit langem sind solche Bezüge bekannt, mag auch die verfassungsrechtliche Schlußfolgerung nicht immer gezogen worden sein. Die Gleichung Eigentum - Erbrecht ist stets unterstrichen worden 45 • Daß das bürgerliche Recht nicht nur in einzelnen Instituten (Verwandtenerbrecht, Testierfreiheit), sondern als Ordnungsgefüge durch Art. 14 GG erhalten werden sollte, wurde nie bestritten46 • In diesem Sinn also ist die Garantie des Ganzen mehr als die seiner wesentlichen Teile. Unabhängig davon, ob eine jener Gestaltungen alterniert wird, die als Wesenselemente des Erbrechts erkannt wurden- der Wesensgehalt der Erbrechtsgarantie ist stets verletzt, wenn das Sukzessionsrecht nicht mehr jene ordnende Funktion im gesellschaftlichen Bereich entfalten kann, welche ihm als Fortsetzung der bürgerlichen Eigentumsordnung zukommt. Wird also der Zugriff des Staates so drückend - für viele oder alle Kategorien von Gütern - daß jeder Erbfall für die Betroffenen eine "wirtschaftliche Revolution", eine Novation ihres Vermögensstatus darstellt, so kommt nicht mehr dem Erbrecht die Ordnungsfunktion zu, sondern der bei Gelegenheit des Erbfalles eingreifenden Staatsgewalt. Hier lassen sich freilich Grenzen nur sehr allgemein bestimmen, es kommt auf den wirtschaftlichen Gesamteffekt einer Erbschaftsteuerregelung an. Doch dieser Gesichtspunkt hat Selbstgewicht gegenüber u Vgl. näher m. Nachw. Isensee, J., Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968, S. 149 f. 45 Für viele: Lange, H., Lehrb. d. Erbrechts, S.19/20; Mikat, P ., Erbrecht, Staatslexikon Il, Sp. 1218; TroH, M., Erbschaftsteuergesetz 1959, S. 48; Lenski, E., Erbschaftsteuer, S. 2; Boehmer, G., Erbfolge und Erbenhaftung, 1927, S. 13; Boehmer, G., in: Die Grundrechte III, 1930, S. 267 f.; Boehmer, G., in: Staudingers Kommentar, V. Ein!. § 23 Rdnr. 10. 46 So u. a. Bartholomeyczik, H., in: Erman, Handkommentar z. BGB, 3. Auf!., 1962, Einl. vor§ 1922, Anm. 5; Keidel, Th., in Palandt, BGB, 26. Auf!., 1967, § 1922, 1 b; Kimminich, 0., BK (Zweitbearb.) Art. 14, Rdnr. 28; BVerfGE 1, S. 278/9: "Das GG wollte das Eigentum so wie es das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben, schützen ..."; Weber, W., Eigentum und Enteignung, in: Die Grundrechte 11, 1954, S. 352.
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den Rechten Einzelner: Wenn ihre Beeinträchtigung gelegentlich noch geduldet werden muß, eine Reform sich im ganzen aber als Veränderung des Ordnungsgefüges der Eigentums-Erbrechtsordnung erweist, so kann sie vor der Verfassung nicht Bestand haben. Kriterium sind hier nicht Rechte Einzelner, sondern es ist die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft zur eigengesetzlichen Ordnung gegenüber dem staatlichen Bereich. Hier muß zu Gesamtkonsequenzen von Einzelregelungen "hochgerechnet" werden, was nur im konkreten Fall möglich ist. Die Kategorie jedoch der institutionellen Gesamtordnungsfunktion des Erbrechts muß klar und stets gegenwärtig sein. 3. Normativer Rang der Erbrechtsverbürgung
Das Erbrecht darf bis auf den Wesenskern (Art. 19 Abs. II GG) 47 durch einfache Gesetzgebung eingeschränkt werden. Durch Verfassungsgesetz kann jedoch auch dieser alteriert werden. Fraglich ist nun bereits seit der Weimarer Zeit, ob der Wesensgehalt der Erbrechtsverbürgung in vollem Umfang zur Disposition des Verfassungsgesetzgebers steht48 • Überwiegend wird dies verneint: Die "geistige Essenz des bürgerlichen Grundrechtskatalogs" darf nicht zerstört (Boehmer), die "grundlegenden Wertvorstellungen der Grundrechte über Eigentum und Erbrecht" können nicht beseitigt werden (H. Lange). Dies läßt sich noch näher aus der Grundrechtsdogmatik begründen: Die Bedeutung des Art. 79 Abs. III in Verbindung mit Art. 1 Abs. II GG wird heute mit Recht darin gesehen, daß jedes einzelne Grundrecht einen materiellen Menschenrechtsgehalt aufweist, an dem jede staatliche Verfügungsmacht scheitert49 • Beim Erbrecht läßt sich, leichter als bei den meisten anderen Grundrechten, ein unmittelbarer Bezug zur Menschenwürde nachweisen. Gerade hier wird der Mensch kraft seines Geistes in eigener Entscheidung dazu befähigt, sich von der unpersönlichen Natur abzuheben und sich und die Umwelt zu gestalten50 indem er über natürliche Beschränkungen hinauswächst: Durch seine Erbschaft, in seinen Erben überwindet er die Kreatürlichkeit des natürlichen Sterbens. Die "Menschenwürde" wird vor allem in ihren Vorund Nachwirkungen bei Geburt und Tod deutlich51 - das Erbrecht ist Vgl. oben 2. Vgl. dazu Boehmer, G., in: Die Grundrechte III, 1930, S. 262 f.; Boehmer, G,. in Staudingers Kommentar, Einl. § 23, Rdnr. 4, 5; Boehmer, G., in: Die Grundrechte II, 1954, S. 40617 m. Nachw.; Lange, H ., Lehrbuch d . Erbrechts, 1962, S. 20; Mikat, P., Erbrecht, Staatslexikon II, Sp. 1220. 49 So grdl. Dürig, G., in Maunz-Dürig-Herzog, GG, Art. 1, Rdnr. 73 f., insbes. 80. 5o So Dürig, G., a.a.O., Rdnr. 18 unter Hinw. auf Wintrich. 51 Dürig, G., a.a.O., Rdnr. 23. 47
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die institutionalisierte Nachwirkung der menschlichen Persönlichkeit. Menschenwürde soll den Vorrang des Personenwertes vor dem Sachwert begründen52 - nirgends vielleicht wird eine zentrale Sachgutentscheidung so sehr von einer Persönlichkeitsentscheidung getragen, nirgends steht sie dem Personenwert näher. Garantiert schließlich die Menschenwürde dem Einzelnen eine ureigenste Intimsphäre5\ so kann nur ein persönlichkeitsbezogenes Erbrecht diesen Bereich schützen, der ja nicht in allem mit seinem Träger untergeht. Es muß also einen Menschenrechtskern des Erbrechts geben, den auch der Verfassungsgesetzgeber zu achten hat. Dieser ist noch enger, elementarer als der Wesensgehalt, den Art. 19 Abs. II GG der Disposition des einfachen Gesetzgebers entzieht. Unbedingt verboten ist die völlige Abschaffung des Erbrechts sowie alle Gestaltungen, welche auch nicht entfernt mehr den Sinngehalt des bürgerlichen Sukzessionsrechts erkennen lassen: die Aufhebung von Testierfreiheit und Verwandtenerbrecht, die Zuteilung von Erbgut durch den Staat. Wie das Erbrecht als ganzes, als Ordnungsgefüge absolut geschützt ist, so sind es eben auch seine Wesenselemente, ohne die es heute nicht mehr gedacht werden kann54• Allgemein, höchst theoretisch mag diese Abgrenzung von "Wesensgehalt" und "Menschenrechtskern" klingen. Sie hat jedoch gerade für das Erbrecht dogmatische Bedeutung, zeigt sie doch diesen Bereich als "in sich zentrumsbezogen". Eine quantitative Verringerung in vielen kleinen Schritten nach dem Sandhaufenbeispiel ist hier nicht in infinitum möglich. Der Menschenreclltskern muß zu jeder Zeit jede Veränderung orientieren, mit Blick auf ihn stellt sich stets die Frage, ob nicht die Grenzen der Staatsmacht überschritten sind. Schon lange bevor die letzten Grenzen erreicht sind, zwingt die Nähe des Erbrechts zur Menschenwürde den Gesetzgeber zu einer Vorsicht, welche eine Distanz der Achtung zum höchsten Wert unserer Verfassung hält. 4. Mögliche Verletzung der Erbrechtsgarantie durch ErbSt Insbesondere: Verletzung des Begriffs der ,.Erbschaft"
Der Gesetzgeber der ErbSt gilt seit langem als der "geborene mögliche Verletzer" der Erbrechtsgarantie55• Allgemein wird anerkannt, daß gerade durch Besteuerung jene "Aushöhlung" erfolgen kann, gegen sz Dürig, G ., a.a.O., Rdnr. 33. s3 Dürig, G., a.a.O., Rdnr. 37. " 4 Vgl. oben S. 48 f. ss Nachw. oben S. 46.
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welche die institutionelle Garantie ebenso schützen will, wie gegen offenen, formalrechtlichen Abbau des herkömmlichen Erbrechts: Die rechtliche Fassade bleibt erhalten, der Erbvorgang zwischen Privaten läuft ab, doch sein Sinn wird zugleich wirtschaftlich durch Begründung der Steuerschuld wieder aufgehoben. Die institutionelle Sicherung entfaltet also gerade darin ihren spezifischen Sinn, daß sie durch den juristischen Kunstgriff des Steuerumwegs nicht eliminiert werden kann. Es ist unbestritten, daß die ErbSt verfassungsrechtlich so betrachtet werden muß, als liege sie auf der Erbschaft, nicht als treffe sie den Erben. Der Erbschaftsbegriff des Zivilrechts als einer vom Erblasser geschaffenen Vermögenseinheit (des Anteils am) Erbgut darf also nicht in einer Weise durch Steuer alteriert werden, welche dem Erben nicht mehr eine "Erbschaft nach Entscheidung des Erblassers" zukommen läßt56• Gerade hier, beim Erbschaftsbegriff, muß stets der Blick auf den Sinnzusammenhang des Zivilrechts gerichtet werden, denn: "Bestimmt ein Steuergesetz den Steuergegenstand grundsätzlich nach Rechtsformen des bürgerlichen Rechts, so ist eine Sonderregelung, die die benutzte zivilrechtliche Ordnung und damit die vom Gesetz selbst statuierte Sachgesetzlichkeit durchbricht, nur dann i. S. der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 3 Abs. I GG "sachlich hinreichend" gerechtfertigt, wenn sie von überzeugenden Gründen getragen wird; dies gilt vor allem dann, wenn die Sonderregelung die zivilrechtliche Ordnung gerade an einer Stelle durchbricht, die deren eigentliche Bedeutung ausmacht57."
a) Höhe der ErbSt-Sätze In früherer Zeit wurde die Diskussion um die ErbSt über verschwindend geringe Belastungen geführt58 • Heute ist die Lage völlig verändert: Die Identität der Erbschaft kann durch eine prozentuale Anhebung des Steuertarifs zerstört werden. Wird der weit überwiegende Teil des realen Substanzwertes durch Steuer entzogen, so kann wirtschaftlich von einer Erbschaft nicht mehr gesprochen werden. Wahrer Berechtigter ist der Staat, während dem privaten Scheinerben nicht viel mehr als die Last der Verwaltung und der vorübergehenden Treuhänderschaft bleibt. Ein derartiger Vorgang verdient den Namen "Erbschaft" 56 Ob es sich hier um eine erhaltenswerte Wirtschaftseinheit handelt (worauf u. a. Radbruch, G., Rechtsphilosophie, 5. Aufl., 1956, S. 260 abhebt), ist demgegenüber ohne Belang. 57 BVerfGE 13, S. 331 Ls. 58 So stellt etwa Adolf Harnack seine sozialethischen Betrachtungen zu einer Nachlaßsteuer an, die zwischen 0,5 Ofo und 2 Ofo liegen sollte (Deutsche Revue, 34. Jg., I, 1909, S. 170). Schon aus diesem Grund lassen sich Argumente aus der Zeit vor 1914 nicht mehr für eine Begründung der ErbSt verwenden.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
nicht mehr. Hier triumphiert purer Rechtsformalismus, der Begriffe gebraucht, welche tatsächlich, wirtschaftlich sinnentleert sind. Ganz abgesehen von der so in der Regel bewirkten Zertrümmerung und damit Alterierung der qualitativen Einheit der Erbschaft- eine übermäßige quantitative Reduktion schlägt an sich, selbst da also "in Qualitätsveränderung um", wo sie eine in sich homogene Erbmasse trifft, welche keinen besonderen qualitativen Einheitswert hat. Gegen Progression besteht zwar kein grundsätzliches Bedenken; wenn aber vom Ganzen nur mehr soviel bleibt, daß der Rest kaum noch an die ursprüngliche Vermögensmasse erinnert oder sich als "großzügiges Entgelt" für die "Verwaltung des Vermögens für den Steuerfiskus" darstellt, so sind die Grenzen überschritten, mögen diese auch in einem gewissen Umfang bei außerordentlichen Notlagen des Staates beweglich sein. Einen festen Anhalt zur Bestimmung zulässiger Tarifhöhe mag die folgende Überlegung bieten: Der Erblasser will in der Regel dem Erben nicht nur irgendwelche disparate Vermögensgegenstände überlassen; er verbindet damit vielmehr, gerade in der heutigen Zeit fungibler Vermögenswerte, die Absicht, einen bestimmten wirtschaftlichen, vermögensmäßigen Status zu begründen, in dessen Rahmen der Erbe soll leben können. Ein "derartiges Leben zu führen" muß dem Erben, nach dem Sinn der Erbschaft, auch nach Steuerabzug noch möglich sein, er darf nicht durch die ErbSt in erheblich niedere Vermögens- und Einkommensklassen gedrückt werden. In gewissem Umfang muß daher hier der Gesetzgeber von wirtschaftswissenschaftlichen und soziologischen Kategoriebildungen ausgehen, welche insbesondere die jeweilige Kaufkraft und die soziologischen Gegebenheiten und Gruppengewohnheiten berücksichtigen. Vieles spricht dafür, daß der Grenze von 50 °/o bei Steuersubstanzeingriffen eine gewisse Bedeutung zukommt. Zur Vermögensabgabe meint nämlich der BFH: "Zwar ist die Vermögensabgabe gesetzlich auf 50 v. H. des abgabepflichtigen Vermögens festgelegt worden. Das Gesetz verlangt aber nicht, daß die Hälfte des Vermögens real abzugeben ist; es hat vielmehr für die Tilgung der Abgabeschuld bei mäßiger Verzinsung einen Zeitraum von 30 Jahren zugelassen. Außerdem ist die Abgabe so gestaltet, daß sie in der Regel aus den Erträgen des Vermögens aufgebracht werden kann; sie stellt für die Abgabepfl.ichtigen lediglich eine zusätzliche Steuerbelastung dar" 59• Nun ist die Vermögensabgabe zweifellos eine Steuer, die eine gewisse Vermögensumschichtung bewirken soll. Wenn also selbst diese durch wahrhaft außerordentliche geschichtliche Ereignisse motivierte Abgabe nur zulässig ist, weil der Gesetzgeber Vorsorge getroffen hat, daß die Substanz nicht notwendig se BFH 77, S. 261/2.
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angegriffen werden muß, so muß solches a fortiori für die ErbSt zutreffen. Wenn ein unzulässiger Substanzeingriff bei 50 Ofoiger Belastung im Fall der Vermögensabgabe nur durch jahrzehntelange Tilgungsfristen vermieden wird, so kann man sich bei einer doch weit weniger vermögensumschichtenden Steuer wie der ErbSt kaum vorstellen, wie eine erheblich mehr als 50 Ofoige Besteuerung noch tragbar gemacht werden soll. Eine Anhebung der ErbSt ohne Möglichkeit langfristiger Stundung ist schlechthin unzulässig. Die ErbSt kann eben, will man staatlichen Bedürfnissen weit entgegenkommen, allenfalls als ein Anteil des Staates am Erbgut gedeutet werden. Schon im Begriff des "Anteils" liegt jedoch bei vernünftiger Betrachtung eine gewisse quantitative Beschränkung: Hier darf nicht "der Großteil" entzogen werden.
b) Zertrümmerung des ererbten Vermögens qualitative Alterierung der Einheit der Erbschaft Hohe ErbSt-Sätze zwingen schon bei mittleren Vermögen den Durchschnittserben zur Zertrümmerung des in bestimmter Weise vom Erblasser strukturierten Vermögens, jedenfalls aber zu dessen tiefgreifender Umstrukturierung. Von Mobilien etwa muß er sich völlig trennen, um die Immobilien behalten zu können. Gerade in einer bestimmten Vermögensverteilung aber kann der wirtschaftliche Wert der vererbten Vermögensposition liegen, nirgends kommt deutlicher als hier die wirtschaftliche Persönlichkeit des Erblassers zum Ausdruck, deren Fortsetzung die Universalsukzession sichern will. Nicht etwa in Ausnahmefällen, sondern in deutlich kategoriemäßig bestimmbaren wirtschaftlichen Lagen kann die Gesamtnachfolge nicht mehr eintreten, wird das Erbanteilbestimmungsrecht des a quo illusorisch. Gewiß hat jeder sich wirtschaftlich so zu verhalten, daß er möglichst seine steuerlichen Verpflichtungen erfüllen kann, diese dürfen ein gewisses Maß von wirtschaftlicher Anpassungsfähigkeit beim Steuerpflichtigen voraussetzen. Die generelle Folge aber: "Keine Erbschaft bei großen oder speziell strukturierten Vermögen", "keine Universalsukzession für Vermögende" verstößt gegen die Verfassung. In Deutschland soll man Vermögen, nicht nur Vermögenstrümmer erben dürfen. Überdies ist gerade die ErbSt eine Abgabeform, auf die sich häufig, ja in der Regel der Erbe weniger als auf jede andere Steuer "einrichten" kann. Dies ist allenfalls dem Erblasser möglich80• Der Erbe weiß weder, wann der Erbfall eintreten wird, noch kann er der Erbschaft völlig sicher sein. Allein schon diese Anpassungsschwierigkeiten, welche auch von rechtsstaatlicher Be80
Dazu Kisker, K. P., Die ErbSt, S. 160 f.
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deutung sind, führen zur Erbschaftszertrümmerung und sollten daher die ErbSt gegenüber den reinen Besitzsteuern zurücktreten lassen. Den Anlageformen kommt heute bei größeren Vermögen entscheidende Bedeutung zu. Eine durch hohe ErbSt erzwungene Umstrukturierung verändert nicht nur die Qualität der Erbschaft, welche gerade kraft Erbrecht über alle wirtschaftliche Bedeutung hinaus einen affektivideellen Wert darstellt. Sie zwingt auch häufig zu einer Verschleuderung von Vermögenswerten, die nicht nur dem Steuerbegriff widersprichtu, sondern besonders aus der Sicht des Erbrechts problematisch ist62 • Der konservierenden Grundtendenz des Begriffes einer Erbschaft, die übergeht "wie sie steht und liegt", könnte kaum deutlicher entgegengewirkt werden. Gegen Zertrümmerung ist die Erbschaft des Alleinerben ebenso geschützt wie der Miterbenanteil oder das Legat, mag hier auch die quantitative Einheitlichkeit häufiger die qualitative Alterierung des Erbgutanteils ausschließen. Das Verbot der qualitativen Veränderung der Erbschaft erzwingt zwar keine fest bestimmbare Steuerhöhe. Mit steigendem Tarif aber nähert sich die ErbSt einem Zustand, in dem tiefgreifende Umstrukturierung nicht mehr Ausnahme, sondern eine Regel wird, der niemand mehr entgehen kann. Dort aber beginnt die Verfassungswidrigkeit. Praktisch noch bedeutsamer ist es, daß wegen der Zertrümmerungsgefahr der Art der vererbten Güter Rechnung zu tragen ist. Grundbesitz, Betriebsvermögen, gesellschaftsrechtlich bedeutsame Anteilshäufungen müssen von Verfassungs wegen eine Sonderbehandlung erfahren - nicht, weil dem Kapitalkräftigen geholfen werden soll, sondern weil hier die ErbSt selbst bei gleichem Tarif in kategoriemäßig voraussehbaren Fällen unverhältnismäßig stärker trifft (Verschleuderungsgefahr, Betriebsauflösung63), und weil die Erhaltung der qualitativen Vermögensidentität gerade aus erbrechtlicher Sicht ein besonders zu schützendes Rechtsgut ist. Die ErbSt wird fiskalisch begründet, Interventionszwecke dürfen nicht in den Vordergrund treten64 • Einen Sozialgestaltungszweck aber verfolgt sie ex constitutione: die Erhaltung der spezifischen Vermögenskontinuität nach dem Tode. Und dem ist der fiskalische Zweck untergeordnet. Art. 14 Abs. I GG verbietet es, die ErbSt radikal zu erhöhen, denn wenn das Gemeinwesen höheren Finanzbedarf hat, so stehen andere Steuern st V gl. BFHE 77, S. 269/70.
Vgl. Lenski, E., ErbSt 1960, S. 2. Hierzu unter Berücksichtigung der Wettbewerbsfähigkeit Kisker, K. P., Erbrecht, S. 143 f., 160 f. M Vgl. oben S . 22 f. 62
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zur Verfügung, welche nicht so speziell gestaltet, damit aber auch speziell gebunden sind.
c) Praktische Unvererbbarkeit bestimmter Vermögenspositionen Die Erhaltung der Identität der Erbschaft verlangt, daß alle Vermögensgegenstände vererbbar sind. Wenn "das Erbrecht" verfassungsmäßig garantiert ist, so darf es nur als eng begrenzte Ausnahmen dort resextra commercium von Todes wegen geben, wo dies mit der Natur gerade dieser Güter aus der Sicht der Fortsetzung der Erblasserpersönlichkeit vertretbar ist, wo es sich also um höchstpersönliche Güter handelt. Diese Ausnahmen aber begünstigen nie den Staat; was er nehmen darf, kann a fortiori dem Erben anfallen. Deutlich schließt das Prinzip der Universalsukzession die Unvererbbarkeit gewisser Güter aus. Radikale Steuerreformpläne gehen darauf aus, die Vererbbarkeit gewisser Vermögensgegenstände auszuschließen, zu beschränken oder an Formen zu binden, welche den Begriff der Übertragungsfähigkeit selbst berühren. aa) Die wirtschaftlich bedeutsamsten Kategorien von Vermögenspositionen, welche unser Wirtschaftsleben kennt, werden praktisch unvererbbar, wenn einerseits die Tarife der ErbSt sehr hoch angesetzt, andererseits die Steuervergünstigungen radikal reduziert werden, und sogar das Erbenvermögen berücksichtigt werden soll. Großgrundbesitz, Großbetriebe sowie größere Gesellschaftsbeteiligungen, die in einer Hand liegen, können als solche in aller Regel nicht mehr übertragen werden, die ErbSt zwingt zum Verkauf oder zur Vergesellschaftung, wobei der Wert der Teile in keinem Verhältnis zu dem des Ganzen steht, was zu einer zusätzlichen verschleierten Progression führt. Bildung ökonomischer Macht in einer Hand wird schlechthin in einer Weise unmöglich, die mit den nuancierten Regelungen des GWB nichts gemein hat. Bei Verschlechterung der Wirtschaftlage wird der Pegel der vererblichen Vermögenskomplexe rasch auf die Höhe mittlerer Betriebe und Güter sinken65 • Im Fall e·iner Wirtschaftskrise werden auch kleinere Vermögen vernichtend getroffen. Die wirtschaftlichen Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft sind nicht abzusehen. Eine tiefergreifende Sozialgestaltungswirkung, eine stärkere Kontinuitätsfeindlichkeit ist kaum vorstellbar. Derartige Reformen würden bolschewistische Gedanken der russischen Nachrevolutionszeit verwirklichen18• Im wirtschaftlichen Ergebnis würde hier nämlich gerade das Eigentum an Pross 66
Dazu Kisker, K. P., S. 143 f., 150 f. Vgl. dazu m. Nachw. Boehmer, G., in: Die Grundrechte 111, 1930, S. 265.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
duktionsmitteln auf die Dauer praktisch aufgehoben und jede wirtschaftliche Machtposition Privater unmöglich gemacht. Bis in Einzelheiten hinein würde der marxistischen Eigentumstheorie entsprochen; am Ende stünde Zwangsvergesellschaftung durch ErbSt87 • Dagegen kann nicht eingewendet werden, die einzelnen Vermögensgegenstände könnten ja vererbt werden, nur in einer bestimmten Kombination zu großen Vermögenspositionen sei wirtschaftlich die unentgeltliche Übertragung nicht mehr möglich. Vererbbarkeit von Vermögensgegenständen bedeutet nun aber nicht, daß atomisiert "Mark für Mark" oder daß nur in kleinen Quanten vererbt werden kann. Der Begriff des vererbbaren Vermögensgegenstandes ist nicht größenmäßig bestimmt. Das "große Gut", der große, mehr oder weniger zusammenhängende, aber wirtschaftlich zusammen bewirtschaftete Grundbesitz, der Betrieb, das Aktienpaket werden vererbt, nicht die Einzelparzelle, die einzelne Maschine, die einzelne Aktie. Es sind daher doch gewisse Eigentumskategorien, die bei Verwirklichung radikaler Reformen unvererbbar würden. Es gibt eben auch de jure ein einheitliches "Eigentum an landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen, gewerblichen Betrieben". Und selbst wenn unsere Eigentumsordnung die dingliche Übertragbarkeit nur für den einzelnen Eigentumsgegenstand vorsieht, so ist dies aus der Sicht des Erbrechts wie des Eigentumschutzes irrelevant, für den es auf wirtschaftliche Vermögenspositionen, nicht auf die InstrumentaHa der Übertragung dinglicher Verfügungsberechtigung ankommt. Die typische Normwirkung des Erbrechts liegt darin, daß es die einzelnen Eigentumsrechte zur einheitlichen Vermögensposition der Erbschaft integriert. Die Unvererbbarkeit würde schließlich für feste Kategorien von Vermögenskomplexen eintreten und nicht nur für "seltene Fälle", was steuerrechtlich für unschädlich gehalten wird68 • Gerade bei einer "ganzheitlichen Betrachtung" 69 würde es sich herausstellen, daß es den Erben nur in Ausnahmefällen gelingen kann, größere Vermögenspositionen zusammenhängend zu erhalten. Es läge daher eine "typische Unvererbbarkeit" vor. bb) Vermögen ist grundsätzlich nicht einmal, sondern unzählig viele Male in einer auch raschen Kadenz vererbbar. Die Verfassung gewährt für jeden dieser Anfallvorgänge isoliert wie für die Vererbbarkeit über Generationen hinweg Schutz. Eine ErbSt-Regelung muß so beschaffen 87 Zu den eigentumsrechtlichen Aspekten vgl. unten S. 73 f. •s Vgl. dazu Troll, M., ErbSt-Gesetz 1959,S. 48. 89 Zu ihr und ihren verfassungsrechtlichen Grenzen Klein, Franz, Gleichheitssatz, S. 161.
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sein, daß alles Vermögen "immer wieder", "immer weiter" vererbt werden kann. Gewisse Reformpläne führen dagegen zu einer Teilung der vererbbaren Vermögenswerte in solche, welche einmal, andere, die gerade noch zweimal, wieder andere, die mehrmals vererbt werden können. Sie bewirken so eine "gestufte Unvererbbarkeit". Je rascher in der Folge Schicksalsschläge eine Familie treffen, umso unbarmherziger wird sie ökonomisch vom Staat vernichtet. Wurde beim ersten Erbgang die Belastbarkeitsgrenze noch nicht erreicht- beim zweiten wird sie in aller Regel überschritten. Je häufiger Erbfälle auftreten, desto sicherer wird auch der mittlere, ja der kleine Betrieb unvererbbar. Das Wesen der ErbSt als einer Verkehrsteuer rechtfertigt dieses Ergebnis bis zu einem gewissen Grad: Da der Vermögensübergang, nicht das Vermögen besteuert wird, muß ein tieferer Substanzeingriff bei mehrfachem Erbgang in Kauf genommen werden. Weil aber die ErbSt zugleich auch Vermögensteuerwirkung hat70, darf nicht jeder Anfallvorgang isoliert, es muß der Substanzeingriff im ganzen betrachtet werden, so wie er sich für einen bestimmten größeren Zeitraum darstellt. Mehrere Steuerschulden müssen daher auch unter diesem Gesichtspunkt in ihrer Kumulationswirkung zusammengesehen werden. Eine kürzerfristige Stundung der Steuerschuld bei mehrfachen Erbgängen ist also generell nicht der richtige Weg, um die unbegrenzte Übertragbarkeit zu sichern. Vielmehr muß jedenfalls nach dem Vorbild der Vermögensabgabe eine umso längerfristige Stundung erfolgen, je höher der Tarif rückt. In der Regel muß bei (kumulierten) starken Belastungen langfristig gestundet werden, um überhaupt noch den Steuercharakter zu erhalten. Für einen gewissen Zeitraum darf überhaupt ErbSt nur einmal erhoben werden, weil sonst für ganze Fallkategorien gestufte Unvererbbarkeit eintritt. cc) Das deutsche Erbrecht geht nicht davon aus, daß nur an Gemeinschaften von Erben vererbt werden kann und soll, oder daß Erbengemeinschaften möglichst erhalten werden müßten. Es begünstigt vielmehr deren Auflösung. In allem zeigt es sich als typisches Individualerbrecht. Hohe ErbSt-Tarife, vor allem aber der Wegfall der Privilegien für Verwandte, werden aber nach aller Voraussicht praktisch zu einer weiteren Unterscheidung hinsichtlich der Vererbbarkeit führen, in Vermögen nämlich, das individuell, und anderes, das nur in vergesellschafteter Form von Todes wegen erworben werden kann71 • Letzteres wird sich in doppelter Hinsicht erweisen: Einerseits muß größeres 70 71
V gl. oben S. 32 f. Beispiele dazu aus ökonomischer Sicht bei Kisker, K. P., S. 150 f.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
Betriebs- und Gutsvermögen möglichst unter mehrere Erben gleichmäßig verteilt werden, damit für jeden nur eine vergleichsweise geringere ErbSt-Schuld anfalle. Daß dies der land- und forstwirtschaftlich häufig erwünschten Majoratsbildung entgegenwirkt und die Zersplitterung des Grundvermögens fördert, sei nur am Rande erwähnt. Auch für die Betriebe würde dann statt möglichst einheitlicher Leitung die ungünstige Erbengemeinschaftsdirektion meist erzwungen. Andererseits würde durch die ErbSt-Belastung häufig ein Zwang ausgeübt, den erbengemeinschaftlichen Verbund nicht aufzulösen, soweit nämlich nur ein gemeinsam verwaltetes Vermögen die Belastungen tragen kann. Hierdurch werden wieder in familiär wie ökonomisch nur zu oft unerwünschter Weise Erbengemeinschaften erhalten, individualistische Gestaltungsfreiheit wird den Privaten beschnitten. ErbSt als Zwangskolchosenbildung für Erben - diese Tendenz liegt in manchen Reformplänen. Sie widerspricht einer Verfassung, welche das Erbrecht als Individualrecht sichert. Zwang zur Vergesellschaftung und Gemeinschaftsbildung, selbst für den privaten Bereich, auch im Familienverbund, ist GG-widrig. Sie ist nicht nur mit der Erbrechtsgarantie, sondern auch mit der Vereinsfreiheit nicht zu vereinbaren. Der "Erbschaftsbegriff" verlangt also, neben einer mäßigen Höhe der Steuertarife, Steuererleichterungen bei mehreren, kurz nacheinander eintretenden Erbfällen sowie die besondere Berücksichtigung der steuerlichen Belastbarkeit von Grund- und Betriebsvermögen. 5. Aushöhlung des Verwandtenerbrechts
Die Verwandten nehmen kraft herkömmlichen Erbrechts eine besonders nahe Stellung zum Erbgut ein72 • Diese darf nicht durch die ErbSt illusorisch gemacht werden. Die ErbSt muß gerade in diesem Punkt dem Bürgerlichen Recht Rechnung tragen. Hier darf allerdings ein wichtiger Hintergrund der sozialpolitischen Diskussion um die ErbSt nicht übersehen werden: Die Väter des BGB haben das unbeschränkte Intestaterbrecht eingeführt73 • Sie setzten sich damit in Widerspruch zu der schon im 19. Jahrhundert weit verbreiteten Auffassung, nach welcher das unbeschränkte Verwandtenerbrecht sozialethisch und ökonomisch nach dem Zerfall der Großfamilie nicht mehr zu rechtfertigen war - eine Kritik, die nicht nur von Sozialisten vorgebracht wurde74• Ebenso allgemein wie die Ablehnung des unbeVgl. oben S. 48 f. Motive zu den Entwürfen eines BGB für das Deutsche Reich, V, Erbrecht, 2. Auft., 1896, S. 366. 74 Vgl. die Übersicht bei Bamberger, G., Erbrechtsreform, 1908, S. 74 f., 12
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schränkten Verwandtenerbrechts war daher seither stets die positive Stellungnahme zum Prinzip einer ErbSt, die eben als ein gewisses Korrektiv des überspannten Prinzips des Bürgerlichen Rechts erschien75• Dies aber zeigt auch, daß die ErbSt-Begeisterung mancher Autoren, vor allem der hoch- und spätliberalen Zeit, nicht überbewertet werden darf - sie könnte allenfalls eine starke Progression der ErbSt bei weit entfernten Verwandten rechtfertigen, die in gewissem Umfang das Letzterbrecht des Fiskus (§ 1936 BGB) vorverlegen würde. Die ErbSt kann nicht deshalb grenzenlos gesteigert werden, weil sie allenfalls als Gegengewicht zum unbegrenzten Verwandtenerbrecht gelten kann. Und wenn dieses nicht gebilligt wird, so bedeutet dies noch nicht, daß nur Erbgänge in direkter Linie zu privilegieren wären78• Selbst wenn man den BGB-Grundsatz des unbeschränkten Anfallsrechts für Verwandte ablehnt und durch ErbSt zu balancieren sucht, so muß diese doch eine gewisse Kongruenz zum Bürgerlichen Recht aufweisen. Unter diesen allgemeinen Prämissen stehen die folgenden Ausführungen. Wie die Verwandten nach dem BGB das Privileg der natürlichen Anfallsberechtigung haben, so müssen sie auch durch das ErbSt-Recht privilegiert werden. Dieses hat sich dabei an dem Kem des BGB-Verwandtenbegriffs, nicht an dem Kreis der nach BGB unterhaltsverpflichteten oder -berechtigten Verwandten zu orientieren. Letzteres wäre ein generell unzulässiger Ausgangspunkt, weil die ErbSt-Gestaltung mit der Unterhaltspflicht nichts zu tun hat77 • Erbrechtlich ist vielmehr nicht der Unterhaltspflichtigen-, sondem allein der Verwandtenbegriff nach dem V. Buche des BGB maßgebend, der wiederum nicht von Unterhaltsvorstellungen geprägt ise8 • Deshalb also auch keine "ErbSt nach Unterhaltspflicht"! Der Gesetzgeber hat das Recht, den Verwandtenbegriff zu begrenzen. Dies darf auch jeweils nach dem besonderen Sachgebiet, hier also nach den rechtstechnischen Bedürfnissen des ErbSt-Rechts, geschehen. Es ist dem Gesetzgeber nicht zuzumuten, daß er etwa für jede Parentelenordnung eine eigene Steuerklasse bilde, was die Praktikabilität der Steuererhebung beeinträchtigen würde. Entfemte Verwandte können sowie u. a. Hegel, G. W. F., Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, ed. Hoffmeister, 4. Aufl.., 1955, S. 160; MilZ, J . St., Grundsätze der polit. Ökonomie, übers. v. Soetbeer, 1852, li, 2, § 2, S. 261; Wager, A., Lehr- und Handbuch der polit. Oekonomie, IV/2, 2. Aufl.., 1890, S. 591; Stier-Somlo, F., Erbrecht, in: Elster, Wörterbuch der Volkswirtschaft, 1911, I, S. 808; Schmoller, G., Grundriß der allg. Volkswirtschaftslehre, 1. T., 1923 (Neudr. d. 2. Aufl..), S. 418; Radbruch, G., Rechtsphilosophie, 5. Aufl.., 1956, S. 260. 1; Vgl. Ritschl, H., HDSW 3, 1963, S. 275 f . 1s Vgl. unten S. 108 f. 11 Vgl. oben S. 18 f. 1s Vgl. oben S. 48 f. 5 LeiaDer
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
Nichtverwandten gleichgestellt werden. Eine derart radikale Nivellierung jedoch, wie sie etwa die Gleichstellung aller nicht in gerader Linie Verwandten mit völlig Außenstehenden darstellt, widerspricht nicht nur dem noch immer bestehenden natürlichen Familiengefühl, sie entfernt sich auch grundsätzlich und so weit von dem Prinzip der Anfallprivilegierung für "Verwandte als solche", daß sie mit der Erbrechtsgarantie der Verfassung nicht mehr vereinbar ist. Durch eine starke Anspannung der ErbSt, verbunden mit dem Wegfall von Vergünstigungen und der Herabsetzung von Freigrenzen und Freibeträgen, schafft sich der Fiskus wirtschaftlich eine "natürliche Anfallberechtigung" erster Ordnung, welche in flagrantem Gegensatz zu seinem höchst subsidiären Erbrecht steht. Er erscheint daher nicht als "cousin", sondern als "pere" oder "fils de tout le monde". Sein ErbStRecht muß zwar seinem Erbrecht wirtschaftlich nicht entsprechen. Hie·r ist die Diskrepanz zwischen BGB und ErbSt-Recht jedoch so groß, daß sie verfassungsrechtlich relevant wird. Das Bürgerliche Recht bringt deutlich zum Ausdruck, daß den Verwandten eine "natürliche Nähe" zum Erbgut zukommt79 , wie immer diese nun begründet werden mag - durch Blutbande, nahe persönliche Beziehungen, familiengüterrechtliche Zusammengehörigkeit: Steht der Testatwille nicht entgegen, so soll ihnen die Erbschaft zufallen. Dies ist zwar auch bei entfernten Verwandten der Fall und es ist unbestreitbar, daß der "Erbgutanteil" des Staates (ErbSt) sich hier erhöhen kann. Eine Gleichung Anfallberechtigung- Recht auf Steuerprivilegien gibt es also nicht. Immerhin läßt sich aber aus dem grundsätzlichen Anfallrecht der Verwandten schließen, daß die den Erbschaftstatbestand normierende bürgerliche Rechtsordnung ihnen - vorbehaltlich des Willens des a quo - das Erbgut überlassen will. Dies aber darf nicht durch ErbSt illusorisch werden. Das Erbrecht der Verwandten wirkt hier als Spezialisierung des Prinzips der Identität der Erbschaft80 : Will das bürgerliche Recht "grundsätzlich Erbschaft in Verwandtenhand", so wird auch das Verwandtenerbrecht getroffen, wenn die "Erbschaft" eliminiert wird. Den unmittelbaren Abkömmlingen sowie dem überlebenden Ehegatten steht nach BGB ein Pflichtteil zu (§§ 2303 ff. BGB). Dies also ist der Kern des Verwandtenerbrechts: In die Hand der nahen Verwandten und des Ehegatten soll ein erheblicher Anteil (meist die Hälfte) des Erbgutes wirtschaftlich auf jeden Fall gelangen. Dieses sogar gegen den Erblasser geschützte Anfallrecht darf nicht durch überhöhte ErbSt79 Siehe Motive zu dem Entwurfe eines BGB f. das Deutsche Reich, V Erbrecht, 2. Aufl., 1896, S. 366; krit. dazu Menger, A., Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1908, 331 f. so Vgl. oben S. 56 f.
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Tarife wirtschaftlich wieder illusorisch werden. Besonders deutlich wäre dies eine Aushöhlung des Wesens des Erbrechts. Die nahen Verwandten haben also ein verfassungsmäßiges Recht auf ErbSt-Privilegien. Wie dies realisiert wird, ist Sache des Gesetzgebers. Gesichertem Herkommen entspricht die Bildung besonderer Steuerklassen, welche Vergünstigungen gewähren. Freigrenzen und Freibeträge dagegen sind allein jedenfalls kein geeignetes Mittel, da sie nicht einen Anteil am Erbgut sichern, sondern für alle Fälle schematisch gleiche Grenzen ziehen. Hier fehlt also schon prinzipiell die Kongruenz zum Bürgerlichen Recht. Überdies werden sie meist familien-, nicht erbrechtlich zu begründen sein - sie sollen etwa die Erziehung der Kinder oder die Fortführung des Hauses ermöglichen81 . Das BGB sichert unbedingt nur den Erbgutanteil naher Verwandter. Daraus darf aber umgekehrt nicht geschlossen werden, die Kongruenz zum Erbrecht verlange lediglich Vergünstigungen für diese Personengruppen; alle anderen möglichen Erben könnten gleichbehandelt werden, aus Gründen der Kongruenz müsse dies sogar geschehen. Bei der Bestimmung des Kreises der Pflichtteilsberechtigten waren ersichtlich Gründe der Unterhaltspflicht maßgebend. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn man diese Begründung in sich nicht als sachgerecht anerkennt82. Das Pflichtteilsrecht sollte ferner lediglich die Testierfreiheit zurückdrängen. Aus ihm folgt noch nicht, daß der die Erbschaft besteuernde Staat auch den Verwandtenbegriff ebenso weit einschränken dürfe wie der Erblasser. Dieser kann durch Testament aussprechen, daß er (außer dem Pflichtteilsberechtigten) keine Verwandten kenne. Tut er dies nicht, so kann sich der Staat nicht auf ein entsprechendes "Verwandtenbestimmungsrecht" berufen und dies gleich generell so ausüben, daß er nur engste Verwandtschaft und Ehe berücksichtigt. Schließlich könnte aus dem Pflichtteilsrecht allenfalls geschlossen werden, daß die nahen Verwandten besonders privilegiert werden müssen, nicht aber, daß im übrigen jene Verwandschaft ignoriert werden darf. Zu aller Verwandten Gunsten greifen die vorstehend dargelegten Grundsätze ein. Das geltende Erbrecht läßt nirgends, insbesondere nicht beim Verwandtenerbrecht, erkennen, daß die Vermögensverhältnisse der jeweiligen Erben hinsichtlich Anfallrecht oder Erbschaftsanteil berücksichtigt werden sollen. Die Verwandten schlechthin, nicht die armen Verwandten werden privilegiert. In diesem Sinn ist das deutsche Erbrecht von jeher eben nicht ein sozialistisch-marxistisches, sondern ein bürgerlich-indi81 Im einzelnen und zu den Vorschlägen über die Höhe der Freigrenzen und Freibeträge vgl. unten B I. 82 Vgl. oben S. 19 f.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
vidualistisches Erbrecht gewesen. Gerade hier soll nicht "jedem nach seinen Bedürfnissen" gegeben werden. Wer auf die Vermögensverhältnisse der Erben schaut, der vollzieht hier wirklich eine Wesensänderung des bürgerlichen Erbrechts, wie sie mit der Verfassung nicht vereinbar ist. Das Verwandtenerbrecht verlangt daher steuerliche Vergünstigungen für die Verwandten generell, insbesondere aber für die nahen Verwandten; es verbietet überhöhte Steuersätze sowie eine Berücksichtigung des Vermögens der Erben. 6. Aushöhlung der Testierfreiheit
In spezieller Weise würde die Testierfreiheit, ein Wesenselement des Erbrechts, getroffen, wenn weitgehende Reformpläne Wirklichkeit würden. Sinn der Testierfreiheit ist es, eine Art von Wahlverwandtschaft von Todes wegen zu begründen. Bei einer drastischen Erhöhung der Steuersätze wird dies weitgehend unmöglich, weil der Bedachte wirtschaftlich nur mehr einen geringen Teil oder nur mehr Bruchstücke erhält. Die Wirkungen der Testierfreiheit werden in einer Weise eingeschränkt, die in etwa schon bei Lebzeiten vorauszusehen ist. Das Testament kann also insoweit auch nicht jene Vorwirkungen individueller Bindung entfalten, auf die es dem Testator so häufig ankommt. Vor allem wird er hier getroffen; das Testament verliert aber ganz allgemein seine Wirkung als Instrument individueller Selbstvorsorge für Krankheit und Alter. Es ist durchaus legitim und weder rechtlich noch moralisch zu mißbilligen, daß sich der Erblasser mit eigenem Vermögen, eigener Leistung auch persönliche Hilfe, Freundschaft, Wohlwollen erwirbt. Der bereits heute mit Fürsorgeverpflichtungen überlastete Staat sollte wohl überlegen, ob nicht individuelle Vorsorge hier besser und menschlicher ist. Die Selbständigkeit gesellschaftlicher Ordnungsfunktionen verlangt zwar zwingend ein gewisses "Verwandtenbestimmungsrecht von Todes wegen", das den unbestreitbaten Zerfallserscheinungen der Familie Rechnung trägt. Wie weit diese aber im konkreten Einzelfall fortgeschritten sind, kann eben, nach der Grundentscheidung unseres Rechts für die Testierfreiheit, nur der a quo allein entscheiden, nicht generell der Staat durch eine ErbSt-Regelung. Die Testierfreiheit steht in einem Spannungsverhältnis zum Verwandtenerbrecht, so war sie von jeher83 gewollt. Die Lösung dieser Spannung aber liegt eben in der Hand des Erblassers, nicht in der des Staates, der dieses Verwandtenbestimmungsrecht nicht durch ErbSt aushöhlen darf. 83
Vgl. etwa v. Scheel, H., ErbStn und Erbrechtsreform, 1877, S. 37/8.
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Die Testierfreiheit ist nicht nur Gegengewicht zum Verwandtenerbrecht, sie ist nur zu oft dessen Ergänzung, wenn nämlich der Erblasser unter seinen Verwandten den Erben näher bestimmt. Hier füllt er den Rahmen des Verwandtenerbrechts aus und vermeidet dessen mechanistische Wirkungen. Werden nun die Privilegien für nicht in gerader Linie Verwandte aufgehoben, so wird indirekt ein Druck auf den Testator zur Berücksichtigung der allernächsten Verwandten ausgeübt. Das aber bricht die Kongruenz zum bürgerlichen Recht, denn dieses trägt dem bereits durch die Pflichtteile Rechnung. Jenseits soll eben die Testierfreiheit beginnen. Die Aufhebung von Vergünstigungen für entfernte Verwandte wirkt sich als Verstärkung des Pflichtteilsrechts aus und bricht das wohlüberlegte herkömmliche Spannungsverhältnis Testierfreiheit- Verwandtenerbrecht. Spezielle Konsequenzen dieser Wirkungen treten in gesamtwirtschaftlich unerwünschter und im einzelnen ungerechter oder doch unbilliger Weise bei den sozial so wichtigen Fällen der Unternehmens- und Gütervererbung ein. Hier konnte der Erblasser bisher durch Testament unter seinen Verwandten den geeigneten Erben bestimmen, weil dieser immerhin noch in den Genuß von steuerlichen Vergünstigungen kam. Eine Beschränkung von Privilegien auf nächste Verwandte wird die Tendenz verstärken, völlig fremde Personen heranzuziehen - ein schwerer Schlag gegen den Restbestand soziologischer Familieneinheit. Eine derartige Neugestaltung träfe also in der Testierfreiheit nochmals das Verwandtenerbrecht. Die Testierfreiheit gestattet es dem Erblasser, der von ihm bestimmten Person den Kernbestand seines Vermögens zukommen, sie seine eigene Vermögenspersönlichkeit fortsetzen zu lassen. Die qualitative Identität und Einheit des Erbschaftsbegriffes wird gerade hier besonders gewahrt. Alles, was diese Einheit beeinträchtigt8\ wendet sich zugleich und in besonderem Maße auch gegen das Wesenselement der Testierfreiheit. Diese wird dort sinnlos, wo nicht mehr der Erbe, sondern nur mehr der Verwalter der Erbschaft, wo nicht mehr der Fortsetzer der Vermögenspersönlichkeit des a quo, sondern nur mehr der künftige Inhaber einiger Vermögenstrümmer bestimmt werden kann. Deutlich zeigt sich dies insbesondere, wenn Erbmasse oder Legat vorwiegend oder ausschließlich aus Grundstücken oder nur aus einem Grundstück besteht. Eine forcierte ErbSt hebt dort sogleich die wirtschaftliche Identität des Erb(anteil)es auf oder zwingt zu völliger, vom Erblasser i. d. Regel nicht gewünschter Umstruktuierung, wenn die Belastungsgrenze der Grundstücke überschritten wird. Diese Wirkung tritt selbst dann ein, wenn die 84
Vgl. näher oben S. 56 f.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
Grundstücke unbelastet sind, wenn die Steuerpflichtigen alles in ihrer Macht Stehende zur Erhaltung der Objekte getan haben. Testierfreiheit ist institutionalisierte Befugnis der Bestimmung von Erbgutanteilen - in qualitativer wie quantitativer Hinsicht. Auch wo Miterben bestimmt oder Vermächtnisse ausgesetzt werden, macht der Erblasser von diesem Recht Gebrauch. Eine überhöhte ErbSt sowie der Abbau herkömmlicher Privilegien berührt dies überall dort, wo in irgendeiner Weise die qualitative Identität, die Einheit dieser so bestimmten Erbgutanteile beeinträchtigt wird. Die Erhaltung der Testierfreiheit verbietet daher die Überspannung der Steuersätze sowie die völlige Abschaffung der Steuerbefreiung für weitere entfernte Verwandte. 7. Institutionelle Aspekte - Störung der gesamtgesellschaftlichen Ordnungsfunktion des Erbrechts durch überhöhte ErbSt
Jeder Aspekt, unter dem die Wesenselemente Erbschaft, Verwandtenerbrecht, Testierfreiheit durch die ErbSt beeinträchtigt werden können, ist von solchem institutionellen Gewicht, daß bei schwerwiegender Verletzung zugleich die gesamtgesellschaftliche Ordnungsfunktion des Erbrechts, über alle individuellen Grundrechtsinteressen hinaus, beeinträchtigt wird. Folgendes ist noch besonders hervorzuheben: Das Erbrecht ist im geltenden Recht mit besonderer Deutlichkeit als ein gesellschaftliches Phänomen gekennzeichnet worden, das der privaten Sphäre angehört. Es ist ein generelles Ordnungsmittel der Gesellschaft, von dem diese in voller Staatsferne Gebrauch machen kann. Eine autonome Ordnungsfunktion aber kann dem Erbrecht dann nicht mehr zukommen, wenn sich der Zugriff der ErbSt von akzessorischer Partizipation zu qualitativer Umgestaltung in allen oder doch für wichtige Kategorien innerhalb der Gesellschaft verlagert. Mit radikaler ErbStErhöhung übernimmt der Staat die Sozialordnungsfunktion des Erbrechts, indem er jenen Vorgang qualitativ verändert, der doch ganz wesentlich von Voraussetzungen abhängen sollte, auf die der Staat keinen Einfluß hat- testamentarischer Wille und familiäre Verhältnisse. Dadurch wird nicht nur die Kongruenz Steuerrecht - Erbrecht aufgehoben. Dies möchte hingehen, solange das Erbrecht noch seine Funktionen erfüllen kann. Wird jedoch durch Anspannung der ErbSt das Erbrecht praktisch publifiziert, so wird der Gesamtsinn des bürgerlichen Rechts in einem entscheidenden Punkt alteriert: Dieses ist nicht mehr gesellschaftliche Selbstordnung, sondern nur mehr Anlaß zu staatlicher Fremdordnung. Wo aber derart generell qualitativ die Wirkungen pri-
li. Das Erbrecht
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vatrechtlich relevanter Vorgänge verändert werden, da handelt es sich nicht mehr um öffentlich-rechtliche Grenzen, da ist die Publifizierung perfekt. Jeder Ordnung ist das Streben nach Kontinuität immanent. Die bürgerliche Gesellschaft soll sich nach dem Willen des GG im Kern selbst ordnend entwickeln können. Dieser Kern wird dort berührt, wo die Ordnung ständig beim Ableben der Mitglieder in Frage gestellt, wo in aller Regel die vermögensrechtliche Kontinuität unterbrochen wird. Von einer Ordnung kann dort nicht mehr gesprochen werden, wo laufend durch staatlichen Zugriff diejenigen Positionen verändert oder entzogen werden, welche in der Gesellschaft aufgebaut worden waren. Die essentielle Kontinuitätsfeindlichkeit ist bei forcierter ErbSt so intensiv und allgemein, so primär und gezielt, daß die Grenzen überschritten sind, welche die Verfassung der Sozialgestaltung zieht. Die Ordnung der Gesellschaft soll nicht nur prekär, jeweils auf kurze Zeit gesichert sein. Als solche soll sie nur in ihren gesellschaftlichen Entwicklungen, nicht durch Staatseingriffe verändert werden, welche ihren Elementen lediglich die kurze Lebenszeit der Menschen, nicht die Kontinuität einer Gesellschaft gewähren. Der Begriff der Gesellschaft selbst wird eliminiert, wo die ErbSt das Erbgut praktisch entzieht. Im Gegensatz zu anderen Steuerarten trifft die ErbSt den Erben häufig unvorbereitet. Nicht immer ist es ihm oder dem Erblasser möglich, alles zu tun, um die drückende Steuerlast tragen, die Verschleuderung von Vermögen vermeiden zu können. Schon wegen dieser wesentlich beschränkten Möglichkeit, die Steuer durch eigene Leistung erträglich zu machen oder sie in ihren Auswirkungen vorherbestimmen zu können, ist hier besondere Rücksicht erforderlich. Gerade die Unregelmäßigkeit von Vorgängen, die als solche schon wesentlich Unordnung in die gesellschaftliche Ordnung bringen, sollte nicht durch ErbSt zu weiterer Unordnung gesteigert werden. Will der Staat eine Gesellschaft, welche sich primär selbst ordnet, so darf er deren wesentliche Ordnungsschwierigkeiten nicht steuerlich noch ausnützen. Er muß gerade dort schonen, wo Kontinuität und Ordnung an sich schon bedroht sind, er hat der Tatsache Rechnung zu tragen, daß Unvorhersehbarkeit, familiäre Rücksichten, Pietät in der Regel ein privates "Sich-einstellen-auf-die-Steuer" unmöglich macht, wie sie vom Wirtschaftenden in Rücklagen und Abschreibungen, im Ausweichen auf andere Rechtsformen und steuergünstige Anlagen erwartet werden kann. Wo der Tod in der Gesellschaft Unruhe schafft, darf der Staat sie nicht verstärken. Gesellschaftliche Selbstordnung ist vor allem personelle Auswahl in freiem Belieben. Gerade im Erbrecht vollzieht sich auch soziale Führungsauslese der Gesellschaft. Macht der Staat bei den wichtigsten Wirt-
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schaftseinheiten, bei größeren Betrieben und Gütern die vom Erblasser gewollte, von ihm allein zu beurteilende Kontinuität durch Steuerlasten unmöglich, so trifft er jene wirtschaftliche Führungsschicht der Gesellschaft, welche auch die Verantwortung für die Millionen der Abhängigen trägt. Er schlägt nicht nur das Kapital, sondern auch das Management und er verhindert jene Erbeinsetzungen zugunsten tüchtiger Manager, welche die erwünschte Verbindung von Sachverstand und Kapital stärken könnten. Vor allem aber müßten radikale ErbSt-Erhöhungen aus falsch verstandenem Sozialismus heraus geradezu antisozial wirken: Bringt die ErbSt die Betriebskontinuität in Gefahr, so sind die Arbeitsplätze bedroht. Gerade hier erweist sich die ErbSt als ein generell ungeeignetes, weil viel zu grobes Mittel der Sozialgestaltung, welches unsoziale Zufallsergebnisse zeitigt. In einer Welt rationalisierter Sozialpolitik darf nicht an den Zu- und Unfall des Todes angeknüpft werden. Der Standort des Kapitals im Betrieb wird heute im Dialog, in der Konfrontation Arbeit - Kapital bestimmt. Es geht nicht an, daß sich der Staat steuerkapitalistisch in solchem Umfang in diesen eminent gesellschaftlichen Dialog einmischt. Wenn der Staat durch Steuerbelastungen die größeren Wirtschaftseinheiten der Gesellschaft in Gefahr bringt, zerstört er im Kern deren Ordnungsstrukturen. Hier liegen nicht nur Fragen der Rechts- und Wirtschaftspolitik. Es hat keinen Sinn mehr, von gesellschaftlicher Ordnung zu sprechen, wenn deren Dominanten völlig gebrochen werden, die allein dem Staat Widerstand leisten können. Die gesellschaftliche Selbstordnung existiert nicht mehr, wenn nicht aus immanenter Entwicklung, sondern durch staatliche Gewalt an die Stelle einer Ordnung verschieden strukturierter Wirtschaftseinheiten eine öde Masse von Steuerzahlern und Fürsorgeempfängern tritt. Eine ErbSt-Reform, welche jegliche Privilegierung der Verwandtschaft aufhöbe, würde insoweit die Verwandtschaftsbande ignorieren und im Ergebnis auch gesellschaftlich weiter lockern, welche noch immer zentrale Strukturelemente einer staatsunabhängigen Gesellschaft sind. Was nützt es, verbal eine solche zu respektieren, wenn der Rest ihrer "natürlichen Strukturen" zurückgedrängt wird? Der Sinngehalt des Erbrechts in seiner gesamtgesellschaftlichen Ordnungsfunktion verbietet daher eine Überhöhung der ErbSt ebenso wie die Aufhebung der Verwandtenprivilegien.
III. Eigentum
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111. Eigentum
Das Eigentum wird durch Art. 14 Abs. I GG ebenso wie das Erbrecht nach ganz h. L. als Rechtsinstitutsgarantie und als subjektiv-öffentliches Recht geschützt85 • Für die Form der verfassungsrechtlichen Verbürgung wie hinsichtlich der allgemeinen Art der Inhalterfüllung dieser Verfassungsnorm (Verfassung nach Gesetz, Wesensgehalt) gilt daher das oben zum Erbrecht Ausgeführte85 • 1. Verhältnis von Eigentums- und Erbrechtsschutz gegenüber der ErbSt - (Selbständige) Bedeutung der Eigentumsgarantie
a) Erbrecht als Fortsetzung des Eigentums Die eigentliche Bedeutung des Erbrechts liegt darin, daß es die Verfügungsbefugnis über das Eigentum auch von Todes wegen gewährt und die Kontinuität der Eigentumsordnung sichert. Das Eigentum steht daher in enger begrifflicher Verbindung zu einem Erbrecht, ohne das es kein sachenrechtliches Eigentum, sondern lediglich lebenslänglichen Nießbrauch geben könnte87• Dem entspricht die herkömmliche Garantie von Eigentum und Erbrecht in der Verfassung. Es fragt sich jedoch, ob jede Verletzung der Erbrechtsgarantie (oben I) zugleich auch eine solche des Eigentums ist, und ob der Eigentumsgarantie gegenüber der ErbSt noch eine selbständige Schutzfunktion zukommt. Der Gedanke "Erbrecht als Fortsetzung des Eigentums" legt es nahe, in jeder Verletzung des Erbrechts eine ebenso schwere und gleichartige Verletzung der Eigentumsgarantie zu sehen. Mit dem Eigentum wäre dann begrifflich das Erbrecht gegeben, dessen Hervorhebung hätte nur mehr verdeutlichenden Charakter. Dieser Schluß ist jedoch nicht zwingend. Es wäre denkbar, daß das Eigentum zwar dem Zugriff des Staates weitgehend ausgeliefert wäre, daß dieser jedoch speziell daran gehindert wäre, in das Eigentum im Augenblick, bei Gelegenheit eines Erbganges einzugreifen. Der Vererbbarkeitsaspekt wäre dann besonders geschützt. Seine Verletzung müßte nicht notwendig zugleich auch eine 85 Vgl. m. Nachw. v. Mangoldt-Klein, BGG I, S. 416 f.; Weber, W., Eigentum, in: Die Grundrechte II, 1954, S. 355 f. 86 Vgl. S. 43 f. 87 Siehe etwa Boehmer, G., in: Die Grundrechte III, 1930, S. 269/70; Boehmer, G., Staudingers Kommentar, Einl. § 23, Rdnr. 5, 10; Kipp, Th., Kommentar z. ErbStG 1927, S. 5; Lange, H., Lehrb. d. Erbrechts, 1962, S. 20, sowie früher: muntschli, J. C., Kleine Schriften I, 1879, S. 235; Harnack, A., Dt. Revue, 34. Jg., 1. Bd. (1909), S. 168. Die Kathedersozialisten haben dies - aus ihrer Sicht gegen beides sich wendend - besonders deutlich betont; vgl. etwa Menger, A., Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1908, S. 229; Renner, K., Die Rechtsinstitute des Privatrechts und ihre soziale Funktion (Neudr.), 1965, S. 167.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
solche des Eigentums sein. Dagegen spricht allerdings, daß Eigentum und Erbrecht in de-rselben Weise eingeschränkt werden können. Immerhin kann inhaltlich der Begriff Erbrecht und sein Wesensgehalt eine besonders gesicherte, spezielle Schutzzone bezeichnen, deren Beeinträchtigung noch nicht stets eine solche des Eigentums sein muß. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob jede Erbrechtsverletzung zugleich auch eine solche des Eigentums ist. Es wird sich zeigen, daß jedenfalls das Eigentum besondere Schutzfunktionen hat und daher speziell zu untersuchen ist88 • Wenn darüber hinaus in jeder Erbrechts- auch eine Eigentumsverletzung läge, so würde rechtlich damit der Verfassungsschutz weder nach Art noch nach Intensität verstärkt werden. Einem zutreffenden, nach Sachnähe spezialisierenden und Konkurrenzen ausschließenden Grundrechtsverständnis würde es daher m. E. besser entsprechen, im vorliegenden Zusammenhang die Eigentumsgarantie nur dort eingreifen zu lassen, wo sie entweder selbständige Bereiche, oder dieselben unter besonderen Voraussetzungen schützt, oder soweit schließlich Art und Intensität ihres Schutzes verd€utlichend für die Erbrechtsgarantie wirken kann, die im übrigen selbständige Bedeutung behält.
b) Die selbständige Bedeutung des Eigentums gegenüber der ErbSt aa) Es fragt sich, ob eine selbständige Bedeutung der Eigentumsgarantie im ErbSt-Recht darin liegt, daß die Schenkungsfreiheit zum Eigentum, die Erbfreiheit jedoch zum Erbrecht gehört. Daß die Freiheit, über Eigentum unter Lebenden unentgeltlich zu verfügen, begrifflich zum Verfügungsrecht des Eigentümers zu rechnen ist, bedarf keiner Be:.. gründung. Die Erbrechtsgarantie könnte jedoch deshalb Schutz-lex specialis sein, weil Schenkung und Erbschaft in enger wirtschaftlicher Beziehung stehen. Zwar ist es nicht entscheidend, daß das ErbSt-Recht von jeher den Erwerb von Todes wegen, die Schenkungen unter Leben" den und die Zweckzuwendungen im ganzen einheitlichen Regeln unterwirft (§ 1 ErbStG). Es ist aber zuzugeben, daß diese Regelung aus der Natur der Sache folgt, weil die Schenkung ganz wesentlich ähnliche Wirkungen wie die Erbfolge hervorbringen kann und zur Umgehung der ErbSt führen könnte. Allerdings ist damit noch nicht begründet, daß die Freiheitsräume des (Ver-)Erbens und der Schenkung durch denselben Verfassungsbegriff bezeichnet sein sollen. Entscheidend ist, ob aus grundrechtlicher Sicht gleiche Tatbestände vorliegen - dies ist zu verneinen. Erbgang und Schenkung werden von jeher in verschiedenen Büchern des BGB 88
Vgl. unten b.
III. Eigentum
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behandelt und auch in unterschiedlicher Weise. Während bei der Schenkung nur wenige Komplexe(§§ 516 f. BGB), vor allem Fragen der Rückforderung und des Widerrufs geregelt sind, ist der Erbgang nach Voraussetzungen, Form und Wirkung im einzelnen und so eingehend normiert, daß außer der Unentgeltlichkeit der Zuwendung die beiden Vorgänge institutionell kaum mehr etwas gemein haben. Auf Schenkung von Todes wegen wird ausdrücklich Erbrecht angewendet (§ 2301 Abs. I BGB), die Anrechnung von früheren Schenkungen bei späterem Erbfall ist im Erbrecht besonders geregelt. Dieses erscheint daher gegenüber der Schenkung als eine in sich geschlossene Institution. Da der Inhalt von Erbrecht und Eigentum durch die Gesetze, vor allem durch das BGB bestimmt wird (Art. 14 Abs. I GG), ist hier die Auslegung "Verfassung nach Gesetz" in besonderer Weise vom GG selbst gewollt. Von den institutionellen Wesenselementen, welche für den Verfassungsschutz des Erbrechts maßgebend sind, ergeben jedenfalls Verwandtenerbrecht und Testierfreiheit für die Schenkung nichts. Der spezielle Menschenrechtsgehalt des Weiterwirkens über den Tod hinaus ist nicht primärer Zweck der Schenkung. All das also, was im Erbrecht spezifisch Schutz genießt, trifft für die Schenkung ebensowenig zu, wie die besondere Begründung solcher erbrechtlicher Verbürgung. Die Institutsgarantie des Eigentums allein sichert also die Schenkungsfreiheit, gegenüber der ErbSt-Gesetzgebung kommt dem Eigentum insoweit selbständige Bedeutung zu. bb) Auch für das Erbrecht und seine verfassungsmäßige Sicherung ist die Eigentumsgarantie in doppelter Hinsicht bedeutsam: -
Wohl hätte ein Eigentum ohne Erbrecht mit dem herkömmlichen Eigentumsbegriff wenig mehr gemein, eben dies aber bedarf einer Begründung aus dem Eigentum: Gerade für den Fall nämlich, daß das Eigentum weitgehend auf ein Verfügungsrecht unter Lebenden beschränkt und das Erbrecht entsprechend ausgehöhlt werden soll, muß deutlich werden; daß und in welcher Weise eine solche Gesetzgebung auf das Eigentum (des Erblassers) zurückwirken müßte. In einem sozialen Staat sind etwa Tendenzen denkbar, dem ohne eigene Leistung durch Erbgang erworbenen Eigentum geringeren Schutz zu gewähren89• Wer das Erbrecht bekämpft, kann aber noch ein (beschränktes) Eigentum wollen. Es muß daher geprüft werden, ob er nicht zugleich auch jenes (Leistungs-)Eigentum gefährdet, das er bejaht. Die (dem Erbrecht gegenüber) subsidiäre Schutzfunktion des Eigentums für jede Vermögensverfügung- also auch die von Todes wegen - darf nicht übersehen werden. 89
Vgl. dazu unten S. 84 f.
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-
B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
Die Dogmatik der Eigentumsgarantie ist unverhältnismäßig weiter entwickelt und spezialisiert als die des Erbrechtsschutzes. Hier ist insbesondere eingehend erörtert worden 90 , ob der institutionelle Schutz auch gegen den Steuergesetzgeber wirkt, welche letzten Grenzen dieser beachten muß91 , und ob die Schutzintensität allen Rechtsgütern gegenüber die gleiche ist92 •
Diese Fragen haben auch für die nähere Bestimmung der Erbrechtsgarantie Bedeutung, welche letztlich nur mit den Kategorien der Eigentumsdogmatik erfaßt werden kann, diese aber auch ihrerseits wieder befruchtet. Die Eigentumsgarantie ist daher geeignet, den Schutz des Erbrechts nicht nur subsidiär, sondern auch spezialisierend zu präzisieren. 2. Eigentumsschutz gegenüber der Steuergesetzgebung Abgaben als mögliche Enteignung - Allgemeines
a) Die Lehre vom allgemeinen Steuervorbehalt -
Kritik
Nach einer weitverbreiteten Ansicht93 steht das Eigentum generell unter dem Vorbehalt der Steuergesetzgebung. Durch Steuergesetze soll es insoweit nicht verletzt werden können, als diese die Liquidität, allenfalls das Vermögen träfen, nicht aber Eigentumsrechte an bestimmten einzelnen Gegenständen entzögen. Überdies würden durch Steuern lediglich persönliche Forderungen gegenüber dem Steuerpflichtigen begründet, aber die dingliche Rechtslage, sein "Eigentum" nicht im Bestand verändert. Ähnliche Formulierungen finden sich - wenn auch in sehr allgemeiner Form - in der Rechtsprechung des BVerfG94, des BVerwG95 , des BFH96 und anderer Gerichte 97 • Müßte man ihnen ohne Im folgenden 2. Vgl. unten 3. 92 Vgl. unten 4. 93 Dazu vor allem: Forsthoff, E., Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVdStL 12 (1954), S. 32; Hettlage, K. M., Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVdStL 14 (1956), S. 4 f., 32 f.; Huber, E. R., Wirtschaftsverwaltungsrecht II, 2. Auf!., 1954, S. 21; Klein, Franz, Gleichheitssatz, S.111; Klein, Friedrich, Die verfassungsrechtlichen Grenzen von Steuerreformen, in: Die Steuerberatung, 1961, Sonderausgabe d. Bundesverbandes der Helfer in Steuersachen, S. 12/3; Ridder, H., VVdStL 10 (1952), S. 128; Thieme, W., in: Mitteilungen des Hochschulverbandes 7 (1959), S. 8; vgl. ferner Nachw. bei Klein, Friedrich, StuW 1966, Sp. 479. 94 BVerfGE 4, S.17; 8, S. 330; 10, S. 116; 10, S. 371; 11, S. 126; 14, S. 241; 19, S.129. 95 BVerfGE 10, S. 7; 12, S. 162. 96 Vgl. dazu Nachw. b. Klein, Friedr., Eigentumsgarantie und Besteuerung, StuW 1966, Sp. 439 f. 97 Siehe Nachw. b. Klein, a.a.O., Sp. 439, 447 f. 9o
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III. Eigentum
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weitere Differenzierungen oder Vertiefung folgen, so wäre das Problem eliminiert - die ErbSt könnte begrifflich nie die Eigentumsgarantie verletzen. Diese Auffassung ist jedoch häufig und scharf kritisiert worden98 mit Recht: Wenn das Vermögen dem schrankenlosen Zugriff der Steuergewalt unterliegt, so kann die gesamte Eigentumsordnung, im Großen wie im einzelnen, völlig umstrukturiert werden. Kaum etwas bliebe vom Sinn des so strengen Enteignungsschutzes (Art. 14 Abs. III GG) erhalten, wenn der Staat durch grenzenlose steuerliche Belastungen jedermann zum Verkauf jedes Betriebes, ja jeden einzelnen Gegenstandes zwingen könnte. Vor allem aber wäre dies mit dem Sinn des Eigentumsrechts als einer Einrichtungsgarantie99 nicht vereinbar. Dieser besteht gerade darin, daß nicht nur die unmittelbare, offene, formale Abschaffung des Eigentums unzulässig ist, sondern auch dessen "Aushöhlung" durch Maßnahmen, welche es zwar formal bestehen lassen, aber entweder den Inhaber zur Aufgabe zwingen, oder den wirtschaftlichen Wert entscheidend herabsetzen. Beides geschieht gerade durch die Besteuerung, wenn diese in schrankenloser Höhe zulässig ist: Der Steuerpflichtige wird zum Verkauf seiner Vermögensgegenstände gezwungen, oder er muß diese so weit belasten, daß er keinen Nutzen mehr aus ihnen ziehen kann; muß er schließlich den Ertrag des Vermögens abführen, um Steuerschulden abzudecken, so bleibt ihm wieder nur ein nudum jus. Der Steuergesetzgeber ist auch hier der geborene Verletzer der Rechtsinstitutsgarantie; die Aushöhlungsbegrifflichkeit würde ihren wichtigsten Sinn verlieren, wenn nicht durch Auferlegung von Abgaben die Gewährleistung verletzt werden könnte. Wenn also je das begriffliche artificium einer Steuer berechtigt war, welche das Eigentum nicht verletzt, weil sie nur das Vermögen trifft und Forderungen begründet- heute ist es durch die Institutsgarantie-Begrifflichkeit de jure condito unzulässig geworden. Von Verfassungs wegen gilt: Steuern können die Eigentumsgarantie verletzen. Daß für die ErbSt keine Ausnahme zutrifft, daß sie als (mögliche) Substanzabgabe in besonderer Weise das Eigentum gefährdet, bedarf hier keiner näheren Begründung. Es ist denn auch heute h. L., daß das Eigentum letzte Grenzen selbst dem Steuergesetzgeber zieht' 00 • Fraglich und für den vorliegenden Fall 98 Bäumlin, R., Staat, Recht und Geschichte, 1961, S. 14 f.; Forsthoff, E., a.a.O.; Hettlage, K. M., a.a.O., S. 82 f.; Scheuner, U., in Reinhardt-Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S.121; Weber, W., Verfassungsrechtliche Grenzen sozialstaatlicher Forderungen, Der Staat 4 (1965), S. 437; Huber, E. R., Wirtschaftsverwaltungsrecht I, 2. A. 1953, S. 647. 99 V gl. oben S. 44 f. 100 Bachof, 0 ., Die Rechtsprechung des BVerwG, JZ 1962, S. 439; Friauf, K. H., Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, 1966, S. 43 f.; Huber, E. R., Wirtschaftsverwal-
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
noch näher zu klären ist, wo sie im einzelnen verlaufen. Allgemeiner Ausgangspunkt ist hier die Frage, ob durch Steuern im technischen Sinn .,enteignet" werden kann (Art. 14 Abs. III GG). b) Begriffliche Unmöglichkeit der "Geldenteignung"?
Mag auch allgemein zugegeben werden, daß Art. 14 GG dem Steuergesetzgeber Grenzen setzt, so wird doch bestritten, daß diese dort verlaufen, wo sonst Enteignung anzunehmen wäre (Art. 14 Abs. III GG). Dies sei schon begrifflich unmöglich. Enteignung von Geld sei ein Widerspruch in sich; da die Enteignung nur gegen angemessene Entschädigung zulässig sei, müßte mit der anderen Hand zurückgewährt werden, was mit der einen genommen würde101 • Diese Auffassung ist nicht haltbar. "Geld" ist als solches ein enteignungsfähiger Gegenstand102• Enteignung kann auch darin liegen, daß ein obligatorischer Anspruch auf Übertragung geschaffen wird 103• Die Begründung von Steuerforderungen kann also begrifflich eine Geldenteignung sein. Dies trifft jedoch nicht immer zu - und da liegt der logische Fehler der hier kritisierten Auffassung - sondern nur, wenn die übrigen Voraussetzungen der Enteignung vorliegen, insbesondere also, wenn ein Gleichheitsverstoß gegeben ist104• Nicht stets muß also der Staat mit der Entschädigungshand dasselbe zurückgewähren, was er mit der Steuerhand genommen hat, sondern nur dann, wenn er mit dieser den Gewaltunterworfenen schwerer als andere getroffen, wenn er ihn "konfiskatorisch besteuert" hat. Wie bei allen anderen staatlichen Maßnahmen muß also auch im Steuerbereich die Grenze zwischen der Sozialbindung und dem ungleich belastenden Eingriff, der Enteignung gezogen werden. Und in diesem letzteren - seltenen - Fall muß allerdings .,mit der anderen Hand zurückgewährt" werden; darin liegt ja gerade das Wesen der Enteignungsschädigung. Das Problem der Eigentumsverletzung durch Steuern darf also nicht so gelöst werden, daß der Enteignungsbegriff eliminiert und eine "Abgrenzung sui generis" zwischen Steuergewalt und Privateigentum entwickelt wird. Diese Grenzziehung muß vielmehr nach den Enteignungstungsrecht I, 1953, S. 647; Huber, E. R., DöV 1956, S. 172; Kaiser, J., in : Staat und Privateigentum, 1960, S. 21; KLein, Friedrich, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Steuerreformen, a.a.O.; KnoU, E., Eingriffe in das Eigentum, AöR 79 (1953/54). S. 472; PauHck, H., Steuerberater-Jahrbuch 1957/8, S. 94; Scheuner, U ., in: Reinhardt-Scheuner, a.a.O. 101 Forsthoff, E., BB 1953, S. 422; ebenso BVerwGE 10, S. 7. -102 Vgl. zum Begriff des enteignungsfähigen Gutes unten 3. 103 Vgl. Klein, Friedr., StuW 1966, Sp. 468/9 m. Nachw. 104 Vgl. Hamann, GG, S. 166 f. m. Nachw.
III. Eigentum
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kategorien (Sozialbindung, gleichheitswidrige Behandlung) vorgenommen werden 105• Steuergesetzgebung ist nicht immer Enteignung, sie kann es aber sein. c) Enteignung durch Steuergesetze nur bei Entzug von "Volksvermögen"? Die Grenze, bei deren Überschreitung Steuergesetze enteignend wirken können, wird nun gelegentlich106 nach dem entzogenen Gegenstand bestimmt, wobei nationalökonomische Kategorien eingesetzt werden. Das Wegsteuern des Sozialprodukts (also praktisch des Ertrags) soll zulässig sein, Enteignung dagegen darin liegen, daß individueller Anteil am Volksvermögen entzogen wird. Hinter diesen Begriffen steht die These: Entzug des Ertrags ist zulässig, die Vermögenssubstanz darf nicht weggesteuert werden. Diese Auffassung kann gleichfalls nicht befriedigen. Friedrich Klein hat überzeugend dargelegt107 , daß der Begriff des enteignungsfähigen Gutes nicht auf die "Substanz" beschränkt werden kann. Entziehung oder Schmälerung des Ertrags kann ebenfalls Enteignung sein. Ganz abgesehen davon, ob auf ihn bereits eine rechtlich verfestigte Anwartschaft besteht- in dem Augenblick seines Anfalls gehört er ebenso zum Vermögen, das gegen Enteignung geschützt wird, wie "die Substanz". Die herkömmliche Steuergesetzgebung kennt Fälle, in denen die Abgaben "aus der Substanz" entrichtet werden müssen - zu ihnen gehört auch die ErbSt - ohne daß in jedem Fall hier Enteignung angenommen worden wäre 108• Wohl wird gelegentlich der Steuerbegriff mit der Ertragsbelastung in Verbindung gebracht, wohl mag es ihm widersprechen, wenn grundsätzlich und laufend aus der Substanz geleistet werden muß; ein gelegentliches Übergreifen von Ertrag auf Substanz kann jedoch nicht in jedem Fall schon Enteignungsfolgen auslösen. So verlockend dies auch sein mag - aber die Enteignungsgrenze verläuft nicht schematisch beim Substanzschutz. d) Ausschluß der Enteignungswirkung von Steuergesetzen wegen deren Beruhen auf der Abgabenhoheit des Staates Steuern sollen generell nicht enteignend wirken dürfen, weil man die Entschädigungspflicht fürchtet. Es wird daher behauptet109, die Steuern 105
106
Vgl. unten S. 81 f.
Forsthoff, E., NJW 1955, S. 1250; vgl. weiteren Nachw. b. Klein, Friedr.,
StuW 1966, Sp. 484 f. 107 a.a.O. Sp. 484 f. 108 Vgl. oben S. 32 f. 109 Vgl. vor allem Klein, Friedrich, StuW 1966, Sp. 478 f.; vgl. auch Huber, E. R., Wirtschaftsverwaltungsrecht 11, 1954, S. 2112.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
würden auf Grund eines besonderen Rechtstitels erhoben, nämlich im Namen des ungeschriebenen Verfassungsgrundsatzes der staatlichen Abgabenhoheit, welche die Anforderung von Geld zur Finanzierung von Staatsaufgaben erlaube. Diese Hoheit finde zwar auch ihre Grenzen an der Eigentumsgarantie; es dürfe weder der Bestand der Privatwirtschaft, noch der der privaten Einzelwirtschaften vernichtet werden110• Der Sinn dieser These liegt jedoch darin, daß Steuergesetze begrifflich nie nach Enteignungsrecht behandelt werden dürften, weil sie aus einer besonderen Abgabenkompetenz kämen. Hier könne also allenfalls gegen Art. 14 Abs. I, nie gegen Abs. III GG verstoßen werden. Die Abgrenzung Eigentum - Steuerhoheit sei ein abgabenrechtliches sui generis, das nicht mit den Kategorien der Enteignung erfaßt werden könne. Auch diese Auffassung ist abzulehnen. Das GG bringt nirgends zum Ausdruck, daß die Abgabenhoheit begrifflich nicht zur Enteignung führen könne. Über sie ist in dieser Hinsicht überhaupt nichts Näheres im GG ausgeführt. Die hier kritisierte These leitet lediglich zu der unbewiesenen Behauptung zurück, Steuern könnten begrifflich nicht enteignen. Sie geht von der unrichtigen Prämisse aus, wenn staatliches Handeln sich auf die spezifische Abgabenhoheit stütze, schließe dies die Enteignungswirkung aus. Dies könnte eben nur zutreffen, wenn Abgaben begrifflich von Enteignung zu trennen wäre. Ist dies nicht der Fall - wovon auszugehen ist -, so müssen die Steuerwirkungen wie die Effekte all der vielen anderen staatlichen Eingriffskompetenzen an der Enteignungsgrenze Halt machen. Es gibt nicht eine "Enteignungskompetenz", bei deren Geltendmachung allein Art. 14 Abs. III GG verletzt sein könnte, während die "Abgabenkompetenz" außerhalb stünde. Jede staatliche Kompetenz ist dann "Enteignungskompetenz", wenn ihre Wirkungen in das Privateigentum eingreifen. Unbeachtlich ist, ob dies in einem Enteignungsverfahren geschieht, oder ob in dem betreffenden Bereich Entschädigungsregelungen üblich oder möglich sind. Ist letzteres nicht der Fall, so ist eben die Verfassung verletzt. Letztlich sollen nur deshalb Steuergesetze nicht enteignen, weil es im Steuerbereich üblich ist, Entschädigungen vorzusehen. Dieser Schluß ist jedoch unzulässig. Allenfalls könnte gefolgert werden, Steuergesetze sollten eben wesentlich nicht enteignen, und in aller Regel geschieht dies ja auch nicht. Die weitere Konsequenz aber, sie könnten deshalb nicht enteignen, würde zur unzulässigen Behauptung führen, die Staatsgewalt verletzte Grundrecht nie, wo sie gegen solche nicht verstoßen solle, oder: eine Grundrechtsverletzung sei begrifflich ausgeschlossen, wo sie in der Regel nicht erfolge. Beides wäre das Ende der Grundrechtlichkeit.
° Ktein,
11
Friedrich, a.a.O., Sp. 483.
III. Eigentum
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Es ergibt sich also: Steuergesetze können enteignend wirken. Es gilt nun, ausgehend vom Enteignungsrecht, die Grenzen zu bestimmen, bei deren Überschreitung dies der Fall ist. 3. Grenzen der Steuergesetzgebung nach Enteignungsrecht
a) Problematik der Grenzziehung Grundsätze des Enteignungsrechts Schwer mag es sein, die Grenzen zu bestimmen, bei deren Überschreitung Steuergesetze enteignend wirken111 , ein gewisser Spielraum muß dem Gesetzgeber sicher bleiben112, die Grenzziehung darf jedoch weder allgemein, noch im Einzelfall unmöglich sein113• Sie erfolgt nicht nach ungeschriebenem Recht114, sondern einzig und allein nach den Prinzipien des geltenden Enteignungsrechts. Da davon auszugehen ist, daß die Besteuerung dem "Wohl der Allgemeinheit" dienen soll115, wirkt sie nur dann enteignend, wenn sie "die betroffenen Einzelnen oder Gruppen im Vergleich zu anderen ungleich, besonders trifft und sie zu einem besonderen, den übrigen nicht zugemuteten Opfer für die Allgemeinheit zwingt, und zwar zu einem Opfer, das gerade nicht den Inhalt und die Grenzen der betroffenen Rechtsgattung allgemein und einheitlich festlegt, sondern das aus dem Kreise der Rechtsträger Einzelne oder Gruppen von ihnen unter Verletzung des Gleichheitssatzes besonders trifft118• Bei Steuergesetzen ist nun zu berücksichtigen, daß dem Gesetzgeber ein besonders weites Ermessen in der Erfindung und Abgrenzung von Steuertatbeständen zugebilligt wird117• Die Sorge vor generell enteignender Wirkung der Steuergesetze ist also unbegründet: Da der Gesetzgeber in aller Regel den Anknüpfungspunkt für die steuerliche Tatbestandsbildung wählen kann, verstoßen Steuergesetze nur dann gegen Art. 14 Abs. III GG, wenn sie den Steuertatbestand gleichheitswidrig bestimmen118• Hier ist allerdings zu berücksichtigen, daß dem Einzelnen 111
112 113
Huber, E. R., Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 647.
Hettlage, K. M., VVdStL 14 (1956), S. 82/3. Bedenklich Klein, Friedrich, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der
Steuerreformen, a.a.O. 114 So mit Recht Klein, Friedrich, gegen v. Hippel, E., VVdStL 10 (1952), s. 66. 115 Vgl. Klein, Friedrich, StuW 1966, Sp. 469 m . Nachw. 118 Vgl. BGHZ 6, S. 280. 117 Vgl. Rspr.-Nachweise bei Leibholz-Rinck, GG, S. 91; Spanner, H., Der Steuerbürger und das GG, 1967, S. 128/9; Grimm, C., Besteuerung und GG, 1959, s. 6 f. 118 Anklingend in BVerwGE 6, S. 144/5; vgl. auch BFH BStBI. 1959 III, s. 131/2. 6 Lei.Jner
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
sein konkretes Eigentum möglichst erhalten bleiben soll. Je schwerer also die Verluste sind, welche hier auferlegt werden, umso eher kann selbst dann noch Enteignung vorliegen, wenn die betroffene Gruppe auch vergleichsweise zahlreich, der Tatbestand allgemein bestimmt ist. Eine ErbSt-Reform ist nicht schon dann verfassungsmäßig, wenn sie allen vermögenden Bürgern gleichmäßig den größten Teil ihres Eigentums nimmt. Aus der Sicht der Eigentumsordnung bedeutet sie dann eben eine besondere Härte. Die Eigentumsgarantie wird also durch Besteuerung immer dann verletzt, wenn gewissen Gruppen von Steuerpflichtigen Vermögen in einem Umfang entzogen wird, daß dies ihren Vermögensstatus in einer Weise verändert, die im Vergleich mit den entsprechenden Sozialbindungen anderer Bürger als besonders schweres Opfer anzusehen ist. Näher läßt sich die Enteignungsgrenze generell nicht bestimmen. Sie zeigt, daß sich die Steuergesetzgebung in aller Regel außerhalb von ihr bewegt. Daß gerade im Fall einer ErbSt-Reform eine Überschreitung möglich wäre, wird noch darzulegen sein 119• Zunächst gilt es noch, auf Grund der bisherigen Erörterung um die "konfiskatorische Steuer" die Grenzen für die Steuergesetzgebung näher zu bestimmen.
b) Insbesondere: Konfiskatorische und Erdrosselungssteuern Die Eigentumsgarantie wird durch Steuergesetze immer dann verletzt, wenn der Eingriff "besondere Intensität" aufweist, wenn die Steuer "den Pflichtigen übermäßig belastet und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt" 120• Diese inhaltsarme Formel kann nun noch in verschiedener Hinsicht näher verdeutlicht werden: Gelegentlich werden quantitative Grenzen der Steuerhöhe genannt. So läßt der BFH anklingen, daß eine Steuerhöhe von 50 °/o nur dann noch mit Art. 14 vereinbar sei, wenn die Steuerschuld langfristig getilgt werden könne 121 • Eine 80 °/oige ErbSt soll jedenfalls verfassungswidrig sein122• Daß sich hier Grenzen aus dem Steuerbegriff ergeben, wurde bereits dargelegt123• Ob Eigentumsrechte verletzt werden, bemißt sich nach dem Druck zur Vermögensumschichtung bzw. dem Verkaufsdruck, den die Steuer auf die Betroffenen ausübt. Wenn diese in der Regel das "besteuerte Objekt" verkaufen müssen 12\ um die Steuerschuld zu bezahlen, oder wenn sie zu anderen Vermögensumstrukturierungen geug 120 121 122 123 124
Vgl. unten S. 87 f. Vgl. BVerfGE 14, S. 241; 19, S. 129; vgl. auch BVerwGE 6, S . 144/5. BFHE 77, S. 261/2. Diester, H., Enteignung und Entschädigung, 1953, S. 139. Vgl. oben S. 35. Vgl oben S. 36 f.
III. Eigentum
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zwungen werden, welche ihre Vermögenssubstanz tiefgreifend verändern, so sind die Enteignungsgrenzen überschritten, a fortiori dann, wenn die Steuer zur Verschleuderung von Vermögensgegenständen zwingt. Hier kann freilich nicht der Zwang zur Aufgabe irgendeines Eigentums- oder Forderungsrechts genügen, denn jede, auch die schonende Steuer, führt ja zur Vermögensminderung. Es wird daher eine gesamtheitliehe Betrachtung der Vermögensverhältnisse des Steuerschuldners erforderlich; werden diese - jeweils in einer bestimmten Kategorie- einschneidend durch die Steuerschuld verändert, so kommt Enteignung in Betracht. Allerdings hat hier die Rechtsprechung einen weiten Entscheidungsspielraum. Was die ErbSt anlangt, so kommt es bei einer möglichen Enteignung grundsätzlich nicht nur auf die Umstrukturierung oder den Verkauf von Erbschaftsgegenständen, sondern auf das Vermögen und das Eigentum des Erben im ganzen an, so, wie es sich nach dem Erbfall darstellt. Quantitative Grenzen der Steuerhöhe lassen sich also aus der Eigentumsgarantienicht an sich, sondern nur in Verbindung mit dem Konfiskationsgedanken bestimmen. Nach allgemeiner Meinung ist eine Steuer dann wegen Verstoßes gegen Art. 14 GG verfassungswidrig, wenn sie "konfiskatorisch" wirkt125• Dieser Begriff ist noch wenig geklärt und wird häufig synonym mit dem der "Erdrosselungssteuer" genannt. Aus der Eigentumsgarantie heraus muß jedoch die konfiskatorische Steuer wie folgt bestimmt werden: Hier geht es nicht darum, daß Eigentumsgegenstände in größerem Umfang dem Vermögen des Steuerschuldners verloren gehen (vgl. oben b a. A.), oder daß das Vermögen tiefgreifend umstrukturiert werden muß. Die Steuer ist vielmehr dann verfassungswidrig, wenn sie gezielt die Aufgabe des Eigentums an bestimmten Eigentumsgegenständen erzwingt, diese in aller Regel zur Folge haben muß. Dabei ist es grundsätzlich gleichgültig, ob dies Güter sind, "auf denen die Steuer liegt", i. d. Sinne, daß sie bei deren Erwerb erhoben wird126, oder ob die Entäußerungsnotwendigkeit sich auf andere Gegenstände erstreckt, was praktisch seltener vorkommen wird. Die Schwierigkeit besteht darin, den "individuellen Verkaufszwang" zu definieren. Er liegt nicht nur bei Unentrinnbarkeit vor. Auf das Eigentumsobjekt, insbesondere auf seine Belastbarkeit, kommt viel an. Da auch Geld und Forderungen eigentumsrechtlich geschützt sind, die Steuer aber mit irgendwelchen Mitteln zu entrichten ist, wird man Konfiskation durch Steuer nur dort annehmen können, wo ganz bestimmte (Im-)Mobilien (praktisch, wirtschaftlich) nur wegen des Steuerdruckes aufgegeben werden müssen. Dies ist eine letzte, aber doch noch praktikable Grenze. 12s 12&
Vgl. Nachw. oben Anm. 100. Vgl. oben S. 36 f.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
Unter einer verfassungswidrigen Erdrosselungssteuer ist eine Abgabe zu verstehen, welche die wirtschaftliche Aktivität, auf der sie lastet, sogleich oder auf die Dauer unmöglich macht127• Sie ist auch aus steuerlicher Sicht bedenklich'28 • Eigentumsrechtlich ist dieser Verstoß nur insoweit relevant, als hier Eigentum an Betrieben entzogen wird. Primär wird durch solche Gestaltung die Berufs- und Gewerbefreiheit getroffen129. Sie bleibt daher hier außer Betracht. Das bisherige Ergebnis läßt sich wie folgt zusammenfassen: Steuergesetze können die Eigentumsgarantie verletzen. Dies geschieht nicht nur dann, wenn sie mittelbar Begriff und Bedeutung der Institution Eigentum tiefgreifend verändern, sondern auch dort, wo sie enteignend wirken. Dies ist der Fall, wenn den Betroffenen ein Sonderopfer auferlegt wird, insbesondere, wenn sie zur Aufgabe des Eigentums an bestimmten Sachen oder zu tiefgreifender Umstrukturierung ihres Vermögens durch die Steuer gezwungen werden. Dieses Resultat bestätigt das zur Erbrechtsgarantie gewonnene Ergebnis: Durch Steuern kann die Garantie verletzt werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn tiefgreifende Umstrukturierung erzwungen wird. 4. Gleichmäßiger Schutz für alles private Eigentum
a) Der weite verfassungsrechtLiche Eigentumsbegriff Erbschaft und Vermögen aLs "Eigentum" "Eigentum" i. S. von Art. 14 Abs. I GG umfaßt alles, was nach bürgerlichem Recht Eigentum sein kann, darüber hinaus aber auch Forderungsrechte, Anwartschaften, Urheberrechte, Aktien, kurz, jedes vermögenswerte Recht130• Soll heute die Eigentumsordnung ein Minimum an freiheitlicher Lebensgestaltung ermöglichen, so müssen neben dem Sacheigentum auch die sonstigen Vermögenspositionen einbezogen werden, mit deren Hilfe die Individuen ihre wirtschaftliche Existenz aus eigener Kraft behaupten131 • 127 Vgl. BVerfGE 16, S. 161; BVerwGE 6, S. 266 f. (grdl.) m. Nachw.; BVerwGE 6, S. 144/5; vgl. auch Kruse, H. W., Steuerrecht Allg. T., § 6 III 3, § 20 VII 1; Pappermann, E., DB 1968, S. 1745; Klein, Franz, Gleichheitssatz, s. 127. 128 Vgl. oben S. 35. 129 Vgl. unten S. 96 f. 130 Vgl. v. Mangoldt-Klein, BK I, S. 433 f. m. Nachw.; Hamann, A., GG, S. 160; Weber, W., Eigentum und Enteignung, in: Die Grundrechte II, 1954, S. 352; s. m. Nachw. für die Weimarer Zeit Anschütz, G., Die Verfassung des Dt. Reiches, 14. A. 1933, Art. 153/2; Wolf!, M., Reichsverfassung und Eigentum, Festgabe für Kahl, 1923, S. 3. 13' Weber, W., a.a.O. S. 353.
1!1. Eigentum
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Die Eigentumsgarantie sichert also gegen die ErbSt den Vermögensgegenstand, welcher vererbt werden kann. Sie schützt auch das Verfügungsrecht an der Erbschaft als solcher, weil diese als Inbegriff von Vermögensgegenständen als ein Eigentumsgegenstand im Sinne des Verfassungsrechts vom bürgerlichen Erbrecht anerkannt wird. Dafür spricht nicht nur der einheitliche Übergang "der Erbschaft" nach Erbrecht und ihre durchgehende Behandlung als eine Einheit; daß sie auch, unabhängig vom Erbgang, eine eigentumsrechtliche Einheit i. S. der Verfassung dargestellt, zeigen etwa die Vorschriften über den Erbschaftskauf (§§ 2371 f BGB). Die Verfassung selbst unterstellt die vermögensrechtliche Einheit des Erbschaftsbegriffs (Art. 14 Abs. I GG) 132• Auch Anwartschaften werden durch Art. 14 Abs. I GG geschützt, soweit sie nach dem bürgerlichen Recht vermögenswerte Rechte darstellen. Dies gilt also nicht für die Erbaussicht als solche, wohl aber für ein erbvertraglich verbürgtes Anfallrecht. Dieses wird als Bestandteil des Erbenvermögens von der Eigentumsgarantie erfaßt. Das Anwartschaftsrecht kann dann auch durch eine ErbSt verletzt werden, welche quantitativ oder qualitativ die Wirkungen des Erbfalls tiefgreifend verändert. Das Vermögen des Erblasser oder des Erben wird nicht als solches gegen Steuern geschützt133, wohl aber in dem Sinn, daß übermäßige Belastungen und grundlegende Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse durch Geldleistungspflichten eine Enteignung bzw. einen enteignungsgleichen Eingriff darstellen kann134•
b) Die Einheit des Eigentumsbegriffes Kein geringerer Schutz für ererbtes Gut Da die Erbschaftsgegenstände im einzelnen wie die Erbschaft im ganzen - oder eine vertraglich begründete Anwartschaft auf sie - den Eigentumsschutz genießen, ist nun noch zu klären, ob diese Sicherung etwa generell dadurch abgeschwächt wird, daß die Erbschaft nicht durch eigene Leistung erworben wird135• Hier ist zunächst zu untersuchen, ob es einen einheitlichen Eigentumsbegriff gibt. Es gibt keinen "absoluten" Begriff "des Eigentums". Der Gesetzgeber bestimmt vielmehr im einzelnen dessen Inhalt, indem er sich an den Wertanschauungen seiner Zeit orientiert und die Wertvorstellungen und Rechtsprinzipien der Verfassung beachtet138 ; dem bürgerlichen Recht Vgl. oben S. 56 f. BVerfGE 4, S. 17, std. Rspr. 134 BVerfGE 14, S. 241 ; 19, S. 129; vgl. näher oben S. 82. 135 So wird ja die Redistributionsnotwendigkeit gelegentlich aus ökonomischer Sicht gerechtfertigt, vgl. etwa Kisker, K. P., ErbSt. S. 15 und passim. 138 BVerfGE 20, S. 355/6. 132
133
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
und den gesellschaftlichen Anschauungen kommt dabei besondere Bedeutung zu 137• Der Gesetzgeber muß allerdings nicht alle geldwerten Vermögensgüter den gleichen rechtlichen Grundsätzen unterwerfen. Er kann etwa bei Grund und Boden die Interessen der Allgemeinheit besonders berücksichtigen. Dabei hat er einen weiten Gestaltungsraum138• Der Gesetzgeber kann aber nicht zu Lasten einzelner Personen den Inhalt von deren Rechten an einem bestimmten Gut begrenzen 139 • Er hat grundsätzlich "das Eigentum an einem Gut", nicht aber "das Eigentum bestimmter Personen an einem Objekt" zu bestimmen. Der Inhalt des Eigentums hängt prinzipiell nicht von der Person des Inhabers ab. In diesem Sinn kann von einer "Einheit des Eigentumsbegriffes" gesprochen werden. Beschränkt wird der Eigentümer in seinem Eigentum, nicht das Eigentum aus der Person seines Inhabers. Eine bedeutsame Ausnahme von diesem Grundsatz könnte allerdings darin gesehen werden, daß öffentlich-rechtliche Positionen dann nicht den Eigentumsschutz genießen, wenn ihnen alle den Eigentumsbegriff konstituierenden Merkmale fehlen 140, sondern nur, wenn sie eine Rechtsposition verschaffen, welche derjenigen eines Eigentümers entspricht141 • Dafür, ob eine solche "im Kernbestand dem Privateigentum ähnliche Position" vorliegt142, ist entscheidend, wieweit sich das betreffende Recht als "Äquivalent eigener Leistung erweist oder auf staatlicher Gewährung beruht" 143• Die Leistung des Einzelnen ist es hier also, welche den Eigentumsschutz rechtfertigt144• Gleichgültig ist es nun aber, welche "typisch private Leistung" die betreffenden Eigentumspositionen hat entstehen lassen. Kapital- wie Arbeitseinsatz werden insoweit gleichbehandelt145, ja selbst der Einsatz von Gesundheit und Leben begründet keine höhere Schutzwürdigkeit146• Nach deutschem Recl'lt ist Eigentum nicht deshalb "höherwertig", weil es durch persönliche Arbeitsleistung erworben worden ist. Eigentum ist alles, was in der privaten Sphäre mit privaten Mitteln zur Privatnützigkeit geschaffen worden ist. BVerfGE, S. 278/9. BVerfGE 21, S. 83. 139 Wolff, M., a.a.O. S. 9. 14 0 BVerfGE 1, S. 278; vgl. BFH BStBl, 1959 III, S. 131. 141 BVerfGE 4, S. 219. 142 BVerfGE 16, S. 112. 14 3 BVerfGE 14, S. 294; 18, S. 397. 144 BVerfGE 16, S. 113; 18, S. 397; Weber, W., in: Die Grundrechte II, 1954, S. 354; weit. Nachw. bei Hamann, A., GG, S. '161; grdl. zu diesen Fragen: Dürig, G., Der Staat und die vermögenswerten öffentlich-rechtlichen Berechtigungen seiner Bürger, Festschrift für Apelt, 1958, S. 13 f. 145 BVerfGE 1, S. 277/8; BSG JZ 1958, S. 20/1. 146 Dürig, G., a.a.O. S. 28. 137
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Die Erbschaft ist daher sowohl in der Hand des Erblassers wie in der des Erben echtes, volles Eigentum, soweit es sich nicht um Positionen handelt, die wesentlich öffentlich-rechtliche "Geschenke des Staates" sind und in aller Regel ja dann auch gar nicht vererbt werden können. Der Erbgang als solcher publiftziert das Vermögen nicht. Die ErbSt trifft ferner praktisch nicht nur den Erben, sondern oft noch stärker den Erblasser, der zu seinen Lebzeiten härter arbeiten und sparen muß, um auch nur einiges vererben zu können. Er aber hat das Vermögen "erarbeitet" oder es seinerseits als ein "verdientes" erhalten. Nach den Prinzipien des bürgerlichen Rechts muß der Erbe in einer (erbrechtlichen) Einheit mit dem Erblasser gesehen werden, dessen Persönlichkeit er fortsetzt. Dann aber muß ihm auch das "soziale Leistungsverdienst" des a quo zugerechnet werden: Das Ererbte ist "für ihn erarbeitet worden", er setzt die Persönlichkeit dessen fort, der es geschaffen hat. Bei der Verwandtenerbschaftist durch Art. 6 Abs. I GG die Schutzwürdigkeit ausdrücklich hergestellt. Vor allem aber ist das Argument geringerer Schutzwürdigkeit der Erbschaft ex Constitutione unzulässig: Das GG schützt gleichmäßig Eigentum und Erbrecht. Da das Ererbte nie "vom Erben erarbeitet" sein kann, wird es von der Verfassung eben ohne Rücksicht auf diesen begrifflich inhärenten angeblichen sozialen Makel geschützt. Diese Sicherung aber darf nicht wieder im Rahmen der Eigentumsgarantie relativiert werden. Ererbtes und erarbeitetes Gut haben gleichen Wert. Dasselbe gilt auch für die Schenkung. Die Gewährleistung des Erbrechts beweist, daß rechtsgeschäftliche Verfügungen ohne Gegenleistung den Kausalzusammenhang des verfassungsrechtlichen Güterschutzes nicht unterbrechen147• Die Eigentumsgarantie schützt also die Erbschaft ebenso wie jedes andere vermögenswerte Recht. Betrachtet man ihr gegenüber die Erbrechtsgarantie als lex specialis, so ergibt sich aus diesen Darlegungen jedenfalls, daß die Erbschaftsgewährleistung keinen generell schwächeren Schutz gewährt als die Eigentumsgarantie. 5. Mögliche Verletzung individueller Eigentumsrechte durch ErbSt
a) Verletzung von Eigentum ohne Verletzung von Erbrecht aa) Gegen die Eigentumsgarantie kann die ErbSt jedenfalls begrifflich selbständig insoweit verstoßen, als durch Besteuerung die Schenkungsfreiheit148 oder die Verfügungsfreiheit des Erben über die Erbschaft als solche nach dem Erbfall 149 beeinträchtigt wird. Im übrigen wird das
Dürig, G., a.a.O. S. 32. 148 Vgl. oben S. 74 f. 149 Siehe näher oben S. 84.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
Eigentum in Verbindung mit der Erbrechtsgarantie verletzt, soweit diese nicht lex specialis ist150• Im folgenden sollen die möglichen Auswirkungen forcierter Erbschaftsbesteuerung auf das Eigentum ohne Berücksichtigung der speziellen Erbschaftsgarantie dargestellt werden. Es fragt sich jedoch hier noch, ob das Eigentum des Erblassers oder des Erben, welches nicht der Vererbung unterliegt, durch die "auf der Erbschaft lastende ErbSt" verletzt werden könnte. Hier wäre ausschließlich Eigentumsschutz gegeben. bb) Sicher muß sich der Erblasser bereits zu Lebzeiten auf die drohende ErbSt einstellen. Er wird deshalb auch dasjenige Vermögen, welches er überhaupt nicht vererben, sondern zu Lebzeiten verbrauchen will, ebenso mit Blick auf die ErbSt anlegen, strukturieren, nutzen müssen, wie diejenigen Gegenstände, welche er nicht dem jeweiligen Erben, sondern anderen Bedachten zuwenden möchte. Obwohl sich also jede Einschränkung des Erbanteilbestimmungsrechts des Erblassers durch die ErbSt151 begrifflich auch als Begrenzung seines Eigentumsdispositionsrechts auswirkt, wird man hier kaum von einem enteignungsgleichen Eingriff durch ErbSt sprechen können. Die ErbSt richtet sich auf das Erbgut nach dem Erbgang. Hier erzwingt sie allenfalls Umstrukturierung und Aufgabe des Eigentums, nicht aber vorher ganz allgemein im Vermögen des a quo. Es wäre nicht mehr mit einiger Sicherheit zu sagen, worauf sich der Steuereingriff richtet. Es müßte ein Verlust nachzuweisen sein, der zwar durch steuerbedingte Umstrukturierung vor dem Erbgang im Einzelfall durchaus einmal eintreten kann, aber doch nicht in jener normativ voraussehbaren Typik eintreten muß, welche die ErbSt zum Eingriff machen würde. Überdies muß hier alles der Geschicklichkeit des Erblassers überlassen bleiben. Wird er durch die ErbSt zum Sparen gezwungen, so liegt darin keine Eigentumsverletzung. Soweit aber die ErbSt dazu führt, daß er (wenn er nicht entsprechend disponiert) weniger vererben kann, ist wiederum begrifflich seine Vererbungsfreiheit, nicht sein Eigentum getroffen. Die ErbSt mag also gewisse Auswirkungen auf das "Eigentum des a quo unabhängig vom Erbgang" haben. Diese sollten auch durch eine Gesetzgebung angemessen berücksichtigt werden, welche das Erbrecht als Instrument der Eigentumspolitik zu Lebzeiten erkennt. Die Enteignungsgrenze wird hier aber in aller Regel nicht überschritten. cc) Auch der Erbe muß sich auf die ErbSt in seinen Vermögensdispositionen einrichten - sei es vor dem Erbfall, sei es nach dem Vermögensübergang. Soweit er eigenes Vermögen besitzt, muß er dieses so 150 151
Vgl. oben S. 73 f. Vgl. oben S. 56 f.
III. Eigentum
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strukturieren, daß er die ErbSt aufbringen kann, ohne übermäßige Verluste zu erleiden. Aber auch für ihn gilt hier das oben (bb) für den Erblasser Ausgeführte: Die ErbSt "richtet sich" nicht unmittelbar auf sein (übriges) Vermögen. Erzwungenes Sparen ist nicht Enteignung. Anpassung an künftige Steuerschuld kann verlangt werden, wenn sie nicht ein speziell gesichertes Rechtsgut entzieht. Überdies hat allenfalls der Pflichtteilsberechtigte vor dem Erbfall eine geschützte Anwartschaft, nicht aber der Testamentserbe. Was dieser vor dem Erbfall unternimmt, geschieht a fonds perdu und kann nicht a posteriori enteignungsrechtlich relevant werden. In einem Punkt könnten allenfalls Wirkungen auf das Erbenvermögen bei der Beurteilung einer Enteignung durch ErbSt zu berücksichtigen sein: Wenn diese darin lägen, daß durch die ErbSt-Belastung die Vermögensverhältnisse des Erben im ganzen nach dem Erbfall grundlegend verändert würden - dann könnte es nicht nur auf den Einfluß der Steuerschuld auf die Erbschaft und ihre Einheit ankommen, sondern auch auf die so erzwungene Umstrukturierung, ja Verschleuderung des Erbenvermögens als solchen, einschließlich dessen, was der Bedachte vor dem Erbfall schon besaß. Hier müßte jedoch nachzuweisen sein, daß konkreter Verkaufs- oder Verschleuderungsdruck gerade auch auf das bisherige Erbenvermögen durch die ErbSt ausgeübt wurde, weil sonst eine Beeinträchtigung der Erbfreiheit, nicht (allein) der Eigentumsgarantie vorläge. b) Objektverkaufszwang, Verschleuderung Sieht man in der Belastung der Erbschaft durch die ErbSt gleichzeitig eine mögliche Verletzung der Eigentumsgarantie, so könnte eine solche vor allem dann eintreten, wenn der Erbe durch die ErbSt zum Verkauf bestimmter Objekte genötigt würde. Wenn die Steuersätze angehoben, Privilegien nicht gewährt, Freigrenzen und -beträge nicht erhöht werden, so wirkt die ErbSt nicht nur gelegentlich, am Rande oder in grundsätzlich abwendbarer Weise konfiskatorisch152. Sie konfisziert in zahlreichen, typischen, voraussehbaren und daher speziell normierbaren Fällen bestimmte Vermögensgegenstände. Vor allem muß -
ein Grundstück dann verkauft werden, wenn die jederzeit feststellbare wirtschaftliche Belastungsgrenze überschritten ist, hinreichendes bewegliches Vermögen nicht vererbt wird und der Erbe kein eigenes Vermögen besitzt. Hier wird dem Erben individuelles Eigentum mit ebensolcher Sicherheit genommen, wie wenn er der klassischen 152
Vgl. oben S. 82 f.
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-
-
B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit Enteignung unterläge. Dies gilt insbesondere, wenn die ErbSt-Erhöhung der drastischen Steigerung der Einheitswerte nachfolgt. ein Betrieb dann aufgegeben, ein Gut dann zertrümmert oder verkauft werden, wenn die ErbSt nicht aufgebracht werden kann, ohne daß der Betrieb unrentabel wird. Auch dies läßt sich im Einzelfall feststellen. Hier werden konkrete Eigentumsrechte wenigstens insoweit entzogen, als unser Recht ein "Eigentum am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" anerkennt. das Direktionsrecht in einem Betrieb aufgegeben werden, wenn gesellschaftliche Beteiligungen vererbt werden, bei denen die ErbSt nicht bezahlt werden kann, ohne daß Vorzugsstellungen (Mehrheiten) verloren gehen. Auch hier wird das Eigentum nicht nur reduziert, sondern in seiner Bedeutung alteriert.
Gemeinsam ist den genannten Fällen, daß in ihnen der Eigentumsverlust nicht nur darin besteht, daß gewisse Rechte verloren gehen; es findet auch in aller Regel eine "Verschleuderung" statt - die Vermögenswerte können nicht entsprechend realisiert werden, der Verlust auf der Seite des Erben steht in keinem Verhältnis zum Vorteil des Fiskus. Hier sollte möglichst, es kann aber nicht immer durch Stundung geholfen werden. Wenn das Damoklesschwert der ErbSt über einem Betrieb schwebt, so wird der Erbe u. U. schwerer geschädigt, als wenn er ihn sogleich aufgeben muß. Dem kann nun nicht entgegengehalten werden, solche Betrachtungsweise schließe jede Erbschaftsbesteuerung aus: Wenn ein Betrieb verschuldet, ein Grundstück bereits belastet, eine Mehrheitsbeteiligung knapp sei, so genüge ja auch die geringste Steuer, um die "Enteignung" zu bewirken. Ganz abgesehen davon, daß dem Erben eine gewisse Steueranpassung zugemutet werden kann: Bereits bestehende Belastungen, mangelnde Rentabilität hat er zu vertreten, sie mindern den Schutz des spezifischen Eigentumsrechts im Ergebnis ab. Der Gesetzgeber hat hier auch sicher ein breites Gestaltungsermessen. Dessen Grenzen sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn der Erbe allein durch ErbSt gezwungen wird, völlig unbelastete Grundstücke zu verkaufen oder ein mit branchennormalem Gewinn arbeitendes Unternehmen aufzugeben. Die Besteuerung wirkt dann, aber auch nur dann enteignend, wenn sie allein zur Eigentumsaufgabe zwingt. Soweit enteignende Wirkungen normativ vorhersehbar sind, kann dem durch Gestaltung der Tarife, durch generelle Privilegien und Stundungen entgegengewirkt werden. Treten sie jedoch in einem atypischen Einzelfall auf, so muß ein Rechtsanspruch auf Stundung oder Erlaß der ErbSt begründet werden. Die Beachtung der Verfassung zwingt keines-
111. Eigentum
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wegs zu wenig praktikabler Gestaltung. Die ErbSt wird ohnehin bei einem einzigen, bedeutsamen Anlaß erhoben. In diesem Verfahren kann ohne weiteres Sorge getragen werden, daß der Erbe nicht enteignet wird.
c) Erzwungene Umstrukturierung und grundlegende Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse Die ErbSt darf nicht zu einer "grundlegenden Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse" des Erben führenm. "Vermögensverhältnisse" bedeutet aber hier seine Vermögenslage nach Anfall der Erbschaft, nicht ohne Berücksichtigung derselben. Mit dem Erbfall wird ja die gesamte Erbmasse Bestandteil des Vermögens des Erben. Eine "grundlegende Beeinträchtigung" liegt sicher dann vor, wenn ihm durch den Steuerdruck das Eigentum an besonders bedeutsamen Vermögensgegenständen entzogen wird, im besonderen, wenn er zu deren Verschleuderung gezwungen wird154• Sie ist aber auch dann gegeben, wenn der Erbe sein nunmehriges Gesamtvermögen tiefgreifend umstrukturieren muß, und sich daraus eine grundlegende Beeinträchtigung ergibt. In aller Regel wird dies mit Eigentumsverlust i. e. S. verbunden sein. Es kann sich jedoch auch durch erzwungene Belastungen, Umgestaltung von Gesellschaftsformen u. ä. m. ergeben. Soweit hier die qualitative Einheit der Erbschaft verändert wird, ist dies bereits näher im Rahmen der Erbrechtsgarantie untersucht worden155 • Hier muß aber die Gesamtvermögenslage des Erben in die Betrachtung einbezogen werden156 • Nicht leicht kann hier der Gesetzgeber durch Bildung klarer Erleichterungstatbestände von vorneherein den Enteignungseffekt ausschließen. Immerhin lassen sich gewisse Fälle generell regeln (so etwa bei Belastungen von Grundstücken und Betrieben), in anderen muß durch Härteklauseln geholfen werden. Wenn die ErbSt-Gesetzgebung erkennen läßt, daß sie die Enteignungsgefahr in Betracht zieht und bestrebt ist, ihr durch generelle Befreiungen und Stundungen sowie durch Härteklauseln für den Einzelfall entgegenzuwirken, so kann sie der Nachsicht einer Verfassungsgerichtsbarkeit sicher sein, welche ihr einen weiten Gestaltungssspielraum gewähren und insbesondere eine Berücksichtigung der Praktikabilität billigen wird. Der Steuergesetzgeber kann also dem Gebot der Verfassung entsprechen. Verfassungswidrig handelt er jedenfalls, wenn seine Normen überhaupt nicht erkennen lassen, daß er die Grenzen der Eigentumsgarantieachten wilL 153
154 155 156
BVerfGE 14, S. 241; 19, S. 129. Oben b. Vgl. oben S. 56 f. Dazu oben a. a. E.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit 6. Verletzung des "Instituts Eigentum" durch die ErbSt
Auch bei der Eigentumsgarantie sind institutionelle Sicherung und Schutz individueller Rechte verbunden157• Eine systematische Verletzung subjektiver Rechte der Einzelnen (vgl. oben 5) durch Steuergesetze wird daher in der Regel auch das Institut in seinem Wesen alterieren. Darüber hinaus aber wirken sich gewisse Effekte einer forcierten ErbSt ausschließlich oder doch vorwiegend als eine Veränderung der herkömmlichen Eigentumsordnung im ganzen aus. Im folgenden ist daher zu prüfen, inwieweit das Rechtsinstitut des Eigentums in seiner selbständigen gesellschaftlichen Ordnungsfunktion durch ErbSt beeinträchtigt werden kann. Hier kann es keine Konkurrenzfrage Eigentum - Erbrecht geben, wie sie bei den Grundrechten, nicht aber bei den Einrichtungsgarantien auftritt. Selbst wenn zugleich die institutionelle Erbrechtsverbürgung beeinträchtigt wird158 - hier geht es ausschließlich um die Wirkungen auf das "Eigentum außerhalb des Erbfalls".
a) Gefährdung des Eigentumssystems als einer Ordnung Daß das Eigentum den Kern der bürgerlichen Gesellschaftsordnung ausmacht, daß es eine staatsunabhängige Gesellschaft ohne Privateigentum nicht geben kann, bedarf hier keines Belegs. Diese Ordnungsfunktion des Eigentums kann jedoch durch die ErbSt in mehrfacher Hinsicht gebrochen werden 159 : Wenn die Kontinuität der Eigentumsverhältnisse im ganzen durch Steuereingriffe laufend unterbrochen wird, verliert das Eigentum schon bei Lebzeiten des Eigentümers entscheidend an Ordnungskraft. Es erscheint als vorübergehende, prekäre Berechtigung, deren Schutz bald dem kurzen zeitlichen Bestand angepaßt werden wird. Der Verlust an Ordnungsdauer verringert auch das Ordnungsprestige des Eigentums. Greift der Staat durch ErbSt laufend und tiefgreifend in die Güterverteilung ein, so wirkt das Erbrecht nicht als Fortsetzung und Bewährung des Eigentums, sondern als dessen Beschränkung. Der Sinn von Art. 14 Abs. I GG wird in sein Gegenteil verkehrt, eine Institutsgarantie relativiert die andere. Die Ordnung wird tatsächlich mehr vom Staat hergestellt und fortentwickelt, als von der Gesellschaft. Dazu oben S. 43. Vgl. oben S. 70 f. 159 Die (nationalökonomische) Frage, ob und inwieweit durch angespannte ErbSt die Vermögensbildung schlechthin gehemmt wird, kann hier nicht behandelt werden. Vgl. dazu u. a. Megow, H., ErbStG, 1955, S. 23; aus früherer Zeit: BluntschH, J. C., Ges. Kleine Schriften I, 1879, S. 235; Harnack, A., Dt. Revue, 34. Jg., I (1909), S. 168; Lampe, A., ErbSt in: Elster, Wörterbuch der Volkswirtschaft I, 4. A., 1931, S. 706 f.; Wagner, A., Lehr- und Handbuch der polit. Oekonomie, IV/2, 2. A., 1890, S. 590, sowie neuerdings m. Nchw. Kisker, K. P., ErbSt, S. 20 f., 155 f. 157
1ss
111. Eigentum
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Trotz der Erweiterung des Eigentumsbegriffes auf obligatorische Rechte liegt der eigentliche Sinn der Ordnungsfunktion des Eigentums darin, daß hier feste, gegenständlich-dingliche abgegrenzte Positionen unbedingt geschützt wurden, gleich wie im übrigen die Vermögens-, die obligatorische Rechtslage sein mag. Die ErbSt durchbricht wie keine andere Abgabe diese Sicherungen, erzwingt die dingliche Umschichtung auf breiter Front durch obligatorische Ansprüche, relativiert so den Unterschied zwischen dinglichen und obligatorischen Rechten noch weiter und bringt das Eigentum auf diese Weise um das Prestige der verläßlichen, "handgreiflichen" Positionssicherung, ohne die es seinen Ordnungssinn verfehlen muß: - Soweit die ErbSt die Schenkung trifft, welche den Erbgang nicht vorwegnehmen soll, alteriert sie den Eigentumsbegriff, indem sie das jus utendi et abutendi zu einer entgeltlichen Verfügungsbefugnis reduziert. Wo immer die Gegenleistung fehlt, mischt sich der Staat ein. Er zwingt damit bei hoher Schenkungsteuer zu einer kommerziellen Austauschmentalität, welche den Eigentümer zum "Zwangshändler" macht, anstatt ihm den edelsten Gebrauch seines Rechts zu gestatten - es ohne Gegenwert anderen zu schenken. Hier gerade wird das genommen, was von dem "freien Belieben" des Eigentümers in einer Welt zunehmender kommerzieller Sachzwänge noch geblieben ist. - Die Ordnungsfunktion des Eigentums für eine Gesellschaft, welche dem Staat noch irgendwie autonom gegenübersteht, verlangt, daß "die Substanz" des Gesellschaftsbereiches diesem erhalten bleibe und nicht in laufender Mobilität zum Staat wechsele160• Solches mag für Randzonen zulässig sein. Wenn jedes Eigentum wirtschaftlich alsbald beim Staat enden soll, so kann eine private Vermögens-, Betriebs-, Güterordnung als solche auch nicht bestehen. Eigentum ist dann - in einem "idealen" Endzustand - nur mehr der kurze Übergang zwischen sozialistischer Gewährung und steuerlicher Entwehrung. Dies aber ist keine gesellschaftliche Ordnung mehr.
b) Aufhebung des "Eigentums" an bestimmten Kategorien von Gütern Zum Wesen des Eigentums gehört es, daß grundsätzlich alles zu privatem Eigentum erworben werden kann, was nicht nach seiner natürlichen Beschaffenheit oder kraft verfassungsmäßiger staatlicher Entscheidung res extra commercium privatum ist. Eine starke Anspannung der ErbSt würde nun auf die Dauer mit Sicherheit nicht nur zu einer (gestuften) Unvererblichkeit gewisser Güter oder dazu führen, daß diese
s.
160
Zu den ökonomischen Aspekten vgl. hier Ritschl, H., HDSW 3, 1963,
276/7.
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
nur mehr in bestimmten Formen von Todes wegen erworben werden können 161 - dasselbe wird dann für das Eigentum eintreten: Bestimmte, normativ vorhersehbare und bestimmbare Kategorien von Wirtschaftsgütern werden in absehbarer Zeit von Privaten überhaupt nicht mehr, andere werden nur mehr in einer bestimmten (vergesellschafteten) Form zu Eigentum besessen werden können: Großes, wirtschaftlich zusammenhängendes Grund- und Betriebsvermögen oder qualifizierte Beteiligungen an Gesellschaften werden nach einem oder mehreren Erbgängen zwangsläufig zertrümmert sein oder in der Hand des Staates liegen. Niemand wird sie erwerben können, weil die Kurzatmigkeit des Eigentums die Ansammlung großen Vermögens ausschließt. Und selbst wenn es solches noch gäbe - diese Großgüter würden nicht mehr erworben werden, weil sie ja als solche nicht mehr vererbt werden könnten. Die weitgehenden Reformen bedeuten daher nach kurzer, absehbarer Zeit das Ende des Individualeigentums an Großgütern. Dies ist die klassische Form einer Aushöhlung, ja Zertrümmerung der Eigentumsgarantie, vor der Art. 14 Abs. I GG schützen will. Die Unvererblichkeit der Großvermögen wird überdies dazu führen, daß die Zahl dieser res extra commercium privatum laufend, und zwar in einem sich akzentuierenden Spiralvorgang zunimmt, und später auch Güter mittlerer Größenordnung nicht mehr zu privatem Eigentum besessen werden können. Am Ende steht die totale, kalte Enteignung und Sozialisierung allen Vermögens, das über einem kleinbürgerlichen erbschaftsteuerbegünstigten Niveau liegt. Eine solche Ablösung des Begriffs eines freien, bürgerlichen Eigentums durch ein begrenztes kommunistisches Kleineigentum ist verfassungswidrig. Das GG hat die Sozialisierung - und nichts anderes würde hier bewirkt - nach Gegenstand, Voraussetzung und Rechtsfolgen besonders geregelt (Art. 15 GG). Daraus ergibt sich, daß Verstaatlichung oder Kollektivierung von gewissen Güterkategorien jedenfalls dann verfassungswidrig ist, wenn sie nicht in Art. 15 GG vorgesehen ist. Und gerade die dort bezeichneten Gegenstände möglicher Sozialisierung dürfen eben nur in den spezifischen Formen der Sozialisierung als solche kategoriemäßig dem privaten Sektor des Eigentums entzogen werden, und es muß hierfür nach den Grundsätzen der Enteignung entschädigt werden. Eine "kalte Sozialisierung" durch ErbSt ist verfassungswidrig162• An Großgütern und Großbetrieben wird es mit Sicherheit in absehbarer Zeit nur mehr ein kollektives Eigentum geben können, wenn die Dazu oben S. 56 f. Vgl. Herzog, R., Eigentum, EvSt. L. 1966, Sp. 385; Kaiser, J., Staat und Privateigentum, 1960, S. 21; Huber, E. R., Wirtschaftsverwaltungsrecht I, 1953, s. 647. 1a1 162
III. Eigentum
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ErbSt-Sätze erheblich gesteigert werden und Vergünstigungen wegfallen. Nur bei solcher G€staltung kann der Einzelne die ErbSt aufbringen, nur bei fortgesetzter Gemeinschaft vermag die Erbmasse eine Abgabe zu tragen, welche eine Abfindung Einzelner ausschließt. Die erzwungene Fortsetzung der Erbengemeinschaft wird in kurzer Zeit zu einer notwendigen Eigentumsform für bestimmte Kategorien von Sachgütern, weil auf die Dauer nicht in anderer Form besessen als geerbt werden kann. Eine forcierte ErbSt muß auf lange Sicht die Vermögensstruktur in de·r BRD derart verändern, daß auch unabhängig von einem Erbgang große Einzelvermögen nicht mehr gebildet und damit auch Großgüter nur mehr in Gesellschaftsform zu Eigentum erworben werden können. Ein gewisser Zwang zu individuellen oder kollektiven Besitzformen mag sich aus der wirtschaftlichen Entwicklung ergeben. Der Gesetzgeber darf diese lenken und Sachzwänge verschärfen. Hier aber geschähe weit mehr: Es würde interventionistisch der Zwang zur Schaffung einer kollektiven Eigentumsordnung ausgeübt. Dies widerspricht dem Grundsatz der Vereinsfreiheit (Art. 9 Abs. I GG), nach dem Zusammenschlüsse auch auf wirtschaftlichem Gebiet nicht erzwungen werden dürfen. Der Gesetzgeber mag einen Anreiz zur Wahl bestimmter Gesellschaftsformen schaffen, hier würden sie als einzige Eigentumsform für bestimmte Eigentumskategorien bleiben. Das Eigentum des GG ist prinzipiell Individualeigentum - es würde sich sonst seine Gewährleistung im Rahmen der primär individuellen Grundrechte nicht rechtfertigen. Zwang zur- wenn auch privaten- Kollektivierung verstößt schließlich gegen den Grundgedanken einer Sozialisierungsklausel, die auch Eigentumszwangskolchosen unter Privaten (als Vorstufe von Eigentum der öffentlichen Hand) nicht zuläßt. Der Eigentumsbegriff würde also dadurch alteriert werden, daß er für Güter einer bestimmten Größenordnung oder Art nicht oder nicht mehr in derselben Weise zur Verfügung stünde wie für andere Gegenstände. Schon dadurch allein würde die verfassungsrechtlich gesicherte Einheit des Eigentumsbegriffes gebrochen. Dies aber wäre nicht nur eine quantitative Reduktion, es würde vielmehr auf das Wesen jeden Eigentums ausstrahlen. Selbst dem Eigentum am unbedeutend erscheinenden Gegenstand ist die Chance der Steigerung, der Potenzierung durch Zusammenfassung mit anderen Gütern inhärent. Im großen Eigentümer wird daher auch der kleine, der potentielle Eigentümer, wird jedermann getroffen, dessen "Eigentumschance" nun verändert ist - darin liegt eben der Sinn der institutionellen Sicherung. Die Eigentumsgarantie würde also durch eine Anhebung der ErbStSätze, verbunden mit dem Wegfall von Vergünstigungen und der Erhöhung der Einheitswerte bei Grundstücken verletzt werden. Dies wäre insbesondere dort der Fall, wo bei Überschreitung der Belastungsgrenze
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
bestimmte Grundstücke und Betriebe veräußert werden müßten. Eine Gestaltung schließlich, nach der in absehbarer Zeit Eigentum von einer gewissen Größenordnung nur mehr in öffentlicher Hand liegen oder im Eigentum mehrerer Personen stehen könnte, würde den herkömmlichen Eigentumsbegriff alterieren.
IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. I GG) 1. Möglichkeit einer Verletzung der Berufsfreiheit durch ErbSt-Gesetze
a) Schutz der Berufsfreiheit gegen Steuergesetze Die Fragestellung nach dem Apothekenurteil Steuerrechtliche Vorschriften können berufsregelnden Charakter haben. Sie sind an Art. 12 Abs. I GG zu messen, wenn sie nach ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen und - objektiv - eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen 163• Hier hat der Begriff der "Erdrosselungssteuer" seinen eigentlichen Platz: Eine Abgabe ist verfassungswidrig, wenn sie die berufliche, insbesondere gewerbliche Aktivität, bei deren Anlaß sie erhoben wird (auf die Dauer), unmöglich macht164• Dies kann sowohl dadurch bewirkt werden, daß laufend in die Substanz des Betriebes eingegriffen wird, als auch durch vollständiges Wegsteuern des Gewinnes. Ob Steuergesetze, wenn sie in die Berufsfreiheit eingreifen, grundsätzlich stets den "Aspekt" der Berufsausübungs- oder der Berufswahlfreiheit i. S. des Apothekenurteils des BVerfG165 treffen, ist bisher noch nicht allgemein entschieden worden. Lediglich für Steuernormen, welche an die Erlangung der Erlaubsnis zur Ausübung eines bestimmten Berufes anknüpfen, steht fest 166, daß sie grundsätzlich wie Ausübungsregelungen zu behandeln sind, jedoch auch Auswirkungen auf die Berufswahlfreiheit haben können. Die Unterscheidung zwischen Ausübungsregelung und Berufswahlbeschränkung läßt sich nicht allgemein treffen. Nach der Recht163 BVerfGE 13, S. 185 f.; 16, S. 162; vgl. dazu Friauf, K. H., Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung, S. 40 f.; Huber, E. R., Wirtschaftsverwaltungsrecht I, 1953, S. 647; Pappermann, E., DB 1968, S. 1744; Klein, Franz, Gleichheitssatz, S. 118 f., 187. 164 Vgl. BVerfGE 16, S. 161; Kruse, H. W., Steuerrecht A. T. § 6 III 3, §20VII1; vgl. auch BVerwGE 6, 266f. m. Nachw. sowie oben AII2; BII3b. us BVerfGE 7, S. 377 f. 1es BVerfGE 13, S. 184 f.
IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. I GG)
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sprechung167 kommt es im ganzen auf die Intensität an, mit welcher eine Norm in die Berufsfreiheit eingreift. Es kann daher die ErbSt nicht ex definitione als reine Ausübungsregelung betrachtet werden. Entscheidend ist vielmehr ihre generelle Auswirkung auf die Berufsfreiheit. Diese kann sich insbesondere allein schon durch entsprechende Tarifsteigerung von der Ausübungsregelung zur Berufswahlbeschränkung potenzieren. Eine begriffliche Zuordnung zu einer der beiden Ordnungsformen oder auch nur eine Vermutung gibt es hier nicht. Unterschiedlich sind allerdings in beiden Fällen die Folgen für die Verfassungsmäßigkeit: Ist die ErbSt reine Berufsausübungsregelung, so genügt es, wenn sie durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt wird; und zwar muß der berufsregelnde Effekt so begründet werden, es genügt also nicht allein die Berufung auf den Fiskalbedarf des Staates, vielmehr wäre auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Hat die ErbSt-Belastung jedoch Rückwirkungen auf die Berufswahl, so kommt es wiederum darauf an, ob der Schuldner durch eigene Leistung die Schranken beseitigen kann. Besteht die Möglichkeit, die Steuer, wenn auch unter großen wirtschaftlichen Anstrengungen, schließlich aufzubringen, so liegt eine subjektive Zulassungsbeschränkung vor - als solche wäre die ErbSt nur zulässig, wenn zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes gerade ihre berufsregeLnde Tendenz erforderlich wäre. Wenn dagegen die Steuerschuld als Hindernis der Berufstätigkeit auch durch größte Anstrengungen des Betroffenen nicht beseitigt werden könnte, wenn also die Einschränkung oder Einstellung der Berufstätigkeit durch die erzwungen würde, so müßte die ErbSt sogar als eine objektive Schranke für die betreffende Berufstätigkeit angesehen werden. Dann müßte gerade diese Form der Berufsregelung erforderlich sein, um schwere Gefahren von einem überragenden Gemeinschaftsgut abzuwehren. Nach diesen Grundsätzen des Apothekenurteils sind daher folgende Fragen zu klären: 1. Hat die ErbSt berufsregelnden Charakter? 2. Wirkt sie, wenn dies der Fall ist, rein als Ausübungsregelung oder hat sie Rückwirkungen auf die Berufswahl? 3. Kann sie in letzerem Fall als objektive Schranke oder lediglich als subjektive Beschränkung verstanden werden, welche der Betroffene durch eigene Leistung beseitigen kann? Bevor dies (unten 2) unter Prüfung der einzelnen Auswirkungen der ErbSt auf die Berufsfreiheit erörtert wird, ist zu untersuchen, in welchen Bereichen die Berufsfreiheit durch ErbSt überhaupt tangiert wird. 167
Nachw. bei LeibhoZz-Rinck, GG, S. 161 f.
7 Leiener
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit b) Berührungspunkte von ErbSt und Berufsfreiheit
Die ErbSt hat auf die Berufsfreiheit in einigen Sektoren deutliche und typische Auswirkungen: Gewerbliche Betriebe werden meist als solche vererbt. Werden sie mit ErbSt belastet, so kann dies die Fortführung des Betriebes erschweren oder unmöglich machen. Für land- und forstwirtschaftliche Betriebe gilt dasselbe. Qualifizierte Beteiligungen an wirtschaftlichen Unternehmen müssen mindestens für diejenigen Formen wie Betriebe behandelt werden, in denen sie nach Steuerrecht der Inhaberschaft des Betriebes gleichgestellt sind. Bisher ist noch nicht geklärt, inwieweit die Nutzung von Eigentum als solche bereits ein Beruf sein kann, ohne daß die ganze oder die überwiegende Arbeitskraft des Eigentümers hierfür eingesetzt wird, oder ohne daß die Nutzungen des Eigentums die wesentliche Lebensgrundlage für den Eigentümer darstellen. Der heute von der h. L. und Rechtsprechung angenommene sehr weite Berufsbegriff168 legt es jedoch nahe, auch dort in der Eigentumsnutzung einen "Beruf" zu sehen, wo nur ad hocoder vorübergehend ein berufsähnliches Engagement zutage tritt. Insoweit kann dann Eigentumsbelastung durch ErbSt zugleich berufsregelnd wirken. Selbst wenn man von diesem Bereich absieht, so ergibt sich doch schon deutlich die außerordentliche berufsrechtliche Relevanz der ErbSt. Nahezu bei allen Erbgängen von bedeutsamer Größenordnung werden sich berufsrechtliche Auswirkungen der Steuer feststellen lassen. 2. Regelung und Verletzung der individuellen Berufsausübung und der Berufswahl durch die ErbSt a) Die ErbSt als Berufsregelung
Eine Erhöhung der ErbSt wird zwangsläufig dazu führen, daß ganze Kategorien von Unternehmen auf die Dauer nicht mehr von Privaten betrieben werden können. Sie werden vielleicht schon beim ersten, spätestens bei weiteren Erbgängen ihren Inhabern aus der Hand genommen. Auf die Dauer wird ihre Leistung nur mehr in öffentlicher Hand liegen können, wie dies bereits für das Eigentum allgemein nachgewiesen worden ist169• Ebenso wird ein Zwang zur Vergesellschaftung der betrieblichen Tätigkeit für gewisse Größenordnungen ausgeübt. Darin liegt begrifflich eine berufsregelnde Tendenz. Sie ist auch nicht etwa ferne Nebenfolge der Besteuerung, sondern deren unmittelbare 188 169
Vgl. Nachw. b. Maunz-Diirig-Herzog, GG, Art. 12 Rdnr. 19. Vgl. oben S. 93 f.
IV. Berufsfreiheit {Art. 12 Abs. I GG)
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und primäre Konsequenz. Ob sie vom Gesetzgeber - der sich vielleicht nur Geldmittel beschaffen will - "gewollt" ist, bleibt unerheblich, weil der berufsregelnde Charakter nach den objektiv feststellbaren Wirkungen der Norm allein zu beurteilen ist. Die berufsregelnde Wirkung könnte lediglich mit der Begründung bezweifelt werden, hier würden nicht gewisse Kategorien von Betrieben getroffen, sondern alle Betriebe, jedenfalls alle diejenigen, welche eine gewisse Größenordnung erreichten. Darin aber liege keine "Berufsordnung". Diese Auffassung ist unhaltbar. Der Begriff der Berufsregelung verlangt nicht, daß ein bestimmter Beruf geordnet werde. Er greift auch dort ein, wo jeder Berufstätigkeit auf gewissen Großsektoren (Ladenschluß) oder wo jeder beruflichen Tätigkeit schlechthin Schranken gesetzt werden. Wollte man dem nicht folgen, so würden gerade jene Eingriffe privilegiert, welche die Freiheit am stärksten treffen. Der Gesetzgeber könnte zwar nicht bei einigen, wohl aber bei vielen oder allen Berufen die Freiheit gefährden. Hier wird die Auffassung vertreten, daß die ErbSt an sich berufsregelnden Charakter hat. Wer dies ablehnt, wird jedenfalls zugeben müssen, daß dies bei einer Erhöhung der ErbSt-Sätze der Fall sein kann. Wird nämlich die ErbSt in einer Weise gesteigert, daß sie bei gewissen Größenklassen von gewerblichen sowie land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in der Regel erdrosselnd wirkt, so läßt sich der berufsregelnde Charakter nicht bestreiten. Er ist dann wohl von einem Gesetzgeber auch ausdrücklich gewollt, der hier bewußt tiefgreifende Sozialgestaltung betreibt.
b) ErbSt als Berufsausübungs- und Berufswahlregelung Eine mäßige ErbSt "regelt die Berufsausübung", wenn sie sich nur als eine Vermögensteuer in begrenztem Umfang darstellt. Praktisch wirkt sie als eine Zulassungsabgabe bei Übernahme des Betriebes, welche auf dessen Rentabilität zurückwirkt, die Aufnahme der Berufstätigkeit als solcher aber nicht erschwert170• Bei einer Steigerung der ErbSt-Sätze stellen sich jedoch deutliche Rückwirkungen auf die Berufswahlfreiheit in der gewerblichen sowie in der Land- und Forstwirtschaft ein: Ganze Kategorien von Betrieben können auf die Dauer nicht mehr von Privaten geleitet werden, soweit sie großen, zusammenhängenden Grundbesitz oder umfangreiche Betriebsmittel voraussetzen. Der Beruf eines solchen Typs von "Großunternehmer" kann bei einer gewissen Höhe der ErbSt praktisch überhaupt nicht mehr gewählt werden, ebensowenig der Beruf eines "landwirtschaftlichen Großunternehmers", wenn es nicht durch außergem Vgl. BVerfGE 13, S. 184 f. 7•
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B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
wöhnliche Leistung gelingt, die Steuerlast zu beseitigen. Hier muß (wenigstens) eine subjektive Zulassungsbeschränkung für den Erben angenommen werden. In gewissen Größenordnungen würde durch Erhöhung der ErbSt ein Zwang zur Vergesellschaftung der betrieblichen Tätigkeit ausgeübt werden, welcher wiederum nur durch große Anstrengungen gebrochen werden könnte. Auch darin liegt begrifflich eine Rückwirkung auf die Freiheit der Berufswahl: Art. 12 Abs. I GG sichert eine Ordnung, in der Berufe grundsätzlich auch individuell gewählt und ausgeübt werden dürfen. Das Leitbild des individuellen Unternehmers war dem Verfassunggeber bekannt; es darf durch Gesetzgebung nicht für große, klar abgrenzbare Kategorien von Berufen ausgeschlossen werden. Ein "wichtiges Gemeinschaftsgut", das nur durch solche Gestaltung gesichert werden könnte, ist nicht ersichtlich. Es gibt nach unserem Wirtschaftsverfassungsrecht kein "Gemeinschaftsgut der Erzielung optimaler Betriebsgröße für alle Betriebe", noch weniger ein "Gemeinschaftsgut Kleinbetrieb". Hier müßte der Gesetzgeber sachgerechte Erwägungen auf einzelnen Wirtschaftssektoren anstellen, was bei der Gestaltung der ErbSt naturgemäß ausscheidet. Fiskalische Notwendigkeiten rechtfertigen als solche tiefere berufsregelnde Eingriffe nicht. Und selbst wenn dies zu bejahen wäre, so müßte der staatliche Finanzbedarf in anderer Weise gedeckt werden, welche nicht einzelne Kategorien von Berufstätigen übermäßig trifft - gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre jedenfalls verstoßen. Es könnte eingewendet werden, hier werde kein spezielles Berufsbild verletzt, den Begriff des "Großunternehmers" gebe es nicht. Doch gerade dies trifft bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht zu, welche Bedeutung immer man dem Begriff des Berufsbildes für die Sicherung der Berufsfreiheit einräumen mag: Bei unterschiedlichen Größenklassen von gewerblichen, land- oder forstwirtschaftliehen Betrieben wechseln Organisationsformen und Strukturen, insbesondere aber die Art der Tätigkeit des Betriebsleiters so weitgehend, daß sich dessen "Berufsbild" wie das seiner Mitarbeiter ändert. Es besteht ein berufsbildlich relevanter Unterschied zwischen der Verwaltung eines großen Gutes und eines kleinen bäuerlichen Anwesens, zwischen einem Kleinbetrieb und einer großen Fabrik. Hier alles gleichzubehandeln, wäre ein flagranter Verstoß gegen elementare Erkenntnisse der Betriebswirtschaft. Nicht nur die Besteuerung von beweglichem Betriebsvermögen, sondern auch die Belastung von Grundbesitz wirkt sich hier aus: Grundbesitz ist häufig einzige oder wichtigste Grundlage für eine durch Art. 12 GG geschützte Berufstätigkeit Die Berufsfreiheit wird dort besonders schwer durch eine ErbSt getroffen, welche zu Zertrümmerung
IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. I GG)
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oder Objektverkauf zwingt. Bewegliches Betriebskapital ist häufig in höherem Maße austauschbar oder (vorübergehend) ersetzbar als der Verlust an Grundstücken. Bei land- und fortwirtschaftlichen Betrieben etwa kann quantitative Reduktion besonders rasch die Rentabilität des Ganzen aufheben. Es kommt also wiederum auf die Höhe der ErbSt an: Läßt sie sich zwar bei großen Anstrengungen noch aufbringen, stellt sie jedoch bereits ein wesentliches Betriebsrisiko dar, so verletzt sie schon die Berufswahlfreiheit, weil sie nicht zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes erhoben werden muß. Die Reformpläne des wissenschaftlichen Beirats beim BMinFin überschreiten diese Grenze.
c) ErbSt als objektive Zulassungsgrenze Bei starker Anspannung wirkt sich die ErbSt als absolute Berufssperre aus: In gewissen Größenordnungen kann selbst bei größter Anstrengung, bei besten wirtschaftlichen Leistungen die Steuer nicht aufgebracht werden, ohne daß der Betrieb unrentabel würde. Er muß daher aufgegeben werden. Ein gleichwertiger, gleichgroßer kann dann in der Regel nicht mehr übernommen werden, weil dort dieselben Steuerprobleme auftreten, diese Betriebe nicht mehr bestehen oder nicht mehr in privater Hand liegen. Auch die Unmöglichkeit als solche, den eigenen Betrieb zu vererben, wirkt sich bereits als eine Form der Berufssperre aus: Bei richtigem Verständnis umfaßt die Berufsfreiheit nicht nur das Recht, vorübergehend ein Gewerbe zu betreiben, sondern auch das Recht, dieses weiterzugeben. In aller Regel werden gewerbliche sowie land- und forstwirtschaftliche Berufe gerade deshalb gewählt. Hier werden die Berufsbilder sinnentleert, wenn die Berufsbasis mit dem Tod des Berufstätigen zusammenbricht. Seine Tätigkeit wird an sich schon, vor allem aber im Hinblick auf die Altersversorgung, durch die Möglichkeit geprägt, einen Nachfolger zu finden. Der Gesetzgeber darf zwar die wirtschaftliche Entwicklung lenken. Die Berufsfreiheit beschränkt ihn aber auf die Errichtung von Hürden, die, wenn auch mit steigender Schwierigkeit, doch noch überwunden werden können. Sicher werden die Grenzen durch eine ErbSt-Reform überschritten, die sich als generelles Berufsverbot für alle Arten individuellen Großunternehmertums auswirkt. Dies sind keine Hürden mehr, die private Leistung nehmen könnte. Hier ist Unentrinnbarkeit, Erdrosselung für ganze Kategorien. Dasselbe gilt für einen absoluten Zwang zur betrieblichen Vergesellschaftung, welcher die Freiheit zur individuellen Berufsausübung vernichtet. Wenn schon kein wichtiges Gemeinschaftsgut ersichtlich ist, dessen Schutz eine hohe ErbSt rechtfertigen kann, so erst recht kein über-
102
B. Die Verfassungsgarantie von Eigentum, Erbrecht, Berufsfreiheit
ragendes, welches allein diese objektive Zulassungssperre begründen könnte. Der ErbSt-Gesetzgeber verletzt also nur dann nicht die individuelle Berufsfreiheit der Steuerpflichtigen, wenn er bei Betrieben aller Art wie auch bei anderen Erbgütern, welche Grundlage einer Berufstätigkeit sein können, die betriebliche Leistungsfähigkeit angemessen durch Steuersätze, Befreiungen, Stundungen berücksichtigt. Jedenfalls dann, wenn für ganze Kategorien oder Größenordnungen von Betrieben unter durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen infolge der ErbSt die Rentabilität verlorengeht, ist die Berufsfreiheit verletzt, die ErbStGesetzgebung ist insoweit verfassungswidrig. 3. Verletzung der .,Institution freier Beruf"
Art. 12 GG gewährt nicht nur das subjektive Recht der Berufsfreiheit, er sichert auch institutionell eine freie Berufsordnung171 , welche eine wichtige gesamtgesellschaftliche Ordnungsfunktion erfüllt, wie dies auch bei Eigentum und Erbrecht der Fall ist. Eine Forderung der ErbSt muß dies tief einschneidend verändern und damit den Wesenskern einer solchen Ordnung alterieren: Sie hebt in gewissen Größenordnungen die beruflich-gewerbliche Kontinuität überhaupt auf, die ein Wesensmerkmal staatsfreier Berufsordnung ist. Sie erzwingt in bestimmten Bereichen private Vergesellschaftung unter Ausschluß individueller Leistung. Einzelne Sektoren nimmt sie auf die Dauer völlig aus der privaten Berufs- und Gewerbeordnung heraus und verstaatlicht sie im Wege kalter Sozialisierung. Dies alles geschieht gerade bei den Großbetrieben, welche ein zentrales Struktur- und Richtungselement privater Berufsordnung sind. Damit werden implizit auch alle kleinen Betriebe getroffen, weil ihnen die Chance entsprechender Entwicklung genommen wird. Die Störung der freiheitlichen Berufsordnung wirkt sich auch auf die private Eigentumsordnung aus, welche aus jener wichtige, laufende Erneuerung erfährt. Eine Ordnung, in der durch Steuern die Be·r ufsordnung manipuliert wird, hat mit den Grundvorstellungen der Grundgesetzgeber über Ordnung, Kontinuität, Chancen freier Berufe nichts mehr zu tun. Zusammenfassung: Eine Steigerung der ErbSt verletzt insoweit Art. 12 Abs. I GG, als sie sich als subjektive oder objektive Schranke der Berufszulassung oder als Veränderung der "freien Berufsordnung" auswirkt. Der Belastbarkeit der Betriebe ist daher durch Steuerhöhe, Befreiungen, Vergünstigungen, Stundungen Rechnung zu tragen. m Vgl. oben S. 44 f.
C. Grenzen der Erbschaftsbesteuerung aus der Garantie von Ehe, Familie und Erziehung (Art. 6 GG) I. Allgemeines zur Schutzfunktion von Art. 6 GG 1. Die grundsätzliche Bedeutung
von Art. 6 GG
für das ErbSt-Recht
Art. 6 Abs. I GG stellt ausdrücklich Ehe und Familie unter den "besonderen Schutz" der staatlichen Ordnung, weil sie "als Keimzelle jeder menschlichen Gemeinschaft" in ihrer Bedeutung "mit keiner anderen menschlichen Bindung verglichen werden" können1• Ehe und Familie sind Phänomene, die jedem, auch dem Verfassungsrecht, vorgegeben sind2 • Wie weit immer sie im einzelnen der Disposition des Verfassungsgesetzgebers entzogen sein mögen- der hier von der Verfassung besonders deutlich angesprochene "Menschenrechtskern" gebietet es unbedingt, jeden Akt der Gesetzgebung, der die Struktur von Ehe und Familie verändern kann, eingehend am Maßstab jenes Art. 6 GG zu messen, den das BVerfG in zahlreichen Entscheidungen3 als unmittelbar geltendes normatives Richtmaß anerkannt hat. Die ErbSt hat tiefgreifende Auswirkungen auf die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten und Verwandten. Seit Einführung dieser Steuer und lange bevor durch die WRV (Art. 119) ein besonderer Ehe- und Familienschutz proklamiert worden war4 , sind stets im deutschen ErbSt-Recht Sonderbestimmungen für Erbgänge zwischen Ehegatten und nahen Verwandten enthalten gewesen. Die ErbSt besitzt also in Deutschland eine wesentliche, spezielle Familienaffinität. Von vorneherein verfassungswidrig wären also Reformen, welche nicht sachgerechte Erwägungen zu den Auswirkungen auf Ehe und Familie erkennen ließen5 • Bedenklich sind daher Reformpläne, welche alle Vergünstigungen für nicht in gerader Linie Verwandte aufBVerfGE 6, S. 71. Dazu Scheffler, E., Ehe und Familie, in: Die Grundrechte IV, 1954, S. 249. 3 Vgl. Nachw. b. Leibholz-Rinck, S. 132 f.; Näheres unten 2. ' Zur WV siehe Wieruszowski, Ehe, Familie, Mutterschaft, in: Die Grundrechte Il, 1930, S. 72 ff.; Anschütz, G., Kommentar zur RV, Art. 119. 5 Bedenklich insoweit die Ausführungen des wissenschaftlichen Beirats beim BMinFin, der sich auf die pauschale Behauptung beschränkt, die noch verbleibenden Vergünstigungen genügten zu angemessener Versorgung und trügen der gemeinsamen Erwerbstätigkeit Rechnung. 1
2
104
C. Die Verfassungsgarantie von Ehe, Familie, Erziehung
heben, Freigrenzen und Freibeträge für Abkömmlinge und Ehegatten erheblich senken und die Steuersätze selbst für die noch Privilegierten in einschneidender Weise steigern wollten. 2. Der Schutz gegen staatliche Eingriffe
Art. 6 Abs. I GG erfüllt heute eine dreifache Schutzfunktion gegen den ErbSt-Zugriff der Staatsgewalt: a) Als Institutsgarantie werden Ehe und Familie in ihrem Bestand gegen staatliche Eingriffe geschützt8 • Die Einrichtungen dürfen durch Einzelnormierungen nicht beseitigt werden. Da jedoch nur die "wesentliche Struktur" derart gesichert ist, soll nach dem BVerfG die juristische Wirkungskraft von Art. 6 Abs. I GG in der Rechtswirklichkeit nur darin bestehen, daß ein "Normenkern des Ehe- und Familienrechts" verfassungskräftig gewährleistet wird7 • Zunächst ist also diese Institutsgarantie - wie andere Einrichtungsgewährleistungen - aus niederrangigem Recht, d. h. als "Verfassung nach Gesetz" zu bestimmen. Ehe und Familie sind in besonderem Maße "offen nach unten". Es muß daher bereits hier, und ohne daß auf einzelne Auswirkungen geplanter ErbSt-Reform auf Ehe und Familie einzugehen wäre, ganz allgemein gefragt werden, ob denn der Gesetzgeber das geltende ErbSt-Recht überhaupt noch wesentlich verändern dürfe. Ist die Familienaffinität des ErbSt-Rechts so groß, daß Ehe und Familie geradezu durch die ErbSt-lichen Vergünstigungen für Familienangehörige "(mit)konstituiert" werden, so daß diese nach Art und Größenordnung überhaupt nicht verändert werden dürften? Hier darf nicht vereinfacht werden: ErbSt-Erleichterungen sind wichtige Folgen familiärer Bindungen, ihre Aufhebung kann diese lockern, aber ihr Bestehen konstituiert sie nicht. Wie Ehe- und Familienrecht kann auch das ErbSt-Recht allenfalls in seinen rechtsgrundsätzliehen Gehalten, nicht aber in seinen Einzelnormierungen auf Verfassungsebene gehoben werden. Schließlich hat eine Sinnerfüllung "Verfassung nach Gesetz" gerade bei solchen "natürlichen, dem Staat vorgegebenen" Einrichtungen, wie sie Familie und Ehe darstellen, ihre Grenzen: Viele, selbst herkömmliche gesetzliche Gestaltungen stehen mit der Verfassung nicht in Einklang8 , weil diese, wenn nicht auf einen soziologischen Familien- und Ehebegriff, so doch auf eine Vorstellung verweist, die in ständiger soziologischer Entwicklung steht, aber auch durch Wert6 7
8
BVerfGe 6, S. 72. BVerfG a.a.O. Vgl. ScheffZer, E., a.a.O., S. 257/8.
I. Allgemeines zur Schutzfunktion von Art. 6 GG
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auffassungen geprägt ist, welche in der Verfassung selbst, und nicht im einfachen Gesetz, zum Ausdruck kommen9 • Obwohl also die herkömmlichen ErbSt-Vergünstigungen für Ehegatten und Verwandte nicht in allen Einzelheiten als Bestandteile der Einrichtungsgarantie angesehen werden können, so spricht doch die noch näher zu belegende Nähe von Erbrechts- und Familiengarantie von vorneherein dafür, daß die tragenden Grundsätze des herkömmlichen ErbSt-Rechts durch Art. 6 Abs. I GG verfassungsmäßig verankert sind, soweit sie eine Sonderbehandlung für Ehegatten und Verwandte vorsehen. b) Ehe- und Familiengarantie verleihen den Ehegatten und Familienangehörigen ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, daß der Staat ihre ehelichen und familiären Positionen und Bindungen nicht durch hoheitliche Eingriffe, insbesondere durch Steuern, beeinträchtige. Der Inhalt dieses echten Grundrechts10 richtet sich nach dem der Institutsgarantie. Es ist dem Einzelnen nicht nur deshalb verliehen worden, weil es einen Sachwalter der (nicht rechtsfähigen) Ehe und Familie geben soll; es zeigt sich hier vielmehr, daß die Institutsgarantien bereits "individualisiert" sind, d. h., daß nicht "soziale Körper", sondern gewisse soziale Positionen von Individuen geschützt werden. Für die ErbSt ist diese Erkenntnis bedeutsam: Selbst wenn das Familiengut als solches rechtlich nicht mehr besteht, das Erbgut mit dem Tod eines Gatten zerfällt - besonders schutzwürdig bleiben diejenigen Vermögensrechte des Individuums, die aus einer solchen Bindung erwachsen oder sie gar "fortsetzen", mögen sie auch im vermögensrechtlichen Bereich liegen und dem Einzelnen, nicht aber dem Ehe- und Familienverband zustehen. Selbst unsere gerade im Erbrecht so stark individualisierte Rechtsordnung sieht die Verbindung von materiellen Einzelrechten und ideellem Familienverbund: Sie schützt diesen in jenen. c) Art. 6 Abs. I GG enthält darüber hinaus "eine Grundsatznorm, d. h. eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts" 11• Damit sollte nicht nur der hohe Rang der Norm hervorgehoben, es sollte besonders betont werden, daß die Verfassung auch jede Beeinträchtigung des Schutzgutes durch eine Gesetzgebung verhindern will, die nicht systematisch "Familienrecht" schafft oder Ehe und Familie nicht "primär" zu beeinträchtigen scheint. Die Betonung des "Grundsatznormcharakters" von Art.6 Abs. I GG hat gerade diesen Sinn: Familie und 9
Vgl. v. Mangoldt-Klein, BGG, I, S. 427; Stein, E., Lehrb. d. Staatsrechts
1968, to 11
s.
187.
BVerfGE 6, S. 71. BVerfGE 6, S. 72; 9, S. 242.
106
C. Die Verfassungsgarantie von Ehe, Familie, Erziehung
Ehe sind "im Zweifel primär betroffen", mag eine Gesetzgebung auch vornehmlich nicht-familienordnende Zielsetzungen haben. Lediglich solche Vorschriften sind bedenkenfrei, die nur in bestimmten Fällen die unbeabsichtigte Nebenfolge haben, sich als Beschwerde der Ehe (und Familie) auszuwirken12• Eine ErbSt-Reform, welche erheblich die steuerlichen Vergünstigungen von Ehegatten und Familienangehörigen reduziert, berührt also mit Sicherheit die Institutsgarantie und bedarf besonderer Rechtfertigung. Nähere Betrachtungen der Schutzformen, welche Art. 6 Abs. I GG gewährt, belegt also die besondere Familienaffinität jeder ErbSt-Reform. 3. Das Gebot der .,Förderung" von Familie und Ehe
Der Schutzauftrag des Art. 6 Abs. I GG verpflichtet den Staat nicht nur, die ErbSt so zu gestalten, daß sich diese nicht als Eingriff in Ehe und Familie auswirkt: "Positiv" hat der Staat auch die Aufgabe, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern 13• Das BVerfG hat es allerdings dahingestellt sein lassen, ob die Verfassungsnorm so bestimmt sei, daß sich daraus für einen Einzelfall eine positive gesetzgeberische Verpflichtung ergeben könnte. Überwiegend wird daher angenommen, daß insoweit nur ein Programm vorliege14• Es mag nun zutreffen, daß bei der Gewährung freiwilliger Leistungen der Staat ein besonders weites Ermessen hat15• Es ist aber doch fraglich, ob sich die Bedeutung von Art. 6 Abs. I GG darin erschöpft, daß er Ehegatten und Familienangehörige gegenüber Ledigen und Nichtfamilienangehörigen nicht benachteiligen darf16• Eine solche Auslegung würde den "besonderen Schutz" einfach in ein Differenzierungsverbot (vgl. Art. 3 Abs. III GG) verwandeln. Dies aber kann nicht der Sinn von Art. 6 Abs. I GG sein, weil sonst alle politischen Ansichten, alle Glaubensbekenntnisse u. ä. in Art. 3 Abs. III GG genannte Differenzierungsträger den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung genießen müßten. Der Sinn des "besonderen Schutzes" kann also - bei Eingriffs- wie Leistungsverwaltung- nur sein: Verheiratete und Familienangehörige BVerfGE 6, S. 76/7. BVerfGE 6, S. 7617; nach dem GG ist solche Familienförderung heute ein unbedingtes Gebot, unabhängig davon, was die Familien sozialpolitisch für den Staat leisten, vgl. dazu aus früherer Sicht Brinz, Erbrecht, in: Bluntschli-Brater, Dt. Staatswörterbuch 1958, III, S. 412. u Vgl. etwa Scheffler, E., a .a.O. S. 270/1; v . Mangoldt-Klein, BGG I, S. 265 f.; DöHe. H., Familienrecht I, 1964, S. 37. 15 Scheffler, E., a.a.O. S. 721. 16 BVerfGE 9, S. 242; 11, S. 69. 12
13
li. Der Schutz der Familie
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müssen, wenn die staatliche Maßnahme in naher Beziehung zur ehelichen oder familiären Bindung steht, nicht nur ebenso behandelt werden wie "andere", sie müssen besser gestellt werden. Bei der Bestimmung von Art und Ausmaß einer solchen Privilegierung mag der Gesetzgeber ein weites Ermessen haben - dem Grunde nach ist er zu ihr von Verfassungs wegen verpflichtet. Die ErbSt ist hierfür ein klassisches Anwendungsbeispiel: Die Verfassung verlangt, daß für Ehegatten und Familienangehörige gewisse Vergünstigungen bestehen, und zwar von der Art, daß dadurch Eheund Familienbindungen gestärkt werden. Nachdem die Institutsgarantie in gewissem Umfang auf herkömmliche Gestaltungen festgelegt ist, läßt sich wohl noch die These vertreten, daß die Bindung spezieller Steuergruppen sowie die Anerkennung von Freigrenzen und Freibeträgen "dem Grunde nach" verfassungskräftig garantiert ist. Weitere Grenzen für die Erbschaftsbesteuerung können nur dann bestimmt werden, wenn nun die Auswirkungen der ErbSt auf Familie und Ehe im einzelnen näher untersucht werden. II. Der Schutz der Familie 1. Der Familienbegriff und das ErbSt-Recht
"Ehe und Familie" sind nicht eine von der Verfassung geschützte Einrichtung, sondern zwei Institute, mag auch die Ehe Ausgangspunkt und Kern der Familie bilden. Vor allem aus dem Familienschutz ergeben sich Grenzen für die Erbschaftsbesteuerung. Das ErbSt-Recht muß den Begriff der "Familie" berücksichtigen, von dem die Verfassung in Art. 6 Abs. I GG ausgeht. Der Begriff jener Familie, welche besonders zu fördern ist, steht allenfalls in Grenzen der Sinnerfüllung durch den Familienrechtsgesetzgeber offen, die Steuerlegislative kann jedoch nicht jede beliebige Personengemeinschaft als "Familie" bezeichnen und nur sie "fördern". Es gilt daher, den Verfassungsbegriff der "Familie" zu bestimmen.
a) "Familie" i. S. des Art. 6 Abs. I GG als Kleinstfamilie? ErbSt-Reformbestrebungengehen dahin, den unentgeltlichen Erwerb nur dann durch eine besondere Steuerklasse zu privilegieren, wenn er zwischen Personen stattfindet, welche in gerader Linie miteinander verwandt sind, während alle anderen, auch Geschwister, fremden Menschen gleichgestellt werden 17• Um dies mit dem GG in Einklang zu 17
Gutachten der wiss. Beirats beim BMinFin a.a.O.
108
C. Die Verfassungsgarantie von Ehe, Familie, Erziehung
bringen, könnte darauf hingewiesen werden, daß die Verfassung selbst in Art. 6 Abs. I GG vom Begriff der "Kleinstfamilie" ausgehe. Die Großfamilie sei in einem Jahrhunderte langen Prozeß zerfallen18, echte familiäre Bande bestünden heute nur mehr zwischen Aszendenten und Deszendenten; die "Familie" sei in Art. 6 Abs. I GG nur deshalb unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt worden, weil sie eine besonders wichtige "Keimzelle der staatlichen Gemeinschaft" sei, was die enge Verbindung mit der Ehe beweise. Sie stelle daher lediglich deren Ausweitung auf das Eltern-Kind-Verhältnis dar19• Der weitere Familienverband könne eine solche Funktion heute nicht erfüllen, ganz abgesehen davon, daß zweifelhaft bleiben müsse, wo die Grenze der zu privilegierenden Erbfälle zu ziehen wäre. Die Kongruenz zur bürgerlichen Rechtsordnung sei schon deshalb gewahrt, weil auch diese deutlich einen engeren und einen weiteren Familienbegriff unterscheide: Jenem seien nur die Unterhaltspflichtigen - eben die in gerader Linie Verwandten- zuzuordnen (§§ 1601 ff. BGB); der weitere Begriff jedoch gehe eigentlich nicht mehr von der Familie, sondern von der Verwandtschaft aus und sei so weit, daß er allenfalls noch für die Anfallsbegründung nach Verwandtenerbrecht, nicht aber als Tatbestand für eine steuerliche Privilegierung brauchbar sei. ErbSt-liehe Vergünstigungen für Familienangehörige sollten schließlich auch der Tatsache Rechnung tragen, daß die Erbmasse häufig durch gemeinsame Arbeit der Familienmitglieder geschaffen worden sei. Dies aber sei in aller Regel nur bei geradlinigen Verwandten anzunehmen. Mit Recht habe daher das BVerfG die Familie definiert "als die umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern, in der den Eltern vor allem Recht und Pflicht zur Pflege und Erziehung der Kinder erwachsen" 20 •
b) Bedenken gegen die Beschränkung der ErbSt-lichen Vergünstigungen auf in gerader Linie Verwandte Gegen eine derartige Beschränkung des Familienbegriffs auf die Kleiostfamilie bestehen ebenso Bedenken, wie zweifelhaft ist, ob eine solche Einengung die Beschränkung der Vergünstigungen auf in gerader Linie Verwandte rechtfertigen könnte. Um mit dieser letzten Frage zu beginnen : Ein derartiger Kleinstfamilienbegriff wird durch Haus- und Erziehungsgemeinschaft sowie durch nahe Verwandtschaft konstituiert, wobei ersterem Element das entscheidende Gewicht zukommt: Auch Pflegekinder sollen, bei einem 18 19 20
Näher oben S. 18 f.; vgl auch Scheffler, E., a.a.O. S . 251/2. Vgl. Wernicke, K. G., BG 1950, Art. 6 II la. BVerfGE 10, S. 66.
II. Der Schutz der Familie
109
dauernden Pflege- und Erziehungsverhältnis, zur "Familie" gehörenu. Damit deckt sich aber der nach den erwähnten Reformplänen zu privilegierende Personenkreis nicht: Entferntere Aszendenten leben in der Regel mit (Ur-)Enkeln gar nicht in einer Hausgemeinschaft; wo dies der Fall ist, besteht nicht zu ihnen das umfassende Erziehungsverhältnis. Erbgänge zwischen Aszendenten und Deszendenten dürften daher gar nicht unter Berufung auf einen solchen Familienbegriff privilegiert werden. Pflegekinder würden umgekehrt keine Vergünstigungen genießen, obwohl sie in der Familiengemeinschaft leben. Es fehlt daher der "Familienbezug" einer solchen ErbSt-Regelung, wenn "Familie" nur diese Kleinstfamilie sein soll. Familie als umfassende Gemeinschaft von Eltern und Kindern, die sich vor allem in der Erziehung bewähren soll, würde als solche durch ErbSt-Privilegien gar nicht primär erfaßt und verstärkt werden: In aller Regel besteht bei Erbgängen diese Gemeinschaft schon seit langem nicht mehr oder sie wird gerade durch sie aufgelöst, wenn etwa der Aszendent verstirbt. Eine derart durch Haus- und Erziehungsgemeinschaft konstituierte Kleinstfamilie könnte also gar nicht anders durch solche ErbSt-Privilegien begünstigt werden, als in Form der äußerst fernen "Vorwirkungen", welche diese künftigen Erleichterungen auf Hausgemeinschaft und Erziehung haben würden. Gerade diese aber sind in aller Regel mittelbar und gering. Eine solche Kleinstfamilie wäre also ErbSt-lieh gar nicht eigentlich privilegierungsfähig. Wenn von der Hausgemeinschafts-Kleinstfamilie ausgegangen wird, so bestehen dort - aus dem Begriff der Gemeinschaft heraus - Beziehungen nicht nur zwischen Eltern und Kindern, sondern auch zwischen den Geschwistern. Eine Gemeinschaft, in der Mitglieder beziehungslos nebeneinanderstehen, verdient diesen Namen nicht, sie widerspricht vor allem neueren soziologischen Gemeinschaftsvorstellungen, welche die Communität aus dem reinen Über-Unterordnungsverhältnis lösen wollen. Für die ErbSt ergibt dies die wichtige Folgerung: Geschwister müssen auf jeden Fall ErbSt-lieh privilegiert werden, selbst wenn von dem Begriff der Hausgemeinschafts-Kleinstfamilie ausgegangen wird22• Die besonders engen Hausgemeinschaftsbindungen bestehen zwar auch zwischen ihnen meist im Augenblick des Erbfalls nicht mehr. Dies gilt aber ebenso für das Eltern-Kinder-Verhältnis. Wenn hier die Hausgemeinschaft privilegierend nachwirkt, so muß dies auch dort gelten. Nicht 21 Scheffler, E., a.a.O. S. 252 unter Hinweis auf BGH LM zu § 181 I Ziff. 2 StGB. 22 Dies sahen sogar radikale ErbSt-Reformpläne früher vor, vgl. etwa Bamberger, G., Für das Erbrecht des Reiches, 1912, S. 4.
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C. Die Verfassungsgarantie von Ehe, Familie, Erziehung
nur die Geschwister, sondern auch deren Nachkommen in direkter Linie müssen derartige Vergünstigungen erhalten: Die Nachkommen rücken nach der erbrechtliehen Grundnorm der Sukzession nach Stämmen (§ 1924 Abs. III f. BGB) an die Stelle ihrer Eltern. Dieses zugleich familien- und erbrechtliche Prinzip darf nicht durch das ErbSt-Recht gebrochen werden, soll auch nur noch ein Minimum von Kongruenz zwischen Steuer-, Erb- und Familienrecht erhalten bleiben. Die Gleichstellung von Geschwistern und Fremden ist also jedenfalls unzulässig. Es bestehen jedoch erhebliche Bedenken gegen eine Beschränkung des Familienbegriffes des Art. 6 Abs. I GG auf das Eltern-Kinder-Verhältnis: Der Schluß aus Art. 6 Abs. II f. GG23 , die sich mit den (Erziehungs-) Beziehungen Eltern-Kinder befassen, ist nicht zwingend: Die nach Abs. I folgenden Absätze regeln ausdrücklich einzelne, besonders wichtige Bereiche aus dem Ehe- und Familienrecht, sie bewirken aber keineswegs die Beschränkung des Familienbegriffs auf die Kleinstfamilie. Näher liegt der umgekehrte Schluß: Die Familiengarantie ist in Abs. I die lex generalis, hier ist der Begriff also auch weiter als bei den Bezügen der folgenden Absätze. Der Hinweis auf das gemeinsam in der Kleiostfamilie erarbeitete Familiengut begründet nicht die Beschränkung der ErbSt-Privilegien auf geradlinig Verwandte- begünstigt werden müßten dann auch Geschwister. Das bürgerliche Recht trägt übrigens einem solchen "Gemeinschaftsverdienst" - wo es ihn anerkennt - durch Gesamt(hands)eigentumsformen Rechnung (vgl. §§ 1363 ff. BGB). Eine Erbschaftsteuergestaltung entsprechend der Unterhaltsverpflichtung kann nicht als sachgerecht anerkannt werden24 • Vor allem muß gerade bei der Sinnerfüllung eines "vorgegebenen" Begriffs, wie ihn die Familie darstellt, von den allgemeinen Vorstellungen über Familienbindung ausgegangen werden. In der Allgemeinheit aber wird die Familie noch immer vorwiegend als Verband nahe blutsverwandter Menschen angesehen; diese Blutsverwandtschaft ist wichtiger als eine (oft sehr vorübergehende) Haus- und Erziehungsgemeinschaft. Sie hat heute noch eine große gemeinschaftsbildende Kraft, wenigstens bis zu den Geschwistern und deren Nachkommen. Alle diese Personen Fremden gleichzustellen, wäre ein flagranter Verstoß gegen elementare Vorstellungen, die noch heute lebendig sind, und von denen der Verfassunggeber ausgegangen ist. Art. 6 Abs. I GG hat ausdrücklich konservieren wollen. Die Staatsgewalt hat nicht die Aufgabe, mit allen 23 24
Scheffler, E., a.a.O. Vgl. oben S. 18 f.
II. Der Schutz der Familie
111
Mitteln die bedauerliche Zertrümmerung der Familieneinheit zu fördern, sondern ihr entgegenzuwirken. Geschwister sind für unsere Rechtsordnung keine "Fremden". Wäre es nicht absurd, sie bei Geschlechtsverkehr mit Gefängnis zu bestrafen (§ 173 Abs. II StGB), sie aber als Fremde zu betrachten, wenn sie sich zu Erben einsetzen? Es zeigt sich daher, daß der Familienbegriff nicht durch Haus- und Erziehungsgemeinschaft allein, sondern primär, vor allem im Erbrecht, durch die engen Bande der Blutsverwandtschaft konstituiert wird. Gerade darum geht es also bei der ErbSt. Es müssen daher von Verfassungs wegen auch Geschwister und deren Abkömmlinge noch privilegiert werden. Bei weiteren Verwandtschaftsgraden mag dem Gesetzgeber ein Ermessen zugebilligt werden, ob er Vergünstigungen gewähren will. Er sollte auch hier stets der Tendenz zur Auflösung der Familienbande entgegenwirken. Privilegien bei der ErbSt müssen jedoch ex Constitutione den Verwandten erster und zweiter Ordnung nur dann und insoweit gewährt werden, als eine ErbSt-Belastung geeignet ist, die Familienbande zu lockern. Dies ist nun näher zu prüfen. 2. Beeinträchtigung der Familienbindungen durch Erbschaftsbesteuerung
a) Spezielle familienrechtliche Akzentuierung der Erbrechtsgarantie als Grenze der Erbschaftsbesteuerung Es ist bereits oben25 nachgewiesen worden, daß eine Anspannung der ErbSt das Erbrecht in seinen Wesenselementen (Verwandtenerbrecht, Testierfreiheit, Universalsukzession) auszuhöhlen geeignet ist. Diese seihen Elemente haben jedoch noch spezielle Bedeutung für die in Art. 6 Abs. I GG geschützte Familie. Grundrechtssystematisch ergibt sich daraus eine "Verschränkung" von Art. 14 Abs. I und Art. 6 Abs. I GG, die zu einer besonderen "Akzentuierung" der Erbrechtsgarantie aus dem Familienschutz führen muß. Selbst wenn also eine Regelung "gerade noch" vor Art. 14 Abs. I GG bestehen könnte, kann sie wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. I GG verfassungswidrig sein, wenn sie dessen besonderen familienrechtlichen Schutzzweck nicht berücksichtigt. Dieser läßt sich nun für alle Wesenselemente der Erbrechtsgarantie nachweisen: 2s
Vgl. S. 48 f., 56 f .
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C. Die Verfassungsgarantie von Ehe, Familie, Erziehung
Das Verwandtenrecht beinhaltet den grundsätzlichen Anfall nach blutsverwandtschaftlicher Nähe. Diese Blutsverwandtschaft, welche die Familie mit konstituiert, ist also erbrechtlich relevant und darf durch das ErbSt-Recht nicht völlig ignoriert, muß vielmehr wenigstens bis zur Verwandtschaft zweiter Ordnung privilegierend berücksichtigt werden. Überdies aber sichert das Verwandtenerbrecht den Nächststehenden im Pflichtteil aus familiären Gründen für jeden Fall einen Anteil an der Erbmasse. Dies darf nicht dadurch wieder illusorisch werden, daß eine erheblich angespannte ErbSt den Pflichtteil praktisch dem Staat zuwendet. Die Sondergestaltung des Pflichtteilrechts als Familienband muß ihre Fortsetzung in gesteigerten ErbSt-Privilegien für die Pflichtteilsberechtigten finden. Die Testierfreiheit erscheint zunächst als antifamiliäres Element unserer Rechtsordnung und damit ohne Bezug auf Art. 6 Abs. I GG, kann doch der Erblasser mit ihrer Hilfe gerade das Verwandtenerbrecht ausschließen. Doch werden Familienbande auch dort betroffen, wo die Testierfreiheit durch ErbSt (indirekt) beschnitten wird: Der Erblasser kann innerhalb seiner (engsten) Familie den Erben bestimmen und sein Vermögen verteilen. Er vermag daher durch die Testierfreiheit über seinen Tod hinaus die Familienstruktur entscheidend zu beeinflussen und zu konservieren. Familie ist nicht nur etwas Vorgegebenes, sondern auch etwas von Generation zu Generation Bestimmbares. Gerade dort, wo eine Familie "soziale Keimzelle" bleiben soll, kann dies nicht ohne eine Testierfreiheit geschehen, welche innerhalb der Familie ausgleicht und ordnet. Der a quo kann sich durch die Testierfreiheit parafamiliäre Bindungen bereits zu Lebzeiten schaffen, insbesondere dann, wenn eine Adoption untunlich oder unmöglich ist. Eine Rechtsordnung, welche die Familie besonders schützt, sollte die "Wahlfamilie" wenigstens dort nicht völlig ausschließen, wo die Interessen der natürlichen Familie gewahrt sind. Eine nicht durch ErbSt gebrochene Testierfreiheit ist ein gutes Korrektiv gegen einen anachronistischen parafeudalen "Zwang zur Familie". Der Erblasser ist nicht gezwungen, seine Kinder reich zu hinterlassen26 oder sie in einem satten Zinsbewußtsein leben zu lassen27. Eine Gesellschaft, deren Eigenordnungsfunktion grundsätzlich anerkannt wird, sollte diese vor allem durch testamentarische Verteilung in der Verwandtschaft bewähren dürfen. Sachkenntnis und Beurteilungsmöglichkeit ist bei Familienangehörigen größer als beim Staat, 26 MiH, J, St., a.a.O., S. 262. 27 Bamberger, G., Für das Erbrecht des Reiches, 1912, S. 19.
II. Der Schutz der Familie
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dessen Sozialbureaukratie Steuermittel verteilt. Etwas von dieser Autonomie muß erhalten bleiben, solange der Staat nicht auch in familiaribus "alles besser weiß" - dem aber steht Art. 6 Abs. II f. GG entgegen. Die Universalsukzession hat schließlich einen familienerhaltenden Aspekt insoweit, als das Erbgut als Einheit gesehen und grundsätzlich in der Gesamthand der Familie erhalten wird. Dies bedeutet keineswegs, daß Erbengemeinschaften unter Verwandten begünstigt werden müßten. Eine ErbSt aber, welche die Erbmasse zertrümmert oder doch ihre tiefgreifende Umstrukturierung erzwingt, stört in jedem Fall jene Kontinuität, ohne die es keinen Familienbegriff geben kann. Die Familie mag heute ein "ideeller Verband" sein, doch es wäre wirklichkeitsfremd, die vermögensrechtlichen Bindungen zu leugnen, welche sie stärken und als solche erhalten. Der Staat darf nicht den Zerfall der Familieneinheit als Argument benützen, um diesen aktiv zu beschleunigen. Diese familienrechtlichen Gesichtspunkte erfordem daher die Schaffung von privilegierten Steuerklassen wenigstens für Verwandte erster und zweiter Ordnung, bei Pflichtteilsberechtigten die Aufrechterhaltung von Freigrenzen und/oder Freibeträgen sowie schließlich besondere Zurückhaltung in der Anhebung der Steuersätze bei Erbgängen zwischen nahen Verwandten, denen stets ein realer wirtschaftlicher Anteil an der Erbmasse zukommen muß.
b) Hemmung des Erwerbsstrebens Eine stark angespannte ErbSt hemmt generell das Erwerbsstreben, vor allem von einer gewissen Größenordnung an, weil das Gewonnene nur in geringem Umfang mehr weitergegeben werden kann. Hier Anreiz oder Dämpfung zu schaffen, steht grundsätzlich im wirtschaftsordnenden staatlichen Ermessen. Besonders zu berücksichtigen sind jedoch stets die familienrechtlichen Auswirkungen solcher Gesetzgebung. Hier jedenfalls setzt die Verfassung letzte Schranken. Die Verpflichtung zur Förderung der Familie kann sich nicht darin erschöpfen, daß der Staat die tagtägliche Belastung des Familienvaters erträglich macht, in gewissem Umfang zuungunsten familiär nicht Verpflichteter ausgleicht. Zum Wesen familiärer Bindung gehört das Streben nach Fürsorge für alle Familienangehörigen, d. h. vor allem nach Vorsorge gegen unvorhergesehene Entwicklungen28• Gerade ein so enger Verband mehrerer Personen ist solchen Zufällen ausgesetzt. Ganz abgesehen also von der Sicherung des Ehegatten und der Erziehung der 28 Vgl. dazu die noch heute zutreffenden Ausführungen von Stier-Somlo, F., Erbrecht, in: Elster, Wörterbuch der Volkswirtschaft, 1911, S. 808.
8 Lebner
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C. Die Verfassungsgarantie von Ehe, Familie, Erziehung
Kinder29 muß eine wirtschaftliche Familienplanung dazu führen, erhebliche Rücklagen zu bilden. Der Familienspartrieb wird damit zu einer der mächtigsten Triebfedern ökonomischen Handelns, auch und gerade darin rechtfertigt sich der besondere Schutz der Familie als Keimzelle der staatlichen Gemeinschaft, was eben nicht rein biologisch verstanden werden darf. Vorsorge für einen dringenden Fall "unter Lebenden" läßt sich aber naturgemäß von der Vorsorge für den Todesfall nicht trennen, für den ja eben ein verantwortungsbewußter Pater familias vor allem Kapital bilden wird. Wenn hier der Staat nicht durch Vergünstigungen fördert, trifft er nicht nur einen allgemeinen ökonomischen Impuls, er wendet sich gegen das Zentrum familiärer Bindung überhaupt - die familiäre Vorsorge. Es mag nicht leicht sein, exakt die Tarifhöhe zu bestimmen, bei deren Überschreitung die Verfassungswidrigkeit beginnt - doch dies ist eine allgemeine Schwierigkeit des Steuerverfassungsrechts. Jedenfalls müssen, schon zur Erhaltung familiären Erwerbsstrebens, die Grenzen erheblich enger gezogen werden als dort, wo die Eigentumsgarantie oder das Erbrecht tangiert würden. Eine ErbSt-Reform muß erkennen lassen, daß hierzu sachgerechte Erwägungen angestellt wurden.
c) "Doppelbesteuerung" bereits verdienten Vermögens Die Familiengarantie rechtfertigt zwar nicht nur dort Privilegien, wo die Erbmasse durch gemeinsame Anstrengungen von Erblasser und Erben geschaffen wurde30• Eine ErbSt-Reform darf jedoch nicht unberücksichtigt lassen, daß sehr häufig Kinder im väterlichen Betrieb lange Jahre bei vergleichsweise bescheidenem Einkommen mitarbeiten - eben weil sie das Unternehmen später weiterführen werden. Eine Anspannung der ErbSt und eine Einschränkung von Vergünstigungen muß daher vor allem für die Verwandten erster Ordnung dazu führen, daß auch Jüngere möglichst rasch und umfangreich vermögensmäßig an den Betrieben beteiligt werden bzw. entsprechend hohe Gehälter bekommen. Nur so kann die der Vererbung unterliegende Masse reduziert und damit vermieden werden, daß der Erbe das, was er seit Jahren bereits (virtuell) verdient, aber aus familiären Gründen tesorisiert hat, nun nochmals dem Staat durch Entrichtung der ErbSt "abkaufen" muß. Die Auswirkungen der ErbSt auf die Familienstruktur können hier unabsehbar werden. Die ältere Generation wird in einer Weise zu verfrühter Abdankung gezwungen, Eltern werden so zu Geschäftsführern ihrer Kinder und umgekehrt, daß dies einer familiären Revolution gleichkommen kann. Bei jeder ErbSt-Reform müssen auch 29 30
Dazu unten III, IV. Vgl. oben a).
III. Der Schutz der Ehe
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solche Entwicklungen, welche die gesamte überkommene Struktur der Familie ändern können, besonders sorgfältig überdacht werden. All die genannten ungünstigen Auswirkungen auf die innere Ordnung der Familie treten in speziellem Maße bei begüterten Familien auf, deren Hierarchie und Kontinuität besonders schwer getroffen werden. Doch auch die "reiche" Familie darf als begüterter Verband eine Familie in Deutschland sein, Art. 6 Abs. I GG schützt nicht nur eine "Durchschnittsfamil'ie" - ein Begriff, der eben jenem besonderen gesellschaftlichen Recht zur Individualität widersprechen würde, das in der Familie des bürgerlichen Rechts institutionalisiert werden sollte. Aus Art. 6 Abs. I GG ergibt sich daher vor allem als Grenze erbschaftsteuerlicher Gestaltung: ErbSt-Vergünstigungen müssen den Verwandten erster und zweiter Ordnung erhalten bleiben. Ersteren müssen Freibeträge (Freigrenzen) unbedingt einen nennenswerten Anteil an der Erbmasse sichern. Die Steuersätze dürfen bei nahen Verwandten nicht derart angehoben werden, daß hier die Fürsorge für die Familie unmöglich wird. Die innere Struktur und Kontinuität der Familie darf nicht durch übersteigerte ErbSt gelockert werden, indem dem Erblasser die Familienordnung durch Testament praktisch unmöglich oder indem ein Druck zur (verschleierten) Schenkung bei Lebzeiten ausgeübt wird. "Nehmt den Menschen die beruhigende Aussicht des Erbrechts hinweg, und ihr ... greift der Familie ans Leben" - diese Mahnung von Bluntschli31 sollten gerade heute die Reformer der ErbSt hören.
111. Der Schutz der Ehe 1. Der Ehebegrüf und ErbSt
a) Begriff und Bedeutung der Ehe im ErbStR - Allgemeines Die Reformpläne zur ErbSt würden das Institut der Ehe in ähnlicher Weise treffen wie die Familie: durch eine erhebliche Herabsetzung der Freigrenzen und/oder Freibeträge sowie durch Erhöhung der Steuersätze für den überlebenden Ehegatten, der zwar noch in eine besondere, aber bei weitem nicht mehr so weitgehend privilegierte Steuergruppe eingereiht würde wie bisher. Zwar wird die Ehe durch den Tod eines Partners aufgelöst, sie kann also durch den ErbSt-Anspruch nicht mehr unmittelbar beeinträchtigt werden. Dieser entfaltet jedoch wichtige und 31
s•
in Ges. Kleine Schriften F, 1879, S. 235.
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C. Die Verfassungsgarantie von Ehe, Familie, Erziehung
typische Vorwirkungen auf bestehende Ehen, welche diese Institutsgarantie verletzen können. Das BVerfG hat, vornehmlich im Steuerrecht, der Ehe stets besonderen Schutz angedeihen lassen32• Zwar kann der Gesetzgeber grundsätzlich im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz der Ehe verwirklichen will. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Förderung gerade mit steuerlichen Mitteln erfolgen soll, steht weitgehend im Ermessen des Gesetzge:bers33• Abgesehen davon, daß das BVerfG erkennen läßt, daß dieses Steuergesetzgeberische Ermessen kein freies ist - es geht hier nicht darum, daß die Ehe ErbSt-lieh besonders durch Leistungen des Staates gefördert oder daß bisher unbekannte Vergünstigungen gewährt werden. Umgekehrt wirkt sich vielmehr die ErbSt als solche als ein Eingriff in die Ehegarantie aus und dieser Eingriff ist nur dann nicht verfassungswidrig, wenn er durch besondere Privilegien abgemildert wird. Wie im Falle des Familienschutzes ist es also nicht so sehr Sinn der Verfassungsgarantie, Förderung zu erreichen, als vielmehr den Eingriff auf ein erträgliches Maß herabzusetzen. Wie bei der Familie ist vom verfassungsrechtlichen Ehebegriff auszugehen, den das ErbSt-Recht berücksichtigen muß. Ehe ist "die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zur grundsätzlich unauflöslichen Lebensgemeinschaft" 34 • Die Ehe ist also eine besonders enge, persönliche Gemeinschaft, in der sich die Menschenwürde ausprägt. Sie verpflichtet zu einer gegenseitigen Fürsorge, wie sie unserem Recht sonst nicht bekannt ist. Das ErbSt-Recht muß diesem Charakter des Instituts Rechnung tragen, die Erfüllung dieser Verpflichtungen darf nicht übermäßig erschwert werden.
b) Unsachgerechte ErbSt-liehe Erwägungen zum Eheschutz aa) Die Ehe verdient sicher insoweit vermögensrechtlich den Schutz des Staates, als hier Vermögen gemeinschaftlich erworben worden ist und nunmehr dem einen Partner anfallen soll. Es ist aber zu berücksichtigen, daß dieser speziellen "Ehegattenaffinität" des Vermögens der Ehepartner bereits das bürgerliche Recht Rechnung getragen hat - in der Zugewinngemeinschaft des gesetzlichen Güterstandes. Ihr liegt ja schon die Fiktion zugrunde, daß alles nach Eheschluß Erworbene durch die Leistung der beiden Ehegatten gewonnen worden ist. Verstirbt a2 Nachw. b. Leibholz-Rinck, a.a.O. S. 135 f. aa BVerfGe 21, S. 6. 34 BVerfGE 10, S. 66; Scheffler, E., a.a.O. S. 251.
III. Der Schutz der Ehe
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einer von ihnen, so fällt in die Erbmasse nur das, was das bürgerliche Recht als Ergebnis seiner individuellen Leistung anerkennt. Wird ein vertraglicher Ehestand begründet, so kann davon ausgegangen werden, daß die vermögensrechtlichen Leistungen der Ehepartner eben von unterschiedlichem Gewicht waren. Dies darf dann nicht wieder durch eine gesetzliche Fiktion ausgeschlossen werden, die nun doch von gemeinsamem Verdienst ausgeht. Es läßt sich immerhin die These vertreten, unbeschadet dieser bürgerlich-rechtlichen Verteilungsregelung stehe das Erbgut eines Partners dem anderen noch deshalb näher, weil es in einer Lebensgemeinschaft mit diesem erworben worden sei. Selbst wenn man davon nicht ausgeht, kann eine besondere gegenseitige Ehegattenaffinität der beiden Erbmassen begründet werden: Sie folgt nicht aus gemeinsamem ökonomischen Erwerb, sondern aus der engen persönlichen Verbundenheit der Partner, ist daher nicht "sachenrechtlich", sondern "familienrechtlich" begründet. Sachfremd sind also ErbSt-liehe Erwägungen, welche hier nur insoweit privilegieren wollen, als von gemeinsamem Erwerb ausgegangen werden könne. Die Affinität besteht stets für das ganze der jeweiligen Erbmasse, so wie auch der ganze Mensch Partner war. Die ehelichen Bande dürfen durch das ErbSt-Recht nicht ökonomisiert werden. Der überlebende Ehegatte muß daher von Verfassungs wegen privilegiert werden, weil er durch die Familiengründung und durch engste affektive Bande mit dem Erblasser vereint war. Dies ist geradezu der Menschenwürdegehalt dieser Vorschrift. bb) Freibeträge und besondere Steuersätze müss.en es dem überlebenden Ehegatten gestatten, "angemessen" weiterzuleben. Diese "Angemessenheit" muß jedoch richtig ausgelegt werden. Nach bürgerlichem Recht sind die Ehegatten verpflichtet, "die Familie angemessen zu unterhalten" (§ 1360 S. 1 BGB). Dieser "angemessene Unterhalt umfaßt alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten (und der Kinder) zu befriedigen" (§ 1360a Abs. I BGB). Die Angemessenheit bestimmt sich hier praktisch nach der sozialen Stellung der Partner. Ähnliches muß nun auch für das Weiterleben eines der Ehegatten nach dem Tode des anderen gelten. Hier besteht keine Unterhaltspflicht mehr. Jeder Ehegatte muß jedoch kraft der besonders engen Bindung, welche bis zum Erbfall bestanden hat, berechtigt sein, den anderen so und genau so weiter leben zu lassen, wie dies den beiden bisher möglich war. Was früher gesetzliche Verpflichtung war, muß doch wenigstens nach dem Tode ein Recht der Gatten sein, in das der Staat nicht
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C. Die Verfassungsgarantie von Ehe, Familie, Erziehung
eingreifen darf, indem er das Vermögen über die ErbSt entzieht. Unzulässig wäre es also, den überlebenden Ehegatten auf eine Art von Altenteil oder Witwenpension zu setzen. Dies würde beamtenrechtliche Pensionsvorstellungen zum Tragen bringen. Es ist jedoch unzulässig, diese zum Ausgangspunkt allgemein sozialgestaltender Reformen zu machen und sämtliche überlebende Ehegatten Deutschlands durch die ErbSt auf das Modell der Beamtenwitwe oder der Altersversorgung festlegen zu wollen. Die Grundsätze des Berufsbeamtenturns etwa sind ausdrückliche Sondernormen (Art. 33 Abs. V GG). Sie dürfen auch nicht indirekt oder implizit zum Ausgangspunkt genereller Sozialgestaltung gemacht werden. Die Ehegarantie verlangt vielmehr, daß es dem Erblasser gestattet werde, den überlebenden Ehegatten möglichst genau das gleiche Leben zu ermöglichen, das ihm an seiner Seite möglich war. Die "Angemessenheit", in welcher der Erblasser dem überlebenden Ehegatten ein Weiterleben ermöglichen darf, ist auch nicht auf ein "objektives", etwa vom Richter entsprechend der Stellung des a quo zu bestimmendes "Sozialmodell" festgelegt. Was die Erbschaft anlangt, so kann vielmehr der Erblasser völlig frei den "Standard" fixieren, den er für "angemessen" hält, ohne daß ihm der Staat hier soziale Adäquanzvorstellungen oktroyieren dürfte. Insoweit unterscheidet sich die "Angemessenheit" auch von der des bürgerlichen Unterhaltsrechts: Hier besteht eine Verpflichtung, über deren Erfüllung die staatliche Gemeinschaft wacht, wenn sie von einem der Gatten angerufen wird; objektive Standards müssen daher bestehen. Die Sicherung des überlebenden Ehegatten dagegen ist privates Belieben des a quo, der dabei an kein Minimum, an keine Sc.-,.ablone gebunden ist. Seinen Willen hat die Staatsgewalt zu achten, sie darf ihn nicht durch öffentliche Sozialvorstellungen ersetzen oder ergänzen. Weil der Erblasser den Lebensstandard des überlebenden Teiles frei bestimmen darf, weil hier Pensionsvorstellungen keinen Platz haben deshalb genügen zur Abwendung eheschädigender Wirkungen der ErbSt i. d. R. nicht Freigrenzen und Freibeträge, welche ja gerade Vorstellungen von minimaler "Angemessenheit" und (Höchst-)Pensionen zum Tragen bringen. Zwar sichern sie in sachgemäßer Weise eine Kontinuität auf einem Mindestniveau; darüber hinaus müssen aber Erbgänge zwischen Ehegatten einer speziellen Steuergruppe zugerechnet werden, weil nur so eine eheadäquate, den freien Willen des a quo berücksichtigende Vergünstigung ohne beschränkendes Angemessenheitsdiktat geboten werden kann. Ein ehefreundliches ErbSt-Recht darf den Tod eines der Gatten, der ohnehin ein besonders einschneidendes Ereignis für den Überlebenden sein wird, nicht noch vermögensmäßig belasten. Ein möglichst bruchloses Weiterleben muß vielmehr ermöglicht und damit der Fürsorgewillen der Gatten gefördert werden. Hohe Steuer-
III. Der Schutz der Ehe
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sätze aber vertiefen gerade jenen Einschnitt, den ein menschenwürdiges Steuerrecht dem Schicksal allein überläßt. 2. Auswirkungen angespannter ErbSt auf die Ehegarantie
a) Hemmung des Fürsorgewillens Werden Freibeträge und Freigrenzen gesenkt, Steuersätze erhöht, so werden nicht nur nacheheliche Wirkungen erzeugt, vielmehr werden die ehelichen Beziehungen selbst vor dem Tode eines der Gatten bereits belastet. Der Gesetzgeber sollte alles tun, um den Willen zu einer lebenslangen, tiefen Gemeinsamkeit zu fördern. Dieser wird aber ganz natürlich danach streben, den Partner zu sichern, für ihn zu arbeiten. Was der Staat hier sich nehmen will, entfernt die Gatten voneinander, mindert den Anreiz zu gemeinsamer Anstrengung, zum Interesse für die Arbeit des Partners. Stärker können die ökonomischen Triebfedern oder Auswirkungen - ehelicher Zuneigung nicht getroffen werden, als durch das Damoklesschwert einer ErbSt, welche den Staat als "Dritten im Bunde" zwischen die Gatten stellt. Für einen Staat, der sich zu christlichen Ehevorstellungen bekennt, sollten die Ehegatten "ein Fleisch" sein, aus dem nicht ein wucherisches Pfund geschnitten wird. Im Erbgang wirkt die menschliche Persönlichkeit über den Tod hinaus. Soll sie nicht einmal, in maximaler Kontinuität, den äußeren Rahmen jener engsten aller Lebensgemeinschaften erhalten dürfen?
b) Anreiz zur Enterbung Die Aufhebung von Vergünstigungen für den überlebenden Ehegatten, verbunden mit starker Anspannung der ErbSt bei Erbgängen zwischen Eltern und Kindern, würde in vielen Fällen die Ehegatten hindern, sich gegenseitig (vor ihren Kindern) zu Erben einzusetzen. Vor allem dann, wenn die Erbmasse aus größerem Grund- oder Betriebsvermögen besteht, muß sie sogleich den Kindern überlassen werden, damit nicht die Substanz in zwei, vielleicht kurz nacheinander eintretenden Erbgängen vernichtet werde. Gemeinsame gegenseitige Testamente würden daher nur selten mehr in Betracht kommen. Es bedarf keines Nachweises, daß durch eine solche Steuergesetzgebung, welche den überlebenden Gatten nur zu oft zum Kostgänger der Kinder macht, die ehelichen und familiären Beziehungen aufs schwerste belastet werden können. Ob es besser ist, Kinder oder Ehefrau einzusetzen, muß dem Erblasser überlassen werden; wer diese intimste Entscheidung des Vermögensrechts lenken will, trifft den Kern der Privatautonomie. Art. 6 Abs. I GG verlangt zwingend, daß der Staat hier auf dirigistische Anreize völlig verzichte und ebenso Vergünstigungen für
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C. Die Verfassungsgarantie von Ehe, Familie, Erziehung
den überlebenden Ehegatten wie für die Kinder gewähre. Eine Gesetzgebung, die nicht einmal hier ein echtes Wahlrecht gibt, unterläßt nicht nur eine freiwillige Förderungsmaßnahme, sie greift umstrukturierend in den Kern von Ehe und Familie ein. Ein Staat, der die Ehe als engste sittliche Lebensgemeinschaft preist, zugleich aber die Ehegatten zwingt, sich zu enterben, wird unglaubwürdig. Er verletzt eine Mensc..henwürde, von der anerkannt ist3", daß sie über den Tod hinauswirkt. Wie könnte dies besser geschehen, als darin, daß der bedacht wird, welcher im Leben am nächsten stand?
c) Verminderung des Anreizes zur Eheschließung Die bürgerliche Ehe ist nicht nur eine äußere Form für den Willen zu einer unbedingten, lebenslangen Partnerschaft zweier Menschen. Gerade heute darf der Gesetzgeber die wachsende Zahl und Fülle eheähnlicher, mehr oder weniger vorübergehender Verbindungen nicht übersehen. Die Ehe bietet hier eine Form der Legalisierung, die für gemeinsame Nachkommen, für die Familien wie auch für die "öffentliche Moral" bedeutungsvoll ist. Ökonomischer Anreiz ist häufig bestimmend für solche - wie auch für andere - Eheschließungen. Art. 6 Abs. I GG institutionalisiert weder die Neigungsehe, noch zwingt er die Partner, anderen oder sich selbst über die Motive der Eheschließung Rechenschaft zu geben. Vermögcnsrechtliche, vor allem steuerliche Vergünstigungen sind praktisch das Wirksamste, wenn nicht das einzige, was der Staat tun kann, um die Ehe als Form der Lebensgemeinschaft anziehend zu machen. Die Aufhebung von Privilegien im ErbSt-Recht wirkt in demselben Maße ehefeindlich. Vor allem vermögende Bürger hatten bisher erhebliches erbrechtliches Interesse daran, illegitime Verbindungen durch Ehe zu legalisieren. Nun kann zwar aus Art. 6 Abs. I GG keine staatliche Pflicht zur Bekämpfung außerehelicher Lebensgemeinschaften hergeleitet werden, diese dürfen nur gegenüber legalen Ehen nicht begünstigt werden 36 • Der Abbau von Steuererleichterungen für Ehegatten im ErbSt-Recht würde aber nicht lediglich einen solchen Kampf gegen die Illegalität beenden, sondern die Ehe aus einer traditionell gesicherten Position drängen. Daß dies gerade unter der Herrschaft einer Verfassung geschieht, welche die Ehe so feierlich schützen will, kann nicht rechtens sein. ErbStReformen dürfen kein "erbrechtliches Rentenkonkubinat" begünstigen.
Zusammenfassend lassen sich aus der Ehegarantie des Art. 6 Abs. I GG Grenzen für eine ErbSt-Reform gewinnen: 35 36
Vgl. Maunz-Dürig-Herzog, GG, Art. 1 Rdnr. 23, 26. BVerfGE 9, S. 34/5; Dölle, H ., Familienrecht I, 1964, S. 36.
IV. Das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. II, III GG)
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Freigrenzen und Freibeträge müssen auf jeden Fall ein Minimum materieller Kontinuität der bisherigen Lebensgemeinschaft für den überlebenden Gatten sichern. Darüber hinaus aber muß durch erhebliche Privilegien dem überlebenden Gatten nach dem freien Willen des Erblassers eine ökonomisch bruchlose Fortsetzung des bisherigen Lebens ermöglicht werden. Die ErbSt-lichen Vergünstigungen für Ehegatten müssen im ganzen so gestaltet sein, daß dem a quo ein echtes Wahlrecht bleibt, ob er seinen Partner oder seine Nachkommen einsetzen will.
IV. Das eiterEehe Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. II, Ili GG) l. Der Begriff des elterlichen Erziehungsrechts und die ErbSt
In besonders feierlicher Weise ist Recht und Pflicht der Eltern zu Pflege und Erziehung proklamiert worden (Art. 6 Abs. !I S. 1 GG). "Pflege" bedeutet die Sorge für die körperliche Existenz und für eine angemessene geistige und seelische Entwicklung~7 ; "Erziehung" beinhaltet die körperliche und geistige, seelische und sittliche Ausbildung des Kindes unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Anlagen38• Art. 6 Abs. II GG legt dies nicht nur im Rahmen der Institutsgarantie der Ehe fest, er gewährt den Eltern ein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht gegen unzulässige Eingriffe des Staates39, das sich auch gegen den Gesetzgeber richtet40 • Sein Wächteramt (Art. 6 Abs. II S. 2 GG) hat der Staat zurückhaltend auszuüben. In das Elternrecht darf er nur eingreifen, wenn ein legitimes öffentliches Interesse an der Erziehung den Eingriff gebietet41 • Unzulässig wäre daher eine Beeinträchtigung des Erziehungsrechts aus rein fiskalischen Gründen. Eine solche droht jedoch bei einer starken Anspannung der ErbSt, insbesondere bei einem Abbau der Vergünstigungen für die Kinder und den überlebenden Ehegatten. Die Eltern haben die Kosten der Erziehung zu tragen. Dies folgt aus der Unterhaltspflicht42 • Pflege und Erziehung der Kinder können aber nicht nach dem Tode eines oder beider Elternteile völlig eingestellt werden. Art. 6 Abs. II GG verpflichtet daher die Eltern für diesen Fall, der ja täglich eintreten kann, familiäre Vor37 Peters, H., Elternrecht, Erziehung, Bildung, Schule, in: Die Grundrechte IV, 1, 1960, S. 381. 38 Dölle, H., Familienrecht II, 1965, S. 150; Peters, H., a.a.O. 39 BVerfGE 4, S. 57. 40 BVerfGE 7, S. 323. 41 BVerfGE 7, S. 323 f. 42 Dölle, H., a.a.O.
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C. Die Verfassungsgarantie von Ehe, Familie, Erziehung
sorge zu treffen. Wie sie dies im einzelnen bewerkstelligen, bleibt ihnen überlassen. Der Staat muß ihnen jedoch die erforderlichen Rechtsformen zur Verfügung stellen und er darf sie nicht durch steuerliche Belastungen an dieser Vorsorge hindern. Insoweit ist auch das Recht der Eltern, über den Tod hinaus für die Erziehung der Kinder zu sorgen, verfassungsmäßig gesichert. Werden nun die ErbSt-lichen Vergünstigungen für den überlebenden Ehegatten abgebaut, so wird nicht nur durch Substanzminderung die Erziehung erschwert, der a quo wird dazu gedrängt, die Erbmasse sogleich den Kindern zu überlassen. Damit aber nimmt er wichtigen erzieherischen Einfluß aus den Händen des überlebenden Ehegatten, der sich nun praktisch eben doch weitgehend mit dem Vormund arrangieren muß - unbeschadet der feinen bürgerlichrechtlichen Unterscheidungen zwischen Personensorge, Vermögensverwaltung u. ä. m. Dies wirkt einschneidend gegen das Erziehungsrecht der Eltern. Noch deutlicher zeigt sich der Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern, wenn die ErbSt im Verhältnis Eltern- Kinder angespannt wird: Die Fürsorge für den Todesfall wird dann erheblich erschwert; nicht immer ist es den Eltern möglich, rechtzeitig so hohe Beträge zurückzulegen, daß sowohl der ErbSt-Anspruch des Staates befriedigt, wie die Erziehung wirklich gesichert werden kann. 2. Der Umfang des elterliclien Erziehungsreclits
Ausbildung und Erziehung der Kinder soll nach den Reformplänen 43 bereits durch einen Freibetrag von 40 000,- DM für jedes Kind hinreichend gesichert sein. Es ist anzuerkennen, daß grundsätzlich die Gewährung von Freibeträgen ein geeignetes Mittel ist, um die Erziehung zu gewährleisten. Allerdings würde eine solche Erhöhung des Freibetrages um 10 000,- DM für jedes Kind keine echte Steigerung bedeuten - angesichts des zwischenzeitliehen Kaufkraftverlustes der Währung würde hier der Freibetrag kaum wieder auf die Höhe gehoben, die er mit der früheren Festsetzung von 30 000,- DM hatte. Es ist allerdings fraglich, ob die Rücksicht auf die Erziehung nicht zu einer weiteren Erhöhung der Freibeträge führen sollte oder andere Vergünstigungen für die Nachkommen begründen kann. Dies hängt von dem Umfang des elterlichen Erziehungsrechts ab. Aus dem Erziehungsbegriff ergibt sich zunächst, daß die Eltern nicht nur Recht und Pflicht haben, bis zum Eintritt in das Berufsleben vorzusorgen, sondern auch die Aufnahme eines bestimmten Berufes zu ermöglichen, auf den die ganze Ausbildung ausgerichtet war. Wer seinen Sohn zum Röntgenfacharzt oder zum Apotheker ausbilden läßt, "·' Wiss. Beirat beim BMinFin, S. 75.
IV. Das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 11, III GG)
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darf den Schutz des Staates auch dafür erwarten, daß er die selbständige Ausübung des Berufs durch Vermögensdispositionen von Todes wegen sicherstellt. Da hier die Erziehungs- und Ausbildungskosten den Freibetrag erheblich übersteigen würden, verlangt das Erziehungsrecht als solches - unabhängig von der Sicherung der Familieneinheit jedenfalls ErbSt-liehe Vergünstigungen bei Erbgängen zwischen Eltern und Kindern, wie sie bereits für die engeren Familienangehörigen aus Art. 6 Abs. I GG abgeleitet worden sind. Das Recht auf Erziehung der Kinder beschränkt die Eltern auch nicht auf eine "Minimal-" oder eine staatlich normierte "Standard-"Erziehungu. Ziel der staatlichen Überwachung ist es lediglich, ein Minimum zu gewährleisten und gewisse Bildungsgänge monopolisierend zu regeln. Den Eltern ist jedoch durch die Verfassung das Recht gewährt, darüber hinaus- oder daneben - ihre Kinder weit aufwendiger, jedenfalls aber genau so erziehen zu lassen, wie es ihren Vermögensverhältnissen und ihren beruflichen oder gesellschaftlichen AnsicMen entspricht. Die Erziehung ist nicht auf ein Durchschnitts- oder gar auf ein kleinbürgerliches Ideal festgelegt und nur darin verfassungsrechtlich gesichert. Der Staat muß vielmehr die Eltern insoweit privilegierend unterstützen, wie sie für eine Ausbildung der Kinder sorgen, welche noch diesen Namen verdient. Sicher wird man hier dem Gesetzgeber ein regelndes, vielleicht sogar in Grenzen ein sozialgestaltendes Ermessen zubilligen. Die Gewährung eines Freibetrages von 40 000,- DM allein aber genügt kaum für eine aufwendige Erziehung, wenn der Eintritt in das Berufsleben mitberücksichtigt wird. Die institutionelle Garantie der Privatschulen (Art. 7 Abs. IV GG) ist nur sinnvoll, wenn die Verfassung den Eltern auch das Recht sichert, ihre Kinder in aufwendiger Weise erziehen zu lassen. Die Privatschulfreiheit ist geradezu ein vermögensrechtlicher Ausdruck der elterlichen Erziehungsfreiheit. Wer aus Art. 7 GG ein Recht der Privatschulen auf staatliche Zuschüsse ableitet45 , erkennt damit an, daß der Staat von Verfassungs wegen verpflichtet ist, auch aufwendige Erziehung zu subventionieren. A fortiori darf er dem dann nicht durch ErbSt entgegenwirken. Wer dagegen eine solche Verpflichtung nicht annimmt46, muß erst recht den Eltern die Möglichkeit lassen, ihre Kinder unter größerem 44 Bedenklich wäre es also, wenn alle Nachkommen etwa auf die Versorgung beschränkt würden, wie sie bei unehelichen und jüngeren Kindern als angemessen anerkannt ist, was J. St. Mm, a.a.O. S. 264 fordert. ' 5 Vgl. etwa Maunz-Dürig-Herzog, Art. 7 Rdnr. 87 ; Hamann, A., GG, Art. 7 B 11; Süsterhenn, A., Zur Frage der Subventionierung von Privatschulen, JZ 1952, S. 474. 46 Z. B. Thoma, R., Die Subventionierung der Privatschulen und Art. 7 GG, JZ 1951, S. 777/8; v . Mangoldt-Klein, Das BGG, 1957, I, S. 296; zurückhaltend auch Peters, H., a.a.O. S. 442.
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C. Die Verfassungsgarantie von Ehe, Familie, Erziehung
Aufwand erziehen zu lassen, weil sonst die Privatschulfreiheit als Institution ausgehöhlt würde. Der Staat aber darf nichts tun, was den Betrieb der Privatschulen generell erheblich erschwert oder gar unmöglich macht47 • Aus dem Erziehungsrecht der Eltern läßt sich also immerhin der Grundsatz ableiten, daß Kinder steuerlich insoweit zu privilegieren sind, als dies eine auch sehr aufwendige Erziehung einschließlich der Aufnahme der Berufstätigkeit erfordert. Wohl muß hier pauschaliert werden. Die Gewährung von Freibeträgen ist sicher ein generell angemessenes Mittel. Sie dürfen jedoch nicht unter den bisherigen Stand abgesenkt werden. Das Erziehungsrecht verlangt auch darüber hinaus noch tarifliche Vergünstigungen, die im einzelnen im gesetzgeberischen Ermessen stehen. Auch der überlebende Ehegatte sollte schließlich schon deshalb privilegiert werden, damit ihm nicht aus steuerlichen Gründen mit der Erbmasse faktische Erziehungsmacht genommen werde.
47
Vgl. dazu BayVerfGHE 12, S. 30/1.
D. Anhang Rechtsstaatliche Bedenken Reformen von der Art, wie sie der wissenschaftliche Beirat beim BMinFin vorschlägt, erwecken vielfache Bedenken im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der Rechtsstaatlichkeit, dem der Gesetzgeber wie der Verfassungsgesetzgeber unterworfen sind (Art. 20 Abs. III, 79 Abs. III GG). Hier sei nur hervorgehoben: 1. Wenn eine radikale, geradezu revolutionäre soziale Umgestaltung
die Erbschaftsteuer, eine Spezialabgabe von traditionell bestimmter Zielsetzung und Struktur', e-rfolgen soll, so ist dies schwerer Formenmißbrauch. Die staatlichen Absichten werden verschleiert, die offene sozialkritische Diskussion wird vermieden, das allenfalls zu solchen Veränderungen zur Verfügung stehende interventionistische Instrumentarium bleibt ungenützt. Die Durchschaubarkeit steuerlicher Zielsetzung ist aufgehoben. durc:.~
2. Die vom Beirat vorgeschlagenen Erhöhungen verstoßen quantitativ wie qualitativ gegen das Obermaßverbot, weil ohne sachgerechte Erwägungen weit radikaler angehoben wird, als dies der Sachzusammenhang erfordert, als es die Verfassung gestattet. 3. Die Steuererhebung soll nach dem "echten", nach dem "gemeinen" Wert erfolgen, alle PausehaUerungen sollen vermieden werden. Es ist nicht ersichtlich, wie etwa das Grundvermögen in seinem "tatsächlichen" Wert bestimmt werden kann. Bewertungsversuche von Hausrat und ähnlichen Vermögenswerten, die bisher meist erbschaftsteuerlich irrelevant blieben, müßten zu einer Vermögensschnüffelei führen, die jede Intimsphäre verletzt. 4. Die Aufrechterhaltung des Gesetzesgehorsams und der Steuermoral muß stets oberstes Ziel rechtsstatUeher Steuergesetzgebung bleiben. Wenn der Staat so vorgeht, daß er sich zwischen Vater und Sohn stellt, daß er die tiefsten menschlichen Bindungen nicht mehr schont, so wird er dies teurer bezahlen müssen als mit Gewinnen aus der Erbschaftsteuer. Die Staatsgewalt, die heute schon weithin in Frage gestellt wird, erwartet hier mit Sicherheit eine schwere Ent' Vgl. oben S. 17 f.
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D.Anhang
täuschung: Dem Bürger ist seine engste Familie, sind die liebsten Menschen, denen er sein Vermächtnis hinterläßt, einfach mehr wert als die Gemeinschaft. Er wird den Staat hier ohne jedes moralische Bedenken betrügen. Die Folgen für die allgemeine Steuermoral wären unabsehbar.
Sachregister Abgabenhoheit des Staates 79 ff. Abschöpfungssteuer 23, 29 Altersversorgung 101 Anfall der ErbSt 28 f., 33, 34 "Anteil des Staates am Erbgut" (Art. 154 II WRV) 20, 21, 29 f., 59, 66 Anwartschaft 84 f., 89 Apothekenurteil (BVerfGE 7, 377) 96 ff. Arbeitsloses Einkommen 24, 75, 87 Ausgestaltung der ErbSt 29 ff. Aushöhlung des Erbrechts s. Wesensgehalt Beamtenrec.'lt als Leitbild des Erbrechts 118 Begriff der ErbSt 17 ff. Berufsbild 100, 101 Berufsfreiheit (Art. 12 GG) 84, 96 ff. - u n d ErbSt 98 ff. - und Eigentumsgarantie 98 - institutionelle Garantie 102 Berufssperre 101 f. Besitzsteuer - ErbSt als 32, 60 Betriebsvermögen 60, 61 , 72, 90, 94, 96, 99, 114 Bewertung s. Einheitswert, Grundeigentum Bürgerliches Recht - Kongruenz mit Steuerrecht 31, 57, 67, 69 - Garantie des 53 ff. Deutschrechtliche Vorstellungen 19 f. Doppelbesteuerung bereits verdienten Vermögens 114 f. Ehe - Garantie der (Art. 6 I GG) 14,103 ff. - subjektiv es öffentliches Recht 105 - Begriff 107 ff., 115 ff. - A n r eiz zur 120 Eigentumsgarantie (Art. 14 I GG) - und ErbSt 37, 39 ff., 73 ff.
- und Steuer 76 ff. - Begriff 84 ff. - und Berufsfreiheit 98 Einheit - des Erbgutes 52 f., 59 ff., 85 - des Eigentumsbegriffs 85 ff. Einkommensteuer 26, 29, 32 Einrichtungsgewährleistungen s. Institutsgarantien Eigentumsnutzung als Beruf 98 Einziehung der ErbSt 23, 59, 63 Elternrecht (Art. 6 II, III GG) 103 ff., 121 ff. Enteignung 77, 78 ff. Enterbung - Anreiz zur 119 f. Erbe - Stellung zur ErbSt 88 f. Erbenmehrheit 60, 63 f. Erbgut 30 f., 51 Erblasser - Recht des 47 f., 88 Erbrecht - Garantie in Art. 14 I GG 14, 30, 39 ff., 43 ff. - des Staates 19, 30, 33, 42, 65 f . Erbschaft 30 f., 33, 36, 49 f. , 57 f., 69, 84 f. Erbschaftsteuer - Gesetzgebungshoheit 14 - Ertragshoheit 15 ff. Erdrosselungssteuer 35, 42, 78, 82 ff., 96, 99 - Begriff 84 Erwe rbsstreben 113 f . Ermessen des Steuergesetzgebers 14, 27 f., 51, 81, 83, 90, 91, 106 f . Ertragshoheit bei Erbschaftsteuer 15 ff. Erziehungsrecht (Art. 6 II, III GG) 103 ff., 107, 121 ff. Familienrechtliche Legitimierung der ErbSt 18 f., 19 ff.
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Sachregister
Finanzbedarf des Staates 26 ff., 47, 60, 97 Fiskalzweck 97, 121 - der Steuer 16, 22 f., 26 fJ., 60 Fiskus -als Erbe 65 s. auch Erbrecht des Staates Formenmißbrauch 36, 125 Freibeträge 67, 113, 115, 117, 121 Freiheit - und Eigentum 39 ff. - und Erbrecht 40 Fürsorgewillen 119 Gehorsam gegenüber dem Gesetz 125 Geldenteignung 78 f. Geschwister 109 ff. Gesellschaft und Staat 41, 53 ff., 70 ff., 92 f., 112 Gesellschaftsanteile 60, 62 Gesellschaftsbildung - Zwang zur 100, 101, 102 Gewerbebetrieb s. Betriebsvermögen Gewerbefreiheit s. Berufsfreiheit Gleichheit 36, 57 - in der Steuerpflicht 14, 28 - der Startbedingungen 24 f. - und Enteignung 78, 81 f. - Differenzierungsverbot 106 Großes Vermögen 25 f., 61 ff., 95 f.,100 Großfamilie - Auflösung der 19 ff., 108 Großunternehmer 100, 101 f. Grundeigentum 13, 60, 61 ff., 86, 89 f., 94, 100 f., 125 Grundrechte - und Steuer 13, 28 - Leerlauf 45 - Konkurrenz 74 ff. s. auch Eigentum, Erbrecht, Institutsgarantie Güterahwägung 46 f., 97 Hinterziehung von Steuern 23 Höhe der ErbSt 57 ff. Individualbetriebe 100, 101 Institutsgarantie 14, 43 f., 57, 70 ff., 77, 92 ff., 102, 104 f. s. auch Berufsfreiheit, Ehe, Eigentum, Erbrecht Intimsphäre, Schutz der 125
I\:ernbereich s. Wesensgehalt ,.Kern" der Steuer 17 f. Klassen s. Steuerklassen Kleinstfamilie 107 ff. Kontiskatarische Steuer 83 f., 89 f. s. auch Erdrosselungssteuer Konkurrenz - von Eigentums- und Erbrechtsgarantie 74 ff., 87 ff., 92 Länderverfassungen zur ErbSt 24 Land- und forstwirtschaftliche Betriebe 63, 64, 98, 99, 101 Lastenausgleich 16, 37 Leistung, eigene 24, 41, 42, 75, 86 f. Leistungsfähigkeit 26 ff., 102 Liberalismus und ErbSt 24 f., 65 Marxismus s. Sozialismus Menschenrechtsgehalt - des Erbrechts 47, 55, 75 - des Art. 6 GG 103 Menschenwürde 56 Miterben 60 Nebenwirkungen von Steuergesetzen 14, 98 Nivellierung, soziale 22, 24 f. Partizipationscharakter der ErbSt 29 f., 31 Persönlichkeitsentfaltung (Art. 2 I GG) 50 Pflichtteil 49, 66 f., 69, 112 Praktikabilität im Steuerrecht 27, 90 f., 91 Privatrecht s. Bürgerliches Recht Privatschulfreiheit (Art. 7 GG) 123 f. Produktionsmittel, Vererbbarkeit der 61 f . Programm in Art. 6 I GG 100 f. Progression der ErbSt 26, 27, 49 f., 65 Rechtfertigung der ErbSt - Staat als Nächster 18 f. - Staat als Verwandter 19 ff. - Sozialgestaltung 22 ff. - fiskalische 26 ff. - Leistungsfähigkeit 26 ff. Rechtsformalismus 58 Rechtsstaatlichkeit 36, 125 f.
Sachregister Redistribution durch ErbSt 22 f., 24, 37, 39, 41 s. auch Sozialgestaltung Schenkungsfreiheit 41, 51, 74 f., 93 Schutz von Ehe und Familie 106 f. Schutzwürdigkeit des Eigentums 86 f. Sonderopfer 81 Sozialgestaltung durch Steuer 14, 16, 22 f., 42, 60, 70 72, 99, 101 f. s. auch Redistribution Sozialisierung 62, 94 ff., 98, 102 Sozialismus und ErbSt 24, 25, 62, 64, 67, 72 Sozialpolitische Argumente für Anhebung der ErbSt 23 ff., 72 Staat - und Erblasser 18 ff. Standard des Erben 118, 123 Startgleichheit 24 ff. Steuerbegriff 17 f. Steuergewaltigkeit 23, 27, 36 s. auch Steuergleichheit Steuergleichheit 14, 27, 28 Steuerhinterziehung 23 Steuerkern 17 f. Steuerklassen 31, 49, 65ff., 107, 113, 115 Steuermoral 125 f. Steuerquelle - Erhaltung der 35 f. Steuersatz der ErbSt 57 ff., 115 s. auch Erdrosselungssteuer Steuervorbehalt der Eigentumsgarantie 13 f., 76 ff. Steuerzwecke 13, 16, 18 ff. s. auch Rechtfertigung Stundung der Steuerschuld 59, 63, 102 Subjektives Recht - und Institutsgarantie 43 f. Testierfreiheit 50 ff., 54, 68 ff., 75, 112 f. Tradition der ErbSt 17 ff., 45 tlbermaßverbot 125 s. auch Verhältnismäßigkeit Universalsukzession 51 ff., 59 ff., 85, 113
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Unterhaltspflicht 20, 21, 65, 67, 110, 117 Unternehmensfreiheit s. Berufsfreiheit "Verdientes" Vermögen 24, 75 s. auch Leistung "Verfassung nach Gesetz" 17,44 f., 104 Verfassungsänderung - und Art. 14 I GG 55 f. Verhältnismäßigkeit 97, 100 Verkaufszwang - bezgl. der Erbschaft 36 ff., 60, 77, 83, 89 ff., 100 Verkehrsteuer - ErbSt als 32 ff., 35, 63 Vermögen des Erben - als Bemessungsgrundlage 34 Vermögensabgaben 16, 58 f. Vermögenskonzentration 25 f. s. auch Große Vermögen Vermögensteuer 32 - Relation zur ErbSt 16, 26, 34 f. Verschleuderung s. Verkaufszwang Verteilung des Aufkommens der ErbSt 15 ff. Verwandtenerbrecht 48 ff., 54, 64 ff., 69 f., 75, 103 f., 112, 115 - unbeschränktes 26, 64 f. s. auch Familie Verwandtschaft zwischen Staat und Erblasser 19 ff. - ErbSt-Privileg der 21, 65 ff., 72, 103 f. s. auch Geschwister Volksvermögen - Entzug von 79 Wertentscheidung in Art. 6 I GG 105 f. Wesensgehalt - des Erbrechts (Art. 14 I GG) 44 ff., 46 ff., 55 ff. - des Eigentums (Art. 14 I GG) 74 Wettbewerbsordnung 25 Wissenschaftlicher Beirat, Vorschläge des 13, 27 Anm. 44 Zivilrecht s. Bürgerliches Recht