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German Pages 157 Year 1991
ANJA MAGULA-LÖSCHE
Der Umfang betrieblicher Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp
Band 55
Der Umfang betrieblicher Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen
Von
Anja Magula-Lösche
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Magula-Lösche, Anja: Der Umfang betrieblicher Mitbestimmung nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen / von Anja Magula-Lösche. - Berlin : Duncker und Humblot, 1991 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft; Bd. 55) Zug!.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1990 ISBN 3-428-07238-3 NE:GT
D6 Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-07238-3
In memoriam Anna Köster
Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist die nur unwesentlich geänderte Fassung meiner Dissertation, die dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Westfalischen Wilhelms-Universität zu Münster im Sommersemester 1990 vorlag. Sie entstand neben meiner Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht seit November 1987. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. iur., Dr. h. c. (F) Wilfried Schlüter, Direktor des Rechtswissenschaftlichen Seminars I, Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht, der mir stets eine besondere Förderung zuteil werden ließ. Professor Schlüter hat mir nicht nur die Gelegenheit gegeben, im Rahmen meiner Tätigkeit als seine Wissenschaftliche Mitarbeiterin meine Kenntnisse speziell im Arbeitsrecht zu festigen und meine Fähigkeiten zu wissenschaftlicher Arbeit zu erproben. Er hat auch das Thema der vorliegenden Untersuchung angeregt und die Arbeit durch seine fachliche Beratung und stets ermunternde Betreuung sehr gefördert. Danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. iur. Detlev W. Belling, der die Dissertation als Zweitberichterstatter begutachtet und ebenfalls durch seine fachliche Beratung zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Münster, im Juni 1990
Anja Magula-Lösche
Inhaltsverzeichnis Erster Teil Grundlagen § 1 Einführung und Problemaufriß
17
§ 2 Die Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum zum Umfang des Mit-
bestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ...................................
22
I. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts .........................
22
A. Die Beschlüsse des BAG vom 12. Juni 1975 zum Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der betrieblichen Altersversorgung ...... ....... ................ ........... .............. ...........
22
B. Die Entscheidungen des BAG zum Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei sonstigen freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen ..............................................................
26
c. Zusammenfassung .....................................................
28
11. Die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte ..........................
28
1II. Die Auffassungen in der Literatur .......................................
29
A. Die Auffassung der herrschenden Meinung ..........................
30
B. Abweichende Auffassungen ..........................................
31
1. Beschränkung des Mitbestimmungsrechts beim sog. Leistungsplan .... ...... .......................... ........ ........ ......... ....
31
2. Keine Limitierung der Mitbestimmung durch den sog. Dotierungsrahmen ..............................................................
33
3. Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Auswahl des begünstigten Personenkreises, beim Dotierungsrahmen, bei der Kürzung und Entziehung von Versorgungsansprüchen und bei der Versorgungsform ..........................................................
34
4. Unbeschränktes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen ...........................
36
10
Inhaltsverzeichnis
Zweiter Teil
Die eigene Auffassung zum Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG § 3 Die gemäß § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen .............................................................
38
I. Die im Zusammenhang mit der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozial-
leistungen zu treffenden Entscheidungen als mitbestimmungspflichtige Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden .....................
39
11. Die im Zusammenhang mit der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen zu treffenden Entscheidungen als mitbestimmungspflichtige Fragen der betrieblichen Lohngestaltung ................................
43
A. Die Konkretisierung des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" .............................................................
44
1. Die grammatikalische Auslegung .................................
44
2. Die historische Auslegung .........................................
45
a) Die dem § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zugrundeliegende Regelungsabsicht des Gesetzgebers .................................
45
b) Die der betrieblichen Mitbestimmung zugrundeliegende Regelungsabsicht des Gesetzgebers .................................
48
3. Die teleologisch-systematische Auslegung .......................
50
a) Die Bedeutung des § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG ..............
51
b) Die Systematik des § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG .............
52
c) Der Zweck des § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG ..................
54
aa) Die Bedeutung von Sinn und Zweck der Mitbestimmung bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG
54
bb) Die Bedeutung des § 87 Abs. I Nr. 11 BetrVG .........
58
ce) Die Bedeutung der §§ 2, 75 BetrVG .....................
63
4. Ergebnis: Der Bedeutungsgehalt des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" ............................................
66
B. Die Subsumtion unter den Begriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" .............................................................
67
I. Die Entscheidungen über das "Ob" und den Zweck einer betrieblichen Sozialleistung, die Auswahl des begünstigten Personenkreises und über die Form von Versorgungsleistungen ..........
67
Inhaltsverzeichnis
11
2. Die Entscheidung über die Dotierung! Die Entscheidung über die Höhe der Einzelleistung im Rahmen der Dotierung .............
67
3. Die Entscheidung über den unternehmerischen Zweck der Leistung ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
4. Die Festlegung von Wartezeiten ..................................
72
5. Die Bestimmung von gesonderten Dotierungsrahmen für verschiedene Gruppen.................................................
74
6. Die Einführung von Wettbewerben zur Motivation der Arbeitnehmer ..............................................................
75
III. Ergebnis zu § 3 ............................................................
79
§ 4 Die Intensität der Beteiligung des Betriebsrats bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 BetrVG ......................
81
1. Die Konkretisierung des Begriffs "mitzubestimmen" ...................
81
A. Die grammatikalische Auslegung unter Berücksichtigung des Kontextes ...................................................................
81
B. Die systematisch-logische Auslegung ................................
83
1. Die Bedeutung der §§ 87 Abs. 2, 76 Abs. 5 BetrVG ...........
83
2. Die Bedeutung der §§ 94, 95 BetrVG ............................
84
C. Die historische Auslegung ............................................
85
D. Die systematisch-teleologische Auslegung ...........................
86
1. Die Bedeutung der Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung
86
2. Die Bedeutung der unternehmerischen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit ........................................................
88
a) Der "betriebsverfassungsrechtliche Vorbehalt der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit" .................................
88
b) Die grundrechtlich geschützte Unternehmerautonomie .......
94
E. Zusammenfassung .....................................................
98
II. Ergebnis zu § 4 ............................................................
98
§ 5 Die Bedeutung des Grundsatzes der Freiwilligkeit für den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ......................................
100
1. Die von der herrschenden Meinung vertretene Lehre von der Freiwilligkeit der Leistung ..........................................................
100
12
Inhaltsverzeichnis H. Die Würdigung der von der herrschenden Meinung vertretenen Lehre von der Freiwilligkeit der Leistung ......................................
102
A. Die Beschränkung betrieblicher Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufgrund der "Freiwilligkeit" der Leistung...... ...
102
B. Die Beschränkung betrieblicher Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufgrund eines in § 88 Nr. 2 BetrVG niedergelegten allgemeinen Rechtsgedankens ........................................
103
l. Die gemäß § 88 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungsfreien Entschei-
dungen ....... ................... ........ ......... ............... ....
104
a) Die Einführung, die Umwandlung, der Zweck und die Dotierung einer Sozialeinrichtung ...................................
104
b) Die Form der Versorgungsleistung ............................
105
c) Die Schließung einer Sozialeinrichtung .......................
106
d) Die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nach abstrakten Merkmalen ............................................
108
e) Zusammenfassung ..............................................
112
2. Die Ableitung eines für alle freiwilligen vermögenswerten Arbeitgeberleistungen geltenden allgemeinen Rechtsgedankens aus § 88 Nr. 2 BetrVG? .......................... ................ ...........
112
111. Ergebnis zu § 5 ............................................................
115
Dritter Teil Schlußbetrachtungen § 6 Die Auswirkungen der Theorie vom mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen für die betriebliche Praxis ......................................................
116
I. Der Begriff "Dotierungsrahmen" .........................................
117
11. Die Festlegung des Dotierungsrahmens durch den Arbeitgeber........
121
III. Der Dotierungsrahmen als Ergebnis unternehmerischer Planung.......
121
IV. Die Einhaltung des Dotierungsrahmens bei der Einführung einer betrieblichen Sozialleistung ......................................................
125
A. Der Dotierungsrahmen als Obergrenze der finanziellen Auswirkungen des Betriebsratsmodells ............ .. .. . . . . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
125
B. Die Berechnung der finanziellen Auswirkungen des Betriebsratsvorschlags .................................................................
126
C. Der Vergleich der finanziellen Auswirkungen des Betriebsratsmodells mit dem arbeitgeberseitig festgesetzten Dotierungsrahmen ..
128
l. Der Dotierungsrahmen als einheitlicher Gesamtbetrag ..........
128
Inhaltsverzeichnis 2. Der Dotierungsrahmen als Zahlungsreihe
13 128
a) Die Zahlungsreihe als Vergleichsgegenstand .................
129
b) Die Methoden zur Vergleichbarmachung der Zahlungsreihen
129
aa) Der Vergleich der Durchschnittswerte ...................
130
bb) Der Vergleich der Gesamtbarwerte .......................
130
V. Die Einhaltung des Dotierungsrahmens bei der Änderung einer betrieblichen Sozialieistung ......................................................
133
A. Der bei der Änderung einer betrieblichen Sozialieistung maßgebliche Dotierungsrahmen .....................................................
133
1. Die Umgestaltung einer betrieblichen Sozialleistung auf Initiative des Arbeitgebers ...................................................
133
2. Die Umgestaltung einer betrieblichen Sozialleistung auf Initiative des Betriebsrats ...................................... . . . . . . . .. . .. . .
134
B. Die Berechnung der finanziellen Auswirkungen des Änderungsverlangens des Betriebsrats und ihr Vergleich mit dem arbeitgeberseitig festgelegten Dotierungsrahmen .......................................
135
VI. Die Neuregelung einer betrieblichen Sozialleistung zwecks Anpassung des Leistungsvolumens an den bei der Einführung der Leistung vorausgesetzten Dotierungsrahmen ..............................................
136
VII. Abschließende Würdigung der Theorie vom "mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen" ........................................................
140
§ 7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse........................ .........
141
Literaturverzeichnis ................................................................
145
Abkürzungsverzeichnis anderer Ansicht Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung Absatz Archiv für die civilistische Praxis Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Arb. Gr. = Arbeitsrechtlicher Grundriß = Arbeitsrecht-Blattei AR-BI. ArbRGeg. = Das Arbeitsrecht der Gegenwart arg. e = argumentum e Art. = Artikel Aufl. = Auflage AuR = Arbeit und Recht BAG = Bundesarbeitsgericht BB = Der Betriebs-Berater = Band Bd. Beil. = Beilage Beschl. = Beschluß BetrAV = Betriebliche Altersversorgung BetrAVG = Gesetz über die betriebliche Altersversorgung BetrVG = Betriebsverfassungsgesetz BetrVR = Betriebsverfassungsrecht BGB = Bürgerliches Gesetzbuch = Blatt BI. BIStSozArbR = Blätter für Steuern, Sozialversicherung und Arbeitsrecht BPersVG = BundespersonaIvertretungsgesetz BR Bundesrat BT Bundestag Buchst. Buchstabe BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE = Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts = beziehungsweise bzw. CDU = Christlich-Demokratische Union CSU = Christlich-Soziale Union DB = Der Betrieb ders. = derselbe dgl. = dergleichen Diss. = Dissertation
a. A. ABA Abs. AcP AP
= = = = =
Abkürzungsverzeichnis Drucks. Ein!. etc. e.V. EzA f. FDP ff. FG Fn. FS GewO GG ggfls. GK Halbbd. Hrsg. idR ieS iS IuR i.V. JA LAG !. Sp. mwN n. F. NJW Nr. Nm. NZA o.g. RdA Rdnr. r. Sp.
S.
SAE sog. SPD Teilurt. u.a. Urt. u.U. v. vg!.
= Drucksache = Einleitung = et cetera = eingetragener Verein Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht folgende (Singular) Freie Demokratische Partei folgende (Plural) Festgabe Fußnote Festschrift Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Halbband Herausgeber in der Regel im engeren Sinne im Sinne Informatik und Recht in Verbindung = Juristische Ausbildung Landesarbeitsgericht linke Spalte mit weiteren Nachweisen neuer Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht oben genannte(r) Recht der Arbeit Randnummer, Randnummern rechte Spalte Seite, Seiten Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen sogenannte(r) Sozialdemokratische Partei Deutschlands Teilurteil unter anderen(m) Urteil unter Umständen von, vom vergleiche
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WiR z.B. ZfA ZthF zit.
Abkürzungsverzeichnis Wirtschaftsrecht zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung zitiert
Erster Teil
Grundlagen § 1 Einführung und Problemaufriß GratifIkationen, Jahressonderzahlungen, Jubiläumszuwendungen, Arbeitgeberdarlehen, Wettbewerbsprämien und insbesondere Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind typische Erscheinungsformen des modernen Arbeitsverhältnisses. Sie haben gemeinsam, daß sie vom Arbeitgeber neben der gewöhnlichen Vergütung in Form der laufenden Bezüge (Lohn, Gehalt, Zulagen etc.) gezahlt werden; sie dienen nicht der unmittelbaren Abgeltung einer bestimmbaren Arbeitsleistung. Allgemein pflegt man diese Leistungen unter dem etwas unscharfen Sammelbegriff der betrieblichen Sozialleistungen zusammenzufassen 1. Auch wenn diese betrieblichen Sozialleistungen 2 aus freiwilligem Entschluß des Arbeitgebers erbracht werden, so stellen sie keine Schenkung dar. Sie sind direkte Zuwendungen in Form von Geld- oder Sachleistungen oder sonstige Vergünstigungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses aus besonderem Anlaß gewährt 3. Ihr Rechtsgrund ist das Arbeitsverhältnis, diesem werden sie zugeordnet. Damit verbietet es sich, sie als unentgeltliche Zuwendungen aufzufassen. Betriebliche Sozialleistungen haben Entgeltcharakter, sie sind Arbeitsentgelt im weiteren Sinne 4 • Die ,,Freiwilligkeit" der Leistung führt auch nicht dazu, daß der Arbeitgeber sich bei der Bemessung und Gewährung der Leistungen in einem rechts freien und damit unkontrollierbaren Bereich befIndet. Im Gegenteil, der Arbeitgeber unterliegt einer Rechtsbindung, und dies sowohl im Individualarbeitsrecht als auch im Betriebsverfassungsrecht. Für den Bereich des Individualarbeitsrechts sei hier nur auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und den Grundsatz der betrieblichen Übung hingewiesen. Im Betriebsverfassungsrecht wird die Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers über die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, insbesondere über das Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG begrenzt. Nimmt nämlich der Arbeitgeber in einer nach § 87 BetrVG mitbestimmungspflichtigen AngeleVgl. nur lahnke, ZfA 1980,863 ff. (863). Weitere Beispiele siehe BAG, Beschl. v. 10.6.1986 - 1 ABR 65/84 -, AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 3 Vgl. lahnke, ZfA 1980, 863 ff. (870). 4 Vgl. nur Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 404; lahnke, ZfA 1980, 863 ff. (870 f.); Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (8mwN). 1
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2 Magula-Lösche
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§ 1 Einführung und Prob1emaufriß
genheit eine Gestaltung ohne Zustimmung des Betriebsrats vor, so handelt er betriebsverfassungs widrig. Beteiligt der Arbeitgeber den Betriebsrat und kommt zwischen ihm und dem Betriebsrat keine Einigung zustande, so entscheidet die Einigungsstelle, deren Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, § 87 Abs. 2 BetrVG. Zentrale Bedeutung kommt im Recht der Mitbestimmung des Betriebsrats bei zusätzlichen betrieblichen Sozialleistungen des Arbeitgebers § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG zu. Nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung mitzubestimmen. Nach der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum hat dieser Mitbestimmungstatbestand den Charakter einer Generalklausel, so daß er nicht nur die unmittelbaren synallagmatischen Rechtsbeziehungen betrifft, also das Austauschverhältnis zwischen Leistung und Entgelt im engeren Sinne, sondern alle Formen der Vergütung aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses, und zwar auch insoweit, als sie derzeit noch gar nicht bekannt sind 5 • Es besteht daher heute im wesentlichen Einigkeit darüber, daß der "Lohn" bzw. die ,,Entlohnung" iS von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG Sonderformen der Vergütung, wie z. B. Jahressonderzahlungen, Gratifikationen, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, sofern sie nicht aus einem zweckgebundenen Sondervermögen erbracht werden, einschließen. Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats steht nicht entgegen, daß es sich bei den meisten betrieblichen Sozialleistungen um sog. freiwillige Leistungen handelt. Die Freiwilligkeit der Leistung schließt das Mitbestimmungsrecht nicht aus; nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und nach der herrschenden Auffassung im Schrifttum muß ihr allerdings durch entsprechende Schranken des Mitbestimmungsrechts Rechnung getragen werden: Ob überhaupt finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, welchen Umfang sie haben, welcher Zweck mit ihnen verfolgt wird und welcher Personenkreis begünstigt werden soll, entzieht sich der Mitbestimmung des Betriebsrats 6 • Bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung entscheidet 5 Vgl. nur BAG, Beschlüsse v. 12.6.1975 3 ABR 13/74 -, - 3 ABR 137/73 -, AP Nr. 1 und 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Besehl. v. 18.3.1976 - 3 ABR 32/75 -, AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Urt. v. 4.5.19823 AZR 1202/79 -, AP Nr.6 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Besehl. v. 9.12.1980 - 1 ABR 80/77 -, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Dietz I Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 515 f.; Fitting I Auffahrt I Kaiser I Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 122; Galperin I Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr.218 e; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 319; Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 409. 6 Vgl. nur BAG, Beschlüsse vom 12.6.1975 3 ABR 13/74 -, - 3 ABR 137/ 73 -, - 3 ABR 66/74 -, AP Nr. 1-3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Besehl. v. 18.3.1976 - 3 ABR 32/75 -, AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Besehl. v. 9.12.1980-1 ABR 80/77 -,APNr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Dietz I Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 520; Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 445 ff.; Fitting I Auffahrt I Kaiser I Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 126 f.
§ 1 Einführung und Problemaufriß
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der Arbeitgeber zudem noch mitbestimmungsfrei über die Versorgungsform 7. Mitzubestimmen hat der Betriebsrat nur über die Modalitäten der Leistungsgewährung. Hierzu gehört insbesondere die Aufstellung des sog. Leistungs- bzw. Verteilungsplans 8 • Im Rahmen der Mitbestimmung bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat nach herrschender Meinung auch ein Initiativrecht, kraft dessen er von sich aus an den Arbeitgeber herantreten kann, um eine Regelung herbeizuführen, und zu deren Erreichung er notfalls die Einigungsstelle anrufen kann. Das Initiativrecht soll allerdings nur in dem Umfang bestehen, in dem der Betriebsrat zur Mitbestimmung berechtigt ist 9 • Der Betriebsrat kann den Arbeitgeber also nicht zwingen, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Auch kann er durch Anrufung der Einigungsstelle weder eine Erhöhung des Leistungsumfangs noch eine Änderung der Zweckbestimmung einschließlich der abstrakten Abgrenzung der begünstigten oder zu begünstigenden Personen erreichen. Über die Einigungsstelle kann der Betriebsrat demnach die Erstellung eines bestimmten Leistungsplans bzw. die Änderung eines bereits bestehenden Leistungsplans nur insoweit erzwingen, als die mitbestimmungsfrei vorgegebenen Arbeitgeberentscheidungen nicht berührt werden 10. Diese Lehre von der Beschränkung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, die in der Literatur 11 zuweilen mit dem zwar nicht ganz zutreffenden 12, aber doch recht plastischen Ausdruck "Topftheorie" bezeichnet wird, wirft Probleme auf, wenn bereits vertraglich begründete Ansprüche auf Sozialleistungen im Wege der Betriebsvereinbarung umstrukturiert werden sollen. Eine Änderung des Leistungsplans innerhalb der vom Arbeitgeber vorgegebenen Daten kann nämlich nur eine Umverteilung der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mittel innerhalb des abstrakt abgegrenzten Personenkreises sein. Verbesserungen Vg!. nur BAG, Beschlüsse vom 12.6.1975 - 3 ABR 13/74 -, - 3 ABR 137/ 3 ABR 66/ /74 -, AP Nr. 1- 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 8 Vg!. nur BAG, Beschlüsse vom 12.6.1975 3 ABR 13/74 -, - 3 ABR 137/ 73 -, - 3 ABR 66/74 -, AP Nr. 1- 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Besch!. v. 9.12.1980 - 1 ABR 80/77 -, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Dietz / Richardi. BetrVG, § 87 Rdnr. 521. 9 Vg!. nur BAG, Beschlüsse v. 12.6.1975 3 ABR 13/74 -, - 3 ABR 137/73 -, - 3 ABR 66/74 -, AP Nr. 1-3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Besch!. v. 8.12.1981 - 1 ABR 55/79 - . AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie; Dietz / Richardi. BetrVG, § 87 Rdnr. 39, 42 und 449. 10 Vg!. BAG, Besch!. v. 16.9.1986 - GS 1/82 -, DB 1987,383 ff. (387); Besch!. v. 12.6.1975 - 3 ABR 13/74 -, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Dietz / Richardi. BetrVG, § 87 Rdnr. 523; Stege / Weinspach. BetrVG, § 87 Rdnr. 172 a. 11 Vg!. nur Hanau. BB 1977,350 ff. (351); Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither. § 87 Rdnr. 127; Jahnke. ZfA 1980, 863 ff. (893). 12 Nicht völlig zutreffend ist dieser Ausdruck deshalb, weil nicht nur der Dotierungsrahmen, also der Topf, sondern auch die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises sowie die Zweckbestimmung der Mitbestimmung des Betriebsrats entzogen sein sollen und diese zuletzt genannten Aspekte vom Begriff "Topftheorie" nicht hinreichend erfaßt werden. 7
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§ 1 Einführung und Problemaufriß
bei einem Teil der Arbeitnehmer müssen sich dann zwangsläufig zum Nachteil anderer Arbeitnehmer auswirken. Nach gefestigter Rechtsprechung und Lehre können bereits bestehende vertraglich begründete Ansprüche jedoch nicht nachträglich durch Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung verschlechtert werden. Es gilt das Günstigkeitsprinzip 13. Sollte nun das Günstigkeitsprinzip im Betriebsverfassungsrecht seine Wirkungen ebenso wie im Tarifrecht auf der Grundlage eines individuellen Günstigkeitsvergleichs entfalten, wären also alle individuellen Rechtspositionen durch das Günstigkeitsprinzip geschützt, so würden einerseits der Dotierungsrahmen und andererseits die vertraglichen Zusagen Fixpunkte bilden, die dem Betriebsrat nur noch einen eingeschränkten Regelungsspielraum belassen 14. Eine Besserstellung einzelner Arbeitnehmer, die die vertraglich begründete Position anderer Arbeitnehmer unberührt läßt, könnte der Betriebsrat nämlich nicht verlangen, weil er sich den mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen entgegenhalten lassen muß. Eine Verschlechterung der Position einzelner Arbeitnehmer zugunsten anderer müßte am Günstigkeitsprinzip scheitern. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats müßte zwangsläufig leerlaufen. Damit würde die betriebliche Mitbestimmung letztlich zur Disposition des Arbeitgebers stehen; denn dieser hätte es in der Hand, unter Umgehung des Mitbestimmungsrechts Verträge über betriebliche Sozialleistungen abzuschließen und so irreversible Fakten zu schaffen. Auch um dieses Ergebnis zu vermeiden, hat der Große Senat des BAG in seinem Beschluß vom 16. September 1986 15 entschieden, daß vertraglich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer auf Sozialleistungen, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage zurückgehen, durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in den Grenzen von Recht und Billigkeit beschränkt werden können, wenn die Neuregelung insgesamt bei kollektiver Betrachtung nicht ungünstiger ist. In dieser Entscheidung hat das BAG nicht nur von der Theorie der Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Maßnahmen, die unter Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht zustandegekommen sind, zumindest für den Fall Abstand genommen, daß die Durchführung der Maßnahme den Arbeitnehmer begünstigt 16. Es hat zudem zum Zweck der Sicherung des Mitbe-
13 So BAG, Besch!. v. 16.9.1986 GS 1/82 - , DB 1987,383 ff. (386); Belling, DB 1982, 2513 ff. (2514); Däubler, AuR 1984, 1 ff. (9 ff.); Dietz / RiclUlrdi, BetrVG, § 77 Rdnr. 98; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 77 Rdnr. 40 a; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 77 Rdnr. 94; v. Hoyningen-Huene, BetrVR, S. 150 f.; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 224; RiclUlrdi, Kollektivgewalt, S. 368; ders., RdA 1983, 201 ff. (217); Säcker, ZfA 1972, Sonderheft, 41 ff. (51 ff.); Schulin, DB 1984, Bei!. Nr. 10,1 ff. (3); Stege / Weinspach, BetrVG, § 77 Rdnr. 30; Zöllner, Arbeitsrecht, S. 434; die Geltung des Günstigkeitsprinzips im Betriebsverfassungsrecht wird demgegenüber grundsätzlich in Frage gestellt von Hess / SchloclUluer / Glaubitz, BetrVG, § 77 Rdnr. 51 und Leinemann, DB 1985, 1394 ff. (1395). 14 So zutreffend Belling, DB 1987, 1888 ff. (1890). 15 GS 1/82 - , DB 1987,383 ff.
§ 1 Einführung und Problemaufriß
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stimmungsrechts des Betriebsrats die Unwirksamkeitstheorie bei arbeitsvertraglichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen durch die Theorie vom kollektiven Günstigkeitsvergleich abgelöst. Die Vertragspositionen der einzelnen Arbeitnehmer stehen nun grds. genau in dem Umfang zur Disposition des Betriebsrats, wie sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG reicht I? Diese Rechtsprechung muß auf Bedenken stoßen. Über die Figur des kollektiven Günstigkeitsvergleichs hat das Gericht den Betriebspartnern eine Regelungskompetenz zu Lasten einzelner Arbeitnehmer eingeräumt. Es hat der kollektiven Regelungsmacht den Vorzug vor der Privatautonomie eingeräumt und damit ermöglicht, daß die Tätigkeit des Betriebsrats eine von den Interessen der Arbeitnehmer abgehobene Eigendynamik entwickelt. Das ist angesichts der Tatsache, daß § 75 Abs. 2 BetrVG die Betriebspartner auf den Schutz und die Förderung der freien Entfaltung der Persönlichkeit der einzelnen Arbeitnehmer verpflichtet und damit die Betriebsautonomie teleologisch auf die Privatautonomie ausrichtet 18, ein unvertretbares Ergebnis. Zu Recht ist diese Rechtsprechung auf Widerstand gestoßen 19. Eine Ablösung von arbeitsvertraglichen Einheitsregelungen bzw. Gesamtzusagen durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung zulasten einzelner Arbeitnehmer kommt daher auch dann nicht in Betracht, wenn die Neuregelung insgesamt bei kollektiver Betrachtung nicht ungünstiger ist. Da nach alledem die vertraglichen Zusagen Fixpunkte bilden, d. h. einer Ablösung durch eine verschlechternde Betriebsvereinbarung nicht zugänglich sind, ist zu überlegen, ob das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht auf einem anderen Wege gesichert werden kann. Hier stellt sich konkret die Frage, ob mit dem Bundesarbeitsgericht und der herrschenden Meinung im Schrifttum tatsächlich davon auszugehen ist, daß der Betriebsrat bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nur über die Verteilung der Mittel innerhalb der vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Entscheidungen mitbestimmt. Dieser Frage soll im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung nachgegangen werden.
16 Vgl. DB 1987, 383 ff. (389); bestätigt durch BAG, Urt. v. 26.4.1988 3 AZR 168/86 - , DB 1988,2411 ff. (2412); zu der vom BAG in vorangegangenen Entscheidungen vertretenen uneingeschränkten Unwirksamkeitstheorie vgl. nur Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 74 mwN; gegen die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung zu Recht vor allem Schlüter, DB 1972, 139 ff. (143). 17 Vgl. nur Belling, DB 1987, 1888 ff. (1890). 18 Daß die Mitbestimmung des Betriebsrats teleologisch auf die Privatautonomie ausgerichtet ist, wird ausdrücklich von Richardi, NZA 1987, 185 ff. (187) und Belling, DB 1987, 1888 ff. (1891) befürwortet. 19 Zur Diskussion um den kollektiven Günstigkeitsvergleich vgl. nur Belling, DB 1987, 1888 ff.; Blomeyer, DB 1987,634 ff.; Däubler, AuR 1987,349 ff.; Gamillscheg, ArbRGeg., Bd. 25 (1987),49 ff.; Hromadka, NZA 1987, Beil. Nr. 3, 2 ff.; Kemper, DB 1987,986 ff.; Moll, NZA 1988, Beil. Nr. 1, 17 ff.; Richardi, NZA 1987, 185 ff.
§ 2 Die Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum zum Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG I. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Angesichts des Stellenwertes, den die freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen im modemen Arbeitsverhältnis einnehmen, verwundert es, daß das BAG erst seit 1980 vermehrt über Inhalt und Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei derartigen Leistungen zu befinden hatte. Vor diesem Zeitpunkt sind nur sehr wenige Entscheidungen zu dieser Frage zu verzeichnen, die zudem das Sondergebiet der betrieblichen Altersversorgung betreffen. Auch wenn diese Beschlüsse sich nur mit einern Ausschnitt aus dem weiten Bereich betrieblicher Sozialleistungen befassen, so sind sie für die Rechtsprechung des BAG zur Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen überhaupt von grundsätzlicher Bedeutung. Sie bilden das Fundament, auf dem das Gericht seine spätere Rechtsprechung aufgebaut hat. Die Entwicklung der Rechtsprechung des BAG kann anband weniger Entscheidungen nachvollzogen werden. A. Die Beschlüsse des BAG vom 12. Juni 1975 zum Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der betrieblichen Altersversorgung Am Anfang der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG stehen drei im wesentlichen gleichlautende Beschlüsse vorn 12. Juni 1975 1 zur Mitbestimmung in der betrieblichen Altersversorgung. Das Gericht hat in diesen Beschlüssen entschieden, daß dem Betriebsrat bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die nicht aus einern zweckgebundenen Sondervermögen gewährt werden, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zusteht. Dieses Mitbestimmungsrecht soll nach Ansicht des BAG allerdings nicht umfassend sein, vielmehr soll der Arbeitgeber vier Vorentscheidungen frei treffen können, ehe das Beteiligungsrecht des Be1 -
3 ABR 13/74 -, - 3 ABR 137/73 -, - 3 ABR 66/74 -, AP Nr. 1-3 zu
§ 87 BetrVG 1972 Altersversorgung.
I. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
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triebsrats einsetzt. Zu den mitbestimmungsfreien Vorentscheidungen zählt das Gericht zunächst die Entscheidung des Arbeitgebers darüber, ob er überhaupt finanzielle Mittel für den Zweck der betrieblichen Altersversorgung einsetzen will. Das bedeutet, daß nicht nur die Einführung, sondern auch die Einschränkung und Abschaffung von Versorgungsleistungen nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Weiterhin soll der Arbeitgeber frei darüber befinden können, in welchem Umfang er diese Mittel zur Verfügung stellt (Dotierungsrahmen), und dies sowohl bei der Einführung als auch im weiteren Verlauf der betrieblichen Altersversorgung. Schließlich sollen auch die Entscheidungen über die Form, in der eine betriebliche Altersversorgung durchgeführt wird (Wahl zwischen Direktzusagen und Direktversicherung) und die abstrakte Abgrenzung des Arbeitnehmerkreises, der Versorgungsleistungen erhalten soll einschließlich der Wartezeitregelungen zu den mitbestimmungsfreien unternehmerischen Grundsatz-Entscheidungen gehören. Wenn das Gericht auch ausdrücklich nur von vier mitbestimmungsfreien Vorentscheidungen des Arbeitgebers spricht, so geht aus der Urteilsbegründung jedoch hervor, daß das Recht des Arbeitgebers, mitbestimmungsfrei die abstrakte Abgrenzung des begünstigten Personenkreises vorzunehmen, letztlich Ausfluß dessen ist, daß der Arbeitgeber berechtigt ist, den Zweck seiner Leistung einseitig festzulegen 2. Durch die Mitbestimmung des Betriebsrats über den begünstigten Personenkreis, so führt das Gericht aus, dürfe die Zweckverfolgung nicht verschoben werden 3 • Damit gehört auch die Zweckbestimmung zu den mitbestimmungsfreien Vorentscheidungen des Arbeitgebers und damit ist der Arbeitgeber bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung letztlich in fünffacher Hinsicht nicht an das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gebunden. Innerhalb des durch diese Vorgaben abgegrenzten Rahmens hat das BAG dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung eingeräumt. Hierzu gehört nach Ansicht des Gerichts insbesondere die Aufstellung des sog. Leistungs- bzw. Verteilungsplans, d.h. des Plans, der im Rahmen der mitbestimmungsfreien Vorgaben Regelungen darüber enthält, unter welchen Voraussetzungen welche Arbeitnehmer welche Leistungen erhalten 4 • Das Recht zur Mitbestimmung bei der Vergabe von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG soll auch das sog. Initiativrecht einschließen, kraft dessen der Betriebsrat von sich aus an den Arbeitgeber herantreten kann, um eine Regelung zu erzwingen, und zu deren Durchsetzung 2 Daß die Festlegung des begünstigten Personenkreises als mitbestimmungsfreie Maßnahme dazu dient, die unternehmerische Freiheit bei der Zwecksetzung zu gewährleisten, wird vom BAG in seinem Urteil vom 26.4.1988 (- 3 AZR 168/86 - , DB 1988, 2411 ff. (2412) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Beschluß des 3. Senats vom 12. Juni 1975 (- 3 ABR 13/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung) nochmals betont. 3 Vgl. AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, B 6 d) der Gründe; vgl. dazu auch Buchner, DB 1983, 877 ff. (880). 4 Zum Begriff des Leistungsplans vgl. nur Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 355 mwN.
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§ 2 Die Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum
er gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG notfalls die Einigungsstelle anrufen kann. Das Initiativrecht darf nach Ansicht des 3. Senats jedoch nicht mißbräuchlich ausgeübt werden. Will die Arbeitnehmervertretung im Rahmen ihrer Mitbestimmung bei der Gestaltung des Leistungsplans erreichen, daß die Leistungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen verbessert werden, so muß sie darlegen, wie der vom Arbeitgeber vorgegebene Dotierungsrahmen gewahrt werden kann. Diese soeben geschilderten Einschränkungen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats ergeben sich der Auffassung des 3. Senats zufolge aus den Besonderheiten der Versorgungsleistungen, insbesondere aus deren Freiwilligkeit. Sie sind im wesentlichen aus der Entwicklung der Rechtsprechung zu § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG zu erklären 5. Der 1. Senat hatte bereits in seiner Entscheidung vom 13. März 1973 6 betont, daß die Errichtung und Schließung von Sozialeinrichtungen und damit auch ihre Zweckbestimmung und materielle Ausstattung, wie sich aus § 88 Nr. 2 BetrVG ergebe, nicht dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG unterliegt. Damit hatte das Gericht die Schranken der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG festgelegt. In seinen Beschlüssen vom 12. Juni 1975 7 hat der 3. Senat dann nicht nur die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die nicht aus einem zweckgebundenen Sondervermögen gewährt werden, der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterworfen und damit eine "Lücke im System der betrieblichen Mitbestimmung" geschlossen 8. Er hat auch die für § 87 Abs. 1 Nr.8 BetrVG geltenden Schranken der Mitbestimmung auf § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG übertragen. Zur Begründung verweist der 3. Senat auf den teleologischen Zusammenhang von Abs. 1 Nr. 10 des § 87 BetrVG mit Abs. 1 Nr.8 des § 87 BetrVG i.V. mit § 88 Nr. 2 BetrVG. Aus einer systemgerechten Auslegung des § 88 Nr. 2 BetrVG ergebe sich, so führt das Gericht aus, daß die "Entschließungsfreiheit des Arbeitgebers, ob und inwieweit er zusätzliche Leistungen an die Belegschaft erbringen will, durch die Mitbestimmungsrechte des § 87 BetrVG 1972 nicht beschnitten werden" solle. Soweit die Entschließungsfreiheit des Arbeitgebers reiche, seien zwar freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG 1972 möglich, mit Hilfe der Einigungsstelle könne in diesem Bereich eine Regelung vom Betriebsrat jedoch nicht erzwungen werden.
So auch Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 127. 1 ABR 16/72 -, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnungen. In dieser Entscheidung greift der 1. Senat allerdings noch auf seine zu § 56 BetrVG 1952 entwickelte Auffassung zurück, wonach sich die Beschränkung des Mitbestimmungsrechts aus der Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Arbeitsbedingungen ergibt, vg!. dazu nur Besch!. v. 6.12.1963 - 1 ABR 9/63 - und Besch!. v. 22.1.1965 - 1 ABR 9/64 -, AP Nr. 6 und 7 zu § 56 BetrVG Wohlfahrtseinrichtungen. 7 3 ABR 13/74 -, - 3 ABR 137/73 -, - 3 ABR 66/74 -, AP Nr. 1-3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 8 Vgl. hierzu Richardi, JA 1975,761 ff. (767); ders., ZfA 1976, 1 ff. (16). 5
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Bedeutsam im Zusammenhang mit der Problematik der mitbestimmungsfreien Vorentscheidungen des Arbeitgebers sind in den o.g. Beschlüssen vom 12. Juni 1975 auch die Ausführungen des BAG zu § 75 BetrVG. Hier stellt der 3. Senat heraus, daß der Betriebsrat nicht auf die Beteiligung an Regelungsfragen beschränkt ist. Er gibt dem Betriebsrat vielmehr das Recht, jede Versorgungsordnung auf ihre Vereinbarkeit mit § 75 BetrVG zu überprüfen. Soweit der Betriebsrat hierbei eine Verletzung von Recht und Billigkeit iS von § 75 BetrVG feststelle, könne und müsse er Abhilfe fordern. Hieraus folgert das Gericht, daß die unternehmerischen Grundsatz-Entscheidungen des Arbeitgebers, insbesondere die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises und der entsprechende Dotierungsrahmen nicht unabänderlich sein sollen. Damit räumt der 3. Senat dem Betriebsrat eine Einflußnahmemöglichkeit auf den ansonsten mitbestimmungsfreien Bereich ein. Auf welchem Wege sich diese Einflußnahme vollziehen soll, sagt das BAG allerdings nicht ausdrücklich. Welche Bedeutung dem § 75 BetrVG im Hinblick auf die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zukommen soll, läßt sich auch aus der Gesamtschau der Beschlüsse nicht eindeutig schließen 9. Auf der einen Seite könnte man die Ausführungen des 3. Senats nämlich durchaus so verstehen, daß der Betriebsrat nicht verpflichtet sein soll, an einer Recht und Billigkeit nicht entsprechenden Betriebsvereinbarung, hier der Versorgungsordnung, mitzuwirken. Eine solche Sichtweise müßte aber zwangsläufig dazu führen, dem Betriebsrat über die Regelung des § 75 BetrVG das Recht einzuräumen, die Einigungsstelle auch im ansonsten mitbestimmungsfreien Bereich anzurufen. Auf der anderen Seite spricht die Formulierung des BAG, der Betriebsrat habe das Recht, ,jede Versorgungsordnung auf ihre Vereinbarkeit mit § 75 BetrVG zu überprüfen", dafür, daß der Betriebsrat über § 75 BetrVG lediglich auf eine Änderung einer bereits bestehenden Versorgungsordnung hinwirken kann. Das würde bedeuten, daß das Gericht dem Betriebsrat die Befugnis zur Rechtskontrolle im Mitbestimmungsverfahren nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG selbst versagt. Da der 3. Senat jedoch über das Verhältnis von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu § 75 BetrVG keine dezidierten Aussagen trifft, kann für die Beschlüsse vom 12. Juni 1975 nur festgehalten werden, daß der Betriebsrat die Möglichkeit haben soll, über eine Rechtmäßigkeitskontrolle nach § 75 BetrVG die Gründungsentscheidungen des Arbeitgebers zu verändern.
9 Zu den unterschiedlichen Deutungsversuchen vgl. nur Richardi, Anmerkung zu BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Steindorff, Anmerkung zu BAG AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Hanau, BB 1976,91 ff. (93).
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§ 2 Die Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum
B. Die Entscheidungen des BAG zum Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei sonstigen freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen Während der 3. Senat in seinen Beschlüssen zur Mitbestimmung in der betrieblichen Altersversorgung es noch ausdrücklich offengelassen hatte, wie der mitbestimmungsfreie Bereich bei anderen Vergütungsformen und damit auch bei sonstigen Vorteilsgewährungen abzugrenzen ist, hat der 1. Senat in seinem Beschluß vom 9. Dezember 1980 10 zur Gewährung zinsgünstiger Darlehen entschieden, daß die vom 3. Senat zur betrieblichen Altersversorgung entwickelten Grundsätze auch für andere freiwillige betriebliche Sozialleistungen gelten sollen. Der 1. Senat grenzt nicht nur den Begriff der betrieblichen Lohngestaltung entsprechend der Auffassung des 3. Senats ab und gelangt so zu dem Ergebnis, daß alle sonstigen betrieblichen Sozialleistungen Teil der betrieblichen Lohngestaltung sind. Er greift auch bezüglich des Umfangs betrieblicher Mitbestimmung ausdrücklich die in den Beschlüssen vom 12. Juni 1975 aus der "Freiwilligkeit" abgeleitete Beschränkung des Mitbestimmungsrechts auf. Die Entschließungsfreiheit des Arbeitgebers, ob und inwieweit er zusätzliche Leistungen erbringen will, werde durch die Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG nicht beschnitten. Daraus folgert das Gericht, daß die Zweckbestimmung der Darlehensrichtlinien und der finanzielle Rahmen, der dafür zur Verfügung gestellt wird, nicht der Mitbestimmung unterliegen. Nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen sollen nach dem Beschluß des 1. Senats vom 30. März 1982 11 der finanzielle Rahmen und die Zweckbestimmung auch bei der Veranstaltung von Wettbewerben, bei denen den Gewinnern als geldwerter Vorteil eine Reise gewährt wird. Auch nach dieser Entscheidung hat der Betriebsrat nur darüber mitzubestimmen, wie im Rahmen der mitbestimmungsfreien Vorgaben des Arbeitgebers die Regelung im einzelnen zu gestalten ist. Dem mitbestimmungsfreien unternehmerischen Entscheidungsbereich will der 1. Senat die Frage, ob ein solcher Wettbewerb überhaupt durchgeführt werden soll, allerdings nicht zuordnen. Das Gericht meint, daß durch den Wettbewerb das bisherige Entlohnungssystem zwar unangetastet bleibe, die geltenden Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden für einen bestimmten Zeitraum aber erweitert und ergänzt würden, so daß sich das Gesamtsystem der Lohngestaltung ändere. Angesichts des Zwecks der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der betrieblichen Lohngestaltung, nämlich der Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit, müsse der Betriebsrat dann darüber mitbestimmen, ob Arbeitnehmer, nur weil sie vornehmlich bestimmte Geräte vertreiben, letztlich eine höhere Vergütung erhalten als solche Arbeitnehmer, die mit gleichem oder gar höherem Einsatz andere Geräte verkaufen. Insoweit soll dem Betriebsrat ein 10 II -
1 ABR 80/77 -, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 1 ABR 55/80 -, AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung.
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Zustimmungsverweigerungs- bzw. Vetorecht zukommen 12. Das Recht zur Mitbestimmung über die Durchführung des Wettbewerbs soll den Betriebsrat demnach nicht in die Lage versetzen, eine freiwillige Leistung zu erzwingen 13; es soll der Arbeitnehmervertretung aber die Möglichkeit geben, die freiwillige Arbeitgeberleistung dann zu verhindern, wenn sie mit den mitbestimmungsfreien Vorgaben des Arbeitgebers insbesondere über die Abgrenzung des begünstigten Arbeitnehmerkreises und den Zweck der Leistung nicht einverstanden ist. Der Beschluß vom 30. März 1982 wirft insofern Probleme auf, als offen bleibt, ob das Vetorecht lediglich bei der Einführung von Wettbewerbsprämien, möglicherweise wegen der Abhängigkeit des Gewinns von der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers 14, oder infolge der Gleichsetzung der Wettbewerbsprämie mit den betrieblichen Versorgungsleistungen hinsichtlich ihrer Qualität als Entgelt, generell bei der Einführung betrieblicher Sozialleistungen bestehen solll5. Daß die Grundsätze, die der 1. Senat zum Umfang betrieblicher Mitbestimmung beim "Ob" der Leistung für die Wettbewerbsprämien entwickelt hat, für andere, von der Arbeitsleistung unabhängige betriebliche Sozialleistungen keine Geltung beanspruchen sollen, geht dann allerdings aus dem Urteil des 1. Senats vom 9. Juli 1985 16 zum Umfang des Mitbestimmungsrechts bei kostenlosen Personalfahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte deutlich hervor. Nach dieser Entscheidung hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Ausgestaltung der Leistung nur, "wenn und solange der Arbeitgeber die freiwillige soziale Leistung erbringt". Diese Rechtsprechung hat der 1. Senat durch seinen Beschluß vom 10. Juni 1986 17 zum Mitbestimmungsrecht bei Mietzuschüssen und der Übernahme der Kosten für Familienheimflüge bestätigt. Den vorläufigen Schlußpunkt in der Entwicklung der Rechtsprechung des BAG zu den Grenzen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen bildet der Beschluß des 1. Senats des BAG vom 22. Oktober 1985 18 zur Mitbestimmung bei vom Arbeitgeber gewährter Ermäßi12 So verstehen auch Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 226 i; Heckelmann, Anmerkung zu BAG AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Lieb, ZfA 1988, 413 ff. (445); Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr.89 und Weiss, Anmerkung zu BAG AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung die Ausführungen des BAG. 13 Vgl. Beschl. v. 10.7.1979 1 ABR 88/77 - , AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 14 Das Gericht verweist in seinem Beschl. v. 30.3.1982 1 ABR 55/80 - , AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung auf seine Entscheidungen vom 10.7.1979 - 1 ABR 88/77 -, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung und vom 8. 12. 1981 - 1 ABR 55/79 - , AP Nr.l zu § 87 BetrVG 1972 Prämie, in denen es um den Umfang betrieblicher Mitbestimmung bei der Erbringung freiwilliger Leistungen ging, die der unmittelbaren Abgeltung einer bestimmbaren Arbeitsleistung dienten. 15 So interpretiert Weiss, Anmerkung zu BAG AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung die Entscheidung. 16 1 AZR 631/80 - , AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG. 17 1 ABR 65/84 - , AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 18 1 ABR 38/83 - , AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung.
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§ 2 Die Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum
gung von Flugscheinen. In dieser Entscheidung hat das Gericht seine gefestigte Rechtsprechung zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Aufstellung der Bezugsbedingungen näher präzisiert. Der Betriebsrat soll nicht nur beteiligt werden an der Abfassung der Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer die freiwilligen Leistungen in Anspruch nehmen können. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG soll sich ebenso auf Tatbestände beziehen, die zum Verlust sozialer Leistungen führen können. Deshalb habe der Betriebsrat auch darüber mitzubestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch des Arbeitnehmers erlöschen soll oder der Arbeitgeber von individualrechtlich zulässigen Widerrufsrechten Gebrauch machen darf.
C. Zusammenfassung Geht man von den vom Bundesarbeitsgericht in gefestigter Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen aus, so steht dem Betriebsrat bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beim "Ob" der Leistung, ihrem Umfang, der Zwecksetzung und der abstrakten Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nicht zu. Bei der betrieblichen Altersversorgung ist zudem die Form der Leistung mitbestimmungsfrei. Mitzubestimmen hat der Betriebsrat dann allerdings bei der Verteilung der Mittel innerhalb des so vorgegebenen Rahmens. Das Mitbestimmungsrecht beim Verteilungsplan schließt ein Initiativrecht ein. Eine Ausnahmestellung nehmen in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die betrieblichen Sozialleistungen ein, die im Rahmen eines Wettbewerbs als Wettbewerbsprämie zu erzielen sind. Hier soll dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch die Frage unterliegen, ob ein Wettbewerb überhaupt eingeführt werden soll; ein Initiativrecht soll dem Betriebsrat diesbezüglich allerdings nicht zustehen.
11. Die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte Von den Landesarbeitsgerichten hat sich, soweit ersichtlich, lediglich das LAG Bremen nicht vollständig der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angeschlossen l9 • In seinem Beschluß vom 27. Oktober 1978 20 geht das LAG zwar in Übereinstimmung mit dem BAG davon aus, daß der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei über das "Ob", den Umfang, die Form und den Zweck der Leistung entscheiden kann. Entgegen dem BAG folgert das LAG Bremen aus der Mitbestimmungsfreiheit der Zwecksetzung allerdings nicht, daß dem Betriebsrat bei 19 Übereinstimmend mit dem BAG beispielsweise LAG Hamm, Beschl. v. 22. 12. 1982 - 12 TaBV 53/82 -, DB 1983, 1985 f. (1986); LAG Düsseldorf, Beschl. v. 20.9.1977 - 11 TaBV 116/76 -, DB 1978, 701 f. (702) zur betrieblichen Altersversorgung; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 17.3.1983 - 2(3) Sa 548/82 -, BB 1984, 140 f. (141 in einem obiter dictum). 20 1 TaBV 5/78 -, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung.
III. Die Auffassungen in der Literatur
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der Abgrenzung des begünstigten Personenkreises ein Mitbestimmungsrecht nicht zusteht. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Bestimmung des begünstigten Arbeitnehmerkreises soll vielmehr nur insoweit ausgeschlossen sein, als dies die Sicherstellung des vom Arbeitgeber mit den zusätzlichen Leistungen verfolgten Zwecks unbedingt erfordert. Dies soll nach Ansicht des LAG nur bezüglich der vom Arbeitgeber abstrakt festgelegten Merkmale, die eine Arbeitnehmergruppe erfüllen muß, um in den Genuß der Zusatzleistungen zu gelangen (z. B. Vorliegen eines spezifischen Berufsrisikos), der Fall sein. Demnach stehe einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung des begünstigten Personenkreises innerhalb einer so konkret vorgegebenen Zielsetzung nichts im Wege.
111. Die Auffassungen in der Literatur Auch in der Literatur hat die Frage nach den Grenzen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen erst relativ spät Beachtung gefunden. Die Diskussion dieses Problems hat im wesentlichen im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Umfang betrieblicher Mitbestimmung bei der betrieblichen Altersversorgung aus dem Jahre 1975 eingesetzt. Vor diesem Zeitpunkt hat, soweit ersichtlich, lediglich Hanau 21 ein Konzept zur Abgrenzung von mitbestimmungsfreiem und mitbestimmtem Bereich bei freiwilligen Sozialleistungen entwickelt. Seiner Auffassung zufolge muß bei der Auslegung des Merkmals "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" iS von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG berücksichtigt werden, daß nur beim Leistungslohn nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG eine Mitbestimmung über die Höhe des Lohnes vorgesehen, während im Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beispielhaft nur von Entlohnungsmethoden und Entlohnungsgrundsätzen, aber nicht von Lohnsätzen die Rede sei. Die "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" könnten deshalb nicht die Höhe des Lohns oder die Einführung und die Höhe freiwilliger Sozialleistungen betreffen. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG komme daher lediglich bei den Modalitäten der Leistung in Betracht. Völlig ausscheiden soll nach Hanau das Mitbestimmungsrecht allerdings dann, wenn die Modalitäten der Leistung auch ihre Höhe betreffen 22 •
21 BB 1972, 499 ff. (499); Gester Ilsenhardt, die ebenfalls vor 1975 zum Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen Arbeitgeberleistungen Stellung nehmen, wollen allerdings solche Leistungen, die den Charakter als freiwillige Leistungen behalten haben, in denen sich also noch "lohnfremde Elemente" befinden, nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterwerfen, vgl. RdA 1974, 80 ff. (85). 22 Vgl. dann aber Hanau, RdA 1973,281 ff. (283), wo freiwillige Leistungen der Mitbestimmung ganz entzogen sein sollen.
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§ 2 Die Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum
A. Die Auffassung der herrschenden Meinung Die Literatur seit 1975 hat sich überwiegend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angeschlossen. Sie hält in Übereinstimmung mit dem BAG das "Ob" der Leistung, ihren Umfang, die Zwecksetzung, die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises und bei der betrieblichen Altersversorgung zudem die Form der Leistung für mitbestimmungsfrei und will nur die Verteilung der Mittel selbst innerhalb des so vorgegebenen Rahmens der Mitbestimmung des Betriebsrats unterwerfen 23. Zum Teil wird zudem ausdrücklich betont, daß zur mitbestimmungsfreien Entscheidung des Arbeitgebers über das "Ob" der Leistung sowohl seine Entscheidung über die Einführung, als auch sein Entschluß über die Einschränkung und die gänzliche Abschaffung einer betrieblichen Sozialleistung gehören 24. Ein Initiativrecht soll dem Betriebsrat nach der herrschenden Meinung in dem Umfang zustehen, in welchem er nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat 25 • Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts besteht bei den meisten Vertretern der herrschenden Meinung auch insofern, als sie den Grund für die Beschränkung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats in der Freiwilligkeit der Leistung 26 sehen. Dem ist im wesentlichen Heinze 27 entgegengetreten. Nach seiner Ansicht entscheidet nicht das Merkmal der ,,Freiwilligkeit" der Leistung über den Umfang des Mitbestimmungsrechts. Vielmehr ergebe sich aus der systematisch-teleologischen Auslegung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unter Einbeziehung der Wertungen des § 87 Abs. 1 Nm. 8 und 9 BetrVG, daß die Mitbestimmung bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung von vornherein keine Mitbestimmung bezüglich der Lohnhöhe, der Zweckbestimmung und des Personenkreises erfasse. Dementsprechend sei der Mitbestimmungsbereich 23 Vgl. nur Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 520 ff., 530 ff.; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 126 f.; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 227; Heinze, NZA 1986, 1 ff. (5); Herschel, Anmerkung zu BAG AP Nr.5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 360 ff., 445 f.; Lieb / Randerath, Anmerkung zu BAG, SAE 1981,45 f.; Matthes, NZA 1987,289 ff. (293); Mengel, OB 1982,43 ff. (45); Schulze-Osterloh, Anmerkung
zu BAG AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; zur betrieblichen Altersversorgung vgl. Blomeyer, Anmerkung zu BAG AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Hanau, BB 1976,90 ff. (92 f.); ders., BB 1977,350 ff. (350 f.); Pauly, OB 1985, 2246 ff. (2247); Richardi, Anmerkung zu BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 24 Vgl. nur Glaubitz, Anmerkung zuBAG APNr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 447; Hromadka, Anmerkung zu BAG AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG; Matthes, NZA 1987,289 ff. (293). 25 Vgl. nur Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 523; v. Friesen, OB 1980, Beil. I, 1 ff. (11); Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr.230; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 449; Matthes, NZA 1987,289 ff. (291). 26 Vgl. Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 520; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 126; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr.411. 27 NZA 1986, 1 ff. (5); in diesem Sinne auch Hanau, Anmerkung zu BAG AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung.
III. Die Auffassungen in der Literatur
31
bei freiwilligen Sozialleistungen nicht anders zu ziehen, als bei solchen, die gesetzlich, tariflich oder einzel vertraglich geschuldet werden 28. B. Abweichende Auffassungen Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Lehre von der Restriktion des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen ist in der Literatur nicht nur auf Zustimmung gestoßen 29 • Während einige Stimmen im Schrifttum noch im wesentlichen dem BAG folgen und die Grundsätze, die das Gericht zur Beschränkung des Mitbestimmungsrechts aufgestellt hat, nur in Teilbereichen modifizieren wollen, haben andere ein völlig neues Konzept zur Bestimmung des Umfangs betrieblicher Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entwickelt. Das Spektrum der Meinungen bei den Vertretern abweichender Auffassungen reicht dabei von der Beschränkung betrieblicher Mitbestimmung beim sog. Leistungsplan über die Forderung, von der sog. "Topftheorie" Abstand zu nehmen bis hin zur Annahme eines unbeschränkten Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen. 1. Beschränkung des Mitbestimmungsrechts beim sog. Leistungsplan
Einige Autoren 30 wollen dem Betriebsrat beim sog. Leistungsplan kein umfassendes Mitbestimmungsrecht zugestehen. Sie stimmen dem BAG zwar insofern 28 Heinze. NZA 1986. 1 ff (5); Auch Blomeyer (Anmerkung zu BAG AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung) sieht den dogmatischen Grund für die Beschränkung betrieblicher Mitbestimmung bei freiwilligen Leistungen nicht in der Freiwilligkeit der Leistung selbst. Für ihn entscheidet vielmehr der Entgeltbegriff des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unmittelbar über den Umfang des Mitbestimmungsrechts. Entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts und der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum geht Blomeyer indes nicht von dem weiten Entgeltbegriff aus. Entgeltcharakter soll seiner Auffassung zufolge eine Arbeitgeberleistung nur insoweit haben. als sie als Gegenwert zur Leistung des Arbeitnehmers gedacht ist und als ein entsprechender Bindungswille des Arbeitgebers besteht, wobei sich die Gegenwertigkeit der Arbeitgeberleistung aus der vom Arbeitgeber gewollten Zweckrichtung ergeben soll. Demzufolge erfaßt für ihn das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG weder den Bindungswillen des Arbeitgebers selbst, noch die Zweckrichtung der Leistung. Daraus folgt für Blomeyer, daß eine Mitbestimmung des Betriebsrats beim "Ob" der Leistung, bei ihrem Umfang, bei der Zwecksetzung. der Form und der Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nicht besteht. Den engen Entgeltbegriff scheint Blomeyer allerdings inzwischen aufgegeben zu haben, vgl. AR-BI. (D) Betriebliche Altersversorgung IV, Direktversicherung, (N) 1., BI. 26 (R). 29 Zu den rechtspolitischen Bedenken vgl. nur Meisel. Gemeinsame Anmerkung zu BAG, SAE 1981. 194 ff. (196). 30 Vgl. nur GK-Wiese. BetrVG, § 87 Rdnr. 335; Dtto. ZfA 1976,369 ff. (399); Stege / Weinspach. BetrVG, § 87 Rdnr. 173; für die betriebliche Altersversorgung vgl. Blomeyer / Duo. BetrA VG, Einl. Rdnr. 342; Höjer / Abt. BetrA VG, Arb. Gr. Rdnr. 444, 456; Lieb. ZfA 1978, 179 ff. (197, 199); Sieber. BB 1976,367 ff. (367 f.).
32
§ 2 Die Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum
uneingeschränkt zu, als sie den mitbestimmungsfreien Gründungsentscheidungen des Arbeitgebers sowohl seine Entscheidungen über das "Ob" der Leistung, den Umfang und die Zwecksetzung der Leistung als auch seine Entscheidung über die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises zuweisen, d.h dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nur beim sog. Leistungs- bzw. Verteilungsplan zubilligen. Der Ansicht des Gerichts, daß für den abstrakt abgegrenzten Personenkreis nur ein einheitlicher Gesamtdotierungsrahmen in Betracht kommt 31 mit der Folge, daß der Betriebsrat über die Verteilung des finanziellen Gesamtvolumens innerhalb des abstrakt abgegrenzten Personenkreises voll mitzubestimmen hat, wollen sie sich indes nicht anschließen. Zur Begründung verweisen sie darauf, daß der Arbeitgeber Mittel für eine betriebliche Sozialleistung nicht zweckfrei, sondern zur Erreichung ganz bestimmter Ziele zur Verfügung stelle. Insbesondere sei davon auszugehen, daß der Arbeitgeber eigene, zum Zweck zu rechnende Vorstellungen über die Würdigkeit und Bedürftigkeit bestimmter Arbeitnehmergruppen habe, die u. a. dafür ausschlaggebend seien, in welcher Höhe der Arbeitgeber den einzelnen Arbeitnehmer bedenken wolle. Die Anerkennung der vom Arbeitgeber mit der Gewährung von Leistungen autonom verfolgten Zwecke durch eine entsprechende Beschränkung betrieblicher Mitbestimmung müsse dann konsequenterweise auf die Möglichkeit unterschiedlicher Dotierung der einzelnen Arbeitnehmer erstreckt werden 32. Nur so könne sichergestellt werden, daß der Arbeitgeber den Zweck seiner Leistung sinnvoll erreiche 3J. Die Ausgestaltung des Leistungsplans durch ggfls. unterschiedliche Dotierung fällt nach dieser Ansicht damit in den alleinigen Zuständigkeitsbereich des Arbeitgebers mit der Folge, daß der Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung beim Verteilungsplan diese Vorgaben des Arbeitgebers zu berücksichtigen hat. Um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Verteilung der Mittel dann aber nicht gänzlich auszuhöhlen, fordert Sieber 34 einschränkend, daß ein gesonderter Dotierungsrah31 Vgl. nur BAG, Beschl. v. 12.6.1975 - 3 ABR 13/74 -, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG Altersversorgung unter B 6 b) und d) und 8 a) der Gründe, wo vom Gesamtumfang der Leistungen, von der abstrakten Abgrenzung des Personenkreises und von Leistungskürzungen an anderen Stellen des Versorgungswerkes die Rede ist; ebenso BAG, Beschl. v. 10.7.1979 - 1 ABR 88/77 - , AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, B 11 2 c der Gründe, wo das Gericht vom finanziellen Gesamtvolumen spricht; bestätigt durch Beschl. v. 16.9.1986 - GS 1/82 - , OB 1987,383 ff (383, unter BIlder Gründe) und durch Urt. v. 22.4.1988 - 3 AZR 277/87 - , OB 1988,2311 f. (2312, unter IV der Gründe); vgl. auch BAG, Beschl. v. 13.3.1973 - 1 ABR 16/72 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnungen, auf den die Rechtsprechung des BAG zur betrieblichen Altersversorgung letztlich zurückging. 32 So ausdrücklich Lieb, ZfA 1978, 179 ff. (197) zur betrieblichen Altersversorgung. 33 Vgl. Höfer / Abt, BetrAVG, Arb. Gr. Rdnr.456; vgl. auch Kraft, Anmerkung zu BAG, SAE 1976,42 ff. (43), der auch die Befürchtung äußert, daß durch eine Mitbestimmung des Betriebsrats beim Leistungsplan der vom Arbeitgeber verfolgte Zweck verschoben werden könnte; ähnlich Blomeyer, Anmerkung zu BAG AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, der ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Modalitäten der Leistung, die durch die Zweckrichtung des Versprechens unmittelbar bedingt sind, ablehnt.
III. Die Auffassungen in der Literatur
33
men nur für eine Gruppe bestimmt werden dürfe, die auch abstrakt als Personenkreis für die Gewährung von Zusagen abgegrenzt werden kann. Auf diesem Wege könnten Gruppenbildungen verhindert werden, die lediglich auf den Auswirkungen einer vorhandenen oder gewünschten Regelung beruhen.
2. Keine Limitierung der Mitbestimmung durch den sog. Dotierungsrahmen
Auch lahnke 35 teilt noch im wesentlichen den Standpunkt des Bundesarbeitsgerichts. Unter Rückgriff auf die vom BAG zu §§ 87 Abs. 1 Nr. 8 i.V. mit 88 Nr. 2 BetrVG entwickelten Grundsätze geht er mit dem Gericht davon aus, daß der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei über die Einführung und Abschaffung einer betrieblichen Sozialleistung, über ihre Zweckbestimmung und über die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises entscheiden kann. Den Dotierungsrahmen will Jahnke allerdings nicht als ein die Mitbestimmung des Betriebsrats beschränkendes Kriterium gelten lassen. Seiner Ansicht nach ist die betragsmäßige Begrenzung des Gesamtaufwands eine Eigenart nur der Sozialeinrichtungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Im Zusammenhang mit betrieblicher Mitbestimmung nach §§ 87 Abs. 1 Nr.8 LV. mit 88 Nr. 2 BetrVG habe der Dotierungsrahmen nicht nur seinen guten Sinn, die Absonderung und Verselbständigung von sachlichen und personellen Mitteln auf Dauer verlange den Dotierungsrahmen geradezu. Im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG könne es jedoch nicht darauf ankommen, ob der Arbeitgeber eine bestimmte Gesamtsumme bereitgestellt habe, um daraus die Leistungen zu gewähren. Für das reguläre Entgelt, so führt Jahnke aus, sei dies eine Selbstverständlichkeit. Nichts anderes dürfe dann aber für Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gelten, da sich angesichts der Zielrichtung der Norm, eine gerechte Lohngestaltung zu gewährleisten, jede Differenzierung zwischen Sozialleistungen und regulärem Entgelt verbiete. Eine Beschränkung betrieblicher Mitbestimmung auf einen vom Arbeitgeber bereitgestellten Fonds findet nach Jahnke daher nur im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG statt; für § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG soll es demgegenüber dabei verbleiben, daß der Betriebsrat nicht über die Entgelthöhe iS der Höhe der Einzelleistung mitbestimmt, so daß die Ausübung des Beteiligungsrechts durchaus höhere finanzielle Auswirkungen für den Arbeitgeber zur Folge haben kann 36 •
BB 1976, 367 ff. (368). ZfA 1980,863 ff. (889 ff.). 36 Vgl. Jahnke, ZfA 1980, 863 ff. (899); vgl. auch Kraft, Anmerkung zu BAG, SAE 1976,42 ff. (43), der ebenfalls davon ausgeht, daß ein Dotierungsrahmen bei der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht besteht. 34 35
3 M.gul.·Lösche
34
§ 2 Die Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum
3. Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Auswahl des begünstigten Personenkreises, beim Dotierungsrahmen, bei der Kürzung und Entziehung von Versorgungsansprüchen und bei der Versorgungsform
Speziell für die betriebliche Altersversorgung hat Birk ein Konzept zur Abgrenzung des mitbestimmungsfreien vom gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegenden Bereich entwickelt. Dieses Konzept stimmt mit den Grundsätzen, die das Bundesarbeitsgericht und die herrschende Meinung im Schrifttum zum Umfang betrieblicher Mitbestimmung bei der betrieblichen Altersversorgung vertreten, allerdings nur noch in wenigen Teilbereichen überein. Mit dem BAG und der herrschenden Meinung in der Literatur geht Birk davon aus, daß die Errichtung und die allgemeine Zweckbestimmung einer betrieblichen Altersversorgung dem mitbestimmungsfreien Bereich zuzuordnen sind 37. Die Auswahl des begünstigten Personenkreises will der Autor demgegenüber aber nicht uneingeschränkt unter die mitbestimmungsfreien Vorentscheidungen des Arbeitgebers fallen lassen. Vielmehr soll die abstrakte Abgrenzung des begünstigten Arbeitnehmerkreises nur solange der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats entzogen sein, wie der Arbeitgeber den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet 38 • Zur Begründung seiner Auffassung verweist Birk darauf, daß erzwingbare Mitbestimmung bei der Ausgestaltung einer Leistung nicht nur die Entscheidung über mögliche Ausgestaltungsvarianten, sondern bereits die Beachtung der vorgegebenen Rechtsordnung sei. Hierzu gehöre auch die Pflicht des Betriebsrats gemäß § 75 BetrVG, die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überwachen 39 • Da der Umfang der erzwingbaren Mitbestimmung für den Autor zudem so weit reicht, wie die einzelvertragliche Rechtsposition des Arbeitnehmers 40, der bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gerichtlich eine Gleichbehandlung durchsetzen kann, muß seiner Ansicht zufolge konsequenterweise die Einigungsstelle einen dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechenden Spruch fassen können 41 • Dieser von Birk zum Umfang des Mitbestimmungsrechts bei der Abgrenzung des Personenkreises vertretene Ansatz zeitigt auch für den vom BAG entwickelten Grundsatz vom mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen Konsequenzen. Hat nämlich der Betriebsrat die Einigungsstelle angerufen und hat diese eine Ungleichbehandlung durch Erweiterung des begünstigten Personenkreises oder durch Erhöhung der Leistungen für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe beseitigt, so erhöht sich damit zwangsläufig auch der finanzielle Dotierungsrahmen für den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber soll sich der Auffassung des Autors zufolge bei einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes mithin 37
38
39 40
41
Birk, Birk, Birk, Birk, Birk,
Die Die Die Die Die
Mitbestimmung, Mitbestimmung, Mitbestimmung, Mitbestimmung, Mitbestimmung,
S. 92, 98. S. 111,135. S. 108; ders., AuR 1984,28 ff. (31). S. 108. S. 110 f.; ders., AuR 1984, 28 ff. (31).
III. Die Auffassungen in der Literatur
35
nicht auf den mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen berufen können 42. Die mitbestimmungsfreie Vorgabe des Gesamtdotierungsrahmens durch den Arbeitgeber soll sich nur auf Zweckmäßigkeitswünsche des Betriebsrats beziehen, bei einer Rechtmäßigkeitskontrolle soll auch die Höhe des Gesamtdotierungsrahmens dererzwingbaren Mitbestimmung unterliegen 43. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat nach Auffassung von Birk der Betriebsrat auch in bestimmten Fällen der Kürzung und Einstellung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Dieses Mitbestimmungsrecht leitet der Autor aus der Aufgabe betrieblicher Mitbestimmung ab, die rechtliche und soziale Position des einzelnen Arbeitnehmers im Verhältnis zum Arbeitgeber zu verstärken 44 • Eine Rechtsposition der Arbeitnehmer sei auch der individualrechtliche Vertrauensschutz, der auf der Ebene des Betriebsverfassungsrechts dann ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslösen so1l45. Ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht steht nach Ansicht von Birk dem Betriebsrat dann zu, wenn durch die Entscheidung des Arbeitgebers bereits beschäftigte Arbeitnehmer oder Betriebsrentner betroffen sind und die Versorgungszusage einseitig durch den Arbeitgeber abgeändert werden soll. Bei abändernden Betriebsvereinbarungen auf Initiative des Arbeitgebers treffe den Betriebsrat zudem eine Mitbestimmungspflicht 46 • Entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts spricht sich der Autor auch für eine Mitbestimmung bei der Versorgungsform aus. Zur Begründung verweist er darauf, daß der Rechtsbegriff "Form" in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG eine einschränkende Auslegung nur auf die Rechtsform nicht zulasse 47 . Diese Wertungen sollen dann angesichts der Notwendigkeit, in Bezug auf den Umfang der Mitbestimmung eine Deckungsgleichheit zu erreichen, auch für § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG maßgebend sein 48 . Letztlich weicht das Konzept von Birk auch insofern von den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts ab, als es die Festlegung einer Wartezeit, mit der ein subjektiv im Einzelfall erfüllbares und zu erfüllendes Kriterium für die Leistungsgewährung festgestellt wird, der Mitbestimmung des Betriebsrats über den sog. Leistungsplan zuordnet. In einem solchen Fall, so die Begründung des Autors, werde nämlich kein Personenkreis abgegrenzt, so daß die Festlegung der Wartezeit nicht unter die mitbestimmungsfreie Entscheidung des Arbeitgebers über die zu begünstigende Arbeitnehmergruppe fallen dürfe 49 .
42 43
44 45 46 47
48 49
3'
Birk, Birk, Birk, Birk, Birk, Birk, Birk, Birk,
Die Die Die Die Die Die Die Die
Mitbestimmung, Mitbestimmung, Mitbestimmung, Mitbestimmung, Mitbestimmung, Mitbestimmung, Mitbestimmung, Mitbestimmung,
S. 135; ders., AuR 1984, 28 ff. (31 f.). S. 94. S. 145. S. 146. S. 178 f. S. 181. S. 182. S. 192.
§ 2 Die Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum
36
4. Unbeschränktes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen
In direktem Gegensatz zur Auffassung des Bundesarbeitsgerichts und der herrschenden Meinung im Schrifttum von Umfang und Grenzen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG stehen die Rechtsansichten von Leinemann und Moll. Beide treten, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, für ein unbeschränktes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen ein. Für den Richter am Bundesarbeitsgericht Leinemann 50 , der auf knapp einer Seite seines Aufsatzes die gefestigte Rechtsprechung des BAG zum Umfang betrieblicher Mitbestimmung schlichtweg als unzutreffend bezeichnet, ist eine Beschränkung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats auf die Modalitäten der Leistung aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht zu entnehmen. Die Vorschrift gebe dem Betriebsrat vielmehr ein volles Mitbestimmungsrecht. Eine nähere Begründung dieser Rechtsansicht liefert Leinemann dann in einer Fußnote seines Beitrags 51 . Die Vorstellung von der Dotierung durch den Arbeitgeber als "Topf'52 genüge bereits betriebswirtschaftlichen Anforderungen nicht. Sie sei von Praxisferne und der Lust am Bildhaften geprägt. Die Überzeugung von dem umfassenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zeitigt für den Autor dann auch "erfreuliche" praktische Konsequenzen: Auf der Grundlage eines so weit definierten Mitbestimmungsbereichs kann der Betriebsrat sein Initiativrecht auch zur Begründung von Versorgungsansprüchen geltend machen 53. Dies soll nach Ansicht von Leinemann auch deshalb rechtens sein, weil der Betriebsrat nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch beim kollektiv zu bewirkenden Abbau von Sozialleistungen beteiligt wird 54. Auch Moll vertritt den Standpunkt, daß der Betriebsrat nicht auf ein Mitbestimmungsrecht beim Verteilungsschlüssel als Maßnahme der Lohnfindung 55 beschränkt ist. Vielmehr habe die Arbeitnehmervertretung auch über den Umfang der Sozialleistungen voll mitzubestimmen. Dieses umfassende Beteiligungsrecht führt Moll darauf zurück, daß die Mitbestimmung bei der "Lohngestaltung" nach DB 1985, 1395 ff. (l397). Leinemann, DB 1985, l394 ff. (l397, Fn. 32). 52 Mit dem "Topf' meint Leinemann hier allerdings nicht nur die Beschränkung des Mitbestimmungsrechts auf den vom Arbeitgeber vorgegebenen Umfang, sondern zudem die Beschränkung durch die Mitbestimmungsfreiheit der Entscheidungen des Arbeitgebers über das "Ob", den Zweck und den Personenkreis. 53 Leinemann, DB 1985, l394 ff. (1397). 54 Leinemann bezieht sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil des 6. Senats vom 12.8.1982 (- 6 AZR 1117/79 - , DB 1982,2298 ff.), das angesichts der Entscheidung des Großen Senats vom 16.9.1986 (- GS 1/82 - , DB 1987,383 ff.) als überholt angesehen werden muß. 55 Zum Verteilungsschlüssel als Maßnahme der Lohnfindung vgl. Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 149. 50
51
III. Die Auffassungen in der Literatur
37
§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auch die lohnpolitische Entscheidung über die Höhe der Leistungen zum Gegenstand habe 56. Dies soll sich aus der Entstehungsgeschichte, der Systematik und dem Telos der Norm unter besonderer Berücksichtigung der Nr. 11 des § 87 Abs. 1 BetrVG ergeben. Eine Limitierung der Mitbestimmung auf eine vom Arbeitgeber vorgegebene Dotierung lehnt der Autor demnach ab. Da das Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG nach Auffassung Molls dem Betriebsrat nicht nur ein Veto-, sondern immer auch ein Initiativrecht gibt 57 , kann die Arbeitnehmervertretung nicht nur beim Verteilungsplan, sondern auch bei der Höhe der Sozialleistungen initiativ werden. Das bedeutet, daß der Betriebsrat vom Arbeitgeber auch die Einführung bzw. Abschaffung einer freiwilligen betrieblichen Sozialleistung fordern kann 58. Um zu verhindern, daß der Betriebsrat über sein Initiativrecht den Arbeitgeber zu wirtschaftlich nachteiligen Maßnahmen zwingen kann, will Moll die Einigungsstelle dahingehend binden, daß diese die Unternehmerfreiheit als äußerste Grenze des ihr nach § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG eingeräumten Ermessens beachten muß. Sie darf den "sozialen Datenkranz des Unternehmens nicht in einer Weise gestalten, daß die Unternehmerfreiheit leerläuft" 59. Eine Sonderstellung im System betrieblicher Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nimmt für Moll allerdings die betriebliche Altersversorgung ein. Da bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die aus einem zweckgebundenen Sondervermögen gewährt werden, ähnliche Ordnungsprobleme auftauchen, wie bei Versorgungsleistungen, die unter das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG fallen, soll der Betriebsrat bei letzteren sein Beteiligungsrecht in genau dem Umfang ausüben können, wie es ihm bei der Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen zusteht 60 • Der Betriebsrat soll demnach zwar nicht über das "Ob" der betrieblichen Altersversorgung und über ihren Umfang mitentscheiden können, sein Mitbestimmungsrecht soll aber sehr wohl bereits bei der Wahl zwischen Direktversicherung und unmittelbarer Pensionszusage einsetzen 61 •
56 57
58 59 60 61
Moll, Moll, Moll, Moll, Moll, Moll,
Die Die Die Die Die Die
Mitbestimmung Mitbestimmung Mitbestimmung Mitbestimmung Mitbestimmung Mitbestimmung
beim beim beim beim beim beim
Entgelt, Entgelt, Entgelt, Entgelt, Entgelt, Entgelt,
S. S. S. S. S. S.
184 f., 188. 203. 204. 231. 191. 192.
Zweiter Teil
Die eigene Auffassung zum Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG Der Gesetzgeber hat in § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG keine ausdrückliche Regelung darüber getroffen, wo die Grenzen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen zu ziehen sind, die nach herrschender Auffassung "Lohn" bzw. "Entlohnung" iS von § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG sind 1. Er hat sich auf die Anordnung beschränkt, daß der Betriebsrat "mitzubestimmen" hat in ,,Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von Entlohnungsmethoden, sowie deren Änderung". Der Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats wird demnach durch ein Doppeltes bestimmt: Durch den Tatbestand des § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG, der die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen enthält und durch den Begriff "mitbestimmen" auf der Rechtsfolgeseite der Norm, der eine bestimmte Form und damit zugleich eine bestimmte Intensität der Beteiligung anordnet.
§ 3 Die gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen Entscheidungen und Maßnahmen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Gewährung freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen unterliegen insoweit der Mitbestimmung des Betriebsrats, als es sich hierbei um Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere um die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung, Anwendung oder Änderung von Entlohnungsmethoden handelt 2 • 1 Vg!. nur BAG, Beseh!. v. 12.6.1975 3 ABR 13/74 - , AP NT. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Beseh!. v. 12.6.1975 - 3 ABR 137/73 -, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Beseh!. v. 18.3.1976 - 3 ABR 32/75 -, AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Vrt. v. 4.5.1982 - 3 AZR 1202/79 -, AP Nr.6 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Beseh!. v. 9.12.1980 - 1 ABR 80/77 -, AP Nr.5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Dietz / Richardi. BetrVG, § 87 Rdnr. 515 f.; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither. BetrVG, § 87 Rdnr. 122; Galperin / Löwisch. BetrVG, § 87 Rdnr. 218 e; GK-Wiese. BetrVG, § 87 Rdnr. 319; Hess / Schlochauer / Glaubitz. BetrVG, § 87 Rdnr. 409.
I. Die Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden
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I. Die im Zusammenhang mit der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen zu treffenden Entscheidungen als mitbestimmungspflichtige Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden Unter einem Entlohnungsgrundsatz wird nach herrschender Auffassung das System verstanden, nach dem das Arbeitsentgelt ermittelt wird, und seine Ausformung, während die Entlohnungsmethode die Art und Weise der Durchführung des gewählten Entlohnungssystems erfassen solP. Der Begriff der Entlohnungsmethode ist demnach im Verhältnis zum Entlohnungsgrundsatz der engere 4. Auch bei der Vergabe von freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen sind Entscheidungen über Entlohnungsgrundsätze, d. h. über die Grundsätze, nach denen das Arbeitsentgelt ermittelt wird, zu treffen. Es müssen Bezugsbedingungen, d. h. Regeln und Kriterien für die Leistungsvergabe festgelegt werden. Zu diesen Bezugsbedingungen gehören insbesondere die Kriterien, deren Erfüllung den Anspruch auf die Leistung auslösen, zum Erlöschen bringen oder einen etwaigen Widerruf der Leistung tragen sollen 5. Mit der Rechtsprechung und der herrschenden Auffassung im Schrifttum ist daher davon auszugehen, daß die Ausgestaltung der Bezugsbedingungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vom Betriebsrat mitbestimmt wird 6 • 2 Angesichts der von der herrschenden Meinung befürworteten Subsumtion aller Entgeltarten unter die Begriffe des "Lohns" und der "Entlohnung" in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist es inkonsequent, wenn die herrschende Meinung im Schrifttum (a.A.lediglich Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 422 und Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 148 ff.) und auch die Rechtsprechung (a.A. ansatzweise nur BAG, Besch!. v. 12.6.1975 - 3 ABR 13/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung und Urt. v. 26.4.1988 - 3 AZR 168/86 - , DB 1988, 2411 ff.) die Begriffe ,,Entlohnungsgrundsätze" und "Entlohnungsmethoden", die als Wortverbindung auch das Merkmal "Entlohnung" enthalten, völlig ausblenden und lediglich prüfen, inwieweit Entscheidungen und Maßnahmen des Arbeitgebers als "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" mitbestimmt sind. 3 Vg!. nur BAG, Besch!. v. 29.3.1977 I ABR 123/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Provision; Besch!. v. 10.7.1979 - 1 ABR 88/77 - , AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 500,509; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnrn. 219, 221; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke / Klebe, BetrVG, § 87 Rdnrn. 45 f.; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 420; Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 145 mwN; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 178 f. 4 Vg!. nur BAG, Besch!. v. 22. 11. 1963 1 ABR 6/63 - , AP Nr. 3 zu § 56 BetrVG Entlohnung; Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 509; Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 145. 5 So auch ausdrücklich BAG, Besch!. v. 22.10.1985 1 ABR 38/83 - , AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Herbst, DB 1987,738 ff. (742); a.A. Glaubitz, Anmerkung zu BAG AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 6 Auch das BAG (Besch!. v. 12.6.1975 3 ABR 13/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Urt. v. 26.4.1988 - 3 AZR 168/86 - , DB 1988, 2411 ff.), Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 422 und Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 152 stufen die Ausgestaltung der Bezugsbedingungen als mitbestimmungspflichtige Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen ein.
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
Von dem Ausgangspunkt aus, daß dem Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 NT. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung des Systems der Vergütung zukommt, drängt sich die Frage auf, ob dieses Mitbestimmungsrecht auch das Recht zur Mitentscheidung darüber umfaßt, ob eine betriebliche Sozialleistung als Leistungsart überhaupt eingeführt wird. Eine Mitbestimmung über die Kriterien für die Leistungsvergabe, bei der also das "Ob" der Leistung bereits feststeht, unterscheidet sich jedoch grundlegend von einer Mitbestimmung bei der Frage, ob eine betriebliche Sozialleistung als Leistungsart überhaupt eingeführt wird. Im ersten Fall geht es um die Frage der Lohnfindung, im zweiten Fall um die Frage der Schaffung eines neuen Lohnelements, eines zusätzlichen Gesamtlohnbestandteils, also um die Lohnhöhe. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Entscheidung, eine betriebliche Sozialleistung überhaupt einzuführen, kann mithin nur dann in Betracht kommen, wenn der Begriff des Entlohnungsgrundsatzes auch Regeln über die Lohnhöhe erfaßt. Gegen eine solch weite Interpretation der Wortverbindung "Entlohnungsgrundsatz" spricht jedoch bereits die Bedeutung des Ausdrucks "Grundsatz" im allgemeinen Sprachgebrauch. Dort wird unter einem Grundsatz nämlich eine Regel für ein Verhalten oder Handeln verstanden 7. Die Wortverbindung "Entlohnungsgrundsatz" betrifft daher nach allgemeinem Sprachgebrauch Regeln für das Verhalten bei der Entlohnung, das Verfahren, das "Wie" der Entlohnung. Das "Ob" der Entlohnung, die Höhe des Lohns, werden von dem Ausdruck Entlohnungsgrundsatz nicht erfaßt. Diese Interpretation des Begriffs Entlohnungsgrundsatz wird auch durch die Entstehungsgeschichte und die Systematik des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestätigt. Bereits unter Geltung des BetrVG 1952 hatte der Betriebsrat gemäß § 56 Abs. 1 Buchst. h) mitzubestimmen bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung von neuen Entlohnungsmethoden. Dabei verstanden sowohl die Rechtsprechung als auch das Schrifttum zu § 56 BetrVG unter Entlohnungsgrundsätzen allein Regeln der Lohnfindung, also die arbeitstechnische Lohnfestsetzung. Die Geldseite, mithin die Festlegung der Höhe der Entlohnung sollte nicht mitbestimmt seins. Dieses Verständnis des Begriffs "Entlohnungsgrundsatz" ist auch für das geltende Recht maßgeblich. Dies ergibt sich allerdings nicht, wie Moll meint, in erster Linie aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber den bereits im BetrVG 1952 verwandten Begriff des Entlohnungsgrundsatzes wörtlich unverändert ins BetrVG 1972 übernommen hat 9 • Gerade § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mit seinem im Vergleich zum BetrVG 1952 weiter gefaßten Lohnbegriff ist nämlich ein beredtes Beispiel dafür, daß aus der wörtlichen Übernahme eines Begriffs Vgl. Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 7, S. 732. Vgl. nur BAG, Beschl. v. 7.12.1962 - 1 ABR 4/61 - , AP Nr. 3 zu § 56 BetrVG Akkord; Beschl. v. 22.11.1963 -1 ABR 6/63 - , APNr. 3 zu § 56 BetrVG Entlohnung; Beschl. v. 18.3.1964 - 1 ABR 10/63 - , AP Nr.4 zu § 56 BetrVG Entlohnung; Galperin / Siebert, BetrVG, § 56 Rdnr. 95; Hueck-Nipperdey, 11 /2, S. l387; Nikisch, III, S. 434 f.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 256. 9 Vgl. Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 155. 7
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I. Die Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden
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aus dem BetrVG 1952 in das BetrVG 1972 keine eindeutige Schlußfolgerung hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs gezogen werden kann. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang vielmehr, daß der Gesetzgeber ausweislich der Materialien die Begriffe "Entlohnungsgrundsatz" und "Entlohnungsmethode" auch in ihrer Bedeutung unverändert aus dem alten Recht übernehmen wollte. So erläutert die Begründung zum Regierungsentwurf die Einführung des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dahingehend, daß damit über das geltende Recht hinausgegangen werden sollte 10. Dies kann nur bedeuten, daß der Gesetzgeber in Zukunft auftretende neue Probleme der Lohngestaltung, die sich nicht unter die Begriffe der Grundsätze und Methoden fassen lassen, als Fragen der betrieblichen Lohngestaltung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterwerfen, die Grundsätze und Methoden hingegen in ihrer ursprünglichen Bedeutung belassen wollte 11. Damit sind auch unter Geltung des BetrVG 1972 unter einem Entlohnungsgrundsatz nur die technischen Lohnfindungsregeln, also die technisch-formelle Seite der Lohngewährung zu verstehen; die unmittelbare Regelung der Lohnhöhe ist nicht Gegenstand der Mitbestimmung bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen 12. Da eine Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Entscheidung, eine betriebliche Sozialleistung als Leistungsart einzuführen, keine Mitbestimmung bei der Lohnfindung, sondern eine Möglichkeit unmittelbarer Einflußnahme auf die Entgelthöhe wäre, kann die Einführung der Leistungsart als solcher nicht unter den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand ,,Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen" subsumiert werden 13. Die Beschränkung betrieblicher Mitbestimmung bei der "Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen" nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auf die technisch-formelle Seite der Lohngewährung, auf den Lohnschlüssel, wirkt sich auch auf den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei den anderen im Zusammenhang mit der Gewährung betrieblicher Sozialleistungen vom Arbeitgeber zu treffenden Entscheidungen aus. Sowohl die Entscheidung des Arbeitgebers über das Gesamtvolumen der zur Verfügung gestellten Mittel, als auch seine Entscheidung über die Höhe der Einzelleistung, sowie seine Entscheidung, eine betriebliche Sozialleistung abzuschaffen oder zu kürzen, sind Entscheidungen über die Höhe des Entgelts und betreffen nicht Regeln der Lohnfindung. Ebensowenig ist die technisch-formelle Seite der Lohngewährung angesprochen bei der Festlegung des Zwecks der Leistung und der Auswahl der Versorgungsform (Wahl zwischen Direktzusage und Direktversicherung). Weder bei der Bestimmung des Zwecks, noch bei der Wahl des Durchführungsweges werden Entscheidungen über die Vgl. BT-Drucks. VIf 1786, S. 491. Sp.; BT-Drucks. VI/2729, S. 29 r. Sp. Vgl. nur Fitting I Auffahrt I Kaiser I Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 130; Galperin I Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr.225; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 318; Rumpf, AuR 1972, 65 ff. (73). 12 So auch Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 155 mwN. 13 So im Ergebnis auch Erdmann I Jürging I Kammann, BetrVG, § 87 Rdnr. 116; Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 156. 10 11
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
Lohnfindung, d. h. darüber getroffen, nach welchen Prinzipien und Regeln das Entgelt im Einzelfall ermittelt wird. Das Recht zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen umfaßt daher nicht das Recht, über die Einführung, Kürzung und Abschaffung, also über das "Ob" einer betrieblichen Sozialleistung, ihre Zweckbestimmung, das finanzielle Gesamtvolumen und die Höhe der Einzelleistungen sowie über die Form der Versorgungsleistung mitzubestimmen. Gleiches gilt auch für die Festlegung des begünstigten Personenkreises nach abstrakten Merkmalen. Auch die Abgrenzung des begünstigten Arbeitnehmerkreises betrifft nicht die technisch-formelle Seite der Lohngewährung. Der begünstigte Personenkreis ist kein Anknüpfungspunkt, nach dem sich im Einzelfall die Höhe des Arbeitsentgelts berechnet. Bestätigt wird diese Auslegung des Begriffs "Entlohnungsgrundsatz" auch durch die Entstehungsgeschichte. Unter Geltung des BetrVG 1952 gingen sowohl die Rechtsprechung als auch die herrschende Auffassung im Schrifttum nämlich davon aus, daß freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, also solche, auf die kein Rechtsanspruch bestand, dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats vollständig entzogen waren 14. Der Ausdruck "Entlohnungsgrundsatz" bezog sich demnach nur auf geschuldete Leistungen; er war in seiner Bedeutung auf diese Leistungen ausgerichtet 15. Da bei Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, der Anspruchsberechtigte, also der begünstigte Personenkreis, bereits feststeht, war unter Geltung des BetrVG 1952 der begünstigte Arbeitnehmerkreis kein mitbestimmungspflichtiger Entlohnungsgrundsatz, sondern eine Vorgabe für die Mitbestimmung und als solche dem Einfluß des Betriebsrats entzogen. An diesem Verständnis des Begriffs "Entlohnungsgrundsatz" hat sich auch unter Geltung des BetrVG 1972 nichts geändert. Der Gesetzgeber hat in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG den Lohnbegriff zwar weiter gefaßt, den Ausdruck "Grundsatz" hat er jedoch, wie bereits ausgeführt, ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf nicht nur wörtlich, sondern auch in seiner Bedeutung unverändert ins BetrVG 1972 übernommen. Auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kommt dem Betriebsrat im Rahmen seiner Beteiligung bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen daher kein Recht zur Mitbestimmung über den begünstigten Personenkreis zu.
14 Vg!. nur BAG, Urt. v. 4.10.1956 2 AZR 213/54 - , AP Nr. 4 zu § 611 BGB Gratifikation; Besch!. v. 15.5.1957 - 1 ABR 8/55 - , AP Nr. 5 zu § 56 BetrVG; Urt. v. 16. 11. 1967 - 5 AZR 157/67 - , AP Nr. 63 zu § 611 BGB Gratifikation; Urt. v. 22.2.1968 - 5 AZR 221/67 - , AP Nr. 64 zu § 611 BGB Gratifikation; Urt. v. 17.10.1968 - 5 AZR 281/67 - , AP Nr.66 zu § 611 BGB Gratifikation; Fitting / Kraegeloh / Auffahrt, BetrVG, § 56 Rdnr. 46; Galperin / Siebert, BetrVG, § 56 Rdnr. 98; Neumann-Duesberg, BetrVR. S. 497 f. 15 Vgl. Dietz, BetrVG. § 56 Rdnr. 224; Neumann-Duesberg, BetrVR. S. 497 f.
11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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Ergebnis zu I.:
Bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen sind die sog. Bezugsbedingungen, d. h. die Regeln und Kriterien der Leistungsvergabe, Entlohnungsgrundsätze iS von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, deren Einführung und Änderung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen. Die Mitbestimmung bei den Entlohnungsgrundsätzen gibt dem Betriebsrat jedoch nicht das Recht, über die Einführung, Kürzung, Abschaffung und den Zweck der Leistung, sowie über das finanzielle Gesamtvolumen und die Höhe der Einzelleistung, den begünstigten Personenkreis und die Auswahl der Form der Versorgungsleistungen mitzubestimmen.
11. Die im Zusammenhang mit der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen zu treffenden Entscheidungen als mitbestimmungspflichtige Fragen der betrieblichen Lohngestaltung Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat nicht nur bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung, Anwendung und Änderung von Entlohnungsmethoden mitzubestimmen, sondern bei allen Fragen der betrieblichen Lohngestaltung schlechthin. Damit geht der Umfang des erzwingbaren Mitbestimmungsrechts über den der ehemaligen Mitbestimmungsregelung des § 56 Abs. 1 Buchst. h) BetrVG 1952 hinaus. Dies legt die Frage nahe, ob die im Zusammenhang mit der Gewährung freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen vom Arbeitgeber zu treffenden Entscheidungen über das "Ob" und den Zweck der Leistung, den Gesamtumfang der Mittel und die Höhe der Einzelleistung, den begünstigten Personenkreis und - bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung - die Form der Leistung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG als "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" mitbestimmt werden. Dies kann nicht ohne weiteres beantwortet werden. Der Gesetzgeber hat mit dem Ausdruck "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" nämlich einen unbestimmten konkretisierungsbedürftigen 16, d. h. in hohem Maße auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff 17 in das BetrVG neu eingeführt. Eine Antwort auf die Frage, welche 16 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 284, der den unbestimmten Rechtsbegriff als ausfüllungsbedürftigen Maßstab bezeichnet; vgl. auch Teuinger, Einführung, S. 116, der die Konkretisierungsbedürftigkeit unbestimmter Rechtsbegriffe betont. 17 Folgende Autoren bezeichnen den Begriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" als unbestimmten Rechtsbegriffbzw. als Generalklausei: Birk, Die Mitbestimmung, S. 87; Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 492; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 130; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 319; Klinkhammer, AuR 1977, 363 ff. (366), Köke, Inhalt und Grenzen, S. 85; Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 161; Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (5 f.); Rumpf, AuR 1972, 65 ff. (73); Strieder, BB 1980,420 ff. (422); Weiss, Anmerkung zu BAG EzA § 87 BetrVG 1972 - Betriebliche Lohngestaltung Nr. 2.
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
konkreten Entscheidungen des Arbeitgebers über die Grundsätze und Methoden der Entlohnung hinaus der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen, kann damit nur im Wege der Konkretisierung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs gefunden werden. Hierzu ist auf die in der juristischen Methodenlehre entwickelten Auslegungskriterien der grammatikalischen, historischen, systematischen und teleologischen Auslegung zurückzugreifen 18. Im Rahmen der Auslegung des Mitbestimmungstatbestandes der Nr. 10 des § 87 Abs. 1 BetrVG haben neben dem Wortsinn, dem Telos der Norm und den Regelungsabsichten des historischen Gesetzgebers daher auch andere gesetzliche Bestimmungen, insbesondere die anderen Tatbestände des § 87 Abs. 1 BetrVG Bedeutung. Damit verbietet es sich, mit Leinemann den Umfang betrieblicher Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ohne Blick auf die Stellung der Vorschrift im Gesetz und ohne Blick auf die ihr eigene Systematik aus einer isolierten Betrachtung des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" allein abzuleiten 19.
A. Die Konkretisierung des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" 1. Die grammatikalische Auslegung
Möglicherweise können bereits dem Wortsinn des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" als Ausgangspunkt und zugleich Grenze der Auslegungstätigkeit 20 hinreichend verläßliche Anhaltspunkte über den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen entnommen werden. Da nach ganz herrschender Meinung der Begriff "Lohn" iS aller Arbeitgeberleistungen mit Entgeltcharakter zu verstehen ist 21 , und man sich zudem darüber einig ist, daß der Ausdruck "betrieblich" darauf hinweist, daß es sich um eine kollektive Regelung handeln muß, die Mitbestimmung sich also nicht auf die individuelle Lohngestaltung bezieht 22, ist im Rahmen der grammatikalischen Auslegung für den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats der Begriff "Gestaltung" von entscheidender Bedeutung. Lappe will unter diesem Begriff von seinem Wortsinn her "Formgebung", "Konstruktion" verstehen mit der Folge, daß die Lohngestaltung ebenso wie die Grundsätze und Vg!. Larenz, Methodenlehre, S. 306 ff. Vg!. Leinemann, DB 1985, l395 ff. (l397); dagegen zu Recht Pauly, DB 1985, 2246 ff. (2249). 20 Vg!. Larenz, Methodenlehre, S. 307. 21 Vg!. nur grundlegend BAG, Besch!. v. 12.6.1975 3 ABR l3/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 409 mwN. 22 Vg!. nur grundlegend BAG, Besch!. v. 29.3.1977 1 ABR 123/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Provision; Dietz I Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr.499; Fitting I Auffahrt I Kaiser I Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 121, l30. 18 19
11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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Methoden in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nur Regelungen umfaßt, die auf die Strukturformen, nicht aber auf die Festsetzung der Lohnhöhe abzielen 23. Ähnlich argumentiert Bichler 24 • Er begreift "gestalten" iS von "formen", "bilden", nicht von "gründen". Die Gestaltung setzt seiner Auffassung zufolge eine Substanz voraus, die dann in eine bestimmte Form gebracht wird. Unter Zugrundelegung eines solchen Wortsinns wären das "Ob" der Leistung, ihr Umfang, ihr Zweck und die Auswahl der Form der Versorgungsleistung keine Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. Indes ist die Bedeutung des Ausdrucks "Gestaltung" keineswegs so eindeutig, wie Lappe und Bichler annehmen. Gestaltung kann nämlich ebenso als Schaffensvorgang, als das Hervorbringen gestalthafter Erzeugnisse 25 verstanden werden mit der Folge, daß der Gründungsakt selbst eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung wäre. In dem Fall unterlägen alle mit der Schaffung einer betrieblichen Sozialleistung zusammenhängenden Entscheidungen, wie die über das "Ob", den Umfang, den Zweck, den begünstigten Arbeitnehmerkreis und die Form der Versorgungsleistung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Da sich aus dem Sprachgebrauch ein eindeutiger Wortsinn des Begriffs "Gestaltung" mithin nicht entnehmen läßt, läßt die Auslegung allein nach dem Wortsinn des Begriffs ,,Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" keine Schlüsse auf den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen zu 26.
2. Die historische Auslegung
Über den Bedeutungsinhalt des Ausdrucks "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" könnte jedoch die Entstehungsgeschichte des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG Auskunft geben. Hier ist zu fragen, welche Deutungsmöglichkeit der Regelungsabsicht des Gesetzgebers oder seiner eigenen Normvorstellung am besten entspricht 27. a) Die dem § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zugrundeliegende Regelungsabsicht des Gesetzgebers
In der Begründung zum Regierungsentwurf28 ist der Begriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" zwar nicht definiert worden, jedoch heißt es dort: "Die Nr. 10 erstreckt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über das geltende Vgl. Lappe, ArbRGeg., Bd. 16 (1978), 55 ff. (86). DB 1979, 1939 ff. (1941). 25 Vgl. Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 7, S. 239. 26 So im Ergebnis auch Gester / Isenhardt, RdA 1974, 80 ff. (82); Lederer, Das Initiativrecht, S. 107; Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 161. 27 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 313. 28 BT-Drucks. VI/ 1786, S. 49 I. Sp. 23
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
Recht hinaus auf alle Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, soweit es sich um die Festlegung allgemeiner Regelungen in diesem Bereich handelt. Hierdurch soll ein umfassendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in diesem Bereich sichergestellt werden". Das bedeutet, daß mit dem Begriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" über die Begriffe "Entlohnungsgrundsatz" und "Entlohnungsmethode" hinausgegangen werden sollte 29 • Einige Autoren meinen nun aus den Materialien zudem auf den Umfang schließen zu können, in dem das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gegenüber seinem Vorgänger erweitert wurde. Sie weisen vornehmlich darauf hin, daß die Mitbestimmung bei den Entlohnungsgrundsätzen und -methoden bereits nach altem Recht die technische Lohnfindung vollständig erfaßte. Die Äußerungen im Regierungsentwurf könnten daher sinnvoll nur dahingehend verstanden werden, daß nun auch materielle Arbeitsbedingungen, d. h. die Arbeitsbedingungen, die die Bestimmung von Leistung und Gegenleistung, von Arbeitspflicht und Entgelt betreffen 30, unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats fallen sollten 31 . Gesterl Isenhardt 32 wollen zudem auch aus Stellungnahmen während der parlamentarischen Beratungen des Betriebsverfassungsgesetzes entnehmen, daß die "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" auch materielle Arbeitsbedingungen erfassen. Zur Begründung führen sie an, daß sich ausweislich der Protokolle der 101. und 150. Sitzung des Deutschen Bundestages 33 insbesondere die das Gesetz mittragende SPD im Gegensatz zur CDU / CSU für eine Einbeziehung materieller Arbeitsbedingungen eingesetzt habe und sich ein Anhaltspunkt für die Annahme, daß dies bei Nr. 10 des § 87 Abs. 1 BetrVG gerade nicht der Fall sein soll, nirgendwo finde. Aus dem vom Gesetzgeber intendierten "umfassenden"34 Mitbestimmungsrecht könnten daher die materiellen Arbeitsbedingungen nicht herausfallen.
29 So im Ergebnis auch Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnf. 130; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 225; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 318; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 87 Rdnr. 196; Rumpf, AuR 1972,65 ff. (73). 30 Zur Terminologie vg1. nur BAG, Beschluß v. 15.1.1960 - 1 ABR 7/59 - , AP Nr.3 zu § 56 BetrVG Wohlfahrtseinrichtungen; Galperin / Siebert, BetrVG, Vor § 56 Rdnr. 18 ff.; Söllner, Grundriß, S. 179; weitere Nachweise siehe GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 21. 31 Gester / Isenhardt, RdA 1974,80 ff. (82); Klinkhammer, AuR 1977,363 ff. (365); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 183 f.; Reuter / Strecke I, Grundfragen, S. 20; Strieder, BB 1980,420 ff. (422). 32 RdA 1974, 80 ff. (82). 33 Gester / Isenhardt beziehen sich auf die Äußerungen der Abgeordneten Farthmann (Protokoll der 101. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 11.2.1971, S.5891), Ruf (Protokoll der 101. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 11. 2.1971, S. 5859 und der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 10.11.1971, S. 8641) und Pohlmann (Protokoll der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 10.11.1971, S. 8649). 34 Vg1. BT-Drucks. VI/ 1786, S. 49 1. Sp.
11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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Dieser Ansicht muß widersprochen werden. Die Autoren, die ihre Auffassung allein auf die Begründung zum Regierungsentwurf stützen, haben nicht hinreichend in Rechnung gestellt, daß eben dieser Begründung zum Regierungsentwurf eine eindeutige Aussage über den konkreten Umfang, in welchem das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG im Vergleich zu seinem Vorgänger erweitert werden sollte, nicht entnommen werden kann. Die Äußerungen in den o.g. Materialien lassen vielmehr mehrere Deutungen zu. Sie lassen sich, das ist den o.g. Autoren zuzugeben, durchaus so auslegen, daß alle materiellen Arbeitsbedingungen, und damit auch die Lohnhöhe zu den "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" gehören. Ebensogut denkbar ist es jedoch auch, daß der Gesetzgeber mit dem Ausdruck "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" eine Mitbestimmung über den begünstigten Personenkreis, der kein mitbestimmungspflichtiger Entlohnungsgrundsatz ist, einführen wollte. Auch eine solche Auslegung ergäbe in bezug auf die Absicht des Gesetzgebers, mit den "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" über die "Entlohnungsgrundsätze" und "Entlohnungsmethoden" hinauszugehen, einen Sinn. Möglich ist es letztlich aber auch, daß der Gesetzgeber mit den "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" eine Generalklausel schaffen wollte, um in Zukunft auftretende Probleme der Lohngestaltung, die sich nicht unter die Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden fassen lassen, der Mitbestimmung des Betriebsrats zu unterwerfen. Aus der Begründung zum Regierungsentwurf allein läßt sich demnach nicht entnehmen, welchen Bedeutungsinhalt der historische Gesetzgeber mit dem Ausdruck "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" verbunden hat. Aber auch mit dem Hinweis auf Äußerungen in den parlamentarischen Beratungen des Gesetzes kann nicht belegt werden, daß nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nunmehr alle materiellen Arbeitsbedingungen dem Einfluß des Betriebsrats zugänglich sein sollen. Ausweislich der Protokolle der 101. und 150. Sitzung des Deutschen Bundestages wurde der konkrete Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht diskutiert. Ebensowenig hat man sich während der parlamentarischen Beratungen ausdrücklich für einen "Grundsatz der Mitbestimmtheit materieller Arbeitsbedingungen" ausgesprochen, der als gesetzgeberische Grundentscheidung die Auslegung der Begründung zum Regierungsentwurf beeinflussen könnte. Ein solcher Grundsatz kann auch nicht aus den von Gester / Isenhardt für ihre Auffassung zitierten Stellungnahmen der Abgeordneten Farthmann 35, Ruf36 und Pohlmann 37 abgeleitet werden. Aus diesen Stellungnahmen geht nämlich nur hervor, daß Gegenstand der Diskussion allein die Frage war, ob sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf nur formelle Arbeitsbedingungen, d. h. auf solche, die die Gestaltung der betrieblichen Ordnung zum Gegenstand Protokoll der 101. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 11. 2.1971, S. 5891. Protokoll der 101. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 11.2.1971, S. 5859 und der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 10.11.1971, S. 8641. 37 Protokoll der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 10.11.1971, S. 8649. 35
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
haben 38 , beschränken sollte 39 • Von der Mitbestimmungsregelung der Nr. 11 des § 87 Abs. 1 BetrVG abgesehen wurden die Grenzen der anderen Tatbestände nicht einmal im Ansatz diskutiert. Eine gesetzgeberische Grundentscheidung für die Mitbestimmtheit materieller Arbeitsbedingungen, die ggfls. bei der Auslegung der Begründung zum Regierungsentwurf zu berücksichtigen wäre, läßt sich den Äußerungen in den parlamentarischen Beratungen mithin nicht entnehmen. Für den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen ist die Entstehungsgeschichte des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nach alledem unergiebig. b) Die der betrieblichen Mitbestimmung zugrundeliegende Regelungsabsicht des Gesetzgebers
In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird vielfach darauf hingewiesen, daß sich der Entstehungsgeschichte des BetrVG die Grundentscheidung des Gesetzgebers entnehmen lasse, durch die Mitbestimmungsrechte nicht in die "eigentlichen untemehmerischen Entscheidungen" einzugreifen 40 • Diese grundsätzliche Wertentscheidung soll nach Ansicht einiger Autoren 41 bei der Auslegung der einzelnen Mitbestimmungstatbestände berücksichtigt werden. In der Tat heißt es in der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf wörtlich 42: "Im kollektivrechtlichen Bereich erweitert der Entwurf die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrats auf wichtigen Gebieten, ohne in die eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet, einzugreifen. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die Fragen der Beteiligung der Arbeitnehmer an der Unternehmensführung nicht im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes geregelt werden sollten, sondern einer Neuregelung des Unternehmensverfassungsrechts vorbehalten bleiben müssen". 38 Zur Terminologie vgl. nur BAG, Beschl. v. 15.1.1960 1 ABR 7/59 - , AP Nr.3 zu § 56 BetrVG Wohlfahrtseinrichtungen; Galperin / Siebert, BetrVG, Vor § 56 Rdnr. 18 ff.; Söllner, Grundriß, S. 179; weitere Nachweise siehe GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 21 ff. 39 Diese Auffassung wurde unter Geltung des BetrVG 1952 von der herrschenden Meinung unter Berufung auf Art. 9 Abs. 3 GGvertreten, vgl. nurBAG, Urt. v. 15.12.1961 - 1 AZR 492/59 - , AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG Arbeitszeit; Beschl. v. 15.1.1960 1 ABR 7/59 - , AP Nr. 3 zu § 56 BetrVG Wohlfahrtseinrichtungen; zum Meinungsstand in der Literatur vgl. die umfangreichen Nachweise bei Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 160 Fn. 13 f. 40 Vgl. nur BAG, Beschl. v. 31.8. 1982 1 ABR 27/80 - , AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Beuthien, ZfA 1988, 1 ff. (2 f.); Boewer, DB 1973, 522 ff. (527); Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 62, 64; Lieb, DB 1981, Beil. Nr. 17, 1 ff. (4); ders., ZfA 1978, 178 ff. (185); Reuter, ZfA 1981, 165 ff. (166 f.); Rüthers, ZfA 1973, 399 ff. (418 f.); Wiese, Das Initiativrecht, S. 37 f. 41 Vgl. nur Heinze, NZA 1986, 1 ff. (10); Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 64; Reuter, ZfA 1981, 165 ff. (167). 42 BR-Drucks. 715/70, S. 31.
11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
49
Diese Auffassung wurde in der Dritten Lesung des Gesetzes von Bundesarbeitsminister Arendt 43 bestätigt, indem er das erzwingbare Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung von Sozialplänen damit rechtfertigte, daß die unternehmerische Entscheidung, die Betriebe zu rationalisieren, unangetastet bleibe, allerdings verhindert werden müsse, daß dies zu Lasten der Arbeitnehmer vor sich gehe. Auch die Abgeordneten Schellenberg und Farthmann (SPD) erklärten während der parlamentarischen Beratungen, daß die unternehmerische Handlungsfreiheit auch unter Geltung des neuen BetrVG weiter gewährleistet werde 44 , die letzte unternehmerische Entscheidung und Verantwortung unangetastet bleiben müsse und auch erhalten geblieben sei 45. Für die FDP hob schließlich der Abgeordnete Schmidt (Kempten) ausdrücklich hervor, daß im BetrVG von einem Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit überhaupt nicht die Rede sein könne 46 • Mehr läßt sich den Materialien über das Verhältnis von betrieblicher Mitbestimmung und unternehmerischer Entscheidungsfreiheit allerdings nicht entnehmen. Für den Bedeutungsgehalt, den der historische Gesetzgeber mit dem Begriff ,,Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" verbunden hat, könnte aus der Begründung zum Regierungsentwurf und den Stellungnahmen während der parlamentarischen Beratungen daher allenfalls abgeleitet werden, daß "eigentliche unternehmerische Entscheidungen" keine "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" sind. Diese Negativabgrenzung läßt aber keinen Schluß auf den positiven Bedeutungsinhalt des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" zu, da völlig offen ist, was der historische Gesetzgeber unter den "eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen" verstanden hat. Eine Definition dessen, was die eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen sind, liefern die Materialien nämlich nicht. Auch im Wege der Auslegung der Begründung zum Regierungsentwurf und der Stellungnahmen der Abgeordneten Farthmann, Schellenberg und Schmidt (Kempten) kann ein eindeutiger Begriffsinhalt nicht gefunden werden. Die "eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen" sind vielmehr für mehrere Deutungen offen. Denkbar ist es, daß der historische Gesetzgeber mit diesem Begriff die Unterscheidung zwischen "Betrieb" und "Unternehmen" aufgreifen wollte mit der Folge, daß betriebliche Entscheidungen uneingeschränkt mitbestimmt sein, unternehmerische Entscheidungen dagegen nur zum Teil dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen sollten. Dann würde sich allerdings die Frage stellen, wo die Grenze zwischen den eigentlichen und den "un"eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen liegt 47. Ebenso denkbar ist es, daß der GesetzVgl. Protokoll der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 10.11.1971, S. 8666. Protokoll der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 10.11.1971, S. 8673. 45 Protokoll der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 10.11.1971, S. 8597. 46 Protokoll der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 10.11.1971, S. 8602. 47 Das LAG Düsseldorf(Beschl. v. 17.7.1973 - 8 TaBV 11/73 - , EzA § 87 BetrVG 1972 - Initiativrecht Nr. 1) hat zum mitbestimmungsfreien Bereich beispielsweise die Absatzlage und den Auftragsbestand gerechnet. 43
44
4 Magula-Lösche
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
geber die unternehmerische Entscheidungsfreiheit als solche gegen eine bestimmte Art von Eingriffen absichern wollte. Von dieser Deutungsmöglichkeit gehen offensichtlich Wiese 48 und das LAG Baden-Württemberg im Beschluß vom 28. Februar 1980 49 aus. Beide interpretieren die Grundentscheidung des historischen Gesetzgebers dahingehend, daß dieser eine unmittelbare Einflußnahme des Betriebsrats auf den unternehmerischen Bereich ausschließen wollte. Letztlich läßt die grundsätzliche Wertentscheidung des Gesetzgebers, nicht in die "eigentliehen unternehmerischen Entscheidungen" einzugreifen, eine dritte Deutungsvariante zu: Möglich ist es, daß der Gesetzgeber aus der Erkenntnis, daß jedwede Mitbestimmung die unternehmerische Entscheidungsfreiheit mehr oder weniger einschränkt 50, nicht zwischen betrieblichen und unternehmerischen Entscheidungen differenzieren, sondern die unternehmerische Entscheidungsfreiheit nur gegen Eingriffe einer bestimmten Intensität, beispielsweise unverhältnismäßige Eingriffe, schützen wollte. Da mithin nicht eindeutig zu klären ist, was der historische Gesetzgeber unter den eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen verstanden hat, trägt seine Grundentscheidung, in eben diese Entscheidungen nicht einzugreifen, nichts zur Erhellung des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" bei 51. Ergebnis zu 2.:
Aus der Entstehungsgeschichte des BetrVG geht nur hervor, daß der historische Gesetzgeber mit dem Begriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" über die "Entlohnungsgrundsätze" und "Entlohnungsmethoden" hinausgehen wollte. Eine eindeutige Aussage über den konkreten Umfang, in dem das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gegenüber seinem Vorgänger erweitert werden sollte, ist den Materialien nicht zu entnehmen. Eindeutige Schlüsse auf den Bedeutungsgehalt des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" läßt die Entstehungsgeschichte damit nicht zu.
3. Die teleologisch-systematische Auslegung
Mangels Ergiebigkeit der grammatikalischen und historischen Auslegung kann die Bedeutung des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" nur unter Rückgriff auf systematisch-teleologische Auslegungskriterien ermittelt werden. Das Initiativrecht, S. 38 f. 11 TaBV 15/79 - , EzA § 87 BetrVG 1972 - Initiativrecht Nr. 4. 50 Dies gilt sowohl für die Mitbestimmung rein betrieblicher, als auch unternehmerischer Entscheidungen. Eine Mitbestimmung, die auf der einen Seite "den Arbeitnehmern effektive Einflußnahmemöglichkeiten sichert" und auf der anderen Seite "die unternehmerische Entscheidungsfreiheit völlig unangetastet läßt", ist, wie Farthmann, RdA 1974, 65 ff. (68), es zutreffend formuliert hat, "noch nicht erfunden". 51 So im Ergebnis auch Joost, DB 1983, 1818 ff. (1819). 48
49 -
11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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Hierzu zählen vor allem das Kriterium des Bedeutungszusammenhangs unter Berücksichtigung der Teleologie des Gesetzes 52 • a) Die Bedeutung des § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG
Im Schrifttum wird vereinzelt die Auffassung vertreten, daß § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG, wonach die Einigungsstelle ihre Sprüche unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen zu fassen hat, das erzwingbare Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegenständlich auf arbeitstechnisch-organisatorische Fragen beschränkt 53 • In § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG komme nämlich, so die Argumentation der Autoren, zweierlei zum Ausdruck: Zum einen, daß eine Betriebsvereinbarung nicht erzwingbar sei, die sich nicht an den in der Norm niedergelegten Ermessensrahmen hält, was bedeute, daß die rechtlichen Grenzen für die Verbindlichkeit der Sprüche der Einigungsstellen auch die Grenzen der erzwingbaren Mitbestimmung seien; zum anderen, daß die "Belange des Betriebs" angesichts der durchaus geläufigen Unterscheidung von "Betrieb" und "Unternehmen" nicht Belange des Unternehmens seien. Nach § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG stünden demnach weder der Einigungsstelle noch dem Betriebsrat Entscheidungen über unternehmerische Aspekte einer Maßnahme zu. Wäre dieses Verständnis des § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG zutreffend, so könnte der Begriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" dahingehend konkretisiert werden, daß hiermit nur arbeitstechnisch-organisatorische Fragen gemeint sind. Indes kann bereits der Auffassung, § 76 Abs. 5 Satz 3 normiere gegenständliche Schranken des erzwingbaren Mitbestimmungsrechts, nicht gefolgt werden. In § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG wird lediglich angeordnet, daß die Einigungsstelle ihre Sprüche unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen zu fassen hat. Damit wird der Einigungsstelle bei ihrer Spruchtätigkeit ein Ermessensspielraum 54 eingeräumt, der seinerseits durch das Postulat der Billigkeit und durch die Forderung, die Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer angemessen zu berücksichtigen, begrenzt wird 55. Durch § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG wird der Vgl. nur Larenz, Methodenlehre, S. 313. Vgl. Reuter, ZfA 1981, 165 ff. (182 ff.,202); ders., Vergütung von AT-Angestellten, S. 14 ff.; Dietz I Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 30; Galperin I Löwisch, BetrVG, § 77 Rdnr. 55; im Grundsatz auch Lieb, DB 1981, Beil. Nr. 17,1 ff. (4); Löwisch, AuR 1978, 97 ff. (103). 54 Vgl. nur Dütz, AuR 1973, 353 ff. (366); Fitting I Auffahrt I Kaiser I Heither, BetrVG, § 76 Rdnr. 32; GK-Thiele, BetrVG, § 76 Rdnr. 93; Gnade, AuR 1973, 43 ff. (46); Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 76 Rdnr. 82; Stege I Weinspach, BetrVG, § 76 Rdnr. 25 a. 55 Vgl. Stege I Weinspach, BetrVG, § 76 Rdnr.25 a; GK-Thiele, BetrVG, § 76 Rdnr. 94 ff. 52
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
Einigungsstelle mithin lediglich ein Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen sie sich bei ihrer Spruchtätigkeit zu halten hat 56 • Über den Gegenstand, über den die Einigungsstelle eine Entscheidung treffen kann, ist dem Wortlaut des § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG nichts zu entnehmen. Daß der Gesetzgeber mit § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG nicht die Grenzen der gleichberechtigten Mitbestimmung, sondern die des Ermessensspielraums der Einigungsstelle abgesteckt hat, wird auch durch einen Blick auf § 87 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bestätigt. Wenn es dort nämlich heißt, daß die Einigungsstelle entscheidet, sofern eine Einigung über eine Angelegenheit nach Abs. 1 des § 87 BetrVG nicht zustande kommt, so kann das nur bedeuten, daß § 76 Abs. 3 Satz 5 BetrVG über den Umfang der Mitbestimmung nicht befindet, sondern den Bestand des Mitbestimmungsrechts voraussetzt. Diese Auslegung des § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Sätze 3 und 4 des § 76 Abs. 5 BetrVG bestätigt. § 76 Abs. 5 Satz 3 und 4 BetrVG wurden erst gegen Ende des Gesetzgebungsverfahrens auf Vorschlag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung in den Gesetzestext aufgenommen. Im Ausschußbericht heißt es dazu 57, daß der Ausschuß es für geboten hielt, durch eine Ergänzung des Absatzes 5 um die Sätze 3 und 4 ausdrücklich im Gesetz klarzustellen, daß in den Fällen der erzwingbaren Mitbestimmung die Einigungsstelle ihre Entscheidung unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen zu treffen hat. Auch aus den Materialien geht somit hervor, daß der Gesetzgeber mit § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG nur eine Regelung über die Qualität des Entscheidungsverfahrens 58 und des Spruchs der Einigungsstelle treffen wollte. Der Gegenstand, über den entschieden werden darf, sollte durch § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG nicht festgelegt werden 59. § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG trifft über den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats mithin keinerlei Aussagen. Auf den Bedeutungsgehalt des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" können aus § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG keine Schlüsse gezogen werden. b) Die Systematik des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
Welcher Bedeutungsgehalt dem Begriff ,,Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" zukommt, könnte sich aus dem unmittelbaren Kontext ergeben, in dem der Begriff gebraucht wird. Nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG gehören zu den 56 So BAG, Beschl. v. 31.8.1982 1 ABR 27/80 -, AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 57 Vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu BTDrucks. VII 2729, S. 10 und 28. 58 Den Bestand innerer Ermessensgrenzen befürworten vor allem Löwisch, Anmerkung zu BAG, SAE 1983, 141 ff. (143) und Dütz, Gerichtliche Überprüfung, S. 98. 59 So auch Buschmann, DB 1982, 1059 ff. (1061); Dütz, AuR 1973,353 ff. (357); v. Friesen, DB 1980, Beil. Nr. 1, 1 ff. (10); BAG, Beschl. v. 31.8.1982 - 1 ABR 27/80 -, AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit.
II. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden, sowie deren Änderung. Der Begriff ,,Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" fungiert demnach als Oberbegriff zur Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und zur Einführung, Anwendung und Änderung von Entlohnungsmethoden. Letztere sind im Verhältnis zum Oberbegrifflediglich Beispiele 60. Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung und im Schrifttum folgert hieraus, daß die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung ebenso wie die Entlohnungsgrundsätze und -methoden nur die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollziehungsformen, also nur Regeln der technischen Lohnfindung betreffen 61. Dieser Ansicht muß widersprochen werden. Der Gesetzgeber hat die Entlohnungsgrundsätze und -methoden durch den Begriff "insbesondere" mit den Fragen der betrieblichen Lohngestaltung verknüpft und hierdurch ausdrücklich angeordnet, daß die Entlohnungsgrundsätze und -methoden Teil der betrieblichen Lohngestaltung sind. Da die Entlohnungsgrundsätze und -methoden nach altem wie nach neuem Recht bereits den gesamten Bereich technischer Entgeltregelungen abdecken 62 , kann die beispielhafte Erwähnung dieser Begriffe nur deutlich machen, daß die betriebliche Lohngestaltung etwas über jenen Bereich der technischen Lohnfindung Hinausgehendes umfaßt 63 • Die betriebliche Lohngestaltung bezieht sich demnach zwar vornehmlich, aber nicht ausschließlich auf die Lohnfindung iS der Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden 64 • Daß dem Begriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" damit im Verhältnis zu den Entlohnungsgrundsätzen und -methoden eine eigenständige Bedeutung zukommt und daß er mithin nicht, wie die Auffassung der herrschenden Meinung zur Konsequenz hätte, lediglich ein gesetzgebungstechnisches Versehen und damit überflüssig ist 65,
60 Vg!. auch Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr.491; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 318; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke / Klebe, BetrVG, § 87 Rdnr. 44; Lappe, ArbRGeg, Bd. 16 (1978), 55 ff. (86). 61 Vg!. nur BAG, Besch!. v. 29.3.1977 1 ABR 123/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Provision; Besch!. v. 22.1.1980 - 1 ABR 48/77 - , AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Urt. v. 31.1. 1984 - 1 AZR 174/81 - , AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 492; Eich, OB 1980,1340 ff. (1342); Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 121; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 218; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 414; Lappe, ArbRGeg., Bd. 16 (1978), 55 ff. (86); Löwisch, OB 1973, 1746 ff. (1747); Stadler, BB 1972, 800 ff. (801); Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 166 f. 62 So zutreffend Gester / lsenhardt, RdA 1974,80 ff. (82); Klinkhammer, AuR 1977, 363 ff. (364); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 184; Reuter, Vergütung von AT-Angestellten, S. 10; Stadler, BB 1972,800 ff. (801); Strieder, BB 1980,420 ff. (422). 63 So zutreffend Gester / lsenhardt, RdA 1974,80 ff. (82); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 184; Strieder, BB 1980,420 ff. (422). 64 In diesem Sinne auch lahnke, ZfA 1980, 863 ff. (884 f.). 65 Die praktische Bedeutungslosigkeit räumt ausdrücklich Stadler, BB 1972, 800 ff. (801) ein.
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
wird auch durch die Entstehungsgeschichte des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestätigt. Ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf sollte durch Nr. 10 des § 87 Abs. 1 BetrVG das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über das geltende Recht hinaus auf alle Fragen der betrieblichen Lohngestaltung erstreckt werden 66 • Der Gesetzgeber wollte also mit dem Begriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" über die Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden hinausgehen. Aus der eigenständigen Bedeutung der "Fragen betrieblicher Lohngestaltung" kann nun aber nicht, wie Mo1l67, Gesterl Isenhardt 68 , Strieder 69 und Klinkhammer 70 meinen, ohne weiteres abgeleitet werden, daß von den Fragen der betrieblichen Lohngestaltung auch alle materiellen Fragen, also auch die Lohnhöhe, erfaßt werden. Dieses Verständnis des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" wird durch die Systematik des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht zwingend vorgegeben.
c) Der Zweck des § 87 Abs. I Nr. /0 BetrVG Der Bedeutungsgehalt des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" hängt damit entscheidend vom Zweck des Mitbestimmungstatbestandes ab 71 • aa) Die Bedeutung von Sinn und Zweck der Mitbestimmung bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG Der Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG läßt sich aus Sinn und Zweck der Mitbestimmung bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung, Anwendung von Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung erschließen. Hiergegen kann nicht eingewendet werden, daß die Maßnahmen im Zusammenhang mit den Entlohnungsmethoden und Entlohnungsgrundsätzen nur Teil der betrieblichen Lohngestaltung sind und eine diesbezügliche Mitbestimmung damit nur der Verwirklichung eines Teilzwecks der Norm dient. Die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung, Anwendung und Änderung von Entlohnungsmethoden haben als Beispielsfälle die Aufgabe, den Oberbegriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" näher zu beschreiben und die Interpre66 67 68 69 70 71
BT-Drucks. VI/ 1786, S. 49 1. Sp. Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 184. RdA 1974, 80 ff. (82). BB 1980,420 ff. (422). AuR 1977, 363 ff. (364). Vgl. nur Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr.492.
11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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tation in die richtige Richtung zu lenken 72 • Im Hinblick auf den Telos des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG haben Sinn und Zweck der Mitbestimmung in den Beispielsfällen die entscheidende Hinweisfunktion. Das entspricht auch dem Willen des historischen Gesetzgebers, der ausweislieh der Begründung zum Regierungsentwurf73 dahin ging, mit dem Ausdruck "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" über das alte Recht hinauszugehen und ein umfassendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Bereich der Lohngestaltung sicherzustellen. Damit sollte nämlich nur erreicht werden, daß auch künftig auftretende Probleme der Lohngestaltung, die keine Entlohnungsgrundsätze und -methoden sind, der Mitbestimmung unterliegen 74. Der Katalog der mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen sollte erweitert werden, ohne an dem Zweck, den die Norm bereits nach altem Recht hatte, etwas zu ändern. Fragt man nun nach dem Zweck der Beteiligung des Betriebsrats bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung, Anwendung und Änderung von Entlohnungsmethoden, so stellt man fest, daß dieses Mitbestimmungsrecht nicht darauf abzielt, die Arbeitnehmervertretung an allen Entgeltfragen zu beteiligen. Der Entlohnungsgrundsatz als das Prinzip, nach dem das Arbeitsentgelt bemessen werden soll und die Entlohnungsmethode als die Art und Weise der Durchführung des gewählten Entlohnungsgrundsatzes 75 beziehen sich nur auf Fragen, von denen die Gestaltung der Arbeitsentgelte iS ihrer Ausgestaltung, Ausformung abhängt. Sie betreffen nicht die Entscheidungen darüber, ob überhaupt, wer und in welcher Höhe 76 entlohnt wird. In diesem Sinne kann 72 Vg!. nurGK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 319; Reuter, Vergütung vonAT-Angestellten, S. 9; Richardi, ZfA 1976, I ff. (8). 73 BT-Drucks. VI/ 1786, S. 49 !. Sp. 74 So auch Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 130; Rumpf, AuR 1972,65 ff. (73); Starck, Leistungspflichten, S. 64. 75 Zu den Begriffen "Entlohnungsgrundsatz" und "Entlohnungsmethode" vg!. nur BAG, Besch!. v. 29.3.1977 - I ABR 123/74 - , AP Nr. I zu § 87 BetrVG 1972 Provision; Besch!. v. 22.1.1980 - I ABR 48/77 - , AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 500, 509; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 219, 221; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke / Klebe, BetrVG, § 87 Rdnr. 45 f.; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 420; Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 145 mwN; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 178 f. 76 Daß mit der betrieblichen Lohngestaltung nur die Lohnfindung, nicht jedoch die Ermittlung der Lohnhöhe gemeint ist, ist ganz herrschende Meinung, vg!. nur BAG, Besch!. v. 22. I. 1980 - I ABR 48/77 - , AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Besch!. v. 29.3.1977 - I ABR 123/74 - , AP Nr. I zu § 87 BetrVG 1972 Provision; Urt. v. 31.1.1984-1 AZR 174/81-,APNr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr.493; Eich, DB 1980, 1340 ff. (1342); Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 121; v. Friesen, AuR 1980,367 ff. (370); Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr.218 a; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr.338; Hanau, BB 1977, 350 ff. (353); ders., RdA 1973, 281 ff. (282); Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 418; Lappe, ArbRGeg., Bd. 16 (1978), 55 ff. (86); Stadler, BB 1972,800 ff. (801); Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 167; Vogt, RdA 1984, 140 ff. (149); entgegen der Auffassung von Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 184, Gester / Isenhardt, RdA 1974,80 ff. (82), Strieder, BB 1980,420 ff. (422) und
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
man mit der herrschenden Meinung davon sprechen, daß die Beteiligung des Betriebsrats in den Beispielsfällen nur der Lohnfindung, und nicht der Lohnpolitik dient17. Mit dieser Feststellung sind Sinn und Zweck der Mitbestimmung des Betriebsrats in den Beispielsfällen allerdings noch nicht hinreichend beschrieben. Das Gesetz ordnet die Beteiligung der Arbeitnehmervertretung an der Lohnfindung nicht um ihrer selbst willen an. Die Mitbestimmung bei der Lohnfindung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfüllt vielmehr, wie die Mitbestimmung nach § 87 BetrVG allgemein, einen Schutzzweck 78 . Dieser Schutzzweck wird durch zwei Elemente bestimmt: durch die Gefahren, vor denen geschützt werden so1l79 und durch die Rechte und rechtlich geschützten Interessen, die geschützt werden sollen. Der konkrete Zweck, der mit der Beteiligung des Betriebsrats bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung, Anwendung und Änderung von Entlohnungsmethoden verfolgt wird, erschließt sich demnach nur, wenn man auch danach fragt, welchen Gefahren zum Schutze welcher Rechte und rechtlich geschützten Interessen durch die Mitbestimmung bei der Lohnfindung vorgebeugt werden soll. Trifft der Arbeitgeber autonom Entscheidungen über technische Lohnfindungsregelungen, so ist dies mit verschiedenen Gefahren verbunden: Zum einen besteht die Gefahr, daß der Arbeitgeber seine Entscheidung nur an den Interessen des Unternehmens orientiert, also die Interessen der Arbeitnehmer, ihr Wohl, in seiner Entscheidung überhaupt nicht berücksichtigt oder hintanstellt 80. Diese Gefahr bringt es zwangsläufig mit sich, daß bei den betroffenen Arbeitnehmern ein Gefühl des Ausgeliefertseins, der sozialen Unterlegenheit hervorgerufen, wenn nicht sogar verstärkt wird. Arbeitnehmer, die die Gefahr gewärtigen müssen, daß ihre Interessen den Interessen des Unternehmens stets untergeordnet werden, werden sich als Objekt der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers sehen, sie werden sich nicht menschengerecht behandelt fühlen. Zum anderen ist die Festlegung Klinkhammer, AuR 1977,363 ff. (364) kommt daher eine Mitbestimmung des Betriebsrats über die Lohnhöhe im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht in Betracht. 77 Vgl. nur Dietz I Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 493, 496 f. mwN. 78 Ganz herrschende Meinung, vgl. nur BAG, Beschl. v. 22.1.1980 - 1 ABR 48/ 77 - , AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Dütz I Schulin, ZfA 1975, 103 ff. (113); GK-Kraft, BetrVG, Einl. Rdnr.20; Hueck-Nipperdey, 11 / 2, S. 1062 f.; lahnke, Tarifautonomie, S.26; ders., ZfA 1980, 863 ff. (882 f.); Müller, DB 1970, 1076 ff. (1078); Niederalt, S. 21 f.; Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (20); ders., Betriebs- und Untemehmensmitbestimmung, Bd. 1, S. 20; Rüthers, in: Rüthers / Boldt, S. 33; Söllner, Grundriß, S. 154; Wiese, ZfA 1971,273 ff. (275 Fn. 14); Zöllner, Arbeitsrecht, S. 404. 79 Der Schutz, der über die Beteiligung des Betriebsrats gewährleistet werden soll, ist präventiv. Betriebliche Mitbestimmung setzt nach der Konzeption des Gesetzes bereits im Vorfeld der Arbeitgeberrnaßnahme, also vor der jeweiligen Entscheidung ein (Ausnahme: korrigierendes Mitbestimmungsrecht nach § 91 BetrVG). Das unterscheidet den Kollektivschutz vom Individualschutz, der im wesentlichen auf ein Arbeitgeberverhalten reagierend und damit repressiv erfolgt, vgl. auch Schlüter, IuR 1988,428 ff. (428). 80 Diese Gefahr besteht insbesondere bei der Änderung des Entlohnungssystems.
11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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von technischen Lohnfindungsregelungen stets mit der Gefahr verbunden, daß der Arbeitgeber willkürlich verfährt, d. h. daß er die Regelungen so gestaltet, daß im Ergebnis einzelne Arbeitnehmer gegenüber ihren Kollegen ohne sachlichen Grund benachteiligt werden. So könnte der Arbeitgeber, um nur ein Beispiel zu nennen, im Falle der Zahlung einer Erschwerniszulage für Schmutz- und andere lästige Arbeiten den Katalog der lästigen, erschwerten oder gefährlichen Arbeiten derart gestalten, daß für eine vergleichbare Belästigung im Endeffekt nicht die gleiche Erschwerniszulage gezahlt werden muß. Hier ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz angesprochen, dessen Einhaltung über die Beteiligung des Betriebsrats sichergestellt werden soll. Sinn und Zweck der Mitbestimmung bei den Entlohnungsgrundsätzen und Entlohnungsmethoden ist demnach zweierlei: Die Arbeitnehmer sollen vor einer willkürlichen, d. h. im Vergleich zu den Arbeitskollegen nicht angemessenen Lohngestaltung geschützt werden. Durch die Beteiligung des Betriebsrats sollen die Arbeitnehmer aber ebenso davor bewahrt werden, daß der Arbeitgeber die Kriterien für die Entlohnung einseitig an den Interessen des Unternehmens orientiert festlegt. Insofern dient die Mitbestimmung des Betriebsrats dem Schutz der Würde der Arbeitnehmer. Unter diesem Gesichtspunkt soll den Arbeitnehmern durch die Beteiligung an den maßgeblichen Entscheidungen das Gefühl des Ausgeliefertseins an eine von ihnen nicht beeinflußbare Leitungs- und Organisationsgewalt genommen werden 81. Auf eine Kurzformel zusammengefaßt dient das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung, Anwendung und Änderung von Entlohnungsmethoden nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dem Schutz der Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten oder willkürlichen Gestaltung der Arbeitsentgelte iS ihrer Ausformung. Es geht um die Ausgestaltung der einzelnen Lohnformen, um die Lohnfindung unter dem Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit. Dieser Zweck ist nun für den gesamten Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG maßgeblich. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dient demnach der Beteiligung des Betriebsrats an der Ausgestaltung der einzelnen Lohnformen unter dem Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit 82 • Oder anders formuliert: Zweck der Mitbe81 So zutreffend lahnke, ZfA 1980,863 ff. (883); vg!. aber auch Gk-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 90, der den Schutzgedanken betrieblicher Mitbestimmung enger faßt und den Aspekt des Würdeschutzes in dem von ihm entwickelten Gedanken der Teilhabe der Arbeitnehmer an den sie essentiell berührenden Entscheidungen aufgehen läßt. 82 Daß die Lohngerechtigkeit innerhalb des Betriebs das maßgebliche Ziel der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG ist, ist ganz herrschende Meinung, vg!. nur BAG, Besch!. v. 22.1.1980 - 1 ABR 48/77 - , AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Urt. v. 17.12.1980 - 5 AZR 570/78 - , AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Urt. v. 31.1.1984 - 1 AZR 174/81 - , AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Besch!. v. 31.1.1984 - 1 ABR 46/81 - , AP Nr.3 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang; Besch!. v. 17.12.1985 - 1 ABR 6/84-, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang; Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 493; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 121; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 218; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 408; Kissel,
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
stimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist eine Beteiligung der Arbeitnehmervertretung an den Entscheidungen, von denen bei der Erbringung der Entgeltleistung die Lohngerechtigkeit abhängt. bb) Die Bedeutung des § 87 Abs. 1 NT. 11 BetrVG Dieses soeben dargestellte Zwischenergebnis könnte allerdings im Hinblick auf den Bedeutungszusammenhang des Gesetzes zweifelhaft sein. Es bedürfte dann einer Korrektur, wenn sich, wie Gester / lsenhardt, Moll, Strieder, Rumpf und Klinkhammer meinen, aus einem systematisch-teleologischen Vergleich mit der ebenfalls Lohnfragen betreffenden Regelung des § 87 Abs. 1 NT. 11 BetrVG ergäbe, daß sich auch die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auf die Lohnhöhe erstreckt 83 • Nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte einschließlich der Geldfaktoren. Aus dem Wortlaut 84 , der Entstehungsgeschichte 85 und dem Telos 86 des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG entnehmen die O.g. Autoren, daß dieser Mitbestimmungstatbestand dem Betriebsrat auch das Recht einräumt, über die Lohnhöhe mitzubestimmen. Da davon auszugehen sei, daß der Gesetzgeber die durch die Nr. 10 und NT. 11 des § 87 Abs. 1 BetrVG geregelten Lohnbereiche nicht unterschiedlich bewerten wollte 87 und auch kein objektiver Grund dafür bestehe, hinsichtlich des Umfangs des Mitbestimmungsrechts zwischen Zeit- und Leistungslohn zu unterscheiden 88, dürfe die Mitbestimmung über die Lohnhöhe auch aus § 87 Abs. 1 NT. 10 BetrVG nicht ausgeklammert werden. Sinn und Zweck der Nr. 10 des § 87 Abs. 1 BetrVG sei demnach nicht nur die Mitbestimmung des Betriebsrats an der Lohnfindung unter dem RdA 1988, 193 ff. (199); Matthes, NZA 1987,289 ff. (289); zumindest mißverständlich ist es aber, wenn die überwiegende Meinung in der Rechtsprechung und im Schrifttum nicht nur in der Angemessenheit, sondern auch in der Transparenz und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges Sinn und Zweck der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sieht. Hier verwechselt die herrschende Meinung Ursache und Wirkung der Mitbestimmung. Die Transparenz des innerbetrieblichen Lohngefüges ist kein eigenständiger und vor allem kein spezifischer Zweck der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, sie ist vielmehr nur eine Folge der Beteiligung des Betriebsrats überhaupt. 83 Gester / lsenhardt, RdA 1974,80 ff. (84); Klinkhammer, AuR 1977,363 ff. (365); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 186 ff.; Rumpf, AuR 1972,65 ff. (71); Strieder, BB 1980,420 ff. (422). 84 So insbesondere Gester / lsenhardt, RdA 1974, 80 ff. (84); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 49. 85 Vgl. nur Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 49 ff. 86 Vgl. nur Strieder, BB 1980,420 ff. (421). 87 So die Argumentation von Rumpf, AuR 1972,65 ff. (71). 88 So vor allem Gester / lsenhardt, RdA 1974,80 ff. (84); Klinkhammer, AuR 1977, 363 ff. (365); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 186 f.
H. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit, sondern darüber hinaus auch seine Beteiligung an der Lohnpolitik. Ein weiteres Argument für die Anwendung des § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG auch auf Regelungen der Entgelthöhe wird insbesondere von Moll89 angeführt. Er weist darauf hin, daß bereits unter Geltung des § 56 BetrVG 1952 eine untrennbare Wechselwirkung zwischen den den Zeitlohn und den Leistungslohn betreffenden Mitbestimmungstatbeständen, § 56 Abs. I Buchst. g) und h) BetrVG 1952, allgemein anerkannt worden sei. Damals sei man von der Prämisse ausgegangen, daß die Höhe des Zeitlohns nicht mitbestimmt sei und habe hieraus die Schlußfolgerung gezogen, daß auch die Höhe des Leistungslohns nicht dem Mitbestimmungsrecht unterliege. Wenn nun unter Geltung des BetrVG 1972 die Mitbestimmung bei leistungsbezogenen Entgelten ausdrücklich auf die Entgelthöhe erstreckt werde, dann müsse die Argumentation redlicherweise in umgekehrter Richtung verlaufen und zur Mitbestimmung bei der Zeitlohnhöhe führen. Den o.g. Autoren ist zuzugeben, daß sie mit der Einbeziehung der ebenfalls den Lohnbereich betreffenden Regelung der Nr. ll des § 87 Abs. I BetrVG einen methodisch nicht zu beanstandenden Ansatz zur Ermittlung von Sinn und Zweck der Mitbestimmung nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG gewählt haben. Gerade durch einen systematisch- teleologischen Vergleich mit sachnahen anderen Normen, deren Inhalt und Zweck bereits geklärt, vielleicht sogar unbestritten ist, lassen sich nämlich bestimmte denkmögliche Zwecke der auszulegenden Norm bestätigen bzw. eliminieren 9O • Ob dieser systematisch-teleologische Vergleich allerdings zu dem Ergebnis führt, daß der Mitbestimmungstatbestand der Nr. 10 des § 87 Abs. I BetrVG dem Betriebsrat das Recht gibt, Lohnpolitik zu betreiben, muß bezweifelt werden. Ein solches Ergebnis ließe sich nämlich nur unter zwei Voraussetzungen vertreten, wobei diese Voraussetzungen selbst ineinandergreifen: Es müßte zweifelsfrei feststehen, daß sich das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG auch unmittelbar auf die Entgelthöhe erstreckt und es müßte von diesem Ausgangspunkt aus einen Wertungswiderspruch innerhalb des Gesetzes darstellen, wollte man die Mitbestimmung über die Lohnhöhe aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ausklammern. Ob der Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung nach der Nr. 11 des § 87 Abs. 1 BetrVG auch Lohnpolitik betreiben darf, ist in Schrifttum und Rechtsprechung bereits außerordentlich umstritten 91. Diese Frage läßt sich auch weder 89 Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 187 f.; ihm folgend: Klinkhammer, AuR 1977, 363 ff. (366); Strieder, BB 1980,420 ff. (422). 90 Bydlinski, Methodenlehre, S. 455. 91 Gegen eine Lohnpolitik des Betriebsrats im Rahmen seiner Mitbestimmung nach
§ 87 Abs. 1 Nr.11 BetrVG vor allem LAG Hamm, Besch!. v. 14.5.1976 - 3 TaBV 16/76 - , EzA § 87 BetrVG 1972 - Leistungslohn Nr. 1; LAG Düsseldorf, Besch!. v. 18.11.1975 - 17 TaBV 72/75 - , DB 1976, 1438 ff. (1439); Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 596,598; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 241 f.; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 454 f.; Löwisch, Anmerkung zu BAG, SAE 1982, 118;
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
unter Hinweis auf den Wortlaut, noch mit der Entstehungsgeschichte des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG beantworten 92 • Der Begriff "Geldfaktor", von dessen Bedeutungs gehalt der Umfang des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG abhängt, wird nirgendwo definiert. Ihm kann, worauf das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluß vom 25. Mai 1982 93 zutreffend hingewiesen hat, innerhalb einer Leistungslohmegelung unterschiedliche Bedeutung zukommen. Mit ihm kann beispielsweise derjenige Geldbetrag gemeint sein, der für die Ausgangs- bzw. Bezugsleistung gezahlt werden soll. In diesem Sinne bestimmt der Geldfaktor dann zwar nicht unmittelbar die Höhe des für eine bestimmte Leistung zu zahlenden Leistungslohns, aber er bestimmt den Preis dafür, daß überhaupt im Leistungslohn gearbeitet wird. Die Mitentscheidung über seine Größe ist dann zugleich Mitentscheidung über die Lohnhöhe selbst. Unter dem Geldfaktor kann aber auch ebensogut diejenige Größe verstanden werden, die das Verhältnis des Entgelts für die Leistung eines bestimmten Grades zum bereits feststehenden Entgelt für die Ausgangs- oder Bezugsleistung ausweist. In dieser Funktion bestimmt der Geldfaktor dann aber nur mittelbar die Höhe des Leistungsentgelts. Welche Bedeutung dem "Geldfaktor" im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG zukommt, läßt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte erschließen. Unter Geltung des BetrVG 1952, das in § 56 Abs. 1 Buchst. g) eine Mitbestimmung des Betriebsrats nur bei der Regelung von Akkord- und Stücklohnsätzen vorsah, war es umstritten, ob sich das Mitbestimmungsrecht nur auf den Zeitfaktor, oder aber zugleich auf den Geldfaktor bezog 94. Das BetrVG 1972 hat das Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (25 ff.); Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 195 a; für eine Lohnpolitik des Betriebsrats BAG, Beschl. v. 13.9.1983 - 1 ABR 32/81 - , AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie; Beschl. v. 16.12.1986 - 1 ABR 26/85 - , AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 140; Gester / lsenhardt, RdA 1974,80 ff. (84); Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke / Klebe, BetrVG, § 87 Rdnr. 49 f.; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 385 f.; Hanau, RdA 1973, 281 ff. (282); Klinkhammer, AuR 1977,363 ff. (365); Matthes, NZA 1987,289 ff. (292); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 52, 65, 74; Strieder, BB 1980,420 ff. (421); Wiese, Das Initiativrecht, S. 70 f. 92 a.A. insbesondere Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 455; GKWiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 385 f.; Klinkhammer, AuR 1977, 363 ff. (365); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 49 ff.; Wiese, Das Initiativrecht, S. 70. 93 1 ABR 19/80 - , AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie. 94 Für die Mitbestimmung nur beim Zeitfaktor vgl. BAG, Beschl. v. 7.12.1962 1 ABR 4/61 - , AP Nr. 3 zu § 56 Akkord; Dietz, BetrVG, § 56 Rdnr. 194; ders., BB 1959, 1210 ff. (1215); ders. BB 1960, 367 ff. (370); Galperin / Siebert, BetrVG, § 56 Rdnr. 82; Hilger, in: Akkord und Prämie, D III 1 ff., GIlB; Hueck-Nipperdey, II / 2, S. 1382; Neumann-Duesberg, BetrVR, S. 495; Nikisch, III, S. 424; Richardi, Kollektivgewalt, S. 255 ff., 272 f.; Siebert, BB 1956,46 ff. (48); ebenso für den Prämienlohn vgl. BAG, Beschl. v. 22.11.1963 - 1 ABR 6/63 - , AP Nr. 3 zu § 56 BetrVG Entlohnung; Beschl. v. 18.3.1964 -1 ABR 10/63 - , AP Nr. 4 zu § 56 BetrVG Entlohnung; Dietz, BetrVG, § 56 Rdnr. 218; Hilger, in: Akkord und Prämie, H IV 1; abweichend vor allem Berger, AuR 1959,37 ff. (39); Farthmann, BB 1963,779 ff. (786); Fitting / Kraegeloh / Auffahrt, BetrVG, § 56 Rdnr. 41.
11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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Beteiligungsrecht des Betriebsrats beim Leistungslohn nun ausdrücklich auf die Festsetzung der Geldfaktoren erweitert. In der Begründung zum Regierungsentwurf95 heißt es: "Über das geltende Recht hinaus zieht Nr. 11 neben den Akkordentgelten alle leistungsbezogenen Entgelte, wie z. B. Prämien oder Provisionen in das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ein. Ferner wird die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage klargestellt, daß sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf die Festlegung aller Bezugsgrößen erstreckt, die für die Ermittlung und Berechnung der leistungsbezogenen Entgelte von Bedeutung sind; so soll z. B. beim Akkordlohn ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sowohl hinsichtlich der Festlegung des Zeit/aktors, als auch des Geldfaktors bestehen. "
Fest steht demnach, daß der historische Gesetzgeber den unter Geltung des BetrVG 1952 ausgetragenen Streit über den Umfang des Mitbestimmungsrechts dahingehend entscheiden wollte, daß alle Bezugsgrößen der Mitbestimmung unterliegen, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sich mithin auch auf die Geldseite der Leistungsentgelte erstrecken sollte. Damit hat der Gesetzgeber dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht über die Lohnhöhe eingeräumt. Ob sich die Einflußnahme des Betriebsrats auf die Lohnhöhe nun aber unmittelbar oder nur mittelbar vollziehen sollte, läßt sich den Materialien nicht entnehmen. Auch die Entstehungsgeschichte des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG läßt demnach die bereits dem Wortlaut nach möglichen beiden Deutungsvarianten zu 96. Über den Bedeutungsgehalt des Begriffs "Geldfaktor" in § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG muß demnach der Zweck der Norm entscheiden. Im Rahmen der Diskussion um den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats ist der Zweck der Norm dann auch der Punkt, über den am heftigsten gestritten wird. Einer weit verbreiteten Ansicht zufolge soll durch das Mitbestimmungsrecht bei der Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze sowie vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte lediglich eine gerechte leistungsbezogene Vergütung gesichert werden. Sinn und Zweck der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG sei es nur, Lohngerechtigkeit iS der Richtigkeit des Leistungslohns zu gewährleisten und nicht, über eine Mitbestimmung bei der Entgelthöhe den Arbeitgeber zu erhöhten Lohnleistungen zu zwingen 97 • Ein solcher Telos des § 87 Abs. 1 Nr. 11 95 BT-Drucks. VII 1786, S. 18, 49. Die jetzige Fassung des § 87 Abs. I Nr. 11 BetrVG, in der der Geldfaktor ausdrücklich erwähnt wird, erhielt der Mitbestimmungstatbestand zwar erst durch den Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung (vg!. BT-Drucks. VI / 2729, S. 39; zu BT-Drucks. VI / 2729, S.29); für die Vorstellungen, die der historische Gesetzgeber mit dem Begriff "Geldfaktor" verbunden hat, bleibt allerdings die Begründung zum Regierungsentwurf maßgeblich, weil die Neufassung hieran nichts geändert hat (so auch BAG, Besch!. v. 13.9.1983 - I ABR 32/81 - , AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie). 96 So auch BAG, Besch!. v. 13.9.1983 I ABR 32/81 - , AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie; Lieb, ZfA 1988,413 ff. (420 f.). 97 Vg!. nur LAG Hamm, Besch!. v. 14.5.1976 3 TaBV 16/76 - , EzA § 87 BetrVG 1972 - Leistungslohn Nr. I; LAG Düsseldorf, Besch!. v. 18.11.1975 - 17 TaBV 72/75 - , DB 1976, 1438 ff. (1439); Dietz I Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr.558,
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
BetrVG bringt es mit sich, daß eine Mitbestimmungspflichtigkeit des Geldfaktors im Sinne des Preises für die Leistung nicht angenommen werden, der Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung nach eben dieser Norm also die Lohnhöhe nicht unmittelbar beeinflussen kann. Das Bundesarbeitsgericht und ein Teil des Schrifttums sind hingegen der Auffassung, daß sich der Schutzzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG nicht in der Sicherstellung der Lohngerechtigkeit erschöpft. Sie sehen die Gefahren eines Leistungslohnsystems nicht nur in der unzutreffenden Bewertung der einzelnen Leistungsansätze, sondern ebenso darin, daß jedes Leistungslohnsystem einen Anreiz zur Mehrleistung schafft, die den Arbeitnehmer überfordern und in seiner Gesundheit schädigen kann 98. Sie sind der Ansicht, daß der zuletzt genannten Gefahr der Überforderung über die Mitbestimmung nur dann wirksam begegnet werden kann, wenn der Betriebsrat auch darauf hinwirken kann, daß der Anreiz zur Mehrleistung in einem angemessenen Verhältnis zu einem möglichen Mehrverdienst steht, der einen übermäßigen und damit schädigenden Leistungseinsatz entbehrlich macht. Da die Höhe des dem Leistungseinsatz angemessenen Mehrverdienstes in erster Linie davon abhängig sei, welcher Lohn für die Bezugs- oder Ausgangsleistung bezahlt wird, habe der Betriebsrat auch über den Geldfaktor iS des Preises für die Leistung mitzubestimmen 99 • Der Streit um den Telos des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG braucht zur Beantwortung der Frage, ob dem Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung bei der Lohngestaltung mit Rücksicht auf die Nr. 11 des § 87 Abs. 1 BetrVG das Recht zukommt, auch Lohnpolitik zu betreiben, nicht entschieden zu werden. Schließt man sich nämlich der Auffassung an, daß es Sinn und Zweck der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG ist, eine gerechte leistungsbezogene Vergütung zu sichern, dann kommt bereits nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG eine Mitbestimmung unmittelbar über die Entgelthöhe nicht in Betracht. In dem Fall ist § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG von vornherein keine geeignete Analogiebasis 100 für eine 596,598; Galperin I Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 241 ff.; Hess I Schlochauer I G1aubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 454; Löwisch, Anmerkung zu BAG, SAE 1982, 118; Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (25 ff.); Stege I Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 195 a; Zöllner, Arbeitsrecht, S.451f. 98 Vgl. nur BAG, Beschl. v. 13.9.1983 - 1 ABR 32/81-, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie; Fitting I Auffahrt I Kaiser I Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 140; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 364; Matthes, NZA 1987,289 ff. (292); Starck, Leistungspflichten, S. 60 f.; Strieder, BB 1980,420 ff. (421); Wiese, Das Initiativrecht, S. 70 ff. 99 So im Ergebnis auch BAG, Beschl. v. 16.12.1986 1 ABR 26/85 -, AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie. 100 Gemeint ist hier die systematisch-teleologische Auslegung iS einer analogieartigen Auslegung entsprechend den Gründen ähnlicher, verwandter Normen. Sie dient im Unterschied zur Analogie iS der juristischen Methodenlehre nicht der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung durch Lückenfüllung, sondern der Auslegung von Normen im Rahmen ihres Vagheitsbereichs, vgl. nur Bydlinski, Methodenlehre, S. 454 f.; vgl. auch Canaris, Die Feststellung, S. 24, der die Analogie in diesem Zusammenhang als bloße Auslegungshilfe bezeichnet.
11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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weite, die unmittelbare Mitbestimmung bei der Lohnhöhe umfassende Interpretation des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Aber auch dann, wenn man den Schutzzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG weiter faßt und hieraus das Bedürfnis nach Mitbestimmung über die Entgelthöhe ableitet, rechtfertigt dies nicht die Einbeziehung der Mitbestimmung über die Lohnhöhe in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Ist es nämlich gerade der Schutz vor den von der Arbeit im Leistungslohn ausgehenden Gefahren für die Gesundheit der Arbeitnehmer, der ein so weitgehendes Mitbestimmungsrecht erforderlich macht, dann hat die Mitbestimmung über die Entgelthöhe nach § 87 Abs. I Nr. 11 BetrVG ihren Grund in den Besonderheiten der Arbeit im Leistungslohn, d. h. in Gegebenheiten, die bei der Arbeit im Zeitlohn nicht vorliegen können. Die Nummern 10 und 11 des § 87 BetrVG sind dann Regelungen, die einer unterschiedlichen Interessenlage und einem unterschiedlichen Schutzbedürfnis Rechnung tragen, sie sind nicht gleichartig. Dann ist es aber nur richtig, wenn diese Mitbestimmungstatbestände der unterschiedlichen Interessenlage und dem unterschiedlichen Schutzbedürfnis durch unterschiedliche Rechtsfolgen Rechnung tragen. Wollte man nun, wie die o.g. Autoren es befürworten, § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mit Rücksicht auf die Nr. 11 des § 87 BetrVG auch auf Regelungen über die Lohnhöhe anwenden, würde man den Wertungswiderspruch erst in das Gesetz hineintragen. Ergebnis zu bb):
Der systematisch-teleologische Vergleich mit § 87 Abs. I Nr. 11 BetrVG bestätigt das bereits oben gefundene Ergebnis, daß eine unmittelbare Mitbestimmung über die Lohnhöhe nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht beabsichtigt ist 101. cc) Die Bedeutung der §§ 2, 75 BetrVG Daß der Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG die Lohnhöhe nicht unmittelbar beeinflussen kann, wird auch durch die allgemeine Zielsetzung des Betriebsverfassungsgesetzes, vorrangig die ideellen und nicht die materiellen Interessen der Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern, bestätigt 102. Diese Wertentscheidung des Gesetzes läßt sich nicht nur aus der 101 Ebenso im Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung Gumpert, BB 1976, 605 ff. (610); Hanau, BB 1977, 350 ff. (353); Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 418; lahnke, ZfA 1980,863 ff. (890); Stadler, BB 1972,800 ff. (801); Starck, Leistungspflichten, S. 65; Weigel, BB 1974, 1583 ff. (1585). 102 So zutreffend lahnke, Tarifautonomie, S. 129; ders., ZfA 1980,863 ff. (883 ff.); GK-Wiese, BetrVG, Vor § 81 Rdnr. 3; in diesem Sinne auch Dietz / Richardi, BetrVG, Vor § 81 Rdnr.7; zum BetrVG 1952 bereits Hueck / Nipperdey, 11 / 2, S. 1063; Isele, RdA 1962, 373 ff. (374); Müller, DB 1957, 409 ff. (410); Nikisch, III, S. 338; Wiese, ZfA 1971, 273 ff. (275 Fn. 14).
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
Gesamtschau zahlreicher Einzelbestimmungen erschließen 103, sie ist in §§ 2, 75 BetrVG, der "Magna Charta des Betriebsverfassungsgesetzes" 104, auch ausdrücklich festgeschrieben. Nach § 2 Abs. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebs vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Mit dieser Bestimmung hat das Gesetz nun zwar nicht den natürlichen Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat aufheben und auch nicht verhindern wollen, daß jede der beiden Seiten ihre eigenen Interessen verfolgt 105. Es hat aber das Wohl der Arbeitnehmer ausdrücklich zu einem Ziel der vertrauensvollen Zusammenarbeit erklärt und damit der Verfolgung der Interessen des Betriebsinhabers 106 Schranken gesetzt. In dieser Schrankenfunktion des "Wohls der Arbeitnehmer" verdeutlicht sich zugleich Sinn und Zweck der Teilhabe des Betriebsrats überhaupt: Betriebliche Mitbestimmung dient dem Schutz und der Förderung des Wohls der Arbeitnehmer 107. Was nun dieses "Wohl der Arbeitnehmer" ausmacht, wird in § 75 BetrVG konkretisiert 108. Die Zusammenarbeit der Betriebspartner soll eine den Grundsätzen von Recht und Billigkeit entsprechende Behandlung der Betriebsangehörigen verwirklichen, § 75 Abs. 1 BetrVG. Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 2 BetrVG die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Mit dem Pflichtenkatalog nach § 75 Abs. 2 BetrVG erweitert das Gesetz die Bindung der staatlichen Gewalt an die Freiheitsgrundrechte ausdrücklich auf Arbeitgeber und Betriebsrat lO9 • Gemeinsam mit der Regelung des Abs. 1 des § 75 BetrVG bringt das Gesetz damit zum Ausdruck, daß Gleichbehandlung und Freiheit der Einzelpersönlichkeit die beherrschenden Grundwerte der Betriebsverfassung sind 110. Diese dürfen weder durch den Arbeitgeber noch durch den Betriebsrat beeinträchtigt werden. Insofern normiert § 75 BetrVG ein Eingriffsverbot, mithin Schranken für die Betriebsautonomie und Maßstäbe für die Ausübung der Mitbestimmungsrechte 111. Mit der Anweisung an die Betriebspartner, die freie Entfaltung der Vgl. nur §§ 81 ff., 90, 91, 94, 87 BetrVG. So die Bezeichnung von Richardi, Betriebsverfassung und Privatautonomie, S. 13; vgl. auch Dietz I Richardi, BetrVG, § 75 Rdnr. l. 105 Vgl. nur GK-KraJt, BetrVG, § 2 Rdnr. 30. 106 Darauf, daß "Wohl des Betriebs" in § 2 Abs. I BetrVG nichts anderes als "Interesse des Betriebsinhabers" bedeutet, hat zutreffend Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 321 hingewiesen. 107 Vgl. nur Söllner, Grundriß, S. 154; Zöllner, Arbeitsrecht, S. 404. 108 Darauf, daß § 75 BetrVG eine Konkretisierung der Kooperationsmaxime ist, weist zutreffend v. Hoyningen-Huene, NZA 1989, 121 ff. (125) hin. 109 Vgl. nur Dietz I Richardi, BetrVG, § 75 Rdnr.37; Löwisch, AuR 1972, 359 ff. (359); Riedel, ArbRGeg., Bd. 14 (1976), 79 ff. (81); Schlüter, IuR 1988,428 ff. (428); Wiesinger, S. 195 ff. (201). 110 Vgl. nur Dietz I Richardi, BetrVG, § 75 Rdnr. 37; in diesem Sinne auch Haneberg, Rechte und Pflichten, S. 44, 74. 111 Vgl. nur Dietz I Richardi, BetrVG, § 75 Rdnr. 1 und 37; GK-Thiele, BetrVG, § 75 Rdnr.56. 103
104
ll. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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Persönlichkeit nicht nur zu schützen, sondern auch zu fördern, geht das BetrVG zudem über die Verpflichtungen hinaus, die sich aus den im wesentlichen als Abwehrrechte ausgestalteten Freiheitsrechten für Arbeitgeber und Betriebsrat ergeben 112. Durch betriebliche Mitbestimmung soll die Persönlichkeitsentfaltung des einzelnen Arbeitnehmers weiterentwickelt werden. Wie der Begründung zum Regierungsentwurf entnommen werden kann, hat der historische Gesetzgeber mit dieser Verpflichtung der Betriebspartner der allgemeinen Forderung nach verstärkter Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte auch im Arbeitsleben Rechnung tragen wollen 113. Es geht also um eine Verbesserung der Stellung der einzelnen Arbeitnehmer im Betrieb. Die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb ist vor allem durch zwei Dinge gekennzeichnet: Durch die Tatsache, daß sich der Arbeitnehmer aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers dessen Leitungs- und Organisationsgewalt unterzuordnen hat, und dadurch, daß er aufgrund seiner ökonomischen Schwäche das Regelungsinstrumentarium des individuellen Vertrags nicht hinreichend nutzen kann 114. Der Arbeitnehmer sieht sich im Betrieb mithin einem Alleinbestimmungsrecht des Arbeitgebers gegenübergestellt, das sein verfassungsrechtlich verbürgtes Selbstbestimmungsrecht in weiten Bereichen zurückdrängt. Von diesem Ausgangspunkt aus kann eine Verbesserung der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb nur bedeuten, daß dieser über die im BetrVG vorgesehene Teilhabe des betrieblichen Vertretungsorgans in die Lage versetzt wird, eigene Initiativen zur Wahrung seiner Interessen zu entfalten 115. Betriebliche Mitbestimmung hat daher, wie Richardi es zutreffend formuliert hat, auch die Funktion, eine "Ordnung nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung" zu ermöglichen 116. Es geht darum, den Gedanken der Privatautonomie innerhalb der arbeitsteiligen Organisation des Betriebs zu verwirklichen 117. Auf diese Weise kann den Arbeitnehmern das Gefühl des Ausgeliefertseins an eine von ihnen nicht beeinflußbare Leitungs- und Organisationsgewalt des Arbeitgebers genommen und durch das Gefühl der Selbstbestimmung auch im Betrieb ersetzt werden 118. Daß eine solche Zielsetzung den Schutz der Würde und der Persönlichkeit des Arbeitnehmers im Auge hat, liegt auf der Hand.
112 Löwisch, AuR 1972,359 ff. (363); Riedei, ArbRGeg., Bd. 14 (1976), 79 ff. (92); Wiesinger, S. 195 ff. (201). 113 Vgl. BT-Drucks. VII 1786, S.46 r. Sp. 114 Vgl. dazu nur Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 176. 115 In diesem Sinne, wenn auch in Bezug auf die Mitbestimmung im Aufsichtsrat, heißt es im Bericht der Mitbestimmungskommission (BT-Drucks. VI/ 334, S. 59 1. Sp.): Der Arbeitnehmer "wird durch die Institutionen des Betriebsverfassungsgesetzes vielmehr in die Lage versetzt, eigene Initiativen zur Wahrung seiner Interessen in dem Bereich zu entfalten, in dem nach arbeitsvertraglicher Regelung der Arbeitgeber allein entscheidet" . 116 Richardi, Betriebsverfassung und Privatautonomie, S. 12. 117 Richardi, Betriebsverfassung und Privatautonomie, S. 12; lahnke, ZfA 1980, 863 ff. (882).
5 Magula-Lösche
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
Allgemeine Zielsetzung des Betriebsverfassungsgesetzes ist demnach der Schutz des einzelnen Arbeitnehmers vor willkürlicher Ungleichbehandlung und sein Schutz als Persönlichkeit, d. h. in der Achtung seiner Menschenwürde und Persönlichkeitsentfaltung im Arbeitsverhältnis 119. Da die Gerechtigkeit, die Menschenwürde und die Persönlichkeitsentfaltung nicht in erster Linie materielle Interessen, sondern ideelle Belange betreffen, verfolgt die Errichtung von Betriebsräten nicht das Ziel, die Verhandlungspositionen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber dadurch zu stärken, daß auf kollektiver Ebene Mindestbedingungen festgelegt werden können 120. Eine unmittelbare Einflußnahme des Betriebsrats auf die Lohnhöhe nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG würde demnach der Grundkonzeption des Gesetzes widersprechen. Sie hätte, sofern der Gesetzgeber gerade durch § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG von seiner grundsätzlichen Zielrichtung hätte abweichen wollen, einer ausdrücklichen Anordnung bedurft. Diese Eindeutigkeit läßt der unbestimmte Rechtsbegriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" jedoch vermissen.
4. Ergebnis: Der BedeutungsgehaIt des Begriffs "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung"
Für den Bedeutungsgehalt des Begriffs ,,Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" ergibt sich aus der gesetzlichen Systematik und dem Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, daß die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung über die rein technischen Lohnfindungsregelungen, die Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden hinaus all die Regelungen umfassen, von denen bei der Ausgestaltung der einzelnen Lohnformen die Lohngerechtigkeit abhängt. Nur diese Entscheidungen sind nach der Systematik und dem Telos der Norm mitbestimmt.
118 Vgl. zu dieser Zielsetzung auch den Bericht der Mitbestimmungskommission (BTDrucks. VI/ 334, S. 66 r. Sp.), in dem es heißt: "Die Forderung nach Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Untemehmensorganen und nach demokratischer Mitsprache wird vor allem deshalb erhoben, weil der Wunsch besteht, die "Objektstellung" des Arbeitnehmers abzubauen und in eine "Subjektstellung" zu überführen. 119 Letzteres ganz herrschende Literaturansicht, vgl. nur Dütz / Schulin, ZfA 1975, 103 ff. (113); GK-KraJt, BetrVG, Einl. Rdnr. 20; Hueck / Nipperdey, II / 2, S. 1062 f.; lahnke, Tarifautonomie, S.26; ders., ZfA 1980, 863 ff. (882 f.); Müller, DB 1970, 1076 ff. (1078); Niederalt, S. 21 f.; Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (20); ders., Betriebs- und Untemehmensmitbestimmung, Bd. 1, S. 20; Rüthers, in: Rüthers / Boldt, S. 33; Söllner, Grundriß, S. 154; Wiese, ZfA 1971,273 ff. (275 Fn. 14); Zöllner, Arbeitsrecht, S. 404; neben einem so weit gefaßten Schutzzweck ist für einen selbständigen Teilhabezweck als Ordnungsprinzip des Betriebsverfassungsrechts (dafür spricht sich Wiese aus, vgl. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 33) kein Raum. 120 So zutreffend lahnke, ZfA 1980, 863 ff. (882).
11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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B. Die Subsumtion unter den Begriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" Entscheidungen und Maßnahmen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen unterliegen insoweit der Mitbestimmung des Betriebsrats, als sie die Ausgestaltung der Lohnform unter dem Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit betreffen.
1. Die Entscheidungen über das "Ob" und den Zweck einer betrieblichen Sozialleistung, die Auswahl des begünstigten Personenkreises und über die Form von Versorgungsleistungen
Da ,,Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" nur Maßnahmen sind, die sich auf die Ausgestaltung der Lohnform beziehen, betreffen sie nicht die Entscheidungen darüber, ob überhaupt und wer entlohnt wird. Deshalb kann der Arbeitgeber nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungsfrei darüber befinden, ob er eine betriebliche Sozialleistung überhaupt gewährt und welchen Personenkreis er begünstigen möchte. Gleiches gilt auch für die Entscheidung über den Zweck der Leistung iS ihres Charakters 121 und die Form der Versorgungsleistung. Auch diese Entscheidungen betreffen nicht die Ausgestaltung der Lohnform unter dem Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit, sie bestimmen vielmehr die Lohnform als solche. 2. Die Entscheidung über die Dotierung / Die Entscheidung über die Höhe der Einzelleistung im Rahmen der Dotierung
Wie oben bereits ausgeführt l22 , ist auch die lohnpolitische Entscheidung über die Lohnhöhe keine "Frage der betrieblichen Lohngestaltung". Diese Entscheidung kann der Arbeitgeber demnach treffen, ohne den Betriebsrat beteiligen zu müssen. Fraglich ist, ob sich hieraus das Recht des Arbeitgebers herleiten läßt, dem Betriebsrat den sog. Dotierungsrahmen vorzugeben. Das wäre dann der Fall, wenn mit der mitbestimmungsfreien Entscheidung über die Lohnhöhe nicht die Entscheidung über die Höhe der Einzelleistung, sondern die Entscheidung über die Gesamtlohnhöhe gemeint ist. Dann könnte der Arbeitgeber nämlich frei darüber befinden, in welchem Umfang die Arbeitnehmer insgesamt begünstigt werden sollen, während der Betriebsrat darüber mitzubestimmen hätte, wie die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mittel auf die Arbeitnehmer verteilt werden, d. h. unter welchen Voraussetzungen welche Arbeitnehmer in welcher Höhe in dem so vorgegebenen Rahmen Leistungen erhalten. Die Verteilung der 121 Z.B. als betriebliche Altersversorgung, als Jubiläumszuwendung oder F1ugpreisermäßigung. 122 Vgl. Ausführungen zu § 3 H. A. 3. c) aa), bb) und cc).
5*
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
Mittel im Rahmen der vom Arbeitgeber bestimmten Dotierung wäre eine Entscheidung über die Ausgestaltung der Lohnform. An dieser Entscheidung wäre der Betriebsrat zu beteiligen, um der Gefahr einer willkürlichen Ungleichbehandlung vorzubeugen. Während das Bundesarbeitsgericht und die herrschende Ansicht im Schrifttum für die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die "Topftheorie" befürworten 123, hat Jahnke gegen die Theorie vom mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen Bedenken erhoben. Er ist der Auffassung, daß es im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG generell nicht darauf ankommen könne, ob der Arbeitgeber eine bestimmte Gesamtsumme, einen Fonds oder dgl. bereitstelle, um hieraus die Leistungen zu bestreiten. Für das reguläre Entgelt sei dies eine Selbstverständlichkeit. Nichts anderes dürfe dann aber für die Mitbestimmung bei den freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen gelten, da sich angesichts der Zielrichtung der Norm, eine gerechte Lohngestaltung zu gewährleisten, jede Differenzierung zwischen Sozialleistungen und regulärem Arbeitsentgelt verbiete. Für die betrieblichen Sozialleistungen habe deshalb ebenso wie für das Arbeitsentgelt ieS zu gelten, daß sich die Mitbestimmung des Betriebsrats nur auf die normative Festlegung der materiellen Gesichtspunkte und des Verfahrens, die zur Gehaltsbemessung im Einzelfall führen, nicht jedoch auf die Entgelthöhe iS der Höhe der Einzelleistung beziehe 124. Die Auffassung von Jahnke überzeugt nicht. Richtig ist zwar, daß die Mitbestimmung beim eigentlichen Arbeitsentgelt nicht durch einen vom Arbeitgeber bereitgestellten Lohntopf limitiert wird 125. Zum einen wird das reguläre Entgelt vom Arbeitgeber nicht im Rahmen einer feststehenden Gesamtsumme geleistet 126. Das Arbeitsentgelt ieS dient der unmittelbaren Abgeltung einer bestimmbaren Arbeitsleistung 127. Seine Höhe ist demnach abhängig davon, ob und in welchem Umfang Arbeitsleistung erbracht wird. Dies gilt insbesondere für die leistungs bezogenen Entgelte, bei denen die Höhe der Vergütung sogar unmittelbar von einer Mehr- oder Besserleistung des Arbeitnehmers abhängt l28 • Zum anderen würde die Annahme eines mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmens beim eigentlichen Vgl. ausführlich § 2 1., III. A. Vgl. lahnke, ZfA 1980, 863 ff. (890, 892 f.). 125 A. A. wohl Heinze, NZA 1986, 1 ff. (7), der auf dem Standpunkt steht, daß Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG im Vergleich zu den Vorstellungen des Arbeitgebers in jedem Fall ,,kostenneutral" erfolgen müsse. 126 So auch Fitting I Auffahrt I Kaiser I Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 127; Läwisch I Räder, Anmerkung zu BAG AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Richardi, Anmerkung zu BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; ders., ZfA 1976, 1 ff. (23); Strieder, BB 1980,420 ff. (423). 127 Vgl. nur Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 404. 128 So ausdrücklich Richardi, Anmerkung zu BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 123
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11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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Arbeitsentgelt dazu führen, daß der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in weiten Bereichen gar nicht ausüben könnte. Dies ergibt sich aus der Erwägung, daß die Lohnhöhe im konkreten Fall entscheidend vom System der Lohn- und Gehaltsfindung abhängt 129. Änderungen des Entlohnungsgrundsatzes können den Arbeitgeber durchaus mit zusätzlichen Lohnverpflichtungen belasten 130. Dies zeigt sich insbesondere beim Übergang vom Zeitzum Akkordlohn. Hier ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Akkordzuschlag und die Vergütung für überdurchschnittliche Leistungen zu zahlen. Da der Betriebsrat nun aber nach der eindeutigen Regelung in § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen mitzubestimmen hat, müssen mittelbare Auswirkungen auf die Gesamtlohnsumme infolge seiner Beteiligung hingenommen werden 131. Für Löhne und Gehälter, die im Synallagrna zur Arbeitsleistung stehen, kann sich das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entsprechend der Zielrichtung der Norm, den Betriebsrat an der Ausgestaltung der Lohnform unter dem Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit zu beteiligen, daher nur auf die Grundlagen der Lohnberechnung, einschließlich der Strukturformen des Entgelts und ihrer näheren Vollziehungsformen unter Ausschluß der Lohnhöhe iS der Einzellohnhöhe beziehen 132. Eine Beschränkung der Mitbestimmung auf einen vom Arbeitgeber vorgegebenen Fonds kommt auch aus diesem Grunde nicht in Betracht. Bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen hingegen besteht kein Grund, dem Arbeitgeber die Berufung auf einen mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen zu versagen. Freiwillige betriebliche Sozialleistungen werden vom Arbeitgeber mit Rücksicht auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses aus besonderem Anlaß gewährt; sie dienen nicht der unmittelbaren Abgeltung einer bestimmbaren Arbeitsleistung 133. Die Höhe der Sozialleistung hängt demnach nicht davon ab, ob und in welchem Umfang Arbeitsleistung erbracht wurde; sie steht im Belieben des Arbeitgebers. Bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen kann der ArbeitVgl. Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (23). So auch Wiese, Das Initiativrecht, S. 60. 131 So Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 129; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 360; Moritz, AuR 1983,97 ff. (107); Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (23); Starck, Leistungspflichten, S. 67; Strieder, BB 1980,420 ff. (423); Zöllner, Arbeitsrecht, S.455; vgl. auch Hromadka, NZA 1987, Beil. Nr.3, 1 ff. (6), der davon spricht, daß der Betriebsrat einen "offenen Topf' erzwingen kann. 132 So auch Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 543 f.; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 417 f., 440; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 338; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 121; Jahnke, ZfA 1980, 863 ff. (890); Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (25). I33 Vgl. nur Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 403 f. Dies gilt auch für die in den Wettbewerben zu erzielenden Prämien. Zwar ist dort eine bestimmte Arbeitsleistung Voraussetzung für das Überschreiten der Eintrittsschwelle, d.h. Voraussetzung dafür, um am Wettbewerb überhaupt teilnehmen zu können. Dennoch wird der im Wettbewerb zu erzielende Gewinn nicht für eine bestimmte Arbeitsleistung gezahlt, sondern dafür, daß der Arbeitnehmer im Wettbewerb einen bestimmten Platz belegt hat. 129 130
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
geber daher eine bestimmte Gesamtsumme festlegen, die er für die Sozialleistung aufbringen möchte. Und er wird dies in der Regel auch tun. Zunächst einmal wird der Arbeitgeber konkrete Vorstellungen darüber haben, in welcher Höhe die Gewährung von Sozialleistungen für ihn wirtschaftlich überhaupt vertretbar ist. Die Festlegung eines Fonds kommt zudem dem kaufmännischen Sicherheitsdenken des Unternehmers entgegen, das dahin geht, eine unvorhersehbare Erhöhung des Leistungsvolumens in großem Maße möglichst zu vermeiden. Letztlich ist die Bestimmung einer feststehenden Gesamtsumme für den Arbeitgeber auch deshalb vorteilhaft, weil die Gesamtsumme als fixer Rechenposten die betriebliche Finanz- und Steuerplanung erleichtert. Anders als beim Arbeitsentgelt ieS kann der Arbeitgeber dadurch, daß er dem Betriebsrat einen Dotierungsrahmen vorgibt, das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmervertretung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auch nicht entwerten. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bezweckt die Beteiligung des Betriebsrats an der Ausgestaltung der Lohnform unter dem Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit. Bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen, also bei dem Entgelt, das nicht der unmittelbaren Abgeltung einer bestimmbaren Arbeitsleistung dient, sondern vom Arbeitgeber zusätzlich zum eigentlichen Gehalt bzw. Lohn mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis aus besonderem Anlaß gewährt wird, spiegelt sich Lohngerechtigkeit darin wider, daß die Kriterien und Voraussetzungen der Leistungsvergabe sachgerecht festgelegt werden und daß die Relationen zwischen den Einzelzuwendungen angemessen sind. Bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen hat der Betriebsrat demnach eine Verteilungsaufgabe, das Normziel Lohngerechtigkeit ist iS von Verteilungsgerechtigkeit zu verstehen. Stimmt der Betriebsrat nun über die Verteilung der Mittel im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Dotierung mit, so verbleibt ihm - gemessen am Normzweck - ein adäquater Bereich, in dem er seine Vorstellungen von Verteilungsgerechtigkeit zur Geltung bringen kann. Die Wahrung der dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zukommenden Verteilungsaufgabe wird also dadurch, daß der Arbeitgeber einen Dotierungsrahmen vorgibt, keinesfalls in Frage gestellt. Im Gegenteil, das Normziel "Verteilungsgerechtigkeit" erfordert den Dotierungsrahmen geradezu. Nur wenn der Arbeitgeber das Gesamtvolumen der Leistungen bestimmt und damit seine "Karten auf den Tisch gelegt" hat, wenn der Betriebsrat also weiß, was es zu verteilen gibt, ist sinnvolle Mitbestimmung möglich. Die Kriterien und Voraussetzungen der Leistungsvergabe können sachgerecht nur festgelegt werden, wenn feststeht, über welche Summe disponiert werden kann. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Betriebsrat überhaupt konkrete Vorstellungen über das, was Verteilungsgerechtigkeit im konkreten Fall ausmacht, entwickeln und über die Mitbestimmung zur Geltung bringen 134. Mit dem Bundesarbeitsgericht und der herrschenden Auffassung im Schrifttum ist daher davon auszugehen, daß der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei festlegen 134
So auch Heinze, NZA 1986, 1 ff. (9).
11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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kann, in welchem Umfang er Mittel für eine betriebliche Sozialleistung zur Verfügung stellen will und daß der Betriebsrat im Rahmen dieser Vorgabe über die Verteilung der Mittel auf die Arbeitnehmer mitzubestimmen hat. Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist demnach nicht nur Mitbestimmung über die Regeln und Kriterien der Leistungsvergabe. Mitbestimmt ist vielmehr der gesamle Leistungsplan, d. h. auch insoweit, als er Regelungen über die Höhe der EinzeIzuwendung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Dotierung enthält. 3. Die Entscheidung über den unternehmerischen Zweck der Leistung
Freiwillige betriebliche Sozialleistungen werden nicht primär aus dem Gefühl "väterlicher" Fürsorge, vor allem nicht aus Uneigennützigkeit erbracht. Ihrer Gewährung liegen überwiegend nüchterne wirtschaftliche Überlegungen zugrunde. Sie werden zur Erreichung ganz bestimmter unternehmerischer Ziele geleistet 135. Die unternehmerischen Ziele, die der Arbeitgeber mit der Gewährung betrieblicher Sozialleistungen verfolgt, sind vielfliltig. Man denke hier nur an die Wettbewerbsprämien, die ausgelobt werden, um den Absatz eines bestimmten Produktes zu fördern. Auch kann es sein, daß ein Arbeitgeber betriebliche Sozialleistungen verspricht, um die Arbeitnehmer an den Betrieb zu binden, um hohe Fluktuationsraten im Betrieb, die Kosten verursachen, zu vermeiden. Ein Paradebeispiel hierfür sind die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Freiwillige betriebliche Sozialleistungen können aber ebensogut erbracht werden, um gegenüber anderen Unternehmern in der Nachfrage um geeignete Arbeitskräfte konkurrenzfähig zu sein. Wie hoch die Unternehmen selbst den Stellenwert betrieblicher Sozialleistungen in der Werbung um neue Arbeitskräfte einschätzen, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, daß in Stellenanzeigen ausdrücklich mit der Vergabe dieser Leistungen geworben wird 136. Nicht unterschätzt werden darf auch der psychologische Effekt, der generell durch die Gewährung von betrieblichen Sozialleistungen bewirkt wird und der sich letztlich für den Arbeitgeber vorteilhaft auswirkt: Arbeitnehmer, die betriebliche Sozialleistungen erhalten, werden mit ihrer Arbeitsstelle zufriedener sein. Sie werden sich von ihrem Arbeitgeber "gut behandelt" fühlen, was nicht zuletzt zu einer Verbesserung der Beziehungen zwischen Belegschaft und Unternehmensleitung und zu einer stärkeren Identifizierung mit der Arbeit und damit zu einer höheren Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer führen wird. Auch die Verbesserung der Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Unternehmensleitung und die Motivation der Belegschaft sind unternehmerische Ziele, zu deren Erreichung der Arbeitgeber das Mittel der betrieblichen Sozialleistungen einsetzen kann. 135 Zu den unternehmerischen Zielen vgl. nur Birk, Die Mitbestimmung, S. 69 ff.; lahnke, Gratifikationen, S. 16 f.; Schwerdtner, Fürsorgetheorie, S. 150. 136 Vgl. dazu die Auswertung von Bues, Freiwillige betriebliche Sozialleistungen, S. 490 ff.
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
Diese und andere unternehmerische Ziele 137, die mit der Erbringung betrieblicher Sozialleistungen verfolgt werden, kann der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei festlegen 138. Die Bestimmung des unternehmerischen Zwecks ist keine ,,Frage der betrieblichen Lohngestaltung" , denn sie ist keine Regelung, von der bei der Ausgestaltung der Lohnform die Lohngerechtigkeit iS der Verteilungsgerechtigkeit abhängt. Die Vorstellung von der Erreichung des unternehmerischen Ziels ist vielmehr der ausschlaggebende Beweggrund, das entscheidende Motiv dafür, daß der Arbeitgeber überhaupt betriebliche Sozialleistungen erbringt. Die unternehmerische Zwecksetzung ist Teil der mitbestimmungsfreien Entscheidung des Arbeitgebers über das "Ob" der Leistung. 4. Die Festlegung von Wartezeiten
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinen Beschlüssen vom 12. Juni 1975 139 entschieden, daß der Arbeitgeber bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auch die Wartezeiten mitbestimmungsfrei festlegen kann. Wartezeitregelungen sollen zur mitbestimmungsfreien Entscheidung des Arbeitgebers über die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nach abstrakten Merkmalen gehören. Dieser Ansicht kann nur zum Teil gefolgt werden. Wartezeitregelungen können nämlich durchaus unterschiedliche Funktionen haben 140. Sie können einmal, das ist dem Bundesarbeitsgericht zuzugeben, den begünstigten Personenkreis abgrenzen. Diese Funktion kommt beispielsweise einer Regelung zu, nach der es Voraussetzung für die Gewährung der Altersversorgung ist, daß der Arbeitnehmer vor Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren 20 Jahre lang im Betrieb ununterbrochen beschäftigt gewesen sein muß 141. Nach dieser Regelung gehören von vornherein all diejenigen Arbeitnehmer nicht zum begünstigten Personenkreis, die nach Vollendung des 45. Lebensjahres in den Betrieb eingetreten sind. Eine solche Wartezeitregelung wird man daher insoweit als Zu weiteren Zielen vgl. nur Grätz / Mennecke, .. zuzüglich zum Gehalt ... , S. 17. Ganz herrschende Meinung, vgl. nur BAG, Beschl. v. 12.6.1975 - 3 ABR 13/ 74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Beschl. v. 30.3.1982 - 1 ABR 55/80 - , AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Blomeyer, in: FS Müller, S. 51 ff. (58); Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 520; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 127; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr.227; Heinze, NZA 1986, 1 ff. (5); Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr.445; lahnke, ZfA 1980, 863 ff. (894); Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 90; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 173; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 330. 139 Vgl. nur 3 ABR 13/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; so auch Blomeyer / Otto, BetrAVG, Einl. Rdnr.342; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 364. 140 So zutreffend Birk, Die Mitbestimmung, S. 191; Gk-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 264; Höfer / Abt, BetrA VG, Arb. Gr. Rdnr. 283, 286. 141 Beispiel nach Birk, Die Mitbestimmung, S. 191. 137
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Abgrenzung des begünstigten Personenkreises dem mitbestimmungsfreien Bereich zuzuordnen haben 142. Wartezeiten können aber auch Regelungen über individuelle Leistungsvoraussetzungen sein, die die Arbeitnehmer erfüllen müssen, um in den Genuß der betrieblichen Altersversorgung zu kommen. Das ist beispielsweise bei einer Regelung der Fall, nach der es Voraussetzung für den Erhalt von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ist, daß ein Arbeitnehmer 20 Jahre lang im Betrieb ununterbrochen beschäftigt war 143. Eine derartige Wartezeitregelung betrifft nicht mehr die Bestimmung des begünstigten Personenkreises. Sie grenzt nicht bestimmte Arbeitnehmergruppen von vornherein aus dem Kreis der grundsätzlich Ruhegeldberechtigten aus. Sie legt vielmehr bereits die Maßstäbe fest, nach denen den begünstigten Arbeitnehmern die zur Verfügung gestellten Mittel zugewendet werden sollen und betrifft damit die Ausgestaltung der Lohnform. Hier besteht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eindeutig ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Daran vermag auch die Tatsache, daß Wartezeitregelungen dem Arbeitgeber die Möglichkeit bieten, Risiken und Kosten aus einer Versorgungszusage zu begrenzen 144, daß Wartezeitregelungen also typische unternehmerische Entscheidungen sind, die ein Arbeitgeber zum Zwecke einer optimalen Zielerreichung treffen wird, nichts zu ändern 145. Die unternehmerische Entscheidungsfreiheit begrenzt nicht das Mitbestimmungsrecht. Vielmehr ist die umgekehrte Sichtweise richtig. Die unternehmerische Entscheidungsfreiheit findet ihre Grenze dort, wo das Gesetz die Mitbestimmung des Betriebsrats eindeutig anordnet. Da nun aber dem Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gerade die Aufgabe zukommt, an der Verteilung der zur Verfügung gestellten Mittel mitzuwirken, also bei der Festlegung der Voraussetzungen für die Leistungsvergabe mitzubestimmen, fallen Wartezeitregelungen, durch die ein subjektiverfüllbares Kriterium der Leistungsgewährung festgelegt wird, unter das erzwingbare Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Sie gehören zur mitbestimmten Ausgestaltung der Lohnform.
142 A. A. Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 188 und Jahnke, ZfA 1980,863 ff. (894), die Wartezeitregelungen in jedem Fall als typisches Leistungsplanelement auffassen. 143 Beispiel nach Birk, Die Mitbestimmung, S. 192; zur Bedeutung des § 1 Abs. 1 S.4 BetrAVG vgl. Höfer / Abt, BetrA VG, Arb. Gr. Rdnr. 170. 144 Vgl. hierzu Höfer / Abt, BetrAVG, Arb. Gr. Rdnr.284. 145 So argumentiert wohl das BAG, Besehl. v. 12.6.1975 3 ABR 13/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, wenn es die Wartezeitregelung generell der Abgrenzung des begünstigten Personenkreises zuordnet.
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
5. Die Bestimmung von gesonderten Dotierungsrahmen für verschiedene Gruppen
Einige Autoren meinen, das Bundesarbeitsgericht habe in seinen Beschlüssen zur betrieblichen Altersversorgung vom 12. Juni 1975 146 aus der Dotierungsfreiheit und der Freiheit der unternehmerischen Zwecksetzung nicht die erforderlichen Konsequenzen gezogen 147. Sie geben zu bedenken, daß der Arbeitgeber Mittel für eine betriebliche Sozialleistung nicht zweckfrei, sondern zur Erreichung ganz bestimmter Ziele zur Verfügung stelle. Insbesondere sei davon auszugehen, daß der Arbeitgeber eigene, zum Zweck zu rechnende Vorstellungen über die Bedürftigkeit und Würdigkeit bestimmter Arbeitnehmergruppen habe, die u. a. dafür ausschlaggebend seien, in welcher Höhe der Arbeitgeber die verschiedenen Arbeitnehmer bedenken wolle. Um sicherzustellen, daß der Arbeitgeber den Zweck seiner Leistung erreiche, müsse er konsequenterweise die Möglichkeit haben, für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen auch unterschiedliche Dotierungsrahmen festzulegen. Diese Ansicht vermag nicht zu überzeugen. Aus der Dotierungsfreiheit und der Freiheit unternehmerischer Zwecksetzung kann nicht auf die Freiheit unterschiedlicher Dotierung für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen geschlossen werden. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen über die Ausgestaltung der Lohnform unter dem Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit. Bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen kommt dem Betriebsrat nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG eine Verteilungs aufgabe zu; der Betriebsrat bestimmt mit über den Leistungsplan, d.h. darüber, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe die Arbeitnehmer im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Dotierung Leistungen erhalten. Diese Verteilungsaufgabe nimmt der Betriebsrat wahr, um einer willkürlichen Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer untereinander entgegenzuwirken. Bei einem solchen Zweck betrieblicher Mitbestimmung geht es nun aber nicht an, die Beteiligung des Betriebsrats darauf zu beschränken, nur an der Verteilung der vom Arbeitgeber für verschiedene Arbeitnehmergruppen bereitgestellten "Töpfe" mitzuwirken. Gerade die Fragen, wie die Würdigkeit und Bedürftigkeit der Arbeitnehmer einzuschätzen sind und in welcher Relation die einzelnen Arbeitnehmer untereinander bedacht werden, sind Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, da die Gefahr der Willkür hier in besonderem Maße gegeben ist. Die Bildung unterschiedlicher Vergütungsgruppen und die Verteilung der Mittel auf die Gruppen sind daher sachlich Probleme der Ausgestaltung der Lohnform. Bestätigt wird diese Auslegung auch durch § 75 BetrVG, in dem das Gesetz zum Ausdruck bringt, daß Freiheit und GleichbehandVgl. nur - 3 ABR 13/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. Vgl. nur GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr.335; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 173; für die betriebliche Altersversorgung vgl. Blomeyer / Ouo, BetrAVG, Einl. Rdnr. 342; Höjer / Abt, BetrAVG, Arb. Gr. Rdnr. 444,456; Lieb, ZfA 1978, 179 ff. (197, 199); Sieber, BB 1976, 367 ff. (367 f.). 146
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lung die beherrschenden Grundwerte der Betriebsverfassung sind 148. § 75 BetrVG ist eine Regel für die Deutung der Vorschriften über die Mitbestimmung und Mitwirkung des Betriebsrats. Die Auslegung der Vorschriften über die Mitbestimmungsbefugnisse hat daher so zu erfolgen, daß den in § 75 BetrVG genannten Grundwerten eine größtmögliche Realisierungschance im Betrieb eingeräumt wird 149. Dies ist aber nur möglich, wenn dem Arbeitgeber nicht das Recht zusteht, mitbestimmungsfrei unterschiedliche Dotierungsrahmen festzulegen, vielmehr der Betriebsrat bei der Bildung von Vergütungsgruppen und der Verteilung der Mittel auf diese Gruppen auch beteiligt wird. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gibt dem Arbeitgeber daher nicht das Recht, unterschiedliche Dotierungsrahmen für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen festzulegen 150. 6. Die Einführung von Wettbewerben zur Motivation der Arbeitnehmer
Zu klären bleibt nun noch, ob mit dem Bundesarbeitsgericht davon auszugehen ist, daß auch die Einführung von Wettbewerben zur Motivation der Arbeitnehmer eine "Frage der betrieblichen Lohngestaltung" ist, über die der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat. In seinem Beschluß vom 30. März 1982 151 hat das BAG ausgeführt, daß durch die Einführung des Wettbewerbs das bisherige Entlohnungssystem zwar unverändert bleibe, die geltenden Entlohnungsgrundsätze und -methoden für einen bestimmten Zeitraum aber erweitert und ergänzt würden, so daß sich das Gesamtsystem der Lohngestaltung für diese Zeit ändere. Angesichts des Zwecks der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der betrieblichen Lohngestaltung, nämlich der Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit, müsse der Betriebsrat dann darüber mitbestimmen, ob Arbeitnehmer, nur weil sie vornehmlich bestimmte Geräte vertreiben, letztlich eine höhere Vergütung erhalten als solche Arbeitnehmer, die mit gleichem oder gar höherem Einsatz andere Geräte verkaufen. Insoweit sei die Durchführung des Wettbewerbs von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig 152. Vgl. Ausführungen zu § 3 II. A. c) cc). Vgl. nur Dietz / Richardi, BetrVG, § 75 Rdnr.38; ebenso GK-Thiele, BetrVG, § 75 Rdnr. 57, der die Funktion des § 75 Abs. 2 BetrVG als Auslegungsregel betont. 150 Vgl. zu dieser Frage ausdrücklich Birk, Die Mitbestimmung, S. 92 f.,2oo f.; Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 114 f.; Steindorff, Anmerkung zu BAG AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 151 1 ABR 55/80 - , AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 152 Auch in der Literatur ist im Anschluß an die Entscheidungen des BAG vom 10.7.1979 (- 1 ABR 88/77 - , AP Nr.2 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung), 8.12.1981 (-1 ABR 55/79 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie) und 30.3.1982 (- 1 ABR 55/80 - , AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) im Zusammenhang mit den freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers - sowohl im Bereich der Sozialleistungen, als auch für das Arbeitsentgelt ieS - von einem Zustimmungsverweigerungsoder Vetorecht des Betriebsrats die Rede, vgl. nur Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 33 a, 226 i; Herbst, DB 1987,738 ff. (741); Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 6,89; Löwisch / Röder, Anmerkung zu BAG AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; 148
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
Diese Auffassung ist unzutreffend. Die Tatsache, daß sich durch die Veranstaltung des Wettbewerbs, also durch die Gewährung einer zusätzlichen Leistung, das Gesamtsystem der Entlohnung ändert, macht die Durchführung des Wettbewerbs noch nicht zu einer "Frage der betrieblichen Lohngestaltung" iS von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die beispielhafte Verwendung der Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat gezeigt, daß die "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" nur die Entscheidungen und Maßnahmen sind, die sich auf die Ausgestaltung, d. h. auf die Ausformung des Entgelts beziehen. Sie betreffen nicht die Entscheidungen darüber, ob, wer und in welcher Höhe entlohnt wird 153. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dient demnach entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts und der herrschenden Ansicht im Schrifttum 154 nicht der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit iS der Angemessenheit des innerbetrieblichen Gesamtlohngefüges. Es geht nicht darum, über die Mitbestimmung des Betriebsrats eine Ausgewogenheit in der Bezahlung selbst herbeizuführen 155. Der Mitbestimmungstatbestand bezweckt vielmehr lediglich eine Beteiligung des Betriebsrats an der Ausgestaltung der einzelnen Lohnformen unter dem Gesichtspunkt der abstrakten Lohngerechtigkeit 156. Mit dieser Beschränkung der Regelungskompetenz des Betriebsrats auf reine Lohnbemessungsregelungen hat das Betriebsverfassungsgesetz eine klare Grenze zwischen der Betriebsautonomie auf der einen und der Tarif- und Privatautonomie, insbesondere der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit auf der anderen Seite gezogen. Die lohnpolitischen Entscheidungen über das Arbeitsentgelt, nämlich die Entscheidungen darüber, ob, mit welcher unternehmerischen Zielsetzung, an wen und in welcher Höhe Arbeitsentgelt erbracht wird, sind keine Domäne des Betriebsrats; diesem steht es nur zu, über die sich an die o.g. lohnpolitischen Entscheidungen anschließenden Fragen der gerechten Ausgestaltung der einzelnen Entgeltformen mitzubestimmen 157. Diese von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vorgenommene Grenzziehung Matthes, NZA 1987,289 ff. (293); Schulze-Osterloh, Anmerkung zu BAG AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Steindl, Anmerkung zu BAG, SAE 1983, 52 ff. (54).
Vg!. hierzu Ausführungen unter § 3 11. A. 3. c) aa). Vg!. nur BAG, Besch!. v. 22.1.1980 - 1 ABR 48/77 -, AP Nr.3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Urt. v. 17.12.1980 - 5 AZR 570/78 -, AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Urt. v. 31.3.1984 - 1 AZR 174/81 -, AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Besch!. v. 31.1.1984 - 1 ABR 46/81 -, AP Nr.3 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang; Besch!. v. 17.12.1985 - 1 ABR 6/84-, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 121; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 218; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 408; Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 80; Matthes, NZA 1987, 289 ff. (290). 155 Vg!. auch Belling, DB 1987, 1888 ff. (1891), der zutreffend darauf hinweist, daß mit der Mitbestimmung nicht die Herstellung "egalitärer Strukturen" bezweckt wird. 156 Vg!. hierzu Ausführungen unter § § 3 11. A. 3. c) aa). 157 Für das Arbeitsentgelt ieS wird dies ohne Einschränkung anerkannt, vg!. nur Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr.218 b; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr.321; Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 81. 153
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11. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
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zwischen Betriebsautonomie und Tarif- und Privatautonomie würde ignoriert 158, wenn man dem Betriebsrat im Hinblick auf die Veranstaltung der Wettbewerbe ein Vetorecht zugestehen würde. Könnte der Betriebsrat nämlich über die Durchführung von Wettbewerben mitbestimmen, so könnte er insofern Einfluß auf die lohnpolitischen Entscheidungen des Arbeitgebers nehmen, als er seine Zustimmung davon abhängig machen könnte und in Ermangelung anderer Maßstäbe auch davon abhängig machen würde, daß der Arbeitgeber die Zweckbestimmung der Leistung, den begünstigten Personenkreis oder das Leistungsvolumen anders als ursprünglich beabsichtigt festlegt 159. Damit hätte der Betriebsrat ein Druckmittel in der Hand, mit dem er lohnpolitische Entscheidungen steuern könnte. Dieses Ergebnis ist weder rechtspolitisch wünschenswert, weil der Arbeitgeber eher von der Vergabe freiwilliger Leistungen absehen wird, als sich vom Betriebsrat vorschreiben zu lassen, mit welcher unternehmerischen Zwecksetzung an wen Leistungen erbracht werden, noch entspricht es dem geltenden Recht. Die Beteiligung des Betriebsrats an der Lohnpolitik ist gerade nicht Zweck des § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG und kann deshalb auf diese Vorschrift nicht gestützt werden. Das gesteht im Grunde genommen auch Löwisch, ein Befürworter der vom Bundesarbeitsgericht begründeten Lehre vom Zustimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung freiwilliger Leistungen zu, wenn er zur rechtlichen Grundlage des Zustimmungsverweigerungsrechts ausführt: "Man muß sich nur darüber im Klaren sein, daß es" sich bei dem sog. Vetorecht des Betriebsrats "nicht um ein Herausschneiden des Initiativrechts aus einem an sich gegebenen Mitbestimmungsrecht geht, sondern um die Zuteilung eines zusätzlichen Rechts im an sich mitbestimmungsfreien Bereich" 160. 158 Diese Grenzziehung ist verfassungsrechtlich keinesfalls zu beanstanden. Im Gegenteil, sie trägt der Tatsache Rechnung, daß die Frage, welches Entgelt in welcher Höhe ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern erbringen muß, entsprechend der verfassungsrechtlich gewährleisteten Wertordnung in erster Linie durch die Tarifvertragsparteien entschieden wird und in zweiter Linie der individual vertraglichen Regelung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer überlassen wird, vgl. Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 497; Heinze, NZA 1986, 1 ff. (4); Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 218 a; Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 80; Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (22); vgl. auch BAG, Urt. v. 10.6.1980 - 1 AZR 822/79 - , AP Nr. 64 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, wo es wörtlich heißt: "Den freigebildeten Koalitionen ist durch Art. 9 III GG die Aufgabe zugewiesen und in einem Kernbereich garantiert, insb. Löhne und sonstige materiellen Arbeitsbedingungen in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme durch Gesamtvereinbarung zu regeln". 159 Auf diese Möglichkeiten weisen insbesondere Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 226 i, Lieb, ZfA 1988,413 ff. (445) und Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 89 hin. 160 Vgl. nur Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 33 a, 228 und Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 6, 90, der die Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen wegen ihres ,,Fürsorgecharakters" vom Zustimmungserfordernis des Betriebsrats allerdings ausnimmt. Diese Einschränkung ist von dem Standpunkt aus, daß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit, also der Angemessenheit des Gesamtlohngefüges dient, nicht konsequent. Betriebliche Sozialleistungen werden nicht aus Uneigennützigkeit, sondern zur Erreichung ganz bestimmter unternehmerischer Ziele erbracht. Sie nehmen in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hinsichtlich ihres Entgeltcharakters gegenüber
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
Gegen das Recht des Betriebsrats, seine Zustimmung zur Veranstaltung von Wettbewerben zu versagen, spricht noch ein weiteres Argument. Das "zusätzliche" Vetorecht des Betriebsrats fügt sich nicht in das System der erzwingbaren, d. h. über die Einigungsstelle durchsetzbaren Mitbestimmung nach § 87 BetrVG ein. Die Regelung des § 87 BetrVG erschöpft sich nicht darin, dem Betriebsrat in den in Abs. 1 des § 87 BetrVG aufgezählten Angelegenheiten ein Mitbestimmungsrecht einzuräumen. § 87 BetrVG stellt in seinem Abs. 2 zudem ein Verfahren zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zur Verfügung. Gemäß §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 76 Abs. 5 Satz 1 BetrVG haben beide Betriebspartner das Recht, im Falle fehlender Einigung die Einigungsstelle mit dem Ziel der verbindlichen Entscheidung anzurufen. Diese Aufgabe kann die Einigungsstelle bei Meinungsverschiedenheiten der Betriebspartner über die Durchführung eines Wettbewerbs nicht erfüllen. Der Spruch der Einigungsstelle setzt nämlich deren Regelungskompetenz voraus. Da die Regelungskompetenz der Einigungsstelle nun aber nicht weiter reicht als das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG 161, kann die Einigungsstelle im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auch nur Sprüche über "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" fassen. Über die Durchführung der Wettbewerbe kann die Einigungsstelle demnach nicht befinden. Für den Betriebsrat bringt dies zwar keinerlei Nachteile mit sich, da vom Standpunkt der von der herrschenden Meinung vertretenen Unwirksarnkeitstheorie aus sein Veto bereits ausreicht, um die Veranstaltung des Wettbewerbs zu verhindern 162. Anders stellt sich jedoch die Position des Arbeitgebers dar. Wollte man das "zusätzliche" Vetorecht trotz fehlender Regelungskompetenz der Einigungsstelle anerkennen, so würde dies zu einer tiefgreifenden Schlechterstellung des Arbeitgebers führen. Der Arbeitgeber könnte Leistungen, die er freiwillig gewähren will, auch nicht mit Hilfe der Einigungsstelle gegenüber einem widerstrebenden Betriebsrat durchsetzen 163. Diese einschneidende Benachteiligung des Arbeitgebers widerspricht der Konzeption des § 87 BetrVG, der von einer Gleichberechtigung der Betriebspartner ausgeht. Auch aus diesem dem Arbeitsentgelt ieS keine Sonderstellung ein. Thre Einführung verändert demnach das betriebliche Lohngefüge genauso, wie beispielsweise die Einführung einer freiwilligen Leistungszulage. 161 Vgl. auch BAG, Beschl. v. 8.12.1981 1 ABR 55/79 - , BB 1982,2106. 162 Nach der herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum können die sozialen Angelegenheiten des § 87 BetrVG wirksam nur gemeinsam von Arbeitgeber und Betriebsrat geregelt werden, vgl. nur BAG, Urt. v. 5.7.1976 - 5 AZR 264/75 - , AP Nr. 10 zu § 12 AZO; Urt. v. 13.7.1977 - 1 AZR 336/75 - , AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit; Urt. v. 31.1.1984 - 1 AZR 174/81 - , AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; vgl. die zahlreichen Hinweise auf das Schrifttum bei Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 87; differenzierend Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 103 und inzwischen auch BAG, Beschl. v. 16.9.1986 - GS 1/82 - , DB 1987,383 ff. (389), wonach die Maßnahme des Arbeitgebers dann nicht unwirksam sein soll, wenn ihre Durchführung den Arbeitnehmer begünstigt; gegen die Theorie der Unwirksamkeit vor allem Schlüter, DB 1972, 139 ff. (143). 163 So zutreffend Lieb, ZfA 1988,413 ff. (445).
III. Ergebnis zu § 3
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Grunde kann ein Vetorecht des Betriebsrats bei der Einführung von Wettbewerben nicht anerkannt werden. Die vom Bundesarbeitsgericht begründete Lehre vom Vetorecht des Betriebsrats bei der Einführung zusätzlicher Leistungen ist nach alledem als eine rein rechtspolitisch motivierte Ausweitung von Mitbestimmungsbefugnissen abzulehnen.
111. Ergebnis zu § 3 Entscheidungen und Maßnahmen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Gewährung freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen unterliegen insoweit der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG, als es sich um Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere um die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung, Anwendung oder Änderung von Entlohnungsmethoden handelt. Aus der gesetzlichen Systematik und dem Telos des § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG ergibt sich, daß die "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" über die rein technischen Lohnfindungsregelungen, die Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden hinaus all die Regelungen umfassen, von denen bei der Ausgestaltung der einzelnen Lohnformen die Lohngerechtigkeit abhängt. Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung betreffen nicht die lohnpolitischen Entscheidungen darüber, ob, an wen, in welcher Höhe und mit welchem unternehmerischen Ziel Lohn erbracht wird. Deshalb kann der Arbeitgeber bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen 5 Vorentscheidungen frei treffen 164, ehe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats einsetzt: Zunächst kann der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei darüber befinden, ob er überhaupt Lohn erbringen will. Das bedeutet, daß über die Einführung der freiwilligen Leistung hinaus auch deren Einschränkung und Abschaffung nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Ebenso frei ist der Arbeitgeber in seinen Entscheidungen über das unternehmerische Ziel, das er mit der Erbringung der Leistung verfolgt, über den Zweck der Leistung iS ihres Charakters und über die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nach abstrakten Merkmalen. Zur letzteren Entscheidung gehören auch Wartezeitregelungen insoweit, als durch sie nicht subjektiverfüllbare Leistungsvoraussetzungen festgelegt werden. Zu den mitbestimmungsfreien Vorentscheidungen des Arbeitgebers gehört letztlich auch seine Entscheidung über die Höhe des Entgelts. Da bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen die Gesamtlohnhöhe im Belieben des Arbeitgebers 164 Bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind es sogar 6 Vorentscheidungen, da der Arbeitgeber zudem mitbestimmungsfrei über die Versorgungsform befinden kann.
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§ 3 Die mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen und Entscheidungen
steht und der Betriebsrat bei derartigen Leistungen eine Verteilungsaufgabe hat, die nur in Kenntnis des Gesamtleistungsvolumens sinnvoll wahrgenommen werden kann, kann der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei den Gesamtumfang der Leistungen, den sog. Dotierungsrahmen festlegen. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bezieht sich bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen auf die Verteilung der zur Verfügung gestellten Mittel innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei festgelegten Rahmens. Deshalb bestimmt der Betriebsrat über den Leistungsplan, d.h. über die Bezugsbedingungen für die Leistung und über die Höhe der Einzelleistung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Dotierung, Zwecksetzung und Abgrenzung des begünstigten Personenkreises mit. Hierzu gehört auch die Entscheidung über Wartezeiten, durch die ein subjektiv zu erfüllendes und auch erfüllbares Kriterium der Leistungsvergabe festgelegt wird. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG darf nicht durch die Vorgabe unterschiedlicher Dotierungsrahmen für unterschiedliche Personengruppen unterlaufen werden. Die Bildung unterschiedlicher Vergütungsgruppen und die Verteilung der Mittel auf diese Gruppen sind sachlich Probleme der Ausgestaltung der Lohnform. Hierüber hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Auf der anderen Seite sind die mitbestimmungsfreien Entscheidungen des Arbeitgebers uneingeschränkt zu beachten. Sie binden den Betriebsrat in der Ausübung seiner Mitbestimmungsbefugnisse. Deshalb kann dem Betriebsrat bei der Einführung von Wettbewerben kein "zusätzliches" Vetorecht zugestanden werden, mit dessen Hilfe er Einfluß auf den mitbestimmungsfreien Entscheidungsbereich des Arbeitgebers nehmen könnte.
§ 4 Die Intensität der Beteiligung des Betriebsrats bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 BetrVG Wie eingangs bereits erläutert I, wird der Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG nicht allein durch die im Tatbestand der Norm beschriebenen Maßnahmen und Entscheidungen bestimmt, an denen der Betriebsrat zu beteiligen ist. Für die Reichweite des Mitbestimmungsrechts ist vielmehr ebenso von Bedeutung, wie das Beteiligungsrecht konkret ausgestaltet ist, mit welcher Intensität der Betriebsrat also zu beteiligen ist. Nachdem im Anschluß an die Konkretisierung des Tatbestandes des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG festgestellt werden konnte, daß bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen allein der Leistungsplan, also die Bezugsbedingungen und die Entscheidung über die Höhe der Einzelleistung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Dotierung als Fragen der betrieblichen Lohngestaltung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen, ist daher nun zu klären, welche konkreten Rechte dem Betriebsrat im Hinblick auf diese Entscheidungen zukommen.
I. Die Konkretisierung des Begriffs "mitzubestimmen" Das Gesetz beschränkt sich seinem Wortlaut nach auf die Anordnung, daß der Betriebsrat in den Angelegenheiten, die im Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG aufgezählt sind, mitzubestimmen hat. Mit dem Begriff "mitzubestimmen" hat der Gesetzgeber nun wiederum einen unbestimmten Rechtsbegriff gewählt, der der Konkretisierung bedarf 2 •
A. Die grammatikalische Auslegung unter Berücksichtigung des Kontextes Daß der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen hat, bedeutet zunächst einmal, daß es ein Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers im Hinblick auf die im Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG aufgezählten Angelegenheiten nicht gibt. Der Betriebsrat hat vielmehr an der Entscheidung über den mitbestimmungspflichtigen Gegenstand teil, er entscheidet mit. Der Arbeitgeber hat den Vgl. Ausführungen zu § 3. Vgl. nur Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 46, der von einer konkretisierungsbedürftigen Generalklausel spricht. 1
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6 Magula-Lösche
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§ 4 Die Intensität der Beteiligung des Betriebsrats
Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 BetrVG demnach nicht nur anzuhören. Auch reicht es nicht aus, wenn er sich mit dem Betriebsrat "an einen Tisch setzt" und mit ihm die Angelegenheit berät. Der Arbeitgeber muß vielmehr im Einvernehmen mit dem Betriebsrat handeln 3. Dies bedeutet allerdings nicht, daß der Betriebsrat darauf beschränkt wäre, sein Einverständnis zu einem ihm vom Arbeitgeber unterbreiteten Vorschlag zu erteilen oder zu verweigern. Mitbestimmen iS von § 87 Abs. I BetrVG ist mehr als nur ein "Ja" oder "Nein" zu einer arbeitgeberseitigen Maßnahme. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen einvernehmlich zusammenwirken, sie müssen gemeinsam eine Entscheidung treffen, sie müssen sich einigen (arg. e. § 87 Abs. 2 BetrVG)4. Damit ordnet § 87 Abs. 1 BetrVG ein gleichberechtigtes Zusammenwirken der Betriebspartner an 5 • Arbeitgeber und Betriebsrat können daher beide gleichermaßen im Entscheidungsprozeß eigene Vorstellungen darüber vorbringen, wie in der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit zu verfahren ist. Hierüber haben sie eine Einigung herbeizuführen. Können sie sich nicht einigen, so können gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Im Verfahren vor der Einigungsstelle haben ihre Vorschläge dann die gleiche Durchsetzungschance. Mitbestimmen bedeutet daher nicht nur Mitentscheidung iS der Beurteilung des arbeitgeberseitigen Vorschlags, sondern bereits gleichberechtigte Mitwirkung im Entscheidungsprozeß, also Mitgestaltung 6 • Von dem Recht des Betriebsrats, im Mitbestimmungsverfahren eigene Vorschläge zu machen ist das Recht zu unterscheiden, ein Mitbestimmungsverfahren überhaupt in Gang zu setzen, also eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit aufzugreifen, um sie zum Thema des Mitbestimmungsverfahrens zu machen (sog. Initiativrecht7). Nach Auffassung der Rechtsprechung und eines Teils der Literatur soll sich ein solches Initiativrecht des Betriebsrats bereits aus dem Wortlaut des § 87 BetrVG entnehmen lassen 8. Dieser Ansicht muß widersprochen 3 Vgl. nur Hilger, BB 1956, 10 ff. (10 Fn.l) zum alten Recht; ebenso Söllner, in: 25 Jahre BAG, S. 605 ff. (605). 4 Vgl. nur Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (33), der vom "positiven Konsensprinzip" spricht; vgl. auch Lederer, Das Initiativrecht, S. 45. 5 Vgl. nur Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 26; Gester / lsenhardt, RdA 1974, 80 ff. (86); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 197; Wiese, Das Initiativrecht, S. 26. 6 Vgl. nur Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 37; Söllner, in: 25 Jahre BAG, S. 605 ff. (611). 7 Zum Begriff "Initiativrecht" vgl. nur Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 46; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr.26; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke / Klebe, BetrVG, § 87 Rdnr. 2; Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 5. 8 Vgl. nur BAG, Beschl. v. 14.11.1974 1 ABR 65/73 - , EzA § 87 BetrVG 1972 - Initiativrecht Nr. 2 (insb. Leitsatz 1); bestätigt durch BAG, Beschl. v. 31.8.19821 ABR 27/80 - , AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 17.7. 1973 - 8 TaBV 11 /73 - , EzA § 87 BetrVG 1972 - Initiativrecht Nr. 1; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr.26; Gester / lsenhardt, RdA 1974,80 ff. (86); Hanau, BB 1977,350 ff. (356); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S.197.
I. Die Konkretisierung des Begriffs "mitzubestimmen"
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werden. Ein Initiativrecht des Betriebsrats wird in § 87 BetrVG ausdrücklich nicht erwähnt. Auch ist die Bedeutung des Begriffs "mitzubestimmen" im Hinblick auf ein Initiativrecht keineswegs eindeutig 9• Der Begriff läßt nämlich verschiedene Deutungsvarianten zu. So könnte man einmal darauf abstellen, daß das Recht, mitzubestimmen, dem Betriebsrat und nicht dem Arbeitgeber zugeordnet ist und hieraus schließen, daß eine Beteiligung des Betriebsrats nur in einem vom Arbeitgeber eingeleiteten Mitbestimmungsverfahren vorgesehen ist, ein Initiativrecht also nur dem Arbeitgeber zukommt 10. Ebensogut könnte man aber auch den mit der Mitbestimmung einhergehenden Einigungszwang, also die Gleichberechtigung der Betriebspartner in den Vordergrund rücken und sich auf den Standpunkt stellen, daß Parität nur gewährleistet ist, wenn beiden Betriebspartnern auch das Initiativrecht zusteht!!. Welche Deutungsmöglichkeit letztlich die richtige ist, kann dem Wortlaut des § 87 Abs. 1 BetrVG unter Berücksichtigung des unmittelbaren Kontextes nicht entnommen werden. Hierüber muß die weitere Auslegung Auskunft geben.
B. Die systematisch-logische Auslegung Daß das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. I BetrVG auch sein Initiativrecht einschließt, könnte sich bereits aus dem ausdrücklichen Inhalt anderer Normen des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben. Im Schrifttum werden in diesem Zusammenhang vor allem die §§ 87 Abs.2, 76 Abs. 5 BetrVG und die §§ 94, 95 BetrVG diskutiert. 1. Die Bedeutung der §§ 87 Abs. 2, 76 Abs. 5 BetrVG
So meint Rüthers !2, daß das Initiativrecht des Betriebsrats zwingend aus §§ 87 Abs.2, 76 Abs.5 BetrVG folge. Wenn nämlich der Betriebsrat nach diesen Vorschriften in allen Fällen, in denen die Einigungsstelle verbindlich entscheide, ein Antragsrecht habe, so könne das nur bedeuten, daß er in allen diesen Fragen die Initiative ergreifen und die Einigungsstelle zu einer Entscheidung über seine entsprechenden Anträge zwingen könne. Die Auffassung von Rüthers überzeugt indes nicht. §§ 87 Abs. 2, 76 Abs. 5 BetrvG ordnen lediglich an, daß sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat das Tätigwerden der Einigungsstelle beantragen können; darüber, wer befugt ist, 9 So auch Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 46; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 39; Wiese, Das Initiativrecht, S. 26 f. 10 Vgl. Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr.40. 11 Vgl. Nachweise Fn. 8. 12 Anmerkung zu LAG Düsseldorf, EzA § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht Nr. 1; ders., ZfA 1973,399 ff. (417); in diesem Sinne wohl auch Säcker, ZfA 1972, Sonderheft, 41 ff. (63 Fn. 86).
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§ 4 Die Intensität der Beteiligung des Betriebsrats
eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit als erster aufzugreifen, um sie zum Gegenstand eines Mitbestimmungsverfahrens zu machen, sagen §§ 87 Abs. 2, 76 Abs. 5 BetrVG hingegen nichts aus. Mit dem Recht des Betriebsrats, im Falle fehlender Einigung mit dem Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen zu können, geht auch nicht zwingend das Initiativrecht des Betriebsrats einher. Nach den Gesetzen der Logik bleibt nämlich durchaus die Möglichkeit offen, daß der Betriebsrat die Einigungsstelle nur anrufen kann, nachdem der Arbeitgeber ein Mitbestimmungsverfahren in Gang gesetzt und seine Regelungsvorschläge eingebracht hat 13. Auch mit diesem Bedeutungsgehalt hat die Regelung der §§ 87 Abs. 2,76 Abs. 5 BetrVG einen Sinn. Aus dem expliziten Inhalt dieser Vorschriften können daher keine Schlüsse auf die Bedeutung des Begriffs "mitzubestimmen" in § 87 Abs. 1 BetrVG gezogen werden.
2. Die Bedeutung der §§ 94, 95 BetrVG
Löwisch 14 und Gester / Isenhardt l5 weisen darauf hin, daß das Betriebsverfassungsgesetz, wie sich insbesondere an der Regelung der §§ 94,95 zeige, durchaus den Unterschied zwischen bloßer Zustimmung und Mitbestimmung iS eines Initiativrechts kennt. Daß das Gesetz in § 87 Abs. 1 BetrVG nicht, wie in §§ 94, 95 BetrVG von Zustimmung, sondern von Mitbestimmung spreche, könne deshalb nur so verstanden werden, daß es für den Bereich des § 87 BetrVG von einem Initiativrecht des Betriebsrats ausgehen wolle. Obgleich diese Ansicht durchaus überzeugt, so ist doch Vorsicht davor geboten, aus der unterschiedlichen Begriffswahl - Zustimmung / Mitbestimmung letztverbindliche Schlußfolgerungen auf den Bedeutungsgehalt des Begriffs "mitzubestimmen" in § 87 Abs. 1 BetrVG zu ziehen. Der Begriff "Mitbestimmung" wird in Gesetzesnormen und auch in der Wissenschaft nämlich in völlig unterschiedlicher Bedeutung verwendet 16. Sein Sinn ist jeweils gesondert zu ermitteln. Und hierbei sind in erster Linie nicht systematisch-logische, sondern vielmehr historische und teleologische Kriterien maßgeblich. Aus dem expliziten Inhalt der §§ 94,95 BetrVG können daher allenfalls äußerlich-vordergründige Schlüsse im Hinblick auf den Begriff "mitzubestimmen" in § 87 Abs. 1 BetrVG gezogen werden. Die Argumentation aus §§ 94, 95 BetrVG ist mithin nur "im Zweifel" tragfahig, d. h. nur dann, wenn sich nicht aus der Entstehungsgeschichte, dem engeren Zusammenhang und dem Zweck des § 87 Abs. 1 BetrVG Abweichendes ergibt 17. 13 Hierauf weisen zutreffend Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 46, Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 198 und Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (39) hin. 14 DB 1973, 1746 ff. (1750); ders., in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 27. 15 RdA 1974, 80 ff. (86). 16 Vgl. dazu Schlüter, DB 1972, 92 ff. (96); zur unterschiedlichen Bedeutung im BetrVG siehe nur § 87 Abs. I und die Überschrift zu den §§ 99 ff.
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C. Die historische Auslegung Für das Initiativrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG sprechen jedoch bereits sehr deutlich der gesetzeshistorische Zusammenhang und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes 18. Bereits zum BetrVG 1952 bejahte die überwiegende Meinung ein Initiativrecht des Betriebsrats in allen nach § 56 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten 19. Bedenken gegen ein so weitreichendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 56 BetrVG 1952 meldeten nur Dietz 20 und Hilger 21 an. Ihrer Auffassung nach sollte dem Betriebsrat ein Initiativrecht bei der Einführung von neuen Entlohnungsmethoden nach § 56 Abs. 1 Buchst. h) BetrVG 1952 nicht zustehen. Könnte nämlich der Betriebsrat über die Einigungsstelle die Einführung eines Akkord- oder Prämienlohnsystems erzwingen, so würden, so die Argumentation der Autoren, dem Arbeitgeber höhere Aufwendungen auferlegt. Die Entscheidung, zusätzliche Mittel zur Erzielung höherer Leistungen aufzuwenden, sei jedoch primär eine lohnpolitische Entscheidung, eine Entscheidung über materielle Arbeitsbedingungen, über die der Betriebsrat nach § 56 BetrVG 1952 nicht mitzubestimmen habe. Das BetrVG 1972 hat nun im Bereich der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten im Hinblick auf das bereits zum alten Recht überwiegend befürwortete Initiativrecht des Betriebsrats keine Änderung gebracht. Ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf22 bezweckte die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht eine Abschwächung der Stellung des Betriebsrats, sondern vielmehr eine Erweiterung und Verbesserung der Mitbestimmung, insbesondere in sozialen Angelegenheiten. Der Gesetzgeber des BetrVG 1972 hat zudem, wie 17 Zur eingeschränkten Beachtlichkeit der Auslegung anhand systematisch-logischer Kriterien vgl. auch Bydlinski, Methodenlehre, S. 443, 447. 18 So auch BAG, Beschl. v. 14.11.1974 - 1 ABR 65/73 - , EzA § 87 BetrVG 1972 - Initiativrecht Nr. 2 unter Bezugnahme auf LAG Düsseldorf, Besch!. v. 17.7.1973 - 8 TaBV 11/73 - , EzA § 87 BetrVG 1972 - Initiativrecht Nr. 1; Badura, WiR 1974, 1 ff. (20); Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 47; Farthmann, RdA 1974,65 ff. (68, insb. Fn. 35); Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 26; v. Friesen, DB 1980, Beil. Nr. 1, 1 ff. (11); Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 27; Gester! lsenhardt, RdA 1974,80 ff. (86); Hanau, BB 1977,350 ff. (356); Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr.40; Lederer, Das Initiativrecht, S. 50 f.; Löwisch, DB 1973, 1746 ff. (1750); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 199; Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (38); Rumpf, AuR 1972,65 ff. (71). 19 Vgl. nur BAG, Urt. v. 22.6.1962 - 1 AZR 344/60 - , AP Nr. 2 zu § 52 BetrVG in einem obiter dictum; grundSätzlich auch Dietz, BetrVG, § 56 Rdnr.232; Fitting / Kraegeloh / Auffahrt, BetrVG, § 56 Rdnr. 3; Galperin / Siebert, BetrVG, vor § 56 Rdnr. 2; Hueck / Nipperdey, II / 2, S. 1390 f.; Neumann-Duesberg, BetrVR, S. 127; Nikisch, III, S. 346 f.; Siebert, RdA 1958, 161 ff. (162); ders., BB 1958,421 ff. (421). 20 BetrVG, § 56 Rdnr. 29,211,219. 21 In: Akkord und Prämie, D III 1, E 4 a). 22 Vgl. BR-Drucks. 715/70, S. 31.
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sich den Materialien entnehmen läßt, auch ausdrücklich zu erkennen gegeben, daß er ein Initiativrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG wollte. Ein Beleg dafür ist bereits die Tatsache, daß der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung die im Gesetzesentwurf der CDU / CSU-Fraktion vorgesehene Unterscheidung der sozialen Angelegenheiten, in denen dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht einschließlich eines Initiativrechts zukommen sollte von solchen, in denen dem Betriebsrat lediglich ein Zustimmungsrecht zustehen sollte 23, als eine sachlich nicht gebotene Einschränkung des Mitbestimmungsrechts ausdrücklich verworfen hat 24 . Auch in der zweiten Beratung des Regierungsentwurfs und des Entwurfs der CDU / CSU-Fraktion in der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages ist über das Initiativrecht des Betriebsrats ausdrücklich diskutiert worden. So führte der Abgeordnete Böhm(SPD) aus 25 : "In der sozialen Mitbestimmung unterscheiden Sie, meine Damen und Herren von der CDU / CSU, zwischen Mitbestimmungs- und Zustimmungsrechten. Sie nehmen damit in entscheidenden sozialen Fragen dem Betriebsrat das Initiativrecht. Das geht wie ein roter Faden durch Ihre Änderungsanträge hindurch. Sie wollen eben kein Initiativrecht des Betriebsrats, sondern Sie möchten hier - und das trennen Sie in diesem Abschnitt - , daß der Arbeitgeber etwas tun kann, wenn er es will, und der Betriebsrat eben nur dann dagegenhalten könnte. Wir wollen ein Initiativrecht des Betriebsrats". Hierauf erwiderte der Abgeordnete Ruf (CDU / CSU)26: ,,sie haben vorhin behauptet, unser Entwurf zur sozialen Mitbestimmung gebe dem Betriebsrat kaum ein Initiativrecht. Haben Sie nicht übersehen, daß wir in unserem § 29, der ja dem bisherigen § 56 entspricht, die soziale Mitbestimmung insgesamt von acht auf elf Fälle ausgedehnt haben? In all diesen auf elf erweiterten Fällen hat der Betriebsrat ein volles, gleichberechtigtes Mitbestimmungs- und Initiativrecht". Auch diese Stellungnahmen während der Beratungen der Entwürfe zeigen deutlich, daß der historische Gesetzgeber mit dem Begriff "Mitbestimmung" nach § 87 Abs. 1 BetrVG auch das Initiativrecht des Betriebsrats verbunden hat.
D. Die systematisch-teleologische Auslegung 1. Die Bedeutung der Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung
Daß das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG ein Initiativrecht einschließt, wird bestätigt, wenn man den Zweck betrieblicher Mitbestimmung in die Auslegung miteinbezieht 27 . 23
Vgl. nur §§ 29,30 CDU / CSU-Entwurf, BT-Drucks. VI/ 1806.
24 Vgl. Schriftlicher Bericht, zu BT-Drucks. VI/ 2729, S. 4. 25 Vgl. Protokoll der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 10.11.1971, S. 8645
(D).
26 Vgl. Protokoll der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 10.11.1971, S. 8646
(B).
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Wie an anderer Stelle bereits ausführlich dargelegt 28 , sind Sinn und Zweck der Mitbestimmung des Betriebsrats in §§ 2, 75 BetrVG ausdrücklich festgeschrieben. Betriebliche Mitbestimmung dient dem Schutz und der Förderung des Wohls der Arbeitnehmer. Dabei geht es nicht nur darum, den einzelnen Arbeitnehmer vor willkürlicher Ungleichbehandlung zu schützen 29. Die Mitbestimmung des Betriebsrats soll ebenso dazu beitragen, den Arbeitnehmer in seiner Persönlichkeit, d. h. in der Achtung seiner Menschenwürde und Persönlichkeitsentfaltung im Arbeitsverhältnis zu schützen 30. Hierzu gehört es auch, den Gedanken der Privatautonomie innerhalb der arbeitsteiligen Organisation des Betriebs zu verwirklichen. Die Beteiligung des Betriebsrats hat demnach auch zum Ziel, eine Ordnung nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung zu ermöglichen; den Arbeitnehmern soll das Gefühl des Ausgeliefertseins an eine von ihnen nicht beeinflußbare Leitungs- und Organisations gewalt genommen und durch ein Gefühl der Selbstbestimmung auch im Betrieb abgelöst werden 31 • Nimmt man diese Zielsetzung betrieblicher Mitbestimmung ernst, so muß man den unbestimmten Rechtsbegriff "mitzubestimmen" in § 87 Abs. 1 BetrVG weit auslegen; man muß dem Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG auch das Initiativrecht zugestehen 32. Das Ziel, eine Ordnung nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung zu ermöglichen, kann in einer Materie, in welcher normalerweise dem Arbeitgeber rechtlich und faktisch die Alleinentscheidung obliegt, nämlich nur erreicht werden, wenn die Betriebspartner, also Arbeitgeber und Betriebsrat als Repräsentant der Belegschaft vollkommen gleichberechtigt sind 33. Vollständige Parität ist dann aber gleichbedeutend damit, daß der Betriebsrat nicht darauf beschränkt sein kann, bei vom Arbeitgeber beabsichtigten Änderungen des Ist-Zustandes mitzubestimmen. Selbstbestimmung ist mehr als nur "Reaktion", sie ist ebenso "Aktion". Zu einem "paritätischen" Mitbestimmungsrecht gehört daher auch, daß der Betriebsrat von sich aus Änderungen des Status-Quo verlangen, daß er also von sich aus eigene Zielvorstellungen entwickeln und zur verbindlichen Auseinandersetzung bringen kann.
27 So auch Lederer, Das Initiativrecht, S. 51 ff.; Schwerdtner, Anmerkung zu LAG Baden-Württemberg EzA § 87 BetrVG 1972 - Initiativrecht Nr. 4. 28 Vgl. Ausführungen zu § 3 11. A. 3. c) cc). 29 arg. e § 75 Abs. 1 BetrVG. 30 arg. e § 75 Abs. 2 BetrVG. 31 Nachweise siehe unter § 3 11. A. 3. c) cc). 32 Vgl. auch Dietz / Richardi, BetrVG, § 75 Rdnr. 38, wo zutreffend darauf hingewiesen wird, daß § 75 Abs. 2 BetrVG eine Auslegungsregel enthält; vgl. ebenso GK-Thiele, BetrVG, § 75 Rdnr. 57, der darauf abstellt, daß sich aus § 75 Abs. 2 BetrVG das Gebot extensiver Auslegung von Mitbestimmungsrechten ergibt. 33 Vgl. BAG, Beschl. v. 18.4.1989 I ABR 100/87 - , NZA 1989,887 ff. (888).
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2. Die Bedeutung der unternehmerischen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit
a) Der "betriebsverfassungsrechtliche Vorbehalt der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit"
Gegen das Initiativrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG könnte jedoch der sog. "betriebsverfassungsrechtliche Vorbehalt der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit" sprechen. Wiese 34 und Boewer 35 weisen darauf hin, daß sich das Betriebsverfassungsgesetz 1972 für die vom Betriebsrat unbeeinflußbare unternehmerische Handlungsfreiheit entschieden habe. Deutliche Hinweise hierauf seien bereits in der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu finden 36 . So sei in der Begründung zum Regierungsentwurf37 und in den parlamentarischen Beratungen des Gesetzes 38 die grundsätzliche Wertentscheidung des Gesetzgebers zum Ausdruck gekommen, durch die dem Betriebsrat im BetrVG eingeräumten Mitwirkungs- und Mitbestimmungsbefugnisse "nicht in die eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet, einzugreifen". Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers habe im Gesetz auch objektiv Ausdruck gefunden. Der Gesetzgeber habe, wie sich an den Beteiligungsrechten nach §§ 90,91 und 106 ff. BetrVG zeige, in den Mitbestimmungsbereichen, die in einer unmittelbaren Beziehung zu den unternehmerischen Entscheidungen stehen, bewußt eine Mitbestimmung des Betriebsrats ausgeschlossen 39 . Zu dieser Wertentscheidung des Gesetzgebers dürfe die betriebliche Mitbestimmung nach § 87 BetrVG nicht in Widerspruch treten; sie müsse vielmehr bei der Auslegung berücksichtigt werden. Wiese 40 steht deshalb auf dem Standpunkt, daß dem Betriebsrat ein Initiativrecht nur dann zusteht, wenn die Mitbestimmung lediglich zu mittelbaren Auswirkungen auf den unternehmerischen Bereich führt und die unternehmerische Entscheidungsfreiheit dabei weder beseitigt noch in ihrem Kembereich beeinträchtigt. Für Boewer 41 hingegen entscheidet nicht die Intensität des Eingriffs in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit über den Bestand des Initiativrechts. Boewer grenzt die Reichweite der Mitbestimmung vielmehr nach dem Regelungsgegenstand ab. Bei formellen Arbeitsbedingungen bestehen seiner Auffassung nach keine Bedenken, ein Initiativrecht des Betriebsrats anzuerDas Initiativrecht, S. 27 f., 39 ff.; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. DB 1973, 522ff. (527). 36 Hierauf weist insbesondere Wiese, Das Initiativrecht, S. 39 f. hin. 37 Vgl. BT-Drucks. VII 1786, S. 31. 38 Vgl. die Stellungnahmen von Arendt, Protokoll der 150. Sitzung des Deutschen Bundestages v. 10. 11. 1971, S. 8666; Schellenberg , ebenda, S. 8673; Farthmann, ebenda, S. 8597 und Schmidt (Kempten), ebenda, S. 8602. 39 Boewer, DB 1973,522 ff. (527); Wiese, Das Initiativrecht, S. 38 f. 40 Das Initiativrecht, S. 39. 41 DB 1973, 522ff. (526 f.). 34 35
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kennen. Bei materiellen Arbeitsbedingungen sei jedoch zu berücksichtigen, daß die Ausübung des Initiativrechts primäre Teilhabe an einer wirtschaftlichen Entscheidung des Arbeitgebers als Unternehmer bedeute. Da eine solche Teilhabe in Widerspruch zu der Grundentscheidung des Gesetzgebers für eine unbeeinflußbare unternehmerische Handlungsfreiheit trete, sei bei materiellen Arbeitsbedingungen eine Kongruenz von Mitbestimmungsrecht und Initiativrecht zu verneinen 42 • Die Ansicht von Wiese und Boewer überzeugt nicht. Es geht nicht an, aus der Entstehungsgeschichte und der konkreten Ausgestaltung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung (§§ 90, 91) und in wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 106 ff.) auf eine Grundentscheidung des Gesetzgebers zu schließen, die eine restriktive Auslegung der Mitbestimmungsrechte in "sozialen Angelegenheiten" gebietet 43 • Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Der Gesetzgeber hat im BetrVG ein fein abgestuftes System betrieblicher Mitwirkungsbefugnisse geschaffen. Er hat gesehen, daß der Unternehmer durch die Beteiligung des Betriebsrats in seiner Entscheidungsfreiheit berührt wird 44. 42 Auch Beuthien, Anmerkung zu BAG, SAE 1984, 194 ff. (194), ders., ZfA 1986, 131 ff. (142), ders., ZfA 1988, 1 ff. (3), Erdmann, in: FS Molitor, S. 81 ff. (90), Erdmann / Mager, DB 1987, 46 ff. (47), Lieb, DB 1981, Bei!. Nr. 17, 1 ff. (4, 70, Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 212 ff., insb. 219, Rüthers, ZfA 1973,399 ff. (417) und Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 20 ff. beispielsweise sind der Auffassung, daß die über die Mitbestimmungsrechte beschränkte Entscheidungsautonomie des Arbeitgebers ihrerseits selbst der Mitbestimmung wieder Grenzen zieht. Man spricht in diesem Zusammenhang davon, daß sich aus der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik ein "allgemeiner Grundsatz der Mitbestimmungsfreiheit unternehmerischer Entscheidungen", ein ,,Rechtssatz des Betriebsverfassungsgesetzes, wonach eine Mitbestimmung bei den eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen nicht stattfinden darf' und "eine Grundentscheidung des Gesetzes für die Respektierung der Unternehmerfreiheit" ergebe. Die Wertentscheidung des BetrVG zugunsten der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit soll der Auffassung dieser Autoren zufolge allerdings nicht eine einschränkende Auslegung des Begriffs "mitzubestimmen", sondern eine teleologische Reduktion des Initiativrechts auf ein Vetorecht (Rüthers und Stege / Weinspach) bzw. eine Ermessensbindung der Einigungsstelle (Moll und Lieb) gebieten. Teilweise wird aber auch der Standpunkt vertreten, daß dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte von vornherein nur außerhalb der eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen zustehen (Beuthien). Zur Bedeutung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit für das Initiativrecht vg!. auch LAG Düsseldorf, Besch!. v. 17.7. 1973 - 8 TaBV 11/73 - , EzA § 87 BetrVG 1972 - Initiativrecht Nr. 1; LAG Baden-Württemberg, Besch!. v. 28.2.1980 - 11 TaBV 15/79 - , EzA § 87 BetrVG 1972 - Initiativrecht Nr. 4. 43 So im Ergebnis auch BAG, Besch!. v. 31.8.1982 1 ABR 27/80 - , AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; LAG Niedersachsen, Besch!. v. 24. 1. 1984 - 8 TaBV 5/83 - , NZA 1984, 55 f. (55), nicht rechtskräftig; bestätigt durch BAG, Besch!. v. 4.3.1986 -1 ABR 15/84-, DB 1986, 1395 ff.; in diesem Sinne auch BVerfG, Besch!. des Vorprüfungsausschusses v. 18.12.1986 -1 BvR 143/83 - , DB 1986,486 f. (486); Buschmann, DB 1982, 1059 ff. (1061); Joost, DB 1983, 1818 ff. (1819); Matthes, NZA 1987,289 ff. (294); Starck, Leistungspflichten, S. 161 ff. 44 So auch BAG, Besch!. v. 31.8. 1982 1 ABR 27/80 - , AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 62.
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Gegen diese Entscheidungsfreiheit hat er das bezogen auf den Schutzzweck der Vorschriften bestehende Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer abgewogen. Deshalb hat er stärkere Beteiligungsrechte des Betriebsrats da angeordnet, wo ihm der Schutz der Arbeitnehmer so wichtig erschien, daß die unternehmerische Entscheidungsfreiheit zurücktreten mußte. Der Gesetzgeber hat also, wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluß vom 31. August 1982 45 zutreffend festgestellt hat, "den Konflikt zwischen einer aus der Beteiligung des Betriebsrats" folgenden Beschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und "seiner Grundkonzeption, in eigentliche unternehmerische Entscheidungen, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet, nicht einzugreifen", selbst entschieden. Er hat mit dem BetrVG die "gesetzliche Lösung des Wertungswiderspruchs zwischen Mitbestimmung und Freiheit der unternehmerischen Entscheidung" geschaffen. An diese vom Gesetzgeber selbst vorgenommene Abwägung der konfligierenden Interessen und Rechte ist der Rechtsanwender bei der Auslegung und Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes gebunden. Er darf sich hierüber nicht hinwegsetzen. Gerade die Gefahr, gesetzgeberische Wertungen zu überspielen, verwirklicht sich jedoch, wenn man aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber dem Betriebsrat in §§ 90, 91 und 106 ff. BetrVG relativ schwache Beteiligungsrechte eingeräumt hat und damit den Konflikt zwischen dem Schutzinteresse der Arbeitnehmer und der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zugunsten letzterer gelöst hat, auf das Gebot restriktiver Auslegung des Begriffs "mitzubestimmen" in § 87 Abs. 1 BetrVG schließt. Ausweislich der Materialien 46 hat der Gesetzgeber nämlich das Initiativrecht gewollt, er hat den Begriff "Mitbestimmung" in § 87 Abs. 1 BetrVG einheitlich in dem Sinne verstanden wissen wollen, daß er auch ein Initiativrecht des Betriebsrats einschließt. Bereits aus diesem Grunde verbietet es sich, mit Boewer das Initiativrecht des Betriebsrats nur bei formellen Arbeitsbedingungen anzuerkennen, bei materiellen Arbeitsbedingungen hingegen eine Kongruenz von Mitbestimmungs- und Initiativrecht zu verneinen. Die Beschränkung des Initiativrechts auf den Bereich der formellen Arbeitsbedingungen ist aber auch deshalb nicht akzeptabel, weil durch die Aufspaltung der Arbeitsbedingungen in materielle und formelle eine begriffliche Unterscheidung aus dem BetrVG 1952 in das BetrVG 1972 "hinübergerettet" wird, die zwar unter Geltung des alten Rechts für die Auslegung der Mitbestimmungstatbestände bedeutsam war, im BetrVG 1972 allerdings jegliche Aussagekraft verloren hat. Unter Geltung des BetrVG 1952 hatte sich in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und innerhalb der herrschenden Meinung im Schrifttum der allgemeine Grundsatz der Mitbestimmungsfreiheit materieller Arbeitsbedingungen herausgebildet 47 • Mitbestimmungspflichtig sollten nur die 1 ABR 27/80 -, AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. Vgl. Nachweise zu den Ausführungen unter § 4 1. C. 47 Vgl. nur BAG, Urt. v. 15.12.1961 1 AZR 492/59 -, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG Arbeitszeit; BAG, Beschl. v. 15.1.1960 - 1 ABR 7/59 -, AP Nr. 3 zu § 56 BetrVG 45 -
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formellen, d. h. diejenigen Arbeitsbedingungen sein, die die Gestaltung der betrieblichen Ordnung zum Gegenstand hatten. Demgegenüber sollten die Arbeitsbedingungen, die die Bestimmung von Leistung und Gegenleistung, von Arbeitspflicht und Entgelt, aber auch sonstige finanzielle Leistungen des Arbeitgebers zu Gunsten der Arbeitnehmer betrafen (materielle Arbeitsbedingungen), nicht vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats umfaßt sein 48. Zur Begründung dieser Auffassung berief man sich darauf, daß § 56 BetrVG 1952 aus den allgemeinen Arbeitsordnungen nach § 134 b GewO und dem Betriebsrätegesetz von 1920 entstanden sei 49. Dabei handelt es sich um Vorschriften, die in erster Linie die Ordnung des Betriebs zum Gegenstand hatten. Gegen die Mitbestimmungspflichtigkeit materieller Arbeitsbedingungen wurde aber vor allem eingewandt, daß eine nach § 56 Abs. 2 i.V. mit § 50 Abs. 4 BetrVG dann mögliche Zwangsschlichtung bei derartigen Arbeitsbedingungen mit der in Art. 9 Abs. 3 GG garantierten freiheitlich sozialen Arbeitsverfassung nicht vereinbar sei 50. Die Lehre von der Mitbestimmungsfreiheit materieller Arbeitsbedingungen war unter Geltung des BetrVG 1952 damit ein die historische und die systematisch-teleologische Auslegung des § 56 BetrVG bestimmender Grundsatz. Einen solchen Grundsatz kennt das geltende Recht nicht mehr. Der Gesetzgeber des BetrVG 1972 hat in Kenntnis der zu § 56 BetrVG 1952 vertretenen Auffassung mit der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr.3 BetrVG) sowie der Festsetzung der Geldfaktoren beim Leistungslohn (§ 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG) auch eindeutig materielle Arbeitsbedingungen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterworfen. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, daß der unter Geltung des BetrVG 1952 zur Abgrenzung von mitbestimmtem und mitbestimmungsfreiem Bereich herangezogene Gegensatz von formellen und materiellen Arbeitsbedingungen für das BetrVG 1972 nicht mehr maßgeblich sein SOll51. Auch hierin liegt eine Wertentscheidung des Gesetzgebers, die es zu Wohlfahrtseinrichtungen; zum Meinungsstand in der Literatur vgl. die umfangreichen Nachweise bei Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 160, Fn. 13 f. 48 Zur Terminologie vgl. nur BAG, Beseh!. v. 15.1.1960 1 ABR 7/59 - , AP Nr.3 zu § 56 BetrVG Wohlfahrtseinrichtungen; Galperin / Siebert, BetrVG, Vor § 56 Rdnr. 18 ff.; Söllner, Grundriß, S. 179; weitere Nachweise s. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr.21. 49 Vgl. nur BAG, Besehl. v. 15.1.1960 1 ABR 7/59 - , AP Nr. 3 zu § 56 BetrVG Wohlfahrtseinrichtungen. 50 Vgl. nur BAG, Besehl. v. 15.1.1960 - 1 ABR 7/59 - , AP Nr. 3 zu § 56 BetrVG Wohlfahrtseinrichtungen; Galperin / Siebert, BetrVG, Vor § 56 Rdnr. 18; Hueck / Nipperdey, 11 / 2, S. 1359. 51 Ganz herrschende Meinung, vgl. nur BAG, Besehl. v. 13.3.1973 - 1 ABR 16/ 72 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnungen (für § 87 Abs. 1 Nr.9 BetrVG); BAG, Besehl. v. 12.6.1975 - 3 ABR 13/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung (für § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG); BAG, Besehl. v. 8.3.1977 1 ABR 33/75 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung (für den gesamten Abs. 1 des § 87 BetrVG); Birk, Die Mitbestimmung, S. 47 f.; Buschmann, DB 1982, 1059 ff. (1061); Dieterich, NZA 1984, 273 ff. (274); Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr.28,
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respektieren gilt und die nicht über die Hintertür, nämlich über §§ 106 ff., insbesondere § 111 BetrVG, zu einer "protestatio facto contraria" umgemünzt werden kann. Dafür, daß insbesondere die Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren, durch die dem Betriebsrat im BetrVG eingeräumten Mitwirkungs- und Mitbestimmungsbefugnisse ,,nicht in die eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen" einzugreifen, nicht iS einer für die Auslegung des Gesetzes relevanten Grundentscheidung des Gesetzgebers verstanden werden können, spricht auch noch ein weiterer Umstand. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt 52, läßt sich den Materialien nichts darüber entnehmen, was der historische Gesetzgeber unter den "eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen" überhaupt verstanden hat 53 • Der Gesetzgeber hat dem Rechtsanwender damit keinerlei Maßstäbe an die Hand gegeben, um die "eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen", die mitbestimmungsfrei sein sollen, von anderen, der Mitbestimmung zugänglichen Arbeitgeberentscheidungen abzugrenzen. Gerade diese Maßstäbe wären aber erforderlich gewesen, um eine etwaige gesetzgeberische Wertentscheidung bei der Auslegung der Mitbestimmungstatbestände lege artis überhaupt berücksichtigen zu können. Dies legt den Schluß nahe, daß die Ausführungen, die im Gesetzgebungsverfahren im Hinblick auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gemacht wurden, nicht die Funktion haben, die inhaltliche Konzeption des Gesetzes näher zu erläutern, sondern nichts anderes sind, als eine mehr oder weniger unklare Einschätzung des eigenen Verhaltens bei der Gesetzgebung 54 • Wer nun aber, wie Wiese, aus der Entstehungsgeschichte auf eine grundsätzliche Wertentscheidung des Gesetzgebers schließt und dieser Wertentscheidung dadurch Rechnung trägt, daß er ein Initiativrecht des Betriebsrats nur da anerkennt, wo die Mitbestimmung lediglich zu mittelbaren Auswirkungen auf den unternehmerischen Bereich führt und dabei die unternehmerische Entscheidungsfreiheit weder beseitigt noch in ihrem Kernbereich beeinträchtigt, der muß sich nicht 49; Farthmann, RdA 1974,65 ff. (66); Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 20; Föhr, AuR 1975,353 ff. (357); Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 21; Gester / lsenhardt, RdA 1974, 80 ff. (83); GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr.25; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 10; Klinkhammer, AuR 1977,363 ff. (364); Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 216; Lederer, Das Initiativrecht, S. 87; Löwisch, DB 1973, 1746 ff. (1747); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 161; Richardi, ZfA 1976. 1 ff. (40); Rüthers, ZfA 1973, 399 ff. (412); Rumpf, AuR 1972, 65 ff. (71); Strieder, BB 1980, 420 ff. (422); Wiese, Das Initiativrecht, S.36; a.A. soweit ersichtlich lediglich Lieb, DB 1981, Beil. Nr.17, 1 ff. (3 f.), der am Grundsatz der Mitbestimmungspflichtigkeit nur der formellen Arbeitsbedingungen festhält und die von § 87 Abs. 1 Nr. 3 und 11 BetrVG angeordnete betriebliche Mitbestimmung bei materiellen Arbeitsbedingungen als Ausnahme begreift, die der Gesetzgeber aus bestimmten, eng begrenzten Gründen für notwendig gehalten habe. 52 Vgl. Ausführungen zu § 3 11. A. 2. b). 53 So auch Joost, DB 1983, 1818 ff. (1819). 54 So auch Joost, DB 1983, 1818 ff. (1819); a.A. wohl Martens, RdA 1989, 164 ff. (170 f.).
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nur den Vorwurf gefallen lassen, den Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren eine Bedeutung beizumessen, die ihnen nicht zukommt. Er muß sich darüber hinaus entgegenhalten lassen, daß seine Bemühungen, die "eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen" mit Leben zu erfüllen, in Ermangelung einer gesetzgeberischen Vorgabe zumindest zweifelhaft, wenn nicht sogar willkürlich sind und damit zur Rechtssicherheit nicht beitragen. Daß dieser Vorwurf durchaus seine Berechtigung hat, wird auch durch die Tatsache bestätigt, daß sich unter den Autoren 55, die sich um eine Konkretisierung dessen, was nun die "eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen" sein sollen, keine einheitliche Meinung herausgebildet hat. In diesem Zusammenhang sei nur auf die Äußerungen von Rüthers, Stege / Weinspach und Beuthien hingewiesen, die im Gegensatz zu Wiese nicht auf die Intensität der Beeinträchtigung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, sondern auf den Regelungsgegenstand abstellen. So gehört für Rüthers 56 zu den eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen der Kernbereich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit in wirtschaftlichen Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung. Hierzu rechnet der Autor vor allem Entscheidungen über den Umfang der Produktion, die Lagerhaltung und die Verkaufspolitik. Ähnlich äußern sich Stege / Weinspach 57. Ihrer Auffassung nach sollen beispielsweise Entscheidungen über die Absatzlage oder den Auftragsbestand des Unternehmens zum unternehmerisch-wirtschaftlichen Bereich zählen, der der Mitbestimmung des Betriebsrats entzogen sein soll. Ein besonders "eindrucksvolles" Beispiel für den Versuch, die Reichweite betrieblicher Mitbestimmung im Verhältnis zur unternehmerischen Entscheidungsfreiheit nach dem Gegenstand unternehmerischer Entscheidungen auszuloten, sind die Ausführungen von Beuthien. Nach Auffassung von Beuthien 58 soll sich das, was unter den "eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen" zu verstehen ist, im wesentlichen mit dem decken, was verfassungsrechtlich den Kernbereich der durch Art. 14,9 I, 12 und 2 I GG geschützten Unternehmerautonomie ausmacht. Inhalt und Grenzen der Unternehmerautonomie will der Autor dann aber nicht aus der Verfassung entnehmen, sondern "aus sich heraus" entwickeln, und "zwar innerhalb eines Arbeitsrechts, das in ein bestimmtes Wirtschaftssystem, nämlich in eine marktwirtschaftliche Ordnung, eingebettet ist" 59. Grundlage aller Folgeüberlegungen müsse dabei die eigentümliche arbeitsvertragliche Interessenlage sein, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrages nicht (wie gesellschaftsrechtlich verbundene Teilhaber) auf demselben Markt auf gemeinsa55 Zur Rechtsprechung vgl. insbesondere LAG Düsseldorf, Beschl. v. 17.7.1973 8 TaBV 11/73 -, EzA § 87 BetrVG 1972 - Initiativrecht Nr. 1; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.2.1980-11 TaBV 15/79-,EzA § 87 BetrVG 1972-Initiativrecht Nr. 4. 56 ZfA 1973, 399 ff. (420). 57 BetrVG, § 87 Rdnr. 20 ff. 58 ZfA 1988, 1 ff. (3). 59 Beuthien, ZfA 1988, 1 ff. (6).
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§ 4 Die Intensität der Beteiligung des Betriebsrats
me Rechnung und gemeinsames Risiko, sondern zwar miteinander, allerdings auf verschiedenen Märkten auf gesonderte Rechnung und getrenntes Risiko wirtschaften. Der Arbeitgeber soll über das von ihm zu tragende Risiko hinaus mit einer Sozialpflichtigkeit belastet sein, da er fremde Arbeitskraft eigennützig unternehmerisch nutze 60 • Dieses Arbeitsvertragsverständnis müsse auch für die betriebliche Mitbestimmung Folgen haben. Betriebliche Mitbestimmung als Teilhabemittel der miteigentumslosen Arbeitnehmer könne daher nichts anderes sein, als die Sozialbindung der auf dem Arbeitsvertrag gegründeten, arbeitsteiligen Wirtschaftsweise. Deshalb könne sich die Mitbestimmung auch nur auf unternehmerische Entscheidungen beziehen, die einen konkreten Arbeitsbezug haben, die also den Rechtskreis der Arbeitnehmer unmittelbar berühren. Unternehmerische Maßnahmen, die diesen konkreten Arbeitsbezug nicht aufweisen, müßten folgerichtig dem mitbestimmungsfreien Kernbereich der Unternehmerautonomie zugeordnet werden. Hierzu zählt Beuthien vor allem die Freiheit der Risikokapitalautbringung, die Freiheit der über die Arbeitstechnik und die Lohn- und Sozialkosten hinausgehenden Risikokapitalverwendung, die Freiheit der über die Arbeitsorganisation hinausreichenden Unternehmensgliederung und die Freiheit der Produktverwendung 61 • Bereits diese wenigen Beispiele zeigen, daß es dem Rechtsanwender letztlich nicht möglich ist, das verbindlich zu konkretisieren, was der historische Gesetzgeber unter den "eigentlichen unternehmerischen Entscheidungen" verstanden hat. Auch aus Gründen der Rechtssicherheit sollte daher darauf verzichtet werden, in den Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren eine Wertentscheidung des Gesetzgebers zu sehen, die für die Auslegung des Gesetzes erheblich ist. Ergebnis zu a) Aus der Entstehungsgeschichte und der konkreten Ausgestaltung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats in §§ 90, 91 und 106 ff. BetrVG kann nicht auf eine Grundentscheidung des Gesetzgebers geschlossen werden, die im Hinblick auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eine restriktive Auslegung des Begriffs "mitzubestimmen" in § 87 Abs. 1 BetrVG gebieten könnte. Ein allgemeiner, auf der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik gegründeter "betriebsverfassungsrechtlicher Vorbehalt der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit" kann nicht anerkannt werden. b) Die grundrechtlich geschützte Unternehmerautonomie Eine restriktive Auslegung des Begriffs "mitzubestimmen" könnte jedoch von Verfassungs wegen geboten sein. 60 61
Beuthien, ZfA 1988, 1 ff. (7). Beuthien, ZfA 1988, 1 ff. (8 f.).
I. Oie Konkretisierung des Begriffs "mitzubestimmen"
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Der Arbeitgeber unterliegt nach § 87 Abs. 1 BetrVG einem Konsenszwang. Das bedeutet, daß er in den nach § 87 Abs. I BetrVG mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten Entscheidungen nicht mehr eigenverantwortlich nach eigenen Vorstellungen treffen kann. Er muß sich vielmehr mit dem Betriebsrat einigen, dieser entscheidet in den O.g. Angelegenheiten mit. Hierdurch wird der Arbeitgeber in seiner grundrechtlich durch mehrere Einzelfreiheiten geschützten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit eingeschränkt 62 • Die Beteiligung des Betriebsrats im Entscheidungsprozeß bewirkt, daß der Arbeitgeber die ihm durch die Verfassung garantierte Freiheit unternehmerischer Disposition nur gemeinsam mit dem Betriebsrat ausüben kann. § 87 Abs. I BetrVG ist demnach eine grundrechtsbeschränkende Norm 63 • Eine solche Norm bedarf der verfassungskonformen Auslegung. Hiergegen kann nicht eingewendet werden, daß an der Verfassungsmäßigkeit des Initiativrechts nach § 87 Abs. I BetrVG keine Zweifel bestünden und bereits aus diesem Grunde eine verfassungskonforme Auslegung des Begriffs "mitzubestimmen" nicht in Betracht komme 64. Unter verfassungskonformer Auslegung ist nicht nur die normerhaltende, d. h. die auf Konservierung einer verfassungsrechtlich zweifelhaften Norm gerichtete Interpretation zu verste62 Grundrechtlich geschützt wird die unternehmerische Entscheidungsfreiheit durch die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, die Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG, die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 GG und subsidiär über die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG; vgl. nur BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 - 1 BvR 532,533/ 77,419/78 und 1 BvL 21/78 - , BVerfGE 50,290 ff. (339 ff.); BVerfG, Beschl. v. 18.12.1985 - 1 BvR 143/83 - , OB 1986,486 f. (486); BAG, Beschl. v. 29.3.1977 - 1 ABR 123/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Provision; BAG, Beschl.v. 24.11.1987 - 1 ABR 25/86 -, AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung; Badura I Rittner I Rüthers, S. 190 ff.; Beuthien, ZfA 1988, 1 ff.( 3); Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr.64; Papier, NJW 1987, 988 ff. (994); Pauly, OB 1985, 2246 ff. (2249); Scholz, NJW 1986, 1587 ff. (1588); Wiedemann, RdA 1986,231 ff. (235). Oas Bundesverfassungsgericht, vgl. Beschl. v. 18.12.1985 - 1 BvR 143/83 - , NJW 1986, 1601, sieht in § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG im Hinblick auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit beispielsweise eine Regelung der Berufsausübung; vgl. auch BAG, Beschl. v. 12.7.1988 - 1 ABR 85/86 - , OB 1989,633 ff. (634), das von § 99 BetrVG, also von einem minder starken Beteiligungsrecht des Betriebsrats, als zulässiger Regelung der dem Arbeitgeber in Art. 12 GG verbürgten Berufsausübungsfreiheit spricht. 63 Bereits aus diesem Grunde ist es unzutreffend, wenn Badura, WiR 1974, 1 ff. (23 f.) und Blomeyer, ZfA 1975, 243 ff. (294) meinen, daß nicht die Ausübung des Mitbestimmungsrechts, sondern der Spruch der Einigungsstelle die unternehmerische Entscheidungsfreiheit störe und der Unternehmerautonomie deshalb über eine Bindung des Ermessens der Einigungsstelle Rechnung zu tragen sei. Oarüberhinaus verkennt diese Ansicht, daß die Schlichtung durch die Einigungsstelle notwendig ist, da den Betriebspartnern zur Ourchsetzung ihrer Vorstellungen das Instrumentarium des Arbeitskampfes nicht zur Verfügung steht. Insofern kann man durchaus davon sprechen, daß dem Spruch der Einigungsstelle die Funktion zukommt, eine Pattsituation zu beenden und so die Verwirklichung dessen, was dem Arbeitgeber an unternehmerischer Entscheidungsfreiheit verblieben ist, überhaupt zu ermöglichen, vgl. hierzu auch Dütz, OB 1972, 383 ff. (387). 64 So aber Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 200. Oaß das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG mit den Grundrechten grundSätzlich harmoniert, wird wohl von niemandem ernstlich bezweifelt, vgl. Scholz, NJW 1986, 1587 ff. (1588).
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hen 65 • Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, daß die grundrechtlichen Verbürgungen nicht lediglich Abwehrrechte des Einzelnen gegen die öffentliche Gewalt enthalten, sondern zugleich objektive Wertentscheidungen darstellen, die für alle Bereiche der Rechtsordnung gelten und Richtlinien für Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung geben. Dabei soll der Rechtsgehalt der Grundrechte nach Ansicht des Gerichts "über das Medium der das einzelne Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfahigen und auslegungs bedürftigen Begriffe" einwirken, "die im Sinne dieses Rechtsgehalts ausgelegt werden müssen"66. Obgleich das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang von der sog. Ausstrahlungs- oder mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte spricht, so ist dies jedoch lediglich eine andere Ausdrucksweise für verfassungskonforme Auslegung 67 • Verfassungskonforme Auslegung ist daher, wie Göldner 68 es zutreffend formuliert hat, ,jede auf judizielle Vermittlung von Verfassung und gesetzliche Rechtsordnung gerichtete Interpretation, gleichviel, ob sie der Konservierung einer verfassungsrechtlich zweifelhaften Norm dient oder nicht". Das bedeutet nun aber nichts anderes, als daß die konkrete Verfassungsnorm selbst inhaltliches Leitprinzip der sie betreffenden unterverfassungsrechtlichen Rechtsvorschrift ist 69 und die unterverfassungsrechtliche Norm damit einer Auslegung bedarf, die den betroffenen Grundrechten die stärkste Wirkung verleiht 70 • Für den unbestimmten Rechtsbegriff "mitzubestimmen" würde dies in der Tat bedeuten, daß er restriktiv, d. h. so ausgelegt werden müßte, daß er ein Initiativrecht des Betriebsrats nicht einschließt. Dennoch muß eine restriktive Auslegung des Begriffs "mitzubestimmen" in
§ 87 Abs. 1 BetrVG im Hinblick auf die grundrechtlieh geschützte Unternehmer-
autonomie ausscheiden. Verfassungskonformität ist kein unbeschränkt anwendbares Auslegungskriterium; der verfassungskonformen Auslegung sind sowohl durch die Methodenlehre als auch durch die Verfassung selbst Grenzen gezogen. Verfassungskonforme Auslegung darf sich, wenn sie Auslegung bleiben will, nicht über die Grenzen hinwegsetzen, die sich aus dem möglichen Wortsinn
65 Zu dieser Variante der verfassungskonforrnen Auslegung vgl. Burmeister, Die Verfassungsorientierung, S. 9 ff.; Göldner, Verfassungsprinzip, S. 44 ff.; Hesse, Grundzüge, S. 30; Zippelius, Methodenlehre, S.49; ders., in: FG Bundesverfassungsgericht, 11, S. 108 ff. (110 ff.). 66 Vgl. nur BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 - 1 BvR 400/51 - , BVerfGE 7, 198 ff. (205); BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49,89 ff. (141 f.); BVerfG, Beschl. v. 23.4.1986 - 2 BvR 487/80 - , BVerfGE 73, 261 ff. (269). 67 Vgl. Göldner, Verfassungsprinzip, S.47; Larenz, Methodenlehre, S. 328; Stern, Staatsrecht, IIII I, S. 927. 68 Verfassungsprinzip, S. 47. 69 So Bydlinski, Methodenlehre, S. 457. 70 So BVerfG, Beschl. v. 9.2.1982 1 BvR 799/78 - , NJW 1982, 1635; BVerfG, Beschl. v. 3.4.1979 - 1 BvR 994/76 - , NJW 1979, 1539 ff. (1540).
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ergeben 71. Auch darf sie den Zweck des Gesetzes nicht außer acht lassen 72. Dabei kommt dem Willen des Gesetzgebers eine vorrangige Bedeutung vor dem objektiven Zweck des Gesetzes ZU 73 • Nach dem in Art. 20 Abs.3 GG verankerten Gewaltentrennungsprinzip steht nämlich dem unmittelbar demokratisch legitimierten Parlament die Kompetenz zu, Recht zu setzen und damit zu bestimmen, welche Zwecke mit einer Norm verfolgt und auf welche Art und Weise diese Zwecke verwirklicht werden 74. Demgegenüber sind die Gerichte nicht zur Rechtsetzung befugt, sie wenden Recht an und haben daher die gesetzgeberischen Zweckentscheidungen zu achten. Für die verfassungskonforme Auslegung bedeutet das, daß diese nicht in Widerspruch zum erkennbaren Willen des Gesetzgebers treten darf; sie darf das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlen 75. Gerade diese von der Verfassung selbst gezogene Grenze verfassungskonformer Auslegung würde aber überschritten, wenn der Begriff "mitzubestimmen" in § 87 Abs. 1 BetrVG eng, d. h. so ausgelegt würde, daß er ein Initiativrecht des Betriebsrats nicht einschließt. Ausweislich der Materialien 76 wurde das Initiativrecht nämlich nicht nur eingehend diskutiert. Der historische Gesetzgeber hat sich vielmehr, wie sowohl der Begründung zum Regierungsentwurf als auch den Stellungnahmen während der parlamentarischen Beratungen entnommen werden kann, ausdrücklich für eine völlig gleichberechtigte Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung in § 87 Abs. 1 BetrVG ausgesprochen. Er hat das Initiativrecht des Betriebsrats gewollt. Angesichts dieser klaren gesetzgeberischen Entscheidung kommt eine verfassungskonforme, d. h. restriktive und damit das Initiativrecht des Betriebsrats verneinende Auslegung des Begriffs ,,mitzubestimmen" in § 87 Abs. 1 BetrVG nicht in Betracht.
So ausdrücklich Larenz, Methodenlehre, S. 326. So BVerfG, Besch!. v. 11.6.1958 - 1 BvL 149/52 - , BVerfGE 8, 28 ff. (34); BVerfG, Besch!. v. 17.3.1959 - 1 BvL 5/57 - , BVerfGE 9, 194 ff. (200); BVerfG, Besch!. v. 30.6.1964 - 1 BvL 16-25/62 - , BVerfGE 18,97 ff. (111); BVerfG, Urt. v. 14.12.1965 - 1 BvR 586/58 - , BVerfGE 19, 248 ff. (253); BVerfG, Teilurt. v. 5.8.1966 - 1 BvR 586/62, 610/63 und 512/64 - , BVerfGE 20,162 ff. (218); BVerfG, Besch!. v. 11. 6.1980 - 1 PBvU 1/79 - , BVerfGE 54, 277 ff. (299); Koch-Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 267; Larenz, Methodenlehre, S. 326; Maunz / Zippelius, Staatsrecht, S. 44. 73 Vg!. nur Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 1 Rdnr.206, 208; KochRüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 267. 74 Vg!. nur Zippelius, in: FG Bundesverfassungsgericht, 11, S. 108 ff. (117). 75 Vg!. BVerfG, Besch!. v. 30.6.1964 1 BvL 16-25/62 - , BVerfGE 18, 97 ff. (111); BVerfG, Urt. v. 14.12.1965 - 1 BvR 586/58 - , BVerfGE 19, 248 ff. (253); BVerfG, Teilurt. v. 5.8.1966 - 1 BvR 586/62, 610/63 und 512/64 - , BVerfGE 20, 162 ff. (218); BVerfG, Besch!. v. 11.6.1980 - 1 PBvU 1/79 - , BVerfGE 54, 277ff. (299). 76 Vgl. Nachweise zu § 4 1. C. 71
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7 Magu1a-Lösche
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§ 4 Die Intensität der Beteiligung des Betriebsrats
E. Zusammenfassung Wenn es in § 87 Abs. 1 BetrVG heißt, daß der Betriebsrat "mitzubestimmen" hat, so bedeutet das zunächst einmal, daß es ein Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers im Hinblick auf die im Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten nicht gibt. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen vielmehr einvernehmlich zusammenwirken, sie müssen sich einigen. Im Mitbestimmungsverfahren selbst können daher beide Betriebspartner eigene Vorschläge einbringen und diese notfalls über die Einigungsstelle durchzusetzen versuchen. Das Recht "mitzubestimmen" umfaßt darüber hinaus, wie sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik unter Berücksichtigung des Schutzzwecks betrieblicher Mitbestimmung ergibt, auch das Initiativrecht des Betriebsrats, d. h. sein Recht, eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit aufzugreifen, um sie zum Thema des Mitbestimmungsverfahrens zu machen. Der Betriebsrat ist im Rahmen seiner Beteiligung nach § 87 Abs. 1 BetrVG demnach nicht darauf angewiesen, daß der Arbeitgeber die Initiative ergreift und ein Mitbestimmungsverfahren einleitet. Er kann vielmehr von sich aus an den Arbeitgeber herantreten und die Regelung einer der in § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten verlangen 77.
11. Ergebnis zu § 4 Bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG über den Leistungsplan, d. h. über die Bezugsbedingungen und die Höhe der Einzelleistung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Dotierung mitzubestimmen. Der Betriebsrat kann daher bezüglich dieser Gegenstände nicht nur im Mitbestimmungsverfahren selbst Vorschläge einbringen und diese im Falle der Nichteinigung mit dem Arbeitgeber über die Einigungsstelle durchzusetzen versuchen. Er kann auch selbst die Initiative ergreifen, von sich aus an den Arbeitgeber herantreten und eine Regelung dieser Angelegenheiten verlangen. Im Hinblick auf den sog. Leistungsplan hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. I BetrVG demnach sowohl ein Mitgestaltungs- als 77 Ganz herrschende Meinung, vgl. nur BAG, Besehl. v. 14.11.1974 1 ABR 65/ 73 -, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972; LAG Frankfurt, Besehl. v. 8.11.1983 - 5 TaBV 74/83 -, DB 1984, 672; Badura, WiR 1974, 1 ff. (22 f.); Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 46; Dütz, DB 1972,383 ff. (388); Farthmann, RdA 1974,65 ff. (68); Föhr, AuR 1975,353 ff. (357); Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 26; v. Friesen, DB 1980, Beil. Nr. I, 1 ff. (11); Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr.26; Gester / Isenhardt, RdA 1974,80 ff. (88); Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke / Klebe, BetrVG, § 87 Rdnr.2; Hanau, BB 1977, 350 ff. (356); Hanau / Adomeit, S. 124; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 39; Lappe, ArbRGeg., Bd. 16 (1978), 55 ff. (89),; Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 5; Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S.203; Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (43); Rumpf, AuR 1972, 65 ff. (71); Schlüter, DB 1972,139 ff. (143); Söllner, Grundriß, S. 180; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 19.
11. Ergebnis zu § 4
99
auch ein Initiativrecht. Da der Arbeitgeber aber mitbestimmungsfrei darüber entscheiden kann, ob und inwieweit er bestimmte betriebliche Sozialleistungen an die Belegschaft überhaupt erbringt, darf die praktische Ausnutzbarkeit des Initiativrechts nicht zu hoch veranschlagt werden. Bei der erstmaligen Einführung einer bestimmten betrieblichen Sozialleistung ist das Initiativrecht nicht bedeutsam. Hier muß der Betriebsrat abwarten, daß der Arbeitgeber sich zur Erbringung einer solchen Leistung entschließt und das notwendige Mitbestimmungsverfahren einleiteP8. Werden jedoch bereits betriebliche Sozialleistungen erbracht, besteht also ein Leistungsplan, so kann der Betriebsrat initiativ werden, um eine Änderung dieses Plans zu erzwingen.
78 Vgl. auch Richardi, Anmerkung zu BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; die von Reuter befürchtete Gefahr, daß die Mitbestimmung im Einzelfall aus einem Mittel zum Schutz der Arbeitnehmer in ein fustrument zu ihrer Bevonnundung umschlägt, weil das Initiativrecht schon vor der Schwelle betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit zu betriebseinheitlichen materiellen Arbeitsbedingungen führt, vennag sich bei der Beschränkung betrieblicher Mitbestimmung auf den Leistungsplan nicht zu verwirklichen; näher zur Auffassung Reuters vgl. Anmerkung zu BAG, SAE 1976, 15 ff. (17); ders., Vergütung von AT -Angestellten, S. 47 ff., insb. 54; Reuter / Strecket, Grundfragen, S. 30 ff. fusofem gilt für § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wie Richardi es fonnuliert hat, daß bei "zutreffender Präzision des Mitbestimmungstatbestandes" kein Grund besteht, "das fuitiativrecht einem gesonderten Schrankenvorbehalt zu unterwerfen", vgl. Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 51. 7'
§ 5 Die Bedeutung des Grundsatzes der Freiwilligkeit für
den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
Die in dieser Untersuchung vertretene Auffassung zum Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG stimmt mit der von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansicht im Ergebnis weitgehend überein. Sowohl nach Auffassung der herrschenden Meinung als auch nach der hier vertretenen Lösung kann der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei darüber befinden, ob, zu welchem Zweck, an welchen (nach abstrakten Merkmalen abgegrenzten) Personenkreis und in welchem Umfang betriebliche Sozialleistungen erbracht werden. Ebenso frei ist er in der Entscheidung über die Versorgungsform. Der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt nur die Ausgestaltung der Leistung im Rahmen der mitbestimmungsfrei getroffenen Vorentscheidungen. Mitzubestimmen hat der Betriebsrat daher nur über die Bezugsbedingungen und die Höhe der Einzelleistung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Dotierung. Während die herrschende Meinung Wartezeitregelungen uneingeschränkt der mitbestimmungsfreien Entscheidung des Arbeitgebers über den zu begünstigenden Personenkreis zuordnet, ist nach der hier vertretenen Auffassung allerdings eine differenzierende Sichtweise geboten. Wartezeitregelungen, durch die subjektiv erfüllbare Voraussetzungen der Leistungsvergabe festgelegt werden, gehören zur Ausgestaltung der Leistung und unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats. Unterschiede zwischen der in dieser Arbeit vorgeschlagenen Lösung und der Ansicht der herrschenden Meinung bestehen indes hinsichtlich der dogmatischen Begründung.
J. Die von der herrschenden Meinung vertretene Lehre von der Freiwilligkeit der Leistung Die herrschende Meinung begründet die Mitbestimmungsfreiheit der Arbeitgeberentscheidungen über das "Ob", den Zweck, den Umfang der Leistung, über den begünstigten Personenkreis und die Versorgungsform im wesentlichen mit der Freiwilligkeit der Leistung.
I. Die Auffassung der herrschenden Meinung
101
Die Lehre davon, daß die Freiwilligkeit der Leistung das Mitbestimmungsrecht im oben dargestellten Umfang begrenzt, geht zurück auf die grundlegenden Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts zur betrieblichen Altersversorgung vom 12. Juni 1975 1• In diesen Beschlüssen hat das Gericht entschieden, daß die Zuordnung der betrieblichen Altersversorgung zu den Fragen der betrieblichen Lohngestaltung nur wenig darüber besage, inwieweit nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Es seien nämlich die Besonderheiten der Versorgungsleistungen, insbesondere deren Freiwilligkeit zu berücksichtigen. Die "Entschließungsfreiheit des Arbeitgebers, ob und inwieweit er zusätzliche Leistungen an die Belegschaft erbringen will", solle durch die Mitbestimmungsrechte des § 87 BetrVG nicht beschnitten werden. Dies ergebe sich aus einer systemgerechten Auslegung des § 88 Nr.2 BetrVG. Soweit die Entschließungsfreiheit des Arbeitgebers reiche, seien zwar freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 Nr. 2 BetrVG möglich. Für den Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung ergebe sich aus dem Grundsatz der Freiwilligkeit hingegen, daß der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei die O.g. Vorentscheidungen treffen könne. Während diese grundlegenden Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts noch deutlich das Bemühen erkennen lassen, den Grundsatz der Freiwilligkeit aus § 88 Nr. 2 BetrVG abzuleiten und damit seine Anwendbarkeit auf die Nr. 10 des § 87 Abs. 1 BetrVG auch methodisch zu begründen, so sucht man diesbezügliche Ausführungen in den folgenden Entscheidungen vergeblich. Dort ist nur noch davon die Rede, daß sich aus der Freiwilligkeit der Leistung selbst die Begrenzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats ergeben so1l2. Auch in der Literatur, die sich der Auffassung des BAG angeschlossen hat, beschränken sich die Autoren im wesentlichen darauf, als Grund für die "Restriktion" betrieblicher Mitbestimmung auf den Leistungsplan die Besonderheit der Leistung, nämlich ihre Freiwilligkeit anzugeben 3.
1 3 ABR 13/74 - , - 3 ABR 137/73 - , - 3 ABR 66/74 - , AP Nr. 1-3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 2 Vgl. Beschl. v. 9.12.1980 1 ABR 80/77 - , AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Beschl. v. 30.3.1982 - 1 ABR 55/80 - , AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; insb. Urt. v. 3.8.1982 - 3 AZR 1219/79 - , AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Beschl. v. 10.6.1986 - 1 ABR 65/84 - , AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 3 Vgl. nur Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 126 f.; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 411; Kraft, in: FS Molitor, S. 207 ff. (217); Matthes, NZA 1987,289 ff. (293); Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 171 f.; auf die systemgerechte Auslegung verweisen hingegen ausdrücklich wieder lahnke, ZfA 1980,863 ff. (891); Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 405; Richardi, ZfA 1976, 1 ff. (17).
102
§ 5 Die Bedeutung des Grundsatzes der Freiwilligkeit
11. Die Würdigung der von der herrschenden Meinung vertretenen Lehre von der Freiwilligkeit der Leistung A. Die Beschränkung betrieblicher Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufgrund der "Freiwilligkeit" der Leistung Daß die Entscheidungen des Arbeitgebers über das "Ob" der Leistung, ihren Umfang, ihren Zweck und den begünstigten Personenkreis dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entzogen sein sollen, kann mit der "Freiwilligkeit" der Leistung selbst nicht begründet werden. Dabei ist die Ableitung der Grenzen des Mitbestimmungsrechts aus der Freiwilligkeit nicht nur deswegen wenig überzeugend, weil sie eine Rückkehr zur methodisch längst überholten Begriffsjurisprudenz ist 4 • Der Restriktion betrieblicher Mitbestimmungsbefugnisse nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG mit Hilfe der Freiwilligkeit liegt nämlich die Vorstellung zugrunde, der Gesetzgeber habe für alle Arbeitgeberleistungen, die sich unter den Begriff des "Lohns" bzw. der "Entlohnung" in § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG subsumieren lassen, dem Betriebsrat in Bezug auf jeden denkbaren Teilaspekt der Arbeitgeberentscheidung ("ob", Umfang, Zweck etc.) ein unbeschränktes Mitbestimmungsrecht eingeräumt, das dann über das Merkmal der Freiwilligkeit wieder einschränkend ausgelegt werden müßte. Methodisch richtig wäre es hier gewesen, zunächst einmal auf der Grundlage der klassischen Auslegungskriterien zu ermitteln, was unter den Fragen der betrieblichen Lohngestaltung zu verstehen ist, d. h. wie weit das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG überhaupt reicht. Auch ist der Grundsatz der Freiwilligkeit in dem Moment, in dem er auf eine rechtliche Grundlage nicht mehr gestützt wird, in dem also nur noch dem "Wesen" der Freiwilligkeit durch entsprechende Rechtsfolgen Rechnung getragen wird, auch deshalb abzulehnen, weil er den rechtsstaatlichen Anforderungen der Rechtssicherheit und -klarheit nicht gerecht wird. Die Maßstäbe, die das Wesen einer Sache setzt, entziehen sich, solange sie nicht positiviert sind, einer juristisch nachvollziehbaren Begründung 5 und sind damit stets dem Bedenken der Willkür ausgesetzt 6. Sie sind zudem in einer für den Betroffenen nicht vorhersehbaren Weise wandelbar. Dies kann nicht zuletzt gerade anband des Beispiels des Freiwilligkeitsgrundsatzes belegt werden. Daß die Freiwilligkeit der Leistung den Umfang des Mitbestimmungsrechts beeinflussen soll, ist nämlich kein für das BetrVG 1972 spezifischer Gedanke. Bereits unter Geltung des BetrVG 1952 kam der Unterscheidung von geschuldeten und freiwilligen Leistungen im Hinblick auf die Abgrenzung des mitbestimmten vom mitbestimmungsfreien Bereich eine entscheidende BedeuHierauf hat zutreffend Lieb, ZfA 1988, 413 ff. (438) hingewiesen. Zur Bedenklichkeit der Argumentation mit dem Wesen einer Sache vgl. auch Scheuerle, AcP 163, 429 ff.; Schlüter, DB 1972, 92 ff. (96). 6 Hierauf weist insbesondere Herbst, DB 1987, 738 ff. (741) hin. 4
5
11. Die Würdigung der herrschenden Meinung
103
tung zu. Freiwillige Leistungen sollten nach der damals herrschenden Ansicht dem obligatorischen Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats allerdings vollständig entzogen sein?; mit dem "Wesen" der freiwilligen Leistungen korrespondierte die uneingeschränkte Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers. Diese Auffassung wird zum BetrVG 1972 nun nicht mehr vertreten. Die Rechtsprechung 8 und die herrschende Literaturansicht 9 zu § 87 BetrVG 1972 wollen dem Merkmal der Freiwilligkeit nicht mehr den Charakter eines negativen Tatbestandsmerkmals 10 zubilligen. Die Freiwilligkeit soll das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht mehr ausschließen, sie soll es, wie oben bereits ausgeführt, nur noch insoweit begrenzen, als dies erforderlich ist, die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers darüber zu erhalten, ob und in welchem Umfang er finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, zu welchem Zweck er die Leistung erbringen, welche Versorgungsform er wählen und welchen Personenkreis er mit der Leistung begünstigen will. Das Wesen der Freiwilligkeit soll nach der zum BetrVG 1972 vertretenen Auffassung damit einer Mitbestimmung des Betriebsrats über den Leistungsplan nicht entgegenstehen. Die Argumentation mit der Freiwilligkeit der Leistung stößt nach alledem nicht nur auf das Bedenken, die dem § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG immanenten Wertungen zu überspielen 11; sie ist auch aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen.
B. Die Beschränkung betrieblicher Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufgrund eines in § 88 Nr.2 BetrVG niedergelegten allgemeinen Rechtsgedankens Zu prüfen bleibt demnach, ob in § 88 Nr. 2 BetrVG, wonach die Errichtung einer Sozialeinrichtung nur Gegenstand freiwilliger Betriebsvereinbarung sein kann, der allgemeine Rechtsgedanke des Inhalts zum Ausdruck kommt, daß der Arbeitgeber bei freiwilligen Leistungen stets die o.g. vier Vorentscheidungen mitbestimmungsfrei treffen kann. Da in Rechtsprechung und Literatur jedoch keineswegs Einigkeit darüber besteht, wie weit der mitbestimmungsfreie Bereich nach § 88 Nr. 2 BetrVG zu ziehen ist, muß im folgenden zunächst geklärt werden, ? Vgl. BAG, Urt. v. 4.10.1956 - 2 AZR 213/54 -, AP Nr.4 zu § 611 BGB Gratifikation; Beschl. v. 15.5.1957 - 1 ABR 8/55 -, AP Nr. 5 zu § 56 BetrVG; Urt. v. 16.11.1967 - 5 AZR 157/67 -, AP NT. 63 zu § 611 BGB Gratifikation; Urt. v. 22.2.1968 - 5 AZR 221/67 -, AP Nr.64 zu § 611 BGB Gratifikation; Urt. v. 17.10.1968 - 5 AZR 281/67 -, AP Nr. 66 zu § 611 BGB Gratifikation; Galperin/ Siebert, BetrVG, § 56 Rdnr. 98; Fitting / Kraegeloh / Auffahrt, BetrVG, § 56 Rdnr. 46; Neumann-Duesberg, BetrVR, S. 497 f. 8 Vgl. Nachweise zu den Ausführungen unter § 5 I. 9 Vgl. Nachweise zu den Ausführungen unter § 5 I. 10 So die Bezeichnung von Blomeyer, Anmerkung zu BAG AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 11 Vgl. auch Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 96.
104
§ 5 Die Bedeutung des Grundsatzes der Freiwilligkeit
welche Entscheidungen des Arbeitgebers nach § 88 Nr. 2 BetrVG nicht dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen.
1. Die gemäß § 88 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungsfreien Entscheidungen
Aus § 88 Nr. 2 BetrVG geht zunächst einmal nur hervor, daß die Errichtung von Sozialeinrichtungen Gegenstand freiwilliger Betriebsvereinbarungen sein kann und damit nicht unter das erzwingbare Beteiligungsrecht nach § 87 BetrVG fällt. Bestätigt wird diese gesetzliche Anordnung durch die Komplementärvorschrift zu § 88 Nr. 2 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, wonach dem Betriebsrat ein über die Einigungsstelle durchsetzbares Mitbestimmungsrecht nur hinsichtlich der Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen zusteht. Die Grenze zwischen mitbestimmtem und mitbestimmungsfreiem Bereich liegt nach der gesetzlichen Regelung damit zwischen der Errichtung der Sozialeinrichtung auf der einen Seite und ihrer Form, Ausgestaltung und Verwaltung auf der anderen Seite. In welchem Umfang die Entscheidungen des Arbeitgebers der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats entzogen sind, hängt mithin davon ab, was unter der Errichtung einer Sozialeinrichtung in Abgrenzung zu ihrer Form, Ausgestaltung und Verwaltung verstanden werden muß. a) Die Einführung, die Umwandlung, der Zweck und die Dotierung einer Sozialeinrichtung
Da nach zutreffender Ansicht eine Sozialeinrichtung ein zweckgebundenes Sondervermögen mit einer abgrenzbaren, auf Dauer gerichteten Organisation ist, die der Verwaltung bedarf l2 , kann die Errichtungsentscheidung nur die Entschei12 Vgl. nur BAG, Beschl. v. 18.3.1976 - 3 ABR 32/75 - , AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Beschl. v. 9.12.1980 - 1 ABR 80/77 - , AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.1978 - 5 Ta BV 90/ 77 - , DB 1979, 115 f.(115); LAG Hamburg, Beschl. v. 22.11.1973 - 7 a Bv 9/73 - , EzA § 87 BetrVG 1972 - Sozialeinrichtung Nr. 2; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.2.1974 - 5 TaBV 9/73 - , EzA § 87 BetrVG 1972 - Sozialeinrichtung Nr. 1; Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 382; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr.92; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 171; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke / Klebe, BetrVG, § 87 Rdnr.34; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 342; lahnke, ZfA 1980,863 ff. (888); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 80; Richardi, in: In memoriam Sir Otto Kahn-Freund, S. 247 ff. (253 f.); Schaub, S. 1515 f.; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 135; Söllner, Grundriß, S. 182; im Ergebnis auch GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 251, der das Erfordernis einer eigenen Organisation für mißverständlich hält, aber ebenfalls verlangt, daß sachliche oder finanzielle Mittel auf Dauer für soziale Zwecke verselbständigt, d. h. vom übrigen Vermögen hinreichend abgegrenzt und damit einer gesonderten Verwaltung zugänglich sind. A.A., d.h. gegen das Erfordernis eines abgesonderten Teils konkreter Mittel mit einer eigenen Organisation Weiss, BetrVG, § 87 Rdnr.22; ders., Anmerkung zu LAG Hamburg EzA § 87 BetrVG 1972 - Sozialeinrichtung Nr. 2. Diese Ansicht überzeugt
11. Die Würdigung der herrschenden Meinung
105
dung sein, ein Sondervennögen zu einem bestimmten Zweck zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitgeber ist also nach § 88 Nr. 2 BetrVG für den Bereich der Leistungen, die über eine Sozialeinrichtung abgewickelt werden, frei in der Entscheidung darüber, ob er Leistungen überhaupt erbringen, in welchem Umfang er Mittel zur Verfügung stellen und welchen konkreten Zweck (z. B. Kindergarten, Kantine etc.) er der Sozialeinrichtung beilegen will. § 88 Nr. 2 BetrVG überläßt mithin die Füllung eines zweckbestimmten "Topfes" der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers 13. Das bedeutet nun aber nichts anderes, als daß ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Bezug auf die Einführung und Umwandlung einer bestimmten Sozialeinrichtung und bezüglich ihrer finanziellen Ausstattung nicht gegeben ist. Insofern besteht in Rechtsprechung und Literatur auch Einigkeit 14.
b) Die Form der Versorgungsleistung Mit dem Bundesarbeitsgericht und der herrschenden Auffassung im Schrifttum wird man zudem davon auszugehen haben, daß auch die Entscheidung über die Fonn der Versorgungsleistungen dem J3ereich der freiwilligen Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 88 Nr. 2 BetrVG zuzuordnen ist l5 • Dies ergibt sich aus der Erwägung, daß sich die Entscheidung über die Versorgungsfonn nicht von den gemäß § 88 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungsfreien Entscheidungen des Arbeitgebers über den Zweck der Einrichtung und über ihre finanzielle Ausstattung trennen läßt. Die Fonn der Versorgungsleistung ist von wesentlicher Bedeutung für deren Finanzierung. Von dem gewählten Durchführungsweg hängt es ab, wieviel Finanzmittel zu welchem Zeitpunkt benötigt werden, wie also die Altersversorgung zu dotieren ist 16. Ebenso bestimmt die Fonn der Versorgungsleistung aus entstehungsgeschichtlichen und gesetzessystematischen Gründen nicht, vgl. nur Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 383; Richardi, in: In memoriam Sir Otto KahnFreund, S. 247 ff. (253 f.),; Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 83. 13 Vgl. dazu Hanau, BB 1977, 350 ff. (351) für die Nr. 10 des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. 14 So auch BAG, Beschl. v. 12.6.1975 - 3 ABR 13/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 406,408, § 88 Rdnr. 14; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 97, § 88 Rdnr. 9; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 186 f., 190, § 88 Rdnr. 12; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 262 f., 265, § 88 Rdnr. 15; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 360 ff., § 88 Rdnr. 8; Jahnke, ZfA 1980,863 ff. (888 f.); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 101; Reuter, ZfA 1974,235 ff. (287); Starck, Leistungspflichten, S. 26; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 141 f., § 88 Rdnr.7; grundsätzlich auch Birk, Die Mitbestimmung, S. 92 f. 15 BAG, Beschl. v. 12.6.1975 3 ABR 13/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 408; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 365; Hö!er / Abt, BetrA VG, Arb. Gr. Rdnr. 454; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 144. 16 So BAG, Beschl. v. 12.6.1975 3 ABR 13/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Hö!er / Abt, BetrA VG, Arb. Gr. Rdnr.454.
106
§ 5 Die Bedeutung des Grundsatzes der Freiwilligkeit
den Zweck der Einrichtung, ihren Charakter, da sie über die Art der Zuwendungen entscheidet 17 • Die Entscheidung über die Versorgungsfonn ist demnach Teil der Errichtungsentscheidung iS von § 88 Nr. 2 BetrVG und damit nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mitbestimmt. Hiergegen kann auch nicht eingewendet werden, daß der Gesetzgeber in § 87 Abs. 1 Nr. 8 die "Fonn" der Sozialeinrichtung ausdrücklich dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterworfen und dabei nicht zu erkennen gegeben habe, daß die Fonn der Versorgungsleistung hiervon ausgeschlossen sein sollte l8 . Der Begriff "Fonn" in § 87 Abs. I Nr.8 BetrVG bezieht sich dem Gesetzeswortlaut nach eindeutig auf die "Sozialeinrichtung". Mitzubestimmen hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. I Nr. 8 darüber, in welcher Fonn sachliche und personelle Mittel auf Dauer abgesondert und verselbständigt werden 19. Ein solches Mitbestimmungsrecht kann sinnvoll nur dahingehend verstanden werden, daß es die rechtliche Gestalt, insbesondere die Rechtsfonn der Einrichtung betrifft 20. Diese Auslegung wird auch durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. So heißt es in der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf, daß die Nummer 8 das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Bezug auf Sozialeinrichtungen insofern erweitert, "als dieses nicht nur auf die Verwaltung, sondern auch auf die Form, insbesondere die Rechts/arm und die Ausgestaltung der Sozialeinrichtung erstreckt wird"21. Auch nach dem Willen des historischen Gesetzgebers betrifft der Begriff "Fonn" in § 87 Abs. I Nr. 8 BetrVG demnach weder die Art noch den Umfang der Zuwendungen. c) Die Schließung einer Sozialeinrichtung
Ob die Entscheidung über die Schließung einer Sozialeinrichtung dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. I Nr. 8 BetrVG unterliegt, oder ob sie nur im Wege der freiwilligen Betriebsvereinbarung geregelt werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die Schließung der Sozialeinrichtung ist weder in § 88 Nr. 2 BetrVG noch in § 87 Abs. I Nr. 8 BetrVG ausdrücklich angesprochen. Das Bundesarbeitsgericht und die herrschende Meinung im Schrifttum vertreten die Ansicht, daß die Entscheidung über die Schließung einer Sozialeinrichtung dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entzogen ist. Zur Begründung verweisen sie darauf, daß § 88 Nr. 2 17 Vgl. nur Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr.408 und Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 365, die die Mitbestimmungsfreiheit der Art der Zuwendungen allerdings der Entscheidungsfreiheit über die finanzielle Grundausstattung zuordnen. 18 So aber Birk, Die Mitbestimmung, S. 180 f.; Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 106. 19 Zu dieser Definition vgl. lahnke, ZfA 1980, 863 ff. (893). 20 h.M., vgl. nur Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 410; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, Rdnr. 98; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 183; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 144. 21 BT-Drucks. VI/ 1786, S. 49 I. Sp.
Ir. Die Würdigung der herrschenden Meinung
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BetrVG die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers darüber festschreibe, ob und inwieweit er zusätzliche Leistungen an die Belegschaft erbringen will. Von diesem Ausgangspunkt aus müsse dann nicht nur die Einführung, sondern auch die Abschaffung, der actus contrarius zur Einführung mitbestimmungsfrei sein 22 . Dem sind insbesondere Birk und Reuter entgegengetreten. Nach ihrer Auffassung unterliegt die Schließung einer Sozialeinrichtung der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG23. Für Birk folgt dieses Mitbestimmungsrecht aus der allgemeinen Aufgabe betrieblicher Mitbestimmung, die rechtliche und soziale Position des einzelnen Arbeitnehmers im Verhältnis zum Arbeitgeber zu verstärken. Zu den Rechtspositionen der Arbeitnehmer gehöre auch der individualrechtliche Vertrauensschutz, der auf der Ebene des Betriebsverfassungsgesetzes dann ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslösen soll 24. Ähnlich argumentiert Reuter, wenn er ausführt, daß sich an eine einmal vorhandene Sozialeinrichtung schutzwürdige Erwartungen der Arbeitnehmer knüpfen und dem daraus resultierenden Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer über eine Mitbestimmung des Betriebsrats Rechnung getragen werden müsse 25 . Die Auffassung von Birk und Reuter ist abzulehnen. Zunächst einmal geht es nicht an, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Schließung einer Sozialeinrichtung aus der allgemeinen Aufgabe betrieblicher Mitbestimmung, die rechtliche und soziale Position des Arbeitnehmers zu verstärken, bzw. aus einem de facto bestehenden Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer abzuleiten. Beteiligungsrechte stehen dem Betriebsrat nur in den gesetzlich geregelten Fällen zu 26. Der Gesetzgeber selbst hat die Entscheidung getroffen, wie er seine Grundkonzeption vom Schutz der Arbeitnehmer über die Beteiligung des Betriebsrats umsetzt, welchem Schutzbedürfnis er auf welche Weise Rechnung tragen will. Nur so erklärt sich das im Betriebsverfassungsgesetz anzufindende fein abgestufte System betrieblicher Beteiligungsbefugnisse. Diese in den einzelnen Beteiligungsrechten zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertungen sind vom 22 BAG, Besch!. v. l3.3.1973 - 1 ABR 16/79 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnungen; Beschl. v. 12.6.1975 - 3 ABR l3/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 443; Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 87 Rdnr. 97; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 189; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 266; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 366; Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 106; Starck, Leistungspflichten, S. 26; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 141. 23 Birk, Die Mitbestimmung, S. 144 ff.; Reuter, ZfA 1974,235 ff. (287 f.); im Ergebnis gegen die Mitbestimmungsfreiheit der Schließung auch Lappe, ArbRGeg., Bd. 16 (1978), 55 ff. (79); Robak / Wolter, ArbRGeg., Bd. 21 (1983), 71 ff. (85); in diesem Sinne wohl auch Buchner, DB 1983, 877 ff. (887); dagegen zutreffend Hromadka, Anmerkung zu BAG AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG. 24 Birk, Die Mitbestimmung, S. 145 f. 25 Reuter, ZfA 1974,255 ff. (287 f.). 26 Darauf, daß § 87 Abs. 1 BetrVG eine erschöpfende Aufzählung der mitbestimmungspflichtigen Gegenstände enthält, weisen Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. l3 mwN, GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 4 und Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 4 hin.
108
§ 5 Die Bedeutung des Grundsatzes der Freiwilligkeit
Rechtsanwender zu respektieren und dürfen nicht über die Ableitung von Mitbestimmungsbefugnissen aus allgemeinen Zielsetzungen oder rechtspolitischen Wunschvorstellungen ausgehöhlt werden. Die Ansicht von Reuter und Birk überzeugt aber auch im Ergebnis nicht. Dem Betriebsrat steht nach § 87 Abs. I Nr. 8 BetrVG kein Mitbestimmungsrecht bei der Entscheidung über die Schließung einer Sozialeinrichtung zu. Der Gesetzgeber hat in § 87 Abs. I Nr. 8 BetrVG nur angeordnet, daß der Betriebsrat bei der Form, Ausgestaltung und Verwaltung einer Sozialeinrichtung mitzubestimmen hat. Die Schließung bzw. Abschaffung der Sozialeinrichtung wird in § 87 Abs. I Nr. 8 BetrVG nicht ausdrücklich erwähnt. Sie kann auch selbst bei weitester Auslegung der Tatbestandsmerkmale "Form", "Ausgestaltung" und "Verwaltung" nicht unter diese Begriffe subsumiert werden. Die Entscheidungen über die Form, Ausgestaltung und Verwaltung einer Sozialeinrichtung betreffen nicht Entscheidungen über den Bestand einer Sozialeinrichtung. Sie setzen diesen vielmehr voraus. Entscheidungen über den Bestand einer Sozialeinrichtung sind indes in § 88 Nr. 2 BetrVG angesprochen. Wenn es dort heißt, daß die Errichtung einer Sozialeinrichtung Gegenstand einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sein kann, so bedeutet das nicht nur, daß die Schaffung einer Sozialeinrichtung dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entzogen ist. Der Begriff "Errichtung" in § 88 Nr. 2 BetrVG darf nicht eng iS des Errichtungsaktes ausgelegt werden. Sein Bedeutungsgehalt hat sich vielmehr nach der dem § 88 Nr. 2 BetrVG zugrundeliegenden Vorstellung zu richten, die, um den plastischen Ausdruck der Topftheorie aufzugreifen, dahin geht, die Schaffung des zweckbestimmten "Topfes" der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers zu überlassen. Wenn der Arbeitgeber nun aber frei ist in der Entscheidung, ein Sondervermögen überhaupt zu Verfügung zu stellen, so muß diese Freiheit konsequenterweise nicht nur die Freiheit der Einführung, sondern auch die der Abschaffung der Sozialeinrichtung umfassen. Der Arbeitgeber kann damit durch den Betriebsrat weder gehindert werden, den "Topr' zu füllen, noch ihn zu leeren. Daß die Entscheidung über die Abschaffung einer Sozialeinrichtung auf individualarbeitsrechtliche Schranken stÖßt 27 , soll hier nicht geleugnet werden, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hierüber kommt jedoch wegen der eindeutigen Regelung der §§ 87 Abs. I Nr. 8, 88 Nr. 2 BetrVG nicht in Betracht.
d) Die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nach abstrakten Merkmalen Fraglich ist, ob der in § 88 Nr. 2 BetrVG verwendete Begriff "Errichtung von Sozialeinrichtungen" mit der herrschenden Meinung 28 so weit ausgelegt werden Vg!. dazu Ausführungen zu § 6 VI. Vg!. nur BAG, Besch!. v. 12.6.1975 - 3 ABR 13/74-, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Urt. v. 26.4.1988 - 3 AZR 168/86 - , DB 1988, 2411 ff. (2412); Dietz I Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr.407; Fitting I Auffahrt I Kaiser I Heither, 27 28
11. Die Würdigung der herrschenden Meinung
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kann, daß er auch die Entscheidung des Arbeitgebers über den begünstigten Personenkreis mitumfaßt. Auf den ersten Blick scheint es so, als müsse man diese Frage mit "nein" beantworten. Der Zweck der Einrichtung iS ihres Charakters wird entgegen der Auffassung von Moll29 nämlich nicht erst durch die Bestimmung des begünstigten Arbeitnehmerkreises konstituiert. So hängt der Charakter einer Sozialeinrichtung als Kindergarten, um das Beispiel Molls aufzugreifen, nicht davon ab, ob er nur von Kindern aus ,,kinderreichen" Familien benutzt werden darf. Ebensowenig verliert eine Sozialeinrichtung ihren Charakter als Erholungsheim dadurch, daß sie grundsätzlich allen Arbeitnehmern und deren Angehörigen zugänglich ist und nicht nur von Arbeitnehmern bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze genutzt werden kann 30. Die Abgrenzung des begünstigten Arbeitnehmerkreises kann auch nicht der Entscheidung über die Füllung eines bestimmten Topfes zugeordnet werden. Die Entscheidung über die Auswahl des begünstigten Arbeitnehmerkreises hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Finanzierung der Einrichtung. Sie steht vielmehr, wie Hanau es zutreffend formuliert hat, "an der Grenze von Füllung und Verteilung des Topfes"3!. Das Bundesarbeitsgericht und ihm folgend der überwiegende Teil des Schrifttums 32 leiten das Recht des Arbeitgebers, mitbestimmungsfrei die abstrakte Abgrenzung des begünstigten Personenkreises vorzunehmen, nun aber auch nicht aus der Freiheit der Zwecksetzung iS der Bestimmung des Charakters der Einrichtung und auch nicht aus der Dotierungsfreiheit ab. Sie stellen vielmehr auf die unternehmerische Zwecksetzungsfreiheit des Arbeitgebers ab, die die Freiheit der Bestimmung der begünstigten Arbeitnehmergruppe umfassen soll. Diese Erwägungen finden sich bereits in den grundlegenden Beschlüssen des Bundesarbeitsgerichts zur betrieblichen Altersversorgung vom 12. Juni 1975 33 . Dort führt das Gericht aus: "Ein Arbeitgeber, der sich dazu entschließt, Leistungen für eine betriebliche Altersversorgung zu erbringen, tut das normalerweise zu einem ganz bestimmten Zweck. Oft will er nur den Versorgungsbedarf einer abgrenzbaren Arbeitnehmergruppe decken, z. B. den der Arbeiter unter Tage oder der Außendienstmitarbeiter (wegen ihres erhöhten Berufsrisikos) oder der Arbeitnehmer BetrVG, § 87 Rdnr.97; Galperin I Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 188; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 264; Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 364; lahnke, ZfA 1980, 863 ff. (888 f.); Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 102 f.; Stege I Weinspach, BetrVG, § 87 Rdnr. 141; a.A. Birk, Die Mitbestimmung, S. 108 ff.;Bleistein, BetrVG, § 87 Rdnr.399; differenzierend LAG Bremen, Besch!. v. 27.10.1978 - 1 TaBV 5/78 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 29 Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 102 f. 30 So aber Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 102. 3! Hanau, BB 1977,350 ff. (351). 32 Vg!. nur BAG, Besch!. v. 12.6. 1975 - 3 ABR 13 /74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Urt. v. 26.4.1988 - 3 AZR 168/86 - , DB 1988, 2411 ff. (2412); Dietz I Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr.407; Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 364. 33 Vg!. nur - 3 ABR 13/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung.
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§ 5 Die Bedeutung des Grundsatzes der Freiwilligkeit
derjenigen Einkommensgruppen, die durch die gesetzliche Rentenversicherung nicht ausreichend abgesichert sind usw .... Wenn die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises mit Hilfe der Einigungsstelle gegen den Willen des Arbeitgebers geregelt werden könnte, wäre nicht auszuschließen, daß der vom Arbeitgeber bei der Einführung der betrieblichen Altersversorgung verfolgte Zweck verschoben würde. Eine gezielte Maßnahme könnte in eine breit gestreute Vergünstigung verwandelt werden und umgekehrt". In seinem Urteil vom 26. April 1988 34 faßt das Gericht diese Überlegungen dann in einer Kurzformel wie folgt zusammen: "Die Festlegung des begünstigten Personenkreises als mitbestimmungsfreie Maßnahme dient dazu, die unternehmerische Freiheit der Zwecksetzung der Sozialeinrichtung zu gewährleisten". Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist zutreffend. Die Freiheit der Errichtung einer Sozialeinrichtung nach § 88 Nr. 2 BetrVG kann sich nicht in der Freiheit erschöpfen, eine Sozialeinrichtung eines bestimmten Charakters zur Verfügung zu stellen. Eine solche Sichtweise wäre zu formal. Sie würde ignorieren, daß betriebliche Sozialleistungen nicht primär aus Uneigennützigkeit erbracht werden, sondern daß sie zur Erreichung ganz bestimmter unternehmerischer Ziele geleistet werden 35. Dies wurde bereits an anderer Stelle ausführlich erörtert 36. Wenn nun aber die Vorstellung von der Erreichung eines bestimmten unternehmerischen Ziels letztlich der ausschlaggebende Beweggrund, das entscheidende Motiv für die Leistungsgewährung, also für die Sozialeinrichtung selbst ist, dann kann die Entscheidung über das unternehmerische Ziel, das mit der Einrichtung verfolgt wird, nicht von der Entscheidung, eine Sozialeinrichtung überhaupt ins Leben zu rufen, getrennt werden. Dies hat zur Folge, daß der nach § 88 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungsfreien Errichtungsentscheidung die Entscheidung über den unternehmerischen Zweck zugeordnet werden muß. Und hierzu gehört auch, wie das Bundesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nach abstrakten Merkmalen. Die Entscheidung über den begünstigten Arbeitnehmerkreis ist ihrerseits nämlich selbst wiederum mit der Festlegung des unternehmerischen Zwecks untrennbar verbunden 3? Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Ein Arbeitgeber, der am Markt konkurrenzfähig sein muß, wird sich nicht nur überlegen, welche unternehmerischen Ziele er anstreben möchte. Er wird zudem konkrete Vorstellungen über die Mittel haben, die er zur Erreichung seines Ziels einsetzen möchte. Und zu diesen Mitteln gehören dann nicht nur die Entscheidung, betriebliche Sozialleistungen überhaupt zu erbringen, also eine Einrichtung zu schaffen und die Bestimmung des Charakters der Einrichtung, sondern ebenso die abstrakte Abgrenzung des begünstigten 3 AZR 168/86 -, DB 1988. 2411 ff. (2412). Vgl. nur Birk, Die Mitbestimmung, S. 69 ff.; lahnke, Gratifikationen, S. 16 f.; Schwerdtner, Fürsorgetheorie, S. 150. 36 Vgl. Ausführungen zu § 3 11. B. 3. 3? Vgl. dazu auch Blomeyer, in: FS Müller, S. 51 ff. (58). 34 -
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11. Die Würdigung der herrschenden Meinung
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Personenkreises. Möchte ein Arbeitgeber nämlich beispielsweise den Absatz des Produktes X, das von Mitarbeitern der Abteilung A seines Betriebes vertrieben wird, forcieren, und entschließt er sich, zur Erreichung dieses Ziels einen Wettbewerb durchzuführen, dann wird er diesen Wettbewerb selbstverständlich nur für Mitarbeiter der Abteilung A ausschreiben. Nicht anders wird es sich in dem Fall verhalten, in dem der Arbeitgeber die Fluktuationsrate in der Abteilung B seines Betriebes, in der erschwerte Arbeiten durchgeführt werden, senken möchte. Entscheidet sich der Arbeitgeber beispielsweise dazu, zur Erreichung seines Ziels - Senkung der Fluktuationsrate in der Abteilung B - ein Erholungsheim zu schaffen, so wird er dies primär auch nur den Mitarbeitern der Abteilung B, also solchen, die erschwerte Arbeiten verrichten, zur Verfügung stellen wollen 38. Diese Ausführungen zeigen, daß die Freiheit der unternehmerischen Zwecksetzung ohne die Freiheit, auch die Mittel zur Erreichung dieses Ziels festzulegen, letztlich nur eine "leere Hülse" wäre. Soll die unternehmerische Zwecksetzungsfreiheit nicht wertlos sein, soll sie ihre Funktion erfüllen können, so muß man dem Arbeitgeber daher auch das Recht zugestehen, mitbestimmungsfrei den begünstigten Personenkreis festlegen zu können. Daß der Arbeitgeber hierbei durchaus den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen kann, indem er die Abgrenzung des begünstigten Arbeitnehmerkreises so trifft, daß sie durch das unternehmerische Ziel, das er verfolgt, nicht mehr gedeckt ist, soll hier nicht geleugnet werden. Dennoch vermag die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes entgegen einer Mindermeinung 39 nicht bewirken, daß die Festlegung des begünstigten Arbeitnehmerkreises dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. I Nr. 8 BetrVG unterliegt. Die Bestimmung des begünstigten Personenkreises nach abstrakten Merkmalen gehört zur Entscheidung über die unternehmerische Zwecksetzung, die dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entzogen ist. An dieser Zuordnung vermag die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nichts zu ändern. Mitbestimmungsrechte stehen dem Betriebsrat nur in den gesetzlich geregelten Fällen zu. Im übrigen ist die Auffassung, die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes löse ein Mitbestimmungsrecht aus, zudem nicht nur schwer mit der Tatsache vereinbar, daß betriebliche Mitbestimmung eine präventive Schutzfunktion erfüllt und nicht, wie der Individualschutz, im wesentlichen repressiv, d. h. bei erfolgter Rechtsverletzung eingreift. Sie ist vor allem im Betriebsverfassungsgesetz, also im einem Gesetz, das sich täglich in der Praxis bewähren muß, aus Gründen der Rechtssicherheit nicht vertretbar. Die Betriebspartner müssen wissen, wie weit ihre Befugnisse gehen. Der Bestand von Mitbestimmungsrechten darf nicht von der Auffassung des Betriebsrats über 38
Zu einem weiteren Beispiel vgl. nur Blomeyer, Anmerkung zu BAG AP Nr. 3 zu
§ 87 BetrVG 1972 Altersversorgung.
39 Vgl. nur Birk, Die Mitbestimmung, S. 108 ff.; ähnlich LAG Bremen, Beschl. v. 27.10.1978 - 1 TaBV 5/78 -, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung.
§ 5 Die Bedeutung des Grundsatzes der Freiwilligkeit
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die Rechtmäßigkeit des Handeins des Arbeitgebers abhängen. Zur mitbestimmungsfreien Errichtungsentscheidung nach § 88 Nr. 2 BetrVG gehört demnach auch die Abgrenzung des begünstigten Arbeitnehmerkreises nach abstrakten Merkmalen.
e) Zusammenfassung Erbringt der Arbeitgeber den Arbeitnehmern freiwillige vermögenswerte Leistungen nicht direkt, sondern schaltet er eine Sozialeinrichtung zwischen, so richtet sich der Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach §§ 88 Nr. 2, 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Nach dieser Regelung kann der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei darüber befinden, ob er eine Sozialeinrichtung schafft, welchen Charakter er ihr beilegt, welche finanziellen Mittel er dafür bereitstellt, welche unternehmerischen Zwecke er mit der Einrichtung verfolgt und welchen Personenkreis er mit der Leistung begünstigen will. Nicht zur mitbestimmungsfreien Errichtungsentscheidung nach § 88 Nr. 2 BetrVG gehören die Entscheidungen über Form, Ausgestaltung und Verwaltung der Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. In diesem Bereich steht dem Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zu. Hierzu gehört insbesondere die Mitbestimmung über den Verteilungsplan 4O • 2. Die Ableitung eines für alle freiwilligen vermögenswerten Arbeitgeberleistungen geltenden allgemeinen Rechtsgedankens aus § 88 Nr. 2 BetrVG?
Fraglich ist nun noch, ob in der oben beschriebenen Abgrenzung des mitbestimmten vom mitbestimmungsfreien Bereich nach § 88 Nr. 2 BetrVG ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck kommt, der für alle freiwilligen vermögenswerten Arbeitgeberleistungen gilt. Auch das ist nicht unumstritten. Gegen die Ableitung eines allgemeinen Rechtsgedankens aus § 88 Nr. 2 BetrVG hat insbesondere Moll Bedenken erhoben 41 • Nach seiner Auffassung ist die Regelung der §§ 87 Abs. 1 Nr.8, 88 Nr.2 BetrVG gegenüber § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG lex specialis, die ihren sachlichen Grund in den Beharrungs- und Verselbständigungstendenzen von Einrichtungen habe 42. Die Folgewirkungen von Sozialeinrichtungen, so argumentiert Moll, seien für den Arbeitgeber nur begrenzt beherrschbar; auch sei den Einrichtungen ein Widerstand gegenüber Abbaumaßnahmen immanent. Mit der Errichtung einer Sozialeinrichtung sei für 40
Vgl. nur BAG, Beschl. v. 26.4.1988 - 3 AZR 168/86 -, DB 1988, 2411 ff.
(2411 f.).
41 Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 99 ff.; ebenso Robak / Wolter, ArbRGeg., Bd.21 (1983),71 ff. (84). 42 Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 99 ff.
11. Die Würdigung der herrschenden Meinung
113
den Arbeitgeber mithin die besondere Risikolage verbunden, sich wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen nicht flexibel genug anpassen zu können 43. Dieser Risikolage habe der Gesetzgeber durch die Mitbestimmungsfreiheit von Errichtungs-, Dotierungs- und Schließungsmaßnahme Rechnung getragen. Wenn nun darin die Ratio der Sonderregelung liege, so enthalte die Bestimmung keine Wertungen, die auch im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG Geltung beanspruchen könnten. Eine Ausnahme will Moll dann allerdings für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG machen. Da bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die aus einem zweckgebundenen Sondervermögen gewährt werden, ähnliche Ordnungsprobleme auftauchten, wie bei Versorgungsleistungen, die unter das Beteiligungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG fallen, soll der Betriebsrat bei letzteren sein Mitbestimmungsrecht genau in dem Umfang ausüben können, wie es ihm bei der Ausgestaltung, Form und Verwaltung von Sozialeinrichtungen zusteht 44 • Die Auffassung von Moll überzeugt nicht. Seine Argumentation ist bereits insoweit nicht schlüssig, als er auf der einen Seite den sachlichen Grund für die Mitbestimmungsfreiheit der Errichtungs-, Dotierungs- und Schließungsmaßnahmen nach §§ 87 Abs. 1 Nr. 8, 88 Nr. 2 BetrVG in der Existenz der Einrichtung sieht, auf der anderen Seite das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Versorgungsleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in demselben Umfang beschränkt, wie es nach § 87 Abs. 1 Nr.8 BetrVG der Fall ist. Wenn nämlich Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die nicht unter § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu subsumieren sind, Beharrungs- und Verselbständigungstendenzen aufweisen können, so kann daraus nur der Schluß gezogen werden, daß letztlich nicht das Merkmal der ,,Einrichtung", sondern die bestimmten Leistungen immanenten Beharrungs- und Verselbständigungstendenzen selbst für den Umfang des Mitbestimmungsrechts entscheidend sein sollen 45 • Dann muß Moll sich aber entgegenhalten lassen, daß nicht nur Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach § 87 Abs. 1 Nr.lO BetrvG, sondern auch andere vermögenswerte Leistungen des Arbeitgebers, wie zum Beispiel Jubiläumszuwendungen, Gratifikationen etc. eben solche Tendenzen aufweisen können. Man denke hier nur an den Fall, daß Arbeitgeber und Betriebsrat über die Gewährung bestimmter betrieblicher Sozialleistungen keine Betriebsvereinbarung, sondern, was nach herrschender Meinung zulässig ist 46 , eine Regelungsabrede getroffen haben, und der Arbeitgeber die Leistungen aufgrund betrieblicher Übung oder ausdrücklicher vertraglicher Vereinbarung erbringt. Dann steht zumindest dem Abbau derartiger Leistun43 44
Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 230. Moll, Die Mitbestimmung beim Entgelt, S. 191.
Vgl. die zutreffende Kritik von Starck, Leistungspflichten, S. 35. Vgl. nur Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr.450; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 21; § 77 Rdnr. 100 ff.; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rdnr. 356; a.A. Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 551. 45
46
8 Magula·Lösche
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§ 5 Die Bedeutung des Grundsatzes der Freiwilligkeit
gen der Grundsatz "pacta sunt servanda" entgegen. Auch hier ist der Arbeitgeber, sofern er sich nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann, demnach in der mißlichen Situation, sich sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen nicht flexibel genug anpassen zu können. Welche Probleme die aus den vertraglichen Bindungen resultierenden Beharrungstendenzen zudem für die betriebliche Mitbestimmung aufwerfen, zeigt die in jüngster Zeit wieder heftig diskutierte Frage nach der Ablösbarkeit vertraglicher Zusagen durch eine Betriebsvereinbarung 47 • Aber auch dann, wenn die Betriebspartner über die Gewährung betrieblicher Sozialleistungen eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen haben, so kann diese Betriebsvereinbarung nicht ohne weiteres, sondern nur in den Grenzen von Recht und Billigkeit durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung auch zulasten der Arbeitnehmer abgelöst werden 48. Das Kriterium der Beharrungs- und Verselbständigungstendenzen ist daher von vornherein nicht geeignet, die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG von der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG abzugrenzen. Die Auffassung von Moll überzeugt auch aus einem anderen Grunde nicht. Moll bestimmt den sachlichen Grund für die Sonderregelung von dem Ausgangspunkt aus, daß dem Betriebsrat bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein umfassendes Mitbestimmungsrecht zusteht. Diese Prämisse ist unzutreffend. Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, kann der Arbeitgeber nicht nur nach §§ 87 Abs. 1 Nr. 8, 88 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungsfrei über das "Ob" der Leistung, ihren Zweck und Umfang, über den begünstigten Personenkreis und die Form der Versorgungsleistung befinden. Auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kommt dem Betriebsrat hinsichtlich dieser Entscheidungen ein Mitbestimmungsrecht nicht zu. Auch hieraus folgt, daß es nicht Sinn und Zweck der §§ 87 Abs. 1 Nr. 8, 88 Nr. 2 BetrVG sein kann, ein nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehendes Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Einführung und des Umfangs von Arbeitgeberleistungen auszuschließen. Dennoch ist es im Ergebnis richtig, daß in § 88 Nr. 2 BetrVG kein allgemeiner Rechtsgedanke des Inhalts zum Ausdruck kommt, daß der Arbeitgeber bei allen freiwilligen vermögenswerten Leistungen mitbestimmungsfrei über deren Einführung, Abschaffung, Dotierung, Zweck und über den begünstigten Personenkreis befinden kann. Ein solcher Rechtsgedanke würde die differenzierten Wertungen überspielen, die § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Arbeitsentgelt trifft. Die Beschränkung betrieblicher Mitbestimmung auf die Ausgestaltung einer vermögenswerten Arbeitgeberleistung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Dotierung ist eine Eigenart nur der betrieblichen Sozialleistungen und nicht des Arbeitsentgelts ieS. Die dem Betriebsrat bei den betrieblichen Sozialleistungen zukommende Verteilungsaufgabe 47 Vgl. hierzu nur den Beschluß des Großen Senats v. 16.9.1986 DB 1987,383 ff.; Belling, DB 1987, 1888 ff. 48 Vgl. dazu Ausführungen unter § 6 VI.
GS 1/82-,
III. Ergebnis § 5
115
verlangt den Dotierungsrahmen. Nur wenn der Betriebsrat weiß, wieviel Mittel insgesamt für die Leistung zur Verfügung stehen, kann er Vorstellungen darüber entwicklen, was Verteilungsgerechtigkeit im konkreten Fall ausmacht. Nur dann kann er seine Verteilungs aufgabe sachgerecht wahrnehmen 49 • Beim Arbeitsentgelt ieS kann sich der Arbeitgeber demgegenüber nicht auf einen mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen berufen. Das reguläre Arbeitsentgelt wird vom Arbeitgeber nicht im Rahmen einer feststehenden Gesamtsumme gewährt. Hier gilt, daß die Höhe der Entlohnung, d. h. die Höhe der Einzelleistung nicht mitbestimmt ist 50 • Soweit es also um das Arbeitsentgelt ieS geht, können sich auch unter dem Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit mittelbare Auswirkungen auf die Gesamtlohnsumme infolge der Mitbestimmung des Betriebsrats ergeben 51. Ein Grundsatz des Inhalts, der Arbeitgeber dürfe über die Mitbestimmung des Betriebsrats nicht zu höheren Aufwendungen gezwungen werden, läßt sich damit aus § 88 Nr. 2 BetrVG nicht ableiten. Eine für alle vermögenswerten freiwilligen Arbeitgeberleistungen geltende Topftheorie kann nicht anerkannt werden.
111. Ergebnis zu § 5 Daß die Entscheidungen des Arbeitgebers über das "Ob" der Leistung, ihren Umfang, ihren Zweck, den begünstigten Personenkreis und die Versorgungsform dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG entzogen sein sollen, kann entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts und entgegen der Ansicht der herrschenden Meinung im Schrifttum mit einem sog. Grundsatz der Freiwilligkeit der Leistung nicht begründet werden. Ein solcher, die Auslegung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestimmender Grundsatz ergibt sich weder aus der Freiwilligkeit der Leistung selbst noch aus § 88 Nr. 2 BetrVG.
49
50 51
8*
Vgl. Ausführungen zu § 3 Ir. B. 2. Vgl. Ausführungen zu § 3 11. B. 2. So auch ausdrücklich Fitting I Auffahrt I Kaiser I Heither. BetrVG, § 87 Rdnr. 127.
Dritter Teil
Schluß betrachtungen § 6 Die Auswirkungen der Theorie vom
mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen für die betriebliche Praxis Mit der Feststellung, daß der Leistungsplan, d. h. die Bezugsbedingungen und die Höhe der Einzelleistung innerhalb der vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei festgelegten Dotierung "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" sind, bei denen dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht in Form eines Mitentscheidungs- und Initiativrechts zusteht, ist das Thema dieser Arbeit noch nicht erschöpfend behandelt. Die bisherigen Ausführungen betrafen lediglich die materiell-rechtliche Frage, auf welche Regelungsgegenstände sich die dem Betriebsrat nach § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG eingeräumten Beteiligungsbefugnisse beziehen, welche Entscheidungen also im Zusammenhang mit der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen vom Betriebsrat mitbestimmt werden, und in welcher Intensität der Betriebsrat sein Beteiligungsrecht ausüben kann. Nicht eingegangen wurde bislang auf die Auswirkungen der auch in dieser Arbeit befürworteten Theorie vom mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen für die betriebliche Praxis. Die durch den sog. Dotierungsrahmen bestimmten Grenzen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats sind in der betrieblichen Praxis in drei Fällen bedeutsam: Für die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einführung einer betrieblichen Sozialleistung, die die Initiative des Arbeitgebers voraussetzt I, für die Mitbestimmung bei der Änderung einer betrieblichen Sozialleistung, die auf eine Initiative des Arbeitgebers zurückgeht und für das Initiativrecht des Betriebsrats selbst, das mit dem Ziel der Änderung des Leistungsplans ausgeübt wird. In all diesen Fällen müssen die Vorschläge, die der Betriebsrat zur Ausgestaltung des Leistungsplans macht, den sog. Dotierungsrahmen wahren. Im Recht der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen ist der Dotierungsrahmen demnach die Größe, an welcher sich der Regelungsvorschlag des Betriebsrats messen lassen muß. Der Dotierungsrahmen als Maßstab für die Ausübung von Mitbestimmungsbefugnissen hat im Schrifttum und in der betrieblichen Praxis zu erheblichen UnsiI
Vgl. Ausführungen unter § 4 11.
I. Der Begriff "Dotierungsrahmen"
117
cherheiten geführt. Diskutiert werden in diesem Zusammenhang vor allem folgende grundlegende Fragen: 1. Was ist der Dotierungsrahmen und wie wird er vom Arbeitgeber festgelegt? 2. Wie stellt manfest, ob der Regelungsvorschlag des Betriebsrats den sog. Dotierungsrahmen wahrt? 3. Wie ist zu verfahren, wenn eine unerwartete Entwicklung des Betriebs oder eine Veränderung der Rechtslage dazu führen, daß sich der Finanzierungsbedarf der freiwilligen betrieblichen Sozialleistung anders entwickelt als ursprünglich prognostiziert wurde?
Diesen und weiteren im Zusammenhang mit der Problematik des Dotierungsrahmens stehenden Fragen soll im folgenden nachgegangen werden.
I. Der Begriff "Dotierungsrahmen" Im Schrifttum wird bereits der Begriff "Dotierungsrahmen" kontrovers diskutiert. Die überwiegende Auffassung versteht unter dem sog. Dotierungsrahmen das Gesamtvolumen der Mittel, die den Arbeitnehmern zukommen 2 • Nach dieser Ansicht bestimmt sich der Dotierungsrahmen allein aus der Sicht der Arbeitnehmer; auf die für den Arbeitgeber mit einer betrieblichen Sozialleistung insgesamt verbundenen Kosten 3, d. h. die Gesamtheit der Leistungen, die den Arbeitnehmern zufließen, plus beispielsweise Verwaltungskosten, plus beispielsweise etwaige Insolvenzsicherungsprämien 4, plus beispielsweise etwaige pauschale Lohnsteuer 5 kommt es nicht an. Demgegenüber vertreten Ahrend / Dernberger / Rößler 6 , Heubeck? und Sieber 8 die Meinung, daß der Dotierungsrahmen die Gesamtheit der finanziellen Auswirkungen einer betrieblichen Sozialleistung auf das Unternehmen ist 9 • Zur Begründung für diese weite Deutung des Begriffs "Dotierungsrah2
So Belling, DB 1987, 1888 ff. (1894); Fitting / Auffahrt I Kaiser I Heither, BetrVG,
§ 87 Rdnr. 127; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 227 a; GK-Wiese, BetrVG, § 87
Rdnr.350; Hanau, BB 1976, 91 ff. (92); ders., BB 1977, 350 ff. (352); Höfer I Abt, BetrAVG, Arb. Gr. Rdnr. 449; Höfer I Küpper, BB 1982,565 ff. (574); Hromadka, NZA 1987, Beil. Nr. 3, 1 ff. (5); Löwisch, BetrVG, § 87 Rdnr. 90; Pauly, DB 1985,2246 ff. (2247); Richter, BB 1985, 900 ff. (902). 3 Vgl. beispielhafte Übersichten bei Heubeck, BetrAV 1985, 189 ff. (191) und Sieber, BB 1976, 367 ff. (368). 4 Insolvenzsicherungsprämien fallen beispielsweise bei der unmittelbaren Versorgungszusage (Direktzusage ), bei der Direktversicherung mit widerruflichem Bezugsrecht und bei Zusagen auf Unterstützungskassenleistungen an, vgl. § 7 Abs. I BetrAVG. 5 Pauschale Lohnsteuer kommt bei Direktversicherungen und bei Leistungen von Pensionskassen in Betracht, vgl. § 40 b EStG. 6 BB 1988, 333 ff. (336 f.). 7 BetrA V 1985, 189 ff. (190). 8 BB 1976, 367 ff. (368). 9 Im Hinblick auf die Frage, welche Komponenten bei der Ermittlung der finanziellen Auswirkungen berücksichtigt werden müssen, z. B. Anlageerträge der zur Finanzierung bereitgestellten Mittel, und ob und ggfls. wie diese zu gewichten sind, besteht unter Ahrend / Demberger / RöSler, Heubeck und Sieber jedoch keineswegs Einigkeit; vgl. dazu die Ausführungen bei Ahrend I Dernberger I Rößler, BB 1988, 333 ff. (335, 337).
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§ 6 Die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Dotierungsrahmen
men" verweisen Ahrend / Dernberger / Rößler auf die grundlegenden Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts zur betrieblichen Altersversorgung aus dem Jahre 1975 10, in denen das Gericht entschieden hat, daß der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei darüber befinden kann, in welchem Umfang er finanzielle Mittel für eine betriebliche Altersversorgung zur Verfügung stellen will. Hierdurch habe das BAG zum Ausdruck gebracht, daß für die Dotierung nur die Sphäre des Arbeitgebers maßgeblich sei. Der Dotierungsrahmen als relevanter Vergleichsmaßstab könne deshalb nur der Gesamtaufwand des Arbeitgebers, nicht jedoch das Gesamtvolumen der den Arbeitnehmern zukommenden Leistungen allein sein. Bestätigt sehen sich Ahrend / Dernberger / Rößler in ihrer Auffassung auch durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. April 1986 11 • In dieser Entscheidung hat das BAG ausgeführt, daß die mit der Einführung des gesetzlichen Insolvenzschutzes verbundenen Mehrkosten des Arbeitgebers den Dotierungsrahmen erweitern. Die Auffassung von Ahrend / Dernberger / Rößler, Heubeck und Sieber ist abzulehnen. Zunächst einmal trifft es nicht zu, daß das Bundesarbeitsgericht den Begriff "Dotierungsrahmen" weit verstanden wissen will. Das BAG hat zwar in keiner Entscheidung den Dotierungsrahmen ausdrücklich definiert. Aus der Gesamtschau der Entscheidungen, die sich mit dem Dotierungsrahmen als Schranke der Mitbestimmung beschäftigen, läßt sich jedoch recht klar schließen, welche Vorstellungen das Gericht mit dem Begriff "Dotierung" verbunden hat. So heißt es bereits in den grundlegenden Beschlüssen des BAG zur betrieblichen Altersversorgung vom 12. Juni 1975 12 : "Die Entschließungsfreiheit des Arbeitgebers, ob und inwieweit er zusätzliche Leistungen an die Belegschaft erbringen will, soll durch die Mitbestimmungsrechte des § 87 BetrVG nicht beschnitten werden. Dies ergibt sich aus einer systemgerechten Auslegung des § 88 Nr. 2 BetrVG ... ". Diese Formulierung findet sich dann nicht nur in etwas abgewandelter Form im Beschluß vom 9. Dezember 1980 13 wieder, in dem das Gericht entschied, daß die vom 3. Senat zur betrieblichen Altersversorgung entwickelten Grundsätze auch für andere freiwillige betriebliche Sozialleistungen gelten sollen. Der Satz von der freien Entschließung des Arbeitgebers darüber, in welchem Umfang er Arbeitnehmer durch zusätzliche Leistungen begünstigen will, zieht sich, wenn auch nicht ausdrücklich ausgesprochen, wie ein "roter Faden" auch durch weitere Entscheidungen des Gerichts 14. Und mit diesem Satz ist bereits hinreichend beschrieben, was unter dem sog. Dotierungsrahmen zu verstehen ist. Ist es nämlich 10 Vgl. nur Besehl. v. 12.6.1975 3 ABR 13/74 -, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. II 3 AZR 496/83 -, DB 1986, 1526 ff. (1527). 12 Vgl. nur 3 ABR 13/74 -, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 13 1 ABR 80/77 -, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 14 Vgl. nur Besehl. v. 30.3.1982 1 ABR 55/80 -, AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Besehl. v. 10.6.1986 - 1 ABR 65/84 -, AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung.
I. Der Begriff "Dotierungsrahmen"
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die zu wahrende Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers darüber, inwieweit er zusätzliche Leistungen an die Belegschaft erbringen, inwieweit er also seine Arbeitnehmer begünstigen möchte, die das Bundesarbeitsgericht veranlaßt hat, die Figur vom mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen zu schaffen, dann kann mit dem Dotierungsrahmen nur die Gesamtheit der Leistungen gemeint sein, die den Arbeitnehmern auch zufließen. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist der Dotierungsrahmen demnach eng zu verstehen; die Dotierung bestimmt sich aus der Sicht der Arbeitnehmer. Dies wird auch durch den Beschluß des Großen Senats zur Zulässigkeit der Ablösung arbeits vertraglicher Einheitsregelungen durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung vom 16. September 1986 15 bestätigt. In dieser Entscheidung hat das Gericht den aus dem Mitbestimmungsrecht stammenden Gedanken, daß der Dotierungsrahmen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begrenzt, auf die Ablöseproblematik übertragen und so eine Schranke des Beteiligungsrechts zur Grenze der normativen Wirkung einer Betriebsvereinbarung gemacht 16. Zwar spricht der Große Senat an einer Stelle seines Beschlusses von der "wirtschaftlichen Gesamtlast" der Zusagen, von denen sich der Arbeitgeber im allgemeinen weder einseitig noch mit Hilfe des Betriebsrats ganz oder teil weise befreien könne 17, so daß man durchaus daran denken könnte, daß der Dotierungsrahmen nun doch aus der Sicht des Arbeitgebers zu bestimmen ist. Die weiteren Ausführungen des Großen Senats machen dann aber recht deutlich, welche Vorstellungen das Gericht mit dem Dotierungsrahmen verbunden hat. "Wenn die Leistungen des Arbeitgebers konstant bleiben oder erweitert werden sollen", soll nach Ansicht des BAG das Günstigkeitsprinzip einer Ablösung nicht entgegenstehen, "auch wenn einzelne Arbeitnehmer dadurch schlechter gestellt werden" 18. Da das Günstigkeitsprinzip die Vertragspositionen der Arbeitnehmer schützen soll und es für diese zudem nur entscheidend ist, ob und in welcher Höhe ihnen Leistungen zufließen sollen 19, kann mit dem Dotierungsrahmen nur die Gesamtheit der Leistungen an die Arbeitnehmer gemeint sein. Hiergegen kann auch nicht das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. April 1986 20 angeführt werden. Das BAG hatte sich in diesem Urteil nicht mit dem Dotierungsrahmen als Schranke der Mitbestimmung zu befassen. In dieser Entscheidung ging es vielmehr um die Frage, inwieweit eine Unterstützungskasse berechtigt ist, eine Kürzung dienstzeitabhängiger Zuwachsraten zum Ausgleich für die mit der Einführung des gesetzlichen Insolvenzschutzes verbundene Kostensteigerung vorzunehmen. Bereits aus diesem Grunde ist es sehr fragwürdig, GS 1/82 - , OB 1987,383 ff. Vgl. Blomeyer, OB 1987,634 ff. (635); darauf, daß die Rechtsprechung zur ablösenden Betriebsvereinbarung eine Weiterentwicklung der Lehre vom mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen und mitbestimmten Leistungsplan ist, weist auch Hromadka, NZA 1987, Beil. Nr. 3, 1 ff. (4) hin. 17 OB 1987, 383 ff. (387). 18 OB 1987, 383 ff. (387). 19 So auch Belling, OB 1987, 1888 ff. (1894). 20 3 AZR 496/83 - , OB 1986, 1526 ff. (1527). 15 -
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§ 6 Die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Dotierungsrahmen
ob dem o.g. Urteil des BAG Aussagen über den im Recht der Mitbestimmung maßgeblichen Dotierungsrahmen entnommen werden können. Im übrigen würde die gegenteilige Ansicht dazu führen, daß man dem Bundesarbeitsgericht unterstellen müßte, es habe in der o. g. Entscheidung nicht nur mit seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, sondern zugleich mit seiner Rechtsprechung zum Umfang des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gebrochen. Denn auch nach § 87 Abs. 1 NT. 8 BetrVG soll der Arbeitgeber nach Ansicht des Gerichts mitbestimmungsfrei den Dotierungsrahmen, die finanzielle Grundausstattung festlegen können 21. Zu dieser finanziellen Grundausstattung gehören Insolvenzsicherungsprämien nun aber gerade nicht. Diese Prämien sind vom Arbeitgeber zu erbringen und nicht von der Einrichtung, d. h. hier der Unterstützungskasse, da die Arbeitnehmer gegen die Insolvenz des Arbeitgebers, nicht gegen die Zahlungsunfähigkeit der Unterstützungskasse abgesichert werden sollen 22 • Auch im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG soll der Betriebsrat demnach nur an der Entscheidung darüber beteiligt werden, nach welchen Maßstäben die Sozialeinrichtung die ihr zur Verfügung gestellten Mittel den begünstigten Arbeitnehmern zuwenden soll. Daß der Begriff "Dotierungsrahmen" entgegen der Auffassung der Gegenmeinung eng zu deuten ist, folgt auch aus dem Zweck, den der Begriff im Recht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfüllt. Dieterich 23 hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Dotierungsrahmen die Funktion hat, den mitbestimmungsfreien unternehmerischen Entscheidungsbereich von der mitbestimmten Verteilungsaufgabe abzugrenzen. Über den Umfang der Mittel für eine betriebliche Sozialleistung soll der Arbeitgeber nach § 87 Abs. 1 NT. 10 BetrVG befinden können, ohne den Betriebsrat beteiligen zu müssen; Fragen der Verteilungsgerechtigkeit hingegen sollen nur von Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam entschieden werden können. Da nun aber die Verteilungsgerechtigkeit nur angesprochen ist, soweit es darum geht, Bezugsbedingungen festzulegen und das Verhältnis der den einzelnen Arbeitnehmern zufließenden Leistungen zueinander zu bestimmen, kann mit dem Umfang der Mittel, die für eine entsprechende betriebliche Sozialleistung zur Verfügung gestellt werden, auch nur die Gesamtheit der Leistungen an die Arbeitnehmer gemeint sein. Zusammenfassend kann demnach folgendes festgehalten werden: Der Dotierungsrahmen ist nicht die Summe der Kosten, die dem Arbeitgeber durch eine betriebliche Sozialleistung insgesamt entstehen. Er bezeichnet vielmehr das Gesamtvolumen der Leistungen, die den Arbeitnehmern auch zufließen 24 • 21 Vgl. nur grundlegend BAG, Beschl. v. 13.3.1973 1 ABR 16/72 -, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnungen; auf diese Entscheidung nimmt das BAG in seinem Beschl. v. 12.6.1975 - 3 ABR 13/74 -, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 ausdrücklich Bezug; vgl. zuletzt BAG, Urt. v. 26.4.1988 - 3 ABR 168/86 -, NZA 1989,219 ff. (220). 22 Vgl. nur Blomeyer / Ouo, BetrAVG, § 10 Rdnr. 34. 23 NZA 1984,273 ff. (274 f.).
11. Die Festlegung des Dotierungsrahmens durch den Arbeitgeber
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11. Die Festlegung des Dotierungsrahmens durch den Arbeitgeber Der Arbeitgeber kann den sog. Dotierungsrahmen auf unterschiedliche Art und Weise festlegen. Er kann einmal einen festen Betrag für die Gesamtleistung bestimmen und sodann mit dem Betriebsrat über die Verteilung dieser Summe verhandeln. Diese Vorgehensweise kommt in erster Linie bei einmaligen Leistungen in Betracht, bei denen der Arbeitgeber zudem nicht mit Prämissen 25 arbeiten muß, so beispielsweise bei der Durchführung befristeter Wettbewerbe zur Motivation der Arbeitnehmer. Hier wird sich der Arbeitgeber überlegen, welche Summe er zur Verfügung stellen kann und was ihm die Erreichung eines schnellen Erfolges insgesamt wert ist. Gemeinsam mit dem Betriebsrat wird er dann die Bezugsbedingungen, z. B. die Eintrittsschwelle, die Anzahl und die Höhe der Einzelprämien festlegen. Bei dem überwiegenden Teil der betrieblichen Sozialleistungen handelt es sich jedoch um Leistungen, die über einen längeren Zeitraum hinweg erbracht werden sollen. Hier wird der Arbeitgeber in der Regel keinen festen Betrag für die Gesamtleistung angeben; bei derartigen Leistungen wird er, da sein Rechenzeitraum das Jahr ist, den Dotierungsrahmen vielmehr dadurch festlegen, daß er den Umfang der jährlich zu erbringenden Leistungen bestimmt 26 • So kann er beispielsweise für Jubiläumszuwendungen bestimmen, daß im ersten Jahr der Betrag A, im zweiten Jahr der Betrag B und in den folgenden Jahren die Beträge C, D etc. zur Verfügung stehen.
111. Der Dotierungsrahmen als Ergebnis unternehmerischer Planung Regelmäßig ist der Dotierungsrahmen Ausfluß einer detaillierten Planung des Arbeitgebers. Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt 27, werden freiwillige betriebliche Sozialleistungen nicht aus Uneigennützigkeit, sondern auf der Grundlage nüchterner wirtschaftlicher Überlegungen erbracht. Sie werden zur Erreichung ganz bestimmter unternehmerischer Ziele geleistet. Deshalb wird ein Arbeitgeber, der sich dazu entschließt, betriebliche Sozialleistungen zu erbringen, nicht nur Vor24 Einschränkend muß darauf hingewiesen werden, daß das Gesamtvolumen der Leistungen nicht die Summe der Netto-, sondern die der Bruttozahlungen ausmacht. So zum Dotierungsrahmen im Zusammenhang mit der Problematik der ablösenden Betriebsvereinbarung auch Belling, DB 1987, 1888 ff. (1894). 25 Z.B. hinsichtlich der Zahl der Anspruchsberechtigten. Zu den Prämissen vgl. auch die Ausführungen unter § 6 III. 26 Vgl. dazu Kraft, Anmerkung zu BAG, SAE 1976, 42 ff. (43). 27 Vgl. § 3 11. B. 3.
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§ 6 Die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Dotierungsrahmen
stellungen darüber haben, welches Leistungsvolumen für ihn jährlich überhaupt wirtschaftlich vertretbar ist und was ihm der Gesamterfolg insgesamt wert ist. Er wird sich ebenso Gedanken darüber machen, wie er die Bezugsbedingungen und die Höhe der Einzelleistung festlegen muß, um sein unternehmerisches Ziel zu erreichen. Der Arbeitgeber wird demnach bereits ein, ggfls. auch mehrere Modelle für die Vergabe der Leistungen entworfen, er wird eine bzw. verschiedene Ausgestaltungen des Leistungsplans ins Auge gefaßt haben. Welcher Ausgestaltung des Leistungsplans der Arbeitgeber letztlich den Vorzug gibt, wird von den finanziellen Auswirkungen abhängig sein, die die unterschiedlichen Modelle zeitigen. Diese finanziellen Auswirkungen lassen sich für den Arbeitgeber nur in Kenntnis bestimmter betrieblicher Begebenheiten und externer Einflüsse, d. h. auf der Grundlage von Prämissen berechnen. Welche betrieblichen Begebenheiten und externen Einflüsse der Arbeitgeber kennen, hinsichtlich welcher Umstände der Arbeitgeber mithin Prämissen setzen muß, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Arbeitgebermodells ab 28 • Hat der Arbeitgeber beispielsweise einen Leistungsplan für Jubiläumszuwendungen entworfen und in diesem Plan festgelegt, daß für ein 20-jähriges Jubiläum 1000,- DM, für ein 30-jähriges Jubiläum 2000,- DM und für ein 40-jähriges Dienstjubiläum 2500,- DM zu zahlen sind, dann muß er sich, um die Gesamtbelastung berechnen zu können, Klarheit darüber verschaffen, wieviele Arbeitnehmer in den einzelnen Jahren welche Bezugsbedingung erfüllen. Hat der Arbeitgeber in seinem vorläufigen Vergabemodell die einzelnen Leistungen nicht in fixen Beträgen, sondern in Prozentsätzen vom jeweiligen Monatslohn ausgewiesen, so muß er zudem noch wissen, wie hoch der Monatslohn der jeweils anspruchsberechtigten Arbeitnehmer ist. Hat sich der Arbeitgeber für einen bestimmten Leistungsplan entschieden, so hat er damit gleichzeitig den Dotierungsrahmen bestimmt. Der Dotierungsrahmen ist das Gesamtleistungsvolumen, das sich aus dem Leistungsplan des Arbeitgebers unter Zugrundelegung seiner Prämissen ergibt 29 • Für den Arbeitgeber ist die Bestimmung des Dotierungsrahmens, sofern er mit Prämissen arbeiten muß, selbstverständlich nicht einfach. Die Prämissen beruhen, da die meisten freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen langfristig erbracht werden sollen, im wesentlichen auf Prognosen. So muß der Arbeitgeber sich, wie im ersten Beispielsfall verdeutlicht, bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen zunächst einmal Klarheit über die Zahl der im Verlaufe der Leistungszeit anspruchsberechtigten Personen verschaffen. Er muß die Personalstruktur, mithin Fluktuation und Personalentwicklung prognostizieren. Will er, wie im zweiten Beispielsfall dargelegt, sich für eine bezügeabhängige Höhe der Leistung entscheiden, so muß er zudem Prämissen hinsichtlich der künftigen Lohndynamik setzen. Mit noch größeren Problemen verbunden ist die Prämissenauswahl bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung 3o • Hier muß der So auch Sieber, BB 1976, 367 ff. (368). So auch Blomeyer / Ouo, BetrAVG, Einl. Rdnr. 545; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 362; Höfer / Abt, BetrAVG, Arb. Gr. Rdnr. 473. 28
29
III. Der Dotierungsrahmen als Planungsentscheidung
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Arbeitgeber u. U. zudem noch Pensionierungsgewohnheiten und Sterbens-, Verheiratungs- und Invalidisierungswahrscheinlichkeiten einschätzen und sich Gedanken über die Raten machen, mit denen laufende Versorgungsleistungen gemäß § 16 BetrAVG anzupassen sein könnten 31. Die konkrete Prämissenauswahl kann vom Arbeitgeber nur zum Teil auf eigenes Erfahrungswissen und auf eigene Vorstellungen im Hinblick auf die geplante Entwicklung des Unternehmens gestützt werden. Zum Teil, und dies gilt in erster Linie für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, muß er sich auch finanz- bzw. versicherungsmathematischer und statistischer Erkenntnisse bedienen, u. U. muß er sogar Sachverständige heranziehen. Diese mit der Bestimmung des Gesamtleistungsvolumens verbundenen Schwierigkeiten machen die Figur des "mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmens" entgegen der Auffassung von Blomeyer 32 jedoch nicht zu einer Fiktion. Freiwillige betriebliche Sozialleistungen beeinflussen nachhaltig die Entwicklung der Personalkosten. Dies gilt insbesondere für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Der Entschluß des Arbeitgebers, Versorgungsleistungen zu erbringen, gehört zu den Entscheidungen des Unternehmens, die am weitesten in die Zukunft reichen 33. Deshalb wäre es nicht nur unrealistisch annehmen zu wollen, der Arbeitgeber würde freiwillige betriebliche Sozialleistungen versprechen, ohne sich vorab Aufschluß über die im Verlaufe der Zeit aus seiner Leistungszusage erwachsenden Leistungsverpflichtungen zu verschaffen. Kaufmännische Klugheit und kaufmännisches Sicherheitsdenken gebieten es geradezu, die Entwicklung dieser Personalkosten unter Kontrolle zu halten, d. h. zu prognostizieren. Insofern wird man durchaus sagen können, daß - ungeachtet eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats - bereits der Entschluß des Arbeitgebers, freiwillige betriebliche Sozialleistungen zu erbringen, ein Planungsbedürfnis auslöst. Dieses Planungsbedürfnis stellt den Arbeitgeber auch nicht vor unüberwindbare Schwierigkeiten. Der Arbeitgeber muß nicht in jedem Fall aufwendige Planungen durchführen. Der Umfang der erforderlichen Planungen variiert je nach der Komplexität des Planungsgegenstandes. Welche Prämissen der Arbeitgeber setzen, über welche internen und externen Einflüsse er sich demnach Klarheit verschaffen muß, hängt, wie bereits ausgeführt, von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Leistungsplans ab. Deshalb wird der Arbeitgeber sich auch nur in wenigen Fällen, so beispielsweise bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, komplizierter mathematischer bzw. betriebswirtschaftlicher Berechnungsverfahren bedienen müssen und u. U. gezwungen sein, sachverständige Stellen mit der Berechnung zu beauftragen. 30 Zur Prämissenvielfalt vgl. auch Borton / Höfer, DB 1980,2045 ff. (2048 f.); Höfer / Abt, BetrA VG, Arb. Gr. Rdnr. 447; Höfer / Küpper, BB 1982, 565 ff. (574 f.); Richter, BB 1985,900 ff. (903); Sieber, BB 1976,367 ff. (368). 31 Zur Anpassungsverpflichtungnach § 16 BetrAVGvgl. auchBAG, Urt. v. 22.4.1986 - 3 AZR 496/83 -, DB 1986, 1526 ff. (1527). 32 DB 1987, 634 ff. (637) im Zusammenhang mit der Problematik der ablösenden Betriebsvereinbarung; in diesem Sinne auch Sieber, BB 1976, 367 ff. (369). 33 So auch Höfer / Küpper, BB 1982, 565 ff. (565).
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§ 6 Die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Dotierungsrahmen
Die Planung komplexer Regelungswerke, wie beispielsweise die Planung eines betrieblichen Versorgungswerkes, ist selbstverständlich mit Kosten (Personalund / oder Sachverständigenkosten) verbunden. Diese Tatsache wird möglicherweise viele Arbeitgeber dazu bewegen, keine Prognosen anzustellen und sich nicht versicherungsmathematisch errechnen zu lassen, welche Leistungsverpflichtungen im Verlaufe der Zeit auf sie zukommen werden. Viele Arbeitgeber werden sich mit der Berechnung des Gesamtaufwands im ersten Jahr zufrieden geben 34. Diese Vorgehensweise ist nicht ohne Risiko. Eine sachgerechte Planung liefert dem Arbeitgeber nicht nur die Kriterien, an denen er sich bei der Ausgestaltung des Leistungsplans orientieren sollte, wenn er das mit der Erbringung der Leistung verfolgte unternehmerische Ziel erreichen möchte 35. Die Planung ermöglicht es ihm vor allem, sich Aufschluß über externe und interne Einflüsse zu verschaffen, die die künftige Entwicklung seiner Leistungen beeinflussen. Diese Prognosen sind im Hinblick auf die Wirkungen betrieblicher Mitbestimmung beim Leistungsplan vOn großer Bedeutung. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG muß sich der Regelungsvorschlag des Betriebsrats innerhalb der Grenzen des mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens halten. Verzichtet der Arbeitgeber auf die Prognose der künftigen Entwicklungen und gibt er dem Betriebsrat nur den für das erste Jahr der Leistungsvergabe berechneten Gesamtaufwand als Dotierungsrahmen vor, so kann nicht beurteilt werden, ob der vom Betriebsrat gemachte Regelungsvorschlag, selbst wenn er im ersten Jahr den Dotierungsrahmen einhält, langfristig nicht doch zu höheren Aufwendungen führt, als es dem Arbeitgeber lieb ist. Kaufmännische Klugheit und kaufmännisches Sicherheitsdenken gebieten daher auch im Hinblick auf die Auswirkungen betrieblicher Mitbestimmung eine detaillierte Planung betrieblicher Sozialleistungen. Ergebnis zu 111.:
Der Dotierungsrahmen läßt sich vom Arbeitgeber in der Regel 36 nur auf der Grundlage vOn Prämissen errechnen. Damit ist der Dotierungsrahmen Ausfluß einer detaillierten Planung des Unternehmers. Da Planung gestaltendes Denken für die Zukunft 37 und nicht sichere Vorhersage des Eintritts bestimmter künftiger Ereignisse ist, hat der Dotierungsrahmen naturgemäß prognostischen Charakter. Der Dotierungsrahmen ist demnach nicht die Größe, die die im Verlaufe der 34
35
Auf diese betriebliche Praxis weist Sieber, BB 1976,367 ff. (369) hin.
Adam, Planung, S. 11 weist zutreffend darauf hin, daß die Planung zwar eine
verfehlte, unzweckmäßige Untemehmenspolitik nicht auszuschließen vermag, die ihre Ursache in nicht vorhersehbaren wirtschaftlichen Entwicklungen hat, daß sie jedoch den vergleichsweise größten Schutz vor wirtschaftlichem Mißerfolg bietet. 36 Eine Ausnahme bilden beispielsweise die Prämien, die im Rahmen eines Wettbewerbes zu erzielen sind. 37 Vgl. nur Adam, Planung, S. 11 mwN; zum betriebswirtschaftlichen Planungsbegriff vgl. auch Linnenkohl / Töpfer, BB 1986, 1301 ff. (1303 mwN).
IV. Der Dotierungsrahmen bei Einführung einer Sozialleistung
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Zeit tatsächlich zu leistenden Mittel festlegt. Er beschreibt vielmehr die im Verlaufe der Zeit erwarteten finanziellen Auswirkungen einer Leistungszusage, also das geschätzte Leistungsvolumen. Bereits aus diesem Grunde ist es verfehlt, die Forderung nach einer verläßlichen iS einer nicht mit Unsicherheiten behafteten Bestimmung des Dotierungsrahmens aufzustellen 38.
IV. Die Einhaltung des Dotierungsrahmens bei der Einführung einer betrieblichen Sozialleistung Da Mitbestimmung nach § 87 BetrVG mehr als nur ein "Ja" oder ,,Nein" zu einem arbeitgeberseitigen Vorschlag, nämlich Mitgestaltung ist 39 , kann der Betriebsrat auch bei der erstmaligen Einführung einer betrieblichen Sozialleistung eine vom Arbeitgebermodell abweichende Ausgestaltung des Leistungsplans vorschlagen und ggfls. über die Einigungsstelle durchzusetzen versuchen, § 87 Abs. 2 BetrVG. Dabei muß das Regelungsverlangen des Betriebsrats sich innerhalb der durch § 87 Abs. I Nr. 10 BetrVG vorgegebenen Zuständigkeitsgrenzen halten. Es muß den vom Arbeitgeber festgelegten Dotierungsrahmen achten.
A. Der Dotierungsrahmen als Obergrenze der finanziellen Auswirkungen des Betriebsratsmodells Das bedeutet nicht, daß der Betriebsrat einen im Vergleich zu den Vorstellungen des Arbeitgebers ,,kostenneutralen" bzw. "belastungsneutralen" Regelungsvorschlag machen muß4O. Der Dotierungsrahmen bezeichnet nicht den Betrag, mit dem die finanziellen Auswirkungen des Betriebsratsmodells auf Mark und Pfennig übereinstimmen müssen, damit der Regelungsvorschlag des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG überhaupt zulässig ist. Nahezu jede Strukturänderung des Leistungsplans führt zwangsläufig zu einer Unter- bzw. Überschreitung des Dotierungsrahmens. Wollte man den Betriebsrat bei der Ausübung seines Mitbestimmungsrechts bei der Vergabe frei williger betrieblicher Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auf ein bereits feststehendes Gesamtleistungsvolumen festlegen, so würde man betriebliche Mitbestimmung in diesem Bereich unmöglich machen. Der Dotierungsrahmen ist entgegen der Ansicht von Sieber 41 aber auch keine Größenordnung, die eine gewisse Bandbreite in dem Sinne hat, daß sie unwesentliche Unter-, aber auch Überschreitungen zuläßt. Diese Auffas38 In diesem Sinne aber wohl Blomeyer, DB 1987,634 ff. (637), der von den völlig ungelösten Problemen der Aufwandsberechnung spricht. 39 Vgl. Ausführungen zu § 4 I. A.; bei der Einführung einer betrieblichen Sozialleistung ist das Initiativrecht des Betriebsrats praktisch bedeutungslos, vgl. Ausführungen zu § 411. 40 So aber Heinze, NZA 1986, 1 ff. (7); Hö/er / Abt, BetrA VG, Arb. Gr. Rdnr. 458. 41 BB 1976, 367 ff. (369).
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§ 6 Die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Dotierungsrahmen
sung läßt nicht nur konkrete Maßstäbe vennissen und macht so den Dotierungsrahmen als Meßlatte für einen Regelungsvorschlag des Betriebsrats unbrauchbar. Sie entspricht auch nicht dem Gesetz. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen eine Verteilungsaufgabe; er bestimmt über die Verteilung der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mittel mit. Damit ist jeder Regelungsvorschlag des Betriebsrats vom Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gedeckt, der den mitbestimmungsfrei festgelegten Dotierungsrahmen nicht übersteigt. Der Dotierungsrahmen bezeichnet demnach die Obergrenze, die die finanziellen Auswirkungen des Betriebsratsmodells erreichen und damit unterschreiten, nicht aber überschreiten dürfen. Da dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht von vornherein nur innerhalb der Grenzen des vom Arbeitgeber festgesetzten Gesamtleistungsvolumens zukommt, muß er darlegen, daß die finanziellen Auswirkungen seines Leistungsplans den arbeitgeberseitig festgelegten Dotierungsrahmen nicht übersteigen 42 • B. Die Berechnung der finanziellen Auswirkungen des Betriebsratsvorschlags
Diesen Nachweis kann der Betriebsrat nur führen, wenn er die finanziellen Auswirkungen, die sein Regelungsvorschlag zeitigt, auch berechnen kann. Das Leistungsvolumen, das sich aufgrund des Betriebsratsmodells ergibt, läßt sich ebenso wie der Dotierungsrahmen des Arbeitgebers in den meisten Fällen nur auf der Grundlage von Prämissen bestimmen 43 • Auch der Betriebsrat muß daher bei der Berechnung seines "Dotierungsrahmens" idR mit Prämissen arbeiten. Das ist nicht unproblematisch. Der Betriebsrat ist nicht nur nicht in der Lage, sachgerecht Prämissen zu setzen, da ihm die entscheidenden betrieblichen Gegebenheiten und externen Einflüsse nicht bekannt sind und er deshalb hinsichtlich dieser Umstände auch keine Prognosen anstellen kann; er ist zur Prämissenauswahl auch nicht berechtigt. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bezieht sich bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen lediglich auf die Ausgestaltung des Leistungsplans, d. h. auf die Festlegung der Bezugsbedingungen und die Bestimmung der Höhe der Einzelleistung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Dotierung. Die (Mit)Entscheidungsbefugnis des Betriebsrats betrifft weder die Dotierung, noch die Prämissen, aufgrund derer das Gesamtleistungsvolumen berechnet wird. Hierüber zu befinden ist allein Sache des Arbeitgebers 44. Die mangelnde Kompetenz des Betriebsrats zur Prämissenauswahl nötigt entgegen der Ansicht von Steindorff45 allerdings nicht dazu, 42 So auch BAG, Beschl. v. 12.6.1975 - 3 ABR 13/74 - , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Dietz I Richardi, BetrVG, § 87 Rdnr. 538; Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 362, 445. 43 V gl. dazu Ausführungen unter § 6 III. 44 So auch ausdrücklich Hö!er I Abt, BetrAVG, Arb. Gr. Rdnr. 448; Hö!er I Küpper, BB 1982, 565 ff. (575).
IV. Der Dotierungsrahmen bei Einführung einer Sozialleistung
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den Betriebsrat von seiner Verpflichtung zu entbinden, die Einhaltung des Dotierungsrahmens nachzuweisen und erst im Einigungsstellenverfahren die sich aus den Regelungsvorschlägen des Betriebsrats ergebenden finanziellen Auswirkungen zu berechnen. Der Betriebsrat hat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch darauf, daß dieser ihm die zur Berechnung erforderlichen Prämissen mitteilt. Dieser Anspruch folgt aus § 80 Abs. 2 Satz I BetrVG46. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz vom Arbeitgeber rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Der Informationsanspruch nach dieser Norm hat Hilfsfunktion 47 ; er soll den Betriebsrat in die Lage versetzen, seine Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz (sachgerecht) wahrnehmen zu können 48 . Zu den Aufgaben, die in § 80 Abs. 2 BetrVG angesprochen sind, gehört insbesondere die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG49, also auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Dieses Mitbestimmungsrecht kann der Betriebsrat bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen (sinnvoll) nur ausüben, wenn ihm die erforderlichen Rechenprämissen genannt werden. Nur wenn der Betriebsrat in der Lage ist, die finanziellen Auswirkungen seines Regelungsvorschlags auch zu berechnen, kann er die Bezugsbedingungen und die Höhe der Einzelleistung sachgerecht festlegen und den Nachweis erbringen, daß sein Regelungsmodell sich innerhalb der vom Arbeitgeber vorgegebenen Dotierung hält. 45 Anmerkung zu BAG AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; in diesem Sinne auch noch Richardi, Anmerkung zu BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 46 Die überwiegende Meinung billigt dem § 80 Abs. 2 BetrVG Anspruchscharakter zu; vgl. nur BAG, Beschl. v. 11. 7.1972 - 1 ABR 2/72 - , AP Nr. 1 zu § 80 BetrVG 1972; Beschl. v. 17.3.1987 - 1 ABR 59/85 - , AP Nr. 29 zu § 80 BetrVG 1972; Dietz / Richardi, BetrVG, § 80 Rdnr. 77 f.; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 80 Rdnr. 45; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 80 Rdnr. 29 f.; a.A. wohl Heinze, DB 1983, Beil. Nr. 9, 1 ff. (16). Daneben kommt ein Anspruch aus § 2 Abs. 1 BetrVG, sofern man aus dieser Norm überhaupt Rechte und Pflichten ableiten möchte (so Dietz / Richardi, BetrVG, § 2 Rdnr. 10; Galperin / Löwisch, BetrVG, § 2 Rdnr. 20; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 2 Rdnr. 21; zum BetrVG 1952 vgl. nur Bulla, RdA 1965, 121 ff. (131); Söllner, DB 1968, 571 ff. (573); a.A. Kraft, ZfA 1983, 171 ff. (177» nicht in Betracht; so im Ergebnis auch Dietz / Richardi, BetrVG, § 80 Rdnr. 33; Hess / Schlochauer / Glaubitz, BetrVG, § 80 Rdnr. 29 und Kraft, ZfA 1983, 171 ff. (178), die in § 80 Abs. 2 BetrVG die Konkretisierung des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG sehen; a.A. wohl Hanau, BB 1976,91 ff. (93) und Höfer / Abt, BetrAVG, Arb. Gr. Rdnr. 458. 47 So zutreffend Kraft, ZfA 1983, 171 ff. (184); Balthasar, Der allgemeine Informationsanspruch, S. 130 f. sieht in dem Informationsanspruch nach § 80 Abs. 2 BetrVG, sofern er sich auf echte Mitbestimmungsrechte bezieht, einen Hilfsanspruch, der "praeparationis causa" erhoben wird. 48 In diesem Sinne auch Fitting / Auffahrt / Kaiser / Heither, BetrVG, § 80 Rdnr. 29; BAG, Beschl. v. 12.2.1980 - 6 ABR 2/78 - , AP Nr. 12 zu § 80 BetrVG 1972. 49 Vgl. nur BAG, Beschl. v. 19.3.1981 - 3 ABR 38/80 - , AP Nr. 14 zu § 80 BetrVG 1972; Beschl. v. 26.1.1988 - 1 ABR 34/86 - , AP Nr. 31 zu § 80 BetrVG 1972; Dietz / Richardi, BetrVG, § 80 Rdnr. 34.
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§ 6 Die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Dotierungsrahmen
Sollten sich die finanziellen Auswirkungen des Betriebsratsmodells nur mit Hilfe betriebswirtschaftlicher bzw. versicherungsmathematischer Berechnungen ermitteln lassen, so muß der Arbeitgeber die Vorschläge des Betriebsrats von sachverständigen Stellen (idR Gutachter) durchrechnen lassen und dem Betriebsrat das Ergebnis dieser Gutachten mitteilen. Auch diese Pflicht des Arbeitgebers folgt aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Der Betriebsrat benötigt die Informationen über den Leistungsumfang, der aufgrund seines Regelungsvorschlags voraussichtlich entstehen wird, um eine sachgerechte EigenpTÜfung seines Modells vornehmen 50 und um darlegen zu können, daß sein Regelungsvorschlag den arbeitgeberseitig gesetzten Dotierungsrahrnen nicht übersteigt. Sofern der Arbeitgeber die Sachverständigen zur Unterrichtung des Betriebsrats ermächtigt hat, sind diese Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers im Hinblick auf seine Informationspflicht aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG51.
c. Der Vergleich der finanziellen Auswirkungen des Betriebsratsmodells mit dem arbeitgeberseitig festgesetzten Dotierungsrahmen
Sind die finanziellen Auswirkungen des vom Betriebsrat vorgeschlagenen Leistungsplans ermittelt, so ist durch einen Vergleich mit dem vom Arbeitgeber festgesetzten Dotierungsrahrnen festzustellen, ob das Regelungsverlangen des Betriebsrats sich innerhalb der Zuständigkeitsgrenzen des § 87 Abs. 1 NT. 10 BetrVG hält. 1. Der Dotierungsrahmen als einheitlicher Gesamtbetrag
Dieser Vergleich ist so lange nicht mit Schwierigkeiten verbunden, wie der Arbeitgeber den Dotierungsrahrnen als einheitlichen Gesamtbetrag festgelegt hat, sei es, daß es sich um eine einmalige Leistung handelt 52, sei es, daß der Arbeitgeber bei längerfristigen Leistungen nur das für das erste Jahr der Leistungsvergabe geschätzte Leistungsvolumen zum Dotierungsrahrnen gemacht hat 53. In diesen Fällen kann problemlos festgestellt werden, ob die sich aus dem Leistungsplan des Betriebsrats ergebenden finanziellen Auswirkungen den Dotierungsrahrnen übersteigen. 2. Der Dotierungsrahmen als Zahlungsreihe
Anders verhält es sich jedoch in den Fällen der längerfristigen Leistungen, in denen der Arbeitgeber den Dotierungsrahrnen in der Weise festgelegt hat, daß 50 51 52 53
So auch Hö!er I Abt, BetrAVG, Arb. Gr. Rdnr. 458. Vgl. auch Kraft, ZfA 1983, 171 ff. (179). Vgl. Ausführungen unter § 6 11. Vgl. Ausführungen unter § 6 II., III.
IV. Der Dotierungsrahmen bei Einführung einer Sozialleistung
129
er den Umfang der in den einzelnen Jahren voraussichtlich zu erbringenden Leistungen bestimmt hat 54.
a) Die Zahlungsreihe als Vergleichsgegenstand Da der Dotierungsrahmen nicht der für das einzelne Jahr prognostizierte Leistungsumfang, sondern das voraussichtlich im Verlaufe der Zeit insgesamt zu erbringende Leistungsvolumen ist, kann vom Betriebsrat nicht verlangt werden, daß dieser einen Regelungsvorschlag unterbreitet, dessen finanziellen Auswirkungen die vom Arbeitgeber prognostizierten Aufwendungen in keinem Jahr überschreiten 55. Verglichen wird demnach nicht der vom Arbeitgeber prognostizierte Leistungsumfang pro Jahr mit den durch das Betriebsratsmodell jährlich bewirkten finanziellen Auswirkungen; verglichen werden vielmehr die unterschiedlichen Zahlungsreihen, d. h. Folgen der Auszahlungen zu unterschiedlichen Auszahlungszeitpunkten, die sich aus den Regelungsvorschlägen von Arbeitgeber und Betriebsrat ergeben 56.
b) Die Methoden zur Vergleichbarmachung der Zahlungsreihen Dieser Vergleich ist nur dann problemlos durchführbar, wenn die einzelnen für die verschiedenen Jahre vom Arbeitgeber festgelegten Aufwendungen die vom Betriebsrat prognostizierten Aufwendungen eindeutig, d.h. in jedem Jahr entweder unter- oder überschreiten. Dieser Fall wird in der Praxis allerdings selten vorkommen. In der Regel werden Änderungen des Leistungsplans selbst bei gleichen Prämissen dazu führen, daß der vom Arbeitgeber für die einzelnen Jahre festgesetzte Leistungsumfang im Verlaufe der Zeit einmal unter-, ein andermal überschritten wird. Für diese Fälle müssen Methoden gefunden werden, um die unterschiedlichen Zahlungsreihen vergleichbar zu machen.
Vgl. Ausführungen unter § 6 11. Sieber, BB 1976, 367 ff. (369) macht zutreffend darauf aufmerksam, daß eine solche Forderung ein Änderungsverlangen des Betriebsrats nur auf Kosten einer mehr oder weniger starken Reduzierung der Gesamtleistung ermöglicht. Das entspricht nicht der Konzeption des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. 56 Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht kann die Einhaltung des Dotierungsrahmens bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG damit weder durch einen Vergleich der jährlichen Beitragslast des Arbeitgebers (bei Zusagen auf Direktversicherungsleistungen), noch durch einen Vergleich der steuerlich höchstzulässigen Pensionsrückstellungen (bei der unmittelbaren Versorgungszusage) überprüft werden. V gl. zu dieser Problematik Ahrend I Dernberger I Rößler, BB 1988, 333 ff. (335 f.); Blomeyer lOtto, BetrAVG, Einl. Rdnr. 340; Höfer I Abt, BetrAVG, Arb. Gr. Rdnr. 450 f.;Höfer I Küpper, BB 1982,565 ff. (575); Richter, BB 1985,900 ff. (902). 54 55
9 Magula·Lösche
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§ 6 Die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Dotierungsrahmen
aa) Der Vergleich der Durchschnittswerte Man könnte daran denken, den Durchschnittswert aus dem vom Arbeitgeber für die unterschiedlichen Jahre festgelegten Leistungsumfang zu bestimmen und diesen mit dem Durchschnittswert der finanziellen Auswirkungen zu vergleichen, die der Regelungsvorschlag des Betriebsrats jährlich zeitigt. Diese Methode hat den unbestreitbaren Vorzug, daß sie einfach zu handhaben ist. Sie hat allerdings auch Nachteile: Sie vermag Schwankungsbreiten, d. h. das Maß, in dem die anfallenden Leistungen pro Jahr voneinander abweichen, nicht zu erfassen. Ebenso nimmt die Methode der Bildung des Durchschnittswerts nicht auf den Zeitpunkt der künftigen Zahlungen Rücksicht. Sie vernachlässigt die Tatsache, daß zwei gleich hohe künftige Zahlungen aus heutiger Sicht unterschiedlich bewertet werden müssen, wenn die eine früher und die andere später einsetzt 57, sie läßt also Zinswirkungen außer acht. bb) Der Vergleich der Gesamtbarwerte In der Literatur wird die Frage, ob das Regelungsverlangen des Betriebsrats den arbeitgeberseitig festgesetzten Dotierungsrahmen achtet, überwiegend mit Hilfe des Vergleichs der Gesamtbarwerte beantwortet 58. Diese Methode vermag zwar ebenso wie die Methode des Durchschnittswertvergleichs Schwankungsbreiten nicht zu erfassen, sie hat allerdings den Vorzug, daß sie Zinswirkungen berücksichtigt: Der Barwert ist der Wert, der einer zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Leistungsbeginn und Leistungsende erfolgenden Zahlung im Bezugszeitpunkt zukommt. Er wird durch Abzinsung mit einem bestimmten Kalkulationszinsfuß auf einen bestimmten Stichtag ermittelt 59. Die Summe der Einzelbarwerte ergibt den Gesamtbarwert. Um die durch die unterschiedlichen Leistungspläne bewirkten Zahlungsreihen vergleichbar zu machen, müßten demnach die für die einzelnen Jahre der Leistungsvergabe prognostizierten Beträge mit einem bestimmten Kalkulationszinsfuß auf den Entscheidungszeitpunkt abgezinst werden, und die so gewonnenen Einzelbarwerte müßten summiert werden. Durch einen Vergleich der Gesamtbarwerte könnte dann festgestellt werden, ob das Regelungsverlangen des Betriebsrats den Dotierungsrahmen, d. h. den Gesamtbarwert des Arbeitgebermodells übersteigt. Das Problem des Gesamtbarwertvergleichs liegt in der Festlegung des "richtigen" Kalkulationszinsfußes, d. h. des Zinses, mit dem die einzelnen Beträge auf So auch Höfer / Küpper, BB 1982,565 ff. (574 f.). Ahrend / Dernberger / Rößler, BB 1988, 333 ff. (338); Blomeyer, DB 1984, 926 ff. (931); Blomeyer / Ouo, BetrAVG, Ein!. Rdnr. 340; Heubeck, BetrAV 1985, 189 ff. (193); Höfer / Abt, BetrAVG, Arb. Gr. Rdnr. 449; Höfer / Kisters-Kölkes / Küpper, DB 1987, 1585 ff. (1587); Höfer / Küpper, BB 1982,565 ff. (575); Richter, BB 1985,900 ff. (902). 59 Zum Begriff "Barwert" und zur Bestimmung des Barwerts einer Zahlungsreihe vg!. nur Schulte, Wirtschaftlichkeitsrechnung, S. 21 ff. 57
58
IV. Der Dotierungsrahmen bei Einführung einer Sozialleistung
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den Entscheidungszeitpunkt abgezinst werden. Im Schrifttum, das die Frage, ob das Regelungsverlangen des Betriebsrats den vom Arbeitgeber gesetzten Dotierungsrahmen überschreitet, mit Hilfe des Gesamtbarwertvergleichs beantwortet, wird dieses Problem nur im Zusammenhang mit den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und dort auch nur am Rande erörtert. Es stehen sich im wesentlichen zwei Auffassungen gegenüber: Während Ahrend / Dernberger / RößlerfIJ und Richter 61 der Ansicht sind, daß der Rechnungszins aus Gründen der Objektivität nach Maßgabe des aktuellen Zinses für langfristiges Fremdkapital anzusetzen ist, wollen Heubeck 62 und Höfer / Abt 63 die Wahl des geeigneten Zinsssatzes der freien Entscheidung des Unternehmers überlassen. Die Ansicht von Heubeck und Höfer / Abt überzeugt. Der Kalkulationszinsfuß beschreibt in Hundertsteln ausgedrückt den Aufwand für die Kapitalbeschaffung. Dieser Aufwand wird, da es einen vollkommenen Markt 64 nicht gibt, durch unterschiedliche Faktoren beeinflußt. Der Kalkulationszinsfuß ist abhängig von der konkreten Finanzierungsform, d. h. davon, ob der Unternehmer ausschließlich mit Fremdkapital oder mit Eigenkapital arbeitet, oder ob er eine Mischfinanzierung durchführt. Zudem variieren Soll- und Habenzinsfuß sowohl in Abhängigkeit vom Kapitalvolumen als auch von der Laufzeit, Bonität etc. 65 • Da auf dem Kapitalmarkt demnach eine Fülle von Zinssätzen existiert, kann zunächst einmal festgehalten werden, daß es den für alle Unternehmen gleichen Kalkulationszinsfuß nicht gibt. Bereits deshalb verbietet es sich, den Kalkulationszinsfuß für alle Unternehmen nach Maßgabe des aktuellen Zinses für langfristiges Fremdkapital oder gar in Höhe des arithmetischen Mittels aus dem Habenzinssatz des Eigenkapitals und dem Sollzinssatz des Fremdkapitals anzusetzen. Der Kalkulationszinsfuß hängt vielmehr vom Finanzierungsverhalten des jeweiligen Unternehmers ab und kann daher nur von ihm selbst bestimmt werden. Der einzelne Unternehmer selbst kann die Form, in der er eine bestimmte Leistung finanziert, allerdings häufig nicht feststellen. So läßt sich beispielsweise das aufgenommene Fremdkapital, sofern es nicht ausnahmsweise zweckgebunden ist, einer bestimmten Leistung idR nicht zuordnen 66 • Das macht die Bestimmung des Kalkulationszinsfußes für den Unternehmer jedoch nicht unmöglich. In der Betriebswirtschaftslehre sind Methoden entwickelt worden, mit deren Hilfe der Kalkulationszinsfuß unabhängig vom Marktzins bestimmt werden kann 67. So BB 1988, 333 ff. (338). BB 1985,900 ff. (902). 62 BetrAV 1985, 189ff. (193). 63 BetrAVG, Arb. Gr. Rdnr. 447. 64 Der vollkommene Kapitalmarkt zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: keine Differenzierung zwischen Eigen- und Fremdkapital, einheitlicher konstanter Marktzins (Sollzinsfuß=Habenzinsfuß), unbeschränkte Kapitalaufnahme- und -anlagemöglichkeiten, vollkommene Markttransparenz, vgl. nur Schulte, Wirtschaftlichkeitsrechnung, S.66f. 65 Vgl. Schulte, Wirtschaftlichkeitsrechnung, S. 67. 66 Vgl. nur Wöhe, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 695. fIJ
61
9"
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§ 6 Die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Dotierungsrahmen
schlagen einige Autoren beispielsweise vor, den Kalkulationszinsfuß in Höhe der Kosten des teuersten vom Unternehmen in Anspruch genommenen Kapitals anzusetzen 68. Albach meint demgegenüber, daß der Kalkulationszinsfuß völlig losgelöst von den Finanzierungskosten zu bestimmen sei. Der Kalkulationszinsfuß soll seiner Auffassung nach in Höhe der branchenüblichen Verzinsung angesetzt werden 69. Ebenfalls von Albach stammt der Vorschlag, als Kalkulationszinsfuß einen Satz zu wählen, welcher die langfristige durchschnittliche Rentabilität der Unternehmung widerspiegelt 70 • Eine völlig abweichende Auffassung vertritt wiederum Däumler, der den Kalkulationszinsfuß als subjektiv bestimmte Mindestverzinsung ansieht 71 • Diese Darstellung der Vorschläge zur Bestimmung des Kalkulationszinsfußes erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Bestimmung der Höhe des Kalkulationszinsfußes gehört zu den am heftigsten umstrittenen Problemen der Investitionsrechnung. Da jedoch keine für die Investitionsrechnung vorgeschlagene Methode die richtige in dem Sinne ist, daß nur sie den Kalkulationszinsfuß "zutreffend" bestimmt, vielmehr alle Methoden diesen Zinsfuß nur tendenziell angeben können, ist der Arbeitgeber in der Praxis auch nicht an eine bestimmte Methode gebunden. Er kann selbst entscheiden, welche Methode er anwendet, und damit auch, wie er den Kalkulationszinsfuß schätzt. Dem Betriebsrat kommt in Hinblick auf die Bestimmung des Kalkulationszinsfußes für die Diskontierung der einzelnen in den unterschiedlichen Jahren voraussichtlich zu erbringenden Leistungen kein Mitbestimmungsrecht zu. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erstreckt sich das Beteiligungsrecht der Arbeitnehmervertretung nur auf die Mitbestimmung über den Leistungsplan. Der Arbeitgeber bestimmt mitbestimmungsfrei über die Dotierung. Das schließt nicht nur sein Recht ein, über die Prämissen zur Ermittlung des Dotierungsrahmens frei zu befinden 72. Auch die Festlegung des Kalkulationszinssatzes gehört hierzu. Von dem jeweiligen konkreten Kalkulationszinssatz hängt es nämlich entscheidend ab, ob sich der Regelungsvorschlag des Betriebsrats noch im Rahmen der mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierung hält. Daß der Arbeitgeber sich bei der Festlegung des Kalkulationszinsfußes nur innerhalb realistischer Größen bewegen darf, der Kalkulationszinsfuß sich demnach irgendwo zwischen dem Zins für langfristiges Fremdkapital und langfristig angelegtes Eigenkapital einpendeln muß, gebietet im übrigen nicht nur das Willkürverbot, sondern auch die kaufmännische Klugheit. Der Arbeitgeber wird ein Interesse daran haben, den Kalkulationszinsfuß so zutreffend wie möglich zu bestimmen, weil sich nur mit Hilfe eines annähernd richtigen Zinsfußes die Einhaltung des Dotierungsrahmens sachgerecht feststellen läßt. 67 68
69 70 71
72
Vgl. die Übersicht bei Schulte, Wirtschaftlichkeitsrechnung, S. 72 ff. Biergans, Investitionsrechnung, S. 248; Moxter, ZfhF 1961, 186 ff. (189). Albach, Wirtschaftlichkeitsrechnung, S. 38. Investition und Liquidität, S. 86. Däumler, Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnung, S. 52. Vgl. Ausführungen zu § 6 IV. B.
V. Der Dotierungsrahrnen bei Änderung einer Sozialleistung
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V. Die Einhaltung des Dotierungsrahmens bei der Änderung einer betrieblichen Sozialleistung Dem Betriebsrat steht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG das Recht zur Mitbestimmung über den Leistungsplan nicht nur bei der erstmaligen Einführung, sondern ebenso bei der Änderung einer betrieblichen Sozialleistung zu. Auch für die Umgestaltung einer betrieblichen Sozialleistung gilt, daß sich das Regelungsverlangen des Betriebsrats innerhalb der Grenzen des arbeitgeberseitig festgelegten Dotierungsrahmens halten muß.
A. Der bei der Änderung einer betrieblichen Sozialleistung maßgebliche Dotierungsrahmen 1. Die Umgestaltung einer betrieblichen Sozialleistung auf Initiative des Arbeitgebers
Die Initiative für die Umgestaltung einer betrieblichen Sozialleistung kann vom Arbeitgeber ausgehen. In diesem Fall wird in der Regel ein neuer Dotierungsrahmen festgelegt. Der Arbeitgeber kann ein Interesse daran haben, lediglich das Verteilungskonzept zu ändern, d. h. die betriebliche Sozialleistung umzustrukturieren. Da es ,,kostenneutrale" Umstrukturierungen in der Regel jedoch nicht gibt 73, weil nahezu jede Änderung des Leistungsplans selbst bei gleichen Prämissen zu einer Veränderung der Dotierung führt, legt der Arbeitgeber mit einer vom ihm vorgeschlagenen Umgestaltung des Leistungsplans regelmäßig inzidenter einen neuen Dotierungsrahmen fest. Dieser neue Dotierungsrahmen bildet dann die Grenze für den Regelungsvorschlag, den der Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung über den Verteilungsplan einbringen kann. Änderungen von betrieblichen Sozialleistungen, die mit einer nur unwesentlichen Verschiebung des Dotierungsrahmens verbunden sind, werden in der Praxis jedoch die Ausnahme sein 74 . Üblicherweise wird ein neues Verteilungskonzept für den Arbeitgeber nur dann von Interesse sein, wenn es eine wesentliche Kostenerspamis bewirkt. Deshalb wird ein Arbeitgeber die Initiative für eine Änderung eines bereits bestehenden Leistungsplans regelmäßig nur dann ergreifen, wenn er den Dotierungsrahmen herabsetzen möchte. Während die Kürzung der Dotierung selbst mitbestimmungsfrei ist, hat der Betriebsrat darüber mitzubestimmen, wie das gekürzte Leistungsvolumen auf die Arbeitnehmer verteilt werden so1l75. 73 Deshalb ist es eine Illusion, wenn das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschl. v. GS 1/82 - , DB 1987,383 ff. (388) davon spricht, daß das Günstigkeitsprinzip einer Neuregelung nicht entgegensteht, wenn die geplanten Aufwendungen des Arbeitgebers für die Sozialleistung konstant bleiben. 74 Vgl. nur Belling, DB 1987, 1888 ff. (1889); Kemper, DB 1987,986 ff. (986) für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. 16.9.1986 -
134
§ 6 Die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Dotierungsrahmen
2. Die Umgestaltung einer betrieblichen Sozialleistung auf Initiative des Betriebsrats
Die Initiative für die Änderung einer betrieblichen Sozialleistung kann, da das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG das sog. Initiativrecht einschließt, auch vom Betriebsrat ausgehen. Da dem Betriebsrat das Recht zur Mitbestimmung über den Leistungsplan aber von vornherein nur innerhalb der vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei festgelegten Entscheidungen zusteht, muß er darlegen, wie der vom Arbeitgeber festgelegte Dotierungsrahmen gewahrt bleiben kann 76. Das Bundesarbeitsgericht formuliert im Zusammenhang mit den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung wie folgt 77: "Ein Betriebsrat, der eine Änderung der betrieblichen Altersversorgung wünscht, muß konstruktive Vorschläge machen. Will er erreichen, daß die Leistungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen verbessert werden, so muß er darlegen, wie der vom Arbeitgeber vorgegebene Dotierungsrahmen gewahrt werden kann. In der Regel wird dies bedeuten, daß er Leistungskürzungen an anderen Stellen des Versorgungswerkes vorschlagen muß". Geht es bei der Umgestaltung einer betrieblichen Sozialleistung um die Änderung eines zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam ausgehandelten Verteilungskonzepts, so gilt folgendes: Macht der Arbeitgeber von seinem Recht Gebrauch, mitbestimmungsfrei die Dotierung zu ändern, so ist der neue Dotierungsrahmen die maßgebliche Grenze für das Änderungsverlangen des Betriebsrats. Sieht der Arbeitgeber hingegen von einer abweichenden Festlegung des Dotierungsrahmens ab, so bleibt der ursprüngliche Dotierungsrahmen verbindlich. Der ursprüngliche Dotierungsrahmen läßt sich unschwer feststellen. Sofern der Arbeitgeber das Gesamtleistungsvolumen bei der Einführung einer betrieblichen Sozialleistung in Form eines einheitlichen Gesamtbetrages vorgegeben hat, so ist dieser Gesamtbetrag der ursprüngliche Dotierungsrahmen, den das Regelungsverlangen des Betriebsrats nicht übersteigen darf. Hat der Arbeitgeber hingegen den Dotierungsrahmen in der Weise bestimmt, daß er das für die einzelnen Jahre prognostizierte Leistungsvolumen festgelegt hat, so ist der ursprüngliche Dotierungsrahmen die Gesamtheit der jährlich prognostizierten Leistungen vom Zeitpunkt des Änderungsverlangens des Betriebsrats an. Geht es um die Änderung eines Verteilungskonzepts, das vom Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrats aufgestellt und gehandhabt wurde, so kann es 75 Vg!. nur BAG, Besch!. v. 13.7.1978 3 ABR 108/77 - , AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Dietz / Richardi. BetrVG, § 87 Rdnr.537. 76 Unverständlich ist es, wenn das Bundesarbeitsgericht die Pflicht zur Einhaltung des ursprünglichen Dotierungsrahmens aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 BetrVG ableitet, vg!. BAG, Besch!. v. 12.6.1975 - 1 ABR 13/74, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 77 Vg!. Besch!. v. 12.6.1975 3 ABR 13/74 -, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung.
V. Der Dotierungsrahmen bei Änderung einer Sozialleistung
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auf einen ursprünglichen Dotierungsrahmen nicht ankommen 78. Denn in diesem Fall hat der Arbeitgeber, selbst wenn er sich vor dem Leistungsversprechen Gedanken über die im Verlaufe der Zeit auf ihn zukommenden Leistungsverpflichtungen gemacht haben sollte, noch keinen für die Mitbestimmung maßgeblichen Dotierungsrahmen festgelegt. Hier muß der Arbeitgeber dem auf Änderung des Verteilungskonzepts drängenden Betriebsrat zunächst einmal seine Entscheidung über die "neue" Dotierung mitteilen, damit der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht überhaupt ausüben kann. Der Arbeitgeber muß den Betriebsrat bei der Festlegung des "neuen" Gesamtleistungsvolumens zwar nicht beteiligen, von einer Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers über den "neuen" Dotierungsrahmen kann nach dem Beschluß des Großen Senats zur ablösenden Betriebsvereinbarung vom 16. September 1986 79 dennoch nicht die Rede sein. Denn geht es darum, betriebliche Sozialleistungen, die auf einer Gesamtzusage oder arbeitsvertraglichen Einheitsrege1ung des Arbeitgebers beruhen, durch eine Betriebsvereinbarung umzustrukturieren, so soll der Arbeitgeber nach Ansicht des Großen Senats an die wirtschaftliche Gesamtlast seiner Zusagen gebunden sein. Die wirtschaftliche Gesamtlast der Zusagen bildet den Mindest-Dotierungsrahmen, den der Arbeitgeber dem Betriebsrat vorzugeben hat.
B. Die Berechnung der finanziellen Auswirkungen des Änderungsverlangens des Betriebsrats und ihr Vergleich mit dem arbeitgeberseitig festgelegten Dotierungsrahmen Hinsichtlich der Berechnung der finanziellen Auswirkungen des Änderungsvorschlags des Betriebsrats und ihres Vergleichs mit dem arbeitgeberseitig festgelegten Dotierungsrahmen gelten bei der Änderung einer betrieblichen Sozialleistung dieselben Erwägungen wie bei ihrer erstmaligen Einführung. Der Arbeitgeber muß dem Betriebsrat die zur Berechnung der finanziellen Auswirkungen seines Regelungsvorschlags erforderlichen Rechenprämissen nennen 80. Sind die finanziellen Auswirkungen des vom Betriebsrat vorgeschlagenen Leistungsplans ermittelt, so kann durch einen Vergleich mit dem vom Arbeitgeber festgesetzten Dotierungsrahmen festgestellt werden, ob das Regelungsverlangen des Betriebsrats sich innerhalb der Zuständigkeitsgrenzen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hält. Hinsichtlich der Durchführung des Vergleichs wird auf die Ausführungen zu § 5 IV. C. verwiesen.
78
a.A. wohl Belling, OB 1987, 1888 ff. (1894).
79 -
80
GS 1/82 -, OB 1987,383 ff. (387).
Vgl. Ausführungen zu § 6 IV. B.
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§ 6 Die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Dotierungsrahmen
VI. Die Neuregelung einer betrieblichen Sozialleistung zwecks Anpassung des Leistungsvolumens an den bei der Einführung der Leistung vorausgesetzten Dotierungsrahmen Es ist denkbar, daß die aufgrund der Leistungszusage tatsächlich zu erbringenden Leistungen im Verlaufe der Zeit das bei der Einführung der Leistung prognostizierte Leistungsvolumen übersteigen. Derartige Abweichungen vom vorausgesetzten Dotierungsrahmen können ihren Grund u. a. darin haben, daß sich die vom Arbeitgeber bei der Berechnung des Gesamtaufwands zugrundegelegten Prämissen infolge einer unerwarteten Entwicklung des Betriebs nachträglich als unzutreffend erweisen. Ein Überschreiten des Dotierungsrahmens kann aber ebensogut deswegen eintreten, weil sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Leistung geändert haben. So kann beispielsweise ein verändertes Verständnis des Gleichbehandlungsgrundsatzes dazu führen, daß der Arbeitgeber betriebliche Sozialleistungen an einen weitaus größeren Personenkreis erbringen muß, als er es ursprünglich beabsichtigt und vorhergesehen hat 81. In all diesen Fällen stellt sich die Frage, inwieweit durch eine Änderung des Leistungsplans bereits zugesagte Leistungen individualrechtlich wirksam gekürzt werden dürfen, um das Leistungsvolumen auf den ursprünglichen Dotierungsrahmen zurückzuführen. Nach herrschender Meinung kann eine Betriebsvereinbarung grundsätzlich durch eine spätere Betriebsvereinbarung mit unmittelbarer Wirkung für die Belegschaft aufgehoben und abgeändert werden, und zwar nicht nur zugunsten, sondern auch zulasten der Arbeitnehmer. Es gilt das Ablösungsprinzip 82. Allerdings muß eine solche Ablösung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Grenzen von Recht und Billigkeit, insbesondere den Vertrauensschutzgedanken beachten 83 • Das bedeutet, daß auch bei der Ablösung einer Betriebsvereinbarung individuelle Besitzstände der Arbeitnehmer nicht schutzlos sind 84. 81 Beispielsfälle sind die Aufnahme von Teilzeitbeschäftigten in den Kreis der Versorgungsberechtigten (vgl. BAG, Urt. v. 14.10.1986- 3 AZR 66/83 - , BB 1987,829 ff.), die Einführung einer Witwerrente und die Harmonisierung der Pensionsalter für Männer und Frauen. 82 Vgl. nur BAG, Beschl. v. 16.3.1956 GS 1/55 - , AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG; Urt. v. 30.11.1970 - 3 AZR 44/68 - , AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt; Urt. v. 24.3.1981 - 1 AZR 805/78 - , AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972; Dietz I Richardi, BetrVG, § 77 Rdnr. 118; Fitting I Auffahrt I Kaiser I Heither, BetrVG, § 77 Rdnr. 39 a; Galperin I Löwisch, BetrVG, § 77 Rdnr. 68; Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 77 Rdnr.49. 83 Vgl. nur BAG, Urt. v. 24.3.1981-1 AZR 805/78 - , AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972; zur im Schrifttum nicht unumstrittenen Billigkeitskontrolle vgl. nur Dietz I Richardi, BetrVG, § 77 Rdnr. 86; Fitting I Auffahrt I Kaiser I Heither, BetrVG, § 77 Rdnr. 39 b; Galperin I Löwisch, BetrVG, § 77 Rdnr. 68; Hess I Schlochauer I Glaubitz, BetrVG, § 77 Rdnr. 24; Löwisch, BetrVG, § 77 Rdnr. 86; gegen eine Billigkeitskontrolle beispielsweise GK-Thiele, BetrVG, § 77 Rdnr. 69; Stege I Weinspach, BetrVG, § 77 Rdnr. 24 a. 84 Vgl. nurBAG, Beschl. v. 12.6.1975-3 ABR 13/74-, APNr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; Beschl. v. 16.9.1986 - GS 1/82 - , DB 1987,383 ff. (388).
VI. Die Anpassung des Leistungsvolumens an den Dotierungsrahmen
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Wieweit der Vertrauensschutz der Arbeitnehmer bei der Ablösung einer Betriebsvereinbarung reicht, ist vom Bundesarbeitsgericht bislang fast ausschließlich für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung entschieden worden 85. Nach Auffassung des Gerichts macht der Vertrauensschutzgedanke eine Abwägung der Änderungsgründe des Arbeitgebers gegenüber den Bestandsschutzinteressen der Arbeitnehmer erforderlich. Dabei sollen an die Gewichtigkeit der Änderungsgründe des Arbeitgebers um so höhere Anforderungen zu stellen sein, je schwerer der Eingriff in die Besitzstände der Arbeitnehmer wiegt. Für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung hat das BAG diese grundsätzlichen Ausführungen wie folgt konkretisiert: Das Gericht unterscheidet zwischen dem bereits erdienten und dem noch nicht erdienten Teil des Versorgungsrechts. Bereits erdiente Versorgungsanwartschaften und deren Teilwert sollen von vornherein so schutzwürdig sein, daß sie durch Änderungsgründe des Arbeitgebers grundsätzlich nicht aufgewogen werden können. Bereits erdiente Versorgungsanwartschaften und deren Teilwert sollen daher einer ablösenden oder sie zum Nachteil der Arbeitnehmer abändernden Betriebsvereinbarung grundsätzlich entzogen sein. Der noch nicht erdiente Teil des Versorgungsanspruchs soll hingegen weniger geschützt sein. Hinsichtlich dieses Teils des Versorgungsanspruchs könnten die Arbeitnehmer nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß eine einmal geschaffene Versorgungsordnung unverändert aufrechterhalten bleibe. Sie müßten vielmehr billigerweise damit rechnen, daß die Versorgungsordnung aus sachlichen Gründen geändert wird. Ob und ggfls. inwieweit die Änderung einer Versorgungsordnung bezüglich des noch nicht erdienten Teils einer Versorgungsanwartschaft im Einzelfall letztlich zulässig ist, soll nach Ansicht des Gerichts von einer Abwägung der konkreten Änderungsgründe des Arbeitgebers gegenüber den konkreten Bestandsschutzinteressen der Arbeitnehmer abhängen. Dabei sollen rentennahe Jahrgänge regelmäßig von Verschlechterungen ausgenommen sein, weil bei ihnen das Schutzbedürfnis besonders schwer wiege und nur durch ungewöhnlich dringende Änderungsgründe aufgewogen werden könne. Inwieweit die zur Ablösung von Versorgungsordnungen entwickelten Regeln auch für Ansprüche der Arbeitnehmer auf andere Sozialleistungen in Betracht kommen, ist vom Bundesarbeitsgericht, soweit ersichtlich, erstmalig 86 im Jahre 1987 entschieden worden. In seinem Urteil vom 3. November 1987 87 hat der 85 Vg!. nur BAG, Besch!. v. 8.12.1981-3 AZR 55/80-, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung; Besch!. v. 30.4.1985 - 3 AZR 611/83 -, AP Nr.4 zu § 1 BetrAVG Ablösung; Urt. v. 22.4. 1986 - 3 AZR 496/83 -, BB 1986, 1506 ff.; Zusammenfassung in BAG, Besch!. v. 16.9.1986 - GS 1/82 -, DB 1987,383 ff. (388); zuletzt ausführlich Urt. v. 17.3.1987 - 3 AZR 64/84 - , NZA 1987,855 ff. 86 Der Große Senat hat diese Frage in seinem Beschluß vom 16.9.1986 - GS 1/82 -, DB 1987, 383 ff. (388) zwar angesprochen, jedoch nicht vertieft. Das Gericht hat lediglich darauf hingewiesen, daß Abänderungen nur in den Grenzen von Recht und Billigkeit zulässig sind. Die Ausgestaltung dieses Schutzes hat der Große Senat ausdrücklich den Fachsenaten überlassen. 87 8 AZR 316/81 -, NZA 1988,509 ff.
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§ 6 Die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Dotierungsrahmen
8. Senat die Ablösbarkeit einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung über Jubiläumszuwendungen durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung ausdrücklich unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Gerichts zum Schutz von Besitzständen bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung beurteilt. Der 8. Senat hat dabei zutreffend festgestellt, daß die vom BAG zur Ablösung einer Versorgungsordnung aufgestellten Regeln auf Jubiläumszuwendungen allerdings nicht uneingeschränkt anwendbar sind. Zur Begründung führt das Gericht aus, daß Ansprüche auf Jubiläumszuwendungen hinsichtlich des zu beachtenden Vertrauensschutzes mit Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung rechtlich nicht gleichgesetzt werden könnten. Bei Jubiläumszuwendungen entstehe der Anspruch auf die Leistung erst mit dem Stichtag. Anders als bei Versorgungsleistungen sei für die Jubiläumszuwendungen der Erwerb eines Teilanspruchs in Höhe eines Bruchteils der Leistung gesetzlich nicht vorgesehen. Deshalb bestünde bei den Arbeitnehmern auch kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, schon vor dem Stichtag einen entsprechenden Anteil zu erwerben. Für Jubiläumszuwendungen habe daher (ebenso wie für den noch nicht erdienten Teil des Versorgungsanspruchs) zu gelten, daß die Arbeitnehmer mit einer Änderung der Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich rechnen müßten. Dem auch bei der Ablösung von Richtlinien über Jubiläumszuwendungen zu beachtenden Vertrauensschutzgedanken hat das Gericht durch eine Abwägung der Änderungsgründe des Arbeitgebers gegenüber dem Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer Rechnung getragen. Die Ausführungen, die der 8. Senat in seinem Urteil vom 3. November 1987 zur Ablösbarkeit von Richtlinien über Jubiläumszuwendungen durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung gemacht hat, müssen auch für andere betriebliche Sozialleistungen gelten, die keine Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind. Bei all diesen Leistungen kann in Ermangelung entsprechender gesetzlicher Bestimmungen ein Teilanspruch nicht erworben werden. Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden, daß Betriebsvereinbarungen über betriebliche Sozialleistungen idR 88 durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung insoweit auch zulasten der Arbeitnehmer abgelöst werden können, als die Abwägung der Änderungsgründe des Arbeitgebers gegenüber den Bestandsschutzinteressen der Arbeitnehmer nicht im Einzelfall ein Überwiegen des Bestandsschutzinteresses der Arbeitnehmer ergibt. Das Interesse der Arbeitnehmer am unveränderten Bestand einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Sozialleistungen wird das Interesse des Arbeitgebers an der Änderung der Leistungsordnung zum Zwecke der Kürzung der Leistung jedoch dann nicht überwiegen können, wenn sich der Finanzierungsbedarf der betrieblichen Sozialleistung infolge einer unerwarteten Entwicklung der Sachoder Rechtslage anders als geplant gestaltet hat und die Änderung des Leistungs88 Für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gelten die vorab dargestellten Besonderheiten.
VI. Oie Anpassung des Leistungsvolumens an den Ootierungsrahmen
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plans dazu dient, das Gesamtleistungsvolumen auf den ursprünglichen Dotierungsrahmen zurückzuführen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Der Arbeitgeber hat bei der Einführung einer freiwilligen betrieblichen Sozialleistung ein bestimmtes Leistungsvolumen vorausgesetzt. Er hat auf der Grundlage von Prämissen seinen Dotierungsrahmen festgelegt und damit den finanziellen Rahmen für die Leistung abgesteckt. Auf diesen finanziellen Rahmen muß der Arbeitgeber sich billigerweise immer dann berufen können, wenn sich der Finanzierungsbedarf für die betriebliche Sozialleistung infolge einer Veränderung der Sach- oder Rechtslage ändert, die nicht absehbar war. Hätte der Arbeitgeber die Entwicklung der Sach- oder Rechtslage nämlich vorhergesehen, so hätte er sie bei seiner Planung berücksichtigt. Möglicherweise hätte er den Dotierungsrahmen von vornherein anders verteilt, d. h. einen anderen Personenkreis ausgewählt. U. U. hätte er aber auch, da es sich um eine freiwillige Leistung handelt, von der Erbringung der Leistung ganz abgesehen. Unter diesem Aspekt ist es nicht gerechtfertigt, dem Arbeitgeber das Risiko eines gesteigerten Finanzierungsbedarfs dann aufzubürden, wenn die Mittelerhöhung ihren Grund in unvorhersehbaren und damit nicht einplanbaren Veränderungen der Sach- oder Rechtslage hat. Für die Arbeitnehmer hat dies zur Konsequenz, daß sie billigerweise nicht darauf vertrauen können, daß der Arbeitgeber eine Überschreitung seiner vorab festgelegten finanziellen Belastungsgrenze 89 infolge einer nicht vorhersehbaren Änderung der Sach- oder Rechtslage unkorrigiert lassen wird. Im Gegenteil, die Arbeitnehmer müssen vielmehr gerade damit rechnen, daß der Arbeitgeber die zusätzlichen Belastungen, die durch eine unvorhersehbare Veränderung der Sachund Rechtslage verursacht werden, durch eine Änderung des Leistungsplans ausgleichen wird. Abschließend kann demnach festgehalten werden, daß Änderungen von Betriebsvereinbarungen über betriebliche Sozialleistungen auch zu lasten der Arbeitnehmer immer dann zulässig sind, wenn sich der Finanzierungsbedarf für die Leistung infolge einer nicht vorhersehrbaren Entwicklung betrieblicher Gegebenheiten und rechtlicher Rahmenbedingungen erhöht hat und die Änderung des Leistungsplans dazu dient, das Gesamtleistungsvolumen auf den ursprünglichen Dotierungsrahmen zurückzuführen 90.
89
In diesem Sinne auch Blomeyer, OB 1984, 926 ff. (932 f.).
So im Ergebnis auch BAG, Vrt. v. 22.4.1986 - 3 AZR 496/83 -, BB 1986, 1506 ff. (1508 f.); ABA, BetrAV 1986, 22 ff. (24); Ahrend, BetrAV 1982, 96 ff. (97); Ahrend / Dernberger / Rößler, BB 1988, 333 ff. (338); Hilger / Stumpf, in: FS Müller, S. 209 ff. (211); Lubnow, BetrAV 1986, 34 ff. (36); einschränkend auch Höjer / Abt, BetrAVG, Arb. Gr. Rdnr. 453, 453 a; zu dieser Frage vgl. auch Blomeyer, OB 1984, 926 ff. (932 f.); a.A. Boecken, OB 1989, 924 ff. (930). 90
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§ 6 Die praktischen Auswirkungen der Lehre vom Dotierungsrahmen
VII. Abschließende Würdigung der Theorie vom "mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen" Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, daß die Theorie vom mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen für die betriebliche Praxis nicht ohne Probleme ist. Dies gilt in besonderem Maße für den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber muß nicht nur gegenüber dem Betriebsrat den Dotierungsrahmen festlegen. Er muß der Arbeitnehmervertretung auch die Informationen geben, die diese benötigt, um die finanziellen Auswirkungen ihres Regelungsvorschlags berechnen zu können. Sowohl bei der Festlegung seines eigenen Dotierungsrahmens, als auch bei der Feststellung der für die Berechnung der finanziellen Auswirkungen des Betriebsratsmodells erforderlichen Prämissen kann der Arbeitgeber nicht immer auf eigenes Erfahrungswissen und eigene Vorstellungen im Hinblick auf die geplante Entwicklung des Unternehmens zurückgreifen. Zum Teil muß er sich zudem finanz- bzw. versicherungsmathematischer Erkenntnisse bedienen; u. U. muß er sogar Sachverständige mit der Berechnung der finanziellen Auswirkungen der unterschiedlichen Leistungspläne beauftragen. Hierdurch entstehen dem Arbeitgeber selbstverständlich Kosten. Dies alles spricht jedoch nicht gegen die Theorie vom mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmen. Da freiwillige betriebliche Sozialleistungen nachhaltig die Personalkosten beeinflussen, wird sich ein Arbeitgeber zur Erbringung derartiger Leistungen ohnehin nur verpflichten wollen, wenn er sich zuvor Aufschluß über die im Verlaufe der Zeit aus seiner Leistungszusage erwachsenden Leistungsverpflichtungen verschafft hat. Das bedeutet, daß der Arbeitgeber unabhängig davon, ob in seinem Betrieb ein Betriebsrat besteht, die Vergabe betrieblicher Sozialleistungen planen wird. Daß der Arbeitgeber seine Planungen im wesentlichen auf Prognosen stützen muß, stellt ihn auch nicht vor unüberwindbare Schwierigkeiten. Der Umfang der erforderlichen Planungen variiert, wie die vorangegangenen Ausführungen ebenfalls gezeigt haben, je nach der Komplexität des Planungsgegenstandes. Nicht in jedem Fall wird sich der Arbeitgeber komplizierter mathematischer bzw. betriebs wirtschaftlicher Berechnungsverfahren bedienen müssen und nicht in jedem Fall wird der Arbeitgeber daher die Änderungsvorschläge des Betriebsrats von sachverständigen Stellen durchrechnen lassen müssen. Im übrigen hängt es entscheidend vom Verhandlungsgeschick des Arbeitgebers ab, inwieweit ihm durch die Mitbestimmung überhaupt weitere Kosten entstehen. Der Arbeitgeber kann sich frühzeitig, d. h. vor Beginn des eigentlichen Mitbestimmungsverfahrens mit dem Betriebsrat an einen Tisch setzen, um dessen Vorstellungen bezüglich der Ausgestaltung der Leistung in Erfahrung zu bringen und um mit ihm gemeinsam die künftige Struktur des Leistungsplans informell zu beraten. Eine frühzeitige Beteiligung des Betriebsrats eröffnet dem Arbeitgeber die Möglichkeit, Alternativvorschläge des Betriebsrats von vornherein in sein Regelungskonzept einzubeziehen und so eine abweichende Stellungnahme der Arbeitnehmervertretung zu vermeiden.
§ 7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 1. Entscheidungen und Maßnahmen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen unterliegen insoweit der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, als es sich um Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere um die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung, Anwendung und Änderung von Entlohnungsmethoden handelt. a) Welcher Bedeutungsgehalt dem unbestimmten Rechtsbegriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" zukommt, läßt sich durch Auslegung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG anhand systematisch-teleologischer Auslegungskriterien ermitteln. Besondere Bedeutung für die Konkretisierung der "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" kommt den in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufgeführten Beispielsfallen "Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und Einführung, Anwendung und Änderung von Entlohnungsmethoden" zu. Diese Beispielsfalle haben die Funktion, den Oberbegriff "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" näher zu erläutern und damit die Interpretation in die richtige Richtung zu lenken. b) Aus der gesetzlichen Systematik und dem Telos des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG folgt, daß die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung über die rein technischen Lohnfindungsregelungen, die Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden hinaus all die Regelungen sind, von denen bei der Ausgestaltung der einzelnen Lohnformen die Lohngerechtigkeit abhängt. Damit setzen die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung die Entscheidungen darüber voraus, ob überhaupt, an wen, in welcher Höhe und mit welchem unternehmerischen Ziel Lohn erbracht wird. c) Bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen kann der Arbeitgeber 5 Vorentscheidungen (bei Versorgungsleistungen 6 Vorentscheidungen) frei treffen, ehe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats einsetzt: Der Arbeitgeber kann mitbestimmungsfrei darüber befinden, ob er überhaupt Lohn erbringen will. Das bedeutet, daß nicht nur die Entscheidung über die Einführung einer betrieblichen Sozialleistung, sondern auch die Entscheidungen über deren Einschränkung und Abschaffung nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Ebenso frei ist der Arbeitgeber in seinen Entscheidungen über das unternehmerische Ziel, das er mit der Erbringung der Leistung verfolgt, über den Zweck der Leistung iS ihres Charakters und über die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nach abstrakten Merkmalen. Zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises
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§ 7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
nach abstrakten Merkmalen gehören auch Wartezeitregelungen, soweit durch sie nicht subjektiverfüllbare Kriterien der Leistungsvergabe festgelegt werden. Bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung entscheidet der Arbeitgeber zudem mitbestimmungsfrei über die Versorgungsform. Zu den mitbestimmungsfreien Vorentscheidungen des Arbeitgebers gehört letztlich auch seine Entscheidung über die Höhe des Entgelts. Da dem Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung bei der Vergabe freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eine Verteilungsaufgabe zukommt, und diese Verteilungsaufgabe vom Betriebsrat sachgerecht nur in Kenntnis des Gesamtleistungsvolumens wahrgenommen werden kann, kann der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei lediglich die Gesamtlohnhöhe, d. h. den sog. Dotierungsrahmen festlegen. d) Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bezieht sich bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen auf die Ausgestaltung der Leistung, d. h. auf die Verteilung der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mittel. Deshalb bestimmt der Betriebsrat über den Leistungsplan, d. h. über die Bezugsbedingungen für die Leistung und über die Höhe der Einzelleistung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Dotierung mit. Zur mitbestimmungspflichtigen Ausgestaltung der Leistung gehören neben Wartezeitregelungen, durch die ein subjektiv zu erfüllendes und auch erfüllbares Kriterium der Leistungsvergabe festgelegt wird, auch die Bildung unterschiedlicher Vergütungsgruppen und die Verteilung der Mittel auf diese Gruppen. Aus diesem Grunde ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen gesonderte Dotierungsrahmen festzulegen. 2. Daß der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG "mitzubestimmen" hat, bedeutet zunächst einmal, daß er im Mitbestimmungsverfahren selbst eigene Vorschläge einbringen und diese notfalls über die Einigungsstelle durchsetzen kann. Das Recht zur Mitbestimmung umfaßt darüber hinaus auch das sog. Initiativrecht, wie sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik unter besonderer Berücksichtigung des Schutzzwecks betrieblicher Mitbestimmung ergibt. Ein "allgemeiner betriebsverfassungsrechtlicher Vorbehalt der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit", der eine einschränkende Auslegung des Gesetzes gebieten könnte, kann nicht anerkannt werden. Der Betriebsrat kann daher eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit von sich aus aufgreifen und zum Thema eines Mitbestimmungsverfahrens machen. Da der Arbeitgeber bei freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen aber mitbestimmungsfrei darüber befinden kann, ob und inwieweit er bestimmte betriebliche Sozialleistungen überhaupt erbringt, ist das Initiativrecht nur bei der Änderung eines bereits bestehenden Leistungsplans praktisch bedeutsam. Geht es um die erstmalige Einführung einer bestimmten betrieblichen Sozialleistung, muß der Betriebsrat abwarten, daß sich der Arbeitgeber zur Erbringung der Leistung entschließt und das Mitbestimmungsverfahren einleitet.
§ 7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
143
3. Entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts und der herrschenden Meinung im Schrifttum kann ein die Mitbestimmung des Betriebsrats einschränkender Grundsatz der Freiwilligkeit nicht anerkannt werden. Die Argumentation mit der Freiwilligkeit der Leistung selbst ist im wesentlichen als ein der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit abträgliches Wesensargument abzulehnen. Aber auch aus § 88 Nr. 2 BetrVG läßt sich ein allgemeiner Rechtsgedanke des Inhalts, daß der Arbeitgeber bei allen freiwilligen vermögenswerten Leistungen mitbestimmungsfrei über das "Ob", den Zweck, den Gesamtumfang der Leistung und den begünstigten Personenkreis befinden kann, nicht entnehmen. Die Beschränkung betrieblicher Mitbestimmung auf die Verteilung von Mitteln innerhalb eines vom Arbeitgeber vorgegebenen Gesamtleistungsvolumens ist eine Besonderheit nur der betrieblichen Sozialleistungen. Beim Arbeitsentgelt ieS gibt es hingegen keinen Dotierungsrahmen; hier gilt, daß der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei über die Höhe des Entgelts iS der Höhe der Einzelleistung befinden kann. 4. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Leistungsplan wird durch den sog. Dotierungsrahmen begrenzt. a) Der Dotierungsrahmen bezeichnet die Gesamtlohnhöhe, also das Gesamtvolumen der Mittel, die den Arbeitnehmern zukommen sollen. b) Der Dotierungsrahmen hat idR prognostischen Charakter. Die Gesamtlohnhöhe läßt sich vom Arbeitgeber sachgerecht idR nur in Kenntnis bestimmter betrieblicher Gegebenheiten und externer Einflüsse, d. h. auf der Grundlage von Prämissen bestimmen. Da die meisten freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen über einen längeren Zeitraum hinweg erbracht werden sollen, beruhen die Prämissen im wesentlichen auf Prognosen. c) Der Arbeitgeber kann den Dotierungsrahmen dadurch festlegen, daß er dem Betriebsrat einen einheitlichen Gesamtbetrag vorgibt. Bei Leistungen, die über einen längeren Zeitraum hinweg erbracht werden sollen, kann der Dotierungsrahmen auch in der Form bestimmt werden, daß dem Betriebsrat der Umfang der jährlich zu erbringenden Leistungen mitgeteilt wird. d) Daß das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Leistungsplan durch den sog. Dotierungsrahmen begrenzt wird, bedeutet nicht, daß die Arbeitnehmervertretung kostenneutrale Vorschläge unterbreiten muß. Der Betriebsrat muß lediglich einen Regelungsvorschlag machen, dessen finanziellen Auswirkungen den Dotierungsrahmen des Arbeitgebers nicht übersteigen. e) Das Leistungsvolumen, das sich aufgrund des Betriebsratsmodells ergibt, läßt sich ebenso wie der Dotierungsrahmen des Arbeitgebers idR nur auf der Grundlage von Prämissen bestimmen. Da der Betriebsrat zur Prämissenauswahl aber weder in der Lage noch berechtigt ist, muß der Arbeitgeber ihm die zur Berechnung der finanziellen Auswirkungen seines Modells erforderlichen
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§ 7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Rechenprämissen mitteilen. Ggfls. muß er die Vorschläge des Betriebsrats von sachverständigen Stellen durchrechnen lassen. Diese Pflichten des Arbeitgebers folgen aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. f) Ob das Regelungsverlangen des Betriebsrats sich innerhalb der Zuständigkeitsgrenzen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hält, ist durch einen Vergleich der finanziellen Auswirkungen des Betriebsratsmodells mit dem arbeitgeberseitig festgelegten Dotierungsrahmen festzustellen. Hat der Arbeitgeber den Dotierungsrahmen in der Weise festgelegt, daß er den Umfang der in den einzelnen Jahren der Leistungsvergabe voraussichtlich zu erbringenden Leistungen bestimmt hat, so sind Vergleichsgegenstand die durch die unterschiedlichen Leistungspläne bewirkten Zahlungsreihen. Diese Zahlungsreihen können durch die Bildung der Durchschnittswerte bzw. der Gesamtbarwerte vergleichbar gemacht werden. Die Methode des Gesamtbarwertvergleichs hat gegenüber der Methode des Durchschnittswertvergleichs den Vorzug, daß sie Zins wirkungen berücksichtigt.
g) Auch für die Umgestaltung einer betrieblichen Sozialleistung gilt, daß sich das Regelungsverlangen des Betriebsrats innerhalb der Grenzen des arbeitgeberseitig festgelegten Dotierungsrahmens halten muß. Geht die Initiative für die Umgestaltung einer betrieblichen Sozialleistung vom Arbeitgeber aus, so wird in der Regel ein neuer Dotierungsrahmen festgelegt. Geht die Initiative für die Umstrukturierung vom Betriebsrat aus, so ist zu unterscheiden: Reagiert der Arbeitgeber auf den Änderungsvorschlag des Betriebsrats mit einer Änderung des Dotierungsrahmens, so ist der neue Dotierungsrahmen die für das Regelungsverlangen des Betriebsrats maßgebliche Grenze. Sieht der Arbeitgeber von einer abweichenden Festlegung des Dotierungsrahmens ab, so bleibt der ursprüngliche Dotierungsrahmen verbindlich. Geht es um die Änderung eines Verteilungskonzepts, das der Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrats aufgestellt und gehandhabt hat, existiert noch kein Dotierungsrahmen. Hier muß der Arbeitgeber dem Betriebsrat seinen "neuen" Dotierungsrahmen erst mitteilen. h) Änderungen von Betriebsvereinbarungen über betriebliche Sozialleistungen zulasten der Arbeitnehmer sind insoweit ohne weiteres zulässig, als sich der Finanzierungsbedarf für die Leistung infolge einer nicht vorhersehbaren Entwick1ung betrieblicher Begebenheiten bzw. rechtlicher Rahmenbedingungen erhöht hat und das Gesamtleistungsvolumen auf den ursprünglichen Dotierungsrahmen zurückgeführt wird. Weitergehende Leistungskürzungen stehen unter dem Vorbehalt, daß eine Abwägung der Interessen der Arbeitnehmer am Bestand der Betriebsvereinbarung gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an der Kürzung der Leistung kein Überwiegen der Arbeitnehmerinteressen ergibt.
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