Die konkursrechtliche Behandlung der Sozialplanansprüche und der Ausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG [1 ed.] 9783428440078, 9783428040070


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German Pages 210 [211] Year 1977

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Die konkursrechtliche Behandlung der Sozialplanansprüche und der Ausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG [1 ed.]
 9783428440078, 9783428040070

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MARTIN SCHLÜTER

Die konkurs!echtliche Behandlung der Sozialplanansprüche und der Ausgleichsansprüche nach§ ll3 BetrVG

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 32

Die konkursrechtliche Behandlung der Sozialplanansprüche und der Ausgleichsansprüche nach§ 113 BetrVG

Von

Dr. Martin Schlüter

DUNCKER &

HUMBLOT

I

BERLIN

D6

Alle Rechte vorbehalten

@ 1977 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1977 bei Buchdruckerei A. Sayftaerth - E. L. Krohn, Berlln 61 Prlnted in Gennany ISBN S 428 04007 4o .

Vorwort Die vorliegende Untersuchung hat dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Jahre 1977 als Dissertation vorgelegen. Mein aufrichtiger Dank gilt den Herren Bundesverfassungsrichter a. D. Prof. Dr. Brox und Prof. Dr. Kollhosser sowie dem Fachbereich Rechtswissenschaft, die die Veröffentlichung der Arbe>it ermöglichten. Herrn Ministerialrat a. D. Prof. Dr. Johannes Broermann danke ich, daß er die Arbeit in seinen Verlag aufgenommen hat. Die Arbeit wurde am 15. Februar 1977 abgeschlossen. Literatur und Rechtsprechung konnten vereinzelt noch bis zum 15. Juli 1977 berücksichtigt werden.

Martin Schlilter

Inhaltsverzeichnis Einleitung § 1 Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

I. Überblick über die Entwicklung der Insolvenzen . . . . . . . . . . . . . .

19

II. Überblick über den Meinungsstand zur konkursrechtlichen Einordnung der Sozialplan- und Nachteilsausgleichsansprüche . . . . 20 1. Ansprüche aus der Zeit nach Konkurseröffnung . . . . . . . . . . . .

20

a) Masseschuldcharakter der Ansprüche (BAG, Richardi) . . . . 20 b) Gegenmeinungen in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . 21 2. Ansprüche aus der Zeit vor Konkurseröffnung . . . . . . . . . . . .

22

Erster Teil Rechtsnatur und Umfang der Ausgleichsansprüche der Arbeitnehmer bei Betriebsänderungen (§§ 112, 113 BetrVG) § 2 Überblick über die gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .

24

I. Unterschiede zwischen Sozialplan und Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Verhältnis der Verfahren zur Herbeiführung von Sozialplan und Interessenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 § 3 Ratio des Sozialplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

I. Überblick über den Streitstand . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Sozialplan als Rechtsgutentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

2. Entgeltanspruch wegen vorenthaltenen,Arbeitslohns

27

3. Kollektivrechtliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers . . . . . . . . 27

Inhaltsverzeichnis

8 li. Stellungnahme

1. These von der Rechtsgutentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

a) Beschränkter Schutz des Rechts am Arbeitsplatz . . . . . . . . aa) Individualrechtlicher Schutz des Arbeitsplatzes . . . . . . bb) Kollektivrechtlicher Schutz des Arbeitsplatzes durch § 113 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeit einer Parallele zwischen Sozialplanleistungen und einer Enteignungsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Oberprüfung der These von der Enteignungsentschädigung insbesondere bei der Betriebsstillegung . . . . . . . . . . . . aa) Veränderlichkeit des wirtschaftlichen Wertes des Arbeitsplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtslage bei teilweiser Betriebsstillegung . . . . . . . . . .

28 28 28 28 29 30 31 31 32

2. Gesetzgeberisches Motiv für die Einführung des Sozialplans 34 3. Fürsorgemaßnahme oder Gegenleistung des Arbeitgebers . . a) Fürsorge- und Entgelttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis der Sozialplan- zu anderen Sozialleistungen . . c) These vom "vorenthaltenen Arbeitslohn" . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entgelt- und Fürsorgecharakter des Sozialplans . . . . . . . . .

34 35 35 36 36

§ 4 Inhalt von Sozialplänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

I. Umfang der Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

1. Erzwungener Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 a) Ersatz wirtschaftlicher Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Möglichkeiten des Ersatzes immaterieller Nachteile . . . . . . 40

2. Vereinbarter Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

II. Gestaltung des Sozialplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 § 5 Bedeutung der Regelung des § 113 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

I. überblick über den Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

II. Ratio der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

1. Darstellung des Streitstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) These vom Bedeutungswandel des § 113 BetrVG 1972 gegenüber § 74 BetrVG 1952 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherstellung der Beteiligung des Betriebsrates an der Planung von Betriebsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen des § 113 BetrVG auf die Aufstellung von Sozialplänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44 44 45 46

Inhaltsverzeichnis § 6 Verhältnis der Ansprüche aus einem Sozialplan zu denen aus § 113

BetrVG ............. . . .. ................ .. .......................

I. Berücksichtigung von Leistungen nach § 113 BetrVG in einem

Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 47 48

II. Berücksichtigung des Sozialplans bei späterer Festlegung des Nachteilsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Zweiter Teit Konkursrechtliche Einordnung von vor Konkurseröffnung entstandenen Ansprüchen nach §§ 112, 113 BetrVG § 7 Behandlung von Ansprüchen der Arbeitnehmer aus einem vor Kon-

kurseröffnung aufgestellten Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Bedeutung der konkursrechtlichen Einordnung der Sozialplan-

ansprüche

51

......................... .. .. ................... ...

51

II. Überblick über den Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

1. Ablehnung eines Konkursvorrechts bzw. einer Masseschuld

52

2. Konkursvorrecht (Masseschuld) nur bei Lohnausgleichszah-

lungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3. Konkursvorrecht (Masseschuld) auch für Abfindungen, die

auf der Arbeitsleistung im Konkursvorjahr beruhen . . . . . . . .

4. AllgeJ?.eine konkursrechtliche Privilegierung von Sozialplan-

53 53

anspruchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

a) Die Auffassung Richardis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

b) Die Auffassungen von Körnig und Heinze . . . . . . . . . . . . . .

55

c) Die Auffassung Gauls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

1. Ausgleichszahlungen wegen rückständigen Arbeitsentgelts . .

56

a) Leistungen an bis zur Konkurseröffnung beschäftigte Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 aa) Anwendungsbereich der §§ 59 Abs. 1 Nr. 3 a, 61 Abs. 1 Nr.1 a KO . .. .... . .... . ..... .. .. .. ........ .. . ... .. . 56 bb) Möglichkeit des Verlusts der Privilegierung von Lohnforderungen durch Aufnahme in einen Sozialplan . . . 57 b) Leistungen an bereits vor Konkurseröffnung ausgeschiedene Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

10

Inhaltsverzeichnis 2. Laufende Sozialplanleistungen mit Lohnersatzfunktion a) Lohnersatzleistungen an bis zur Konkurseröffnung beschäftigte Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fortzahlung des bisherigen Gehalts (1) Möglichkeit der freien Vereinbarung des Arbeitsentgelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Soziale Erwägungen bei der Bestimmung der Gegenleistung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Problem der Massenützlichkeit der Arbeitsleistungen im Konkursvorjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausgleich von Nachteilen durch Lohnersatzleistungen b) Lohnersatzleistungen an bereits vor Konkurseröffnung ausgeschiedene Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nachteilsausgleich für die Zeit vor der Entlassung . . bb) Nachteilsausgleich für die Zeit nach der Entlassung . . (1) These Richardis vom Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses trotz Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Geltung der §§59 Abs. 1 Nr. 3 a, 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO für die laufenden Ansprüche aus aufgelösten Arbeitsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Analoge Anwendbarkeit der §§ 59 Abs. 1 Nr. 3 b und d bzw. 61 Abs. 1 Nr. 1 b und d KO . . . . . . . . . . cc) Rückständige Lohnausgleichszahlungen bei nach der Entlassung aufgestellten Sozialplänen . . . . . . . . . . . . . . .

60 60 60 60 61 62 65 65 65 65 67 69 70

3. Ansprüche auf Lohnersatzleistungen für die Zeit nach Konkurseröffnung aus zuvor aufgestellten Sozialplänen . . . . . . . . 71 a) Zusatzleistungen an weiterbeschäftigte Arbeitnehmer . . . . 71 b) Leistungen an bereits entlassene Arbeitnehmer . . . . . . . . . . 71 4. Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes . . . . . . . . . . . .

72

a) Überblick über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) These vom Anspruch "eigener Art" . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beziehung der Arbeitsplatzabfindung zur Arbeitsleistung im Konkursvorjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Soziales Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . dd) Bedeutung der zeitlichen Beschränkung des Vorrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Umfang der Bevorrechtigung der Arbeitsplatzabfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74 74 75 77 79 80

5. Pauschale Abfindungen für sämtliche Nachteile der Betriebsänderung einschließlich des Arbeitsplatzverlustes . . . . . . 81 a) Ermittlung des Lohnersatzanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

b) Umfang der Bevorrechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 6. Pauschale Abfindung für die konkreten Einbußen im Verdienst und Lebensstandard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Inhaltsverzeichnis

11

IV. Anfechtbarkeit von Sozialplänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

1. Anwendbarkeit der §§ 29 ff. KO auf den erzwingbaren So-

zialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

2. Konkursanfechtung nach § 30 KO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 30 Nr.1 1. Fall KO (Verschleuderungsanfechtung) . . . . . . aa) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anfechtung erzwungener Sozialpläne . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anfechtungsgegner ....... .. ..................... . . . b) Täuschungsanfechtung (§ 30 Nr. 1 2. Fall und Nr. 2 KO) . .

83 83 83 84 85 85

3. Absichtsanfechtung (§ 31 KO) .. .. .. .. . .. . .. . .. .. . . .. .. .. . ..

86

4. Schenkungsanfechtung (§ 32 KO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

5. Neuaufstellung von Sozialplänen nach Anfechtung . . . . . . . . . . 87 § 8 Konkursrechtliche Behandlung von Ansprüchen aus § 113 BetrVG,

die sich aus einem Verhalten des Gemeinschuldners vor Konkurseröffnung ergeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 I. Grundsätzliche konkursrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

II. Umfang der konkursrechtlichen Privilegierung des Nachteilsausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Abfindungen nach § 113 Absatz 1 und 3 BetrVG . . . . . . . . . . . .

89

2. Ausgleichsleistungen nach § 113 Absatz 2 BetrVG . . . . . . . . . . .

89

III. Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG bei Verletzung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrates durch den späteren Gemeinschuldner und Festsetzung der Abfindung nach Konkurseröffnung .................................................... .. ... 90

Dritter Teil Konkursrechtliclle Behandlung nach Konkurseröffnung entstandener Ansprüclle aus §§ 112, 113 BetrVG § 9 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Konkurs . . . . . . . . . . . . . .

91

I. Einführung in die Problematik und überblick über den Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Il. Verpflichtung zum Versuch eines Interessenausgleichs . . . . . . . . 1. Mitbestimmungsrechte bei Einleitung des Konkursverfah-

rens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93 93

12

Inhaltsverzeichnis 2. Mitbestimmungsrechte im eröffneten Verfahren

95

a) Arbeitgeberfunktion des Konkursverwalters

95

b) Stillegung im Konkurs als "geplante" Betriebsänderung . . 96 aa) Bedeutung des Begriffs "geplant" . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 bb) Anwendbarkeit der§§ 111 ff. BetrVG bei behördlichen Maßnahmen oder höherer Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Bedeutung des gesetzlichen Liquidationsauftrags des Konkursverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ermessensspielraum des Konkursverwalters bei der Verfahrensabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Konkurszeitbegrenzte Verhandlungen . . . . . . . . . . (2) Möglichkeit der Betriebsveräußerung . . . . . . . . . . . . bb) Eilbedürftigkeit von Stillegungsmaßnahmen im Konkurs .... . .................... .. ...................

98 99 99 99 100

d) Beachtung der Kompetenzen von Gläubigerversammlung und -ausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 aa) Stellung des Konkursverwalters als Außenorgan . . . . 102 bb) Parallele zu § 119 Abs. 1 Nr. 8 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 104 e) Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats . . . . aa) Mitbestimmungsrecht gegenüber dem Konkursverwalter ...... . .............................. .... .... bb) Auswirkungen des Mitbestimmungsrechts für die Entscheidungen von Gläubigerversaminlung und -ausschuß .. ...................................... .. .... cc) Folgen der hier vertretenen Auffassung . . . . . . . . . . . .

105 105 106 107

3. Zeitpunkt der Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens . . . . 108 a) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Unterrichtungs- und Verhandlungspftichten des Konkursverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III. Erzwingbarkeit eines Sozialplans im Konkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Vberblick über den Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

a) Erzwingbarkeit eines Sozialplans im Konkurs . . . . . . . . . . 110 b) Unzulässigkeit eines Sozialplans im Konkurs .... .. . ..... 110 2. "Konkursrecht geht vor Arbeitsrecht" oder "Arbeitsrecht geht vor Konkursrecht" ........ .... .... ... ............... .. .... 111 3. Problem der Konkurszweckwidrigkeit des Sozialplans . . . . .. 111 a) Die Auffassung von Berges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Sozialplanansprüche als bei Konkurseröffnung "bedingte" oder aber "künftige" Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 c) These von der Abwicklung bestehender Rechte als einzigem Konkurszweck .... .... ... . ....... .. ......... ... . 112

Inhaltsverzeiclulis 4. Normzweck des Sozialplans und Konkurs

13 114

a) Verhältnis zwischen Interessenausgleich und Sozialplan .. 114 aa) Die Auffassungen von Berges und Beuthien .. ... . .. 114 bb) Einfluß des Sozialplans auf die Unternehmerische Entscheidung .................. . ... . ........... .. ...... 114 cc) Möglichkeit eines Sozialplans bei Entfallen eines Interessenausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) These vom außerkonkursrechtlichen Schutzzweck des Sozialplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 c) These vom Sozialplan als Ausdruck des Interessengegensatzes zwischen Unternehmer und Arbeitnehmern . . . . . . aa) Tragender Rechtsgrund des Sozialplans . . . . . . . . . . . . . . bb) Belastung der Konkursgläubiger .............. . .. . .. cc) Möglichkeit einer teleologischen Reduktion des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117 117 118 118

5. Beachtung der Gläubigerinteressen bei Aufstellung des Sozialplans im Konkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) überblick über den Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Keine Berücksichtigung der Gläubigerinteressen im Konkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Angemessene Berücksichtigung der Gläubigerinteressen ...... .. . . .. . . . . ..... . . .. . . ... . .. . . . ..... . ... . . . 121 b) Stellungnahme . . ........ .. ...... . .......... . ...... .. .. aa) Auslegung des § 112 Abs. 4 S. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterschiede zwischen der Konkurssituation und dem Normalfall der Betriebsänderung ................ .... cc) Anwendbarkeit der Grundsätze der "par conditio creditorum" . .. . . . . ... .. ........... . .. . ........... .. dd) Maßstäbe für die Berücksichtigung der Glä ubigerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ertragskraft des Unternehmens . . . . .. .. ... . . ... (2) Unterschiedliche Auswirkungen auf die einzelnen Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Auswirkungen des Ranges der Sozialplanansprüche auf die Festsetzung ihrer Höhe . . . . . . . . (4) Spielraum für Konkursverwalter und Einigungsstelle ....... . ...... .. ...... .. ..... . .. .... ... . ..

122 122 123 124 125 125 126 126 127

6. Genehmigungsbedürftigkeit der vom Konkursverwalter vere inbarten Sozialpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Möglichkeit der Analogie zu § 133 Nr. 2 KO . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Möglichkeit der Analogie zu § 134 KO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 c) Exkurs: Genehmigungspflicht für den Interessenausgleich 129 7. Beachtung der konkursrechtlichen Kompetenzverteilung . . . . 130

14

Inhaltsverzeichnis 8. Mitwirkung der Gläubiger bei der Aufstellung des Sozialplans 131 a) Rechtsschutz vor der Einigungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Möglichkeit rechtlichen Gehörs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Pflicht der Einigungsstelle zur Anhörung von Gläubigervertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Rechtsschutz im Beschlußverfahren ............. . .. .. .. 132 aa) Verfahrensbeteiligte ...... . . . . . ............... . . .. .. 132 bb) Pflicht des Gerichts zur Vernehmung von Gläubigervertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Frage der Beteiligung der Gläubiger an der Einigungsstelle .......................................... ..... .. . 133 IV. Verfahren der Aufstellung eines Sozialplans im Konkurs .. . ... 135 1. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

2. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach Betriebsstillegung . . .... . .. . . ... . ... ..... .. . .... ... . .. . .. . ... . . . ...... 135 a) Überblick über den Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Zulässigkeit einer "postmortalen Vollmacht" .......... .. 137 c) These vom uneingeschränkten Fortbestehen des Betriebsratsamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 d) Restmandat des Betriebsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fortführung eines eingeleiteten Verfahrens trotz Erlöschens des Betriebsratsamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lücken im Schutz des Arbeitnehmers bei Ablehnung eines Restmandats des Betriebsrates . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Parallele :z;u den gesellschafts- und vereinsrechtlichen Abwicklungsvorschriften ..... .. .. . ................ . . dd) Fortbestehen des Restmandates auch zur Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens ......... . ......... . . ee) Praktische Bedenken gegen die Annahme eines "Betriebsrates in Liquidation" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vertretung und Beschlußfassung des Betriebsrates .. .. ........... . .......... . ........ . ...... (2) Fortbestehen der Arbeitsverhältnisse ..... ... .... ff) Möglichkeit der analogen Anwendung des §§ 113 Abs. 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139 139 140 141 142 143 143 144 145

§ 10 Konkursrechtliche Einordnung der Ansprüche aus nach Konkurs-

eröffnung aufgestellten Sozialplänen .... . ... .... ............. . .... 146 I. Masseschulden nach §59 Abs. 1 Nr. 1 KO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

1. "überblick über den Streitstand ....... .. ........ . . . . ... . . . . 146

2. Wortinterpretation . ........ . .. . . ... .. ... .. ... ...... . ...... 147 3. Auswirkungen der Erzwingbarkeit des Sozialplans ... .. .. . .. 148

Inhaltsverzeichnis

15

4. Ratio des §59 Abs. 1 Nr. 1 KO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Ermöglichung der Amtsführung des Konkursverwalters 149 b) Vorliegen eines allgemeinen Prinzips für §59 KO . ... .. 151 c) Anwendbarkeit der ratio des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO für den Sozialplan ...................... ... ................... . . aa) Sozialplan als Abwicklungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beziehung des Sozialplans zum Eingriffsakt der Kündigung ...... . ............. ..... .................. .. cc) Argumentation Böttichers hinsichtlich der "Einheit der Rechtsordnung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

152 152 153 153

5. "Begründetheit" der Sozialplanansprüche bei Konkurseröffnung ................................. .. ................... 154 a) Zusammenhang des Normzwecks von§ 59 Abs.1 Nr.1 KO und der Ablehnung des Masseschuldcharakters bereits bei Konkurseröffnung begründeter Forderungen . . . . . . . . . . . . 154 b) Voraussetzungen der Begründetheit eines Anspruchs (§ 3 Abs. 1 KO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Allgemeine Voraussetzungen ........................ 155 bb) Begründetheit von Lohnforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Begründetheit der Sozialplanansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) These von den Sozialplanansprüchen als schuldrechtlich bedingten Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sozialplanansprüche als konkursrechtlich bedingte Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erarbeitung der Ansprüche vor Konkurseröffnung . .. ....................................... (2) Berücksichtigung von Arbeitsleistungen nach Konkurseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

156 156 158 158 159

6. Möglichkeit einer Parallele zu § 26 Satz 2 KO . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Rechtsgedanken der §§ 26 Satz 2 und 59 Abs. 1 Nr. 1 KO 160 b) Anwendbarkeit des Rechtsgedankens des § 26 Satz 2 KO auf den Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Vergleich von Schadensersatz- und Sozialplanansprüchen 161 d) These von der Sinnlosigkeit von Sozialplanansprüchen bei der Annahme einfacher Konkursforderungen . . . . . . . . . . . . 162 e) Berücksichtigung des § 26 Satz 2 KO trotz Einführung der wirtschaftlichen Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes ..... . ...... 164 a) Arbeitsplatzabfindung als Gegenleistung für das Gesamtarbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) These von der Notwendigkeit eines Gegenseitigkeitsverhältnisses ..... .. ... . .... ... ............... .... ...... . .. 164

16

Inhaltsverzeichnis 2. Leistungen mit Lohnersatzfunktion ..................... . . . a) Leistungen für die Zeit nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses ....... . .............................. . ....... b) Leistungen für die Zeit des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Möglichkeit von Nachteilen trotz Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lohnersatzleistungen als Bestandteil des Arbeitsentgelts ...................... ... ................... .. . cc) Frage der Anwendbarkeit des § 26 Satz 2 KO . . . . . . . . dd) Konk~rsrechtliche Einordnung der Lohnausgleichsanspruche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Einordnung pauschaler Abfindungen . . . . . . . . . . . . . . . .

166 166 167 167 167 168 169 169

111. Masseschulden (§ 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO) oder bevorrechtigte Konkursforderungen (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO) ............... ... .... 170 1. Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes ....... . .... 170

a) Rückständigkeit der Abfindungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Auffassung Beuthiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlen einer Schuldverpflichtung bis zur Sozialplanaufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vergleich mit Sozialplanaufstellung vor Konkurseröffnung .. ................... .. .................. . b) Umfang der Privilegierung der Arbeitsplatzabfindung ...

170 170 170 171 172

2. Lohnersatzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Leistungen für die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Konkurseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Leistungen für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses .................. .. ................... ... . 172 IV. Sonderfall: Betriebsstillegung vor und Sozialplanaufstellung nach Konkurseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Die Auffassungen von Richardi und Hanau . . . . . . . . . . . . . . . . 173

2. Frage der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Sozialplanaufstellung ........ ... ....................................... 174 3. Einordnung der Sozialplanansprüche in diesem Sonderfall . . 174 V. Auswirkungen der verschiedenen Auffassungen auf die Rechtsstellung der vom Konkurs Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Folgen der umfassenden Anerkennung der Sozialplanan-

sprüche als Masseschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auswirkungen auf die Zahl der masselosen Konkurse . . b) Gefahr von Nachteilen für den Schutz der Arbeitnehmer c) Möglichkeit des Zusammenbruchs sanierungsfähiger Unternehmen und Gefahr von Folgekonkursen . . . . . . . . . . . . d) Problem der Gleichbehandlung von vor und nach Konkurseröffnung aufgestellten Sozialplänen . . . . . . . . . . . . . . . .

175 175 176 176 176

Inhaltsverzeichnis

17

2. Folgen der hier vertretenen Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Gleichbehandlung vor und nach Konkurseröffnung aufgestellter Sozialpläne ............. .. ............ .. ...... 177 b) Angemessenheit des Schutzes der Arbeitnehmer ......... aa) Zusammenstellung der unterschiedlichen Sozialplanleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Berücksichtigung der berechtigten Belange von Arbeitnehmern und übrigen Gläubigern ............... c) These von der Gefahr unnötiger Betriebsstillegungen . . . . d) Praktikabilität des Verfahrens ..........................

178 178 178 179 180

§ 11 Konkursrechtliche Stellung der Ansprüche aus § 113 BetrVG . . . . . . 181 I. Anwendbarkeit des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Abfindungen nach § 113 Abs. 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

a) Vorliegen von Parallelen in der Behandlung der Ansprüche nach § 112 und § 113 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarkeit mit konkursrechtlichen Grundsätzen .. .... aa) Stellung des Abfindungsanspruchs nach § 113 BetrVG im Rahmen der Konkursabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Problem der Begründetheit i. S. des § 3 Abs. 1 KO . . c) Einordnung des Anspruchs bei Betriebsänderung vor Konkurseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

181 182 182 183 184

2. Abfindungen nach § 113 Abs. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Ausgleichsleistungen nach § 113 Abs. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . 185 II. Anwendbarkeit des § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 III. Zusammenfassung zu § 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 § 12 Exkurs: Sicherung der Ansprüche nach §§ 112, 113 BetrVG durch Konkursausfallgeld (§§ 141 a ff. AFG) . . .. . . ... . . .................. 186 I. Überblick über die gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

II. Einordnung der Ansprüche nach §§ 112, 113 BetrVG . . . . . . . . . . 187

Vierter Teil Rechtspolitische Vorschläge § 13 Rechtspolitische Vorschläge .. . . . ............ .. .................... 189

I. Reform des Konkursrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Einschränkung der Masseauszehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2 Schlüter

18

Inhaltsverzeichnis 2. Frage der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer mit den Kreditgebern ... ... ................. . . . .................. .. 190 a) Möglichkeit der entsprechenden Anwendung von § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Vorschlag zur Befriedigung der Arbeitnehmerforderungen aus dem Sicherungsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Möglichkeit der Ausweitung der Masseforderungen ..... . .. 191 4. Genehmigungspflicht für Sozialplan und Interessenausgleich 191 II. Versicherungsrechtliche Reformen ....... ... .. . ....... .. ...... 192 1. Vorschlag zu einer allgemeinen Versicherung für die Arbeitsplatzabfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

2. Sicherung der laufenden Lohnforderungen während des Konkursverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzwürdigkeit der Arbeitnehmer .............. ... . .. b) Höchstdauer der Leistungen .... .......... ..... . ...... .. aa) Umfang der Belastung der Versichertengemeinschaft bb) Folgen einer zu langen Laufzeit des Konkursausfallgeides . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vertretbarkeit der zeitlichen Begrenzung des Anspruchs für die Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorschlag zur Ergänzung des Arbeitsförderungsgesetzes

192 192 193 193 194 194 195

III. Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes

195

1. Berücksichtigung der Gläubigerinteressen

195

2. Höchstgrenze für den Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 IV. Einkommensteuergesetz

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Zusammenfassung in Thesen

197

Literaturverzeichnis

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Einleitung § 1 Gegenstand und Gang der Untersuchung

Die Frage nach der Behandlung der Sozialplanansprüche der Arbeitnehmer im Konkurs ist seit Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes vom 15. Januar 1972 (BGBl. I, S. 13) Gegenstand einer umfangreichen Auseinandersetzung in Literatur und Rechtsprechung. Dies läßt sich nicht nur aus einem rein wissenschaftlichen Interesse an dieser Problematik, sondern auch aus ihrer wirtschaftlichen Bedeutung angesichts der in den letzten Jahren stark gestiegenen Zahl der Insolvenzen erklären. I. Vberblick über die Entwicklung der lnsolvenzen

Im Jahre 1975 gab es in der Bundesrepublik insgesamt 9 195 Fälle von Insolvenzen. Das entspricht einer Steigerung von 19,1 °/o gegenüber 1974 und 66,7 °/o gegenüber 19731 • Im Jahre 1976 haben sich die Insolvenzen weiter, allerdings nur um 1,8 °/o gegenüber dem Vorjahr, auf 9 361 erhöht2 • Auch wenn die Anzahl der Unternehmenskonkurse in diesem Zeitraum bereits leicht - um 2,1 Ofo - rückläufig war3 , erreicht sie immer noch eine gesamtwirtschaftlich bedenkliche Höhe. Von noch größerer Tragweite als die Zahl der Konkurs- und Vergleichsanträgeist allerdings die zunehmende Massearmut: Von 8 942 im Jahre 1975 beantragten Konkursverfahren wurden 5 886, also fast zwei Drittel, mangels Masse nicht eröffnet4 • Im Jahre 1976 wurden von 9 920 Anträgen auf Eröffnung eines Konkursverfahrens sogar 6 518 (= rd. 70 °/o) mangels Masse abgelehnt5 • Demgegenüber betrug der Anteil der masselosen Verfahren an der Gesamtzahl der Konkurse zum Beispiel im Jahre 1950 nur 24,9 Ofo und im Jahre 1960 35,5 °/o6 • Außerdem hat sich 1 Mit teilungen des Statistischen Bundesamtes, DB 1976, S. 377; Statistisches Jahrbuch 1976 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 192. 2 Mitteilungen des Statistischen Bundesamtes, NJW 1977, Heft 26, S. V, VI. s s.o. Fn. 2. ' s.o. Fn. 1. 5 s.o. Fn. 2. o Vgl. die umfangreichen Nachweise zur Entwicklung der Insolvenzen bei Zaun-Axler, Die Lage der Arbeitnehmer bei Konkurs, Vergleich und Betriebsstillegung, S. 44- 69 (48) ; s. ferner Statistisches Jahrbuch 1976 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 192 ff.

20

§ 1 Gegenstand und Gang der Untersuchung

die Deckungsquote der Konkursforderungen in den abgewickelten Verfahren weiter vermindert. Für nicht bevorrechtigte Forderungen ging sie von 5 Ofo (1973) auf 3,1 Ofo (1974) zurück. Bevorrechtigte Gläubiger erhielten 1974 allerdings mit durchschnittlich 32,9 Ofo eine etwas höhere Quote als im Vorjahr (31,5 Ofo)1. II. Vberblick über den Meinungsstand zur konkursrechtlichen Einordnung der Sozialplanund Nachteilsausgleichsansprüche

Unter diesen Umständen ist die Frage der konkursrechtlichen Einordnung der Sozialplananforderungen die insbesondere in arbeitsintensiven Betrieben einen beträchtlichen Umfang erreichen können8 , verständlicherweise zu einem der umstrittensten arbeits- und konkursrechtlichen Probleme der jüngsten Zeit geworden. Hierbei wird aus konkursrechtlicher Sicht von manchen eine Bevorzugung der Soziaiplanansprüche der Arbeitnehmer als ein Symptom für den "Konkurs des Konkurses" angesehen9 •

1. Ansprüche aus der Zeit nach Konkurseröffnung a) Masseschuldcharakter der Ansprüche (Bundesarbeitsgericht, Richardi) Die wissenschaftliche Auseinandersetzung hat sich vor allem an einer grundlegenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 17. September 197410) entzündet. Hierbei ging es darum, ob eine vom Konkursverwalter durchgeführte Betriebsänderung nach § 113 BetrVG Nachteilsausgleichsansprüche der Arbeitnehmer entstehen lassen kann und ob solche Forderungen als Masseschulden zu befriedigen sind. Der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts bejahte beide Fragen. Bei seiner Argumentation stützte er sich darauf, daß auch ein vom Konkursver1 DB 1976, S. 377; Statistisches Jahrbuch 1976, S. 195 (s. o. Fn. 1). s Die geplante, aber dann nicht durchgeführte Stillegung des Zweigwerkes Neckarsulm des VW-Werks hätte z. B. 150-200 Mill. DM, nach anderer Berechnung sogar 240 - 360 Mill. DM, Sozialplanforderungen mit sich gebracht; von Stebut, DB Beilage 9/1975, S. 9. - Vgl. auch die Beispiele von Henckel, Anm. zum Urteil des BAG vom 17. 9. 1974, EzA Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972; Uhlenbruck, Anm. zum Urteil des BAG vom 8. 7. 1972- 3 AZR 481171- AP Nr. 157 zu§ 242 BGB Ruhegeld Bl. 122; Kilger, KTS 1975, S. 142 ff. (153). 9 Kilger, KTS 1975, S. 142 ff. (insbes. S. 146, 153 ff.); ähnl. Berges, BB 1976, S. 387 ("Schlußstück der Konkursauszehrung"); Uhlenbruck, Anm. zum Urteil des BAG vom 17. 9. 1974- AP Nr. 1 zu§ 113 BetrVG 1972, Bl. 35; Flume, DB

1975, s. 1877. 1o 1 AZR 16/74 -

AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972 mit z. T. abl. Anm. Uhlenbruck = EzA Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972 mit abl. Anm. Henckel = SAE 1976, S. 18 ff. mit z. T. abl. Anm. Otto.

II. Überblick über den Meinungsstand

21

walter mit dem Betriebsrat vereinbarter Sozialplan auf einem "Geschäft des Konkursverwalters" beruhe und deshalb nach §59 Absatz 1 Nr. 1 KO eine Masseschuld begründet habe. Dasselbe müsse auch für den Anspruch aus § 113 Absatz 3 BetrVG gelten. Diese Auffassung, die die §§ 111 ff. BetrVG auch im Konkurs anwenden will, war bereits in der Vorinstanz vom Landesarbeitsgericht Ramm vertreten worden11 • Die Meinung des Bundesarbeitsgerichts ist vor allem von Richardi in einem Rechtsgutachten für die IG Metall näher begründet und später nochmals von ihm vertieft worden12• Auch sonst haben die Urteile des Bundesarbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts Ramm sowohl in der arbeits- als auch in der konkursrechtlichen Literatur zu einem erheblichen Teil Zustimmung gefunden13 • In jüngster Zeit hat der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen allerdings den Großen Senat des BAG angerufen. Der Große Senat soll darüber entscheiden, ob der Betriebsrat auch im Konkurs des Arbeitgebers die Aufstellung eines Sozialplans verlangen kann und ob - bejahendenfalls - ein solcher Sozialplan Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes vorsehen kann, welchen Rang solche Ansprüche im Konkurs haben und ob es hierbei darauf ankommt, wann der Betrieb (vor oder nach Konkurseröffnung) stillgelegt worden ist14 • b) Gegenmeinungen in Literatur und Rechtsprechung Die Begründung von Masseschulden durch einen nach Konkurseröffnung aufgestellten Sozialplan ist jedoch von anderen Autoren und in jüngster Zeit auch in der Rechtsprechung abgelehnt worden. Die Argumente der Vertreter der Gegenmeinung unterscheiden sich allerdings erheblich voneinander. Einige Autoren bestreiten, daß im Konkurs überhaupt noch ein Sozialplan aufzustellen sei15 ; von anderen wird eine Urteil vom 23. 10. 1973 - 3 Sa 541/73 - EzA Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 1973, S. 50 f.; ebenso schon ArbG Arnsberg, Urteil vom 21. 8. 1973 Ca 220173 = DB 1973, S. 1902 f. = KTS 1974, S. 53 (55). 12 Richardi, Sozialplan und Konkurs, insbes. S. 76 ff.; ders., DB Beilage tt

= DB

6/1976.

13 Mentzel/Kuhn, KO, §59 Rdn. 2, Anm. 2 e, f; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 112 Rdn. 15 a; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs IV, C II, D II; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, S. 398 f.; Zaun-Axler, Die Lage der Arbeitnehmer bei Konkurs, Vergleich und Betriebsstillegung, S. 95 f.; von Stebut, DB Beilage 9/1975, insbes. S. 4 ff.; Riechert, RPfleger 1975, S. 346 f.; Heinze, DB 1974, S. 1814 (1818 f.); Körnig; DB 1975, S. 1411 (1459 ff.), der allerdings §59 Abs. 1 Nr. 2 KO anwendet; Rose, MitbGespr. 1975, S. 84 (85); ähnlich auch Hanau, ZfA 1974, S. 89 (116 ff.); zustimmend in jüngster Zeit auch Weller BB 1977, S. 599, auf dessen Arbeit im Text dieser Untersuchung nicht mehr eingegangen werden konnte. 14 Beschluß vom 25. 5. 1977 5 AZR 743/75, 96/76 - NJW 1977, Heft 26, S. V, VI = DB 1977, S. 1055.

22

§ 1 Gegenstand und Gang der Untersuchung

solche Pflicht zwar anerkannt, in der Vereinbarung eines Sozialplans wird jedoch kein Geschäft des Konkursverwalters im Sinne des § 59 Absatz 1 Nr. 1 KO gesehen16 • Einige der Autoren, die eine bevorzugte Stellung der Sozialplanansprüche ablehnen, billigen allerdings einem Anspruch aus § 113 BetrVG den Charakter einer Masseschuld zu, wenn der Konkursverwalter gegen die Pflicht zur Aufstellung oder Einhaltung eines Interessenausgleichs verstoßen hat17. Hinsichtlich der Behandlung eines im Konkurs entstandenen Anspruchs nach § 113 BetrVG stimmen sie also der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17. September 1974 zu.

2. Ansprüche aus der Zeit vor Konkurseröffnung Die Stellung der Sozialplanansprüche und der Ausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG ist aber nicht nur dann umstritten, wenn der Sozialplan mit dem Konkursverwalter vereinbart wurde beziehungsweise dieser die Betriebsstillegung unter Mißachtung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrates vorgenommen hat. Zweifelhaft ist vielmehr auch, welche Folgerungen sich für einen späteren Konkurs ergeben, wenn der Gemeinschuldner selbst diese Maßnahmen noch vor Konkurseröffnung durchgeführt hatte. Während die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur in diesen Fällen in den Ansprüchen der Arbeitnehmer nach §§ 112, 113 BetrVG nur einfache Konkursforderungen (§ 61 Absatz 1 Ziffer 6 KO) sehen18, 15 Berges, Festschrift für Friedrich Weber, S. 57 ff.; Ritze, BB 1976, S. 325 (326 f.); H.-J. Müller, KTS 1974, S. 69 (70); Beuthien, RdA 1976, S. 147 ff.; wohl auch Henckel, Anm. zum Urteil des BAG vom 17. 9. 1974, EzA Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972, S. 15 ff. 16 LAG Düsseldorf/Kammer Köln, Urteil vom 21. 10. 1975 8 Sa 404/75 EzA Nr. 1 zu §59 KO mit zust. Anm. Uhlenbruck; Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 74 f.; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 74.; Stege/Weinspach, BetrVG, S. 476; Bötticher, BB 1975, S. 977; Renekel (Fn. 15), S. 16 ff.; Zeuner, JZ 1976, S. 1 (7 f.); Otto, SAE 1976, S. 22 (25 f.); Uhlenbruck, BB 1973, S. 1360 (1363); ders., DB 1974, S. 628 (629); ders., Anm. zum Urteil des BAG vom 8. 7. 1972, AP Nr. 157 zu § 242 BGB Ruhegeld Bl. 121 R; unklar allerdings Uhlenbruck in AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972, Bl. 37, 37 R und RdA 1976, S. 248 (251); Wilfried Schlüter, ZfA 1975, S. 437 (472 f.); hUfsweise auch Beuthien, RdA 1976, S. 147 (156 ff.) und Ritze, BB 1976, S. 325 (328 f.); ablehnend zur Rechtsprechung des BAG ferner Barth, DB 1974, S. 1084; F6rgach, DB 1976, S. 1561 (1565) und Flume, DB 1975, S. 1877. Die umfassende Darstellung von Weitnauer, Der Sozialplan im Konkurs, ZfA 1977, S. 111, die in weiten

Teilen zu ähnlichen Ergebnissen wie die vorliegende Untersuchung kommt, konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht mehr berücksichtigt werden; auf sie konnte nur noch in einzelnen Fußnoten hingewiesen werden. 17 Zeuner (Fn. 16), S. 6; Otto (Fn. 16), S. 26 (einschränkend), Fabricius, GKBetrVG, § 113 Rdn. 42; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 113 Rdn. 31; wohl auch grundsätzlich Uhlenbruck, AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972, Bl. 37, 37 R. 1s LAG Hamm, Urt. vom 6. 11. 1973 - 3 Sa 651/73 - EzA Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972 = DB 1974, S. 51 f.; einschränkend LAG Hamm, Urt. vom 9. 9.

li. Überblick über den Meinungsstand

23

nimmt die Gegenmeinung an, hierbei handele es sich um "Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis" im Sinne der §§ 59 Absatz 1 Ziffer 3 a beziehungsweise 61 Absatz 1 Ziffer 1 a K019• Nach dieser Auffassung sollen Forderungen aus Sozialplänen, die bis zu sechs Monaten vor Konkurseröffnung aufgestellt worden sind, nach§ 59 Absatz 1 Ziffer 3 KO n. F.20 Masseverbindlichkeiten sein. Sozialpläne aus den übrigen zwölf Konkursvormonaten sollen dementsprechend nach § 61 Absatz 1 Ziffer 1 a KO n. F. im Konkurs an erster Stelle zu befriedigen sein21 • Entsprechende Meinungsverschiedenheiten wie hinsichtlich der Soziaiplanansprüche bestehen auch bezüglich der Einordnung der vor Konkurseröffnung begründeten Ansprüche auf Nachteilsausgleichung nach § 113 BetrVG22 • Diese Kontroversen geben Anlaß, die Ansprüche der Arbeitnehmer aus §§ 112 Absatz 1 und 113 BetrVG im Konkurs eingehender zu untersuchen. Hierbei soll der Versuch unternommen werden, die am Schnittpunkt von Arbeits- und Konkursrecht angesiedelte Problematik in einer Weise zu lösen, die den gesetzgeberischen Wertentscheidungen beider Rechtsgebiete gerecht wird. Wenngleich die zu erarbeitende Lösung sich nicht in erster Linie von den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten leiten lassen darf, so wird es doch nötig sein, auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der unterschiedlichen Auffassungen darzulegen und bei den zu treffenden Entscheidungen zu berücksichtigen.

1974- 2 Sa 628/74- DB 1974, S. 1964; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs IV, CI; Mentzel/Kuhn, KO, §59 Rdn. 2, Anm. 2 e; Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 73 f.; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 67 -70; Weitnauer, ZfA 1977, s. 111 (148 ff.). 19 Richardi Sozialplan und Konkurs, S. 49 ff.; einschränkend dagegen Dietz/RicharcÜ, BetrVG, § 112 Rdn. 40; Körnig, DB 1975, S. 1411 ff.; Heinze, DB 1974, S. 1814 (1816); einschränkend auch Hanau, ZfA 1974, S. 89 (113). 20 Geändert durch das Gesetz über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974, BGBl. I, S. 1481. 21 s. o. Fn. 19. 22 Das Vorrecht verneinend: Fabricius, GK-BetrVG, § 113 Rdn. 42; Dietz/ Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 31; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 113 Rdn. 31; das Vorrecht bejahend wohl Körnig, DB 1975, S. 1411 (1416).

Erster Teil

Rechtsnatur und Umfang der Ausgleichsansprüche der Arbeitnehmer bei Betriebsänderungen (§§ 112, 113 BetrVG) § 2 Vberblick über die gesetzliche Regelung I. Unterschiede zwischen Sozialplan und Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 BetrVG

Das Betriebsverfassungsgesetz 1972 hat in §§ 111 ff. die für die Arbeitnehmer nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen von Betriebsänderungen auf zwei Wegen auszugleichen versucht: Der Betriebsrat kann einmal die Aufstellung eines Sozialplans zum Ausgleich oder zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile verlangen, der bei Scheitern einer Einigung auch durch Anrufung der Einigungsstelle erzwungen werden kann (§ 112 BetrVG). Zum anderen stehen den Arbeitnehmern Abfindungsansprüche zu, wenn der Unternehmer ohne zwingenden Grund von einem mit dem Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung als solche abgewichen ist oder gar nicht versucht hat, einen Interessenausgleich herbeizuführen (§§ 113 Absatz 1, 3 BetrVG in Verbindung mit§ 10 KSchG). Werden die Arbeitnehmer zwar nicht entlassen, erleiden sie aber durch die Betriebsänderung andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer auch diese auszugleichen (§ 113 Absatz 2 BetrVG). Während das Betriebsverfassungsgesetz 1952 bereits einen Interessenausgleich kannte, der - im Gegensatz zur heutigen Regelung - sogar erzwungen werden konnte (§ 73 Absatz 2 BetrVG 1952), ist der Sozialplan neu in das Gesetz aufgenommen worden. Sozialpläne wurden jedoch auch schon vor lokrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 auf freiwilliger Grundlage vereinbart1 • Von besonderer Bedeutung waren die als Tarifverträge abgeschlossenen Rationalisierungsschutzabkommen in der Montanindustrie2 • 1 Vgl. u. a. Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 112 Rdn. 11; Hagen, BB 1970, S. 129 ff.; Rumpff, MitbGespr. 1968, S. 22- 42; Ziemen, Der Inhalt des Einigungsvorschlages, Münchner jur. Diss. 1969, S. 12 f., 85 ff.; von Borch, Das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmerschaft bei betrieblichen Änderungen, Münchner jur. Diss. 1969, S. 146.

II. Verhältnis der Verfahren nach § 112 Abs. 1 Satz 1 und 2

25

Auch war es nach altem Recht möglich, den Abschluß eines Interessenausgleichs von der Zahlung einer Abfindung an die Arbeitnehmer abhängig zu machen3 • Auf diese Weise konnte der Betriebsrat einen sozialen Ausgleich für die Folgen einer Betriebsänderung erreichen. Allerdings konnte ein solcher Weg nur bei einer freiwilligen Einigung zwischen Unternehmer und Betriebsrat beschritten werden. Nach ganz herrschender Meinung konnte die im Gesetz vorgesehene Vermittlungsstelle Abfindungszahlungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht in ihren (bindenden) Einigungsvorschlag aufnehmen•. Die Aufnahme des Sozialplans in das Betriebsverfassungsgesetz hat die Rolle des Betriebsrates bei der Regelung der sozialen Folgen einer Betriebsänderung wesentlich verstärkt. Der Betriebsrat kann durch Einschaltung der Einigungsstelle nunmehr auch gegen den Willen des Unternehmers die Aufstellung eines Sozialplans erzwingen (§ 112 Absatz 4 BetrVG), er hat also ein echtes Mitbestimmungsrecht erhalten5 • 11. Verhältnis der Verfahren zur Herbeiführung von Sozialplan und Interessenausgleich

Obwohl in § 112 BetrVG Interessenausgleich und Sozialplan klar voneinander getrennt sind, stehen beide Rechtsinstitute doch nicht beziehungslos nebeneinander. Zunächst ergibt sich eine enge Verbindung zwischen ihnen dadurch, daß in der Praxis das Verfahren zur Herbeiführung des Interessenausgleichs und des Sozialplans einheitlich erfolgt6 • 2

Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 20; insbesondere Hagen, BB 1970,

s. 129 ff.

3 BAG, Urt. vom 20. 11. 1970 - 1 AZR 408/69-BAG 23, S. 53 (62) = AP Nr. 7 zu § 72 BetrVG 1952 mit zust. Anm. Richardi; Otto, SAE 1976, S. 22 (23); Chen Chi-sen, Das wirtsch. Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte, jur. Diss. München 1965, S. 35; Roser, Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Stillegung des Betriebes, rechtswiss. Diss. Frankfurt a. M. 1970, S. 27, 86; a. A. Keller, DB 1971, S. 1012 ff. 4 Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 15 m . w . N. des Schrifttums zu § 73 BetrVG a. F .; ferner u. a. Galperin, BB 1967, S . 469 (472); Götz, DB 1969, S. 2227 (2228); Brill, DB 1967, S . 121 (122); abw. Rumpff, DB 1967, S . 162 (165), der zwar einen solchen Vorschlag zuläßt, ihm aber die Bindungswirkung versagt; offen gelassen im Urteil des BAG vom 20. 11. 1970 - 1 AZR 409/69 BAG 23, S. 62 = AP Nr. 8 zu § 72 BetrVG 1952 (Bl. 387 R) m. Anm. Richardi, der der h. M. folgt. s Allg. Auffassung, vgl. die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs eines Betriebsverfassungsgesetzes, BT-Drucks. VI/1786, S. 33 = ER-Drucks. 715/70, S. 33; ferner u. a . Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 1. u Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 47; Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 77; Galperin/Löwisch, § 112 Rdn. 81; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 112 Rdn. 2, 13; Matthes, DB 1972, S. 286 (291); Schneider, MitbGespr. 1975, S. 67 (68).

26

§ 3 Ratio des Sozialplans

Entgegen der Auffassung von Matthes1 kann jedoch über Interessenausgleich und Sozialplan auch getrennt verhandelt werden. Es ist durchaus denkbar, daß zwischen Betriebsrat und Unternehmer etwa nur die Betriebsstillegung als solche oder aber nur die Milderung der sozialen Folgen umstritten sind8 • In diesen Fällen ergibt sich die Notwendigkeit isolierter Beratungen über die noch offenen Punkte von selbst. Es kann aber auch ein Bedürfnis des Unternehmers bestehen, die Verhandlungen über den Interessenausgleich vorzuziehen und ihr Scheitern feststellen zu lassen, um eine dringend erforderliche Betriebsänderung schon vor Abschluß der Gespräche über den Sozialplan durchführen zu können. Ungeachtet dieser Möglichkeit getrennter Verhandlungen über Sozialplan und Interessenausgleich sind beide jedoch inhaltlich voneinander abhängig9 • Der Sozialplan orientiert sich nämlich an den wirtschaftlichen Planungen im Interessenausgleich, und eine Einigung über die Betriebsänderung als solche, das heißt über den Interessenausgleich, wird im allgemeinen nur zu erreichen sein, wenn auch ein Einverständnis über den Ausgleich der sozialen Folgen besteht.

§ 3 Ratio des Sozialplans Sowohl die Frage der konkursrechtlichen Einordnung der Soziaiplanansprüche unter die §§ 59, 61 KO als auch die Bestimmung des zulässigen Umfangs dieser Ansprüche im Konkurs hängen - wie sich in der wissenschaftlichen Diskussion gezeigt hatl - wesentlich von der ratio des Sozialplans ab. Deshalb ist es erforderlich, vor einer Überprüfung des Ranges der Sozialplanansprüche im Konkurs zunächst auf den Sinn der gesetzlichen Regelung des § 112 Absatz 1 Satz 2 BetrVG einzugehen. I. tJberblick über den Streitstand

Zur ratio des Sozialplans werden in der Literatur im wesentlichen drei Auffassungen vertreten, die allerdings teilweise auch modifiziert oder miteinander verknüpft werden. 7 DB 1972, S. 286 (291); zustimmend Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 112 Rdn. 2; wohl anders allerdings Rdn. 13. s Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 47; Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 77; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 81; Schneider, MitbGespr. 1975, s. 67 (68). 9 Schneider (Fn. 8), S. 68; vgl. auch Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 30. 1 Vgl. z. B . einerseits Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 19 ff., 61 ff.; Körnig, DB 1975, S. 1411 ff.; - andererseits Hanau, ZfA 1974, S. 89 (102 ff., 112 f.); Beuthien, RdA 1976, S. 147 (155, 159 ff.).

I. Streitstand

27

1. Sozialplan als Rechtsgutentschädigung Richardi, der sich mit dieser Frage in einem für die IG Metall erstellten Gutachten ausführlich beschäftigt hat2 , sieht in der Einführung des Sozialplans die Anerkennung des Rechtsgedankens, daß der Arbeitnehmer für die Entziehung des Rechtsam Arbeitsplatz entschädigt werden müsse3 • Dieses Recht sei ein dem Eigentum gleichwertiges und durch die Rechtsordnung geschütztes Rechtsgut4 mit einem wirtschaftlichen Wert5• Ein Eingriff in dieses Rechtsgut entspreche daher dem unmittelbaren Schaden im Sinne des Schadensersatzrechtes und sei deshalb zusätzlich zu den konkreten Folgen der Entlassung, die den mittelbaren Schäden gleichkämen6 , zu ersetzen. Ergänzend wird von Richardi darauf hingewiesen, daß auch der Text des § 113 BetrVG die Entlassung selbst als wirtschaftlichen Nachteil ansehe7 • 2. Entgeltanspruch wegen vorenthaltenen Arbeitslohns Körnig, der von ähnlichen Überlegungen wie Richardi ausgeht, betont noch stärker als jener den Entgeltcharakter der Sozialplanforderungen8. Diese seien Ansprüche auf vorenthaltenen Arbeitslohn9 und stünden im Synallagma zur Gesamtarbeitsleistung10• 3. Kollektivrechtliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Im klaren Gegensatz zu den Auffassungen von Richardi, Körnig und Heinze steht Hanau11 • Er sieht die Aufgabe des Sozialplans nicht in einer Entschädigung, sondern in dem- unter Umständen pauschalenAusgleich konkreter wirtschaftlicher Nachteile aus der Betriebsänderung. Für ihn ist der Sozialplan eine "neuartige, kollektivrechtliche Ausprägung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers". Aus dieser Über2

s. o. Fn. 1, S. 14 ff., 59 ff.

s s.o. Fn. 1, S.14.

4 s. o. Fn. 1, S. 13 ff., 20; ders., DB Beilage 6/1976, S. 6; Heinze, DB 1974, S. 1814 (1817); vgl. auch Richardi, Betriebsverfassung und Privatautonomie,

s. 43.

s s. o. Fn. 1, S . 20. s. o. Fn. 1, S. 22.

6

7 s. o. Fn. 1, S. 21 ; ebenso Otto, SAE 1976, S. 22 (27); a. A. Hanau, ZfA 1974, s. 89 (102). 8 DB 1975, S. 1411 (1412 f.) ; Heinze, DB 1974, S. 1814 (1817). 9 Körnig (Fn. 8), S. 1413; Heinze, DB 1974, S. 1814 (1817); ähnlich Richardi, (Fn. 1), S. 13 f. to Körnig (Fn. 8), S. 1413. 11 ZfA 1974, S. 89 (102); zustimmend wohl auch Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 3, die den Sozialplan als dem Arbeitgeber auferlegte Daseinsvorsorge bezeichnet.

28

§ 3 Ratio des Sozialplans

legung leitet Hanau die Unzulässigkeit der Festlegung von Leistungen in einem erzwingbaren Sozialplan an solche Arbeitnehmer ab, die einen wirtschaftlich in jeder Hinsicht gleichwertigen Arbeitsplatz gefunden habent2. 11. Stellungnahme

1. These von der Rechtsgutentschädigung a) Beschränkter Schutz des Rechts am Arbeitsplatz Auch wenn man mit Richardi und der herrschenden Meinung13 das Recht am Arbeitsplatz als absolutes Recht ansieht, ist de lege lata der Arbeitsplatz nicht so umfassend wie das Eigentum geschützt. Das Eigentum ist vor schuldhaften wie schuldlosen, rechtswidrigen wie nicht rechtswidrigen Beeinträchtigungen gesichert (vgl. unter anderem §§ 823, 1004 BGB, Artikel14 GG). Das Recht am Arbeitsplatz ist dagegen abgesehen vom Sozialplan - nur gegenüber rechtswidrigen Eingriffen des Arbeitgebers oder Dritter geschützt.

aa) Individualrechtlicher Schutz des Arbeitsplatzes Das gilt zunächst für den Bereich des Kündigungsschutzgesetzes, das nur sozialwidrige beziehungsweise unbegründete außerordentliche Kündigungen untersagt, aber die sanktionslose Entlassung von Arbeitnehmern aus personen- oder betriebsbedingten Gründen gestattet. Auch § 823 Absatz 1 BGB schützt das Recht am Arbeitsplatz wie auch andere Rahmenrechte-so das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, dem das Recht am Arbeitsplatz nachgebildet ist14 nur gegen rechtswidrige Beeinträchtigungen15 • Die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs wird bei diesen Rahmenrechten nicht wie bei den in 12 s. o. Fn. 11; etwas einschränkend allerdings derselbe in WEX-Kollektives Arbeitsrecht, S. 154. 13 Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 14, 21 f.; ders., Betriebsverfassung und Privatautonomie, S. 42 ff.; vgl. ferner Nipperdey/Säcker bei Hueck/ Nipperdey, Arbeitsrecht Band 11/2, § 49 II., 2, S . 995 f. m. w. N.; Säcker, DB 1965, S. 1856 ff. (1859 f.); Brox in Nipperdey-Festschrift 1965, S. 55 (57); Brox/ Rüthers, Arbeitskampfr echt, S . 119 f. m. w. N.; Hedemann, RdA 1953, S. 121 (125); - a . A. u. a. Nikisch, Arbeitsrecht Band II, § 64 II 5, S. 127 f.; Esser, Schuldrecht, BT, § 107 II, 2 d, S. 407 f.; Bötticher, BB 1957, S. 621 (623); Wlotzke, RdA 1963, S. 1 (3) Wiedemann, RdA 1961, S . 1 (3 ff.) und insbesondere neuerdings in einer ausführlichen Darstellung Schwerdtner, ZfA 1977, s. 47 (82 ff.). u Nipperdey/Säcker bei Hueck/Nipperdey (Fn. 13), S. 997; Säcker (Fn. 13); vgl. auch Söllner, Arbeitsrecht, § 12 II 5 b, S. 86. ts Vgl. zum Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb BGH, Urt. v . 14. 4. 1965 - I b ZR 72/63 - BGHZ 43, S. 359 (361); Palandt/Thomas, BGB, § 823 Anm. 6 g; Söllner (Fn. 14), § 12 II 5 e, S. 90; Larenz, Schuldrecht Band II, § 72 III, 7 b, S. 558 ff.

II. Stellungnahme

29

§ 823 Absatz 1 BGB genannten absoluten Rechten indiziert16• Vielmehr muß entsprechend der Lehre von der Sozialadäquanz schon bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit einer Verletzungshandlung die Sozialwidrigkeit bejaht werden17 oder, es muß die Sozialinadäquanz des betreffenden Verhaltens als "positives Unrechtsmerkmal" festgestellt werden18•

Ebenso wie § 823 Absatz 1 BGB und gegebenenfalls § 826 BGB bieten auch die Regeln über die positive Vertragsverletzung nur einen Schutz gegen rechtswidrige Beeinträchtigungen des Arbeitsplatzes.

bb) Kollektivrechtlicher Sch-utz des Arbeitsplatzes d-urch§ 113 BetrVG Auch der Anspruch aus § 113 BetrVG setzt ein rechtswidriges Verhalten voraus. So behandelt Absatz 1 dieser Vorschrift, der das nicht zwingend gebotene Abweichen von einer - beide Vertragsparteien bindenden19 Vereinbarung betrifft, ein betriebsverfassungwidriges Vorgehen des Unternehmers20 • Die von Küchenhoff21 vertretene Gegenmeinung, nach der ein Abweichen von einem Interessenausgleich "vom Gesetz als möglich und zulässig vorausgesetzt" sei, kann nicht überzeugen. Das Gesetz hat lediglich - mit gutem Grund - die Folgen eines Vertragsbruchs abweichend vom normalen Schadensersatzrecht geregelt, es hat jedoch dem Unternehmer dadurch kein Wahlrecht zwischen Einhaltung und Nichteinhaltung eines von ihm abgeschlossenen Interessenausgleichs eingeräumt. Die Auffassung von Küchenhoff ist im übrigen nicht mit der gesetzlichen Interessenwertung zu vereinbaren, die der Mitwirkung des Betriebsrates auch bei der Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Betriebsänderung eine wesentliche Bedeutung beilegt. 1s So für den Fall des Gewerbebetriebs auch Söllner (Fn. 15), S. 90; Larenz (Fn. 15), S. 559 f.; ähnlich Esser (Fn. 13), S. 407; anders aus "rechtstechnischen Gründen" allerdings Fabricius, AcP 160, S. 273 (296 f). 11 Söllner (Fn. 15), S. 88; ähnlich auch Neumann-Duesberg, DB 1967, S. 1719

(1721).

Nipperdey/Säcker, NJW 1967, S. 1985 (1992 ff.). Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 14. 20 u. a. Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 11; Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 18, § 113 Rdn. 3; Erdmann/Jürging/Kammann, BetrVG, § 112 Rdn. 2; ebenso für das alte Recht von Borch, Die Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft bei betrieblichen Änderungen, Münchner jur. Diss. 1970, S. 145; Dietz, BetrVG, 4. Aufl., § 74 Rdn. 3, 7. 21 BetrVG, § 112 Rdn. 2; ähnl. Brecht, BetrVG, § 113 Rdn. 3; Rumpff, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, S. 108; wohl auch ders., BB 1972, S. 325 (328); ebenso für das alte Recht Nikisch, Arbeitsrecht, Band 18 19

III, § 117 III, 9, S. 533.

30

§ 3 Ratio des Sozialplans

Eine Rechtsverletzung liegt aber auch dann vor, wenn der Unternehmer den Versuch zu einem Interessenausgleich gar nicht erst unternimmt22. Dies folgt schon aus der Gleichstellung von Absatz 3 mit Absatz 1 des § 113 BetrVG. Daß zumindestens für die Verhandlungen mit dem Betriebsrat eine gesetzliche Pflicht besteht, zeigen die Vorschriften der §§ 119 und 121 BetrVG, nach denen die Verletzung der Beratungspflichten der §§ 111 ff. BetrVG eine Ordnungswidrigkeit, unter Umständen sogar eine Straftat darstellen kann. Auch insoweit ist darauf hinzuweisen, daß § 111 BetrVG nicht nur eine Obliegenheit enthält23 • Dies folgt schon aus § 121 BetrVG, der zwar nur bei vorsätzlichem Handeln des Arbeitgebers eingreift (vgl. § 10 OWiG) 2\ aber voraussetzt, daß die Verletzung des § 111 BetrVG objektiv einen Rechtsverstoß darstellt. Ansonsten könnte sich die Frage, ob eine vorsätzliche Handlung vorliegt, gar nicht stellen25. b) Möglichkeit einer Parallele zwischen den Sozialplanleistungen und einer Enteignungsentschädigung Da somit nach geltendem deutschen Recht der Arbeitsplatz - abgesehen von den Vorschriften über den Sozialplan - nur gegen rechtswidrige Beeinträchtigungen geschützt ist, scheitert schon aus diesem Grunde die von Richardi gezogene Parallele zwischen dem Sozialplan und einer Enteignungsentschädigung26 . Während der Staat bei einem aus Gründen des Gemeinwohls ausnahmsweise gestatteten Eingriff in das Eigentum eine Entschädigung festlegen muß (siehe Artikel 14 Absatz 3 GG), besteht ein solcher Zwang bei dem ohnehin nur lückenhaft geschützten Recht am Arbeitsplatz nicht. Etwas anderes könnte allenfalls 22 Vgl. BAG, Urt. v. 17. 9. 1974- 1 AZR 16/74- AP Nr. 1 zu§ 113 BetrVG 1972 = EzA Nr. 1 zu§ 113 BetrVG 1972 (unter 1. der Gründe); LAG Hamm, Urt. v. 23. 10. 1973 - 3 Sa 541/ 73 - EzA Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 = DB 1974, S. 50; Stege/Weinspach, BetrVG, S. 467; Erdmann/Jürging/Kammann, BetrVG, § 113 Rdn. 15; Kehrmann/Schneider, BlStSozArbR 1972, S. 60 (63);-

a. A. Reuter/Streckel, Grundfragen der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung, S. 60 f.; Küchenhoff, BetrVG, § 113 Rdn. 7; unklar aber ders., ebd., § 112 Rdn. 1. 23 Anders dagegen Reuter/Streckel (Fn. 22). 24 Insoweit zu Recht Reuter/Streckel (Fn. 22). 2s Das verkennen Reuter/Streckel (Fn. 22). 26 Ähnl. auch Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 3; Otto, SAE 1976, S. 22 (24 f.); Henckel, EzA Nr. 1 zu§ 113 BetrVG 1972, S. 17; Hanau, ZfA 1974, S. 89 (102); auf den nach geltendem Recht unvollkommenen Schutz des Arbeitsplatzes gegen Kündigungen weisen u. a. auch das BAG, Urt. v. 15. 2. 1973 - 2 AZR 16172- AP Nr. 2 zu § 9 KSchG 1969, BI. 766 R; Neumann-Duesberg, DB 1967, S. 1719 (1721) sowie- in rechtspolitischer Hinsicht kritisch- u. a. Notter, DB 1976, S. 772 (773) und Becker/Rommelspacher, ZRP 1976, S. 40 (43) hin; im Sinne der hier vertretenen Auffassung neuerdings auch Schwerdtner, ZfA 1977, S. 47 (82 ff.), dessen umfassende Darstellung im Rahmen der vorliegenden Arbeit allerdings nicht mehr berücksichtigt werden konnte.

II. Stellungnahme

31

dann gelten, wenn die Absicherung des Arbeitsplatzes in Deutschland dadurch vervollständigt würde, daß ähnlich wie in § 23 des Österreichischen Angestelltengesetzes bei jeder betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung {"Abfertigung") zu zahlen wäre27• Die Möglichkeit zur entschädigungslosen - sozialadäquaten - Kündigung stellt jedenfalls keine "planwidrige Lücke" des Gesetzes dar28 • Vielmehr zeigt die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme, daß der von Richardi angenommene umfassende Schutz des Arbeitsplatzes nach dem gegenwärtigen deutschen Recht nicht besteht. Der Gesetzgeber des BetrVG 1972 hatte also keine Veranlassung, den Sozialplan insgesamt als Aufopferungs- oder Enteignungsentschädigung für die Entziehung eines Rechtsgutes auszugestalten29 • c) Überprüfung der These von der Enteignungsentschädigung insbesondere bei der Betriebsstillegung

aa) Veränderlichkeit des wirtschaftlichen Wertes des Arbeitsplatzes Daß der Sozialplan insgesamt nicht als Rechtsgutentschädigung erklärt werden kann, ergibt sich auch noch aus einer anderen Überlegung. Eine Enteignungsentschädigung wird zum Ausgleich für den Verlust von Vermögenswerten gewährt. Das Recht auf den Arbeitsplatz kann aber stets nur den Wert haben, den der betreffende Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer besitzt. Ein Arbeitsplatz in einem seit langem wirtschaftlich gesunden Betrieb ist für einen Arbeitnehmer eine sichernde Erwerbsquelle für die Zukunft. Bei einer sozialwidrigen Kündigung ist es deshalb auch grundsätzlich angemessen, diesen Vermögenswert bei der Festlegung der Abfindung zu berücksichtigen. Handelt es sich allerdings um einen Arbeitsplatz in einem krisenanfälligen oder wirtschaftlich ungesunden Betrieb, so ist die Erwerbsquelle unsicher und damit weniger wert. Für den Arbeitnehmer hängt daher der wirtschaftliche Wert seines Arbeitsplatzes auch und entscheidend von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und der Wahrscheinlichkeit des Fortbesteheus dieses Arbeitsplatzes ab. Insoweit nimmt der Arbeit27 Vgl. den Hinweis von Richardi, DB Beilage 6/1976, S. 11 Fn. 78, der allerdings den sich aus dieser Bestimmung ergebenden grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Schutz des Arbeitsplatzes im deutschen und Österreichischen Recht verkennt. - Für eine ähnliche Lösung in Deutschland haben sich u. a. Notter und Becker/Rommelspacher (Fn. 26) ausgesprochen; hiergegen allerdings Nolte, ZRP 1976, S. 151 f. und Duhme, ZRP 1976, S. 128; vgl. auch DGB-Entwurf zum Arbeitsverhältnisrecht, Art. 3 "Recht am Arbeitsplatz" und § 121 "Abfindung bei rechtmäßiger Kündigung". 2s Richardi (Fn. 27), S. 14; Körnig, DB 1975, S. 1411 (1412), dort Fn. 23. 29 Anders aber Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 14 f.

32

§ 3 Ratio des Sozialplans

nehmer - und dies dürfte für eine Marktwirtschaft unverzichtbar sein - am wirtschaftlichen Risiko seines Betriebes teil. Wenn man schonzu Recht- dem Arbeitsplatz einen Vermögenswert beilegt, so darf man einen solchen Wert nicht losgelöst von den wirtschaftlichen Gegebenheiten bestimmen. Hieraus folgt, daß ein Arbeitsplatz, der aufgrund einer aus wirtschaftlichen Gründen gebotenen Betriebsänderung eingespart werden soll, für den Arbeitnehmer als Rechtsinhaber keinen Wert mehr hat, weil er keine Erwerbsquelle für die Zukunft darstellt. Verringert sich der Wert eines Arbeitsplatzes für den Arbeitnehmer im Laufe einer wirtschaftlichen Entwicklung, so ist der Wertverlust durch einen Sozialplan allenfalls dann zu ersetzen, wenn es sich hierbei um eine Vorwirkung der geplanten Betriebsänderung handelt3°. Auch wenn die Arbeitsplätze durch eine willkürliche Maßnahme des Unternehmers beseitigt würden, käme eine Arbeitsplatzentschädigung in Betracht, weil den Arbeitnehmern dann ein Rechtsgut entzogen würde, das bis zu dem Eingriff von wirtschaftlichem Wert gewesen wäre.

bb) Rechtslage bei teilweiser Betriebsstillegung Die Feststellung, daß der durch eine Betriebsänderung beseitigte Arbeitsplatz für die betroffenen Arbeitnehmer ohnehin wertlos gewesen sei, trifft allerdings nur in den Fällen einer (Teil-)Betriebsstillegung zu, in denen alle Beschäftigten des betreffenden Betriebs(-teils) entlassen werden. Anders ist es, wenn die Betriebsänderung darin besteht, daß nur einige der Arbeitsplätze eingespart werden sollen. Hier kann nicht davon gesprochen werden, daß die Arbeitsplätze der später entlassenen Arbeitnehmer schon vor der Kündigung keine Aussicht mehr auf Fortbestand gehabt hätten. Vielmehr wird durch die Entlassung einiger Arbeitskräfte nur die Konsequenz daraus gezogen, daß der betreffende Betrieb zwar nicht mehr alle, aber doch einen Teil von ihnen weiterbeschäftigen kann. Die einzelnen Arbeitsplätze sind in einer solchen Situation zwar mit dem Risiko belastet, beseitigt zu werden. Dies kann aber nur dazu führen, allen Arbeitsplätzen, die potentiell eingespart werden könnten, einen diesem Risiko entsprechenden geringeren Wert beizulegen. Der Arbeitnehmer, in dessen Person sich das Risiko aktualisiert, erleidet im Vergleich zu seinen weiterbeschäftigten Kollegen einen Verlust, dessen Ausgleich durch Sozialplanleistungen sinnvoll erscheint. Hieraus ist allerdings nicht - wie Beuthien31 meint - die Konsequenz zu ziehen, daß der Sozialplan nur den Zweck habe, das "Sonderao Vgl. u. a. BGH, Urt. v. 25. 1. 1958- III ZR 82/57 - BGHZ 28, S. 160 (162) und Rüfner in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 386 Fn. 64 zur Frage der Vorwirkung von Enteignungen.

II. Stellungnahme

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opfer" der aus dem Betrieb ausscheidenden Arbeitnehmer auszugleichen. Vielmehr läßt sich schon daraus, daß in § 111 Absatz 1 Ziffer 1 (in Verbindung mit § 112) BetrVG ausdrücklich und an vorrangiger Stelle die Stillegung des ganzen Betriebs als Grund für die Aufstellung eines Sozialplans aufgeführt ist, erkennen, daß in dem Ausgleich eines Sonderopfers wenigstens in den weitreichendsten Fällen der Betriebsänderung, also der Stillegung, nicht der (alleinige) Zweck des Sozialplans liegen kann. Der Gedanke von Beuthien über die Funktion des Sozialplans als Ausgleich eines Sonderopfers gewinnt aber für die noch zu erörternde Bemessung von Sozialplanabfindungen Bedeutung. Nur wenn ein Sonderopfer in der Form vorliegt, daß einzelne Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren und andere - durch dieses Sonderopfer begünstigt - ihre Stellung behalten, kann Veranlassung bestehen, den Ausscheidenden auch über die konkret meßbaren wirtschaftlichen Nachteile hinaus für die Aufgabe des Arbeitsplatzes eine Abfindung zu zahlen32 • Der Grund hierfür liegt allerdings nicht so sehr in dem Gebot der betriebsinternen Gleichbehandlung33• Entscheidend ist vielmehr, daß nur in diesen Fällen die verlorene Rechtsposition einen wirtschaftlichen Wert gehabt hat, der als auszugleichender Nachteil im Sinne des § 112 Absatz 1 Satz 2 BetrVG in Betracht kommt. Zuzustimmen ist Beuthien allerdings darin, daß Sozialpläne in erster Linie Wiedereingliederungs- und weniger Abfindungsfunktion haben34 • Dies trifft schon deshalb zu, weil häufig bereits bei der Entlassung keine wirtschaftliche Position mehr vorhanden ist, die eine Abfindung rechtfertigen würde. Aus den dargelegten Gründen folgt, daß wenigstens in den Fällen einer Betriebsstillegung, also insbesondere im Normalfall des Konkurses, Sozialplanleistungen nicht allein als Entschädigung für einen Rechtsverlust erklärt werden können. Es kann also, abgesehen von den sonstigen Bedenken gegen die These von der Enteignungs- oder Aufopferungsentschädigung wegen des Arbeitsplatzverlustes, dieser Gedanke nicht Grundlage für die Einführung des erzwingbaren Sozialplans gewesen sein. Denn in dem vom Gesetz an vorrangiger Stelle (§ 111 Nr. 1 BetrVG) genannten Fall der Betriebsstillegung wäre nach Enteignungsgesichtspunkten in vielen Fällen keine oder nur eine geringe Entschädigung zu zahlen gewesen. Kein Arbeitsplatz eines solchen Betriebes hätte nämlich Aussicht geat 32 33 34

RdA 1976, S. 147 (155). Dies hält Beuthien, RdA 1976, S. 147 (155) für "sehr erwägenswert". So aber Beuthien (Fn. 32). (Fn. 32) S. 155; vgl. auch Hanau, ZfA 1974, S. 89 (102 f.).

3 Schlüter

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§ 3 Ratio des Sozialplans

boten, auch in der Zukunft als sichere Erwerbsquelle zu dienen. Die Einführung des erzwingbaren Sozialplans im Jahre 1972, der in diesen Fällen dennoch zum Ausgleich der entstehenden wirtschaftlichen Nachteile verpflichtet, kann demnach auch aus diesem Grunde nicht als Bestätigung des Prinzips angesehen werden, daß das Recht am Arbeitsplatz nur gegen Entschädigung entziehbar sei.

2. Gesetzgeberisches Motiv für die Einführung des Sozialplans Auch das Gesetzgebungsverfahren zeigt keinen Anhaltspunkt dafür, daß dem Sozialplan der Gedanke einer Rechtsgutentschädigung zugrunde liegen könnte35• Die Bundesregierung hat bei Einbringung des Entwurfs zum Betriebsverfassungsgesetz 1972 im Bundestag klargestellt36, daß die Aufstellung des Sozialplans "als vielleicht sogar wichtigste neue Bestimmung" des Gesetzentwurfs bedeute, daß Rationalisierungen oder Stillegungen "nicht mehr allein zu Lasten der Arbeitnehmer gehen". "Nur zu diesem Zweck" sehe das Gesetz die Einführung des Sozialplans vor37 • Es ging dem Gesetzgeber - und das ist auch deutlich im Wortlaut des § 112 Absatz 1 Satz 2 BetrVG zum Ausdruck gekommen - also nur darum, den sozialen Schutz der Arbeitnehmer sicherzustellen.

3. Fürsorgemaßnahme oder Gegenleistung des Arbeitgebers Da der Sozialplan somit nicht als Entschädigung für ein entzogenes Rechtsgut gedeutet werden kann, bleibt die Frage nach der rechtssystematischen Einordnung dieses Instituts zu klären, die sowohl für den zulässigen Umfang der Ansprüche als auch für ihre Behandlung im Konkurs von Bedeutung sein kann. Hierbei geht es vor allem darum, ob es sich bei dem Sozialplan um eine "neuartige Ausprägung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers" handelt, wie Hanau38 meint, oder ob die Sozialplanansprüche Gegenleistung für das Gesamtarbeitsverhältnis sind39• 35 Vgl. insbes. RegEntw. eines BetrVG, BT-Drucks. VI/1786, S. 33, 54 f. = ER-Drucks. 715/70, S. 33, 54 f. und CDU/CSU-Fraktionsentwurf eines Gesetzes über Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Betrieb und Unternehmen, BT-Drucks. VI/1806, VI/2729 und Anlage zu VI/2729 (Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung); Protokolle der 101. und 150. Sitzung der 6. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vom 11. 2. und 10. 11. 1971. 36 Reden des BMin. Arendt am 11. 2. 1971 (1. Lesung) und 10. 11. 1971 (3. Lesung) (s. o. Fn. 35). 37 BMin. Arendt in der 3. Lesung (s. o. Fn. 35). ss Hanau, ZfA 1974, S. 89 (102).

li. Stellungnahme

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a) Fürsorge- und Entgelttheorie Die Auffassung, die den Entgeltcharakter des Sozialplans betont, knüpft insbesondere an die von Schwerdtner behandelte Frage Fürsorge- oder Entgelttheorie an. Schwerdtner verneint im Gegensatz zu der früher herrschenden Meinung vor allem für die betrieblichen Ruhegeldleistungen und die Urlaubsgewährung den Fürsorgecharakter dieser Leistungen und nimmt stattdessen einen Entgeltcharakter an40 • Der grundsätzliche Streit zwischen Fürsorge- und Entgelttheorie soll im Rahmen dieser Arbeit nicht näher behandelt werden. Für die Auffassung Schwerdtners spricht allerdings, daß aus der Sicht beider Arbeitsvertragsparteien die Gegenleistung für die erbrachte Arbeit nicht nur in dem jeweils für einen bestimmten Zeitraum gezahlten Lohn, sondern auch in den sogenannten Sozialleistungen oder Nebenleistungen besteht, die einen erheblichen Teil der Personalkosten betragen können41 • b) Verhältnis derSozialplan-zu anderen Sozialleistungen Zwischen den Sozialleistungen, die die aktive Arbeitszeit und gegebenenfalls den Ruhestand begleiten, und den Sozialplanleistungen besteht insoweit kein wesentlicher Unterschied. Während jene normale Begleiterscheinungen des Arbeitslebens sind, die den sozialen Status des Arbeitnehmers mit prägen, stellt der Sozialplan allerdings die Antwort auf eine die berufliche und wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers bedrohende Krisensituation dar. Die Aussicht, bei einer zukünftig eintretenden Betriebsänderung nicht ganz schutzlos zu sein, beeinflußt aber ebenso wie das Recht auf andere Sozialleistungen, etwa auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, den sozialen Besitzstand eines Arbeitnehmers. Die Einführung des erzwingbaren Sozialplans gewährt den Arbeitnehmern einen ähnlichen Schutz wie eine Versicherung, die im Falle des Arbeitsplatzverlustes zusätzlich zum Arbeitslosengeld Leistungen erbringen würde. Die Verpflichtung zu Sozialplanleistungen stellt genauso wie die zum Teil gleichfalls gesetzlich vorgeschriebene Pflicht zur Gewährung von Urlaubsentgelt oder zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eine gesetz39 Körnig, DB 1975, S. 1411 (1413); ähnl. auch Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 13 f. 40 Fürsorgetheorie und Entgelttheorie im Recht der Arbeitsbedingungen, insbes. S. 168 ff.; vgl. auch Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 16 m. w. N. in Fn. 17; Körnig, DB 1975, S. 1411 (1412 f.); von Arnim, BB 1972, S. 1411 (1415). 41 Die "indirekten" Lohnkosten (Nebenkosten) belaufen sich nach Berechnungen des "Instituts der Deutschen Wirtschaft" je 100 DM Direktgehalt im Mittelfeld auf 59 DM. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. 1. 1977 Nr .20, S. 9).

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§ 3 Ratio des Sozialplans

lieh auferlegte soziale Last für die Arbeitgeber dar, die aus der Arbeitsleistung ihrer Arbeitnehmer einen Vorteil ziehen. Hierdurch wird - nach inzwischen überwiegender Auffassung zulässigerweise42 - die Sozialpfiichtigkeit des Eigentums der Unternehmer konkretisiert. c) These vom "vorenthaltenen Arbeitslohn" Um diese Auffassung zu rechtfertigen, kann allerdings nicht darauf abgestellt werden, daß das Arbeitsentgelt während der Arbeitszeit nicht den ganzen Beitrag des Arbeitnehmers für den Erfolg des Unternehmens abgegolten habe43 • Dies dürfte zwar in vielen Fällen zutreffen. Jedenfalls für zurückliegende Jahre kann der Wert der geleisteten Arbeit nämlich tatsächlich den erhaltenen Arbeitslohn beträchtlich überstiegen haben. Es fehlt jedoch jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber bei der Schaffung der §§ 111 ff. BetrVG aus dieser Überlegung die Folgerung abgeleitet hätte, deshalb müsse der Arbeitgeber bei Betriebsänderungen den ausscheidenden oder schlechter gestellten Arbeitnehmern einen Ausgleich gewähren. Wenn man sich nicht der marxistischen Mehrwerttheorie anschließen will, so bleibt ein zwingender Zusammenhang zwischen der Tatsache, daß die Arbeit unselbständig Beschäftigter zu einem Teil auch dem Unternehmen und dessen Eigentümer zugute kommt, und der Pflicht zur Aufstellung eines Sozialplans unbewiesen. Daß es sich bei dem Sozialplan ebenso wie bei den übrigen Sozialleistungen, wie zum Beispiel Urlaubsentgelt und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, nicht um den Ausgleich vorenthaltenen Arbeitslohns handelt, ergibt sich auch aus dem spezifischen Schutzgedanken dieser Leistungen. Sie alle sind für einen besonderen Bedarfsfall oder für bestimmte Zwecke bestimmt und könnten durch einen etwas höheren Arbeitslohn nicht oder nur unvollkommen ersetzt werden. d) Entgelt- und Fürsorgecharakter des Sozialplans Der Hinweis auf den Entgeltcharakter der Sozialplanansprüche ist jedoch insoweit berechtigt, als dadurch klargestellt wird, daß Sozialpläne ebenso wie sonstige Leistungen des Arbeitgebers nicht einseitige Geschenke des Arbeitgebers, sondern Teil der für das Gesamtarbeitsverhältnis geschuldeten Gegenleistung sind. Es trifft allerdings zu, daß 42 Vgl. u. a. Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 10 m. w. N.; Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 2, 3; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 76 Rdn. 35 ff., § 112 Rdn. 14 a; - a. A. Erdmann/Jürging/Kammann, BetrVG, § 112 Rdn. 5, § 87 Rdn. 7 ff. m. w. N. 43 Richardi, Sozialplan und Konkurs, S . 13 f .; Körnig, DB 1975, S. 1411 (1413 f.); Heinze, DB 1974, S. 1814 (1817); ablehnend hierzu mit Recht Beuthien, RdA 1976, S. 147 (160).

I. Umfang der Leistungen

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bei dem Sozialplan der Fürsorgecharakter besonders stark ausgeprägt ist. Trotzdem erscheint die Auffassung Hanaus4 4, der Sozialplan sei eine "kollektivrechtliche Ausprägung des Fürsorgeprinzips", als zu einseitig, weil sie den Bezug zu der bisherigen Gesamtarbeitsleistung und den insoweit vorhandenen Entgeltcharakter des Sozialplans verdeckt45. Es ist demnach festzustellen, daß der Gesetzgeber es dem Unternehmer im Hinblick auf das bisherige Arbeitsverhältnis als zusätzliche soziale Last oder - wie Löwisch46 es ausdrückt - als "Stück Daseinsvorsorge" aufgegeben hat, Betriebsänderungen nicht ohne Rücksicht auf die Interessen der hierdurch betroffenen Arbeitnehmer durchzuführen. Das Gesetz läßt dem Unternehmer zwar die Freiheit, Betriebsänderungen nach seinem Ermessen vorzunehmen, sofern er zuvor einen Interessenausgleich versucht hat. Er muß es dann aber in Kauf nehmen, sämtliche seinen Arbeitnehmern hierdurch entstehenden Nachteile auszugleichen. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, daß sich die Einführung des erzwingbaren Sozialplans (zunächst) nur für Betriebe einer bestimmten Größenordnung damit erklären läßt, daß in diesen Fällen häufig besonders schwer zu bewältigende arbeitsmarktpolitische Probleme entstehen. Eine größere Anzahl entlassener Arbeitnehmer kann nämlich gleichzeitig nur schwer in neue Arbeitsstellen vermittelt werden. Außerdem dürfte der Gesetzgeber davon ausgegangen sein, daß - jedenfalls außerhalb eines Konkurses - größere Betriebe die Sozialplanverbindlichkeiten leichter als kleinere aufbringen könnten. Aus dem beschränkten Anwendungsbereich des Sozialplans kann aber nicht geschlossen werden, daß die Sozialplanleistungen nicht auch Entgeltcharakter hätten47. § 4 Inhalt von Sozialplänen I. Umfang der Leistungen

1. Erzwungener Sozialplan a) Ersatz wirtschaftlicher Nachteile Nach § 112 Absatz 1 Satz 2 BetrVG muß sich ein erzwungener Sozialplan bei einer Betriebsstillegung darauf beschränken, tatsächlich eingetretene oder zu erwartende wirtschaftliche Nachteile der Arbeitneh44

ZfA 1974, S. 89 ff. (102).

45 Ähnlich auch Beuthien, RdA 1976, S. 147 (160). 46 Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 3. 47 So aber Schils, KTS 1976, S. 167 (173).

38

§ 4 Inhalt von Sozialplänen

mer auszugleichen1 • Wirtschaftliche Nachteile können vor allem in einer geringeren Entlohnung auf einem neuen Arbeitsplatz oder in einer nach der Entlassung eintretenden Arbeitslosigkeit liegen. Sie können ferner dadurch entstehen, daß die betroffenen Arbeitnehmer erhöhte Aufwendungen erbringen müssen, um ihre Berufstätigkeit fortsetzen zu können. Hierzu zählen vor allem Fahrt- und Umzugskosten, aber auch Ausgaben für eine berufliche Umschulung. Auch kann in einem Sozialplan zum Beispiel festgelegt werden, welche Arbeitnehmer gegebenenfalls in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens weiterbeschäftigt oder wiedereingestellt werden sollen und welche vorzeitig in den Ruhestand treten. Gegenstand von Sozialplänen können ferner Maßnahmen sein, die Beeinträchtigungen im sozialen Besitzstand ausgleichen sollen. Nachteile dieser Art können sich zum Beispiel daraus ergeben, daß eine Anwartschaft auf betriebliche Ruhegelder und Gratifikationen verlorengeht2 oder die Möglichkeit der Benutzung betrieblicher Einrichtungen sowie von Werkswohnungen entfällt. Auch ein geringerer Urlaubsanspruch oder ein schlechterer Kündigungsschutz auf einem neuen Arbeitsplatz sind wirtschaftliche Nachteile, die eine pauschale Abgeltung rechtfertigen. Da sich der Sozialplan nicht insgesamt als Entschädigung für ein entzogenes Rechtsgut darstellt, kann eine über die geschilderten konkreten Nachteile hinausgehende Arbeitsplatzabfindung nicht auf eine Parallele zum unmittelbaren Schaden im Sinne des normativen Schadensbegriffes gestützt werden. Der Arbeitsplatz als Erwerbsquelle stellt zwar grundsätzlich einen auch im Sozialplan berücksichtigungsfähigen wirtschaftlichen Wert dar, ohne daß diese Aussage mit der These Richardis vom angeblich umfassend geschützten Rechtsgut "Arbeitsplatz" begründet werden müßte. Bei den im Rahmen der vorliegenden Arbeit besonders wichtigen Fällen der vollständigen Betriebsstillegung, insbesondere im Konkurs, hatten aber alle Arbeitsplätze des Betriebes bereits vor Durchführung der Stillegung keine Aussicht auf Fortbestand mehr. Deshalb stellte der Arbeitsplatz als solcher für die Arbeitnehmer in diesen Fällen auch keinen wirtschaftlichen Wert mehr dar, so daß über die konkreten Nachteile der Betriebsänderung hinaus eine Arbeitsplatzabfindung nicht verlangt werden kann. Da im Zeitpunkt der Aufstellung eines Sozialplans die zukünftige wirtschaftliche Situation der einzelnen Arbeitnehmer nur selten mit hin1 Zum üblichen und möglichen Inhalt von Sozialplänen vgl. u . a. Dietz/ Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 21; Rumpff, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, S. 99 ff.; Zaun-Axler, Die Lage der Arbeitnehmer bei Konkurs, Vergleich und Betriebsstillegung, S. 92; Vogt, Sozialpläne in der betrieblichen Praxis, S. 44- 60; Schmitt, MitbGespr. 1975, S. 76 ff. (insbes. S. 78 ff. "Mustersozialplan"); Rose, BetrR 1977, S. 147-171. 2 Vgl. Schaden, MitbGespr. 1975, S. 92 (93).

I. Umfang der Leistungen

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reichender Genauigkeit beurteilt werden kann, können Sozialplanleistungen auch in Form einer pauschalierten Abfindung erbracht werden. Diese hat sich jedoch an den zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteilen der Arbeitnehmer, also insbesondere an den Aussichten auf eine neue gleichwertige Arbeitsstelle, auszurichten und nicht etwa ein wirtschaftlich ohnehin wertloses - Rechtsgut zu entschädigen. Im Rahmen eines bei einer Betriebsstillegung aufgestellten Sozialplans kann eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes, die über die tatsächlichen Nachteile im sozialen Besitzstand sowie im Einkommen und Lebensstandard hinausgeht, auch nicht damit begründet werden, daß § 113 Absatz 2 und 3 BetrVG durch die Formulierung "andere wirtschaftliche Nachteile" auch den Arbeitsplatzverlust selbst als wirtschaftlichen Nachteil ansehe3 • Zunächst ist es schon sehr fraglich, ob den genannten Formulierungen überhaupt für die Vorschrift des § 113 BetrVG selbst eine solche Bedeutung beizulegen ist. Vielmehr dürfte es in § 113 Absatz 2 und 3 BetrVG nur darum gegangen sein, diejenigen nachteiligen Folgen einer Betriebsänderung zu umschreiben, die außer einer Entlassung ausgeglichen werden sollten. Eine rechtliche Qualifizierung des Arbeitsplatzverlustes selbst dürfte kaum beabsichtigt gewesen sein. Überdies stellt, wie im Rahmen der bisherigen Untersuchung nachgewiesen wurde, der Verlust des Arbeitsplatzes in aller Regel tatsächlich einen wirtschaftlichen Nachteil dar, weil hierdurch fast stets der soziale Besitzstand und die Verdienstmöglichkeiten der entlassenen Arbeitnehmer wenigstens vorübergehend beeinträchtigt werden. Aus § 113 Absatz 2 und 3 BetrVG kann jedenfalls nicht entnommen werden, daß der Verlust des Arbeitsplatzes generell selbst dann als wirtschaftlicher Nachteil in einem Sozialplan auszugleichen ist, wenn in wirtschaftlicher Hinsicht keine Beeinträchtigungen feststellbar oder zu erwarten sind. Der bloße Verlust des Arbeitsplatzes als sichernder Erwerbsquelle, der nicht auch von Einbußen im sozialen Besitzstand (längere Kündigungsschutzfristen, Aussichten auf betriebliche Sozialleistungen etc.) oder im Einkommen beziehungsweise Lebensstandard begleitet wird, ist deshalb in einem Sozialplan aus Anlaß einer Betriebsstillegung nicht als wirtschaftlicher Nachteil zu entschädigen. In diesen Fällen stellte der Arbeitsplatz nämlich keine Erwerbsquelle für die Zukunft mehr dar; ein wirtschaftlicher Wert kam ihm nicht mehr zu. Eine Berücksichtigung des reinen Arbeitsplatzverlustes ist somit nur dann geboten, wenn lediglich einige Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz s So aber Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 21; Otto, SAE 1976, S. 22 (27); - a. A . zu Recht, wenn auch ohne überzeugende Begründung, Hanau, ZfA 1974, S . 89 (102).

40

§ 4 Inhalt von Sozialplänen

verlieren, weil hier bis zu der Betriebsänderung alle Arbeitsplätze noch einen gewissen wirtschaftlichen Wert besaßen. b) Möglichkeiten des Ersatzes immaterieller Nachteile Die bisherigen Ausführungen lassen auch die Auffassung von Däub-

ler I Bösche\ die trotz des klaren Gesetzeswortlauts5 auch die immate-

riellen Nachteile einer Betriebsänderung durch den Sozialplan ersetzen wollen, als unrichtig erscheinen. Die von ihnen gezogene Parallele zu den Abfindungsansprüchen nach § 74 BetrVG 1952 und auch zu § 113 BetrVG 1972 überzeugt ebensowenig wie die Berufung auf die Rechtsprechung zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts6 • Soweit in den genannten Fällen auch ideelle Nachteile berücksichtigt werden, ist dies deswegen gerechtfertigt, weil hier eine Sanktion für ein rechtswidriges Verhalten zu erfolgen hat. Insbesondere bei der Verletzung des Persönlichkeitsrechts würde eine Beschränkung der Ersatzansprüche auf materielle Nachteile den oft schwerwiegenden Eingriff in das Rechtsgut folgenlos lassen. Deshalb erscheint die Argumentation von Däubler I Bösche verfehlt, wenn sie den (rechtmäßig herbeigeführten) Verlust des Arbeitsplatzes mit diesen Ehrverletzungen gleichstellen und zusätzlich zum Ausgleich aller konkreten Nachteile in Fällen der Betriebsänderung Beträge zwischen 5 000,- und 10 000,- DM für den Verlust des Arbeitsplatzes festsetzen wollen7 • Überschreitet ein erzwungener Sozialplan die hier beschriebenen Grenzen, so kann der Unternehmer vor dem Arbeitsgericht die Aufhebung des ermessensfehlerhaft zustande gekommenen Sozialplans verlangen (vgl. § 2 Absatz 1 Nr. 4 ArbGG). Die in § 113 Absatz 1 BetrVG genannte Höchstgrenze des § 10 KSchG ist für den Sozialplan nach geltendem Recht allerdings nicht maßgeblich8. Das ergibt sich schon daraus, daß ein entsprechender Vorschlag des Bundesrates zur Festlegung dieser Höchstgrenzen in einem Absatz 5 des § 112 BetrVG9 von der Bundesregierung abgelehnt wurde10 und auch nicht Gesetz geworden ist. De lege ferenda erscheint es jedoch zweck4 Zum Inhalt von Sozialplänen nach § 112 BetrVG, S. 20 ff. s Dies verkennen Däubler/Bösche (Fn. 4), S. 21. 6 s. o. Fn. 4, S. 21. 1 s. o. Fn. 4, S. 23. s Fabricius, GK-BetrVG, § 113 Rdn. 61 ff.; Hanau, ZfA 1974, S. 89 (104); a. A. aber die wohl h. M., u. a. Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 34; Rumpff, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, S. 102; Heinze, DB 1974, S. 1814 (1819); Vogt, BB 1975, S. 1581 (1584). 9 BT-Drucks. VI/1786, Anl. 2, S. 66 f. = BR-Drucks. 715/70 (Beschluß), S. 15, 17. 10 S. 2 zu BT-Drucks. VI/1786.

II. Gestaltung des Sozialplans

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mäßig, im erzwingbaren Sozialplan nur Leistungen bis zu der in § 10 KSchG bestimmten Gesamthöhe zuzulassen, die auch in der Praxis im allgemeinen nicht überschritten wird11 •

2. Vereinbarter Sozialplan Bei einem vereinbarten Sozialplan steht es den Vertragsparteien frei, den Arbeitnehmern auch über den Rahmen des § 112 Absatz 1 Satz 2 BetrVG hinaus Leistungen zu gewähren. Nur besteht in einem solchen Fall die Möglichkeit, daß der Sozialplan in einem späteren Konkurs vom Konkursverwalter angefochten wird, sofern die übrigen Voraussetzungen der §§ 29 ff. KO gegeben sind12• U. Gestaltung des Sozialplans

Die laufende Zahlung von Lohnersatzleistungen entsprechend den tatsächlichen Einbußen der Arbeitnehmer im Entgelt oder Lebensstandard ist grundsätzlich einer pauschalen Abfindung vorzuziehen, weil eine solche auf die individuellen Bedürfnisse der Arbeitnehmer abgestellte Regelung dem sozialen Schutzzweck des § 112 Absatz 1 Satz 2 BetrVG eher gerecht wird13 • Allerdings stößt die Auszahlung von Leistungen dieser Art, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken können, insbesondere bei der vollständigen Auflösung eines Unternehmens - etwa im Konkurs - auf erhebliche Schwierigkeiten14 • In diesen Fällen kann deshalb trotz der grundsätzlichen Bedenken die Festlegung einer pauschalen Abfindung vorzuziehen sein. Allerdings könnte gegebenenfalls auch ein Treuhänder eingesetzt werden, der die Zuteilung der Lohnersatzleistungen zu übernehmen hätte. Auch ist zu berücksichtigen, daß die steuerliche Regelung des § 3 Ziffer 9 EStG 1975, die nur "Abfindungen", nicht aber laufende Soziaiplanleistungen für steuerfrei erklärt15 , die in der Praxis übliche Vereinbarung pauschaler Abfindungen begünstigt. Die Beschränkung der Steuerfreiheit auf Abfindungen kann nur damit erklärt werden, daß die Vorläufer dieser Bestimmung,§ 3 Ziffer 9 EStG 1974 und§ 6 Ziffer 7 u s. Vogt, DB 1974, S. 237 (240). Siehe im einzelnen unten § 7 IV. 13 So auch Hanau, ZfA 1974, S. 89 (103); ähnl. auch Beuthien, RdA 1976, S. 147 (151); kritisch zur üblichen Abfindungspraxis auch Ammermüller, DB Beilage 10/1975, S. 9 f. 14 Vgl. Müller, MitbGespr. 1975, S. 72. 15 Hierauf weist auch Hanau, ZfA 1974, S. 89 (101) hin. Die Steuerfreiheit von Abfindungen ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer eine neue Stellung bekommt, wird von Barth, DB 1974, S. 1085 (1087) - wohl zu Recht - kritisiert. 12

§ 5 Bedeutung der Regelung des § 113 BetrVG

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LStDVO 1971, sich ausdrücklich nur auf §§ 9, 10 KSchG und 72 ff. BetrVG 1952 bezogen, die nur Abfindungen kannten. Ein sachlicher Grund dafür, laufende Lohnersatzleistungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Steuerbefreiung auszunehmen, ist jedoch nicht ersichtlich16• Auch fiskalische Erwägungen dürften hierfür nicht maßgeblich sein, weil die Praxis die Steuerfreiheit von Sozialplanleistungen ohnehin weitgehend durch die Festlegung von Abfindungen erreicht. So wird auch schon für das geltende Recht die Auffassung vertreten, daß laufende Leistungen, die konkrete Nachteile aus einer Entlassung ausgleichen sollen, ebenfalls unter den Begriff der "Abfindung" fielen und deshalb steuerfrei seien17• Selbst wenn diese Meinung zuträfe, wäre es jedoch zweckmäßig, zur Klarstellung in § 3 Ziffer 9 EStG ausdrücklich sämtliche wegen einer Entlassung gewährte Sozialplanleistungen bis zu den in § 3 Ziffer 9 EStG genannten Höchstgrenzen für steuerfrei zu erklären, um eine dem Sinn des § 112 Absatz 1 Satz 2 BetrVG entsprechende und sozial gerechte Gestaltung der Sozialpläne zu erleichtern. § 5 Bedeutung der Regelung des § 113 BetrVG L ttberblick über den Inhalt

Außer dem in kollektivrechtlicher Form erreichten Schutz durch einen Sozialplan hat das Betriebsverfassungsgesetz die Stellung der Arbeitnehmer noch durch einen individualrechtliehen Anspruch gesichert: Weicht der Unternehmer ohne zwingenden Grund von einem Interessenausgleich ab (§ 113 Absatz 1 BetrVG) oder versucht er nicht einmal, einen Interessenausgleich zu erreichen (§ 113 Absatz 3 BetrVG), so können die aufgrund der durchgeführten Betriebsänderung entlassenen Arbeitnehmer entsprechend §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung verlangen. Kommt es nicht zu einer Entlassung, sondern erleiden die Arbeitnehmer andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer diese für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten auszugleichen (§ 113 Absatz 2 BetrVG). IL Ratio der Vorschrift

1. Darstellung des Streitstandes Der Zweck dieser gesetzlichen Bestimmung, die an die Vorschrift des § 74 BetrVG 1952 anknüpft!, ist im Schrifttum umstritten. Während die 16 17

a. A. ohne Begründung Janssen, BlStSozArbR 1974, S. 348 (349). Kracht, BB 1976, S. 1452 (1454).

II. Ratio der Vorschrift

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herrschende Meinung2 davon ausgeht, daß § 113 BetrVG wie auch § 74 BetrVG wenigstens in erster Linie Sanktionswirkung hätten, vertritt Richardi3 die Auffassung, § 113 BetrVG 1972 habe eine andere Bedeutung als § 74 BetrVG 1952 erlangt. Das alte Betriebsverfassungsgesetz habe keine Mitbestimmung über die sozialen Folgen einer Betriebsänderung gekannt. Im Gegensatz zum neuen Recht habe die Vermittlungsstelle aber für die Frage, ob und wie eine Betriebsänderung vorgenommen werden sollte, einen bindenden Einigungsvorschlag machen können. Der Betriebsrat habe also insoweit ein Mitbestimmungsrecht gehabt. Deshalb habe § 74 BetrVG 1952 bei Betriebsänderungen als Sanktion die Zahlung einer Abfindung vorgesehen'. Demgegenüber sei § 113 BetrVG 1972 keine Sanktion, sondern "sichere lediglich die Rechtsposition der ... betroffenen Arbeitnehmer", wenn die sozialen Folgen der Unternehmerischen Maßnahme nicht durch einen Sozialplan hätten gemildert oder ausgeglichen werden können5 • Wenig sinnvoll sei es, daß - wie bei dem auf anderen Grundsätzen beruhenden § 74 BetrVG 1952- darauf abgestellt werde, ob das Abweichen vom Interessenausgleich aus zwingenden Gründen geboten gewesen sei. Dies zeige, wie wenig legislatorisch durchdacht die Neuregelung sei6 • Auch habe man nicht berücksichtigt, daß jetzt auch nach durchgeführter Betriebsänderung noch ein Sozialplan erzwungen werden könne7 • Richardi kommt zu 1 Vgl. amtliche Begründung zum RegEntw. des BetrVG 1972, BR-Drucks. 715/70, S. 55 = BT-Drucks. VI/1786, S. 55; Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 2; Rumpff, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, S. 21 f.; ders., BB 1972, S. 325 (328). 2 LAG Hamm, Beschl. vom 1. 3. 1972 8 Ta BV 1/72 - AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 = DB 1972, S. 632 (633); LAG Hamm, Urt. vom 23. 10. 1973 Sa 541/73- DB 1974, S. 50 f. = KTS 1975, S. 47 (52); LAG Düsseldorf, Urt. v. 25. 4. 1975- 9 Sa 1512174- DB 1975, S. 1227 f. = KTS 1976, S. 72 ff.; Fitting/ Auffarth/Kaiser, BetrVG; § 113 Rdn. 15 a; Fabricius, GK-BetrVG, § 113 Rdn. 2, § 112 Rdn. 63, 68; Erdmann/Jürging/Kammann, BetrVG, § 113 Rdn. 1; Brecht, BetrVG, § 113 Rdn. 1 ; Stege/Weinspach, BetrVG, S. 480; Hanau, ZfA 1974, S. 89 (109 f.); Otto, SAE 1976, S. 22 (24); von Stebut, DB Beilage 9/1975, S. 10, 12; Böhm, BB 1973, S. 1077 (1079); zu § 74 BetrVG 1952 ebenso u. a.: BAG, Urt. vom 10. 6. 1969 - 1 AZR 2/69 - BAG 22, S. 72 (79) = AP Nr. 6 zu§ 72 BetrVG 1952 (Bl. 8 R); BAG, Urt. vom 20. 11. 1970- 1 AZR 408/69BAG 23, S. 53 (60) = AP Nr. 7 zu § 72 BetrVG 1952; Wilfried Schlüter, Anm. zu BAG vom 29. 2. 1972 in SAE 1973, S. 75; Schils, KTS 1976, S. 267 (269). a Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 2- 4; Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 18 f. und DB Beilage 6/1976, S. 11; ihm folgende Henckel, Anm. zu BAG, Urt. vom 17. 9. 1974, EzA Nr. 1 zu§ 113 BetrVG 1972, S. 15;- anders noch Richardi in Betriebsverfassung und Privatautonomie, S. 46 (§ 113 ist als "Sanktion für Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei Betriebsänderungen" gestaltet). ' Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 2; Richardi, Sozialplan und Konkurs, s. 18 f. s Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 3; Richardi, Sozialplan und Konkurs, s. 18 f. 6 Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 3. 1 Ebd., Rdn. 4.

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§ 5 Bedeutung der Regelung des § 113 BetrVG

dem Ergebnis, daß der Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 BetrVG sich vom Inhalt eines Sozialplans qualitativ nicht unterscheide8 •

2. Stellungnahme a) These vom Bedeutungswandel des § 113 BetrVG 1972 gegenüber§ 74 BetrVG 1952 Die Argumentation Richardis kann schon insoweit nicht überzeugen, als er dem Gesetzgeber vorwirft, er habe den Bedeutungswandel des § 113 BetrVG 1972 gegenüber § 74 BetrVG 1952 verkannt. Dieser solle darin liegen, daß § 113 BetrVG nur noch die Rechtsposition des Arbeitnehmers sichere, zu dessen Gunsten wegen der eigenmächtigen Betriebsänderung kein Sozialplan mehr habe vereinbart werden können. Richardi weist nämlich andererseits zu Recht darauf hin, daß auch nach durchgeführter Betriebsänderung noch ein Sozialplan aufgestellt werden kann9. Ob diese Auffassung auch dann zutrifft, wenn der Unternehmer den Betrieb bereits vollständig stillgelegt hat, so daß das Fortbestehen des Betriebsratsamtes und deshalb die Möglichkeit eines Sozialplanabschlusses wenigstens zweifelhaft sein kann, braucht an dieser Stelle nicht erörtert zu werden. Hierauf wird noch in anderem Zusammenhang einzugehen sein10 • Richardi will auch offensichtlich den Anwendungsbereich von § 113 BetrVG nicht auf die zuletzt genannten Fälle beschränken. Jedenfalls ist es widersprüchlich, wenn er einerseits den Sinn des § 113 BetrVG darin sieht, einen inhaltlich gleichartigen Ersatz für einen durch die eigenmächtige Betriebsänderung nicht zustandegekommenen Sozialplan darzustellen11 , andererseits aber davon ausgeht, daß trotz Betriebsänderung noch ein Sozialplan möglich sei. Insoweit konsequent mißt Richardi dem Anspruch aus § 113 BetrVG dann auch keinerlei Bedeutung mehr bei, wenn es nach der Betriebsstillegung noch zu einem Sozialplan kommt. Dies soll unabhängig davon gelten, ob der Sozialplan eine Anrechnung des Anspruchs aus § 113 BetrVG vorsehe oder nichtl 2 • Würde man dieser Meinung folgen, hätte § 113 BetrVG kaum noch einen Sinn. Der angebliche Schutzzweck der Vorschrift, einen Ausgleich s Sozialplan und Konkurs, S . 19; ähnlich Renekel (Fn. 3), S. 15. 9 Heute allg. Auffassung, vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 4; Fabricius, BetrVG, § 112 Rdn. 23 ff.; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 78; LAG Hamm, Beschluß vom 1. 3. 1972 (Fn. 2); Böhm, BB 1973, S . 1077 (1079); s. ferner unten § 9, IV. 2. to Siehe hierzu eingehend unten § 9, IV. 2. u Sozialplan und Konkurs, S. 19; Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 3. 12 Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 45.

II. Ratio der Vorschrift

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für den wegen der betriebsverfassungswidrigen Betriebsänderung nicht mehr zustande gekommenen Sozialplan zu schaffen, könnte nämlich in direktem Wege besser durch die Nachholung des Sozialplanverfahrens erreicht werden. Nicht nur die sich aus dieser Auffassung ergebende weitgehende Bedeutungslosigkeit des § 113 BetrVG spricht gegen die These Richardis. Er weist selbst darauf hin, daß der Ausschluß des Nachteilsausgleichsanspruchs bei Vorliegen eines zwingenden Grundes (§ 113 Absatz 1 BetrVG) "wenig sinnvoll" erscheine. Bei der Aufstellung eines Sozialplans könne nämlich auch nicht darauf abgestellt werden, ob der Unternehmer die Betriebsänderung aus zwingenden Gründen durchführen müsse13. Auch diese Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der gesetzlichen Regelung bestehen jedoch nur, wenn man dem§ 113 BetrVG ausschließlich den Sinn beilegt, die Rechtspositionen derjenigen Arbeitnehmer zu sichern, die aufgrund des Verhaltens des Unternehmers nicht in den Genuß eines Sozialplans kommen. b) Sicherstellung der Beteiligung des Betriebsrates an der Planung von Betriebsänderungen Sieht man dagegen den Sinn des § 113 BetrVG darin, zu gewährleisten, daß der Betriebsrat in jedem Fall der Betriebsänderung schon bei der Beschlußfassung über möglicherweise für die Belegschaft nachteilige wirtschaftliche Maßnahmen beteiligt wird14 , so erscheint die gesetzliche Regelung keineswegs verfehlt. Aus §§ 111 ff. BetrVG ergibt sich, daß der Unternehmer verpflichtet ist, das Ob und Wie der geplanten Betriebsstillegung und nicht nur die sozialen Folgen mit dem Betriebsrat zu beraten. Auch wenn der Betriebsrat insoweit kein Mitbestimmungsrecht hat1 5 , mißt das Betriebsverfassungsgesetz- wie bereits erwähnt - der Mitwirkung des Betriebsrates bei der Entscheidung über die Betriebsänderung selbst eine erhebliche Bedeutung zu. Die gesetzliche Regelung will verhindern, daß die Arbeitnehmer durch eigenmächtige Maßnahmen des Unternehmers, die zuvor nicht mit der Arbeitnehmervertretung beraten wurden, vor "vollendete Tatsachen" 1a Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 3; Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 18 Fn. 24. u So insbes. LAG Hamm, Beschluß vom 1. 3. 1972 - 8 BV Ta 1/72 - AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972, BI. 700, 700 R = DB 1972, S. 632 f.; ferner u. a. amtl. Begründung des Reg.Entw. zum BetrVG 1972 (s. o. Fn. 1); Böhm, BB 1973, S. 1077 (1079); Buchner, Anm. zum Urt. des BAG vom 20. 11. 1970, SAE 1972, s. 69 (71). 15 u. a. Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 2; Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 18; Erdmann/Jürging/Kammann, BetrVG, § 112 Rdn. 3.

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§ 5 Bedeutung der Regelung des § 113 BetrVG

gestellt werden. Die sozialen Belange der Arbeitnehmer16 und übrigens auch ihr Sachverstand sollen vielmehr bereits in die Unternehmerische Entscheidung über die Betriebsänderung eingehen können. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen erscheint die Bestimmung des § 113 Absatz 1 BetrVG auch insoweit sinnvoll, als sie bei einem Abweichen aus zwingendem Grund einen Nachteilsausgleich ausschließt17. In solchen Fällen, in denen ein erneutes Verhandeln mit dem Betriebsrat nicht mehr rechtzeitig möglich ist, würde es auch allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts entsprechen, von einer unter anderen Voraussetzungen abgeschlossenen Vereinbarung abweichen zu dürfen. So weist auch Richardi selbst an anderer Stelle zu Recht darauf hin, daß diese Einschränkung der Bindung des Unternehmers die Anerkennung einer besonderen "clausula rebus sie stantibus" darstelle18. Es ergibt sich daher, daß der Zweck des § 113 BetrVG 1972 von dem des § 74 BetrVG 1952 nicht wesentlich abweicht. In erster Linie will auch die neue Vorschrift sicherstellen, daß der Unternehmer sich an geschlossene Vereinbarungen über die Durchführung von Betriebsänderungen hält. Zusätzlich ist in § 113 Absatz 3 BetrVG n. F. noch der schon bisher in der Rechtsprechung zu § 74 BetrVG 195219 entwickelte Grundsatz aufgenommen worden, auch das Unterlassen eines Einigungsversuchs müsse zu denselben rechtlichen Folgen wie das nicht zwingend gebotene Abweichen von einem vereinbarten Interessenausgleich führen. c) Auswirkungen des§ 113 BetrVG auf die Aufstellung von Sozialplänen Es ist allerdings richtig, daß die Vorschrift des § 113 BetrVG mittelbar auch die Aufstellung von Sozialplänen begünstigt. Zum einen dürfte schon die Gewißheit, bei einer eigenmächtigen Betriebsänderung in jedem Fall erheblichen Ansprüchen der Arbeitnehmer ausgesetzt zu 18 Vgl. IG Druck und Papier, Wirtschaftliche Angelegenheiten in der Betriebsverfassung, S. 54; Schneider, MitbGespr. 1975, S. 67 f. 11 So auch Arnmermüller, DB Beilage 10/1975, S. 9; anders Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 18 f. und Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 3. 1s Dietz/Richardi, B etrVG, § 113 Rdn. 7; ebenso Küchenhoff, BetrVG, § 113 Anm. 2; ähnlich auch Fabricius, GK-BetrVG, § 113 Rdn. 4. 19 u. a. BAG, Urt. vom 20. 1. 1961 1 AZR 53/60 - BAG 10, S. 329 = AP Nr. 2 zu § 72 BetrVG 1952 mit zust. Anm. Neumann-Duesberg; BAG, Urt, v. 10. 6. 1969 - 1 AZR 2/69 - BAG 22, S. 72 = AP Nr. 6 zu § 72 BetrVG 1952 mit zust. Anm. Richardi; BAG, Urt. v . 20. 11. 1970 - 1 AZR 408/69 - BAG 23, S. 53 = AP Nr. 7 zu § 72 BetrVG 1952; vgl. ferner u. a. Hueck/Nipperdey, Arbeitsr echt Band II/2, § 72 II, 1, S. 1477 Fn. 70 m. w. N.; Fitting/Kraegeloh/ Auffarth, BetrVG, 8. Aufl., § 74 Anm. 3; - a . A. Galperin/Siebert, BetrVG, 4. Aufl., § 72 Rdn. 16 a, 16 b.

II. Ratio der Vorschrift

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sein, den Unternehmer zu rechtzeitigen Verhandlungen mit dem Betriebsrat über den Interessenausgleich veranlassen, die dann gleichzeitig auch Gespräche über den Sozialplan zur Folge haben dürften. Zum anderen entfällt für den Unternehmer jeder Anreiz, durch ein für den Betriebsrat überraschendes Vorgehen den Betrieb vollständig zu schließen und so ein späteres Verhandeln über den Sozialplan mit einem in seiner Funktionsfähigkeit wenigstens erheblich beeinträchtigten oder sogar aufgelösten Betriebsrat20 zu erschweren oder zu verhindern. Auch diese zusätzlichen Auswirkungen des § 113 BetrVG 1972, die der Vorschrift des § 74 BetrVG 1952 noch nicht zukamen, schließen aber nicht aus, daß § 113 BetrVG n. F. eine Sanktion für das betriebsverfassungswidrige Verhalten des Unternehmers ist und insoweit auch generalpräventive Wirkung hat. Die Bestimmung soll allerdings darüber hinaus, wie an der Regelung des Absatz 2 besonders deutlich wird, auch die einzelnen Arbeitnehmer in wirtschaftlicher Hinsicht schützen und die ihnen durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile ersetzen. § 113 BetrVG hat also nicht nur Sanktionsfunktion, sondern dient gleichzeitig dem individuellen Nachteilsausgleich21• § 6 Verhältnis der Ansprüche aus einem Sozialplan zu denen nach § 113 BetrVG

Da es trotz einer betriebsverfassungwidrigen Betriebsänderung mit der Folge von Ansprüchen nach § 113 BetrVG noch zur Aufstellung eines Sozialplans kommen kann, stellt sich die Frage, ob und inwieweit die beiden Ansprüche nebeneinander bestehen können. Eine generelle Subsidiarität des Anspruchs aus § 113 BetrVG gegenüber dem Sozialplan1 kommt schon wegen der besonderen Bedeutung dieser Vorschrift als Sanktionsnorm nicht in Betracht2 • Ebenso scheidet eine uneingeschränkte Kumulation beider Ansprüche aus3 , da auch § 113 BetrVG unter anderem eine Ausgleichsfunktion hat. Siehe im einzelnen unten § 9, IV. 2. So u. a. auch Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 68; Böhm, DB 1973, S. 1077 (1079); von Stebut, DB Beilage 9/1975, S. 6; wohl auch Hanau, ZfA 1974, S. 89 (110 f.); Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 113 Rdn. 15 a; Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 113 Rdn. 27; Stege/Weinspach, BetrVG, S. 480. 1 So aber Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 45; (abweichend jedoch Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 31); ähnl. Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 69; Becker, BlStSozArbR 1974, S. 54 (58). 2 So zu Recht: Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 113 Rdn. 15 a; Stege/ Weinspach, BetrVG, S. 480; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 113 Rdn. 27; Böhm, BB 1973, S. 1077 (1079); Hanau, ZfA 1974, S. 89 (110); LAG Hamm, Beschluß vom 1. 3. 1972 - 8 BV Ta 1172 - AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG = DB 1972, 20

21

s. 632 f. a So aber Schneider, MitbGespr. 1975, S. 67 (70).

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§ 6 Sozialplanansprüche und Ansprüche nach § 113 BetrVG

I. Berüdtsidltigung von Leistungen nach § 113 BetrVG in einem Sozialplan

Zulässig ist allerdings eine Anrechnungsklausel im Sozialplan hinsichtlich etvy'aiger Ansprüche aus § 113 BetrVG4• Der Sozialplan hat nämlich nur die Aufgabe, entstehende Nachteile einer Betriebsänderung auszugleichen. Erhält der Arbeitnehmer aber aus Anlaß der Betriebsänderung auch Leistungen nach§ 113 BetrVG, so ermäßigen sich die erlittenen wirtschaftlichen Nachteile, um die es beim Sozialplan geht, um diesen Betrag. Bei der Sozialplanaufstellung sind daher schon entstandene Abfindungsansprüche nach§ 113 BetrVG zu berücksichtigen5 • Liegt ein rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts über einen Nachteilsausgleich noch nicht vor, so kann in den Sozialplan der Vorbehalt aufgenommen werden, daß sich die Sozialplanforderungen um etwaige zukünftige Leistungen nach § 113 BetrVG vermindern.

Hanau hält es zur Lösung des Konkurrenzproblems für zulässig, Leistungen aus einem Sozialplan von einem Verzicht auf Abfindungsansprüche nach § 113 BetrVG abhängig zu machen6 • Dieser Auffassung kann jedoch nur für den Fall zugestimmt werden, daß die Gesamtleistungen aus dem Sozialplan die Ansprüche nach § 113 BetrVG übersteigen. Der Sozialplan braucht für den einzelnen Arbeitnehmer nämlich keineswegs günstiger als der Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG zu sein7 • Dies kann sich zum einen aus der für den Sozialplan (§ 112 Absatz 4 Satz 2 BetrVG), nicht aber für den Interessenausgleich vorgeschriebenen Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange des Unternehmens ergeben. Zum anderen kann im Sozialplan innerhalb der Belegschaft aus sozialen Gründen eine Differenzierung erfolgt sein, die einzelne Arbeitnehmer schlechter stellt, als sie nach § 113 BetrVG stehen würden8 • Außerdem können im Rahmen der Sanktionsnorm des § 113 BetrVG auch ideelle Nachteile berücksichtigt werden9 , die beim Sozialplan keine Beachtung finden können. Deshalb können die allgemeinen Bedenken gegen die Zulässigkeit eines Verzichts auf gesetzliche Ansprüche im Arbeitsrecht, wie zum Beispiel den Nachteilsausgleichsanspruch10, nur dann zurückgestellt werden, wenn der betreffende 4 Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 45; Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 31 f.; Stege/Weinspach, BetrVG, S. 480; Hanau, ZfA 1974, S. 89 (110). 5 Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 113 Rdn. 15 a; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 113 Rdn. 27. 6 Hanau (Fn. 4), S. 110 f.; ihm folgend von Stebut, DB Beilage 9/1975, S. 6. 7 Dies verkennt Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 69. s Vgl. hierzu Böhm, BB 1973, S. 1077 (1079). 9 Galperin/Löwisch, BetrVG, § 113 Rdn. 27; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 113 Rdn. 15 a; Böhm (Fn. 8); für § 74 BetrVG 1952 ebenso BAG, Urt. vom 29. 2. 1972- 1 AZR 176/71- BAG 24, S. 141 (147 f.) = AP Nr. 9 zu§ 72 BetrVG 1952 (BI. 674 R) m. zust. Anm. G. Küchenhoff.

li. § 113 BetrVG und früherer Sozialplan

49

Arbeitnehmer aufgrund des Sozialplans wenigstens soviel wie nach § 113 BetrVG erhält11 • II. Berücksichtigung des Sozialplans bei späterer Festlegung des Nachteilsausgleichs

Ist ein Sozialplan bereits aufgestellt, so ist bei der Bemessung der Leistungspflicht nach § 113 BetrVG vom Arbeitsgericht zu berücksichtigen, daß die materiellen Nachteile der Betriebsänderung dadurch in vielen Fällen ausgeglichen sein werden. Es trifft aber nicht {immer) zu, daß die Abfindung nach § 113 Absatz 1 und 3 BetrVG bei vorangegangenen Sozialplänen nur noch ideelle Nachteile zu ersetzen hätte12 • Wie gezeigt wurde, kann der Abfindungsanspruch nach § 113 BetrVG auch hinsichtlich des Ausgleichs der materiellen Nachteile die individuellen Sozialplanansprüche übersteigen. Das Arbeitsgericht muß sich deshalb bei seiner Entscheidung zunächst Klarheit darüber verschaffen, in w elcher Höhe die Abfindung nach § 113 BetrVG ohne Berücksichtigung des Sozialplans zu bemessen gewesen wäre. Von diesem Betrag sind dann die Sozialplanforderungen abzuziehen. Eine geringe Abfindung wird aber auch dann festzusetzen sein, wenn die Sozialplanansprüche die Höhe der ohne Berücksichtigung des Sozialplans verwirkten Abfindung erreichen. Dies ist außer zum Ausgleich immaterieller Nachteile deshalb erforderlich, weil sonst das betriebsverfassungswidrige Verhalten des Unternehmers- abgesehen von möglichen Maßnahmen nach§§ 119, 121 BetrVG- sanktionslos bliebe. Auch ist es nicht richtig, wie Böhm es vorschlägt, § 113 BetrVG schon dann auf den Charakter einer Sanktionsnorm zu reduzieren, wenn das Sozialplanverfahren erst eingeleitet ist13 • Es steht zu diesem Zeitpunkt nämlich noch nicht fest, ob und in welcher Höhe die materiellen Einbußen des jeweils klagenden Arbeitnehmers im Sozialplan ausgeglichen werden. Das Arbeitsgericht hat deshalb seine Entscheidung ohne Berücksichtigung eines zukünftigen Sozialplans zu treffen und es dem Unternehmer zu überlassen, eine Doppelbelastung dadurch zu vermeiden, daß er im Sozialplan eine Anrechnungsklausel durchsetzt.

Zusammenfassend ergibt sich daher, daß Sozialplanforderungen und Ansprüche aus § 113 BetrVG grundsätzlich unabhängig voneinander 1o Vgl. hierzu Galperin/Löwisch, BetrVG, § 113 Rdn. 28; Matthes, DB 1972,

s. 286 (289).

11 Zu weitgehend deshalb Hanau (Fn. 6); zu der konkursrechtlichen Frage, ob Ansprüche nach § 113 BetrVG im Konkurs besser als Sozialplanansprüche zu behandeln sind, s. unten §§ 8 und 11. 12 So aber Böhm, BB 1973, S. 1077 (1079); ähnlich Galperin/Löwisch, BetrVG, § 113 Rdn. 27. 13 s. o. Fn. 12.

4 Schlüter

50

§ 6 Sozialplanansprüche und Ansprüche nach § 113 BetrVG

bestehen können. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Nachteile ist jedoch der jeweils früher festgelegte Anspruch bei der Bestimmung des späteren zu berücksichtigen. Auch sind im Sozialplan Anrechnungsklauseln für - gegebenenfalls erst zukünftig festzusetzende - Ansprüche nach § 113 BetrVG zulässig.

Zweiter TeiL

Konkursrechtliche Einordnung von vor der Konkurseröffnung entstandenen Ansprüchen nach§§ 112, 113 BetrVG § 7 Behandlung von Ansprüchen der Arbeitnehmer aus einem vor Konkurseröffnung aufgestellten Sozialplan I. Bedeutung der konkursrechtlichen Einordnung der Sozialplanansprüche

Die Notwendigkeit, den Rang von Sozialplanansprüchen in einem späteren Konkurs des Arbeitgebers bestimmen zu müssen, ergibt sich vor allem in folgendem typischen Fall: Ein Unternehmer will einer wirtschaftlich schwierigen Situation zunächst durch Rationalisierungs- und begrenzte Stillegungsmaßnahmen begegnen. Aus diesem Anlaß wird ein Sozialplan aufgestellt. Trotz der vorgenommenen Betriebsänderung ist das Konkursverfahren nicht abzuwenden. Für die rechtliche Einordnung der Ansprüche aus einem solchen vorkonkursliehen Sozialplan ist die Frage entscheidend, ob es sich hierbei um Forderungen der Arbeitnehmer "auf Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner" (§§59 Absatz 1 Nr. 3 a beziehungsweise 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO) handelt. Sollten diese Vorschriften nicht eingreifen, so käme noch eine analoge Anwendung der Regelung über die Privilegierung betrieblicher Ruhegelder (§§59 Absatz 1 Nr. 3d beziehungsweise 61 Absatz 1 Nr. 1 d KO) in Betracht. Falls die Soziaiplanansprüche unter die genannten Bestimmungen fallen, würden die Rückstände für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung Masseschulden, diejenigen für die letzten zwölf Monate - soweit sie nicht schon Masseschulden sind - an erster Stelle zu befriedigende Konkursforderungen sein. Eine solche Privilegierung der Sozialplanansprüche vor den anderen Konkursforderungen würde angesichts der geringen Deckungsquote für einfache Konkursforderungen eine erhebliche Besserstellung der Arbeit-

52

§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

nehmer gegenüber anderen ebenfalls nicht gesicherten Gläubigern bedeuten. So überstieg zum Beispiel im Jahre 1974 die Deckungsquote für bevorrechtigte Gläubiger mit durchschnittlich 32,9 Ofo (1973: 31,5 Ofo) die der sonstigen Konkursgläubiger mit 3,1 °/o (1973: 5,0 Ofo) bei weitem1 • Trotz des Konkursvorrechts betrugen in den Jahren bis 1974 die Lohneinbußen der Arbeitnehmer allerdings jährlich 20 bis 50 Millionen DM2 • Hinsichtlich der Aussicht auf Befriedigung ist der Unterschied zwischen den Masseansprüchen nach §59 Absatz 1 Nr. 3 KO n. F. und den bisherigen bevorrechtigten Konkursforderungen (§ 61 Nr. 1 KO a. F.) nicht sehr erheblich. Die durch das Konkursausfallgeldgesetz vom 17. Juli 1974 neu geschaffenen Masseschulden werden nämlich erst nach denjenigen aus §59 Absatz 1 Nr. 1 und 2 KO und den wesentlichsten Massekosten befriedigt (§ 60 Absatz 1 KO). Allerdings stellt die Umwandlung von bevorrechtigten Forderungen in Masseschulden insoweit eine fühlbare Verbesserung der Rechtsposition der Arbeitnehmer dar, als nunmehr der Konkursverwalter rückständige Löhne noch vor dem ersten Prüfungstermin ohne Genehmigung des Konkursgerichts auszahlen darf3 • II. 1!berblick über den Streitstand

1. Ablehnung eines Konkursvorrechts beziehungsweise einer Masseschuld In der Rechtsprechung 4 und weitgehend auch in der Literatur5 wird eine Bevorrechtigung von Ansprüchen aus vor Konkurseröffnung auft Insolvenzstatistik des Statistischen Bundesamtes, BB 1976, S . 1097; vgl. auch Statistisches Jahrbuch 1976, S. 195 mit weiteren Angaben für die einzelnen Wirtschaftszweige. 2 Vgl. die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz über Konkursausfallgeld, BT-Drucks. 7/1750, S. 10 = BR-Drucks. 9174, S. 10. 3 Vgl. oben Fn. 2. 4 LAG Hamm, Urt. vom 23. 10. 1973 3 Sa 541/73 - EzA Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 = DB 1974, S. 50 f.; s. ferner LAG Hamm, Urteile vom 6. 11. 1973 - 3 Sa 651/73 - EzA Nr. 2 zu § 112 BetrVG 1972 = DB 1974, S. 51 f. und vom 9. 9. 1974 - 2 Sa 628/74 = DB 1974, S. 1964 (für den Fall des Vergleichs); ArbG Arnsberg, Urt. vom 21. 8. 1973 - Ca 220173 - DB 1973, S . 1902 f. = KTS 1974, S . 53 (55); ArbG Gießen, Urt. vom 4. 6. 1974- 1 Ca 298/74- KTS 1974, S. 245 f.; ArbG Wiesbaden, Urt. vom 2. 4. 1975 - 6 Ca 1778/75 - BB 1975, s. 1069 f. s Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 74 f.; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 112 Rdn. 15 a (s. u. Fn. 9); Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 40 (s. u. Fn. 9); Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 67 ff. (s. u. Fn. 9); Mentzel/Kuhn, KO, §59 Rdn. 2 Anm. 2 e; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs IV C, I; Hanau, ZfA 1974, S. 89 (112 f.) (s. u . Fn. 9); Matthes, BB 1974, S. 1351; Unterhinninghofen, BetrR 1974, S. 658 (659); Uhlenbruck, BB 1973, S . 1360 (1362); ders., Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972 (Bl. 37) (für den Fall des Vergleichs); Otto, SAE 1976, S. 22 (25); Schils, KTS 1976, S. 267 (272 ff.); Weitnauer, ZfA 1977, s. 111 (148 ff.).

II. Überblick über den Streitstand

53

gestellten Sozialplänen überwiegend abgelehnt. Eine Ausnahme wird jedoch teilweise für die Fälle gemacht, in denen durch den Sozialplan auch rückständiges Arbeitsentgelt abgegolten werden soll6 • Dabei wird jedoch nicht immer klar, ob der gesamte Sozialplananspruch bevorrechtigte Konkursforderung beziehungsweise Masseschuld nach § 59 Absatz 1 Nr. 3 a KO sein solF oder nur der auf die rückständigen Bezüge entfallende Anteil8 •

2. Konkursvorrecht (Masseschuld) nur bei Lohnausgleichszahlungen Einige der genannten Vertreter der herrschenden Meinung, die grundsätzlich ein Konkursvorrecht für Sozialplanansprüche ablehnen, beschränken diese Aussage jedoch auf die Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes und nehmen eine Privilegierung nach §§ 59 Absatz 1 Nr. 3 a beziehungsweise 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO für "Lohnausgleichszahlungen" beziehungsweise "Unterhaltsbeihilfen" oder "Überbrükkungsgelder" an9.

3. Konkursvorrecht (Masseschuld) auch für Abfindungen, die auf der Arbeitsleistung im Konkursvorjahr beruhen Eine wiederum abweichende Auffassung vertritt Beuthien10 • Er sieht Ansprüche aus einem vor Konkurseröffnung aufgestellten Sozialplan generell, also auch hinsichtlich der Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes, als bevorrechtigt an. Das Vorrecht soll allerdings hin6 LAG Hamm, Urt. vom 9. 9. 1974; ArbG Wiesbaden, Urt. vom 2. 4. 1975; ArbG Arnsberg, Urt. vom 21. 8. 1973; wohl auch ArbG Gießen, Urt. vom 4. 6. 1974 (s. alle oben Fn. 4); Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 40; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 112 Rdn. 15 a; Stege/Weinspach, BetrVG, S. 475; Mentzel/Kuhn, KO, § 59 Rdn. 2 Anm. 2 e; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs IV C, I; Matthes, BB 1974, S. 1351; Hanau, ZfA 1974, S. 89 (113); Otto, SAE 1976, S. 22 (25); Böhle-Stamschräder, KO, § 61 Anm. 4. 7 So wohl ArbG Wiesbaden, Urt. vom 4. 7. 1974 (s. o. Fn. 4) und Otto, SAE

1976,

s. 22 (25).

s So LAG Hamm, Urt. vom 9. 9. 1974 (s.o. Fn. 4); Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 112 Rdn. 15 a; Stege/Weinspach, BetrVG, S. 475; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs IV C, I; so auch Hanau, ZfA 1974, S. 89 (113), der einen ausdrücklichen Hinweis auf den Lohnausgleichscharakter vorschlägt; wohl auch Böhle-Stamschräder, KO, § 61 Anm. 4 i; unklar z. B. Mentzel/Kuhn, KO, § 59 Rdn. 2, Anm. 2 e. 9 ArbG Arnsberg, Urt. vom 21. 8. 1973 (s. o. Fn. 4); Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 40; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 70; Fitting/Auffarth/ Kaiser, BetrVG, § 112 Rdn. 15 a ; Bürger/Oehmann/Stübing, Handwörterbuch des Arbeitsrechts, Konkurs, S. 7; Hanau, ZfA 1974, S. 89 (112 f.). to RdA 1976, S. 147 (161) - die von Beuthien angegebenen Belegstellen in Fn. 131 sind allerdings unauffindbar beziehungsweise unergiebig; so hilfsweise auch Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 68.

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§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

sichtlich der Arbeitsplatzabfindung auf den Teil beschränkt sein, der durch die Arbeitsleistung im Konkursvorjahr erworben wurde.

4. ALlgemeine konkursrechtliche Privilegierung von Sozialplanansprüchen Wesentlich über die Auffassung Beuthiens hinaus gehen e1mge andere Autoren, zu denen vor allem Richardi in seinem bereits mehrfach erwähnten Gutachten für die IG Metall gehört11 • Sie sehen mit unterschiedlichen Begründungen alle oder doch die wesentlichsten Sozialplanansprüche bei Vorliegen der zeitlichen Voraussetzungen der §§ 61 Absatz 1 Nr. 1 oder 59 Absatz 1 Nr. 3 KO als bevorrechtigt beziehungsweise als Masseschulden an. a) Die Auffassung Richardis Richardi betrachtet Leistungen mit Lohnersatzfunktion als Arbeitsentgelt, das dem Bestreiten des Lebensunterhalts diene und deshalb bevorrechtigt seP 2 • Dasselbe sei der Fall, wenn die betreffenden Arbeitnehmer bei Konkurseröffnung bereits entlassen gewesen seien. Hier sei jedenfalls eine analoge Anwendung der §§59 Absatz 1 Nr. 3 b und d beziehungsweise 61 Nr. 1 b und d geboten13. Aber auch der Abfindungsanspruch für den Verlust des Arbeitsplatzes sei als Entschädigung für einen eintretenden Rechtsverlust unter denselben Voraussetzungen bevorrechtigt14. Hingegen seien die erst nach Konkurseröffnung entstehenden, wenngleich schon früher vereinbarten Sozialplanleistungen nur einfache Konkursforderungen, soweit sie nicht bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses Masseschulden nach § 59 Absatz 1 Nr. 2 KO würden1s. Auch Ansprüche auf Wiedereinstellung und Versetzung, die in einem Sozialplan enthalten seien, und die sich gemäß § 26 Satz 2 KO in Schadenersatzforderungen umwandelten, hätten nur den Rang einfacher Konkursforderungen16. u Richardi, Sozialplan und Konkurs, insbes. S. 49 ff., 52 ff. (Lohnersatzleistungen), 59 ff. (Abfindungen für den Arbeitsplatzverlust); anders noch Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 40 (s. o. Fn. 5 und 9); Heinze, DB 1974, S. 1814 (1816 f.); Körnig, DB 1975, S. 1411 ff.; Rose, MitbGespr. 1975, S. 84 (86 f.); Gaul, Anm. zum Beschl. des LAG Hamm, AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 (Bl. 706 R, 707). 12 Sozialplan und Konkurs, S. 52 ff.; hiergegen Schils, KTS 1976, S. 267 (273 f .).

13 Ebd., S. 55 ff., 58 f. 14 Ebd., S. 59 ff.; s. auch oben § 3 I. 1. und Il. 1. 1s Ebd., S. 63. 16 Ebd., S. 44 f.

III. Stellungnahme

55

b) Die Auffassungen von Körnig und Heinze Körnig und Heinze stellen bei ihrer Argumentation - wie schon dargelegt - darauf ab, daß die Sozialplanansprüche Entgelt seien, das im Austauschverhältnis zur Gesamtarbeitsleistung des Arbeitnehmers stehe und deshalb den Vorschriften der §§59 Absatz 1 Nr. 3 a, 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO unterfalle17 • Körnig sieht den Sozialplan in voller Höhe als bevorrechtigt an. Er begründet dies damit, daß ein in den letzten zwölf (beziehungsweise sechs) Monaten vor Konkurseröffnung aufgestellter Sozialplan das Arbeitsverhältnis normativ gestaltet" habe, so daß der (Halb-)Jahresverdienst die Sozialplanleistungen vollständig einschließe18• Heinze19 hält demgegenüber eine Einschränkung der Sozialplanansprüche in der Höhe für möglicherweise denkbar. Die zeitliche Begrenzung des § 61 Nr. 1 KO (a. F.) gebe insoweit allerdings nichts her; dagegen stelle die Überschreitung der in §§ 113 BetrVG, 9, 10 KSchG genannten Grenzen eine Ermessensverletzung der Einigungsstelle dar19 • c) Die Auffassung Gauls Gaul2° stützt seine Meinung, Sozialplanansprüche aus der Zeit vor Konkurseröffnung seien konkursrechtlich privilegiert, darauf, daß die Ansprüche aus § 9 ArbNErfG gemäß § 27 Absatz 2 dieses Gesetzes im Konkurs hinter den Ansprüchen aus § 61 Nr. 1 KO (a. F.), aber vor denen nach § 61 Nr. 2 KO (a. F.) zu befriedigen seien. Die Erfindervergütung diene lediglich dem Ausgleich für die schöpferische Idee, während soziale Erwägungen bei ihr keine Rolle spielten. Daraus rechtfertige sich eine konkursrechtliche Begünstigung der Sozialplanansprüche, bei denen es ausschließlich um die sozialen Belange der Arbeitnehmer gehe.

m. Stellungnahme Die Frage, wie Ansprüche aus einem früher aufgestellten Sozialplan im Konkurs zu behandeln sind, setzt - wie dies auch Richardi in seiner Darstellung berücksichtigt21 - eine für die verschiedenen Leistungen 11 Körnig, DB 1975, S. 1411 ff., insbes. S. 1412 f.; Heinze, DB 1974, S. 1814 (1816 f.); ähnlich Rose, MitbGespr 1975, S. 84 (86 f.). 1s DB 1975, S. 1411 (1416); er beschränkt diese Aussage jedoch auf "echte", d. h. nicht überhöhte Sozialplanleistungen, s. S. 1411 N. 12. 19 DB 1974 1974, S. 1814 (1819). 2o s. o. Fn. 11, Bl. 706 R. 21 Sozialplan und Konkurs, S. 44 ff.

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§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

getrennte Untersuchung voraus. Bei dem Sozialplan braucht es sich nämlich nicht um einen einheitlichen Anspruch zu handelnn. Die Gegenauffassung, die einen einheitlichen Anspruch annimmt, der "lediglich nachteilige Auswirkungen in verschiedenen Erscheinungsformen" ausgleichen solle23, verkennt, daß der Sozialplan sehr unterschiedliche Funktionen haben kann. Zum einen kann er Leistungen mit Lohnersatzfunktion enthalten, zum anderen kann er aber auch Zahlungen zum Gegenstand haben, die Nachteile im sozialen Besitzstand betreffen. Außerdem werden in der Praxis - wenn auch nach der hier vertretenen Auffassung häufig zu Unrecht - über konkrete Nachteile hinaus Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes als solchen festgelegt. Die Tatsache, daß alle diese Leistungen auf dem Arbeitsverhältnis beruhen, führt ebensowenig zur Annahme eines einheitlichen Anspruchs, wie dies zum Beispiel bei Lohn- und Urlaubsansprüchen der Fall ist. Diese ergeben sich ebenfalls beide aus dem Arbeitsverhältnis; dennoch kann ihr rechtliches Schicksal durchaus unterschiedlich sein. Es sollen deshalb im folgenden zunächst die wesentlichsten Soziaiplanansprüche getrennt auf ihre konkursrechtliche Stellung untersucht werden, wobei zunächst unterstellt wird, daß diese Leistungen unterscheidbar im Sozialplan aufgeführt sind. Anschließend soll die Frage des Konkursvorrangs für den Fall geprüft werden, daß eine vereinbarte Abfindung außer dem Verlust des Arbeitsplatzes noch weitere Nachteile ausgleichen soll.

1. Ausgleichszahlungen wegen rückständigen Arbeitsentgelts a) Leistungen an bis zur Konkurseröffnung beschäftigte Arbeitnehmer

aa) Anwendungsbereich der §§ 59 Absatz 1 N·r. 3 a, 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO Rückständige Bezüge der Arbeitnehmer werden im Konkurs des Arbeitgebers insoweit privilegiert, als sie für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung Masseschulden sind (§59 Absatz 1 Nr. 3 a KO) und für die weiteren sechs Monate den Vorrang des§ 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO genießen. Zu den genannten Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis 22 Richardi, DB Beilage 6/1976, S. 7 f.; vgl. ferner u. a. Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 22, 52 ff., 59 ff.; Hanau, ZfA 1974, S. 89 (112 f.); Vogt, BB

1975, 23

s. 1581 (1586).

Insbes. Körnig, DB 1975, S. 1411 (1414); ähnl. Heinze, DB 1974, S. 1814

(1817).

III. Stellungnahme

57

gehören außer dem Lohn alle vertraglich geschuldeten Geld- und Naturalleistungen, die der Dienstverpflichtete für seine Dienste beanspruchen kann24 • Hierzu zählen unter anderem Gratifikationen25 und Tantiemen26 , aber auch zum Beispiel Urlaubsgelder und Zahlungen zur Urlaubsabgeltung27 • Nach der Neufassung des § 61 KO durch das Gesetz über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 ist nunmehr klargestellt, daß auch rückständige Betriebsrenten im Konkurs Vorrang genießen28 •

bb) Möglichkeit des Verlusts der Privilegierung von Lohnforderungen durch Aufnahme in einen Sozialplan Es fragt sich nun, ob diese Forderungen ihre Rechtsstellung dadurch verlieren können, daß sie in einen Sozialplan aufgenommen werden29 • Sozialpläne sind Betriebsvereinbarungen oder haben wenigstens nach der ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzes (§ 111 Absatz 1 Satz 3 BetrVG) deren Wirkungen. Das hat zur Folge, daß sie zwar das Einzelarbeitsverhältrus normativ gestalten können. Sie können aber wegen des "Günstigkeitsprinzips" bereits entstandene Individualrechte der Arbeitnehmer - und dazu gehören die Ansprüche auf rückständige Dienstbezüge - grundsätzlich nicht beeinträchtigen30 • Etwas anderes kann nur in ganz besonderen Ausnahmefällen gelten, so etwa, wenn "unabweisliche Forderungen des Gemeinwohls oder besonders dringende objektive Interessen des Betriebes" vorliegen31 • Voraussetzung für die Wirksamkeit eines solchen Eingriffs ist aber in jedem Fall, daß die Arbeitnehmer eine angemessene Entschädigung erhaltens2 • 24 Allg. Meinung, vgl. schon Motive zur KO bei Hahn, Materialien, S. 249; RAG, Urt. vom 21. 11. 1931 - RAG 284/31 - RAG 9, S. 337 (339) = ARS 13, S. 321; von Wilmowski, Deutsche Reichskonkursordnung, 6. Auf!. 1906, § 61 Anm. 5 b; ferner Mentzel/Kuhn, KO § 61 Rdn. 33 m. w . N. 2s Motive (Fn. 24); RAG, a .a.O. (Fn. 24); Mentzel/Kuhn, Ko, § 61 Rdn. 33, 34. 26 u. a. Motive (Fn. 24); Mentzel/Kuhn, KO, § 61 Rdn. 33; von Wilmowski (Fn. 24). 27 Mentzel/Kuhn, KO, § 61 Rdn. 47 a. 28 So schon für das alte Recht BAG, Urt. vom 4. 7. 1969- 3 AZR 212/68BAG 22, S. 105 ff. = AP Nr. 6 zu § 61 KO; vgl. hierzu unten § 7 III. 2. a) bb)

(2).

29 So Uhlenbruck, AP Nr. 157 zu§ 242 BGB Ruhegehalt BI. 123; ders., BB 1973, S. 1360 (1361); a. A. Schils, KTS 1976, S. 267 (270). so Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht Band II/1, § 19 G II, 1, S. 406 f. m. w. N. in N. 172-173 a; Band II/2, § 65 III, 2 c, S. 1265 m. w. N. in N. 28 und 29; vgl. auch Nikisch, Arbeitsrecht, Band II, § 73 II, 6, S . 293 f. und Band III, § 107, VIII, 2, S. 288 ; Söllner, Arbeitsrecht, § 18 III, 2, S . 130; wohl auch Hunold, BB 1975, S. 1439 (1443) zum Sozialplan. st Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht Band II/1, § 19 G II, S. 407 m. w. N. in N. 173 und 173 a. 32 Hueck/Nipperdey (Fn. 31), a.a.O.

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§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

Da Sozialpläne häufig in Krisensituationen eines Unternehmens aufgestellt werden, kann aber eine pauschale Abfindung rückständiger Lohnforderungen durch den Sozialplan nicht generell als unzulässig angesehen werden33 • Diese Frage braucht jedoch im Rahmen dieser Untersuchung nicht vertieft zu werden. Jedenfalls dann, wenn in einem Sozialplan ausdrücklich rückständige Lohnforderungen - gegebenenfalls in der Höhe beschränkt - aufgeführt werden, handelt es sich unverändert um Ansprüche auf Dienstbezüge. Ihr Entstehen beruht nicht auf dem Sozialplan34 , sondern sie ergeben sich unmittelbar aus dem - früher abgeschlossenen - Einzelarbeitsvertrag und werden durch den Sozialplan allenfalls modifiziert. Der Lohncharakter bleibt aber auch dann erhalten, wenn die rückständigen Bezüge pauschal abgegolten werden. Sofern die o. g. besonderen Voraussetzungen für einen Eingriff in erworbene Rechte der Arbeitnehmer überhaupt gegeben sind und diese deshalb ihre Lohnansprüche (teilweise) verlieren, so sind dennoch die im Sozialplan festgesetzten Beträge zur Abgeltung der Lohnforderungen konkursrechtlich als rückständige Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis zu behandeln. Selbst wenn man in diesen Fällen eine substantielle Veränderung der Ansprüche annehmen würde35, wären sie Ersatz für Arbeitsentgelt im Konkursvorzeitraum und deshalb ebenso bevorrechtigt, wie dies zum Beispiel Schadensersatzforderungen für entgangenes Arbeitsentgelt sind36 • Falls die besonderen Voraussetzungen einer Kürzung der bestehenden Lohnansprüche nicht vorliegen, sind die Arbeitnehmer ohnedies nicht gehindert, auf ihre früheren und durch den Sozialplan unveränderten Lohnforderungen zurückzugreifen. Allerdings muß es als zulässig erscheinen, wenn im Sozialplan die Inanspruchnahme der Sozialleistungen von einem individuellen Verzicht auf die Geltendmachung vertraglicher Lohnrückstände abhängig gemacht wird3 7 • Es ergibt sich daher, daß Forderungen auf rückständigen Arbeitslohn auch dann ihren Charakter als bevorrechtigte Konkursforderung beziehungsweise Masseschuld behalten, wenn sie in einem Sozialplan ge33 Zweifelnd zur Zulässigkeit allgemeiner Ausgleichsklauseln im Sozialplan Hunold, BB 1975, S. 1439 (1443). 34 So zu Recht Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 51. 35 So Uhlenbruck, AP Nr. 157 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 123; ders., BB 1973, S. 1360 (1361); der deshalb die Regelung rückständiger Lohnforderungen im Sozialplan ablehnt; vgl. auch Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 51, der bei Einbeziehung der Lohnrückstände in den Sozialplan eine Novation für möglich hält. 36 s. hierzu u. a. Mentzel!Kuhn, KO, § 61 Rdn. 41 m. w. N.; Jaeger/Lent, KO, § 61 Anm. 16 a; LAG Hamm, Urt. vom 19. 3. 1966- 5 Sa 708/ 68- DB 1969, S. 842; LAG Berlin, Urt. vom 22. 10. 1964 - 4 Sa 49/64 - BB 1965,

s. 245. 37 Hunold, BB 1975, S. 1439 (1443).

III. Stellungnahme

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regelt sind38• In der Höhe der rückständigen Lohnforderungen sind Sozialplanansprüche daher konkursrechtlich in jedem Fall privilegiert39• b) Leistungen an bereits vor Konkurseröffnung ausgeschiedene Arbeitnehmer Soweit bereits vor Konkurseröffnung entlassene oder freiwillig ausgeschiedene Arbeitnehmer rückständigen Lohn und soziale Nebenleistungen im Konkurs geltend machen, sind diese Forderungen ebenso wie die der noch bei Konkurseröffnung beschäftigten Belegschaftsmitglieder zu behandeln40 • Das in den Protokollen zur Konkursordnung als wesentlich angesehene Motiv für die Besserstellung der Arbeitnehmer, ihnen sei es während ihres Dienstverhältnisses erschwert, gegen ihren Arbeitgeber im Klagewege vorzugehen41 , trifft zwar auf bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht zu42 • Zum einen ist es aber aufgrundder inzwischen erheblich verbesserten Rechtsstellung der Arbeitnehmer heute auch abhängig Beschäftigten zuzumuten, ihre Forderungen gegenüber ihrem Arbeitgeber durchzusetzen, da sie in diesen Fällen kaum noch mit ernsthaften Nachteilen zu rechnen haben43 • Zum anderen ist das angebliche Motiv für die gesetzliche Regelung in der Konkursordnung selbst nicht angeklungen, so daß wenigstens heute eine einschränkende Auslegung des § 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO auf die noch bei Konkurseröffnung beim Gemeinschuldner tätigen Arbeitnehmer ausscheiden muß. Auch sind bereits entlassene Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer rückständigen Lohnforderungen, die zur Bestreitung des laufenden Lebensunterhalts bestimmt sind, ebenso schutzwürdig wie die noch bei Konkurseröffnung im Betrieb des Gemeinschuldners beschäftigten.

38 So zu Recht die ganz h. M., die allerdings nicht in der hier vorgenommenen Weise in der Begründung differenziert, vgl. u . a. Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 51 und die oben (Fn. 6) Genannten; a. A. wohl nur Uhlenbruck (s. o. Fn. 35). 39 Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 112 Rdn. 15 a und die oben (Fn. 8) Genannten. 40 Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 65, allerdings ohne Begründung. 41 Hahn, Die gesammten Materialien zur Konkursordnung, S. 248. 42 Insoweit zutreffend RAG, Urt. vom 21. 11. 1931 RAG 284131 - RAG 9, S. 337 (340) = ARS 13, S. 321 (324). 43 So schon Jaeger, Lehrbuch des Konkursrechts, 8. Aufl. 1932, § 11 III, S. 65; ebenso Nikisch, Arbeitsrecht, Band I, § 33 VI, 1, S. 442; Uhlenbruck, RdA 1976, S. 248 (249); - a. A. allerdings ohne überzeugende Begründung Heinze, DB 1974, S. 1814 (1815); vgl. auch König, DB 1975, S. 1411 (1414).

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§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

2. Laufende Sozialplanleistungen mit Lohnersatzfunktion a) Lohnersatzleistungen an bis zur Konkurseröffnung beschäftigte Arbeitnehmer Führen Betriebsänderungen dazu, daß Arbeitnehmer zwar nicht entlassen werden, aber andere Nachteile erleiden, so können auch diese durch einen Sozialplan ausgeglichen werden.

aa) Fortzahlung des bisherigen Gehalts (1) Möglichkeit der freien

Vereinbarung des Arbeitsentgelts

Zunächst ist denkbar, daß die betroffenen Arbeitnehmer im Wege einer Änderungskündigung auf einen tarifvertraglich ungünstiger eingestuften Arbeitsplatz versetzt werden, aufgrund des Sozialplans aber weiter den ursprünglichen Lohn erhalten44 • In diesen Fällen ist der gesamte Lohn - im Konkurs bevorrechtigtes - Arbeitsentgelt. Dies kann schon mit der Erwägung begründet werden, daß es den Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich freisteht, das Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung zu bestimmen, sofern sie die tarifvertragliehen oder gesetzlichen Mindestgrenzen beachten. Die Höhe des geschuldeten Lohns kann sich hierbei aus einem Tarifvertrag, einer Individualabrede oder einer Betriebsvereinbarung in Form eines Sozialplans ergeben45 , ohne daß dies für den Rechtscharakter der gezahlten Beträge als Arbeitsentgelt von Bedeutung ist. (2) Soziale Erwägungen bei der Bestimmung der Gegenleistung des Arbeitgebers Außerdem ist es eine nicht auf den Sozialplan beschränkte Erscheinung, daß der Arbeitgeber Leistungen erbringt, die sich nicht nur aus dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Arbeit rechtfertigen, sondern die in allgemeinen - zum Teil vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannten - sozialen Erwägungen begründet sind. Dies trifft zum Beispiel bei der im öffentlichen Dienst, aber zum Teil auch in der Privatwirtschaft üblichen besseren Bezahlung älterer Arbeitnehmer trotz gleicher Leistungen ("Bewährungsaufstieg") zu. Dasselbe gilt aber auch bei der gesetzlich beziehungsweise tarifvertraglich vorgeschriebenen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (§ 616 BGB beziehungsweise § 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes vom 27. Juli 1969) oder während des 44 Eine Änderungskündigung ist nach h. M. auch dann erforderlich, wenn der Arbeitgeber das bisherige Entgelt fortzahlt; vgl. Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, S. 145; BAG, Urt. vom 14. 7. 1965 - 4 AZR 347/63 - AP Nr. 19 zu § 611 BGB - Direktionsrecht m. insoweit zust. Anm. von Crisolli. 45 Vgl. auch Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 52.

III. Stellungnahme

61

Erholungsurlaubs (§ 1 BUrlG). Allen diesen Leistungen ist ein starkes Fürsorgeelement gemeinsam. Sie beruhen jedoch auf der Gesamtarbeitsleistung des Arbeitnehmers und sind Teil der dem Unternehmer gesetzlich obliegenden Gegenleistungspflicht46 , wobei der objektive Wert der bisherigen Arbeitsleistung keine Rolle spielt. Es ist demnach festzuhalten, daß auch die aus sozialen Erwägungen erbrachten Leistungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer zu den "Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis" im Sinne der §§59 Absatz 1 Nr. 3 a, 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO gehören, gleichgültig, ob und inwieweit sie eine Bezahlung geleisteter Dienste in den Konkursvormonaten darstellen. Dasselbe gilt auch für den Lohn, der aufgrund eines Sozialplans über das tarifvertraglich geschuldete Maß hinaus gezahlt wird. Solcher Lohn für die Konkursvormonate ist also in voller Höhe bevorrechtigte Konkursforderung beziehungsweise Masseschuld. Aus den genannten Gründen sind auch Nebenleistungen aller Art für diesen Zeitraum, wie zum Beispiel Gratifikationen und Urlaubsentgelte, die aufgrund des Sozialplans nach den bisherigen - günstigeren - Bemessungsgrundlagen geschuldet werden, im Konkurs privilegiert47 • (3) Problem der Massenützlichkeit der Arbeitsleistungen im Konkursvorjahr Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang ferner darauf, daß es für den Umfang des Konkursvorrechts beziehungsweise der Masseschuld auch keine Rolle spielen kann, ob und inwieweit in dem Konkursvorjahr Leistungen des Arbeitnehmers der späteren Masse zugute gekommen sind. Auch wenn in den Protokollen zur Konkursordnung das Lidlohnvorrecht damit gerechtfertigt wird, daß der "Liedlohn" den Konkursgläubigern in gewisser Weise als eine "nützliche Verwendung" erscheine und daher die erste Stelle einnehmen müsse48 , kann dieses Argument nicht überzeugen. Zum einen ist es keinesfalls sicher, daß die geleistete Arbeit tatsächlich den Wert des Unternehmens erhöht oder wenigstens erhalten hat49 • Zum anderen können die Leistungen der sonstigen Konkursgläubiger etwa in Form von Krediten und Warenlieferungen den Unternehmenswert unter Umständen nachhaltiger gesteigert haben als zum Beispiel unproduktive Arbeitsverrichtungen. Das Argument, die Arbeitsleistungen der Beschäftigten hätten nützliche Verwendung für den gemeinschuldnerischenBetrieb dargestellt, Vgl. dazu oben, § 3 I I. 3. a, d. Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 54. 48 Hahn, Die gesammten Materialien zur Konkursordnung, S. 250; ähnl. auch Berges, Festschrift für Friedrich Weber, S. 57 (70 f.) und Uhlenbruck, BlStSozArbR 1976, S. 145. 49 Vgl. die von Berges, Festschrift für Friedrich Weber, S. 57 ff. (70) genannten Beispiele aus der Baubranche. 46

47

§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

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trägt somit entgegen der Auffassung der Gesetzgebungsmaterialien die Privilegierung der Arbeitnehmerforderungen im Konkurs nicht. Der Wert dieser "Verwendungen" und damit die Frage der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung im Konkursvorjahr bieten also keine Kriterien für eine Einschränkung des Begriffs der rückständigen Dienstbezüge. Auch dies spricht dafür, den aufgrund eines Sozialplans für die Zeit des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses geschuldeten rückständigen Lohn einschließlich der Nebenleistungen als Masseschuld nach§ 59 Absatz 1 Nr. 3 a KO beziehungsweise bevorrechtigte Konkursforderung nach§ 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO anzusehen.

bb) AusgLeich von Nachteilen durch Lohnersatzleistungen Eine andere Bewertung könnte hingegen in den Fällen angebracht sein, in denen bei Betriebsänderungen nicht der bisherige Lohn weitergezahlt wird, sondern zum Ausgleich entstandener Nachteile andere Leistungen erbracht werden, die - in der treffenden Formulierung von Richardi50 - entweder den status quo im ArbeitsentgeLt einschließlich Aufwandsentschädigungen oder aber im Lebensstandard sichern sollen. Auch für die Lohnersatzforderungen wird in Literatur und Rechtsprechung, sofern diese Ansprüche überhaupt von den Arbeitsplatzabfindungen unterschieden werden, ein Konkursvorrecht nach § 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO (beziehungsweise die Einstufung als Masseschuld nach §59 Absatz 1 Nr. 3 a KO) bejaht51 • Bei dieser Fallgruppe werden nach der Betriebsänderung Leistungen erbracht, die das bisherige Arbeitsverhältnis nicht kannte. Durch Überbrückungszahlungen und Beihilfen wird dafür gesorgt, daß den betroffenen Arbeitnehmern trotz geminderten Gehalts kein oder ein geringerer Lohnausfall entsteht- insoweit liegt eine Ähnlichkeit mit der gerade behandelten Fortzahlung des alten Lohns vor. Es können aber auch Einbußen ausgeglichen werden, die sich in der privaten Lebensführung, zum Beispiel durch erhöhte Aufwendungen für Fahrtkosten oder Unterbringung, ergeben. -

Leistungen dieser Art können nicht einfach - wie Richardi meint52 unter Berufung auf die Gestaltungsfreiheit der Arbeitsvertragspar-

Sozialplan und Konkurs, S. 54 f. ArbG Arnsberg, Urt. vom 21. 8. 1973 - Ca 220/73 - KTS 1974, S. 53 (54 f.) = DB 1973, S. 1902; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 112 Rdn. 70; Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 40; Hanau, ZfA 1974, S. 89 (112 f.); Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 52 ff.; Bürger/Oehmann/Stübing, Handwörterbuch des Arbeitsrechts, Konkurs, S. 7; wohl auch LAG Ramm, Beschl. vom 1. 3. 1972 - 8 BV Ta 1/72 - AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 mit Anm. Gaul, der ein allgemeines Konkursvorrecht des Sozialplans annimmt;- a. A. LAG Ramm, Urt. vom 9. 9. 1974 - 2 Sa 628/74 - DB 1974, S. 1964. s2 Sozialplan und Konkurs, S. 52. so s1

III. Stellungnahme

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teien als normales Arbeitsentgelt angesehen werden. Bezeichnend ist, daß Richardi in diesem Zusammenhang als Beleg für seine These den Fall einer Ausgleichszahlung bei Versetzung auf einen tarifvertraglich schlechter eingestuften Arbeitsplatz wählt. Hier ist es tatsächlich nur eine Formulierungsfrage, ob m:m von unveränderter Lohnfortzahlung trotz Versetzung oder von einer Ausgleichszahlung für einen geringeren Lohn spricht. Diese unterschiedliche Terminologie darf allerdings nicht zu verschiedenen Rechtsfolgen führen. Bei Ansprüchen auf sonstige Ausgleichsleistungen, die insbesondere den status quo im Lebensstandard betreffen, müssen jedoch andersartige Erwägungen zur Bejahung des Konkursvorrechts herangezogen werden. Diese Leistungen können auch nach dem erkennbaren Willen der Vertragsparteien nicht Entgelt für die nach der Betriebsänderung erbrachte Arbeit sein und unterscheiden sich dadurch wesentlich von dem normalen Arbeitslohn für diesen Zeitraum. Ausgleichszahlungen dieser Art beruhen vielmehr auf dem Gesamtarbeitsverhältnis vor der Betriebsänderung, wobei die Dauer der Beschäftigung bis zu diesem Zeitpunkt für den Ausgleich der entstehenden Nachteile ohne Bedeutung ist. Oben53 wurde aber bereits ausgeführt, daß es für das Konkursrecht nach § 61 Absatz 1 Nr.1 a KO (beziehungsweise die Anwendbarkeit von §59 Absatz 1 Nr. 3 a KO) nicht darauf ankommt, ob die in den Konkursvormonaten erbrachte Arbeitsleistung im Gegenseitigkeitsverhältnis zu den für diesen Zeitraum geschuldeten Bezügen steht. Der vom Reichsarbeitsgericht für die Stellung des Ruhegeldanspruchs entwickelte abweichende Standpunkt, nur Forderungen im unmittelbaren Austauschverhältnis seien bevorrechtigt54, ist inzwischen zu Recht aufgegeben worden5s. Das Reichsarbeitsgericht hatte seine Auffassung unter anderem auf das bereits erwähnte Argument gestützt, das Konkursvorrecht rechtfertige sich bei aktiven Arbeitnehmern aus den besonderen Schwierigkeiten der Rechtsverfolgung gegen ihren Arbeitgeber, die bei Ruheständlern nicht gegeben seien56 • Auch die Rechtsprechung des Reichsss § 7 III. 2. a, aa (2). 54 RAG, Urt. vom 21. 11. 1931 - RAG 284/31 RAG 9, S. 337 (339) = ARS 13, S. 321 (322 f.); RAG, Urt. vom 23. 1. 1935- RAG 137/34 - JW 1935, S.1362 Nr. 31 = ARS 23 I. Abt., S. 129 mit insoweit zust. Anm. Volkmar; ebenso noch ArbG Hagen, Urt. vom 5. 12. 1967- 2 Ca 1156/67- BB 1968, S. 507 f.; ähnl. auch noch LAG Frankfurt, Urt. vom 13. 2. 1976 - 8 Sa 917/74 - DB 1976, S. 1486 (1487) ("unmittelbare rechtliche Verknüpfung"); ferner Rewolle, DB 1949, S. 106 und DB 1967, S. 1134 (1136). 55 BAG, Urt. vom 4. 7. 1969 - 3 AZR 212/68 - BAG 22, S. 105 (110) = AP Nr. 6 zu § 61 KO, Bl. 1001 mit zust. Anm. Fr. Weber; Mentzel/Kuhn, KO, § 61 Rdn. 32 d, 36; Ide, BB 1970, S. 83 f.; Hohn, BB 1971, S. 788 f.; LAG Saarbrücken, Urt. vom 7. 10. 1970-2 Sa 40/70- DB 1970, S. 2448 f. so RAG vom 21. 11. 1931 (s. o. Fn. 54), S. 341.

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§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

arbeitsgerichts, die im übrigen - zum Beispiel im Falle einer längeren Entbindung von der Arbeitspflicht57 - selbst Ausnahmen von dem Erfordernis des Austauschverhältnisses kannte, würde deshalb bei den Lohnersatzzahlungen an noch nicht entlassene und deshalb angeblich bei der Durchsetzung ihrer Rechte behinderte Arbeitnehmer das Konkursvorrecht kaum versagen. Das Vorrecht rechtfertigt sich jedenfalls bei den Lohnersatzleistungen aufgrund eines Sozialplans ähnlich wie bei sonstigen Sozialleistungen, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Arbeitsleistung in dem Zeitraum ihrer Erbringung stehen, daraus, daß sie den laufenden Lebensunterhalt des Arbeitnehmers in einer bestimmten Periode sichern sollen. Die soziale Schutzwürdigkeit, auf die das Bundesarbeitsgericht entscheidend abstellt, ist bei diesen Leistungen ebenso wie beim Lohn gegeben58 • Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß der Gesetzgeber durch die Einführung der Formulierung "Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis" in § 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO statt der bisherigen Begriffe "Forderungen an Lohn, Kostgeld oder anderen Dienstbezügen" keine Erweiterung (oder Einengung) des begünstigten Personenkreises bezweckte59. Sozialplanansprüche mit Lohnersatzcharakter fielen nämlich wenigstens für die Zeit der Weiterbeschäftigung - auch unter den bisherigen Wortlaut von § 61 Nr. 1 (a. F.) KO. Auch § 61 Nr. 1 (a. F.) KO erfaßte nämlich bei richtiger Auslegung ebenfalls nicht nur die Gegenleistung für die in einem bestimmten Zeitraum erbrachte Arbeit, sondern alle für den Lebensunterhalt des Arbeitnehmers in diesem Zeitabschnitt bestimmten Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis.

Zusammenfassend läßt sich daher feststellen, daß rückständige Lahnersatzleistungen aus einem Sozialplan an noch nicht entlassene Arbeitnehmer für den Zeitraum der ersten sechs Monate vor Konkurseröffnung Masseschulden nach §59 Absatz 1 Nr. 3 a KO und für die weiter zurückliegenden sechs Monate bevorrechtigte Konkursforderungen sind. Hierbei spielt es keine Rolle, ob diese Leistungen einen geringeren Arbeitsverdienst oder aber höhere Belastungen ausgleichen sollten.

RAG vom 21. 11. 1931 (s. o. Fn. 54), S. 340. BAG vom 4. 7. 1969 (s. o. Fn. 55) - BAG 22, S. 111 = AP Nr. 6 zu § 61 KO, Bl. 1001 R; ebenso Hohn, BB 1971, S. 788 f.; Körnig, DB 1975, S. 1411 (1414); Heinze, DB 1974, S. 1814 (1815); Reyer, BlStSozArbR 1972, S. 337 (338 f.). 59 So die Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes über Konkursausfallgeld, BR-Drucks. 9/1974, S. 16 = BT-Drucks. 7/1750, S. 16. 57

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III. Stellungnahme

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b) Lohnersatzleistungen an bereits vor Konkurseröffnung ausgeschiedene Arbeitnehmer In diesen Fällen sind nicht das normale Arbeitsentgelt einschließlich der Nebenleistungen, sondern Lohnausgleichszahlungen rückständig, zu denen der Arbeitgeber aufgrund eines vor Konkurseröffnung aufgestellten Sozialplans verpflichtet war. Hierbei lassen sich drei Fallgruppen bilden: (aa) Die Ausgleichszahlungen wurden in einem Sozialplan festgesetzt, der vor Entlassung der betroffenen Arbeitnehmer aufgestellt wurde, und sollten zum Ausgleich für Nachteile während der Beschäftigungszeit erbracht werden. (bb) Wie (aa), es sollten aber Nachteile aus der Zeit nach der Entlassung ausgeglichen werden. (cc) Der Sozialplan wurde erst nach Entlassung der Arbeitnehmer aufgestellt.

aa) Nachteilsausgleich für die Zeit vor der Entlassung Zusätzlich zum Lohn gewährte Ausgleichszahlungen sind aus den oben60 genannten Gründen ebenfalls Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis. Deshalb sind auch die rückständigen Lohnersatzansprüche bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer für die Zeit ihrer Beschäftigung ebenso wie ihre rückständigen Lohnforderungen61 im Konkurs nach § 59 Absatz 1 Nr. 3 a KO (1.- 6. Konkursvormonat) beziehungsweise § 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO (7.- 12. Konkursvormonat) privilegiert. bb) Nachteilsausgleich für die Zeit nach der Entlassung Die zweite Fallgruppe unterscheidet sich von der bisher behandelten ersten dadurch, daß hier die Sozialplanleistungen nicht zu den sonstigen Bezügen hinzutreten, auf die die Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch haben. Das Entstehen der unter (bb) aufgeführten Ansprüche setzt vielmehr das Ausscheiden der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis voraus. Es könnte deshalb zweifelhaft sein, ob es sich auch hier um "Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis" handelt, da das Arbeitsverhältnis bei Entstehen dieser Ansprüche bereits aufgelöst war. (1) These Richardis vom Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses trotz Kündigung Richardi stützt die Annahme eines Konkursvorrechts in diesen Fällen allerdings unter anderem darauf, das Arbeitsverhältnis werde durch die 60

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§ 7 III. 2. a, bb. § 7 III. 1. b.

5 Schititer

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§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

Entlassung eines Arbeitnehmers zwar aufgelöst, sei aber nicht beendet. Deshalb entstammten die Pflichten des Arbeitgebers zur Zahlung von Lohnersatzleistungen einem noch fortgeltenden Arbeitsverhältnist>2. Zunächst ist es schon nicht unbedenklich, unterschiedliche Rechtsfolgen daran zu knüpfen, ob Pflichten aus einem "insoweit noch fortgeltenden Arbeitsverhältnis" herrühren oder ob es sich um solche "in Nachwirkung des Dienstverhältnisses" handelt63 • Man muß sich darüber im klaren sein, daß es sich bei dieser Begriffswahl nur um die sprachliche Umschreibung der Tatsache handelt, daß der Arbeitgeber nach Beendigung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers an diesen Leistungen zu erbringen hat. Ob man diese Erscheinung als "Nachwirkung eines Dienstverhältnisses" oder als Kennzeichen eines "insoweit fortgeltenden Arbeitsverhältnisses" ansieht, mag zwar rechtsdogmatisch für ein Verständnis des Arbeitsverhältnisses von Bedeutung sein, kann aber schwerlich als maßgebend für die konkursrechtliche Einordnung solcher Ansprüche angesehen werden. Insbesondere muß es methodisch als bedenklich erscheinen, aus einer begrifflichen Umschreibung dieser Art ohne weitere Begründung im Wege der Deduktion bestimmte Schlüsse zu ziehen. Auch Richardi läßt erkennen, daß er ein partielles Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses gar nicht als wesentlich für eine Bevorrechtigung der Lohnersatzleistungen ansieht. An anderer Stelle64 legt er nämlich dar, daß der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, "Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis" im Sinne des §59 Absatz 1 Nr. 3 a KO seien bereits "während des Arbeitsverhältnisses" entstanden. Der Gesetzgeber habe aber übersehen, daß es noch weitere Leistungen gebe, die ihre Rechtsgrundlage im Arbeitsverhältnis hätten, aber "erst bei seiner Auflösung" entstünden. Diese Ausführungen zeigen, daß Richardi die nur zwei Seiten zuvor von ihm gewonnene begriffliche Unterscheidung zwischen Beendigung und Auflösung eines Arbeitsverhältnisses nicht aufrecht erhält. Dies ergibt sich daraus, daß er die Zeit "während des Arbeitsverhältnisses" derjenigen nach dessen "Auflösung" gegenüberstellt, während. es Richardis Terminologie entsprechen müßte, in beiden Fällen von einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis zu sprechen, das im zweiten Fall allerdigs aufgelöst ist.

62 63

64

Sozialplan und Konkurs, S. 56. Diese Unterscheidung trifft aber Richardi (Fn. 62). Sozialplan und Konkurs, S. 58.

III. Stellungnahme

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(2) Geltung der §§ 59 Absatz 1 Nr. 3 a, 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO

für die laufenden Ansprüche aus aufgelösten Arbeitsverhältnissen

Entscheidend für die konkursrechtliche Einordnung der nach oder mit der Entlassung entstehenden Lohnersatzansprüche ist aber nicht das terminologische Problem, ob das Arbeitsverhältnis "beendet" oder "aufgelöst" ist. Von Bedeutung sind vielmehr nur die Fragen, ob es sich hierbei überhaupt um Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis handelt - und seien sie auch nachwirkender Art - und ob von §§ 59 Absatz 1 Nr. 3 a, 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO auch Forderungen erfaßt werden, die erst nach oder mit "Auflösung" des Vertragsverhältnisses entstehen. Die Sozialplanleistungen ergeben sich unmittelbar aus dem einer Betriebsvereinbarung entsprechenden Sozialplan. Sie beruhen jedoch ebenso wie Lohn und Sozialleistungen aller Art auf dem Arbeitsverhältnis und damit auch auf der bisherigen Arbeitsleistung der einzelnen Beschäftigten. Es handelt sich bei ihnen also um laufende "Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis". Sie unterfallen daher dem Wortlaut der §§59 Absatz 1 Nr. 3 a, 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO. Fraglich ist nur, ob eine teleologische Einschränkung dieser Normen dahingehend zu erfolgen hat, daß unter diese Bestimmungen nur Ansprüche aus noch nicht aufgelösten Arbeitsverhältnissen einzuordnen sind. Richardi ist der Auffassung, der Gesetzgeber sei bei Erlaß des Konkursausfallgeldgesetzes im Jahre 1974 ersichtlich davon ausgegangen, daß §59 Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe a) KO nur Bezüge aus der Zeit bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand hätte, während die Buchstaben b) und d) dieser Bestimmung Leistungen regelten, die erst mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis entstünden65. Über den beabsichtigten Umfang der Masseschulden nach §59 Absatz 1 Nr. 3 a KO beziehungsweise der Konkursvorrechte nach § 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO findet sich in den Materialien zum Konkursausfallgeldgesetz nur die Bemerkung, daß die Neufassung des § 61 Nr. 1 a (a. F.) KO zu keiner Erweiterung oder Einengung des begünstigten Personenkreises führen sollte66 . Ferner wird darauf hingewiesen, daß für das Konkursausfallgeld der arbeitsrechtliche Begriff des Arbeitsentgelts maßgeblich sei und deshalb die Forderungen nach § 59 Absatz 1 Nr. 3 a KO (n. F.) auch einen Anspruch auf Konkursausfallgeld begründeten67. 65 Sozialplan und Konkurs, S. 58. 66 BR-Drucks. 9/74, S . 16 = BT-Drucks. VII/1750, S. 16. 67 s. o. Fn. 66, jeweils S. 12. s•

§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

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Zu berücksichtigen ist aber, daß der Gesetzgeber mit der Einführung der Vorschrift des § 61 Absatz 1 Nr. 1 d KO nur die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts68 zum Konkursvorrecht des betrieblichen Ruhegehalts bestätigen wollte 69 • Angesichts der sozialpolitischen Bedeutung dieser Frage erscheint es verständlich, daß das Konkursvorrecht für das Ruhegehalt anläßlich der ohnehin vorgesehenen Neufassung der§§ 59 ff. KO in einer selbständigen Vorschrift ausdrücklich geregelt wurde. Dies war auch deshalb geboten, weil gleichzeitig das Konkursausfallgeld eingeführt wurde, das sich aber nur auf die Ansprüche nach § 59 Absatz 1 Nr. 3 a KO, also nicht auf das betriebliche Ruhegeld, beziehen sollte (vgl. § 141 b Absatz 2 AFG). Unter diesen Umständen kann der gesetzlichen Regelung der §§59 Absatz 1 Nr. 3 und 61 Absatz 1 Nr. 1 KO der von Richardi unterstellte systematische Aufbau nicht entnommen werden, wonach Buchstabe a) Leistungen aus der Zeit bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses und Buchstaben b) und d) aus der Zeit nach der Auflösung erfassen sollten. Es ist vielmehr anzunehmen, daß der Gesetzgeber überhaupt keine genauere Vorstellung von der Reichweite der Buchstaben a) der genannten Vorschriften hatte, er aber jedenfalls den Schutz der sozialpolitisch wesentlichen Ansprüche aus einer Wettbewerbsabrede (Buchstaben b) und aus einer betrieblichen Altersversorgung (Buchstaben d) im Konkurs auch gesetzlich sicherstellen wollte. Insbesondere läßt sich aus der gesetzlichen Neuregelung nicht entnehmen, daß der Gesetzgeber die bisherige Rechtsprechung zum Konkursvorrecht der betrieblichen Altersversorgung (§ 61 Nr. 1 a a. F.) zwar rechtspolitisch für richtig, dogmatisch aber für falsch gehalten hätte und er deswegen zusätzlich für die Zeit nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses die neue Vorschrift des § 61 Absatz 1 Nr. 1 d KO hätte schaffen müssen. Im Gegenteil weist die amtliche Begründung des Konkursausfallgeldgesetzes darauf hin, daß die Neufassung der §§ 61 Absatz 1 Nr. 1 d beziehungsweise 59 Absatz 1 Nr. 3d KO der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der im Schrifttum vertretenen Auffassung zum Konkursvorrecht des Ruhegeldes "Rechnung trage". Gleichzeitig sollte die Neuregelung - auch das stellt die amtliche Begründung klar - den gesamten von § 7 Absatz 1 des Gesetzes über die Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung erfaßten Personenkreis, also auch die Hinterbliebenen und Nichtarbeitnehmer, einbeziehen70 • Auch dieses Motiv läßt eine gesonderte Regelung der Ruhegeldansprüche als sinnvoll erscheinen, weil von Buchstabe a) dieser Personenkreis nicht erfaßt wird. Insbes. Urt. vom 4. 7. 1969, s.o. Fn. 55. So ausdrücklich die amtl. Begründung zum Konkursausfallgeldgesetz, s.o. Fn. 66. 70 BR-Drucks. 9/74, S. 16 = BT-Drucks. VII/1750, S. 16. es us

Ill. Stellungnahme

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Eine Beschränkung des § 61 Absatz 1 Nr. 1 a (beziehungsweise §59 Absatz 1 Nr. 3 a) KO auf Ansprüche aus noch nicht aufgelösten Arbeitsverhältnissen läßt sich also weder aus dem Gesetzestext noch aus den Materialien begründen. Sie käme deshalb nur dann in Betracht, wenn das vielfach angeführte Gegenseitigkeitsverhältnis von Leistung und Gegenleistung in den Konkursvormonaten für§ 61 Absatz 1 Nr. 1 a oder §59 Absatz 1 Nr. 3 a KO von Bedeutung wäre. Dies ist aber - wie nachgewiesen wurde - auch bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht der Fall. Ein Grund, die zum Lebensunterhalt bestimmten Lohnausgleichszahlungen aus dem Schutzbereich dieser Vorschriften herauszunehmen, besteht deshalb ebensowenig, wie dies schon nach altem Recht hinsichtlich der insoweit vergleichbaren betrieblichen Ruhegelder der Fall war. Die Privilegierung der Lohnersatzzahlungen für die Zeit nach der Entlassung entspricht vielmehr, wie auch diejenige für die Zeit bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses, dem Wortlaut und dem Schutzzweck der §§59 Absatz 1 Nr. 3 a KO beziehungsweise 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO. Dieser liegt - wie bereits dargelegt wurde darin, die für den laufenden Lebensunterhalt der Arbeitnehmer vorgesehenen rückständigen Leistungen für einen bestimmten Zeitraum im Konkurs zu sichern. (3) Analoge Anwendbarkeit der §§ 59 Absatz 1 Nr. 3 b und d beziehungsweise 61 Absatz 1 Nr. 1 b und d KO Es ergibt sich daher, daß auch rückständige Lohnersatzleistungen aus Sozialplänen für die Zeit nach der Entlassung von § 59 Absatz 1 Nr. 3 a beziehungsweise § 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO erfaßt werden. Die Frage, ob dieses Ergebnis nicht statt aus einer unmittelbaren Anwen" dung der genannten Vorschriften (auch) aus einer analogen Heranziehung der §§59 Absatz 1 Nr. 3 b und d beziehungsweise 61 Absatz 1 Nr. 1 b und d KO zu begründen ist71, stellt sich deshalb nicht. Rückständige Leistungen mit Lohnersatzfunktion aus einem vor Konkurseröffnung aufgestellten Sozialplan sind somit für die Zeit zwischen Entlassung und Konkurseröffnung im Rahmen der zeitlichen Begrenzung der §§59 Absatz 1 Nr. 3 a beziehungsweise 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO Masseschulden beziehungsweise bevorrechtigte Konkursforderungen.

71 Dies wird von Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 58 f. zumindestens für den Fall bejaht, daß die Anwendbarkeit von Buchstabe a) der §§59 Abs. 1 Nr. 3 und 61 Abs. 1 Nr. 1 abgelehnt wird.

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§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

cc) Rückständige Lohnausgleichszahlungen bei nach der Entlassung aufgestellten Sozialplänen Soweit die Lohnersatzansprüche aus Sozialplänen stammen, die erst nach der Entlassung der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer aufgestellt wurden, ergeben sich keine Unterschiede zu den bisher behandelten Fallgruppen, bei denen das Arbeitsverhältnis bei Sozialplanerstellung noch bestand. Insbesondere scheitert die Berücksichtigung bereits entlassener Arbeitnehmer in Sozialplänen auch nicht daran, daß Betriebsvereinbarungen grundsätzlich nur Betriebsangehörige betreffen können72 • Für den Fall der Aufstellung eines Sozialplans wird nämlich allgemein zu Recht angenommen, daß auch die Arbeitnehmer in die Vereinbarung einbezogen werden können, die aufgrund der den Sozialplan verursachenden Betriebsänderung bereits ausgeschieden sind73 • Die auf die Betriebsangehörigen beschränkte Repräsentationsbefugnis des Betriebsrates verbietet zwar grundsätzlich die Erstreckung von Betriebsvereinbarungen auf ehemalige Arbeitnehmer, gleichgültig ob diese hierdurch belastet oder begünstigt werden74 • Hinsichtlich des gesamten Fragenkomplexes, der mit einer Betriebsänderung zusammenfällt, können die Interessen der zum Teil bereits ausgeschiedenen, zum Teil aber (noch) weiterbeschäftigten Arbeitnehmer jedoch nur einheitlich durch den Betriebsrat wahrgenommen werden. Auch der Schutzzweck der §§ 111, 112 BetrVG spricht für die dargelegte Auffassung. Nach der gegenteiligen Meinung würden die Arbeitnehmer, die wegen einer kürzeren Kündigungsfrist bereits vor Aufstellung eines Sozialplans entlassen werden konnten, im Gegensatz zu ihren noch im Betrieb arbeitenden Kollegen keinerlei Ausgleichsansprüche haben.

72 u. a. Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 28 f.; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 77 Rdn. 26; BAG, Beschl. vom 16. 3. 1956 - GS 1/55 - AP Nr. 1 zu §57 BetrVG 1952 Bl. 265; BAG, Urt. vom 19. 6. 1956 - 3 AZR 207/54 AP Nr. 2 zu§ 57 BetrVG 1952 m. zust. Anm. Siebert;- abweichend: Säcker, Gruppenautonomie und Obermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 363 ff. 73 Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 29; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 77 Rdn. 26; Körnig, DB 1975, S. 1459 ff. (1461 N. 89); Lichtenstein, BetrR 1974, S. 653 (656); Rumpff, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, S. 117; Däubler/Bösche, Zum Inhalt von Sozialplänen nach § 112 BetrVG, S. 13; -zur Möglichkeit einer Sozialplanaufstellung nach Betriebsstillegung, s. eingehend unten § 9 IV. 2. 74 BAG, Beschl. vom 16. 3. 1956 (s.o. Fn. 72); Thiele, GK-BetrVG, § 77 Rdn. 51; ablehnend hinsichtlich begünstigender Vereinbarungen allerdings Säcker (s. o. Fn. 72), S. 363 ff. und ihm folgend Körnig, DB 1975, S. 1459 (1461).

III. Stellungnahme

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3. Ansprüche auf Lohnersatzleistungen für die Zeit nach Konkurseröffnung aus zuvor aufgestellten Sozialplänen a) Zusatzleistungen an weiterbeschäftigte Arbeitnehmer Soweit Arbeitnehmer aufgrund eines Sozialplans neben ihrem Lohn und den betrieblichen Sozialleistungen zusätzliche Unterstützungen aufgrund eines Sozialplans zum Ausgleich von Nachteilen durch eine Betriebsänderung erhalten, gehören auch diese Leistungen aus den oben genannten Gründen75 zum Arbeitsentgelt. Sie werden daher konkursrechtlich genauso wie Lohnansprüche behandelt. Die Lohnforderungen der Arbeitnehmer sind für die Zeit nach Konkurseröffnung bis zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses Masseschulden nach §59 Absatz 1 Nr. 2 KO. Da die laufenden Sozialplanleistungen mit Lohnersatzfunktion bei fortgesetztem Arbeitsverhältnis das rechtliche Schicksal des Arbeitslohns teilen, sind sie nach §59 Absatz 1 Nr. 2 KO ebenfalls Masseschulden76 • Anderer Auffassung ist allerdings Körnig77 , der nur auf den Zeitpunkt der Sozialplanaufstellung abstellt und deshalb insoweit bevorrechtigte Konkursforderungen oder Masspsr.h11lden nach §59 Absatz 1 Nr. 3 a KO annehmen muß, falls die Sozialplanaufstellung im Konkursvorjahr erfolgt ist. Körnig, der zu Unrecht von einem einheitlichen Sozialplananspruch ausgeht78 , verkennt jedoch gerade die besondere Bedeutung der laufenden Lohnersatzleistungen für den Lebensunterhalt der Arbeitnehmer und damit ihren lohngleichen Charakter. Es muß daher als inkonsequent erscheinen, wenn er bei nach Konkurseröffnung aufgestellten Sozialplänen sogar alle Sozialplanansprüche als Arbeitsentgelt und damit als Masseschuld nach § 59 Absatz 1 Nr. 2 KO ansieht79 • b) Leistungen an bereits entlassene Arbeitnehmer §59 Absatz 1 Nr. 2 KO gibt nur solchen Ansprüchen aus zweiseitigen Verträgen den Charakter von Masseschulden, deren Erfüllung zur Konkursmasse verlangt wird oder für die Zeit nach Eröffnung des Verfahrens erfolgen muß.

Auch wenn man der oben dargelegten Meinung von Richardi folgt, daß die Entlassung eines Arbeitnehmers bei noch ausstehenden Soziaiplanansprüchen das Arbeitsverhältnis nur auflöst, nicht aber beendet, 75

76

s. o. § 7 III. 2. a. Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 63; vgl. auch Beuthien, RdA 1976,

s. 147 (159). 77 78

79

DB 1975, S. 1411 (1460). s. o. Fn. 77, S. 1414; s. hierzu oben § 7 III. (Einleitung). s. o. Fn. 77, S. 1459 ff.

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§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

muß in diesem Fall die Anwendung des § 59 Absatz 1 Nr. 2 KO ausscheiden80. Ein solch rudimentäres Arbeitsverhältnis, das nur noch in der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erbringung von Leistungen besteht, ist kein zweiseitiger Vertrag, dessen Erfüllung zur Konkursmasse zu erfolgen hat oder auch nur erfolgen kann. Der entlassene Arbeitnehmer hat nämlich an die Masse keinerlei Leistungen mehr zu erbringen. Daß auch die Beachtung einer möglicherweise nachwirkenden Treuepflicht keine Leistung an die Konkursmasse ist, hat bereits das Reichsarbeitsgericht überzeugend nachgewiesen81 . Aus diesem Grund wird auch von der ganz herrschenden Meinung das nach Konkurseröffnung fällig werdende Ruhegeld nicht als Masseschuld eingestuft82.

Zusammenfassend folgt daher, daß rückständige Lohnersatzleistungen an bereits entlassene Arbeitnehmer Masseschulden nach § 59 Absatz 1 Nr. 3 a KO sind, soweit dadurch Nachteile in den letzten sechs Monaten vor Konkurseröffnung ausgeglichen werden sollten. Rückstände dieser Art für den siebten bis zwölften Konkursvormonat sind bevorrechtigte Konkursforderungen. Für die Zeit nach Konkurseröffnung sind diese Vorschriften nicht anwendbar, da es sich dann nicht um bei Konkurseröffnung rückständige Forderungen handeln kann83 . Da die Forderungen aber bereits bei Konkurseröffnung begründet waren (§ 3 KO), nehmen sie an dem Konkursverfahren teil. Sie haben jedoch nur wie die Ansprüche aller übrigen Gläubiger den Rang des § 61 Absatz 1 Nr. 6 K084 und sind entweder als betagte Forderungen sofort fällig (§ 65 KO) oder werden als wiederkehrende Forderungen kapitalisiert (§ 70 KO). Auch kommt die Anwendung des § 67 KO in Betracht, wenn die Sozialplanansprüche aufschiebend bedingt sind und deshalb nur zu einer Sicherung berechtigen85 . Dieselbe rechtliche Behandlung genießen auch die Sozialplananforderungen noch nicht entlassener Arbeitnehmer für die Zeit nach ihrem zukünftigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. 4. Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes In Sozialplänen festgelegte Abfindungen sollen entweder pauschal alle nachteiligen Folgen einer Betriebsänderung ausgleichen oder aber 80 So auch Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 63, 65. 81 Urt. vom 2. 6. 1932- RAG 110/32- RAG 11, S. 157 (162); zustimmend u. a. Mentzel/Kuhn, KO, §59 Rdn. 14;- a. A. ohne überzeugende Begründung Denecke, Dt. ArbR 1937, S. 74 (76 f.) und ihm folgend Weiss, BB 1949, S. 452. 82 u. a. RAG, Urt. vom 2. 6. 1932 (Fn. 81); Mentzel/Kuhn, KO, §59 Rdn. 14 m. w. N.; Ide, BB 1970, S. 83 (84) ; Hohn, BB 1971, S. 788 (789); Vogt, BB 1975, S. 1581 (1587); Höhne, Betriebliche Altersversorgung 1974, S. 40 (43). 83 Das verkennt Hohn, BB 1971, S. 788 (789); zutreffend hingegen Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 63. 84 Richardi (Fn. 83), S. 65. ss Vgl. Richardi (Fn. 83), S. 65.

III. Stellungnahme

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nur den Arbeitsplatzverlust als solchen und damit vor allem die Einbußen im sozialen Besitzstand entschädigen, während die konkreten Nachteile im Einkommen und Lebensstandard (Verdienstausfall, erhöhte Fahrtkosten etc.) durch gesonderte Maßnahmen erfaßt werden. Denkbar ist auch, daß eine Abfindung sowohl den Arbeitsplatzverlust als auch einige konkrete Nachteile ausgleichen soll, während anderen für die Arbeitnehmer negativen Auswirkungen durch zusätzliche Maßnahmen begegnet wird. a) Überblick über den Meinungsstand Abfindungen für den reinen Arbeitsplatzverlust, die in vor Konkurseröffnung aufgestellten Sozialplänen vereinbart wurden, werden von der herrschenden Meinung nicht als bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO beziehungsweise als Masseschulden nach § 59 Absatz 1 Nr. 3 a KO, sondern nur als einfache Konkursforderungen angesehen86 • Soweit die herrschende Meinung in diesem Zusammenhang den Begriff der Abfindung verwendet, wird allerdings häufig nicht deutlich, ob hierunter - wenigstens zum Teil - auch der Ausgleich für die konkreten Folgen der Betriebsänderung verstanden wirds7 • Im Vordergrund der Argumentation der herrschenden Meinung steht jedenfalls die Entschädigung für den Arbeitsplatzverlust88, und nicht die damit möglicherweise einhergehende Funktion der Abfindung als (pau86 LAG Hamm, Urt. vom 23. 10. 1973 3 Sa 541/73 - EzA Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972, S. 4 = DB 1974, S. 50 f.; LAG Hamm, Urt. vom 6. 11. 19733 Sa 651/73- EzA Nr. 2 zu § 112 BetrVG 1972, S. 12 = DB 1974, S. 51 (für den Fall des Vergleichs); LAG Hamm, Urt. vom 9. 9. 1974- 2 Sa 628/74 - DB 1974, S. 1964 (ebenfalls für den Vergleichsfall); ArbG Arnsberg, Urt. vom 21. 8. 1973 - Ca 220/73 - DB 1973, S. 190 ff. = KTS 1973, S. 53 (55); ArbG Gießen, Urt. vom 4. 6.1974 - 1 Ca 298/74 - KTS 1974, S. 245 (246); ArbG Wiesbaden, Urt. vom 2. 4. 1975- 6 Ca 1778/75 - BB 1975, S. 1069 f.; Dietz/ Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 40; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 67 ff.; Stege/Weinspach, BetrVG, S. 476; Mentzel/Kuhn, KO, §59 Rdn. 2 Anm. 2 e; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs IV C, I; Bürger/Oehmann/Stübing, Handwörterbuch des Arbeitsrechts, Konkurs, S. 7; Vogt, Sozialpläne in der betrieblichen Praxis, S. 67; Hanau, ZfA 1974, S. 89 (112 f.); Matthes, BB 1974, S. 1351 f.; Schils, KTS 1976, S. 267 (273 f.); ähnlich auch Otto, SAE 1976, S. 22 (25 f.); Uhlenbruck, BB 1973, S. 1360 (1361); Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 112 Rdn. 15 a und Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 74 f.;- a. A. Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 59 ff.; Heinze, DB 1974, S. 1814 (1816 f.); Körnig, DB 1975, S. 1411 ff.; Rose, MitbGespr 1975, S. 84 (86 f.); Gaul, Anm. zu LAG Hamm, AP Nr. 1 zu§ 112 BetrVG 1972, Bl. 706 R; Weitnauer, ZfA 1977, 8.111 (148 ff.). 87 Vgl. z. B. Stege/Weinspach, BetrVG, S. 476; LAG Hamm, Urt. vom 23.10. 1973 und 6. 11. 1973 (s. o. Fn. 86); auf die Entschädigung für den Arbeitsplatzverlust beschränken sich z. B. die Arbeitsgerichte Gießen und Arnsberg (Fn. 86) und die oben (Fn. 9) Genannten; Weitnauer, ZfA 1977, S. 111 (148 ff., 160) lehnt eine Differenzierung in der Behandlung vorkonkurslicher Sozialplanansprüche ausdrücklich ab. ss Arbeitsgerichte Gießen und Arnsberg (Fn. 86) und die in Fn. 9 Genannten.

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schalierte) Ausgleichszahlung für die eingetretenen Nachteile im Einkommen und im Lebensstandard. Die Ablehnung des Konkursvorrechts der Abfindung für den Arbeitsplatzverlust wird im allgemeinen darauf gestützt, daß es sich hierbei nicht um einen Anspruch auf Arbeitsentgelt, sondern um einen eigener Art handele89, der insbesondere nicht Gegenwert oder Vergütung für die Dienstleistung sei90 • Hanau91 beruft sich insoweit ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts. Dieses hatte ein Konkursvorrecht für eine vertragliche Abfindung beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis verneint92 , sofern nicht ein pauschalierter Ausgleich für geleistete oder angebotene Arbeit im Konkursvorjahr gegeben sei93 • b) Stellungnahme

aa) These vom Anspruch "eigener Art" Ein Konkurrenzvorrecht für die Arbeitsplatzabfindung kann entgegen der herrschenden Meinung nicht mit dem bloßen Hinweis darauf abgelehnt werden, hierbei handele es sich um einen Anspruch "besonderer Art" 94 • Zwar wird die Sozialplanabfindung vielfach mit der Kündigungsschutzabfindung gleichgesetzt95 , die nach ganz herrschender Auffassung mit ähnlicher Begründung nur als einfache Konkursforderung angesehen wird116 • Eine vollständige Ablehnung des Vorrechts für die Kündigungsschutzabfindung dürfte aber schon deshalb unrichtig sein, weil diese Abfindung neben der Ablösung sozialer Besitzstände 89 LAG Hamm, Urt. vom 6. 11. 1973 (Fn. 86), S. 13; Schils, KTS 1976, S. 267 (273 f.); ähnlich ArbG Gießen, Urt. vom 4. 6. 1974 (s. o. Fn. 86). 90 LAG Hamm, Urt. vom 9. 9. 1974 (Fn. 86); Vogt, Sozialpläne in der betrieblichen Praxis, S. 67. 91 ZfA 1974, S. 89 (113). 92 Urt. vom 20. 9. 1934 RAG 88/34 - RAG 14, S. 183 (186) = ARS 22, S. 34 (37 f.); Urt. vom 23. 1. 1935- RAG 137/34- RAG 15, S. 27 (29) = ARS 23 I. Abt., S. 129 mit zustimmender Anm. Volkmar. 93 RAG, Urt. vom 21. 9. 1932 RAG 236/32 - ARS 16, S. 101 ff. mit abl. Anm. Gerstel = JW 1933 mit z. T. abl. Anm. Opet; ablehnend auch Volkmar in der Anm. zum Urt. vom 23. 1. 1935 (s. o. Fn. 92), S. 132. 94 LAG Hamm, Urt. vom 6. 11. 1973 (Fn. 86), S. 13; Schils, KTS 1976, S. 267 (273 f .); ähnlich ArbG Gießen, Urt. vom 4. 6. 1974 (Fn. 86). 95 BAG, Urt. vom 7. 8. 1975- 3 AZR 505/74- SAE 1976, S. 58 (59); Heilmann, KTS 1976, S. 253 (258) dort Fn. 18; wohl auch Vogt, Sozialpläne in der betrieblichen Praxis, S. 47;- a. A. Hueck/Hueck, KSchG, § 9 Anm. 42; Hunold, BB 1975, S. 1439 (1443); vgl. auch Gaul (Fn. 86), Bl. 706 R. 96 u. a. Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht Band I, § 64 IX, 6, S. 666; Nikisch, Arbeitsrecht Band I,§ 51 IX, 6, S. 791; Herrschel/Steinmann, KSchG, § 8 Anm. 5; Hueck/Hueck, KSchG, § 10 Rdn. 17 m. w. N.; Mentzel/Kuhn, KO, § 61, Rdn. 37 f.; Maus, KSchG, § 10 Rdn. 30; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz, S. 92 Rdn. 169; Brill, AuR 1966, S. 268 (274); Schwerdtner, SAE 1974, S. 82 f .; Reyer, BlStSozArbR 1972, S. 338 f.; - a. A. Güntner, BB 1961, S. 1053 f.; ders., AuR 1974, S. 97 (107); ders., DB 1975, S. 1317 (1319 f.); Körnig, DB 1975, S. 1411 (1415 f.).

III. Stellungnahme

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auch das den Arbeitnehmern entgangene Arbeitsentgelt berücksichtigt97 • Aus diesem Grunde dürfte eine Kündigungsschutzabfindung wenigstens insoweit nach §§59 Absatz 1 Nr. 3 a, 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO privilegiert sein, wie sie Lohnersatzfunktion für die Konkursvormonate hat.

bb) Beziehung der Arbeitsplatzabfindung zur Arbeitsleistung im Konkursvorjahr Die bloße Abfindung für den Arbeitsplatzverlust in einem Sozialplan hat allerdings keine Lohnersatzfunktion. Sie soll ausschließlich Nachteile im sozialen Besitzstand ausgleichen und hat hierbei unter Umständen den Verlust des Arbeitsplatzes als solchen zu berücksichtigen, sofern der Arbeitsplatz im Zeitpunkt der Betriebsänderung noch einen wirtschaftlichen Wert hatte98 • Dennoch ist zu beachten, daß die Arbeitnehmer den mit der Betriebsänderung verlorenen sozialen Besitzstand durch ihre eigene Arbeit geschaffen haben. Eine Arbeitsplatzabfindung ist zwar nicht nachträglich gezahlter vorenthaltener .4rbeitslohn99 • Sie steht jedoch im Bezug zu dem Gesamtarbeitsverhältnis und damit zu der Gesamtarbeitsleistung des Arbeitnehmers. Diesem Umstand trägt auch die Praxis Rechnung, indem sie vielfach die Höhe einer Sozialplanabfindung von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängig macht100 • §§ 61 Absatz 1 Nr. 1 a und 59 Absatz 1 Nr. 3 a KO lassen sich zwar nicht auf Gegenleistungen für erbrachte Arbeiten in den Konkursvormonaten beschränken101 • Wohl aber müssen andererseits wenigstens die Gegenleistungen für die Arbeit des fraglichen Zeitraums als bevorrechtigt angesehen werden, weil es sich bei ihnen ebenfalls um Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis handelt. Auch wenn Gegenleistungen nicht zum Lebensunterhalt in den Monaten vor Konkurseröffnung bestimmt waren, wohl aber durch die Arbeit in diesem Zeitpunkt erdient wurden, sind sie in einem späteren Konkurs des Arbeitgebers bevorrechtigt. Für die Arbeitsplatzabfindung heißt dies, daß derjenige Teil der Abfindung bevorrechtigt ist, der auf der im Konkursvorjahr beziehungsweise in den letzten sechs Monaten vor Konkurseröffnung geleisteten Arbeit beruht. Es ergibt sich also, daß auch die reine Arbeitsplatzab97 Vgl. BVerfG, Beschl. vom 12. 5. 1976 1 BvL 31/73 - NJW 1976, S. 2117 f. = DB 1976, S. 1678 ff.; zustimmend insoweit Reinecke, AuR 1977, s. 193 (196). 98 s. 0. § 3, li. 1. c. 99 s. o. § 3, 11. 3. c. 1oo Vgl. u. a. die von Zaun-Axler, Die Lage der Arbeitnehmer bei Konkurs, Vergleich und Betriebsstillegung (S. 220, 226, 243, 246) sowie von Vogt, Sozialpläne in der betrieblichen Praxis (u. a. S. 86, 107, 112, 114, 121, 123) aufgeführten Beispiele. 101 s. o. § 7 111. 2. a), bb.

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findung, da sie von den Arbeitnehmern zu einem Teil in dem Konkursvorjahr erarbeitet worden ist, insoweit bevorrechtigte Konkursforderung (§ 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO) beziehungsweise Masseschuld (§59 Absatz 1 Nr. 3 a KO) sein kann. Eine Bevorrechtigung in vollem Umfang, wie sie insbesondere von

Richardi und Körnig vorgeschlagen wird102, ist mit §§59 Absatz 1 Nr. 3 a

61 Absatz 1 Nr. 1 a KO dagegen nicht zu vereinbaren. Die reine Arbeitsplatzabfindung ist nämlich nicht zum Lebensunterhalt des Arbeitnehmers im Konkursvorzeitraum bestimmt. Auch wenn sie durch die Aufstellung eines Sozialplans erst in den Monaten vor Konkurseröffnung festgelegt worden sein sollte, fällt sie nicht schon wegen ihres Entstehungszeitpunktes unter die "Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis" für den in §§ 61 Absatz 1 Nr. 1 a beziehungsweise 59 Absatz 1 Nr. 3 a KO genannten Zeitraum. Daß der Sozialplan das Arbeitsverhältnis "normativ gestaltet" 103 , ist zwar richtig. Daraus läßt sich aber nicht herleiten, daß durch den Sozialplan auch der Jahresarbeitsverdienst so verändert worden sei, daß er nunmehr die Abfindung einschlösse. Ebensowenig wie ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber wegen einer Körperverletzung aus unerlaubter Handlung oder Ansprüche nach §§ 618 BGB, 62 HGB unter § 61 Ab~atz 1 Nr. 1 a KO fallen, sofP-r11. durch sie nicht entgangenes Arbeitsentgelt der Konkursvormonate ersetzt werden soll104, wird eine Abfindung deshalb bevorrechtigt, weil sie "zufällig" im Konkursvorjahr festgesetzt worden ist. Das Bundesarbeitsgerichtl05 hat zwar anläßlich der Entscheidung über das Konkursvorrecht der Betriebsrenten festgestellt, es genüge für § 61 Nr. 1 (a. F .) KO, wenn sich die rückständigen Leistungen "in anderer Weise auf das Konkursvorjahr beziehen". Für den vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war allerdings eine mit den sonstigen Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis vergleichbare Situation gegeben: Die Renten erhalten ebenso wie Löhne und Sozialleistungen den Bezug zum Konkursvorjahr dadurch, daß sie den Lebensunterhalt in dieser Zeit sicherstellen sollen. Nur insoweit, als sie diese Funktion im Konkursvorjahr erfüllen sollen, sind sie bevorrechtigt oder Masseschulden. Eine in einer Summe zu zahlende Rente wäre deshalb entgegen der Auf102 Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 59 ff.; Körnig, DB 1975, S. 1411 ff.; Heinze, DB 1974, S. 1814 (1816 f.); Rose, MitbGespr. 1975, S. 84 (86 f.); Gaul, Anm. zu LAG Hamm, AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 706 R. 103 Körnig, DB 1975, S. 1411 (1416). 104 Mentzel!Kuhn, KO, § 61 Rdn. 41. 1os Urt. vom 4. 7. 1969- 3 AZR 212/68- BAG 22, S. 105 (109) = AP Nr. 6 zu§ 61 KO, Bl. 1000 R mit im Ergebnis zust. Anm. Weber; vgl. auch Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 53.

III. Stellungnahme

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fassung des Landesarbeitsgerichts Saarbrücken106 nur in der Höhe bevorrechtigt, in der sie für den Lebensunterhalt im Konkursvorjahr bestimmt ist. Das Landesarbeitsgericht, das sich auf das oben angegebene Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Konkursvorrecht betrieblicher Ruhegelder beruft, verkennt, daß gerade die zeitraumbezogene Funktion des Ruhegeldes der entscheidende Grund für seine konkursrechtliche Privilegierung ist. Die Sozialplanabfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes bezieht sich - gerade wenn man den Thesen von der Rechtsgutentschädigung oder vom vorenthaltenen Arbeitsentgelt folgen würde107 - in der geschilderten Weise nicht auf das Konkursvorjahr, sondern auf das Gesamtarbeitsverhältnis108. Deshalb ist es nur gerechtfertigt, die Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes insoweit als bevorrechtigt oder als Masseschuld anzusehen, wie sie auf der Arbeitsleistung der zwölf beziehungsweise sechs Monate vor Konkurseröffnung beruht109.

cc) Soziales Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer Dieser Auffassung kann auch nicht das soziale Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer entgegengehalten werden110• Zum einen ist es durchaus fraglich, ob es angesichts des heutigen Ausbaus der sozialen Sicherung - insbesondere durch Gewährung von Arbeitslosen- und Konkursausfallgeld- überhaupt noch gerechtfertigt ist, die Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer zum Lebensunterhalt bestimmt~n oder wenigstens in den letzten Monaten vor Konkurseröffnung verdienten Ansprüche den übrigen Konkursgläubigern vorzuziehen. Daß eine solche Besserstellung der Arbeitnehmer nicht mehr ganz unproblematisch ist, wird selbst von Körnig anerkannt1 11 • Bereits an anderer Stelle wurde außerdem nachgewiesen, daß auch die angebliche Erschwerung der Rechtsverfolgung b ei Ansprüchen gegen den Arbeitgeber und die Massenützlichkeit der Arbeitsleistungen wenigstens heute das Konkursvorr~cht nicht mehr überzeugend begründen können112• Da das geltende Recht aber von einer solchen Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer rückständigen Dienstbezüge ausgeht, 106 Urt. vom 7. 10. 1970 - 2 Sa 4/70 - DB 1970, S. 2448 f. 101 Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 13 f.; Körnig, DB 1975, S. 1411 (1413); Heinze, DB 1974, S. 1814 (1816 f .); vgl. ferner oben § 3 II. 1., 3. c. 1os Körnig (Fn. 107), S. 1413; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 68; ähnlich auch Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 61; Heinze (Fn. 107). 1o9 So auch Beuthien, RdA 1976, S. 147 (161); hilfsweise auch Galperin/Löwisch, BetrVG, § 112 Rdn. 68. 11o So aber Körnig (Fn. 107), S. 1414. 111 s. o. Fn. 107. 112 s. o. § 7 III. 1. b.

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ist die Frage der Berechtigung des Konkursvorrechts unter dem Gesichtspunkt der sozialen Schutzbedürftigkeit gegenwärtig nur rechtspolitischer Art. Wenn man jedoch die Privilegierung der Arbeitnehmerforderungen noch über die zum Lebensunterhalt bestimmten und die im Konkursvorjahr erdienten Ansprüche hinaus erstrecken will, müßte genauer begründet werden, warum die Arbeitnehmer auch insoweit besonders schutzwürdig sein sollten. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß ein weiterer Schutz für die Arbeitnehmerforderungen nur durch eine noch stärkere Belastung der übrigen ungesicherten - das heißt zumeist kleinen - Gläubiger erreicht werden kann. Unter diesen Umständen sind jedoch keine Gründe ersichtlich, die eine weitere Ausdehnung der konkursrechtlichen Privilegien der Arbeitnehmer rechtfertigen könnten. Der Hinweis von Körnig113 auf das "gesellschaftlich anerkannte soziale Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer" und die "Dynamik des Arbeitsrechts in der Entwicklung der sozialen Absicherung", die sich auf das Konkursrecht übertrage, vermögen jedenfalls die erforderliche Begründung nicht zu erbringen. Auch Körnigs Äußerung, selbst der "von archaischen Vorstellungen über den sozialen Schutz des Arbeitnehmers" ausgehende Gesetzgeber habe in§ 59 Absatz 1 Nr. 2 KO einen (begrenzten) Bestandsschutz geschaffen, und die "Einordnung der neuen Erscheinungsformen des Bestandsschutzes" sei deshalb "zumindest an der ihm vom historischen Gesetzgeber zugedachten Rangstelle" eine Mindestforderung114, geht fehl. Ohne die Frage zu vertiefen, ob nicht die Auffassung rechtspolitisch überholt ist, einen Schutz der Arbeitnehmer im Konkurs ihres Arbeitgebers durch eine Belastung (privater) Dritter zu erreichen, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, daß der in §59 Absatz 1 Nr. 2 KO geregelte Fall der Lohnfortzahlung bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist auf völlig anderen Überlegungen beruht als der von Körnig geforderte umfassende Schutz der Sozialplanansprüche "in jeder Höhe" 115• Die Arbeitnehmer sind nach der Konkurseröffnung auf die vorläufige Fortzahlung der laufenden Bezüge zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts angewiesen, so daß es auch heute noch vertretbar erscheint, ihre Lohnforderungen selbst dann aus der Masse zu befriedigen, wenn der Konkursverwalter die Arbeitsleistungen nicht mehr verlangt. Demgegenüber dienen Ausgleichsansprüche für den Verlust des sozialen Besitzstandes, die in der Praxis überdies noch ohne Berücksichtigung des vor der Betriebsstillegung gesunkenen wirtschaftlichen Wertes des Arbeitsplatzes als sichernder Erwerbsquelle festgesetzt werden, nicht dem laufenden Lebensunterhalt. 113 114

116

s. o. Fn. 107, S. 1414. Ebd., S. 1414. Ebd., S. 1416.

III. Stellungnahme

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dd) Bedeutung der zeitlichen Beschränkung des Vorrechts Daß die uneingeschränkte Einbeziehung der Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in den Schutz der §§59 Absatz 1 Nr. 3 a, 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO nicht vertretbar ist, ergibt sich auch daraus, daß der gesetzlichen Regelung die Vorstellung einer bestimmten Größenordnung der bevorrechtigten Forderungen beziehungsweise Masseschulden zugrundeliegt. In der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs zum Konkursaufallgeldgesetz116 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die zeitliche Begrenzung in §59 Nr. 3 des Entwurfs (= §59 Absatz 1 Nr. 3 KO n. F.) auf einer Abwägung der Belange der Arbeitnehmer und der anderen Gläubiger beruhe. Die Privilegierung der Arbeitnehmerforderungen für zwölf oder sechs Monate erfolgte nicht in der Vorstellung, daß hierbei in der Regel der gesamte Lohn für diesen Zeitraum rückständig sei. Vielmehr beruft sich die bereits erwähnte amtliche Begründung darauf, daß im Regelfall nur ein Rückstand von zwei bis vier Wochen vorliege117 • Es ist davon auszugehen, daß Arbeitnehmer im allgemeinen mehr als ein oder höchstens zwei Monate nur arbeiten, wenn wenigstens ein erheblicher Teil ihrer laufenden Forderungen befriedigt wird. Die Rückstände werden daher in aller Regel nur einen Teil der Gesamtforderungen für das Konkursvorjahr betragen. Bei Berücksichtigung dieser Situation ist es noch vertretbar, den Arbeitnehmern zu Lasten der anderen Gläubiger auch Vorrechte für ein Jahr zurückliegende Forderungen zu gewähren. Würde man dagegen auch Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes, die bei längerer Arbeitszeit den Umfang eines Jahresgehalts übersteigen sollen118 , in voller Höhe für bevorrechtigt ansehen, würde damit der gesetzlichen Interessenwertung eine wesentliche Grundlage entzogen. Die Abfindungen würden sich nämlich in der Regel auf ein Mehrfaches der üblicherweise rückständigen Lohnforderungen belaufen. Auch diese Überlegung spricht also dagegen, Sozialplanabfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes in voller Höhe in den Schutz der §§59 Absatz 1 Nr. 3 a, 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO einzubeziehen. BT-Drucks. VII/1750, S. 16 = ER-Drucks. 9/74, S. 16. s. o. Fn. 116, jeweils S. 10. us Vgl. das Beispiel eines Sozialplans in der chemischen Industrie bei Zaun-Axler, Die Lage der Arbeitnehmer bei Konkurs ..., S. 227 Nr. 1 c; Vogt, Sozialpläne in der betrieblichen Praxis, S. 47 und die von diesem angeführten Beispiele Nr. 1 (S. 182) und Nr. 28 (S. 195); vgl. ferner Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 34; Rumpff, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, S. 102 und Heinze, DB 1974, S. 1814 (1819), die die Höchstgrenze des § 10 KSchG für maßgeblich ansehen; noch weitergehender Fabricius, GK-BetrVG, § 112 Rdn. 61; unter Berufung auf die fehlende Sanktionswirkung der Sozialplanabfindung hingegen einschränkend Hunold, BB 1975, S. 1439 (1443). 116

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ee) Umfang der Bevorrechtigung der Arbeitsplatzabfindung Hinsichtlich des Umfangs der Bevorrechtigung der reinen Arbeitsplatzabfindung gilt somit folgendes: Da Sozialplanabfindungen oft (auch) nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelt sind, wird sich vielfach aus dem Sozialplan entnehmen lassen, welcher Teil der Arbeitsplatzabfindung auf das letzte Arbeitsjahr beziehungsweise die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung entfällt. Hierbei ist allerdings nicht schematisch die Arbeitsdauer im Konkursvorjahr zur Gesamtarbeitszeit in Beziehung zu setzen. Vielmehr ist der Teil der Abfindung bevorrechtigt beziehungsweise Masseschuld, der den Betrag übersteigt, den ein ansonsten vergleichbarer Arbeitnehmer erhält, der ein Jahr weniger gearbeitet hat. Eine solche Berechnung ist deshalb erforderlich, weil Sozialpläne häufig für alle eine bestimmte Mindestzeit Beschäftigten einen Sockelbetrag festsetzen, der dann mit längerer Betriebszugehörigkeit pro Jahr oder auch in größeren Zeitabständen um eine bestimmte Summe erhöht wird119 • Den Vertragsparteien des Sozialplans steht es grundsätzlich frei, den Wert des verlorenen Arbeitsplatzes und die Höhe seiner Wertsteigerung zu bestimmen. Deshalb sind die von ihnen aufgestellten Kriterien für das Individualarbeitsverhältnis und damit auch für die Rechtsstellung der vom Sozialplan erfaßten Arbeitnehmer in einem späteren Konkurs maßgeblich, sofern nicht die Voraussetzungen der Konkursanfechtung vorliegen sollten120• Nach der hier vertretenen Auffassung entfällt daher zum Beispiel bei einem sechs Jahre beschäftigten Arbeitnehmer, der 5 000 DM Arbeitsplatzabfindung erhält, der Betrag von 1 000 DM auf das Konkursjahr, wenn für einen fünf Jahre tätigen eine Abfindung von 4 000 DM im Sozialplan festgelegt worden ist. Sofern andere Anhaltspunkte fehlen - was die Regel sein dürfte - ist hierbei davon auszugehen, daß die Abfindung für das Konkursvorjahr monatlich in gleichen Teilbeträgen "erdient" worden ist. Nimmt man an, daß der Sozialplan für drei Monate vor Konkurseröffnung ausgeschiedene Arbeitnehmer aufgestellt worden ist, so sind 3/12 der auf das letzte Jahr entfallenden Abfindung Masseschuld (§59 Absatz 1 Nr. 3 a KO), da sie auf der Arbeitsleistung in den letzten sechs Monaten vor Konkurseröffnung beruhen. Weitere 6/12 sind bevorrechtigte Konkursforderung (§ 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO) und die restlichen 3/12 sind ebenso wie sonstige Arbeitsplatzabfindungen nur als einfache Konkursforderungen nach § 61 Absatz 1 Nr. 6 KO zu befriedigen. 119 120

Vgl. z. B. Alfred Müller, MitbGespr. 1975, S. 72 (74). s. hierzu unten§ 7 IV.

III. Stellungnahme

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Fehlen in einem Sozialplan Anhaltspunkte für einen bestimmten Bewertungsmaßstab zur Bemessung der Arbeitsplatzabfindung, so ist davon auszugehen, daß der soziale Besitzstand der Arbeitnehmer in jedem Beschäftigungsjahr um den gleichen Anteil gewachsen ist. Dann ist ein solcher Jahresanteil jeweils zur Hälfte bevorrechtigte Konkursforderung und Masseschuld. 5. Pauschale Abfindungen für sämtliche Nachteile der Betriebsänderung einschließlich des Arbeitsplatzverlustes

In vielen Fällen wird in der Praxis die Sozialplanabfindung nicht nur für den Arbeitsplatzverlust als solchen, das heißt insbesondere für die Einbußen im sozialen Besitzstand, sondern für alle Nachteile der Betriebsänderung gewährt. Hier hat die Sozialplanabfindung auch die Funktion, entgangenes Entgelt zu ersetzen und damit den laufenden Lebensunterhalt der Arbeitnehmer zu sichern. Diese Doppelaufgabe der pauschalen Abfindung kann allerdings nicht dazu führen, sie in vollem Umfang für bevorrechtigt zu erklären. Andererseits kann eine solche Abfindung auch nicht wie eine reine Arbeitsplatzabfindung behandelt werden und nur zu dem Bruchteil als bevorrechtigte Konkursforderung oder Masseschuld angesehen werden, der dem Verhältnis der Arbeitsleistung in den Konkursvormonaten zu der Gesamtarbeitszeit entspricht. a) Ermittlung des Lohnersatzanteils Das Problem bei der konkursrechtlichen Einordnung der Sozialplanabfindung in diesen Fällen besteht darin, eine Lösung zu finden, die einerseits die berechtigten Belange der Arbeitnehmer zur Sicherung ihres laufenden Lebensunterhalts wahrt, andererseits aber ihre übermäßige Begünstigung zu Lasten der anderen Gläubiger des Gemeinschuldners verhindert. In der Regel dürften im Sozialplan keine Anhaltspunkte für das Verhältnis der beiden wichtigsten Funktionen der Abfindung - Lohnersatz und Ausgleich des sozialen Besitzstandes - zu finden sein. Eine Lösung des Problems läßt sich nur dadurch erreichen, daß die Arbeitnehmer im Konkurs den Nachweis dafür führen können und müssen, inwieweit die Abfindung tatsächlich Einbußen im Gehalt und bei den sozialen Nebenleistungen in den sechs beziehungsweise zwölf Konkursvormonaten hätte ausgleichen müssen. Da das Verhältnis der einzelnen Funktionen der Abfindung dem Sozialplan nicht zu entnehmen ist, bleibt nur die Möglichkeit, die tatsächliche Situation des einzelnen Arbeitnehmers als Maßstab für die Bemessung des Entgeltanteils an der Abfindung heranzuziehen. Der Arbeitnehmer muß also behaupten und gegebenenfalls beweisen, inwie6 Schlüter

82

§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

weit ihm durch die Betriebsänderung in den Konkursvormonaten Lohn beziehungsweise Nebenleistungen entgangen oder höhere Aufwendungen entstanden sind. In Höhe dieses Schadens ist die Abfindung dann im Konkurs nach §§ 59 Absatz 1 Nr. 3 a beziehungsweise 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO privilegiert. Der Arbeitnehmer muß sich bei der Berechnung des eingebüßten Lohns einen anderweitigen Verdienst unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen. Die Abfindung hat nämlich nur insoweit Lohnersatzcharakter, als der Arbeitnehmer nicht aufgrundder Entlassung anderweitigen Lohn erhält. Hingegen müssen Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz unberücksichtigt bleiben. § 117 AFG will nämlich den Arbeitnehmern unter den dort genannten Voraussetzungen in voller Höhe sowohl den Abfindungsanspruch als auch Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz belassen121 • b) Umfang der Bevorrechtigung Bei Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze ergibt sich für die konkursrechtliche Einordnung einer pauschalen Sozialplanabfindung folgendes: Die in der Abfindung enthaltenen Lohnersatzleistungen für das Konkursvorjahr sind bevorrechtigte Konkursforderungen beziehungsweise Masseschulden(§§ 61 Absatz 1 Nr. 1 a beziehungsweise 59 Absatz 1 Nr. 3 a KO). Der auf den Ausgleich des sozialen Besitzstandes entfallende Anteil ist nur insoweit konkursrechtlich privilegiert, als er auf einer Arbeitsleistung im Konkursvorjahr beruht. Für den Umfang der Leistungen mit Lohnausgleichscharakter ist der Arbeitnehmer behauptungs- und beweispflichtig. Diese Pflicht wird ihm dadurch erleichtert, daß er nachweisen kann, welche konkreten wirtschaftlichen Nachteile ihm in den Konkursvormonaten entstanden sind. In dieser Höhe zuzüglich des im Konkursvorjahr erarbeiteten Teils der Arbeitsplatzentschädigung ist die Sozialplanabfindung im Konkurs bevorrechtigt beziehungsweise Masseschuld.

6. Pauschale Abfindung für die konkreten Einbußen im Verdienst und Lebensstandard Sofern dem Sozialplan zu entnehmen ist, daß ein bestimmter Betrag pauschal zur Abgeltung von Nachteilen im Arbeitseinkommen und im Lebensstandard bestimmt ist, also nicht den Arbeitsplatzverlust selbst ausgleichen soll, ist eine solche Abfindung genauso wie die im einzelnen spezifizierten Leistungen mit Lohnersatz- oder Überbrückungscharakter 121

Vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 12. 5. 1976, (s.o. Fn. 97).

IV. Anfechtbarkeit von Sozialplänen

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zu behandeln. Soweit Nachteile in den zwölf beziehungsweise sechs Konkursvormonaten ausgeglichen werden sollen, ist diese Pauschale daher zu einem entsprechenden Anteil bevorrechtigte Konkursforderung (§ 61 Absatz 1 Nr. 1 a KO) oder Masseschuld (§59 Absatz 1 Nr. 3 a KO). Eine solche pauschalierte Bestimmung der erwarteten Nachteile ist für die vom Sozialplan Betroffenen in einem späteren Konkurs auch dann maßgeblich, wenn die tatsächlich bei ihnen eingetretenen Einbußen im Einkommen oder Lebensstandard höher oder niedriger gewesen sein sollten. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Pauschalierung nach oben so weit von den zu erwartenden konkreten Nachteilen abweicht, daß die Voraussetzungen der Konkursanfechtung gegeben sind. IV. Anfedttbarkeit von Sozialplänen

1. Anwendbarkeit der§§ 29 ff. KO auf den erzwingbaren Sozialplan Auch Sozialpläne können, soweit die besonderen Voraussetzungen der §§ 30 bis 32 KO gegeben sind, der Konkursanfechtung unterliegen. Das gilt - wie RichardP22 zutreffend dargelegt hat - auch dann, wenn der Sozialplan von der Einigungsstelle aufgestellt worden ist. Zwar ist die Einigungsstelle keine Vertreterin des Gemeinschuldners123, auch kommt es nicht darauf an, inwieweit der Gemeinschuldner seinen Einfluß auf die Festlegung eines überhöhten Sozialplans geltend gemacht hatl 24 • Die Entscheidung der Einigungsstelle hat aber nur eine Ersatzfunktion für den vom Arbeitgeber (Gemeinschuldner) mit dem Betriebsrat zu vereinbarenden Plan125, und die Wirkungen dieses Spruchs entsprechen der Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 112 Absatz 4, Satz 3 BetrVG). Deshalb muß auch ein von der Einigungsstelle aufgestellter Sozialplan den Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen des Gemeinschuldners gleich stehen126.

2. Konkursanfechtung nach§ 30 KO a) § 30 Nr. 1, 1. Fall (Verschleuderungsanfechtung)

aa) Allgemeine Voraussetzungen Eine Konkursanfechtung nach§ 30 Nr. 1, 1. Fall KO kommt nur dann in Betracht, wenn die Sozialplanleistungen über die in § 112 Absatz 1 122 123 124 12s 126

s•

Sozialplan und Konkurs, S. 71 f.; a. A. Hanau, ZfA 1974, S. 89 (114). Richardi, (Fn. 122), S. 72. Richardi (Fn. 122), S. 72; a. A. aber Hanau, ZfA 1974, S. 89 (114). Richardi (Fn. 122), S. 72. So auch Richardi (Fn. 122), S. 72.

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§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

Satz 2 und Absatz 4 Satz 2 BetrVG genannten Grenzen hinausgehen127, das heißt wenn sie die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer oder das für das Unternehmen wirtschaftlich vertretbare Maß übersteigen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes als solcher durch überhöhte Abfindungen ausgeglichen wird, die den gesunkenen wirtschaftlichen Wert eines Arbeitsplatzes in einem konkursreifen Unternehmen nicht berücksichtigen128• Soweit sich die Leistungen in dem Rahmen halten, der von dem Betriebsrat nach § 112 Absatz 4 BetrVG erzwungen werden kann, liegt eine Gläubigerbenachteiligung dagegen nicht vor. Die Anfechtung nach§ 30 Nr. 1, 1. Fall KO greift ein, wenn nach Zahlungseinstellung oder Antrag auf Konkurseröffnung der Gemeinschuldner erhöhte Sozialplanleistungen vereinbart hat und hierdurch die Konkursgläubiger benachteiligt werden. Es reicht für diesen Tatbestand aus, daß die Zahlungseinstellung oder die Beantragung der Konkurseröffnung dem Betriebsrat bekannt sind. Die Arbeitnehmer müssen sich das Wissen des für sie handelnden Betriebsrates zurechnen lassen129•

bb) Anfechtung erzwungener Sozialpläne Eine Konkursanfechtung nach dieser Bestimmung ist jedoch -anders als Richardi meint130 - auch dann möglich, wenn der Sozialplan von der Einigungsstelle unter Mißbrauch ihres Ermessensspielraums aufgestellt worden ist. Zwar kann gegen den Spruch der Einigungsstelle nach § 76 Absatz 5 Nr. 4 BetrVG nur das Arbeitsgericht im Beschlußverfahren angerufen werden. Diesen Schritt kann auch der Konkursverwalter, der hinsichtlich der Arbeitgeberfunktion an die Stelle des Gemeinschuldners getreten ist, noch vornehmen, sofern die in § 76 Absatz 5 BetrVG genannte Zwei-Wochen-Frist noch nicht verstrichen ist. Der Konkursverwalter ist jedoch nicht darauf angewiesen, diesen Weg zu beschreiten. Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts für das Beschlußverfahren schließt die Konkursanfechtung nämlich nicht aus131 • Das Arbeitsgericht hat im Beschlußverfahren nur insoweit ein Überprüfungsmonopol, als sich Arbeitgeber und Betriebsrat um die Angemessenheit des Spruchs der Einigungsstelle streiten. Das Anfechtungsverfahren zeichnet sich hingegen gerade dadurch aus, daß die Anfechtung auch dann betrieben werden kann, wenn der Gemeinschuldner selbst an die anzufechtende Rechtshandlung gebunden ist. Eine Anfechtung wäre nicht einmal dann ausgeschlossen, wenn die anzufechtende Handlungaufgrund eines voll121 Ähnlich Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 73, der aber nur Abs. 1 S. 2 erwähnt. 12s s. o.

§ 3 II. 1.

Fn. 127. o. Fn. 127.

c.

12u s. o. 13o s. 131

Anders aber Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 73.

IV. Anfechtbarkeit von Sozialplänen

85

streckbaren Titels erfolgt wäre (§ 35 KO), selbst wenn es sich hierbei um ein rechtskräftiges Urteil gehandelt hätte1s2. Ungeachtet der Möglichkeit, daß im Anfechtungsverfahren eine inhaltlich andere Entscheidung ergehen kann, als sie die Einigungsstelle und das im Beschlußverfahren angerufene Arbeitsgericht getroffen haben, kann also der Konkursverwalter die Konkursanfechtung auch gegen einen Spruch der Einigungsstelle betreiben. Zuständig für eine solche Klage sind die ordentlichen Gerichte. Dies ergibt sich daraus, daß die Arbeitsgerichte für Streitigkeiten im Konkurs des Arbeitnehmers nur dann zuständig sind, wenn der Konkursverwalter einen Anspruch geltend macht, den außerhalb des Konkurses auch der Gemeinschuldner als Partei des Arbeitsverhältnisses hätte ausüben können. Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch (§ 37 KO) entsteht aber erst mit der Konkurseröffnung und besteht nur für die Dauer des Konkurses133. Bei einer Anfechtungsklage handelt der Konkursverwalter also nicht als Träger der Arbeitgeberfunktion, sondern als Sachwalter der Gläubigerinteressen, so daß die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts ausscheidet. cc) Anfechtungsgegner

Darauf hinzuweisen ist noch, daß die Anfechtung gegen die durch den Sozialplan begünstigten Arbeitnehmer und nicht gegen den Betriebsrat zu richten ist134, da Anfechtungsgegner stets der Empfänger des aus dem Schuldnervermögen weggegebenen Gegenstandes135, hier also der Sozialplanforderungen, ist. In der Praxis dürfte sich der Konkursverwalter, statt eine Anfechtungsklage anzustrengen, vielfach auf die Erhebung der Anfechtungseinrede beschränken, wenn die Arbeitnehmer ihrerseits ihre Ansprüche geltend machen. b) Täuschungsanfechtung (§ 30 Nr. 1, 2. Fall und Nr. 2 KO) Haben die Arbeitnehmer bereits Sozialplanleistungen erhalten, so können auch · diese Vermögensverschiebungen unter den besonderen Voraussetzungen des § 30 Nr. 1, 2. Alternative beziehungsweise Nr. 2 KO der Konkursanfechtung unterliegen. 132 Mentzel/Kuhn, KO, § 29 Rdn. 16, § 35 Rdn. 1. 133 ArbG Rheine/Gerichtstag Coesfeld, Beschl. vom 5. 6. 1967 - 1 Ca 238 C/ 67- AP Nr. 2 zu§ 30 KO; Weber in Anm. zu BAG, Urt. vom 29. 7. 19673 AZR 55/66 - AP Nr. 1 zu § 29 KO (Bl. 174 f.), das BAG hatte diese Frage offen gelassen (Bl. 170); Mentzel!Kuhn, KO, § 29 Rdn. 56; ähnl. Böhle-Stamschräder, KO, § 36 Anm. 4 b; Jaeger/Lent, KO, § 36 Anm. 5. 134 Insoweit zutreffend Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 73. 135 Schönke/Baur, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, § 6 III, 3, S. 341.

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§ 7 Ansprüche aus vorkonkursliehen Sozialplänen

Sind Zahlungen nach dem Antrag auf Konkurseröffnung oder der Zahlungseinstellung erfolgt (§ 30 Nr. 1, 2. Fall KO), so kommt es nicht einmal darauf an, ob den Arbeitnehmern diese Leistungen zustanden. Für § 30 Nr. 2 KO ist dagegen entscheidend, ob die Arbeitnehmer die erhaltenen Sozialplanleistungen in dieser Art beanspruchen konnten. In beiden Fällen ist die Kenntnis der Leistungsempfänger, also der Arbeitnehmer, von den besonderen Anfechtungsvoraussetzungen (Zahlungseinstellung, Konkursantrag etc.) entscheidend. 3. Absichtsanfechtung (§ 31 KO) Eine Absichtsanfechtung kann nur dann erfolgreich sein, wenn die gesetzlichen Sozialplangrenzen (§ 112 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 4 Satz 2 BetrVG) überschritten worden sind134• § 31 KO setzt im einzelnen voraus, daß der Gemeinschuldner Rechtshandlungen in der dem anderen Teil bekannten Absicht der Gläubigerbenachteiligung vorgenommen hat. Auch hier- wie bei § 30 Nr. 1, 1. Fall KO- müssen sich die Arbeitnehmer die Kenntnis des für sie handelnden Betriebsrats zurechnen lassen. Ist der Sozialplan von der Einigungsstelle festgelegt worden, so kann eine Benachteiligungsahsicht des Gemeinschuldners allerdings nicht schon dann angenommen werden, wenn die Einigungsstelle die Gläubiger benachteiligen wollte, sondern nur dann, wenn der Gemeinschuldner mit der Einigungsstelle als solcher137 oder zumindest mit einigen ihrer Mitglieder kollusiv zusammengewirkt hat. Richardi leugnet hier zu Unrecht, daß die bewußte Aufstellung eines für den Gemeinschuldner wirtschaftlich nicht vertretbaren Sozialplans den Tatbestand des§ 31 Nr. 1 KO erfüllt, wenn hieran der vom Arbeitgeber entsandte Beisitzer in seinem Einvernehmen mitgewirkt hat138• Jeder Sozialplan, der den Arbeitnehmern mehr gewährt, als ihnen nach § 112 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 4 Satz 2 BetrVG zusteht, benachteiligt nämlich die übrigen Gläubiger und ist bei einer entsprechenden, dem Betriebsrat bekannten Absicht des späteren Gemeinschuldners nach § 31 KO anfechtbar. 4. Schenkungsanfechtung (§ 32 KO) Da Sozialplanleistungen auch dann, wenn sie überhöht sind, im Bewußtsein der Parteien keine Schenkungen des Arbeitgebers, sondern 136 Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 74; vgl. zu den Sozialplangrenzen oben§ 4 I. 137 Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 74. 138 Sozialplan und Konkurs, S. 74; a. A. aber zu Recht Hanau, ZfA 1974,

s. 89 (114).

I. Grundsätzliche konkursrechtliche Einordnung

87

Leistungen im Rahmen eines entgeltlichen Arbeitsverhältnisses sind, kommt eine Schenkungsanfechtung bei der Sozialplanaufstellung nicht in Betrachtl39 •

5. Neuaufstellung von Sozialplänen nach Anfechtung Stellt sich im Rahmen von Anfechtungsprozessen oder als Folge von Anfechtungseinreden des Konkursverwalters heraus, daß vor Konkurseröffnung aufgestellte Sozialpläne ganz oder teilweise nach §§ 30, 31 KO anfechtbar sind, so kann der Betriebsrat wegen der nunmehr eingetretenen oder zu befürchtenden Schutzlosigkeit der Arbeitnehmer vor den Folgen der Betriebsänderung die Aufstellung eines neuen Sozialplans verlangen14°. § 8 Konkursrechtliche Behandlung von Ansprüchen nach § 113 BetrVG, die sich aus einem Verhalten des Gemeinschuldners vor Konkurseröffnung ergeben I. Grundsätzliche konkursrechtliche Einordnung

Soweit in Rechtsprechung und Schrifttum die Frage der konkursrechtlichen Stellung eines vor Konkurseröffnung entstandenen Anspruchs aus§ 113 BetrVG erörtert wird, wird ein Konkursvorrecht nach § 61 Absatz 1 Nr. 1 a beziehungsweise eine Masseschuld nach §59 Absatz 1 Nr. 3 a KO ganz überwiegend abgelehntl. Hierbei wird zumeist auf die Argumentation der herrschenden Meinung zur Kündigungsschutzabfindung verwiesen2 • 1su Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 75; wohl auch Hanau, ZfA 1974,

s. 89 (115).

140 Vgl. auch Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 Rdn. 39; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs IV, B II; Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 75. 1 LAG Hamm, Beschl. vom 1. 3. 1972 8 BV Ta 1172 - AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 701 R = DB 1972, S. 632 f.; LAG Düsseldorf, Urt. vom 25. 4. 1975 - 9 Sa 1512/74 - DB 1975, S. 1227 f.; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 113 Rdn. 16; Fabricius, GK-BetrVG, § 113 Rdn. 42; Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 31; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 113 Rdn. 31; Böhle-Stamschräder, KO, § 61 Anm. 4 i; Bürger/Oehmann/Stübing, Handwörterbuch des Arbeitsrechts, Konkurs, S. 7; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs IV D, II (anders allerdings für § 113 Abs. 2 BetrVG); Uhlenbruck, BB 1973, S . 1360 (1363); ders. Anm. zum Urt. des BAG AP Nr. 157 zu § 242 BGB Ruhegehalt Bl. 121; ders., KTS 1973, S. 81 (94); Matthes, DB 1974, S. 1351; wohl auch Erdmann/Jürging/Kammann, BetrVG, § 113 Rdn. 9; - zu § 74 BetrVG 1952 ebenso u . a.: Fitting/ Kraegeloh/Auffarth, BetrVG, B. Aufl.., § 74 Rdn.17; K. H. Schmidt, DB 1965, S. 1629 (1632); Brill, AuR 1966, S. 268 (274); - a. A. wohl Körnig, DB 1975, s. 1411 (1415 f.). 2 u. a . Fitting/Auffarth, BetrVG 8. bzw. 11. Aufl..; Fabricius; Erdmann/Jürging/Kammann (alle Fn. 1), vgl. auch oben § 7 III. 4. b, aa (dort Fn. 95, 96).

88

§ 8 Behandlung vorkonkurslicher Ansprüche aus § 113 BetrVG

Wenngleich § 113 Absatz 1 BetrVG eine Sanktionsnorm ist, die den Unternehmer von der Mißachtung der Rechte des Betriebsrates abhalten solP, so lassen sich doch die zur Sozialplanabfindung entwickelten Gedanken auf den Anspruch nach § 113 BetrVG übertragen. Ungeachtet seines Sanktionscharakters soll § 113 BetrVG nämlich den Arbeitnehmern einen gewissen Ausgleich für die ihnen aufgrund der Betriebsänderung entstehenden Nachteile gewähren4 • Jedenfalls dann, wenn kein Sozialplan mehr aufgestellt wird, hat § 113 BetrVG auch Ausgleichsfunktion in wirtschaftlicher Hinsicht5• Die Sanktionswirkung der Abfindung nach dieser Vorschrift kann nicht dazu führen, ihr die gleichzeitige Eigenschaft als Entgelt oder - genauer gesagt als pauschalierter Ersatz für entgangenes Entgelt zu bestreiten. Die Konkursordnung erkennt nämlich auch der Vertragsstrafe den Rang der durch sie gesicherten Hauptforderung zu (§ 62 Nr. 2 KO}, und zwar auch dann, wenn sie an deren Stelle tritt (§ 340 BGB)8 • Wenn die Vertragsstrafe aber trotz ihrer unzweifelhaften Sanktionsfunktion7 bevorrechtigte Konkursforderung ist, so kann auch die entsprechende Wirkung des Nachteilsausgleichsanspruchs seine konkursrechtliche Privilegierung nicht verhindern8 • Außerdem ist zu berücksichtigen, daß der Ausgleich für den durch die Betriebsänderung entgangenen Arbeitslohn und die Entschädigung für den verlorenen sozialen Besitzstand die maßgeblichen Faktoren für die Zubilligung eines Nachteilsausgleichsanspruchs sind. Deshalb erscheint die Vernachlässigung der Sanktionsfunktion des § 113 BetrVG im Rahmen der Prüfung eines Konkursvorrechts als gerechtfertigt. Im übrigen dürfte sich der Anteil der sonstigen mit § 113 BetrVG verfolgten Zwecke an der Gesamtabfindung im Einzelfall ohnehin nicht erm itteln lassen. Diese sind vielmehr untrennbar mit der richterlichen Einschätzung des entgangenen Arbeitsentgelts und des Wertes des verlorenen sozialen Besitzstandes verbunden. Auch ist zu beachten, daß die Sanktionswirkung der Abfindung gerade dadurch erreicht wird, daß der Arbeitgeber bei betriebsverfassungswidrig durchgeführten Betriebsänderungen in jedem Fall - auch ohne die Einschränkung des § 112 Absatz 4 Satz 2 BetrVG - Lohnausgleich leisten und die Einbußen der Arbeitnehmer in ihrem sozialen Besitzstand ausgleichen muß. 3

s. o. § 5. II.

Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 113 Rdn. 16; Erdmann/Jürging/Kammann, BetrVG, § 113 Rdn. 1; Fabricius, GK-BetrVG, § 113 Rdn. 19; - diese Funktion verkennt Böhle-Stamschräder, KO, § 61 Anm. 4 i. s Böhm, BB 1973, S. 1077 (1079); s. auch oben § 6 zur Anrechnung der Sozialplanleistungen auf den Nachteilsausgleichsanspruch. 6 Mentzel/Kuhn, KO, § 62 Rdn. 3. 7 Vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, § 340 Anm. 2. s Insoweit zu Recht Körnig, DB 1975, S. 1411 (1415 f.). 4

II. Umfang der konkursrechtlichen Privilegierung

89

II. Umfang der konkursrechtlichen Privilegierung des Nachteilsausgleichsanspruchs

1. Abfindungen nach§ 113 Absatz 1 und 3 BetrVG Da somit die konkursrechtliche Einordnung des Abfindungsanspruchs nach § 113 Absatz 1 und 3 BetrVG den Grundsätzen folgen kann, die für die Sozialplanabfindung gelten, ergibt sich folgende konkursrechtliche Stellung des Anspruchs aus § 113 Absatz 1 und 3 BetrVG: Eine von dem Arbeitsgericht festgesetzte Abfindung ist im Konkurs nur insoweit bevorrechtigt beziehungsweise außerhalb des Konkursverfahrens zu befriedigende Masseschuld, wie die Abfindung auf einer Arbeitsleistung der letzten zwölf beziehungsweise sechs Monate vor Konkurseröffnung beruht oder zum Ausgleich von nachweislich in diesem Zeitraum eingetretenen Nachteilen bestimmt ist. Soweit Nachteile in einer weiter zurückliegenden Zeit auszugleichen sind, ist die Abfindung nur einfache Konkursforderung (§ 61 Absatz 1 Nr. 6 KO). Dasselbe gilt grundsätzlich auch hinsichtlich der Nachteile aus der Zeit nach Konkurseröffnung. Eine Ausnahme besteht allerdings insoweit, als durch die Abfindung gleichzeitig auch Nachteile abgegolten werden sollen, die in der Zeit nach Konkurseröffnung, aber vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingetreten sind. Insoweit ist die Abfindung aus denselben Gründen, die für die Behandlung der Lohnersatzleistungen aus einem Sozialplan gelten, Masseschuld nach §59 Absatzl Nr. 2 K09 • Der Beweis für den Ausgleichscharakter der Abfindung wegen Verschlechterungen im Einkommen oder im Lebensstandard kann durch den Nachweis tatsächlich entstandener Nachteile durchgeführt werden. Soweit die Abfindung den Verlust des Arbeitsplatzes als solchen und damit des sozialen Besitzstandes ausgleichen soll, ist sie - mangels sonstiger Anhaltspunkte - nur zu dem Teil privilegiert, der der Arbeitsleistung in den letzten zwölf Monaten beziehungsweise sechs Konkursvormonaten entspricht10•

2. Ausgleichsleistungen nach§ 113 Absatz 2 BetrVG Der Anspruch nach § 113 Absatz 2 BetrVG ist insoweit privilegiert, als Nachteile in den maßgeblichen Monaten vor Konkurseröffnung auszugleichen sind11 • Soweit § 113 Absatz 2 BetrVG dagegen Verschlechterungen in der Zeit des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses nach s. o. § 7 III. 3. Vgl. oben § 7 III. 4. b, ee. 11 So wohl auch Brill, ArbR-Blattei, Konkurs IV D, II. 9

10

§ 8 Behandlung vorkonkurslicher Ansprüche aus § 113 BetrVG

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Konkurseröffnung entschädigen soll, liegt eine Masseschuld nach § 59 Absatz 1 Nr. 2 KO vor12 • 111. Nachteilsausgleich nach§ 113 BetrVG bei Verletzung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrates durch den späteren Gemeinschuldner und Festsetzung der Abfindung nach Konkurseröffnung

Fraglich ist, ob der Anspruch aus § 113 BetrVG auch dann eine teilweise bevorrechtigte Konkursforderung beziehungsweise Masseschuld nach §59 Absatz 1 Nr. 3 a KO ist, wenn zwar der spätere Gemeinschuldner die Betriebsänderung noch betriebsverfassungswidrig durchgeführt hatte, das die Abfindung festsetzende Urteil aber erst nach Konkurseröffnung ergangen ist. Anders als bei der Kündigungsschutzklage, bei der der Abfindungsanspruch erst durch das das Arbeitsverhältnis auflösende Urteil des Gerichts entsteht13, ist die Klage nach § 113 BetrVG eine normale Leistungsklage14 • Der Anspruch wird nicht erst durch das Urteil begründet, sondern besteht unabhängig davon schon aufgrund des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des späteren Gemeinschuldners. In den Fällen, in denen der Gemeinschuldner die Betriebsänderung noch selber vor Konkurseröffnung durchgeführt hatte, bestand also bei Konkurseröffnung der Abfindungsanspruch bereits (§ 3 KO). Er nimmt daher, auch wenn eine richterliche Entscheidung über seine Höhe bei Konkurseröffnung noch nicht vorlag, als- teilweise- bevorrechtigte Konkursforderung am Konkursverfahren teil, sofern nicht unter den genannten Voraussetzungen sogar Masseschulden nach §59 Absatz 1 Nr. 3 a oder ausnahmsweise nach Nr. 2 KOgegeben sind.

12

s. o. § 8 li. 1.

RAG, Urt. vom 21. 6. 1930- RAG 173/30- RAG 6, S. 104 (106) = ARS 9, S. 421 (423); BAG, Urt. vom 15. 2. 1973 - 2 AZR 16172 - AP Nr. 2 zu § 9 KSchG 1969 (Bl. 766); Ammermüller, DB Beilage 10/1975, S. 6; Hueck/Hueck, KSchG, § 9 Rdn. 32; vgl. auch Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 26. 14 Allg. Meinung, vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 26; Fitting/Auffahrt/Kaiser, BetrVG, § 113 Rdn. 12; Erdmann/Jürging/Kammann, BetrVG, § 113 Rdn. 8. 1s

Dritter Teil

Konkursrechtliche Behandlung nach Konkurseröffnung entstandener Ansprüche aus§§ 112, 113 BetrVG § 9 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Konkurs I. Einführung in die Problematik und Vberblick über den Streitstand

Weder im Betriebsverfassungsgesetz 1972 oder im Gesetz über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974, durch das die §§59, 61 KO neu gestaltet wurden, noch in den Materialien zu diesen Gesetzen finden sich Anhaltspunkte dafür, ob und in welchem Umfang die §§ 111 ff. BetrVG auch nach Eröffnung des Konkursverfahrens anzuwenden sind1 • Das Fehlen eines Hinweises in der Konkursordnung auf den Sozialplan beziehungsweise die Ausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG einerseits und die Nichterwähnung des Konkurses in den §§ 111 bis 113 BetrVG andererseits allein lassen sich als Argumente weder für noch gegen die Anwendbarkeit der Mitbestimmungsvorschriften im Konkurs heranziehen. Mit gewisser Berechtigung kann nämlich die Meinung vertreten werden, Betriebsstillegung im Sinne des § 111 BetrVG sei jede Stillegung, auch eine solche im Rahmen eines Konkursverfahrens2 • Aber auch das entgegengesetzte Argument, die Nichterwähnung des Sozialplans in den §§59 ff. KO sei ein Indiz dafür, daß nach Konkurseröffnung jedenfalls privilegierte Ansprüche nicht mehr entstehen könnten3, ist nicht ohne weiteres zu widerlegen. Das Schweigen des Gesetzgebers zeigt nur, daß er- was angesichts der wirtschafts- und sozialpolitischen Brisanz des Themas allerdings kaum verständlich ist auch bei der Änderung der Konkursordnung im Jahre 1974 zwei Jahre nach Inkrafttreten des neuen Betriebsverfassungsgesetzes die Bedeutung 1 Vgl. BT-Drucksachen VI/1786, VI/2729, VII/2260 und ER-Drucksachen 715170, 9/74; - hierauf verweisen u. a. Beuthien, RdA 1976, S. 147 (151) und Richardi, DB Beilage 6/1976, S . 3. 2 Richardi, DB Beilage 6/1976, S. 4 ff. a Vgl. u. a. Henckel, Anm. zum Urt. des BAG vom 17. 9. 1974, EzA Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972, S. 14; Beuthien, RdA 1976, S. 147 (152); Berges, Festschrift für Friedrich Weber, S. 157 (159).

92

§ 9 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Konkurs

dieser Frage nicht erkannt hat oder aus politischen Gründen einer gesetzgeberischen Lösung bewußt ausweichen wollte. Dafür, daß der Gesetzgeber dieses Problem als noch nicht zur Entscheidung reif angesehen hätte und der Wissenschaft und Rechtsprechung nicht habe vorgreifen wollen4 , fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Auch muß angesichts der herausragenden Beteiligung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung am Betriebsverfassungs- und am Konkursausfallgeldgesetz bezweifelt werden, daß - wir Richardi es formuliert- die "linke Hand" nicht gewußt hat, "was die rechte tut" 5 • Die Geltung der §§ 111 bis 113 BetrVG im Konkurs kann daher nur nach einer eingehenden Analyse sowohl der einschlägigen betriebsverfassungsrechtlichen als auch der konkursrechtlichen Bestimmungen beurteilt werden. Dabei ist es keinesfalls zwingend, entweder die§§ 111 ff. BetrVG uneingeschränkt heranzuziehen oder ihre Anwendung vollständig abzulehnen. Es lassen sich nämlich auch Zwischenlösungen denken, die zum Beispiel das Fortbestehen der Beratungspflichten nach § 111 BetrVG annehmen, die Begründung vermögensrechtlicher Verpflichtungen des Arbeitgebers im Konkurs (Sozialplan und Nachteilsausgleich) dagegen ablehnen6 • In der wissenschaftlichen Diskussion wird jedoch ganz überwiegend die uneingeschränkte Geltung der §§ 111 ff. BetrVG im Konkurs bejaht7. Teilweise wird allerdings darauf hingewiesen, daß nur der KonSo wohl Uhlenbruek, RdA 1976, S. 248 (250). s DB Beilage 6/1976, S. 3. 6 So z. B. Renekel (s. o. Fn. 3), S. 14 ff. 7 u. a. BAG, Urt. vom 17. 9. 1974 1 AZR 16/74 - AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972 mit insoweit zust. Anm. Uhlenbruek (Bl. 36) = EzA Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972 mit abl. Anm. Renekel (s. o. Fn. 3 und 6) = SAE 1976, S. 18 ff. mit insoweit zust. Anm. Otto; vgl. aber den oben§ 1 Fn. 14 zitierten Vorlagebeschluß des 5. Senats vom 25. 5. 1977 - 5 AZR 743/75, 96/76 - NJW 1977 Heft 26 S. III, IV= DB 1977, S. 1055; LAG Hamm, Beschluß vom 1. 3. 19728 BV Ta 1/72 - AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 mit insoweit zust. Anm. Gaul = DB 1972, S. 632 f.; LAG Hamm, Urt. vom 23. 10. 1973 - 3 Sa 541/73 - EzA Nr. 1 zu§ 112 BetrVG 1972 = DB 1974, S. 50 f.; LAG Hamm, Urt. vom 6. 11. 1973- 3 Sa 651/73- EzA Nr. 2 zu§ 112 BetrVG 1972 = DB 1974, S. 51 f.; LAG Hamm, Beschluß vom 28. 5. 1975 - 8 Ta BV 30/75 - DB 1975, S. 1851 f. = BB 1975, S. 1160; ArbG Düsseldorf, Beschluß vom 19. 12. 1975- 4 BV 121/ 75 - BB 1976, S. 729 f.; Dietz/Richardi, BetrVG, § 111 Rdn. 57; Erdmann/ Jürging/Kammann, BetrVG, § 111 Rdn. 14; Fabricius, GK-BetrVG, § 111 Rdn. 53- 59; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 111 Rdn. 26 a; Gnade/Kehrmann, BetrVG, § 113 Rdn. 9 (betr. Sozialplan); Stege/Weinspach, BetrVG, S. 462, 475; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs IV B, II; Bürger/Oehmann/Stübing, Handwörterbuch des Arbeitsrechts, Konkurs, S. 13; Baumann, Konkurs und Vergleich, § 9 I, 3 a, S. 85 Fn. 75; Rumpff, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, S. 61; Ammermüller, DB Beilage 10/1975, S. 9 Fn. 61; Heinze, DB 1974, S. 1814 (1818); Hanau, ZfA 1974, S. 89 (115); ders., WEX-Kollektives Arbeitsrecht, S. 155 (für Sozialplan); Körnig, DB 1975, S. 1411 (1459 ff.); Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 40 ff.; ders., DB Beilage 6/1976, S. 3 ff.; Rose, MitbGespr. 1975, S. 84 (85); von Stebut, DB Beilage 9/1975, S. 4; ders., DB 4

li. Verpflichtung zum Versuch eines Interessenausgleichs

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kursverwalter, nicht aber die Gläubigerversammlung oder der Gläubigerausschuß an das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gebunden sei8 • Einige Äußerungen im Schrifttum bestreiten jedoch generell oder zumindest weitgehend die Geltung der Mitbestimmungsvorschriften im Konkurs9 • Von anderen Autoren wird die Auffassung vertreten, §§ 111 ff. BetrVG seien mit den konkursrechtlichen Regelungen nicht abgestimmt und könnten deshalb im Konkurs nur modifiziert angewendet werden10 • So will Beuthien11 nur einen "konkurszeitbegrenzten" Interessenausgleich und Sozialplan zulassen, während Uhlenbruck12 im Konkurs eine Pflicht zum Versuch eines Interessenausgleichs vemeint, einen Sozialplan aber für erzwingbar hält. U. Verpflichtung zum Versuch eines Interessenausgleichs

1. Mitbestimmungsrechte bei Einleitung des Konkursverfahrens Nach herrschender Meinung13 wird der vom Gemeinschuldner gestellte Antrag auf Konkurseröffnung nicht als Mitbestimmungstatbestand im 1975, S. 2438 (2440); Teubner, BB 1974, S. 982 (988); Uhlenbruck, Anm. zum Urt. des BAG vom 8. 7. 1972, AP Nr. 157 zu§ 242 BGB Ruhegehalt Bl. 121 f.; ders., BB 1976, S. 1198 (1200); Schils, KTS 1976, S. 267 (268); Zöllner, Arbeitsrecht, S. 353; Weitnauer, ZfA 1977, S. 111 (129 ff.) ; Weller, BB 1977, S. 599 (600 ff.); - für das alte Recht (§§ 72 ff. BetrVG 1952) u. a.: BAG, Urt. vom 10. 11. 1970 - 1 AZR 409/69 - AP Nr. 8 zu § 72 BetrVG 1952 (Bl. 389 R) m. Anm. Richardi = SAE 1972, S. 64 ff. m. Anm. Buchner; Chen Chi-sen, Das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte, Münchner jur. Diss. 1965, s. 15. s u. a. Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 111 Rdn. 26 a, Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 40 f.; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs IV B, II; Teubner (Fn. 7) ; für§§ 72 ff. BetrVG 1952 ebenso: Gaul, KTS 1955, S. 180 (183); Brill, AuR 1967, S. 335 (337); - ein Mitbestimmungsrecht gegenüber Gläubigerausschuß bzw. -versammlung bejahen hingegen: Fabricius, GK-BetrVG, § 111 Rdn. 54, 58; Zeuner, JZ 1976, S. 1 (5); ferner Rumpff und von Stebut (oben Fn. 7). 9 So die oben Fn. 3 Genannten; ferner H.-J. Müller, KTS 1974, S. 9 f.; wohl auch Uhlenbruck, BlStSozArbR 1976, S. 145 (147). 1o u. a. Otto, SAE 1976, S. 22 (25); - auch Richardi, DB Beilage 6/1976, S. 5 erkennt an, daß §§ 111 ff. BetrVG nicht mit der KO abgestimmt sind. 11 RdA 1976, S. 147 (149 ff.). 12 BB 1973, S. 1360 (1363). 13 Dietz/Richardi, BetrVG, § 111 Rdn. 56; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 111 Rdn. 26 a; Bobrowski/Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, S. 548 Rdn. 17; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs III C, I; ders., AuR 1967, S. 335 (336) (zu§§ 72 ff. BetrVG 1952); Zeuner, JZ 1976, S. 1 (5, Fn. 29); Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 36 ff.; ders., DB Beilage 6/1976, S. 4; Ritze, BB 1976, S. 325 (326); Vogt, Sozialpläne in der betrieblichen Praxis, S. 65; Gaul, KTS 1955, S. 180 (181); Rumpff, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, S. 60; Neumann-Duesberg, ArbR-Blattei, Betrieb III D, I, 4; Bürger/Oehmann/ Stübing, Handwörterbuch des Arbeitsrechts, Konkurs, S. 14; trotzerheblicher Zweifel wohl auch Otto, SAE 1976, S. 22 (23).

§ 9 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Konkurs

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Sinne des § 111 BetrVG angesehen. Die Notwendigkeit, über einen Interessenausgleich zu verhandeln, soll sich vielmehr nur dann ergeben, wenn der Konkursantrag mit der Betriebsstillegung zusammenfällt14 beziehungsweise die geplante Stillegung und der Konkursantrag "einherlaufen"15. Anderer Auffassung sind Fabricius16 und Uhlenbruck 11 , die davon ausgehen, daß jeder Konkursantrag gleichzeitig den Plan für Betriebsänderungen zum Inhalt habe. Diese Meinung von Uhlenbruck und Fabricius ist jedoch, wie insbesondere Richardi18 überzeugend nachgewiesen hat, schon deshalb abzulehnen, weil es Angelegenheit des Konkursverwalters und nicht des Gemeinschuldners ist, über die geeignete Art der Verwertung des Schuldnervermögens zu bestimmen. Mit der Konkurseröffnung ist nicht zwingend die sofortige und umfassende Betriebsstillegung verbunden, vielmehr kann der Betrieb vorläufig weitergeführt oder sogar als Ganzes veräußert werden. In diesem Fall würde ein Mitbestimmungstatbestand, das heißt eine Betriebsänderung, erst zu einem späteren Zeitpunkt oder - bei einer Veräußerung des gesamten Betriebes19 - gar nicht entstehen. Es braucht daher nicht erörtert zu werden, ob § 111 BetrVG überhaupt als Generalklausel anzusehen ist20 , und deshalb den nicht in den Ziffern 1 bis 5 dieser Vorschrift aufgeführten Fall der Konkurseröffnung erfassen könnte. Überdies ist zu bedenken, daß der Gemeinschuldner in den praktisch wichtigsten Fällen, in denen ein Mitbestimmungsrecht bei der Konkurseröffnung in Betracht kommen könnte, nämlich bei der Insolvenz einer Kapitalgesellschaft, einer GmbH & Co. KG oder einer nur aus juristischen Personen bestehenden oHG, ohnehin zur Stellung eines Konkursantrages verpflichtet ist (§§ 64 GmbHG, 92 Absatz 2 AktG, 130 a, 177 a HGB). Hier verbleibt dem Unternehmer, wenigstens dann, wenn wegen der schlechten Vermögenslage kein Vergleichsantrag in Betracht kommt, auch theoretisch keinerlei Spielraum für eine eigene Entscheidung21 • Vielmehr würden sich der Unternehmer beziehungsweise die zuständigen Gesellschaftsorgane bei Unterlassen eines Konkursantrags sogar 14

So u. a. Brill und Rumpff (Fn. 13).

1s Neumann-Duesberg (Fn. 13).

GK-BetrVG, § 111 Rdn. 48 -50. KTS 1973, S. 81 (83); einschränkend BB 1973, S. 1360 (1361). 1s Siehe im einzelnen Sozialplan und Konkurs, S. 36 ff. 19 Allg. Auffassung, vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, § 111 Rdn. 28 m. w. N., s. auch unten Fn. 47. 2o Vgl. zum Streitstand Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 36 f., insbesondere die Hinweise in Fn. 4, S. 37. 21 Das erkennt auch Uhlenbruck, BB 1973, S. 1360 (1361) an, nach dessen Auffassung hier ein Interessenausgleich entfallen kann; s. ferner Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 38. 16 11

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strafbar machen (§§ 84 GmbHG, 401 AktG, 130 b HGB). Auch aus diesen Erwägungen würde sich ein Interessenausgleich über die Frage der Einleitung des Konkursverfahrens zumindestens in diesen Fällen erübrigen. Es ergibt sich daher, daß vor Stellung des Konkursantrages Verhandlungen über einen Interessenausgleich nicht durchgeführt zu werden brauchen. Wegen der beabsichtigten Einleitung des Konkursverfahrens allein kann auch nicht die Aufstellung eines Sozialplans verlangt werden, wenn nicht gleichzeitig mit dem Konkursantrag schon Betriebsänderungen erfolgen sollen. Dasselbe gilt erst recht, wenn nicht der Unternehmer, sondern ein Gläubiger den Antrag auf Konkurseröffnung stellt. In diesem Fall braucht der Unternehmer den Betriebsrat auch nicht zu beteiligen, bevor er sich im Rahmen des § 105 Absatz 2 KO zu dem Eröffnungsantrag äußert22 • Da die Konkurseröffnung jedoch die wirtschaftliche Lage des Unternehmens betrifft (§ 106 Absatz 3 Nr. 1 BetrVG) und überdies die Interessen der Arbeitnehmer "wesentlich berührt" (§ 106 Absatz 3 Nr. 10 BetrVG), hat der Unternehmer vor Stellung des Konkursantrages den Wirtschaftsausschuß zu benachrichtigen (§ 106 Absatz 2 BetrVG)23 • Eine solche Unterrichtungspflicht besteht auch; wenn Dritte den Konkursantrag stellen, weil auch dann die Voraussetzungen des § 106 Absatz 3 Nr. 1 und 10 BetrVG vorliegen24 • Allerdings kann der Unternehmer in diesem Fall die Unterrichtung erst vornehmen, wenn er von dem Konkursantrag erfahren hat25 •

2. Mitbestimmungsrechte im eröffneten Verfahren a) Arbeitgeberfunktion des Konkursverwalters Mit der Konkurseröffnung verliert der Gemeinschuldner die Befugnis, sein zur Konkursmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 6 Absatz 1 KO). Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird durch den Konkursverwalter ausgeübt (§ 6 Absatz 2 KO). Da die Konkurseröffnung die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer des Gemeinschuldners nicht beendet (vgl. § 220 KO), der Gemeinschuldner 22 So auch u. a. Bobrowski/Gaul (Fn. 13), S. 547; Brill, AuR 1967, S. 335 (336); a. A. Uhlenbruck, KTS 1973, S. 81 (84 ff.), BB 1973, S. 1360 (1361). 23 u. a. Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 39; Dietz/Richardi, BetrVG, § 106 Rdn. 30; Bobrowski/Gaul (Fn.13), S. 547 Rdn.17; Fitting/Auffarth/ Kaiser, BetrVG, § 106 Anm. 14; Rumpff, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, S. 60 f. 24 Rumpff (Fn. 23), S. 60; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs II C, I; NeumannDuesberg (Fn. 13). 25 Insoweit überzeugt die ablehnende Auffassung von Bobrowski/Gaul (Fn. 13), S. 547 Rdn. 16 und Dietz/Richardi, BetrVG, § 106 Rdn. 30 nicht; richtig dagegen Brill (Fn. 24).

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§ 9 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Konkurs

die Arbeitgeberfunktion aber nicht mehr wahrnehmen kann, fällt dem Konkursverwalter die Ausübung dieser Rechte und Pflichten zu. Dies ist in der wissenschaftlichen Diskussion unbestritten26 • So hat der Konkursverwalter zum Beispiel nach allgemeiner Auffassung die Schutzvorschriften des Kündigungsschutzgesetzes jedenfalls dann zu beachten, wenn er den Betrieb auch nur teilweise fortführt27 • Damit ist allerdings noch nicht gesagt, daß der Konkursverwalter alle den Arbeitgeber bindenden Bestimmungen28, also auch die§§ 111 ff. BetrVG, einzuhalten hat. Es erscheint nämlich denkbar, §§ 111 ff. Betr VG in diesen Fällen nicht oder nur modifiziert anzuwenden, wenn dies aus konkursrechtlichen Gründen erforderlich wäre29 • Mit anderen Worten, wenn konkursrechtliche Erwägungen der Beachtung der Vorschriften über den Interessenausgleich entgegenstehen, so kann dies dazu führen, den Konkursverwalter ganz oder teilweise von der Bindung an §§ 111 ff. BetrVG freizustellen. b) Stillegung im Konkurs als "geplante" Betriebsänderung Das erste Bedenken gegen die Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen im Konkurs ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der §§ 111 und 112 BetrVG, die eine Unterrichtungs- und Beratungspflicht für geplante Betriebsänderungen vorsehen. Hieraus wird zum Teil gefolgert, diese Vorschriften könnten im Konkurs nicht herangezogen werden, weil eine Betriebsstillegung durch die Konkurseröffnung bereits vorgezeichnet sei und deshalb nicht vom Konkursverwalter "geplant" sein könne30 • So wollen Erdmann I Jürging I Kammann unter Berufung auf eine zu § 111 des Regierungsentwurfs vertretene Meinung31 auch den § 111 BetrVG in der geltenden Fassung nur bei Unternehmerischen Entscheidungen anwenden, die auf längere Zeit vorbereitet sind.

aa) Bedeutung des Begriffs "geplant" Die Formulierung "geplant" in §§ 111, 112 BetrVG hat jedoch rein zeitliche Bedeutung; sie soll nur sicherstellen, daß die Unterrichtung 26 u. a. BAG, Urt. vom 17. 9. 1974- 1 AZR 16174- AP Nr. 1 zu§ 113 Betr VG 1972; Mentzel!Kuhn, KO, § 6 Rdn. 23; Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 39; Heinze, AuR 1976, S. 33 (34 ff., 39 ff.). 27 u. a. Mentzel/Kuhn, KO, § 22 Rdn. 12 ff., 19; Jaeger-Lent, KO, § 22 Anm. 22; Böhle-Stamschräder, KO, § 22 Anm. 7. 2s Anders aber z. B. BürgeriOehmann/Stübing, Handwörterbuch des Arbeitsrechts, Konkurs, S. 13. 29 Beuthien, RdA 1976, S. 147 (148); ähnl. auch Uhlenbruck, RdA 1976,

s. 248 (254).

30 Ritze, BB 1976, S. 325 (327); Müller, KTS 1974, S. 69 f.; Berges, Festschrift für Friedrich Weber, S. 57 (59); ähnl. Erdmann/Jürging/Kammann, BetrVG, § 111 Rdn. 10. 31 Kreutz, BlStSozArbR 1971, S. 277 (280).

II. Verpflichtung zum Versuch eines Interessenausgleichs

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und Beratung bereits vor der (zukünftigen) Betriebsänderung durchgeführt wirda2. Für diese Auslegung spricht vor allem die Gesetzgebungsgeschichte der §§ 111 ff. BetrVG. Nach § 111 Absatz 2 Satz 2 des Regierungsentwurfs sollte bei Betriebsänderungen infolge nicht geplanter Einschränkungen der Beschäftigungsmöglichkeit, etwa aufgrundeiner Veränderung der Auftragslage oder der wirtschaftlichen Lage des Betriebes, das Mitbestimmungsrecht entfallen33• Sowohl der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung34, der Sachverständige Apel (Deutsche Angestellten-Gewerkschaft)35, die CDU/CSU-Fraktion36 als auch der Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrates31 sahen eine solche Einschränkung des Mitbestimmungsrechts als zu weitgehend an. Die vom Bundestag verabschiedete Fassung des Betriebsverfassungsgesetzes enthält dementsprechend auch eine solche Beschränkung nicht mehr. Es ist deshalb davon auszugehen, daß §§ 111 ff. BetrVG auch solche Betriebsänderungen erfassen, zu denen der Unternehmer aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen ist.

bb) Anwendbarkeit der §§ 111 ff. BetrVG bei behördlichen Maßnahmen oder höherer Gewalt Ein Interessenausgleich braucht hingegen dann nicht versucht zu werden, wenn die Betriebsstillegung auf einer behördlichen Maßnahme ohne Mitwirkung des Unternehmers38, etwa nach § 15 Absatz 2 GewO oder § 20 BimSchG, oder aber auf Einwirkung höherer Gewalt beruht. Bei behördlichen Maßnahmen sind sowohl das Ob als auch das Wann und das Wie der Stillegung durch die behördliche Verfügung bestimmt. 32 BAG, Urt. vom 17. 9. 1974 1 AZR 16174 - AP Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972 (Bl. 32 R) mit insoweit zust. Anm. Uhlenbruck (Bl. 36 R); Galperin/Löwisch, BetrVG, § 111 Rdn. 21; Beuthien, RdA 1976, S. 147 (148); Rumpff, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, S. 72 f.; Schneider, Mitb Gespr 1975, S. 67; - a. A. wohl Fabricius, GK-BetrVG, § 111 Rdn. 47, der einen Willensentschluß des Unternehmers verlangt. 33 BT-Drucks. VI/1786, S. 28, 54 = BR-Drucks. 715/70, S. 23, 54; vgl. hierzu BAG, Urt. vom 17. 9. 1974 (s. o. Fn. 32) und Rumpff (s. o. Fn. 32). 34 BT-Drucks. VI/2729, S. 51 f. 35 Protokolle des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, 46. Sitzung vom 25. 2. 1971, Öffentliche Anhörung, S. 132, 135. 36 BT-Drucks. VI/1806, S . 40. 37 Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik, Berichterstatter Staatsminister Dr. Schmidt/Hessen in der 361. Sitzung des Bundesrates vom 29. 1. 1971, S. 13; ebenso schriftlicher Bericht BR-Drucks. 715/1170 Ziff. 29; hiergegen allerdings der Ausschuß für Wirtschaft ebd. Im Plenum des Bundesrates wurde der Abänderungsantrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik nicht angenommen. as Fabricius, GK-BetrVG, § 111 Rdn. 47; vgl. auch Hanau, WEX-Kollektives Arbeitsrecht, S. 155.

7 Schlüter

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§ 9 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Konkurs

Kommt der Unternehmer dem Verwaltungsakt nach, so trifft er keine eigene Entscheidung, er unterwirft sich vielmehr nur staatlichem Zwang. Von in diesem Zusammenhang entscheidenderer Bedeutung ist aber, daß Verhandlungen über einen Interessenausgleich von vornherein sinnlos wären, weil der Unternehmer keinerlei Spielraum hinsichtlich der Durchführung der Betriebsänderung hat. Er könnte dem Drängen des Betriebsrates auf Fortführung des Betriebes aus Rechtsgründen nicht nachkommen, selbst wenn er dies wollte. Dies gilt erst recht in den Fällen der Einwirkung höherer Gewalt. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu der Situation, in der eine Betriebsänderung zwar wirtschaftlich erforderlich ist, der Unternehmer sich aber dennoch mit einer unter Umständen wirtschaftlich unzweckmäßigen oder sogar unsinnigen Maßnahme einverstanden erklären könnte. c) Bedeutung des gesetzlichen Liquidationsauftrags des Konkursverwalters Die Frage stellt sich nun, ob sich ähnliche Überlegungen auch auf die konkursbedingte Stillegung übertragen lassen. Auch hier wird zum Teil verlangt, daß der Unternehmer (beziehungsweise an dessen Stelle der Konkursverwalter) "rechtlich und tatsächlich (wenn auch nicht wirtschaftlich) die Wahl hat, den Betrieb zu ändern oder nicht" 39 • Der Konkursverwalter vollziehe aber nur den gesetzlichen Liquidationsauftrag des § 117 Absatz 1 KO und treffe daher hinsichtlich der Betriebsstillegung keine Unternehmerische Entscheidung40 • In § 111 BetrVG sei nicht die "konkursliche Stillegung" gemeint. Diese Vorschrift gehe vielmehr davon aus, daß bei der Entscheidung über die Stillegung der "gegenwärtige Rechts- und Ertragszustand eines Betriebes und seine mögliche künftige rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung" einander gegenübergestellt werden, was nach Konkurseröffnung nicht mehr möglich sei41 • Die Konkurseröffnung würde in der Tat dann Verhandlungen über einen Interessenausgleich stets als sinnlos erscheinen lassen, wenn der Konkursverwalter aufgrund des § 117 Absatz 1 KO sofort und vollständig zur Betriebsstillegung verpflichtet wäre. In diesem Fall würden die Verhandlungen über den Interessenausgleich sich auf eine Entscheidung beziehen, die ohnehin gesetzlich angeordnet und damit der Disposition der Partner eines Interessenausgleichs entzogen wäre. Eine Beuthien, RdA 1976, S. 147 (148). Beuthien (Fn. 39); Müller, KTS 1974, S. 69 f.; Berges, Festschrift für Friedrich Weber, S . 57 (59); Ritze, BB 1976, S. 325 (327); Uhlenbruck, Anm. zu BAG, AP Nr. 1 zu§ 113 BetrVG 1972, Bl. 36; ders., BB 1973, S. 1360 (1361) und BlStSozArbR 1976, S. 145 (147); anders wohl ders., KTS 1973, S. 80 (88 f.). 41 Berges (Fn. 40). 39

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li. Verpflichtung zum Versuch eines Interessenausgleichs

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so weitgehende Bindung des Konkursverwalters ergibt sich jedoch aus § 117 KO nicht.

aa) Ermessensspielraum des Konkursverwalters bei der Verfahrensabwicklung Zum einen steht es, sofern kein Gläubigerausschuß vorhanden ist und vorbehaltlich einer Entscheidung der Gläubigerversammlung, im Ermessen des Konkursverwalters, ob und inwieweit er den Betrieb vorläufig weiterführt (§ 129 Absatz 2 KO). Die Verwertung des zur Masse gehörenden Schuldnervermögens kann außerdem dadurch erfolgen, daß der Gesamtbetrieb oder ein Betriebsteil vollständig veräußert wird und die Arbeitsplätze auf diese Weise erhalten bleiben. (1) Konkurszeitbegrenzte Verhandlungen Gegenstand von Verhandlungen über einen Interessenausgleich können daher zunächst die mit der Abwicklung des Geschäftsbetriebes zusammenhängenden Fragen sein42 • Hierunter fällt unter anderem die Entscheidung darüber, wann und in welcher Reihenfolge den Arbeitnehmern gekündigt wird und in welchem Umfang der Betrieb- vorläufig- fortgeführt wird. Auch im Konkurs verbleibt somit- wenigstens theoretisch - ein schmaler Dispositionsspielraum für Unternehmerische Entscheidungen des Konkursverwalters43 • Es ist daher wenigstens ein "konkurszeitbegrenzter Interessenausgleich" möglich44 • Schon die sich hieraus ergebende Entscheidungsfreiheit des Konkursverwalters rechtfertigt die Anwendbarkeit der Vorschriften über den Interessenausgleich auch im Konkurs. (2) Möglichkeit der Betriebsveräußerung Entgegen der Auffassung Beuthiens40 ergibt sich aber auch aus der Möglichkeit der Betriebsveräußerung, die nach § 613 a BGB die Erhaltung der Arbeitsplätze zur Folge hat46 und deshalb einen Sozialplan insoweit überflüssig macht47 , daß der Konkursverwalter vor einer Be42 Beuthien, RdA 1976, S. 147 (150); Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 42; BAG, Urt. vom 17. 9. 1974- 1 AZR 16/74- AP Nr. 1 zu§ 113 BetrVG 1972 (unter 3. der Entscheidungsgründe); ähnl. Henckel in der Anm. hierzu, EzA Nr. 1 zu § 113 BetrVG 1972, S. 15. 43 Otto, Anm. zum Urt. des BAG vom 17. 9. 1974, SAE 1976, S. 22 (25). 44 Beuthien (Fn. 42). 46 LAG Schleswig-Holstein, Urt. vom 19. 3. 1976 5 Sa 565/75 - BB 1976, S. 1369; Hess, DB 1976, S. 1154 f.; Derleder, AuR 1976, S. 129 ff.; Heinze, AuR 1976, S. 33 (40); Palandt/Putzo, BGB, 36. Aufl., § 613 a Anm. 1 c;- einschränkend hinsichtlich der Haftung des übernehmers u. a. Uhlenbruck, KTS 1974, S. 1 ff. und Palandt/Putzo, 35. Aufl.; offen gelassen im Urteil des BAG vom 26. 1. 1977- 5 AZR 302/75- RdA 1977, S. 128. 45 s. o. Fn. 42, S. 149. 47 Vgl. u. a. LAG Düsseldorf, Beschl. vom 14. 8. 1973 4 Ta BV 41/73 AuR 1974, S . 28; Dietz/Richardi, BetrVG, § 111 Rdn. 28m. w. N.; Fitting/Auf-

7.

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§ 9 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Konkurs

triebsstillegung in Verhandlungen über einen Interessenausgleich eintreten muß. Es kommt nämlich nicht - wie Beuthien48 meint - darauf an, daß die Betriebsveräußerung für den Gemeinschuldner die Schließung seines Geschäfts bedeutet. Entscheidend ist bei den Bestimmungen der §§ 111 ff. BetrVG vielmehr die Sicht der betroffenen Arbeitnehmer. Für diese stellt eine Betriebsveräußerung, bei der ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt, eben keine Schließung des Betriebes dar. Wählt der Konkursverwalter daher nicht den Weg der Betriebsveräußerung, sondern der Stillegung, so macht er von seinem theoretisch gegebenen Ermessensspielraum Gebrauch. Er hat deshalb bei einer solchen Entscheidung den Betriebsrat nach §§ 111 ff. BetrVG zu unterrichten und mit ihm über einen Interessenausgleich zu verhandeln. bb) Eilbedürftigkeit von

Stillegungsmaßnahmen im Konkurs

Bedenken gegen die Notwendigkeit, auch im Konkurs einen Interessenausgleich versuchen zu müssen, könnten sich jedoch daraus ergeben, daß Entscheidungen im Konkursverfahren häufig besonders eilbedürftig sind. Dies gilt etwa für die rechtzeitige Kündigung von Arbeitnehmern, um weitere Masseschulden nach §59 Absatz 1 Nr. 2 KO zu vermeiden49 • Hierin kann jedoch kein wesentlicher Unterschied zu der Lage bei Betriebsstillegungen außerhalb des Konkurses gesehen werden. Auch dort sind in wirtschaftlich schwierigen Situationen ebenfalls schnelle Entscheidungen erforderlich. Trotzdem verlangt der Gesetzgeber von dem Unternehmer die Beachtung der§§ 111, 112 BetrVG. Zu berücksichtigen ist ferner, daß auch das Verfahren zur Vereinbarung eines Interessenausgleichs vor der Einigungsstelle notfalls in wenigen Tagen durchgeführt werden kann, wenn man nicht an der bereits eingangs erwähnten unzutreffenden These festhält, daß über Sozialplan und Interessenausgleich in einem einheitlichen Verfahren entschieden werden muß. Bei Untersuchung der Frage nach der Notwendigkeit eines Interessenausgleichs kommt es nicht darauf an, ob es dem Betriebsrat gestattet ist, den Interessenausgleich nur deswegen abzulehnen, weil der Sozialplan noch nicht ausgehandelt ist50 • Der Betriebsrat darf nämlich stets die Zustimmung zum Interessenausgleich verweigern. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang vielmehr nur, daß der Konkursverwalter die farth/Kaiser, BetrVG, § 111 Rdn. 13; Hanau, WEX-Kollektives Arbeitsrecht, S. 151; ders., ZfA 1974, S. 89 (99); von Stebut, DB 1975, S. 2438 (2441). 48 s. o. Fn. 42, S. 149. 49 Otto, SAE 1976, S. 22 (23). so So aber Otto (Fn. 49), S. 23 m. w. N. zum Streitstand zu dieser Frage.

II. Verpflichtung zum Versuch eines Interessenausgleichs

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Einigungsstelle hinsichtlich des Interessenausgleichs bereits dann anrufen kann, wenn die Verhandlungen über den Sozialplan noch andauern oder nicht einmal begonnen haben. Angesichts der Eilbedürftigkeit der Entscheidung über eine Betriebsstillegung im Konkurs kann vor der Einigungsstelle isoliert über das Ob und das Wie der Stillegung, also allein über den Interessenausgleich, verhandelt werden51 • Verweigert der Betriebsrat auch hier die Zustimmung unter Berufung auf den noch ausstehenden Sozialplan, so ist die Einigung über den Interessenausgleich gescheitert, und die Betriebsstillegung kann durchgeführt werden. Ob § 113 Absatz 3 BetrVG entsprechend der Rechtsprechung zu § 74 BetrVG 195252 so auszulegen ist, daß der Versuch eines Interessenausgleichs bei Vorliegen zwingender Gründe unterbleiben kann53 , ist kein typisch konkursrechtliches Problem. Solche Zwangslagen können sich vielmehr auch außerhalb des Konkurses ergeben. Es dürfte aber wegen der besonderen Bedeutung, die das Gesetz der Mitwirkung des Betriebsrates auch bei der Frage über die Betriebsstillegung als solche beilegt, in keinem Fall zum Ausschluß einer Verhandlungspflicht ausreichen, daß der Unternehmer (Konkursverwalter) nachweist, er hätte die von ihm tatsächlich durchgeführte Betriebsänderung in jedem Fall und auf diese Weise vornehmen müssen54• Eine Ausnahme von der Pflicht zum Versuch eines Interessenausgleichs kann allenfalls dann angenommen w erden, wenn ein zwingender Grund bestand, auf die Verhandlungen ganz oder teilweise zu verzichten. Ein solcher Fall wäre denkbar, wenn die Einhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens den Arbeitnehmern mit Sicherheit mehr Nachteile als Vorteile bringen würde55 • Aber auch in solchen Ausnahmesituationen ist zu berücksichtigen, daß es dem Unternehmer grundsätzlich möglich und auch zumutSo zu Recht auch Hanau, ZfA 1974, S. 89 (111); LAG Hamm, Beschl. vom 8 BV Ta 1/72 - AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 (unter III. der Gründe). 52 BAG, Urt. vom 10. 6. 1969 1 AZR 2/69 - BAG 22, S. 72 = AP Nr. 6 zu§ 72 BetrVG 1952 (Bl. 9) m. Anm. Richardi (Bl. 11); BAG, Urt. vom 20. 11. 1970 - 1 AZR 409/69 - BAG 23, S. 62 (76 f.) = AP Nr. 8 zu § 72 BetrVG 1952 (Bl. 391 R) mit insoweit zust. Anm. Richardi (Bl. 393), der noch über die Auffassung des BAG hinausgeht. 53 Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdn. 14; Erdmann/Jürging/Kammann, Betr VG, § 113 Rdn. 18; Stege/Weinspach, BetrVG, S. 481; Rumpff, BB 1972, S. 325 (330); Otto, SAE 1976, S. 22 (25);- a. A. wohl zu Recht BAG, Urt. vom 17. 9. 1974 - 1 AZR 16/74- AP Nr. 1 zu§ 113 BetrVG 1972 (unter Ziff. 3); Fitting/ Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 113 Rdn. 6; Fabricius, GK-BetrVG, § 113 Rdn. 12, von Stebut, DB Beilage 9/1975, S. 12; Matthes, DB 1972, S. 286 (289); einschränkend Galperin/Löwisch, BetrVG, § 113 Rdn. 47, 48. 54 so aber Dietz/Richardi, BetrVG, § 13 Rdn. 14; Otto, SAE 1976, S. 22 (25); ebenso Richardi in seinen Anmerkungen zu den in Fn. 52 genannten Urteilen des BAG. 55 Vgl. Galperin/Löwisch, BetrVG, § 113 Rdn. 48, der auf die Sinnwidrigkeit möglicher Verhandlungen abstellt. 51

1. 3. 1972 -

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§ 9 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Konkurs

bar ist, die Verhandlungen über einen Interessenausgleich noch vor der Betriebsänderung in kürzester Zeit durchzuführen. d) Beachtung der Kompetenzen von Gläubigerversammlung und -ausschuß Betrachtet man daher allein die Stellung des Konkursverwalters als Träger der Arbeitgeberfunktionen des Gemeinschuldners, so scheint seine Verpflichtung, einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat zu versuchen, unzweifelhaft zu sein. Bei der bisherigen Untersuchung wurde aber noch nicht berücksichtigt, daß über die Schließung des Geschäftes des Gemeinschuldners endgültig die Gläubigerversammlung entscheidet (§ 132 Absatz 1 KO). Sofern ein Gläubigerausschuß gebildet ist, hat der Konkursverwalter nicht einmal das Recht, vorläufig über Fortführung oder Stillegung des Geschäftes zu befinden (§ 129 Absatz 2 Satz 2 KO). Aus diesen eingeschränkten rechtlichen Möglichkeiten des Konkursverwalters wird in der Literatur zuweilen gefolgert, daß er zu einem grundsätzlichen Interessenausgleich über das "Ob" der Betriebsstillegung nicht befugt sei, da er sonst in das allein der Gläubigerversammlung zustehende Recht zur endgültigen Beschlußfassung eingreife56.

aa) Stellung des Konkursverwalters als Außenorgan Die Gläubigerversammlung und - sofern vorhanden - der Gläubigerausschuß selbst üben nach herrschender und zutreffender Meinung keine Arbeitgeberfunktionen aus57 • Hieraus ergibt sich, daß der Betriebsrat gegenüber diesen beiden Gremien, die Organe der konkursrechtlichen Selbstverwaltung sind58, kein Mitbestimmungs-beziehungsweise Mitwirkungsrecht hat59 • Die Richtigkeit dieser Auffassung folgt schon daraus, daß nach § 6 Absatz 2 KO nur der Konkursverwalter die 56 Beuthien, RdA 1976, S. 147 (149); ähnl. Müller, KTS 1974, S. 69 f.; ähnl. auch Uhlenbruck, BlStSozArbR 1976, S. 145 (147); für das alte Recht ebenso Gaul, KTS 1955, S. 180 (183 f.); a. A. wohl Fabricius, GK-BetrVG, § 111 Rdn 54. 57 Beuthien (Fn. 56); Uhlenbruck (Fn. 56); so wohl auch Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 40. ss Dietz/Richardi, BetrVG, § 111 Rdn. 57; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 111 Rdn. 26 a; Brill, AuR 1967, S. 335 (337); Müller, KTS 1974, S. 69 f. 59 Uhlenbruck, KTS 1973, S. 80 (89), Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 40 f.; Beuthien, RdA 1976, S. 147 (149); Bobrowski/Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, G V, 22, S. 550; Brill, ArbR-Blattei, Konkurs IV B, II, Vogt, Sozialpläne in der betrieblichen Praxis, S. 66; ferner die in Fn. 58 Genannten; - a. A. Fabricius, GK-BetrVG, § 111 Rdn. 54, 55, 58; Rumpff, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, S. 61; Neumann-Duesberg, ArbR-Blattei, Betrieb III D, I, 4; von Stebut, DB Beilage 9/1975; wohl auch Schils, KTS

1976,

s. 267

(268).

II. Verpflichtung zum Versuch eines Interessenausgleichs

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Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Gemeinschuldners zugewiesen bekommen hat. Er ist zwar ebenso wie Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuß auch Organ der konkursrechtlichen Selbstverwaltung60 • Nur ist der Konkursverwalter im Gegensatz zu den beiden genannten Gremien das Organ, das für die Masse und für die Gläubiger nach außen auftritt. Intern ist der Konkursverwalter zwar - soweit dies ausdrücklich bestimmt ist - an die Entscheidungen der Gläubigerversammlung beziehungsweise des -ausschusses gebunden. Nach außen handelt er jedoch allein&t. Seine Rechtsakte sind sogar insoweit wirksam, als sie gegen Beschlüsse der Gläubigerversammlung beziehungsweise des Gläubigerausschusses nach §§ 133 bis 135 KO verstoßen (§ 136 KO). Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuß können zwar Entscheidungen treffen, deren Auswirkungen für die Arbeitnehmer von erheblicher Bedeutung sind. Den Arbeitnehmern gegenüber wirksam werden diese Beschlüsse jedoch erst durch konkrete Maßnahmen des Konkursverwalters. Nur er ist den Beschäftigten gegenüber weisungsbefugt62, nur er kann zum Beispiel einen Stillegungsbeschluß der Gläubigerversammlung nach § 132 KO dadurch ausführen, daß er die Anweisung zur Einstellung der Arbeit gibt. Die Befugnis der Gläubigerversammlung beziehungsweise des Gläubigerausschusses aufgrund ihrer originären und vom Gesamtschuldner nicht abgeleiteten Rechte als Organ der Gläubigerselbstverwaltung63 , die Betriebsstillegung zu beschließen, gibt ihr somit keine Arbeitgeber(teil-)funktion. Insoweit ist Beuthien64165 im Ergebnis zuzustimmen, daß die angebliche "Betriebsbezogenheit" der Mitbestimmung nach§§ 111 ff. BetrVG eine Arbeitgeberstellung der Gläubigerversammlung nicht zu begründen vermag. Aus der Betriebsbezogenheit der Rechte nach §§ 111 ff. BetrVG kann allenfalls folgen, daß gegenüber "dem Betrieb" ein Mitbestimmungsrecht besteht, nicht aber, welchem Organ des Betriebes gegenüber ein solches Recht auszuüben ist. Wer sich im Konkurs als Träger der Arbeitgeberfunktion der Mitbestimmung stellen muß, ergibt sich nicht aus dem Betriebsverfassungsgesetz, sondern aus der Konkursordnung. Diese weist - wie bereits betont - in § 6 Absatz 2 KO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Gesamtschuldners und damit die Arbeitgeberstellung aber allein dem Konkursverwalter zu. Daß der Konkursverwalter in seiner Eigenschaft so Fabricius, GK-BetrVG, § 111 Rdn. 58; Richardi, Sozialplan und Konkurs, S. 41, dort Fn. 25. 61 Hierauf weist auch Richardi, DB Beilage 6/1976, S. 5 hin. 62 Bobrowski/Gaul, Arbeitsrecht im Betrieb, G V, 18, S. 542 f.; vgl. auch Brill, ArbR-Blattei, Konkurs III B. oa Beuthien, RdA 1976, S. 147 (149). 64/65 Beuthien (Fn. 63), S. 151; vgl. ferner Uhlenbruck, RdA 1976, S. 248 (251).

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§ 9 Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Konkurs

als Organ der Gläubigerselbstverwaltung in bestimmten Fällen an die Beschlüsse der anderen Selbstverwaltungsorgane gebunden ist, insoweit seine "funktionelle Entscheidungsbefugnis" beschränkt ist66 , beeinträchtigt folglich seine nach außP.n bestehende Arbeitgeberstellung nicht.

bb) Parallele zu§ 119 Absatz 1 Nr. 8 AktG Die rechtliche Situation ist insoweit mit derjenigen des Gesellschaftsrechts vergleichbar. Dort ist zum Beispiel die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft bei der ihr obliegenden Entscheidung über die Auflösung der Gesellschaft (§ 119 Abs. 1 Nr. 8 AktG) ebenfalls nicht durch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beschränkt. Der an diesen Beschluß gebundene Vorstand, der die Gesellschaft nach außen vertritt (§ 78 Absatz 1 AktG) und somit Träger der Arbeitgeberfunktion ist, hat hinJ:!eqen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu beachten67 • Dieser Konflikt läßt sich nur so lösen, daß entweder die Hauptversammlung ihre end!'!ültige Entscheidung erst dann trifft, wenn das Mitbestimmun!'!sverfahren abgeschlossen ist oder aber sie dem Vorstand genügend Zeit für Verhandlungen mit dem Betriebsrat läßt. Anderenfalls muß die Hauptversammlung die Folgen in Kauf nehmen, die sich er!!eben. wenn der Vorstand den Auflösungsbeschluß unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats ausführt (§ 113 BetrVG). Daß das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil aus jüngster Zeit68 schon in einem Stillegun~tsbeschluß des Aufsichtsrats eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates sah, erklärt sich aus den Beson