Die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand 9783504385354

Die Arbeit stellt einerseits die geltende Rechtslage ausführlich dar und untersucht andererseits Möglichkeiten einer gru

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German Pages 569 [570] Year 2016

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Die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand
 9783504385354

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Wiesch Die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand

Rechtsordnung und Steuerwesen Band 49 Schriftenreihe begründet von Brigitte Knobbe-Keuk herausgegeben von Wolfgang Schön und Rainer Hüttemann

Die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand von

Dr. jur. Thomas Wiesch

2016

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-64248-8 ©2016 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Druck und Verarbeitung: VuA, Büttelborn Printed in Germany

Geleitwort Zu dieser Schriftenreihe Seit Brigitte Knobbe-Keuk im Jahre 1986 diese Schriftenreihe in der Nachfolge von Werner Flume begründet hat, sind mehr als 40 Bände er­ schienen, in deren thematischen Mittelpunkt die Frage nach dem Ver­ hältnis zwischen dem Steuerrecht und der allgemeinen Rechtsordnung gestellt ist. Die Entwicklung der Reihe hat gezeigt, dass die vielfältigen Verflechtungen des Steuerrechts mit anderen Rechtsgebieten den ge­ wählten Zuschnitt eindrucksvoll gerechtfertigt haben. Die publizierten Arbeiten nehmen Bezüge zum allgemeinen Zivilrecht, zum Gesellschafts­ recht, zum Bilanzrecht und zu den Wirtschaftswissenschaften ebenso in den Blick wie die Rahmenbedingungen des Verfassungsrechts, des Euro­ parechts und des Internationalen Rechts. Strafrechtliche Zusammenhän­ ge unserer Steuerrechtsordnung werden ebenso beleuchtet wie verfah­ rensrechtliche Implikationen der Besteuerungspraxis. Der Erkenntnis der Begründerin der Schriftenreihe, dass in den juristi­ schen Fragestellungen aus dem Bereich des Steuerwesens Fragestellun­ gen aus den Teilgebieten der allgemeinen Rechtsordnung zusammentref­ fen, muss besonders Nachdruck in einer Zeit verliehen werden, in der die innere Stabilität unserer Besteuerungsordnung in hohem Maße gefährdet ist und der Wunsch, aus der eigenen Systematik des Steuerrechts heraus feste Leitlinien für Rechtspolitik und Rechtsanwendung zu gewinnen, hinter den fiskalischen Zwängen der öffentlichen Hand und dem Ge­ staltungswillen der Steuerpolitik immer weiter zurücktritt. Die Veran­ kerung des Steuerrechts in der allgemeinen Rechtsordnung dient daher auch den Anliegen der Rechtssicherheit und Rationalität unseres Steuer­ rechts. Darüber hinaus kann durch die Anlehnung an die der Privatauto­ nomie verpflichtete Zivilrechtsordnung sowie durch die Verwirklichung verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Freiheitsgewährungen dem Steuerwesen ein Stück rechtsstaatlicher Liberalität zurückgegeben wer­ den. Die Herausgeber wünschen daher, dass die Schriftenreihe in ihrer Gesamtheit einen Beitrag zur Kultur unserer Steuerrechtsordnung zu leisten vermag. München und Bonn, im Oktober 2011 Wolfgang Schön

Rainer Hüttemann

V

Geleitwort

Zu dieser Schrift Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand befindet sich im Umbruch. Nachdem der BFH – gestützt auf eine „richtlinienkonforme“ Auslegung des § 2 Abs. 3 UStG – die Unternehmereigenschaft von juristischen Per­ sonen des öffentlichen Rechts weitgehend vom Körperschaftsteuerrecht abgekoppelt hat, bestand Handlungsbedarf. Mit dem neuen § 2b UStG hat der deutsche Gesetzgeber zwar die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand an das Unionsrecht angepasst, bei der gesetzlichen Ausdeutung des Wettbewerbsvorbehalts aber auch Neuland betreten. Zudem wirft die Umsatzbesteuerung von öffentlichen Unternehmen auch in anderen Bereichen bisher unbewältigte Fragen auf. Ohnehin ist fraglich, ob das gegenwärtige System der Nichtbesteuerung hoheitlicher Umsätze der öffentlichen Hand überhaupt noch zeitgemäß ist. Die vorliegende Untersuchung geht allen diesen Fragen nach. Sie stellt zu Recht die Vorgaben des Unionsrechts an den Anfang und setzt sich eingehend und eigenständig mit der Rechtsprechung des EuGH zur Um­ satzbesteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts auseinan­ der. Im zweiten Teil prüft sie die Unternehmereigenschaft nach dem na­ tionalen Recht und ihre Neuregelung durch § 2b UStG, mit Schwerpunkt auf der Analyse der neuen Regelungen zum Nichtvorliegen „größerer Wettbewerbsverzerrungen“, mit denen der deutsche Gesetzgeber nach Ansicht von Wiesch die unionsrechtlichen Vorgaben grds. zutreffend umgesetzt hat. Jedoch erweist sich die lange Übergangsfrist unter Beihil­ fegesichtspunkten als problematisch. Im Anschluss unterzieht Wiesch die neuere Rechtsprechung und Verwaltungssicht zum Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand einer kritischen Analyse. Die Auseinandersetzung mit der unionsrechtlichen und nationalen lex lata bildet das Fundament für den dritten Teil, der das gegenwärtige System der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand wegen seiner mangelnden Neutralität und falschen Anreizwirkungen grundlegend in Frage stellt. De lege ferenda plädiert Wiesch – nach ausführlichem Vergleich der verschiedenen Reformmodel­ le im vierten Teil – für eine Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtli­ nie zugunsten einer Vollbesteuerung aller entgeltlichen Umsätze der öf­ fentlichen Hand und eines weitgehenden Vorsteuerabzugs, hält aber auch nationale Refundsysteme für eine Alternative. Die Arbeit beeindruckt durch die gelungene Verknüpfung von Detailanalysen und Reformpers­ pektiven und ist ein wichtiger Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion zur Neuordnung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand. München und Bonn, im Mai 2016 Wolfgang Schön

VI

Rainer Hüttemann

Vorwort Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der umsatzsteuerlichen Behand­ lung der öffentlichen Hand. Das Thema wird sowohl de lege lata als auch de lege ferenda grundlegend behandelt. Hinsichtlich der geltenden Rechts­ lage stehen dabei insbesondere die jüngeren Entwicklungen in der EuGH-­ Rechtsprechung sowie die zum 1. Januar 2016 eingeführte Neuregelung des § 2b UStG im Vordergrund. Überlegungen zu den Möglichkeiten ei­ ner grundlegenden Reform der umsatzsteuerlichen Behandlung der öf­ fentlichen Hand bestehen sowohl auf der Ebene der Europäischen Union als auch auf der nationalen Ebene. Die Arbeit greift die bestehende Re­ formdiskussion auf und vertieft diese. In diesem Zusammenhang wird unter anderem die Behandlung der öffentlichen Hand in den modernen Mehrwertsteuersystemen Neuseelands und Australiens näher unter­ sucht. Die Arbeit wurde im Wintersemester 2015/2016 von der Rechtswissen­ schaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Müns­ ter als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung konnten Geset­ zesänderungen und neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung und Literatur bis einschließlich März 2016 berücksichtigt werden. „So ehre denn, wem Ehre gebührt!“: In diesem Sinne gilt mein ganz be­ sonderer Dank Herrn Prof. Dr. Joachim Englisch als Betreuer der Arbeit für seine maßgebliche und vielfältige Unterstützung. So stand er mir nicht nur stets mit hilfreichem Rat zur Seite, sondern ermöglichte mir unter anderem auch die Tätigkeit als Mitarbeiter am Institut für Steuer­ recht sowie die Wahrnehmung eines Forschungsaufenthaltes in Mel­ bourne. Mein besonderer Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Marcel Krumm sowohl für die Erstellung des Zweitgutachtens als auch für seine wert­ volle Unterstützung. Weiterhin möchte ich mich ganz herzlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Steuerrecht bedan­ ken, die sehr dazu beigetragen haben, dass ich dort eine schöne Zeit er­ fahren durfte. Ferner möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Rick Krever für seine Einladung zu einem Forschungsaufenthalt an der Monash Univer­ sity in Melbourne bedanken. Dank ihm und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Department of Business Law and Taxation war der Aufenthalt nicht nur wissenschaftlich sehr ertragreich, sondern zudem eine wunderbare Erfahrung. Den Herren Professoren Dr. Dr. h. c. Wolf­ gang Schön und Dr. Rainer Hüttemann danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe. Dem Cusanuswerk danke ich für die finanzielle und ideelle Förderung, der Studienstiftung des deut­ schen Volkes für die ideelle Förderung durch ein Promotionsstipendium.

VII

Vorwort

Schließlich möchte ich mich ganz herzlich bei meiner Familie und mei­ nen Freunden für ihre Unterstützung bedanken. An erster Stelle gilt da­ bei mein Dank meiner Frau Anne Tangen. Sie hat mich selbst in Zeiten eigener hoher beruflicher Belastung in vielerlei Hinsicht entlastet und immer wieder ermutigt. Ein ganz besonderer Dank gilt weiterhin meinen Eltern Erich und Antonia Wiesch für ihre nahezu unerschöpfliche Hilfs­ bereitschaft sowie ihre große Unterstützung während des Studiums und der Promotion. Münster, im April 2016

VIII

Thomas Wiesch

Inhaltsübersicht Seite

Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Einführung I. Bedeutung und Umfang des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . 1 II. Aktualität des Untersuchungsgegenstandes und ­Forschungs­bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 III. Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 A.  Die Behandlung der öffentlichen Hand nach der ­Mehrwertsteuersystemrichtlinie I. Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts . . . 9 II. Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . 22 III. Sachliche Steuerbefreiungen für Umsätze der öffentlichen Hand 126 IV. Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 B.  Die Behandlung der öffentlichen Hand nach dem ­Umsatzsteuergesetz I. Einwirkungsmöglichkeiten des Richtlinienrechts auf die nationale Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand . . . . . . . . . 166 III. Sachliche Steuerbefreiungen für Umsätze der öffentlichen Hand 278 IV. Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 C.  Eine grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand I. Die Ausgangsseite der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 II. Die Eingangsseite der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 III. Das Harmonisierungsziel der Mehrwertsteuersystem­richtlinie 346 IX

Inhaltsübersicht

D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand I. Maßgebliche Zielvorgaben für die Reformmodelle und ihre wirtschaftlichen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 II. Der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer von Paul Kirchhof . 379 III. Das Refundsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 IV. Die Vollbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 V. Abschließende Betrachtung zu den Reformmodellen . . . . . . . . . 505 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543

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Inhaltsverzeichnis Seite

Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Einführung I. Bedeutung und Umfang des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . 1 II. Aktualität des Untersuchungsgegenstandes und ­Forschungs­bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 III. Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 A.  Die Behandlung der öffentlichen Hand nach der ­Mehrwertsteuersystemrichtlinie I. Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts . . . 9 1. Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie als unionsrechtliche ­Grundlage des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts . . . . . . 10 2. Indirekte Besteuerung von Vermögensverwendungen für den ­privaten Endverbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3. Das Neutralitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 II. Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . 22 1. Grundtatbestand der persönlichen Steuerpflicht (Art. 9 MwStSystRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 a) Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . 28 aa) Leistungserbringung gegen Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 (1) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 (a) Grundlagen in der Rechtsprechung des EuGH . . 30 (b) Die Leistung in der Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . 31 (c) Das Entgelt in der Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . 32 (2) Bedeutung und Auswirkung für die Behandlung der ­öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 (3) Leistungen der öffentlichen Hand gegen ein Teilentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 bb) Nachhaltige Ausübung einer Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . 37 (1) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 XI

Inhaltsverzeichnis

(a) Bestimmung der Nachhaltigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 ­Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL . . . . . 39 (b) Bestimmung der Nachhaltigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 ­Unterabs. 2 S. 2 MwStSystRL . . . . . 40 (2) Bedeutung und Auswirkungen für die Behandlung der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (3) Objektive Überschusserzielungsmöglichkeit als Voraussetzung einer nachhaltigen Tätigkeit der ­öffentlichen Hand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 cc) Mögliche weitere Voraussetzungen für eine wirtschaftliche ­Tätigkeit der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . 45 (1) Keine Marktregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (2) Kommerzielle Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (3) Keine wirtschaftliche Monopolstellung der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (4) Keine rechtliche Monopolstellung der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (5) Abschließende Betrachtungen zu den Urteilen Hutchison 3G und T-Mobile Austria . . . . . . . . . . . . . 54 b) Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuer­ pflicht (Art. 13 MwStSystRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Historische Entwicklung der Befreiungsregelung . . . . . . . . . 63 aa) Besondere Vorgaben für die öffentliche Hand in der 1. und 2. EWG-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Besondere Vorgaben für die öffentliche Hand in der 6. EG-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (1) Die Vorgaben in der 6. EG-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (2) Die Vorgaben in den Entwürfen für eine 6. EG-RL . . 68 (a) Ein erster Entwurf der Europäischen Kommission 68 (b) Ein zweiter, überarbeiteter Entwurf der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Die Voraussetzungen für eine Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . 75 aa) Einrichtung des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Ausübung einer im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 cc) Wahlrecht über die Behandlung als eine im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübte Tätigkeit . . . . . . . . . . . . 88 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) (Rück-) Ausnahmen von der Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Die persönliche Steuerpflicht bei Ausübung bestimmter Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 XII

Inhaltsverzeichnis

bb) Die persönliche Steuerpflicht als generelle Rechtsfolge bei ­Ausübung einer Tätigkeit in nicht mehr unbedeutendem Umfang? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Die persönliche Steuerpflicht bei größeren Wettbewerbsverzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (1) Relevantes Wettbewerbsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . 104 (a) Gegenwärtiges oder potentielles Wettbewerbsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (b) Wettbewerbsverhältnis bei vergleichbaren Ausgangsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (c) Maßgeblicher Markt zur Bestimmung eines Wettbewerbs­verhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (aa) Grundsatz: Maßgeblichkeit des nationalen Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (bb) Ausnahme: Tätigkeitsbereich als räumlich relevanter Markt bei einer rechtlichen Monopolstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (2) Verzerrungen des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (3) Verzerrungen des Wettbewerbs in größerem Umfang 121 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 III. Sachliche Steuerbefreiungen für Umsätze der öffentlichen Hand 126 IV. Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug (Art. 167 MwStSystRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Handeln als Steuerpflichtiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Grundsatz des Sofortabzugs und seine Folgewirkungen . . . 133 c) Bedeutung und Auswirkungen für die öffentliche Hand . . . 135 2. Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug (Art. 168 MwStSystRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Verwendung für Zwecke besteuerter Umsätze . . . . . . . . . . 137 b) Hinreichender Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 c) Bedeutung und Auswirkungen für die öffentliche Hand . . . 140 3. Vorsteuerberichtigung und Verbot der Einlagenentsteuerung . 143 4. Das Zuordnungswahlrecht und seine Folgen für den Vorsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Das Zuordnungswahlrecht der öffentlichen Hand . . . . . . . 147 b) Keine Möglichkeit zum vollen Vorsteuerabzug . . . . . . . . . . 149 c) Vorsteuerabzug bei Veränderung der anteiligen Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa) Maßgeblichkeit der Ausübung des Zuordnungswahlrechts bei Leistungsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 XIII

Inhaltsverzeichnis

bb) Folgen einer nachträglichen Erhöhung oder Minderung des ­wirtschaftlichen Verwendungsanteils . . . . . . . . . . . . 155 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 B.  Die Behandlung der öffentlichen Hand nach dem ­Umsatzsteuergesetz I. Einwirkungsmöglichkeiten des Richtlinienrechts auf die nationale Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Das Gebot einer richtlinienkonformen Auslegung . . . . . . . . . 162 2. Die Möglichkeit der unmittelbaren Anwendung des Richtlinienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand . . . . . . . . . 166 1. Grundtatbestand der Unternehmereigenschaft (§ 2 UStG) . . . 167 a) Die Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen im Rahmen eines ­umsatzsteuerlichen Leistungsaustausches . . . . . . 170 (1) Der Leistungsbegriff im Umsatzsteuerrecht . . . . . . . 171 (2) Der Entgeltsbegriff im Umsatzsteuerrecht . . . . . . . . 172 bb) Nachhaltige Ausübung einer Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Nichtrechtsfähige Untereinheiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 cc) Juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (1) Die juristische Person des öffentlichen Rechts als Organträgerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (a) Unternehmerstellung des Organträgers . . . . . . . . 184 (b) Die wirtschaftliche Eingliederung einer Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (2) Die juristische Person des öffentlichen Rechts als Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (a) Der generelle Ausschluss von juristischen Personen des öffentlichen Rechts von der Behandlung als Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . 190 (b) Die Unternehmereigenschaft der Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Befreiung der öffentlichen Hand von der Unternehmereigenschaft (§ 2b UStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 XIV

Inhaltsverzeichnis

a) Historische Entwicklung der Befreiungsregelung . . . . . . . . 199 aa) Entwicklungsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 bb) Abweichungen vom Unionsrecht durch § 2 Abs. 3 UStG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 cc) Gründe und Ziele für die Neuregelung in § 2b UStG . . . 205 b) Die Voraussetzungen für eine Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Juristische Person des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . 208 bb) Im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegende Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 cc) Bewertung der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) (Rück-) Ausnahmen von der Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 aa) Die Unternehmereigenschaft bei Ausübung bestimmter Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 bb) Die Unternehmereigenschaft bei größeren Wettbewerbsverzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (1) Abgrenzungskriterien nach den Rechtsprechungsgrundsätzen von EuGH und BFH . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (2) Keine Wettbewerbsverzerrung bei steuerfreien Ausgangsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (3) Mindestumsatzgrenze für größere Wettbewerbsverzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (a) Ermittlung des Umsatzes aus gleichartigen Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (b) Die Zulässigkeit einer Mindestumsatzgrenze von 17 500 f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (c) Keine Optionsmöglichkeit zur Regelbesteuerung 235 (4) Keine Vorsteuerkorrektur beim erstmaligen Vorliegen größerer Wettbewerbsverzerrungen . . . . . 235 (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 d) Ausschluss von größeren Wettbewerbsverzerrungen bei Leistungs­beziehungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Ausschluss im Fall der Monopolstellung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 239 bb) Ausschluss im Fall einer durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmten Zusammenarbeit . . . 240 (1) Ableitung aus dem Vergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (2) Regelbeispiel für eine durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmte Zusammenarbeit . 244 (a) Langfristige öffentlich-rechtliche Vereinbarung . 245 (b) Leistung zum Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und zur ­Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe . . . 247 (c) Leistungen ausschließlich gegen Kostenersatz . . 249 XV

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(d) Wesentliches Tätigwerden gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . 250 (3) Der Grundtatbestand einer durch gemeinsame spezifische ­öffentliche Interessen bestimmten Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (4) Abschließende Bewertung des Ausschlusstatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 e) Exkurs: Die Übergangsregelung zur Anwendung des § 2b UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 aa) Die weitere Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. . . . . . 260 bb) Die weitere Anwendung der bisherigen richtlinienwidrigen ­Verwaltungspraxis als unionsrechtlich verbotene Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (1) Staatliche Beihilfeleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (2) Das Unternehmen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (3) Begünstigung bestimmter Unternehmen . . . . . . . . . 270 (4) Maßnahme mit wettbewerbsverfälschender Wirkung und ­Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 III. Sachliche Steuerbefreiungen für Umsätze der öffentlichen Hand 278 IV. Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Der Grundtatbestand des Vorsteuerabzugs . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) Grundzüge und Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. Das Zuordnungswahlrecht und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . . 290 a) Das Zuordnungswahlrecht der öffentlichen Hand . . . . . . . . 290 b) Keine Möglichkeit zum vollen Vorsteuerabzug . . . . . . . . . . 294 c) Vorsteuerabzug bei Änderung der anteiligen Verwendung . 298 aa) Folgen einer Minderung des unternehmerisch genutzten Anteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 bb) Folgen einer Erhöhung des unternehmerisch genutzten Anteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 3. Die steuerliche Behandlung von öffentlichen Zuschüssen . . . 303 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

XVI

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C.  Eine grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand I. Die Ausgangsseite der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 1. Verletzung des Gebots einer gleichmäßigen Besteuerung . . . . 310 a) Gewährleistung einer gleichmäßigen Besteuerung durch die ­Wettbewerbsklausel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Gewährleistung einer gleichmäßigen Besteuerung durch das ­verdeckte Überwälzen der Steuer? . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 c) Rechtfertigung aus Gründen der Existenzsicherung und aus sozialen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 d) Rechtfertigung aus Gründen der Praktikabilität . . . . . . . . . 316 e) Der Grundsatz der Nichtbesteuerung des Staates . . . . . . . . 318 f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 2. Die Relevanz verfassungsrechtlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . 321 3. Die Behandlung von Ausgangsleistungen aus ökonomischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 II. Die Eingangsseite der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 1. Die endgültige Vorsteuerbelastung aus Verbrauchsteuersicht . 325 a) Beschränkung von Verbrauchsteuerprinzipien . . . . . . . . . . . 325 b) Rechtfertigung der Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 aa) Ausübung von steuerfreien Ausgangsleistungen . . . . . . 328 (1) Leistungen, die einer bestehenden Steuerbefreiungsvorschrift unterliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 (2) Leistungen, die existenziellen oder sozialen Zwecken dienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 bb) Ausübung einer unternehmerischen, aber nicht dem Anwendungsbereich des Art. 9 MwStSystRL unterliegenden Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2. Die endgültige Vorsteuerbelastung aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 a) Der Steuerbegriff in der Finanzverfassung . . . . . . . . . . . . . . 334 b) Steuerverteilung außerhalb des verfassungsrechtlichen ­Finanzausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 c) Kein Verstoß gegen das Finanzverfassungsrecht . . . . . . . . . . 338 3. Die endgültige Vorsteuerbelastung aus ökonomischer Sicht . . 340 a) Auswirkungen auf wirtschaftliche Entscheidungen . . . . . . 340 b) Begründung steueradministrativen Aufwands . . . . . . . . . . . 344 c) Auswirkungen auf das Steueraufkommen . . . . . . . . . . . . . . 345 d) Auswirkungen auf die Preise von öffentlichen Leistungen . 346 III. Das Harmonisierungsziel der Mehrwertsteuersystem­richtlinie 346 XVII

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand I. Maßgebliche Zielvorgaben für die Reformmodelle und ihre wirtschaftlichen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 1. Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt . . . . . . . . 354 a) Besteuerung von Ausgangsleistungen als Regelfall . . . . . . . 355 b) Ausnahmen von der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 aa) Steuerfreiheit für existenzielle Konsumaufwendungen . 356 bb) Steuerfreiheit für bestimmte Tätigkeitsbereiche zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen . . . . . . . . . . 359 cc) Begrenzung auf gegen Entgelt ausgeübte Leistungen . . . 362 (1) Steuerfinanzierte Tätigkeiten im Interesse der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 (2) Leistungen gegen Gebühren oder Beiträge . . . . . . . . . 366 (3) Innerstaatliche Finanzzuweisungen . . . . . . . . . . . . . . 367 (4) Staatliche Zuschüsse und Subventionen . . . . . . . . . . 368 2. Wettbewerbsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 3. Keine Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerträgerin . . 373 4. Effiziente Steuererhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 5. Wirtschaftliche Folgen der Zielvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 a) Folgen einer Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt und einer Gewährleistung von Wettbewerbsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 b) Folgen einer Beseitigung der Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerträgerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 II. Der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer von Paul Kirchhof . 379 1. Die Behandlung der öffentlichen Hand im Umsatzsteuergesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 a) Die öffentliche Hand als Unternehmerin . . . . . . . . . . . . . . . 380 b) Die öffentliche Hand als Nichtunternehmerin . . . . . . . . . . 382 c) Die öffentliche Hand als Verwaltungseinheit . . . . . . . . . . . . 383 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 2. Unionsrechtliche und nationalrechtliche Vorgaben . . . . . . . . 386 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 a) Übereinstimmungen mit den maßgeblichen Zielvorgaben . 387 b) Sonstige Vorteile des Reformvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . 390 c) Fortbestehende und neue Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 aa) Einschränkende Auslegung der unternehmerischen Tätigkeit der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 bb) Begriff der Verwaltungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 cc) Der Systemwechsel im Umsatzsteuergesetzbuch . . . . . 396 4. Abschließende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 XVIII

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III. Das Refundsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 1. Die Ausgestaltungen von Refundsystemen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union – Grundansatz und Abgrenzungsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 a) Ausgleich der Vorsteuerbelastung außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 b) Abgrenzungsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 aa) Kreis der Anspruchsberechtigten und ihre begünstigten Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 bb) Finanzierungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 cc) Erstattung ausländischer Vorsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . 404 c) Zusammenfassung eines Referenzrahmens . . . . . . . . . . . . . 405 2. Unionsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 a) Vereinbarkeit mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie . . . 406 b) Vereinbarkeit mit dem Beihilfeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 aa) Erstattungszahlung als Beihilfeleistung . . . . . . . . . . . . . 412 bb) Die Unternehmen der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . 414 cc) Begünstigung bestimmter Unternehmen . . . . . . . . . . . . 419 (1) Abweichung von der normalen Besteuerung . . . . . . . 422 (2) Vergleichbarkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 (3) Rechtfertigung der abweichenden Besteuerung . . . . 426 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 dd) Refundsysteme als staatliche oder aus staatlichen Mitteln ­finanzierte Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 ee) Maßnahme mit wettbewerbsverfälschender Wirkung und ­Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 c) Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 434 aa) Beschränkung der Erstattung auf inländische Vorsteuern 436 (1) Verletzung der Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . 437 (a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 (b) Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 (c) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 (2) Verletzung der Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . 443 bb) Beschränkung der Erstattung auf Einheiten der eigenen öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 (1) Keine generelle Verletzung der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 (2) Diskriminierung bei inländischen wirtschaftlichen Tätigkeiten ausländischer Einrichtungen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 XIX

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3. Finanzverfassungsrechtliche Vorgaben für ein nationales ­Refundsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 a) Getrennte Lastenverteilung für Bund und Länder . . . . . . . . 451 b) Haushaltstrennung zwischen Bund und Ländern . . . . . . . . . 453 c) Aufteilung des Umsatzsteueraufkommens . . . . . . . . . . . . . 454 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 a) Übereinstimmung mit den maßgeblichen Zielvorgaben . . . 456 b) Sonstige Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 c) Fortbestehende und neue Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 5. Vorschlag von Desens et al. für ein nationales Refundsystem 459 a) Vereinbarkeit mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie . . . 460 b) Vereinbarkeit mit dem Beihilfeverbot und den Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 c) Vereinbarkeit mit Finanzverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . 462 d) Vereinbarkeit mit den Zielvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 e) Abschließende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 6. Vorschlag der Europäischen Kommission für ein unionsrecht­ liches Refundsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 7. Abschließende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 IV. Die Vollbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 1. Grundvarianten und Vorschläge der Europäischen Kommission zur Umsetzung innerhalb der Mehrwertsteuersystemrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 a) Besteuerung aller Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 b) Besteuerung aller gegen Entgelt ausgeübten Tätigkeiten . . . 473 c) Kompromiss zwischen Vollbesteuerung und gegenwärtiger ­Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 2. Bewertung der Vorschläge der Europäischen Kommission . . . 474 a) Übereinstimmung mit den maßgeblichen Zielvorgaben . . . 475 aa) Besteuerung aller Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 bb) Besteuerung der gegen Entgelt ausgeübten Tätigkeiten . 477 cc) Kompromiss zwischen Vollbesteuerung und gegenwärtiger ­Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 b) Abschließende Würdigung der Varianten . . . . . . . . . . . . . . . 480 3. Empfehlungen für die Umsetzung des Reformmodells einer ­Vollbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 a) Die Vollbesteuerung in Neuseeland und Australien . . . . . . 483 aa) Neuseeland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 (1) Die Besteuerung der öffentlichen Hand im System der Goods and Services Tax New Zealand . . . . . . . . 483 (2) Auswertung und Zusammenfassung der Ergebnisse . 487 bb) Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 XX

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(1) Die Besteuerung der öffentlichen Hand im System der Goods and Services Tax Australia . . . . . . . . . . . . 489 (2) Auswertung und Zusammenfassung der Ergebnisse . 497 b) Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 aa) Tätigkeit der öffentlichen Hand als wirtschaftliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 bb) Beschränkung der Besteuerung auf gegen Entgelt ausgeübte ­Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 cc) Vorsteuerabzug unabhängig von besteuerten Ausgangsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 V. Abschließende Betrachtung zu den Reformmodellen . . . . . . . . . 505 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543

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Einführung Die vorliegende Arbeit untersucht die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand. Darunter fällt sowohl die Behandlung der öffentli­ chen Hand im Rahmen des nationalen Umsatzsteuerrechts als auch ihre Behandlung nach dem Richtlinienrecht zur Harmonisierung der Umsatz­ steuern innerhalb der Europäischen Union.1 Das Forschungsinteresse umfasst insbesondere zum einen die Frage, ob, inwieweit und unter wel­ chen Voraussetzungen die öffentliche Hand mit ihren Tätigkeiten als Subjekt der Umsatzsteuer behandelt wird und ihre Ausgangsleistungen der Umsatzsteuer unterliegen. Zum anderen wird der Frage nachgegan­ gen, ob, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen die öffentliche Hand bei dem Bezug von Eingangsleistungen als Trägerin der Umsatz­ steuer endgültig belastet wird. Der ausgewählte Forschungsgegenstand soll in diesem Zusammenhang sowohl in Bezug auf die gegenwärtige Rechtslage als auch davon ausgehend auf die Möglichkeiten für eine grundlegende Reform untersucht werden.

I. Bedeutung und Umfang des Untersuchungsgegenstandes Die Bedeutung und der Umfang der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand und ihrer Tätigkeiten als Untersuchungsgegenstand lassen sich insbesondere mit Blick auf die von diesem Sammelbegriff umfassten Einheiten verdeutlichen. So gehören zur öffentlichen Hand alle Einheiten, die dem öffentlichen Sektor zuzuordnen sind. Diese sind zuvorderst im föderalen Staatsaufbau als Gebietskörperschaften der Bund, die Länder und die Gemeinden. Aber auch Körperschaften und An­ stalten des öffentlichen Rechts fallen darunter. Folglich sind zum Bei­ spiel Sozialversicherungsträger, Universitäten, gemeindliche Sparkassen und Rundfunkanstalten ebenfalls der öffentlichen Hand zuzurechnen. Somit umfasst der Forschungsgegenstand nicht weniger als die umsatz­ steuerliche Behandlung aller Einheiten des öffentlichen Sektors mit ih­ ren gesamten Tätigkeiten. Die Untersuchung beschränkt sich allerdings grundsätzlich auf solche Einheiten, die eine öffentlich-rechtliche Rechts­ 1 Vgl. Art. 113 AEUV; RL 2006/112/EG v. 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwert­ steuersystem, ABl. L 347 v. 11.12.2006, S. 1. Die unionsrechtlichen Vorgaben finden sich somit in der sog. Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), so dass in die­ sem Kontext auch vom Mehrwertsteuerrecht anstelle vom Umsatzsteuerrecht die Rede ist. Dementsprechend werden in der folgenden Untersuchung im Zusammen­ hang mit den Richtlinienvorgaben vorrangig die Begriffe der Mehrwertsteuer und des Mehrwertsteuerrechts verwendet. Inhaltlich sind die Begriffe Umsatzsteuer und Mehrwertsteuer für die Zwecke dieser Untersuchung grundsätzlich synonym zu ver­ stehen.

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form besitzen. Auf die umsatzsteuerliche Behandlung von privatrechtli­ chen Einheiten, zum Beispiel von Eigengesellschaften in der Rechtsform einer GmbH, wird hingegen nur für Zwecke der Abgrenzung zur Behand­ lung öffentlich-rechtlicher Einheiten eingegangen. Die Behandlung der öffentlichen Hand nimmt innerhalb der Umsatzsteu­ er als eine allgemeine Steuer auf den privaten Endverbrauch2 eine beson­ dere Stellung ein. Denn bei der Umsatzsteuer handelt es sich um eine indirekte Steuer, so dass die Person des Steuerträgers und die Person des Steuerschuldners grundsätzlich auseinanderfallen. Der Steuerschuldner sammelt als Steuersubjekt die Umsatzsteuer ein, indem er idealtypisch die anfallende Steuerlast über den Preis auf den Empfänger einer besteu­ erten Leistung abwälzt. Wegen dieser Systematik sind für die öffentliche Hand insgesamt drei Rollen innerhalb der Umsatzsteuer möglich. So ist sie zunächst Gläubigerin3 der Umsatzsteuer, kann aber grundsätzlich auch als Schuldnerin oder als Trägerin der Umsatzsteuer behandelt wer­ den. Schuldnerin der Umsatzsteuer ist sie regelmäßig dann, wenn sie mit ihren Tätigkeiten als Steuersubjekt in den Anwendungsbereich der Um­ satzsteuer einbezogen wird und ihre Ausgangsleistungen der Besteuerung unterliegen. Trägerin der Umsatzsteuer ist die öffentliche Hand, wenn sie an einen anderen Steuerschuldner die Umsatzsteuer zu zahlen hat und dabei keine Ausgleichsmöglichkeit für die steuerliche Belastung erlangt. Im Rahmen der Untersuchung sind allen drei möglichen Rollen der öf­ fentlichen Hand in der Umsatzsteuer Rechnung zu tragen. Für die Bestimmung der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentli­ chen Hand sind zwei weitgehend eigenständige, aber miteinander ver­ knüpfte Regelungsebenen zu berücksichtigen. Denn die Umsatzsteuer ist eine innerhalb der Europäischen Union harmonisierte Steuer, deren nationale Umsetzung sich nach den inhaltlichen Vorgaben der Mehr­ wertsteuersystemrichtlinie zu richten hat.4 Dabei fallen die unionsrecht­ lichen Vorgaben allerdings so detailliert aus, dass es sich unter Berück­ sichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH um ein eigenständiges und abgeschlossenes Regelwerk handelt. Damit umfasst der Untersuchungsgegenstand die Behandlung der öffentlichen Hand so­ wohl nach den Regeln der Mehrwertsteuersystemrichtlinie als auch nach dem nationalen Umsatzsteuerrecht. In Ansehung der vom Begriff der öffentlichen Hand umfassten Einheiten und der Systematik der Umsatzsteuer ergibt sich weiterhin eine hohe 2 Vgl. hierzu unten unter A. I. 2. 3 Die Bestimmung des Steuergläubigers richtet sich nach der Ertragshoheit, vgl. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 6 Rz. 18; gem. Art. 106 III und Va GG sind damit Gläubiger der Umsatzsteuer der Bund, die Länder und die Gemeinden. 4 Vgl. unten unter A. I. 1.

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II.  Aktualität des Untersuchungsgegenstandes und ­Forschungsbedarf

wirtschaftliche Bedeutung des ausgewählten Forschungsgegenstandes.5 Denn zum einen erbringt die öffentliche Hand Leistungen gegenüber den Bürgern. Dies betrifft vor allem den Bereich der Daseinsvorsorge.6 Dane­ ben tritt die öffentliche Hand aber auch zunehmend als Teilnehmerin am allgemeinen wirtschaftlichen Marktgeschehen auf.7 Gleichzeitig werden demgegenüber Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge zunehmend von Personen des privaten Sektors erbracht.8 Somit stehen sich Aus­ gangsleistungen des öffentlichen und des privaten Sektors regelmäßig innerhalb einer wirtschaftlichen Konkurrenzsituation gegenüber. Vor dem Hintergrund, dass die Umsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer mit dem Preis auf den Leistungsempfänger abgewälzt wird,9 kommt für diese Konkurrenzsituation der Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt der Umsatzsteuer und eine entsprechende steuerliche Be­ lastung ihrer Ausgangsleistungen eine besondere Relevanz zu. Zum an­ deren spielt die öffentliche Hand als Nachfragerin von wirtschaftlichen Leistungen des privaten Sektors eine große Rolle.10 Denn mit dem Um­ fang ihrer Tätigkeiten ist auch ein entsprechender Bedarf an Fremdleis­ tungen verbunden, zum Beispiel für die Beschaffung von Arbeitsmitteln und für weitergehende Investitionen, wie der Bau von Straßen, Schulen und Krankenhäusern. In diesem Zusammenhang stellt die Umsatzsteuer auf den Preis zunächst eine Kostenposition dar, so dass die umsatzsteu­ erliche Behandlung der öffentlichen Hand als Trägerin der Umsatzsteuer bei dem Bezug von Fremdleistungen für ihre Entscheidung über die Inan­ spruchnahme und den Umfang von Fremdleistungen einen bedeutenden Faktor darstellen kann.

II. Aktualität des Untersuchungsgegenstandes und ­Forschungsbedarf Die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand wurde in der Vergangenheit immer wieder als Gegenstand wissenschaftlicher Unter­ suchungen ausgewählt. Dabei wandelte sich jedoch der Schwerpunkt des Forschungsinteresses. So stand zunächst die Frage im Vordergrund, wie 5 Vgl. Sterzinger, UR 2015, 655 (656). 6 Vgl. Musil, UR 2015, 533 f. 7 Vgl. Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO v. 2.11.2004, S. 9. 8 Vgl. Bundesrechnungshof, ebenda; Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 3. 9 Vgl. Art. 1 II MwStSystRL; unten unter A. I. 2. 10 Z. B. im Bereich der Bauwirtschaft im Jahr 2015 mit einem Investitionsvolumen von knapp 36 Mrd. f, Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrech­ nungen, Arbeitsunterlage Investitionen, 4. Vierteljahr 2015, S. 76; die Summe der staatlichen Bruttoanlageinvestitionen betrugen im Jahr 2015 über 65 Mrd. f, Statistisches Bundesamt, a. a. O., S. 58.

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die Behandlung der öffentlichen Hand in der Umsatzsteuer in Ansehung des Charakters einer allgemeinen Verbrauchsteuer in systematischer Sicht zu beurteilen ist.11 Sodann drängte, unterstützt bzw. vorangetrie­ ben durch die Rechtsprechung des EuGH, die Bedeutung der gemein­ schaftsrechtlichen Vorgaben für die Anwendung des nationalen Rechts in das Bewusstsein. In diesem Zusammenhang verlagerte sich bei der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand der Schwerpunkt des Interesses auf die Richtlinienkonformität des nationalen Rechts.12 In jüngerer Zeit wird sich demgegenüber verstärkt damit auseinanderge­ setzt, wie eine Reform der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behand­ lung der öffentlichen Hand aussehen könnte.13 Ungeachtet dieses Wan­ dels in den gesetzten Schwerpunkten sind sämtliche der genannten Forschungsinteressen weiterhin aktuell. So ist gerade in den letzten 10 Jahren eine Vielzahl an Urteilen des EuGH ergangen, welche entweder die Behandlung der öffentlichen Hand unmittelbar betreffen oder in die­ sem Zusammenhang von besonderer Bedeutung sind.14 Folglich gilt es, die jüngeren Urteile sowohl in den Kontext der bisherigen Rechtspre­ chung des EuGH einzuordnen und zu bewerten als auch die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Behandlung der öffentlichen Hand he­ rauszuarbeiten. Im Rahmen der Rechtsprechung rückte vor allem die Be­ deutung der allgemeinen Vorschriften über den persönlichen Anwen­ dungsbereich der Umsatzsteuer sowie über den Vorsteuerabzug für die Behandlung der öffentlichen Hand in den Fokus. Bisher wurde diesen beiden Bereichen im Vergleich zu den speziellen Vorschriften für die öf­ fentliche Hand in der Tendenz wenig Beachtung geschenkt. Es ist daher ein Anliegen dieser Arbeit, den Auswirkungen und der Bedeutung dieser

11 Vgl. insb. Söhn, StuW 1976, 1 (8 ff.); Theler, Die juristischen Personen des öffentli­ chen Rechts in der Umsatzsteuer, in: Schlutius, Gesellschaften und Gesellschafter im Steuerrecht, S. 291 ff.; Wagner, Umsatzsteuer und öffentliche Hand, DStJG 13 (1990), S. 59 ff.; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer. 12 Vgl. insb. Canz, Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand im Wandel; Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 225 ff.; Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 163 ff.; Küffner, Umsatzsteuerli­ che Behandlung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Lichte der 6. EG-Richtlinie. 13 Vgl. Schmitz/Erdbrügger/Liegmann, DStR 2011, 1157 ff.; Schmitz/Möser, UR 2014, 607 ff.; im Zusammenhang mit der umsatzsteuerlichen Behandlung von Public-Pri­ vate-Partnerships Desens/Lenk/Hummel/Rottmann, Gutachten zur Umsatzsteuer­ definitivbelastung von Körperschaften des öffentlichen Rechts; Liegmann, Um­ satzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 189 ff.; aus der internationalen Literatur grundlegend Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 ff.; darüber hinaus zuletzt Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 185 ff.; Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (167 ff.). 14 Vgl. Musil, UR 2015, 533 (534).

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II.  Aktualität des Untersuchungsgegenstandes und ­Forschungsbedarf

beiden allgemeinen Bereiche für die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand die gebotene Aufmerksamkeit zu widmen. Die Inhalte der aktuellen EuGH-Rechtsprechung sind des Weiteren für die nationale Rechtsanwendung von besonderer Bedeutung. Hervorzuhe­ ben ist dabei, dass der nationale Gesetzgeber zum 1. Januar 2016 mit der Einführung des § 2b UStG die besonderen nationalen Bestimmungen für die Behandlung der öffentlichen Hand grundlegend geändert hat.15 Dabei wurde insbesondere das Ziel verfolgt, den Richtlinienvorgaben unter Be­ rücksichtigung ihrer Auslegung durch den EuGH gerecht zu werden. Aufgrund dieser Neuregelung erlangt insbesondere die Frage nach einer unionsrechtskonformen Behandlung der öffentlichen Hand im Rahmen des nationalen Rechts eine ganz neue Aktualität. Die andauernde Aktualität des Untersuchungsgegenstandes ergibt sich weiterhin aus seiner wirtschaftlichen Dimension. Denn wegen der ge­ samtwirtschaftlichen Bedeutung ihrer Tätigkeiten geraten zunehmend die wirtschaftlichen Folgen und Implikationen der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand in den Fokus.16 Aus diesem Grund wird im Rahmen der Untersuchung sowohl im Zusammenhang mit dem geltenden Recht als auch bei der Behandlung von Reformmöglichkeiten auf wirtschaftliche Aspekte einzugehen sein. Abschließend sei für die andauernde Aktualität des Untersuchungsge­ genstandes auf die bestehenden Reformbestrebungen hingewiesen. So ist vor allem die Europäische Kommission bemüht, eine Reform der für die öffentliche Hand maßgeblichen Bestimmungen in der Mehrwertsteuer­ systemrichtlinie herbeizuführen. Zu diesem Zweck hat sie zuletzt kon­ krete Vorschläge für eine Änderung des Richtlinienrechts vorgelegt und hierzu einen Konsultationsprozess durchgeführt,17 dessen Ergebnisse Ende 2014 veröffentlicht wurden.18 Derweil mehren sich auch im natio­ nalen Kontext die Vorschläge für eine grundlegende Änderung der ge­ genwärtigen Behandlung der öffentlichen Hand im Umsatzsteuerrecht. Diese Ansätze einer Reformdiskussion sind im Rahmen der Arbeit auf­ zunehmen und fortzuführen. Hierfür gilt es vor allem Grenzen und Mög­ lichkeiten aufzuzeigen und relevante Reformmodelle sowie darauf beru­ hende konkrete Reformvorschläge auf der Grundlage einheitlicher Zielvorgaben auf ihre Eignung hin zu bewerten. Soweit erforderlich, sind

15 BGBl. I 2015, 1834 (1843 f.). 16 Vgl. hier nur Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013); dies./KPMG, Mehrwertsteuer im öffentlichen Sektor (2011). 17 Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013. 18 Europäische Kommission, Consultation on the Review of existing VAT legislation on public bodies and tax exemptions in the public interest (2014).

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darüber hinaus neue Ansätze und Empfehlungen für die Ausgestaltung eines konkreten Reformvorhabens zu erarbeiten.

III. Aufbau der Untersuchung Der inhaltliche Aufbau der vorliegenden Untersuchung lässt sich in drei Arbeitsschritte unterteilen, die jeweils aufeinander aufbauen. Zunächst wird die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand nach der gegenwärtigen Rechtslage eingehend behandelt. Das sich daraus ergeben­ de Gesamtbild wird sodann in einem zweiten Schritt selbst zum Gegen­ stand einer grundlegenden Beurteilung. Auf Grundlage der sich daraus ergebenden Erkenntnisse sollen in einem dritten und letzten Schritt die Möglichkeiten einer Reform untersucht werden. So gilt es folglich, sich zunächst der gegenwärtigen Rechtslage zuzuwen­ den. Damit stehen insoweit vor allem Fragen der Rechtsanwendung im Vordergrund, in deren Zusammenhang insbesondere die jüngere Recht­ sprechung und ihre Bedeutung für die öffentliche Hand zu erarbeiten sind. Ziel ist es dabei, ein umfassendes Bild der umsatzsteuerlichen Be­ handlung der öffentlichen Hand zu erstellen, welches als Bezugspunkt und Grundlage für die sich daran anschließende Untersuchung dienen soll. Mit Blick auf die beiden maßgeblichen Rechtsebenen soll dafür die Behandlung der öffentlichen Hand sowohl nach den Vorgaben der Mehr­ wertsteuersystemrichtlinie als auch nach nationalem Recht untersucht werden. Voranzustellen ist dabei das Richtlinienrecht, denn mit seiner Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellt die darauf beruhende steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand eine Vorgabe für die nationale Rechtsanwendung dar. Zudem setzen Re­ formüberlegungen ebenfalls an das Richtlinienrecht an, so dass auch vor diesem Hintergrund die Erarbeitung eines umfassenden Bildes über die Behandlung der öffentlichen Hand nach den Regeln des Richtlinienrechts erforderlich ist. Die Untersuchung der Behandlung der öffentlichen Hand im Recht der Mehrwertsteuersystemrichtlinie wendet sich allerdings zunächst ein­ führend den Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts zu. Diese sind unter anderem sowohl mit Blick auf die Auslegung des Richtlinienrechts und des nationalen Rechts, aber auch für die spätere grundlegende Betrachtung sowie der Erarbeitung von allgemeinen Ziel­ vorgaben für die Reformmodelle von zentraler Bedeutung. Im Anschluss daran ist für die weitere Untersuchung entsprechend der Systematik der Umsatzsteuer zwischen der Ausgangsseite und der Eingangsseite der öf­ fentlichen Hand zu unterscheiden.

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III.  Aufbau der Untersuchung

Im Rahmen der Untersuchung des nationalen Rechts ist zunächst zu klä­ ren, ob und inwieweit das Richtlinienrecht neben der unmittelbaren Bin­ dungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten Einfluss auf die nationale Rechtsanwendung nehmen kann. Die weitere Untersuchung folgt dann ebenfalls der Einteilung zwischen der möglichen Rolle der öffentlichen Hand als Steuersubjekt bzw. Steuerschuldnerin auf der Ausgangsseite und als Steuerträgerin wegen der Steuerbelastung auf der Eingangsseite. Ausgehend von der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand nach der gegenwärtigen Rechtslage soll in dem darauffolgenden Schritt diese selbst zum Gegenstand einer grundlegenden Betrachtung werden. Dabei gilt es unter anderem zu klären, wie die gegenwärtige ­Behandlung der öffentlichen Hand aus der Sicht des Verbrauchsteuer­ prinzips zu beurteilen ist. Aber auch relevante Vorgaben des Verfassungs­ rechts sowie ökonomische Erwägungen stellen insoweit geeignete Anknüpfungspunkte für eine grundlegende Bewertung dar. Die auf die­ sem Wege gewonnenen Erkenntnisse schaffen wiederum eine Grundlage für die weitere Untersuchung, ob und inwieweit es einer Reform der Be­ handlung der öffentlichen Hand bedarf und wie diese ausgestaltet wer­ den könnte bzw. sollte. Denn letztlich ist es gerade das Ziel einer Re­ form, die bestehenden Missstände der gegenwärtigen Rechtslage zu beseitigen. Somit erfüllt die grundlegende Betrachtung der Behandlung der öffentlichen Hand nach geltendem Recht die Funktion eines Binde­ gliedes. Auf der einen Seite stellt diese einen Abschluss der Unter­ suchung des gegenwärtigen Rechts dar, gleichzeitig wird dadurch eine Brücke hin zum folgenden Teil geschlagen, welcher sich abschließend den Reformmöglichkeiten für die umsatzsteuerliche Behandlung der öf­ fentlichen Hand widmet. Die Entscheidung darüber, wie eine Reform im Einzelnen auszusehen hat, ist eine vorrangig politische Frage und umfasst damit grundsätzlich eine gewisse Bandbreite an Möglichkeiten. Ziel dieser Untersuchung kann es damit nicht sein, ein einziges konkretes Reformvorhaben vollumfänglich und abschließend zu behandeln. Vielmehr gilt es, mögli­ che Alternativen zur gegenwärtigen Behandlung der öffentlichen Hand aufzuzeigen. Dafür sollen sowohl die Funktionsweisen relevanter Re­ formmodelle vermittelt als auch für ihre Umsetzung der Rahmen des aus rechtlicher Sicht Möglichen untersucht werden. Zudem sollen die Re­ formmodelle sowie einzelne darauf beruhende konkrete Reformvor­ schläge hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen bewertet und, soweit danach angezeigt, eigene Verbesserungsvorschläge und Empfehlungen hierzu erarbeitet werden. In Ansehung dieses Vorhabens gilt es in diesem letzten Teil zunächst, maßgebliche Zielvorgaben für eine umsatzsteuerliche Behandlung der 7

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öffentlichen Hand zu formulieren, auf deren Grundlage Reformmodelle und Reformvorschläge bewertet werden können. Die Zielvorgaben sind dabei sowohl aus den Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwert­ steuerrechts als auch unter Berücksichtigung der bestehenden Kritik­ punkte und Widersprüche des gegenwärtigen Rechts herzuleiten. Im An­ schluss daran widmet sich die Untersuchung zunächst der Behandlung der öffentlichen Hand, wie sie in dem von Paul Kirchhof vorgelegten Vorschlag für eine Reform der nationalen Umsatzsteuer vorgesehen ist. Sodann konzentriert sich die Untersuchung auf zwei Reformmodelle, das Refundsystem sowie die Vollbesteuerung. In beiden Fällen käme es ebenfalls bei ihrer Umsetzung zu grundlegenden Änderungen für die um­ satzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand. In diesem Zusam­ menhang sollen ausgewählte bereits bestehende konkrete Reformvor­ schläge, die als eine Umsetzung der Reformmodelle anzusehen sind, erörtert und ebenfalls einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Vorschläge hingegen, die eher eine Modifizierung des Status quo als eine Reform darstellen würden, bleiben außer Betracht. Die beiden Reform­ modelle sind bereits in verschiedenen Staaten umgesetzt worden. So ha­ ben zum Beispiel bisher acht Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein Refundsystem in jeweils unterschiedlicher Ausgestaltung eingeführt. Die sich daraus ergebenden Erkenntnisse in Bezug auf eine mögliche Ausgestaltung gilt es mit Blick auf die Voraussetzungen für die Einfüh­ rung eines nationalen oder auch eines unionsweiten Refundsystems im Rahmen der Untersuchung zu berücksichtigen. Das Reformmodell einer Vollbesteuerung wurde bisher insbesondere in Australien und in Neusee­ land umgesetzt. Für die Untersuchung der möglichen Einführung des Modells einer Vollbesteuerung innerhalb des harmonisierten Mehrwert­ steuerrechts der Europäischen Union sollen daher die Mehrwertsteuer­ systeme in Australien und in Neuseeland eingehend aus rechtsverglei­ chender Sicht behandelt werden.

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A. Die Behandlung der öffentlichen Hand nach der ­Mehrwertsteuersystemrichtlinie In diesem Teil der Untersuchung soll die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand erarbeitet werden, wie sie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach den Vorgaben des Unionsrechts zu erfolgen hat. Diese Vorgaben ergeben sich vor allem aus der Mehrwertsteuer­ systemrichtlinie, die zur Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts inner­ halb der Europäischen Union erlassen wurde. Folglich gilt es auf der ­einen Seite zu untersuchen, ob, inwieweit und unter welchen Vorausset­ zungen des Richtlinienrechts die öffentliche Hand als Steuersubjekt bzw. Steuerpflichtige in den Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts einzubeziehen ist und ihre Ausgangstätigkeiten einer steuerlichen Belas­ tung unterliegen. Auf der anderen Seite ist zu klären, ob und inwieweit die öffentliche Hand aus Sicht des Unionsrechts als Trägerin der Mehr­ wertsteuer zu behandeln ist. Hierfür sollen die insoweit maßgeblichen Vorschriften der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zum Vorsteuerabzug in ihrer Wirkung auf die öffentliche Hand eingehend erörtert werden. Zunächst gilt es jedoch, die den einzelnen Vorschriften des Richtlinien­ rechts vorgelagerten Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwert­ steuerrechts zu beleuchten. Denn diese stellen das für die Besteuerung maßgebliche Fundament dar, welches zum einen für die konkrete Ausle­ gung und Anwendung des Richtlinienrechts und des nationalen Rechts zu berücksichtigen ist. Zum anderen ist dieses Fundament sowohl selbst ein möglicher Prüfungs- bzw. Bewertungsmaßstab für die umsatzsteuer­ liche Behandlung der öffentlichen Hand als auch ein Bezugs- und Aus­ gangspunkt für mögliche Reformüberlegungen.

I. Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts Die rechtliche Grundlage des unionsweit harmonisierten Mehrwert­ steuerrechts ist zuvorderst die Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Aus die­ sem Grund gilt es zunächst, die Stellung einer Richtlinie innerhalb des Unionsrechts und ihre Wirkungen auf das Recht und die Rechtsanwen­ dung in den Mitgliedstaaten zu erörtern. Daran anschließend wird auf zwei Prinzipien näher eingegangen, die der harmonisierten Mehrwert­ steuer maßgeblich zugrunde liegen und damit auch für die Behandlung der öffentlichen Hand von entsprechender Relevanz sind. Dabei handelt es sich zum einen um die prinzipielle Ausgestaltung der Mehrwertsteuer als eine indirekte Besteuerung von Vermögensverwendungen für den pri­ vaten Endverbrauch und zum anderen um das insbesondere durch die Rechtsprechung des EuGH entwickelte und für die Rechtsanwendung bedeutsame Neutralitätsprinzip. 9

A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

1. Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie als unionsrechtliche Grundlage des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts Nach Art. 113 AEUV besteht für den Rat der Europäischen Union die Möglichkeit, Bestimmungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer zu erlassen. Von einer ver­ gleichbaren gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung wurde bereits im Jahr 1967 mit Erlass der 1. und 2. EWG-Richtlinie Gebrauch gemacht.19 Zuletzt löste die heutige Mehrwertsteuersystemrichtlinie zum 1. Janu­ ar 200720 die zuvor für rund 30 Jahre maßgebliche 6. EG-Richtlinie21 ab. Die detaillierten Vorgaben der 6. EG-Richtlinie wurden dabei ohne we­ sentliche inhaltliche Abweichungen übernommen.22 Damit stellt die Mehrwertsteuersystemrichtlinie die unionsrechtliche Grundlage des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts dar. Die Richtlinie kann nur durch eine einstimmige Entscheidung des Rates der Europäischen Union geändert werden, so dass jedem Mitgliedstaat im Ergebnis ein Vetorecht zusteht.23 Dies führt dazu, dass Änderungen und Reformvorhaben im harmonisierten Mehrwertsteuerrecht, vor allem wenn diese zu Einbu­ ßen beim nationalen Steueraufkommen führen könnten, sich nur schwer verwirklichen lassen.24 Bei der Mehrwertsteuersystemrichtlinie handelt es sich um einen Rechtsakt der Europäischen Union, der gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV hin­ sichtlich des damit verfolgten und zu erreichenden Ziels für die Mit­ gliedstaaten verbindlich ist. Allerdings gilt sie mit ihrem Inhalt nicht unmittelbar gegenüber den Bürgern der Mitgliedstaaten, anders als zum Beispiel eine Verordnung nach Art. 288 Abs. 2 AEUV.25 Sie bindet viel­ mehr nur die Mitgliedstaaten,26 so dass es für ihre Wirksamkeit einer Umsetzung in nationales Recht bedarf.27 Wegen der Bindungswirkung 19 RL 67/227/EWG v. 11.4.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mit­ gliedstaaten über die Umsatzsteuer, ABl. P 71 v. 14.4.1967, S. 1301; RL 67/228/ EWG v. 11.4.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, ABl. P 71 v. 14.4.1967, S. 1303. 20 Art. 417 MwStSystRL. 21 RL 77/338/EWG v. 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mit­ gliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: ein­ heitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABl. L 145 v. 13.6.1977, S. 1. 22 Vgl. den dritten Erwägungsgrund zur MwStSystRL; Kirchhof, DStR 2008, 1 (3 f.); Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. MwStSystRL Rz. 74 (Stand: Juli 2011); Robisch, in: Bunjes, UStG, Vor § 1 Rz. 6. 23 Vgl. Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 113 AEUV Rz. 6. 24 Vgl. Widmann, DStZ 2014, 147 (152); Kube, UR 2013, 489 (492 f.); Englisch, in: Tip­ ke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 6. 25 Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 20. 26 So explizit auch in Art. 414 MwStSystRL. 27 Vgl. hierzu nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 26 ff.

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I.  Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts

einer Richtlinie stellt diese einen Prüfmaßstab für das geltende nationale Recht dar. Verfehlt ein Mitgliedstaat eine unionsrechtskonforme Umset­ zung der Richtlinie, kann dieser Mangel unter bestimmten Umständen im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts28 oder aber durch eine unmittelbare Anwendung des Richtlinienrechts29 behoben werden.30 Im Zusammenhang mit der Bindungswirkung und der Anwendung bzw. Umsetzung des Richtlinienrechts erlangt die Recht­ sprechung des EuGH eine hervorgehobene Bedeutung. Denn maßgeblich ist das Richtlinienrecht mit dem Inhalt, der sich unter Berücksichtigung der Auslegung durch den EuGH im Rahmen seiner Rechtsprechung er­ gibt.31 Eine Richtlinie stellt einen Rechtsakt auf der Stufe des sekundären Uni­ onsrechts dar.32 Damit ist diese nachrangig gegenüber dem Unions­ primärrecht, welches das Recht der Verträge der Europäischen Union, die Unionsgrundrechte33 sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze34 um­ fasst.35 Folglich muss der Inhalt einer Richtlinie in Übereinstimmung mit dem vorrangigen Primärrecht stehen, so dass der Richtliniengeber daran gebunden ist.36 Verstößt demnach eine Regelung des Sekundär­ rechts gegen Vorgaben des Primärrechts und lässt sich dieser Wider­ spruch weder im Wege einer primärrechtskonformen Auslegung auflö­

28 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 (von Colson und Kamann), EU:C:1984:153, Rz. 26; Urt. v. 10.10.2013 – Rs. C-306/12 (Spedition Welter), EU:C:2013:650, Rz. 29; Roth/Jopen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rz. 3; Ruffert, a. a. O., Art. 288 AEUV Rz. 77 ff.; unten unter B. I. 1. 29 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 (Marshall I), EU:C:1986:84, Rz. 46; Urt. v. 30.4.1996 – Rs. C-194/94 (CIA Security International), EU:C:1996:172, Rz. 42; Urt. v. 11.7.2002 – Rs. C-62/00 (Marks & Spencer), EU:C:2002:435, Rz. 22; Ruffert, a. a. O., Art. 288 AEUV Rz. 47 ff.; unten unter B. I. 2. 30 Vgl. hier nur Ruffert, a. a. O., Art. 288 AEUV Rz. 46. 31 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.9.2015 – Rs. C-276/14 (Gmina Wrocław), EU:C:2015:635, Rz. 44; BVerfG, Beschl. v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (234); Hey, StuW 2010, 301 (303 ff.); Stadie, UStG, Vorbem. Rz. 67; zur Bedeutung der Recht­ sprechung des EuGH Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 35. 32 Vgl. hierzu nur Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 5; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 29 (Stand: Aug. 2012); Schroeder, a. a. O., Art. 288 AEUV Rz. 23. 33 Vgl. Art. 6 I EUV; Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 14 Rz. 7; Schroeder, a. a. O., Art. 288 AEUV Rz. 24. 34 Vgl. Art. 6 III EUV; Schroeder, a. a. O., Art. 288 AEUV Rz. 18. 35 Vgl. Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 3.4 f.; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 27 f. (Stand: Aug. 2012); Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 8. 36 Vgl. Art. 6 I und III EUV; hierzu nur Fischer, Die Rechtfertigung einer Umsatzbe­ steuerung und ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten, S. 271 f.; Ruffert, a. a. O., Art. 288 AEUV Rz. 8; zur Bindung an die Grundrechte-Charta vgl. auch explizit so in Art. 51 I 1 EU-GrCh.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

sen noch rechtfertigen, folgt daraus die Nichtigkeit der Regelung.37 Aber nicht nur die Organe der Europäischen Union sind dem Unionsprimär­ recht unterworfen, sondern auch die Mitgliedstaaten, soweit diese im Anwendungsbereich des Unionsrechts tätig werden,38 zum Beispiel bei der Umsetzung von Richtlinienrecht.39 So haben diese das Richtlinien­ recht selbst primärrechtskonform auszulegen40 sowie das Unionsprimär­ recht bei der Ausübung eines durch das Richtlinienrecht eingeräumten Ermessens- bzw. Gestaltungsspielraums41 ebenfalls zu beachten.42 Bei der harmonisierten Mehrwertsteuer handelt es sich um eine indirek­ te Steuer, bei der auf der einen Seite wirtschaftliche Akteure als Steuer­ einsammler in den Anwendungsbereich einbezogen werden, und auf der anderen Seite die Belastung privater Endverbraucher als intendierte Steu­ erträger vorgesehen ist.43 Vor diesem Hintergrund sind als unionsprimär­ rechtliche Vorgaben für die Mehrwertsteuersystemrichtlinie vor allem das Grundrecht des Unternehmers auf Wettbewerbsfreiheit44 auf der ei­ nen Seite und der allgemeine Gleichheitssatz im Sinne einer Belastungs­ gleichheit45 zwischen den privaten Endverbrauchern auf der anderen Sei­ te von hervorgehobener Bedeutung. Die Wettbewerbsfreiheit lässt sich

37 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.6.2010 – Rs. C-188/10 (Melki und Abdeli), EU:C:2010:363, Rz. 55; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 226 (Stand: Aug. 2012); ausführlich zum Fall des nichtigen Richtlinienrechts Englisch, Gemeinschaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/ Beck, Zukunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (45 ff.). 38 Vgl. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 12.8 ff. m. w. N.; Nettesheim, a. a. O., Art. 288 AEUV Rz. 28 (Stand: Aug. 2012). 39 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 3; für eine darüber hinausgehen­ de Bindung der Mitgliedstaaten, sobald eine nationale Regelung in den Anwen­ dungsbereich des Unionsrechts fällt EuGH, Urt. v. 26.2.2013 – Rs. C-617/10 (Åker­ berg Fransson), EU:C:2013:105, Rz. 43 ff.; hierzu Kingreen, EuR 2013, 446 ff.; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 12.9. 40 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.5.2001 – Rs. C-322/99 (Fischer), EU:C:2001:280, Rz. 75 ff.; Kofler, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 13.4; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 28 (Stand: Aug. 2012). 41 Vgl.  Englisch, Gemeinschaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (48); Dobratz, UR 2014, 425 (427 f.). 42 Vgl. hierzu insgesamt Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 36; ders., Ge­ meinschaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunfts­ fragen des Steuerrechts, S. 39 (45 ff.). 43 Vgl. Kirchhof, DStR 2008, 1 (2 f.); unten unter A. I. 2. 44 Vgl. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 12.27. 45 Vgl. zur Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Zusammenhang mit der Besteuerung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Dobratz, UR 2014, 425 (427 f.); Krumm, ZfZ 2014, 281 (285 ff.); Tipke, Europäisches Steuerverfassungs­ recht, in: FS Vogel, S. 561 (567 ff.); speziell zum Leistungsfähigkeitsprinzip ders., Die Steuerrechtsordnung, Band I, S. 488 ff.

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I.  Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts

grundsätzlich aus dem Grundrecht auf Berufsfreiheit ableiten,46 findet aber nunmehr auch in dem Grundrecht der unternehmerischen Betä­ tigungsfreiheit gem. Art. 16 EU-GrCh eine weitere unionsrechtliche Grundlage.47 Der allgemeine Gleichheitssatz wurde zunächst als allge­ meiner Rechtsgrundsatz durch die Rechtsprechung des EuGH ent­ wickelt48 und entfaltet nunmehr ebenfalls über Art. 20 EU-GrCh seine Wirkung.49 Diesem kommt insbesondere die Funktion eines Rechts auf Gleichbehandlung zu.50 2. Indirekte Besteuerung von Vermögensverwendungen für den ­privaten Endverbrauch Bei der harmonisierten Mehrwertsteuer in der Ausgestaltung nach den Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie handelt es sich um eine allgemeine Verbrauchsteuer51 und dient der Verteilung der steuerlichen Last auf die Bürger.52 Um eine im Sinne des allgemeinen Gleichbehand­ lungsgrundsatzes53 gerechte Verteilung im Wege einer gleichmäßigen Be­

46 Vgl.  Englisch, Gemeinschaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (70); Ruffert, in: Ehlers, Europä­ ische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 19 Rz. 12. 47 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.1.2013 – Rs. C-283/11 (Sky Österreich), EU:C:2013:28, Rz. 41 f.; Jarass, EU-GrCh, Art. 16 Rz. 9. 48 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.10.1977 – Rs. 117/76 (Ruckdeschel), EU:C:1977:160, Rz. 7; Urt. v. 25.11.1986 – Rs. 201 u. 202/85 (Klensch), EU:C:1986:439, Rz. 9; Urt. v. 13.4.2000 – Rs. C-292/97 (Karlsson), EU:C:2000:202, Rz. 39; Urt. v. 12.12.2002 – Rs. C-442/00 (Caballero), EU:C:2002:752, Rz. 32; Urt. v. 7.9.2006 – Rs. C-81/05 (Cordero Alonso), EU:C:2006:529, Rz. 37; Englisch, Gemeinschaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (57); Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 14 Rz. 42. 49 Vgl. Kingreen, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 21 Rz. 4. 50 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.10.1994 – Rs. C-133/93 (Crispoltoni u. a.), EU:C:1994:364, Rz. 50 f.; Urt. v. 11.7.2006 – Rs. C-313/04 (Franz Egenberger), EU:C:2006:454, Rz. 33; Urt. v. 16.12.2008 – Rs. C-127/07 (Arcelor Atlantique und Lorraine u. a.), EU:C:2008:728, Rz. 23; Urt. v. 11.7.2009 – Rs. C-33/08 (Agrana Zucker), EU:C:2009:367, Rz. 46; Jarass, EU-GrCh, Art. 20 Rz. 2. 51 Vgl. Art. 1 II MwStSystRL; EuGH, Urt. v. 29.2.1996 – Rs. C-215/94 (Mohr), EU:C:1996:72, Rz. 19; Urt. v. 24.10.1996 – Rs. C-317/94 (Elida Gibbs), EU:C:1996:400, Rz. 19; Urt. v. 3.10.2006 – Rs. C-475/03 (Banca popolare di Cremo­ na), EU:C:2006:629, Rz. 31 f.; Urt. v. 3.5.2012 – Rs. C-520/10 (Lebara), EU:C:2012:264, Rz. 23; Urt. v. 23.4.2015 – Rs. C-111/14 (GST-Sarviz Germania), EU:C:2015:267, Rz. 40; anstatt vieler Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 10; Henkow, EC Tax Review 2008, 233; Kirchhof, DStR 2008, 1 (2 f.); Langer, in: Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, Art. 1–4 MwStSystRL Rz. 19 (Stand: Juli 2011). 52 Vgl. anstatt vieler Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (22) m. w. N.; Filtzinger, Umsatzsteuerreform, in: FS Kirchhof, S. 2031 (2034). 53 Vgl. oben unter A. I. 1.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

steuerung54 zu gewährleisten, hat sich die Ausgestaltung der Mehr­ wertsteuer am Maßstab der Leistungsfähigkeit55 zu orientieren.56 Dies erfordert grundsätzlich, dass innerhalb der einzelnen Regelungen des Mehrwertsteuerrechts die Maßgabe einer Besteuerung nach der individu­ ellen Leistungsfähigkeit folgerichtig57 umgesetzt wird. Abweichungen hiervon erfordern einer Rechtfertigung durch berechtigte Gründe und müssen verhältnismäßig ausfallen.58 Anknüpfungspunkt für die Bemes­ sung der Leistungsfähigkeit ist bei der Mehrwertsteuer der Verbrauch, welcher damit den Belastungsgrund darstellt.59 Der Begriff des Ver­ brauchs umfasst jedoch nicht den tatsächlichen Verbrauch, zum Beispiel von Gütern und Dienstleistungen, sondern die hierfür vorgenommenen Vermögensverwendungen, welche eine bestehende Leistungsfähigkeit

54 Vgl. zur Ableitung des Gebots einer gleichmäßigen Besteuerung aus dem allgemei­ nen, jeweils verfassungsrechtlich fundierten Gleichheitsgrundsatz in den Mitglied­ staaten, was vor diesem Hintergrund als eine gemeinsame Verfassungstradition der Mitgliedstaaten interpretiert werden kann, Englisch, Gemeinschaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (57); Tipke, Europäisches Steuerverfassungsrecht, in: FS Vogel, S. 561 (567 ff.); siehe in diesem Zusammenhang auch Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Options­ recht für Vermietungsumsätze, S. 242; Reiß, DStJG 13 (1990), S. 3 (20); zum Gebot der Allgemeinheit der Umsatzsteuer auch schon Hensel, Steuerrecht, S. 219 f. 55 Vgl. zu dem Begriff allgemein hier nur Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, S. 479 ff.; im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer ders., Die Steuerrechtsord­ nung, Band II, S. 979 ff.; zum Leistungsfähigkeitsprinzip als Inhalt und Maßstab des Unionsprimärrecht Englisch, Ability to Pay, in: Brokelind, Principles of law, S. 439 (447 ff.). 56 Fischer, Die Rechtfertigung einer Umsatzbesteuerung und ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten, S. 85 ff.; Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 252 ff.; Englisch, Gemeinschaftsgrundrechte im harmoni­ sierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (62); Kirchhof, DStR 2008, 1; Reiß, Steuergerechtigkeit und Umsatzbesteuerung im Eu­ ropäischen Binnenmarkt, in: FS Lang, S. 861 (866); Schaumburg, Das Leistungs­ fähigkeitsprinzip im Verkehr- und Verbrauchsteuerrecht, in: FS Reiß, S. 25 (31 f.); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, S. 981; explizit zum Übergang dieser „Ver­ antwortung“ auf den Unionsgesetzgeber Kube, UR 2013, 489 (490); skeptisch zur Eignung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Maßstab im Bereich der indirekten Steuern hingegen Lang, StuW 2013, 53 (58 f.). 57 Vgl. zu diesem Begriff z. B. Englisch, Folgerichtiges Steuerrecht als Verfassungsge­ bot, in: FS Lang, S. 167 ff.; Tipke, Das Folgerichtigkeitsgebot im Verbrauch- und Verkehrssteuerrecht, in: FS Reiß, S. 9 ff. 58 Vgl. Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (25); ders., Gemeinschaftsgrundrechte im har­ monisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (63 f.); Filtzinger, Umsatzsteuerreform, in: FS Kirchhof, S. 2031 (2035); Kirchhof, in: HStR V³, § 118 Rz. 178 ff.; Tipke, StuW 2007, 201 ff. 59 Vgl. Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, S. 134; Löhr, Das umsatz­ steuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 128; Kirchhof, DStR 2008, 1 (2); Reiß, DStJG 13 (1990), S. 3 (25 f.); Tehler, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 1 Rz. 70.1 (Stand: Jan. 2015).

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I.  Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts

indizieren.60 Allerdings ist ein solcher Rückschluss grundsätzlich nur in­ soweit zulässig, als dass es sich dabei um privat veranlasste Aufwendun­ gen handelt.61 Denn Vermögensverwendungen, die zum Beispiel einer wirtschaftlichen Tätigkeit dienen, stellen demgegenüber im Sinne einer Steuer auf den privaten Endverbrauch keine Verwendungen von dispo­ niblem Vermögen dar.62 Aus dem Belastungsgrund der harmonisierten Mehrwertsteuer ergibt sich, dass der private Endverbraucher intendierter Träger der Steuer ist.63 Steuerschuldner sind allerdings nach dem Richtlinienrecht diejenigen, die selbständig eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und damit gerade keine privaten Zwecke verfolgen.64 Dies führt dazu, dass die Person des Steuerträgers, auf dessen endgültige Belastung die Steuer abzielt, und die Person des Steuerschuldners, welche die entstehende Steuer an den Staat abzuführen hat, auseinanderfallen.65 Folglich ist die harmonisierte Mehr­ wertsteuer als eine indirekte Steuer konzipiert.66 Die Steuerschuldner fungieren im Ergebnis nur als Steuereinsammler und übernehmen damit eine Aufgabe, die grundsätzlich dem Staat als 60 Vgl. Fossati, Die sozialstaatliche und freiheitsschonende Dimension des Leistungs­ fähigkeitsgrundsatzes im Umsatzsteuerrecht, S. 148 f.; Löhr, Das umsatzsteuer­ rechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 128 f., 252 f.; Birk, Die ­Um­satzsteuer aus juristischer Sicht, in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 61 (66); Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (31); ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 11; Kirchhof, DStR 2008, 1 f.; Stadie, UStG, Vorbem. Rz. 17; Tehler, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 1 Rz. 70.1 (Stand: Jan. 2015). 61 Vgl.  Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 258 f.; Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (31); Reiß, DStJG 32 (2009), S. 12 f. 62 Englisch, ebenda. 63 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – Rs. C-317/94 (Elida Gibbs), EU:C:1996:400, Rz. 19; Urt. v. 15.10.2002 – Rs. C-427/98 (Kommission/Deutschland), EU:C:2002:581, Rz. 29; Urt. v. 3.10.2006 – Rs. C-475/03 (Banca popolare di Cremona), EU:C:2006:629, Rz. 31 f.; Urt. v. 11.10.2007 – Rs. C-283/06 (KÖGÁZ u. a.), EU:C:2007:598, Rz. 50 f.; Urt. v. 3.5.2012 – Rs. C-520/10 (Lebara), EU:C:2012:264, Rz. 25; Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1; ders., Gemeinschaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (71); Kirchhof, DStR 2008, 1 (3); Reiß, DStJG 32 (2009), S. 9 (11). 64 Vgl. Art. 9 I und Art. 193 MwStSystRL. 65 Vgl. Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (25); Kirchhof, DStR 2008, 1 (3); Söhn, JuS 1976, 161 (162). 66 Vgl. Art. 9 I und 193 MwStSystRL, gem. denen nicht der private Verbrauch, sondern die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Steuerpflicht und damit auch zur Steuerschuldnerschaft führt; EuGH, Urt. v. 3.10.2006 – Rs. C-475/03 (Banca po­ polare di Cremona), EU:C:2006:629, Rz. 22 und 28; Urt. v. 27.9.2007 – Rs. C-409/04 (Teleos), EU:C:2007:548, Rz. 60; Urt. v. 21.2.2008 – Rs. C-271/06 (Netto Super­ markt), EU:C:2008:105, Rz. 21; Englisch, a. a. O., S. 1.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Steuergläubiger zusteht.67 Um eine belastende Wirkung der Steuerschuld zu vermeiden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die für ihre Aus­ gangsleistungen anfallende Steuerlast über den Preis auf den Empfänger abzuwälzen.68 Allerdings erfasst die harmonisierte Mehrwertsteuer alle Produktions- und Vertriebsstufen, so dass die Steuer nicht nur auf der letzten Stufe anfällt, wenn es auch zu einem privaten Endverbrauch kommt, sondern ebenfalls dann, wenn zum Beispiel ein bezogener Ge­ genstand als Arbeitsmittel den eigenen wirtschaftlichen Zwecken dient.69 Diese Konzeption einer Allphasen-Mehrwertsteuer70 führt dazu, dass nicht nur der private Endverbrauch, sondern auch Steuerpflichtige bzw. Steuerschuldner mit ihren nichtprivaten Vermögensverwendungen einer indirekten Besteuerung unterliegen. Um zu verhindern, dass es in­ folge der Allphasen-Besteuerung zu einem Widerspruch zum Besteue­ rungsgrund der Mehrwertsteuer kommt, können insoweit Steuerpflichti­ ge grundsätzlich die ihnen in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs gegenüber dem Staat als Steuergläubiger gel­ tend machen.71 Gemessen am Maßstab der Leistungsfähigkeit führt die Konzeption der harmonisierten Mehrwertsteuer als eine indirekte Steuer zu einer Ein­

67 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.10.1993 – Rs. C-10/92 (Balocchi), EU:C:1993:846, Rz. 25; Urt. v. 24.10.1996 – Rs. C-317/94 (Elida Gibbs), EU:C:1996:400, Rz. 22; Urt. v. 21.2.2008 – Rs. C-271/06 (Netto Supermarkt), EU:C:2008:105, Rz. 21; Englisch, a. a. O., S. 1 (20); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. Rz. 21 (Stand: Jan. 2015). 68 Vgl. EuGH, Urt. v. 1.4.1982 – Rs. 89/81 (Hong Kong-Trade), EU:C:1982:121, Rz. 9; Urt. v. 8.6.1999 – Rs. C-338/97 (Pelzl. u. a.), EU:C:1999:285, Rz. 24; Urt. v. 3.10.2006 – Rs. C-475/03 (Banca popolare di Cremona), EU:C:2006:629, Rz. 28, 31, 34, 37; Englisch, a. a. O., S. 1; ders., Gemeinschaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (71); Kirchhof, DStR 2008, 1 (3); Stadie, UStG, Vorbem. Rz. 16; zu dieser Möglichkeit als Voraussetzung einer Umsatzsteuer schon Popitz, UStG, Einl. S. 8. 69 Vgl. Art. 1 II MwStSystRL; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 15. 70 Vgl. Englisch, ebenda. 71 Vgl. Art. 167, 168 MwStSystRL; EuGH, Urt. v. 21.3.2000 – Rs. C-110/98 (Gabalfrisa u. a.), EU:C:2000:145, Rz. 44; Urt. v. 3.10.2006 – Rs. C-475/03 (Banca popolare di Cremona), EU:C:2006:629, Rz. 28; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-174/08 (NCC ­Construction Danmark), EU:C:2009:669, Rz. 27; Urt. v. 11.12.2014 – Rs. C-590/13 (Idexx Laboratories Italia), EU:C:2014:2429, Rz. 32; vgl. hier nur Henkow, EC Tax Review 2008, 233 (234); Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 6; Reiß, in: Reiß/Kraeu­ sel/Langer, UStG, Einf. Rz. 21 ff. (Stand: Jan. 2015); wegen dieser Entlastungsfunkti­ on sieht der EuGH den Vorsteuerabzug als „integralen Bestandteil des Mecha­ nismus der Mehrwertsteuer“, vgl. Urt. v. 14.2.1985 – Rs. 268/83 (Rompelman), EU:C:1985:74, Rz. 19; Urt. v. 28.7.2011 – Rs. C-274/10 (Kommission/Ungarn), EU:C:2011:530, Rz. 43; Urt. v. 6.12.2012 – Rs. C-285/11 (Bonik), EU:C:2012:774, Rz. 26; Urt. v. 13.2.2014 – Rs. C-18/13 (Maks Pen), EU:C:2014:69, Rz. 24; Urt. v. 26.3.2015 – Rs. C-499/13 (Macikowski), EU:C:2015:201, Rz. 55; Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 23; Stadie, UStG, Vorbem. Rz. 9 ff.

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I.  Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts

schränkung des Ziels einer gleichmäßigen Besteuerung.72 So werden nicht alle Vermögensverwendungen für den privaten Verbrauch erfasst, sondern nur diejenigen, die von einem Steuerschuldner im Rahmen sei­ ner wirtschaftlichen Tätigkeit veranlasst werden.73 Allerdings ist zu be­ rücksichtigen, dass eine vollständige Erfassung von privaten Vermögens­ verwendungen nur im Rahmen einer direkten Verbrauchsbesteuerung gewährleistet werden könnte. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch we­ gen des damit einhergehenden Verwaltungsaufwandes sowohl auf Seiten des privaten Endverbrauchers als auch auf Seiten der Finanzbehörden nicht praktikabel.74 Hinzu kommt, dass der private Konsumbedarf heute überwiegend durch die Inanspruchnahme von Leistungen, die auf einem allgemeinen Markt angeboten werden, gedeckt wird. Diese Leistungen beruhen wiederum auf der Ausübung einer selbständigen wirtschaftli­ chen Tätigkeit, so dass der Leistungserbringer als Steuerpflichtiger grundsätzlich die Mehrwertsteuer schuldet.75 Damit unterliegen private Konsumaufwendungen umfassend einer steuerlichen Belastung.76 Vor diesem Hintergrund lässt sich die Konzeption der harmonisierten Mehr­ wertsteuer als eine indirekte Steuer mit ihrer dadurch begründeten Ein­ schränkung des Gebots der gleichmäßigen Besteuerung und der dafür erforderlichen Ausrichtung am Maßstab der Leistungsfähigkeit auf der einen Seite rechtfertigen.77 Auf der anderen Seite gebietet eine folgerich­ tige Umsetzung bzw. Ausgestaltung des Belastungsgrundes, den persön­ lichen, aber auch den sachlichen Anwendungsbereich der Mehrwertsteu­ er soweit wie möglich zu fassen, um dem Gebot einer gleichmäßigen Besteuerung von Vermögensverwendungen für den privaten Endver­ brauch gerecht zu werden.78 Wie gezeigt, liegt die gleichmäßige, also am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierte Besteuerung des privaten Endverbrauchs im allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz begründet. Damit handelt es sich folglich 72 Vgl.  Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 279; in diese Richtung auch Söhn, JuS 1976, 161 (162). 73 Vgl. Löhr, ebenda; Hummel, UR 2015, 213 (217). 74 Vgl.  Englisch, Gemeinschaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (71); ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 12; Kirchhof, DStR 2008, 1 (3). 75 Art. 9 I und Art. 193 MwStSystRL. 76 Vgl. Reiß, DStJG 13 (1990), S. 3 (23); Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Options­ recht für Vermietungsumsätze, S. 280 f. 77 Vgl. Löhr, a. a. O., S. 280. 78 Vgl. zum weiten Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 7 ff.; Urt. v. 4.12.1990 – Rs. C-186/89 (Van Tiem), EU:C:1990:429, Rz. 17; Urt. v. 29.4.2004 – Rs. C-77/01 (EDM), EU:C:2004:243, Rz. 47; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/ Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 37; Urt. v. 29.9.2015 – Rs. C-276/14 (Gmina Wrocław), EU:C:2015:635, Rz. 26.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

um eine Vorgabe, die im Unionsprimärrecht verankert ist.79 Wegen der Normenhierarchie innerhalb des Unionsrechts stellt die folgerichtige Ausgestaltung des Belastungsgrunds der Mehrwertsteuer einen Prüf­ maßstab für die einzelnen Regelungen der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie dar. Dementsprechend hätte ein entsprechender Verstoß des Richtlinienrechts, der sich weder durch eine primärrechtskonforme Aus­ legung beheben noch durch anzuerkennende Gründe rechtfertigen lässt, grundsätzlich die Nichtigkeit der Regelung des Richtlinienrechts zur Folge.80 3. Das Neutralitätsprinzip Für die Auslegung des Richtlinienrechts ist nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere das sogenannte Neutralitätsprinzip von grundlegen­ der Bedeutung.81 Dieses lässt sich inhaltlich in zwei zentrale Aussagen unterteilen.82 Zum einen umfasst es das Gebot der steuerlich neutralen Behandlung von Steuerpflichtigen, die, anders als private Endverbrau­ cher, grundsätzlich nicht mit der Steuer belastet werden sollen.83 Aus diesem Grund hat nach dem Neutralitätsprinzip der Steuerpflichtige grundsätzlich einen Anspruch zum vollständigen Vorsteuerabzug.84 Zum anderen fordert der EuGH eine wettbewerbsneutrale Behandlung von gleichartigen und damit im Wettbewerb stehenden85 Ausgangsumsät­ zen.86 Die Frage der Gleichartigkeit ist mit Blick auf die Verwendungs­ 79 Vgl. oben unter A. I. 1.; Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (5); an einer Ausgestal­ tung durch die grundrechtliche Rechtsprechung des EuGH fehlt es allerdings noch, vgl. Engler, Steuerverfassungsrecht im Mehrebenensystem, S. 273 f. 80 Vgl. hierzu oben unter A. I. 1.; siehe auch Englisch, a. a. O., S. 1 (6). 81 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 23; Lohse, UR 2004, 582; Nieuwen­huis, UR 2013, 663 ff.; Klenk, in: Sölch/Ringleb, Vor § 1 Rz. 10 (Stand: ­April  2014); Stadie, UStG, Vorbem. Rz. 78. 82 Vgl. Englisch, ebenda; Henze, Grundsatz der steuerlichen Neutralität im gemein­ samen Mehrwertsteuersystem, in: Englisch/Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-­ Bericht 2010, S. 7 (24); Lohse, UR 2004, 582 ff; Reiß, DStJG 32 (2009), S. 9 (14). 83 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.2.2007 – Rs. C-435/05 (Investrand), EU:C:2007:87, Rz. 22 m. w. N.; Urt. v. 10.7.2008 – Rs. C-25/07 (Sosnowska), EU:C:2008:395, Rz. 14; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-174/08 (NCC Construction Danmark), EU:C:2009:669, Rz. 27; Englisch, ebenda; Reiß, DStJG 32 (2009), S. 9 (15). 84 Vgl. EuGH, Urt. v. 1.4.2004 – Rs. C-90/02 (Bockemühl), EU:C:2004:206, Rz. 38; Urt. v. 13.3.2008 – Rs. C-437/06 (Securenta), EU:C:2008:166, Rz. 25; Urt. v. 13.3.2014 – Rs. C-204/13 (Malburg), EU:C:2014:147, Rz. 41; Urt. v. 23.4.2015 – Rs. C-111/14 (GST-Sarviz Germania), EU:C:2015:267, Rz. 32. 85 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719, Rz. 33; Nieuwenhuis, UR 2013, 663 (665). 86 EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 66; Urt. v. 7.9.1999 – Rs. C-216/97 (Gregg), EU:C:1999:390, Rz. 20; Urt. v. 11.10.2001 – Rs. C-267/99 (Adam), EU:C:2001:534, Rz. 36; Urt. v. 10.4.2008 – Rs. C-309/06 (Marks & Spencer), EU:C:2008:211, Rz. 47; Urt. v. 16.10.2008 –

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I.  Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts

möglichkeiten der Leistung in Bezug auf die Befriedigung von Bedürfnis­ sen eines Verbrauchers zu beantworten.87 Da sich die Mehrwertsteuer grundsätzlich auf den endgültigen Preis auswirkt, bedarf es beim Vorlie­ gen eines Wettbewerbsverhältnisses einer gleichen steuerlichen Behand­ lung von Ausgangsumsätzen, um die Verursachung von Wettbewerbsver­ zerrungen zu vermeiden.88 In seiner Rechtsprechung hat der EuGH die wettbewerbliche Ausprägung des Neutralitätsprinzips weiter konkreti­ siert und spricht mit Bezug auf mögliche Anknüpfungspunkte für eine Ungleichbehandlung unter anderem von dem Gebot einer Rechtsform-89 oder auch einer Organisationsneutralität90.91 Der EuGH sieht das Neutralitätsprinzip als Ausdruck des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes für den Bereich der Mehrwertsteuer an.92 Dies wäre der Fall, wenn die Vorgaben des Neutralitätsprinzips eine gleichmäßige Besteuerung gewährleisten.93 Dafür spricht zunächst, dass der vom Neutralitätsprinzip erfasste Anspruch des Steuerpflichtigen auf einen vollständigen Vorsteuerabzug sicherstellt, dass keine dem privaten Endverbrauch vorgelagerte anfallende Steuer als Kostenbestandteil in den Preis und damit in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt. Rs. C-253/07 (Canterbury Hockey Club), EU:C:2008:571, Rz. 30; Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719, Rz. 32; Urt. v. 11.9.2014 – Rs. C-219/13 (K), EU:C:2014:2207, Rz. 24; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steu­ errecht, Rz. 12.21; ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 23; Reiß, ­DStJG 32 (2009), S. (9) 14 f. 87 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719, Rz. 34. 88 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 35; Reiß, DStJG 32 (2009), S. 9 (14 f.). 89 Vgl. EuGH, Urt. v. 7.9.1999 – Rs. C-216/97 (Gregg), EU:C:1999:390, Rz. 20; Urt. v. 17.2.2005 – Rs. C-453/02 (Linneweber und Akritidis), EU:C:2005:92, Rz. 25; Urt. v. 8.6.2006 – Rs. C-106/05 (L.u.P.), EU:C:2006:380, Rz. 50; Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 23; Reiß, a. a. O., S. 9 (14). 90 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.5.2006 – Rs. C-169/04 (Abbey National), EU:C:2006:289, Rz. 68; Urt. v. 21.6.2007 – Rs. C-453/05 (Ludwig), EU:C:2007:369, Rz. 35; Urt. v. 3.4.2008 – Rs. C-124/07 (Beheer), EU:C:2008:196, Rz. 28; Urt. v. 7.3.2013 – Rs. C-275/11 (GfBk), EU:C:2013:141, Rz. 31; Urt. v. 13.3.2014 – Rs. C-464/12 (ATP PensionService), EU:C:2014:139, Rz. 64; Stadie, UStG, Vorbem. Rz. 78. 91 Vgl. hierzu insgesamt Nieuwenhuis, UR 2013, 663 (667 f.). 92 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.5.2005 – Rs. C-498/03 (Kingscrest Associates), EU:C:2005:322, Rz. 54 f.; Urt. v. 8.6.2006 – Rs. C-106/05 (L.u.P.), EU:C:2006:380, Rz. 48; Urt. v. 10.7.2008 – Rs. C-484/06 (Koninklijke Ahold), EU:C:2008:394, Rz. 36; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-174/08 (NCC Construction Danmark), EU:C:2009:669, Rz. 41; Urt. v. 10.6.2010 – Rs. C-262/08 (CopyGene), EU:C:2010:328, Rz. 64; Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719, Rz. 61; Urt. v. 19.12.2012 – Rs. C-549/11 (Orfey Balgaria), EU:C:2012:832, Rz. 33; Urt. v. 31.1.2013 – Rs. C-643/11 (LVK – 56), EU:C:2013:55, Rz. 55; Englisch, Gemein­ schaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunftsfra­ gen des Steuerrechts, S. 39 (58 f.). 93 Vgl. zu dieser Frage ausführlich Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (18 ff.).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Denn es würde dem Neutralitätsprinzip wie auch dem Gebot der gleich­ mäßigen Besteuerung widersprechen, wenn nicht allein die Vermögens­ verwendungen des privaten Endverbrauchers für die Höhe der anfallen­ den Steuer maßgeblich sind.94 Auch die Wahrung einer Gleichbehandlung von vergleichbaren Umsätzen sichert nicht nur eine Wettbewerbsneutra­ lität zwischen den Anbietern, sondern sorgt auch für eine vergleichbare Belastung des Endverbrauchs und damit für eine gleichmäßige Besteue­ rung.95 Insoweit lässt sich festhalten, dass die beiden zentralen Aussagen des Neutralitätsgrundsatzes in Übereinstimmung mit den Anforderun­ gen an eine am Gleichbehandlungsgrundsatz ausgerichteten gleichmäßi­ gen Besteuerung stehen.96 Allerdings ist fraglich, ob damit das Neutralitätsprinzip den primärrecht­ lichen Gleichbehandlungsgrundsatz für den Bereich des Mehrwertsteuer­ rechts ersetzen kann.97 Denn obwohl der EuGH das Neutralitätsprinzip als Ausdruck des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes ansieht, leitet dieser dessen konkreten Inhalt erkennbar aus dem Ziel der Wahrung einer Wettbewerbsneutralität zwischen den Unternehmen innerhalb des Binnenmarktes ab.98 Damit richtet er folglich seinen Fokus auf die Steuer­ schuldner, nicht aber auf den privaten Endverbraucher als intendierten Träger der Steuer.99 Dabei hätte sich eine folgerichtige und verhältnismä­ ßige Ausgestaltung des Mehrwertsteuerrechts an dem ausgewählten Be­ lastungsgrund, hier die Vermögensverwendungen für den privaten End­ konsum, sowie an dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu orientieren.100 Dementsprechend ist das Kriterium der (Wettbewerbs-) Neutralität schon in seiner inhaltlichen Ausrichtung nicht geeignet, den Gleichbehand­ lungsgrundsatz für den Bereich des Mehrwertsteuerrechts zu ersetzen.101 94 Vgl. Englisch, a. a. O., S. 1 (20). 95 Vgl. Englisch, ebenda. 96 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 25; Stadie, UStG, Vorbem. Rz. 78. 97 Vgl. zu dieser Frage Englisch, Gemeinschaftsgrundrechte im harmonisierten Steu­ errecht, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (59 f.); ders., in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 12.22. 98 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.4.2006 – Rs. C-443/04 (Solleveld), EU:C:2006:257, Rz. 39; Urt. v. 8.6.2006 – Rs. C-106/05 (L.u.P.), EU:C:2006:380, Rz. 50; Urt. v. 10.7.2008 – Rs. C-484/06 (Koninklijke Ahold), EU:C:2008:394, Rz. 36; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-174/08 (NCC Construction Danmark), EU:C:2009:669, Rz. 44; Englisch, Gemeinschaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zu­ kunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (57); ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 25. 99 Vgl. Englisch, VAT/GST and Direct Taxes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (20 f.). 100 Vgl. hier nur Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 25. 101 Dies erkennt der EuGH auch selbst, vgl. Urt. v. 10.4.2008 – Rs. C-309/06 (Marks & Spencer), EU:C:2008:211, Rz. 49; Urt. v. 25.4.2013 – Rs. C-480/10 (Kommission/ Schweden), EU:C:2013:263, Rz. 18.

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I.  Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts

Folglich konkretisiert es mit seinem Inhalt nur einen Teil des Gewähr­ leistungsgehalts des Gleichbehandlungsgrundsatzes.102 Soweit es sich bei dem Neutralitätsprinzip um eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes handelt, besitzt dieses eine primärrechtliche Qualität.103 Folglich ist das Neutralitätsprinzip nicht nur zur Auslegung des Richtlinienrechts, sondern auch zu dessen Prü­ fung auf die Vereinbarkeit mit dem Unionsprimärrecht heranzuziehen.104 Zu diesem Ergebnis müsste auch der EuGH, welcher, wie gezeigt, das Neutralitätsprinzip als Ausdruck des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Mehrwertsteuerrecht bezeichnet, kommen.105 Aus Sicht des EuGH steht der Neutralitätsgrundsatz jedoch nicht auf der Stufe des Primärrechts,106 sondern stellt (nur) einen Auslegungsgrundsatz dar.107 Des Weiteren be­ dürfe dieser der Umsetzung durch den unionsrechtlichen Gesetzgeber, um seine Wirkung zu entfalten. Zudem sei diese Wirkung von vornher­ ein auf den Umfang der erfolgten Umsetzung beschränkt.108 Auf dieser Grundlage kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass das Neutralitätsprin­ zip durch eine Regelung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie beschränkt („klargestellt“)109 werden kann, ohne dass dies einer Rechtfertigung be­ dürfe.110 Diese Vorgehensweise führt dazu, dass nach dem EuGH das Neutralitätsprinzip nicht den Unionsgesetzgeber bindet, sondern dass dieser über den Inhalt des Prinzips verfügen kann.111 Dabei übersieht der EuGH, dass der Unionsgesetzgeber wegen des primärrechtlichen Gleich­ behandlungsgrundsatzes dazu verpflichtet ist, ausgehend von der Be­ steuerung des privaten Endverbrauchs als maßgeblichen Belastungsgrund unter Orientierung an dem Leistungsfähigkeitsprinzip eine gleichmäßige 102 Vgl. Dobratz, UR 2014, 425 (427 f.); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 25; zu den Grenzen des Neutralitätsprinzips anschaulich mit Beispielen ders., VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (21 f.). 103 Vgl. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 12.23; Dobratz, UR 2014, 425 (427 f.); a. A. Engler, Steuerverfassungsrecht im Mehrebe­ nensystem, S. 267 f. 104 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 24; oben unter A. I. 2. 105 Vgl. kritisch zur Rechtsprechung des EuGH Englisch, Development of the EU VAT System, in: Lang, Recent Developments in Value Added Tax, S. 21 (28). 106 Vgl. Hüttemann/Schauhoff, MwStR 2013, 426 (429). 107 EuGH, Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-44/11 (Deutsche Bank), EU:C:2012:484, Rz. 45; Urt. v. 15.11.2012 – Rs. C-174/11 (Zimmermann), EU:C:2012:716, Rz. 50; Urt. v. 13.3.2014 – Rs. C-204/13 (Malburg), EU:C:2014:147, Rz. 43. 108 EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-174/08 (NCC Construction Danmark), EU:C:2009:669, Rz. 42. 109 EuGH, a. a. O., Rz. 43. 110 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 24; ausführlich ders., VAT and General Principles of EU Law, in: Weber, Traditional and Alternative Routes to European Tax Integration, S. 231 (239 ff.). 111 Vgl. Hüttemann/Schauhoff, MwStR 2013, 426 (429).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Besteuerung zu gewährleisten und das Richtlinienrecht dementspre­ chend folgerichtig und verhältnismäßig auszugestalten. Steht vor diesem Hintergrund eine Regelung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht im Einklang mit dem Inhalt des Neutralitätsprinzips, welcher den Gleichbehandlungsgrundsatz konkretisiert, und lässt sich diese Ein­ schränkung auch nicht rechtfertigen, so ist die entsprechende Regelung unvereinbar mit dem vorrangigen Unionsprimärrecht und folglich nich­ tig.112

II. Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand Die harmonisierte Mehrwertsteuer ist eine indirekte Steuer, so dass die Person des Steuerschuldners und die Person des Steuerträgers in der Re­ gel auseinanderfallen und Ersterer nur die Funktion des Steuereinsamm­ lers für den Staat ausübt, dem die Rolle des Steuergläubigers zufällt.113 Schuldner der Mehrwertsteuer ist nach Art. 193 MwStSystRL grundsätz­ lich der Steuerpflichtige.114 Die Bestimmungen darüber, wer unter wel­ chen Voraussetzungen als Steuerpflichtiger dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer in persönlicher Hinsicht unterliegt, finden sich in den Art. 9 bis 13 MwStSystRL. Die Frage nach der Behandlung der öffentli­ chen Hand als Steuerschuldnerin und Subjekt der Mehrwertsteuer rich­ tet sich folglich danach, ob und inwieweit diese die Voraussetzungen der Vorschriften über die persönliche Steuerpflicht erfüllt. Die Bestimmungen des Richtlinienrechts zur persönlichen Steuerpflicht ergeben insgesamt einen komplexen systematischen Aufbau. So findet sich in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL als Grundtatbestand, dass jeder, der selbständig eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, als Steuer­ pflichtiger dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegt. Zum Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit finden sich in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL und zum Merkmal der Selbständigkeit in Art. 10 MwStSystRL weitere Definitionen und Vorgaben. Während sich aus dem Wortlaut der Art. 9 und 10 MwStSystRL kein unmittelbarer Be­ zug auf die Rechtsform eines Steuerpflichtigen ergibt, bestimmt Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL, dass Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige gelten, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Umsät­ ze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. 112 Vgl. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Rz. 12.23; a. A. hingegen: Engler, Steuer­ verfassungsrecht im Mehrebenensystem, S. 267 f.; Henze, Grundsatz der steuerli­ chen Neutralität im gemeinsamen Mehrwertsteuersystem, in: Englisch/Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 7 (19 f.). 113 Vgl. zur Mehrwertsteuer als indirekte Verbrauchsteuer oben unter A. I. 2. 114 Vgl. z.  B. EuGH, Urt. v. 23.4.2015 – Rs. C-111/14 (GST-Sarviz Germania), EU:C:2015:267, Rz. 21 f.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Diese Regel unterliegt jedoch wiederum zwei Einschränkungen. Danach kommt eine Ausnahme von der Behandlung als Steuerpflichtige nicht in Betracht, wenn dieses entweder zu größeren Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL führen würde oder eine der in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 i. V. m. Anlage I MwStSystRL auf­ geführten Tätigkeiten ausgeübt wird. Für die Frage nach der persönlichen Steuerpflicht der öffentlichen Hand ergibt sich aus der Systematik dieser Bestimmungen ein Regel (Art. 9 MwStSystRL) – Ausnahme (Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL) – Rückausnah­ me (Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 MwStSystRL) – Schema.115 Um überhaupt als Steuerpflichtige dem Anwendungsbereich der Mehrwert­ steuer zu unterliegen, muss die öffentliche Hand folglich eine wirtschaft­ liche Tätigkeit selbständig ausüben.116 Erfüllt ein Handeln der öffent­ lichen Hand diese Voraussetzung nicht, scheidet eine persönliche Steuerpflicht von vornherein aus.117 Auf die weiteren Voraussetzungen kommt es nicht mehr an. Übt die öffentliche Hand jedoch eine wirt­ schaftliche Tätigkeit selbständig aus, kann es für sie als Einrichtung des öffentlichen Rechts zu einer Ausnahme von der Steuerpflicht kommen. In diesen Fällen wird die öffentliche Hand mit ihren Tätigkeiten, welche die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift erfüllen, insoweit als nichtsteuerpflichtig behandelt und damit im Ergebnis von der persönli­ chen Steuerpflicht befreit.118 Kommt es dazu, ist in einem dritten und finalen Schritt zu prüfen, ob nicht die Voraussetzungen einer der beiden Rückausnahmen vorliegen. In diesem Fall bliebe dann die originäre Steu­ erpflicht nach dem Grundtatbestand bestehen und die öffentliche Hand wäre mit ihrer selbständigen, wirtschaftlichen Tätigkeit als Steuerpflich­ tige zu behandeln.119 Im Ergebnis wird die öffentliche Hand letztlich in drei Fallgestaltungen als Steuerpflichtige und damit als Subjekt der Mehrwertsteuer behandelt. Zum einen, wenn sie eine wirtschaftliche 115 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 23; Seer/Klemke, BB 2010, 2015 (2018). 116 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 33; Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 14; Urt. v. 6.10.2009 – Rs. C-267/08 (SPÖ Landesorganisation Kärnten), EU:C:2009:619, Rz. 14; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 39; Urt. v. 29.9.2015 – Rs. C-276/14 (Gmina Wrocław), EU:C:2015:635, Rz. 30; Kraeusel, UR 2010, 480 (482); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 134.1 (Stand: März 2013). 117 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 42; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 49; Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 15; Achatz, IStR 2008, 541; Swinkels, IVM 2009, 369 (371). 118 Zum Verständnis dieser Regelung als Befreiungsvorschrift bereits EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 18. 119 Vgl. Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 184.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Tätigkeit selbständig ausübt, ohne gleichzeitig dabei im Rahmen der öf­ fentlichen Gewalt zu handeln. Zum anderen, wenn sie zwar eine wirt­ schaftliche Tätigkeit selbständig im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausübt, für diese Tätigkeit jedoch explizit die Behandlung als Nichtsteu­ erpflichtige ausgeschlossen ist oder die Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Die Eigenschaft eines Steuerpflichtigen hat nicht nur Bedeutung für die Frage, ob es im Zusammenhang mit der Ausübung einer Tätigkeit zur Begründung einer Steuerschuld kommen kann, sondern auch für die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug.120 Denn nur der Steuerpflichtige ist von der Belastung von der Mehrwertsteuer freizustellen und erlangt aus diesem Grund einen Anspruch auf einen Abzug der gezahlten Vorsteuer von der eigenen Steuerschuld.121 Damit zieht die Steuerpflichtigeneigen­ schaft mit ihren Voraussetzungen eine Trennlinie zum Steuerträger. Bei­ de stehen folglich nach der Systematik des Gesetzes in einem strengen Ausschlussverhältnis zueinander. Deswegen erlangen die folgenden Aus­ führungen zur persönlichen Steuerpflicht nicht nur Bedeutung für eine mögliche Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt und Steu­ erschuldnerin, sondern auch für ihre Behandlung als Trägerin der Mehr­ wertsteuerlast. Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand nach den Vor­ gaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie stellt im weiteren Verlauf der Untersuchung zwar noch einen eigenständigen Untersuchungspunkt dar,122 allerdings unterstreicht dessen Abhängigkeit von der Steuerpflich­ tigeneigenschaft noch einmal die zentrale Bedeutung der persönlichen Steuerpflicht innerhalb des Mehrwertsteuerrechts. Die weitere Untersuchung, ob, inwieweit und unter welchen Vorausset­ zungen die öffentliche Hand der persönlichen Steuerpflicht und damit dem Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts unterliegt, wird sich an der Systematik des Gesetzes orientieren. So gilt es in einem ers­ ten Schritt zu klären, unter welchen Voraussetzungen Tätigkeiten der öffentlichen Hand als wirtschaftlich und selbständig in mehrwertsteuer­ rechtlichem Sinne ausgeübt zu beurteilen sind. In einem zweiten Schritt wird sodann zu prüfen sein, inwieweit und unter welchen Bedingungen die öffentliche Hand trotz selbständiger Ausübung einer wirtschaftli­ chen Tätigkeit von der Behandlung als Steuerpflichtige befreit wird.

120 Vgl. Art. 167, 168 MwStSystRL; ausführlich zum Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand nach der MwStSystRL unten unter A. IV. 121 Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-174/08 (NCC Construction Danmark), EU:C:2009:669, Rz. 27; zur entsprechenden Ausprägung des Neutralitätsgebots oben unter A. I. 3. 122 Vgl. unten unter A. IV.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

1. Grundtatbestand der persönlichen Steuerpflicht (Art. 9 MwStSystRL) Die Definition des Steuerpflichtigen in Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL lautet wie folgt: Als „Steuerpflichtiger“ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt. Neben den beiden Tatbestandsmerkmalen der wirtschaftlichen Tätigkeit und der Selbständigkeit enthält Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL nach seinem Wortlaut keine weiteren Voraussetzungen für die Steuerpflicht.123 Aller­ dings werden Anhaltspunkte benannt, die bei der Beurteilung, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, gerade nicht zu berücksichtigen sind. Indem danach aus dem Zweck, der mit einer Tätigkeit verfolgt wird, dem Grunde nach keine Rückschlüsse für oder gegen deren wirtschaftlichen Charakter gezogen werden dürfen, sind subjektive Kriterien wie Motive oder Ziele, die mit einer Tätigkeit verbunden sind, unbeachtlich.124 Aber auch der Umstand, dass weder der Ort noch das Ergebnis einer Tätigkeit eine Relevanz für die Beurteilung entfalten dürfen, unterstreicht, dass es allein auf die äußeren Umstände der Ausübung ankommt und verleiht der Vorschrift einen objektiven Charakter.125 Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL bestimmt folglich den Steuerpflichtigen allein anhand der ausgeübten Tätigkeit und stellt darüber hinaus in persönli­ cher Hinsicht keine besonderen Anforderungen. Insbesondere wird nicht eine bestimmte Rechtsform erwartet, so dass dieser für den Grundtatbe­ stand der persönlichen Steuerpflicht keine Bedeutung zukommt.126 Der Anwendungsbereich des europäischen Mehrwertsteuerrechts ist dem­ nach zunächst rechtsformneutral ausgestaltet,127 so dass jedes Gebilde Besteuerungssubjekt und Schuldner der Mehrwertsteuer sein kann, das in der Lage ist, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift zurechenbar auszuüben.128 Vor diesem Hintergrund entfaltet die Rechts­ form der öffentlichen Hand für die Frage ihrer persönlichen Steuerpflicht nach Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL keine Bedeutung. 123 Vgl. Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 50. 124 EuGH, Urt. v. 12.1.2006 – Rs. C-354/03 (Optigen u. a.), EU:C:2006:16, Rz. 45; ­Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 14 (Stand: Aug. 2013). 125 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 8; Urt. v. 21.2.2006 – Rs. C-223/03 (University of Huddersfield), EU:C:2006:124, Rz. 47; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-263/11 (Rēdlihs), EU:C:2012:497, Rz. 28; Langer, ebenda. 126 Vgl. Seer/Wendt, DStR 2001, 825 (830); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 69 f. (Stand: März 2013). 127 Vgl. Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 70 (Stand: März 2013). 128 Stadie in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 82 (Stand: Juli 2014); Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 69 (Stand: März 2013).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Besteuerungsgegenstand der Mehrwertsteuer sind die privaten Vermö­ gensverwendungen.129 Allerdings ist nicht der private Endverbraucher, sondern der leistende Unternehmer als Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL Steuersubjekt und auch Schuldner130 der Mehrwertsteuer. Durch die damit verbundene indirekte Erhebung der Steuer kommt es zu einer Beeinträchtigung der am Besteuerungsgegen­ stand orientierten und gebotenen gleichmäßigen Besteuerung.131 Denn die Mehrwertsteuer erfasst nicht alle Vermögensverwendungen für pri­ vate Zwecke, sondern nur solche, die durch eine Leistung von einem Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL initiiert wer­ den.132 Um diese der Praktikabilität der Steuererhebung133 geschuldeten Beeinträchtigung des Gebots einer gleichmäßigen Besteuerung von pri­ vaten Vermögensverwendungen so gering wie möglich zu halten, ist im Gegenzug der Begriff des Steuerpflichtigen in Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL insgesamt weit auszulegen.134 Die weite Auslegung des Steuerpflichti­ genbegriffs kommt damit sowohl dem Ziel eines weiten Anwendungsbe­ reichs der Mehrwertsteuer135 als auch ihrer allgemeinen136 bzw. gleich­ mäßigen Erhebung zugute. In Ansehung des objektiven Charakters des Art. 9 MwStSystRL, der nur auf die ausgeübte Tätigkeit abstellt, unterliegt die öffentliche Hand mit ihren Tätigkeiten grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen, die für private steuerrechtsfähige Gebilde gelten, dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Gleichwohl verdient der Grundtatbestand der per­ sönlichen Steuerpflicht besondere Aufmerksamkeit. Zum einen stellt diese Regelung einen bedeutsamen ersten Prüfungsschritt und Filter für die Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt und für die steu­ erliche Belastung der von ihr ausgeübten Tätigkeiten dar.137 Zum ande­ ren unterscheiden sich die Tätigkeiten der öffentlichen Hand in vielerlei Hinsicht vom typischen Auftreten privater Wirtschaftsakteure, so dass 129 Vgl. zum Besteuerungsgegenstand oben unter A. I. 2. 130 Art. 193 MwStSystRL. 131 Vgl. zum Gebot der gleichmäßigen Besteuerung oben unter A. I. 2. 132 Vgl. Art. 2 I lit. a und c MwStSystRL; zur Mehrwertsteuer als indirekte allgemeine Verbrauchsteuer oben unter A. I. 2. 133 Vgl. hierzu Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 33 f.; oben unter A. I. 2. 134 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 8 f.; Urt. v. 4.12.1990 – Rs. C-186/89 (Van Tiem), EU:C:1990:429, Rz. 17 f.; Urt. v. 26.6.2003 – Rs. C-305/01 (MGK-Kraftfahrzeuge-Factoring), EU:C:2003:377, Rz. 42; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 34 f.; Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:733, Rz. 31; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwSt­ SystRL Rz. 5 (Stand: Aug. 2013); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 55 ff. (Stand: Juli 2014). 135 Vgl. so bereits in Nr. 2 Abs. 2 des Anhang A der 2. EWG-RL. 136 Vgl. den fünften Erwägungsgrund der MwStSystRL. 137 Vgl. Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (342).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

es gerade in diesem Bereich zu Abgrenzungsfragen kommen kann, die sich allein oder zumindest vor allem bei der steuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand stellen. Deutlich werden beide Aspekte in Anbetracht der Rechtsprechung des EuGH. So führt die Frage, ob die öffentliche Hand den Grundtatbestand der Steuerpflicht erfüllt, immer wieder zu Verfahren vor dem EuGH und damit zu einer Konkretisierung der uni­ onsrechtlichen Vorgaben für ihre mehrwertsteuerrechtliche Behand­ lung.138 Zudem hat der EuGH insbesondere in den letzten Jahren die steu­ erliche Erfassung von Tätigkeiten der öffentlichen Hand bzw. ihre Behandlung als Steuerpflichtige nach Art. 9 MwStSystRL abgelehnt.139 In diesem Zusammenhang gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass ein expli­ ziter Schutz der privaten Wirtschaftsteilnehmer vor den Auswirkungen einer Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtsteuerpflichtige zwar in den für diese geltenden Sonderregeln zur Einschränkung der Steuer­ pflicht besteht,140 nicht jedoch bei den Anforderungen des Grundtatbe­ standes für die Entstehung der persönlichen Steuerpflicht. Dabei führt sowohl ein Ausschluss auf Ebene des Grundtatbestandes als auch durch die Anwendung der Ausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL zu einer Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtsteuerpflich­ tige. Nur kommt es im ersten Fall nicht mehr darauf an, ob es hier­ durch zu größeren Wettbewerbsverzerrungen kommen kann. Damit be­ steht die Gefahr, dass durch ein zu enges Verständnis bei der Auslegung des Grundtatbestandes für die mehrwertsteuerliche Behandlung der öf­ fentlichen Hand die Schutzwirkung der besonderen Regelungen in Art. 13 MwStSystRL im Ergebnis ausgehebelt werden. Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden die beiden Tatbestands­ merkmale des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL näher untersucht werden. Der Schwerpunkt wird dabei auf dem Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit liegen. Gleichwohl gilt es im Anschluss daran zu klären, ob und inwie­ 138 Durch die Vorlage nationaler Gerichte gem. Art. 267 AEUV, z. B. bei den noch offe­ nen Verfahren zur Steuerpflichtigeneigenschaft einer Gemeinde wegen der Beförde­ rung von Schulkindern in Rs. C-520/14 (Gemeente Borsele) oder zur Behandlung des öffentlichen Rundfunks als Steuerpflichtigen in Rs. C-11/15 (Český rozhlas); aber auch z. B. in Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 31; Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 16; Urt. v. 6.10.2009 – Rs. C-267/08 (SPÖ Landesorganisation Kärnten), EU:C:2009:619, Rz. 13; im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens gem. Art. 258 AEUV z. B. Urt. v. 12.9.2000 – C-408/97 (Kommission/Niederlande), EU:C:2000:427, Rz. 20 ff.; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 26. 139 EuGH, Urt. v. 6.10.2009 – Rs. C-267/08 (SPÖ Landesorganisation Kärnten), EU:C:2009:619, Rz. 26; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 53; spektakulär angesichts der finanziellen Bedeutung Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 43; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 49. 140 Vgl. Art. 13 I ii und iii MwStSystRL; hierzu im Folgenden unter A. II. 2.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

weit sich das Tatbestandsmerkmal der Selbständigkeit auf die Eigen­ schaft der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige auswirkt. a) Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit Die in Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL genannte wirtschaftliche Tätigkeit wird in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL wie folgt definiert: Als „wirtschaftliche Tätigkeit“ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen. Nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL ist für eine wirtschaft­ liche Tätigkeit zunächst der Begriff des Berufes maßgeblich, wobei eine Tätigkeit nicht einem festen Berufsbild entsprechen muss.141 Die na­ mentlich aufgezählten Tätigkeiten eines Urproduzenten, Landwirts oder Dienstleisters sowie die freien Berufe sind vielmehr typologisch zu inter­ pretieren, so dass es darauf ankommt, ob zwischen diesen und der tat­ sächlich ausgeübten Tätigkeit eine ausreichende Vergleichbarkeit vor­ liegt.142 Während in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL für eine wirtschaftliche Tätigkeit anhand der beispielhaft aufgeführten Tätigkei­ ten erkennbar auf ein aktives Verhalten abgestellt wird, bezieht sich Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MwStSystRL auf die Nutzung von Gegen­ ständen. Diese umfasst nach dem Wortlaut insbesondere auch die Tätig­ keit des Duldens im Rahmen einer Nutzungsüberlassung.143 Aus diesem Grund ist aus unionsrechtlicher Sicht auch eine reine Vermögensverwal­ tung, zum Beispiel die Vermietung eines Gebäudes, eine wirtschaftliche Tätigkeit und kann demnach eine persönliche Steuerpflicht begrün­ den.144 Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung die Voraussetzungen eines wirt­ schaftlichen Handelns unter Bezug auf Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwSt­ SystRL dahingehend konkretisiert, dass die Tätigkeit hierfür sowohl eine Leistungserbringung gegen ein Entgelt darstellen muss als auch nachhal141 Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 56 (Stand: Juli 2014); ausführlich hier­ zu Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuer­ recht, S. 104 ff. 142 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 33; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz. 27 (Stand: März 2013). 143 Vgl. Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 16 (Stand: März 2013); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 64 ff. (Stand: Juli 2014). 144 Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 26.9.1996 – Rs. C-230/94 (Enkler), EU:C:1996:352, Rz. 22; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 10 (Stand: Aug. 2013).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

tig auszuüben ist.145 Die Entgeltlichkeit allein soll jedoch nicht aus­ reichen, um einer Tätigkeit einen wirtschaftlichen Charakter zu ver­ leihen.146 Demnach sind diese beiden Elemente letztlich für eine wirtschaftliche Tätigkeit konstitutiv und sollen aus diesem Grund im Folgenden näher in ihrer Bedeutung für die Behandlung der öffentlichen Hand untersucht werden. Dabei gilt es, jeweils zunächst den allgemei­ nen Inhalt der beiden Elemente zumindest in ihren Grundzügen zu erör­ tern. Ausgehend davon wird auf die sich bereits daraus ergebenden Aus­ wirkungen für die Steuerpflicht der öffentlichen Hand eingegangen. In einem letzten Schritt gilt es, zu jedem der beiden Elemente ein Urteil aus der jüngeren Rechtsprechung des EuGH wegen einer möglicherweise weitreichenden Bedeutung für die öffentliche Hand zu untersuchen. So wurde in dem einen Urteil die Behandlung einer Einrichtung des öffent­ lichen Rechts als Steuerpflichtige mit Verweis auf eine fehlende Nach­ haltigkeit der Tätigkeit147 und in dem anderen mangels einer vorliegen­ den Leistung gegen Entgelt148 abgelehnt. Im Anschluss an die Untersuchung der beiden konstitutiven Merkma­ le einer wirtschaftlichen Tätigkeit gilt es weiterhin zu klären, ob und inwieweit sich aus der Rechtsprechung des EuGH in seinen Urteilen T-Mobile Austria149 und Hutchison 3G150 besondere typische Anforde­ rungen für eine wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand ableiten lassen.

145 EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 9 und 15; Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 18; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 37; vgl. Nieskens, UR 2013, 739 (741); Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 63 (Stand: Sept. 2015); zustimmend hinsichtlich der Nachhaltigkeit Reiß, in: Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 30 (Stand: März 2013); zustimmend zur Vorausset­ zung der Entgeltlichkeit Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwSt­ SystRL Rz. 16 (Stand: Aug. 2013); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 61 (Stand: Juli 2014); a. A. zum Entgelt Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unter­ nehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, S. 78, der das Abstellen auf die Entgeltlich­ keit der Leistungserbringung für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. d. Art. 9 MwStSystRL als eine Verwechselung von sachlicher und persönlicher Steuerpflicht ansieht. 146 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 39; Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 18; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 37 f. m. w. N. 147 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.10.2009 – Rs. C-267/08 (SPÖ Landesorganisation Kärnten), EU:C:2009:619, Rz. 21 ff. 148 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 51. 149 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381. 150 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

aa) Leistungserbringung gegen Entgelt (1) Voraussetzungen Nach der einheitlichen Definition des EuGH für eine wirtschaftliche Tä­ tigkeit muss ein Entgelt vorliegen, welches dem zugutekommt, der die Leistung erbringt.151 Fehlt es demnach entweder an einer Leistung oder an einem ihr gegenüberstehenden Entgelt, liegt keine wirtschaftliche Tä­ tigkeit vor und eine Steuerpflicht scheidet aus. Beide Merkmale werden nicht ausdrücklich in Art. 9 MwStSystRL aufgeführt, sondern ent­ stammen vielmehr der Definition für die in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden Umsätze nach Art. 2 Abs. 1 lit. a und lit. c MwStSystRL. Vor diesem Hintergrund soll zunächst erörtert wer­ den, wie der EuGH das Merkmal einer Leistung gegen Entgelt für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit begründet. Daran anschlie­ ßend werden im Überblick die Voraussetzungen für eine Leistungser­ bringung und für ein Entgelt im Sinne des Richtlinienrechts herausgear­ beitet. (a) Grundlagen in der Rechtsprechung des EuGH Zum einen leitet der EuGH die Leistungserbringung gegen Entgelt als Voraussetzung einer wirtschaftlichen Tätigkeit daraus her, dass sich aus Art. 2 und Art. 9 MwStSystRL ein insgesamt weiter Anwendungsbereich der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ergebe. Deswegen stelle bereits eine nachhaltige und entgeltliche Leistung eine wirtschaftliche Tätigkeit dar.152 Daneben stellt der EuGH auf die Definition der wirtschaftlichen Tätig­ keit in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MwStSystRL ab, die eine Erzielung von Einnahmen als Tatbestandsmerkmal für eine wirtschaftliche Tätig­ keit im Fall der Nutzung eines Gegenstandes erfordert. Diese Vorausset­ zung soll nach Ansicht des EuGH jedoch nicht nur bei Nutzung eines Gegenstandes, sondern auch für Tätigkeiten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL gelten.153 Dementsprechend sei eine Tätig­ keit im Allgemeinen dann als wirtschaftlich anzusehen, „wenn sie nach­ haltig ist und gegen ein Entgelt ausgeübt wird, das derjenige erhält, der die Leistung erbringt.“154 151 EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 9 und 15; Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 18; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 37. 152 EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 6 ff.; zum Zusammenhang von Art. 9 und 2 MwStSystRL auch Reiß, UR 2010, 797 (805). 153 EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 18. 154 Ebenda.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Eine weitere Begründung für die Voraussetzung einer Leistungserbrin­ gung gegen Entgelt könnte darin liegen, dass der EuGH für die Eigen­ schaft eines Steuerpflichtigen die Ausübung von steuerbaren Umsätzen im Sinne des Art. 2 MwStSystRL als erforderlich ansieht.155 Der EuGH leitet diese Anforderung für die persönliche Steuerpflicht wiederum zum einen aus der Zielsetzung des Mehrwertsteuerrechts und zum anderen aus einer Gesamtschau der Art. 2 und 9 MwStSystRL her.156 So ergebe sich aus Art. 2 MwStSystRL, dass das Ziel der Besteuerung des Ver­ brauchs durch eine zum Preis proportionale Belastung erreicht werden solle. Fehlt es somit an einem Entgelt, könne aus Sicht des EuGH man­ gels erforderlicher Bemessungsgrundlage eine Besteuerung nicht erfol­ gen. Es sei jedoch das kennzeichnende Merkmal der Mehrwertsteuer, dass der Leistende eine steuerliche Belastung an den Leistungsempfänger abwälzen könne. Denn gerade in diesem Punkt unterscheide sich der Steuerpflichtige vom Endverbraucher. Bestehe diese Möglichkeit des Überwälzens jedoch nicht, fehle es an einem Grund dafür, den Leisten­ den anders als den Endverbraucher zu behandeln. Beide müssen in die­ sem Fall vielmehr gleichgestellt werden.157 Aus diesem Grund ist aus Sicht des EuGH die Behandlung als Steuerpflichtiger ausgeschlossen, wenn es im Rahmen der ausgeübten Tätigkeit nicht zu einer Leistungs­ erbringung gegen Entgelt kommt und die Tätigkeit damit auch zu keinen steuerbaren Umsätzen führt.158 (b) Die Leistung in der Mehrwertsteuer Eine Leistung im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne setzt voraus, dass ei­ nem konkreten Verbraucher ein Vorteil verschafft wird, der einen wirt­ schaftlichen Wert innehat und einem Verbrauch zugänglich ist.159 Wegen des Bedürfnisses der individuellen Zuordnung des Vorteils reicht es nicht aus, dass ausschließlich der Allgemeinheit ein Vorteil verschafft wird.160 155 Vgl. EuGH, Urt. v. 1.4.1982 – Rs. 89/81 (Hong Kong-Trade), EU:C:1982:121, Rz. 11 f.; Urt. v. 8.3.1988 – Rs. 102/86 (Apple and Peer Development Council), EU:C:1988:120, Rz. 16 f.; zustimmend Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 45; ablehnend Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, S. 81. 156 Vgl. zu Begründung EuGH, Urt. v. 1.4.1982 – Rs. 89/81 (Hong Kong-Trade), EU:C:1982:121, Rz. 7 ff. 157 EuGH, a. a. O., Rz. 10. 158 In diese Richtung auch EuGH, Urt. v. 23.3.2006 – Rs. C-210/04 (FCE Bank), EU:C:2006:196, Rz. 34. 159 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996 – Rs. C-215/94 (Mohr), EU:C:1996:72, Rz. 21 f. (hier spricht der EuGH vom Erfordernis einer Leistung zur eigenen Verwendung); Urt. v. 18.12.1997 – Rs. C-384/95 (Landboden-Agrardienste), EU:C:1997:627, Rz. 20 und 23; vgl. hierzu Streng, StuW 1999, 154 (161 f.); Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 1 Rz. 5 (Stand: April 2014); Stadie, UStG, § 1 Rz. 10. 160 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996 – Rs. C-215/94 (Mohr), EU:C:1996:72, Rz. 21 f.; Urt. v. 18.12.1997 – Rs. C-384/95 (Landboden-Agrardienste), EU:C:1997:627,

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Dies lässt sich mit dem Charakter der Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer begründen.161 Denn wegen des Verbrauchs als Belas­ tungsgrund der Mehrwertsteuer muss eine Leistung einen Verbrauch auch ermöglichen. Ein solcher kann jedoch im Fall der Verschaffung ei­ nes Vorteils an eine unbestimmte Allgemeinheit in der Regel allenfalls vermutet bzw. anteilig unterstellt werden.162 Insbesondere angesichts der Maßgabe des Leistungsfähigkeitsprinzips und der gleichmäßigen Besteue­ rung darf der Verbrauch hingegen nicht nur fingiert bzw. unterstellt sein, sondern muss sich konkret zuordnen lassen, um einen zulässigen An­ knüpfungspunkt für eine steuerliche Belastung darzustellen.163 Somit be­ darf es unter diesen Gesichtspunkten grundsätzlich der Verschaffung ei­ nes individuellen Vorteils. Ein ausschließliches Tätigwerden gegenüber einer Allgemeinheit führt hingegen zu keinen Leistungen im mehrwert­ steuerrechtlichen Sinn. Im letzteren Fall handelt es sich damit nicht um eine wirtschaftliche Tätigkeit und eine persönliche Steuerpflicht schei­ det folglich aus.164 (c) Das Entgelt in der Mehrwertsteuer Das Erfordernis eines Entgelts findet sich ausdrücklich in der Definition der dem Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts unterfallenden Umsätze in Art. 2 MwStSystRL. Mit Hinweis darauf begründet der EuGH seine Ansicht, dass die Voraussetzungen für ein Entgelt bei der Steuer­ pflicht gem. Art. 9 MwStSystRL und bei den Umsätzen des Art. 2 MwSt­ SystRL übereinstimmen.165 Dementsprechend kann zur Frage des Vorlie­ gens einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL grundsätzlich auf die Rechtsprechung zum Entgelt im Rahmen des Art. 2 MwStSystRL zurückgegriffen werden.166 Rz. 23 f.; zur Allgemeinheit von Mitgliedern einer Vereinigung Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie), EU:C:2009:88, Rz. 34; Husmann, UR 2000, 137 (138); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Lan­ ger, UStG, § 2 Rz. 73 (Stand: März 2013). 161 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – Rs. C-384/95 (Landboden-Agrardienste), EU:C:1997:627, Rz. 21 ff. 162 Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (32). 163 Vgl. Löhr, Das umsatzsteuerliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 243 ff. 164 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 67; Stadie, in: Rau/Dürrwäch­ ter, UStG, § 2 Rz. 225 f. (Stand: Juli 2014); in diese Richtung geht wohl auch die Feststellung, dass eine selbständige Untereinheit einer Partei mit der Wahlwer­ bung keine Leistung am Markt gegenüber der Partei bzw. anderen Unterorganisa­ tionen erbringt, vgl. EuGH, Urt. v. 6.10.2009 – Rs. C-267/08 (SPÖ Landesorganisa­ tion Kärnten), EU:C:2009:619, Rz. 24. 165 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 39 ff., insb. Rz. 53. 166 Vgl. zum Zusammenhang von Art. 2 und Art. 9 MwStSystRL Reiß, UR 2010, 797 (805).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH erfordert ein Entgelt im Sin­ ne des Richtlinienrechts einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und der empfangenen Gegenleistung.167 Dies setzt voraus, dass die Gegenleistung vereinbart wurde.168 Bei dieser Ver­ einbarung muss es sich wiederum um ein Rechtsverhältnis handeln, welches die Grundlage für den Leistungsaustausch darstellt.169 Die dar­ aufhin vom Leistenden empfangene Vergütung stellt in diesem Fall den tatsächlichen Gegenwert der erbrachten Leistung dar.170 In Ansehung dieser Anforderungen für ein Entgelt wird dem EuGH inso­ weit ein zu enges Verständnis vorgeworfen. Vielmehr lägen belastungs­ würdige Konsumaufwendungen bereits dann vor, wenn sie in einem ­kausalen Verhältnis zu einer erbrachten Leistung stehen. Eines Rechts­ verhältnisses als Grundlage für das Entgelt bedürfe es demnach nicht.171 Vor dem Hintergrund, dass bereits eine Vermögensverwendung, die an­ lässlich eines konsumfähigen Vorteils vorgenommen wird, einen Rück­ schluss auf eine individuelle Leistungsfähigkeit ermöglicht,172 ist die Kri­ tik an dem vom EuGH darüber hinaus geforderten Rechtsverhältnis berechtigt. Denn diese Voraussetzung schränkt den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer über Gebühr ein und steht damit dem primärrecht­ lich verankerten Ziel einer gleichmäßigen Besteuerung173 entgegen.

167 EuGH, Urt. v. 3.3.1994 – Rs. C-16/93 (Tolsma), EU:C:1994:80, Rz. 13; Urt. v. 21.3.2002 – Rs. C-174/00 (Kennemer Golf & Country Club), EU:C:2002:200, Rz. 39; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 45. 168 EuGH, Urt. v. 1.4.1982 – Rs. 89/81 (Hong Kong-Trade), EU:C:1982:121, Rz. 12; Urt. v. 3.3.1994 – Rs. C-16/93 (Tolsma), EU:C:1994:80, Rz. 12; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 43. 169 EuGH, Urt. v. 1.4.1982 – Rs. 89/81 (Hong Kong-Trade), EU:C:1982:121, Rz. 10; Urt. v. 3.3.1994 – Rs. C-16/93 (Tolsma), EU:C:1994:80, Rz. 14; Urt. v. 21.3.2002 – Rs. C-174/00 (Kennemer Golf & Country Club), EU:C:2002:200, Rz. 39; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 43; Urt. v. 16.10.2010 – Rs. C-270/09 (MacDonald Resort), ECLI:EU:C:2010:780, Rz. 16; Urt. v. 3.5.2012 – Rs. C-520/10 (Lebara), EU:C:2012:264, Rz. 27; Urt. v. 26.9.2013 – Rs. C-283/12 (Serebryannay vek), EU:C:2013:599, Rz. 37. 170 EuGH, Urt. v. 8.3.1988 – Rs. 102/86 (Apple and Pear Development Council), EU:C:1988:120, Rz. 11 f.; Urt. v. 3.3.1994 – Rs. C-16/93 (Tolsma), EU:C:1994:80, Rz. 14; Urt. v. 16.10.2010 – Rs. C-270/09 (MacDonald Resort), ECLI:EU:C:2010:780, Rz. 16; Urt. v. 3.5.2012 – Rs. C-520/10 (Lebara), EU:C:2012:264, Rz. 27; Urt. v. 26.9.2013 – Rs. C-283/12 (Serebryannay vek), EU:C:2013:599, Rz. 37; Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:733, Rz. 32. 171 Vgl. so die Kritik z. B. bei Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 122; ­Stadie, UStG, § 1 Rz. 75 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, S. 991 f. 172 Vgl. Englisch, ebenda; oben unter A. I. 2. 173 Vgl. hierzu oben unter A. I. 2.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

(2) Bedeutung und Auswirkung für die Behandlung der öffentlichen Hand Die Voraussetzung für eine wirtschaftliche Tätigkeit, dass diese grund­ sätzlich zu Leistungen gegen Entgelt führen muss, entfaltet für die Be­ handlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt und für die steuerliche Belastung ihrer Ausgangsleistungen weitgehende Einschränkungen. Zum einen begründen alle Tätigkeiten, die ausschließlich gegenüber der Allgemeinheit erbracht werden, keine persönliche Steuerpflicht und fal­ len folglich aus dem Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts her­ aus. Denn insoweit fehlt es an Leistungen, die einen individuell zuorden­ baren Verbrauch ermöglichen.174 Damit unterliegt die öffentliche Hand vor allem mit ihren Tätigkeiten in den Bereichen der Infrastruktur, Lan­ desverteidigung oder Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Ange­ sichts der Vielzahl von öffentlichen Aufgaben, die ausschließlich der All­ gemeinheit dienen, ist die öffentliche Hand mit einem großen Teil ihrer gesamten Tätigkeiten nicht als Steuersubjekt zu behandeln. Zum anderen führt selbst die Erbringung einer Leistung gegenüber ein­ zelnen Bürgern in vielen Fällen nicht zu einer Behandlung als Steuersub­ jekt. Denn soweit Tätigkeiten der öffentlichen Hand durch Einnahmen aus öffentlichen Abgaben finanziert werden, bei denen es sich gerade nicht um Zahlungen beruhend auf einem Rechtsverhältnis mit Bezug auf eine konkrete Leistung handelt, fehlt es an einem erforderlichen Entgelt. Darunter fallen zum Beispiel Leistungen im Bereich der Bildung oder die gebührenfreie Zurverfügungstellung von Informationen. Damit führen Tätigkeiten der öffentlichen Hand, die zwar grundsätzlich eine Leistung darstellen könnten, jedoch unentgeltlich gegenüber dem Einzelnen er­ bracht werden, ebenfalls nicht zu einer Behandlung als Steuerpflichtige. Positiv ausgedrückt kann wegen der Beschränkung einer wirtschaftli­ chen Tätigkeit auf solche Tätigkeiten, die zu Leistungen gegen Entgelt führen, nur ein Handeln der öffentlichen Hand, in dessen Rahmen sie einen individuell zuzuordnenden Vorteil erbringt und hierfür ein Entgelt erlangt, eine persönliche Steuerpflicht begründen. Im Verhältnis zum ge­ samten Umfang des Handelns der öffentlichen Hand dürften die Tätig­ keiten, die diese Voraussetzungen erfüllen, insgesamt von geringem Um­ fang sein.

174 Vgl. Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (32).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

(3) Leistungen der öffentlichen Hand gegen ein Teilentgelt Die anhand der genannten Kriterien zu beurteilende Frage, ob ein Entgelt im Sinne des Mehrwertsteuerrechts vorliegt und damit auch eine wirt­ schaftliche Tätigkeit möglich ist, kann insbesondere bei Leistungen der öffentlichen Hand relevant werden. Es werden zum Beispiel zur Finan­ zierung von Tätigkeiten regelmäßig öffentliche Mittel, insbesondere Steuermittel, verwendet, so dass der vom Leistungsempfänger zu ent­ richtende Preis wirtschaftlich nicht dem tatsächlichen Wert der erbrach­ ten Leistung entspricht. Diese Entsprechung sieht der EuGH jedoch als zentrale Funktion eines mehrwertsteuerlichen Entgelts an.175 Vor diesem Hintergrund beurteilte der EuGH in der Rechtssache Kommission/Finnland176 die Erbringung von Rechtshilfeleistungen durch eine öffent­ lich-rechtliche Einrichtung als nichtwirtschaftliche Tätigkeit mit dem Verweis darauf, dass zwischen der erbrachten Leistung und einer im Ge­ genzug erhaltenen Vergütung kein ausreichender unmittelbarer Zusam­ menhang bestehe und es damit an der Entgeltlichkeit fehle.177 Maßgeb­ lich hierfür war der Umstand, dass sich die Gegenleistung für die Rechtshilfeleistung nach dem Einkommen und Vermögen der Leistungs­ empfänger richtet und eine Differenz zu den tatsächlich anfallenden Kos­ ten durch öffentliche Mittel ausgeglichen wird. Hieraus folgert der EuGH, dass die vom Leistungsempfänger aufgewendete Gegenleistung gerade nicht den tatsächlichen Gegenwert der Leistung widerspiegele und die Differenz immer mehr zunehme, je schwächer der Leistungs­ empfänger in finanzieller Hinsicht ist. Eine solche Teilvergütung stelle folglich kein Entgelt im Sinne des Mehrwertsteuerrechts dar. Die öffent­ liche Einrichtung war somit mangels Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit von vornherein nicht als Steuerpflichtige zu behandeln. Ihre Ausgangsleistungen in Form der Rechtshilfe unterlagen damit keiner steuerlichen Belastung. Ob die Nichtbesteuerung zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führen würde, war insoweit ohne Belang. Denn diese besondere Schutzvoraussetzung ist allein im Zusammenhang mit der be­ sonderen Befreiungsvorschrift für die öffentliche Hand in Art. 13 MwSt­ SystRL zu prüfen.178

175 EuGH, Urt. v. 8.3.1988 – Rs. 102/86 (Apple and Pear Development Council), EU:C:1988:120, Rz. 11 f.; Urt. v. 3.3.1994 – Rs. C-16/93 (Tolsma), EU:C:1994:80, Rz. 14. 176 EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671. 177 Vgl. hierzu und zum Folgenden EuGH, a. a. O., Rz. 42 ff. 178 So der EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 53.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Das Ergebnis sowie die Begründung des EuGH blieben in der Literatur zutreffend nicht ohne Widerspruch.179 Denn die unionsprimärrechtlich gebotene Gewährleistung einer gleichmäßigen Belastung privater aufwendungen verlangt grundsätzlich auch die Berücksichti­ Konsum­ gung von Entgelten, die nicht dem wirtschaftlichen Gegenwert der Leis­ tung entsprechen. Nach Art. 9 MwStSystRL sind die Gründe einer Tätig­ keit und damit auch eines nicht kostendeckenden Entgelts für die Mehrwertsteuer grundsätzlich unmaßgeblich.180 Zudem kann sich eine solche Differenz auch schon durch geschicktes Verhandeln ergeben. Da­ mit handelt es sich bei den Zahlungen in einem ersten Schritt um Auf­ wendungen, die dem privaten Konsum dienen und folglich grundsätzlich der Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer zu unterliegen ha­ ben. Folgte man dem vom EuGH eingeschlagenen Weg, würde dies zur grund­ sätzlichen Nichtsteuerbarkeit von Leistungen führen, die gerade nicht zu kostendeckenden Entgelten angeboten werden, sondern allein wegen der teilweisen Finanzierung durch öffentliche Mittel überhaupt möglich sind.181 Betroffen sind damit vor allem die teilweise steuerfinanzierten Tätigkeiten der öffentlichen Hand.182 Im Verhältnis zu privaten Mitbe­ werbern kann die Nichtbesteuerung der Ausgangsleistungen für die öf­ fentliche Hand einen wirtschaftlichen Vorteil bedeuten und folglich eine wettbewerbsverzerrende Wirkung entfalten.183 Denn wegen der Verwen­ dung öffentlicher Mittel kann die öffentliche Hand zum einen den Preis ihrer Leistungen günstiger kalkulieren als private Wirtschaftsteilneh­ mer. Zum anderen führt die Verwendung öffentlicher Mittel auch noch zu einer Steuerfreiheit, die wiederum im Vergleich zu konkurrierenden steuerpflichtigen Leistungen privater Wirtschaftsteilnehmer einen Preis­ vorteil darstellt. Darüber hinaus ist die Argumentation des EuGH geeig­ net, für die öffentliche Hand steuerliche Gestaltungsräume zu eröffnen. So kann sie durch eine entsprechende Preispolitik im gewissen Umfang die Behandlung als Steuersubjekt herbeiführen oder aber vermeiden.184 179 Huschens, UVR 2010, 61 (63); Swinkels, IVM 2010, 124 (125 ff.); Widmann, UR 2010, 221 ff.; Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 189; die Rechtsprechung des EuGH ablehnend, jedoch ohne weitere Begründung auch Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 134.1 (Stand: März 2013). 180 Widmann, UR 2010, 221 (223); Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 185. 181 Widmann, ebenda. 182 Vgl. Swinkels, IVM 2010, 124 (125 f.); so z. B. die Beförderung von Schülern, vgl. hierzu das noch offene Verfahren beim EuGH in der Rs. C-520/14 (Gemennte Bor­ sele). 183 Swinkels, IVM 2010, 124 (126); Widmann, UR 2010, 221 (223). 184 Vgl. kritisch zu den Gestaltungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand Stadie, UStG, § 2 Rz. 129 f. sowie unten unter A. II. 1. a) bb) (3). Soweit die öffentlichen Mittel zur Finanzierung der teilentgeltlichen Leistungen von einer anderen Ein­ richtung der öffentlichen Hand bereitgestellt werden, könnten die Mittel als Ent­

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Im Ergebnis ist das Urteil folglich mit seiner Begründung aus Verbrauch­ steuersicht als verfehlt anzusehen. Gleichwohl ist im Zusammenhang mit der Besteuerung der öffentlichen Hand zu berücksichtigen, dass die EuGH-Rechtsprechung zu einer faktischen unionsrechtlichen Vorgabe führt. Damit sind zumindest Zahlungen, deren Höhe sich nach den per­ sönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen richtet und nicht dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der bezogenen Leistung ent­ sprechen, in der Regel nicht als Entgelt anzusehen. In diesen Fällen kommt es nach gegenwärtiger Rechtslage folglich nicht zu einer persön­ lichen Steuerpflicht der öffentlichen Hand.185 Mit dem Urteil verwirklicht sich zudem eine Gefahr, die mit der Anwen­ dung der allgemeinen Voraussetzungen für die Steuerpflicht auf die öf­ fentliche Hand zwangsläufig einhergeht. So weist hier das Handeln der öffentlichen Hand eine Besonderheit auf, die auf Grundlage einer verfehl­ ten rechtlichen Beurteilung zu einer Behandlung als Nichtsteuerpflichti­ ge führt. Private Wirtschaftsteilnehmer sind in diesem Fall nicht beson­ ders vor dadurch entstehende Wettbewerbsverzerrungen zu ihrem Nachteil geschützt. Und wenn schon dem EuGH ein solcher Lapsus un­ terläuft, drängt sich die Befürchtung auf, dass es auf Ebene der nationalen Rechtsanwendung in den Mitgliedstaaten ebenfalls zu falschen rechtli­ chen Beurteilungen über die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand kommen dürfte. Damit einhergehen dann, wie gezeigt, zum einen die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen und zum anderen die Einschränkung des Anwendungsbereichs zu Lasten des Ge­ bots einer gleichmäßigen Besteuerung. bb) Nachhaltige Ausübung einer Tätigkeit Die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit setzt weiterhin voraus, dass die Erbringung von Leistungen gegen Entgelt nachhaltig erfolgt. Fehlt es demnach an einer nachhaltig ausgeübten Tätigkeit, scheidet eine Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige aus. Vor die­ sem Hintergrund sollen im Folgenden die Voraussetzungen für eine nachhaltige Tätigkeit erarbeitet werden, um darauf aufbauend die Bedeu­ gelt von dritter Seite beurteilt werden, so Huschens, UVR 2010, 61 (63) und Widmann, UR 2010, 221 (223 f.). Allerdings schränkt ein solches Vorgehen die Gestaltungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand nur insoweit ein, als dass nicht eigene bzw. im Rahmen des allgemeinen Finanzausgleichs zugewiesene öffentli­ che Mittel zur Finanzierung verwendet werden. 185 Vgl. Swinkels, IVM 2010, 124 (126); der EuGH hat in dem noch offenen Verfahren zur Rs. C-520/14 (Gemennte Borsele) die Gelegenheit, noch einmal explizit zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Denn der Vorlage liegt der Sachverhalt zugrun­ de, dass sich der an eine Gemeinde von den Eltern für die Beförderung von Schü­ lern zu entrichtende Geldbetrag teilweise nach deren Einkommen richtet; zu die­ sem Verfahren Sterzinger, UR 2015, 655 (668).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

tung und Auswirkungen dieses Merkmals für die umsatzsteuerliche Be­ handlung der öffentlichen Hand zu untersuchen. Abschließend gilt es zu erörtern, ob das Merkmal der Nachhaltigkeit für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit durch die öffentliche Hand voraussetzt, dass dabei die objektive Möglichkeit zur Erzielung eines Überschusses be­ steht. (1) Voraussetzungen Mit dem Merkmal der Nachhaltigkeit lassen sich nach seinem Wortlaut zunächst Tätigkeiten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL von nur gelegentlich ausgeübten Tätigkeiten abgrenzen. Denn Letztere sollen grundsätzlich nur unter den besonderen Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 MwStSystRL oder wenn die Mitgliedstaaten ihr nach Art. 12 MwSt­ SystRL zustehendes Wahlrecht ausgeübt haben, eine Steuerpflichtigen­ eigenschaft begründen.186 Daraus kann geschlossen werden, dass nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeiten nach Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL ­ grundsätzlich keine Steuerpflicht begründen sollen.187 Nach Auffassung des EuGH ist allerdings die Abgrenzung zwischen einer nur gelegentlich und einer nachhaltig ausgeübten Tätigkeit nicht für jede Tätigkeit isoliert zu beurteilen.188 Somit fällt ein bestimmtes Verhalten nicht schon allein deswegen aus dem Anwendungsbereich des Mehr­ wertsteuerrechts, weil es nur gelegentlich erfolgt.189 Übt nämlich je­ mand, der bereits wegen einer anderen wirtschaftlichen Tätigkeit der persönlichen Steuerpflicht unterliegt, parallel eine gelegentliche Tätig­ keit aus, so steht die fehlende Nachhaltigkeit einer steuerlichen Erfas­ sung der nur gelegentlich ausgeübten Tätigkeit nicht entgegen.190 Als Begründung verweist der EuGH auf den weiten Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts.191 Dieser bedinge es, eine größtmögliche Zahl von Steuerpflichtigen mit den von ihnen erbrachten Umsätzen zu erfas­ sen. Diese Argumentation weist darauf hin, dass der EuGH in der Aus­ nahme für nur gelegentliche Umsätze eine Verfahrensvereinfachung sieht, die eine Beschränkung des weiten Anwendungscharakters recht­ fertigt. So ist derjenige, der nur gelegentlich einen Umsatz ausübt, nicht 186 Zur Konkretisierung der gelegentlichen Ausübung vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996 – Rs. C-230/94 (Enkler), EU:C:1996:352, Rz. 19 ff. 187 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 20; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 43, der im Umkehrschluss aus Art. 12 MwStSystRL zudem ableitet, dass für eine unter­ nehmerische Tätigkeit auch ein gewisser organisatorischer Aufwand erforderlich sein soll; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 27 (Stand: März 2013). 188 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.6.2013 – Rs. C-62/12 (Kostov), EU:C:2013:391, Rz. 30. 189 EuGH, a. a. O., Rz. 28. 190 EuGH, a. a. O., Rz. 28 und 31; vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 5 (Stand: Aug. 2013). 191 EuGH, a. a. O., Rz. 29 f.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

mit den Pflichten eines Steuerpflichtigen zu belasten. Sobald jedoch der Leistungserbringer bereits der Steuerpflicht unterliegt, verliert diese Rechtfertigung an Bedeutung und führt dazu, dass dann wiederum das Ziel der Gewährleistung eines weiten Anwendungsbereichs überwiegt. Fraglich ist, ob sich die Funktion der Nachhaltigkeit in einer rein quan­ titativen Abgrenzung erschöpft. In diesem Fall wäre zumindest vorrangig maßgeblich, wie häufig eine Tätigkeit ausgeübt wird. Auf dieser Grund­ lage wäre dann zu entscheiden, ob eine Tätigkeit als nur gelegentlich im Sinne der Art. 9 Abs. 2 und Art. 12 MwStSystRL zu qualifizieren ist.192 Allerdings stellt der EuGH in seiner Rechtsprechung zur Bestimmung der Nachhaltigkeit auch darauf ab, ob und inwieweit eine Tätigkeit aktiv und vergleichbar mit den in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL genannten Wirtschaftsakteuren (Erzeuger, Händler, Dienstleistende), mithin also marktüblich, ausgeübt wird.193 Auf die Häufigkeit selbst soll es dabei nicht ankommen.194 Nach der Rechtsprechung des EuGH kann also grundsätzlich auch eine im quantitativen Sinne nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL als nachhaltig und damit wirtschaftlich qualifiziert werden.195 Zur weiteren Untersuchung des Nachhaltigkeitsbegriffs und der hierfür maßgeblichen Kriterien bietet es sich an, zwischen den beiden Sätzen des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL zu unterscheiden. Denn wäh­ rend das Merkmal der Nachhaltigkeit in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MwStSystRL ausdrücklich genannt wird, findet es sich in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL nicht aufgeführt. (a) Bestimmung der Nachhaltigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 ­Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL Zunächst könnte aus der fehlenden Nennung der Nachhaltigkeit in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL geschlossen werden, dass die­ ses Merkmal, anders als im Fall des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MwSt­ SystRL, gerade nicht erfüllt sein muss. Jedoch beurteilt der EuGH, wie gezeigt, zum einen die Nachhaltigkeit als eine allgemein notwendige Voraussetzung für eine wirtschaftliche Tätigkeit nach Art. 9 Abs. 1 MwSt­ 192 In diese Richtung Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 30 und 38.1 ff. (Stand: März 2013); a. A. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 43. 193 EuGH, Urt. v. 15.9.2011 – Rs. C-180/10 (Slaby u. a.), EU:C:2011:589, Rz. 39; Urt. v. 9.7.2015 – Rs. C-331/14 (Trgovina Prizma), EU:C:2015:456, Rz. 24. 194 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.9.2011 – Rs. C-180/10 (Slaby u. a.), EU:C:2011:589, Rz. 37 und 39; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-263/11 (Rēdlihs), EU:C:2012:497, Rz. 36; darauf abstellend Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 42. 195 Vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 4 der 6. EG-RL Rz. 7 (Stand: April 2005); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 58 (Stand: Juli 2014), der aus diesem Grund das Merkmal als wenig hilfreich ansieht.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

SystRL.196 Zum anderen verweist dieser darauf, dass sich die nachhaltige Tätigkeit als allgemeingültige Voraussetzung für eine wirtschaftliche Tätigkeit im Umkehrschluss aus Art. 9 Abs. 2 MwStSystRL ableiten las­ se. Denn dort ist gerade der Fall einer persönlichen Steuerpflicht bei Aus­ übung einer nur gelegentlichen Tätigkeit geregelt.197 Zudem würde sich dieses Merkmal aus der Anschauung der in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL genannten Tätigkeiten ergeben, setzen diese doch eine nachhaltige Ausübung voraus.198 Damit ist zunächst festzuhalten, dass aus unionsrechtlicher Sicht eine nachhaltige Tätigkeit auch im Fall des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL gegeben sein muss. Dieses ist jedoch nicht explizit zu prüfen,199 sondern wird bei Ausübung einer Tä­ tigkeit, die in ihren charakteristischen Merkmalen mit den in Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL genannten Tätigkeiten vergleichbar ist, impliziert.200 (b) Bestimmung der Nachhaltigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 ­Unterabs. 2 S. 2 MwStSystRL Das Merkmal der Nachhaltigkeit ist in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MwStSystRL ausdrücklich mit Bezug auf die Erzielung von Einnahmen durch die Nutzung von Gegenständen genannt. Soweit der EuGH zu der Feststellung gelangt, dass eine solche Nutzung gegeben ist, orientiert sich die weitere Prüfung eng an dem Wortlaut dieser Regelung.201 Die Beurteilung hat dabei unter Heranziehung aller konkreten Umstände des Einzelfalls zu erfolgen.202 Ein möglicher und regelmäßig geeigneter An­ knüpfungspunkt ist die Art des Gegenstandes und die damit verbundene Unterscheidung, ob ein Gegenstand üblicherweise nur für wirtschaftli­ 196 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 9; Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 22; Langer, a. a. O., Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 9 (Stand: Aug. 2013); Stadie, a. a. O., § 2 Rz. 57 (Stand: Juli 2014); induktiv die Ausführungen des GA Maduro, Schlussanträge v. 9.7.2009 – Rs. C-267/08 (SPÖ Landesorganisation Kärnten), EU:C:2009:441, Rz. 7 ff.; zustimmend Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 27 und 30 (Stand: März 2013). 197 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996 – Rs. C-230/94 (Enkler), EU:C:1996:352, Rz. 20; vgl. hierzu Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 27 (Stand: März 2013). 198 EuGH, Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-263/11 (Rēdlihs), EU:C:2012:497, Rz. 35 f.; vgl. hierzu Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 51; Reiß, ebenda. 199 Vgl. auch Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 42. 200 Vgl. Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 51; zum Abstellen auf charakteristische Merk­ male der Ausübung Englisch, ebenda. 201 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996 – Rs. C-230/94 (Enkler), EU:C:1996:352, Rz. 21; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-263/11 (Rēdlihs), EU:C:2012:497, Rz. 30 ff.; siehe aber auch Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 31; Urt. v. 6.10.2009 – Rs. C-267/08 (SPÖ Landesorganisation Kärnten), EU:C:2009:619, Rz. 15 ff. 202 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996 – Rs. C-230/94 (Enkler), EU:C:1996:352, Rz. 24; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-263/11 (Rēdlihs), EU:C:2012:497, Rz. 33 und 40.

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che Zwecke oder auch für private bzw. nichtwirtschaftliche Zwecke ge­ nutzt wird.203 Wird somit der konkrete Gegenstand typischerweise ­wirtschaftlich genutzt, ist dieser Umstand bereits als Indiz für eine wirt­ schaftliche und damit dann auch inzident nachhaltige Nutzung des Ge­ genstandes zu werten.204 (2) Bedeutung und Auswirkungen für die Behandlung der öffentlichen Hand Losgelöst von den konkreten Vorgaben, die sich vor allem aus der Recht­ sprechung des EuGH ergeben, ist der Begriff der Nachhaltigkeit grund­ sätzlich mit Blick auf die Funktion des Steuerpflichtigen auszulegen.205 So ist dieser nicht selbst intendierter Träger der Steuer, sondern dient dem Staat nur als Steuereinsammler. Damit entspricht es einer schonen­ den Auferlegung der mit der Steuerpflichtigeneigenschaft verbundenen Lasten, insbesondere solcher administrativer Art, diese nur solchen steu­ errechtsfähigen Gebilden aufzuerlegen, deren Tätigkeit darauf schließen lässt, dass es nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung kommt.206 Vor diesem Hintergrund erscheint die öffentliche Hand zunächst weni­ ger schutzwürdig als private Wirtschaftsteilnehmer, denn in ihrer Person fallen Steuerschuldner und Steuergläubiger zumindest aus gesamtstaatli­ cher Sicht zusammen. Die Voraussetzung der Nachhaltigkeit dient aller­ dings auch in Fällen des Handelns der öffentlichen Hand dazu, Tätigkei­ ten von geringer wirtschaftlicher Bedeutung aus dem Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts auszuschließen. Wie für private Rechtsperso­ nen führte die Auferlegung von steuerlichen Pflichten zu unverhältnis­ mäßigen Folgen zu Lasten der steuerlichen Effizienz und des effizienten Handelns staatlicher Einrichtungen. Aus diesem Grund scheidet die öf­ fentliche Hand regelmäßig mit solchen Tätigkeiten aus dem Anwen­ dungsbereich der Mehrwertsteuer aus, die einen einmaligen Charakter besitzen und somit nicht auf Wiederholung ausgelegt sind. Dies betrifft zum Beispiel die Amtshilfe zwischen Hoheitsträgern, die in der Regel kein dauerhaftes Tätigwerden darstellt.207 Die Nachhaltigkeit darf jedoch nicht allein anhand der Häufigkeit der Ausübung der Tätigkeit beurteilt werden, sondern dabei ist insbesondere auch die Marktüblichkeit des 203 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996 – Rs. C-230/94 (Enkler), EU:C:1996:352, Rz. 26 f.; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-263/11 (Rēdlihs), EU:C:2012:497, Rz. 33. 204 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-263/11 (Rēdlihs), EU:C:2012:497, Rz. 34 mit Verweis auf Urt. v. 26.9.1996 – Rs. C-230/94 (Enkler), EU:C:1996:352, Rz. 27; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 6 (Stand: Aug. 2013). 205 Vgl. hierzu z. B. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 42 f.; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 38.1 (Stand: März 2013). 206 Vgl. Englisch, ebenda. 207 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 f.

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Vorgehens zu berücksichtigen. Soweit die öffentliche Hand eine Tä­ tigkeit ausübt, die sich als Nutzung eines Gegenstandes darstellt, stellt die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung einen eigenständigen Prü­ fungspunkt dar. Handelt die öffentliche Hand dabei entsprechend einer üblichen Nutzung des Gegenstandes, kann grundsätzlich von einem nachhaltigen Vorgehen ausgegangen werden. Handelt es sich nicht um die Nutzung eines Gegenstandes, ist die Tätigkeit jedoch in typolo­ gischer Hinsicht vergleichbar mit den in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL aufgezählten Berufen, ist sie grundsätzlich bereits auf dieser Grundlage als nachhaltig ausgeübt anzusehen. Mit Blick auf die Gesamtheit der Tätigkeiten der öffentlichen Hand ist das Merkmal der Nachhaltigkeit für die Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt zwar insgesamt von eher untergeordneter Bedeu­ tung. Gleichwohl findet es in seiner Wirkung uneingeschränkt auch in den Fällen der öffentlichen Hand Anwendung und führt damit in seiner Wirkung grundsätzlich bei der Ausübung entsprechender Tätigkeiten zu einem Ausschluss vom Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts. (3) Objektive Überschusserzielungsmöglichkeit als Voraussetzung einer nachhaltigen Tätigkeit der öffentlichen Hand? Das Urteil des EuGH in der Rechtssache SPÖ Landesorganisation Kärnten208 hat die Frage aufgeworfen, ob dieser für öffentlich-rechtliche Ein­ richtungen und damit für die öffentliche Hand insgesamt eine objektive Überschusserzielungsmöglichkeit als Voraussetzung für eine nachhaltig ausgeübte Tätigkeit ansieht.209 So hatte der EuGH zu beurteilen, ob eine dauerdefizitäre Tätigkeit eines Landesverbandes einer politischen Partei, welche in ihrer Rechtsform eine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist,210 als nachhaltig und damit wirtschaftlich beurteilt werden kann. Die konkrete Tätigkeit bestand in der Durchführung von Außenwerbung und der Veranstaltung eines Festballs zugunsten der davon profitieren­ den Bezirks- und Ortsverbände. Finanziert wurden die Ausgaben des Lan­ desverbandes hierfür vor allem aus Mitteln, die dieser durch öffentliche Zuschüsse, Mitgliederbeiträge und Spenden akquirierte. Daneben wur­ den teilweise Aufwendungen einzelnen Unterorganisationen direkt in Rechnung gestellt. Zunächst qualifiziert der EuGH in seinem Urteil die Tätigkeit der Außen­werbung als eine Nutzung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 208 EuGH, Urt. v. 6.10.2009 – Rs. C-267/08 (SPÖ Landesorganisation Kärnten), EU:C:2009:619. 209 Vgl. hierzu Huschens, UVR 2010, 61 ff.; Korf, IStR 2009, 779 f. 210 EuGH, Urt. v. 6.10.2009 – Rs. C-267/08 (SPÖ Landesorganisation Kärnten), EU:C:2009:619, Rz. 7.

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S. 2 MwStSystRL.211 Bei der sich damit ergebenden Prüfung, ob durch diese Nutzung nachhaltige Einnahmen erzielt werden, kommt der EuGH zu einem ablehnenden Ergebnis. Dieses begründet er damit, dass die von der Landesorganisation erlangten mehrwertsteuerrechtlich relevanten Einnahmen, also Entgelte, nicht ausreichen, um die Tätigkeit zu finan­ zieren.212 Die Verluste könnten nur durch nachhaltige Einnahmen aus den Zuschüssen, Mitgliedsbeiträgen und Spenden ausgeglichen werden. Diese scheinen jedoch für den EuGH nicht den Anforderungen an ein mehrwertsteuerrechtliches Entgelt zu erfüllen, denn er lässt sie insoweit außer Betracht. Hierfür spricht auch, dass er zu Anfang seiner rechtli­ chen Würdigung auf die Voraussetzungen für die Qualifizierung von Ein­ nahmen als Entgelt im Rahmen eines gegenseitigen Austausches von Leistungen eingeht.213 Im Ergebnis beurteilt der EuGH die Tätigkeiten mangels einer nachhaltigen Einnahmeerzielung als nichtwirtschaftlich. In diesem Zusammenhang führt der EuGH darüber hinaus aus, dass die Werbemaßnahmen nicht eine Leistung darstellen, mit der der Landesver­ band an einem Markt teilnehme. Denn diese Tätigkeit diene nur der Ver­ folgung eigener Ziele der Partei, nämlich der Mitwirkung bei der politi­ schen Willensbildung. Mit dieser Tätigkeit trete die Partei zwar nach außen hin auf, nehme jedoch insoweit nicht an einem Markt teil.214 Besondere Bedeutung erlangt dieses Urteil dadurch, dass eine Vielzahl von Tätigkeiten der öffentlichen Hand nicht vordergründig an der Erzie­ lung eines Überschusses ausgerichtet ist. Hinzu kommt, dass die Mitfi­ nanzierung von Aufgaben durch die Verwendung öffentlicher Mittel, zum Beispiel von Einnahmen aus allgemeinen Abgaben, ebenfalls zum Regelfall gehört. Wenn diese Finanzierungsquellen dann, wie im vorlie­ genden Fall die Spenden und Zuschüsse, nicht mit zu berücksichtigen sind, führte dies regelmäßig zu einer dauerdefizitären Tätigkeit und mit­ hin zum Ausschluss einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Fraglich ist in die­ sem Zusammenhang zunächst, ob dem Urteil mit seiner Begründung zuzustimmen ist. Zum anderen gilt es zu klären, ob sich aus dem Urteil eine allgemeine Vorgabe des EuGH für eine wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand und damit für ihre persönliche Steuerpflicht ergibt. Wie der EuGH in seinem Urteil vertritt vor allem auch Stadie die An­ sicht, dass die wirtschaftliche Tätigkeit in mehrwertsteuerrechtlichem Sinne die objektive Möglichkeit zur Erwirtschaftung eines Totalüber­ schusses über einen längeren Zeitraum voraussetzt.215 Sei diese Voraus­ setzung zum Beispiel nicht gegeben, weil auf Dauer nur Verluste erwirt­ 211 EuGH, a. a. O., Rz. 21. 212 EuGH, a. a. O., Rz. 22 f. 213 EuGH, a. a. O., Rz. 19. 214 EuGH, a. a. O., Rz. 24. 215 Stadie, UStG, § 2 Rz. 130, 133 ff.

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schaftet werden, spreche dieser Umstand für einen privaten Charakter der Tätigkeit und stünde damit einer wirtschaftlichen Tätigkeit entge­ gen.216 Hinsichtlich der Tätigkeit von öffentlich-rechtlichen Einrichtun­ gen macht Stadie jedoch eine Ausnahme.217 Beruht die fehlende Möglich­ keit, einen Totalüberschuss zu erzielen, darauf, dass die Tätigkeit durch öffentliche Zuschüsse oder mittels Zuweisungen aus öffentlichen Haus­ halten quersubventioniert werde, verbiete es der Wettbewerbsgedanke, die im Rahmen dieser Tätigkeit erbrachten Leistungen von der umsatz­ steuerlichen Belastung freizustellen. Denn andernfalls stünde Einrichtun­ gen des öffentlichen Rechts auf diesem Wege ein gewisser Gestaltungs­ spielraum zur Verfügung, ob und inwieweit sie mit ihren Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen. Im Fall eines dauer­ haften Verlustes käme es dann grundsätzlich zu der Situation, dass die öffentliche Hand nicht nur einen Finanzierungsvorteil durch die Verwen­ dung öffentlicher Mittel erlangt. Sie hätte darüber hinaus im Wettbewerb mit privaten Wirtschaftsakteuren auch noch den Vorteil, ihre Leistungen ohne die Belastung mit der Mehrwertsteuer dem privaten Endverbraucher anzubieten. Sollte es sich für die öffentliche Hand jedoch insgesamt als wirtschaftlich attraktiver erweisen, als Steuerpflichtiger in den Genuss des Vorsteuerabzugs zu gelangen, könnte sie mittels einer entsprechenden Preiskalkulation eine Steuerpflicht herbeiführen. In diesem Fall würde be­ reits ein geringer Totalüberschuss genügen. Um diese Gestaltungsmög­ lichkeit und die damit verbundene Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu verhindern, verlangt Stadie für die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentli­ chen Hand folglich keine solche objektive Totalüberschussmöglichkeit. Zu einem gleichen Ergebnis gelangt man, wenn eine objektive Über­ schusserzielungsmöglichkeit für die Unternehmereigenschaft von vorn­ herein abgelehnt wird.218 Hierfür lässt sich zum einen auf den Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL verweisen, nach dem für die Prüfung der Steuerpflichtigeneigenschaft nicht auf das Ergebnis der Tätigkeit abge­ stellt werden darf.219 Zum anderen spricht für eine ablehnende Haltung der Verbrauchsteuercharakter der Mehrwertsteuer, deren Belastungsge­ genstand die privaten Vermögensverwendungen darstellen.220 In diesem 216 Stadie, UStG, § 2 Rz. 133. 217 Stadie, UStG, § 2 Rz. 129 f. 218 So wohl die überwiegende Meinung, siehe selbst den Hinweis von Stadie, UStG, § 2 Rz. 132; vgl. hier nur Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbe­ griff im Umsatzsteuerrecht, S. 61 ff.; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 16 (Stand: Aug. 2013). 219 Vgl. so auch der EuGH, Urt. v. 26.9.1996 – Rs. C-230/94 (Enkler), EU:C:1996:352, Rz. 25. 220 Vgl. hier nur Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 44; zu den privaten Vermögensverwendungen als Belastungsgrund der harmonisierten Mehrwertsteu­ er oben unter A. I. 2.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Zusammenhang ist es jedoch unerheblich, ob mit der Tätigkeit des Steu­ erpflichtigen ein Gewinn oder Verlust erwirtschaftet wird.221 Vor diesem Hintergrund kann dem Urteil des EuGH in seiner Begrün­ dung nicht zugestimmt werden. Zudem steht die Forderung nach einer objektiven Überschusserzielungsmöglichkeit nicht im Einklang mit der grundsätzlichen Forderung des EuGH, die Merkmale für die persönliche Steuerpflicht in Art. 9 MwStSystRL zur Wahrung eines umfassenden An­ wendungsbereichs weit auszulegen.222 In diesem Zusammenhang passt der Umstand, dass der EuGH in seiner bisherigen folgenden Rechtspre­ chung nicht auf die hier kritisierten Passagen des Urteils verwiesen oder in vergleichbarer Weise erneut argumentiert hat. Das spricht auch dage­ gen, die Ausführungen des Urteils über den konkreten Einzelfall hinaus zu verallgemeinern. Im Ergebnis ist folglich eine objektive Überschusserzielungsmöglichkeit als Voraussetzung für eine wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand grundsätzlich abzulehnen. Zudem lässt sich eine solche Vorausset­ zung auch nicht als Grundsatz aus der Rechtsprechung des EuGH herlei­ ten. Vielmehr dürften dessen Ausführungen in dem Urteil SPÖ Landesorganisation Kärnten allein für die steuerliche Behandlung politischer Parteien von Bedeutung sein.223 cc) Mögliche weitere Voraussetzungen für eine wirtschaftliche ­Tätigkeit der öffentlichen Hand Nachdem nunmehr die allgemeinen Voraussetzungen für eine wirt­ schaftliche Tätigkeit und ihre Auswirkungen und Bedeutung für die ­persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand untersucht wurden, sol­ len im Folgenden noch zwei weitere Urteile des EuGH dahingehend be­ leuchtet werden. So hat dieser mit seinen Urteilen in den Rechtssachen T-Mobile Austria224 und Hutchison 3G225 wegen der ihnen zugrundelie­ genden Argumentationsweisen in der Literatur teilweise für Verwirrung und Verwunderung gesorgt.226 Ziel des weiteren Vorgehens ist es zu klä­ 221 Zudem sah bereits Art. 4 der 2. EWG-RL explizit vor, dass eine Gewinnerzielungs­ absicht nicht für die Eigenschaft als Steuerpflichtiger erforderlich ist. 222 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 8 f.; Urt. v. 4.12.1990 – Rs. C-186/89 (Van Tiem), EU:C:1990:429, Rz. 17 f.; Urt. v. 26.6.2003 – Rs. C-305/01 (MGK-Kraftfahrzeuge-Factoring), EU:C:2003:377, Rz. 42; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 34 f.; Huschens, UVR 2010, 61 (62). 223 Vgl. Korf, IStR 2009, 779 (780); wohl zustimmend Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 185. 224 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381. 225 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382. 226 Vgl. Burgmeier, UR 2007, 611 ff.; Odudu, CMLR, Vol. 45 (2008), 1269 ff.; Tiedtke, UR 2007, 718 ff.

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ren, ob sich aus den Urteilen weitere oder auch modifizierte Anforderun­ gen allgemeingültiger Art für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätig­ keit durch die öffentliche Hand ergeben. In den beiden Verfahren, die nahezu identische Sachverhalte aus zwei verschiedenen Mitgliedstaaten behandeln,227 ging es um die Frage, ob die Versteigerung von UMTS228-Lizenzen, welche Mobilfunkanbieter für ihre Dienstleistungen nutzen können, eine wirtschaftliche Tätigkeit dar­ stellt. Eine besondere Bedeutung erlangte das Verfahren aufgrund des Umstandes, dass im Fall der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit die Einrichtung des öffentlichen Rechts möglicherweise als Steuerpflich­ tige gehandelt hätte. Dies bedeutete grundsätzlich die Steuerbarkeit des Vorgangs mit der Folge eines entsprechenden Vorsteuerabzugs für die Er­ werber der Lizenzen. Allerdings wurde die Versteigerung von den beiden Mitgliedstaaten als nichtsteuerbarer Vorgang behandelt, so dass der er­ zielte und damit feststehende Versteigerungserlös auch bereits eine an­ fallende Mehrwertsteuer enthalten hätte. Deswegen hätte eine (nach­ trägliche) Behandlung der Versteigerung als steuerpflichtigen Vorgang wegen des damit bestehenden Anspruchs der Erwerber auf einen Abzug der Vorsteuer im Saldo eine erhebliche Minderung des staatlichen Ver­ steigerungserlöses bedeutet.229 Die UMTS-Lizenzen verbürgen Nutzungsrechte und stellen als solche immaterielle Wirtschaftsgüter dar. Daher geht der EuGH in seiner Prü­ fung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zunächst darauf ein, ob die Verstei­ gerung die Nutzung eines Gegenstandes zur Erzielung von Einnahmen darstellt.230 In seinen weiteren Ausführungen unterscheidet der EuGH jedoch zwischen der Erteilung der Lizenzen auf der einen Seite und der Verwendung der damit verbundenen Rechte auf der anderen Seite. Er fol­ gert daran anschließend, dass nur Letzteres einer Nutzung zur Erzielung von Einnahmen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MwStSystRL entsprechen würde.231 Die Erteilung selbst sei hingegen nur eine notwen­ dige Vorbedingung für die spätere Nutzung. Aus diesem Grund habe die jeweilige staatliche Einrichtung bei der Versteigerung nicht als Markt­ teilnehmerin gehandelt, sondern ausschließlich eine regulierende Tätig­ 227 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 25. 228 Universal Mobile Telecommunications System (UMTS). 229 Bei einem Erlös von rund 25,56 Mrd. f (50 Mrd. DM) hätte das für den deutschen Staat eine Minderung von knapp 3,58 Mrd. f (7 Mrd. DM) bedeutet, vgl. Burg­ meier, UR 2007, 611 (612). 230 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 31; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 37. 231 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 33 ff.; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 39 ff.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

keit ausgeübt, welche die Mitgliedstaaten aufgrund gesetzlicher Bestim­ mungen ausdrücklich innehatten.232 Letztlich kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass die staatlichen Einrichtungen keine wirtschaftliche Tätig­ keit ausgeübt haben und folglich der Vorgang nicht der Besteuerung zu unterliegen hatte.233 (1) Keine Marktregulierung Eine erste Frage, die sich an das Urteil anschließen könnte, wäre dem­ nach, ob eine regulatorische Tätigkeit, wie sie häufig der öffentlichen Hand als gesetzliche Aufgabe obliegt, von vornherein als nichtwirt­ schaftlich anzusehen ist.234 Mit dieser Begründung haben in den beiden Verfahren sowohl die beteiligten Mitgliedstaaten als auch die Euro­ päische Kommission eine wirtschaftliche Tätigkeit abgelehnt.235 So ver­ weist der EuGH in seinen Urteilen darauf, dass die Behörde im Zu­ teilungsverfahren „ausschließlich eine ihr ausdrücklich übertragene Kontroll- und Regelungstätigkeit“236 ausübe und damit eine wirtschaftli­ che Tätigkeit ausscheide.237 Dies könnte den Schluss zulassen, dass eine entsprechende regulatorische Tätigkeit stets nichtwirtschaftlich ist. Ein­ schränkend ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei den Lizenzen für bestimmte Funkbereiche um ein knappes öffentliches Gut handelt. Folglich wäre eine Verallgemeinerung dieses Rechtsprechungsgrundsat­ zes grundsätzlich von vornherein auf andere regulatorische Tätigkeiten im Zusammenhang mit ebenfalls knappen öffentlichen Gütern zu be­ schränken.238 Bei genauer Betrachtung der Urteile ist es jedoch zweifelhaft, ob die Aus­ führungen des EuGH dahingehend zu verstehen sind. So ist das maßgeb­ 232 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 38; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 44. 233 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 43; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 49. 234 So  z. B. Odudu, CMLR, Vol. 45 (2008), 1269 (1274); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Lan­ ger, UStG, § 2 Rz. 134.1 (Stand: März 2013). 235 Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2006:523, Rz. 46; dies., Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2006:520, Rz. 51; Odudu, CMLR, Vol. 45 (2008), 1269 (1272). 236 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 38; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 44. 237 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 40; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 46. 238 Wohl an diese Rechtsprechung anknüpfend, jedoch ohne Hinweis darauf oder an­ dere Nachweise Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 134.1 (Stand: März 2013).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

liche Argument, mit dem der EuGH das Vorliegen einer nichtwirtschaft­ lichen Tätigkeit begründet, dass die Versteigerung der Lizenzen nicht der Nutzung eines Gegenstandes zur Erzielung von Einnahmen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MwStSystRL entspricht.239 Der daran an­ schließende Verweis auf das eigentliche Ziel der Marktregulierung ist nur eine Schlussfolgerung aus der Feststellung, dass keine wirtschaftli­ che Tätigkeit gegeben ist.240 Mithin eignet sich diese Aussage nicht, um daraus ein allgemeingültiges Ausschlusskriterium für eine wirtschaftli­ che Tätigkeit abzuleiten. Zudem nimmt der EuGH in seinen Urteilen Bezug auf das Argument, dass sich aus Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 i. V. m. Anhang I Nr. 7 MwStSystRL ergebe, dass auch regulatorische Tätigkei­ ten wirtschaftlich im Sinne des Art. 9 MwStSystRL sein können, ohne dass er diese Schlussfolgerung in Frage stellt.241 So führt er nur aus, dass sich hieraus nicht im Umkehrschluss ergebe, dass eine regulatorische Tätigkeit immer auch eine wirtschaftliche Tätigkeit sei.242 Damit hat der EuGH im Ergebnis zumindest inzident zum Ausdruck gebracht, dass er die Meinung, dass sich eine Tätigkeit zur Marktregulierung und eine wirtschaftliche Tätigkeit grundsätzlich gegenseitig ausschließen, nicht teilt.243 Für diese Interpretation spricht auch das spätere Urteil in der Rechts­ sache Götz.244 In diesem Fall geht es um die Tätigkeit einer Milch­quotenVerkaufsstelle, welche in der Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung bereits zugeteilte Anlieferungsreferenzmengen sowohl er­ wirbt als auch wieder veräußert. Hierdurch sollen die noch nicht ver­ brauchten Mengen zentralisiert werden, um auf diesem Wege einen funktionierenden Ausgleich unter den Milcherzeugern zu erreichen. Im Ergebnis liegt auch insoweit eine gesetzlich zugeordnete Tätigkeit mit dem Ziel der Regulierung vor. Dies hinderte den EuGH jedoch nicht dar­

239 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 38; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 44. 240 Ebenda. 241 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 41; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 47. 242 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 42; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 48. 243 Vgl. Odudu, CMLR, Vol. 45 (2008), 1269 (1274); dies andeutend, aber skeptisch Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 27; die EuGH-Rechtspre­ chung wohl anders interpretierend Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 134.1 (Stand: März 2013). 244 EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789; vgl. hierzu die Ausführungen bei Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 26.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

an, den An- und Verkauf von Anlieferungsreferenzmengen als eine wirt­ schaftliche Tätigkeit zu qualifizieren.245 Damit bleibt festzuhalten, dass aus Sicht des EuGH das Ziel einer Markt­ regulierung nicht der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit durch die öffentliche Hand von vornherein entgegensteht. Dem ist auch inhalt­ lich zuzustimmen. So hat sich die Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen ausführlicher als der EuGH mit dem Ziel der Marktre­ gulierung und dessen Bedeutung für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit auseinandergesetzt.246 Sie kommt dabei nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass das Ziel der Marktregulierung nicht zu berücksichti­ gen sei. Denn wegen des objektiven Charakters des Art. 9 Abs. 1 MwSt­ SystRL sind die Motive für eine Tätigkeit zur Beurteilung ihres wirt­ schaftlichen Charakters unerheblich.247 Des Weiteren verweist Kokott zu Recht auf Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 i. V. m. Anhang I Nr. 7 MwStSystRL. Nach dieser Regelung führt eine regulatorische Tätigkeit öffentlich-recht­ licher landwirtschaftlicher Interventionsstellen grundsätzlich zu ihrer persönlichen Steuerpflicht.248 Zudem sind die im Anhang I MwStSystRL aufgezählten Tätigkeiten gerade solche, die wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung geeignet sind, Wettbewerbsverzerrungen hervorzurufen.249 Im Ergebnis sind damit marktregulatorische Tätigkeiten nicht von vorn­ herein als nichtwirtschaftlich anzusehen, sondern sie können grundsätz­ lich ebenfalls einen wirtschaftlichen Charakter im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL besitzen.250 (2) Kommerzielle Motivation Tiedtke folgert aus den Ausführungen des EuGH, dass dieser in den bei­ den Urteilen eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen kommer­ ziell motivierten und damit wirtschaftlichen Tätigkeiten auf der einen 245 EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 19. 246 Vgl. hierzu und zum Folgenden GA Kokott, Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2006:523, Rz. 42 ff.; dies., Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2006:520, Rz. 47 ff.; ­Odudu, CMLR, Vol. 45 (2008), 1269 (1274). 247 Vgl. hierzu auch oben unter A. II. 1. a). 248 Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2006:523, Rz. 55; dies., Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2006:520, Rz. 58. 249 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 26; zudem GA Alber, Schlussanträge v. 29.6.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:351, Rz. 69; unten unter A. II. 2. c) aa). 250 Vgl. auch Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 27; a. A. im Ver­ fahren die Europäische Kommission sowie einige Mitgliedstaaten, vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2006:523, Rz. 46; dies., Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2006:520, Rz. 51.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Seite und nichtkommerziell motivierten und folglich nichtwirtschaftli­ chen Tätigkeiten auf der anderen Seite vornimmt.251 Als Beleg verweist Tiedtke auf die Urteilsbegründung und interpretiert diese dahingehend, dass der EuGH einen wirtschaftlichen Charakter der Versteigerung ver­ neint habe, weil die ihr zugrundeliegende Nutzung der UMTS-Lizenzen nicht mit dem Ziel verfolgt wurde, Einnahmen zu erzielen.252 Träfe die­ ses zu, ergäben sich daraus weitgehende Konsequenzen für die steuerli­ che Behandlung der öffentlichen Hand. Denn diese verfolgt regelmäßig im Rahmen der ihr obliegenden Aufgaben sowie mit ihren Ausgangsleis­ tungen öffentliche und keine kommerziellen Zwecke. Der Umfang der Tätigkeiten, mit denen die öffentliche Hand als Steuersubjekt dem Mehrwertsteuerrecht unterliegen könnte, wäre folglich noch einmal er­ heblich eingeschränkt. Der Prüfungsaufbau des EuGH legt jedoch eine andere Deutung seiner Urteile nahe. So werden in diesen zunächst die allgemeinen Grundsätze einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Fall der Nutzung eines Gegenstandes dargelegt.253 Daran anknüpfend bemüht sich der EuGH zu begründen, warum im konkreten Fall die Behörde die Funkfrequenzen gerade nicht nutze,254 also nicht wie ein Wirtschaftsteilnehmer am relevanten Markt teilnehme.255 Aus seiner Sicht vollziehe sie mit der Erteilung von Lizen­ zen nur eine vorbereitende Maßnahme für die spätere Nutzung durch private Wirtschaftsteilnehmer.256 Auf diesem Wege gelangt der EuGH zu dem Ergebnis, dass mit der Versteigerung keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wurde. Erst danach geht er in einem zweiten Schritt dazu über, verbleibende Anhaltspunkte, die noch gegen sein Ergebnis angeführt werden könnten, zu erörtern. So ist die Zahlung eines Entgelts typisch für wirtschaftliche Vorgänge, so dass darauf stützend die Versteigerung als wirtschaftlicher Vorgang im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL ge­ deutet werden könnte. Hierzu nimmt der EuGH dahingehend Stellung, 251 Tiedtke, UR 2007, 718 (719). 252 Vgl. Tiedtke, ebenda mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 44–46; im Anschluss an diese Inter­ pretation der Ausführungen des EuGH geht Tiedtke jedoch im Ergebnis zutreffend darauf ein, warum die Begründung des EuGH nicht überzeugt. 253 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 26–32; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 32–38. 254 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 36; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 42. 255 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 37; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 43. 256 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 36; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 42.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

dass die Zahlung eines Entgelts allein nicht ausreicht, um die Wirtschaft­ lichkeit einer Tätigkeit zu begründen.257 Diesen Grundsatz bestätigt der EuGH in zwei späteren Urteilen, in denen er auf seine Ausführungen zu der Rechtssache Hutchison 3G verweist.258 Damit stellt für den EuGH ein Entgelt keine hinreichende Bedingung für eine wirtschaftliche Tätig­ keit dar. Daraus lässt sich aber im Umkehrschluss nicht ableiten, dass die Erzielung von Einnahmen der Zweck bzw. das Motiv einer wirt­ schaftlichen Tätigkeit sein muss.259 Folglich lässt sich aus den Urteilen des EuGH nicht ableiten, dass dieser nunmehr eine kommerzielle Moti­ vation generell als konstitutives subjektives Element einer wirtschaftli­ chen Tätigkeit der öffentlichen Hand fordert. (3) Keine wirtschaftliche Monopolstellung der öffentlichen Hand Der EuGH beurteilt in den beiden Verfahren die Zuteilung von Lizenzen nicht als Nutzung eines Gegenstandes zur Erzielung von Einnahmen.260 Denn die Behörde nehme mit der Erteilung nicht wie ein Wirtschaftsteil­ nehmer am Markt teil.261 Vielmehr sei die Erteilung der Lizenzen eine „notwendige Vorbedingung“ für eine spätere Nutzung und demnach würde die Behörde gerade nicht wie andere Teilnehmer am Markt auftre­ ten.262 Insbesondere könne die Tätigkeit der Erteilung von Lizenzen nicht mit dem Weiterverkauf erworbener Lizenzen verglichen werden,263 der eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen würde. Diese Ausführungen könnten sich dahingehend verallgemeinernd zusammenfassen lassen, dass der EuGH eine wirtschaftliche Tätigkeit durch öffentlich-rechtliche Einrichtungen dann für ausgeschlossen hält, wenn diese mit der Leistung

257 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 39; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 45. 258 EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 21; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 38. 259 So aber Tiedtke, UR 2007, 718 (719 f.). 260 Vgl. insb. EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u.  a.), EU:C:2007:382, Rz. 36; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 42. 261 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 36 f.; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 42 f. 262 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 36; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 42. 263 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 37; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 43.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

nicht auf einem Markt im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsteilneh­ mern auftritt.264 Für eine solche Schlussfolgerung spricht insbesondere, dass der EuGH für seine Begründung auf das Handeln anderer Wirtschaftsteilnehmer abstellt. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die wirtschaftliche Tätigkeit in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL typologisch zu verstehen ist265 und damit das Abstellen auf andere Wirtschaftsteilnehmer insbesondere zum Zweck des Vergleichs erfolgt und nicht zur Prüfung, ob denn ein Wettbewerb vor­ liegt. Wie oben erörtert, fordert der EuGH für eine wirtschaftliche Tätig­ keit das Auftreten am Markt bzw. ein Verhalten wie andere Wirtschafts­ teilnehmer.266 Vor diesem Hintergrund kommt der EuGH folglich nicht mangels einer Wettbewerbslage zu dem Ergebnis, dass die Veräußerung der UMTS-Lizenzen keine wirtschaftliche Tä­tigkeit sei. Diese Beurteilung beruht vielmehr darauf, dass in dem zu entscheidenden Fall aus Sicht des EuGH die Einrichtung des öffentlichen Rechts in Bezug auf die Wertungen des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL nicht eine Tätigkeit ausübt, die mit einem typischen wirtschaftlichen Handeln vergleichbar wäre. Diese Annahme findet sich auch in der Prüfung des EuGH bestätigt. So geht dieser zunächst darauf ein, ob ein Gegenstand zur Erzielung von Einnahmen genutzt wird und kommt am Ende zu dem Ergebnis, dass hier gerade keine (typisch wirtschaftliche) Nutzung wie bei anderen Marktteilnehmern vorliege.267 Des Weiteren hat der EuGH in der späte­ ren Rechtssache Götz die wirtschaftliche Tätigkeit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts bejaht,268 obwohl er bei der Prüfung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL zu dem Ergebnis gelangt, dass mangels privater Konkurrenz keine Wettbewerbsverzerrungen zu befürchten seien.269 Da­ mit kam es für die wirtschaftliche Tätigkeit nach Art. 9 Abs. 1 MwStSyst­ RL in diesem Fall nicht darauf an, ob eine Wettbewerbslage vorliegt oder nicht.270 Vielmehr reichte hierfür, dass es sich um eine nach Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL typische Tätigkeit handelt.271 264 Vgl. Burgmeier, UR 2007, 611 (612); ähnlich Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 27. 265 Vgl. hierzu Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 33. 266 EuGH, Urt. v. 15.9.2011 – Rs. C-180/10 (Slaby u. a.), EU:C:2011:589, Rz. 39; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-263/11 (Rēdlihs), EU:C:2012:497, Rz. 36; Urt. v. 9.7.2015 – Rs. C-331/14 (Trgovina Prizma), EU:C:2015:456, Rz. 24; vgl. zum Nachhaltigkeits­ begriff oben unter A. II. 1. a) bb). 267 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 31–38; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 37–44. 268 EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 19. 269 EuGH, a. a. O., Rz. 44. 270 Vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 32 (Stand: Aug. 2013). 271 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 18 f.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Damit bleibt festzuhalten, dass aus Sicht des EuGH es für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand unerheblich ist, ob diese mit einer Tätigkeit in Konkurrenz zu privaten Wirtschaftsak­ teuren tritt. Mit Blick auf den Charakter der Mehrwertsteuer als eine allgemeine Verbrauchsteuer, nach der auch im Rahmen einer Monopol­ tätigkeit erbrachte Leistungen grundsätzlich belastungswürdige private Vermögensverwendungen initiieren können, ist dieser Sicht auch inhalt­ lich zuzustimmen. (4) Keine rechtliche Monopolstellung der öffentlichen Hand Henkow interpretiert die Ausführungen des EuGH dahingehend, dass da­ nach eine wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand nur dann mög­ lich sei, wenn diese auch von privaten Wirtschaftsteilnehmern ausgeübt werden könne.272 Ausgangspunkt dieser Annahme ist der Hinweis des EuGH, dass die Vergabe der Lizenzen allein durch die zuständige Regu­ lierungsbehörde erfolgen kann. Die privaten Wirtschaftsteilnehmer hin­ gegen können die Lizenzen nur nutzen.273 Die Zuordnung der Kompetenz zur Vergabe der Lizenzen beruht dabei auf einer nationalen gesetzlichen Regelung. Daraus zieht Henkow den Schluss, dass infolge dieser Recht­ sprechung bereits nationale Kompetenzvorgaben die Nichtwirtschaft­ lichkeit der Tätigkeit der öffentlichen Hand anordnen können.274 In die­ sem Fall bestünde für die Mitgliedstaaten grundsätzlich die Möglichkeit, durch entsprechende Kompetenzvorgaben zu verhindern, dass die öffent­ liche Hand mit einer ihrer Tätigkeiten dem Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts unterliegt. Damit wird jedoch sowohl das ausdif­ ferenzierte System zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen in Art. 13 MwStSystRL durch nationales Recht ausgehebelt als auch der weite Anwendungsbereich der Mehrwertsteuersystemrichtlinie unter­ laufen.275 Vor diesem Hintergrund sollte der Frage, ob auch ein anderer Marktteil­ nehmer eine vergleichbare Tätigkeit in rechtlicher Hinsicht ausüben kann bzw. darf, keine Relevanz für die Bestimmung des wirtschaftlichen Charakters einer Tätigkeit der öffentlichen Hand zukommen. Diese Vor­ gabe gilt umso mehr mit Blick auf den Belastungsgrund der Mehrwert­ steuer.276 Denn diese zielt auf die Besteuerung von privaten Vermögens­ verwendungen ab. Ob der entsprechende Verbrauch durch den Inhaber 272 Vgl. hierzu und zum Folgenden Henkow, The VAT/GST treatment of public bo­ dies, S. 27 f. 273 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 36 ff. 274 Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 27. 275 Vgl. Henkow, a. a. O., S. 28. 276 Vgl. hierzu oben unter A. I. 2.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

einer rechtlichen Monopolstellung initiiert wird, ist hierfür ohne Bedeu­ tung. Allerdings ist grundsätzlich nicht zu befürchten, dass aus Sicht des EuGH nunmehr allein eine rechtliche Monopolstellung des Staates aus­ reicht, um den wirtschaftlichen Charakter einer Tätigkeit zu vermeiden. Denn der EuGH hat in der später entschiedenen Rechtssache Götz auf der einen Seite einen Wettbewerb mit privaten Marktteilnehmern ausge­ schlossen, weil eine öffentlich-rechtliche Einrichtung eine rechtliche Monopolstellung innehatte.277 Gleichwohl bejaht er in seiner Urteilsbe­ gründung zuvor die Frage nach der Ausübung einer wirtschaftlichen Tä­ tigkeit.278 Daraus lässt sich schließen, dass auch aus Sicht des EuGH der Umstand, dass eine Tätigkeit nach den rechtlichen Vorgaben auch von einem privaten Wirtschaftsteilnehmer ausgeübt werden kann, grund­ sätzlich kein allgemeines Merkmal für eine wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand darstellt.279 (5) Abschließende Betrachtungen zu den Urteilen Hutchison 3G und T-Mobile Austria Aus den beiden Urteilen in den Rechtssachen Hutchison 3G280 und ­ -Mobile Austria281 lassen sich, wie gezeigt, weder ein nachhaltiger Wan­ T del in der Rechtsprechung des EuGH zur Ausübung einer wirtschaftli­ chen Tätigkeit durch die öffentliche Hand noch weitere Voraussetzun­ gen hierfür ableiten. Unbeantwortet blieb dabei allerdings bisher die Frage, wie die beiden Entscheidungen selbst im Lichte des Richtlinien­ rechts und der Rechtsprechungsgrundsätze des EuGH zum Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit zu beurteilen sind. Der EuGH hat mit seinen Ausführungen in den beiden Urteilen zum Merkmal der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit für erhebliche Verwirrungen gesorgt, die insbesondere anhand der oben untersuchten vermeintlichen neuen Voraussetzungen deutlich werden. So eröffneten die Urteile einen Interpretationsspielraum, der zu rechtlichen Schluss­ folgerungen verleitet, welche sich, wie hier im Rahmen der Untersu­ chung gezeigt, teilweise nur mit viel Aufwand und bei genauer Betrach­ tung der bisherigen Rechtsprechung sowie unter Berücksichtigung nachfolgender Urteile des EuGH widerlegen lassen. Der EuGH muss sich daher den Vorwurf gefallen lassen, mit einer verkürzten und missver­ 277 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 44. 278 EuGH, a. a. O., Rz. 19. 279 Einschränkend sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine rechtliche Monopolstellung geeignet ist, das Vorliegen von Wettbewerbsverzerrungen zu ver­ meiden. Denn diese können wiederum grundsätzlich einer Anwendung der Be­ freiungsregelung des Art. 13 I MwStSystRL entgegenstehen, vgl. hierzu Art. 13 I ii MwStSystRL sowie unten unter A. II. 2. c) cc) (1) (b). 280 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382. 281 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

ständlichen Begründung seiner Urteile solche im Ergebnis unzutreffen­ den Schlussfolgerungen provoziert und damit zu Rechtsunsicherheiten im Bereich der steuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand beigetra­ gen zu haben. Hinzu kommt, dass der EuGH in seinen beiden Urteilen erheblich von den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott ab­ weicht.282 Gerade aus diesem Grund wäre es empfehlenswert gewesen, dass der EuGH seine eigene rechtliche Sicht ausführlicher darlegt und dabei zu den besonderen Umständen der Handelns der öffentlichen Hand dahingehend Stellung bezieht, wie diese im konkreten Fall und auch im Allgemeinen aus mehrwertsteuerrechtlicher Sicht zu würdigen seien. So wirken zum Beispiel seine Äußerungen zur Ausübung einer marktregu­ lierenden Tätigkeit durch eine Behörde eher kryptisch als klarstellend.283 Des Weiteren vermögen die Ausführungen des EuGH zu der Frage, ob die Versteigerung von Konzessionen zur Nutzung der UMTS-Funkfrequenzen einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL entspricht, inhaltlich ebenfalls nicht zu überzeugen. So beruht seine ab­ lehnende Haltung insbesondere darauf, dass es sich bei der Versteigerung nicht um eine typische Nutzung von Funkfrequenzen handele und damit die Nutzung eines Gegenstandes zur Erzielung von Einnahmen gem. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MwStSystRL ausgeschlossen sei.284 Dabei definiert er als typische Nutzung allein die Erbringung von Mobilfunk­ dienstleistungen, nicht aber die behördliche Vergabe von Konzessionen und die damit verbundene zeitliche Einräumung des Rechts zur Nutzung dieser Konzessionen.285 Dass allerdings auch die zeitweise Übertragung des Nutzungsrechts an den Funkfrequenzen einer im wirtschaftlichen Geschäftsverkehr üblichen Nutzung entsprechen kann, wird mit glei­ cher Berechtigung nachvollziehbar von der Generalanwältin Kokott erör­ tert.286 Hinzu kommt, dass die Nutzung eines Gegenstandes nur eine von zwei im Richtlinienrecht genannten Möglichkeiten der Ausübung einer 282 Vgl. die Ausführungen der GA Kokott zur Frage, ob die Versteigerung der UMTS-Lizenzen der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit entspricht, dies., Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2006:520, Rz. 42 ff.; Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u.  a.), EU:C:2006:523, Rz. 36 ff.; zur Bedeutung der Schlussanträge für das Verständnis von Urteilen des EuGH Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 18. 283 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 41; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 47 f. 284 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 38; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 44. 285 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382; Rz. 36 f.; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 39, 42 f. 286 Vgl. Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2006:523, Rz. 60 ff.; v. 7.9.2006 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2006:520,

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

wirtschaftlichen Tätigkeit darstellt. Denn weiterhin könnte sich der Staat bei der Versteigerung wie ein typischer Wirtschaftsakteuer im Sin­ ne des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL verhalten haben. Dies ist insbesondere der Fall, wenn aktive Schritte vorgenommen werden, um eine Tätigkeit marktüblich auszuüben.287 Der Staat verfügt mit dem Recht, die UMTS-Funkfrequenzen zu vergeben, über eine knappe Res­ source. Um diese entsprechend des Markpreises entgeltlich an andere Wirtschaftsteilnehmer zu überlassen, wird eine öffentliche Versteige­ rung durchgeführt. Es können sich mehrere Interessenten daran beteili­ gen, so dass die Konzessionen für die Funkfrequenzen im Rahmen eines marktüblichen Verfahrens gegen Entgelt vergeben werden. Damit unter­ nimmt der Staat im konkreten Fall aktive Schritte und verhält sich im Ergebnis marktüblich. Auf das Ziel der Regulierung kommt es wegen des objektiven288 Begriffs der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht an.289 ­Damit stellt die Versteigerung von Konzessionen für die Nutzung von UMTS-Funkfrequenzen richtigerweise eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL dar. Ob es sich dabei letztlich um einen Fall des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 oder S. 2 MwStSystRL han­ delt, kann insoweit dahinstehen. In der Gesamtschau der beiden Urteile lässt der EuGH bei diesen zwei innere Zielrichtungen erkennen. Auf der einen Seite bemüht sich der EuGH um eine systematische Prüfung und um eine konsistente Recht­ sprechung. So stellt er zum Beispiel entgegen der Reihenfolge der Vorla­ gefragen die Prüfung der wirtschaftlichen Tätigkeit für die Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht an den Anfang.290 Zudem greift er auf sei­ ne bisherigen Grundsätze zur Bestimmung des objektiven Begriffs der wirtschaftlichen Tätigkeit zurück.291 Auf der anderen Seite wirkt die Prü­ Rz. 63 ff.; insoweit zustimmend auch Cordewener, UR 2006, 673 (675 f.); Tiedtke, UR 2006, 685 (686). 287 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.9.2011 – Rs. C-180/10 (Slaby u. a.), EU:C:2011:589, Rz. 39; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-263/11 (Rēdlihs), EU:C:2012:497, Rz. 36; Urt. v. 9.7.2015 – Rs. C-331/14 (Trgovina Prizma), EU:C:2015:456, Rz. 24. 288 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 8; Urt. v. 21.2.2006 – Rs. C-223/03 (University of Huddersfield), EU:C:2006:124, Rz. 47; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-263/11 (Rēdlihs), EU:C:2012:497, Rz. 28; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 14 (Stand: Aug. 2013). 289 Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2006:523, Rz. 48; Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2006:520, Rz. 53. 290 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 26; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 32. 291 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 28–32; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 34–38.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

fung, ob im vorliegenden Sachverhalt die Nutzung eines Gegenstandes zur Erzielung von Einnahmen erfolgt, von dem Ziel geprägt, die Aus­ übung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Ergebnis abzulehnen.292 So wird dabei insbesondere die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Nutzung von Funkfrequenzen auf die Erbringung von Mobilfunkleistungen be­ schränkt, ohne dass hierfür eine nähere Begründung erfolgt. Demgegen­ über hat die GA Kokott ausführlich erörtert und dargelegt, warum nicht nur die Erbringung von Mobilfunkleistungen, sondern auch die Verstei­ gerung eine wirtschaftliche Nutzung von Funkfrequenzen darstellen kann.293 Mit dieser Sicht setzt sich der EuGH jedoch in keiner Weise aus­ einander.294 In Ansehung dieser beiden Zielrichtungen ist auch im Rahmen der Beur­ teilungen der beiden Entscheidungen zu trennen. Auf der einen Seite sind die in der Urteilsbegründung der eigentlichen Subsumtion des Sach­ verhalts voranstehenden abstrakten Ausführungen295 als Bestätigung ei­ ner um Systematik und Rechtssicherheit bemühten Rechtsprechung zu betrachten. Auf der anderen Seite empfiehlt es sich, den Ausführungen

292 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Behandlung der Versteigerung als einen steuerpflichtigen Vorgang erhebliche staatliche Mindereinnahmen bedeutet hät­ te, vgl. hierzu oben unter A. II. 1. a) cc). Bei einem Erlös von rund 25,56 Mrd. f (50 Mrd. DM) wäre das für den deutschen Staat zum Beispiel eine Minderung von knapp 3,58 Mrd. f (7 Mrd. DM) gewesen, vgl. Burgmeier, UR 2007, 611 (612). Zwar kommt die GA Kokott in ihren Schlussanträgen ebenfalls zu dem Endergebnis, dass die Versteigerung wegen der Anwendung der Befreiungsvorschrift des Art. 4 V der 6. EG-RL (Art. 13 I MwStSystRL) keinen steuerpflichtigen Vorgang darstellt. Dabei verneinte sie, dass es sich bei der Versteigerung um eine Tätigkeit im Be­ reich des Fernmeldewesens im Sinne des Anhangs D Nr. 1 der 6. EG-RL (Telekom­ munikationswesen in Anhang I Nr. 1 MwStSystRL) handele und somit auch nicht zwingend gem. Art. 4 V iii der 6. EG-RL (Art. 13 I iii MwStSystRL) als eine die per­ sönliche Steuerpflicht begründende Tätigkeit zu behandeln sei, vgl. hierzu dies., Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2006:523, Rz. 96. Diese rechtliche Beurteilung war jedoch begründungsaufwendig und letzt­ lich sehr umstritten, vgl. z. B. Cordewener, UR 2006, 673 (676 ff.); Tiedtke, UR 2006, 685 (686 f.). So hatte das Ergebnis des EuGH, bereits eine wirtschaftliche Tätigkeit zu verneinen, den Vorteil, dass dieser für die Behandlung der Versteige­ rung als nicht steuerbaren Vorgang nicht auf die komplexe Befreiungsregelung zu­ gunsten der öffentlichen Hand zurückgreifen musste, vgl. zur Veranschaulichung hier nur die Ausführungen der GA Kokott, a. a. O., Rz. 74 ff. 293 Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2006:523, Rz. 60 ff.; Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2006:520, Rz. 63 ff. 294 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 33, 36 ff.; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u.  a.), EU:C:2007:381, Rz. 39, 42 ff. 295 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 28–32, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 34–38.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

im Rahmen der konkreten Subsumtion des Sachverhalts296 sowie zur Ab­ sicherung des rechtlichen Ergebnisses297 keine über diesen Einzelfall hin­ ausgehende Bedeutung beizumessen. Diese Einschätzung spiegelt sich auch in den Ergebnissen der voranstehenden Untersuchung zu mögli­ chen weiteren Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand wider. b) Selbständigkeit Nach Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL muss eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausgeübt werden. Eine die persönliche Steuerpflicht aus­ schließende nichtselbständige wirtschaftliche Tätigkeit wird in der Re­ gel von Arbeitnehmern ausgeübt, die damit grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts fallen.298 Diese Ein­ schränkung des Anwendungsbereichs findet sich in Art. 10 MwStSystRL wieder, der inhaltlich eine negative Abgrenzung der selbständigen Tätig­ keit zu der nichtselbständigen Tätigkeit eines Arbeitnehmers vor­ nimmt.299 Aufgrund der an dem Typus eines Arbeitnehmers300 orientier­ ten und damit auf natürliche Personen ausgerichteten Abgrenzung des Art. 10 MwStSystRL entfalten diese Voraussetzungen für die Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige grundsätzlich keine bedeuten­ de einschränkende Wirkung. Denn deren Einheiten besitzen grundsätz­ lich die Rechtsform einer juristischen Person und sind damit regelmäßig selbständig tätig.301 Von Bedeutung ist das Merkmal Selbständigkeit für die umsatzsteuerli­ che Behandlung der öffentlichen Hand gleichwohl zum einen für die Fra­ ge, ob eine Privatperson, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, als unselbständiger Erfüllungsgehilfe der öffentlichen Hand zu beurteilen ist oder nicht. Denn wird die Privatperson nicht selbständig tätig, könnte die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand zugerechnet werden. Dies würde für die öffentliche Hand grundsätzlich zur Begründung der 296 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 33–38; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 39–44. 297 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 39–42; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 45–48. 298 Vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 18 (Stand: Aug. 2013). 299 Vgl. Reiß in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 33 (Stand: März 2013); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 130 (Stand: Juli 2014); Blankenheim, „Steuer­ pflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, S. 233 f., der von ei­ ner typologischen Bestimmung der Selbständigkeit ausgeht. 300 Blankenheim, ebenda. 301 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 39.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

persönlichen Steuerpflicht nach Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL führen. Da­ mit hat die öffentliche Hand die Möglichkeit, über die Ausgestaltung eines Arbeitsverhältnisses die eigene Steuerpflichtigeneigenschaft zu vermeiden oder herbeizuführen. Zum anderen entscheidet sich anhand des Merkmals der Selbständig­ keit, ob und inwieweit Untereinheiten einer Einrichtung des öffentli­ chen Rechts bei Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit selbst als Steuerpflichtige behandelt werden können.302 Denn die Steuerpflichti­ geneigenschaft scheitert nicht bereits an ihrer fehlenden Rechtsper­ sönlichkeit.303 Als solche Einheiten kommen zum Beispiel Schulen, ­Kindergärten oder Kulturzentren in Betracht. Die Selbständigkeit von Untereinheiten einer Einrichtung des öffentlichen Rechts entscheidet sich nach vergleichbaren Kriterien wie bei natürlichen Personen.304 Maß­ geblich ist danach, ob ein Unterordnungsverhältnis besteht.305 Als Krite­ rien kommen damit vor allem in Betracht, ob die Untereinheit die wirt­ schaftliche Tätigkeit im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ausübt und ob sie das wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit trägt.306 Gegen ein eigenes wirtschaftliches Risiko spricht insbesondere, wenn die Unterein­ heit in den Haushalt einer Einrichtung des öffentlichen Rechts eingebun­ den ist. Denn so verwendet sie nur fremde Vermögenswerte und auch die Einnahmen und Ausgaben betreffen nicht die Untereinheit selbst, son­ dern die Einrichtung des öffentlichen Rechts.307 Darüber hinaus besteht nach Art. 11 MwStSystRL die Möglichkeit, dass mehrere Steuerpflichtige gemeinsam als ein Steuerpflichtiger behandelt werden.308 Auf diesem Wege können grundsätzlich selbständige Steuer­ pflichtige vom Grundsatz abweichend als nichtselbständig und damit als Nichtsteuerpflichtige behandelt werden.309 Allerdings handelt es sich um ein Wahlrecht zugunsten der Mitgliedstaaten, so dass die Umsetzung in nationales Recht nicht zwingend ist. Damit ließe sich eine allgemeine Bedeutung und Wirkung dieser Regelung für die Behandlung der öffentli­ chen Hand innerhalb der Europäischen Union nur mit Blick auf die je­ weiligen Umsetzungen in den Mitgliedstaaten untersuchen. Diese Ar­ beit beschränkt sich allerdings darauf, die Bedeutung und Wirkung der unionsrechtlich eingeräumten Möglichkeit exemplarisch anhand des nationalen Rechts zu untersuchen. Denn in diesem wurde mit dem 302 EuGH, Urt. v. 29.9.2015 – Rs. C-276/14 (Gmina Wrocław), EU:C:2015:635, Rz. 32. 303 EuGH, a. a. O., Rz. 28. 304 EuGH, a. a. O., Rz. 35. 305 EuGH, a. a. O., Rz. 33. 306 EuGH, a. a. O., Rz. 34. 307 EuGH, a. a. O., Rz. 37 f. 308 Vgl. hierzu Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 21 f. (Stand: Aug. 2013). 309 Vgl. z. B. § 2 II Nr. 2 UStG.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Rechtsinstitut der Organschaft in § 2 Abs. 2 UStG von der in Art. 11 MwSt­ SystRL vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht.310 c) Zusammenfassung Auf den ersten Blick finden sich im Grundtatbestand zur persönlichen Steuerpflicht in Art. 9 MwStSystRL keine besonderen Vorgaben für die Behandlung der öffentlichen Hand. Allerdings führt bereits die Voraus­ setzung der Ausübung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu einem weitgehenden und unumkehrbaren Ausschluss der öffentlichen Hand mit ihren Tätigkeiten vom Anwendungsbereich des Mehrwert­ steuerrechts. Denn die öffentliche Hand verfolgt in der Regel mit ihrem Vorgehen öffentliche und keine wirtschaftlichen Interessen. Zwar ist der Zweck der Tätigkeit unbeachtlich, aber die Motivation schlägt sich auch in der Art und der Ausgestaltung ihres Handelns wieder. Wegen dieser Ausgangssituation kommt es gerade bei der öffentlichen Hand zu schwie­ rigen Abgrenzungsfragen, die es unter Heranziehung der allgemeinen De­ finitionen und Grundsätze zu beantworten gilt. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Rechtsprechung des EuGH für die Auslegung des Art. 9 MwStSystRL sowie auch speziell für die wirt­ schaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand von hervorgehobener Bedeu­ tung ist. Dabei gilt es jedoch, die Ausführungen im Kontext der Grund­ prinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts zu beleuchten und von einer zu voreiligen Verallgemeinerung von einzelnen Aussagen des EuGH abzusehen. Soweit sich dieser jedoch unmissverständlich positio­ niert, kommt selbst einem unzutreffenden Ergebnis zumindest in der Rechtsanwendung eine maßgebliche Relevanz zu. Bei der Beurteilung über das Vorliegen einer persönlichen Steuerpflicht der öffentlichen Hand anhand der allgemeinen Voraussetzungen besteht grundsätzlich die Gefahr, dass es zu einer Einschränkung des Anwen­ dungsbereichs der Mehrwertsteuer kommt, welche sich zu Lasten der Gleichmäßigkeit der Besteuerung auswirkt. So kann ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil priva­ ter Wirtschaftsteilnehmer führen, ohne dass insoweit zugunsten dieser bzw. des Wettbewerbs ein besonderer Schutzmechanismus besteht. Da­ her sind die Voraussetzungen für eine selbständige wirtschaftliche Tätig­ keit zugunsten einer persönlichen Steuerpflicht der öffentlichen Hand grundsätzlich weit auszulegen.

310 Vgl. unten unter B. II. 1. b) cc).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Der EuGH fordert für eine wirtschaftliche Tätigkeit eine nachhaltige Leistungserbringung gegen Entgelt.311 Handelt es sich bei einer ausgeüb­ ten Tätigkeit folglich nicht um eine Leistung im Sinne des Mehrwert­ steuerrechts oder steht dieser kein Entgelt gegenüber, wird hierdurch keine persönliche Steuerpflicht begründet. Soweit Tätigkeiten der öf­ fentlichen Hand durch öffentliche Mittel zumindest teilweise finanziert werden, kann dies wegen der insoweit verfehlten, gleichwohl in der Rechtsanwendung zu berücksichtigenden Rechtsprechung des EuGH dazu führen, dass eine Zahlung des Leistungsempfängers kein Entgelt im Sinne des Mehrwertsteuerrechts darstellt. Hierdurch erlangt die öffentli­ che Hand ein gewisses Gestaltungspotenzial, ihre Behandlung als Steuer­ subjekt zu vermeiden oder zu begründen. Insgesamt führen bereits diese Anforderungen an eine wirtschaftliche Tätigkeit dazu, dass die öffentli­ che Hand mit einer Vielzahl ihrer Tätigkeiten aus dem Anwendungsbe­ reich der Mehrwertsteuer ausgeschlossen ist.312 Das Kriterium der Nachhaltigkeit begrenzt den Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts, indem es insbesondere gelegentlich ausgeübte Tätigkeiten nicht miteinbezieht. Mit dem Merkmal wird der freiheits­ schonenden Auferlegung von steuerlichen Pflichten Rechnung getragen. Obwohl die öffentliche Hand insoweit weniger schutzwürdig ist als Pri­ vatpersonen, so rechtfertigt doch insbesondere die Erwägung der steuer­ lichen Effizienz auch für sie eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige bei Ausübung einer nicht nachhaltigen Tätigkeit. Der grundsätzlichen Bedeutung entsprechend gilt dieses Merkmal für alle Tätigkeiten und ist damit eine konstitutive Voraussetzung für ihren wirtschaftlichen Cha­ rakter. Obwohl die Rechtsprechung des EuGH auf den ersten Blick eine abweichende Sicht erkennen lassen könnte, ist keine objektive Einnah­ meüberschussmöglichkeit mit dem Erfordernis der Nachhaltigkeit ver­ bunden. Die EuGH-Urteile Hutchison 3G313 und T-Mobile Austria314 haben nicht nur wegen der damit verbundenen Streitsumme, sondern auch wegen ihres Inhalts besondere Aufmerksamkeit erlangt. Entgegen Stimmen in der Literatur lassen sich aus diesen Entscheidungen jedoch keine grund­ legenden allgemeinen Aussagen für die Besteuerung der öffentlichen Hand ableiten. Vielmehr bleibt der EuGH auch in diesen Urteilen seiner bisherigen Rechtsprechung zu dem Merkmal der wirtschaftlichen Tätig­ keit treu. Gleichwohl bieten die Urteile Anlass für mannigfaltige Kritik. 311 Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 18; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 37. 312 So auch Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (342); für interkommunale Kooperationen Englisch, UR 2013, 570. 313 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382. 314 EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Die selbständige Ausübung einer Tätigkeit stellt für die steuerliche Be­ handlung der öffentlichen Hand selbst kein Merkmal von hervorgehobe­ ner Bedeutung dar. Gleichwohl bietet es für die öffentliche Hand zum einen die Möglichkeit, über die Gestaltung eines Arbeitsverhältnisses Einfluss auf die eigene steuerliche Behandlung zu nehmen. Zum anderen können nach Art. 11 MwStSystRL die Mitgliedstaaten Regelungen erlas­ sen, nach denen mehrere Steuerpflichtige als ein einziger Steuerpflichti­ ger behandelt werden. Ob und inwieweit es danach zu einer Einschrän­ kung oder zu einer Ausweitung der Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige kommen kann, soll daher im Zusammenhang mit der Untersuchung des nationalen Umsatzsteuerrechts erfolgen. 2. Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht (Art. 13 MwStSystRL) Im Rahmen der Untersuchung des Grundtatbestandes für die persönliche Steuerpflicht zeigte sich, dass bereits nach dieser ersten Prüfungsstufe die öffentliche Hand mit einer Vielzahl ihrer Tätigkeiten nicht als Steu­ ersubjekt dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegt. Viel­ mehr dürfte insgesamt nur ein geringer Teil ihrer ausgeübten Tätigkeiten eine nachhaltige Erbringung von Leistungen gegen Entgelt darstellen und damit eine persönliche Steuerpflicht begründen.315 Gleichwohl sieht das Unionsrecht mit Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL darüber hinaus auf einer zweiten Prüfungsstufe unter bestimmten Voraussetzungen eine Befrei­ ung von der persönlichen Steuerpflicht für Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts vor. Damit stellt die Regelung eine Ausnahme zum Grundtatbestand der persönlichen Steuer­ pflicht nach Art. 9 MwStSystRL dar und befreit, soweit einschlägig, Ein­ heiten der öffentlichen Hand von der Behandlung als Steuersubjekt. Al­ lerdings unterliegt dabei die Befreiungsregelung wieder selbst einer Ausnahmeregelung. Denn so ist eine Behandlung als Nichtsteuerpflich­ tige nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL ausgeschlossen, wenn die Voraus­ setzungen des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 oder 3 MwStSystRL zum Schutz des Wettbewerbs vorliegen. Diese Regelung wirkt damit als Rückausnah­ me und führt dazu, dass die persönliche Steuerpflicht nach Art. 9 MwSt­ SystRL wiederauflebt bzw. bestehen bleibt. Ziel ist es im Folgenden, die Voraussetzungen des Art. 13 MwStSystRL, unter denen es nach dem Unionsrecht zu einer Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht kommt, eingehend zu untersu­ chen. Zu diesem Zweck wird zunächst in einem ersten Schritt auf die historische Entwicklung der Befreiungsvorschrift eingegangen. Dabei 315 Vgl. Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (342); für interkommunale Kooperationen Englisch, UR 2013, 570.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

soll insbesondere versucht werden, die für ihre Ausgestaltung maßgeb­ lichen Erwägungen des Richtliniengebers herauszuarbeiten. Weiterhin dient die Behandlung der Historie mit Blick auf die weitere Untersu­ chung der gegenwärtigen Rechtslage und möglicher Reformmodelle dazu, ein grundlegendes Verständnis für die Ausgestaltung der Befrei­ ungsregelung im Richtlinienrecht zu vermitteln. In einem zweiten Schritt gilt es sodann, die einzelnen Merkmale des Grundtatbestandes der Befreiungsregelung in Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL zu behandeln. Im dritten Schritt werden abschließend die Einschränkungen dieser Ausnah­ meregelung, die sich aus Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 MwStSystRL ergeben, untersucht. a) Historische Entwicklung der Befreiungsregelung Die historische Entwicklung der Befreiungsregelung im harmonisierten Mehrwertsteuerrecht lässt sich in drei Stufen einteilen.316 So erfolgte zu­ nächst die Einführung eines gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts mit Erlass der Ersten und Zweiten Richtlinie am 11. April 1967 durch den Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1. und 2. EWG-RL).317 Eine zweite Stufe stellt die Sechste Richtlinie dar, die am 17. Mai 1977 vom Rat der Europäischen Gemeinschaften erlassen wurde (6. EG-RL).318 Diese wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2007 durch die nunmehr gelten­ de Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Europäischen Union ersetzt. Für die Untersuchung der historischen Entwicklung der Befreiungsregelung werden folglich sowohl die 1. und 2. EWG-RL als auch die 6. EG-RL da­ hingehend zu untersuchen sein, ob und inwieweit sich bereits in diesen besondere Bestimmungen zur Behandlung der öffentlichen Hand mit ih­ ren Tätigkeiten als Steuerpflichtige finden lassen. aa) Besondere Vorgaben für die öffentliche Hand in der 1. und 2. EWG-RL In der ersten der beiden am 17. Mai 1977 erlassenen Richtlinien zur Har­ monisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Mehr­ wertsteuer wurden die Einführung und die zentralen Ziele eines harmo­ nisierten Mehrwertsteuerrechts bestimmt. Zu diesen Zielvorgaben gehörte zum Beispiel, dass der Preis die steuerliche Berechnungsgrundla­ 316 Vgl. zum Richtlinienrecht als Grundlage des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts oben unter A. I. 1. 317 RL 67/227/EWG v. 11.4.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mit­ gliedstaaten über die Umsatzsteuer, ABl. P 71 v. 14.4.1967, S. 1301; RL 67/228/ EWG v. 11.4.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsa­ men Mehrwertsteuersystems, ABl. P 71 v. 14.4.1967, S. 1303. 318 RL 77/338/EWG v. 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mit­ gliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: ein­ heitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABl. L 145 v. 13.6.1977, S. 1.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

ge darstellen solle, jede Stufe eines mehrstufigen Bearbeitungsprozesses zu erfassen sei und ein Recht zum Vorsteuerabzug zu bestehen habe.319 Bestimmte Vorgaben zur persönlichen Steuerpflicht der öffentlichen Hand enthält die 1. EWG-RL hingegen nicht. In der 2. EWG-RL wurden weitere Vorgaben zur Struktur und zum Ver­ fahren für ein gemeinsames Mehrwertsteuerrecht festgelegt. Dabei las­ sen sich in ihren 21 Artikeln ebenfalls keine besonderen Vorgaben zur Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt finden. Zur allge­ meinen Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht heißt es in Art. 4 der 2. EWG-RL lediglich:320 Als „Steuerpflichtiger“ gilt, wer regelmäßig mit oder ohne Absicht, Gewinn zu erzielen, selbständig Leistungen erbringt, die zu den Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden gehören. Besondere Ausführungen zur Steuerpflicht der öffentlichen Hand finden sich jedoch im Anhang A der 2. EWG-RL. Dieser beinhaltet grundsätzli­ che Ausführungen und Erläuterungen zu einzelnen Artikeln der Richtli­ nie. Zur Regelung der Steuerpflicht in Art. 4 der 2. EWG-RL finden sich im Anhang A unter Nr. 2 insgesamt sechs Absätze, von denen die letzten beiden wie folgt lauten:321 Staat, Länder, Gemeinden und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts gelten grundsätzlich nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Falls sie jedoch Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden ausüben, können sie für diese Tätigkeiten als Steuerpflichtige gelten. Damit findet sich bereits in der 2. EGW-RL eine Grundregel zur Behand­ lung von Körperschaften des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichti­ ge. Maßgeblich ist dabei zum einen die Rechtsform, welche im Grund­ tatbestand zur Steuerpflicht in Art. 4 der 2. EWG-RL keine Rolle spielt. Allerdings nimmt die Ausnahmeregelung darüber hinaus Bezug auf den Charakter der ausgeübten Tätigkeiten. So wird darauf abgestellt, dass diese den Körperschaften des öffentlichen Rechts in ihrer besonderen Ei­ genschaft als Inhaber öffentlicher Gewalt obliegen. 319 Vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. MwStSystRL Rz. 1 (Stand: Juli 2011). 320 Mit dieser Regel sollen „alle wirtschaftlichen Tätigkeiten“ erfasst werden, vgl. Art. 2 der 2. EWG-RL sowie Nr. 2 Abs. 1 in Anhang A der 2. EWG-RL; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 55 (Stand: Juli 2014). 321 Gem. Art. 20 der 2. EWG-RL sind die Anhänge Bestandteile der Richtlinie; hierzu Stadie, a. a. O., § 2 Rz. 49 (Stand: Juli 2014).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Fraglich ist allerdings, ob die Behandlung von Körperschaften des öffent­ lichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige auf die Ausübung von im Rah­ men der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeiten beschränkt ist. Für ein solches Verständnis der Richtlinie spricht zunächst der Wortlaut, der den Bezug auf die Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt mit der einschränkenden Formulierung soweit einleitet. Etwas anderes könnte sich jedoch aus der Zusammenschau mit dem letzten Absatz der besonderen Regelung im Anhang A zur 2. EWG-RL ergeben. Danach können öffentlich-rechtliche Körperschaften als Steuerpflichtige behandelt werden, wenn ihre Tätigkeit die eines Erzeugers, Händlers oder Dienst­ leistenden entspricht. Demgegenüber besagt der Grundtatbestand zur persönlichen Steuerpflicht in Art. 4 Abs. 1 der 2. EWG-RL, dass sich die Behandlung als Steuersubjekt als zwingende Rechtsfolge für denjenigen ergibt, der Leistungen erbringt, die zu den Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden gehören. Während also für Privatperso­ nen bei Erfüllung dieser Merkmale die Behandlung als Steuerpflichtiger zwingend zu erfolgen hat, ist im letzten Absatz der Nr. 2 im An­ hang A der 2. EWG-RL die Behandlung von Körperschaften des öffentli­ chen Rechts als Steuerpflichtige nur als eine Option vorgesehen. Damit konnten die Mitgliedstaaten öffentlich-rechtliche Körperschaften als steuerpflichtig behandeln, mussten dies aber nicht. Demgegenüber be­ steht nach dem vorletzten Absatz der Nr. 2 im Anhang A zur 2. EWG-RL für die Mitgliedstaaten die zwingende Rechtsfolge zur Behandlung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige, wenn sie eine Tätigkeit ausübt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt ob­ liegt. Zusammengefasst ergibt sich aus der 2. EWG-RL, dass bereits die Rechts­ form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ausreicht, um nicht der persönlichen Steuerpflicht zu unterliegen.322 Diese Behandlung als Nichtsteuerpflichtige ist zwingend, wenn es sich um eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt handelt. Weitere Vorgaben zur Steuer­ pflicht der öffentlichen Hand, zum Beispiel, ob und inwieweit diese bei Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit als steuerpflichtig zu behan­ deln ist, befinden sich nicht in der Richtlinie. Damit konnten die Mit­ gliedstaaten insoweit frei darüber entscheiden, ob sie ihre Körperschaf­ ten des öffentlichen Rechts der Besteuerung unterwerfen oder nicht. bb) Besondere Vorgaben für die öffentliche Hand in der 6. EG-RL Mit Erlass der 6. EG-RL wurden die besonderen Vorgaben auf Gemein­ schaftsebene für die Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt

322 So auch Reimer, DStJG (32) 2009, S. 325 (337).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

in deutlichem Umfang geändert.323 Der endgültigen Fassung des Richtli­ nienrechts gingen zwei Vorschläge der Europäischen Kommission vor­ aus, die im Ergebnis nicht vollständig vom Rat der Europäischen Ge­ meinschaften als Richtliniengeber übernommen wurden. Vor diesem Hintergrund wird in einem ersten Schritt auf die Regelung in Form der finalen Fassung der erlassenen 6. EG-RL eingegangen, um dann ergän­ zend in einem zweiten Schritt auf die vorherigen Vorschläge der Kom­ mission einzugehen. Hierdurch soll die Entscheidungsfindung hin zum finalen Ergebnis skizziert werden, um damit einen Rückschluss auf die hierfür maßgeblichen Erwägungen und Motive zu ermöglichen. (1) Die Vorgaben in der 6. EG-RL Die besonderen Vorgaben zur persönlichen Steuerpflicht von nunmehr Einrichtungen anstatt Körperschaften des öffentlichen Rechts wurden innerhalb des Art. 4 der 6. EG-RL, der den Anwendungsbereich der per­ sönlichen Steuerpflicht bestimmt, wie folgt formuliert: (5) Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Die vorstehend genannten Einrichtungen gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist. Die Mitgliedstaaten können die Tätigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach Artikel 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Eine wesentliche Änderung besteht darin, dass die bisher im An­ hang A der 2. EWG-RL getroffenen besonderen Bestimmungen zur Steu­ erpflicht der öffentlichen Hand nunmehr in die Regelung zum persönli­ 323 Die zwischenzeitlich erlassenen 3., 4. und 5. EG-RL zur Harmonisierung des euro­ päischen Mehrwertsteuerrechts führten zu keinen Änderungen bzgl. der Steuer­ pflicht der öffentlichen Hand, vgl. Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unter­ nehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, S. 22.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

chen Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer aufgenommen wurden. Die Voraussetzungen für die Befreiung der Einrichtungen des öffentli­ chen Rechts von der persönlichen Steuerpflicht sind dabei allerdings weitgehend erhalten geblieben. So sind weiterhin eine öffentlich-rechtli­ che Rechtsform sowie das Handeln im Rahmen der öffentlichen Gewalt erforderlich. In der 6. EG-RL werden weder der Begriff einer Einrichtung des öffentlichen Rechts noch der Begriff einer im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeit definiert. Insbesondere für Letzteren konnten keine Abgrenzungskriterien gefunden werden, denen alle Mit­ gliedstaaten zugestimmt hätten, so dass die nähere Bestimmung den ein­ zelnen Mitgliedstaaten überlassen wurde.324 Des Weiteren findet sich in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-RL nun­ mehr eine Bestimmung, die einen erkennbaren Zusammenhang zur bis­ herigen Regelung im letzten Absatz der Nr. 2 von Anhang A der 2. EWGRL aufweist. Danach stand es zur Disposition der Mitgliedstaaten, ob Körperschaften des öffentlichen Rechts im Fall der Ausübung einer wirt­ schaftlichen Tätigkeit im nationalen Recht als Steuerpflichtige behan­ delt werden oder nicht. Wie beim letzten Absatz der Nr. 2 von An­ hang A der 2. EWG-RL folgt nun auch Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-RL systematisch unmittelbar auf die Bestimmung zur grundsätzli­ chen Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht und beinhaltet als Rechtsfolge ebenfalls die Behandlung als Steuersub­ jekt. Neben dieser systematischen Vergleichbarkeit zwischen den beiden Regelungen finden sich jedoch bedeutende Unterschiede. So wird nun­ mehr in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-RL den Mitgliedstaaten keine Wahlmöglichkeit mehr eingeräumt, ob die öffentliche Hand als Steuer­ pflichtige zu behandeln ist. Vielmehr ist die persönliche Steuerpflicht nunmehr zwingende Rechtsfolge beim Vorliegen der genannten Voraus­ setzungen. Dies könnte eine Reaktion auf die fehlende harmonisierte Definition der beiden für eine Befreiung der öffentlichen Hand zentralen Voraussetzungen in Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL darstellen.325 Allerdings ist nach dieser Vorschrift eine persönliche Steuerpflicht bei Ausübung einer sowohl wirtschaftlichen als auch gleichzeitig im Rahmen öffentlicher Gewalt obliegenden Tätigkeit nur dann vorgesehen, wenn eine Nichtbe­ steuerung der Tätigkeit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts zu nicht unerheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen könnte. Ziel des Richtliniengebers war es somit vor allem zu gewährleisten, dass der Aus­ schluss der öffentlichen Hand vom Anwendungsbereich des Mehrwert­ steuerrechts keine erheblichen Nachteile für den gemeinschaftlichen Wettbewerb entfaltet. 324 Vgl. Canz, Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand im Wandel, S. 43; Wachweger/Schlienkamp/Schütz, UR 1977, 121 (124). 325 So Canz, ebenda; Wachweger/Schlienkamp/Schütz, ebenda.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Die größte Änderung für die Behandlung der öffentlichen Hand wird al­ lerdings nicht explizit in der 6. EG-RL aufgeführt, sondern lässt sich al­ lein aus einem Vergleich zur vorherigen Rechtslage herleiten. So ist es den Mitgliedstaaten nicht mehr insgesamt freigestellt, ob und inwieweit sie die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Fall der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit als steuerpflichtig behandeln. Im Umkehr­ schluss bedeutet dies, dass die öffentliche Hand nunmehr grundsätzlich der persönlichen Steuerpflicht unterliegt, soweit sie die allgemeinen Vo­ raussetzungen wie private Steuerpflichtige erfüllen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sie dabei im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig wer­ den. Das wiederum aber nur in den Fällen, in denen die Nichtbesteue­ rung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Damit wurde mit der 6. EG-RL für die öffentliche Hand die aus drei Schritten bestehende Prü­ fung von persönlicher Steuerpflicht, Befreiung und Rückausnahme von der Befreiung eingeführt, die sich auch im gegenwärtigen Recht der Mehrwertsteuersystemrichtlinie wiederfindet.326 (2) Die Vorgaben in den Entwürfen für eine 6. EG-RL Wie im Rahmen der Untersuchung der gegenwärtigen Regelungen nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie noch deutlich werden wird, stim­ men diese weitgehend mit den inhaltlichen Vorgaben der 6. EG-RL über­ ein.327 Deswegen soll an dieser Stelle der Entscheidungsprozess hin zur endgültigen Fassung der 6. EG-RL anhand zweier Entwürfe der Euro­ päischen Kommission näher beleuchtet werden. Dabei ist vor allem zu untersuchen, welche zentralen Erwägungsgründe für und gegen be­ stimmte Vorgaben des Richtlinienrechts erkennbar werden und inwie­ weit sich diese in der finalen Fassung wiederfinden. (a) Ein erster Entwurf der Europäischen Kommission Ein erster Vorschlag der Kommission für die Fassung des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL lautete wie folgt:328 (5) Staat, Länder, Gemeinden und Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.

326 Vgl. zur Systematik des geltenden Rechts bereits oben unter A. II. 327 Vgl. hier nur den dritten Erwägungsgrund zur MwStSystRL; Kirchhof, DStR 2008, 1 (3 f.). 328 Vorschlag v. 20.6.1973 für eine sechste Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsa­ mes Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, KOM(73) 950, dem Rat vorgelegt am 29.6.1973, vgl. ABl. C 80 v. 5.10.1973, S. 1.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Falls sie jedoch die in Absatz 1 genannten Leistungen erbringen, gelten sie für diese Leistungen als Steuerpflichtige. Unter diese Vorschrift fallen die Tätigkeiten der Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie die landwirtschaftlichen Interventionsstellen für ihre Umsätze von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die in Anwendung der Verordnungen über die gemeinsame Marktorganisation für diese Erzeugnisse bewirkt werden. Der Art. 4 Abs. 5 des Entwurfs für eine 6. EG-RL (6. EG-RL-E) greift zu­ nächst, ebenso wie die letztlich in Kraft getretene Regelung, die maßgeb­ liche Bestimmung der 2. EWG-RL auf. Damit sollten aus Sicht der den Entwurf vorlegenden Europäischen Kommission auch weiterhin alle Tä­ tigkeiten, die im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt werden, zu­ nächst von der Besteuerung ausgenommen werden. In einem zweiten Schritt wird jedoch der ebenfalls im Anhang A der 2. EWG-RL bereits bestehende Ansatz, die öffentliche Hand bei Ausübung einer wirtschaft­ lichen Tätigkeit als Steuerpflichtige zu behandeln, aufgenommen. Wäh­ rend diese Rechtsfolge in der 2. EWG-RL noch zur Disposition der Mit­ gliedstaaten stand, wird sie im Entwurf als zwingende Vorgabe zugunsten einer persönlichen Steuerpflicht ausgestaltet. Zudem wird der Grundtat­ bestand des Art. 4 Abs. 1 des 6. EG-RL-E zur persönlichen Steuerpflicht nicht nur wiederholt, sondern unmittelbar darauf verwiesen. Der Wortlaut des Entwurfs lässt sich auf den ersten Blick dahingehend auslegen, dass nunmehr alle Tätigkeiten der öffentlichen Hand, die zwar im Rahmen der öffentlichen Gewalt erfolgen, dabei aber auch den Anfor­ derungen einer wirtschaftlichen Tätigkeit entsprechen, zwingend zu ei­ ner Behandlung als Steuersubjekt führen. Das Ergebnis wäre eine erheb­ liche Annäherung an eine vollständige mehrwertsteuerliche Erfassung der öffentlichen Hand mit all ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten. Im Ge­ genzug käme es zu einer Reduzierung der Befreiungsregelung des Art. 4 Abs. 5 des 6. EG-RL-E auf eine bloße Feststellung, dass nichtwirtschaft­ liche Tätigkeiten öffentlich-rechtlicher Einrichtungen nicht der Mehr­ wertsteuer unterfallen und dieses insbesondere im Fall der Ausübung öffentlicher Gewalt gegeben sein kann. Damit wären der Anwendungs­ bereich und die Bedeutung der Regelung über die Befreiung der öffentli­ chen Hand von der Behandlung als Steuersubjekt erheblich gemindert. Dass die Europäische Kommission jedoch nicht die steuerliche Erfassung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts in einem solchen Umfang auszuweiten beabsichtigte, lässt die Begründung zum Vorschlag erken­ nen, in dem es zu Art. 4 Abs. 5 des 6. EG-RL-E heißt:329

329 Vgl. BR-Drs. 493/73, 37.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Des weiteren wird festgelegt, daß die juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Steuerpflichtige zu betrachten sind, soweit sie wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, die nicht untrennbar mit dem Begriff der Ausübung von Hoheitsbefugnissen verbunden sind, d. h. Tätigkeiten, die von Personen des privaten Rechts ausgeübt werden können, ohne daß dadurch die Erfüllung der grundlegenden Aufgaben und die Befugnisse der Staaten, Länder, Gemeinden und der anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts auf dem Gebiet der allgemeinen Verwaltung, des Rechtswesens, der Sicherheit oder der Landesverteidigung beeinträchtigt würden. Aus dieser Definition folgt insbesondere, daß der Betrieb von Autobahnen, Binnenschiffahrtswegen und Hafenanlagen wirtschaftliche Tätigkeiten sind, die besteuert werden können. Die Kommission beabsichtigte somit nicht eine vollständige mehrwert­ steuerliche Erfassung der wirtschaftlichen Tätigkeiten öffentlich-rechtli­ cher Einrichtungen,330 sondern (nur) eine Reduzierung der Nichtbesteue­ rung der öffentlichen Hand auf die Bereiche, die schon allein aus der Natur der Sache der öffentlichen Gewalt zuzuordnen sind. Das sind nach ihrem Verständnis Tätigkeiten, die von vornherein nicht vom privaten Sektor ausgeführt werden können, oder zumindest nicht, ohne dass zen­ trale Funktionen des Staates auf den privaten Sektor verschoben werden und auf diese Weise das staatliche Gewaltmonopol ausgehöhlt wird. Maßgebliche Motivation für den Regelungsvorschlag ist demnach, dass die öffentliche Hand stets dann als Steuerpflichtige zu behandeln ist, wenn es bei einer ausgeübten Tätigkeit zu einer Wettbewerbssituation zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern kommen kann und sich eine Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand nicht mit Verweis auf staatstragende Gründe rechtfertigen lässt. Genau diesen Anforderun­ gen entsprechen die in der Kommissionsbegründung aufgeführten Bei­ spiele. So erfüllen die Bereitstellung und die Verwaltung von Straßen und eine damit einhergehende Mauterhebung sowohl die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Tätigkeit als auch, im Fall der entsprechenden Re­ gelung durch den Mitgliedstaat, der Ausübung einer Tätigkeit im Rah­ men der öffentlichen Gewalt durch eine öffentlich-rechtliche Einrich­ tung. Jedoch kann die Bereitstellung und Verwaltung grundsätzlich auch durch einen privaten Anbieter erfolgen, ohne dass hieraus ernsthafte Ge­ fahren für das Staatsgefüge resultieren. Deswegen sieht die Kommission hier die Notwendigkeit einer Einbindung der öffentlichen Hand als Steu­ ersubjekt in das Mehrwertsteuersystem. Indem die Kommission maß­ geblich auf private Wirtschaftsteilnehmer abstellt, nicht aber zum Bei­ spiel auf eine gleichmäßige Belastung der Konsumausgaben privater 330 So interpretiert dies hingegen wohl Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (337).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Konsumenten, ist zu vermuten, dass sich die Kommission hier zumin­ dest vordergründig vom Wettbewerbsgedanken hat leiten lassen.331 Ge­ stützt wird diese Annahme durch die spätere explizite Aufnahme des Wettbewerbskriteriums als Voraussetzung für eine Steuerpflicht der öf­ fentlichen Hand. Dieser Entwurf und die ihm zugrundeliegenden Erwägungsgründe zeigen deutlich, dass die Europäische Kommission eine weitergehende Gleich­ behandlung von privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern im Ver­ gleich zur Vorgängerregelung beabsichtigte. Maßgeblich für den Umfang der Einbindung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt war dabei der Gedanke, den Wettbewerb zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsteilnehmern vor Verzerrungen infolge einer unterschiedli­ chen steuerlichen Behandlung zu schützen. (b) Ein zweiter, überarbeiteter Entwurf der Europäischen Kommission Wie die Untersuchung gezeigt hat, lassen sich dem ersten Richtlinien­ entwurf der Europäischen Kommission weder die wesentlichen Kriteri­ en, die für die Steuerpflicht von Einrichtungen des öffentlichen Rechts maßgeblich sein sollen, noch die damit verbundene Regelungsabsicht aus dem Richtlinientext selbst vollständig entnehmen. Vielmehr ist dies nur mithilfe der Richtlinienbegründung möglich. Vor allem dieser Um­ stand dürfte die Kommission dazu veranlasst haben, ihren eigenen Vor­ schlag zur Änderung des bestehenden Richtlinienrechts in diesem Punkt einer Überarbeitung zu unterziehen332 und ihren Entwurf für einen Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-RL nunmehr wie folgt zu fassen:333 (5) Staat, Länder, Gemeinden und Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Falls sie jedoch in Absatz 1 genannte Leistungen erbringen, die auf wirtschaftlichem Gebiet und unabhängig von den nationalen Rechtsvorschriften auch von Personen des privaten Rechts bewirkt werden können, gelten sie für diese Leistungen als Steuerpflichtige. Unter diese Vorschrift fallen die Tätigkeiten der Rundfunk- und Fernsehan331 Vgl. Sarrazin, UR 1974, 281 (284). 332 Vgl. dazu die im Folgenden wiedergegebenen Ausführungen im Explanatory Memorandum der Europäischen Kommission, mit denen auf die Anfragen zum ers­ ten Entwurf eingegangen wird. 333 Änderungen (74/C 121/12) v. 12.8.1974 am Vorschlag der sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche Bemes­ sungsgrundlage, ABl. C 121 v. 11.10.1974, S. 34; vgl. hierzu auch Canz, Die Um­ satzbesteuerung der öffentlichen Hand im Wandel, S. 42.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

stalten sowie die landwirtschaftlichen Interventionsstellen für ihre Umsätze von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die in Anwendung der Verordnungen über die gemeinsame Marktorganisation für diese Erzeugnisse bewirkt werden. Die für die Einbeziehung der öffentlichen Hand in das Mehrwertsteuer­ recht maßgebliche Frage, ob auch ein privater Wirtschaftsteilnehmer die Tätigkeit ausüben kann, ergibt sich nunmehr explizit aus dem vorgese­ henen Richtlinientext.334 Gleichzeitig wird damit die Bedeutung des Ziels, den Wettbewerb zu schützen, deutlich hervorgehoben. Als Erläute­ rung zu den vorgenommenen Veränderungen im Vergleich zum ersten Entwurf führt die Europäische Kommission in ihrem Explanatory Memorandum aus:335 A more precise definition of the circumstances in which bodies governed by public law must be treated as taxable persons has been requested in various quarters. The proposed new text, while referring back to transactions (production, trade, etc.) as defined in paragraph 1 of that Article, specifies that they must be transactions which could be carried out by persons governed by private law: (a) from the economic point of view (b) independent of national legislation. The first condition is intended to exclude the treatment of the State etc. as a taxable person for economic activities which private firms could not perform without usurping the basic functions and powers of the States and other bodies governed by public law (general ad­ ministration, the administration of justice, or national security or defence). The second condition is intended to include the State etc. within the scope of the tax in respect of economic activities which private firms could exercise without usurping the basic functions of the State, but which in fact they cannot exercise because of the existence in national legislation of a provision reserving such exercise to the State. Hieraus ergibt sich des Weiteren, dass die Bestimmung, ob ein privater Wirtschaftsteilnehmer eine Tätigkeit der öffentlichen Hand ausüben kann, unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben eines Mitgliedstaates erfolgen soll. Angesichts der mit der Richtlinie angestrebten Harmoni­ sierung des Mehrwertsteuerrechts in den Mitgliedstaaten erscheint dies auch insoweit sinnvoll. Denn für dieses Ziel birgt jeder Entscheidungs­ spielraum der Mitgliedstaaten ein Gefährdungspotenzial. 334 Vgl. Swinkels, IVM 2009, 369. 335 Zitiert nach Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 34.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Festzuhalten bleibt somit, dass die Kommission durch zwingende Vorga­ ben für die Behandlung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Steuerpflichtige insgesamt eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Mehrwertsteuerrechts verfolgte. Dabei stand im Vordergrund, eine weitgehende steuerliche Gleichbehandlung von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen und Privatpersonen zum Schutz des Wettbewerbs zu er­ zielen. Mit Blick auf die endgültige Fassung der 6. EG-RL ist jedoch fest­ zustellen, dass eine so weitgehende steuerliche Einbindung der Einrich­ tungen des öffentlichen Rechts vom Ministerrat abgelehnt wurde.336 Anstatt für die Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige auf eine potentielle Wettbewerbssituation mit privaten Wirtschaftsakteuren abzustellen, wurde das weniger strenge Kriterium der nicht unerhebli­ chen Wettbewerbsverzerrung in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der 6. EG-RL eingeführt, um eine Ungleichbehandlung von öffentlichen und privaten Wirtschaftsteilnehmern zum Nachteil der Letzteren zu verhindern.337 Eine Stellungnahme des Ministerrats zu den Abweichungen vom Kom­ missionsvorschlag existiert nicht, so dass die hierfür maßgeblichen (poli­ tischen) Erwägungsgründe insoweit unbekannt sind.338 cc) Zusammenfassung Aus der Entwicklungsgeschichte der Vorgaben zur Behandlung der öf­ fentlichen Hand im europäischen Mehrwertsteuerrecht ergibt sich, dass von vornherein der Richtliniengeber darauf bedacht war, die wirtschaft­ lichen Tätigkeiten von Einrichtungen des öffentlichen Rechts nur par­ tiell in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer einzubeziehen. Um die dahingehende Begrenzung des allgemeinen Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer umzusetzen, sahen alle Richtlinienregelungen eine Ein­ schränkung der persönlichen Steuerpflicht und nicht etwa eine Begren­ zung auf sachlicher Ebene vor, zum Beispiel durch Steuerbefreiungen für einzelne Umsätze oder Tätigkeiten.339 Die Abgrenzung von privaten Wirtschaftsakteuren erfolgte mithilfe des Begriffs der öffentlich-rechtli­ chen Einrichtungen und damit durch eine Anknüpfung an die Rechts­ form. Bei Einführung der ersten beiden Richtlinien zur Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts in den Mitgliedstaaten der EWG sahen die Vorga­ 336 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 35; Sarazin, UR 1974, 281 (284). 337 Vgl. Damas, UR 2005, 303 (306). 338 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 35. 339 Vgl. hierzu Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (337); dies wurde von der Euro­päischen Kommission ursprünglich zumindest in Erwägung gezogen, dann aber letztlich fallen gelassen, vgl. Canz, Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand im Wan­ del, S. 41.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

ben noch keine zwingenden Regelungen zugunsten einer Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige vor. Dies wurde den Mitgliedstaa­ ten vielmehr freigestellt, änderte sich allerdings mit Einführung der 6. EGRL. Soweit eine wirtschaftliche Tätigkeit entweder nicht im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt wurde oder eine Nichtbesteuerung dieser Tätigkeit zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen könnte, muss­ ten die Mitgliedstaaten nunmehr die öffentliche Hand als Steuerpflich­ tige behandeln. Die besonderen Vorgaben zur Steuerpflicht der öffent­ lichen Hand suspendierten folglich nicht von der Anwendung des Grundtatbestandes über die persönliche Steuerpflicht, sondern knüpften an diese an. Somit folgt sowohl aus der Entstehungsgeschichte als auch aus der systematischen Stellung340 der Regelungen zur Steuerpflicht, dass die öffentliche Hand nur dann in den Anwendungsbereich des Mehrwert­ steuerrechts fällt, wenn diese eine für den Grundtatbestand einer persön­ lichen Steuerpflicht erforderliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.341 Die 6. EG-RL etablierte weiterhin für die öffentliche Hand ein aufeinan­ der abgestimmtes System von Grundtatbestand, Ausnahme und Rück­ ausnahme von der persönlichen Steuerpflicht, wie es auch im gegenwär­ tigen Recht vorzufinden ist. Von Seiten der Europäischen Kommission wurde insbesondere im Vor­ feld der 6. EG-RL eine sehr weitgehende Gleichbehandlung von privaten und öffentlichen Wirtschaftsteilnehmern favorisiert und verfolgt. Hier­ für empfahl sie entsprechende Vorgaben zur Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige. Allerdings teilte der Ministerrat diese Ansicht nicht im vollen Umfang und begrenzte die Pflicht zur Einbeziehung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer grundsätzlich auf die Fälle, in denen es andernfalls zu nicht unerheblichen Wettbewerbsverzerrungen kommen könnte. Damit erlangt die Regelung einen Kompromisscharakter zwischen der Befrei­ ung der öffentlichen Hand von der Steuerpflicht auf der einen und die Gewährleistung einer Gleichbehandlung von privaten und öffentlichen Wirtschaftsteilnehmern auf der anderen Seite. Dabei diente die Einbin­ dung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt vor allem dem Ziel, den Wettbewerb zwischen privaten und öffentlichen Wirtschaftsteilnehmern vor einer Beeinflussung durch eine unterschiedliche steuerliche Behand­ lung zu schützen. Andere Erwägungen, wie zum Beispiel die gleichmäßi­

340 Vgl. zur Regelungssystematik für die Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht der öffentlichen Hand oben unter A. II. 341 Vgl. zu dieser Reihenfolge EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 14; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 39; Kraeusel, UR 2010, 480 (482); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Lan­ ger, UStG, § 2 Rz. 134.1 (Stand: März 2013).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

ge Belastung privater Vermögensverwendungen, hatten insoweit keine erkennbare Bedeutung. b) Die Voraussetzungen für eine Befreiung Die Ablösung der 6. EG-RL durch die Mehrwertsteuersystemrichtlinie hat zu keinen wesentlichen Änderungen der besonderen Vorgaben für die Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige geführt.342 So fin­ den sich die Regelungen des Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL mit gleichem Auf­ bau und grundsätzlich gleichem Inhalt nunmehr in Art. 13 MwStSystRL. Der Grundsatz der Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht für Ein­ richtungen des öffentlichen Rechts findet sich in Art. 13 Abs. 1 MwSt­ SystRL mit folgendem Wortlaut: Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Somit unterliegen Einrichtungen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht der persönlichen Steuerpflicht, wenn eine ausgeübte Tätigkeit ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt. Sind diese Vorausset­ zungen erfüllt, kommt es auch bei Ausübung einer wirtschaftlichen Tä­ tigkeit nicht zu einer Behandlung als Steuerpflichtige und die Einrichtung fällt insoweit nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Da­ für müssen allerdings die beiden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein.343 Im Ergebnis werden somit nach dieser persönlichen Befreiungs­ vorschrift nur solche wirtschaftlichen Tätigkeiten von der Besteuerung ausgenommen, die einen engen Bezug zu der Ausübung hoheitlicher Be­ fugnisse aufweisen.344 Wegen der Bindungswirkung der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten nicht nur berechtigt, ihre öffentlich-rechtlichen Einrichtungen von der Steuerpflicht zu befreien, sondern sie sind sogar dazu verpflichtet. Die 342 Vgl. den dritten Erwägungsgrund zur MwStSystRL; oben unter A. I. 1. 343 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 21; Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto ­Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 12; Urt. v. 25.7.1991 – Rs. C-202/90 (Ayunta­ miento de Sevilla), EU:C:1991:332, Rz. 18; Urt. v. 12.9.2000 – Rs. C-408/97 (Kom­ mission/Niederlande), EU:C:2000:427, Rz. 34; Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 41; Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:733, Rz. 51. 344 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 31; Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:733, Rz. 71.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Art und Weise, wie die Mitgliedstaaten die inhaltlichen Vorgaben des Richtlinienrechts in das nationale Recht umsetzen, welche Rechtset­ zungstechnik sie also wählen, ist jedoch ihnen überlassen.345 Für die Auslegung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL sind neben dem Wort­ laut auch die sich hieraus ergebende Intention sowie die Grundprinzipi­ en des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts zu berücksichtigen. So be­ darf es zur Gewährleistung der gebotenen gleichmäßigen Besteuerung einer umfassenden mehrwertsteuerlichen Belastung privater Vermögens­ verwendungen. Dies setzt wiederum einen weiten Anwendungsbereich voraus.346 Ausnahmen von der Besteuerung widersprechen dieser Ziel­ richtung und sind schon aus diesem Grundsatz nur in begründeten Aus­ nahmefällen zulässig.347 Indem Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL eine Befreiung von der nach Art. 9 MwStSystRL grundsätzlich bestehenden persönli­ chen Steuerpflicht anordnet, stellt sie im Ergebnis eine Besteuerungsaus­ nahme dar.348 Damit die Beeinträchtigung der Grundprinzipien des har­ monisierten Mehrwertsteuerrechts durch die Befreiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL so gering wie möglich ausfällt, ist diese grundsätzlich eng auszulegen.349 Unter der Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen sollen im Folgenden die Voraussetzungen, unter denen es zu einer Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht kommen kann, nä­ her untersucht werden. 345 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 17 f.; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 4 der 6. EG-RL Rz. 17 (Stand: April 2005); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1138 (Stand: Juli 2014); ein Überblick über die verschiedenen Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinienvorgaben findet sich bei Jiménez Compaired, Intertax 2008, 268 (270 ff.). 346 Vgl. zum Gebot einer gleichmäßigen Belastung privater Vermögensverwendungen oben unter A. I. 2. 347 Vgl. auch den vierten Erwägungsgrund der 2. EWG-RL, nach dem „Sonderregeln und Ausnahmemaßnahmen beschränkt werden“ müssen, ABl. P 71 v. 14.4.1967, S. 1303 f. 348 So bezeichnet z. B. auch der EuGH den Art. 13 MwStSystRL als Befreiungs­ vorschrift, vgl. Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 16; Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 41; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1136 (Stand: Juli 2014). 349 EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 60; Urt. v. 16.7.2009 – Rs. C-554/07 (Kommission/Irland), EU:C:2009:464, Rz. 42; Urt. 12.11.2009 – Rs. C-154/08 (Kommission/Spanien), EU:C:2009;695, Rz. 119; Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:733, Rz. 49; de la Feria, Intertax 2009, 147 (148); Stadie, ebenda; Cordewener, UR 2006, 673 (679) mit Verweis auf die engen Voraussetzungen nach der Judikatur des EuGH, z. B. im Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 12 ff.; vgl. zu Art. 13 II MwStSystRL EuGH, Urt. v. 4.6.2009 – Rs. C-102/08 (SALIX), EU:C:2009:345, Rz. 54.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

aa) Einrichtung des öffentlichen Rechts Eine Definition des Merkmals der Einrichtung des öffentlichen Rechts findet sich nicht innerhalb der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. In einer Protokollerklärung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Kommission zu Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL heißt es al­ lerdings, dass, soweit eine Bestimmung dieses Merkmals nach nationa­ lem Recht nicht möglich ist, eben solche nationalen Einrichtungen in den Anwendungsbereich des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL fallen sollen, die in anderen Mitgliedstaaten als Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten.350 Hieraus ist im Umkehrschluss grundsätzlich zu folgern, dass sich diese Eigenschaft grundsätzlich aus dem nationalen Recht ergibt.351 Und obwohl der Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL wegen seines Ausnahme­ charakters grundsätzlich eng auszulegen ist, spricht die Offenheit des Begriffs in Verbindung mit der Protokollerklärung zunächst dafür, dieses Tatbestandsmerkmal weit auszulegen.352 Einer solchen Interpretation des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL hat der EuGH jedoch mit seinem Urteil in der Rechtssache Saudaçor entschieden widersprochen.353 So enthalte die Befreiungsregelung zum einen „keinerlei Verweise auf das Recht der Mitgliedstaaten“354, sondern sei vielmehr „in der gesamten Union auto­ nom und einheitlich auszulegen.“355 Zum anderen sei der Begriff der Ein­ richtung des öffentlichen Rechts in der Befreiungsregelung „abschlie­ ßend“356 bestimmt und wegen des Ausnahmecharakters „eng auszulegen […].“357 Damit ist aus Sicht des EuGH grundsätzlich über die Eigenschaft einer Einrichtung des öffentlichen Rechts unabhängig von einer Einord­ nung nach nationalem Recht anhand der in Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL aufgezählten Beispiele und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH zu entscheiden. Damit judiziert der EuGH jedoch entgegen der in der Protokollerklärung erkennbaren Intention des Richtliniengebers, zur Bestimmung dieses Tatbestandsmerkmals dem nationalen Recht eine vorrangige Bedeutung zukommen zu lassen. Mit der Voraussetzung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts werden grundsätzlich Personen des Privatrechts, also insbesondere natürliche 350 Abgedruckt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Prot.-Erkl.; diese gelten auch für die MwStSystRL, vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. MwStSystRL Rz. 75 (Stand: Juli 2011). 351 Vgl. GA Jääskinen, Schlussanträge v. 25.6.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:430, Rz. 76; Lange/Spils ad Wilken, UR 2006, 7 (9). 352 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (3); Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmer­ begriff im Umsatzsteuerrecht, S. 306 f. 353 EuGH, Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:733. 354 EuGH, a. a. O., Rz. 53. 355 EuGH, a. a. O., Rz. 54. 356 EuGH, a. a. O., Rz. 55. 357 Ebenda.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Personen, private Personenvereinigungen und juristische Personen des Privatrechts, aus dem Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift aus­ geschlossen.358 Dabei bleibt es auch dann, wenn Personen des Privatrechts eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausüben.359 Denn die­ ses Kriterium wird zwar ebenfalls von Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL ver­ langt, tritt jedoch kumulativ zum Erfordernis ihrer Ausübung durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts dazu.360 Dementsprechend befand der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung, dass die persönliche Be­ freiungsvorschrift des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL nicht greift, wenn Auf­ gaben, die grundsätzlich einer Ausübung im Rahmen der öffentlichen Gewalt vorbehalten sind, auf einen unabhängigen privaten Dritten über­ tragen werden.361 Denn allein aus der Übertragung der Aufgaben ergibt sich keine Eingliederung des Ausübenden in die öffentliche Verwal­ tung.362 Dies betrifft aus nationaler Sicht insbesondere die Fälle einer Be­ leihung.363 Aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH wurde überwiegend gefol­ gert, dass Personen des Privatrechts schon allein wegen ihrer Rechtsform nicht von der persönlichen Steuerpflicht nach Art. 13 Abs. 1 MwStSyst­ RL befreit werden können.364 Diesen Grundsatz hat der EuGH jedoch mit 358 In diese Richtung EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Nieder­ lande), EU:C:1987:161, Rz. 22; Urt. v. 12.9.2000 – Rs. C-408/97 (Kommission/Nie­ derlande), EU:C:2000:427, Rz. 40; Urt. v. 12.6.2008 – Rs. C-462/05 (Kommission/ Portugal), EU:C:2008:337, Rz. 38 ff.; vgl. zudem GA Jääskinen, Schlussanträge v. 25.6.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:430, Rz. 82; Forster, UR 1996, 73 (76); Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 26 (Stand: Aug. 2013). 359 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 21; Urt. v. 25.7.1991 – Rs. C-202/90 (Ayuntamiento de Sevil­ la), EU:C:1991:332, Rz. 19; Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (339); Langer, in: Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 26 (Stand: Aug. 2013). 360 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 21; Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto ­Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 12; Urt. v. 25.7.1991 – Rs. C-202/90 (Ayunta­ miento de Sevilla), EU:C:1991:332, Rz. 18; Urt. v. 12.9.2000 – Rs. C-408/97 (Kom­ mission/Niederlande), EU:C:2000:427, Rz. 34; Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 41. 361 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.7.1991 – Rs. C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla), EU:C:1991:332, Rz. 20. 362 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 22; Urt. v. 12.6.2008 – Rs. C-462/05 (Kommission/Portugal), EU:C:2008:337, Rz. 39. 363 Vgl. Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 239; Thieme, UR 2003, 369 (371 f.); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1200 (Stand: Juli 2014). 364 So noch GA Jääskinen, Schlussanträge v. 25.6.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:430, Rz. 82; vgl. zudem z. B. Häck, ebenda; Theler, UR 2006, 193 (196); Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 240 (Stand: Sept. 2011); Reiß, in: Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 145, 163 (Stand: März 2013); Stadie, UStG, § 2

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

seiner Entscheidung in der Rechtssache Saudaçor eingeschränkt. Danach ist es möglich, eine juristische Person des Privatrechts als Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne der Befreiungsregelung zu behandeln, wenn sich diese Eigenschaft im Rahmen einer Gesamtbeurteilung der auf sie „anwendbaren Bestimmungen des nationalen Rechts“365 ergibt. Dies kann aus Sicht des EuGH der Fall sein, wenn die juristische Person des Privatrechts über hoheitliche Befugnisse verfügt366 und in die Organisation der öffentlichen Verwaltung eingegliedert ist.367 Einer solchen Eingliederung steht nicht schon entgegen, dass die juristische Person des Privatrechts „gegenüber dem Staat über eine gewisse Autonomie in ihrer Arbeitsweise und laufenden Geschäftsführung“368 besitzt, wenn demge­ genüber gleichzeitig ihre „tatsächliche Autonomie“369 begrenzt ist.370 Eine dementsprechende Begrenzung liegt vor, wenn ein öffentlich-recht­ licher Verwaltungsträger als Anteilseigner auf ihre Tätigkeit einen bestimmenden Einfluss ausüben kann.371 Dies ist aus Sicht des EuGH der Fall, wenn zum einen sämtliche Anteile an der juristischen Person des Privatrechts gehalten werden und eine Beteiligung von einzelnen ande­ ren Personen nicht vorgesehen ist, und zum anderen die juristische Per­ son des Privatrechts ihre Leistungen nahezu ausschließlich gegenüber ihren Anteilseigner erbringt.372 Für die Möglichkeit einer insoweit aus­ reichenden Einflussnahme spricht auch, dass die juristische Person des Privatrechts der Aufsicht ihres öffentlich-rechtlichen Anteilseigners un­ terstellt ist.373 Darüber hinaus führt der EuGH weitere Anhaltspunkte auf, die aus sei­ ner Sicht eine bestehende Eingliederung einer juristischen Person des Privatrechts in die öffentliche Verwaltung nahelegen. Dies ist zum einen der Umstand, dass diese zumindest vorrangig denselben Regeln wie ein staatliches Unternehmen unterliegt.374 Zum anderen führt der EuGH an, dass in Bezug auf die Ausübung ihrer Tätigkeit kein Wettbewerb mit anderen privaten Wirtschaftsteilnehmern besteht.375 Zudem weist der Rz. 355; a. A. Lange/Spils ad Wilken, UR 2006, 7 (9 f.), die an die Übertragung von Rechten und Pflichten anknüpfen, um für einen Beliehenen über dessen Eigen­ schaft als Einrichtung des öffentlichen Rechts i. S. d. Art. 13 I i MwStSystRL zu bestimmen. 365 EuGH, Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:733, Rz. 68. 366 EuGH, a. a. O., Rz. 58 f. 367 EuGH, a. a. O., Rz. 60 ff. 368 EuGH, a. a. O., Rz. 61. 369 EuGH, a. a. O., Rz. 63. 370 EuGH, a. a. O., Rz. 62 f. 371 EuGH, a. a. O., Rz. 63. 372 Ebenda. 373 EuGH, Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:733, Rz. 64. 374 EuGH, a. a. O., Rz. 65. 375 EuGH, a. a. O., Rz. 66.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

EuGH darauf hin, dass zwischen dem öffentlichen Anteilseigner und der juristischen Person des Privatrechts eine organschaftliche Verbindung bestehen könnte, weil die Letztere von der Ersteren zur Ausübung be­ stimmter Aufgaben gegründet wurde.376 Vor dem Hintergrund, dass der EuGH Anhaltspunkte für eine Eingliederung in die Organisation der öf­ fentlichen Verwaltung aufzählt, dürfte hier der deutsche Begriff einer organisatorischen Verbindung anstelle einer organschaftlichen Verbindung eher zutreffend sein und Fehlinterpretationen vermeiden.377 Mit seinem Urteil in der Rechtssache Saudaçor hat der EuGH die bishe­ rige strikte Anknüpfung an die sich aus dem nationalen Recht ergebende Rechtsform zur Bestimmung der Eigenschaft einer Einrichtung des öf­ fentlichen Rechts eine Absage erteilt. Vielmehr gilt auch insoweit das Gebot einer autonomen und einheitlichen Auslegung.378 Obwohl der EuGH das Gebot einer engen Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL hervorhebt,379 führt sein Urteil im Ergebnis zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs der Befreiungsvorschrift. Denn es fallen zunächst auch weiterhin allein wegen ihrer sich aus dem nationalen Recht ergebenden Rechtsform alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Teil des Staates unter dem Tatbestandsmerkmal einer Einrichtung des öffentlichen Rechts. So besitzen diese gerade nicht gegenüber dem Staat eine gewisse Autonomie.380 Juristische Personen des Privatrechts verfügen hingegen über eine solche durch das Privat­ recht vermittelte Autonomie und besitzen daher eine Unabhängigkeit, die einer Eingliederung in die Organisation der öffentlichen Verwaltung entgegensteht.381 Wenn sich jedoch im Rahmen einer Gesamtbetrach­ tung feststellen lässt, dass diese Wirkung der privaten Rechtsform in den Hintergrund tritt und die juristische Person des Privatrechts wie eine typische Einrichtung des öffentlichen Rechts sowohl rechtlich als auch tatsächlich in die Organisation der öffentlichen Verwaltung eingegliedert ist, kann sie als eine Einrichtung des öffentlichen Rechs behandelt wer­ den. Denn ihr privater Charakter tritt damit in den Hintergrund.382

376 EuGH, a. a. O., Rz. 67. 377 So spricht zwar auch die französische Übersetzung von einer lien organique, im Englischen ist allerdings hingegen von einem organisational link die Rede; ver­ fehlt wäre es hier, den Begriff einer organschaftlichen Verbindung als einen expli­ ziten Bezug des EuGH auf die Eingliederung im Sinne einer Organschaft gem. § 2 II Nr. 2 UStG zu verstehen; vgl. zur umsatzsteuerlichen Organschaft unten unter B. II. 1. b) cc). 378 EuGH, Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:733, Rz. 52. 379 EuGH, a. a. O., Rz. 55. 380 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 61. 381 Ebenda. 382 So wird die Bedeutung des Privatrechts gegenüber dem öffentlichen Recht zweitrangig, vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 65.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

In Ansehung des entschiedenen Sachverhalts und der Umstände, auf die der EuGH im Rahmen seines Urteils in der Rechtssache Saudaçor hin­ weist, dürften vor allem Fälle der formellen Privatisierung davon betrof­ fen sein.383 Wenn somit eine juristische Personen des öffentlichen Rechts in eine juristische Person des Privatrechts umgewandelt wird, ihre An­ teile aber bei der öffentlichen Hand verbleiben und sie weiterhin unter Berücksichtigung der auf sie anzuwendenden Bestimmungen wie eine staatliche Einheit eingegliedert bleibt, kann sie trotz ihrer privaten Rechtsform als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts behandelt wer­ den. Diesem Urteil des EuGH ist auf der einen Seite zugutezuhalten, dass der bisherige strikte Ausschluss von Personen des Privatrechts aus den Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift im Ergebnis auch typi­ sche Hoheitsträger, insbesondere zum Beispiel Kommunen, treffen konnte, die sich zur Ausübung ihrer hoheitlichen Aufgaben einer Person des Privatrechts bedienten. Auf der anderen Seite kann die öffentliche Hand grundsätzlich die Ausübung einer Tätigkeit in privatrechtlicher Rechtsform bei Bedarf vermeiden, und die Anknüpfung an die nationale Rechtsform bedeutete für sie im Rahmen der Rechtsanwendung eine er­ hebliche Rechtssicherheit. Das nunmehr insoweit entscheidende Merk­ mal einer Eingliederung in die öffentliche Verwaltung wird vom EuGH hingegen nicht abschließend definiert. Er beschränkt sich darauf, einzel­ ne Anhaltspunkte, die für eine solche Eingliederung sprechen könnten, zu nennen. Die weitere Prüfung und Ausgestaltung obliegt daher wiede­ rum den nationalen Gerichten. Eine sichere, planbare und vorhersehbare Rechtsanwendung lässt sich mithilfe der Rechtsprechung des EuGH so­ mit nur in Ansätzen gewährleisten, so dass dieses Urteil zunächst weite­ re Unsicherheiten hervorrufen dürfte. Darüber hinaus wäre es hier vorzugswürdig gewesen, der Entstehungsge­ schichte der Befreiungsregelung Rechnung zu tragen. So bezieht sich die Protokollerklärung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Kommission zu Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-RL darauf, dass, soweit eine Bestimmung des Merkmals einer Einrichtung des öffentli­ chen Rechts nach nationalem Recht nicht möglich ist, eben solche nati­ onalen Einrichtungen in den Anwendungsbereich der Befreiungsvor­ schrift fallen sollen, die in anderen Mitgliedstaaten als Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten.384 Darin findet sich gerade der vom EuGH 383 Vgl. allgemein zu Grundtypen und Begriffen der Privatisierung Remmert, Private Dienstleistungen in staatlichen Verwaltungsverfahren, S. 189 ff.; zur formellen Privatisierung siehe auch Vogt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe (con­tractingout) staatlicher Dienstleistungen an Private, S. 30 f.; Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 165 (170). 384 Abgedruckt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Prot.-Erkl.; diese gelten auch für die MwStSystRL, vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. MwStSystRL Rz. 75 (Stand: Juli 2011).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

vermisste Bezug385 des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL zum nationalen Recht der Mitgliedstaaten. Daher hätte es eher dem Willen des Richtlinienge­ bers entsprochen, für die Bestimmung der Eigenschaft einer Einrichtung des öffentlichen Rechts auch weiterhin vorrangig auf die sich aus dem nationalen Recht ergebende Rechtsform abzustellen. Das Tatbestandsmerkmal einer Einrichtung des öffentlichen Rechts führt insgesamt zu einem Gestaltungsspielraum zugunsten der öffentli­ chen Hand. So kann diese durch die Wahl der Rechtsform sowie die Aus­ gestaltung der Einbindung in die Organisation der öffentlichen Verwal­ tung beeinflussen, ob es zur Anwendung der Befreiungsvorschrift kommt oder nicht. Mit Blick auf die ebenfalls erforderliche Voraussetzung des Handelns im Rahmen der öffentlichen Gewalt und der bestehenden Rückausnahmen ist die Möglichkeit der Vermeidung einer Steuerpflicht zwar erschwert und nicht stets herbeizuführen, aber sie besteht zumin­ dest in einem gewissen Umfang. Leichter dürfte es der öffentlichen Hand jedoch fallen, die Anwendung der Befreiungsvorschrift zu vermeiden. Hierzu muss sie vergleichsweise nur Tätigkeiten mittels einer Person des Privatrechts ausüben, die nicht in die Organisation der öffentlichen Verwaltung eingegliedert ist. Die Gestaltungsmöglichkeit bedeutet zudem eine Beeinträchtigung der Harmonisierungswirkung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. So kann es dazu kommen, dass eine vergleichbare Tätigkeit in einem Mitglied­ staat der Besteuerung unterliegt, weil die öffentliche Hand sich ent­ schlossen hat, diese Aufgabe auf eine Person des Privatrechts zu über­ tragen. In einem anderen Mitgliedstaat hingegen wird die Tätigkeit von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts ausgeübt, so dass deren Tätigkeit möglicherweise wegen der Befreiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL von einer Besteuerung ausgeschlossen ist. Kritisch aus Sicht des Ziels einer Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts ist darüber hinaus auch die fehlende Definition zu beurteilen. Zwar besteht nun nicht mehr eine strikte Maßgeblichkeit der nationalen Rechtsform, aber gleichwohl können weiterhin aufgrund der auf sie anzuwendenden nationalen Bestimmungen eine Einrichtung, die in einem Mitgliedstaat als öffentlich-rechtlich gilt, in einem anderen Mitgliedstaat dem Privat­ recht zuzuordnen sein.386 Hinzu kommt, dass die Feststellung, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen einer Einrichtung des öffentlichen Rechts vorliegt, den nationalen Gerichten obliegt.387 Insoweit ist der ­Harmonisierung über die Rechtsprechung des EuGH ebenfalls Grenzen 385 EuGH, Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:733, Rz. 53. 386 Vgl. Swinkels, IVM 2009, 369 (370). 387 EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 16; Urt. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:430, Rz. 68.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

gesetzt, auch wenn sich dieser weiterhin um die Gewährleistung einer unionsweit einheitlichen Auslegung des Richtlinienrechts bemüht. bb) Ausübung einer im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeit Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie enthält keine abschließende Defi­ nition dafür, wann eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt wird.388 Das Merkmal ist vielmehr anhand des nationalen Rechts zu bestimmen.389 Dabei sind allerdings die zu diesem Merkmal bestehenden Rechtsprechungsgrundsätze des EuGH zu berücksichtigen. Danach obliegt eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt, wenn eine öffentlich-rechtliche Einrichtung diese im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelungen ausübe.390 Hierfür reiche es bereits, dass bei der Tätigkeit auch auf hoheitliche Befugnisse zurückgegriffen wird.391 Hoheitlich sei zum Beispiel die Befugnis, die Nutzung eines Parkplatzes zu genehmigen oder zu beschränken und bei Zuwiderhand­ lungen das Verhalten mit Geldbußen zu sanktionieren.392 Soweit eine Einrichtung des öffentlichen Rechts jedoch eine Tätigkeit nicht unter solchen „öffentlich-rechtlichen Sonderregeln“ ausübt,393 sondern Leis­ tungen „unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie private Wirt­ schaftsteilnehmer“ erbringe, solle dies einem Handeln im Rahmen der öffentlichen Gewalt entgegenstehen.394 Denn in diesem Fall handelt die 388 Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 239; ­Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 26 (Stand: Aug. 2013). 389 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 16; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1138 (Stand: Juli 2014). 390 Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 16; Urt. v. 6.2.1997 – Rs. C-247/95 (Marktgemeinde Wel­ den), EU:C:1997:57, Rz. 17; Urt. v. 12.9.2000 – Rs. C-276/97 (Kommission/Frank­ reich), EU:C:2000:424, Rz. 40; Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:691, Rz. 17; Urt. v. 8.6.2006 – Rs. C-430/04 (Feuerbestattungsverein Halle), EU:C:2006:374, Rz. 24; Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 21; Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:733, Rz. 70; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 229 (Stand: Sept. 2011). 391 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:691, Rz. 22. 392 Ebenda. 393 EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:691, Rz. 17; Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 21. 394 EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 16; Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 21; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 27 (Stand: Aug. 2013).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Einrichtung als Rechtssubjekt des Privatrechts und nicht als Rechtssub­ jekt des öffentlichen Rechts.395 Maßgeblich ist damit die Unterscheidung zwischen einem Handeln auf Grundlage des öffentlichen Rechts und des Zivilrechts.396 Die Beurteilung anhand dieser Kriterien habe auf Grundla­ ge aller möglichen Modalitäten, unter denen nach nationalem Recht die zu untersuchende Tätigkeit ausgeübt werden kann, zu erfolgen.397 Hier­ bei könne bereits der Bezeichnung einer Tätigkeit im Gesetz, zum Bei­ spiel wenn diese darin als „Verwaltungsaufgabe“ benannt wird, eine in­ dizielle Bedeutung zukommen.398 Für das nationale Umsatzsteuerrecht haben diese Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung zur Folge, dass für die Entscheidung, ob die Regeln einen öffentlich-rechtlichen Charakter be­ sitzen, auf verwaltungsrechtliche Maßstäbe abzustellen ist.399 Nach der EuGH-Rechtsprechung kommt es somit maßgeblich auf den Charakter der Rechtsnorm des Handelns an und nicht auf den Gegen­ stand und die Zielsetzung der ausgeübten Tätigkeit.400 Dieses Verständ­ nis begründet der EuGH damit, dass diese beiden Aspekte bereits als An­ knüpfungspunkte zur Bestimmung dafür dienten, ob und inwieweit die Behandlung einer Einrichtung als Nichtsteuerpflichtige durch eine Rückausnahme nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL zu be­ schränken ist.401 Zudem sei bereits die Entscheidung darüber, ob und in­ wieweit eine Tätigkeit nach den Vorschriften der Mehrwertsteuersys­ temrichtlinie als steuerfrei zu behandeln ist, vom Gegenstand und Zielsetzung der Tätigkeit abhängig.402 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich in Art. 132 ff. MwStSystRL Steuerbefreiungen für bestimmte Tätigkeiten öffentlich-rechtlicher Einrichtungen finden, die an einen Zweck, nämlich den des Gemeinwohls, anknüpfen.403 Der EuGH geht damit erkennbar mittels des Umkehrschlusses zu diesen 395 EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 15. 396 Vgl. Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 242; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 229 (Stand: Sept. 2011). 397 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:691, Rz. 15 ff., 21. 398 EuGH, Urt. v. 15.5.1990 – Rs. C-4/89 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1990:204, Rz. 11. 399 Vgl. Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 242; Lange, UR 2000, 1 (9); Seer/Wendt, DStR 2001, 825 (833). 400 EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 13 f.; Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:691, Rz. 19; anstatt vieler Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 186. 401 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 14. 402 Ebenda. 403 Vgl. Überschrift des Kapitel 2 in Titel IX der MwStSystRL: „Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“; zu den sachlichen Steuerbe­ freiungen unten unter A. III.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

sachlichen Steuerbefreiungsvorschriften davon aus, dass nicht auch für die Frage der persönlichen Befreiung von der Steuerpflicht nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL auf den Gegenstand und den Zweck einer Tätigkeit abzustellen sei. Des Weiteren führt der EuGH aus, dass mit dem Merk­ mal der öffentlichen Gewalt die Befreiung von der Steuerpflicht auf sol­ che Fälle beschränkt ist, in denen die entsprechenden Einrichtungen auch als Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts und gerade nicht als sol­ che des Privatrechts handeln.404 Um diese Abgrenzungsentscheidung si­ cher treffen zu können, sei die anzuwendende nationale Regelung das einzige geeignete Kriterium.405 Die an der Handlungsform der Tätigkeit orientierte Auslegung des EuGH ergibt sich nicht zwingend aus der Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 MwSt­ SystRL. So spricht diese von Tätigkeiten, die einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Dieser Wort­ laut lässt eher auf Tätigkeiten schließen, mittels derer eine staatliche Aufgabe bzw. Pflicht erfüllt wird.406 Dies setzt jedoch eine Bestimmung anhand des Gegenstandes der Tätigkeit voraus. Angesichts des Gebots der Wettbewerbsneutralität in der harmonisierten Mehrwertsteuer er­ scheint eine aufgabenbezogene Beurteilung auch vorzugswürdig. Denn mit der Erfüllung einer staatlichen Aufgabe übt eine Einrichtung des öf­ fentlichen Rechts in der Regel nicht eine Tätigkeit im Wettbewerb mit vergleichbaren Tätigkeiten privater Wirtschaftsteilnehmer aus.407 Somit entfernt sich die Auslegung des EuGH vom Wortlaut der Vorschrift und die Anknüpfung an die Handlungsform ist nicht im gleichen Maße wie das alleinige Abstellen auf den Gegenstand der Tätigkeit geeignet, die Anwendung der Befreiungsvorschrift auf Tätigkeiten von Einrichtungen des öffentlichen Rechts zu beschränken, die keine Wettbewerbsrelevanz entfalten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ermittlung bzw. die Bestimmung der Handlungsform nur möglich ist unter Bezugnahme auf den Gegenstand der Tätigkeit. Denn so kann zum Beispiel nur anhand der konkreten ausgeübten Tätigkeit geklärt werden, ob es sich dabei um eine Ausübung hoheitlicher Befugnisse handelt oder die Erteilung einer Genehmigung vorliegt. Somit ist der Gegenstand der Tätigkeit maßgeb­ lich für die Bestimmung der ihr zugrundeliegenden Regelung sowie ihrer Rechtsnatur und damit ebenfalls für die Frage, ob die öffentlich-rechtli­ che Einrichtung bei ihrer Ausübung zum Subjekt des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts wird. Daher gilt für die Bestimmung der Hand­ 404 EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 15. 405 Ebenda. 406 Vgl. Gröpl/Zukiwski, MwStR 2014, 77 (80); Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (339). 407 Vgl. Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (339 f.); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuer­ recht, § 17 Rz. 59.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

lungsgrundlage anhand des nationalen Rechts: Je geringer die Tätigkeit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts von einer Regelung erfasst wird, desto stärker bestimmt sich letztlich die Handlungsform nach dem Gegenstand der Tätigkeit selbst. Aus der Rechtsprechung des EuGH folgt damit zwar ein Vorrang der Bestimmung anhand der Rechtsnatur der für das Handeln maßgeblichen Regelung, nicht jedoch ein endgültiges Ver­ bot, den Gegenstand der Tätigkeit zur Bestimmung des Merkmals einer Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt heranzuziehen.408 Englisch weist zudem darauf hin, dass der EuGH zumindest in zwei neu­ eren Urteilen erkennen lasse, dass auch der Gegenstand der Tätigkeit bzw. die damit erfüllte Aufgabe bei der Frage nach der Ausübung der öf­ fentlichen Gewalt zu berücksichtigen sei.409 Allerdings sind die Ausfüh­ rungen des Gerichtshofs, worauf Englisch selbst einschränkend hinweist, mit Vorsicht zu bewerten.410 So verfolgt der EuGH zwar mit seiner Aus­ legung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL unter anderem das Ziel, solche wirtschaftliche Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich des Mehrwert­ steuerrechts herauszufiltern, die so weit in den ureigenen staatlichen Aufgabenbereich hineinragen, dass es in diesen Fällen grundsätzlich zu keinem Wettbewerb mit privaten Wirtschaftsteilnehmern kommen kann.411 Nur hat er sich mit der Anknüpfung an die Handlungsform be­ wusst für ein aus seiner Sicht rechtssicheres und vereinfachendes Merk­ mal entschieden. Angesichts der Möglichkeit der Rückausnahme im Fall von Wettbewerbsverzerrungen, bei deren Beurteilungen gerade auf den Gegenstand der Tätigkeit abgestellt wird, verringert sich auch das Risi­ ko, mit seiner Auslegung eine zu weitgehende Ausnahme von der per­ sönlichen Steuerpflicht herbeizuführen. Vor diesem Hintergrund dürfte sich die Motivation des EuGH, sich von seiner handlungsformbezogenen Auslegung abzuwenden und einem aufgabenbezogenen Verständnis zu­ zuwenden, in Grenzen halten. Der Umstand, dass er in zwei Urteilen auf eine enge Verbindung zwischen dem Merkmal der öffentlichen Gewalt und staatlichen Aufgaben verweist, sollte angesichts dessen nicht als 408 Dies gewinnt insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, ob eine kirchliche Einrichtung im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig wird, an Bedeutung. Denn auf der einen Seite können diese zweifellos hoheitlich tätig werden, auf der ande­ ren Seite fehlt es an staatlichen Regelungen, auf die abgestellt werden könnte. Die Abgrenzung zum privatrechtlich fundierten Handeln ist damit in der Regel nur möglich, indem anhand des Gegenstandes des Handelns dessen Grundlage dem privaten oder dem öffentlichen Recht zugeordnet wird, vgl. hierzu Küffner/Rust, DStR 2014, 2533 (2539 f.). 409 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (573), mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 16.7.2009 – Rs. C-554/07 (Kommission/Irland), EU:C:2009:464, Rz. 49 und Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 31. 410 Vgl. Englisch, ebenda. 411 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 15.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Kehrtwende in seiner Rechtsprechung interpretiert werden. Dies gilt umso mehr, als dass in dem einen Urteil das Handeln auf öffentlich-recht­ licher Grundlage nicht konkret zu prüfen war412 und in dem anderen Ur­ teil zuvor auf die bisherige ständige Rechtsprechung zur handlungsform­ bezogenen Auslegung explizit Bezug genommen wurde.413 Im Ergebnis bedeutet der handlungsformbezogene Ansatz des EuGH für die öffentliche Hand auf der einen Seite, dass ein Handeln auf privat­ rechtlicher Grundlage zu einer Behandlung als Steuerpflichtige führt, obwohl eine Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzer­ rungen im Sinne der Rückausnahmeregelung in Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 2 MwStSystRL führen würde. Denn in diesen Fällen findet die Be­ freiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL von vornherein keine Anwendung. Aus Sicht der betroffenen Einheit der öffentlichen Hand mag die Behandlung als Steuerpflichtige in einem solchen Fall als unnö­ tig beurteilt werden,414 gleichwohl entspricht sie wegen der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit sowie der damit verbundenen steuerli­ chen Belastung der erbrachten Ausgangsleistungen dem Gebot der gleichmäßigen Besteuerung. Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass, wie im Fall der Rechtsform, das Tatbestandsmerkmal der Ausübung einer im Rahmen der öffentli­ chen Gewalt obliegenden Tätigkeit zugunsten der öffentlichen Hand ei­ nen gewissen Gestaltungsspielraum eröffnet.415 Indem sie entweder eine private oder eine öffentlich-rechtliche Handlungsform wählt, kann sie beeinflussen, ob sie mit ihrer Tätigkeit der persönlichen Steuerpflicht unterliegt oder nicht.416 Diese Einflussmöglichkeit gilt insbesondere für die Vermeidung der Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht. Hierzu reicht ein Handeln der öffentlichen Hand auf privatrechtlicher Grundla­ ge. In Bezug auf die Herbeiführung der Befreiungswirkung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL ist die Einflussmöglichkeit hingegen über die Wahl der Grundlage des Handelns zumindest durch die Rückausnahmerege­ lungen des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 MwStSystRL eingeschränkt. Neben den einzelnen Einrichtungen des öffentlichen Rechts besitzen die 412 In EuGH, Urt. v. 16.7.2009 – Rs. C-554/07 (Kommission/Irland), EU:C:2009:464, ging es abstrakt um eine Überprüfung der irischen Umsetzung der unionsrechtli­ chen Vorgaben. 413 EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 21. 414 Liegmann sieht in einem solchen Fall die Behandlung als Steuerpflichtige im „Wi­ derspruch zum Sinn der Besteuerung der öffentlichen Hand“, ders., Umsatzsteuer­ belastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 100. 415 Zum Gestaltungsspielraum der öffentlichen Hand vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 26 (Stand: Aug. 2013); Stadie, in: Rau/ Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1139 (Stand: Juli 2014). 416 Stadie, ebenda.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum, die Frage der Besteuerung von vornherein durch die Einführung entsprechender gesetzlicher Rege­ lungen zu beeinflussen.417 Der bestehende Gestaltungsspielraum begründet die Möglichkeit, dass dieser zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs der Befreiungsvor­ schrift führt. Dies würde sich dann zum einen zu Lasten des Anwen­ dungsbereichs des Mehrwertsteuerrechts und damit des Gebots einer gleichmäßigen Besteuerung auswirken.418 Zum anderen ist zu berück­ sichtigen, dass die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Zi­ vilrecht in den Mitgliedstaaten, die zum Rechtskreis des common law gehören, weniger geläufig ist und sich somit schwieriger gestaltet, als es in den Mitgliedstaaten der Fall ist, die zum römisch-germanischen (civil law) Rechtskreis zählen. Für Erstere stellt die vom EuGH gewählte An­ knüpfung an die Handlungsform eine zusätzliche Herausforderung dar.419 cc) Wahlrecht über die Behandlung als eine im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübte Tätigkeit Bei der vorangegangenen Untersuchung des Tatbestandsmerkmals der Ausübung einer Tätigkeit, die im Rahmen der öffentlichen Gewalt ob­ liegt, hat sich gezeigt, dass Tätigkeiten, die von der öffentlichen Hand auf privatrechtlicher Grundlage ausgeübt werden, vom Anwendungsbe­ reich der Befreiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL ausgeschlos­ sen sind. In diesen Fällen bleibt es damit bei der persönlichen Steuer­ pflicht nach Art. 9 MwStSystRL. Abweichend von diesem Grundsatz begründet Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL allerdings eine Ausnahme: (2) Mitgliedstaaten können die Tätigkeiten von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die nach den Artikeln 132, 135, 136, 371, 374 bis 377, dem Artikel 378 Absatz 2, dem Artikel 379 Absatz 2 sowie den Artikeln 380 bis 390 von der Mehrwertsteuer befreit sind, als Tätigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Wenn demnach eine Einrichtung des öffentlichen Rechts auf Grundlage des privaten Rechts handelt und ihre Tätigkeit unter einer der in Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL genannten Steuerbefreiungen fällt, kann eben diese Tätigkeit von einem Mitgliedstaat als im Rahmen der öffentlichen Ge­ walt obliegend behandelt werden.420 Damit liegen in diesem Fall die Vor­ aussetzungen des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL vor, so dass gleichwohl der 417 Ebenda. 418 Ebenda. 419 Vgl. hierzu de la Feria, Intertax 2009, 148 (149) in Fn. 10. 420 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 6.2.1997 – Rs. C-247/95 (Marktgemeinde Welden), EU:C:1997:57, Rz. 19 f.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

selbständigen Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Art. 9 MwStSystRL auf privatrechtlicher Grundlage eine Befreiung von der Steuerpflicht erfolgt.421 Wird eine Tätigkeit hingegen im Rahmen der öffentlichen Gewalt, also auf einer öffentlich-rechtlichen Grundlage, ausgeübt, bedarf es keines Rückgriffs auf die Möglichkeit des Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL.422 Es besteht folglich kein Ausschlussverhältnis zwischen Art. 13 Abs. 1 und 2 MwStSystRL, so dass die originäre Anwen­ dung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL für Tätigkeiten, die von einer sach­ lichen Steuerbefreiung erfasst sind, nicht ausgeschlossen ist. Es kann demnach nicht geschlussfolgert werden, dass eine Tätigkeit, die aus dem Anwendungsbereich einer sachlichen Steuerbefreiung explizit ausge­ schlossen wurde,423 nicht mehr im Rahmen öffentlicher Gewalt gem. Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL ausgeübt werden kann.424 Hierfür spricht ins­ besondere, dass Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL eine Erweiterung des An­ wendungsbereichs des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL darstellt425 und auf­ grund des Gedankens einer Verwaltungsvereinfachung als Befugnis für die Mitgliedstaaten vom Richtliniengeber eingeführt wurde.426 Somit er­ folgt eine Prüfung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL unabhängig von einer bestehenden oder nicht bestehenden Möglichkeit für die Mitgliedstaa­ ten, diese Tätigkeiten nach Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL als im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt zu behandeln. Die Regelung des Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL begründet grundsätzlich die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, die Befreiung der öffentlichen Hand vom Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts auszuweiten. Die effektiven Auswirkungen dieser Vorschrift auf die mehrwertsteuerli­ che Behandlung der öffentlichen Hand und ihre Tätigkeiten dürften gleichwohl grundsätzlich sehr gering ausfallen.427 So kommt es weder in Anwendung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL noch im Fall einer sach­ lichen Steuerbefreiung zu einer unmittelbaren steuerlichen Belastung der durch die Leistung initiierten Vermögensverwendungen.428 Die Be­ einträchtigung der gleichmäßigen Besteuerung bleibt damit insoweit un­ 421 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:691, Rz. 40 ff. 422 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 45. 423 So z. B. die Vermietung von Parkplätzen, die explizit gem. Art. 135 II lit. b MwSt­ SystRL von der grundsätzlichen Steuerbefreiung für Umsätze aus der Vermietung von Grundstücken nach Art. 135 I lit. l MwStSystRL ausgenommen wurde. 424 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:691, Rz. 40 ff. 425 Vgl. Canz, Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand im Wandel, S. 84; de la Feria, Intertax 2009, 148 (153). 426 Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 54; Forster, UR 1996, 73 (76). 427 Vgl. Swinkels, IVM 2009, 369 (372 f.). 428 Vgl. de la Feria, Intertax 2009, 148 (154).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

verändert. Dabei ist weiterhin zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Anwendung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL grundsätzlich der Wettbe­ werbsvorbehalt des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL zu prüfen ist. Dies gilt auch dann, wenn die Befreiungsregelung nur deswegen zur An­ wendung kommt, weil ein Mitgliedstaat von dem Wahlrecht in Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL Gebrauch gemacht hat.429 Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass im Fall der sachlichen Steuerbefreiungen teil­ weise die Möglichkeit besteht, zur Behandlung von Ausgangsumsätzen als steuerpflichtig zu optieren.430 Diese Möglichkeit geht verloren, wenn die den Ausgangsumsätzen zugrundeliegende Tätigkeit als im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegend behandelt wird.431 dd) Zusammenfassung Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie knüpft die Befreiung von der per­ sönlichen Steuerpflicht an die Rechtsform einer Einrichtung des öffentli­ chen Rechts. Damit sind Personen des Privatrechts weitgehend aus dem Anwendungsbereich der Befreiungsregelung ausgeschlossen. Das gilt selbst dann, wenn sich die öffentliche Hand einer Person des Privatrechts zur Erfüllung eigener obliegender Aufgaben bedient, solange diese nicht wie eine Einrichtung des öffentlichen Rechts in die öffentliche Verwal­ tung eingegliedert ist. Letzteres betrifft vor allem die Fälle einer formel­ len Privatisierung. Auf der einen Seite wird damit der Umfang der Befrei­ ungsregelung eingeschränkt, auf der anderen Seite erlangt die öffentliche Hand einen Gestaltungsspielraum, um auf ihre mehrwertsteuerrechtli­ che Behandlung Einfluss zu nehmen. Dabei kann sie vor allem durch die Übertragung von eigenen Aufgaben und Tätigkeiten auf eine private Rechtsperson grundsätzlich die Anwendung der Befreiungsregelung und die damit zusammenhängenden Folgen für die steuerliche Behandlung dieser Tätigkeiten umgehen. Einen Gestaltungsspielraum erlangt die öffentliche Hand auch durch die Auslegung des zweiten Tatbestandsmerkmals der Befreiungsvorschrift. So entscheidet nach der Rechtsprechung des EuGH die rechtliche Grund­ lage des Handelns darüber, ob eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt wird oder nicht. Denn sobald die Tätigkeit der öffentli­ chen Hand auf privatrechtlichen Regeln fußt, scheidet eine Befreiung 429 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.2.1997 – Rs. C-247/95 (Marktgemeinde Welden), EU:C:1997:57, Rz. 21; Urt. v. 4.6.2009 – Rs. C-102/08 (SALIX), EU:C:2009:345, Rz. 62, aber auch inzident in Rz. 69; Swinkels, IVM 2009, 369 (373); Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 187; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 33 (Stand: Aug. 2013); a. A. Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Um­ satzsteuerrecht, S. 257 f. 430 Vgl. Art. 137 MwStSystRL. 431 Vgl. de la Feria, Intertax 2009, 148 (154).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

von der persönlichen Steuerpflicht aus. Ein Handeln im Rahmen der öf­ fentlichen Gewalt erfordert ein Vorgehen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Die damit erforderliche Abgrenzung ist auf Grundlage des nationalen Rechts zu treffen und erfordert einen Rückgriff auf die Grund­ sätze des allgemeinen Verwaltungsrechts. Wegen der grundsätzlichen Möglichkeit der öffentlichen Hand, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben zwischen einem Vorgehen auf privatrechtlicher oder öffentlich-rechtli­ cher Grundlage zu entscheiden, schafft der handlungsformbezogene An­ satz des EuGH einen weiteren Gestaltungsspielraum. Denn mit dieser Wahlmöglichkeit kann die öffentliche Hand bzw. können die Mitglied­ staaten wiederum die Anwendung der Befreiungsregelung maßgeblich beeinflussen. Darüber hinaus besitzen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Tätigkei­ ten öffentlich-rechtlicher Einrichtungen, die bestimmten sachlichen Steuerbefreiungen unterliegen, als im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt zu qualifizieren und auf diesem Wege die Anwendung der ­persönlichen Befreiungsregelung zugunsten der öffentlichen Hand her­ beizuführen. Grundsätzlich führt die Anwendung einer sachlichen Steu­ erbefreiung in Bezug auf die steuerliche Nichtbelastung der Ausgangstä­ tigkeiten für die öffentliche Hand zu einer vergleichbaren Situation wie unter Anwendung der persönlichen Befreiungsvorschrift. Daher ist in dieser Möglichkeit vorrangig eine Vereinfachungsregelung zu sehen. Die beiden zentralen Tatbestandsmerkmale der Befreiungsregelung sind in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht näher definiert. So kommt an dieser Stelle der Auslegung der Vorschrift durch den EuGH eine nahe­ zu richtliniengleiche Bedeutung zu und entfaltet eine entsprechende Vorgabe für die Umsetzung in das nationale Recht sowie für die nationa­ le Rechtsanwendung. Die Befreiung nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL von der persönlichen Steu­ erpflicht führt zu einem weitgehenden Ausschluss der öffentlichen Hand vom Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts. Dabei ist zu berück­ sichtigen, dass diese wegen der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit grundsätzlich als Steuerpflichtige zu behandeln wäre und ihre Ausgangstä­ tigkeiten folglich regelmäßig zu steuerpflichtigen Umsätzen führen wür­ den. Damit schränkt die persönliche Befreiungsvorschrift den Anwen­ dungsbereich des Mehrwertsteuerrechts ein und wirkt sich zu Lasten des Gebots einer gleichmäßigen Besteuerung aus. Verschärft wird diese Wir­ kung dadurch, dass die Tatbestandsmerkmale der öffentlichen Hand im Allgemeinen, aber auch den Mitgliedstaaten im Speziellen einen gewissen Gestaltungsspielraum eröffnen. Innerhalb des nach dem Richtlinienrecht und der EuGH-Rechtsprechung bestehenden Rahmens kann dadurch die Anwendung des Mehrwertsteuerrechts maßgeblich beeinflusst werden. 91

A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Infolge des Gestaltungsspielraums kommt es weiterhin zu einer Beein­ trächtigung der Harmonisierungswirkung der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie.432 Denn soweit ein Gestaltungsspielraum besteht, begründet dies die Gefahr einer uneinheitlichen Ausübung und damit einer unter­ schiedlichen Rechtsanwendung in den verschiedenen Mitgliedstaaten. Dies gilt umso mehr, als dass für die endgültige Entscheidung über die Anwendung der Befreiungsvorschrift die nationalen Gerichte berufen sind und damit der harmonisierenden Wirkung durch die Rechtspre­ chung des EuGH enge Grenzen gesetzt sind. Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der vorherigen Untersuchung über die Bedeutung der allgemeinen Vorschriften zum persönlichen An­ wendungsbereich der Mehrwertsteuer ist festzuhalten, dass bis hierhin eine Behandlung der öffentlichen Hand als Besteuerungssubjekt und eine steuerliche Belastung ihrer Ausgangstätigkeiten nach den Regeln der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nur als eine Ausnahme vorgesehen ist. c) (Rück-) Ausnahmen von der Befreiung Der systematische Aufbau der Regelungen des Richtlinienrechts zur mehrwertsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand ergibt eine dreistufige Prüfung.433 Von dieser wurden in der bisherigen Untersuchung in einem ersten Schritt die allgemeinen Vorgaben des Richtlinienrechts über den persönlichen Anwendungsbereich und ihre Bedeutung für die öffentliche Hand beleuchtet. In einem zweiten Schritt galt es, die Befrei­ ung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht in ihren Voraussetzungen und ihrem Umfang zu behandeln. Die folgende Unter­ suchung widmet sich dem letzten Schritt der Prüfung. Dabei gilt es zu klären, ob, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen es zu einer (Rück-) Ausnahme von der Befreiung nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL kommt und es damit bei einer Steuerpflicht der öffentlichen Hand wegen der selbständigen Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit bleibt. Die entsprechenden Regelungen dazu finden sich in Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 2 und 3 MwStSystRL. Im Rahmen der Untersuchung der Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 MwSt­ SystRL wurde festgestellt, dass die Befreiung der öffentlich-rechtlichen Einrichtungen von der persönlichen Steuerpflicht bei Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt auf der Annahme beruht, dass die Nichtbesteuerung einer solchen Tätigkeit in

432 Vgl. zur Diversität der Umsetzung der Richtlinienvorgaben in den einzelnen Mit­ gliedstaaten Jiménez Compaired, Intertax 2008, 268 (270 ff.). 433 Vgl. zum systematischen Aufbau oben unter A. II.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

der Regel nicht zu wettbewerbswidrigen Wirkungen führe.434 Allerdings ist der Richtliniengeber mit Einführung der Rückausnahmeregelungen erkennbar davon ausgegangen, dass die in Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL gewählten Tatbestandsmerkmale die Vermeidung einer Beeinträch­tigung des Wettbewerbs alleine nicht gewährleisten können. Die festgestellten Gestaltungsmöglichkeiten, die sich durch die Befreiungsvorschrift erge­ ben, verdeutlichen zudem das Bedürfnis nach einer zusätzlichen absi­ chernden Regelung. Die Gefahr einer Beeinträchtigung des gemeinsamen Marktes besteht da­ rin, dass infolge der Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht Aus­ gangsleistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts keiner Be­ steuerung unterliegen, die nicht besteuerte Tätigkeit jedoch auch von privaten Wirtschaftsteilnehmern ausgeübt werden kann.435 Hierbei ist es unerheblich, ob Letztere eine Tätigkeit aufgrund privatrechtlicher Rege­ lungen ausüben oder ihnen dieses nur wegen einer verwaltungsrechtli­ chen Genehmigung möglich ist.436 Sobald es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, werden die Leistungen der privaten Wirtschaftsteil­ nehmer wegen ihrer persönlichen Steuerpflicht in der Regel der Besteue­ rung unterworfen, während bei Anwendung der Befreiungsvorschrift die Ausgangsleistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht besteuert werden. Auf diesem Wege kann die Befreiung von der persön­ lichen Steuerpflicht zu einer Ungleichbehandlung im Rahmen einer Wettbewerbssituation führen. Die Grenze hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit eine solche Ungleichbehandlung und die Gefahr von da­ mit einhergehenden Verzerrungen im wirtschaftlichen Wettbewerb hin­ zunehmen sind, wird folglich in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 MwSt­ SystRL gezogen. Vor dem Hintergrund, dass die öffentlich-rechtlichen Einrichtungen un­ ter Anwendung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL ihre Ausgangsumsätze für den Leistungsempfänger ohne eine unmittelbare mehrwertsteuerli­ che Belastung anbieten können, wirkt die Befreiung auf den ersten Blick wie ein Begünstigungstatbestand zugunsten der öffentlichen Hand. An­ gesichts dessen könnte im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die Rückausnahmen allein dem Schutz der privaten Mitbewerber dienen.437 Allerdings hat die Befreiungsregelung auch zur Folge, dass die Einrich­ tungen des öffentlichen Rechts für die zur Ausübung ihrer Tätigkeiten 434 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 31; oben unter A. II. 2. b) bb). 435 Vgl. zu dieser Problemlage EuGH, a.a.O, Rz. 33 f. 436 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 22. 437 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1161: Alleiniger Zweck ist der Schutz der privaten Wirtschaftsteilnehmer.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

bezogenen Fremdleistungen in der Regel keinen Vorsteuerabzug erlan­ gen.438 Damit wird die betroffene Einrichtung endgültig mit der anfallen­ den Steuer finanziell belastet. Diese Belastung fällt bei Tätigkeiten, die größere Investitionen erfordern, besonders ins Gewicht. Wegen der Mög­ lichkeit zum Vorsteuerabzug kann deswegen auch eine öffentlich-recht­ liche Einrichtung von der Anwendung einer Rückausnahmeregelung mit der Folge einer Behandlung als Steuerpflichtige profitieren. Somit dienen die entsprechenden Regelungen zumindest auch dem Schutz der Interes­ sen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts. Diese Sicht findet zudem Halt in der Rechtsprechung des EuGH, der ein Vorliegen von Wettbe­ werbsverzerrungen ebenfalls dann anerkennt, wenn sich diese vorrangig zum Nachteil einer Einrichtung des öffentlichen Rechts, nicht aber un­ mittelbar zu Lasten privater Wirtschaftsakteure auswirken könnten.439 Neben dem Schutz des allgemeinen Wettbewerbs sollen die Regelungen über die Rückausnahmen auch dem mehrwertsteuerrechtlichen Neutra­ litätsprinzip dienen.440 Eine Ausprägung davon stellt die Wettbewerbs­ neutralität dar, nach der Steuerpflichtige hinsichtlich ihrer vergleichba­ ren Umsätze steuerlich gleich zu behandeln sind.441 Die Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht führt hingegen zu einer Ungleichbehand­ lung, indem sie zu einer Nichtbesteuerung von Umsätzen von Einrich­ tungen des öffentlichen Rechts führt, während die privaten Wirtschafts­ teilnehmer mit vergleichbaren Umsätzen der Besteuerung unterliegen würden. Damit beeinträchtigt die Befreiungsvorschrift in diesen Fällen das Gebot der Wettbewerbsneutralität und indem die Rückausnahmen zu einer Besteuerung dieser Umsätze führen, dienen diese Regelungen wiederum der Wahrung des Neutralitätsprinzips. Bei der Auslegung der Vorgaben zu den Ausnahmen von der Befreiung von der Steuerpflicht ist zu berücksichtigen, dass die Befreiung nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL selbst eine Ausnahme zum sich aus Art. 9 MwStSystRL ergebenden weiten Anwendungsbereich darstellt, der grundsätzlich alle wirtschaftlichen Tätigkeiten erfassen soll.442 Wegen 438 Vgl. Art. 167, 168 MwStSystRL, die auf die Steuerpflichtigeneigenschaft abstellen; hierzu unten unter A. IV. 439 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.6.2009 – Rs. C-102/08 (SALIX), EU:C:2009:345, Rz. 75. 440 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 22; Urt. v. 8.6.2006 – Rs. C-430/04 (Feuerbestattungs­ verein Halle), EU:C:2006:374, Rz. 24; Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 43; Englisch, UR 2013, 570 (574); Gröpl/ Zukiwski, MwStR 2014, 77 (82). 441 Vgl. EuGH, Urt. v. 7.9.1999 – Rs. C-216/97 (Gregg), EU:C:1999:390, Rz. 20; Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 42; zum Neutralitätsprinzip und zur Wettbewerbsneutralität oben unter A. I. 3. 442 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 27 ff.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

dieses Ausnahmecharakters ist Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL grundsätzlich eng auszulegen, um die Einschränkung des Grundtatbestandes in Art. 9 MwStSystRL gering zu halten.443 Indem nun aber die Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 MwStSystRL eine Behandlung als Steuerpflichtiger vorgibt und damit von der Ausnahme eine Rückaus­ nahme erfolgt, dient diese Regelung der Wahrung des weiten Anwen­ dungsbereiches nach Art. 9 MwStSystRL. Aus diesem Grund sind der Anwendungsbereich und die Voraussetzungen der Rückausnahmen weit auszulegen.444 aa) Die persönliche Steuerpflicht bei Ausübung bestimmter Tätigkeiten Die Regelung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 i. V. m. Anhang I der MwSt­ SystRL ordnet die Behandlung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Steuerpflichtige wie folgt an: Die Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten in Bezug auf die in Anhang I genannten Tätigkeiten in jedem Fall als Steuerpflichtige, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist. […] Anhang I, Verzeichnis der Tätigkeiten im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 Unterabsatz 3: 1. Telekommunikationswesen; 2. Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität und thermischer Energie; 3. Güterbeförderung; 4. Hafen- und Flughafendienstleistungen; 5. Personenbeförderung; 6. Lieferung von neuen Gegenständen zum Zwecke ihres Verkaufs; 7. Umsätze der landwirtschaftlichen Interventionsstellen aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die in Anwendung der Verordnungen über eine gemeinsame Marktorganisation für diese Erzeugnisse bewirkt werden; 8. Veranstaltung von Messen und Ausstellungen mit gewerblichem Cha­ rakter; 9. Lagerhaltung; 10. Tätigkeiten gewerblicher Werbebüros; 11. Tätigkeiten der Reisebüros; 12. Umsätze von betriebseigenen Kantinen, Verkaufsstellen und Genossenschaften und ähnlichen Einrich-

443 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 60; Urt. v. 16.7.2009 – Rs. C-554/07 (Kommission/Irland), EU:C:2009:464, Rz. 42; Urt. 12.11.2009 – Rs. C-154/08 (Kommission/Spanien), EU:C:2009;695, Rz. 119; Cordewener, UR 2006, 673 (679), mit Verweis auf die en­ gen Voraussetzungen nach der Judikatur des EuGH, z. B. im Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 12 ff.; zur Auslegung des Art. 13 I i MwStSystRL oben unter A. II. 2. b). 444 Vgl. zu Art. 13 I ii MwStSystRL EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 60 und 72; zu Art. 13 I iii MwStSystRL Cordewener, UR 2006, 673 (679).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

tungen; 13. Tätigkeiten der Rundfunk- und Fernsehanstalten sofern sie nicht nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe q steuerbefreit sind. Die Regelung sieht bei der Ausübung bestimmter Tätigkeiten die persön­ liche Steuerpflicht als zwingende Rechtsfolge vor und stellt damit auf den konkreten Gegenstand der ausgeübten Tätigkeit ab.445 Hierdurch un­ terliegt eine Einrichtung des öffentlichen Rechts auch dann der persönli­ chen Steuerpflicht, wenn sie auf Grundlage des öffentlichen Rechts und damit im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig ist.446 Die Anwendung dieser Rückausnahme steht jedoch unter dem Vorbehalt der Ausübung einer Tätigkeit in nur unbedeutendem Umfang. Die aufgeführten Tätigkeiten besitzen einen engen wirtschaftlichen Be­ zug,447 so dass diese in der Regel auch von privaten Wirtschaftsteilneh­ mern erbracht werden können.448 Gleichzeitig liegen diese Tätigkeiten in für das Allgemeinwohl bedeutenden Bereichen. Dieser Umstand ist ge­ eignet, einen besonderen Anreiz für die Mitgliedstaaten zu entfalten, entsprechende Tätigkeiten durch staatliche Einrichtungen zu erbrin­ gen.449 Damit liegt bei den aufgeführten Tätigkeiten eine entsprechende Gefahr begründet, dass es durch eine Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht zu einer steuerlichen Ungleichbe­ handlung und damit zu einer Beeinträchtigung des gemeinsamen Mark­ tes kommen kann.450 Die Regelung ist jedoch nicht auf die Vermeidung von Wettbewerbsver­ zerrungen beschränkt, sondern dient darüber hinaus in ihrer Wirkung der Gewährleistung einer gleichmäßigen Besteuerung. Denn Wettbewerbs­ verzerrungen kommen grundsätzlich nur in Betracht, wenn es auch zu einem Wettbewerb zwischen privaten und öffentlichen Wirtschaftsteil­

445 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 26. 446 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 34; GA Kokott, Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2006:523, Rz. 79; dies., Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2006:520, Rz. 83. 447 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 26; zudem GA Alber, Schlussanträge v. 29.6.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:351, Rz. 69. 448 Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2006:523, Rz. 78; dies., Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2006:520, Rz. 81. 449 Ebenda. 450 Der EuGH spricht von einer „Vermutung“, vgl. Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 35; im Gegensatz hierzu die Ver­ wirklichung der Rechtsharmonisierung unter den Mitgliedstaaten als den zentra­ len Zweck der Regelung sehend Offerhaus, UR 2005, 117 (127); sich diesem an­ schließend Cordewener, UR 2006, 673 (683).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

nehmern kommen kann.451 Dies ist jedoch grundsätzlich nicht möglich, wenn die Ausübung rechtlich als Monopol dem Staat vorbehalten ist.452 Angesichts der besonderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Be­ deutung einiger der genannten Tätigkeiten besteht aber gerade bei diesen ein hoher Anreiz für die Mitgliedstaaten, sie im Rahmen eines staatli­ chen Monopols auszuüben. Schafft ein Mitgliedstaat darüber hinaus die Rahmenbedingungen dafür, dass die Voraussetzungen einer Befreiung nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL vorliegen,453 werden die Tätigkeiten ei­ ner steuerlichen Belastung entzogen. Schon wegen der gesamtwirtschaft­ lichen Bedeutung der in Anhang I MwStSystRL aufgeführten Tätigkeiten impliziert dies eine erhebliche Beeinträchtigung für das Ziel eines wei­ ten Anwendungsbereichs und damit auch für das Gebot der gleichmäßi­ gen Besteuerung. Vor diesem Hintergrund dient die Regelung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL auch der Gewährleistung einer gleich­ mäßigen steuerlichen Belastung privater Konsumaufwendungen. Die Rückausnahme des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL stellt al­ lein auf die ausgeübte Tätigkeit ab. Auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die Entfaltung von Wettbewerbsverzerrungen kommt es nicht an.454 Folglich wird mit der zwingenden Steuerpflicht als Rechtsfolge der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen präventiv und abstrakt begegnet. Allerdings beschränkt sich der Anwendungsbereich der Regelung auf Tä­ tigkeiten, die über einen unbedeutenden Umfang hinaus ausgeübt wer­ den. Eine Tätigkeit hingegen, die nur im unbedeutenden Umfang ausge­ übt wird, ist aus Sicht des Richtliniengebers demnach nicht geeignet, eine Wettbewerbsverzerrung und eine Beeinträchtigung des Marktes her­ vorzurufen. Aus diesem Grund bleibt es bei der Befreiung von der Steuer­ pflicht nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL. Mit Blick auf den Wortlaut der Vorschrift scheint die Nichtanwendung der Rückausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL bei Ausübung einer Tätigkeit im unbedeutenden Umfang als zwingende Rechtsfolge. Der EuGH hingegen interpretiert diese Einschränkung zugunsten der Befreiungsregelung als ein Wahlrecht der Mitgliedstaaten.455 So steht es aus unionsrechtlicher Sicht den Mitgliedstaaten auch bei Ausübung einer in Anhang I MwSt­ ­ mfang SystRL aufgeführten Tätigkeit, die jedoch nur im unbedeutenden U 451 Vgl. zum Begriff der Wettbewerbsverzerrungen unten unter A. II. 2. c) cc). 452 Vgl. Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, S. 101 f.; Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 12; zustimmend Seer/Wendt, DStR 2001, 825 (829) in Fn. 40. 453 Zu den Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten bzw. der einzelnen Einrich­ tungen des öffentlichen Rechts vgl. oben unter A. II. 2. b). 454 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 35. 455 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 27.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

erfolgt, frei, eine Einrichtung des öffentlichen Rechts als Steuerpflichtige zu behandeln. Folglich verlangt Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL auch nicht von den Mitgliedstaaten, eine betragsmäßige Grenze zur Kon­ kretisierung des Begriffs der Tätigkeit im unbedeutenden Umfang einzu­ führen.456 Fraglich ist, inwieweit von einem noch unbedeutenden Umfang einer Tätigkeit gesprochen werden kann und wo die Grenze zu einem bedeu­ tenden Umfang verläuft. Der EuGH selbst trifft insoweit keine weiteren Ausführungen. Als hilfreich für die Auslegung des Begriffs könnten sich insbesondere die Zielrichtung und die systematische Stellung der Rege­ lung erweisen. So dient die Vorschrift, wie gezeigt, dem Schutz des Wett­ bewerbs zwischen privaten und öffentlichen Anbietern von grundsätz­ lich steuerbaren Leistungen. Allerdings bezieht sich die Grenze des unbedeutenden Umfangs nicht auf das Vorliegen und Ausmaß einer (möglichen) Wettbewerbsverzerrung, sondern auf den Umfang der Tätig­ keit. Dies ist auch konsequent, denn den in der Richtlinie aufgeführten Tätigkeiten liegt die Vermutung der potentiellen Verzerrung des Wettbe­ werbs im Fall ihrer Nichtbesteuerung bereits inne. Zudem wird in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL gerade nicht wie in Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 2 MwStSystRL auf konkrete Wettbewerbsverzerrungen abgestellt, sondern vielmehr eine entsprechende Gefahr abstrakt anhand der Tätig­ keiten unterstellt. Vor diesem Hintergrund sind nur solche Tätigkeiten der öffentlichen Hand als im unbedeutenden Umfang ausgeübt anzuse­ hen, bei denen bereits wegen ihres geringen Umfangs die Vermutung als widerlegt gelten kann, dass eine Nichtbesteuerung zu Wettbewerbsver­ zerrungen führen würde. Soweit also die Tätigkeit eine Marktrelevanz besitzt und Einfluss auf die wirtschaftliche Tätigkeit anderer Marktteil­ nehmer entfalten könnte, ist nicht mehr von einer unbedeutenden Tä­ tigkeit auszugehen. Im Ergebnis kann es sich somit nur um eine Baga­ tellfallgrenze handeln,457 die angesichts der aufgeführten bedeutenden Tätigkeiten von insgesamt geringer praktischer Bedeutung sein dürfte.458 Im Rahmen dieser Auslegung bleibt zudem auf der einen Seite die Effek­ tivität der Schutzregelung gewahrt, auf der anderen Seite wird der Tatsa­ che, dass die Voraussetzungen einer Behandlung als Nichtsteuerpflichti­ ge gem. Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL grundsätzlich vorliegen, Rechnung getragen. Der Richtliniengeber unterstellt bei den in Anhang I MwStSystRL ge­ nannten Tätigkeiten von vornherein einen wirtschaftlichen Charakter, so dass bei deren Nichtbesteuerung es zu einer Verzerrung des Wettbe­ 456 Ebenda. 457 Vgl. Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 256. 458 Vgl. Canz, Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand im Wandel, S. 81.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

werbs mit privaten Steuerpflichtigen kommen würde. Vor diesem Hin­ tergrund stellt sich weiterhin die Frage, ob gleichwohl im konkreten Fall der wirtschaftliche Charakter im Sinne des Art. 9 MwStSystRL der aus­ geübten Tätigkeit zu prüfen ist.459 Unterbliebe in diesen Fällen eine Prü­ fung der Entstehung einer persönlichen Steuerpflicht nach den allgemei­ nen Vorgaben des Art. 9 MwStSystRL, könnte damit eine nach mehrwertsteuerrechtlichen Maßstäben nicht als wirtschaftlich zu beur­ teilende Tätigkeit dem Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts unterliegen.460 Gegen das Erfordernis einer vorherigen Prüfung der selb­ ständigen Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit spricht, dass die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL zumindest auch dem Ziel der Gewährleistung einer unionsweit einheitlichen mehrwert­ steuerlichen Behandlung von Tätigkeiten im Sinne des Anhang I MwSt­ SystRL dient.461 Dieser Zweck könnte beeinträchtigt werden, wenn es infolge der Prüfung unter den allgemeinen Voraussetzungen einer per­ sönlichen Steuerpflicht innerhalb des gemeinsamen Marktes zu einer teilweisen Nichterfassung solcher Tätigkeiten kommt. Dieser Argumen­ tation steht allerdings entgegen, dass ein Übergehen der Vorschrift zum Grundtatbestand des persönlichen Anwendungsbereichs des Mehrwert­ steuerrechts dem systematischen Aufbau nach den Art. 9 bis 13 MwSt­ SystRL widerspricht.462 So stellt die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 3 MwStSystRL eine Ausnahme zur Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht dar und dient damit im Ergebnis, wie in diesem Abschnitt gezeigt, der Verwirklichung des grundsätzlich weiten Anwendungsbe­ reichs des Art. 9 MwStSystRL. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass der Regelungsgehalt des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL nach seiner systematischen Konzeption nicht den persönlichen An­ wendungsbereich der Mehrwertsteuer über den Umfang des Art. 9 MwSt­ SystRL hinaus erweitern soll.463 Des Weiteren lässt die terminologische Anknüpfung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL an den Begriff der Tätigkeit den Rückschluss zu, dass hiermit auch nur solche Tätigkei­ ten im Sinne des vorangestellten Art. 9 MwStSystRL gemeint sind.464 Dieses systematische Verständnis spiegelt sich auch in der Rechtspre­ chung des EuGH wieder. In den Rechtssachen Hutchison 3G und ­T-Mobile Austria stand unter anderem die Frage im Vordergrund, ob die Versteigerung von UMTS-Lizenzen eine Tätigkeit im Bereich des von

459 Vgl. zu dieser Frage Fraberger/Gerdes, IStR 2005, 836 (840). 460 Ebenda. 461 Vgl. Fraberger/Gerdes, IStR 2005, 836 (839 f.); Tiedtke, UR 2001, 528 (530). 462 Vgl. Hidien, UR 2002, 165 (167 f.); zum systematischen Aufbau der Regelungen zur Steuerpflicht der öffentlichen Hand oben unter A. II. 463 In diese Richtung auch Hidien, UR 2002, 165 (168). 464 Ebenda.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Anhang I MwStSystRL erfassten Fernmeldewesens darstellt.465 Gleich­ wohl behandelte der EuGH zunächst die Frage, ob die jeweilige öffent­ lich-rechtliche Einrichtung eine wirtschaftliche Tätigkeit gem. Art. 9 MwStSystRL ausgeübt hat.466 Wäre der EuGH der Auffassung, dass diese Frage im Fall einer Tätigkeit im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 i. V. m. Anhang I MwStSystRL unerheblich sei, dann hätte er sich zum einen nicht zuerst mit Art. 9 MwStSystRL beschäftigt. Zum anderen kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass im Fall der Vergabe von UMTS-Li­ zenzen keine wirtschaftliche Tätigkeit seitens des Staates ausgeübt wird. Ob die Tätigkeit dennoch unter den Begriff des Fernmeldewesens im Sin­ ne des Anhang I MwStSystRL falle, war für den EuGH nicht weiter von Belang. Denn auch eine dort genannte Tätigkeit müsste zunächst den Anforderungen des Art. 9 MwStSystRL genügen, mithin also wirtschaft­ lich ausgeübt werden.467 Damit lässt sich festhalten, dass sich für das Erfordernis einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach Art. 9 MwStSystRL als Grundvoraussetzung für die Anwendung der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie auch mit der besonderen Regelung des Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 3 i. V. m. Anhang I MwStSystRL keine Änderung ergibt. bb) Die persönliche Steuerpflicht als generelle Rechtsfolge bei ­Ausübung einer Tätigkeit in nicht mehr unbedeutendem Umfang? Im Rahmen des Verfahrens beim EuGH zur Rechtssache Fazenda Púb­ lica468 wurde vom vorlegenden portugiesischen Gericht die Frage gestellt, ob sich das Merkmal einer Tätigkeit in unbedeutendem Umfang in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL nur auf die Tätigkeiten in An­ hang I MwStSystRL469 bezieht. Denn es könnte auch eine allgemeine Vo­ raussetzung für die Befreiung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts von der persönlichen Steuerpflicht nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL dar­ stellen.470 In diesem Fall würde bei Ausübung einer wirtschaftlichen Tä­ tigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt bereits immer schon dann eine Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht ausscheiden, wenn ihr Umfang nicht mehr als unbedeutend angesehen werden kann. Damit 465 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 25; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 31. 466 So sogar explizit abweichend von der Reihenfolge der Vorlagefragen im Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 32 ff.; ebenso im Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 26 ff. 467 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2007:382, Rz. 41 f.; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 47 f.; hierzu Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 27. 468 EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:691. 469 Im Verfahren noch Anhang D zur 6. EG-RL. 470 Vgl. die Wiedergabe bei EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Públi­ ca), EU:C:2000:691, Rz. 13.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

stellte das Merkmal einen eigenen Rückausnahmetatbestand dar. Eine solche Sichtweise wurde im Verfahren insbesondere von der Euro­ päischen Kommission vertreten.471 Ein möglicher Ansatzpunkt findet sich im Wortlaut der Regelung, nach welchem Einrichtungen […] in jedem Fall als Steuerpflichtige gelten, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.472 Der EuGH lehnt diese Sichtweise ab und verweist als Begründung auf das nach seiner Sicht bestehende Wahlrecht der Mitgliedstaaten, die in An­ hang I MwStSystRL genannten Tätigkeiten als steuerfrei zu behandeln, wenn deren Umfang nur unbedeutend ist.473 Dieses Wahlrecht sei näm­ lich auf die in Anhang I MwStSystRL genannten Tätigkeiten be­ schränkt.474 Damit stelle das Kriterium einer Tätigkeit in nicht unbedeu­ tendem Umfang kein allgemeines negatives Tatbestandsmerkmal für die Befreiung von der Steuerpflicht dar.475 Der in diesem Verfahren zuständi­ ge Generalanwalt Alber kommt zu einem gleichen Ergebnis. Das begrün­ det er allerdings abweichend vom EuGH zum einen damit, dass die For­ mulierung „in jedem Fall“ in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL allein auf die von der Befreiung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL erfassten Tätigkeiten Bezug nehme. Folglich könne dieser Teil der Regelung nicht für die Frage nach der Steuerpflicht aufgrund des Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 3 MwStSystRL herangezogen werden.476 Daneben vertritt Alber die Auffassung, dass diese einschränkende Regelung einen Ausnahme­ charakter besitze und damit als Ausnahme von der Ausnahme eng aus­ zulegen sei.477 Dies stehe folglich einer weiten Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL und seiner Tatbestandsmerkmale entge­ gen.478 Die vorgebrachten Begründungen des EuGH und des Generalanwalts ver­ mögen nur bedingt zu überzeugen. So lassen sich im Richtlinienrecht keine Anhaltspunkte dafür finden, welche die Interpretation des die Rückausnahme einschränkenden Merkmals als Wahlrecht für die Mit­ gliedstaaten stützen. Dementsprechend unterstellt der EuGH mehr das 471 Vgl. GA Alber, Schlussanträge v. 29.6.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:351, Rz. 68 ff. 472 Vgl. GA Alber, a. a. O., Rz. 73. 473 EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:691, Rz. 27. 474 Ebenda. 475 EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:691, Rz. 28. 476 Vgl. GA Alber, Schlussanträge v. 29.6.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:351, Rz. 73. 477 Vgl. GA Alber, a. a. O., Rz. 71 f.; a. A. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 60; vgl. zur Auslegung der Art. 13 I ii und iii MwStSystRL oben unter A. II. 2. c). 478 Vgl. GA Alber, Schlussanträge v. 29.6.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:351, Rz. 71 f.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Vorliegen eines Wahlrechts als dass er dieses aus dem Richtlinienrecht herleitet.479 Indem der EuGH an dieses vermeintliche Wahlrecht an­ knüpft, steht aber auch seine ablehnende Sicht insgesamt auf tönernen Füßen. Der Generalanwalt Alber übersieht hingegen den systematischen Aufbau der Regelungen zur Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht von Einrichtungen des öffentlichen Rechts. Denn auch wenn es sich bei Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL um eine Ausnahmeregelung im Verhältnis zu Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL handelt, so dient sie dem über­ geordneten Grundsatz des weiten Anwendungsbereichs des Mehrwert­ steuerrechts. Die von Generalanwalt Alber geforderte enge Auslegung steht damit im Widerspruch zur gebotenen weiten Auslegung der Rückausnahmeregelungen. In Ansehung des Richtlinienrechts ist dem übereinstimmenden Ergebnis des EuGH und des Generalanwalts Alber gleichwohl zuzustimmen. Denn das Kriterium der Tätigkeit im unbedeutenden Umfang bezieht sich zunächst auf die in Anhang I MwStSystRL genannten Tätigkeiten, deren Ausübung grundsätzlich zu einer Steuerpflicht von Einrichtungen des öffentlichen Rechts führen. Diese Rückausnahme von der Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht beruht auf der Gefahr, dass eine Nichtbesteuerung dieser Tätigkeiten zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Das besondere Gefahrenpotenzial bei diesen Tätigkeiten ist damit die Rechtfertigung für das alleinige Abstellen auf den Gegenstand der Tätig­ keit. Indem bei diesen Tätigkeiten die Gefahr der Wettbewerbsverzer­ rung nur vermutet wird, unterscheidet sich die Rückausnahme des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL von der Regelung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL, die auf die konkrete Gefahr von Wett­ bewerbsverzerrungen abstellt.480 Diese Vermutung kann sich jedoch zur bloßen Unterstellung wandeln, wenn die Tätigkeit schon wegen ihres Umfangs nicht geeignet ist, eine Wettbewerbsrelevanz zu erlangen. Insoweit schafft die Einschränkung des Anwendungsbereichs der ­ Rückausnahme des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL einen Aus­ gleich zwischen präventivem Schutz des Wettbewerbs und der beab­ sichtigten Befreiung der Einrichtungen des öffentlichen Rechts von der persönlichen Steuerpflicht. Daraus ergibt sich mit Blick auf Systematik und Telos der Regelung, dass es sich bei dem Kriterium der Tätigkeit in nur unbedeutendem Umfang nicht um ein allgemeines negatives ­Tat­bestandsmerkmal der Befreiung von der Steuerpflicht nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL handelt. Sie stellt allein eine Einschränkung der 479 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. C-231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 27; Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Pública), EU:C:2000:691, Rz. 26. 480 Vgl. zur Rückausnahme des Art. 13 I ii MwStSystRL im Folgenden unter A. II. 2. c) cc).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

­ersönlichen Steuerpflicht dar, die aus der Ausübung einer in An­ p hang I MwStSystRL genannten Tätigkeiten gem. Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 3 MwStSystRL folgt.481 Damit dient dieses Merkmal mit seiner Wirkung der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Befreiung nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL. Es wäre widersprüchlich, dieses Merkmal gleichzeitig für eine generelle Einschränkung der Befreiungsregelung he­ ranzuziehen. cc) Die persönliche Steuerpflicht bei größeren Wettbewerbsverzerrungen Die Regelung über die Rückausnahme des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL lautet wie folgt: Falls sie [die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, Anm. des Verf.] solche Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Umsätze jedoch als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Die Vorschrift dient damit ebenso wie der Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 3 MwStSystRL als Ausnahmetatbestand zur Befreiungsregelung von der persönlichen Steuerpflicht nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL dem Ziel eines weiten Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer.482 Zudem soll mit der Regelung die Beeinflussung des Wettbewerbs durch eine unglei­ che steuerliche Behandlung von vergleichbaren Tätigkeiten vermieden werden, so dass sie ebenfalls der Wahrung der steuerlichen Neutralität dient.483 Diese Übereinstimmung der Zielrichtungen der beiden Rückaus­ nahmebestimmungen spricht dafür, die Regelungen im Rahmen einer Gesamtschau auszulegen.484 Aus diesem Grund sind die gewonnenen Er­ kenntnisse zur Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL grundsätzlich auch im Rahmen der Untersuchung des Art. 13 Abs. 1 Un­ terabs. 2 MwStSystRL zu berücksichtigen.485

481 In Anknüpfung an das Regel-Ausnahme-Rückausnahme-Schema zur Prüfung der mehrwertsteuerrechtlichen Behandlung der öffentlichen Hand handelt es sich folglich bei dem Merkmal der Tätigkeit in unbedeutendem Umfang um eine Ausnahme von der Rückausnahme (Art. 13 I iii MwStSystRL) zur Ausnahme ­ (Art. 13 I i MwStSystRL) von der Grundregelung zur persönlichen Steuerpflicht (Art. 9 MwStSystRL). 482 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 38. 483 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2006 – Rs. C-430/04 (Feuerbestattungsverein Halle), EU:C:2006:374, Rz. 24. 484 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 39. 485 Vgl. zum Verhältnis der Unterabsätze zueinander GA Kokott, Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-369/04 (Hutchison 3G u. a.), EU:C:2006:523, Rz. 79; dies.,

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Während Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL schon bei Ausübung bestimmter wirtschaftlicher Tätigkeiten eine Einrichtung des öffent­ lichen Rechts der persönlichen Steuerpflicht unterwirft und somit die Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch eine Nichtbesteuerung von Ausgangsleistungen nur vermutet, bezieht sich Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 2 MwStSystRL auf das konkrete Wettbewerbsverhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Wirtschaftsteilnehmern.486 Danach ist eine Einrichtung des öffentlichen Rechts mit ihren im Rahmen der öffentlichen Gewalt erbrachten wirtschaftlichen Tätigkeiten als Steuer­ pflichtige zu behandeln, soweit deren Herausnahme aus dem Anwen­ dungsbereich des Mehrwertsteuerrechts zu größeren Wettbewerbsver­ zerrungen führen würde.487 Im Folgenden gilt es nunmehr zu klären, anhand welcher Voraussetzun­ gen das Vorliegen eines relevanten Wettbewerbsverhältnisses zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsteilnehmern zu bestim­ men ist und wann in diesem Fall Verzerrungen des Wettbewerbs vorlie­ gen. Abschließend wird zu erörtern sein, ab wann Wettbewerbsverzer­ rungen in einem größeren Umfang vorliegen. (1) Relevantes Wettbewerbsverhältnis Die Untersuchung des relevanten Wettbewerbsverhältnisses lässt sich wie folgt untergliedern. In temporärer Hinsicht ist für die Feststellung eines relevanten Wettbewerbsverhältnisses zu bestimmen, ob es hierfür auf einen gegenwärtigen Wettbewerb ankommt oder ob bereits ein po­ tentielles Wettbewerbsverhältnis ausreicht. In sachlicher Hinsicht ist zu erörtern, unter welchen Voraussetzungen sich Tätigkeiten öffent­ lich-rechtlicher und privater Wirtschaftsteilnehmer in einem Wettbe­ werb befinden. In territorialer Hinsicht ist dann noch zu klären, wie der Markt zu bestimmen ist, auf dem sich die zur Feststellung eines relevan­ ten Wettbewerbsverhältnisses maßgeblichen Tätigkeiten befinden müs­ sen. (a) Gegenwärtiges oder potentielles Wettbewerbsverhältnis Zur Beantwortung der Frage, ob es für die Anwendung der Rückausnah­ meregelung eines gegenwärtigen Wettbewerbsverhältnisses bedarf oder hierfür auch bereits ein potentielles Wettbewerbsverhältnis ausreicht, Schlussanträge v. 7.9.2006 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2006:520, Rz. 82; dazu Cordewener, UR 2006, 673 (677). 486 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 45; Cordewener, UR 2006, 673 (683); Küffner, UR 2008, 823 (825). 487 Vgl. zum Zusammenhang mit Art. 13 I i MwStSystRL EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 21 f.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

könnte zunächst an den Wortlaut der Vorschrift angeknüpft werden. Denn gem. Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL ist entscheidend, ob die Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nichtsteu­ erpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.488 Die­ se Formulierung weist darauf hin, dass aus Sicht des Richtlinienrechts im Fall einer Nichtbesteuerung es zu einer Beeinträchtigung des Wettbe­ werbs kommen müsste.489 Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn bereits ein Wettbewerb besteht, auf den sich die Behandlung der Einrich­ tung des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige verzerrend aus­ wirken würde. Mithin ließe sich aus dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL herleiten, dass dieser die Voraussetzung eines gegenwärtigen Wettbewerbsverhältnisses zwischen privaten und öffent­ lichen Marktteilnehmern zumindest nahelegt.490 Allerdings ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass die Regelung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL als Rückausnahme der Ver­ wirklichung des weiten Anwendungsbereichs der Richtlinie dient und dementsprechend weit zu verstehen ist.491 Dies spricht dafür, die Rege­ lung dahingehend auszulegen, dass eine Verzerrung des Wettbewerbs auch dann vorliegen kann, wenn die fehlende persönliche Steuerpflicht einer Einrichtung des öffentlichen Rechts keinen gegenwärtigen, son­ dern einen potentiellen Wettbewerb mit privaten Wirtschaftsteilneh­ mern betreffen würde. Darüber hinaus wäre es andernfalls durch eine Behandlung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Nichtsteuer­ pflichtige möglich, den Markteintritt privater Anbieter zu erschweren.492 Aus diesen Gründen ist Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL dahinge­ hend auszulegen, dass auf der einen Seite für ein relevantes Wettbewerbs­ verhältnis auch die bestehende Möglichkeit, dass die Tätigkeit einer öf­ fentlich-rechtlichen Einrichtung auch von privater Seite ausgeübt wird, ausreicht.493 Auf der anderen Seite würde es den Grundtatbestand in Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL allerdings zu weit einschränken, wenn be­ reits die hypothetische Möglichkeit des Markteintritts eines privaten Wirtschaftsteilnehmers ausreichen würde, um die Anwendung der Be­

488 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 54 ff. 489 Vgl. Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Pro­ jekten, S. 111. 490 Vgl. Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 245; Forster, UR 1996, 73 (82); Seer/Wendt, DStR 2001, 825 (833). 491 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 60. 492 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 61 ff.; Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 245 f. 493 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 63; Häck, ebenda; Seer/Wendt, DStR 2001, 825 (833).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

freiungsregelung auszuschließen.494 Lässt sich daher die Möglichkeit des Markteintritts nicht anhand konkreter Anhaltspunkte begründen und ist damit aus realer Sicht ausgeschlossen, so führt dies nicht zu einem rele­ vanten potentiellen Wettbewerbsverhältnis.495 Demnach reicht zwar ein potentielles Wettbewerbsverhältnis aus, es muss dann aber zumindest eine reale Möglichkeit des Markteintritts eines privaten Wirtschaftsteil­ nehmers bestehen.496 Soweit ein Wettbewerbsverhältnis zwischen priva­ ten und öffentlichen Wirtschaftsteilnehmern hingegen zum Beispiel auf­ grund von tatsächlichen Umständen oder wegen rechtlicher Vorgaben nicht möglich ist, ist die Entstehung einer Wettbewerbssituation nur hypothetisch möglich und die Rückausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL findet keine Anwendung.497 Es bleibt dann bei einer Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtsteuerpflichtige. Diese insbesondere auf der Rechtsprechung der EuGH beruhende Kon­ kretisierung der Vorgaben des Richtlinienrechts schafft zwar auf der ei­ nen Seite eine über den Richtlinientext hinausgehende Klarheit und Ori­ entierung über den Inhalt. Auf der anderen Seite stellen sich aber auch weiterhin für den Rechtsanwender im konkreten Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten. So gilt es zum einen zu klären, ab wann von einer Mög­ lichkeit des Markteintritts auszugehen ist und wann nicht. Zum anderen ist eine reale von einer hypothetischen Möglichkeit abzugrenzen. Beide Fragen besitzen eine zentrale Bedeutung für die Entscheidung, ob eine Einrichtung des öffentlichen Rechts der Steuerpflicht unterliegt. Gleich­ zeitig finden sich hierfür kaum allgemeingültige Anhaltspunkte, die so­ wohl eine einheitliche Umsetzung in den Mitgliedstaaten als auch einen zielsicheren Schutz der Wettbewerbsneutralität gewährleisten könnten. Hinzu kommt, dass diese Fragen sowohl für private als auch für öffent­ lich-rechtliche Wirtschaftsakteure erheblichen Aufwand in Form von interner oder externer Rechtsberatung hervorrufen dürften. Damit er­ weisen sich die inhaltlichen Vorgaben der Wettbewerbsklausel des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL insoweit für die Rechtsanwen­ dung als sehr kompliziert und streitanfällig.

494 Vgl.  Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 246 f. 495 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 64. 496 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 54, 64; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 230 (Stand: Sept. 2011); kritisch zur Rechtsprechung des EuGH Liegmann, Umsatz­ steuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 112 f. 497 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 44; Korf, IStR, 180 (183); Thieme, BB 2009, 1900 (1902 f.).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

(b) Wettbewerbsverhältnis bei vergleichbaren Ausgangsleistungen Für die Anwendung der Rückausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 Un­ terabs. 2 MwStSystRL gilt es weiterhin zu klären, unter welchen Voraus­ setzungen ein gegenwärtiges oder auch ein potentielles Wettbewerbsver­ hältnis zwischen öffentlichen und privaten Wirtschaftsteilnehmern vorliegt. Aus der Mehrwertsteuersystemrichtlinie selbst ergeben sich insoweit keine expliziten Vorgaben.498 Allerdings lassen sich Anhalts­ punkte für die Bestimmung eines Wettbewerbsverhältnisses aus der Sys­ tematik und den Wirkungen der Befreiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL und der Rückausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 2 MwStSystRL herleiten. So führt die Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht dazu, dass ihre im Rahmen ei­ ner wirtschaftlichen Tätigkeit erbrachten Ausgangsleistungen keiner steuerlichen Belastung unterliegen. Dies kann sich für die öffentliche Hand zum Vorteil auswirken, wenn demgegenüber ein privater Wettbe­ werber als Steuerpflichtiger behandelt wird und deswegen seine Aus­ gangsleistungen im Gegensatz zur öffentlichen Hand steuerlich belastet werden.499 Denn bei dem privaten Anbieter wirkt sich die Steuer dann erhöhend auf den Preis der Ausgangsleistungen aus. Damit begründet die Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht für diese grundsätzlich einen Preisvorteil gegenüber dem privaten Konkur­ renten. Hierdurch verliert die Umsatzsteuer ihre neutrale Wirkung und die Befreiungsregelung beeinträchtigt die gebotene Wettbewerbsneutrali­ tät.500 Die Rückausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwSt­ SystRL greift diese Gefahr der Befreiungsregelung auf.501 So verhindert diese im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die unterschiedliche Be­ handlung der Ausgangsleistungen von öffentlichen und privaten Wirt­ schaftsteilnehmern, indem die Befreiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL keine Anwendung findet und der öffentliche Wettbewerber mit seinen Ausgangsleistungen der Mehrwertsteuer unterliegt. Vor diesem Hintergrund lässt sich für die Bestimmung des Vorliegens eines Wettbewerbsverhältnisses zum einen der Schluss ziehen, dass hier­ für auf die im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeiten ausgeübten Aus­ gangsleistungen von öffentlichen und privaten Wirtschaftsteilnehmern abzustellen ist. Denn in der unterschiedlichen Behandlung von Aus­ 498 Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projek­ ten, S. 104. 499 EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 33. 500 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 42; Henze, Grundsatz der steuerlichen Neutralität im ge­ meinsamen Mehrwertsteuersystem, in: Englisch/Nieskens, Umsatzsteuer-Kon­ gress-Bericht 2010, S. 7 (13 f.); oben unter A. I. 3. 501 EuGH, a. a. O., Rz. 44.

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gangsleistungen liegt die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL begründet.502 Daneben ist zu berücksichtigen, dass eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsneutralität grundsätzlich voraussetzt, dass die steuerliche Ungleichbehandlung ver­ gleichbare Ausgangsleistungen betrifft.503 Daraus lässt sich zum anderen schlussfolgern, dass auch eine verzerrende Wirkung der Befreiungsrege­ lung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL nur dann vorliegt, wenn bei einem privaten Wirtschaftsakteuer die Erbringung vergleichbarer Ausgangsleis­ tungen der Besteuerung unterliegt bzw. unterliegen würde.504 Stehen sich hingegen öffentliche und private Wirtschaftsakteure mit unterschiedli­ chen Ausgangsleistungen gegenüber, kann es demnach nicht zu einer nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL relevanten ungleichen Be­ handlung von Ausgangsleistungen kommen. Zusammengefasst liegt ein für die Rückausnahmeregelung maßgebliches Wettbewerbsverhältnis zwischen öffentlichen und privaten Wirtschaftsakteuren grundsätzlich nur dann vor, wenn diese vergleichbare Ausgangsleistungen erbringen.505 Im Anschluss an dieses Verständnis eines Wettbewerbsverhältnisses stellt sich die Frage, ab wann für Zwecke des Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 2 MwStSystRL von einer Vergleichbarkeit von Leistungen ausgegan­ gen werden kann. Wegen der gebotenen weiten Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL506 dürfen die Anforderungen hierfür ins­ gesamt nicht zu hoch sein. Denn gerade diese Feststellung dient dazu, dass eine öffentlich-rechtliche Einrichtung mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Steuerpflichtige dem Anwendungsbereich der Mehrwert­ steuer unterliegt.507 Nach der Rechtsprechung des EuGH soll es dement­ sprechend grundsätzlich genügen, wenn die fraglichen Tätigkeiten im Wesentlichen vergleichbar sind.508 Darüber hinaus lassen sich jedoch we­ der aus der Regelung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL noch aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung konkrete Kriterien ableiten, anhand derer die Vergleichbarkeit von Ausgangsleistungen zu bestim­ 502 Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projek­ ten, S. 105. 503 Vgl. z.  B. Urt. v. 7.9.1999 – Rs. C-216/97 (Gregg), EU:C:1999:390, Rz. 20; Urt. v. 10.4.2008 – Rs. C-309/06 (Marks & Spencer), EU:C:2008:211, Rz. 47; Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719, Rz. 32; Urt. v. 11.9.2014 – Rs. C-219/13 (K), EU:C:2014:2207, Rz. 24; oben unter A. I. 3. 504 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 45 f.; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwSt­ SystRL Rz. 28 (Stand: Aug. 2013). 505 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 45; Küffner, UR 2008, 823 (825); Langer, in: Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 28 (Stand: Aug. 2013). 506 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 60; Nieskens, UR 2013, 739 (742). 507 Vgl. Küffner, UR 2008, 823 (825). 508 EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 45; Küffner, ebenda.

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men ist. Allerdings hat sich der EuGH bereits in einem anderen Zusam­ menhang mit der Vergleichbarkeit von mehrwertsteuerrechtlichen Leis­ tungen zur Bestimmung eines Wettbewerbsverhältnisses geäußert.509 Hervorzuheben sind dabei insbesondere seine Ausführungen in der Rechtssache The Rank Group.510 Zwar betraf das Urteil grundsätzlich die Frage nach der Anwendung einer sachlichen Steuerbefreiung,511 aller­ dings fußen die Ausführungen des EuGH zur Vergleichbarkeit von Leis­ tungen auf dem Gebot der Wettbewerbsneutralität.512 Vor dem Hinter­ grund, dass Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL ebenfalls dem Schutz der Wettbewerbsneutralität dient,513 dürften die Ausführungen des EuGH zur Vergleichbarkeit auch zur Feststellung einer Wettbewerbssituation maßgeblich sein.514 Hinzu kommt, dass die Anwendung einer sachlichen Steuerbefreiung ebenso zur Steuerfreiheit von im Rahmen einer wirt­ schaftlichen Tätigkeit ausgeübten Leistungen führt wie die Anwendung der Befreiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL.515 Diese Tatsache spricht ebenfalls dafür, dass die im Zusammenhang mit einer sachlichen Steuerbefreiung getroffenen Ausführungen zur Bestimmung der Ver­ gleichbarkeit von Leistungen grundsätzlich auch auf die Feststellung ei­ nes Wettbewerbsverhältnisses im Rahmen des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL übertragen werden können. Der EuGH geht in seinem Urteil The Rank Group davon aus, dass das Gebot der Wettbewerbsneutralität verletzt sei, wenn zumindest gleichar­ tige Leistungen für die Zwecke der Mehrwertsteuer ungleich behandelt werden.516 Dies sei der Fall, wenn die fraglichen Dienstleistungen „die­ selben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen […].“517 Ob die Leistun­ gen insoweit gleichartiger Natur sind, sei zuvorderst aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen.518 Vor diesem Hintergrund bestehe dann eine Vergleichbarkeit von Tätigkeiten, wenn die entspre­ chenden Leistungen „ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbrau­ 509 Darauf für Zwecke der Bestimmung des Wettbewerbsverhältnisses nach Art. 13 I ii MwStSystRL abstellend Englisch, UR 2013, 570 (574 f.). 510 EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719; Englisch, UR 2013, 570 (574 f.). 511 Die Befreiung von Leistungen im Bereich des Glückspiels nach Art. 135 I lit. i MwStSystRL, vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 37. 512 EuGH, a. a. O., Rz. 32, 42 ff. 513 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 44. 514 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (574); in diese Richtung auch schon z. B. Küffner, UR 2008, 823 (825); Siegel, Der Begriff des „Betriebs gewerbliche Art“ im Körper­ schaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 246. 515 Vgl. zu sachlichen Steuerbefreiungen unten unter A. III. 516 EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719, Rz. 36. 517 Ebenda. 518 EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719, Rz. 43.

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cher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung den­ selben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, die eine oder die andere dieser Dienstleistungen zu wählen, nicht erheblich beeinflussen […].“519 Dabei sind die Leistungen nicht isoliert, sondern unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen bzw. des Kontextes, innerhalb dessen sie er­ bracht werden, zu vergleichen.520 So kann zum Beispiel eine unterschied­ liche Rechtsgrundlage, aufgrund derer eine Leistung erbracht wird, einer Vergleichbarkeit entgegenstehen.521 Zusammengefasst lässt sich damit festhalten, dass ein Wettbewerbsver­ hältnis im Sinne der Rückausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 2 MwStSystRL vorliegt, wenn sich öffentliche und private Wirt­ schaftsteilnehmer mit vergleichbaren Leistungen gegenüberstehen. Dies gilt es grundsätzlich mit Blick auf die konkret ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts festzustellen. Mög­ lich ist eine Wettbewerbssituation folglich immer dann, wenn Tätigkei­ ten nicht nur von Einrichtungen des öffentlichen Rechts ausgeübt wer­ den können, sondern auch von privaten Wirtschaftsteilnehmern.522 Dabei ist es unerheblich, ob diese Ausübung durch privatrechtliche Re­ gelungen oder eine verwaltungsrechtliche Genehmigung ermöglicht wird.523 Besitzt hingegen eine öffentlich-rechtliche Einrichtung aufgrund der gesetzlichen Vorgaben für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eine Monopolstellung, können private Wirtschaftsteilnehmer keine vergleichbaren Tätigkeiten ausüben bzw. vergleichbare Leistungen ­ ­erbringen und sind dadurch von einem Wettbewerb von vornherein aus­ geschlossen. Die Möglichkeit eines (potentiellen)524 Wettbewerbsverhält­ nisses und folglich auch einer persönlichen Steuerpflicht aufgrund der Rückausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL 519 EuGH, a. a. O., Rz. 44. 520 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.12.2007 – Rs. C-401/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2007:759, Rz. 38 ff.; Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-357/07 (TNT Post UK), EU:C:2009:248, Rz. 38; Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719, Rz. 50; Urt. v. 27.2.2014 – Rs. C-454/12 (Pro Med Logistik u. a.), EU:C:2014:111, Rz. 55 f.; Englisch, UR 2013, 570 (574); Nieuwenhuis, UR 2013, 663 (665). 521 Vgl. so z. B. explizit EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-357/07 (TNT Post UK), EU:C:2009:248, Rz. 39; bestätigt u. a. im Urt. v. 21.4.2015 – Rs. C-114/14 (Kom­ mission/Schweden), EU:C:2015:249, Rz. 33. 522 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 33; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwSt­ SystRL Rz. 28 (Stand: Aug. 2013). 523 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 22; Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 245 ff. m. w. N.; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 161 (Stand: März 2013). 524 Vgl. hierzu bereits zuvor unter A. II. 2. c) cc) (1) (a).

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

scheiden damit aus.525 Hierdurch erlangt der nationale Gesetzgeber die Möglichkeit, über einen rechtlichen Ausschluss privater Wirtschaftsteil­ nehmer von der Ausübung einer Tätigkeit das Entstehen einer persönli­ chen Steuerpflicht der öffentlichen Hand zu beeinflussen.526 Dies kann sogar Anreize entfalten, wirtschaftliche Tätigkeiten gesetzlich der aus­ schließlichen Ausübung durch die öffentliche Hand zuzuweisen, um eine Besteuerung der damit verbundenen Leistungen zu vermeiden. Ein Wettbewerbsverhältnis dürfte grundsätzlich auch in den Fällen ausge­ schlossen sein, in denen eine wirtschaftliche Tätigkeit schon aufgrund ihrer Natur nicht geeignet ist, von einem privaten Wirtschaftsteilnehmer ausgeübt zu werden.527 Dieses Kriterium erfasst vor allem Tätigkeiten, die entweder aufgrund rechtlicher Vorgaben oder tatsächlicher Umstände nicht auf Privatpersonen übertragen werden können. Im ersten Fall be­ gründen die gesetzlichen Vorgaben jedoch in der Regel eine Monopolstel­ lung zugunsten von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, so dass es in diesen Fällen eines Rückgriffs auf dieses Kriterium grundsätzlich nicht bedarf. Angesichts der weitgehenden gesetzlichen Regelung des Handelns der öffentlichen Hand dürften die Tätigkeiten, die allein aus tatsächli­ chen Umständen nicht von privaten Wirtschaftsteilnehmern ausgeübt werden können, insgesamt von untergeordneter Bedeutung sein. Für die Anwendung der Rückausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 Un­ terabs. 2 MwStSystRL lässt sich damit festhalten, dass ein erforderliches Wettbewerbsverhältnis von vornherein ausgeschlossen ist, wenn private Wirtschaftsteilnehmer eine bestimmte Tätigkeit nicht ausüben dürfen oder können. Andernfalls ist mit Blick auf die erbrachten Ausgangsleis­ tungen von öffentlich-rechtlichen und privaten Wirtschaftsakteuren festzustellen, ob diese aus mehrwertsteuerrechtlicher Sicht vergleichbar sind.528 Nur soweit sich dabei aus Sicht eines durchschnittlichen Ver­ brauchers eine Vergleichbarkeit von privaten und öffentlichen Leistun­ gen hinsichtlich der Befriedigung seiner Bedürfnisse ergibt, kann ein für die Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL relevantes Wettbewerbsverhältnis vorliegen.529 525 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 44; Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 31; Pithan, DStZ 2014, 205 (213); Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 28 (Stand: Aug. 2013); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1142 (Stand: Juli 2014). 526 Vgl. Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 16. 527 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (573 f.). 528 EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 45; Küffner, UR 2008, 823 (825); Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 28 (Stand: Aug. 2013). 529 Besondere Anforderungen können sich im Bereich interkommunaler Zusammen­ arbeit ergeben, vgl. hierzu ausführlich Englisch, UR 2013, 570 (574 ff.).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

(c) Maßgeblicher Markt zur Bestimmung eines Wettbewerbs­ verhältnisses Abschließend gilt es die Frage zu klären, welche Tätigkeiten für die Prü­ fung eines gegenwärtigen oder potentiellen Wettbewerbsverhältnisses im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL heranzuziehen sind. Dabei geht es vor allem darum, ob sich die Prüfung räumlich auf den tatsächlichen Wirkungsbereich der von einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung ausgeübten Tätigkeit beschränkt oder ob dabei grundsätz­ lich alle tatsächlichen oder potentiell ausgeübten Tätigkeiten von priva­ ten Wirtschaftsteilnehmern zu berücksichtigen sind. Im ersten Fall wäre dann im Rahmen der Prüfung nur auf den lokalen Markt abzustellen. Im zweiten Fall wäre allein maßgeblich, ob eine vergleichbare Tätigkeit überhaupt auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates von einem priva­ ten Wirtschaftsteilnehmer ausgeübt wird bzw. ausgeübt werden kann.530 Mit Blick auf die zu dieser Frage ergangene Rechtsprechung des EuGH bietet es sich an, zwischen seinem Urteil in der Rechtssache Isle of Wight531 als Grundsatz auf der einen Seite, und dem Urteil in der Rechts­ sache Götz532 als besondere, aber gewichtige Ausnahme davon auf der anderen Seite, zu unterscheiden. (aa) Grundsatz: Maßgeblichkeit des nationalen Marktes Der EuGH hat sich mit der Frage des maßgeblichen Marktes ausführlich in dem Verfahren zur Rechtssache Isle of Wight auseinandergesetzt und kommt zu dem Ergebnis, dass nur auf die Tätigkeit als solche abzustel­ len ist.533 Dies begründet er zum einen mit einer Gesamtschau des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 MwStSystRL.534 So werde in Art. 13 Abs. 1 Un­ terabs. 3 MwStSystRL nur auf die in Anhang I MwStSystRL aufgeführten Tätigkeiten abgestellt. Ob und inwieweit diese auf einem lokal begrenz­ ten Markt ausgeübt werden, sei dabei unerheblich.535 Die Liste in An­ hang I MwStSystRL umfasse jedoch nur bestimmte Tätigkeiten, deren wirtschaftlicher Charakter von vornherein vermuten lässt, dass auch private Wirtschaftsteilnehmer diese ausüben könnten. Daneben bestehe aber eine Vielzahl weiterer Tätigkeiten, die sowohl von öffentlicher wie 530 So auch die erste Vorlagefrage des High Court of Justice (England und Wales), vgl. EuGH Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 12. 531 EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505. 532 EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789. 533 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 53; bestätigt z. B. in Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Sau­ daçor), EU:C:2015:733, Rz. 74. 534 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 34 ff. 535 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 35.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

auch von privater Seite erbracht werden könnten.536 Auf eben diese Tä­ tigkeiten finde dann die Rückausnahme des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL Anwendung und verhindere, wie Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 3 MwStSystRL, die Begründung von größeren Wettbewerbsverzer­ rungen.537 Wegen dieser übereinstimmenden Zielrichtung538 sei auch für Zwecke des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL nur auf die Tätigkeit als solche abzustellen.539 Damit kommt es hiernach grundsätzlich nicht darauf an, ob das konkrete Auftreten einer öffentlich-rechtlichen Ein­ richtung auf einem lokalen Markt zu einer Wettbewerbssituation führt, sondern nur, ob und inwieweit eine vergleichbare Tätigkeit bzw. ver­ gleichbare Ausgangsleistungen von einem privaten Wirtschaftsteilneh­ mer innerhalb des nationalen Marktes ebenfalls ausgeübt werden kön­ nen.540 Ergänzend zu dieser Begründung verweist der EuGH auf das steuerliche Neutralitätsprinzip und den Grundsatz der Rechtssicherheit.541 Ersteres verlangt die grundsätzlich gleichartige Behandlung von vergleichbaren Umsätzen.542 Eine Situation, in der es zu einer Nichtbesteuerung von Tätigkeiten öffentlich-rechtlicher Wirtschaftsteilnehmer bei gleichzeiti­ ger steuerlicher Erfassung einer vergleichbaren Tätigkeit eines privaten Wirtschaftsteilnehmers kommt, widerspreche diesem Prinzip jedoch. Vor diesem Hintergrund seien die Bestimmungen, die ein solches Ergeb­ nis gerade verhindern sollen, so auszulegen, dass sie ihre Aufgabe effek­ tiv erfüllen können und damit eine Beeinträchtigung des Neutralitäts­ grundsatzes so gering wie möglich ausfalle.543 Dies ließe sich auf dem Wege einer Anknüpfung an die Tätigkeit als solche besser erreichen als wenn es erforderlich wäre, mit Blick auf die jeweilige lokale Marktsitua­ tion, auf dem die öffentliche Hand ihre Leistungen anbietet, über das Vorliegen eines potentiellen Wettbewerbsverhältnisses zu entschei­ den.544 Daneben sei die Abgrenzung anhand der Tätigkeit weniger streit­ anfällig, denn andernfalls wäre die Beurteilung mit komplexen wirt­ schaftlichen Problemen und Rechtsfragen verbunden, die zudem noch

536 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 36. 537 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 37. 538 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 38 f. 539 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 40. 540 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 59; Seer/Klemke, BB 2010, 2015 (2021); Hüttemann, FR 2009, 308 (310) hält auf Grundlage der EuGH-Recht­ sprechung sogar das gesamte Gebiet der Europäischen Union als maßgeblichen Markt für möglich. 541 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 41 ff. 542 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 42; oben unter A. I. 3. 543 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 41 ff., 44. 544 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 45.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

wegen der Vielzahl lokaler Märkte in entsprechendem Umfang auftreten würden.545 Der Auslegung durch den EuGH ist zumindest im Ergebnis zuzustim­ men. Kritisch ist hingegen insbesondere die Begründung zu sehen, nach der sich die alleinige Anknüpfung an die Tätigkeit aus der Gesamtschau von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 MwStSystRL ergebe.546 Denn aus der gleichen Zielrichtung lässt sich nicht auch zwingend ein vergleichbares Schutzniveau ableiten. So könnte die Aufzählung bestimmter Tätigkei­ ten in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL auch dahingehend inter­ pretiert werden, dass andere Tätigkeiten gerade nicht zu einer so weitge­ henden Pflicht für die Mitgliedstaaten zur Behandlung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Steuerpflichtige führen sollen. Denn bei die­ sen Tätigkeiten wird nicht schon eine hohe Wettbewerbsrelevanz von Gesetzes wegen vermutet. Vielmehr gilt es, dieses im konkreten Fall festzustellen. Wird bei dieser Prüfung jedoch nur auf die Tätigkeit selbst abgestellt, besteht die Gefahr, auch solche Tätigkeiten zu erfassen, die aufgrund ihres lokalen Bezugs grundsätzlich nicht geeignet sind, durch eine fehlende steuerliche Erfassung den Wettbewerb zum Nachteil priva­ ter Wirtschaftsteilnehmer zu beeinflussen. Gleichwohl ist das Abstellen auf die Tätigkeit selbst und nicht auf den lokalen Markt entsprechend der Rechtsprechung des EuGH grundsätz­ lich zu befürworten. Denn hierdurch kommt es in einem größeren Um­ fang zu einer Einbeziehung der wirtschaftlichen Tätigkeiten von Ein­ richtungen des öffentlichen Rechts in den Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts. Zudem wird die Rechtsanwendung erheblich ver­ einfacht. Denn andernfalls müsste stets mit Blick auf die einzelnen loka­ len Märkte geklärt werden, ob die Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Vor dem Hintergrund, dass die Rechtsanwendung für die Frage nach der persönlichen Steuerpflicht von Einrichtungen des öffentlichen Rechts sich ohnehin als komplex und infolge der vielen unbestimmten Rechtsbegriffe als streitanfällig darstellt, kommt dieser Vereinfachung zudem ein hohes Gewicht zu. Damit lässt sich die Gefahr, Einrichtungen des öffentlichen Rechts mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit der persön­ lichen Steuerpflicht zu unterwerfen, obwohl die Nichtbesteuerung der Tätigkeit in Bezug auf ihre räumliche Bedeutung gegebenenfalls nicht geeignet ist, den Wettbewerb nachteilig zu beeinflussen, im Ergebnis rechtfertigen.547

545 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 47 ff. 546 Kritisch in diese Richtung auch Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 107 ff. 547 Zurückhaltender i. E. Liegmann, a. a. O., S. 109.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

(bb) Ausnahme: Tätigkeitsbereich als räumlich relevanter Markt bei einer rechtlichen Monopolstellung Unter Berücksichtigung der Isle of Wight-Rechtsprechung des EuGH liegt ein relevantes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL grundsätzlich vor, sobald zumindest die reale Möglichkeit besteht, dass private Wirtschaftsteilnehmer auf dem natio­ nalen Markt vergleichbare Tätigkeiten oder Ausgangsleistungen wie eine nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL grundsätzlich von der persönli­ chen Steuerpflicht befreite Einrichtung des öffentlichen Rechts ausüben. Danach müsste privaten Wirtschaftsteilnehmern die Ausübung von Tä­ tigkeiten und Ausgangsleistungen mit Wirkung für das gesamte Hoheits­ gebiet eines Mitgliedstaates verboten werden, um die Entstehung eines relevanten Wettbewerbsverhältnisses zu vermeiden. Denn wenn es zum Beispiel Einrichtungen des öffentlichen Rechts rechtlich möglich wäre, die ihnen grundsätzlich vorbehaltene Tätigkeit im Wege der öffentli­ chen-rechtlichen Beleihung auf eine Person des Privatrechts zu übertra­ gen, könnte bereits die reale Möglichkeit bestehen, dass sich mit Blick auf die Tätigkeit als solche und damit auf den nationalen Markt ­vergleichbare öffentliche und private Leistungen gegenüberstehen. Aber auch ein Verbot, welches nur für einen Teil des Hoheitsgebietes eines Mitgliedstaates gilt, reichte regelmäßig nicht aus, um ein Wettbewerbs­ verhältnis zu vermeiden. Das beträfe zum Beispiel in Deutschland lan­ desrechtliche Verbote, die nicht in allen Bundesländern bestehen. Denn dann könnten zum Beispiel private Wirtschaftsteilnehmer eine im Bun­ desland A für sie verbotene Tätigkeit möglicherweise im Bundesland B ausüben. Nach dem Grundsatz der Isle of Wight-Entscheidung führte in diesem Fall der alleinige Blick auf die Tätigkeit als solche und unabhän­ gig vom lokalen Markt grundsätzlich zu einem relevanten Wettbewerbs­ verhältnis. Hierdurch wären die Gestaltungsmöglichkeiten der Mitglied­ staaten und der öffentlichen Hand erheblich eingeschränkt, mithilfe eines rechtlichen Monopols auf Ausübung bestimmter Tätigkeiten oder Ausgangsleistungen zugunsten der öffentlichen Hand gezielt die Entste­ hung eines Wettbewerbsverhältnisses und damit die Anwendung der Rückausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL zu vermeiden.548 Es ist allerdings fraglich, ob aus Sicht des EuGH auch in den Fällen einer rechtlichen Monopolstellung der öffentlichen Hand für die Ausübung von bestimmten Tätigkeiten oder Ausgangsleistungen stets auf den nati­ onalen Markt zur Prüfung eines relevanten Wettbewerbsverhältnisses abzustellen ist. Denn so hat dieser in seinem Urteil zur Rechtssache 548 In diese Richtung die Isle of Wight-Entscheidung deutend z. B. Küffner, UR 2008, 823 (825).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Götz,549 welches nur neun Monate vor der Isle of Wight-Entscheidung er­ ging, für die Prüfung von Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL den rechtlich vorgegebenen Tätigkeits­ bereich einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als räumlich relevan­ ten Markt bestimmt.550 In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Sach­ verhalt ging es um die Regulierung des Marktes für den An- und Verkauf von Referenzmengen für Milchlieferungen. Aufgrund gesetzlicher Vorga­ ben durften grundsätzlich nur sogenannte Verkaufsstellen den Handel dieser Referenzmengen unter Berücksichtigung bestimmter Vorgaben betreiben. Diese Verkaufsstellen waren grundsätzlich in öffentlicher Trä­ gerschaft, konnten aber unter bestimmten Umständen auch in privater Trägerschaft sein.551 Die Ausübung ihrer Tätigkeit war räumlich begrenzt und sowohl die Veräußerer als auch die Erwerber von Referenzmengen mussten sich grundsätzlich an die für sie zuständige Verkaufsstelle wen­ den.552 Wegen dieser rechtlichen Eingrenzung der Tätigkeitsbereiche konnte zwischen den verschiedenen Verkaufsstellen mit ihrer Handels­ tätigkeit keine Konkurrenzsituation entstehen. Vor diesem Hintergrund war aus Sicht des EuGH eine Konkurrenz zu privaten Händlern von Re­ ferenzmengen ausgeschlossen.553 Denn selbst wenn eine Verkaufsstelle sich wegen einer öffentlich-rechtlichen Beleihung in privater Träger­ schaft befindet, tritt diese wegen des auch für sie geltenden und gesetz­ lich definierten Tätigkeitsbereichs nicht in Konkurrenz zu anderen öf­ fentlichen Verkaufsstellen. Daher war es wohl aus Sicht des EuGH zulässig, für die Prüfung eines Wettbewerbsverhältnisses nicht auf den nationalen Markt, sondern auf den lokalen, durch die Tätigkeit der öf­ fentlichen Einrichtung räumlich bestimmten Markt abzustellen. So be­ durfte es folglich keiner Prüfung, ob außerhalb des Tätigkeitsbereichs der für den Streitfall maßgeblichen öffentlichen Verkaufsstelle eine Ver­ kaufsstelle in privater Trägerschaft eine vergleichbare Tätigkeit ausübt. Vielmehr war nur der rechtlich vorgegebene Tätigkeitsbereich der öffent­ lichen Verkaufsstelle als räumlich relevanter Markt maßgeblich, um das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses mit privaten Wirtschaftsteil­ nehmern zu prüfen.554 Damit stellt die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Götz, nach welcher auch der von einem Mitgliedstaat ge­ setzlich bestimmte Markt für die Prüfung eines Wettbewerbsverhältnis­ ses in räumlicher Hinsicht maßgeblich sein kann, eine Ausnahme vom 549 EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789. 550 EuGH, a. a. O., Rz. 46. 551 Vgl. § 8 der Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzab­ gabenverordnung), BGBl. I 2000, 27 (28 f.); auszugsweise auch wiedergegeben vom EuGH, a. a. O., Rz. 7. 552 Vgl. Busse, UR 2008, 321 (322). 553 EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 44. 554 EuGH, a. a. O., Rz. 46.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

Grundsatz der Isle of Wight-Entscheidung dar. Nach dieser bildet näm­ lich, wie oben gezeigt, die Tätigkeit als solche und damit letztlich der nationale Markt den räumlichen Bezugsrahmen.555 Mit Blick auf die zeitliche Reihenfolge der beiden Urteile könnte darauf geschlossen werden, dass es sich bei der Isle of Wight-Entscheidung um eine Abkehr des EuGH von seinen vorherigen Ansichten handelt. Aller­ dings nimmt der EuGH in der späteren Entscheidung keinen Bezug auf sein Urteil in der Rechtssache Götz und lässt auch in seinen weite­ ren Ausführungen keine Abweichungsabsichten von seiner bisherigen Rechtsprechung zum Wettbewerbsverhältnis erkennen. Darüber hinaus betrifft die Isle of Wight-Entscheidung den Fall einer Parkraumüberlas­ sung als wettbewerbsrelevante Tätigkeit und damit eine Tätigkeit, deren Ausübung gesetzlich weder der öffentlichen Hand vorbehalten noch in räumlicher Hinsicht begrenzt war.556 Des Weiteren sind die beiden Urtei­ le in Bezug auf ihre jeweiligen Begründungen miteinander vereinbar. Zum einen stellt der EuGH in seiner Isle of Wight-Entscheidung klar, dass es einer realen Möglichkeit für einen Wettbewerb bedarf, um ein relevantes Wettbewerbsverhältnis zu begründen. Ein nur hypothetischer Wettbewerb reicht hierfür nicht aus.557 Folglich ist ein Wettbewerbsver­ hältnis regelmäßig ausgeschlossen, wenn eine Einrichtung des öffentli­ chen Rechts eine Monopolstellung innehat.558 Eine solche Ausgangssitu­ ation liegt gerade der Götz-Entscheidung zugrunde, denn die öffentlichen Verkaufsstellen verfügten über eine solche rechtliche Monopolstellung. Damit steht das Ergebnis des EuGH, dass die Behandlung der öffent­ lichen Verkaufsstellen als Nichtsteuerpflichtige keine Wettbewerbs­ verzerrungen hervorrufen, im Einklang mit den Grundsätzen für die ­Prüfung eines Wettbewerbsverhältnisses, die der EuGH in der Isle of Wight-Entscheidung aufstellt.559 Zum anderen weist der EuGH in diesem Urteil zur Rechtfertigung seiner Ansicht, dass nur auf die Tätigkeit als solche abzustellen sei, auf den Aspekt der Rechtssicherheit hin.560 Denn so ließe sich der räumliche Wirkungsbereich des Handelns einer Einrich­ tung des öffentlichen Rechts häufig nur schwer bestimmen.561 Ist dieser jedoch wie im Fall Götz gesetzlich klar abgegrenzt und lässt sich zudem wegen der rechtlichen Monopolstellung der öffentlichen Hand ein Wett­ bewerb mit privaten Wirtschaftsteilnehmern leicht ausschließen, kann 555 Vgl. auch Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 59. 556 Vgl. Thieme, BB 2009, 1900 (1902). 557 EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 64. 558 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 31. 559 Vgl. Hüllman, UStB 2009, 46 (48 f.). 560 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 47 ff. 561 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 45.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

auf dieser Grundlage verhältnismäßig rechtssicher eine Entscheidung über das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses getroffen werden. Im Ergebnis stehen die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Götz und Isle of Wight nicht im Widerspruch, sondern in einem Regel-Aus­ nahme-Verhältnis zueinander. Aus der Götz-Entscheidung des EuGH lässt sich damit verallgemeinernd folgern, dass nicht das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates, sondern da­ von ausnahmsweise abweichend der Tätigkeitsbereich eine Einrichtung des öffentlichen Rechts den räumlich relevanten Markt darstellt, wenn diese für die Ausübung einer Tätigkeit eine rechtliche Monopolstellung innerhalb eines bestimmten räumlich abgrenzbaren Marktes innehat.562 Ob ein privater Wirtschaftsteilnehmer, zum Beispiel aufgrund einer Be­ leihung, außerhalb dieses räumlichen Bereichs eine vergleichbare Tätig­ keit ausübt bzw. vergleichbare Leistungen erbringt, bleibt für die Bestim­ mung eines Wettbewerbsverhältnisses hierdurch außer Betracht. Darüber hinaus lässt sich aus der Götz-Rechtsprechung herleiten, dass auch ein Verbot der privatwirtschaftlichen Ausübung einer Tätigkeit, welches nur für einen Teil des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaates gilt, grundsätz­ lich geeignet sein kann, die Entstehung eines Wettbewerbsverhältnisses zu vermeiden. So könnte zum Beispiel in Deutschland Bundesland A im Rahmen seiner Regelungskompetenzen die Ausübung einer Tätigkeit in­ nerhalb des Landesgebiets ausschließlich der öffentlichen Hand zuwei­ sen, während Bundesland B von einer solchen Regelung bewusst absieht, um einen Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Anbietern zu ermöglichen. Mit Blick auf das Hoheitsgebiet Deutschlands als nach der Isle of Wight-Rechtsprechung grundsätzlich räumlich relevanter Markt führt eine solche Situation grundsätzlich zu einem Wettbewerbsverhält­ nis, denn es stehen sich vergleichbare Leistungen eines öffentlichen An­ bieters aus Bundesland A und eines privaten Anbieters aus Bundesland B gegenüber. Etwas anderes ergibt sich jedoch dann, wenn durch eine lan­ desrechtliche Regelung wie im Fall Götz eine Konkurrenzsituation zwi­ schen öffentlichen und privaten Anbieter ausgeschlossen werden kann. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn Bundesland A den Tätigkeitsbe­ reich „seiner“ öffentlichen Anbieter räumlich eingrenzt und für deren Leistungen einen Anschluss- und Benutzungszwang für die Verbraucher einführt.563 Denn dadurch ist wie bei den Verkaufsstellen für Referenz­ mengen im Fall Götz von vornherein rechtlich ausgeschlossen, dass in­ nerhalb dieses Tätigkeitsbereichs ein privater Anbieter mit vergleichba­ ren Leistungen als Konkurrent auftreten kann. Zudem wird durch die räumliche Begrenzung gleichzeitig verhindert, dass der öffentliche An­ 562 Seer/Klemke, BB 2010, 2015 (2021). 563 Vgl. zur Verhinderung eines Wettbewerbs durch Einführung eines Anschluss- und Benutzungszwangs auch Märtens, in: Gosch, KStG, § 4 Rz. 112.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

bieter außerhalb des ihm zugewiesenen Tätigkeitsbereichs auf den im Bundesland B bestehenden räumlichen Markt seine Leistungen in Kon­ kurrenz zu privaten Anbietern anbietet.564 Mithin kann auch durch eine landesrechtlich begründete Monopolstellung von öffentlichen Anbietern auf Grundlage der Götz-Rechtsprechung des EuGH der für eine Prüfung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL räumlich relevante Markt bestimmt und auf diesem Wege die Entstehung eines relevanten Wettbe­ werbsverhältnisses verhindert werden. Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass die Götz-Rechtsprechung des EuGH die Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten für die Behand­ lung der öffentlichen Hand als Nichtsteuerpflichtige erweitert. Denn sie können nicht nur durch rechtliche Monopole für die Ausübung von Tä­ tigkeiten zugunsten öffentlicher Anbieter die Entstehung eines Wettbe­ werbsverhältnisses verhindern.565 Darüber hinaus ist es ihnen nunmehr möglich, den für die Prüfung des Wettbewerbsverhältnisses räumlich re­ levanten Markt zu bestimmen. Hierdurch wird zum einen der Aus­ schluss der öffentlichen Hand vom Anwendungsbereich des Mehrwert­ steuerrechts erleichtert. Zum anderen begründet diese Möglichkeit eine erhebliche Einschränkung des Neutralitätsgrundsatzes, wonach grund­ sätzlich vergleichbare Leistungen einer gleichen Besteuerung zu unter­ liegen haben.566 Denn indem bereits eine räumlich begrenzte rechtliche Monopolstellung eines öffentlichen Anbieters auf die Ausübung einer Tätigkeit ausreicht, um ein Wettbewerbsverhältnis zu vermeiden, steigt die Gefahr einer steuerlichen Ungleichbehandlung von vergleichbaren Leistungen innerhalb des nationalen Marktes. Denn außerhalb des lokal rechtlich regulierten Marktes unterliegen vergleichbare Leistungen re­ gelmäßig der Besteuerung. Hierdurch ist für die steuerliche Belastung von Vermögensverwendungen des Endverbrauchers letztlich entschei­ dend, ob er eine öffentliche Leistung auf einem regulierten Markt in An­ spruch nimmt bzw. wegen eines Benutzungszwangs nehmen muss, oder ob er einen Markt vorfindet, der einem zumindest real möglichen wirt­ schaftlichen Wettbewerb unterworfen ist. Die Götz-Rechtsprechung führt folglich dazu, dass das Kriterium des Wettbewerbs noch stärker an die Stelle des für eine gleichmäßige steuerliche Belastung grundsätzlich

564 Auf die örtliche Eingrenzung des Marktes mittels eines öffentlich-rechtlichen An­ schluss- und Benutzungszwangs stellt auch der BFH als Anknüpfungspunkt für den Ausschluss von Wettbewerbsverzerrungen an, vgl. z. B. Urt. v. 29.10.2008 – I R 51/07, BStBl. II 2009, 1022 (1023); vgl. hierzu Seer/Klemke, BB 2010, 2015 (2024). 565 Hierzu bereits bei der Untersuchung des Wettbewerbsverhältnisses bei Vorliegen vergleichbarer Tätigkeiten oder Ausgangsleistungen oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (b). 566 Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719, Rz. 35; oben unter A. I. 3.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

maßgeblichen Leitgedankens der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit von privaten Endverbrauchern tritt.567 (2) Verzerrungen des Wettbewerbs Besteht unter Berücksichtigung der vorgenannten Vorgaben ein relevan­ tes Wettbewerbsverhältnis zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsteilnehmern, muss der damit (potentiell) hervorgerufene Wettbewerb verzerrt sein. Diese Situation muss wiederum darin begrün­ det liegen, dass die wirtschaftliche Tätigkeit einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung nicht deren persönliche Steuerpflicht zur Folge hat, während eine vergleichbare Tätigkeit für private Wirtschaftsteilnehmer eine Steu­ erpflicht begründet. Eine vor diesem Hintergrund typische verzerrende Wirkung könnte dadurch entstehen, dass die Ausgangsleistungen der pri­ vaten Wirtschaftsteilnehmer mit Mehrwertsteuer belastet werden, wäh­ rend die Einrichtung des öffentlichen Rechts ihre vergleichbaren Aus­ gangsleistungen ohne eine unmittelbare steuerliche Belastung anbieten kann.568 Im Umkehrschluss spricht gegen eine verzerrende Wirkung, wenn die Ausgangsumsätze der privaten Anbieter wegen einer Steuerbe­ freiung ebenfalls unbelastet angeboten werden können.569 Aber nicht nur eine unterschiedliche Behandlung der Ausgangsumsätze kann zu einer verzerrenden Wirkung führen, sondern auch eine Ungleich­ behandlung beim Vorsteuerabzug.570 Denn die Berechtigung zum Vor­ steuerabzug ist untrennbar mit der Eigenschaft als Steuerpflichtiger ver­ knüpft.571 Ist demnach eine Einrichtung des öffentlichen Rechts wegen des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL von der persönlichen Steuerpflicht be­ freit, werden die zu tragenden Vorsteuern bei der Erbringung von entgelt­ 567 So besonders deutlich GA Maduro, der das Kriterium der Wettbewerbsverzerrung für die Mitgliedstaaten als „Hilfe bei der Entscheidung“ ansieht, „welche Tätig­ keiten der Mehrwertsteuer zu unterwerfen sind und welche nicht“, ders., Schluss­ anträge v. 12.6.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:345, Rz. 19; vgl. zur Besteuerung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Endver­ brauchers als Grundprinzip des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts oben unter A. I. 2. 568 Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 28 (Stand: Aug. 2013); einschränkend ist zwar zu berücksichtigen, dass bei den Ausgangsleistun­ gen regelmäßig die nicht abzugsfähige Vorsteuer verdeckt über den Preis auf den Leistungsempfänger abgewälzt wird, nichtsdestoweniger wird zumindest der auf Ebene der öffentlichen Hand erwirtschaftete Mehrwert nicht von der Steuer er­ fasst; vgl. dazu hier nur Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 206. 569 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (574); Leippe/Baldauf, DStZ 2012, 283 (291); Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 231 (Stand: Sept. 2011). 570 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.6.2009 – Rs. C-102/08 (SALIX), EU:C:2009:345, Rz. 59 ff.; Canz, Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand im Wandel, S. 73; Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 113 ff.; Küffner, UR 2009, 491 (492). 571 Vgl. Art. 167, 168 MwStSystRL; hierzu unten ausführlich unter A. IV. 1. und 2.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

lichen Ausgangsleistungen regelmäßig verdeckt über den Preis auf den Leistungsempfänger abgewälzt. Diese versteckte Vorsteuer kann jedoch auch von einem grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigten Leis­ tungsempfänger nicht abgezogen werden, so dass dieser die Steuer mit Zahlung des Preises zu tragen hat. Obwohl die Leistung der Einrichtung des öffentlichen Rechts damit zu keinem privaten Endkonsum führt, kommt es zu einer, wenn auch verdeckten, steuerlichen Belastung.572 Die­ ses Ergebnis steht grundsätzlich im Widerspruch zum Neutralitätsprinzip, welche die vollständige mehrwertsteuerliche Freistellung der wirtschaft­ lichen Tätigkeit von Steuerpflichtigen und der Leistungskette zwischen diesen vorsieht.573 Auf den ersten Blick stellt die verdeckte steuerliche Belastung von privaten Steuerpflichtigen keine Verzerrung des Wettbe­ werbs zwischen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen und den belasteten privaten steuerpflichtigen Leistungsempfängern dar, denn zwischen die­ sen besteht insoweit keine Wettbewerbssituation. Allerdings können die bezeichneten mittelbaren Belastungen wiederum negative Folgewirkun­ gen für private Wirtschaftsakteure entfalten.574 Während nämlich der Steuerpflichtige, der die Leistung von der öffentlichen Hand bezieht, kei­ nen Vorsteuerabzug erlangt, steht genau diese Möglichkeit trotz vergleich­ baren Leistungsbezugs einem anderen ebenfalls steuerpflichtigen Leis­ tungsempfänger zu, wenn er seine Leistung von einem privaten Anbieter bezieht. Diese Situation stellt eine Ungleichbehandlung und effektive Mehrbelastung der steuerpflichtigen Empfänger öffentlicher Leistungen dar. Zudem ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinnzusam­ menhang des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL, dass sich der Wett­ bewerbsvorbehalt allein zum Schutz privater Personen auswirken darf575 oder aber, dass die persönliche Steuerpflicht wegen des Bestehens größerer Wettbewerbsverzerrungen zwingend zu Nachteilen für Einrichtungen des öffentlichen Rechts führen muss.576 Somit kann auch die Versagung des Vorsteuerabzugs als Folge der Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtsteuerpflichtige zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führen. (3) Verzerrungen des Wettbewerbs in größerem Umfang Nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL müssen die anhand der erarbeiteten Kriterien festgestellten Wettbewerbsverzerrungen von grö­ ßerem Umfang sein. Damit akzeptiert der Richtliniengeber eine gewisse 572 Vgl. zum Problem der nicht abzugsfähigen Vorsteuer innerhalb der Produktions­ kette hier nur Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 206. 573 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.6.2009 – Rs. C-102/08 (SALIX), EU:C:2009:345, Rz. 71 f.; zum Neutralitätsprinzip oben unter A. I. 3. 574 EuGH, a.  a.  O., Rz. 73; vgl. zudem Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 28 (Stand: Aug. 2013). 575 EuGH, a. a. O., Rz. 65 f. 576 EuGH, a. a. O., Rz. 69.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Beeinträchtigung der Wettbewerbsneutralität.577 Aus unionsrechtlicher Sicht ist eine Beibehaltung der Befreiung von der Steuerpflicht bei beste­ henden bzw. potentiellen Wettbewerbsverzerrungen nur insoweit zuläs­ sig, als dass sie unbedeutend sind. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH müssen für die Anwendung der Rückausnahme des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL die Wettbewerbsverzerrungen mehr als nur un­ bedeutend sein.578 Für eine mehr als nur unbedeutende Wettbewerbsver­ zerrung reicht es allerdings nicht schon aus, dass eine relevante Wettbe­ werbssituation vorliegt.579 Die Begründung des EuGH stützt sich dabei auf folgende drei Argumen­ tationslinien.580 Zum einen knüpft er an seine Ausführungen an, nach denen Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL als Rückausnahme zur Ausnahme des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL nicht eng, sondern weit aus­ zulegen sei.581 Denn dem Wort größere käme wie dem Begriff der Wettbewerbsverzerrungen selbst eine die Ausnahme beschränkende Funktion zu. So wäre es widersprüchlich und würde zu einer unzulässigen Auswei­ tung des effektiven Wirkungsbereichs des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL führen, sollte man den Begriff größere mit solchen wie erheblich oder gar außergewöhnlich gleichsetzen. Vielmehr entfalte der Art. 13 Abs. 1 Un­ terabs. 2 MwStSystRL umso mehr seine durch das Regelungssystem er­ kennbare intendierte einschränkende Wirkung im Verhältnis zur Befrei­ ungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL, wenn es allenfalls bei unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen bei einer Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht für öffentlich-rechtliche Einrichtungen blei­ ben dürfte.582 Zum anderen müsste der inhaltliche Zusammenhang der beiden Unter­ absätze zwei und drei des Art. 13 MwStSystRL berücksichtigt werden.583 Denn die Beschränkung der Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL auf Tätigkeiten im unbedeuten­ den Umfang habe zur Konsequenz, dass auch die hieraus entstehenden Wettbewerbsverzerrungen nur von allenfalls unbedeutendem Umfang 577 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 44. 578 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 79; so auch schon zur übereinstimmenden Formulierung des Art. 4 V ii der 6. EG-RL Wachweger, 6. Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern in den Europäischen Gemeinschaften, S. 29. 579 Vgl. EuGH, Urt. v. 2.6.2005 – Rs. C-378/02 (Waterschap Zeeuws Vlaandern), EU:C:2005:335, Rz. 43; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 230 (Stand: Sept. 2011). 580 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u.  a.), EU:C:2008:505, Rz. 72 ff. 581 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 72. 582 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 73 f. 583 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 75 f.

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II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

sein können. Um den Gleichklang der beiden Regelungen zu wahren, seien nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL keine weitergehen­ den Wettbewerbsverzerrungen hinzunehmen als nach Art. 13 Abs. 1 Un­ terabs. 3 MwStSystRL, so dass auch hiernach nur unbedeutende Verzer­ rungen als zulässig gelten könnten. Als Letztes wird auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verwie­ sen.584 Denn sollte eine Rückausnahme von der Nichtbesteuerung nur in den Fällen erfolgen, in denen erheblich oder gar außergewöhnliche Wett­ bewerbsverzerrungen vorlägen, so würde dies zu einer Vielzahl von un­ terschiedlichen steuerlichen Behandlungen vergleichbarer Tätigkeiten führen und damit zu einer weitgehenden Beeinträchtigung des Neutrali­ tätsgrundsatzes. In Ansehung der vom EuGH hervorgehobenen Gesamtschau des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 MwStSystRL, dürfte es sich wie im Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL allenfalls um eine Bagatellfallgrenze han­ deln. Zwar vermag auch in diesem Kontext das Argument der notwendi­ gen Gesamtschau der Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 MwStSystRL nicht zu überzeugen.585 Denn zum Beispiel verbleibt zwischen nicht un­ bedeutenden Wettbewerbsverzerrungen auf der einen Seite und erhebli­ chen bzw. außergewöhnlichen Wettbewerbsverzerrungen auf der ande­ ren Seite immer noch ein erheblicher Spielraum, dessen Ausschluss der EuGH nicht weitergehend begründet. Gleichwohl dient diese enge Aus­ legung sowohl dem Neutralitätsgebot als auch dem Ziel eines umfassen­ den Anwendungsbereichs des Mehrwertsteuerrechts. Hinzu kommt, dass neben dem Schutz des Binnenmarktes, der möglicherweise eine we­ niger strenge Auslegung verkraften würde, die Wettbewerbsklausel auch die grundrechtlich verbürgte Unternehmerfreiheit gem. Art. 16 EU-GrCh verwirklicht. Eine Auslegung, die allein auf die Belange des Marktes ab­ stellt,586 wird dem nicht gerecht. Vor diesem Hintergrund kann dem Aus­ legungsergebnis des EuGH in seiner Tendenz zu einem engen Verständ­ nis zugestimmt werden. Als Grenze dient das Ziel des Richtliniengebers, auch bei Vorliegen eines gewissen Maßes an Wettbewerbsverzerrungen die Befreiung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts von der persön­ lichen Steuerpflicht zu ermöglichen. Hierfür sprechen insbesondere Praktikabilitätserwägungen, die letztlich dem berechtigten Anliegen die­ nen, zu verhindern, dass die Gesamtheit der Vorteile einer Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige in Bezug auf den damit ver­

584 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 77 f. 585 Vgl. zur Begründung oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (c). 586 In diese Richtung z. B. mit einem Überblick der entsprechenden Meinungen in der Literatur Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatz­ steuerrecht, S. 310 f.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

bundenen administrativen Aufwand in einem deutlichen Missverhältnis steht. Diesem Ansinnen wird eine Bagatellfallgrenze letztlich gerecht. Weitere konkrete Vorgaben, wann von einer größeren bzw. nicht unbe­ deutenden Verzerrung des Wettbewerbs auszugehen ist, liegen nicht vor. Im Ergebnis bietet die Rechtsprechung des EuGH allenfalls eine Annähe­ rung an eine Begriffsbestimmung. Vor dem Hintergrund, dass der EuGH die nationalen Gerichte in der Verantwortung sieht, entsprechende Fest­ stellungen zu treffen, erscheint diese Zurückhaltung nur konsequent. Gleichwohl stellt die fehlende Definition dieses Begriffs im Richtlinien­ recht wiederum die Grundlage für Rechtsunsicherheiten und einer diver­ gierenden Auslegung in den jeweiligen Mitgliedstaaten dar. Zugleich mindert sich hierdurch die Effizienz der Rückausnahmeregelung, was sich wiederum zu Lasten der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Wettbewerbsneutralität auswirken kann. dd) Zusammenfassung Die Zielrichtung der Regelungen über die Ausnahmen von der Befreiung von der Steuerpflicht ist die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen, die durch die Befreiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL und da­ mit durch eine abweichende Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtsteuerpflichtige hervorgerufen werden. Diese können sowohl in einer abweichenden Behandlung von Ausgangstätigkeiten als auch in ei­ ner abweichenden Versagung des Vorsteuerabzugs begründet liegen. Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sehen die Rückausnahme­ regelungen als Rechtsfolge ein Wiederaufleben bzw. die Beibehaltung der persönlichen Steuerpflicht vor. So führt auch die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit durch die öffentliche Hand im Rahmen der öffentlichen Gewalt zu ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts. Damit dienen die Rückausnahmeregelungen letztlich sowohl der Wettbewerbsneutralität als auch der gleichmäßigen Besteuerung. In der systematischen Prüfungsreihenfolge zur mehrwert­ steuerrechtlichen Behandlung der öffentlichen Hand stellen sie den fina­ len Schritt dar und setzen voraus, dass zuvor die Voraussetzungen einer persönlichen Steuerpflicht nach Art. 9 MwStSystRL sowie einer Befrei­ ung von dieser gem. Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL erfüllt sind. Die beiden Regelungen zu den Rückausnahmen beinhalten zur Umset­ zung dieser Ziele unterschiedliche Vorgehensweisen. So knüpft Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL an den Inhalt von bestimmten Tätigkei­ ten an, bei denen sich bereits hieraus eine Wettbewerbsrelevanz für das Verhältnis zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsteil­ nehmern herleiten lässt. Folglich kommt in diesen Fällen eine Beibehal­ tung der Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht nur dann in Be­ 124

II.  Die persönliche Steuerpflicht der öffentlichen Hand

tracht, wenn sich bereits anhand des Umfangs der ausgeübten Tätigkeit die Möglichkeit einer relevanten verzerrenden Wirkung ausschließen lässt. Auch wenn es sich insoweit nur um eine Bagatellfallgrenze han­ delt, deutet die Einschränkung des Anwendungsbereichs der Rückaus­ nahmeregelung darauf hin, dass aus Sicht des Richtliniengebers nicht schon das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsteilnehmern zum Ausschluss von der Befreiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL führt. Die Rückausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL leitet die wettbewerbliche Relevanz der Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts nicht aus der ausgeübten Tätigkeit selbst her, sondern knüpft konkret an die Entstehung von größeren Wettbewerbs­ verzerrungen an. Das Merkmal ist wegen seiner Wirkung zugunsten des Umfangs des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer weit auszulegen. Von besonderer Bedeutung ist die Prüfung des Vorliegens eines relevan­ ten Wettbewerbsverhältnisses zwischen privaten und öffentlich-rechtli­ chen Wirtschaftsteilnehmern. So reicht hierfür grundsätzlich ein poten­ tielles Aufeinandertreffen. Allerdings muss es sich dabei um eine reale und nicht nur um eine hypothetische Möglichkeit handeln. Ein solches Aufeinandertreffen setzt weiterhin voraus, dass sich vergleichbare Leis­ tungen bzw. Tätigkeiten gegenüberstehen. Dieses ist wiederum aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers unter Einbeziehung der Rahmenbedin­ gungen und des Kontextes der Leistungserbringung zu bestimmen. Hier­ bei sind grundsätzlich nicht nur die Tätigkeiten auf einem lokalen Markt, sondern alle im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen. Für die Maßgeblichkeit des Hoheitsge­ biets als räumlich relevanter Markt besteht jedoch eine Ausnahme, so­ weit die öffentliche Hand innerhalb eines räumlich eingegrenzten Be­ reichs eine rechtliche Monopolstellung innehat. In diesem Fall ist die Prüfung des Vorliegens eines relevanten Wettbewerbsverhältnisses aus­ nahmsweise räumlich auf den rechtlich bestimmten Tätigkeitsbereich einer Einrichtung des öffentlichen Rechts beschränkt. All diese Konkretisierungen des Merkmals größerer Wettbewerbsverzerrungen beruhen maßgeblich auf der Rechtsprechung des EuGH und füh­ ren auf den ersten Blick für den Rechtsanwender zu einem Gewinn an Rechtssicherheit und Orientierung. Gleichwohl dominieren letztlich offene Fragen und die Unsicherheit, wie diese Vorgaben im konkreten Einzelfall anzuwenden sind. Damit zeigt sich für die Rückausnahme­ tatbestände ein ähnliches Bild, wie es bereits bei der Befreiungsregelung zu erkennen war. Die zentralen Tatbestandsmerkmale der Bestimmun­ gen sind weitgehend unbestimmt und führen somit zu einem erhebli­ chen Klärungsbedarf. Dieser wird durch die Rechtsprechung des EuGH zwar gemindert, doch stellt diese zum Teil selbst wiederum eine Quelle 125

A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

neuer Abgrenzungs- und Rechtsanwendungsschwierigkeiten dar.587 Hin­ zu kommt, dass die Rückausnahmen eine weitere Prüfungsebene für die mehrwertsteuerrechtliche Behandlung der öffentlichen Hand darstellen und damit die Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht noch komple­ xer gestalten. Diese Ergebnisse säen Zweifel, ob die Regelungen als effek­ tive und zielsichere Mittel zur Wahrung der Wettbewerbsneutralität und der gleichmäßigen Besteuerung angesehen werden können. Dies gilt umso mehr, als dass die Regelungen zu den Rückausnahmen für die Mit­ gliedstaaten und ihre Einrichtungen des öffentlichen Rechts einen Ge­ staltungsspielraum begründen, innerhalb dessen auf die Behandlung als Steuerpflichtige oder Nichtsteuerpflichtige Einfluss genommen werden kann. So kann insbesondere ein Mitgliedstaat durch gesetzliche Regelun­ gen die Entstehung eines relevanten Wettbewerbsverhältnisses verhin­ dern. Solche Möglichkeiten können nicht zuletzt sogar die Entscheidun­ gen von Mitgliedstaaten über die Ausgestaltung ihrer eigenen nationalen Aufgabenerfüllung maßgeblich beeinflussen.

III. Sachliche Steuerbefreiungen für Umsätze der öffentlichen Hand Die Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht bewirkt für die öffent­ liche Hand, dass sie trotz der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht als Steuersubjekt behandelt wird. Daraus folgt, dass auch im Fall der Verwirklichung des objektiven Steuertatbestandes, also vor allem die Erbringung einer Leistung gegen Entgelt,588 keine Steuer anfällt. Zu ei­ nem insoweit vergleichbaren Ergebnis kommt es im Fall der Anwendung einer sachlichen Steuerbefreiungsvorschrift. Denn diese knüpft zwar an die Verwirklichung des Steuertatbestandes an und setzt diesen damit vo­ raus, schließt jedoch die steuerliche Belastung der Umsätze aus.589 In bei­ den Fällen entsteht damit für Ausgangsumsätze der öffentlichen Hand keine Mehrwertsteuerschuld. Unterliegt eine Einrichtung des öffentlichen Rechts als Steuersubjekt der Mehrwertsteuer, so finden die einzelnen Befreiungstatbestände wie bei privaten Steuerpflichtigen auf die im Rahmen der wirtschaftlichen Tä­ tigkeit ausgeübten Umsätze Anwendung. Allerdings umfasst der Katalog der Steuerbefreiungen in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie mehrere Tatbestände, die an die Rechtsform einer Einrichtung des öffentlichen Rechts anknüpfen590 und somit wiederum eine besondere Regelung zur 587 Vgl. Schmitz/Möser, UR 2014, 607 (609). 588 Vgl. z. B. Art. 2 I lit. a und lit. c MwStSystRL. 589 Vgl. den Einleitungssatz in Art. 132 I MwStSystRL: „Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer […].“ 590 Vgl. Art. 132 lit. a, b, g, h, i, n und q MwStSystRL.

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III.  Sachliche Steuerbefreiungen für Umsätze der öffentlichen Hand

Nichtbesteuerung von Umsätzen der öffentlichen Hand begründen. Aus diesem Grund wird im Folgenden auf die Steuerbefreiungen mit besonde­ rer Bedeutung für die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand kurz eingegangen. Das Gros der Steuerbefreiungen findet sich im Katalog des Art. 132 MwSt­ SystRL, welcher laut Überschrift bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten erfasst.591 Speziell an die Rechtsform einer Einrichtung des öffentlichen Rechts knüpfen dabei Art. 132 lit. a, b, g, h, i, n und q MwStSystRL an. Private Steuerpflichtige sind zwar in diesen Fällen nicht automatisch von der Anwendung der Steuerbefreiung ausgeschlos­ sen.592 Allerdings müssen sie regelmäßig in persönlicher Hinsicht beson­ dere Anforderungen erfüllen, damit ihre Umsätze von der Steuer befreit werden.593 Die Steuerbefreiungen, die in persönlicher Hinsicht an die Rechtsform einer Einrichtung des öffentlichen Rechts anknüpfen, erfassen vor allem Leistungen in den bedeutenden Bereichen Gesundheit, Sozialfürsorge, soziale Sicherheit, Kultur und Bildung. Vor dem Hintergrund, dass gerade diese Bereiche Kernelemente des Handelns der öffentlichen Hand gegen­ über dem Bürger darstellen, führen die Steuerbefreiungen in Art. 132 MwStSystRL zu einer Ausweitung der steuerlichen Nichtbelastung von grundsätzlich wirtschaftlichen Ausgangstätigkeiten der öffentli­ chen Hand. Deutlich wird dieses zudem angesichts der Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, bestimmte steuerbefreite Tätigkeiten gem. Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL als solche im Rahmen der öffentlichen Gewalt aus­ geübt zu behandeln. Hinzu kommt, dass im Bereich der Steuerbefreiun­ gen die Mitgliedstaaten einen weiten Gestaltungsspielraum besitzen.594 So können diese vor allem den Umfang und weitere Einzelheiten für die Anwendung der Befreiungsregelungen bestimmen.595 Dadurch besitzen die Mitgliedstaaten wie bereits im Zusammenhang mit der Anwendung der Befreiungsvorschrift des Art. 13 MwStSystRL grundsätzlich die Mög­ lichkeit, den Umfang der steuerlichen Belastung von Ausgangsumsätzen der öffentlichen Hand zu beeinflussen. Darüber hinaus können die Mit­ gliedstaaten im Zusammenhang mit einigen Steuerbefreiungen weitge­ hend frei darüber entscheiden, welche persönlichen Voraussetzungen private Steuerpflichtige erfüllen müssen, damit diese wie die Einrichtun­ 591 Vgl. die Übersicht der befreiten Tätigkeiten bei Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 131–137 MwStSystRL Rz. 4 (Stand: Aug. 2013). 592 Vgl. hierzu Langer, a. a. O., Art. 131–137 MwStSystRL Rz. 55 (Stand: Aug. 2013). 593 Vgl. z. B. Art. 132 lit. b, g, h und i MwStSystRL. 594 Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 20.6.2013 – Rs. C-319/12 (MDDP), EU:C:2013:421, Rz. 19; Hüttemann/Schauhoff, MwStR 2013, 426 (427). 595 Vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 131–137 MwStSystRL Rz. 4 (Stand: Aug. 2013).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

gen des öffentlichen Rechts in den Genuss der Steuerbefreiungen kom­ men.596 Der damit begründeten Gefahr einer Wettbewerbsprivilegierung der Einrichtungen des öffentlichen Rechts wird zwar damit begegnet, dass gem. Art. 134 MwStSystRL im Fall von durch die Steuerbefreiung verursachten Wettbewerbsvorteile die entsprechende Befreiungsregelung nicht anzuwenden ist. Allerdings ist der Wettbewerbsbegriff nicht defi­ niert597 und so bestimmt grundsätzlich jeder Mitgliedstaat selbst, wann eine entsprechende Wettbewerbsbeeinträchtigung vorliegt und es ver­ bleibt ihm damit ein gewisser Gestaltungsspielraum.598 In diesem Zu­ sammenhang ist zu berücksichtigen, dass gerade bei Steuerbefreiungen, die auch an persönliche Merkmale anknüpfen, die Gefahr besteht, dass hierdurch die darunter fallenden Steuerpflichtigen selbst und nicht die Endverbraucher privilegiert werden sollen.599 Ziel der Steuerbefreiungen des Art. 132 MwStSystRL ist es gleichwohl zumindest auch, die mit dem Bezug der entsprechenden Leistungen ver­ bundenen Kosten zu mindern.600 Allerdings ist die Möglichkeit zum Vor­ steuerabzug ausgeschlossen, soweit eine bezogene Leistung für die Aus­ übung von nach Art. 132 MwStSystRL befreiten Umsätzen verwendet wird.601 Somit wird die nicht abzugsfähige Vorsteuer in der Regel ver­ deckt über den Preis auf den Leistungsempfänger abgewälzt. Damit bleibt der Leistungsbezug mit der Mehrwertsteuer belastet.602 Allerdings liegen den nach Art. 132 MwStSystRL befreiten Umsätzen und vor allem denjenigen mit einem besonderen Bezug zur öffentlichen Hand sehr ar­ beitsintensive Leistungen zugrunde. Wegen der steuerlichen Nichterfas­ sung dieser Arbeitsleistung auf der letzten Stufe führt die Befreiung

596 Vgl. insb. Art. 133 MwStSystRL; diese betreffen z. B. die Steuerbefreiungen für Umsätze im Zusammenhang mit Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heil­ behandlungen, Sozialfürsorge und soziale Sicherheit, Kinder- und Jugendbetreu­ ung, Erziehung und Bildung sowie kulturelle Dienstleistungen; vgl. zu Art. 133 MwStSystRL Langer, a. a. O., Art. 131–137 MwStSystRL Rz. 77 ff. (Stand: Aug. 2013); aber auch bereits beim Anwendungsbereich des Art. 132 MwStSystRL be­ steht ein Ermessensspielraum zugunsten der Mitgliedstaaten, z. B. im Rahmen der Definition des Begriffs der Einrichtung mit sozialem Charakter in Art. 132 lit. g und h MwStSystRL, vgl. hierzu EuGH, Urt. 10.9.2002 – Rs. C-141/00, EU:C:2002:473, Rz. 54; Urt. v. 15.11.2012 – Rs. C-174/11, EU:C:2012:716, Rz. 26; Hüttemann/ Schauhoff, MwStR 2013, 426 (428 f.). 597 Vgl. Langer, a. a. O., Art. 131–137 MwStSystRL Rz. 14 (Stand: Aug. 2013). 598 Vgl. Langer, a. a. O., Art. 131–137 MwStSystRL Rz. 80 (Stand: Aug. 2013). 599 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 199. 600 Vgl. Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 131–137 MwStSystRL Rz. 10 (Stand: Aug. 2013). 601 Vgl. Art. 167, 168 lit. a MwStSystRL; vgl. hierzu Langer, a. a. O., Art. 131–137 MwSt­ SystRL Rz. 4 (Stand: Aug. 2013); zum Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand unten unter A. IV. 602 Vgl. Langer, a. a. O., Art. 131–137 MwStSystRL Rz. 15 (Stand: Aug. 2013).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

gleichwohl der verdeckten Mehrwertsteuerbelastung in der Regel zu ei­ ner merklichen Minderung des Preises.603 Die Anknüpfung einer Steuerbefreiung an persönliche Merkmale oder Verhältnisse des Steuerpflichtigen bedeutet im Umkehrschluss, dass die Anwendung der Steuerbefreiung ausscheidet, wenn der Leistungser­ bringer nicht über die persönliche Qualifikation verfügt. Damit besteht eine vergleichbare Situation, wie sie sich aufgrund der Maßgeblichkeit der Rechtsform bei der Befreiung von der Steuerpflicht nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL darstellt.604 Denn sobald die steuerbefreite Tätigkeit nicht von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts ausgeübt wird, son­ dern von einem von ihr beauftragten privaten Steuerpflichtigen, führt dies regelmäßig zur Nichtanwendbarkeit der Steuerbefreiung.605

IV. Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand Der Vorsteuerabzug begründet für einen Steuerpflichtigen die Möglich­ keit, die steuerliche Belastung durch die auf ihn abgewälzte Mehrwert­ steuer bei Bezug einer besteuerten Leistung zu beseitigen, indem er einen entsprechenden Ausgleichsanspruch gegenüber dem Staat als Steuer­ gläubiger geltend machen kann.606 Die Notwendigkeit des Instruments des Vorsteuerabzugs607 ergibt sich aus den Zielsetzungen und der Ausgestaltung des Mehrwertsteuersys­ tems.608 So sollen auf der einen Seite alle Umsätze der Mehrwertsteuer unterliegen.609 Damit werden auch die Leistungen innerhalb der Produk­ tionskette zwischen den Steuerpflichtigen besteuert. Auf der anderen Seite sind mit der Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer nur die Vermögensverwendungen für den privaten Endkonsum endgültig zu 603 Ebenda. 604 Vgl. hierzu oben unter A. II. 2. b) aa). 605 Vgl. z.  B. EuGH, Urt. v. 11.7.1985 – Rs. 107/84 (Kommission/Deutschland), EU:C:1985:332, Rz. 12. 606 Vgl. Art. 167 ff. MwStSystRL; EuGH, Urt. v. 15.1.1998 – Rs. C-37/95 (Ghent Coal Terminal), EU:C:1998:1, Rz. 15; Urt. v. 22.2.2001 – Rs. C-408/98 (Abbey National), EU:C:2001:110, Rz. 24; Urt. v. 29.4.2004 – Rs. C-137/02 (Faxworld), EU:C:2004:267, Rz. 37; Urt. v. 22.12.2010 – Rs. C-438/09 (Dankowski), EU:C:2010:818, Rz. 24; Urt. v. 8.3.2013 – Rs. C-271/12 (Petroma Transports u. a.), EU:C:2013:297, Rz. 22; Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 6. 607 Der EuGH bezeichnet den Vorsteuerabzug als integralen Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer, so z. B. im Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-29/08 (AB SKF), EU:C:2009:665, Rz. 55; Urt. v. 16.2.2012 – Rs. C-118/11 (Eon Aset), EU:C:2012:97, Rz. 68. 608 Vgl. zu den Zielen und der Ausgestaltung der Mehrwertsteuer insb. oben unter A. I. 2. 609 Vgl. Art. 1 II ii MwStSystRL; EuGH, Urt. v. 22.2.2001 – Rs. C-408/98 (Abbey Na­ tional), EU:C:2001:110, Rz. 27 f.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

belasten.610 Um vor diesem Hintergrund zu verhindern, dass die steuerli­ che Erfassung der dem privaten Endverbrauch vorgelagerten Produkti­ onskette zu einer endgültigen Belastung der Wirtschaftsteilnehmer führt,611 bedarf es folglich eines ausgleichenden Korrektivs.612 Somit be­ wirkt der Vorsteuerabzug eine steuerlich neutrale Behandlung innerhalb des Mehrwertsteuersystems,613 während all diejenigen, die davon ausge­ schlossen sind, grundsätzlich endgültig mit der Steuer belastet werden. Die Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit die öffent­ liche Hand endgültig mit der Vorsteuer belastet und als Trägerin der Mehrwertsteuer behandelt wird, entscheidet sich damit anhand der in­ haltlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zum Vorsteu­ erabzug. Die Voraussetzungen für den Regelfall eines Vorsteueranspruchs werden in den Art. 167, 168 lit. a MwStSystRL aufgeführt. In diesen finden sich allerdings keine besonderen Vorgaben für die Behandlung der öffentli­ chen Hand. Somit unterliegt diese grundsätzlich für den Vorsteuerabzug denselben Bestimmungen wie Personen des Privatrechts. Vor diesem Hintergrund gilt es im Folgenden sowohl die grundsätzlichen Vorgaben des Vorsteuerabzugs als auch die sich daraus ergebende Bedeutung und Wirkung für die Besteuerung der öffentlichen Hand zu behandeln. Dabei ist in einem ersten Schritt auf die Entstehung des Vorsteuerabzugsrechts nach Art. 167 MwStSystRL einzugehen, um im Anschluss daran in ei­ nem zweiten Schritt die Vorgaben zur Bestimmung des Umfangs des ent­ standenen Rechts gem. Art. 168 lit. a MwStSystRL zu untersuchen. Die­ se Vorgehensweise ergibt sich zum einen aus dem systematischen Aufbau des Richtlinienrechts, zum anderen entspricht sie der Prüfungsreihenfol­ ge, wie sie der EuGH in ständiger Rechtsprechung durchführt.614 Als drit­ ter Schritt sollen die Möglichkeiten der Berichtigung des Vorsteuerab­ zugs sowie das Verbot der sogenannten Einlagenentsteuerung erörtert 610 Vgl. zur Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer oben unter A. I. 2. 611 Vgl. zum Gebot der mehrwertsteuerrechtlich neutralen Behandlung der wirt­ schaftlichen Tätigkeit EuGH, Urt. v. 22.2.2001 – Rs. C-408/98 (Abbey National), EU:C:2001:110, Rz. 24; Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie), EU:C:2009:88, Rz. 27; Urt. v. 16.2.2012 – Rs. C-118/11 (Eon Aset), EU:C:2012:97, Rz. 43. 612 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-29/08 (AB SKF), EU:C:2009:665, Rz. 56 m. w. N. 613 Vgl. zum Vorsteuerabzug des Steuerpflichtigen als Gebot des mehrwertsteuer­ rechtlichen Neutralitätsprinzips oben unter A. I. 3. 614 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 15; Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-396/98 (Schloßstraße), EU:C:2000:303, Rz. 37; Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-400/98 (Breitsohl), EU:C:2000:304, Rz. 35; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-334/10 (X), EU:C:2012:473, Rz. 17; Urt. v. 18.7.2013 – Rs. C-210/11 (Medi­ com und Maison Patrice Alard), EU:C:2013:479, Rz. 36; Heber, ÖStZ 2013, 17 (18); Küffner/von Streit, DStR 2012, 581; Pull, MwStR 2013, 611 (612); Wäger, DB 2012, 1288 (1289).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

werden. Im vierten und letzten Schritt gilt es zu klären, wie sich der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand gestaltet, wenn eine Eingangsleis­ tung sowohl für ihre wirtschaftlichen als auch für ihre nichtwirtschaftli­ chen Zwecke bezogen und verwendet wird. 1. Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug (Art. 167 MwStSystRL) Nach Art. 167 MwStSystRL entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug zu dem Zeitpunkt, in dem auch der Anspruch eines Mitgliedstaates auf die entsprechende Steuer entsteht. Die Richtlinie spricht von einem Recht auf Abzug und begründet damit einen materiell-rechtlichen Anspruch.615 Getrennt davon sind die verfahrensrechtlichen Regelungen zur Aus­ übung des Vorsteuerabzugsrechts zu beurteilen, also auch die Auszah­ lung eines sich im Wege der Verrechnung ergebenden Vorsteuerüber­ hangs.616 a) Handeln als Steuerpflichtiger Als zentrale Voraussetzung für ein Recht auf Vorsteuerabzug nennt die Regelung des Art. 167 MwStSystRL explizit nur die Entstehung der Steu­ er. Darüber hinaus bedarf es jedoch beim Leistungsbezug das Handeln eines Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 9 MwStSystRL als solcher.617 Für Zwecke des Vorsteuerabzugs gilt als Steuerpflichtiger bereits, wer „die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, […] eine wirt­ schaftliche Tätigkeit“ nach Art. 9 MwStSystRL „selbständig auszuüben“ und aus diesem Grund Leistungen bezieht.618 Auf die Zuerkennung die­ ser Eigenschaft durch die Steuerverwaltung kommt es dabei nicht an.619 Die Entstehung des Vorsteueranspruchs setzt damit die Ausübung einer

615 Vgl. hierzu Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 40 ff. (Stand: April 2014). 616 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.11.2001 – Rs. C-338/98 (Kommission/Niederlande), EU:C:2001:596, Rz. 71; Urt. v. 29.4.2004 – Rs. C-152/02 (Terra Baubedarf), EU:C:2004:268, Rz. 30 ff.; Oelmaier, a. a. O., § 15 Rz. 60 ff. (Stand: April 2015). 617 EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 8, 15 f.; Urt. v. 15.1.1998 – Rs. C-37/95 (Ghent Coal Terminal), EU:C:1998:1, Rz. 17; Urt. v. 21.3.2000 – Rs. C-110/98 (Gabalfrisa u.  a.), EU:C:2000:145, Rz. 47; Urt. v. 21.4.2005 – Rs. C-25/03 (HE), EU:C:2005:241, Rz. 43; Urt. v. 30.3.2006 – Rs. C-184/04 (Uudenkaupungin kaupunki), EU:C:2006:214, Rz. 38; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-334/10 (X), EU:C:2012:473, Rz. 17; Urt. v. 16.2.2012 – Rs. C-118/11 (Eon Aset), EU:C:2012:97, Rz. 57; Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, UStG, § 171 Rz. 62 (Stand: Aug. 2005). 618 EuGH, Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-400/98 (Breitsohl), EU:C:2000:304, Rz. 34; vgl. auch Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 8; Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-396/98 (Schloßstraße), EU:C:2000:303, Rz. 36; Urt. v. 8.3.2001 – Rs. C-415/98 (Bakcsi), EU:C:2001:136, Rz. 29; Reiß, UR 2010, 797 (800); Wagner, in: Sölch/Ring­ leb, UStG, § 15 Rz. 50 (Stand: März 2012). 619 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-400/98 (Breitsohl), EU:C:2000:304, Rz. 38.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

die persönliche Steuerpflicht nach Art. 9 MwStSystRL begründende wirt­ schaftliche Tätigkeit voraus. Ein Handeln als Steuerpflichtiger liegt vor, soweit der Leistungsbezug sowohl durch einen Steuerpflichtigen als auch für Zwecke seiner wirt­ schaftlichen Tätigkeit620 erfolgt, also dieser zugeordnet wird.621 Kriterien für die erforderliche Feststellung einer solchen Zuordnung sind insbe­ sondere die Art der bezogenen Leistung als auch der Zeitraum zwischen dem Erwerb und der Verwendung dieser Leistung für die wirtschaftliche Tätigkeit.622 Vor diesem Hintergrund prüft der EuGH zunächst, ob und inwieweit der Leistungsbezug der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuer­ 620 Im Zusammenhang mit der Zuordnung von Eingangsleistungen ist die Terminolo­ gie des EuGH dahingehend uneinheitlich, als dass er sowohl von der Zuordnung zu der wirtschaftlichen Tätigkeit (vgl. Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 17; Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-400/98 (Breitsohl), EU:C:2000:304, Rz. 34; Urt. v. 13.3.2008 – Rs. C-437/06 (Securenta), EU:C:2008:166, Rz. 31) als auch von einer Zuordnung zum Unternehmen spricht (vgl. Urt. v. 4.10.1995 – Rs. C-291/92 (Armbrecht), EU:C:1995:304, Rz. 20; Urt. v. 8.3.2001 – Rs. C-415/98 (Bakcsi), EU:C:2001:136, Rz. 25; Urt. v. 8.5.2003 – Rs. C-269/00 (Seeling), EU:C:2003:254, Rz. 40; Urt. v. 21.4.2005 – Rs. C-25/03 (HE), EU:C:2005:241, Rz. 46; Urt. v. 14.7.2005 – Rs. C-434/03 (Charles und Charles-Tijmens), EU:C:2005:463, Rz. 23; Urt. v. 14.9.2006 – Rs. C-72/05 (Wollny), EU:C:2006:573, Rz. 21; Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie), EU:C:2009:88, Rz. 32; Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 43). Hierbei fällt jedoch auf, dass in den Urteilen der zweiten Gruppe Fragen des Zuordnungswahlrechts bei Investitionsgütern im Zentrum ste­ hen. Demgegenüber spricht der EuGH vorzugsweise von einer allgemeinen Zuord­ nung zur wirtschaftlichen Tätigkeiten, wenn es allein um die Entstehung des Rechts zum Vorsteuerabzug nach Art. 167 MwStSystRL geht. Vor dem Hinter­ grund, dass der Begriff des Unternehmens im Rahmen der Regeln zum Vorsteuer­ abzug nicht genannt wird, soll für Zwecke der unionsrechtlichen Vorgaben im Weiteren das Begriffspaar wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Tätigkeit ver­ wendet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Begriffe wirtschaftlich und unternehmerisch, wie sie in der Rechtsprechung des EuGH zum Vorsteuerabzug verwendet werden, als synonym zu verstehen sind, vgl. hierzu Pull, Die Sphären­ theorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 102 f. m. w. N.; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz. 269 (Stand: Juli 2013); a. A. Heber, ÖStZ 2013, 17 (22); Küffner/ von Streit, DStR 2012, 581 (584), die allein den Begriff des Unternehmens maßgeb­ lich für die Entstehung des Rechts und damit als Definition des Handelns als Steuerpflichtiger ansehen. 621 EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 15 ff.; Klenk, UR 2014, 179; das Erfordernis der Zuordnung wird nunmehr auch inzident durch die Regelung des Art. 168a MwStSystRL bestätigt. Dieser spricht zwar im Ergebnis von einer Beschränkung des Abzugsrechts, bezieht sich aber von vornhe­ rein nur auf Gegenstände, die dem Unternehmen zugeordnet wurden. Im Um­ kehrschluss bedeutet dies, dass im Fall der fehlenden Zuordnung eine Beschrän­ kung nicht in Betracht kommt, da in diesem Fall von vornherein kein Recht zum Vorsteuerabzug entstanden ist; vgl. zu Art. 168a MwStSystRL Reiß, UR 2010, 797 (800 f.). 622 EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 21; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-334/10 (X), EU:C:2012:473, Rz. 23.

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

pflichtigen zuzuordnen ist623 und grenzt diese damit von einer Zuord­ nung zu einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit ab.624 Systematisch ist die Voraussetzung eines Handelns als Steuerpflichtiger und die damit verbundene Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit von der Verwendung der bezogenen Leistung abzugrenzen. Denn diese be­ trifft nur die in Art. 168 MwStSystRL geregelte Frage des Umfangs des Rechts, nicht aber die Entstehung des Rechts bei Leistungsbezug.625 Dar­ aus ergibt sich, dass die Entstehung des Rechts zum Vorsteuerabzug auch nicht von vornherein ausgeschlossen ist, wenn ein erworbener Gegen­ stand zunächst nicht für die wirtschaftliche Tätigkeit verwendet wird.626 b) Grundsatz des Sofortabzugs und seine Folgewirkungen Gem. Art. 167 MwStSystRL entsteht das Recht zum Abzug der Vorsteuer zeitgleich mit der Entstehung der zu leistenden Steuer, und zwar in dem Umfang, der sich unter Anwendung der weiteren Vorgaben, insbesondere nach Art. 168 MwStSystRL, ergibt.627 Der Anspruch auf Abzug wird so­ mit nicht zeitlich gestreckt, zum Beispiel auf die Dauer der Nutzung ei­ ner bezogenen Leistung, sondern der Steuerpflichtige erwirbt einen An­ spruch zum Sofortabzug der gesamten Vorsteuer.628 Aus diesem Grund ist zum einen grundsätzlich bei Leistungsbezug über das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nach den Art. 167 ff. MwStSystRL zu entscheiden. Folglich gilt es bereits zu die­ sem Zeitpunkt abschließend zu prüfen, ob und inwieweit der Leistungs­ bezug der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zuzuordnen 623 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.3.2001 – Rs. C-415/98 (Bakcsi), EU:C:2001:136, Rz. 25; Urt. v. 14.7.2005 – Rs. C-434/03 (Charles und Charles-Tijmens), EU:C:2005:463, Rz. 23; Urt. v. 13.3.2008 – Rs. C-437/06 (Securenta), EU:C:2008:166, Rz. 31. 624 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.3.2008 – Rs. C-437/06 (Securenta), EU:C:2008:166, Rz. 26; Wäger, UR 2012, 236 (237); Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, UStG, § 170 Rz. 23 (Stand: Juli 2012). 625 EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 15; Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-400/98 (Breitsohl), EU:C:2000:304, Rz. 35; Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-396/98 (Schloßstraße), EU:C:2000:303, Rz. 37; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-334/10 (X), EU:C:2012:473, Rz. 17; Wäger, DB 2012, 1288 (1289). 626 EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 14; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-334/10 (X), EU:C:2012:473, Rz. 30 ff.; Stadie, in: Rau/ Dürrwächter, UStG, § 15 Rz. 281 (Stand: Juli 2013). 627 Vgl. Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 50 (Stand: März 2012). 628 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.7.1995 – Rs. C-62/93 (BP Soupergaz), EU:C:1995:223, Rz. 18; Urt. v. 15.1.1998 – Rs. C-37/95 (Ghent Coal Terminal), EU:C:1998:1, Rz. 16; Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-98/98 (Midland Bank), EU:C:2000:300, Rz. 19; Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-396/98 (Schloßstraße), EU:C:2000:303, Rz. 36; Urt. v. 8.5.2003 – Rs. C-269/00 (Seeling), EU:C:2003:254, Rz. 41; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-29/08 (AB SKF), EU:C:2009:665, Rz. 55; Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 50 (Stand: März 2012).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

ist und in welchem Umfang das Recht nach Art. 168 MwStSystRL ent­ steht. Zum anderen folgt aus dem Sofortabzug, dass spätere Änderungen, die bei ihrem Vorliegen im Zeitpunkt des Leistungsbezugs den konkreten Vorsteuerabzug beeinflusst hätten, sich grundsätzlich nicht mehr auf das einmal erworbene Recht auswirken.629 Flankiert wird diese Folge von den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit, die einer rückwirkenden Änderung ebenfalls entgegenstehen.630 Die Maßgeblich­ keit der Umstände im Zeitpunkt des Leistungsbezugs kann sich auf der einen Seite zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken. So bleibt der Vor­ steueranspruch grundsätzlich unberührt, wenn es entgegen der ursprüng­ lichen Zuordnung nicht zu einer Nutzung im Rahmen der wirtschaftli­ chen Tätigkeit kommt bzw. die bezogene Leistung nicht mehr zur Ausübung besteuerter Umsätze dient oder dienen soll.631 Auf der anderen Seite kann der Vorsteuerabzug für eine Leistung, für die bei Bezug die Voraussetzungen nach Art. 167, 168 MwStSystRL nicht erfüllt waren, im Fall einer späteren Verwendung für die wirtschaftliche Tätigkeit grund­ sätzlich nicht nachträglich geltend gemacht werden.632 Hiervon ist vor allem ein Leistungsbezug für nichtwirtschaftliche Zwecke und die damit verbundene Zuordnung zu dieser Tätigkeit betroffen. Selbst wenn die Leistung später einer wirtschaftlichen Tätigkeit dient, ist die Möglich­ keit einer nachträglichen Zuordnung zu dieser ausgeschlossen und damit das Recht auf einen Vorsteuerabzug unwiderruflich verwirkt.633 Eine Ein­ schränkung kann sich allenfalls dadurch ergeben, dass bereits im Zeit­ punkt des Leistungsbezugs die spätere wirtschaftliche Nutzung beab­ sichtigt war.634

629 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.2.1996 – Rs. C-110/94 (INZO), EU:C:1996:67, Rz. 20; Urt. v. 15.1.1998 – Rs. C-37/95 (Ghent Coal Terminal), EU:C:1998:1, Rz. 20; Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-396/98 (Schloßstraße), EU:C:2000:303, Rz. 42. 630 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-396/98 (Schloßstraße), EU:C:2000:303, Rz. 47. 631 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-400/98 (Breitsohl), EU:C:2000:304, Rz. 42. 632 Sog. Einlagenentsteuerung; vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 43 f.; Wäger, DB 2012, 1288 (1290); kritisch zur Her­ leitung des Verbots aus den Vorgaben der MwStSystRL Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 331. 633 So erkennbar bei EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 8 ff.: Indem es für das Recht zum Vorsteuerabzug gerade auf das Handeln als Steuerpflichtiger im Zeitpunkt des Leistungsbezugs ankommt, ist eine spätere wirtschaftliche Zuordnung unerheblich für das Entstehen des Rechts; vgl. zudem EuGH, Urt. v. 2.6.2005 – Rs. C-378/02 (Waterschap Zeeuws Vlaanderen), EU:C:2005:335, Rz. 33; Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 44; Stadie, UStG, § 15a Rz. 126. 634 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-334/10 (X), EU:C:2012:473, Rz. 27; hierzu Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz. 281 (Stand: Juli 2013).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

c) Bedeutung und Auswirkungen für die öffentliche Hand Die Voraussetzungen des Art. 167 MwStSystRL schränken den Vorsteu­ erabzug der öffentlichen Hand in erheblichem Umfang ein. So haben nur Steuerpflichtige die Möglichkeit zum Vorsteueranspruch. Soweit die öf­ fentliche Hand keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, die ihre Eigen­ schaft als Steuerpflichtige begründet, scheidet ein Vorsteuerabzug aus. Aber auch in den Fällen, in denen sich in Anwendung des Art. 9 MwSt­ SystRL grundsätzlich eine persönliche Steuerpflicht ergibt, die öffentli­ che Hand davon jedoch wegen der besonderen Regelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL befreit ist, scheidet ein Vorsteuerabzug aus. Es liegt in diesen Fällen kein Handeln als Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 167 MwStSystRL vor.635 Im Ergebnis führt damit jede Einschränkung der persönlichen Steuerpflicht der öffentlichen Hand zu einem Aus­ schluss vom Vorsteuerabzug. Wegen der Funktion des Vorsteuerabzugs folgt daraus, dass die öffentliche Hand nach den inhaltlichen Vorgaben des Richtlinienrechts in diesen Fällen als Trägerin der Mehrwertsteuer behandelt wird. Angesichts des intendierten Belastungsziels der Mehr­ wertsteuer wird die öffentliche Hand im Ergebnis einem privaten End­ verbraucher gleichgestellt. Unter Berücksichtigung des weitgehenden Ausschlusses der öffentlichen Hand vom Anwendungsbereich der Mehr­ wertsteuersystemrichtlinie, die sich aus der obigen Untersuchung ihrer persönlichen Steuerpflicht ergeben hat, dürfte die Behandlung als Träge­ rin der Mehrwertsteuer den Regelfall darstellen. Neben dem Ausschluss vom Vorsteuerabzug ergibt sich aus den Anforde­ rungen des Art. 167 MwStSystRL eine weitere Einschränkung. Denn so­ weit die öffentliche Hand mit einer von ihr ausgeübten Tätigkeit als Steuerpflichtige grundsätzlich dem Anwendungsbereich der Mehrwert­ steuer unterliegt, bedeutet dieser Umstand nicht gleichzeitig die Mög­ lichkeit zum Vorsteuerabzug. Vielmehr muss die bezogene Leistung für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet werden. Dient sie hin­ gegen parallel verfolgten nichtwirtschaftlichen Zwecken der öffentli­ chen Hand, scheidet der Vorsteuerabzug insoweit aus. Zu dieser Katego­ rie von Tätigkeiten gehören jedoch nicht nur solche, die nicht den Anforderungen des Art. 9 MwStSystRL erfüllen, sondern eben auch Tä­ tigkeiten, die unter die besondere Befreiungsvorschrift des Art. 13 MwSt­ SystRL fallen.636 Damit gilt es im Fall des Leistungsbezugs durch die öf­ fentliche Hand auch bei einer bestehenden persönlichen Steuerpflicht zu prüfen und abzugrenzen, ob und inwieweit einzelne Leistungen ihren

635 Vgl. EuGH, Urt. v. 2.6.2005 – Rs. C-378/02 (Waterschap Zeeuws Vlaanderen), EU:C:2005:335, Rz. 32 ff. 636 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 33 f., 45.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

wirtschaftlichen oder aber ihren nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten zuzu­ ordnen sind. In Ansehung der finanziellen Bedeutung, die mit der Möglichkeit zum Vorsteuerabzug bzw. der Möglichkeit der Erstattung eines Vorsteuer­ überhangs einhergehen, gewinnen die bei der Untersuchung der Steuer­ pflicht festgestellten Gestaltungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand637 erheblich an Bedeutung. So kann die öffentliche Hand innerhalb des ­festgestellten Rahmens die Steuerpflichtigeneigenschaft und damit die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug selbst herbeiführen. Gerade im Zu­ sammenhang mit größeren Investitionen kann die Aussicht auf einen Liquiditätsvorteil für einzelne Einheiten der öffentlichen Hand, zum Bei­ spiel in Deutschland für Gemeinden, einen großen Anreiz für eine ent­ sprechende Gestaltung entfalten.638 2. Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug (Art. 168 MwStSystRL) Die Vorgaben für die Bestimmung des konkreten Umfangs des gem. Art. 167 MwStSystRL entstandenen Rechts auf Vorsteuerabzug finden sich in den Art. 168 ff. MwStSystRL. Der Hauptanwendungsfall ist dabei in Art. 168 lit. a MwStSystRL geregelt. Danach besteht ein Anspruch auf Abzug der Steuer, soweit diese auf Lieferungen von Gegenständen und auf Dienstleistungen entfällt, die von einem anderen Steuerpflichtigen zur Verwendung für Zwecke der eigenen besteuerten Umsätze bezogen wird. Damit bindet der Art. 168 MwStSystRL die Entlastung auf der Ein­ gangsseite an die Behandlung der ausgeübten Umsätze auf der Aus­ gangsseite des Steuerpflichtigen.639 Im Ergebnis wird damit „der Vor­ steuerabzug […] an die Erhebung der Steuern auf der folgenden Stufe geknüpft.“640 Aus dem Prinzip des Sofortabzugs nach Art. 167 MwStSystRL folgt, dass mit Entstehung des Rechts grundsätzlich auch der Umfang des Vor­ steuerabzugsrechts nach Art. 168 MwStSystRL zu bestimmen ist.641 Maßgeblich ist damit grundsätzlich die tatsächliche Verwendung im 637 Vgl. insb. zu den hier relevanten Gestaltungsmöglichkeiten zur Begründung einer persönlichen Steuerpflicht oben unter A. II. 2. b). 638 Vgl. Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 96. 639 Vgl. zum Grundsatz, dass ein Vorsteuerabzug immer auch eine nachfolgende Be­ steuerung voraussetzt: EuGH, Urt. v. 30.3.2006 – Rs. C-184/04 (Uudenkaupungin kaupunki), EU:C:2006:214, Rz. 24; zum Zusammenhang von Eingangsumsät­ zen und Ausgangsumsätzen EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-29/08 (AB SKF), EU:C:2009:665, Rz. 56 f. 640 EuGH, Urt. v. 30.3.2006 – Rs. C-184/04 (Uudenkaupungin kaupunki), EU:C:2006:214, Rz. 24; so auch bestätigt im Urt. v. 14.9.2006 – Rs. C-72/05 (Wollny), EU:C:2006:573, Rz. 20; Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie), EU:C:2009:88, Rz. 28. 641 Vgl. zur Wirkung des Grundsatzes des Sofortabzugs oben unter A. IV. 1. b).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

Zeitpunkt des Leistungsbezugs. Sollte darauf nicht abgestellt werden können, kommt es auf die Verwendungsabsicht des Steuerpflichtigen an.642 a) Verwendung für Zwecke besteuerter Umsätze Die zentrale Voraussetzung des Art. 168 lit. a MwStSystRL besteht darin, dass ein Abzug der steuerlichen Belastung auf der Eingangsseite nur inso­ weit zulässig ist, als der Steuerpflichtige die bezogenen Leistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet. Durch die Verknüp­ fung von Eingangs- und Ausgangsseite kann sich damit die Frage nach der konkreten steuerlichen Behandlung von Ausgangsumsätzen bereits im Vorfeld ihrer tatsächlichen Ausübung stellen.643 Indem die Regelung des Art. 168 MwStSystRL auf die Ausübung von Umsätzen und damit auf ein konkretes Handeln abstellt, kommt es für die Frage der Verwen­ dung für besteuerte Umsätze aus unionsrechtlicher Sicht auf eine tätig­ keitsbezogene Betrachtungsweise an.644 Ein Vorgang unterliegt als Umsatz grundsätzlich dann der Besteuerung, wenn er die sachlichen Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 MwStSystRL erfüllt und zudem im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt. Ein Vorsteuerabzug ist folglich ausgeschlossen, wenn ein Vorgang nicht die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 MwStSystRL erfüllt, ein Umsatz im Rahmen einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit ausgeübt wird645 oder dieser in den Anwendungsbereich einer Steuerbefreiung646 fällt.647 In all diesen Fällen kommt es nicht zu einer Besteuerung, so dass in diesen Fällen keine Steuer auf den Leistungsempfänger abgewälzt werden kann. Vielmehr endet die Besteuerungskette der Mehrwertsteuer bei demjeni­ gen, der einen nicht besteuerten Umsatz ausübt.648 642 EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 13 ff.; Urt. v. 29.2.1996 – Rs. C-110/94 (INZO), EU:C:1996:67, Rz. 17; Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-334/10 (X), EU:C:2012:473, Rz. 27 f.; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz. 281 (Stand: Juli 2013). 643 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-29/08 (AB SKF), EU:C:2009:665, Rz. 60. 644 Anders der Ansatz in Deutschland nach der sog. Sphärentheorie, welche in An­ lehnung an den Unternehmensbegriff z. B. in § 15 I Nr. 1 S. 1 UStG von abgrenzba­ ren Bereichen ausgeht, vgl. Englisch, Vorsteuerabzug und nicht steuerbare Aktivi­ täten, in: ders./Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 25 (33). 645 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.3.2008 – Rs. C-437/06 (Securenta), EU:C:2008:166, Rz. 31. 646 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 49; eine Ausnahme stellen solche Steuerbefreiungen dar, die den Vorsteuerabzug im Fall ihrer Anwendung ausdrücklich zulassen, vgl. Art. 169 lit. b und lit. c MwStSystRL. 647 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 97.1 (Stand: März 2013). 648 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 30.3.2006 – Rs. C-184/04 (Uudenkaupungin kaupunki), EU:C:2006:214, Rz. 24; so auch bestätigt im Urt. v. 14.9.2006 – Rs. C-72/05 (­Wollny), EU:C:2006:573, Rz. 20; Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie), EU:C:2009:88, Rz. 28.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Ein Überwälzen der Steuer auf den Leistungsempfänger scheidet auch dann aus, wenn eine Leistung unentgeltlich erbracht wird. Aus diesem Grund unterliegen diese Leistungen grundsätzlich nicht der Mehrwert­ steuer.649 Eine Ausnahme hiervon findet sich jedoch in den Art. 16 und 26 MwStSystRL. So führen nach Art. 26 MwStSystRL bereits die Verwendung eines dem Unternehmen zuvor zugeordneten Gegenstandes oder die unentgeltliche Erbringung einer Dienstleistung für unter­ nehmensfremde Zwecke zu einer steuerlichen Belastung. Aus Sicht des EuGH liegt auch bei diesen einer Leistung gegen Entgelt gleichge­ stellten Fällen ein besteuerter Ausgangsumsatz im Sinne des Art. 168 MwStSystRL vor.650 Dementsprechend führt die Verwendung einer bezo­ genen Leistung für Zwecke einer solchen unentgeltlichen Leistung nicht direkt zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug.651 In diesem Zusammen­ hang ist einschränkend zu berücksichtigen, dass nach Art. 167 MwSt­ SystRL eine Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflich­ tigen erfolgt sein muss.652 Dies ist jedoch nicht möglich, wenn der Leistungsbezug ausschließlich nichtwirtschaftlichen, zum Beispiel pri­ vaten Zwecken dient.653 Der Umfang des Rechts nach Art. 168 MwSt­ SystRL sowie die Frage, ob die Eingangsleistung möglicherweise für ­Umsätze verwendet wird, die nach Art. 26 MwStSystRL der Entnahme­ besteuerung unterliegen, sind dann ohne Relevanz. Art. 16 MwStSystRL enthält eine ähnliche Regelung wie Art. 26 MwStSystRL, betrifft aber die Lieferung oder die Entnahme eines Gegenstandes aus dem Unternehmen des Steuerpflichtigen für unternehmensfremde Zwecke.

649 Vgl. EuGH, Urt. v. 1.4.1982 – Rs. 89/81 (Hong Kong-Trade), EU:C:1982:121, Rz. 13; Urt. v. 3.3.1994 – Rs. C-16/93 (Tolsma), EU:C:1994:80, Rz. 12; zum Erfordernis des Entgelts für die sachliche Steuerpflicht siehe Art. 2 I lit. a)–c) MwStSystRL; zur Bedeutung des Entgelts für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. d. Art. 9 MwStSystRL oben unter A. II. 1. a) aa). 650 EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 41. 651 Vgl. zum Fall der Verwendung eines Gegenstandes zu unternehmensfremden Zwecken nach Art. 26 I lit. a MwStSystRL EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 26; Urt. v. 14.7.2005 – Rs. C-434/03 (Charles und Charles-Tijmens), EU:C:2005:463, Rz. 25; Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 41; hierzu Reiß, UR 2010, 797 (799, 804); kritisch Wäger, DB 2012, 1288 (1291 f.); nicht zu verwechseln ist die Auffassung des EuGH mit dem Fall, wenn bereits bei Erwerb feststeht, dass die bezogene Leistung nur aus privaten Gründen erfolgt. Dann handelt der Steuerpflichtige nicht als solcher, so dass eine Entnahmebesteuerung schon mangels vorheriger Zuordnung zur wirt­ schaftlichen Tätigkeit ausscheidet. 652 Vgl. zu Art. 167 MwStSystRL und der Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit oben unter A. IV. 1. a). 653 Insoweit zwar mit dem richtigen Ergebnis, aber in Bezug auf das Unionsrecht nicht an Art. 167, sondern an Art. 168 MwStSystRL anknüpfend Wäger, DStR 2011, 433 (436).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

b) Hinreichender Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsätzen Die Voraussetzungen dafür, wann eine Eingangsleistung für Zwecke der besteuerten Umsätze verwendet wird, ergeben sich maßgeblich aus der Rechtsprechung des EuGH. So legt der EuGH die Verknüpfung von Ein­ gangs- und Ausgangsseite eines Steuerpflichtigen dahingehend aus, dass für einen Vorsteuerabzug ein bestimmter Eingangsumsatz in einem di­ rekten und unmittelbaren Zusammenhang im Sinne eines Kausalzusam­ menhangs654 mit einem oder mehreren steuerpflichtigen Ausgangsum­ sätzen stehen muss.655 Hier schließt sich die Frage an, wann und unter welchen Umständen ein solcher Zusammenhang vorliegt. Hierzu führt der EuGH grundsätzlich aus, dass eine weitergehende Konkretisierung der Beziehung von Eingangs- und Ausgangsumsätzen angesichts der un­ zähligen unterschiedlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nicht möglich ist. Vielmehr stellt es eine Aufgabe der nationalen Gerichte dar, unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls diese Frage zu beantworten.656 Allerdings setzt ein solcher Zusammenhang zumin­ dest voraus, dass die Aufwendungen des Eingangsumsatzes zu den Kosten­ elementen eines oder mehrerer besteuerter Ausgangsumsätze gehören.657 Dies begründet der EuGH mit Verweis auf Art. 2 der 1. EG-RL.658 Denn dieser bestimmt, dass die Mehrwertsteuer, welche die Kostenelemente des Preises für einen Gegenstand oder eine Dienstleistung belastet hat, als abziehbar zu behandeln ist. Diese Vorgabe findet sich nunmehr auch nahezu wörtlich als Ziel des Mehrwertsteuerrechts in Art. 1 Abs. 2 Un­ terabs. 2 MwStSystRL wieder.659 Darüber hinaus müssen die Aufwen­ dungen grundsätzlich zeitlich vor den Ausgangsumsätzen entstanden sein, um ein Kostenelement darzustellen.660 Etwas anderes kann nur gel­ ten, wenn dem Steuerpflichtigen der Nachweis möglich ist, dass spätere 654 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.2.2007 – Rs. C-435/05 (Investrand), EU:C:2007:87, Rz. 33: hier wird auf den Entstehungsgrund der Kosten abgestellt; Urt. v. 13.3.2008 – Rs. C-437/06 (Securenta), EU:C:2008:166, Rz. 29: hier fragt der EuGH, welcher Tä­ tigkeit die Aufwendungen dienten, also auch, wodurch diese Aufwendungen be­ gründet sind; hierzu Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 324. 655 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-98/98 (Midland Bank), EU:C:2000:300, Rz. 24; Urt. v. 26.5.2005 – Rs. C-465/03 (Kretztechnik), EU:C:2005:320, Rz. 35; Urt. v. 13.3.2008 – Rs. C-437/06 (Securenta), EU:C:2008:166, Rz. 27; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-29/08 (AB SKF), EU:C:2009:665, Rz. 57; Urt. v. 6.9.2012 – Rs. C-496/11 (Por­ tugal Telecom), EU:C:2012:557, Rz. 35; Urt. v. 18.7.2013 – Rs. C-124/12 (AES), EU:C:2013:488, Rz. 27; Englisch, ebenda. 656 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-98/98 (Midland Bank), EU:C:2000:300, Rz. 25. 657 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.2.2013 – Rs. C-104/12 (Becker), EU:C:2013:99, Rz. 19; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-29/08 (AB SKF), EU:C:2009:665, Rz. 57 m. w. N.; Korf/ Kurtz, UR 2010, 86 (93); Stadie, UStG, § 15 Rz. 112 m. w. N. 658 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-98/98 (Midland Bank), EU:C:2000:300, Rz. 30. 659 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 324. 660 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-98/98 (Midland Bank), EU:C:2000:300, Rz. 30.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Aufwendungen bereits in den Preis des besteuerten Umsatzes einbezo­ gen worden sind.661 c) Bedeutung und Auswirkungen für die öffentliche Hand Die Regelung des Art. 168 lit. a MwStSystRL über den Umfang des Vor­ steuerabzugsrechts fordert eine Verwendung der Eingangsleistung für Zwecke eines steuerpflichtigen Umsatzes. Folglich schließt der Inhalt dieser Regelung für die öffentliche Hand einen Vorsteuerabzug aus, so­ weit die bezogene Fremdleistung einem Handeln dient, dass nicht zu ei­ nem steuerbaren Umsatz im Sinne des Art. 2 Abs. 1 MwStSystRL führt. Allerdings scheitert in diesen Fällen der Vorsteuerabzug bereits regelmä­ ßig am Erfordernis des Handelns als Steuerpflichtiger gem. Art. 167 MwSt­ SystRL. Denn eine Tätigkeit, die zu keinen steuerbaren Umsätzen im Sinne des Mehrwertsteuerrechts führt, ist schon keine wirtschaftliche Tätigkeit.662 Damit fehlt es schon an der nach Art. 167 MwStSystRL er­ forderlichen Zuordnung. Diese ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit der öffentlichen Hand aus anderen Gründen663 keinen wirt­ schaftlichen Charakter im Sinne des Art. 9 MwStSystRL besitzt oder aber die persönliche Befreiung von der Steuerpflicht nach Art. 13 MwSt­ SystRL greift. Auch insoweit dürfte der Vorsteuerabzug schon am fehlen­ den Handeln als Steuerpflichtiger scheitern. Folglich bedeutet die Rege­ lung des Art. 168 lit. a MwStSystRL für die öffentliche Hand insoweit keine weitergehende Einschränkung des Vorsteuerabzugs. Etwas anderes gilt jedoch für den Ausschluss vom Vorsteuerabzug im Fall der Ausübung steuerfreier Umsätze. So werden Leistungen nach den Art. 132 ff. MwStSystRL in zentralen Bereichen, in denen die öffentliche Hand eine im Sinne des Mehrwertsteuerrechts wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, von der Mehrwertsteuer freigestellt.664 Die Befreiungsvorschrif­ ten knüpfen mit ihren Voraussetzungen sogar teilweise an die Eigen­ schaft einer Einrichtung des öffentlichen Rechts an665 und führen im Er­ gebnis zu einer über das Maß nach Art. 9 und 13 MwStSystRL hinausgehenden steuerlichen Freistellung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand. In diesen Fällen handelt die öffentliche Hand zwar grundsätzlich als Steuerpflichtige im Sinne des Art. 167 MwStSystRL, 661 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 32; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 325. 662 Vgl. EuGH, Urt. v. 1.4.1982 – Rs. 89/81 (Hong Kong-Trade), EU:C:1982:121, Rz. 11 f.; Urt. v. 8.3.1988 – Rs. 102/86 (Apple and Peer Development Council), EU:C:1988:120, Rz. 16 f.; zustimmend Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 45. 663 Vgl. zu den Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Tätigkeit oben unter A. II. 1. 664 Vgl. zu den speziellen Befreiungsvorschriften für Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Katalog des Art. 132 ff. MwStSystRL oben unter A. III. 665 Vgl. Art. 132 lit. a, b, g, h, i, n und q MwStSystRL.

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

jedoch verwendet sie die bezogene Leistung nicht zur Ausübung von besteuerten Ausgangsumsätzen. Insoweit entfaltet die Regelung des ­ Art. 168 MwStSystRL eine über die inhaltlichen Vorgaben des Art. 167 MwStSystRL hinausgehende Einschränkung des Vorsteuerabzugsrechts und behandelt die öffentliche Hand in diesen Fällen wiederum grund­ sätzlich als Trägerin der Mehrwertsteuer. Eine weitere Einschränkung des Vorsteuerabzugs der öffentlichen Hand ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH zum Anwendungsbereich der Besteuerung unentgeltlicher Leistungen nach Art. 16 und 26 MwSt­ SystRL. Die Anwendung dieser beiden Vorschriften setzt vor allem vor­ aus, dass die unentgeltliche Leistungserbringung unternehmensfremden Zwecken dient. Ein unternehmensfremder Zweck ist allerdings aus Sicht des EuGH nur gegeben, wenn dieser dem vom Steuerpflichtigen betriebe­ nen Unternehmen völlig fremd ist.666 Wenn demnach die unentgeltli­ chen Leistungen in der unternehmerischen Tätigkeit begründet liegen, ist kein völlig fremder Zweck gegeben. Diese führen nicht nach den Art. 16 und 26 MwStSystRL zu einem steuerbaren Vorgang.667 Keine völ­ lig unternehmensfremden Zwecke sind zum Beispiel anzunehmen, wenn eine juristische Person Eingangsumsätze zur Verfolgung von Zwecken, die sich aus ihrer Satzung ergeben, verwendet.668 Gleiches dürfte dem­ nach auch gelten, wenn die öffentliche Hand im Rahmen ihrer nichtwirt­ schaftlichen Tätigkeit handelt.669 Dabei ist es unerheblich, ob dieses un­ mittelbar aus Art. 9 MwStSystRL folgt oder aber in Anwendung der Befreiungsvorschrift des Art. 13 MwStSystRL. Zwar hat der EuGH über diese Auslegung nur im Zusammenhang mit Art. 26 MwStSystRL ent­ schieden. Allerdings sind Art. 26 MwStSystRL und Art. 16 MwStSystRL hinsichtlich des Regelungsgehalts und der sprachlichen Ausgestaltung sehr ähnlich, so dass die Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 26 MwStSystRL insoweit auch für die Auslegung des Art. 16 MwStSystRL als maßgeblich anzusehen sind.670

666 EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuin­ bouw Organisatie), EU:C:2009:88, Rz. 38; hierzu Englisch, in: Tipke/Lang, Steuer­ recht, § 17 Rz. 339, insb. die Erläuterungen in Fn. 2; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Lan­ ger, UStG, § 2 Rz. 97.4 (Stand: März 2013). 667 Vgl. zu der sich dadurch ergebenden Aufteilung maßgeblicher Verwendungszwe­ cke Pull, MwStR 2013, 611 (612 f.); Wäger, DB 2012, 1288 (1293). 668 EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie), EU:C:2009:88, Rz. 39. 669 Vgl. Pull, MwStR 2013, 611 (612); Reiß, UR 2010, 797 (810 f.); eine übersichtliche Katalogisierung der in Frage kommenden nichtwirtschaftlichen, aber auch nicht­ privaten Tätigkeiten findet sich bei Englisch, Vorsteuerabzug und nicht steuerbare Aktivitäten, in: ders./Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 25 (41 ff.). 670 Vgl. Reiß, UR 2010, 797 (808); so vorgehend Wäger, DStR 2011, 433 (436); Heuermann, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rz. 340a (Stand: April 2014).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Aus der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Art. 26 MwSt­ SystRL lässt sich insgesamt ableiten, dass danach nur private Zwecke als völlig unternehmensfremd gelten und damit nur in diesen Fällen es zu einer Besteuerung unentgeltlicher Leistungen kommen kann.671 Die öf­ fentliche Hand hat jedoch grundsätzlich keinen Privatbereich. Sie kann allenfalls private Zwecke Dritter, zum Beispiel von ihren Arbeitneh­ mern, verfolgen.672 Vor diesem Hintergrund löst eine unentgeltliche Leis­ tungserbringung durch die öffentliche Hand in der Regel keinen steuer­ baren Vorgang aus. Damit schränkt die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung der Art. 16 und 26 MwStSystRL grundsätzlich die Möglich­ keit der öffentlichen Hand ein, unentgeltliche Leistungen als steuerbare Umsätze im Sinne des Art. 168 MwStSystRL zu erbringen und aufgrund dessen in den Genuss des Vorsteuerabzugs zu gelangen. Die Beschränkung des Vorsteuerabzugs auf Eingangsleistungen, die zur Ausübung von steuerpflichtigen Umsätzen verwendet werden, bedingt, dass diese Voraussetzung grundsätzlich für jede einzelne bezogene Fremdleistung geprüft und dabei die anfallende Vorsteuer anhand der Verwendung für steuerpflichtige und für nicht steuerpflichtige Umsätze aufgeteilt wird. Diese notwendige Aufteilung entspricht zwar der An­ wendung des Art. 168 lit. a MwStSystRL und führt selbst zu keiner wei­ teren Einschränkung des Vorsteuerabzugs der öffentlichen Hand. Gleich­ wohl ist diese Prüfung von besonderer praktischer Bedeutung für ihre mehrwertsteuerrechtliche Behandlung. Denn die öffentliche Hand be­ sitzt wegen der ihr obliegenden hoheitlichen Aufgaben grundsätzlich ei­ nen nichtwirtschaftlichen Tätigkeitsbereich, so dass sich regelmäßig die Frage der zutreffenden Zuordnung von Eingangsleistungen stellt, sobald parallel eine die persönliche Steuerpflicht begründende Tätigkeit ausge­ übt wird. Hierfür bieten die Kriterien der Rechtsprechung zwar auf der einen Seite für den Rechtsanwender eine gewisse Orientierung und Rechtssicherheit.673 Gleichwohl dürfte es in der Praxis regelmäßig bei der Ermittlung des zutreffenden Vorsteuerabzugs der öffentlichen Hand zu schwierigen Abgrenzungsfragen kommen, wodurch der Vorsteuerabzug zu einer komplexen und beratungsintensiven Angelegenheit wird.

671 EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie), EU:C:2009:88, Rz. 38; hierzu Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 338 f. und die Erläuterungen in Fn. 2; Heuermann, ebenda. 672 Vgl. Reiß, UR 2010, 797 (807). 673 Vgl. zu den Kriterien für eine Aufteilung Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 653 (Stand: Sept. 2014); Stadie, UStG, § 15 Rz. 160 ff.

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

3. Vorsteuerberichtigung und Verbot der Einlagenentsteuerung Die mit dem Sofortabzug verbundene punktuelle Betrachtungsweise674 schränkt die Möglichkeit ein, eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen. Würde ein Steuerpflich­ tiger zum Beispiel eine Maschine für Zwecke seiner wirtschaftlichen ­Tätigkeit anschaffen und bei Leistungsbezug die Absicht hegen, diese ausschließlich zur Erzielung besteuerter Umsätze zu verwenden, könnte er im Wege des Sofortabzugs den vollen Vorsteuerabzug nach Art. 167, 168 MwStSystRL geltend machen. Der Umstand, dass er entgegen der ursprünglichen Absicht die Maschine später ausschließlich für steuer­ freie Umsätze verwendet, würde den ursprünglichen Abzug grundsätz­ lich unberührt lassen. Eine rückwirkende Berichtigung ist nach den Art. 167, 168 MwStSystRL nicht vorgesehen. Dem Bedürfnis nach einer Möglichkeit zur Korrektur des ursprünglichen Vorsteuerabzugs tragen allerdings die Regelungen der Art. 184 ff. MwStSystRL Rechnung.675 Da­ nach kann der ursprüngliche Vorsteuerabzug sowohl zum Nachteil als auch zum Vorteil des Steuerpflichtigen geändert werden.676 Die Berichtigungsregelungen finden allerdings nur dann Anwendung, wenn ursprünglich ein Recht zum Vorsteuerabzug entstanden ist.677 Die­ se Voraussetzung ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vor­ schriften. Der EuGH begründet sie insbesondere mit systematischen Er­ wägungen. So könne nach den Vorschriften der Art. 184 ff. MwStSystRL ein Recht zum Vorsteuerabzug zwar berichtigt, nicht aber erstmalig be­ gründet werden. Ein Recht zum Vorsteuerabzug entstehe vielmehr aus­ schließlich nach Art. 167 MwStSystRL.678 Diese Regelung knüpft die Entstehung des Rechts wiederum an ein wirtschaftliches Handeln eines Steuerpflichtigen und eine damit verbundene Zuordnung des Leistungs­ bezugs zu dieser Tätigkeit.679 Die nach Art. 167 MwStSystRL erforderli­ che Zuordnung muss dabei wegen des Sofortabzugs im Zeitpunkt des Leistungsbezugs erfolgen und kann dementsprechend gerade nicht nach­ träglich erfolgen bzw. nachgeholt, geändert oder ergänzt werden.680 Um zu verhindern, dass die Voraussetzungen des Art. 167 MwStSystRL un­ terlaufen werden, begrenzt der EuGH daher die Möglichkeit der Vorsteu­ 674 Vgl. zum Sofortabzug und seinen Folgewirkungen oben unter A. IV. 1. b). 675 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.6.2000 – Rs. C-396/98 (Schloßstraße), EU:C:2000:303, Rz. 37; Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15a Rz. 37 (Stand: April 2014). 676 Vgl. Art. 184 MwStSystRL. 677 Vgl. EuGH, Urt. v. 30.3.2006 – Rs. C-184/04 (Uudenkaupungin kaupunki), EU:C:2006:214, Rz. 37; Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15a Rz. 51 (Stand: April 2014). 678 EuGH, Urt. v. 2.6.2005 – Rs. C-378/02 (Waterschap Zeeuws Vlaanderen), EU:C:2005:335, Rz. 38. 679 Vgl. zu den Voraussetzungen des Art. 167 MwStSystRL oben unter A. IV. 1. 680 Vgl. Henkow, EC Tax Review 2008, 233 (234).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

erberichtigung von vornherein auf den Umfang, mit dem eine bezogene Leistung der wirtschaftlichen Tätigkeit ursprünglich nach Art. 167 MwSt­ SystRL zugeordnet wurde.681 Aus dieser Auslegung des möglichen Umfangs einer Berichtigung nach den Art. 184 ff. MwStSystRL folgt zudem das Verbot einer Einlagenent­ steuerung.682 Eine Zuordnung ist nur im Zeitpunkt des Leistungsbezugs möglich und kann nicht nachgeholt werden. Bezieht demnach ein Steu­ erpflichtiger eine Leistung für seine nichtwirtschaftlichen Zwecke, scheidet eine Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit grundsätzlich aus. Wird die Leistung zu einem späteren Zeitpunkt für Zwecke der wirt­ schaftlichen Tätigkeit verwendet, kann keine Zuordnung zu dieser Tä­ tigkeit mehr erfolgen. Ein Vorsteuerabzug bleibt ausgeschlossen und kann auch nicht nach Art. 184 ff. MwStSystRL zugunsten des Steuer­ pflichtigen korrigiert werden.683 In diesen Fällen führt das Verbot der Ein­ lagenentsteuerung dazu, dass es zur Vorsteuerbelastung einer wirtschaft­ lichen Tätigkeit kommt. Dies steht zunächst in einem Widerspruch zum Neutralitätsgebot, dass eine steuerlich neutrale Behandlung von Steuer­ pflichtigen vorsieht.684 Darüber hinaus wird ein Steuerpflichtiger in der Regel die ursprünglichen Kosten für den Leistungsbezug bei der Preiskal­ kulation für seine steuerpflichtigen Ausgangsleistungen zugrunde legen. So wirkt sich die ursprüngliche Vorsteuerbelastung als Kostenbestand­ teil erhöhend auf die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer auf die erbrachten Leistungen aus. Damit unterliegt die Mehrwertsteuer selbst als Teil der Bemessungsgrundlage der Besteuerung und es kommt folglich zu einem Kaskadeneffekt.685 Dies bedeutet für den Endverbrau­ cher, dass sein privater Endkonsum überproportional zum Preis einer steuerlichen Belastung ausgesetzt ist.686 Dieses Ergebnis widerspricht dem Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung.687 Vor diesem Hinter­ 681 EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 17; Urt. v. 4.10.1995 – Rs. C-291/92 (Armbrecht), EU:C:1995:304, Rz. 29, 33; Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 43; Reiß, UR 2010, 797 (800 f.). 682 Vgl. jeweils kritisch Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 331; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz. 1381 (Stand: Juli 2013). 683 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.10.1995 – Rs. C-291/92 (Armbrecht), EU:C:1995:304, Rz. 33; Urt. v. 2.6.2005 – Rs. C-378/02 (Waterschap Zeeuws Vlaanderen), EU:C:2005:335, Rz. 40; Urt. v. 30.3.2006 – Rs. C-184/04 (Uudenkaupungin kaupunki), EU:C:2006:214, Rz. 36 ff.; für eine extensive Auslegung, die im Ergebnis zu einer Einlagenentsteu­ erung führen würde, Englisch, ebenda; ebenfalls für eine Anwendung Stadie, UStG, § 15 Rz. 170. 684 Vgl. zum Gebot der steuerlich neutralen Behandlung von Steuerpflichtigen oben unter A. I. 3. 685 Vgl. zum Kaskadeneffekt Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 206. 686 Vgl. Kraeusel, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 4 Rz. 3 f. (Stand: März 2009). 687 Vgl. hierzu kritisch Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 331; zum Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung oben unter A. I. 2.

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

grund wird eine Abkehr vom Verbot der Einlagenentsteuerung und die Anwendung der Berichtigungsvorschriften der Art. 184 ff. MwStSystRL unabhängig von einer vorherigen Zuordnung befürwortet.688 Die Vorgaben zur Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vorsteu­ erberichtigung nach Art. 184 ff. MwStSystRL wirken sich insbesondere auf den Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand aus. Denn die öffentliche Hand übt neben einer wirtschaftlichen Tätigkeit wegen ihrer hoheitli­ chen Aufgaben regelmäßig auch eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit aus. Damit kann es gerade bei ihr dazu kommen, dass eine ursprünglich aus­ schließlich für ihre nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten bezogene und ver­ wendete Leistung später für wirtschaftliche Zwecke verwendet wird. 4. Das Zuordnungswahlrecht und seine Folgen für den Vorsteuerabzug Für die Entstehung des Rechts zum Vorsteuerabzug bedarf es gem. Art. 167 MwStSystRL der Zuordnung einer bezogenen Leistung zur wirt­ schaftlichen Tätigkeit.689 Wird eine Leistung ausschließlich aus wirt­ schaftlichen oder aus nichtwirtschaftlichen Gründen bezogen, bereitet die Zuordnung grundsätzlich keine größeren Schwierigkeiten.690 Ist je­ doch eine Leistung sowohl für wirtschaftliche als auch für nichtwirt­ schaftliche Zwecke vorgesehen, bedarf es einer Aufteilung der Leistung.691 Soweit nach der konkreten Leistung möglich, ist eine reale Zuteilung vorzunehmen. Andernfalls hat grundsätzlich eine Aufteilung nach wirt­ schaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen.692 Eine Ausnahme von diesem Aufteilungsgebot besteht jedoch, wenn ein Investitionsgut693 sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus nichtwirt­ schaftlichen Gründen angeschafft wird und daher einer gemischten Ver­ wendung unterliegt.694 So hat der Steuerpflichtige nach der Recht­ sprechung des EuGH in diesen Fällen ein Wahlrecht darüber, ob und 688 Vgl. z. B. Englisch, ebenda; Radeisen, BB 2013, 151 (157); Wäger, DB 2012, 1288 (1290); Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15a Rz. 48a (Stand: April 2014); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz. 1388 (Stand: Juli 2013). 689 Vgl. zu Art. 167 MwStSystRL und zur Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug oben unter A. IV. 1. 690 Vgl. hierzu anschaulich Wäger, DStR 2011, 433 (436). 691 EuGH, Urt. v. 13.3.2008 – Rs. C-437/06 (Securenta), EU:C:2008:166, Rz. 31. 692 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 333. 693 Ein Investitionsgut soll grundsätzlich vorliegen, wenn das Gut über eine gewisse Dauer verwendet werden kann und über einen Wert verfügt, der dazu führt, dass die Anschaffungskosten nicht als sofort abziehbarer Aufwand behandelt, sondern über einen Zeitraum von mehreren Jahren abgeschrieben werden, vgl. EuGH, Urt. v. 16.2.2012 – Rs. C-118/11 (Eon Aset), EU:C:2012:97, Rz. 35. 694 Vgl. Küffner/von Streit, DStR 2012, 581; Pull, MwStR 2013, 611; Wäger, DB 2012, 1288; Jakob, Umsatzsteuer, Rz. 809; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 336 ff.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

inwieweit er die bezogene Leistung der wirtschaftlichen Tätigkeit zuord­ net.695 Der EuGH begründet seine Auslegung des Richtlinienrechts mit der Vermeidung einer Doppelbesteuerung.696 Die Gefahr hierfür entsprin­ ge dem Umstand, dass die Mehrwertsteuersystemrichtlinie keine Mög­ lichkeit der Einlagenentsteuerung biete.697 Ausgangspunkt ist die Situa­ tion, wenn der Steuerpflichtige ein Investitionsgut anschafft und nicht im Wege des Sofortabzugs in vollem Umfang den Vorsteuerabzug hierfür in Anspruch nehmen kann, weil er sowohl wirtschaftliche als auch nichtwirtschaftliche Zwecke damit verfolgt. Ändere sich nun das Ver­ hältnis der tatsächlichen Verwendung, bestünde die Möglichkeit, dass im Fall eines gestiegenen Verwendungsanteils für wirtschaftliche Zwe­ cke der Steuerpflichtige die auf die Differenz entfallende Mehrwertsteuer nicht abziehen könne. Gleichzeitig würden aber seine Ausgangsleistun­ gen im Umfang der ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit steuerlich be­ lastet werden. Im Ausmaß des erhöhten wirtschaftlich genutzten Teils käme es damit zu einer Doppelbelastung. Denn die damit verbundenen Aufwendungen wären sowohl mangels Abzugsmöglichkeit auf der Ein­ gangsseite als auch wegen der erfassten Umsätze auf der Ausgangsseite steuerlich belastet. Im Ergebnis beruhen also die vom EuGH vorgebrach­ ten Gründe darauf, dass nach seiner Auffassung nach den Regeln der Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine Einlagenentsteuerung nicht mög­ lich ist.698 Ausgehend von diesen Grundzügen des Zuordnungswahlrechts im Fall der (beabsichtigten) gemischten Verwendung von Gegenständen gilt es im Folgenden zunächst zu klären, ob und inwieweit auch der öffentli­ chen Hand ein solches Zuordnungswahlrecht zusteht. Darauf aufbauend sind die Auswirkungen eines solchen Zuordnungswahlrechts auf den Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand zu untersuchen. Hierfür ist zum einen darauf einzugehen, ob sich das Zuordnungswahlrecht auf den Um­ fang des Vorsteuerabzugs der öffentlichen Hand im Zeitpunkt des Leis­ tungsbezugs auswirken kann. Zum anderen gilt es wegen des bestehen­ 695 EuGH, Urt. v. 4.10.1995 – Rs. C-291/92 (Armbrecht), EU:C:1995:304, Rz. 20; Urt. v. 8.3.2001 – Rs. C-415/98 (Bakcsi), EU:C:2001:136, Rz. 25; Urt. v. 8.5.2003 – Rs. C-269/00 (Seeling), EU:C:2003:254, Rz. 40; Urt. v. 30.3.2006 – Rs. C-184/04 (Uudenkaupungin kaupunki), EU:C:2006:214, Rz. 34; Urt. v. 14.9.2006 – Rs. C-72/05 (Wollny), EU:C:2006:573, Rz. 21; Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 39; Urt. v. 16.2.2012 – Rs. C-118/11 (Eon Aset), EU:C:2012:97, Rz. 53 f.; Urt. v. 22.3.2012 – Rs. C-153/11 (Klub), EU:C:2012:163, Rz. 38; Urt. v. 18.7.2013 – Rs. C-210/11 (Medicom und Maison Patrice Alard), EU:C:2013:479, Rz. 21; Ehrke-Rabel/von Streit, UR 2015, 249. 696 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 46; hier­ zu Reiß, UR 2010, 797 (801); Wäger, DB 2012, 1288 (1292). 697 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 44 ff.; vgl. zum Verbot der Einlagenentsteuerung und seine Folgen oben unter A. IV. 3. 698 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 337.

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

den Zusammenhangs von der Zuordnung einer bezogenen Leistung nach Art. 167 MwStSystRL und der Möglichkeit zur Vorsteuerberichtigung nach Art. 184 ff. MwStSystRL zu klären, welche Auswirkungen das Zu­ ordnungswahlrecht und eine Veränderung der Verwendungsanteile auf den Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand entfalten. a) Das Zuordnungswahlrecht der öffentlichen Hand Ausgehend von der Voraussetzung eines Handelns als Steuerpflichtiger beim Leistungsbezug gem. Art. 167 MwStSystRL hat der EuGH das Zu­ ordnungswahlrecht für den Fall einer gemischt wirtschaftlichen und pri­ vaten Verwendung eines Gegenstandes entwickelt.699 Fraglich ist aller­ dings, ob dieses Wahlrecht auch besteht, wenn die gemischte Verwendung darauf beruht, dass der teilweisen nichtwirtschaftlichen Tätigkeit keine privaten Zwecke zugrunde liegen.700 Solche nichtwirtschaftlichen und gleichzeitig nichtprivaten Zwecke stellen in der Regel die nicht der Mehrwertsteuer unterliegenden Tätigkeiten der öffentlichen Hand dar.701 Der EuGH verneint im Fall des Leistungsbezugs, der ausschließlich für Zwecke einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt, ein Handeln als Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 167 MwStSystRL.702 Pull folgert daraus, dass ein Vorsteuerabzugsrecht grundsätzlich nach Art. 167 MwSt­ SystRL auch insoweit nicht entsteht, als dass anteilig nichtwirtschaft­ liche Zwecke verfolgt werden.703 Die einzige Ausnahme sei das Zuord­ nungswahlrecht für den Fall, wenn die nichtwirtschaftlichen Zwecke privater Natur sind und eine Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit 699 Vgl. insb. EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 19 ff., 26 ff.; Urt. v. 4.10.1995 – Rs. C-291/92 (Armbrecht), EU:C:1995:304, Rz. 15 ff., 28; Urt. v. 8.3.2001 – Rs. C-415/98 (Bakcsi), EU:C:2001:136, Rz. 25; Urt. v. 18.7.2013 – Rs. C-210/11 (Medicom und Maison Patrice Alard), EU:C:2013:479, Rz. 21. 700 Vgl. Englisch, Vorsteuerabzug und nicht steuerbare Aktivitäten, in: ders./Nies­ kens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 25 (77 ff.); Pull, MwStR 2013, 611 (614 f.); Radeisen, BB 2014, 151 (152); oben unter A. IV. 2. a). Zwar wurde dem EuGH in dem Verfahren zur Rs. Waterschap die Frage vorgelegt, ob auch eine ­Einrichtung des öffentlichen Rechts über ein solches Wahlrecht verfüge, sollte diese einen Gegenstand sowohl für wirtschaftliche als auch für nach Art. 13 MwSt­ SystRL nicht dem Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts unterliegende Tätigkeiten verwenden. Allerdings verneinte der EuGH in diesem Fall bereits ein Handeln der öffentlich-rechtlichen Einrichtung als Steuerpflichtige bei Leistungs­ bezug, so dass sich aus seiner Sicht diese Frage mangels gemischter Verwendung bereits erledigt hatte, vgl. Urt. v. 2.6.2005 – Rs. C-378/02 (Waterschap Zeeuws ­Vlaanderen), EU:C:2005:335, Rz. 39 und 45. 701 Vgl. Reiß, UR 2010, 797 (807). 702 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 8; Urt. v. 8.3.2001 – Rs. C-415/98 (Bakcsi), EU:C:2001:136, Rz. 29; Urt. v. 22.3.2012 – Rs. C-153/11 (Klub), EU:C:2012:163, Rz. 39 f. 703 Hierzu und zum Folgenden Pull, MwStR 2013, 611 (615).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

durch den Leistungsempfänger erfolgt. Soweit eine gemischte Verwen­ dung somit auf der teilweisen Verfolgung einer weder wirtschaftlichen noch privaten Tätigkeit beruht, wäre eine vollständige Zuordnung zur parallel ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit nicht möglich. Für die öf­ fentliche Hand folgte daraus, dass ihr grundsätzlich kein Zuordnungs­ wahlrecht zustünde. Nach Pull findet sich diese Schlussfolgerung in der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtssache VNLTO704 bestätigt. Denn in dem Urteil wurde einer juristischen Person des Privatrechts der volle Vorsteuerabzug für eine Eingangsleistung versagt, die teilweise aus Grün­ den bezogen wurde, die weder wirtschaftlicher noch privater Natur wa­ ren.705 Damit habe der EuGH gleichzeitig auch einer Übertragung des Zuordnungswahlrechts im Fall der Mitveranlassung eines Leistungsbe­ zugs aus nichtwirtschaftlichen, aber nichtprivaten Zwecken eine Ableh­ nung erteilt. Gegen eine solche Interpretation der Ausführungen des EuGH spricht zum einen dessen systematische Vorgehensweise in seiner Begründung des Urteils in der Rechtssache VNLTO.706 So stellt der EuGH für die Ver­ sagung des vollen Vorsteuerabzugs maßgeblich auf die Verwendung für nicht besteuerte Umsätze ab und widmet sich damit allein der Auslegung des Art. 168 MwStSystRL. Ein Bezug auf die Auslegung des Art. 167 MwSt­ SystRL erfolgt insoweit nicht.707 Damit entscheidet der EuGH explizit über den Umfang des Rechts zum Vorsteuerabzug und nicht über dessen Entstehung. Hieraus ergibt sich, dass der EuGH von einer dann wohl auch zulässigen, weil nicht von ihm beanstandeten Zuordnung zur wirt­ schaftlichen Tätigkeit ausgegangen ist. Andernfalls hätte er sich mit der Frage der Verwendung erst gar nicht auseinandersetzen müssen. Für ein Zuordnungswahlrecht auch im Fall einer nichtwirtschaftlichen Mitveranlassung, die nichtprivater Natur ist, spricht zudem nunmehr der Art. 168a MwStSystRL. Dieser begrenzt den Vorsteuerabzug im Fall der anteiligen Verwendung von Eingangsleistungen für private Zwecke auf den Umfang des Verwendungsanteils für die wirtschaftliche Tätig­ keit.708 Die Frage der Zuordnung bleibt hiervon unberührt. Das ergibt sich zum einen aus der systematischen Stellung nach dem hierfür maß­ geblichen Art. 167 MwStSystRL und zum anderen spricht der Wortlaut 704 EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie), EU:C:2009:88; im Folgenden im Fließtext aus Gründen der Lesbar­ keit als VNLTO abgekürzt. 705 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 39 f.; Pull, MwStR 2013, 611 (614 f.). 706 Vgl. hierzu und zum Folgenden EuGH, ebenda; Englisch, Vorsteuerabzug und nicht steuerbare Aktivitäten, in: ders./Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 25 (83 ff.); Küffner/von Streit, DStR 2012, 581 (586 f.). 707 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en ­Tuinbouw Organisatie), EU:C:2009:88, Rz. 26 und 40. 708 Vgl. Reiß, UR 2010, 797 (802); Wäger, DB 2012, 1288 (1295 f.).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

des Art. 168a MwStSystRL von einem dem Unternehmen zugeordneten Grundstück. Des Weiteren verweist der EuGH in seiner Rechtsprechung zum Zuord­ nungswahlrecht auf die damit geschaffene Möglichkeit, den Ausschluss einer späteren Vorsteuerberichtigung zu umgehen.709 Die Auswirkungen des Verbots einer Einlagenentsteuerung, insbesondere die Beeinträchti­ gung des Grundsatzes der gleichmäßigen Besteuerung sowie des Neutra­ litätsprinzips,710 bestehen jedoch nicht nur im Fall einer privaten Mitver­ anlassung des Leistungsbezugs, sondern auch in den Fällen anderer nichtwirtschaftlicher Zwecke. Anhaltspunkte dafür, dass der EuGH die­ se anderen nichtwirtschaftlichen Zwecke zu benachteiligen beabsich­ tigt, sind weder ersichtlich noch ließe sich dies rechtfertigen.711 Vor diesem Hintergrund verfügt aus unionsrechtlicher Sicht auch die öf­ fentliche Hand über ein Zuordnungswahlrecht im Fall des Bezugs eines Gegenstandes aus teilweise wirtschaftlichen und teilweise nichtwirt­ schaftlichen Gründen.712 b) Keine Möglichkeit zum vollen Vorsteuerabzug Mithilfe des Zuordnungswahlrechts hat ein Steuerpflichtiger es in der Hand, einen Gegenstand den Regelungen des Mehrwertsteuerrechts zu unterwerfen oder zu entziehen, indem er eine vollständige oder teilweise Zuordnung zu der wirtschaftlichen oder zu der nichtwirtschaftlichen Tä­ tigkeit vornimmt.713 Korrespondierend dazu entsteht dann auch das 709 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 43 ff. 710 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 331 m. w. N.; vergleiche zu den Auswirkungen des Verbots der Einlagenentsteuerung oben unter A. IV. 1. b). 711 Vgl. hierzu Englisch, Vorsteuerabzug und nicht steuerbare Aktivitäten, in: ders./ Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. (25) 85 f. 712 Wie hier Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 339; Klenk, UR 2014, 179 (181); Küffner/von Streit, DStR 2012, 636 (639); Radeisen, BB 2014, 151 (152, 156); a. A. BFH, Urt. v. 12.1.2011 – XI R 9/08, BStBl. II 2012, 58 (59); sich dem BFH an­ schließend Lippross, DStZ 2012, 320 (329); etwas anderes ergibt sich auch nicht aus EuGH, Urt. v. 10.9.2014 – Rs. C-92/13 (Gemeente’s Hertogenbosch), EU:C:2014:2188. Denn hierbei bezog sich der EuGH nur auf die Auslegung des Art. 26 MwStSyst­ RL, nicht aber auf Art. 167 MwStSystRL (vgl. Rz. 26). Etwas verwirrend ist, dass er von einem Zuordnungswahlrecht spricht, dass sich aus Art. 26 MwStSystRL erge­ be (vgl. Rz. 25). Damit nimmt der EuGH jedoch erkennbar Bezug zum Ausschluss der Möglichkeit des vollen Vorsteuerabzugs im Fall der teilweisen Verwendung eines Gegenstandes zu weder wirtschaftlichen noch privaten Zwecken. Insoweit knüpft er an seine in der Rechtssache Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie aufgestellten Rechtsprechungsgrundsätze an, vgl. Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07, EU:C:2009:88. Eine Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung zum Zuordnungswahlrecht und dessen Verortung in Art. 167 MwStSystRL lässt sich daraus folglich nicht ableiten. 713 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.10.1995 – Rs. C-291/92 (Armbrecht), EU:C:1995:304, Rz. 19 f.; Urt. v. 8.3.2001 – Rs. C-415/98 (Bakcsi), EU:C:2001:136, Rz. 26, 34.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Recht zum Vorsteuerabzug nach Art. 167 MwStSystRL.714 Der konkrete Umfang des Rechts orientiert sich jedoch nach Art. 168 MwStSystRL. Maßgeblich für den Umfang des Vorsteuerabzugs ist damit, ob und in­ wieweit der letztendlich gegebenenfalls nur teilweise zugeordnete Ge­ genstand für besteuerte Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet wird bzw. die konkrete Absicht dazu gegeben ist.715 Somit ergibt sich allein aus der Zuordnung zu der wirtschaftlichen Tätigkeit kein vollständi­ ges Abzugsrecht, sondern es müssen auch die Voraussetzungen des Art. 168 MwStSystRL vorliegen.716 Wie gezeigt,717 sind besteuerte Umsätze vor allem solche, die in den An­ wendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts fallen und keiner sachli­ chen Steuerbefreiung unterliegen. Darüber hinaus sollen aber auch un­ entgeltliche Leistungen, die einer Besteuerung nach Art. 16 oder 26 MwStSystRL unterliegen, einem besteuerten Umsatz entsprechen. Dies hat zur Folge, dass im Fall der Ausübung des Wahlrechts zur vollen Zu­ ordnung eines Gegenstandes zur wirtschaftlichen Tätigkeit auch der Vorsteuerabzug in vollem Umfang möglich ist, wenn die nichtwirt­ schaftliche Verwendung eine Besteuerung nach Art. 16 oder 26 MwSt­ SystRL auslöst.718 Wird ein Gegenstand damit sowohl aus wirtschaftli­ chen als auch aus privaten Gründen angeschafft und dann im vollen Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet, unterliegt die Ver­ wendung für private Zwecke grundsätzlich der Entnahmebesteuerung des Art. 26 MwStSystRL. Damit wird der voll zugeordnete Gegenstand in vollem Umfang für besteuerte Umsätze verwendet, mithin besteht ein Recht zum vollständigen Vorsteuerabzug.719 Vor diesem Hintergrund schafft die Rechtsprechung des EuGH bzgl. des Zuordnungswahlrechts im Fall der privaten Mitveranlassung für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines Finanzie­ rungsvorteils.720 Denn allein durch die Ausübung seines Wahlrechts zu­ gunsten einer Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit erlangt der Steuerpflichtige wegen der Besteuerung der Entnahme ein vollumfängli­ 714 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.3.2001 – Rs. C-415/98 (Bakcsi), EU:C:2001:136, Rz. 27. 715 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.10.1995 – Rs. C-291/92 (Armbrecht), EU:C:1995:304, Rz. 28 f. 716 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 35; Urt. v. 4.10.1995 – Rs. C-291/92 (Armbrecht), EU:C:1995:304, Rz. 28 f. 717 Vgl. zur Voraussetzung der besteuerten Umsätze oben unter A. IV. 2. a). 718 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.5.2003 – Rs. C-269/00 (Seeling), EU:C:2003:254, Rz. 42 f.; Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 41 f.; anstatt vieler Pull, MwStR 2013, 611 (614). 719 Vgl. mit Verweis auf seine ständige Rechtsprechung EuGH, Urt. v. 18.7.2013 – Rs. C-210/11 (Medicom und Maison Patrice Alard), EU:C:2013:479, Rz. 22 f.; zu­ stimmend Tumpel, Lennartz, Armbrecht und (k)ein Ende, in: FS Ruppe, S. 664 (668); kritisch Wäger, DB 2012, 1288 (1291). 720 Vgl. zum Finanzierungsvorteil Pull, MwStR 2013, 611 (614) m. w. N.; Reiß, UR 2010, 797 (799); von Streit/Zugmeier, DStR 2010, 524.

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

ches Abzugsrecht und die damit einhergehende Entlastung. Die steuerli­ che Belastung für die private Verwendung im Rahmen der Entnahmebe­ steuerung erfolgt hingegen wegen der dauerhaften Nutzung eines Investitionsguts zeitlich gestreckt.721 Der EuGH rechtfertigt diesen Vor­ teil damit, dass im Fall einer nachträglichen Erhöhung des wirtschaftli­ chen Verwendungsanteils bis zu diesem Zeitpunkt die Anschaffung inso­ weit mit Vorsteuer belastet sein würde. Dies stelle jedoch eine zusätzliche finanzielle Belastung für einen im Nachhinein wirtschaftlich genutzten Anteil dar. Damit käme es ohne die Möglichkeit zum vollen Vorsteuer­ anspruch zu einer steuerlichen Belastung einer nach der Systematik des Mehrwertsteuerrechts steuerlich neutral zu behandelnden Investition.722 Fraglich ist jedoch, ob damit auch für die öffentliche Hand mithilfe des Zuordnungswahlrechts die Möglichkeit zum vollen Vorsteuerabzug of­ fensteht. Grundsätzlich wäre davon auszugehen, denn die Gefahr der Be­ lastung einer Investition, die im Nachhinein zu wirtschaftlichen Zwe­ cken verwendet wird, besteht auch für die öffentliche Hand.723 Der EuGH kommt in seiner Rechtsprechung jedoch zu einem anderen Ergebnis. Denn, wie oben bereits erläutert,724 soll nach der Rechtsprechung des EuGH die Entnahmebesteuerung nur im Fall der Verwendung für völlig unternehmensfremde Zwecke, worunter letztlich nur private Zwecke zu verstehen sind,725 Anwendung finden.726 Handelt jedoch die öffentliche Hand, insbesondere aufgrund der Befreiungsregelung des Art. 13 MwSt­ SystRL, im Rahmen einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit, liegen in der

721 Art. 26 I lit. a MwStSystRL i. V. m. Art. 75 MwStSystRL; bei der näheren Bestim­ mung des Begriffs der Ausgaben haben die Mitgliedstaaten grundsätzlich einen gewissen Ermessensspielraum, vgl. EuGH, Urt. v. 14.9.2006 – Rs. C-72/05 (Woll­ ny), EU:C:2006:573, Rz. 25 ff.; hierzu Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 10 Rz. 373 (Stand: April 2015). 722 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 47; die Möglichkeit von Steuerpflichtigen, für den privaten Konsum einen solchen Liqui­ ditätsvorteil zu erlangen, der anderen privaten Endverbrauchern verwehrt bleibt, führt zu einer Ungleichbehandlung des privaten Konsums, vgl. zu Recht kritisch Wäger, DB 2012, 1288 (1291); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 337. 723 So auch die weitverbreitete Meinung vor dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie, vgl. z. B. die in diesem Verfahren eingereichten Erklärungen, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07, EU:C:2009:88, Rz. 21 ff.; vgl. z. B. auch Reiß, UR 2010, 797 (803 f.); Abschn. 192 Abs. 21 Nr. 2 i. V. m. Abs. 22 Nr. 2 i. V. m. Abschn. 22 Abs. 5 UStHA 2008. 724 Vgl. zum weitgehenden Ausschluss von nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten der öf­ fentlichen Hand von der Entnahmebesteuerung nach Art. 16 und 26 MwStSystRL oben unter A. IV. 2. c). 725 Vgl. hier nur Pull, MwStR 2013, 611 (614); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz. 428 f. (Stand: Juli 2013). 726 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuin­ bouw Organisatie), EU:C:2009:88, Rz. 39.

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Regel keine völlig unternehmensfremden Zwecke vor.727 Vor dem Hin­ tergrund, dass die öffentliche Hand grundsätzlich keine privaten Zwecke verfolgt, bedeutet die einschränkende Auslegung der Art. 16 und 26 MwStSystRL letztlich den Ausschluss der Möglichkeit zum vollen Vorsteuerabzug für die öffentliche Hand im Fall der gemischten Verwen­ dung eines Gegenstandes zu wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Zwecken.728 Angesichts der Rechtsprechung des EuGH zur Möglichkeit des vollen Vorsteueranspruchs bei entsprechender Ausübung des Zuordnungswahl­ rechts und seiner Begründung stellt sich die Beschränkung zu Lasten der öffentlichen Hand, aber auch für juristische Personen des Privatrechts, als widersprüchlich dar. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Versa­ gung des Vorsteuerabzugs gleichzeitig im Einklang mit den inhaltlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie steht. Denn diese sieht nur die Entlastung der wirtschaftlichen Tätigkeit vor.729 Alle anderen Tä­ tigkeiten sollen nach der Konzeption des Richtlinienrechts zu einer end­ gültigen steuerlichen Belastung führen. Folglich gilt es vor allem, die nach der Rechtsprechung bestehende Möglichkeit des vollen Vorsteuer­ anspruchs trotz einer teilweisen Verwendung für private Zwecke kri­ tisch zu sehen. Insofern ist die fehlende Anwendung dieser Möglichkeit für die öffentliche Hand zwar inkonsequent, entspricht aber der sich aus dem gegenwärtigen Richtlinienrecht ergebenden Wertung.730 Demgegen­ über erscheint die Auslegung zugunsten eines vollständigen Vorsteuer­ abzugsrechts bei einer privaten Mitveranlassung vielmehr als unverein­ bar mit den Regeln der Mehrwertsteuersystemrichtlinie.731 Insoweit entspricht die Rechtsprechung in Bezug auf juristische Personen der Ver­ sagung einer Gleichbehandlung im Unrecht. c) Vorsteuerabzug bei Veränderung der anteiligen Verwendung Wie bereits oben erläutert, sind für den Vorsteuerabzug wegen des Grund­ satzes des Sofortabzugs die Umstände im Zeitpunkt des Leistungsbezugs maßgeblich.732 Lässt sich danach eine Leistung nur teilweise einer wirt­ 727 So jüngst bestätigt vom EuGH, Urt. v. 10.9.2014 – C-92/13 (Gemeente’s Hertogen­ bosch), EU:C:2014:2188, Rz. 23 ff.; vgl. zudem Pull, MwStR 2013, 611 (612); Reiß, UR 2010, 797 (810 f.). 728 Vgl. Ehrke-Rabel/von Streit, UR 2015, 249 (250); Pull, MwStR 2013, 611 (614). 729 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.2.2001 – Rs. C-408/98 (Abbey National), EU:C:2001:110, Rz.  24 m. w. N. 730 Zum sich hier bereits aufdrängenden Widerspruch der Behandlung der öffentli­ chen Hand mit ihren nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten als Steuerträgerin unten unter C. II. 1. 731 Vgl. zur verfehlten Freistellung des privaten Verwendungsanteils infolge des Zu­ ordnungswahlrechts Reiß, UR 2010, 797 (801); Stadie, UStG, § 15 Rz. 165 ff. 732 Vgl. zum Grundsatz des Sofortabzugs und seiner Wirkung oben unter A. IV. 1. b).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

schaftlichen Tätigkeit zuordnen oder soll diese nur anteilig zur Aus­ übung steuerpflichtiger Umsätze verwendet werden, ist auch nur insoweit ein Vorsteuerabzug möglich. Ändern sich die für die Aufteilungsent­ scheidung maßgeblichen Umstände im Laufe der fortdauernden Nut­ zung der bezogenen Leistung, bleibt der Vorsteuerabzug nach den Vor­ schriften der Art. 167, 168 MwStSystRL davon grundsätzlich unberührt. Eine Ausnahme stellen die Berichtigungsvorschriften der Art. 184 ff. MwStSystRL dar. Diese finden jedoch nur insoweit Anwendung, als dass die bezogene Leistung nach Art. 167 MwStSystRL der wirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet wurde.733 Vor diesem Hintergrund schafft das Zu­ ordnungswahlrecht im Fall der gemischten Veranlassung des Bezugs die Möglichkeit, diesen Änderungsrahmen um den nichtwirtschaftlichen Anteil zu erweitern.734 Auf diesem Wege kann ein Steuerpflichtiger das Verbot der Einlagenentsteuerung735 umgehen und im Fall der späteren Erhöhung des Verwendungsanteils für die wirtschaftliche Tätigkeit auch insoweit einen Vorsteuerabzug erlangen. Diese Folgewirkung stellt für den EuGH die zentrale Begründung für die Annahme eines Zuordnungs­ wahlrechts dar.736 Die bezogene Leistung kann jedoch auch in vollem Umfang der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet werden, so dass sie der Anwendung des Mehrwertsteuerrechts entzogen wird. Dies hätte zum Beispiel die Folge, dass eine spätere Veräußerung eines der nicht­ wirtschaftlichen Tätigkeit zugeordneten Gegenstandes grundsätzlich nicht der Mehrwertsteuer unterläge.737 Nach der hier vertretenen Auffassung verfügt auch die öffentliche Hand über ein Zuordnungswahlrecht, so dass sie mit entsprechender Aus­ übung einen umfassenden Berichtigungsrahmen für spätere Änderungen der anteiligen Verwendung herbeiführen kann. Allerdings wird zum Bei­ spiel von Reiß die Ansicht vertreten, dass sich aus der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache VNLTO ergebe, dass die öffentliche Hand für die Anwendung der Berichtigungsvorschriften eine bezogene Leis­ tung nicht zuvor der wirtschaftlichen Tätigkeit zuordnen müsse.738 Aus diesem Grund gilt es, zunächst die Frage zu klären, ob die öffentliche Hand nach der Rechtsprechung des EuGH für eine Wahrung der Möglich­ keit zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs eine vorherige Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit vornehmen muss. Daran anschließend ist zu untersuchen, welche Folgen sich im Fall der zeitlich späteren Erhöhung 733 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 17; Urt. v. 4.10.1995 – Rs. C-291/92 (Armbrecht), EU:C:1995:304, Rz. 33. 734 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 340. 735 Vgl. zum Verbot der Einlagenentsteuerung oben unter A. IV. 3. 736 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 46 f. so­ wie oben unter A. IV. 4. 737 Vgl. Stadie, UStG, § 1 Rz. 95. 738 Vgl. Reiß, UR 2010, 797 (806 f.).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

und im Fall der zeitlich späteren Minderung des wirtschaftlichen Ver­ wendungsanteils nach den Vorgaben des Unionsrechts zu ergeben haben. aa) Maßgeblichkeit der Ausübung des Zuordnungswahlrechts bei Leistungsbezug Reiß interpretiert das Urteil des EuGH in der Rechtssache VNLTO als eine Konzessionsentscheidung zugunsten der juristischen Personen.739 Denn während natürliche Personen als Steuerpflichtige das Verbot der Einlagenentsteuerung bei gemischter Veranlassung des Leistungsbezugs aus wirtschaftlichen und privaten Zwecken mithilfe der Möglichkeit ei­ nes sofortigen und umfassenden Vorsteuerabzugs umgehen können,740 sei dieser Weg in der Regel mangels einer Verwendung für unterneh­ mensfremde Zwecke den juristischen Personen versperrt. Deswegen wäre die Rechtsprechung des EuGH dahingehend zu verstehen, dass das Verbot der Einlagenentsteuerung in Sachverhalten, wie sie der Rechtssa­ che VNLTO zugrunde lagen, nicht mehr gelte. Folglich seien im Fall von juristischen Personen die Berichtigungsvorschriften der Art. 184 ff. MwSt­ SystRL unabhängig von einer vorherigen Zuordnung anwendbar. Gegen ein solches Verständnis und für eine aus Sicht des EuGH weiter­ hin erforderliche Zuordnung spricht hingegen dessen systematisches Verständnis vom Verhältnis der Art. 167 und Art. 168 MwStSystRL zu­ einander. Dieses bedingt grundsätzlich eine Zuordnungsentscheidung.741 Das Erfordernis nach Art. 167 MwStSystRL des Handelns als Steuer­ pflichtiger im Zeitpunkt des Leistungsbezugs zur Entstehung des Rechts auf einen Vorsteuerabzug hat der EuGH zudem noch in seinem Urteil in der Rechtssache Waterschap ausdrücklich für eine juristische Person des öffentlichen Rechts hervorgehoben.742 Zudem betont der EuGH in seiner Rechtsprechung, dass der Steuerpflichtige über die Möglichkeit verfüge, einem Gegenstand auch der Anwendung des Mehrwertsteuerrechts zu entziehen und aus diesem Grund der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit zu­ ordnen dürfe.743 Anhaltspunkte dafür, dass dieses Recht und die damit verbundene Notwendigkeit, eine Zuordnungsentscheidung zu treffen, nicht für juristische Personen bestehe, sind nicht ersichtlich.744

739 Hierzu und zum Folgenden Reiß, UR 2010, 797 (806 f. und 811). 740 Vgl. zur Möglichkeit eines vollumfänglichen Vorsteuerabzugs infolge des Zuord­ nungswahlrechts im vorherigen Abschnitt A. IV. 4. b). 741 So auch Küffner/von Streit, DStR 2012, 636 (639) in Fn. 20; Wäger, DB 2012, 1288 (1294). 742 Vgl. EuGH, Urt. v. 2.6.2005 – Rs. C-378/02 (Waterschap Zeeuws Vlaanderen), EU:C:2005:335, Rz. 44. 743 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.10.1995 – Rs. C-291/92 (Armbrecht), EU:C:1995:304, Rz. 20. 744 Vgl. auch Englisch, Vorsteuerabzug und nicht steuerbare Aktivitäten, in: ders./ Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 25 (81).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

Vor diesem Hintergrund bedarf es auch weiterhin einer vorherigen Zu­ ordnung der bezogenen Leistung zur wirtschaftlichen Tätigkeit, damit die öffentliche Hand im Fall der späteren Änderung der Verwendungsan­ teile eine Berichtigung der Vorsteuer nach den Art. 184 ff. MwStSystRL vornehmen kann.745 bb) Folgen einer nachträglichen Erhöhung oder Minderung des ­wirtschaftlichen Verwendungsanteils Die Auswirkung einer nachträglichen Erhöhung des wirtschaftlichen Verwendungsanteils bestimmt sich maßgeblich nach dem Umfang der ursprünglichen Zuordnung. Soweit die öffentliche Hand eine bezogene Leistung von vornherein ihrer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit zuordnet, findet bei einer nachträglichen Erhöhung der wirtschaftlichen Verwen­ dung eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nicht statt. Hier greift das sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebende Verbot der Einlagen­ entsteuerung.746 Ebenfalls folgenlos ist in diesem Fall eine nachträgliche Minderung des wirtschaftlichen Verwendungsanteils eines von vornher­ ein dem Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts entzogenen Ge­ genstandes. Damit verbleibt es bei einer Zuordnung zur nichtwirtschaft­ lichen Tätigkeit stets bei einer Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand. Erfolgte hingegen bereits bei Leistungsbezug eine vollständige Zuord­ nung zur wirtschaftlichen Tätigkeit, steht der öffentlichen Hand im Rah­ men der Berichtigungsvorschriften bei Erhöhung des wirtschaftlichen Verwendungsanteils grundsätzlich eine nachträgliche Erhöhung des ab­ ziehbaren Vorsteuerbetrages zu.747 Diese ergibt sich unter Anwendung der Regelungen zur Vorsteuerberichtigung nach den Art. 184 ff. MwSt­ SystRL.748 Mindert sich der wirtschaftliche Verwendungsanteil, käme grundsätz­ lich eine Entnahmebesteuerung nach den Art. 16 oder 26 MwStSystRL in Betracht. Allerdings gilt auch hier die Rechtsprechung des EuGH, nach der diese beiden Vorschriften nur bei Verwendung zu privaten Zwecken zu einer Besteuerung führen.749 Im Regelfall verfolgt die öffentliche Hand mit ihren nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten gerade keine privaten Zwe­ cke, so dass eine Entnahmebesteuerung nach der Rechtsprechung des

745 So mittlerweile zumindest i. E. auch Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 184.5 (Stand: März 2013). 746 Vgl. zum Verbot der Einlagenentsteuerung oben unter A. IV. 3. 747 Vgl. vor allem Art. 187 MwStSystRL. 748 Vgl. hierzu Stadie, UStG, § 15 Rz. 159. 749 Vgl. zum Anwendungsbereich der Art. 16 und 26 MwStSystRL oben unter A. IV. 2. a) und c).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

EuGH insoweit ausscheidet.750 Fraglich ist jedoch, ob es folglich in die­ sem Fall zu einer Vorsteuerberichtigung nach den Regeln der Art. 184 ff. MwStSystRL kommt. Einschlägig könnte hier vor allem der Art. 187 MwStSystRL für Investitionsgüter sein. Zur Beantwortung dieser Frage gilt es, sich die Funktion der Entnahmebesteuerung auf der einen Seite und der Vorsteuerberichtigung auf der anderen Seite zu vergegenwärtigen und ihre Beziehung zueinander zu berücksichtigen. Nach dem mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsgebot ist allein die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit steuerlich neutral zu behan­ deln.751 Die Entnahmebesteuerung gewährleistet die steuerliche Belas­ tung des Endverbrauchs für eine bezogene Leistung, wenn diese nicht mehr für wirtschaftliche Zwecke verwendet wird. Damit dienen die Art. 16 und 26 MwStSystRL der Umsetzung des Neutralitätsprinzips. Zudem gewährleisten die beiden Regeln die steuerliche Belastung desje­ nigen, der bereits im Fall des ursprünglichen Leistungsbezugs für nicht­ wirtschaftliche Zwecke mangels Vorsteuerabzugs als Träger der Steuer behandelt worden wäre. Im Ergebnis handelt es sich um eine Korrektur­ vorschrift für eine ursprüngliche Vorsteuerentlastung.752 Die Vorschrif­ ten zur Vorsteuerberichtigung nach Art. 184 ff. MwStSystRL verfolgen denselben Zweck,753 so dass die Entnahmebesteuerung und die Vorsteu­ erberichtigung in ihrer Funktion insoweit übereinstimmen. Allerdings ist zu beachten, dass eine Änderung der Verwendung für eine wirtschaftliche Tätigkeit hin zu einer Verwendung für eine nicht­ wirtschaftliche Tätigkeit grundsätzlich von der Entnahmebesteuerung erfasst wird. Für eine Vorsteuerberichtigung zuungunsten des Steuer­ pflichtgen verbleibt folglich insbesondere der Fall, wenn eine Ein­ gangsleistung später für steuerfreie Umsätze anstelle für steuerpflichtige Umsätze verwendet wird. Angesichts der grundsätzlich unterschiedli­ chen Anwendungsbereiche könnte damit eine Anwendung der Vorsteu­ erberichtigung zuungunsten der öffentlichen Hand nach Unionsrecht im Ergebnis ausgeschlossen sein. Denn zum einen scheidet die Entnahme­ besteuerung nach Art. 16 oder 26 MwStSystRL mangels Verwendung für private Zwecke aus. Zum anderen fällt die Änderung einer Verwendung aus wirtschaftlichen Gründen hin zu einer Verwendung aus nichtwirt­ schaftlichen Gründen nicht in den Anwendungsbereich der Vorsteuerbe­ richtigung nach Art. 184 ff. MwStSystRL. Damit käme es letztlich zu 750 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 97.6 (Stand: März 2013). 751 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.3.2000 – Rs. C-110/98 (Gabalfrisa u. a.), EU:C:2000:145, Rz. 44; Urt. v. 3.10.2006 – Rs. C-475/03 (Banca popolare di Cremona), EU:C:2006:629, Rz. 28; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-174/08 (NCC Construction Danmark), EU:C:2009:669, Rz. 27. 752 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 154. 753 Vgl. Englisch, a. a. O., § 17 Rz. 156.

156

IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

einer steuerlich neutralen Behandlung einer nichtwirtschaftlichen Tätig­ keit. Dieses Ergebnis lässt die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Anwendungsbereichs der Art. 16 und 26 MwStSystRL einmal mehr als fragwürdig erscheinen.754 Gleichwohl kann eine Anwendung der Vor­ steuerberichtigung nach den Art. 184 ff. MwStSystRL in diesen Fällen nicht damit begründet werden, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.755 Denn allein das Ziel der steuerlichen Belastung der nichtwirt­ schaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand rechtfertigt nicht eine An­ wendung der Vorsteuerberichtigung. Allerdings stellt der Wortlaut des Art. 184 MwStSystRL allgemein auf Änderungen im Vergleich zur ur­ sprünglichen Höhe des Vorsteuerabzugsrechts ab. Im Fall der An­wendung der Entnahmebesteuerung nach Art. 16 oder 26 MwStSystRL wird das Vorsteuerabzugsrecht nicht berührt, denn eine Verwendung für besteuer­ te Umsätze ist weiterhin gegeben. Findet die Entnahmebesteuerung je­ doch keine Anwendung, mangelt es an einer fortwährenden Verwendung für besteuerte Umsätze. So ist es im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH nur folgerichtig, darin eine Änderung zu sehen, die in den An­ wendungsbereich der Vorsteuerabzugsberichtigung gem. Art. 184 ff. MwStSystRL fällt. Im Ergebnis führt eine Minderung der wirtschaft­ lichen Tätigkeit durch die öffentliche Hand nach den unionsrechtli­ chen Vorgaben zu einer Vorsteuerberichtigung nach den Art. 184 ff. MwSt­ SystRL.756 5. Zusammenfassung Die unionsrechtlichen Vorgaben zum Vorsteuerabzug sehen für die öf­ fentliche Hand zunächst keine Besonderheiten vor. Die allgemein gehal­ tenen Regelungen und die darauf beruhende konkretisierende Rechtspre­ chung des EuGH sind maßgeblich geprägt von der inhaltlichen und systematischen Trennung zwischen Entstehung und Bestimmung des Umfangs des Rechts zum Vorsteuerabzug. Für die öffentliche Hand scheidet regelmäßig ein Vorsteuerabzug bereits aus, weil das Recht hierzu gem. Art. 167 MwStSystRL nicht entsteht. Denn dieses setzt voraus, dass die bezogene und mit Vorsteuer belastete Leistung einer Tätigkeit dient, welche eine Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige begründet. Allerdings unterliegt die öffentliche Hand im Regelfall nach den Art. 9 und 13 MwStSystRL mit ihren Tätig­ keiten nicht dem Mehrwertsteuerrecht. In entsprechendem Umfang 754 Vgl. Englisch, a. a. O., § 17 Rz. 159. 755 In diese Richtung jedoch Stadie, UStG, § 15 Rz. 159. 756 I. E. wie hier Stadie, ebenda; vgl. auch Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 97.6 (Stand: März 2013).

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A.  Die Behandlung nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie

wird folglich die öffentliche Hand mangels Vorsteuerabzug endgültig mit Vorsteuer belastet und wie ein privater Endverbraucher als Trägerin der Mehrwertsteuer behandelt. Die nach Art. 168 lit. a MwStSystRL erforderliche Verwendung der bezo­ genen Leistung für die Ausübung eigener steuerpflichtiger Umsätze führt ebenfalls zu einem weitgehenden Ausschluss der öffentlichen Hand vom Vorsteuerabzug. Denn wie sich ebenfalls im Rahmen der vorangegange­ nen Untersuchung gezeigt hat, wird eine Vielzahl der grundsätzlich steu­ erbaren Umsätze der öffentlichen Hand nach Art. 132 MwStSystRL von der Besteuerung freigestellt. Folglich führen diese wiederum nicht zu besteuerten Ausgangsumsätzen und schließen demnach einen Vorsteu­ erabzug der öffentlichen Hand aus. Soweit es nach den allgemeinen Vorgaben zum Vorsteuerabzug im Zeit­ punkt des Leistungsbezugs zu einer endgültigen Belastung der öffentli­ chen Hand mit Vorsteuer gekommen ist, kann einer späteren Verände­ rung der tatsächlichen Verwendung nur noch eingeschränkt Rechnung getragen werden. Vor allem besteht grundsätzlich keine Möglichkeit der nachträglichen steuerlichen Entlastung von Aufwendungen, soweit der entsprechende Leistungsbezug ursprünglich nicht dem Mehrwertsteuer­ recht unterliegenden Tätigkeiten diente. Angesichts des Umstandes, dass die öffentliche Hand grundsätzlich Tätigkeiten ausübt, die nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, besteht vor diesem Hintergrund eine er­ höhte Gefahr, dass es im Fall einer solchen Verwendungsänderung für bezogene Leistungen wegen des Verbots der Einlagenentsteuerung zu ei­ ner doppelten steuerlichen Belastung auf Eingangs- und Ausgangsseite kommt. Um diese Gefahr einer effektiven steuerlichen Belastung einer wirt­ schaftlichen Tätigkeit zu vermeiden, spricht der EuGH in Auslegung des Art. 167 MwStSystRL dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu, die bezo­ gene Leistung der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzuordnen. Dies setzt vor­ aus, dass die Leistung bereits im Zeitpunkt des Bezugs zumindest antei­ lig der wirtschaftlichen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Entgegen anderslautender Stimmen in der Literatur steht ein solches Zuordnungs­ wahlrecht auch uneingeschränkt der öffentlichen Hand zu und muss be­ reits bei Leistungsbezug ausgeübt werden. So kann die öffentliche Hand die Möglichkeit einer Vorsteuerkorrektur nach Art. 184 ff. MwStSystRL wahren, indem sie die Leistung in vollem Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit zuordnet. Die vollständige Zuordnung selbst führt jedoch nicht zu einem vollum­ fänglichen Vorsteuerabzug. Denn der Vorsteueranspruch beschränkt sich gem. Art. 168 lit. a MwStSystRL auf den Umfang, in dem die bezogene Leistung zur Ausübung steuerpflichtiger Umsätze verwendet wird. 158

IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

­ arunter fallen zwar nach der Rechtsprechung des EuGH auch unent­ D geltliche Wertabgaben zu unternehmensfremden Zwecken im Sinne der Art. 16 und Art. 26 MwStSystRL. Allerdings ergibt sich aus der Recht­ sprechung weiterhin, dass nur die Verwendung zu privaten Zwecken als unternehmensfremd im Sinne des Art. 16 und Art. 26 MwStSystRL anzu­ sehen ist. Damit wird diese Voraussetzung von der öffentlichen Hand nicht erfüllt, wenn die Verwendung ihren nichtprivaten Tätigkeiten dient, die wegen der Voraussetzungen in Art. 9 oder 13 MwStSystRL nicht dem Mehrwertsteuerrecht unterliegen. Hat die öffentliche Hand eine aus wirtschaftlichen und nichtwirtschaft­ lichen Gründen bezogene Leistung in vollem Umfang ihrer wirtschaftli­ chen Tätigkeit zugeordnet, so kann sie im Fall der späteren Erhöhung des wirtschaftlichen Verwendungsanteils eine Vorsteuerberichtigung nach Art. 184 ff. MwStSystRL zu ihren Gunsten vornehmen. Mindert sich hingegen der wirtschaftliche Verwendungsanteil, käme es zwar grund­ sätzlich nach der Systematik der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu ei­ ner Entnahmebesteuerung nach Art. 16 und Art. 26 MwStSystRL. Da diese jedoch im Regelfall für die öffentliche Hand mangels Verfolgung privater Zwecke nach der Auslegung des Richtlinienrechts durch den EuGH ausgeschlossen ist, hat in diesen Fällen nach Art. 184 ff. MwSt­ SystRL eine Vorsteuerberichtigung zu erfolgen. Wie gezeigt, führt die im Richtlinienrecht vorgesehene Verknüpfung von Ausgangs- und Eingangsseite der öffentlichen Hand dazu, dass die Ein­ schränkungen der persönlichen Steuerpflicht auch eine entsprechende Einschränkung des Vorsteuerabzugs zur Folge hat. Damit wirken die für die Ausgangsseite festgestellten rechtlichen Schwierigkeiten aufgrund der Verknüpfung auch für die Bestimmung des Vorsteuerabzugs fort. We­ gen der mit dem Vorsteuerabzug verbundenen finanziellen Vorteile be­ steht zudem für die öffentliche Hand der Anreiz, ihre im Rahmen der Regelungen zur persönlichen Steuerpflicht bestehenden Gestaltungs­ möglichkeiten zur Erlangung eines Vorsteuerabzugs zu nutzen. Dies dürfte die steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand verstärkt zum Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen machen und die damit verbundenen administrativen Kosten erhöhen. Neben der Verknüpfung von Eingangs- und Ausgangsseite haben sich Auslegung und Anwendung der Regelungen zum Vorsteuerabzug auf die öffentliche Hand als sehr komplex erwiesen und sie sind mit vielen Rechtsunsicherheiten verbunden. Diese lassen sich zwar grundsätzlich unter Auslegung des Richtlinienrechts einer Lösung zuführen. Von Rechtssicherheit und einer einfachen Handhabung ist der gegenwärtige Zustand jedoch weit entfernt.

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B. Die Behandlung der öffentlichen Hand nach dem ­Umsatzsteuergesetz In dem nun folgenden Abschnitt der Arbeit soll die Behandlung der öf­ fentlichen Hand nach dem Umsatzsteuergesetz untersucht werden. Da­ bei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die sich nach den Vorgaben des Umsatzsteuerrechts ergebende Behandlung der öffentlichen Hand den inhaltlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu ent­ sprechen hat. Allerdings ist die Bindungswirkung des Richtlinienrechts gegenüber den Mitgliedstaaten nicht die einzige Möglichkeit, wie die unionsrechtlichen Vorgaben des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts auf das nationale Recht einwirken können. Aus diesem Grund gilt es im Vorfeld zu klären, ob und inwieweit darüber hinaus das Richtlinienrecht für das nationale Recht und vor allem für die nationale Rechtsanwen­ dung eine Relevanz entfalten kann. Nach dieser Vorfrage ist die im nationalen Recht vorgesehene umsatz­ steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand zu untersuchen. Hierfür ist in einem ersten Schritt darauf einzugehen, ob, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen die öffentliche Hand nach dem Umsatzsteuer­ gesetz als Steuersubjekt zu behandeln ist und ihre Ausgangsleistungen damit grundsätzlich der Besteuerung unterliegen. Dabei wird insbeson­ dere zu prüfen sein, ob und inwieweit sich im nationalen Recht ein ver­ gleichbares Bild für die steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand im Verhältnis zu den inhaltlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie ergibt. So gilt es zu klären, ob im nationalen Recht ebenfalls bereits die Grundvoraussetzungen für eine Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt dazu führen, dass diese mit einer Vielzahl ihrer Tätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer einzu­ beziehen ist. Des Weiteren sind Voraussetzungen und Wirkungen der na­ tionalen Befreiungsregelung für die öffentliche Hand in § 2b UStG einge­ hend zu untersuchen. Denn der Gesetzgeber hat diese Regelung erst jüngst im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2015 vom 2. Novem­ ber 2015 mit Wirkung zum 1. Januar 2016 eingeführt,757 um auf der einen Seite das Umsatzsteuergesetz unionsrechtskonform auszugestalten und auf der anderen Seite das Recht in seiner Anwendung auf die öffentliche Hand zu vereinfachen. Inwieweit diese Ziele erreicht werden, gilt es ebenfalls herauszuarbeiten. In einem zweiten Schritt werden die sachlichen Steuerbefreiungen in Be­ zug auf ihre Bedeutung für die umsatzsteuerliche Behandlung der öffent­ lichen Hand näher beleuchtet. Als dritter Schritt wird sich sodann der 757 BGBl. I 2015, 1834 (1843 f.).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Eingangsseite und der Frage des Vorsteuerabzugs der öffentlichen Hand gewidmet. Denn es gilt zu klären, ob und inwieweit es nach dem natio­ nalen Recht zu einer Behandlung der öffentlichen Hand als Trägerin der Umsatzsteuer kommt. Dabei wird insbesondere im Fokus stehen, wie im Rahmen der nationalen Rechtsanwendung der (teilweise wenig überzeu­ genden) Rechtsprechung des EuGH Rechnung zu tragen ist.

I. Einwirkungsmöglichkeiten des Richtlinienrechts auf die nationale Rechtsanwendung Die Grundlage des innerhalb der Europäischen Union harmonisierten Mehrwertsteuerrechts ist die Mehrwertsteuersystemrichtlinie, welche eine unmittelbare Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten ent­ faltet und diese zur Umsetzung ihrer inhaltlichen Vorgaben in nationales Recht verpflichtet.758 Die Rechtsprechung des EuGH entfaltet zunächst selbst keine bindende Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten. Aller­ dings wird der EuGH in Auslegung des Richtlinienrechts rechtserken­ nend tätig,759 so dass die Bindung der Mitgliedstaaten an den Inhalt des Richtlinienrechts auch die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH erfasst. Neben dieser in Art. 288 Abs. 3 AEUV verankerten Einwirkungs­ funktion des Richtlinienrechts bestehen insbesondere zwei weitere Wege, über die das Unionsrecht auf das nationale Recht und die nationa­ le Rechtsanwendung einwirkt. So kann dieses zum einen über die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts und zum anderen über die Möglichkeit der unmittelbaren Anwendung des Richtlinienrechts erfol­ gen. Wegen der Relevanz für die Untersuchung der Behandlung der öf­ fentlichen Hand im nationalen Umsatzsteuerrecht sollen diese beiden Möglichkeiten im Folgenden kurz näher beleuchtet werden. 1. Das Gebot einer richtlinienkonformen Auslegung Für die nationale Rechtsanwendung gilt das Gebot der richtlinienkonfor­ men Auslegung.760 Dies meint die Verpflichtung staatlicher Organe, unter mehreren Auslegungsmöglichkeiten für das nationale Recht derjenigen den Vorrang zu gewähren, welche den inhaltlichen Vorgaben des Richtli­

758 Vgl. Art. 288 III AEUV, Art. 414 MwStSystRL; zur MwStSystRL als Grundlage des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts oben unter A. I. 1. 759 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.9.2015 – Rs. C-276/14 (Gmina Wrocław), EU:C:2015:635, Rz. 44; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 17. 760 EuGH, Urt. v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 (von Colson und Kamann), EU:C:1984:153, Rz. 26; Urt. v. 10.10.2013 – Rs. C-306/12 (Spedition Welter), EU:C:2013:650, Rz. 29; Roth/Jopen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rz. 3.

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I.  Einwirkungsmöglichkeiten des Richtlinienrechts

nienrechts am weitesten entspricht.761 Soweit eine abweichende, das heißt, dem Unionsrecht entsprechende Auslegung des nationalen Rechts anhand der national-rechtlich anerkannten Auslegungsmöglichkeiten nicht möglich ist, scheidet eine richtlinienkonforme Auslegung von vornherein aus. Sie stellt folglich keine eigene Auslegungsmethode dar.762 Das Gebot zur richtlinienkonformen Auslegung des Umsatzsteuergeset­ zes lässt sich insbesondere auf zwei Wegen begründen. Zum einen stellt das Umsatzsteuergesetz die Grundlage des nationalen Umsatzsteuer­ rechts dar und muss damit wegen der bestehenden Bindungswirkung den inhaltlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entsprechen. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das Ziel verfolgt hat, ein richtlinienkonformes Umsatzsteuergesetz zu erlassen.763 Dieser (unterstellten) Intention des Gesetzgebers ist im Rahmen der Aus­ legung Rechnung zu tragen und das nationale Recht daher so zu interpre­ tieren, dass es der Verwirklichung dieses Ziels entspricht.764 Zum ande­ ren sind wegen der sich aus Art. 288 Abs. 3 AEUV ergebenden bindenden Wirkung der Richtlinie alle staatlichen Organe verpflichtet, zur inhaltli­ chen Umsetzung in nationales Recht beizutragen.765 Damit einher geht die Obliegenheit der Behörden als auch der Gerichte, das Gesetz im Rah­ men seiner Anwendung so auszulegen, dass es mit dem Richtlinienrecht übereinstimmt.766 761 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.10.1994 – Rs. C-165/91 (Van Munster), EU:C:1994:359, Rz. 34; BVerfG, Beschl. v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (237); Ismer, in: Herr­ mann/Heuer/Raupach, EStG, Einf. Rz. 425 (Stand: Aug. 2014); Roth/Jopen, a. a. O., § 13 Rz. 26; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 32. 762 Vgl. hierzu Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 6.62. 763 Vgl. Mellinghof, UR 2013, 5 (6). 764 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89 (Marleasing), EU:C:1990:395, Rz. 8; Urt. v. 5.10.2004 – Rs. C-397/01 (Pfeiffer u. a.), EU:C:2004:584, Rz. 112; BFH, Urt. v. 15.7.2004 – V R 27/03, BStBl. II 2004, 862 (863); Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, Vor § 1 Rz. 16 (Stand: März 2012); kritisch hierzu Roth/Jopen, in: Riesenhu­ ber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rz. 30. 765 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – Rs. C-72/95 (Kraaijeveld u. a.), EU:C:1996:404, Rz. 55; Urt. v. 12.12.2013 – Rs. C-425/12 (Portgás), EU:C:2013:829, Rz. 34; Roth/ Jopen, a. a. O., § 13 Rz. 4. 766 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 (von Colson und Kamann), EU:C:1984:153, Rz. 26; Urt. v. 18.12.1997 – Rs. C-129/96 (Inter-Environnement Wallonie), EU:C:1997:628, Rz. 40; Urt. v. 10.10.2013 – Rs. C-306/12 (Spedition Welter), EU:C:2013:650, Rz. 29; BFH, Urt. v. 15.7.2004 – V R 27/03, BStBl. II 2004, 862 (863); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 31; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, Vor § 1 Rz. 16 (Stand: März 2012); Robisch, in: Bunjes, UStG, Vor § 1 Rz. 10; darüber hinaus wird teilweise auch auf Art. 4 III EUV als Begründung verwiesen, vgl. EuGH, Urt. v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 (von Colson und Ka­ ­ mann), EU:C:1984:153, Rz. 26; Urt. v. 14.7.1994 – Rs. C-91/92 (Faccini Dori), EU:C:1994:292, Rz. 26; Roth/Jopen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rz. 3.

163

B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Das Umsatzsteuergesetz ist sowohl Grundlage als auch Grenze einer richtlinienkonformen Umsatzbesteuerung.767 Denn eine entsprechende Auslegung ist nur insoweit möglich, als dass das Ergebnis noch innerhalb dessen liegt, was unter Berücksichtigung der allgemeinen Methoden der Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung möglich ist.768 Ein Ergebnis, welches auf der einen Seite zwar im Einklang mit unionsrechtlichen Vor­ gaben steht, aber auf der anderen Seite nicht mehr vom nationalen Ge­ setz gedeckt ist, stellt eine unzulässige Auslegung contra legem dar.769 Für die Zulässigkeit der richtlinienkonformen Auslegung ist es demge­ genüber unbeachtlich, ob sich das Auslegungsergebnis zum Vorteil oder zum Nachteil des Steuerpflichtigen auswirkt.770 2. Die Möglichkeit der unmittelbaren Anwendung des Richtlinienrechts Soweit der Inhalt einer Richtlinie nicht, nicht rechtzeitig oder mit unzu­ treffendem Inhalt in nationales Recht umgesetzt wird, besteht für den Steuerpflichtigen grundsätzlich die Möglichkeit, sich unmittelbar auf das Richtlinienrecht zu berufen.771 In diesem Fall findet das nationale Recht keine Anwendung. Aufgrund dieser Möglichkeit erlangt das Richtlinien­ recht einen Anwendungsvorrang gegenüber den nationalem Recht.772 Die unmittelbare Anwendung des Richtlinienrechts ist jedoch an mehre­ re Voraussetzungen geknüpft. Zum einen gilt ein Vorrang der richtlinien­

767 Zur Wortlautgrenze Mellinghof, UR 2013, 5 (8). 768 Kraeusel, UR 2010, 480 (486); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 32; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, Vor § 1 Rz. 16 (Stand: März 2012); Roth/Jopen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rz. 17. 769 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.2.1999 – Rs. C-63/97 (BMW), EU:C:1999:82, Rz. 23 f.; Urt. v. 4.7.2006 – Rs. C-212/04 (Adeneler u. a.), EU:C:2006:443, Rz. 110; Urt. v. 30.4.2014 – Rs. C-26/13 (Kásler und Káslerné Rábai), EU:C:2014:282, Rz. 65; Englisch, ebenda; Kofler, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 13.16. 770 Vgl. EuGH, Urt. v. 5.7.2007 – Rs. C-321/05 (Kofoed), EU:C:2007:408, Rz. 45; Urt. v. 15.9.2011 – Rs. C-53/10 (Franz Mücksch), EU:C:2011:585, Rz. 34; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 31; Roth/Jopen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rz. 36. 771 EuGH, Urt. v. 19.1.1982 – Rs. 8/81 (Becker), EU:C:1982:7, Rz. 25; Urt. v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 (Marshall I), EU:C:1986:84, Rz. 46; Urt. v. 30.4.1996 – C-194/94 (CIA Security International), EU:C:1996:172, Rz. 42; Urt. v. 11.7.2002 – Rs. C-62/00 (Marks & Spencer), EU:C:2002:435, Rz. 22; Urt. v. 10.9.2002 – Rs. C-141/00 (Küg­ ler), EU:C:2002:473, Rz. 51; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, Vor § 1 Rz. 22 (Stand: April 2014); Robisch, in: Bunjes, UStG, Vor § 1 Rz. 9; Ruffert, in: Calliess/ Ruffert, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 52; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (240 ff.); zum Umsatzsteuerrecht BFH, Urt. v. 8.6.2011 – XI R 22/09, BFHE 234, 448 (452); Beschl. v. 29.8.1991 – V B 113/91, BStBl. II 1992, 267 (269); vgl. hierzu Heidner, UR 2003, 69 (70). 772 Vgl. Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, Vor § 1 Rz. 21 (Stand: April 2014); Robisch, in: Bunjes, UStG, Vor § 1 Rz. 9.

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I.  Einwirkungsmöglichkeiten des Richtlinienrechts

konformen Auslegung.773 Lässt sich folglich bereits im Wege der Ausle­ gung ein Ergebnis erzielen, welches im Einklang mit dem Richtlinienrecht steht, scheidet die unmittelbare Anwendung mangels Erforderlichkeit aus. Zum anderen muss das Richtlinienrecht hinreichend klar und genau bestimmt sowie die Umsetzung in nationales Recht nicht an Bedingun­ gen geknüpft sein.774 Anders als die richtlinienkonforme Auslegung darf sich die unmittelbare Anwendung des Richtlinienrechts nur zum Vorteil des Steuerpflichtigen auswirken.775 Denn staatliche Organe, wie zum Beispiel die Finanzver­ waltung, können sich nicht auf eine unmittelbare Anwendung berufen. Diese unterliegen damit grundsätzlich weiterhin der Bindung an das na­ tionale Recht.776 Daraus ergibt sich für den Steuerpflichtigen ein Wahl­ recht, ob er eine Anwendung des Richtlinienrechts anstrebt oder aber es bei der Anwendung des nationalen (richtlinienwidrigen) Rechts be­ lässt.777 Zum grundsätzlichen Ausschluss der staatlichen Organe von der Mög­ lichkeit, sich auf eine unmittelbare Anwendung des Richtlinienrechts zu berufen, besteht in Bezug auf die Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine Ausnahme. Dies ist der Fall, wenn eine juristische Person des öffentli­ chen Rechts selbst einer richtlinienwidrigen Regelung des nationalen Umsatzsteuerrechts unterliegt. Denn dann kann auch diese gegenüber der Finanzbehörde auf die unmittelbare Anwendung des Richt­ linienrechts bestehen. Im Ergebnis steht damit der öffentlichen Hand 773 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.7.2008 – Rs. C-237/07 (Janecek), EU:C:2008:447, Rz. 36; Urt. v. 10.10.2013 – Rs. C-306/12 (Spedition Welter), EU:C:2013:650, Rz. 28; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 33; Kraeusel, UR 2010, 480 (481); Roth/ Jopen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rz. 14. 774 EuGH, Urt. v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 (Marshall I), EU:C:1986:84, Rz. 46; Urt. v. 30.4.1996 – C-194/94 (CIA Security International), EU:C:1996:172, Rz. 42; Urt. v. 26.4.2012 – Rs. C-621/10 (Balkan and Sea Properties u. a.), EU:C:2012:248, Rz. 56; zum Richtlinienrecht der harmonisierten Mehrwertsteuer EuGH, Urt. v. 19.1.1982 – Rs. C-8/81 (Becker), EU:C:1982:7, Rz. 25; Urt. v. 20.10.1993 – Rs. C-10/92 (Balocchi), EU:C:1993:846, Rz. 34; Urt. v. 6.7.1995 – C-62/93 (BP Sou­ pergaz), EU:C:1995:223, Rz. 34; Englisch, ebenda; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, Vor § 1 Rz. 21 (Stand: April 2014); Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUF/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 53. 775 Vgl. Heidner, UR 2003, 69 (72); Robisch, in: Bunjes, UStG, Vor § 1 Rz. 9; all­gemein zum Ausschluss einer nachteiligen unmittelbaren Wirkung von Richtlinienrecht im Verhältnis Staat – Bürger Roth/Jopen, in: Riesenhuber, Europäische Methoden­ lehre, § 13 Rz. 14 m. w. N. 776 EuGH, Urt. v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 (Marshall I), EU:C:1986:84, Rz. 48; Urt. v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), EU:C:1987:431, Rz. 9; Urt. v. 7.1.2004 – Rs. C-201/02 (Delena Wells), EU:C:2004:12, Rz. 56; Robisch, in: Bunjes, UStG, Vor § 1 Rz. 9; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUF/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 557. 777 Kraeusel, UR 2010, 480 (481).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

insoweit das Recht zu, sich auf die unmittelbare Anwendung der Mehr­ wertsteuersystemrichtlinie zu berufen.778

II. Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand Die Entstehung der Umsatzsteuer setzt gem. § 1 UStG einen steuerbaren Umsatz voraus. Dieser liegt im Regelfall jedoch nur dann vor, wenn der Umsatz von einem Unternehmer ausgeübt wird.779 Im Fall der Verwirkli­ chung des Tatbestandes eines steuerbaren Umsatzes wird der Unterneh­ mer damit zum Steuersubjekt.780 Darüber hinaus ist der Unternehmer grundsätzlich auch Schuldner der anfallenden Umsatzsteuer.781 Die Mög­ lichkeit zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG steht eben­ falls nur einem Unternehmer zu. Die Unternehmereigenschaft ist folg­ lich für die umsatzsteuerliche Behandlung von zentraler Bedeutung.782 Der Unternehmer entspricht in seiner Funktion dem Steuerpflichtigen in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie.783 Entsprechend der unions­ rechtlichen Vorgaben beschränkt die Umsatzsteuer ihren Anwendungs­ bereich aus Praktikabilitätserwägungen in persönlicher Hinsicht auf be­ stimmte Steuersubjekte.784 Als Steuerschuldner fungiert der Unternehmer als Steuereinsammler für den Staat.785 Dass der nationale Gesetzgeber es bisher unterlassen hat, den historisch begründeten Begriff des Unterneh­ mers gegen den prägnanteren Richtlinienbegriff des Steuerpflichtigen auszutauschen, mag für die Verständlichkeit des Rechts bedauerlich sein,786 bleibt jedoch wegen der vergleichbaren Bedeutung und Funktion grundsätzlich folgenlos.787 Die Regelung der Unternehmereigenschaft findet sich in § 2 UStG. Dar­ über hinaus bestehen besondere Vorgaben für die Behandlung von juristi­ schen Personen des öffentlichen Rechts als Unternehmer im § 2b UStG. So sieht § 2b Abs. 1 S. 1 UStG vor, unter bestimmten Voraussetzungen 778 Vgl. zu diesem Recht EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpane­ to Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 29 ff.; Urt. v. 4.6.2009 – Rs. C-102/08 (SA­ LIX), EU:C:2009:345, Rz. 76; Canz, Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand im Wandel, S. 90 ff.; Küffner, UR 2009, 491 (492); Nieskens, UR 2013, 739 (747). 779 Vgl. § 1 I Nr. 1 S. 1; § 1 I Nr. 5 i. V. m. § 1a I Nr. 2a; Englisch, in: Tipke/Lang, Steu­ errecht, § 17 Rz. 33. 780 Vgl. Englisch, a. a. O., § 17 Rz. 32. 781 Vgl. § 13a I Nr. 1 UStG; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 7 (Stand: März 2013). 782 Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 13 (Stand: März 2013). 783 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 32; Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 2 (Stand: Sept. 2015). 784 Englisch, a. a. O., § 17 Rz. 33. 785 Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 14 (Stand: März 2013). 786 Den abweichenden Wortlaut des UStG kritisierend Wäger, DStR 2011, 433. 787 Vgl. Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 3.

166

II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

diese nicht als Unternehmerinnen im Sinne des § 2 UStG zu behandeln. Durch die Befreiung von der Unternehmereigenschaft unterliegen sie dann nicht mehr als Steuersubjekt dem Anwendungsbereich des Um­ satzsteuerrechts. Dies soll gem. § 2b Abs. 1 S. 2 UStG allerdings nicht gelten, wenn die Behandlung als Nichtunternehmerin zu größeren Wett­ bewerbsverzerrungen führen würde. Diese Regelung schafft damit eine Ausnahme von der Befreiungsvorschrift, so dass die originäre Unterneh­ mereigenschaft nach § 2 UStG bestehen bleibt. Im Ergebnis stimmt die Systematik des nationalen Rechts zur Bestimmung der Unternehmerei­ genschaft der öffentlichen Hand mit der sich aus der Mehrwertsteuersys­ temrichtlinie ergebenden Systematik zur Prüfung ihrer persönlichen Steuerpflicht überein.788 Vor diesem Hintergrund gilt es für die weitere Untersuchung, ob, inwie­ weit und unter welchen Voraussetzungen die öffentliche Hand als Steu­ ersubjekt dem Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts unterliegt, zunächst auf den Regelfall des § 2 UStG einzugehen.789 Denn nur soweit die öffentliche Hand danach als Unternehmerin und Steuersubjekt dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer unterliegt, kommt es darauf an, ob sie hiervon nach § 2b Abs. 1 S. 1 UStG befreit ist. Soweit die Befrei­ ungsvorschrift greift, ist jedoch in einem dritten Schritt zu untersuchen, ob die Rückausnahme des § 2b Abs. 1 S. 2 UStG einschlägig ist. Zusam­ mengefasst ergeben die §§ 2 und 2b UStG damit ein Regel-Ausnah­ me-Rückausnahme-Schema für die Bestimmung der Unternehmereigen­ schaft der öffentlichen Hand, an dem sich der Aufbau der folgenden Untersuchung orientiert. 1. Grundtatbestand der Unternehmereigenschaft (§ 2 UStG) Unternehmer ist gem. § 2 Abs. 1 S. 1 UStG derjenige, der eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Während der Begriff der Selbständigkeit in § 2 Abs. 2 UStG negativ abgegrenzt wird, definiert § 2 Abs. 1 S. 3 UStG die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit als jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Die Regelung zur Unternehmereigenschaft in § 2 Abs. 1 UStG weicht mit ihrem Wortlaut erkennbar von den unionsrechtlichen Vorgaben zur Bestimmung des Steuersubjektes in Art. 9 MwStSystRL ab. Denn danach ist die selbständige Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit maßgeb­ lich. Wegen dieser Abweichung sind die Tatbestandsmerkmale des nati­ onalen Rechts grundsätzlich richtlinienkonform auszulegen, um eine

788 Vgl. zur Regelungssystematik der Steuerpflichtigeneigenschaft der öffentlichen Hand in der MwStSystRL oben unter A. II. 789 Vgl. auch BFH, Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (420 f.).

167

B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

inhaltliche Übereinstimmung des Umsatzsteuergesetzes mit den Rege­ lungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu erzielen.790 Für die Bestimmung der Unternehmereigenschaft wird gem. § 2 Abs. 1 UStG allein auf Merkmale der ausgeübten Tätigkeit abgestellt. Die Er­ füllung subjektiver Kriterien, die an die Person des Ausübenden anknüp­ fen, ist grundsätzlich nicht erforderlich.791 Insbesondere ist die Behand­ lung als Steuersubjekt nicht an das Vorliegen einer bestimmten Rechtsform geknüpft.792 Damit aber der Unternehmer seiner ihm zuge­ dachten Funktion als Steuereinsammler für den Staat gerecht werden kann, muss dieser zumindest eine hierfür ausreichende Unternehmerfähigkeit besitzen. Diese liegt grundsätzlich dann vor, wenn eine unter­ nehmerische Tätigkeit zurechenbar ausgeübt wird.793 Die Einheiten der öffentlichen Hand besitzen in der Regel die Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, so dass im Fall der Ausübung einer ge­ werblichen oder beruflichen Tätigkeit diese auch zugerechnet werden kann. Damit besitzt die öffentliche Hand grundsätzlich die erforderliche Unternehmerfähigkeit und eine Behandlung als Unternehmerin wird da­ ran nicht scheitern.794 Nach § 2 Abs. 1 S. 2 UStG umfasst das Unternehmen die gesamte ge­ werbliche oder berufliche Tätigkeit eines Unternehmers. Damit unter­ liegt ein Unternehmer mit der Summe seiner Tätigkeiten, die in den An­ wendungsbereich der Umsatzsteuer fallen, einheitlich der Besteuerung.795 Gleichzeitig wird damit der Umfang der Behandlung als Steuersubjekt abgegrenzt.796 Soweit eine ausgeübte Tätigkeit nicht als unternehme­ risch nach § 2 Abs. 1 S. 1 UStG zu qualifizieren ist, unterliegt diese folg­ lich nicht dem Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts und der Ausübende wird für diese nicht als Steuersubjekt behandelt. Darüber hi­ naus wirkt dieser Grundsatz der Unternehmenseinheit als Vereinfa­ chung. Denn so unterliegen Leistungen zwischen den einzelnen Tätig­ 790 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 17.12.2008 – XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798 (799 f.); Urt. v. 26.1.2012 – V R 18/08, BFHE 236, 250 (257); Urt. v. 26.4.2012 – V R 2/11, BStBl. II 2012, 634 (636); Englisch, UR 2013, 570 (571); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG, § 2 Rz. 20 (Stand: März 2013). 791 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 82 (Stand: Juli 2014). 792 Vgl. Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 10. 793 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 69 (Stand: März 2013); mit wei­ teren Ausführungen zu den Anforderungen in verfahrensrechtlicher Hinsicht Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 83 ff. (Stand: Juli 2014). 794 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 35; Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 15 (Stand: Sept. 2015); Stadie, a. a. O., § 2 Rz. 97 (Stand: Juli 2014). 795 Vgl. BFH, Urt. v. 18.8.1988 – V R 194/83, BStBl. II 1988, 932 (933 f.); Urt. v. 17.3.2010 – XI R 17/08, BFHE 230, 466 (472); Beschl. v. 3.12.2010 – V B 35/10, BFH/NV 2011, 462; Englisch, a. a. O., § 17 Rz. 52; Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 150 f.; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 9 (Stand: März 2013). 796 Vgl. hierzu Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 96.4 (Stand: März 2013).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

keitsbereichen eines Unternehmers nicht der Umsatzsteuer.797 Zudem muss der Unternehmer nur einmal seine Umsätze erklären und nicht für jede Tätigkeit gesonderte Pflichten erfüllen.798 Der Grundsatz der Unter­ nehmenseinheit findet auch auf die öffentliche Hand Anwendung, so dass jede Einzelne ihrer unternehmensfähigen Einheiten mit der Ge­ samtheit der ausgeübten unternehmerischen Tätigkeiten als eine eigen­ ständige Unternehmerin zu behandeln ist.799 Auch Neben- und Hilfsge­ schäfte gehören zur unternehmerischen Tätigkeit eines Unternehmers, wenn sie im Rahmen einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit aus­ geübt werden bzw. selbst eine solche Tätigkeit darstellen.800 Die Regelung des § 2 Abs. 1 S. 1 UStG knüpft die Unternehmereigen­ schaft an die beiden Merkmale der Selbständigkeit und der Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit.801 Aus diesem Grund soll im Folgenden auf diese beiden Voraussetzungen näher eingegangen wer­ den. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die harmonisierte Mehrwertsteu­ er zur Gewährleistung einer gleichmäßigen steuerlichen Belastung auf einen weiten Anwendungsbereich abzielt.802 Dies gebietet, die entspre­ chenden Voraussetzungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie weit aus­ zulegen.803 Angesichts des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung sind vor diesem Hintergrund auch die im nationalen Recht niedergeleg­ ten Voraussetzungen zugunsten eines umfassenden Anwendungsbe­ reichs weit auszulegen. a) Die Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit Für das nationale Umsatzsteuerrecht kommt nur derjenige als Steuersub­ jekt in Betracht, der eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 UStG ausübt. Demgegenüber verlangt der Art. 9 MwSt­ SystRL hierfür das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Zur Er­ zielung eines richtlinienkonformen Ergebnisses muss damit eine ge­ werbliche oder berufliche Tätigkeit gleichzeitig immer auch einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Richtlinienrechts entsprechen.804 797 Vgl. Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 96.1 (Stand: März 2013). 798 Vgl. Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 153. 799 Vgl. Korn, a. a. O., § 2 Rz. 180; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 96.3 (Stand: März 2013). 800 Vgl. Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 96.4 (Stand: März 2013). 801 Vgl. Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 21 (Stand: März 2013). 802 Vgl. z. B. den fünften Erwägungsgrund zur MwStSystRL; zur gleichmäßigen Be­ steuerung und dem Gebot eines weiten Anwendungsbereichs oben unter A. I. 2. 803 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 7 ff.; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 37. 804 Vgl. BFH, Urt. v. 12.12.1996 – V R 23/93, BStBl. II 1997, 368 (369 f.); Urt. v. 11.12.2003 – V R 48/02, BStBl. II 2006, 384 (385); Urt. v. 17.12.2008 –

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Die Voraussetzung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit wird in § 2 Abs. 1 S. 3 UStG weitergehend konkretisiert. So ist darunter jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen zu verstehen. Da­ mit wird das Tatbestandsmerkmal noch einmal in zwei weitere konstitu­ ierende Merkmale unterteilt.805 aa) Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen im Rahmen eines ­umsatzsteuerlichen Leistungsaustausches Eine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG setzt die Erzielung von Einnahmen voraus. Allerdings ist die tatsächliche Erzie­ lung von Einnahmen nicht zwingend erforderlich, sondern es genügt für die Unternehmereigenschaft bereits, wenn die Tätigkeit darauf abzielt.806 Eine Gewinnerzielungsabsicht ist hingegen nicht erforderlich.807 Dies er­ gibt sich explizit aus § 2 Abs. 1 S. 3 UStG und stimmt insoweit mit dem Inhalt des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL überein. Denn danach hat die Be­ stimmung der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit unabhängig vom Ergebnis zu erfolgen.808 Eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL liegt allerdings nur dann vor, wenn diese auf die Erzielung von Entgelten im Rahmen eines Leistungsaustausches gerichtet ist. Denn allein die Er­ zielung von Einnahmen reicht insoweit nicht aus.809 Vor diesem Hinter­ grund ist das Merkmal der Einnahmenerzielung in § 2 Abs. 1 S. 3 UStG richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass darüber hinaus eine unternehmerische Tätigkeit ebenfalls auf die Ausübung steuerbarer Um­ sätze ausgerichtet sein muss.810 Diese liegen im Regelfall des § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG vor, wenn es zu einem Leistungsaustausch kommt.811 Folglich muss eine unternehmerische Tätigkeit auf die Erbringung einer XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798 (799); Urt. v. 26.1.2012 – V R 18/08, BFHE 236, 250 (257); Urt. v. 26.4.2012 – V R 2/11, BStBl. II 2012, 634 (636); hierzu Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, UStG, § 40 Rz. 1 (Stand: April 2009); Treiber, in: Sölch/Ring­ leb, UStG, § 2 Rz. 12 (Stand: Sept. 2015). 805 Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 22 (Stand: März 2013). 806 Vgl. BFH, Urt. v. 22.2.2001 – V R 77/96, BStBl. II 2003, 426 (427 f.); Urt. v. 8.3.2001 – V R 24/98, BStBl. II 2003, 430 (431 f.); Abschn. 2.6 Abs. 1 UStAE; Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 44 (Stand: März 2013). 807 Vgl. Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 10 (Stand: Sept. 2015); Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 1 (Stand: März 2013). 808 Vgl. Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 58 (Stand: März 2013). 809 Vgl. EuGH, Urt. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 18; Urt. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 37 f. m. w. N.; hierzu Reiß, a.  a.  O., § 2 Rz. 42 (Stand: März 2013); oben unter A. II. 1. a) aa). 810 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 43 (Stand: März 2013); Ab­ schn. 2.3 Abs. 8 S. 3 f. UStAE. 811 Vgl. Robisch, in: Bunjes, UStG, § 1 Rz. 7.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

umsatzsteuerlichen Leistung gegen Entgelt abzielen.812 Fehlt es an einem dieser beiden Merkmale, scheidet eine Unternehmereigenschaft aus. Im Rahmen der Auslegung der Begriffe Leistung und Entgelt sind wiederum die unionsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Die beiden Begriffe sind in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie selbst nicht definiert,813 so dass in diesem Zusammenhang die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH von besonderer Bedeutung ist.814 (1) Der Leistungsbegriff im Umsatzsteuerrecht Eine Leistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts setzt grundsätzlich vor­ aus, dass einem konkreten Verbraucher ein individueller Vorteil ver­ schafft wird, der einen wirtschaftlichen Wert innehat und einem Ver­ brauch zugänglich ist.815 Auf Grundlage dieser Definition lässt das Vorliegen eines gegenseitigen Vertrages auf eine umsatzsteuerliche Leis­ tung schließen.816 Leistungen, die sich hingegen nicht an einen konkre­ ten Verbraucher, sondern an die Allgemeinheit richten, scheiden aus dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer aus.817 Dieser Umstand hat weitreichende Folgen für die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentli­ chen Hand. Denn ein Großteil der Tätigkeiten der öffentlichen Hand richtet sich an die Allgemeinheit. So stellt zum Beispiel die Zurverfü­ gungstellung und die Wartung der Verkehrsinfrastruktur eine Leistung dar, die für alle ihrer Nutzer einen Vorteil darstellt, ohne dass sich dieser jedoch für den einzelnen Bürger individualisieren lässt. Denn wer in wel­ chem Umfang die Infrastruktur nutzt, lässt sich derzeit nicht feststellen. Etwas anderes gilt freilich dann, wenn für bestimmte Straßen von dem 812 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 31 (Stand: März 2013). 813 Vgl. zum Leistungsbegriff Tehler, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 1 Rz. 58 (Stand: Jan. 2015). 814 Vgl. zu den Begriffen Leistung und Entgelt im Sinne der MwStSystRL oben unter A. II. 1. a) aa) (1) (a) und (b). 815 Vgl. BFH, Urt. v. 11.4.2002 – V R 65/00, BStBl. II 2002, 782 (783 f.); Urt. v. 6.5.2004 – V R 40/02, BStBl. II 2004, 854 (855); Urt. v. 18.12.2006 – V R 38/06, BStBl. II 2009, 749 (751); Urt. v. 5.12.2007 – V R 63/05, BFH/NV 2008, 996 (998); EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – Rs. C-384/95 (Landboden-Agrardienste), EU:C:1997:627, Rz. 20, 23; Urt. v. 29.2.1996 – Rs. C-215/94 (Mohr), EU:C:1996:72, Rz. 21 f. (hier spricht der EuGH vom Erfordernis einer Leistung zur eigenen Verwendung); vgl. hierzu Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 88; Nieskens, in: Rau/Dürr­ wächter, UStG, § 1 Rz. 355 (Stand: April 2012); Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 1 Rz. 5 (Stand: April 2014); Robisch, in: Bunjes, UStG, § 1 Rz. 8 f.; Stadie, UStG, § 1 Rz. 10. 816 BFH, Urt. v. 6.5.2004 – V R 40/02, BStBl. II 2004, 854 (856); Urt. v. 18.1.2005 – V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394 f.; Urt. v. 7.7.2005 – V R 34/03, BStBl. II 2007, 66 (68); Urt. v. 5.12.2007 – V R 63/05, BFH/NV 2008, 996 (998); Urt. v. 16.1.2014 – V R 22/13, BFH/NV 2014, 736; Tehler, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 1 Rz. 70.1 (Stand: Jan. 2015). 817 Vgl. BFH, Urt. v. 18.12.2006 – V R 38/06, BStBl. II 2009, 749 (751); Robisch, in: Bunjes, UStG, § 1 Rz. 9.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

einzelnen Nutzer Gebühren erhoben werden. Hier ließe sich die Leis­ tung in Form der Duldung einer Nutzung dem konkreten Nutzer als Vor­ teil individuell zuordnen. Neben dem Bereich der Infrastruktur stellen als weitere Beispiele Tätigkeiten im Bereich der Landesverteidigung, der Verbrechensprävention sowie die Wahrnehmung von einzelnen Aufga­ ben zur Organisation des Zusammenlebens innerhalb einer Gemeinde in der Regel Tätigkeiten dar, die sich an die Allgemeinheit richten, aber nicht einem Einzelnen als individuellen Vorteil zurechnen lassen. Vor diesem Hintergrund unterliegt schon wegen des Erfordernisses einer um­ satzsteuerlichen Leistung eine Vielzahl von Tätigkeiten der öffentlichen Hand nicht dem Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts. Nicht zu­ letzt wegen der Prägung des Begriffs der Leistung durch die richtlinien­ konforme Auslegung des nationalen Rechts stimmt die Behandlung der öffentlichen Hand nach dem Umsatzsteuerrecht insoweit mit den uni­ onsrechtlichen Vorgaben überein.818 (2) Der Entgeltsbegriff im Umsatzsteuerrecht Ein Leistungsaustauch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG erfordert weiterhin, dass der umsatzsteuerlichen Leistung ein Entgelt gegenüber­ steht. Aus diesem Grund müssen die zu erzielenden Einnahmen einem umsatzsteuerlichen Entgelt entsprechen.819 Das setzt voraus, dass zwi­ schen der Leistung und der Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammen­ hang besteht.820 Dies ist wiederum der Fall, wenn sich ein solcher Zu­ sammenhang aus einem Rechtsverhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ergibt.821 Denn dann entspricht in der Regel das Entgelt dem Gegenwert für die erbrachte Leistung.822 Das hierfür erfor­ 818 Vgl. zur Ausschlusswirkung des Erfordernisses einer Leistungserbringung für die öffentliche Hand nach dem Richtlinienrecht oben unter A. II. 1. a) aa) (3). 819 Vgl. Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 61. 820 Ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urt. v. 31.7.2008 – V R 74/05, BFH/NV 2009, 226 (227 f.) m. w. N.; Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/08, BStBl. II 2010, 879 (881); Urt. v. 28.5.2013 – XI R 32/11, BStBl. II 2014, 411 (414) m. w. N.; Abschn. 1.1 Abs. 1 S. 3 UStAE; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 122; vgl. zum Unionsrecht EuGH, Urt. v. 8.3.1988 – Rs. 102/86 (Apple and Pear Development), EU:C:1988:120, Rz. 12; Urt. v. 9.6.2011 – Rs. C-285/10 (Campsa Estaciones de Ser­ vicio), EU:C:2011:381, Rz. 25. 821 BFH, Urt. v. 30.1.1997 – V R 133/93, BStBl. II 1997, 335 (336); Urt. v. 13.11.1997 – V R 11/97, BStBl. II 1998, 169 (171); Urt. v. 19.10.2001 – V R 48/00, BStBl. II 2003, 210 (211); Urt. v. 16.1.2003 – V R 92/01, BStBl. II 2003, 732 (733); Beschl. v. 15.7.2010 – XI B 47/09, BFH/NV 2010, 2138 (2139); Urt. v. 28.5.2013 – XI R 32/11, BStBl. II 2014, 411 (414) m. w. N.; Englisch, ebenda; Stadie, UStG, § 1 Rz. 76. 822 Vgl. BFH, Urt. v. 5.12.2007 – V R 63/05, BFH/NV 2008, 996 (998); Urt. v. 27.11.2008 – V R 8/07, BStBl. II 2009, 397 (399) m. w. N.; Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/08, BStBl. II 2010, 879, (881) m. w. N.; Urt. v. 28.5.2013 – XI R 32/11, BStBl. II 2014, 411 (414) m. w. N.; vgl. Abschn. 1.1 Abs. 1 UStAE; Oelmaier, ­ in: Sölch/Ringleb, UStG, § 1 Rz. 36 (Stand: April 2014); Robisch, in: Bunjes, UStG,

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

derliche Rechtsverhältnis ist wiederum grundsätzlich gegeben, wenn ein gegenseitiger Vertrag vorliegt.823 Allerdings ist letztlich der tatsächliche Leistungsaustausch maßgeblich, ohne dass es auf die Wirksamkeit des Vertrages selbst ankommt.824 So genügt es bereits, dass sich Leistung und Gegenleistung auf Grundlage des vermeintlichen Rechtsverhältnisses in einem Kausalverhältnis gegenüberstehen.825 Ebenfalls nicht erforderlich ist, dass die Leistungserbringung final auf die Gegenleistung abzielt und sie nur aus diesem Grunde erfolgt.826 Die Voraussetzungen und Kriterien für das Vorliegen eines umsatzsteuerlichen Entgelts entsprechen insge­ samt den unionsrechtlichen Vorgaben, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben.827 Im umsatzsteuerlichen Sinne unentgeltliche Tätigkeiten dürften größ­ tenteils innerhalb von Bereichen erfolgen, in denen das Handeln der öf­ fentlichen Hand regelmäßig keine umsatzsteuerliche Leistung darstellt. Dies gilt zum Beispiel für die Landesverteidigung, die Verbrechensprä­ vention oder die Strafverfolgung. Darüber hinaus scheiden aber auch Tä­ tigkeiten aus, die zwar zu einem individuellen Nutzen führen und damit dem Leistungsbegriff entsprechen, jedoch nicht gegen Entgelt erfolgen. So erfüllen vor allem Tätigkeiten im Bereich der Schulbildung grundsätz­ lich den umsatzsteuerlichen Leistungsbegriff. Jedoch besteht zwischen dem Schulträger und den Kindern bzw. deren Eltern kein Rechtsverhält­ nis, aus dem sich eine Zahlungspflicht ergibt. Ein Leistungsaustausch scheidet damit aus. Auch wenn insbesondere auf kommunaler Ebene teilweise Leistungen die Zahlung einer Gebühr erfordern, erfolgt insge­ samt eine Vielzahl der der öffentlichen Hand obliegenden und wahrge­ § 1 Rz. 13; Tehler, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 1 Rz. 203 f. (Stand: Jan. 2015); kritisch Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 122. 823 Vgl. BFH, Urt. v. 8.11.2007 – V R 20/05, BStBl. II 2009, 483 (485); Urt. v. 28.5.2013 – XI R 32/11, BStBl. II 2014, 411 (415) m. w. N.; Abschn. 1.1 Abs. 1 S. 4 UStAE. 824 Vgl. BFH v. 6.12.2007 – V R 24/05, BStBl. II 2009, 490 (492); Oelmaier, in: Sölch/ Ringleb, UStG, § 1 Rz. 36 (Stand: April 2014). 825 Vgl. BFH, Urt. v. 13.11.1997 – V R 11/97, BStBl. II 1998, 169 (171); Robisch, in: Bunjes, UStG, § 1 Rz. 15; aus Verbrauchsteuersicht ist jedoch das Erfordernis eines Rechtsverhältnisses insgesamt abzulehnen, denn für einen unmittelbaren Zusammenhang reicht es bereits, wenn sich Leistung und Gegenleistung in einem Kausalverhältnis gegenüberstehen, vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 122; Stadie, UStG, § 1 Rz. 75 f. 826 Vgl. BFH, Urt. v. 16.1.2003 – V R 92/01, BStBl. II 2003, 732 (733); Urt. v. 5.12.2007 – V R 63/05, BFH/NV 2008, 996 (998); Urt. v. 31.7.2008 – V R 74/05, BFH/NV 2009, 226 (227) m. w. N. 827 Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 3.3.1994 – Rs. C-16/93 (Tolsma), EU:C:1994:80, Rz. 14; Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 18; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 37; Urt. v. 16.12.2010 – Rs. C-270/09 (MacDonald Resorts), EU:C:2010:780, Rz. 16 m. w. N.; Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 1 Rz. 36 (Stand: April 2014); Robisch, in: Bunjes, UStG, § 1 Rz. 13; vgl. zur Rechtsprechung des EuGH zum Entgeltsbegriff oben unter A. II. 1. a) aa) (1) c).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

nommenen Tätigkeiten unentgeltlich. Im Ergebnis führt die Vorausset­ zung des Entgelts für das Vorliegen eines Leistungsaustausches dazu, dass die öffentliche Hand mit einer Vielzahl ihrer Tätigkeiten nicht als Steuersubjekt dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer unterliegt. Wegen des Gebots einer richtlinienkonformen Auslegung des Umsatz­ steuerrechts ist in Bezug auf das Entgelt auch der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Kommission/Finnland Rechnung zu tragen.828 Danach sind die Anforderungen eines Entgelts im Sinne des Mehrwert­ steuerrechts nicht erfüllt, wenn die öffentliche Hand eine umsatzsteuer­ liche Leistung gegen ein Teilentgelt ausübt, welches sich an den Ein­ kommensverhältnissen des Leistungsempfängers bemisst.829 Auch wenn diese Rechtsprechung mit Blick auf die Grundprinzipien des harmoni­ sierten Mehrwertsteuerrechts nicht überzeugt,830 so wirkt sie auf die Auslegung des nationalen Rechts ein.831 Aus diesem Grund ist der natio­ nale Entgeltsbegriff in einem vergleichbaren Sachverhalt dahingehend auszulegen, dass unter diesen Umständen das Teilentgelt nicht den Ge­ genwert einer Leistung widerspiegelt und damit nicht den Anforderun­ gen eines umsatzsteuerlichen Entgeltsbegriffs erfüllt.832 Folglich fehlte es an einer unternehmerischen Tätigkeit und die öffentliche Hand wäre nicht als Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG zu behandeln. Der BFH hat allerdings bereits zu erkennen gegeben, dass er in dem Ur­ teil des EuGH einen Sonderfall sieht, der nur für die Bemessung des Ent­ gelts nach den Einkommensverhältnissen des Leistungsempfängers gilt.833 Deswegen ist nicht damit zu rechnen, dass die Rechtsprechung des EuGH über den Einzelfall hinaus große Auswirkungen auf die Be­ handlung von Teilentgelten als Entgelt im Sinne des nationalen Umsatz­ steuerrechts entfalten wird. Nichtsdestoweniger erlangt die öffentliche Hand auf der Grundlage der EuGH-Rechtsprechung grundsätzlich die Möglichkeit, über eine entsprechende Preisgestaltung zu beeinflussen, ob sie mit der ausgeübten Tätigkeit der Umsatzsteuer unterliegt oder nicht.

828 EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671. 829 Vgl. zur Rechtsprechung des EuGH zur Zahlung eines Teilentgelts an eine Ein­ richtung des öffentlichen Rechts oben unter A. II. 1. a) aa) (3). 830 Vgl. zur Kritik an der Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Kommission/Finnland oben unter A. II. 1. a) aa) (3). 831 Vgl. zu Einwirkung des Unionsrechts auf die nationale Rechtsanwendung im Wege der richtlinienkonformen Auslegung oben unter B. I. 1. 832 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 122. 833 Vgl. BFH, Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (424).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

bb) Nachhaltige Ausübung einer Tätigkeit Bei dem Merkmal der Nachhaltigkeit handelt es sich um einen unbe­ stimmten Rechtsbegriff, dessen Sinngehalt zunächst solche Tätigkeiten umfasst, in denen eine gewisse Beständigkeit zum Ausdruck kommt und die sich von nur gelegentlich ausgeübten Tätigkeiten abgrenzen lassen.834 So ist eine Tätigkeit grundsätzlich dann nachhaltig, wenn sie auf eine Wiederholung ausgerichtet ist und in geschäftsmäßiger Weise die Er­ zielung von Einnahmen verfolgt.835 Aber auch eine einmalige Tätigkeit kann das Kriterium der Nachhaltigkeit erfüllen, soweit sich bereits hier­ aus ergibt, dass eine erneute Ausübung geplant ist.836 Dieser Bedeutungs­ inhalt steht grundsätzlich im Einklang mit den Vorgaben der Mehrwert­ steuersystemrichtlinie.837 Nach § 2 Abs. 1 S. 3 UStG gilt das Erfordernis der Nachhaltigkeit für alle ausgeübten Tätigkeiten. Das Unionsrecht hingegen fordert nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL nur für die Einnahmenerzielung aus der Nutzung von Gegenständen ausdrücklich eine Nachhaltigkeit. Aller­ dings ergibt sich nicht zuletzt aus der Rechtsprechung des EuGH, dass auch die in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 1 MwStSystRL beispielhaft ge­ nannten typischen wirtschaftlichen Tätigkeiten eine Nachhaltigkeit vo­ raussetzen.838 Allerdings soll in diesen Fällen bereits die Ausübung einer solchen Tätigkeit das Vorliegen des Kriteriums der Nachhaltigkeit in­ dizieren.839 Diese Vorgabe lässt sich ohne weiteres im Rahmen der richt­ linienkonformen Auslegung auch in den nationalen Begriff der Nach­ haltigkeit hineininterpretieren.840 Damit stimmt das nationale Recht insoweit ebenfalls mit den unionsrechtlichen Vorgaben überein.

834 Vgl. Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, UStG, § 40 Rz. 151 (Stand: April 2009); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, § 2 Rz. 38.1 ff. (Stand: März 2013); Abschn. 2.3 Abs. 2 S. 1 UStAE. 835 Vgl. BFH, Urt. v. 13.12.1984 – V R 32/74, BStBl. II 1985, 173 (175 f.); Urt. v. 30.7.1986 – V R 41/76, BStBl. II 1986, 874 (876); Urt. v. 13.11.2003 – V R 59/02, BStBl. II 2004, 472 (473 f.); Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 65; Reiß, in: Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 38.4 (Stand: März 2013). 836 BFH, Urt. v. 10.5.1961 – V 50/59, HFR 1962, 45; Urt. v. 26.4.1979 – V R 46/72, BStBl. II 1979, 530 f.; Urt. v. 18.11.1999 – V R 22/99, BStBl. II 2000, 241 (243); vgl. Korn, a. a. O., § 2 Rz. 66; Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 38.3 (Stand: März 2013). 837 Vgl. Art. 9 II, 12 MwStSystRL; zum Nachhaltigkeitsbegriff der MwStSystRL oben unter A. II. 1. a) bb). 838 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 9; Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 22; oben unter A. II. 1. a) bb) (1) (a). 839 Vgl. oben unter A. II. 1. a) bb) (1) (a). 840 Vgl. BFH, Urt. v. 26.4.2012 – V R 2/11, BStBl. II 2012, 634 (636 f.); Korn, in: Bun­ jes, UStG, § 2 Rz. 51.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Wie im Unionsrecht841 gestaltet sich die Ermittlung des genauen Inhalts des Begriffs der Nachhaltigkeit im nationalen Recht als schwierig. So lässt sich aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung kein abschließen­ der Kanon an Kriterien herleiten.842 Vielmehr hat der BFH eine Vielzahl von einzelnen Merkmalen und Aspekten herausgearbeitet, mithilfe derer eine Abgrenzung des Unternehmers vom Nichtunternehmer vorgenom­ men werden kann.843 Dabei legt der BFH den Begriff der Nachhaltigkeit sehr weit aus und zieht auch Kriterien heran, die über den zeitlichen Bedeutungsinhalt des Begriffs hinausgehen.844 Die Unbestimmtheit des Nachhaltigkeitsbegriffs ermöglicht es zudem, im Rahmen der richtlini­ enkonformen Auslegung die entsprechenden unionsrechtlichen Vorga­ ben zu berücksichtigen.845 Dies gilt insbesondere für die Rechtsprechung des EuGH. So stellt zum Beispiel der BFH für die Frage, ob im konkreten Einzelfall eine nachhaltige Tätigkeit vorliegt, wie der EuGH846 auf die Gesamtheit der Gegebenheiten einer Tätigkeitsausübung ab.847 Die öffentliche Hand unterliegt bei der Bestimmung ihrer Unternehmer­ eigenschaft den allgemeinen Regeln des Umsatzsteuerrechts und eine von ihr ausgeübte Tätigkeit muss dafür folglich als nachhaltig anzusehen sein. Vordergründig ist damit eine auf Wiederholung ausgerichtete Tä­ tigkeit der öffentlichen Hand erforderlich. Ein einmaliges oder nur ­gelegentliches Tätigwerden reicht hingegen grundsätzlich nicht aus. Aus diesem Grund dürften vor allem die Fälle einer nur gelegentlichen Amts­ hilfe zwischen verschiedenen Hoheitsträgern aus dem Anwendungs­ bereich des Umsatzsteuerrechts ausgeschlossen sein.848 Allerdings ist im Wege der richtlinienkonformen Auslegung die Rechtsprechung des 841 Vgl. zu den Kriterien des EuGH zur Bestimmung des Begriffs der Nachhaltigkeit oben unter A. II. 1. a) bb). 842 Vgl. BFH, Urt. v. 12.12.1996 – V R 23/93, BStBl. II 1997, 368 (369 f.); Urt. v. 27.1.2011 – V R 21/09, BStBl. II 2011, 524 (527); Urt. v. 26.4.2012 – V R 2/11, ­BStBl. II 2012, 634 (636 f.); kritisch hierzu Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, § 2 Rz. 38.4 f. (Stand: März 2013). 843 Vgl. BFH, Urt. v. 26.4.2012 – V R 2/11, BStBl. II 2012, 634 (636 f.); Auflistung bei Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 65 (Stand: Sept. 2015); ebenso in Ab­ schn. 2.3 Abs. 5 S. 4 UStAE; kritisch zur BFH-Rechtsprechung Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 38.4 (Stand: März 2013). 844 Vgl. die aufgezählten Kriterien in BFH, Urt. v. 27.1.2011 – V R 21/09, BStBl. II 2011, 524 (527); Treiber, ebenda; Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 51. 845 Vgl. BFH, Urt. v. 26.4.2012 – V R 2/11, BStBl. II 2012, 634 (636 f.); Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 62 (Stand: Sept. 2015); Korn, ebenda. 846 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.9.1996 – Rs. C-230/94 (Enkler), EU:C:1996:352, Rz. 24; hier­ zu Treiber, a. a. O., § 2 Rz. 67 (Stand: Sept. 2015). 847 Vgl. BFH, Urt. v. 7.9.1995 – V R 25/94, BStBl. II 1996, 109 (110); Urt. v. 12.12.1996 – V R 23/93, BStBl. II 1997, 368 (369 f.); Urt. v. 26.4.2012 – V R 2/11, BStBl. II 2012, 634 (636 f.); Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 65. 848 Vgl. Ringwald, UR 2015, 1 (4); zum Begriff der Amtshilfe und seiner Bedeutung im Umsatzsteuerrecht Baldauf, UR 2014, 549 ff.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

EuGH zu berücksichtigen. Somit kann auch schon ein marktübliches Auftreten849 oder aber eine typische Nutzung eines üblicherweise zu wirtschaftlichen Zwecken genutzten Gegenstandes850 zu einer nachhalti­ gen Tätigkeit führen. Nicht zum Inhalt der Nachhaltigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 3 UStG gehört hingegen das Erfordernis einer objektiven Überschusserzielungsmöglichkeit für eine unternehmerische Tätigkeit der öffentlichen Hand. Zwar könnte das Urteil des EuGH in der Rechts­ sache SPÖ Landesorganisation Kärnten851 dafür sprechen, den Begriff der Nachhaltigkeit entsprechend auszulegen. Jedoch stünde diese Auslegung zum einen im Widerspruch zum Grundprinzip des weiten Anwendungs­ bereichs der Umsatzsteuer und zum Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL, nach dem es auf das Ergebnis nicht ankommen soll. Zum anderen handelt es sich nicht um eine verallgemeinerungsfähige Aussage des EuGH.852 b) Selbständigkeit Die Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit muss für eine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 UStG selb­ ständig erfolgen. Der Begriff der Selbständigkeit wird in § 2 Abs. 2 UStG näher bestimmt, indem dieser negativ vom Begriff der Unselbständigkeit abgegrenzt wird.853 Die Regelung unterscheidet dabei zwischen der Un­ selbständigkeit von natürlichen Personen auf der einen Seite und von juristischen Personen auf der anderen Seite. Darüber hinaus ist wegen ihrer praktischen Bedeutung auf nichtrechtsfähige Untereinheiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts einzugehen. aa) Natürliche Personen Zum Sammelbegriff der öffentlichen Hand gehören in der Regel nur ju­ ristische Personen. Zur Bestimmung, ob und inwieweit die öffentliche Hand als Unternehmerin im Sinne des Umsatzsteuergesetzes zu behan­ deln ist, kommt es demnach auf die Abgrenzung zwischen Selbständig­ keit und Unselbständigkeit bei natürlichen Personen grundsätzlich nicht weiter an. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn damit die Frage verbun­ 849 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-263/11 (Rēdlihs), EU:C:2012:497, Rz. 36; Urt. v. 15.9.2011 – Rs. C-180/10 (Slaby u. a.), EU:C:2011:589, Rz. 37, 39; BFH, Urt. v. 26.4.2012 – V R 2/11, BStBl. II 2012, 634 (636 f.); hierzu Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 42; oben unter A. II. 1. a) bb) (1). 850 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.7.2012 – Rs. C-263/11 (Rēdlihs), EU:C:2012:497, Rz. 34 mit Verweis auf Urt. v. 26.9.1996 – Rs. C-230/94 (Enkler), EU:C:1996:352, Rz. 27; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 6 (Stand: Aug. 2013); oben unter A. II. 1. a) bb) (1) (b). 851 EuGH, Urt. v. 6.10.2009 – Rs. C-267/08 (SPÖ Landesorganisation Kärnten), EU:C:2009:619. 852 Vgl. hierzu oben unter A. II. 1. a) bb) (1). 853 Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 92.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

den ist, ob eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit einer natürlichen Person mangels selbständiger Ausübung der öffentlichen Hand zuzu­ rechnen ist oder nicht. Denn im ersten Fall würde die öffentliche Hand grundsätzlich selbst zum Steuersubjekt, im Fall der selbständigen Aus­ übung durch die natürliche Person könnte hingegen nur diese Unterneh­ merin gem. § 2 Abs. 1 UStG sein. Eine natürliche Person übt gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit unselbstän­ dig aus, wenn sie in einem Unternehmen so eingegliedert wird, dass sie an Weisungen gebunden ist. Danach ist im Umkehrschluss eine Selb­ ständigkeit von natürlichen Personen regelmäßig anzunehmen, wenn sie auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung tätig werden. In die­ sem Fall tragen sie selbst ein Unternehmerrisiko und entfalten eine Un­ ternehmerinitiative.854 Damit finden sich im nationalen Recht vergleich­ bare Abgrenzungskriterien, wie sie sich aus Art. 10 MwStSystRL ergeben. Denn dieser greift insbesondere auf den Typus des (unselbständigen) Ar­ beitnehmers zur negativen Abgrenzung der selbständigen Ausübung ei­ ner wirtschaftlichen Tätigkeit zurück.855 Im Rahmen der Norminterpre­ tation sind wiederum das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung und damit die einzelnen Entscheidungen des EuGH zu berücksichti­ gen.856 Das dürfte allerdings aufgrund des trotz der näheren Umschrei­ bung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG unbestimmten Begriffs der Selbständigkeit zu keinen größeren Schwierigkeiten führen. Aus den genannten Abgrenzungskriterien für die Bestimmung der Selb­ ständigkeit ergibt sich, dass die öffentliche Hand grundsätzlich über das Maß der Eingliederung einer natürlichen Person beeinflussen kann, ob diese oder sie selbst im Fall der Ausübung einer gewerblichen oder beruf­ lichen Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 UStG als Steuersubjekt behandelt wird. Eine große Bedeutung erlangt dies im Fall der Beleihung von natür­ lichen Personen zur Erfüllung von hoheitlichen Aufgaben der öffent­ lichen Hand.857 Handeln diese selbständig, scheidet eine Unternehmer­ stellung der öffentlichen Hand von vornherein aus. Sind diese jedoch gegenüber der öffentlichen Hand weisungsgebunden und damit im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG in das Unternehmen eingegliedert, kann die öffentliche Hand dem Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts un­ terliegen.858 854 Vgl. BFH, Urt. v. 14.9.1967 – V 4/65, BStBl. II 1968, 244 (246); Urt. v. 30.5.1996 – V R 2/95, BStBl. II 1996, 493 (494 f.); Urt. v. 25.6.2009 – V R 37/08, BStBl. II 2009, 873 (874); Abschn. 2.2 Abs. 1 UStAE; Korn, a. a. O., § 2 Rz. 94; Stadie, UStG, § 2 Rz. 47. 855 Vgl. zum Begriff der Selbständigkeit in der MwStSystRL oben unter A. II. 1. b). 856 Vgl. Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 107 (Stand: Sept. 2015). 857 Vgl. hierzu Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 142 (Stand: März 2013). 858 Dann wird in der Regel jedoch noch die Anwendbarkeit der besonderen Befreiungs­ vorschrift des § 2b UStG zu prüfen sein; vgl. zum § 2b UStG unten unter B. II. 2.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

bb) Nichtrechtsfähige Untereinheiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Als nichtrechtsfähige Untereinheiten einer juristischen Person des öf­ fentlichen Rechts kommen zum Beispiel auf kommunaler Ebene Schu­ len und Kultureinrichtungen, aber auch nichtrechtsfähige Regiebe­ triebe859 und Eigenbetriebe860 in Betracht. Vor dem Hintergrund, dass die Fähigkeit, als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG zu handeln, keine Rechtsfähigkeit voraussetzt, können Untereinheiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts grundsätzlich im Fall der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit als Unternehmerinnen behandelt werden. Die Frage der Selbständigkeit dieser Ausübung ist dabei unter Berücksichti­ gung der Rechtsprechung des EuGH zu beantworten. Danach kommt es wie bei natürlichen Personen darauf an, ob die Untereinheit im Verhält­ nis zur juristischen Person des öffentlichen Rechts untergeordnet ist.861 Für eine entsprechende Eingliederung einer Untereinheit spricht zum Beispiel, dass diese in den Haushalt einer Gemeinde eingebunden ist. In diesem Fall trägt die Untereinheit grundsätzlich kein eigenes wirtschaft­ liches Risiko, denn sie verwendet für die wirtschaftliche Tätigkeit nur fremde Vermögenswerte und die Einnahmen und Ausgaben wirken sich zu Lasten des Haushalts der Gemeinde aus.862 Vor diesem Hintergrund fehlt es zum Beispiel bei Schulen regelmäßig an einer selbständigen Aus­ übung einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Etwas anderes könnte danach für kommunale Eigenbetriebe gelten,863 welche grundsätzlich aus dem Haus­ halt der Gemeinde ausgegliedert sind und insoweit ein kommunales Sondervermögen bilden.864 Hier stellt sich allerdings die Frage, ob diese auch im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handeln. Denn soweit Eigenbetriebe nach außen sowohl im Namen als auch auf Rechnung der Gemeinde auftreten, üben sie ihre unternehmerische Tätigkeit grund­ sätzlich nicht selbständig aus.865 Maßgeblich ist daher vor allem das Auf­ treten der Organe eines kommunalen Eigenbetriebes. Handeln diese er­ kennbar und zurechenbar im Namen und auf Rechnung des Betriebes und damit selbständig gegenüber der Gemeinde als Trägerkörperschaft, so ist der Betrieb selbst als selbständiger Unternehmer zu behandeln.866

859 Vgl. dazu Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen, Rz. 30. 860 Vgl. dazu Cronauge/Westermann, a. a. O., Rz. 142. 861 EuGH, Urt. v. 29.9.2015 – Rs. C-276/14 (Gmina Wrocław), EU:C:2015:635, Rz. 33 ff. 862 EuGH, a. a. O., Rz. 37 ff. 863 So auch Klenk, UR 2016, 180 (181), der zudem auf Bundes- und Landesbetriebe mit einem eigenen Sondervermögen hinweist. 864 Vgl. § 114 GemO NRW i. V. m. § 9 I EigVO NRW; Cronauge/Westermann, Kom­ munale Unternehmen, Rz. 107. 865 Vgl. Küffner, UR 2015, 834. 866 Klenk, UR 2016, 180 (182).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Andernfalls bleibt es hingegen bei der Unternehmerstellung der Gemein­ de als übergeordnete juristische Person des öffentlichen Rechts. cc) Juristische Personen Im Gegensatz zu natürlichen Personen erfüllen juristische Personen grundsätzlich das Kriterium der Selbständigkeit.867 Eine Unselbständig­ keit kann sich jedoch im Fall des Vorliegens einer Organschaft ergeben. So ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG eine juristische Person dann als unselbständig zu behandeln, wenn sie als Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das umsatzsteuerliche Unterneh­ men eines Organträgers eingegliedert ist. Die Eingliederung und der damit verbundene Verlust der umsatzsteuerlichen Selbständigkeit liegen aller­ dings grundsätzlich nur dann vor, wenn dabei zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft ein Über-/Unterordnungsverhältnis868 entsteht bzw. der Organträger über Durchgriffsmöglichkeiten bei der Organgesell­ schaft verfügt.869 Zudem setzt die Eingliederung in das Unternehmen vor­ aus, dass der Organträger ein Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG ist.870 Darüber hinaus muss auch die potentielle Organgesellschaft grund­ sätzlich eine Unternehmerstellung innehaben.871 Denn die Organschaft knüpft gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG an die grundsätzliche Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit an und die Organgesellschaft verliert infolge der Eingliederung nur ihre Selbständigkeit.872 Als zwingende Rechtsfolge873 einer Organschaft wird ausschließlich der Organträger als Steuersubjekt behandelt. Die Erbringung von steuerba­ ren Umsätzen durch die Organgesellschaft wird dem Organträger zuge­ rechnet.874 Wäre demnach auf der einen Seite eine juristische Person des 867 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 39; Abschn. 2.2 Abs. 6 S. 1 UStAE. 868 Ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, BFHE 242, 433 (436 f.); Urt. v. 7.7.2011 – V R 53/10, BStBl. II 2013, 218 (220); vgl. auch Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 115. 869 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 15/14, DStR 2016, 226 (229); Wäger, UR 2016, 173 (176). 870 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (234); Urt. v. 18.6.2009 – V R 4/08, BStBl. II 2010, 310 (313); Birkenfeld, UR 2014, 120 (121); Korn, in: Bun­ jes, UStG, Rz. 110. 871 Vgl. BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (235); Urt. v. 9.10.2002 – V R 64/99, BStBl. II 2003, 375 (375); Birkenfeld, UR 2013, 120 (121); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 851 (Stand: Juli 2014). 872 Vgl. Wäger, UVR 2013, 205. 873 Vgl. BFH, Urt. v. 17.1.2002 – V R 37/00, BStBl. II 2002, 373 (375 f.); Urt. v. 29.10.2008 – XI R 74/07, BStBl. II 2009, 256 (258); Urt. v. 22.4.2010 – V R 9/09, ­BStBl. II 2011, 597 (598); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 64; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 98.7 (Stand: März 2013). 874 Vgl. BFH, Urt. v. 25.6.1998 – V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534 (1535); Urt. v. 10.11.2010 – XI R 25/08, BFH/NV 11, 839 (840); Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 138.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

öffentlichen Rechts in entsprechender Weise in ein anderes Unterneh­ men eingegliedert, unterläge sie grundsätzlich nicht selbst mit ihren un­ ternehmerischen Tätigkeiten der Umsatzsteuer. Auf der anderen Seite kann es über das Institut der Organschaft zu einer Ausweitung der unter­ nehmerischen Tätigkeit der öffentlichen Hand kommen. Diese Möglich­ keit gilt es insbesondere im praktisch bedeutsamen Fall zu berücksichti­ gen, wenn die öffentliche Hand die Erfüllung von Aufgaben auszugliedern beabsichtigt und zu diesem Zwecke eine juristische Person des Privat­ rechts gründet.875 Denn die in diesen Fällen bestehende Verflechtung kann eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Einglie­ derung begründen. Weiterhin bewirkt die Organschaft, dass der Leis­ tungsaustausch zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger umsatzsteuerlich nicht erfasst wird. Insoweit handelt es sich um nicht steuerbare Innenleistungen, so dass bei dem eine Leistung empfangenden Teil der Organschaft keine Vorsteuer anfällt.876 Daher ist die Bildung ei­ ner Organschaft vor allem für solche Unternehmer von großem Interes­ se, deren Leistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.877 Dies sind zum Beispiel Versicherungen oder Krankenhäuser. Aber auch für die öf­ fentliche Hand ist wegen der weitgehenden Befreiung ihrer Ausgangsleis­ tungen vom Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts878 diese Mög­ lichkeit der Vermeidung einer nichtabzugsfähigen Vorsteuerbelastung reizvoll.879 Die Grundlage für die Einführung von Regeln für das Institut einer um­ satzsteuerlichen Organschaft in das nationale Recht findet sich in Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL. Danach kann jeder Mitgliedstaat mehrere rechtlich unabhängige Personen als einen Steuerpflichtigen behandeln, wenn diese durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Be­ ziehungen eng miteinander verbunden sind. Anders als im nationalen Recht bedarf es nach dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL zur 875 Vgl. hierzu Spiegel/Heidler, DStR 2010, 1062 ff. Im Wege der Ausgliederung be­ steht für die öffentliche Hand die Möglichkeit, die persönliche Steuerbefreiung des § 2b I 1 UStG zu vermeiden, welche an die Rechtsform einer juristischen ­Person des öffentlichen Rechts anknüpft. Ein solches Vorgehen begründet insb. wegen der mit der Unternehmereigenschaft grundsätzlich einhergehenden Mög­ lichkeit zum Vorsteuerabzug einen Anreiz für die öffentliche Hand; vgl. zur per­ sönlichen Befreiungsvorschrift des § 2b UStG unten unter B. II. 2. sowie für die Folgen auf den Vorsteuerabzug unten unter B. IV. 876 Vgl. BFH, Urt. v. 20.8.2009 – V R 30/06, BStBl. II 2010, 863 (869); Treiber, in: Sölch/ Ringleb, UStG, § 2 Rz. 175b (Sept. 2015); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 99 (Stand: März 2013). 877 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 65. 878 Vgl. zum Ausschluss der öffentlichen Hand vom Vorsteuerabzug nach den Vorga­ ben des Richtlinienrechts oben unter A. IV. 1. und 2. und hinsichtlich des nationa­ len Rechts unten unter B. IV. 1. b). 879 Vgl. so z. B. auch der Ausgangsfall zu BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Gründung einer sogenannten Mehrwertsteuergruppe zum einen keiner Unternehmereigenschaft bzw. keiner Steuerpflichtigeneigenschaft der daran Beteiligten, denn Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL spricht allgemein von Personen.880 Zum anderen reicht nach dem Richtlinienrecht bereits eine enge Verbundenheit zwischen den Personen einer Mehrwertsteuer­ gruppe. Eine Eingliederung in Form eines Über-/Unterordnungsverhält­ nisses ist nach Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL ebenfalls nicht erforderlich.881 Anhand dieser beiden Beispiele lässt sich erkennen, dass die Vorausset­ zungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft enger gefasst sind als die Bedingungen für die Begründung einer Mehrwertsteuergruppe.882 Die inhaltlichen Abweichungen des nationalen Rechts von den unions­ rechtlichen Vorgaben in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie wurden lange Zeit als zulässig eingeschätzt.883 Denn es besteht nach Art. 11 MwSt­ SystRL für die Mitgliedstaaten keine Pflicht zur Umsetzung des Instituts einer Mehrwertsteuergruppe in das nationale Recht. Dementsprechend sollten die Mitgliedstaaten nicht nur frei darüber entscheiden können, ob sie von der Möglichkeit zur Einführung der Mehrwertsteuergruppe in das nationale Recht Gebrauch machen, sondern darüber hinaus auch bei den für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe erforderlichen Voraus­ setzungen und damit beim wie der Umsetzung über einen Gestaltungs­ spielraum verfügen.884 Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Einschätzung mit dem maßgeblichen Inhalt des Richtlinienrechts wurden insbesonde­ re durch die jüngere Rechtsprechung des EuGH hervorgerufen. Danach sind die Voraussetzungen des Art. 11 MwStSystRL autonom und einheit­ lich auszulegen, um eine übereinstimmende Anwendung des Unions­ rechts zu gewährleisten.885 Im Rahmen dieser Auslegung stellt der EuGH weiterhin fest, dass sich die Voraussetzungen für eine Mehrwertsteuer­ gruppe aus dem Wortlaut des Art. 11 MwStSystRL ergeben und darüber hinaus keine weiteren Anforderungen bestehen.886 Folglich verfügen die Mitgliedstaaten grundsätzlich über keine Möglichkeit, die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe an Bedingungen zu knüpfen, die sich nicht aus 880 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.4.2013 – Rs. C-85/11 (Kommission/Irland), EU:C:2013:217, Rz. 36; Grünwald, MwStR 2014, 226 (228). 881 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 45; Grünwald, ebenda. 882 Vgl. Grünwald, MwStR 2014, 226 (229); Heuermann, DB 2016, 608 (609). 883 Vgl. Wäger, in: FS Schaumburg, S. 1189 (1195); Sterzinger, UR 2014, 133 (135 f.); Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 108. 884 Vgl. so z. B. BFH, Urt. v. 14.2.2008 – V R 12/06 und V R 13/06, BFH/NV 2008, 1365 (1366); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 61; Sterzinger, UR 2014, 133 (139). 885 EuGH, Urt. v. 25.4.2013 – Rs. C-480/10 (Kommission/Schweden), EU:C:2013:263, Rz. 33 f. 886 EuGH, Urt. v. 9.4.2013 – Rs. C-85/11 (Kommission/Irland), EU:C:2013:217, Rz. 36; Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 36.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Art. 11 MwStSystRL selbst ergeben.887 Nach diesen Rechtsprechungs­ grundsätzen kann ein Mitgliedstaat nur darüber entscheiden, ob die Möglichkeit zur Bildung einer Mehrwertsteuergruppe in das nationale Recht eingeführt wird. Hinsichtlich der Ausgestaltung der dafür erforder­ lichen Voraussetzungen unterliegt der Mitgliedstaat hingegen den Vorga­ ben des Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL.888 Als Ausnahme von diesem Grund­ satz ist eine Abweichung des nationalen Rechts vom Richtlinienrecht nur dann zulässig, wenn diese der Vorbeugung von Steuerhinterziehun­ gen oder -umgehungen im Sinne des Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL dient.889 Des Weiteren kann nach der Rechtsprechung des EuGH das Richtlinien­ recht zur Mehrwertsteuergruppe nicht unmittelbar angewendet890 wer­ den. Denn es bedarf einer Präzisierung der unionsrechtlichen Vorgaben innerhalb des nationalen Rechts, so dass die Richtlinie inhaltlich nicht unbedingt ist.891 Demnach können sich die Bürger eines Mitgliedstaates nicht auf eine unmittelbare Anwendung des Richtlinienrechts berufen. Die Rechtsprechung des EuGH und die damit begründeten Zweifel an der Richtlinienkonformität der nationalen Regeln zur Organschaft führ­ ten zu erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich der Auslegung und An­ wendung des nationalen Rechts.892 Diese wurden jedoch zumindest für die Rechtspraxis durch den BFH weitgehend beseitigt. So hat dieser in mehreren Urteilen unter Berücksichtigung der jüngeren EuGH-Recht­ sprechung die national-rechtlichen Voraussetzungen einer Organschaft grundsätzlich mit dem Richtlinienrecht für vereinbar beurteilt.893 Denn soweit im nationalen Recht die Voraussetzungen für die Bildung einer 887 EuGH, Urt. v. 25.4.2013 – Rs. C-480/10 (Kommission/Schweden), EU:C:2013:263, Rz. 35; Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 38. 888 Vgl. Eggers/Korf, MwStR 2015, 710 (716 f.); Grünwald, MwStR 2014, 226 (229); aus guten Gründen kritisch zu dieser Einschränkung Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 61. 889 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.4.2013 – Rs. C-480/10 (Kommission/Schweden), EU:C:2013:263, Rz. 38; Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 41; Birkenfeld, UR 2014, 120 (124 f.); Küffner/Rust, MwStR 2015, 719 (720). 890 Vgl. zur unmittelbaren Anwendung der MwStSystRL oben unter B. I. 2. 891 EuGH, Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 50. 892 Vgl. zu den möglichen Folgen der jüngeren EuGH-Rechtsprechung für das nationa­ le Recht zur Organschaft z. B. Birkenfeld, UR 2014, 120 ff.; Endres, UR 2015, 853 ff.; Grünwald, MwStR 2014, 226 ff.; Nieskens, BB 2015, 2074 ff.; Slapio, UR 2013, 407 ff.; Streit/Rust, DStR 2015, 2097 ff. 893 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 25/13, DStR 2016, 219; Urt. v. 3.12.2015 – V R 36/13, DStR 2016, 236 (zur Behandlung einer Personengesellschaft als Organgesellschaft); Urt. v. 2.12.2015 – V R 15/14, DStR 2016, 226 (zu den Voraussetzungen einer Ein­ gliederung in das Unternehmen eines Organträgers); Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (zur Unternehmereigenschaft des Organträgers und der Organge­ sellschaft); vgl. hierzu Grünwald, DStR 2016, 225 f.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Organschaft über die Anforderungen hinausgehen, die sich aus Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL ergeben, seien diese weitgehend zur Wahrung des Zweckes der Verwaltungsvereinfachung894 zulässig sowie als Maßnah­ men zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen gem. Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL gerechtfertigt.895 Unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklungen in der Rechtspre­ chung des EuGH und des BFH gilt es im Folgenden zu untersuchen, ob und inwieweit bei der Behandlung der öffentlichen Hand bzw. von juris­ tischen Personen des öffentlichen Rechts als Mitglied einer Organschaft Besonderheiten bestehen bzw. sich solche ergeben können. Hierfür bietet es sich in Anknüpfung an das nationale Recht an, zwischen der Rolle des Organträgers und der Rolle der Organgesellschaft zu unterscheiden. (1) Die juristische Person des öffentlichen Rechts als Organträgerin Die Bestimmung der Organträgereigenschaft der öffentlichen Hand rich­ tet sich grundsätzlich nach den allgemeinen Voraussetzungen.896 Aller­ dings ergeben sich dabei im Zusammenhang mit zwei Voraussetzungen Besonderheiten, die es sowohl wegen der Behandlung der öffentlichen Hand im Umsatzsteuerrecht als auch mit Blick auf die Entwicklungen in der Rechtsprechung des EuGH und des BFH hervorzuheben gilt. (a) Unternehmerstellung des Organträgers Für die Bildung einer Organschaft setzt § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG die Eingliederung in ein Unternehmen voraus. Folglich muss der Organträ­ ger eine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG aus­ üben und mit dieser als Unternehmer dem Umsatzsteuerrecht unterlie­ gen.897 Ist demnach eine juristische Person des öffentlichen Rechts entweder keine Unternehmerin nach § 2 Abs. 1 UStG oder unterliegt sie mit ihrer unternehmerischen Tätigkeit der Befreiung des § 2b UStG,

894 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 15/14, DStR 2016, 226 (228 f.); Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (235); der Zweck der Verwaltungsvereinfachung stellt keinen Rechtfertigungsgrund dar, vgl. BFH, Urt. v. 19.1.2016 – XI R 38/12, DStR 2016, 262 (269). 895 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 15/14, DStR 2016, 226 (229 f.); Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (235); demgegenüber hielt der XI. Senat des BFH eine Rechtfertigung nach Art. 11 II MwStSystRL im Zusammenhang mit der Voraus­ setzung des § 2 II Nr. 2 UStG, dass nur juristische Personen als Organgesellschaft behandelt werden können, für fernliegend, vgl. EuGH-Vorlage v. 11.12.2013 – XI R 17/11, BStBl. II 2014, 417 (423); ebenso in der Nachfolgeentscheidung, Urt. v. 19.1.2016 – XI R 38/12, DStR 2016, 262 (268). 896 Vgl. Spiegel/Heidler, DStR 2010, 1062; Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 110. 897 Vgl. BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (234); Korn, a. a. O., § 2 Rz. 110; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 105.2 (Stand: März 2013).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

scheidet sie von vornherein als mögliche Organträgerin aus.898 Auf das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen einer Organschaft kommt es nicht mehr an. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Hal­ ten von Anteilen an der möglichen Organgesellschaft nicht schon eine unternehmerische Tätigkeit darstellt.899 Die juristische Person des öf­ fentlichen Rechts als Anteilseignerin müsste demnach selbst umsatz­ steuerliche Leistungen gegen Entgelt gegenüber der möglichen Organge­ sellschaft erbringen, um auf Grundlage dieser unternehmerischen Tätigkeit als Unternehmerin und Organträgerin in Betracht zu kom­ men.900 Zudem dürfte die Tätigkeit gegenüber der Organgesellschaft wie­ derum nicht von der Befreiung des § 2b UStG erfasst sein. Art. 11 MwStSystRL verlangt für die Bildung einer Mehrwertsteuergrup­ pe in persönlicher Hinsicht nur, dass es sich um Personen handelt. Die Eigenschaft eines Steuerpflichtigen ist hingegen nicht erforderlich.901 Dementsprechend steht es im Einklang mit dem Richtlinienrecht, wenn auch Nichtsteuerpflichtige nach nationalem Recht zu einer Mehrwert­ steuergruppe gehören können.902 Zu der Frage, ob damit gleichzeitig ein gesetzlicher Ausschluss von Nichtsteuerpflichtigen aus dem Anwen­ dungsbereich von Mehrwertsteuergruppen im Widerspruch zum Richtli­ nienrecht steht, hat der EuGH sich bisher nicht weiter geäußert.903 Aller­ dings stellt die für eine umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG erforderliche Unternehmerstellung eine Anforderung dar, welche sich nicht aus Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL ergibt.904 Damit ist diese unter Berücksichtigung der jüngeren EuGH-Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn der Ausschluss von Nichtunternehmern der Vor­ beugung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen im Sinne des Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL dient.905 898 Vgl. BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (234); Urt. v. 9.10.2002 – V R 64/99, BStBl. II 2003, 375 (377); zur Bedeutung für öffentlich-rechtliche Hoch­ schulen Musil, UR 2015, 533 (536). 899 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991 – Rs. C-60/90 (Polysar), EU:C:1991:268, Rz. 13; Urt. v. 6.2.1997 – Rs. C-80/95 (Harnas & Helm), EU:C:1997:56, Rz. 15; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-29/08 (AB SKF), EU:C:2009:665, Rz. 28; Urt. v. 6.9.2012 – Rs. C-496/11 (­Portugal Telecom), EU:C:2012:557, Rz. 31 f.; BFH, Urt. v. 18.11.2004 – V R 16/03, BStBl. II 2005, 503 (505 f.); Urt. v. 11.11.2015 – V R 8/15, DStR 2016, 674 (675); Spiegel/Heidler, DStR 2010, 1062 (1063); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 46; Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 79; Abschn. 2.3 Abs. 2 S. 1 UStAE. 900 Vgl. Musil, UR 2015, 533 (536); Spiegel/Heidler, ebenda; Abschn. 2.3 Abs. 2 S. 5 Nr. 2 UStAE. 901 EuGH, Urt. v. 9.4.2013 – Rs. C-85/11 (Kommission/Irland), EU:C:2013:217, Rz. 36. 902 EuGH, a. a. O., Rz. 41. 903 Vgl. FG Saarland, Urt. v. 18.11.2014 – 1 K 1480/12, EFG 2015, 683 (684 f.). 904 EuGH, Urt. v. 9.4.2013 – Rs. C-85/11 (Kommission/Irland), EU:C:2013:217, Rz. 41. 905 EuGH, Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 36, 41; BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (235); Küffner/Rust, MwStR 2015, 719 (720); Wäger, UVR 2013, 205 (210).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Aus Sicht des BFH ist die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Un­ ternehmereigenschaft des Organträgers zur Verhinderung missbräuchli­ cher Praktiken oder Verhaltensweisen sowohl erforderlich als auch ge­ eignet906 und stellt damit eine zulässige abweichende Maßnahme im Sinne des Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL dar. Denn mit der Bildung einer Organschaft unterliegen die Innenleistungen zwischen den daran Betei­ ligten keiner Besteuerung. Folglich fällt insoweit auch keine nichtab­ zugsfähige Vorsteuer an, wenn diese Leistungen für nichtsteuerbare Tä­ tigkeiten des Organträgers verwendet werden. Die Verhinderung dieses Vorteils rechtfertigt die Beschränkung der Organschaft auf die Einbezie­ hung von Unternehmern im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG. Dies gilt sowohl für die Unternehmereigenschaft hinsichtlich des Organträgers als auch der Organgesellschaft. In Ansehung der inhaltlichen Vorgaben zur Mehrwertsteuergruppe beste­ hen jedoch Zweifel daran, dass der generelle Ausschluss von Nichtunter­ nehmern aus dem Anwendungsbereich der Organschaft eine zulässige Maßnahme im Sinne des Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL darstellt. Denn die Nichtbesteuerung von Innenleistungen zwischen den Beteiligten ei­ ner Mehrwertsteuergruppe ist bereits im Richtlinienrecht nach Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL nicht allein auf Steuerpflichtige beschränkt, sondern steht allen Personen, zwischen denen eine ausreichend enge Verbindung besteht, offen.907 Vor diesem Hintergrund erscheint es widersprüchlich, die Nichtbesteuerung von Innenumsätzen im Rahmen einer Organschaft zugunsten eines Nichtunternehmers einer Steuerumgehung gleichzu­ stellen und davon ausgehend eine Einschränkung des Anwendungsbe­ reichs der Organschaft damit zu begründen, es diene der Vorbeugung ei­ ner Steuerhinterziehung oder -umgehung.908 Soweit der BFH auf die Vermeidung einer Vorsteuerbelastung eines nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Nichtunternehmers abstellt,909 ist weiterhin zu berücksich­ tigen, dass auch Unternehmer, die steuerfreie Umsätze erbringen, gem. § 15 Abs. 2 UStG grundsätzlich vom Vorsteuerabzug ausgeschlos­ sen sind. Der Gesetzgeber hat jedoch mit der Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG eine Möglichkeit geschaffen, dass diese Unternehmer mithilfe der nichtsteuerbaren Innenleistungen eine Vorsteuerbelastung vermeiden können.910 Dieser Umstand spricht ebenfalls dagegen, die mit 906 Vgl. hierzu und zum Folgenden BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (235). 907 EuGH, Urt. v. 9.4.2013 – Rs. C-85/11 (Kommission/Irland), EU:C:2013:217, Rz. 41. 908 So hält auch der EuGH die Einbeziehung von Nichtunternehmern mit dem Ziel der Organschaft, einem steuerlichen Missbrauch vorzubeugen, für vereinbar, vgl. EuGH, Urt. v. 9.4.2013 – Rs. C-85/11 (Kommission/Irland), EU:C:2013:217, Rz. 47 f.; vgl. hierzu Boor, UR 2013, 729 (731); Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 113. 909 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (235). 910 Vgl. zu diesem Zweck der Organschaft Hummel, MwStR 2013, 294 (295).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

der Bildung einer Organschaft einhergehende Vermeidung einer Vorsteu­ erbelastung bei Nichtunternehmern bereits als Erlangung eines miss­ bräuchlichen Vorteils anzusehen. Der Zweck der Verwaltungsvereinfa­ chung911 bleibt zudem auch bei der Behandlung eines Nichtunternehmers als Teil einer Organschaft gewahrt, denn die insoweit maßgeblichen Vo­ raussetzungen einer finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung müssen gleichwohl erfüllt sein. Im Ergebnis lässt sich mit der Begründung des BFH die generelle Anforderung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG, wonach nur Unternehmer als Organträger einer Organschaft behandelt werden können, nicht nach Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL recht­ fertigen und steht daher im Widerspruch zum Richtlinienrecht.912 Vor diesem Hintergrund erfordert eine unionsrechtskonforme Behand­ lung juristischer Personen des öffentlichen Rechts, dass diese unabhän­ gig von ihrer Behandlung als Unternehmerin grundsätzlich die Rolle ei­ ner Organträgerin ausüben können. Allerdings kann sich eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die mangels einer unternehmerischen Tätigkeit oder infolge der Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht nach § 2b UStG keine Unternehmerstellung innehat, nicht unmittelbar auf das Richtlinienrecht berufen. Denn aus Sicht des EuGH ist die Rege­ lung des Art. 11 MwStSystRL inhaltlich bedingt und somit keiner un­ mittelbaren Anwendung zugänglich.913 Eine richtlinienkonforme Ausle­ gung kommt insoweit ebenfalls nicht in Betracht. Denn nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG setzt die Entstehung einer Organ­ schaft voraus, dass die Organgesellschaft in das Unternehmen des Or­ ganträgers eingegliedert ist. Damit ergibt sich für den Organträger die erforderliche Unternehmereigenschaft unmittelbar aus dem Wortlaut und dem Wortsinn. Demnach kommt insoweit eine richtlinienkonforme Auslegung ebenfalls nicht in Betracht.914

911 Zur Verwaltungsvereinfachung als maßgeblichen Zweck der Mehrwertsteuergrup­ pe nach Art. 11 MwStSystRL EuGH, Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Laren­ tia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 40; zum entsprechenden Zweck der Organ­ schaft nach § 2 II Nr. 2 UStG vgl. BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (234); Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 140 ff. (Stand: Sept. 2015). 912 So i. E. auch bereits im Vorfeld der BFH-Entscheidungen Küffner/Rust, MwStR 2015, 719 (722); Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 113; zustimmend Ehrt/S. Müller, in: Weymüller, BeckOK UStG, § 2 Rz. 242.1 (Stand: März 2016); a. A. Sterzinger, UR 2014, 133 (136). 913 EuGH, Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 51. 914 Vgl. insoweit zur ebenfalls nach § 2 II Nr. 2 UStG explizit für die Eigenschaft als Organgesellschaft vorausgesetzten Rechtsform einer juristischen Person BFH, EuGH-Vorlage v. 11.12.2013 – XI R 17/11, BStBl. II 2014, 417 (424); kritisch eben­ falls Grünwald, MwStR 2013, 328 (331); vor diesem Hintergrund für eine richtli­ nienkonforme Rechtsfortbildung Endres, UR 2015, 853 (855).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

(b) Die wirtschaftliche Eingliederung einer Organgesellschaft Kommt eine juristische Person des öffentlichen Rechts aufgrund ihrer Unternehmerstellung grundsätzlich als Organträgerin in Betracht, bedarf es gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG neben der finanziellen und organisato­ rischen grundsätzlich auch einer wirtschaftlichen Eingliederung der Or­ gangesellschaft. Diese setzt voraus, dass die Geschäftstätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft derart zusammenhängen, dass sich daraus das Bild einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Ver­ flechtung ergibt.915 Sind die im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG unternehmeri­ schen Tätigkeiten der beiden Gesellschaften aufeinander abgestimmt, so dass sie sich gegenseitig fördern und ergänzen, ist grundsätzlich von ei­ ner wirtschaftlichen Eingliederung auszugehen.916 Allerdings muss das Maß der Entlastung, welche die Organgesellschaft durch die eigene un­ ternehmerische Tätigkeit des Organträgers erfährt, mehr als nur unbe­ deutend sein.917 Für die öffentliche Hand bedeutet dies, dass im Fall der Ausgliederung von Aufgaben auf eine juristische Person des Privatrechts eine Förderung der Tätigkeit der Organgesellschaft durch eine eigene un­ ternehmerische Tätigkeit erfolgen muss. Damit reicht die Ausübung ir­ gendeiner unternehmerischen Tätigkeit ohne Bezug zur Tätigkeit der möglichen Organgesellschaft nicht aus. Auch die unentgeltliche Über­ lassung von Wirtschaftsgütern begründet mangels einer entgeltlichen Leistung dementsprechend keine wirtschaftliche Eingliederung. Zudem muss die unternehmerische Tätigkeit des Organträgers für die Organge­ sellschaft zu einer mehr als nur unbedeutenden Entlastung führen.918 In Ansehung der Kriterien für eine wirtschaftliche Eingliederung einer Organgesellschaft in das Unternehmen einer juristischen Person des öf­ fentlichen Rechts als Organträgerin wird deutlich, dass hierbei die unter­ nehmerische Tätigkeit bzw. die Unternehmerstellung den Ausgangs­ punkt bildet.919 Diese Voraussetzung für eine Behandlung als Organträger ist jedoch, wie gezeigt,920 nicht vereinbar mit dem maßgeblichen Inhalt 915 Vgl. BFH, Urt. v. 20.9.2006 – V B 138/05, BFH/NV 2007, 281 (282); Urt. v. 29.10.2008 – XI R 74/07, BStBl. II 2009, 256 (258); Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 123. 916 BFH, Urt. v. 25.6.1998 – V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534; Urt. v. 3.4.2003 – V R 63/01, BStBl. II 2004, 434 (435 f.); Urt. v. 29.10.2008 – XI R 74/07, B ­ StBl. II 2009, 256 (258); Korn, ebenda; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 113 (Stand: März 2013). 917 Vgl. BFH, Urt. v. 25.6.1998 – V R 76/97, BFH/NV 98, 1534 (1535); Urt. v. 20.8.2006 – V R 30/06, BStBl. II 2010, 863 (868); Urt. v. 18.6.2009 – V R 4/08, BStBl. II 2010, 310 (313); Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 123. 918 BFH, Urt. v. 18.6.2009 – V R 4/08, BStBl. II 2010, 310 (313); Urt. v. 20.8.2009 – V R 30/06, BStBl. II 2010, 863 (868). 919 Vgl. Boor, UR 2013, 729 (734). 920 Vgl. im Vorherigen unter B. II. 1. b) cc) (1) (a).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

des Art. 11 MwStSystRL unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und lässt sich entgegen der Ansicht des BFH auch nicht mit dem Ziel der Vorbeugung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen rechtfertigen. Allerdings kann sich eine juristische Person des öffentli­ chen Rechts auch insoweit nicht auf eine unmittelbare Anwendung des Richtlinienrechts berufen.921 Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG ist ebenfalls nicht möglich. Denn danach be­ darf es einer wirtschaftlichen Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers. Nach nationalem Recht muss demnach die wirtschaftliche Eingliederung eine Verbindung zur unternehmerischen Tätigkeit aufwei­ sen. Damit reicht aber eine wirtschaftliche Eingliederung allein auf Grundlage einer nichtunternehmerischen Tätigkeit nicht aus. Wegen des klaren Wortlauts des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG kann folglich auch bei der Auslegung nicht über die erforderliche Verbindung zwischen der wirt­ schaftlichen Eingliederung und der unternehmerischen Tätigkeit des Or­ ganträgers hinweggegangen werden. Demnach erfolgte eine Auslegung des Merkmals der wirtschaftlichen Eingliederung, bei welcher der Aus­ übung einer unternehmerischen Tätigkeit keiner Bedeutung zukommt, letztlich contra legem. (2) Die juristische Person des öffentlichen Rechts als Organgesellschaft Die Behandlung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Or­ gangesellschaft ist in zweierlei Hinsicht Einschränkungen unterworfen, die es im Folgenden näher zu untersuchen gilt. Zum einen wird die nati­ onale Regelung zur Organschaft vom BFH dahingehend ausgelegt, dass von vornherein nur juristische Personen des Privatrechts für die Einglie­ derung als Organgesellschaft in Betracht kommen.922 Für juristische Per­ sonen des öffentlichen Rechts ist die Behandlung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG als unselbständig daher ausgeschlossen.923 Zum anderen setzt eine Behandlung als Organgesellschaft grundsätzlich voraus, dass eine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wird.924 Erfüllt eine juristische Person des öffentlichen Rechts folglich nicht die Voraussetzungen eines Unternehmers nach § 2 Abs. 1 UStG oder ist von einer Unternehmerstel­

921 EuGH, Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 51. 922 Vgl. BFH, Urt. v. 20.12.1973 – V R 87/70, BStBl. II 1974, 311 f.; Abschn. 2.3 Abs. 2 S. 1 UStAE. 923 Vgl. Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 150 (Stand: Sept. 2015); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 106.2 (Stand: März 2013); eine Ausnahme soll für Anstalten des öffentlichen Rechts gelten, so Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 847, 850 (Stand: Juli 2014). 924 Vgl. BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (234); Urt. v. 9.10.2002 – V R 64/99, BStBl. II 2003, 375; Birkenfeld, UR 2013, 120 (121).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

lung nach § 2b Abs. 1 S. 1 UStG befreit, kommt sie ebenfalls nicht als taugliche Organgesellschaft in Betracht. (a) Der generelle Ausschluss von juristischen Personen des öffentlichen Rechts von der Behandlung als Organgesellschaft Der BFH begründet den grundsätzlichen Ausschluss einer juristischen Person des öffentlichen Rechts von der Behandlung als Organgesellschaft zum einen mit Verweis auf die Entstehungsgeschichte der Regelungen zur Organschaft. Denn vor der Kodifizierung dieser Rechtsfigur kamen nur juristische Personen des bürgerlichen Rechts als Organgesellschaften in Betracht.925 Dieser historische Ansatz zur Auslegung ist zunächst nachvollziehbar, denn die gesetzlich normierte umsatzsteuerliche Or­ ganschaft beruht auf einem von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsgedanken.926 Demnach eignet sich der Blick auf den Ursprung der Organschaft durchaus, um mit dessen Hilfe den Anwendungsbereich des Gesetzes zu konkretisieren. Allerdings folgt aus der Rechtsprechung des EuGH, dass Art. 11 MwStSystRL, der allgemein von Personen spricht, die Behandlung als Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe nicht an eine bestimmte Rechtsform knüpft.927 Damit widerspricht es grundsätzlich den Vorgaben des Richtlinienrechts, wenn juristische Personen des öf­ fentlichen Rechts allein wegen ihrer Rechtsform nicht als Organgesell­ schaft behandelt werden können. Eine Berücksichtigung juristischer ­Personen des öffentlichen Rechts ließe sich auch im Wege einer richtli­ nienkonformen Auslegung grundsätzlich erreichen. Denn eine Beschrän­ kung auf juristische Personen des Privatrechts findet sich nicht explizit im Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wieder. Vielmehr spricht die Re­ gelung nur allgemein von juristischen Personen, so dass nach ihrem Wortsinn grundsätzlich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts davon erfasst werden. Zudem ist im Wege der richtlinienkonfor­ men Auslegung demjenigen Auslegungsergebnis Vorrang einzuräumen, welches dem Inhalt des Richtlinienrechts so weit wie möglich ent­ spricht.928 Das Ergebnis der historischen Auslegung hat damit im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zurückzutreten. Zum anderen verweist der BFH in seiner Begründung dafür, warum juris­ tische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht als Organge­ sellschaft in Betracht kommen, auf die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung. So erfordert eine finanzielle Eingliederung nach der 925 BFH, Urt. v. 20.12.1973 – V R 87/70, BStBl. II 1974, 311 f. 926 Vgl. RFH, Urt. v. 26.9.1927, RFHE 22, 69 (70); zur Historie der Organschaft über­ sichtlich BFH, Urt. v. 17.7.1952 – V 17/52, BStBl. III 1952, 234 (236); Grünwald, MwStR 2014, 226. 927 EuGH, Urt. v. 9.4.2013 – Rs. C-85/11 (Kommission/Irland), EU:C:2013:217, Rz. 36. 928 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 32.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Rechtsprechung des BFH insbesondere, dass der Organträger sich im Wege der Beteiligung die Stimmenmehrheit und damit die Möglichkeit zur Durchsetzung seines Willens sichert.929 Die damit verbundene Un­ terordnung der Organgesellschaft gegenüber dem Organträger ließe sich allerdings nur bei juristischen Personen des Privatrechts herbeiführen, nicht aber bei solchen des öffentlichen Rechts.930 Die Kapitalausstattung einer Anstalt des öffentlichen Rechts reicht danach zum Beispiel für eine Beteiligung in diesem Sinne nicht aus.931 Infolge der EuGH-Rechtsprechung stellt sich insoweit allerdings die Fra­ ge, ob dieses Verständnis einer finanziellen Eingliederung richtlinien­ konform ist. Denn so ist aus Sicht des EuGH die aus dem nationalen Recht hergeleitete Voraussetzung eines Über-/Unterordnungsverhältnis­ ses grundsätzlich nicht mit dem Richtlinienrecht vereinbar.932 Danach können auch sich gleichrangig gegenüberstehende Personen eine Mehr­ wertsteuergruppe bilden und als ein Steuerpflichtiger behandelt wer­ den.933 Folglich ließe sich die Behandlung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Organgesellschaft nicht bereits wegen einer feh­ lenden finanziell begründeten Unterordnung ausschließen. Vielmehr reicht es nach dem Richtlinienrecht insoweit aus, wenn eine finanzielle Beziehung besteht, durch die eine enge Verbindung begründet wird. So kann zum Beispiel grundsätzlich auch ein Darlehen, welches für den Darlehensnehmer von erheblicher Bedeutung ist, in finanzieller Hinsicht eine ausreichende Verbindung herstellen.934 Allerdings hält der BFH auch unter Berücksichtigung der Rechtspre­ chung des EuGH für eine finanzielle Eingliederung weiterhin an der er­ forderlichen eigenen Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Or­ gangesellschaft fest.935 Die damit einhergehende Abweichung von den Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL erachtet der BFH dabei mit Blick auf den Zweck der Verwaltungsvereinfachung936 und einer da­ her erforderlichen rechtssicheren und einfachen Bestimmung der Vor­ aussetzungen einer Organschaft937 für gerechtfertigt. Denn mithilfe der vorausgesetzten Durchsetzungsmöglichkeiten sei es für den Organträger einfach, die zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten erforderlichen In­ 929 Vgl. BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 15/14, DStR 2016, 226 (228) m. w. N.; Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 117; Birkenfeld, UR 2014, 120 (124). 930 BFH, Urt. v. 20.12.1973 – V R 87/70, BStBl. II 1974, 312. 931 Ebenda. 932 EuGH, Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 46. 933 Vgl. Grünwald, MwStR 2015, 587 (588 f); Streit/Rust, DStR 2015, 2097 (2099). 934 Vgl. Grünwald, MwStR 2014, 226 (230). 935 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (234). 936 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 15/14, DStR 2016, 226 (228 ff.). 937 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 15/14, DStR 2016, 226 (228 f., 229 f.).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

formationen von der Organgesellschaft zu erlangen und entsprechende Ansprüche durchzusetzen.938 Das unionsrechtliche Merkmal einer engen finanziellen Verbindung sei hingegen unbestimmt und unpräzise.939 Wei­ terhin vermieden die Anforderungen an eine finanzielle Eingliederung eine missbräuchliche Umgehung des Abzugsverbots von Vorsteuern. Denn die Nichtbesteuerung von Innenleistungen zwischen dem Organ­ träger und der Organgesellschaft werde auf solche Fälle beschränkt, in denen die beiden grundsätzlich rechtlich selbständigen Unternehmen ähnlich eng wie bei einem rechtlichen Einheitsunternehmen miteinan­ der verbunden sind.940 Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach der Behandlung einer juristi­ schen Person des öffentlichen Rechts als Organgesellschaft nunmehr ver­ bunden mit der Frage, ob die Begründungen des BFH zur Rechtfertigung der über den Inhalt des Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL hinausgehenden An­ forderungen an eine finanzielle Einbindung zutreffen. Daran bestehen in Ansehung der Ausführungen des EuGH in seinem Urteil Larentia + Minerva941 ernste Zweifel. Denn so hebt der EuGH deutlich hervor, dass die Voraussetzung eines Unterordnungsverhältnisses im nationalen Recht allein nach Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL gerechtfertigt werden kann. Ins­ besondere ist das Merkmal einer Unterordnung nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn es sowohl erforderlich und geeignet ist, um in einem be­ stimmten nationalen Kontext missbräuchliche Praktiken oder Verhal­ tensweisen und Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu vermei­ den.942 Die national-rechtlichen Voraussetzungen einer finanziellen Eingliederung stehen jedoch nicht in einem erkennbaren bestimmten Kontext zur Vermeidung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltens­ weisen. Vielmehr wird vom BFH eher allgemein auf eine nicht hinzuneh­ mende Gefahr einer Steuerhinterziehung oder -umgehung ausgegangen, wenn Leistungen zwischen rechtlich selbständigen Unternehmen infol­ ge der Wirkungen der Organschaft unbesteuert bleiben, obwohl zwischen den organschaftlichen Unternehmensteilen gerade keine ähnlich enge Verbundenheit wie zwischen einzelnen Betriebsabteilungen eines recht­

938 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 15/14, DStR 2016, 226 (229). 939 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 15/14, DStR 2016, 226 (228). 940 BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 15/14, DStR 2016, 226 (230). 941 EuGH, Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496. 942 EuGH, a. a. O., Rz. 45; so hat zum Beispiel Schweden die Anwendung der Mehr­ wertsteuergruppenregelung auf bestimmte Unternehmen beschränkt, die der öf­ fentlichen Kontrolle durch eine Finanzaufsicht unterliegen. Unter diesen Umstän­ den hat der EuGH eine Rechtfertigung nach Art. 11 II MwStSystRL für die Abweichung von den inhaltlichen Vorgaben des Art. 11 I MwStSystRL zumindest für möglich gehalten, vgl. Urt. v. 25.4.2013 – Rs. C-480/10 (Kommission/Schwe­ den), EU:C:2013:263, Rz. 39.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

lichen Einheitsunternehmens besteht.943 Des Weiteren schafft Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL gerade selbst eine Grundlage für die Mitgliedstaa­ ten, auch in den Fällen, in denen keine solche Verbundenheit wie bei rechtlichen Einheitsunternehmen besteht, die Nichtbesteuerung von In­ nenleistungen für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Personen zu er­ möglichen. Dies spricht wiederum dagegen, bereits darin eine Steuerhin­ terziehung oder -umgehung zu sehen.944 Folgt man der hier vertretenen Auffassung, so ist die grundsätzliche Mög­ lichkeit, eine juristische Person des öffentlichen Rechts als Organgesell­ schaft zu behandeln, unionsrechtlich geboten. Allerdings kann sich eine juristische Person des öffentlichen Rechts nicht auf eine unmittelbare Anwendung des Art. 11 MwStSystRL berufen.945 Demnach kommt allein eine richtlinienkonforme Auslegung des Merkmals einer finanziellen Ein­ gliederung gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in Betracht. Maßgeblich ist dabei, ob sich aus dem Wortsinn des Begriffs Eingliederung zwingend das Ver­ ständnis eines Über-/Unterordnungsverhältnisses ergibt. Auf der einen Seite legt im Vergleich zum unionsrechtlichen Begriff der Verbundenheit das Merkmal der Eingliederung eine Unterordnung der Organgesellschaft nahe. Auf der anderen Seite ist es noch vom Wortsinn des Begriffs gedeckt, wenn eine enge Verbundenheit als Eingliederung angesehen wird.946 Daher kann im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG grundsätzlich auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts als Organgesellschaft behandelt werden, obwohl es an einer eige­ nen Stimmenmehrheit des Organträgers fehlt. Denn für eine finanzielle Eingliederung reicht bereits eine finanzielle Beziehung, die zusammen mit einer wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehung eine enge Verbundenheit zwischen Organträger und Organgesellschaft begründet. (b) Die Unternehmereigenschaft der Organgesellschaft Eine juristische Person des öffentlichen Rechts muss grundsätzlich Un­ ternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG sein, um nach nationalem Recht als Organgesellschaft behandelt werden zu können.947 Denn gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird im Fall einer Organschaft die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit und folglich die unternehmerische Tätigkeit als nicht selbständig ausgeübt angesehen.948 943 Vgl. zu den entsprechenden Ausführungen BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 15/14, DStR 2016, 226 (230). 944 In diese Richtung auch Korf, MwStR 2016, 257 (258). 945 EuGH, Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 52. 946 Vgl. Nieskens, BB 2015, 2074 (2076); Streit/Rust, DStR 2015, 2097 (2099). 947 Vgl. BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 67/14, DStR 2016, 232 (235). 948 BFH, ebenda; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 851 (Stand: Juli 2014).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Die Beschränkung, dass die Behandlung als Organgesellschaft eine unter­ nehmerische Tätigkeit voraussetzt, steht allerdings, wie auch schon als Voraussetzung für die Eigenschaft als Organträger,949 im Widerspruch zu den inhaltlichen Vorgaben des Art. 11 MwStSystRL. Denn nach der maß­ geblichen Auslegung des EuGH sind grundsätzlich auch Nichtsteuer­ pflichtige als Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe zu behandeln, wenn eine enge Verbindung aufgrund von gegenseitigen finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen besteht.950 Vor dem Hintergrund, dass nach der Rechtsprechung des EuGH eine un­ mittelbare Anwendung des Art. 11 MwStSystRL ausscheidet, gilt es in­ soweit wiederum, die Möglichkeit einer richtlinienkonformen Ausle­ gung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu untersuchen. Die systematische Anknüpfung dieser Regelung an den Grundtatbestand des unternehmeri­ schen Handelns spricht zunächst dafür, dass sich die Eingliederung von Organgesellschaften allein auf Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG bezieht. Denn wenn die Voraussetzungen einer Organschaft vorliegen, folgt daraus gerade für die Organgesellschaft die nichtselbständige Aus­ übung ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit. Allerdings ergibt sich aus dieser Rechtsfolge nicht gleichzeitig, dass die nichtunternehme­ rische Tätigkeit einer Organgesellschaft aus der Organschaft ausgeklam­ mert wird.951 Die Unternehmereigenschaft wird von der Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG selbst nicht explizit vorausgesetzt. Daher stellte es grundsätzlich keinen Verstoß gegen den Wortlaut und den Wortsinn des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dar, sollten auch Nichtunternehmer als Organ­ gesellschaft und damit als Teil einer Organschaft behandelt werden.952 Vor diesem Hintergrund kann eine juristische Person des öffentlichen Rechts in richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts auch als Nichtunternehmerin grundsätzlich als Organgesellschaft und damit als Teil einer Organschaft behandelt werden. (3) Ergebnis Die Bildung einer Organschaft unter Beteiligung der öffentlichen Hand ist mit einigen Hindernissen verbunden. Diese liegen vor allem darin begründet, dass eine Vielzahl der Tätigkeiten der öffentlichen Hand nicht 949 Vgl. oben unter B. II. 1. b) cc) (1) (a). 950 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.4.2013 – Rs. C-85/11 (Kommission/Irland), EU:C:2013:217, Rz. 41 ff.; Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 113; Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 149 (Stand: Sept. 2015); ausführlich hierzu im Zusammenhang mit der Be­ handlung eines Nichtunternehmers als Organträger unter B. II. 1. b) cc) (1) (a). 951 Grünwald, MwStR 2013, 328 (330); Endres, UR 2015, 853 (855); a. A. die Finanz­ verwaltung, Abschn. 2.8 Abs. 1 S. 5 UStAE. 952 Grünwald, ebenda; Endres, ebenda; eine richtlinienkonforme Auslegung ebenfalls befürwortend z. B. Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 113; Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 154 (Stand: Sept. 2015).

194

II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

dem Umsatzsteuerrecht unterliegt, sei es mangels einer unternehmeri­ schen Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 UStG953 oder aber wegen der Befreiung von der Unternehmereigenschaft nach § 2b UStG.954 Die in diesem Be­ reich bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherhei­ ten wirken sich damit auch insoweit aus. Hinzu kommt, dass infolge der jüngeren EuGH-Rechtsprechung die umsatzsteuerliche Organschaft in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung mit ihren Voraussetzungen in mehre­ rer Hinsicht nicht den inhaltlichen Vorgaben für eine Mehrwertsteuer­ gruppe nach Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL entspricht. Denn danach darf es für die Mitgliedschaft in einer Organschaft grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob die Beteiligten eine unternehmerische Tätigkeit aus­ üben oder nicht. Damit steht es im Widerspruch zu Art. 11 Abs. 1 MwSt­ SystRL, wenn die öffentliche Hand allein mangels einer Unternehmer­ stellung nicht als Organträgerin oder als Organgesellschaft behandelt wird. Weiterhin setzen die unionsrechtlichen Vorgaben nicht voraus, dass zwischen den Beteiligten einer Mehrwertsteuergruppe ein Über-/ Unterordnungsverhältnis besteht. Danach ist insbesondere nicht erfor­ derlich, dass ein Organträger über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft verfügt. Daher steht es ebenfalls im Widerspruch zum Inhalt des Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL, wenn die Behandlung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Organgesellschaft allein aus dem Grund ausgeschlossen wird, dass eine solche bestimmende Mehrheitsbeteiligung nicht möglich sei. Entgegen der Auffassung des BFH lassen sich diese zusätzlichen Voraussetzungen des nationalen Rechts auch nicht als erforderliche und geeignete Maßnahmen zur Ver­ hinderung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen nach Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL rechtfertigen. Die Möglichkeiten der unter Anwendung der bisherigen Voraussetzun­ gen einer Organschaft richtlinienwidrigen Versagung einer Behandlung der öffentlichen Hand als Teil einer Organschaft im Rahmen des nationa­ len Rechts Rechnung zu tragen, sind allerdings beschränkt. Zum einen kann nach der Rechtsprechung des EuGH die Regelung des Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL nicht unmittelbar angewendet werden. Zum ande­ ren lassen Wortlaut und Wortsinn des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur eine richtlinienkonforme Auslegung dahingehend zu, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts als Organgesellschaft behandelt wird. So­ weit hingegen die Behandlung als Organträgerin mangels Ausübung ei­ ner unternehmerischen Tätigkeit bzw. wegen der Anwendung der per­ sönlichen Steuerbefreiung nach § 2b UStG versagt bleibt, kommt eine richtlinienkonforme Auslegung nicht in Betracht.

953 Vgl. hierzu insb. oben unter B. II. 1. a). 954 Vgl. hierzu insb. unten unter B. II. 2.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

In Ansehung der Relevanz der Organschaft für die öffentliche Hand neh­ men die herausgearbeiteten Ergebnisse für ihre umsatzsteuerliche Be­ handlung eine hohe Bedeutung ein. Denn so stellt sich zum einen insbe­ sondere bei der Übertragung von Tätigkeiten und Aufgaben auf eine zu diesem Zweck gegründete Gesellschaft des Privatrechts die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Organschaft vorliegen. Zum anderen sind für die öffentliche Hand mit einer Organschaft erstrebenswerte Vorteile ver­ bunden. Denn grundsätzlich steuerpflichtige Leistungen zwischen den Mitgliedern einer Organschaft unterliegen als Innenumsätze nicht der Umsatzsteuer.955 So wird zum Beispiel die auf der Ebene der Organgesell­ schaft geschaffene Wertschöpfung der Besteuerung entzogen und es fällt insoweit für den Organträger keine Vorsteuerbelastung an. Dies gilt auch dann, wenn die nicht steuerbaren Innenleistungen der Organgesellschaft von der öffentlichen Hand als Organträgerin für ihre nichtunternehme­ rischen Zwecke verwendet werden.956 Allerdings ist einschränkend zu berücksichtigen, dass Unternehmensgegenstände oder nicht steuerbare Innenleistungen der Organgesellschaft, die ein Organträger für seine nichtunternehmerischen Tätigkeiten verwendet, grundsätzlich bei Letz­ terem zu einer Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1b und Abs. 9a UStG führen kann.957 Gleichwohl ist die dabei anfallende Steuer regel­ mäßig geringer als beim Bezug von steuerpflichtigen Fremdleistungen. Zudem ist insbesondere nach der VNLTO-Rechtsprechung des EuGH,958 welcher sich der BFH zumindest inhaltlich angeschlossen hat,959 bei der öffentlichen Hand eine Entnahmebesteuerung grundsätzlich mangels der Verfolgung von privaten und damit den erforderlichen völlig unterneh­ mensfremden Zwecken ausgeschlossen.960 Allerdings stellen sich in die­ sem Zusammenhang für die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentli­ chen Hand weitere Fragen bzgl. der zutreffenden Rechtsanwendung, welche noch im weiteren Verlauf der Untersuchung aufgegriffen wer­ den.961 955 Vgl. BFH, Urt. v. 20.8.2009 – V R 30/06, BStBl. II 2010, 863 (869); Treiber, in: Sölch/ Ringleb, UStG, § 2 Rz. 175b (Stand: Sept. 2015); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 99 (Stand: März 2013). 956 Vgl. BFH, ebenda; Wäger, in: FS Schaumburg, S. 1189 (1211); Küffner/Streit, UR 2013, 401 (405); a. A. Sterzinger, UR 2014, 133 (138). 957 Vgl. BFH, ebenda; Küffner/Streit, UR 2013, 401 (406); Spiegel/Heidler, DStR 2010, 1062 (1066); Wäger, ebenda. 958 Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Or­ ganisatie), EU:C:2009:88. 959 Vgl. BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75 f.); hierzu unten unter B. IV. 2. b). 960 Vgl. zur Entnahmebesteuerung im Zusammenhang mit der Organschaft hier nur Küffner/Streit, UR 2013, 401 (406). 961 Vgl. so insbesondere zur Frage der Entnahmebesteuerung im Fall der Verwendung für den nichtunternehmerischen Bereich der öffentlichen Hand unten unter B. IV. 2. c) aa).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

c) Zusammenfassung Die Unternehmereigenschaft ist im Umsatzsteuerrecht Anknüpfungs­ punkt zur Bestimmung des Steuersubjektes und im Regelfall auch des Steuerschuldners. Damit entspricht sie in ihrer Funktion der Steuer­ pflichtigeneigenschaft in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Zudem ist sie Voraussetzung für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Damit besitzt die Unternehmereigenschaft für die steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand eine zentrale Bedeutung. Die Regelung zur Unternehmereigenschaft in § 2 Abs. 1 UStG knüpft al­ lein an die ausgeübte Tätigkeit an und setzt auf diesem Weg die bereits im Unionsrecht vorgegebene Rechtsformneutralität des persönlichen Anwendungsbereichs um. Ob und inwieweit die öffentliche Hand dem Umsatzsteuerrecht unterliegt, bestimmt sich damit nach den allgemei­ nen Voraussetzungen. Dabei besteht weitgehend die Möglichkeit, die na­ tionalen Regeln zum Grundtatbestand der Unternehmereigenschaft richtlinienkonform dahingehend auslegen, dass dieser mit seinen Anfor­ derungen den Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sin­ ne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL entspricht. Aus diesem Grund entfaltet die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH auch Wirkung für die Anwendung des nationalen Rechts. Vor diesem Hintergrund ergibt sich im Ergebnis für die Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt und Steuerschuldnerin im nationa­ len Recht ein vergleichbares Bild wie unter Anwendung des Unions­ rechts. So führen Besonderheiten bei den Tätigkeiten der öffentlichen Hand, die sie vom Handeln typischer Wirtschaftsteilnehmer unterschei­ den, bereits unter Anwendung der allgemeinen Voraussetzungen zu ei­ nem weitgehenden Ausschluss vom Anwendungsbereich des Umsatz­ steuerrechts. Erbringt die öffentliche Hand zum Beispiel Leistungen an die Allgemeinheit, ist darin keine unternehmerische Tätigkeit zu sehen. Übt die öffentliche Hand Leistungen unentgeltlich oder unter bestimm­ ten Voraussetzungen nur teilentgeltlich aus, begründet diese Tätigkeit ebenfalls keine Unternehmerstellung. Soweit für die öffentliche Hand die Möglichkeit besteht, die Umstände der Ausübung ihrer Tätigkeiten zu bestimmen, kann sie bereits durch eine entsprechende Gestaltung die Behandlung als Unternehmerin oder als Nichtunternehmerin nach § 2 Abs. 1 UStG beeinflussen. Auf die besondere Regelung zur Befreiung von der Unternehmerstellung nach § 2b UStG kommt es dann nicht mehr an. Die Untersuchung hat weiterhin gezeigt, dass die Tätigkeiten der öffent­ lichen Hand immer wieder Fragen aufwerfen können, die unter Heran­ ziehung der allgemeinen Vorgaben zu schwierigen Abgrenzungsfragen führen. Dabei gilt es nicht nur, die steuerliche Behandlung bei Anwen­ 197

B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

dung der nationalen Regelungen zu bestimmen, sondern darüber hinaus mit Blick auf die unionsrechtlichen Vorgaben richtlinienkonform anzu­ wenden. Diese Vermengung von mehreren Rechtsquellen und Rechts­ ebenen gestaltet die Rechtsfindung als komplex, welche sich damit wie­ derum als anfällig für Rechtsunsicherheiten und eine im Ergebnis unzutreffende steuerliche Behandlung darstellt. Die allgemeinen Vorgaben zur Organschaft führen in ihrer Anwendung auf die öffentliche Hand ebenfalls zu abweichenden Besonderheiten. We­ gen der jüngeren Entwicklung in der EuGH-Rechtsprechung sind im Zu­ sammenhang mit der Bildung einer Organschaft unter der Beteiligung der öffentlichen Hand zudem für die nationale Rechtsanwendung neue Auslegungsfragen und Abgrenzungsschwierigkeiten aufgetreten. Dies gilt allerdings für die Rechtspraxis zunächst nur eingeschränkt, denn der BFH hat mit seiner Rechtsprechung den richtlinienwidrigen Status quo der Voraussetzungen für eine Organschaft weitgehend aufrechterhalten. 2. Befreiung der öffentlichen Hand von der Unternehmereigenschaft (§ 2b UStG) Die öffentliche Hand erlangt durch die Ausübung einer unternehmeri­ schen Tätigkeit die Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 1 UStG und unterliegt damit als Steuersubjekt dem Anwendungsbereich der Umsatz­ steuer. Allerdings stellt dieser Fall im Verhältnis zur Gesamtheit der von ihr ausgeübten Tätigkeiten eine Ausnahme dar. Denn bereits die allge­ meinen Voraussetzungen für den Grundtatbestand der Unternehmerstel­ lung führen vielfach zu einem Ausschluss der öffentlichen Hand mit ih­ ren Tätigkeiten vom Anwendungsbereich der Umsatzsteuer. Das Umsatzsteuergesetz sieht gleichwohl darüber hinaus in § 2b UStG eine besondere Einschränkung der Unternehmerstellung der öffentlichen Hand vor. Denn danach sollen juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmerinnen behandelt werden, wenn sie Tätig­ keiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Sie sind damit nicht Steuersubjekt und werden folglich aus dem Anwen­ dungsbereich des Umsatzsteuerrechts ausgeschlossen. Damit stellt der § 2b UStG eine Ausnahmeregelung zum Grundtatbestand der Unter­ nehmereigenschaft in § 2 Abs. 1 UStG dar. Wegen der subjektiven An­ knüpfung an die Rechtsform und des grundsätzlichen Ausschlusses als Rechtsfolge des § 2b UStG handelt es sich hierbei im Ergebnis um einen persönlichen Befreiungstatbestand. Damit stellt dieser insoweit ein nati­ onales Äquivalent zur Befreiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL dar. Allerdings ist entsprechend der Vorgaben des Richtlinienrechts im nati­ onalen Recht die Befreiungsregelung wiederum eingeschränkt. Denn 198

II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

eine Behandlung als Nichtunternehmerin scheidet dann aus, wenn diese zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.962 Folglich steht der Ausschluss der öffentlichen Hand aus dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer wie im Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL unter ei­ nem Wettbewerbsvorbehalt. Die Regelung im nationalen Recht schließt sich an den Befreiungstatbestand an und stellt in systematischer Hin­ sicht eine Rückausnahme von der Ausnahmeregelung dar. Damit stimmt das nationale Recht auch in systematischer Hinsicht mit den unions­ rechtlichen Vorgaben des Art. 13 MwStSystRL überein.963 Im Folgenden wird in einem ersten Schritt die historische Entwicklung der Befreiungsregelung beleuchtet. Angesichts der Tatsache, dass der § 2b UStG erst mit Wirkung zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist, verspricht diese Untersuchung wertvolle Erkenntnisse für das Verständ­ nis der Regelung. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen der folgen­ den Schritte der Untersuchung auch stets zu beurteilen sein, ob und in­ wieweit mit der Neuregelung die dabei verfolgten Ziele erreicht werden oder insoweit Widersprüche und Unstimmigkeiten bestehen. In einem zweiten Schritt gilt es, die Befreiungsvorschrift des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG selbst mit ihren Voraussetzungen eingehend zu untersuchen. Dem syste­ matischen Aufbau der Regelung folgend ist sodann im nächsten Schritt auf die in § 2b UStG vorgesehenen Rückausnahmen einzugehen. Dabei wird die in § 2b Abs. 1 S. 2 UStG vorgesehene Wettbewerbsklausel ange­ sichts ihrer Bedeutung einen Schwerpunkt darstellen. Eng damit verbun­ den wird im vierten Schritt die Regelung des § 2b Abs. 3 UStG näher zu untersuchen sein. Dieser stellt eine besondere Regelung für die Zusam­ menarbeit von Einrichtungen der öffentlichen Hand dar und verdient an­ gesichts der besonderen Vorgaben und nicht zuletzt wegen der prakti­ schen Relevanz eine eigenständige und umfassende Erörterung. a) Historische Entwicklung der Befreiungsregelung Im Rahmen der folgenden Untersuchung werden zunächst die einzelnen Entwicklungsstufen der Befreiungsregelung näher beleuchtet. Im An­ schluss daran soll als Grundlage für ein besseres Verständnis der Neure­ gelung des § 2b UStG auf einige Rechtsprobleme der Vorgängerregelung in § 2 Abs. 3 UStG a. F. eingegangen werden, welche in seiner inhaltli­ chen Abweichung vom Unionsrecht begründet lagen. Denn die Neurege­ lung stellt insbesondere eine Reaktion auf die Unzulänglichkeiten der vorherigen Rechtslage dar.964

962 Vgl. § 2b I 2 UStG. 963 Vgl. zur Systematik im Unionsrecht oben unter A. II. 964 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 91; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neu­ regelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 3.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

aa) Entwicklungsstufen Im ersten Umsatzsteuergesetz von 1918965 war Steuersubjekt derjenige, der eine gewerbliche Tätigkeit ausübte.966 Für die umsatzsteuerliche Be­ handlung der öffentlichen Hand bzw. für juristische Personen des öffent­ lichen Rechts war grundsätzlich keine besondere Regelung vorgesehen.967 Das UStG 1918 beruhte im Wesentlichen auf dem Gesetz zum Waren­ umsatzstempel von 1916968, welches klarstellte, dass die Rechtsform ei­ ner Körperschaft des öffentlichen Rechts der Ausübung einer gewerb­ lichen Tätigkeit nicht entgegensteht.969 An dieser Sicht wurde bei Einführung des UStG 1918 festgehalten, so dass die öffentliche Hand mangels einer für sie geltenden Sonderregelung mit ihren gewerblichen Tätigkeiten wie Privatpersonen dem Anwendungsbereich der Umsatz­ steuer unterlag.970 Dementsprechend wurde zum Beispiel die Idee einer umfassenden steuerlichen Freistellung der kommunalen Versorgungsbe­ triebe aus Sorge, dies könnte Anreize zur gewerblichen Betätigung der Kommunen entfalten und sich damit zu Lasten der Steuereinnahmen des Reiches führen, abgelehnt.971 Dem Ansatz der steuerlichen Einbindung folgend wurde im Rahmen der Beratungen zum UStG 1919972 der Idee von Steuerbefreiungen zugunsten der öffentlichen Hand entgegengehal­ ten, diese widersprächen dem Ansatz einer allgemeinen Verbrauchsteu­ er.973 Allerdings wurden im Vergleich zum UStG 1918 im erweiterten Umfang besondere Befreiungsvorschriften für gemeinnützige Tätigkei­ ten der öffentlichen Hand aufgenommen.974 Des Weiteren bestand schon zu dieser Zeit die Überzeugung, dass ein Handeln im Rahmen öffent­ lich-rechtlicher Gewalt nicht eine gewerbliche Tätigkeit darstellen kön­ ne.975 Diese Auffassung wurde mit § 24 UStDB 1926976 im Rahmen einer persönlichen Befreiungsvorschrift zugunsten des Reiches, der Länder und der Gemeinden bzw. Gemeindeverbände aufgegriffen.977 Die Aus­ 965 Vom 26.7.1918, RGBl. 1918, 779. 966 Vgl. Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuer­ recht, S. 12. 967 Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 1 (Stand: März 2013). 968 Vom 26.6.1916, RGBl. 1916, 639. 969 § 76 II S. 3 WUStG; vgl. Lange, UR 2000, 1 (4); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 6 (Stand: März 2013). 970 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (4). 971 Vgl. Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuer­ recht, S. 17; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1106 (Stand: Juli 2014). 972 Vom 24.12.1919, RGBl. 1919, 2157. 973 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (4); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1107 (Stand: Juli 2014). 974 Stadie, ebenda; Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, S. 17. 975 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (4). 976 Vom 25.6.1926, RGBl. I 1926, 323. 977 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (4 f.).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

nahmeregelung beschränkte sich jedoch auf Tätigkeiten zur Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Aufgaben.978 Die damit bereits erkennbare Tendenz hin zu einer gesetzlichen Befreiung der öffentlichen Hand von der Behandlung als Steuersubjekt wurde im UStG 1934979 fortgeführt. Während in § 2 Abs. 1 UStG 1934 die Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit die Eigenschaft als Steuersubjekt begründete, be­ sagte § 2 Abs. 3 UStG 1934, dass die Ausübung öffentlicher Gewalt keine entsprechende gewerbliche oder berufliche Tätigkeit darstellt.980 In der amtlichen Gesetzesbegründung zu § 2 UStG 1934 wird klargestellt, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts dem Umsatzsteuerrecht unter­ liegen, soweit sie „wie andere Unternehmer am privatwirtschaftlichen Geschäftsverkehr“981 teilnehmen. Mit ihren öffentlich-rechtlichen Tä­ tigkeiten waren sie jedoch nicht als steuerpflichtig zu behandeln.982 Da­ mit stellt die Regelung des § 2 Abs. 3 UStG 1934 eine Ausnahme und Einschränkung im Verhältnis zur Grundregelung des § 2 Abs. 1 UStG 1934 dar.983 Aus Sicht des RFH lag die damit angeordnete Nichtbesteuerung von Tätigkeiten, die eine Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen, darin begründet, dass es insoweit zu keiner Benachteiligung privater Unter­ nehmer kommen konnte. Soweit jedoch ein Handeln in Bezug zum pri­ vatwirtschaftlichen Verkehr bestehe, unterlägen auch Körperschaften des öffentlichen Rechts dem Umsatzsteuerrecht.984 Die Regelung sowie die Systematik von § 2 Abs. 1 und Abs. 3 UStG 1934 wurde in das UStG 1951985 übernommen und galt somit fort.986 Der Begriff der Aus­ übung öffentlicher Gewalt wurde in § 3 Abs. 1 S. 1 UStDB 1934987 bzw. in § 19 Abs. 1 S. 1 UStDV 1951988 in Anlehnung an die Regelung des § 24 UStDB 1926 als Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben durch Körperschaften des öffentlichen Rechts definiert.989 Eine systematische, jedoch keine grundlegend inhaltliche Änderung in der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand erfolgte mit der Einführung des UStG 1967.990 Denn während die Unternehmerstel­ 978 Vgl. § 24 UStDB 1926. 979 Vom 16.10.1934, RGBl. I 1934, 942. 980 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (5). 981 RStBl. 1934, 1537 (1550). 982 Ebenda. 983 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (5). 984 Vgl. RFH, Gutachten v. 9.7.1937 – V D 1/37, RStBl. 1937, 1306 f. 985 Vom 1.9.1951, BGBl. I 1951, 791. 986 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (5); Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmer­ begriff im Umsatzsteuerrecht, S. 19. 987 RGBl. I 1934, 942. 988 Vom 1.9.1951, BGBl. I 1951, 796. 989 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (5); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1108 (Stand: Juli 2014). 990 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (5 f.).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

lung grundsätzlich weiterhin an die Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit anknüpfte, stellte die persönliche Befreiungsvor­ schrift des § 2 Abs. 3 UStG 1967991 auf den körperschaftsteuerlichen Be­ griff des Betriebes gewerblicher Art ab und verwies auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG. Im Rahmen einer Reform des Körperschaftsteuergesetzes im Jahr 1977 wurde der Verweis des § 2 Abs. 3 UStG 1967 dahingehend er­ weitert, dass dieser neben § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG auch § 4 KStG umfass­ te.992 Zudem verwendete in der Folgezeit das Umsatzsteuergesetz sowie das Körperschaftsteuergesetz die Bezeichnung der juristischen Person des öffentlichen Rechts und nicht mehr die der Körperschaft des öffentli­ chen Rechts.993 Eine juristische Person des öffentlichen Rechts sollte nach der Neurege­ lung insbesondere nur noch im Rahmen ihres Betriebes gewerblicher Art gewerblich oder beruflich im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG tätig sein. Die Anknüpfung an den ertragsteuerlichen Rechtsbegriff diente aus Sicht des Gesetzgebers der Vereinheitlichung und damit einer Vereinfachung der Trennung des unternehmerischen Bereichs vom nicht steuerbaren Ho­ heitsbereich für Zwecke der Umsatzsteuer.994 Eine grundlegende Ände­ rung der umsatzsteuerlichen Behandlung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts war damit nicht beabsichtigt.995 Zudem lag der Ab­ grenzung sowohl im Körperschaftsteuerrecht als auch im Umsatzsteuer­ recht der Gedanke der Vermeidung von wirtschaftlichen Nachteilen durch eine abweichende steuerliche Behandlung zu Lasten privater ­Unternehmer bzw. Steuerpflichtiger zugrunde.996 Damit änderte sich in­ soweit auch nicht der Zweck der Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt und Steuerschuldnerin.997 Die bisher in § 19 Abs. 1 S. 1 UStDV 1951 enthaltene Definition zur Abgrenzung des privatwirt­ schaftlichen Handelns einer Körperschaft des öffentlichen Rechts von einer Ausübung öffentlich-rechtlicher Gewalt wurde nicht übernom­ men. Vielmehr erfolgte die Abgrenzung wegen des Verweises auf das Kör­ perschaftsteuergesetz nunmehr anhand körperschaftsteuerlicher Kriteri­ en durch die Gegenüberstellung des Betriebs gewerblicher Art nach § 4 Abs. 1 KStG und dem Hoheitsbetrieb im Sinne des § 4 Abs. 5 KStG. Nur im ersten Fall unterlag eine juristische Person des öffentlichen Rechts der Steuerpflicht, nicht aber bei Tätigkeiten im Rahmen der Ausübung 991 Vom 29.5.1967, BGBl. I 1967, 545. 992 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1109 in Fn. 3 (Stand: Juli 2014). 993 Im KStG ab 1978 und in § 2 III 1 UStG ab 1980, vgl. Stadie, a. a. O., § 2 Rz. 1174 (Stand: Juli 2014). 994 Vgl. den schriftlichen Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 5/1581, 11. 995 Lange, UR 2000, 1 (5 f.). 996 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (6); Seer, DStR 1992, 1751 (1752); Stadie, in: Rau/Dürr­ wächter, UStG, § 2 Rz. 1111 (Stand: Juli 2014). 997 Lange, ebenda.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

eines Hoheitsbetriebs.998 Ein Betrieb gewerblicher Art nach § 4 Abs. 1 KStG lag bzw. liegt insbesondere dann vor, wenn eine nachhaltige wirt­ schaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen gegeben ist. Nicht erfasst werden davon Tätigkeiten im Rahmen eines Hoheitsbetriebs im Sinne des § 4 Abs. 5 KStG, also solche, die überwiegend der Ausübung von öffentlicher Gewalt dienen. bb) Abweichungen vom Unionsrecht durch § 2 Abs. 3 UStG a. F. Die nationale Regelung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG wich bei ihrer Einführung im erheblichen Umfang von den bereits damals geltenden unionsrechtlichen Vorgaben ab, wel­ che den heutigen Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie sehr ähnlich waren.999 So fand sich dort zum einen kein mit dem Betrieb ge­ werblicher Art vergleichbares Institut zur Bestimmung, ob und inwie­ weit die öffentliche Hand als Steuersubjekt zu behandeln ist. Zum ande­ ren fehlte im nationalen Recht insbesondere die Wettbewerbsklausel als Ausnahme von der Behandlung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige.1000 Die Abweichung des nationalen Rechts vom Unionsrecht führte zu erheblichen Schwierigkeiten und Un­ stimmigkeiten in der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand.1001 Der ertragsteuerliche Begriff des Betriebs gewerblicher Art ist in § 4 Abs. 1 KStG definiert und setzt voraus, dass sich die Tätigkeit innerhalb der 998 Seer/Wendt, DStR 2001, 825 (826). 999 Vgl. insb. zur 6. EG-RL oben unter A. II. 2. a) bb); zu den Abweichungen Wagner, UR 1993, 301 (303); so kam es dem Gesetzgeber damals wohl darauf an, die ge­ meinschaftsrechtlich bedingten gesetzlichen Neuregelungen durch die Ver­ wendung bekannter nationaler Rechtsbegriffe vertrauter zu gestalten, vgl. Saß, Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand – terra incognita, in: Nieskens, Um­ satzsteuer-Kongress-Bericht 2001/2002, S. 113 (115 f.). 1000 Vgl. Gröpl/Zukiwski, MwStR 2014, 77 (82); zum systematischen Aufbau sowie zu den einzelnen Voraussetzungen des Unionsrechts zur umsatzsteuerlichen Be­ handlung der öffentlichen Hand oben unter A. II. 1001 Vgl. hierzu Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Um­ satzsteuerrecht, S. 323 ff.; Canz, Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand im Wandel, S. 127 ff.; Forster, Juristische Personen des öffentlichen Rechts, S. 113 ff.; Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 170 ff.; Küffner, Umsatzsteuerliche Behandlung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Lichte der 6. EG-Richtlinie, S. 145 ff.; Liegmann, Umsatzsteuerbelas­ tung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 155 ff.; Tillmanns, Diver­ genz und Konvergenz von Umsatzsteuer und Einkommensteuer, S. 223 ff.; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 179 ff.; Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (336 ff.); Wagner, DStJG 13 (1990), S. 59 (63 ff.); Kraeusel, Die juristische Person des öffentlichen Rechts als Unternehmer, in: FS Korn, 455 (478); Seer/Klemke, BB 2010, 2015 (2017 ff.); Seer/Wendt, DStR 2001, 825 (829 ff.).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Gesamtbetätigung der juristischen Person des öffentlichen Rechts wirt­ schaftlich hervorhebt. Dies veranlasste die Finanzverwaltung, einen Be­ trieb gewerblicher Art und damit eine Unternehmerstellung einer juris­ tischen Person des öffentlichen Rechts nur dann anzunehmen, wenn ihr Jahresumsatz nachhaltig einen Betrag von 30 678 f überstieg.1002 Im Uni­ onsrecht fehlt es jedoch an einer entsprechenden Einschränkung. Aus diesem Grund verneinte der BFH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung eine Bedeutung dieses Tatbestandsmerkmals für umsatzsteu­ erliche Zwecke und erklärte die Jahresumsatzgrenze der Finanzverwal­ tung für die umsatzsteuerliche Behandlung juristischer Personen des öf­ fentlichen Rechts für unbeachtlich.1003 Daneben ergibt sich durch die Auslegung des § 4 Abs. 1 KStG, dass eine Vermögensverwaltung aus körperschaftsteuerlicher Sicht grundsätzlich keinen Betrieb gewerblicher Art begründet.1004 Unter Anwendung der körperschaftsteuerlichen Grundsätze würde folglich die Unternehmerei­ genschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bei einer ver­ mögensverwaltenden Tätigkeit ebenfalls ausscheiden.1005 Aus den uni­ onsrechtlichen Vorgaben lässt sich eine entsprechende Einschränkung nicht herleiten. Vielmehr begründet auch die Nutzung eines Gegenstan­ des gem. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MwStSystRL die Eigenschaft als Steuersubjekt.1006 Vor diesem Hintergrund sah sich der BFH wiederum dazu veranlasst, die abweichenden ertragsteuerlichen Prinzipien zu igno­ rieren und eine Unternehmerstellung der öffentlichen Hand im Fall der Ausübung einer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG unternehmerischen Ver­ mögensverwaltung grundsätzlich zu bejahen.1007 Die öffentliche Hand unterliegt nicht der Ertragsbesteuerung, wenn der Betrieb gem. § 4 Abs. 5 KStG überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dient. Während das Unionsrecht in Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL die Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtsteuerpflichtige von ei­ 1002 Vgl. Abschn. 2.11 Abs. 4 UStAE i. V. m. R 6 Abs. 5 S. 1 f. KStR 2004. 1003 Vgl. hierzu BFH, Urt. v. 25.10.1989 – V R 111/85, BStBl. II 1990, 868 (870 f.); Urt. v. 17.3.2010 – XI R 17/08, BFHE 230, 466 (472); Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (423); Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (559); Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235 (239) m. w. N.; Becker, BB 2012, 2154 f. 1004 Vgl. Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 135 f. m. w. N.; Erhard, in: Blümich, KStG, § 4 Rz. 32 ff. (Stand: Juni 2014). 1005 Vgl. hierzu Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 175 ff. 1006 Vgl. hierzu oben unter A. II. 1. 1007 Grundlegend: Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (421 f.); zur Stand­ platzüberlassung: Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (76); Urt. v. 13.2.2014 – V R 5/13, BFHE 245, 92 (95); zur Überlassung einer Sporthalle: Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (560 f.); zur Überlassung von PKW-Tiefgaragenstellplätzen: Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235; vgl. insgesamt Becker, BB 2012, 2154 (2155 f.).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

ner ähnlich klingenden Voraussetzung abhängig macht,1008 fehlte es in § 2 Abs. 3 UStG a. F. sowie § 4 Abs. 5 KStG an einer expliziten Umset­ zung des Wettbewerbsvorbehalts nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwSt­ SystRL.1009 Diesen Mangel kompensierte der BFH wiederum im Rahmen seiner Rechtsprechung im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung. Danach lag ein nicht steuerbarer Hoheitsbetrieb gem. § 4 Abs. 5 KStG für Zwecke des Umsatzsteuerrechts nur dann vor, wenn die Behandlung als Nichtunternehmerin nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen füh­ ren würde.1010 Diese drei Beispiele zeigen, dass der BFH sich im Rahmen seiner Recht­ sprechung um die Herbeiführung einer unionsrechtskonformen umsatz­ steuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand bemüht hat. Allerdings verfolgte der Gesetzgeber mit der Verweisung auf das Körperschaftsteu­ ergesetz den Zweck einer Gleichbehandlung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in der Umsatzsteuer und in der Körperschaft­ steuer.1011 Die unionsrechtskonforme Rechtsprechung des BFH unterlief diese Zielrichtung und begründete gerade eine abweichende umsatzsteu­ erliche Behandlung. Aus diesem Grund mehrten sich die Zweifel daran, ob sich die richtlinienkonforme Auslegung des BFH noch im Rahmen des Zulässigen bewegte1012 oder nicht doch contra legem erfolgte.1013 cc) Gründe und Ziele für die Neuregelung in § 2b UStG Der BFH hat in jüngerer Zeit vor der Neuregelung zunehmend seine Grundsätze zur richtlinienkonformen Auslegung der Befreiungsregelung für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf kommunale ­Kooperationsformen und Beistandsleistungen zwischen Hoheitsträgern angewendet.1014 Zuvor waren sowohl die öffentliche Hand als auch die

1008 Vgl. zur Entwicklung der Auslegung des Begriffs der Ausübung öffentlicher Ge­ walt unten unter B. II. 2. b) bb). 1009 Vgl. BFH, Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (426 f.); Seer/Klemke, BB 2010, 2015 (2019). 1010 BFH, Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (426 ff.); Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (76); Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (558); Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235 (238 f.); Urt. v. 14.3.2012 – XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667 (1670); Urt. v. 13.2.2014 – V R 5/13, BFHE 245, 92 (95). 1011 Vgl. Seer/Wendt, DStR 2001, 825 (829); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG § 2 Rz. 1116 (Stand: Juli 2014). 1012 So z. B. Ismer/Keyser, UR 2011, 81 (87). 1013 So ausführlich Tillmanns, Divergenz und Konvergenz von Umsatzsteuer und Einkommensteuer, S. 231 ff.; vgl. z. B. auch Gröpl/Zukiwski, MwStR 2014, 77 (83); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 56; Stadie, UStG, § 2 Rz. 354. 1014 Vgl. Baldauf, DStZ 2014, 549 ff.; Englisch, UR 2013, 570 (572 f.); Gröpl/Zukiwski, MwStR 2014, 77 (78); Sterzinger, DStR 2010, 2217 f.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Finanzbehörden1015 grundsätzlich der Auffassung, dass es sich in diesen Fällen aus Sicht der Umsatzsteuer um irrelevante Sachverhalte han­ delt.1016 Die Rechtsprechung des BFH führte dazu, dass zumindest für die eine Leistung empfangende öffentliche Einrichtung bei Bezug von Leis­ tungen im Rahmen einer Kooperationsform oder von Beistandsleis­ tungen mangels Möglichkeit, die anfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen,1017 die Gefahr einer zusätzlichen finanziellen Belastung be­ stand.1018 Insbesondere aus diesem Grund wurden die insoweit einschlä­ gigen Urteile des BFH von der Finanzverwaltung nicht im Bundessteuer­ blatt veröffentlicht und damit auch nicht über den Einzelfall hinaus angewendet.1019 Gleichwohl besaßen die juristischen Personen des öf­ fentlichen Rechts grundsätzlich die Möglichkeit, sich auf die Rechtspre­ chung des BFH zu berufen.1020 Dies führte letztendlich zu einer für alle Beteiligten wenig zufriedenstellenden Situation, welche den Ruf nach dem Gesetzgeber zur Schaffung einer unionrechtskonformen Gesetzesla­ ge unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse der betroffenen Kommunen lauter werden ließ.1021 Zudem war die mangelnde Umset­ zung des Richtlinienrechts und die dadurch verursachten Unstimmig­ keiten und Rechtsunsicherheiten schon lange Anlass für Kritik und die Forderung nach einer neuen gesetzlichen Grundlage für die umsatz­ steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand.1022 Sowohl die kommuna­ len Interessen1023 als auch die grundlegende Kritik an der Umsetzung der 1015 Vgl. z. B. OFD Rostock, Vfg. v. 21.11.2002 – S 2706 - 04/01 – St 242, UR 2003, 303; OFD Frankfurt a. M., Vfg. v. 15.8.2011 – S 7106 A - 119 – St 110, USt-­Kartei HE § 2 UStG S 7106 Karte 14; OFD Niedersachsen, Vfg. v. 12.1.2012 – S 2706 219 –St 241, S 7100 - 801 – St 171, UR 2012, 859. 1016 Vgl. Gröpl/Zukiwski, MwStR 2014, 77 (79); Sterzinger, UR 2015, 655 (657); Suck, UR 2013, 205 ff. 1017 Vgl. zum Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand aus Unionssicht oben unter A. IV. und zum nationalen Recht unten unter B. IV. 1018 Vgl. Westermann/Maier, KStZ 2013, 81; einschränkend in Bezug auf den Umfang der Auswirkungen hingegen Englisch, UR 2013, 570 (578); Pithan, DStZ 2014, 205 (206). 1019 Vgl. Lohse/Zanzinger, DStR 2013, 1105 (1109); Schmitz/Möser, UR 2014, 607 (610 f.). 1020 Vgl. OFD Niedersachsen, Vfg. v. 27.7.2012 – S 7106-283 – St 171, UR 2013, 42; Baldauf, UR 2014, 549. 1021 Vgl. Baldauf, UR 2014, 549 (560); Englisch, UR 2013, 570 (579). 1022 Vgl. Bundesrechnungshof, Bericht vom 16.1.2013, 2013 BWV – Band 17 - Chan­ cen zur Sicherung des Umsatzsteueraufkommens, S. 12 ff.; Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO v. 2.11.2004, BT-Drs. 15/4081, 16 f.; Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (351); Saß, Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand – terra incog­ nita, in: Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2001/2002, S. 113 (125 f.); Dziadkowski, UVR 2005, 65 (68); Lohse/Zanzinger, DStR 2013, 1105 (1109); Seer/Klemke, BB 2010, 2015 (2024); Schmitz/Möser, UR 2014, 607 (618); Sterzinger, DStR 2010, 2217 (2221 f.). 1023 Vgl. hierzu z. B. die Äußerungen der Abgeordneten Fritz Güntzler und Andreas Schwarz in der Aussprache zum Gesetzesentwurf, BT-PlPr. 18/124, 12072 ff.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

unionsrechtlichen Vorgaben wurden vom Gesetzgeber aufgenommen und mündeten in der nunmehr geltenden besonderen Regelung des § 2b UStG für die umsatzsteuerliche Behandlung von juristischen Perso­ nen des öffentlichen Rechts. Wie im Folgenden noch ausführlich dargestellt wird, schafft der § 2b UStG zum einen eine eigenständige umsatzsteuerliche Bestimmung, so dass die Verknüpfung zum Körperschaftsteuerrecht und damit die Grund­ lage vieler Rechtsprobleme entfällt. Zum anderen orientiert sich die Re­ gelung sehr stark an dem Wortlaut der Mehrwertsteuersystemrichtlinie und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH, wodurch sich Ab­ weichungen und Rechtsunsicherheiten über die Anwendung des natio­ nalen Rechts mindern könnten. Abschließend sieht der § 2b Abs. 3 UStG auch noch eine besondere Regelung für die Zusammenarbeit von juristi­ schen Personen des öffentlichen Rechts vor. Somit lässt sich bereits auf den ersten Blick festhalten, dass sich der Gesetzgeber sehr stark an den Schwächen der vorherigen Rechtslage orientiert hat und diese zu behe­ ben versuchte.1024 b) Die Voraussetzungen für eine Befreiung Die Befreiung der öffentlichen Hand von der Behandlung als Unterneh­ merin wegen einer ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 UStG regelt § 2b Abs. 1 S. 1 UStG wie folgt: Vorbehaltlich des Absatzes 4 gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer im Sinne des § 2, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Die Regelung ist sowohl in ihrem Wortlaut als auch ihrer systematischen Stellung sehr deutlich an ihr unionsrechtliches Äquivalent in Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL angelehnt. So knüpft sie zum einen an die öffent­ lich-rechtliche Rechtsform an und zum anderen betrifft die Befreiung nur solche Tätigkeiten, die im Rahmen der öffentlichen Gewalt oblie­ gen. Die Erzielung von Einnahmen in Form von Abgaben, die mit der ausgeübten Tätigkeit im Zusammenhang stehen, lässt die Befreiung von der Unternehmereigenschaft unberührt. Die Entgeltlichkeit einer Leis­ tungserbringung ist für die Anwendung der Befreiungsregelung damit unbeachtlich. Dadurch wird klargestellt, dass die Behandlung als Nicht­ unternehmerin gerade für die Fälle vorgesehen ist, in denen grundsätz­ lich die Voraussetzungen einer unternehmerischen Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 UStG von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erfüllt 1024 Vgl. Widmann, UR 2015, 5 (11).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

werden. Im Ergebnis stellt § 2b Abs. 1 S. 1 UStG eine Ausnahmeregelung zum Grundtatbestand der Bestimmung des Steuersubjektes dar. aa) Juristische Person des öffentlichen Rechts Eine vom Grundtatbestand des § 2 Abs. 1 UStG abweichende Behand­ lung als Nichtunternehmerin kommt nur dann in Betracht, wenn die unternehmerische Tätigkeit von einer juristischen Person des öffentli­ chen Rechts ausgeübt wird. Der Begriff ist im Umsatzsteuergesetz nicht weiter definiert. Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie knüpft demgegen­ über die Befreiung an Tätigkeiten, die von Einrichtungen des öffentli­ chen Rechts ausgeübt werden.1025 Wer damit in persönlicher Hinsicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift fällt, wird im Richtlinienrecht allerdings ebenfalls nicht weiter definiert. Insoweit führt die begriffliche Abweichung im nationalen Recht nicht schon zu einer richtlinienwidri­ gen Umsetzung. Der Begriff der juristischen Person des öffentlichen Rechts ist grundsätz­ lich in einem verwaltungsrechtlichen Sinn zu verstehen.1026 So können sowohl Körperschaften als auch Stiftungen und Anstalten des öffentli­ chen Rechts nach der Regelung des § 2b UStG von der Unternehmerstel­ lung befreit werden. Zu den Körperschaften gehören vor allem als Ge­ bietskörperschaften der Bund, die Länder und die Kommunen. Aber auch Einrichtungen wie Universitäten, die gesetzlichen Krankenkassen, Be­ rufskammern und öffentlich-rechtliche Zweckverbände sind darunter zu fassen.1027 Wegen ihres Status als Körperschaften des öffentlichen Rechts fallen Religionsgemeinschaften im Sinne des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV mit ihren einzelnen Einrichtungen ebenfalls in den Anwen­ dungsbereich der Befreiungsvorschrift.1028 Bekanntere Beispiele für An­ stalten des öffentlichen Rechts sind zum Beispiel die Rundfunkanstalten und die kommunalen Sparkassen.1029 Zu den Stiftungen gehören unter anderem kirchliche Stiftungen und beispielsweise die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.1030 Aus der Anknüpfung der Befreiungsregelung an das persönliche Merkmal einer juristischen Person ließe sich herleiten, dass nur rechtsfähige Per­

1025 Art. 13 I MwStSystRL. 1026 Vgl. Lange, UR 2000, 1 (3); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1198 (Stand: Juli 2014). 1027 Vgl. Aufzählung bei Stadie, a. a. O., § 2 Rz. 1177 (Stand: Juli 2014); Abschn. 2.11 Abs. 1 S. 1 ff. UStAE. 1028 Vgl. Stadie, a. a. O., § 2 Rz. 1178 (Stand: Juli 2014). 1029 Vgl. Stadie, a. a. O., § 2 Rz. 1184 (Stand: Juli 2014). 1030 Vgl. Stadie, a. a. O., § 2 Rz. 1188 (Stand: Juli 2014).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

sonen darunter zu fassen sind.1031 Nichtrechtsfähige Untereinheiten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts könnten somit nicht selbst nach § 2b Abs. 1 S. 1 UStG von der Unternehmerstellung befreit werden. Dies beträfe zum Beispiel die nichtrechtsfähigen Regiebetriebe1032 und Eigenbetriebe1033 der Kommunen. Allerdings erscheint es widersprüch­ lich, für die Unternehmerfähigkeit nach § 2 Abs. 1 UStG eine zurechen­ bare Ausübung von Umsätzen ausreichen zu lassen,1034 für eine Befreiung von dieser nach § 2b Abs. 1 S. 1 UStG jedoch eine Rechtsfähigkeit zu verlangen.1035 Eine solche Einschränkung könnte dazu führen, dass auf der einen Seite die Untereinheit einer juristischen Person des öffentli­ chen Rechts die erforderliche Unternehmerfähigkeit besitzt und somit grundsätzlich als Unternehmerin behandelt werden kann. Auf der ande­ ren Seite unterläge sie dann jedoch mangels Rechtsfähigkeit trotz Aus­ übung einer Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt nicht der Be­ freiungsregelung nach § 2b Abs. 1 S. 1 UStG. Eine solche Beurteilung könnte insbesondere Eigenbetriebe von Kommunen betreffen, die eine Sonderstellung innerhalb der Kommune einnehmen und eine entspre­ chende Eigenständigkeit entfalten.1036 Zwar ist zu vermuten, dass in die­ sen Fällen in der Rechtspraxis regelmäßig eine Unternehmerstellung der Kommune selbst angenommen wird, so dass für die besagte Tätigkeit im Ergebnis die Möglichkeit der Befreiung von der Unternehmerstellung über § 2b Abs. 1 S. 1 UStG wiederum eröffnet ist.1037 Vorzugswürdig er­ scheint es jedoch, den Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift auch für unternehmensfähige Untereinheiten einer juristischen Person des öf­ fentlichen Rechts zu eröffnen. Es kommt hierdurch auch nicht effektiv zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs, sondern die Befreiungs­ vorschrift findet nur zielgenauer Anwendung.1038 Des Weiteren ermög­ licht dies den Kommunen, die mit der inneren Abgrenzung dieser Unter­ einheiten verfolgte Eigenständigkeit auf umsatzsteuerliche Belange zu erweitern. Indem § 2b Abs. 1 S. 1 UStG tatbestandlich an die öffentlich-rechtliche Rechtsform anknüpft, fallen Personen mit privatem Rechtscharakter grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich der Befreiungsregelung her­ 1031 Vgl. Stadie, a. a. O., § 2 Rz. 1176 (Stand: Juli 2014); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Lan­ ger, UStG, § 2 Rz. 135 (Stand: März 2013). 1032 Vgl. dazu Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen, Rz. 30. 1033 Vgl. dazu Cronauge/Westermann, a. a. O., Rz. 142. 1034 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 69 (Stand: März 2013). 1035 Ebenfalls kritisch Klenk, UR 2016, 180 (182 f.). 1036 Vgl. Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen, Rz. 141 ff. 1037 In diese Richtung wohl Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 139 (Stand: März 2013). 1038 Insbesondere zu den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Übergangsregelung des § 27 XXII UStG für die weitere Anwendung des § 2 III UStG a. F. Klenk, UR 2016, 180 (183).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

aus. So sind Personen des Privatrechts, wie zum Beispiel natürliche ­Personen,1039 privatrechtliche Personengesellschaften1040 oder juristische Personen des Privatrechts,1041 aufgrund ihrer Rechtsform von einer Be­ handlung als Nichtunternehmerin nach § 2b Abs. 1 S. 1 UStG weitge­ hend ausgeschlossen. Bisher galt dies uneingeschränkt auch dann, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts allein zum Zweck der Ausübung von Tätigkei­ ten im Rahmen der öffentlichen Gewalt eine juristische Person des Pri­ vatrechts, zum Beispiel eine GmbH, gründet und alle Anteile an dieser hält.1042 Soweit in einem solchen Fall die GmbH den Grundtatbestand der Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 1 UStG erfüllt, bleibt es man­ gels Anwendbarkeit des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG bei ihrer Behandlung als Steuersubjekt. Infolge der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Saudaçor ist zumindest bei Fällen einer formellen Privatisierung, in de­ nen also eine bisherige juristische Person des öffentlichen Rechts in eine juristische Person des Privatrechts umgewandelt wird,1043 grundsätzlich unter besonderer Berücksichtigung der vom EuGH genannten Kriterien zu prüfen, ob Letztere weiterhin in die öffentliche Verwaltung eingeglie­ dert bleibt.1044 Eine Abweichung von der Ausschlusswirkung einer privaten Rechtsform könnte sich ebenfalls daraus ergeben, dass mit der Gründung einer juris­ tischen Person des Privatrechts eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG entsteht.1045 Denn in diesem Fall werden nach dem umsatz­ steuerlichen Organschaftskonzept das Handeln der Organgesellschaft, also der GmbH, und die dabei erbrachten steuerbaren Umsätze dem Or­ ganträger als maßgeblichen Unternehmer und damit Steuerpflichtigen 1039 Vgl. BFH, Urt. v. 28.1.1971 – V R 38/66, BStBl. II 1971, 281 (282 f.); Urt. v. 10.11.1977 – V R 115/74, BStBl. II 1978, 80 (81); Beschl. v. 3.8.1992 – V B 36/92, BFH/NV 1993, 277; Urt. v. 29.6.2000 – V R 28/99, BStBl. II 2000, 597 (598 f.); Urt. v. 2.12.1998 – X R 83/96, BStBl. II 1999, 534 (539). 1040 Vgl. BFH, Urt. v. 18.1.1995 – XI R 71/93, BStBl. II 1995, 559 (561); Urt. v. 2.9.2010 – V R 23/09, BFH/NV 2011, 458 (460); Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 240 (Stand: Sept. 2011); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1200 (Stand: Juli 2014). 1041 Vgl. BFH, Urt. v. 25.3.1993 – V R 84/89, BFH/NV 1994, 54; Urt. v. 2.9.2010 – V R 23/09, BFH/NV 2011, 458 (460); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 139.1 (Stand: März 2013); Stadie, a. a. O., § 2 Rz. 1200 ff. (Stand: Juli 2014). 1042 Stadie, a. a. O., § 2 Rz. 1202 (Stand: Juli 2014). 1043 Vgl. zum Begriff der formellen Privatisierung Remmert, Private Dienstleistungen in staatlichen Verwaltungsverfahren, S. 189 ff.; Vogt, Betriebsübergang bei Fremd­ vergabe (contracting-out) staatlicher Dienstleistungen an Private, S. 30 f.; Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 165 (170). 1044 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.10.2015 – Rs. C-174/14 (Saudaçor), EU:C:2015:733, Rz. 51 ff.; Küffner, UR 2015, 909 f.; hierzu oben unter A. II. 2. b) aa). 1045 Vgl. zur Organschaft oben unter B. II. 1. b) cc).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

zugerechnet.1046 Besitzt nun der Organträger eine öffentlich-rechtliche Rechtsform und erfolgt die von der Organgesellschaft ausgeübte wirt­ schaftliche Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt, ist der An­ wendungsbereich der Befreiungsregelung § 2b Abs. 1 S. 1 UStG grund­ sätzlich eröffnet. Durch eine Kombination der umsatzsteuerlichen Organschaft und der Befreiungsregelung für juristische Personen des öf­ fentlichen Rechts kann es folglich im Ergebnis zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs der Befreiungsregelung in § 2b Abs. 1 S. 1 UStG kommen. Fraglich ist allerdings, ob ein solches Ergebnis im Einklang mit dem In­ halt des Richtlinienrechts steht. Denn nach Art. 11 MwStSystRL ergibt sich als Rechtsfolge einer engen Verbundenheit, die auf finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen beruht, dass die Mehrwertsteuergruppe selbst als Steuerpflichtige zu behandeln ist.1047 Damit tritt folglich die Mehrwertsteuergruppe für die Besteuerung an die Stelle ihrer Mitglieder.1048 Somit unterscheidet sich der bindende1049 In­ halt das Richtlinienrechts vom nationalen Recht, nach dem ein Mitglied der Organschaft die Funktion des Steuerpflichtigen für die anderen Mit­ glieder mitausübt und hierfür diesem die steuerbaren Umsätze der ande­ ren Beteiligten zugerechnet werden.1050 Wegen der Rechtsfolge einer Be­ handlung der Mehrwertsteuergruppe selbst als Steuerpflichtige ist im Richtlinienrecht gleichzeitig auch ausgeschlossen, dass es zu einer Be­ freiung von der Steuerpflicht nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL kommt. Denn wegen der steuerlichen Trennung der Mehrwertsteuergruppe von ihren Mitgliedern kann die öffentlich-rechtliche Rechtsform eines ein­ zelnen oder auch mehrerer Beteiligter nicht der Mehrwertsteuergruppe selbst einen öffentlich-rechtlichen Charakter verleihen. Im Vergleich zum nationalen Recht schließt das Richtlinienrecht folglich aus, dass mithilfe der Mehrwertsteuergruppe für Tätigkeiten einer privaten Rechtsperson der Anwendungsbereich der Befreiungsregelung für Ein­ richtungen des öffentlichen Rechts eröffnet wird. Die im nationalen Recht bestehende Möglichkeit, dass die öffentlich-rechtliche Rechts­ form des Organträgers fortwirkt und auf diesem Wege zu einer Auswei­

1046 BFH, Urt. v. 2.2.1967 – V 148/64, BFHE 88, 257 (258); Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 138. 1047 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.5.2008 – Rs. C-162/07 (Ampliscientifica und Amplifin), EU:C:2008:301, Rz. 19; Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 34. 1048 Birkenfeld, UR 2013, 120 (123). 1049 Vgl. EuGH, Urt. v. 25.4.2013 – Rs. C-480/10 (Kommission/Schweden), EU:C:2013:263, Rz. 33 ff.; Urt. v. 16.7.2015 – Rs. C-108/14 (Larentia + Minerva), EU:C:2015:496, Rz. 38; oben unter B. II. 1. b) cc). 1050 Vgl. Birkenfeld, UR 2014, 120 (126).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

tung der Befreiungswirkung des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG führen kann, steht folglich im Widerspruch zum Unionsrecht. Um in diesem Fall eine richtlinienkonforme Behandlung von juristi­ schen Personen des öffentlichen Rechts zu gewährleisten, könnte die Zu­ rechnungswirkung des nationalen Organschaftkonzepts bei der Anwen­ dung des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG in richtlinienkonformer Auslegung ausgeblendet werden. So würden zwar die erbrachten steuerbaren Um­ sätze einer privatrechtlichen Organgesellschaft für Zwecke der Organ­ schaft als solche des öffentlich-rechtlichen Organträgers gelten. Im Rah­ men der Anwendung des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG würde die den steuerbaren Umsätzen zugrundeliegende Tätigkeit hingegen nicht dem Organträger zugerechnet. Somit handelte es sich dabei weiterhin um die Tätigkeit einer Person des Privatrechts. Anknüpfungspunkt für eine solche Unter­ scheidung könnte das Merkmal des Ausübens einer Tätigkeit in § 2b Abs. 1 S. 1 UStG darstellen. Aus systematischer Sicht ist zwar zu berück­ sichtigen, dass die Ausnahmeregelung des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG der Be­ stimmung der Unternehmereigenschaft in § 2 UStG folgt und somit für eine Fortwirkung der Zurechnung des Handelns einer Organgesellschaft zum Organträger im Rahmen der Organschaft spricht. Schließlich wird auch die unselbständig ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit eines Arbeit­ nehmers über § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG im Rahmen der Prüfung einer Un­ ternehmerstellung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zu­ gerechnet. Diese zugerechnete Tätigkeit wird sodann bei der Anwendung des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG als eine Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts berücksichtigt. Allerdings lässt es der Wortlaut der Befreiungsregelung grundsätzlich ebenfalls zu, auf denjenigen abzustel­ len, der die Tätigkeit tatsächlich ausübt. Zur Erzielung einer richtlinien­ konformen Anwendung des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG ist dieser Auslegung auch der Vorrang einzuräumen, wenn die Tätigkeit einer privaten Rechtsperson infolge eines Organschaftsverhältnisses einem öffent­ lich-rechtlichen Organträger zugerechnet wird. Somit führt in richtlini­ enkonformer Auslegung die Organschaft nicht dazu, dass die unterneh­ merische Tätigkeit einer privatrechtlichen Organgesellschaft im Rahmen der Prüfung der Befreiungsregelung des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG als eine Tätigkeit der als Organträgerin zu behandelnden juristischen Person des öffentlichen Rechts gilt. Die Anknüpfung der Befreiungsregelung an die Rechtsform wirkt sich in der Rechtspraxis insbesondere in den Fällen der Beleihung von privaten Rechtspersonen aus. So üben diese zwar dann eine ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeit aus. Gleichwohl verbleibt es im Fall einer damit erfolgenden Ausübung einer unternehmerischen Tä­ tigkeit bei der Unternehmereigenschaft mangels Eigenschaft einer juris­

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

tischen Person des öffentlichen Rechts.1051 Dieses Ergebnis entspricht in vollem Umfang den Vorgaben des Richtlinienrechts in der maßgeblichen Auslegung durch den EuGH.1052 bb) Im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegende Tätigkeiten Als zweite Voraussetzung neben der Rechtsform einer juristischen Per­ son des öffentlichen Rechts bedarf es für die Behandlung als Nichtunter­ nehmerin gem. § 2b Abs. 1 S. 1 UStG der Ausübung einer im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeit. Der Wortlaut dieser zweiten Voraussetzung ist grundsätzlich mit der Regelung in Art. 13 Abs. 1 MwSt­ SystRL identisch und spiegelt das Ansinnen wieder, mit der Neuregelung ein richtlinienkonformes nationales Äquivalent zu verfassen.1053 Eine Abweichung vom Wortlaut der Mehrwertsteuersystemrichtlinie be­ steht jedoch insoweit, als dass in dieser von einer Ausübung von Tätig­ keiten und Umsätzen gesprochen wird.1054 In § 2b Abs. 1 S. 1 UStG ist jedoch allein von der Ausübung von Tätigkeiten die Rede. Die Ausübung von Umsätzen wurde folglich nicht in das nationale Recht übernommen. Diese Abweichung vom Richtlinienrecht ist jedoch nicht zu kritisie­ ren,1055 sondern vielmehr als Verbesserung gegenüber dem Wortlaut des Richtlinienrechts zu sehen. Denn die Unternehmerstellung ergibt sich nach § 2 Abs. 1 UStG allein aus der Ausübung einer unternehmerischen bzw. wirtschaftlichen Tätigkeit.1056 So ist es nur folgerichtig, dass allein auf eben jene Tätigkeit Bezug genommen wird für die Frage der abwei­ chenden Behandlung als Nichtunternehmer nach § 2b Abs. 1 S. 1 UStG. Hinzu kommt, dass eine Ausübung von Umsätzen ohne die gleichzeitige Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 UStG grundsätzlich nicht möglich ist. Vielmehr setzt eine Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG die Ausübung von steuerbaren Umsätzen voraus.1057 Vor diesem Hintergrund stellt die gleichzeitige Nennung von Tätigkei­

1051 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 141 (Stand: März 2013); Ab­ schn. 2.11 Abs. 3 S. 2 UStAE. 1052 Vgl. zum Umfang des Begriffs der Einrichtung des öffentlichen Rechts oben unter A. II. 2. b) aa). 1053 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 91; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neure­ gelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 3. 1054 Art. 13 I MwStSystRL. 1055 So aber Widmann, UR 2015, 5 (7). 1056 Vgl. zur Anknüpfung der Unternehmerstellung an die Ausübung einer unterneh­ merischen Tätigkeit oben unter B. II. 1. 1057 Vgl. zum Erfordernis der Absicht zur Ausübung von steuerbaren Umsätzen für das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit hier nur Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 45; oben unter A. II. 1. a) aa).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

ten und Umsätzen eine überflüssige Doppelung dar, die im nationalen Recht nicht vermisst werden wird.1058 Die weitgehende Übernahme des Richtlinienwortlauts erfolgte erst mit Einführung des § 2b UStG. Die Abgrenzung zwischen unternehmeri­ schen Tätigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, mit denen diese als Steuersubjekt dem Umsatzsteuerrecht unterliegt, und solchen unternehmerischen Tätigkeiten, die eine Behandlung als Nicht­ unternehmerin zur Folge haben, wurde zuvor über § 2 Abs. 3 UStG a. F. in § 4 Abs. 5 KStG geregelt.1059 Danach waren Tätigkeiten, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen, als hoheitliche Tä­ tigkeiten aus dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer ausgeschlos­ sen.1060 Die Merkmale zur Ausübung von Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt in § 2b Abs. 1 S. 1 UStG und in § 4 Abs. 5 KStG wei­ sen zwar im Wortlaut Ähnlichkeiten auf. Allerdings sind hoheitliche Tä­ tigkeiten nach § 4 Abs. 5 KStG grundsätzlich solche, die juristischen Personen des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten sind.1061 Diese Definition knüpft an den Inhalt der Tätigkeit an1062 und wider­ spricht damit der Auslegung der Richtlinienregelung durch den EuGH.1063 Denn dieser stellt gerade nicht allein auf den Inhalt ab, sondern bestimmt die vom Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts auszuschließen­ den Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt vorrangig anhand der Handlungsform.1064 Nachdem der BFH lange Zeit die ertragsteuerli­ che Definition auch für das Umsatzsteuerrecht angewendet hatte,1065 1058 Vgl. S. Müller, in: Weymüller, BeckOK UStG, § 2b Rz. 101 (Stand: März 2016); kritisch zum Wortlaut der Regelung in Art. 13 I MwStSystRL Stadie, in: Rau/ Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1130 (Stand: Juli 2014). 1059 Vgl. zur historischen Entwicklung des § 2b UStG oben unter B. II. 2. a). 1060 Vgl. Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (339 f.). 1061 BFH, Urt. v. 22.9.1976 – I R 102/74, BStBl. II 1976, 793 (794); Urt. v. 14.3.1990 – I R 156/87, BStBl. II 1990, 866 (867); Urt. v. 29.10.2008 – I R 51/07, BStBl. II 2009, 1022; Urt. v. 3.4.2012 – I R 22/11, BFH/NV 2012, 1334 (1335); vgl. hierzu ­Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (339 f.); Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 193; ­Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1283 m. w. N. (Stand: Juli 2014); H 9 KStH 2008. 1062 Vgl. Küffner, Umsatzsteuerliche Behandlung von juristischen Personen des öf­ fentlichen Rechts im Lichte der 6. EG-Richtlinie, S. 61 f.; Seer/Klemke, BB 2010, 2015 (2016). 1063 Vgl. Forster, UR 1996, 73 (76 f.); Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (339 f.); Seer/ Klemke, BB 2010, 2015 (2019). 1064 Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Commune di Carpaneto Pia­ centino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 16; Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Publica), EU:C:2000:691, Rz. 17; zum handlungsformbezogenen Ansatz des EuGH zur Auslegung des Merkmals von im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen­ den Tätigkeiten oben unter A. II. 2. b) bb). 1065 Vgl. BFH, Urt. v. 9.2.1953 – V 84/52 U, BStBl. III 1953, 86; Urt. v. 18.8.1966 – V 21/64, BStBl. III 1967, 100 (101); Urt. v. 30.6.1988 – V R 79/84, BStBl. II 1988, 910 (911 f.); Urt. v. 8.1.1998 – V R 32/97, BStBl. II 1998, 410 (413); Urt. v. 22.10.2009 –

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

überwand er in den letzten Jahren vor der Neuregelung den immer deut­ licher werdenden Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH durch eine richtlinienkonforme Auslegung.1066 Diese bestand darin, dass der BFH sich dem handlungsformbezogenen Ansatz des EuGH anschloss und das Merkmal der Ausübung von öffentlicher Gewalt in § 4 Abs. 5 KStG für umsatzsteuerliche Zwecke entsprechend der EuGH-Rechtsprechung auslegte.1067 Die Begründung des neu eingeführten § 2b UStG weist zum einen darauf hin, dass mit der Regelung eine richtlinienkonforme Umsetzung der uni­ onsrechtlichen Vorgaben erreicht werden soll.1068 Der Umsetzungswille dürfte sich auch auf die zum Merkmal der im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeiten ergangene Rechtsprechung des EuGH beziehen. Zum anderen ist aus Sicht des Gesetzgebers das Merkmal einer im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeit wie in der bisherigen Auslegung durch den BFH zu verstehen.1069 Damit kann ver­ nünftigerweise nur die jüngere und als richtlinienkonform bezeichne­ te,1070 nicht aber die körperschaftsteuerrechtliche Auslegung gemeint sein.1071 Folglich ist das Merkmal unter Berücksichtigung des expliziten Willens des Gesetzgebers im nationalen Recht ebenfalls handlungsform­ bezogen auszulegen. Diese Folgerung findet sich zudem in § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG bestätigt. Denn diese Regelung schließt das Hervorrufen von größeren Wettbe­ werbsverzerrungen durch die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG dann aus, wenn eine Tätigkeit im Fall der Aus­ übung auf privatrechtlicher Grundlage einer Steuerbefreiung unterliegen würde. Dabei ist zu beachten, dass die Anwendung einer Steuerbefreiung voraussetzt, dass eine Tätigkeit überhaupt zu einem steuerbaren Umsatz führt und deswegen dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer unter­ liegt. Dies soll nach der Regelung des § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG gerade dann der Fall sein, wenn eine Handlung auf privatrechtlicher Grundlage ausge­ V R 33/08, BFH/NV 2010, 957 (958); vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1283 (Stand: Juli 2014). 1066 Contra legem aus Sicht z. B. von Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 59; ebenso Stadie, a. a. O., § 2 Rz. 1286 (Stand: Juli 2014). 1067 BFH, Urt. v. 5.2.2004 – V R 90/01, BStBl. II 2004, 795 (797); Urt. v. 22.9.2005 – V R 28/03, BStBl. II 2006, 280 (282); Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (425); Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235 (238 f.); vgl. hierzu Gröpl/­ Zukiwski, MwStR 2014, 77 (80 f.); Englisch, ebenda; Stadie, ebenda. 1068 BT-Drs. 18/6094, 91; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neurege­ lung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 3. 1069 Ebenda. 1070 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (558 f.). 1071 Wie hier S. Müller, in: Weymüller, BeckOK UStG, § 2b Rz. 126; a. A. Fiand, KStZ 2016, 29 (30), der weiterhin einen Rückgriff auf die Verwaltungsanweisungen zum Ertragsteuerrecht für erforderlich hält.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

übt wird. Folglich geht die Regelung davon aus, dass eine unternehmeri­ sche Tätigkeit, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf privatrechtlicher Grundlage ausgeübt wird, stets im Anwendungsbe­ reich des Umsatzsteuerrechts verbleibt. Maßgeblich ist damit auch nach nationalem Recht die Handlungsform einer Tätigkeit, nicht aber ihr In­ halt. Vor diesem Hintergrund liegt nach § 2b Abs. 1 S. 1 UStG eine im Rah­ men der öffentlichen Gewalt obliegende Tätigkeit dann vor, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts auf Grundlage einer öffent­ lich-rechtlichen Sonderregelung tätig ist. Übt sie hingegen eine Tätigkeit unter den gleichen Bedingungen aus wie private Wirtschaftsteilnehmer, mangelt es an einer Ausübung im Rahmen der öffentlichen Gewalt und die Behandlung als Nichtunternehmerin nach § 2b Abs. 1 S. 1 UStG scheidet aus.1072 Die Abgrenzung hat dabei anhand der Ausübungsmoda­ litäten des Einzelfalls zu erfolgen.1073 Maßgeblich ist damit die Grundlage des Handelns einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. So lässt zum Beispiel die Inanspruchnahme von hoheitlichen Befugnissen auf ein Handeln im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung schlie­ ßen.1074 Beruht das Vorgehen der öffentlichen Hand hingegen auf einem privatrechtlichen Vertrag, liegt keine Tätigkeit im Rahmen der öffentli­ chen Gewalt vor.1075 Dieses Merkmal erfüllt sie wiederum dann, wenn zum Beispiel durch einen Verwaltungsakt und damit auf einer öffent­ lich-rechtlichen Grundlage gehandelt wird.1076 Im Ergebnis hat die Unter­ scheidung zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Grund­ lage folglich anhand verwaltungsrechtlicher Maßstäbe zu erfolgen.1077 1072 Vgl. zu dieser Abgrenzung BFH, Urt. v. 5.2.2004 – V R 90/01, BStBl. II 2004, 795 (797); Urt. v. 20.8.2009 – V R 70/05, BFHE 226, 458 (463); Urt. v. 22.10.2009 – V R 33/08, BFH/NV 2010, 957 (958); Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (425) mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Publica), EU:C:2000:691, Rz. 17; die zwingende Nichtanwendung der Befreiungsregelung im Fall des Handelns auf privatrechtlicher Grundlage ablehnend Meyer/Westermann, BB 2013, 1629 ff.; so auch das FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.8.2013 – 6 K 1961/09, EFG 2015, 771 (773). 1073 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Publica), EU:C:2000:691, Rz. 15 ff., 21; BFH, Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (425). 1074 Vgl. BFH, Urt. v. 27.2.2003 – V R 78/01, BStBl. II 2004, 431 (433); Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (425) mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Publica), EU:C:2000:691, Rz. 21. 1075 Vgl. BFH, Urt. v. 13.2.2014 – V R 5/13, BFHE 245, 92 (95); Urt. v. 20.8.2009 – V R 70/05, BFHE 226, 458 (463); Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235 (238 f.). 1076 Vgl. BFH, Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (558); Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235 (238 f.). 1077 Vgl. Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 242; Lange, UR 2000, 1 (9); Seer/Wendt, DStR 2001, 825 (833); zu den maßgeb­ lichen Abgrenzungstheorien im Verwaltungsrecht Maurer, Allgemeines Verwal­ tungsrecht, § 3 Rz. 10 ff.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

In Ansehung dieser Rechtsprechungsgrundsätze dürfte sich in der Praxis die Unterscheidung als relativ leicht darstellen, wenn das Handeln der öffentlichen Hand gesetzlich bestimmt ist oder aber im Erlass eines Ver­ waltungsaktes besteht bzw. auf dessen Grundlage erfolgt. Anders ist hin­ gegen die Situation, wenn es gilt, ein Handeln auf vertraglicher Grundla­ ge zu beurteilen.1078 Denn bei diesem in der Praxis bedeutsamen Fall ist zwischen einem privatrechtlichen Vertrag und einem öffentlich-rechtli­ chen Vertrag zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang verdient ein Urteil des FG Münster besondere Beachtung.1079 Dies knüpft an die ver­ waltungsgerichtliche Rechtsprechung an und sieht ein Handeln auf öffentlich-rechtlicher Grundlage in Form eines öffentlich-rechtlichen ­ Vertrages insbesondere alternativ dann als gegeben an, „wenn eine öf­ fentlich-rechtliche Norm zum Abschluss eines solchen berechtigt, wenn öffentlich-rechtliche Normen bestehen, welche die Leistungspflichten regeln, wenn er in Vollzug einer öffentlich-rechtlichen Norm geschlos­ sen wird, wenn er die Verpflichtung eines Vertragspartners zum Erlass einer hoheitlichen Handlung enthält, wenn er an die Stelle einer sonst möglichen Regelung durch Verwaltungsakt tritt oder wenn er sich auf eine öffentlich-rechtliche Berechtigung oder Verpflichtung des Bürgers bezieht […].“1080Diesen Kriterien ist im Grunde zuzustimmen, denn in diesen Fällen beruht der Vertrag als Grundlage des Tätigwerdens wieder­ um auf einer öffentlich-rechtlichen Norm und folglich auf einer öffent­ lich-rechtlichen Grundlage. Insoweit ist es auch unschädlich, dass das FG Münster unter Verweis auf einen Beschluss des Gemeinsamen Sena­ tes der obersten Gerichtshöfe des Bundes1081 davon ausgeht, dass die Ab­ grenzung zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verträ­ gen mit Bezug auf den Inhalt und Gegenstand des Vertrages zu erfolgen hat.1082 Denn diese inhaltliche Anknüpfung dient der Bestimmung der Handlungsform und der Abgrenzung zu einem privatrechtlich geprägten Vorgehen. Es ist damit kein Verstoß und keine Umgehung der Rechtspre­ chung des EuGH, nach der die Beurteilung des Handelns im Rahmen der öffentlichen Gewalt formell zu erfolgen hat.1083 Vielmehr dient es der erforderlichen Abgrenzung zwischen den beiden Handlungsmöglichkei­ ten, die zudem aus Sicht des EuGH auf Grundlage des nationalen Rechts vorzunehmen ist.1084 Deswegen ist der Anknüpfung des FG Münster an 1078 Vgl. Pithan, DStZ 2014, 205 (207 f.); Sterzinger, UR 2015, 655 (661). 1079 FG Münster, Urt. v. 16.4.2013 – 15 K 227/10 U, EFG 2013, 1266; vgl. hierzu Pithan, DStZ 2014, 205 (207 f.). 1080 FG Münster, Urt. v. 16.4.2013 – 15 K 227/10 U, EFG 2013, 1266 (1269). 1081 Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 10.4.1986 – GmS – OBG 1/85, BVerwGE 74, 368. 1082 FG Münster, Urt. v. 16.4.2013 – 15 K 227/10 U, EFG 2013, 1266 (1269). 1083 Vgl. hierzu oben unter A. II. 2. b) bb). 1084 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Publica), EU:C:2000:691, Rz. 15 ff., 21.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung insoweit zuzustimmen.1085 Aufgrund der von der Finanzbehörde erhobenen Revision1086 wird sich der BFH zu dem Vorgehen des FG Münster voraussichtlich noch äußern. Vor dem Hintergrund, dass öffentlich-rechtliche Verträge eine regelmäßi­ ge Grundlage des Handelns der öffentlichen Hand darstellen, wäre es aus Rechtsanwendersicht sehr zu begrüßen, wenn der BFH die Möglichkeit wahrnimmt und die Anknüpfung an verwaltungsrechtliche Maßstäbe bestätigt. cc) Bewertung der Neuregelung Die Neuregelung der Befreiung juristischer Personen des öffentlichen Rechts von der Unternehmerstellung in § 2b Abs. 1 S. 1 UStG führt an­ gesichts der insbesondere in den letzten Jahren vom Bemühen um die Erzielung richtlinienkonformer Ergebnisse geprägten Rechtsprechung des BFH insoweit zu keinen wesentlichen inhaltlichen Änderungen für die Rechtsanwendung. Wie der BFH setzt auch der Gesetzgeber die uni­ onsrechtlichen Vorgaben um, so dass die bisherige richtlinienkonforme Rechtsprechung nunmehr ohne große Bedenken als im Einklang mit den ausdrücklichen gesetzlichen Vorgaben gesehen werden kann. Mit der Trennung vom körperschaftsteuerlichen Begriff des Betriebs gewerbli­ cher Art und der Einführung einer eigenständigen umsatzsteuerlichen Regelung verliert insbesondere der Vorwurf, dass die Auslegung der bis­ herigen Regelung in § 2 Abs. 3 UStG a. F. i. V. m. § 4 KStG durch den BFH contra legem erfolge, seine zentrale Grundlage.1087 Des Weiteren kommt es bereits in Anwendung der Neuregelung bei Ausübung von Tätigkeiten im Bereich der Vermögensverwaltung grundsätzlich zu einer Besteue­ rung, wenn diese auf privatrechtlicher Grundlage erfolgen. Eine richtlini­ enkonforme Auslegung ist hierfür nicht mehr erforderlich. Zudem ist es wegen des alleinigen Bezugs auf die Handlungsform zur Bestimmung ei­ ner Ausübung öffentlicher Gewalt nunmehr unerheblich, ob die Tätig­ keit zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Diese Frage stellt sich erst im Anschluss im Rahmen der Rückausnahme nach § 2b Abs. 1 S. 2 UStG. Die Einführung einer eigenständigen und abschließenden Regelung über die Befreiung juristischer Personen des öffentlichen Rechts von der Un­ 1085 Zur Maßgeblichkeit verwaltungsrechtlicher Maßstäbe auch schon Häck, Die ­öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 242; Lange, UR 2000, 1 (9); Seer/Wendt, DStR 2001, 825 (833). 1086 Vgl. anhängige Revision beim BFH unter Az. XI R 26/13. 1087 Der Vorwurf beruht auf der Ansicht, dass die vom Gesetzgeber beabsichtigte Gleichbehandlung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Um­ satzsteuer- und Körperschaftsteuerrecht eine Sperrwirkung für eine richtlinien­ konforme Auslegung allein für Zwecke der Umsatzsteuer entfalte, vgl. hierzu BFH, Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (558); vgl. oben unter B. II. 2. a) bb).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

ternehmerstellung ist somit ein notwendiger und richtiger Schritt gewe­ sen. Es verschwinden zumindest all die Unstimmigkeiten, die in der An­ knüpfung des Umsatzsteuerrechts an einen Begriff des Ertragssteuerrechts begründet lagen und dadurch zu erheblichen Rechtsunsicherheiten und Auslegungsschwierigkeiten geführt haben. Wegen ihrer engen Anlehnung an das Richtlinienrecht trifft die Neurege­ lung jedoch auf die gleichen Bedenken, die sich bereits bei der Untersu­ chung der unionsrechtlichen Vorgaben ergeben haben.1088 Dies betrifft insbesondere die Anknüpfung der Ausnahmeregelung an die Handlungs­ form. So verspricht sich der EuGH mit diesem Ansatz einen Gewinn an Rechtssicherheit, der sich auf den ersten Blick im Vergleich zur Bestim­ mung nach dem Inhalt mit Bezug auf das unsichere Terrain der Staatsauf­ gabenlehre grundsätzlich auch einstellen dürfte. Allerdings wirft der handlungsformbezogene Ansatz in der praktischen Anwendung ebenfalls Abgrenzungsfragen auf.1089 So kann insbesondere ein öffentlich-rechtli­ cher Vertrag ein Indiz für die Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen. Wann und inwieweit ein solcher vorliegt, damit er aus umsatzsteuerli­ cher Sicht als öffentlich-rechtliche Grundlage anzusehen ist, stellt je­ doch wiederum eine Quelle neuer Abgrenzungsschwierigkeiten dar.1090 Insgesamt dürfte dieser Ansatz damit in eindeutigen Fällen zu schnellen Ergebnissen führen, die Gefahr von Abgrenzungsschwierigkeiten ist da­ mit aber nicht gebannt. Darüber hinaus wird teilweise darauf hingewiesen, dass ein inhaltsbezo­ gener Ansatz, der auf die mit der Tätigkeit erfüllte Aufgabe abstellt, vor­ zugswürdig sei. Denn gerade in den Fällen, in denen eine Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehal­ ten sei, bestünde grundsätzlich keine Gefahr für Wettbewerbsverzerrun­ gen.1091 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nunmehr dem Wettbe­ werbskriterium als eine eigenständige Voraussetzung in § 2b Abs. 1 S. 2 UStG Rechnung getragen wird. Aus diesem Grund entfaltet das Ar­ gument des Wettbewerbsschutzes für die Auslegung des Begriffs der Aus­ übung öffentlicher Gewalt nunmehr ein geringeres Gewicht. Denn die Frage, ob es durch die Nichtbesteuerung zu Wettbewerbsverzerrungen kommen kann, ist im Rahmen des Rückausnahmetatbestandes nach ­Anwendung der Befreiungsvorschrift zu klären. Dabei sind wiederum Aspekte der konkreten Aufgabenerfüllung, die gegen eine Wettbewerbs­ relevanz sprechen, zu berücksichtigen. Somit führt die inhaltsbezoge­ ne Auslegung des Merkmals der Ausübung öffentlicher Gewalt nicht 1088 Für eine grundlegende Kritik der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand siehe unten unter C. 1089 Vgl. Pithan, DStZ 2014, 205 (207 f.). 1090 Vgl. hierzu FG Münster, Urt. v. 16.4.2013 – 15 K 227/10 U, EFG 2013, 1266. 1091 Vgl. so z. B. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 59.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

zwangsläufig zu einem besseren Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen. Sie eröffnet zudem eine neue, eigenständige Quelle für Abgrenzungs­ schwierigkeiten. Die unionsrechtlichen Vorgaben eröffnen der öffentlichen Hand in ge­ wissem Umfang einen Gestaltungsspielraum, ihre Unternehmerstellung herbeizuführen oder auch zu vermeiden. Letzteres ist zwar durch die Wettbewerbsklausel beschränkt, aber für nicht wettbewerbsrelevante Tätigkeiten verbleibt diese Möglichkeit. Der bestehende Gestaltungs­ spielraum kann von jeder juristischen Person des öffentlichen Rechts für vergleichbare Tätigkeiten unterschiedlich genutzt werden. Dieser Um­ stand beeinträchtigt damit das Ziel des Richtlinienrechts, ein harmoni­ siertes Mehrwertsteuerrecht innerhalb der Mitgliedstaaten zu gewähr­ leisten. Hinzu kommt, dass es zur Wahrung des Ziels einer gleichmäßigen Besteuerung grundsätzlich geboten wäre, auch die private Vermögens­ verwendung für Leistungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu belasten.1092 Ob und inwieweit es dazu kommt, kann über die Wahl der Handlungsgrundlage beeinflusst werden. Diese Wahlmöglich­ keit ließe sich eingrenzen, erfolgte die Beurteilung der Ausübung öffent­ licher Gewalt wie in der Literatur befürwortet1093 mit Bezug auf den Inhalt der Tätigkeit. Allerdings haben sich der Richtliniengeber mit ­ Art. 13 MwStSystRL und der nationale Gesetzgeber mit § 2b UStG dafür entschieden, dass allein aus Wettbewerbsgründen Einrichtungen des öf­ fentlichen Rechts als Steuersubjekt behandelt werden sollen. Die Beein­ trächtigung des Verbrauchsteuerprinzips wurde damit bewusst in Kauf genommen.1094 Aus diesem Grund führte zwar eine Auslegung, die an den Inhalt der Tätigkeit anknüpft, zu einer Einschränkung des Anwen­ dungsbereichs der Befreiungsvorschrift in § 2b Abs. 1 S. 1 UStG und da­ mit zu einer weitergehenden Verwirklichung einer gleichmäßigen Be­ steuerung. Allerdings setzte sich diese Auslegung über die Absicht des Gesetzgebers hinweg, so dass sie contra legem erfolgen würde. c) (Rück-) Ausnahmen von der Befreiung Die Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtunternehmerin auf Grundlage der Befreiung des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG wird in zweierlei Hin­ sicht eingeschränkt. Zum einen steht die Regelung unter dem Vorbehalt, dass keine der in § 2b Abs. 4 UStG genannten Tätigkeiten die Unterneh­ merstellung nach § 2 Abs. 1 UStG begründet. Zum anderen darf die Be­

1092 Vgl. hier nur Englisch, a. a. O., § 17 Rz. 54; zum Ausschluss der öffentlichen Hand aus dem Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts unten unter C. I. 1. 1093 Vgl. so z. B. Englisch, a. a. O., § 17 Rz. 59. 1094 Vgl. zur Rechtfertigung des Verstoßes gegen das Gebot der gleichmäßigen Be­ steuerung unten unter C. I. 1.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

handlung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Nicht­ unternehmerin zu keinen größeren Wettbewerbsverzerrungen führen. aa) Die Unternehmereigenschaft bei Ausübung bestimmter Tätigkeiten Die Regelung des § 2b Abs. 4 UStG bestimmt die Unanwendbarkeit der Befreiungsvorschrift bei Ausübung bestimmter Tätigkeiten wie folgt: Auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 gegeben sind, gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 mit der Ausübung folgender Tätigkeiten stets als Unternehmer: 1. die Tätigkeit der Notare im Landesdienst und der Ratschreiber im Land Baden-Württemberg, soweit Leistungen ausgeführt werden, für die nach der Bundesnotarordnung die Notare zuständig sind; 2. die Abgabe von Brillen und Brillenteilen einschließlich der Reparaturarbeiten durch Selbstabgabestellen der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung; 3. die Leistungen der Vermessungs- und Katasterbehörden bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters mit Ausnahme der Amtshilfe; 4. die Tätigkeit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, soweit Aufgaben der Marktordnung, der Vorratshaltung und der Nahrungsmittelhilfe wahrgenommen werden; 5. Tätigkeiten, die in Anhang I der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. EU Nr. L 347 S. 1) in der jeweils gültigen Fassung genannt sind, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist. Der Einleitungssatz greift auf der einen Seite den im ersten Absatz von § 2b UStG genannten Vorbehalt auf und besagt, dass es für die Unter­ nehmereigenschaft bei Ausübung der genannten Tätigkeiten nicht dar­ auf ankommt, ob die Voraussetzungen der Befreiungsregelung einschlä­ gig sind. Auf der anderen Seite begründet nicht bereits die Ausübung einer der aufgeführten Tätigkeiten als solche eine Unternehmerstel­ lung,1095 sondern es müssen hierfür die allgemeinen Anforderungen des § 2 Abs. 1 UStG an eine unternehmerische Tätigkeit erfüllt sein. Hinter­ 1095 Dies wurde teilweise für die Vorgängerregelung in § 2 III S. 2 Nr. 2–5 UStG a. F. angenommen, vgl. hierzu Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Ver­ tragspartner bei PPP-Projekten, S. 123; eindeutig hingegen die unionsrechtliche Vorgaben, vgl. hierzu oben unter A. II. 2. c) aa).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

grund der Regelung ist der grundsätzliche wirtschaftliche Charakter der aufgeführten Tätigkeiten und die damit verbundene Gefahr von Wettbe­ werbsverzerrungen, sollten juristische Personen des öffentlichen Rechts mit diesen Tätigkeiten nicht als Steuersubjekt dem Umsatzsteuerrecht unterliegen.1096 Innerhalb von § 2b Abs. 4 UStG der Vorschrift lässt sich unter Bezug auf ihren Ursprung zwischen den genannten Tätigkeiten der Nummern 1 bis 4 und dem Verweis in Nummer 5 auf Tätigkeiten, die im Anhang I MwStSystRL aufgeführt sind, unterscheiden. So führten die in den Num­ mern 1 bis 4 genannten Tätigkeiten bereits nach § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 2–5 UStG a. F. grundsätzlich zu einer Unternehmerstellung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.1097 Insoweit ergeben sich aus der Rege­ lung des § 2b Abs. 4 UStG keine neuen Vorgaben für die öffentliche Hand. Die Nummer 5 stellt hingegen eine Erweiterung des Katalogs dar.1098 Die­ se verweist auf den Anhang I MwStSystRL und ist damit ein nationales Äquivalent zu Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL.1099 So unterliegen Tätigkeiten wie zum Beispiel die Lieferung von Wasser, Gas und Elektri­ zität oder die Güter- und Personenbeförderung auch dann dem Umsatz­ steuerrecht, wenn diese einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Eine Ausnahme soll dann gelten, wenn die Tätigkeiten in einem unbedeutenden Umfang ausgeübt werden. Diese Einschränkung findet sich auch im Richtlinienrecht. Ein erster Entwurf einer Neuregelung des § 2b UStG hingegen enthielt diese Einschränkung für die im Anhang I der MwStSystRL aufgeführten Tätig­ keiten nicht.1100 Vor dem Hintergrund, dass der EuGH die Regelung in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL dahingehend auslegt, dass die Mitgliedstaaten ein Wahlrecht besitzen, die Einschränkung für den Fall der Ausübung einer Tätigkeit im unbedeutenden Umfang in das nationa­ le Recht einzuführen,1101 wäre eine solche Regelung ebenfalls zulässig gewesen.1102 1096 Vgl. zu § 2 III S. 2 Nr. 2–5 UStG a. F. Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Un­ ternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, S. 354; Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 210; zum Inhalt von § 2b IV Nr. 5 UStG vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Commune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 26; vgl. zum entsprechenden Art. 13 I iii MwStSystRL oben unter A. II. 2. c) aa). 1097 Vgl. Canz, Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand im Wandel, S. 139. 1098 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 92; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neure­ gelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 6; Widmann, UR 2015, 5 (7). 1099 Vgl. zu Art. 13 I iii MwStSystRL oben unter A. II. 2. c) bb). 1100 Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Juni 2014), S. 3. 1101 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Commune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 27; hierzu oben unter A. II. 2. c) aa). 1102 A.  A. Stellungnahme vom 31.7.2014 kommunaler Interessenverbände zum § 2b UStG-E, S. 8.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Vor der Neuregelung entsprach die nationale Rechtsanwendung ebenfalls grundsätzlich den unionsrechtlichen Vorgaben.1103 Denn so stellten die im Anhang I MwStSystRL genannten Tätigkeiten zum großen Teil schon selbst einen Betrieb gewerblicher Art gem. § 4 Abs. 1 KStG1104 oder gem. § 4 Abs. 3 KStG1105 dar. Darüber hinaus waren diese Tätigkeiten teilweise bereits in der vorherigen Regelung des § 2 Abs. 3 S. 2 UStG a. F. aufge­ führt.1106 Vor diesem Hintergrund erfolgt durch die Neuregelung in § 2b Abs. 4 UStG grundsätzlich keine Ausweitung der Einbeziehung der öffentlichen Hand in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer. Die Er­ weiterung des Katalogs im Vergleich zur Vorgängerregelung besitzt damit eher einen klarstellenden Charakter als eine tatsächliche Rechtsände­ rung. Nichtsdestoweniger ist die damit erzielte Annäherung des Umsatz­ steuergesetzes an die Vorgaben des Richtlinienrechts zu begrüßen. Zu Schwierigkeiten dürfte in der praktischen Anwendung die Bestim­ mung der Nichtanwendung der Rückausnahme führen, wenn die Tätig­ keit nur in unbedeutendem Umfang ausgeübt wird. Dabei ist zum einen zu berücksichtigten, dass die Regelung des § 2b Abs. 4 Nr. 5 UStG als nationale Umsetzung des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL eben­ falls einem Sonderfall des allgemeinen Wettbewerbsvorbehalts ent­ spricht und folglich grundsätzlich darauf abzielt, das Eintreten größerer Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Diese Gefahr wird in den Fäl­ len der Ausübung der bezeichneten Tätigkeiten von Gesetzes wegen al­ lerdings vermutet,1107 so dass dementsprechend die Vermutung im kon­ kreten Einzelfall durch den geringen Umfang der Tätigkeit widerlegt werden muss. Andere Umstände, zum Beispiel die Wettbewerbslage auf dem lokalen Markt, sind grundsätzlich unbeachtlich.1108 Hinzu kommt, dass die Befreiung von der Unternehmerstellung eine Ausnahme dar­ stellt. Im Fall einer Tätigkeit von unbedeutendem Umfang bleibt es bei dieser Befreiung als Ausnahme vom weiten Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts. Wegen der Befreiungswirkung ist insoweit eine 1103 Vgl. Küffner, Umsatzsteuerliche Behandlung von juristischen Personen des öf­ fentlichen Rechts im Lichte der 6. EG-Richtlinie, S. 171 ff. 1104 Z. B. die Tätigkeiten in Nr. 6 und Nr. 8–12 in Anhang I MwStSystRL; vgl. Küffner, a. a. O., S. 172. 1105 Z. B. Nr. 2 in Anhang I MwStSystRL, der die Lieferung von Wasser, Gas und Elek­ trizität betrifft. Gleichzeitig begründen nach § 4 III KStG Tätigkeiten zur Versor­ gung der Bevölkerung mit Wasser, Gas und Elektrizität einen Betrieb gewerbli­ cher Art, vgl. hierzu Küffner, a. a. O., S. 171 f. 1106 Z. B. Nr. 7 in Anhang I MwStSystRL, der über Art. 13 I iii MwStSystRL grund­ sätzlich die Steuerpflicht bei Ausübung einer Tätigkeit vorsieht, wenn diese zu Umsätzen von landwirtschaftlichen Interventionsstellen führt. Diese Regelung wurde in § 2 III S. 2 Nr. 5 UStG a. F. umgesetzt, vgl. Küffner, a. a. O., S. 171. 1107 Der EuGH spricht von einer Vermutung, vgl. Urt. v. 16.09.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 35. 1108 Ebenda.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

enge Auslegung des Merkmals geboten.1109 Im Umkehrschluss bestehen folglich hohe Anforderungen an die Widerlegung der gesetzlichen Ver­ mutung und der Darlegung, dass die ausgeübte Tätigkeit schon wegen ihres geringen Umfangs nicht geeignet ist, Wettbewerbsverzerrungen hervorzurufen.1110 bb) Die Unternehmereigenschaft bei größeren Wettbewerbsverzerrungen In § 2b Abs. 1 S. 2 UStG wird der Anwendungsbereich der Befreiungsvor­ schrift des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG wie folgt eingeschränkt: Satz 1 gilt nicht, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Diese Regelung stellt das nationale Äquivalent zum Wettbewerbsvorbe­ halt des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL dar und führt in seiner Rechtsfolge dazu, dass die Unternehmerstellung der juristischen Perso­ nen des öffentlichen Rechts wegen der Ausübung einer unternehmeri­ schen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG bestehen bleibt bzw. wie­ derauflebt. Wie sich im Rahmen der Untersuchung der historischen Entwicklung dieser Befreiungsregelung gezeigt hat, wurde die Wettbewerbsklausel der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bereits im Rahmen der richtlinien­ konformen Auslegung des nationalen Rechts vor der Einführung des § 2b UStG vom BFH berücksichtigt. Aus diesem Grund gilt es zunächst zu untersuchen, welche maßgeblichen Kriterien sich über den Gesetzes­ wortlaut hinaus für die Anwendung der Wettbewerbsklausel aus der Rechtsprechung des BFH ableiten lassen. Dabei wird insbesondere auf die Relevanz und die Anwendbarkeit der Rechtsprechung des EuGH ein­ zugehen sein. Des Weiteren hat der Gesetzgeber mit dem § 2b Abs. 2 UStG eine gesetzliche Regelung geschaffen, in der Voraussetzungen aufgeführt sind, bei deren Vorliegen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen be­ stehen sollen. Diese Voraussetzungen gilt es insbesondere sowohl mit Blick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Richtlinienrecht als auch in Bezug auf ihre praktische Anwendbarkeit und auf die in diesem Zusammen­ hang bestehenden Probleme zu untersuchen. (1) Abgrenzungskriterien nach den Rechtsprechungsgrundsätzen von EuGH und BFH Wegen der engen Anlehnung des Wettbewerbskriteriums in § 2b Abs. 1 S. 2 UStG an den Wortlaut des Richtlinienrechts und der Absicht des Gesetzgebers, eine richtlinienkonforme Umsetzung der unionsrechtli­ 1109 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.6.2009 – C-102/08 (SALIX), EU:C:2009:345, Rz. 54. 1110 Vgl. zur Auslegung des Art. 13 I iii MwStSystRL oben unter A. II. 2. c) aa).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

chen Vorgaben vorzunehmen, gewinnt die Rechtsprechung des EuGH zum Begriff der größeren Wettbewerbsverzerrungen an zentrale Be­ deutung.1111 So sind die auf Ebene des Unionsrechts gewonnenen Er­ kenntnisse grundsätzlich auf die Anwendung des nationalen Rechts zu übertragen. Zudem hat sich der BFH bereits im Rahmen seiner richt­ linienkonformen Auslegung des Merkmals der Ausübung öffentlicher Gewalt in § 4 Abs. 5 KStG zur Bestimmung des Begriffs der größeren Wettbewerbsverzerrungen den Vorgaben, die sich unmittelbar aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben, angeschlossen.1112 Demnach muss ein Wettbewerbsverhältnis zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsakteuren nicht gegenwärtig bestehen, sondern es reicht be­ reits die Möglichkeit, dass dieses entstehen kann.1113 Ein solcher potenti­ eller Wettbewerb muss allerdings zumindest aus realistischer Sicht mög­ lich sein und darf nicht allein auf einer hypothetischen Annahme beruhen.1114 Zur Bestimmung, ob ein relevantes Wettbewerbsverhältnis vorliegt, ist nicht auf die Umstände des lokalen Marktes abzustellen, sondern die Beurteilung hat grundsätzlich anhand der ausgeübten Tätig­ keit zu erfolgen.1115 Damit kommt es regelmäßig darauf an, ob innerhalb des Hoheitsbereichs eines Mitgliedstaates von privaten Wirtschaftsak­ teuren eine vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird bzw. ausgeübt werden kann.1116 Soweit jedoch eine juristische Person des öffentlichen Rechts ein rechtliches Monopol auf die Ausübung einer Tätigkeit oder bestimm­ ter Ausgangsleistungen innehat, ist für die Prüfung der rechtlich einge­ grenzte Tätigkeitsbereich der räumlich relevante Markt.1117 Auf dieser Grundlage festgestellte Wettbewerbsverzerrungen sind als größere anzu­ sehen, wenn sie mehr als unbedeutend sind.1118 Darüber hinaus fordert der BFH übereinstimmend mit dem EuGH, dass sich für ein Wettbewerbsverhältnis vergleichbare Leistungen gegenüber­ 1111 Vgl. zum Begriff der größeren Wettbewerbsverzerrungen im Richtlinienrecht oben unter A. II. 2. c) cc). 1112 Vgl. jeweils mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – C-288/07 (Isle of Wight Council), EU:C:2008:505 den BFH, Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (560); Urt. v. 1.12.2011 –V R 1/11, BFHE 236, 235 (239 f.). 1113 BFH, Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (560); Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235 (239 f.); EuGH, a. a. O., Rz. 54 und 64; oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (a). 1114 BFH, Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235 (239 f.); EuGH, a. a. O., Rz. 64; oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (a). 1115 BFH, Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (560); Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235 (239 f.); EuGH, a. a. O., Rz. 53; vgl. hierzu oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (c) (aa). 1116 Vgl. Sterzinger, UR 2015, 655 (662). 1117 Vgl. BFH, Urt. v. 3.7.2008 – V R 40/04, BStBl. II 2009, 208 (212); EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 (Götz), EU:C:2007:789, Rz. 46; vgl. hierzu Hüllmann, UStB 2009, (46) 48; oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (c) (bb). 1118 BFH, ebenda; EuGH, a. a. O., Rz. 79.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

stehen müssen.1119 Dabei sind auch die Rahmenbedingungen einer Leis­ tungserbringung zu berücksichtigen.1120 Eine solche Situation ist von vornherein ausgeschlossen, wenn den juristischen Personen des öffentli­ chen Rechts die Ausübung einer Tätigkeit vorbehalten ist und im Ergeb­ nis der Staat als solcher eine Monopolstellung innehat.1121 Aber auch, wenn es aus tatsächlichen Gründen von vornherein nicht möglich ist, dass eine Person des Privatrechts eine bestimmte Tätigkeit ausübt, fehlt es an einem relevanten Wettbewerbsverhältnis.1122 Bei der unternehmeri­ schen Ausübung entsprechender Tätigkeiten durch eine juristische Per­ son des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt ver­ bleibt es damit bei der Behandlung als Nichtunternehmerin nach § 2b Abs. 1 S. 1 UStG. (2) Keine Wettbewerbsverzerrung bei steuerfreien Ausgangsleistungen Nach Ansicht des BFH soll eine Wettbewerbsverzerrung von vornherein nicht in Betracht kommen, wenn die Ausübung einer vergleichbaren Tä­ tigkeit durch private Unternehmer zu steuerfreien Umsätzen führt.1123 Eine entsprechende Äußerung lässt sich der Rechtsprechung des EuGH nicht unmittelbar entnehmen. Allerdings muss sowohl nach Unions­ recht als auch nach nationalem Recht die Wettbewerbsverzerrung darauf beruhen, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts mangels Unternehmerstellung mit ihrer grundsätzlich unternehmerischen Tätig­ keit nicht der Umsatzbesteuerung unterliegt. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass zum einen ihre entsprechenden Ausgangsumsätze nicht be­ lastet werden1124 und sie zum anderen keine Möglichkeit zum Vorsteuer­ abzug besitzt.1125 Eine vergleichbare Situation besteht dann, wenn ein Unternehmer mit seinen Umsätzen einer sachlichen Steuerbefreiung unterliegt. Die Ausgangsumsätze werden steuerlich nicht belastet1126

1119 BFH, Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (428); wohl auch Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235 (241); EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), Rz. 45; vgl. zudem oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (b). 1120 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-357/07 (TNT Post UK), EU:C:2009:248, Rz. 38 f.; Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719, Rz. 50; Urt. v. 27.2.2014 – Rs. C-454/12 (Pro Med Logistik u. a.), EU:C:2014:111, Rz. 55 f.; Englisch, UR 2013, 570 (574). 1121 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), Rz. 31; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 28 (Stand: Aug. 2013); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1142 (Stand: Juli 2014); z. B. die externe Qualitätssicherung in Krankenhäusern, vgl. FG Münster, Urt. v. 16.4.2013 – 15 K 227/10 U, EFG 2013, 1266 (1269). 1122 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (573 f.); hierzu oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (b). 1123 BFH, Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (428). 1124 Vgl. Art. 2 I MwStSystRL; § 1 I Nr. 1 UStG. 1125 Vgl. Art. 167, 168 MwStSystRL; § 15 I Nr. 1 S. 1 UStG. 1126 Vgl. Art. 132 ff. MwStSystRL; § 4 UStG.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

und ein Vorsteuerabzug ist auch regelmäßig ausgeschlossen.1127 Übt da­ mit eine juristische Person eine für private Unternehmer steuerbefreite Tätigkeit aus, kann die Behandlung als Nichtunternehmerin nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen.1128 Dieser Sicht hat sich der Ge­ setzgeber angeschlossen und seiner Regelung nach § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG zugrunde gelegt,1129 welche wie folgt lautet: (2) Größere Wettbewerbsverzerrungen liegen insbesondere nicht vor, wenn 1. […] oder 2. vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht (§ 9) einer Steuerbefreiung unterliegen. Vor dem Hintergrund, dass bereits bei zutreffender Auslegung des Be­ griffs der Wettbewerbsverzerrung in diesen Fällen der allgemeine Wett­ bewerbsvorbehalt in § 2b Abs. 1 S. 2 UStG keine Anwendung finden wür­ de, besitzt die Regelung des § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG insoweit nur einen klarstellenden Charakter. Die Regelung verweist zwar nicht auf einen Vergleich zu Tätigkeiten privater Unternehmer. Allerdings sind juristi­ sche Personen mangels Anwendbarkeit der besonderen Befreiungsrege­ lung, wenn sie auf privatrechtlicher Grundlage handeln, im Ergebnis wie private Unternehmer zu behandeln.1130 Vor diesem Hintergrund erfüllt der gesetzlich vorgesehene Vergleich mit der Ausübung einer Tätigkeit auf privatrechtlicher Grundlage den gebotenen Zweck. Zutreffend ist auch die Einschränkung, dass die für die ausgeübte Tätigkeit in Betracht kommende sachliche Steuerbefreiung nicht die Möglichkeit eröffnen darf, zur Umsatzsteuerpflicht zu optieren.1131 Denn in einem solchen Fall könnten private Unternehmer mit Ausübung der Option die Steuerbefreiung vermeiden. Dies hätte zur Folge, dass ihre entsprechenden Ausgangsumsätze mit Umsatzsteuer belastet werden, gleichzeitig aber die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug eröffnet wäre. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts hingegen, deren vergleichbare Tätigkeit auf Grundlage der persönlichen Befreiungsvorschrift des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG 1127 Vgl. Art. 168 lit. a MwStSystRL; § 15 II UStG. 1128 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (574); Leippe/Baldauf, DStZ 2012, 283 (291); Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 2 Rz. 231 (Stand: Sept. 2011); Sterzinger, UR 2009, 37 (42); zur entsprechenden Folgerung zum Unionsrecht oben unter A. II. 2. c) cc) (2). 1129 Heidner, UR 2016, 45 (48 f.), interpretiert diese Regelung hingegen als misslun­ genen Versuch des Gesetzgebers, sein Wahlrecht nach Art. 13 II MwStSystRL auszuüben. Allerdings bliebe dieser Fehler wegen der grundsätzlich fehlenden Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen bei der Ausübung einer steuerfreien Tätig­ keit ohne praktische Bedeutung. 1130 Vgl. zum Ausschluss der Anwendbarkeit des § 2b I 1 UStG im Fall des Handelns auf privatrechtlicher Grundlage oben unter B. II. 2. b) bb). 1131 Vgl. § 9 UStG.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

nicht der Umsatzsteuer unterliegt, besitzt nicht die Möglichkeit, zur Um­ satzsteuerpflicht zu optieren. In diesen Fällen kann es daher bei Ausübung einer vergleichbaren Tätigkeit zu einer unterschiedlichen Behandlung kommen. Aus diesem Grund ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Behandlung als Nichtunternehmerin zu größeren Wettbewerbs­ verzerrungen führen würde. Dabei ist es unbeachtlich, dass sich die Be­ freiungsregelung in diesen Fällen insbesondere zum Nachteil der juristi­ schen Personen des öffentlichen Rechts auswirken würde.1132 Neben Tätigkeiten, die einer sachlichen Steuerbefreiung mit Options­ möglichkeit unterliegen, lassen sich auch für Tätigkeiten, auf die eine zum Vorsteuerabzug berechtigende (echte)1133 Steuerbefreiung Anwen­ dung findet, nicht von vornherein die Möglichkeit von Wettbewerbsver­ zerrungen ausschließen. Denn in diesen Fällen ist zwar die steuerfreie Behandlung von Ausgangsumsätzen vergleichbar, allerdings ermöglichen die echten Steuerbefreiungen grundsätzlich den Vorsteuerabzug.1134 Die­ ser stünde nur einem privaten Unternehmer zu, einer in persönlicher Hinsicht befreiten juristischen Person des öffentlichen Rechts bei Aus­ übung einer vergleichbaren Tätigkeit hingegen nicht. Aus diesem Grund fallen echte Steuerbefreiungen nicht in den Anwendungsbereich des § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG. Dies betrifft vor allem die Steuerbefreiung für grenzüberschreitende Leistungen.1135 (3) Mindestumsatzgrenze für größere Wettbewerbsverzerrungen Nach übereinstimmender Rechtsprechung des EuGH und des BFH liegen Wettbewerbsverzerrungen dann in größerem Umfang vor, wenn sie mehr als unbedeutend sind.1136 Der Gesetzgeber hat diese Einschränkung der Rückausnahmeregelung aufgegriffen und mit § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG fol­ gende Bestimmung eingeführt: (2) Größere Wettbewerbsverzerrungen liegen insbesondere nicht vor, wenn 1. der von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte Umsatz voraussichtlich 17 500 Euro jeweils nicht übersteigen wird oder […]. 1132 Vgl. hierzu auch EuGH, Urt. v. 4.6.2009 – Rs. C-102/08 (SALIX), EU:C:2009:345, Rz. 62 ff.; BT-Drs. 18/6094, 91; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 4. 1133 Vgl. zum Begriff der echten Steuerbefreiung hier nur Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 196. 1134 Vgl. § 15 III UStG. 1135 Vgl. z. B. § 4 I Nr. 1–3, § 15 III Nr. 1 UStG; Widmann, UR 2015, 5 (9). 1136 BFH, Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (560); Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235 (239 f.); EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 79.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Liegen die Voraussetzungen dieser Regelung vor, scheidet die Befreiung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts von der Behandlung als Unternehmerin nicht aufgrund von größeren Wettbewerbsverzerrungen aus. Dass die Behandlung als Nichtunternehmerin nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt, wird mit Bezug auf einen jährlichen Ge­ samtumsatz von maximal 17 500 f unwiderlegbar vermutet.1137 Auf die tatsächlichen Umstände kommt es damit nicht weiter an. Findet § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG Anwendung, ist folglich der allgemeine Tatbestand der Rückausnahme wegen größerer Wettbewerbsverzerrungen nach § 2b Abs. 1 S. 2 UStG nicht weiter zu prüfen.1138 Im Folgenden gilt es in einem ersten Schritt zu klären, wie die Regelung des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG auszulegen ist. Dabei stehen sowohl das Merkmal des maßgeblichen Umsatzes als auch die Voraussetzung der vergleichbaren Tätigkeit im Vordergrund. In einem zweiten Schritt wird darauf aufbauend die Frage zu beantworten sein, ob und inwieweit die Umsatzgrenze eine zulässige Konkretisierung des Merkmals größerer Wettbewerbsverzerrungen darstellt. (a) Ermittlung des Umsatzes aus gleichartigen Tätigkeiten Der auf Grundlage einer unternehmerischen Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erzielte Umsatz darf innerhalb eines Jah­ res einen Betrag von 17 500 f nicht übersteigen. Fraglich ist, welche Um­ sätze bei der Ermittlung der Höchstgrenze zu berücksichtigen sind. Die Regelung führt zur unwiderlegbaren Vermutung, dass die Nichtbe­ steuerung der Tätigkeit zu keinen größeren Wettbewerbsverzerrungen führt. Folglich sind für die Grenze nur solche Umsätze relevant, die grundsätzlich geeignet sind, Wettbewerbsverzerrungen hervorzurufen. Dies sind zum einen Ausgangsumsätze, die der Steuerpflicht unterliegen. Darüber hinaus sind auch steuerfreie Ausgangsumsätze, die jedoch das Recht zum Vorsteuerabzug nicht ausschließen, geeignet, Wettbewerbs­ verzerrungen hervorzurufen.1139 Solche Umsätze sind folglich für die Grenze von 17 500 f ebenfalls zu berücksichtigen. Keine Relevanz besit­ zen hingegen steuerfreie Umsätze, die das Recht zum Vorsteuerabzug ausschließen. Diese Schlussfolgerung wird zudem mit der Regelung des § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG, die bei Ausübung einer grundsätzlich steuerbe­

1137 BT-Drs. 18/6094, 91; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neurege­ lung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 4; Widmann, UR 2015, 5 (8). 1138 Vgl. Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 3; Sterzinger, UR 2015, 655 (662). 1139 Vgl. oben die Ausführungen zu § 2b II Nr. 2 UStG sowie EuGH, Urt. v. 4.6.2009 – Rs. C-102/08 (SALIX), EU:C:2009:345, Rz. 70 ff.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

freiten Tätigkeit ebenfalls die Möglichkeit größerer Wettbewerbsverzer­ rungen verneint, bestätigt. Die Umsatzgrenze bezieht sich auf die Ausübung gleichartiger Tätigkei­ ten. Somit kommt es nicht auf den Gesamtumsatz des Unternehmens einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an, sondern die Grenze gilt jeweils für ein Bündel an Tätigkeiten, die als gleichartig anzusehen sind. Übt damit zum Beispiel eine juristische Person des öffentlichen Rechts sowohl in Bezug auf die Wasserversorgung als auch in Bezug auf die Müllentsorgung gleichartige Tätigkeiten aus, gelten für beide Tätig­ keitsbereiche jeweils die Umsatzgrenze von 17 500 f. Die Wahl einer solchen tätigkeitsbezogenen Umsatzgrenze ist nachvollziehbar und zu­ treffend,1140 denn das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses ist eben­ falls mit Blick auf die Tätigkeit als solche zu beurteilen.1141 Von besonderer Bedeutung für die Wirkung der Umsatzgrenze ist die Fra­ ge, wie das Merkmal der gleichartigen Tätigkeiten auszulegen ist. Ein Erreichen der Umsatzgrenze verhindert, dass die Möglichkeit des Vorlie­ gens größerer Wettbewerbsverzerrungen ausgeschlossen wird und es endgültig bei der Anwendung der Befreiungsregelung verbleibt. Folglich entfaltet die Umsatzgrenze insoweit eine einschränkende Tendenz für die Ausnahmeregelung des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG. Aus diesem Grund ist das Merkmal der gleichartigen Tätigkeiten weit auszulegen. Denn auf diesem Wege fließt eine größere Anzahl an Umsätzen in die Prüfung der Umsatzgrenze ein und erhöht damit ihre einschränkende Wirkung zu Lasten der Ausnahmevorschrift. Offen ist allerdings weiterhin, anhand welches Kriteriums zu bestimmen ist, ob und inwieweit Umsätze einzelner Tätigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Prüfung der Umsatzgrenze zusam­ menzufassen sind. Hierfür könnten sich hilfreiche Anhaltspunkte aus der Funktion und der systematischen Einbindung des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG ergeben. So führen nach dem allgemeinen Vorbehalt in § 2b Abs. 1 S. 2 UStG Wettbewerbsverzerrungen nur dann zu einer Behand­ lung der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige, wenn diese von grö­ ßerem Umfang sind. Diese Einschränkung innerhalb der Rückausnahme­ regelung greift die Umsatzgrenze in § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG auf und konkretisiert sie dahingehend, dass bei einem Umsatz von 17 500 f grundsätzlich keine Wettbewerbsverzerrungen in größerem Umfang vor­ liegen. Die inhaltliche Anknüpfung an den allgemeinen Wettbewerbs­ vorbehalt spricht dafür, die zu seiner Auslegung erarbeiteten und gelten­ den Grundsätze ebenfalls für die Anwendung des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG heranzuziehen. 1140 A. A. wohl Widmann, UR 2015, 5 (8). 1141 Vgl. insb. oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (b) und (c).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Bei dem allgemeinen Wettbewerbsvorbehalt in § 2b Abs. 1 S. 2 UStG er­ folgt die Prüfung eines erforderlichen relevanten Wettbewerbsverhältnis­ ses letztlich nicht anhand der ausgeübten Tätigkeiten, sondern vielmehr mit Blick auf die dabei erbrachten Ausgangsumsätze.1142 Maßgeblich ist dabei, ob die Ausgangsumsätze einer öffentlichen Einrichtung im Wett­ bewerb mit Umsätzen von privaten Steuerpflichtigen stehen. Davon ist nach der Rank Group-Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich auszuge­ hen, wenn die Umsätze beider Seiten vergleichbar sind, also aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers dieselben Bedürfnisse befriedigen.1143 Diese Grundsätze zur Interpretation des allgemeinen Wettbewerbsvorbe­ halts gilt es für die Auslegung des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG zu überneh­ men. Danach ist für die Prüfung, ob mehrere Tätigkeiten einer juristi­ schen Person des öffentlichen Rechts als gleichartig gelten, letztlich ebenfalls auf die dabei erbrachten Ausgangsumsätze abzustellen. Nur soweit diese vergleichbar sind, können sie für die Prüfung der Umsatz­ grenze zusammengefasst und in ihrer Summe herangezogen werden. Die Vergleichbarkeit der Umsätze richtet sich wiederum danach, ob sie aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers dieselben Bedürfnisse befriedi­ gen. Zusammengefasst liegen demnach gleichartige Tätigkeiten im Sin­ ne des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, wenn sie aus Sicht eines Durch­ schnittsverbrauchers zu vergleichbaren Umsätzen führen. (b) Die Zulässigkeit einer Mindestumsatzgrenze von 17 500 f Vor dem Hintergrund der Voraussetzungen der Umsatzgrenze und ihrer Auslegung gilt es nunmehr zu klären, ob die Einführung durch den na­ tionalen Gesetzgeber sowohl dem Grunde als auch ihrer Höhe nach als zulässig erachtet werden kann. So ist in den unionsrechtlichen Vorgaben zur Bestimmung des Begriffs der größeren Wettbewerbsverzerrungen in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL keine quantitative Grenze vorgesehen.1144 Allerdings dür­ fen die Mitgliedstaaten unbestimmte Rechtsbegriffe der Rückausnahme­ regelungen in Art. 13 MwStSystRL bei der Umsetzung in nationales Recht konkretisieren.1145 Davon ist auch die Möglichkeit umfasst, die Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht an eine quantitative Grenze zu knüpfen und auf diesem Wege den unbe­ 1142 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (428); EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), Rz. 45; vgl. zudem oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (b) und unter B. II. 2. c) bb) (1). 1143 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719, Rz. 34 ff.; Englisch, UR 2013, 570 (574). 1144 Vgl. Art. 13 I ii MwStSystRL sowie oben unter A. II. 2. c) cc). 1145 Vgl. in diese Richtung EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Públi­ ca), EU:C:2000:691, Rz. 29 ff.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

stimmten Rechtsbegriff der größeren Wettbewerbsverzerrungen zu kon­ kretisieren.1146 Zudem ist die Umsatzgrenze des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG geeignet, den Verwaltungsaufwand sowohl für die betroffenen juristi­ schen Personen des öffentlichen Rechts als auch für die Finanzbehörden zu mindern. Somit ist die Einführung einer Umsatzgrenze dem Grunde nach mit dem maßgeblichen Inhalt der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vereinbar und folglich insoweit als zulässig anzusehen. Darüber hinaus müsste die Höhe der Umsatzgrenze eine zulässige Kon­ kretisierung des unionsrechtlichen Wettbewerbsvorbehalts darstellen. Dabei lassen sowohl die Höhe der Umsatzgrenze von 17 500 f als auch die Gesetzesbegründung erkennen, dass sich der Gesetzgeber an der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG orientiert hat.1147 Nach dieser Regelung werden Unternehmer, deren Gesamtumsätze eine Höhe von 17 500 f nicht überschreiten, mit ihren unternehmerischen Tätigkeiten als Nichtunternehmer behandelt.1148 Dementsprechend werden ihre Aus­ gangsumsätze nicht mit Umsatzsteuer belastet.1149 Gleichzeitig sind sie von einer Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ausgeschlossen.1150 Im Ergebnis handelt es sich wie bei § 2b Abs. 1 S. 1 UStG um eine persönli­ che Befreiungsvorschrift.1151 Obwohl mit der Kleinunternehmerregelung als Ausnahmevorschrift eine Beeinträchtigung der Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts einhergeht,1152 wird diese im Er­ gebnis als gerechtfertigt angesehen.1153 So dient die Regelung zum einen als Verwaltungsvereinfachung für die Finanzbehörden sowie für die klei­ neren Unternehmen.1154 Teilweise wird der Regelung auch der Zweck einer Stärkung kleinerer Unternehmen zugeschrieben.1155 Zum anderen wird durch diese Regelung vermieden, dass die mit der Heranziehung des Unternehmers als Steuereinsammler verbundene Belastung in Bezug auf den dadurch zu erwartenden steuerlichen Ertrag nicht unverhältnis­

1146 EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 23. 1147 Vgl. Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 3. 1148 Vgl. Korn, in: Bunjes, UStG, § 19 Rz. 1. 1149 Vgl. § 19 I 1 UStG. 1150 Vgl. § 19 I 4 UStG. 1151 Vgl. Friedrich-Vache, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 19 Rz. 3 (Stand: Mai 2014). 1152 Vgl. hierzu Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 69; Friedrich-Vache, a. a. O., § 19 Rz. 5 (Stand: Mai 2014). 1153 Vgl. Englisch, ebenda; Friedrich-Vache, ebenda. 1154 Vgl. EuGH, Urt. v. 26.10.2010 – Rs. C-97/09 (Schmelz), EU:C:2010:632, Rz. 63; Englisch, ebenda; Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 1. 1155 Vgl. EuGH, ebenda; Schüler-Täsch, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 19 Rz. 1 (Stand: April 2014); ablehnend Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 69 in Fn. 1.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

mäßig ausfällt.1156 Des Weiteren ist das Ausmaß der Beeinträchtigung der Grundprinzipien durch die Begrenzung der Regelungsanwendung auf Unternehmer mit einem Gesamtumsatz von 17 500 f von vornherein eingeschränkt. In der Entwurfsbegründung wird die Umsatzgrenze des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG aus Praktikabilitätserwägungen und mit Verweis auf die Kleinunternehmerregelung als zulässig angesehen.1157 Denn Letzterer lie­ ge die innere Wertung zugrunde, dass im Fall einer Umsatzgrenze von 17 500 f es zu keiner größeren Störung des Wettbewerbs komme.1158 Ein Wettbewerbsvorteil durch die Behandlung als Nichtunternehmer besteht vor allem dann, wenn die Wertschöpfung auf Ebene des Kleinunterneh­ mers auf nicht mit Vorsteuer belastete Produktionsmittel beruht. Dies ist vor allem der Einsatz von Arbeitskraft.1159 Dem Gesetzgeber ist dabei grundsätzlich zuzustimmen, dass bei einem Gesamtumsatz von 17 500 f trotz des möglichen Vorteils für die Kleinunternehmer keine bedeutende Störung des Wettbewerbs zu erwarten ist.1160 Fraglich ist jedoch, ob sich die Zulässigkeit der Höhe der Umsatzgrenze des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG aus einem Vergleich mit der Kleinunterneh­ merregelung des § 19 UStG herleiten lässt. So ist zu berücksichtigen, dass der Grenzbetrag für Kleinunternehmer auch mit Blick auf die mit dem § 19 UStG verfolgten Ziele gewählt wurde. Denn diese Ziele lassen sich in der Tendenz umso effektiver verwirklichen, je höher die Umsatz­ grenze ausfällt. Die Umsatzgrenze des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG dient je­ doch weder einer Vereinfachung für die privaten Unternehmer noch ei­ ner Stärkung kleinerer Unternehmen. Zudem scheint das Bedürfnis, das Verhältnis von Verwaltungsaufwand und Steuerertrag für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts angemessen zu gestalten, weitaus ge­ ringer, als dies im Fall der Inanspruchnahme privater Unternehmer als Steuereinsammler gegeben ist. Im Fall des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG fehlen damit im Vergleich zu § 19 UStG tragende Gründe für die Höhe der Um­ satzgrenze. Eine weitere Einschränkung zur Übertragbarkeit der Umsatz­ grenze der Kleinunternehmerregelung auf die Befreiungsvorschrift der juristischen Personen des öffentlichen Rechts liegt darin, dass nicht an deren Gesamtumsatz angeknüpft wird, sondern nur an die Summe der Umsätze, die sich aus gleichartigen Tätigkeiten ergeben. Vor dem Hin­ tergrund, dass das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses grundsätz­ 1156 Vgl. EuGH, ebenda; Schüler-Täsch, ebenda. 1157 Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 3. 1158 Vgl. ebenda. 1159 Vgl. Friedrich-Vache, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 19 Rz. 5 (Stand: Mai 2014). 1160 Vgl. ebenda.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

lich anhand der ausgeübten Tätigkeiten geprüft wird, ist diese Abgren­ zung zur Bestimmung der Umsatzgrenze im Grunde zwar zutreffend. Allerdings lässt sich damit nur eingeschränkt zugunsten der gewählten Höhe der Umsatzgrenze des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG auf eine Vergleich­ barkeit zur Umsatzgrenze des § 19 UStG verweisen. Dementsprechend vermag die Begründung der Höhe der Umsatzgrenze mit einem Verweis auf die Regelung des § 19 UStG nicht zu überzeugen. Allerdings ist dem Gesetzgeber dahingehend zuzustimmen, dass sich an­ hand des Umfangs einer Tätigkeit grundsätzlich ihr Potential zur Herbei­ führung von Wettbewerbsverzerrungen ableiten lässt.1161 Die mit der An­ wendung einer starren Grenze verbundene grundsätzliche Gefahr, dass es in einem gewissen Umfang zu einer Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtunternehmerin kommt, obwohl sich bei einer Einzelfallprüfung hierdurch hervorgerufene nicht mehr unbedeutende Wettbewerbsverzer­ rungen feststellen ließen, können insbesondere durch die Praktikabili­ tätserwägungen gerechtfertigt werden. Denn hierdurch wird der Verwal­ tungsaufwand sowohl für die betroffenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts als auch für die Finanzbehörden gemindert. Daneben führt die Umsatzgrenze zu einem erheblichen Gewinn an Rechtssicher­ heit. So dürfte bei Tätigkeiten mit einem Umsatz von unter 17 500 f die Frage, ob eine Nichtbesteuerung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde oder nicht, regelmäßig nur schwer zu bestimmen sein und die Entscheidungen der einzelnen Finanzbehörden dabei stark voneinan­ der abweichen. Die mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der größeren Wettbewerbsverzerrung verbundene rechtliche Unsicherheit und die da­ mit einhergehende Gefahr einer uneinheitlichen Rechtspraxis werden mit der Umsatzgrenze zumindest maßvoll gemindert. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der gleichartigen Tätigkeiten zum Schutz des Wettbewerbs und zur Wahrung des mehrwertsteuerrechtli­ chen Neutralitätsprinzips unter Berücksichtigung der hier erarbeiteten Kriterien1162 weit auszulegen ist und damit der Anwendung der Umsatz­ grenze bereits enge Grenzen gesetzt sind. Vor diesem Hintergrund ist die Umsatzgrenze ebenfalls ihrer Höhe nach noch vom unionsrechtlichen Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten und zudem von der national­ rechtlichen Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers als gedeckt an­ zusehen. Damit ist die Umsatzgrenze des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zulässig.

1161 Vgl. so auch Art. 13 I iii MwStSystRL; hierzu EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 75 f. 1162 Vgl. zuvor unter B. II. 2. c) bb) (3) (a).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

(c) Keine Optionsmöglichkeit zur Regelbesteuerung Wenn die Umsatzgrenze nicht überschritten wird, verbleibt es wegen der unwiderlegbaren Vermutung zwingend bei einer Befreiung der juristi­ schen Personen des öffentlichen Rechts von einer Unternehmerstellung. Anders als im Fall der persönlichen Befreiungsvorschrift des § 19 UStG besteht keine Möglichkeit zur Wahl einer Behandlung als Unter­ nehmer.1163 Dieser Umstand wurde bereits im Entwurfsstadium der Neu­ regelung des § 2b UStG seitens kommunaler Interessenverbände kri­ tisiert.1164 Allerdings verfügt der Gesetzgeber insoweit über keinen Gestaltungsspielraum. Nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL sind Einrich­ tungen des öffentlichen Rechts zwingend vom Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts ausgeschlossen, wenn sie im Rahmen der öffentli­ chen Gewalt tätig werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn hierdurch größere Wettbewerbsverzerrungen hervorgerufen werden könnten. Be­ stünde somit eine Option zur Regelbesteuerung, führt dies nur dann zu unionsrechtskonformen Ergebnissen, wenn die Behandlung als Nichtun­ ternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Dieses wird aber bei einer Unterschreitung der Umsatzgrenze in der Regel gera­ de nicht der Fall sein. Folglich stünde eine Option zur Regelbesteuerung im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben und der Gesetzgeber hat zutreffend davon abgesehen. Eine Alternative zum unionsrechtlich nicht zulässigen Optionsrecht be­ stünde allenfalls darin, die Regelung zur Umsatzgrenze als widerlegbare Vermutung auszugestalten. Damit mindert sich jedoch wiederum der mit der Regelung erzielte Praktikabilitätsnutzen. Dieser stand jedoch ge­ rade im Fokus des Gesetzgebers,1165 so dass er sich nachvollziehbar und zulässigerweise für die Variante einer unwiderlegbaren Vermutung ent­ schieden hat. (4) Keine Vorsteuerkorrektur beim erstmaligen Vorliegen größerer Wettbewerbsverzerrungen Ergibt sich unter Anwendung des § 2b Abs. 2 UStG, dass die Behandlung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Nichtunterneh­ merin zu keinen größeren Wettbewerbsverzerrungen führt, werden auf der einen Seite die Ausgangsumsätze nicht steuerlich belastet. Auf der anderen Seite besteht aber auch keine Möglichkeit zum Vorsteuerabzug. Somit werden und bleiben Investitionen für die Ausübung der über § 2b 1163 Vgl. im Fall der Kleinunternehmerregelung § 19 II UStG. 1164 Vgl. Stellungnahme vom 31.7.2014 kommunaler Interessenverbände zum § 2b UStG-E, S. 3. 1165 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 91; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neure­ gelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 3.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Abs. 1 S. 1 UStG vom Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts aus­ geschlossenen Tätigkeiten mit der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer belastet. Ändern sich nunmehr die tatsächlichen Verhältnisse, so dass § 2b Abs. 2 UStG keine Anwendung mehr findet und nunmehr größere Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des § 2b Abs. 1 S. 2 UStG zu bejahen sind, unterliegt die juristische Person des öffentlichen Rechts der Um­ satzsteuer und besitzt die Möglichkeit zum Vorsteueranspruch. Vor die­ sem Hintergrund ist zu erwägen, ob auch für die vor dem Beginn der Unternehmereigenschaft anfallenden Investitionskosten zumindest ein anteiliger Vorsteueranspruch bestehen sollte.1166 So hat auch ein Klein­ unternehmer, der erstmalig die maßgebliche Umsatzgrenze überschrei­ tet, die Möglichkeit, die Vorsteuer für vorherige Investitionen teilweise abzuziehen.1167 Aus Verbrauchsteuersicht sowie nach dem Neutralitäts­ gebot wäre eine solche Regelung grundsätzlich zu begrüßen.1168 Aller­ dings sieht das Unionsrecht in der Auslegung durch den EuGH keine Möglichkeit zur Einlagenentsteuerung vor, so dass die spätere erstmalige Zuordnung und Verwendung einer bezogenen Leistung für unternehme­ rische Zwecke keinen Vorsteueranspruch begründet.1169 Allein die Neu­ regelung des § 2b Abs. 2 UStG stellt insoweit auch keinen Grund dar, von den allgemeinen Regeln des Vorsteuerabzugs abzuweichen. So ist die Behandlung juristischer Personen des öffentlichen Rechts als eine Nicht­ unternehmerin nach Unionsrecht zwingend, wenn keine größeren Wett­ bewerbsverzerrungen vorliegen. Die Regelung des § 2b Abs. 2 UStG kon­ kretisiert nur das Wettbewerbskriterium. Sie ordnet jedoch nicht selbst die Behandlung als Nichtunternehmerin an, wie es bei der Kleinunter­ nehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG der Fall ist. Insbesondere deswe­ gen stellt § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG keine spezielle Kleinunternehmerrege­ lung für juristische Personen des öffentlichen Rechts mit ihren Tätigkeiten auf öffentlich-rechtlicher Grundlage dar. Mangels inhaltli­ cher Vergleichbarkeit von § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG und § 19 UStG lässt sich folglich auch nicht unter Verweis auf die Kleinunternehmerregelung mit einer Ungleichbehandlung im Verhältnis zu privaten Unternehmern, die in den Anwendungsbereich des § 19 UStG fallen, argumentieren. Im Ergebnis entspricht die fehlende Möglichkeit zum Vorsteuerabzug für vorherige Investitionskosten beim erstmaligen Überschreiten der Vor­

1166 Vgl. hierzu die Stellungnahme vom 31.7.2014 kommunaler Interessenverbände zum § 2b UStG-E, S. 3. 1167 Vgl. § 15a VII UStG. 1168 Vgl. zur Kritik an der endgültigen Belastung der öffentlichen Hand mit nicht ab­ zugsfähiger Vorsteuer unten unter C. II. 1169 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 23.10.2014 – V R 11/12, BFHE 247, 471 (478 f.); zum Verbot der Einlagenentsteuerung aus Unionssicht oben unter A. IV. 3. und im nationa­ len Recht unten unter B. IV. 1.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

aussetzungen des § 2b Abs. 2 UStG den inhaltlichen Vorgaben des Richt­ linienrechts in der Auslegung durch den EuGH. (5) Zusammenfassung Der Gesetzgeber hat mit § 2b Abs. 1 S. 2 UStG das Wettbewerbskriteri­ um des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL in das nationale Um­ satzsteuerrecht eingeführt. Dieses gilt es unter Berücksichtigung der ­insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung von EuGH und BFH aus­ zulegen. Darüber hinaus konkretisiert der Gesetzgeber mit § 2b Abs. 2 UStG das Merkmal der größeren Wettbewerbsverzerrungen. So stellt er zum einen in Anknüpfung an die Rechtsprechung des BFH klar, dass Tä­ tigkeiten, die grundsätzlich in den Anwendungsbereich einer unechten Steuerbefreiung fallen würden, nicht geeignet sind, größere Wettbe­ werbsverzerrungen hervorzurufen. Zum anderen werden mit ebenfalls überwiegend klarstellender Wirkung größere Wettbewerbsverzerrungen dann ausgeschlossen, wenn der Gesamtumsatz aus gleichartigen Tätig­ keiten die Grenze von 17 500 f nicht überschreitet. Die dem Ausnahme­ charakter der Befreiungsvorschrift dienende Funktion des § 2b Abs. 2 UStG gebietet eine den Anwendungsbereich einschränkende Auslegung, so dass vor allem der Begriff der gleichartigen Tätigkeit weit zu verstehen ist. Die vom Gesetzgeber angedeutete Vergleichbarkeit mit der Kleinun­ ternehmerregelung in § 19 UStG vermag zwar nicht zu überzeugen, gleichwohl handelt es sich bei der Umsatzgrenze um eine zulässige Kon­ kretisierung des Wettbewerbskriteriums. Dabei hat sich der Gesetzgeber zudem zutreffend gegen die Einführung eines Wahlrechts für juristische Personen des öffentlichen Rechts über ihre Behandlung als Unterneh­ merin entschieden. Darüber hinaus steht die Versagung eines nachträgli­ chen Vorsteuerabzugs im Fall des erstmaligen Vorliegens größerer Wett­ bewerbsverzerrungen, die eine Unternehmereigenschaft zur Folge hat, im Einklang mit den geltenden Vorgaben des Richtlinienrechts zum Vor­ steuerabzug. Die klarstellende bzw. konkretisierende Wirkung des § 2b Abs. 2 UStG gebietet, dass dieser vorrangig vor dem Grundtatbestand der Wettbe­ werbsklausel in § 2b Abs. 1 S. 2 UStG zu prüfen ist. Sind die Vorausset­ zungen des § 2b Abs. 2 UStG erfüllt, kommt es auf den Grundtatbestand nicht mehr an. Allerdings handelt es sich bei § 2b Abs. 2 UStG nicht um eine abschließende negative Definition des Wettbewerbskriteriums.1170 Denn in den dort geregelten Fällen sind größere Wettbewerbsverzerrun­ gen nur insbesondere ausgeschlossen. Liegen die Voraussetzungen des § 2b Abs. 2 UStG nicht vor, ist folglich nicht im Umkehrschluss darauf zu schließen, dass größere Wettbewerbsverzerrungen gegeben sind und 1170 Vgl. auch S. Müller, in: Weymüller, BeckOK UStG, § 2b Rz. 139.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

eine Behandlung als Nichtunternehmer ausgeschlossen ist. Dieses gilt es vielmehr auf Grundlage des § 2b Abs. 1 S. 2 UStG zu prüfen. d) Ausschluss von größeren Wettbewerbsverzerrungen bei Leistungs­ beziehungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts In § 2b Abs. 3 UStG finden sich gesetzliche Vorgaben darüber, wann eine unternehmerische Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt, die in­ nerhalb einer Leistungsbeziehung zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird, nicht zu größeren Wettbewerbsver­ zerrungen führt. Damit greift die Regelung den Wettbewerbsvorbehalt des § 2b Abs. 1 S. 2 UStG auf und konkretisiert wie § 2b Abs. 2 UStG den Rechtsbegriff der größeren Wettbewerbsverzerrungen. Im Zusammen­ hang mit dem § 2b Abs. 3 UStG ist zu berücksichtigen, dass der Anlass für die Neuregelung des § 2b UStG insbesondere darin begründet lag, dass infolge der Anwendung der EuGH-Rechtsprechung durch den BFH immer mehr die Leistungsbeziehungen zwischen Einrichtungen der öf­ fentlichen Hand in den Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts ­fielen.1171 So führt eine Leistungserbringung auf privatrechtlicher Grund­ lage wegen der handlungsformbezogenen Auslegung des Begriffs der öf­ fentlichen Gewalt in der Regel schon zu einem steuerbaren Umsatz. Aber selbst wenn die Tätigkeit auf einer öffentlich-rechtlichen Grundla­ ge beruht, ist die endgültige Befreiung von der Unternehmerstellung im­ mer noch davon abhängig, ob es hierdurch zu größeren Wettbewerbsver­ zerrungen kommen kann oder nicht. Indem der BFH auch insoweit die Rechtsprechungsgrundsätze des EuGH umsetzte und das Kriterium folg­ lich weit auslegte, unterlagen ebenfalls Leistungsbeziehungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zunehmend der Umsatz­ steuer. Vor dem Hintergrund, dass die davon betroffenen Leistungen beim Leistungsempfänger regelmäßig nicht für unternehmerische Zwecke be­ zogen und verwendet wurden, führte die Ausweitung der Umsatzbesteu­ erung zu einer ansteigenden steuerlichen Belastung von Kooperations­ formen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Die Belastung betraf vor allem die Leistungserbringung im Rahmen von Bei­ standsleistungen, Amtshilfe oder anderen Formen der Kooperation in­ nerhalb des kommunalen Sektors. Dieser sah sich folglich wegen der Entwicklung in der Rechtsprechung des BFH einer steigenden steuerli­ chen und damit finanziellen Belastung ausgesetzt. Aufgrund der Maßgeblichkeit der unionsrechtlichen Vorgaben bestanden und bestehen allerdings kaum Möglichkeiten, die Nachteile der umsatz­ 1171 Vgl. dazu Baldauf, UR 2014, 549; Englisch, UR 2013, 570; Leippe/Baldauf, DStZ 2012, 283; Pithan, DStZ 2014, 205 (206); Suck, UR 2013, 205; zu den Auswirkun­ gen der Rechtsprechung auf die Besteuerungspraxis auch anschaulich OFD Nie­ dersachsen, Vfg. v. 27.7.2012 – S 7106-283-St 171, UR 2013, 42.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

steuerlichen Behandlung der Leistungsbeziehungen zwischen Einrich­ tungen der öffentlichen Hand zu vermeiden. Somit beschränkte sich der Gesetzgeber darauf, innerhalb der Regelung des § 2b Abs. 3 UStG darzu­ legen, unter welchen Umständen aus seiner Sicht keine größeren Wett­ bewerbsverzerrungen im Fall einer Leistungsbeziehung zwischen juristi­ schen Personen des öffentlichen Rechts bestehen. Die Regelung dient damit nur der Klarstellung und darf inhaltlich nicht von den unions­ rechtlichen Vorgaben abweichen. Darüber hinaus ist allerdings im Rah­ men der Auslegung des Richtlinienrechts und folglich auch bei seiner Umsetzung in nationales Recht zu beachten, dass nach dem Unionspri­ märrecht grundsätzlich ein Schutz der kommunalen Selbstverwaltung geboten ist.1172 Wegen dieser unionsprimärrechtlichen Vorgabe wäre folg­ lich eine Beeinträchtigung der Zusammenarbeit von Kommunen durch eine steuerliche Belastung unzulässig, wenn sich diese nicht mit dem Schutz privater Wettbewerber rechtfertigen ließe.1173 Die Regelung des § 2b Abs. 3 UStG lässt sich damit zumindest in Bezug auf kommunale Kooperationen auch als Konkretisierung des unionsprimärrechtlich ge­ botenen und möglichen Schutzes durch den nationalen Gesetzgeber in­ terpretieren. Die Regelung des § 2b Abs. 3 UStG besteht aus zwei unterschiedlichen Tatbeständen, die nunmehr im Folgenden getrennt voneinander zu un­ tersuchen sind. aa) Ausschluss im Fall der Monopolstellung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Als ersten Tatbestand bestimmt § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG wie folgt: (3) Sofern eine Leistung an eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeführt wird, liegen größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vor, wenn 1. die Leistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden dürfen oder […]. Nach dieser Regelung kommen größere Wettbewerbsverzerrungen nicht in Betracht, wenn die Leistung in rechtlicher Hinsicht nur von einer ju­ ristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht werden darf. Somit ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich, die Personen des Privatrechts von einer vergleichbaren Leistungserbringung an eine juristische Person des öffentlichen Rechts ausschließt. Liegt eine solche gesetzliche Be­ stimmung vor, erlangt die öffentliche Hand eine Monopolstellung, die 1172 Vgl. z. B. die lokale Selbstverwaltung in Art. 4 II EUV. 1173 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (575).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

einen Wettbewerb mit privaten Wirtschaftsteilnehmern unmöglich wer­ den lässt. Dementsprechend geht der Gesetzgeber zutreffend davon aus, dass in einem Fall des § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG die Behandlung als Nicht­ unternehmerin nicht geeignet ist, größere Wettbewerbsverzerrungen hervorzurufen. Diese Sicht findet sich zudem in den unionsrechtlichen Vorgaben bestätigt, die zumindest die reale Möglichkeit des sich Gegen­ überstehens von privaten und öffentlichen Wirtschaftsteilnehmern mit ihren vergleichbaren Leistungen für die Annahme von Wettbewerbsver­ zerrungen voraussetzen.1174 Vor diesem Hintergrund dürften zum Beispiel insbesondere Tätigkeiten im Bereich der Amtshilfe zwischen Behörden aus dem Anwendungsbe­ reich der Umsatzsteuer herausfallen.1175 Soweit allerdings eine juristi­ sche Person des öffentlichen Rechts auf privatrechtlicher Grundlage tä­ tig wird, kommt es auf eine gesetzlich begründete Monopolstellung nicht an. Denn in diesem Fall liegen die Voraussetzungen des § 2b Abs. 1 UStG für eine Befreiung von einer Unternehmereigenschaft nicht vor. Maßgeblich ist dann allein, ob die Tätigkeit einen unternehmeri­ schen Charakter im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG besitzt. Die öffentliche Hand verfügt damit auch nach nationalem Recht1176 grundsätzlich über die Möglichkeit, durch die Schaffung gesetzlicher Grundlagen eine Behandlung als Nichtunternehmerin zu veranlassen. Denn indem für eine Tätigkeit eine gesetzliche Sonderregelung geschaf­ fen wird, liegt ein Handeln im Rahmen der öffentlichen Gewalt vor und es greift die Befreiungsvorschrift des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG. Wird zudem privaten Wirtschaftsteilnehmern durch ein Gesetz die Ausübung einer vergleichbaren Tätigkeit verboten, kann es auch zu keinen Wettbewerbs­ verzerrungen im Sinne des § 2b Abs. 1 S. 2 UStG kommen. bb) Ausschluss im Fall einer durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmten Zusammenarbeit Als zweiter Tatbestand zum Ausschluss von größeren Wettbewerbsver­ zerrungen bei Leistungsbeziehungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts bestimmt § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG wie folgt:

1174 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 (Isle of Wight Council u. a.), EU:C:2008:505, Rz. 31 ff.; Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 9–13 MwStSystRL Rz. 28 (Stand: Aug. 2013); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1142 (Stand: Juli 2014); vgl. insb. oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (a) und (b). 1175 Vgl. auch Widmann, UR 2015, 5 (9); gleiches gilt, wenn zum Beispiel zwei Kom­ munen gemeinsame Standes- und Ordnungsamtsbezirke bilden oder die Tätig­ keiten der Einwohnermeldeämter zentralisieren, BT-Drs. 18/6094, 92. 1176 Zum bestehenden Gestaltungsspielraum auf Grundlage des Unionsrechts oben unter A. II. 2. c).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

(3) Sofern eine Leistung an eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeführt wird, liegen größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vor, wenn 1. […] oder 2. die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn a) die Leistungen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen, b) die Leistungen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen, c) die Leistungen ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und d) der Leistende gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts erbringt. Nach der Grundregel in § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG sind größere Wettbe­ werbsverzerrungen ausgeschlossen, wenn die Zusammenarbeit von ju­ ristischen Personen des öffentlichen Rechts durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Die Frage, wann dieses Merkmal erfüllt ist bzw. anhand welcher Kriterien eine Entscheidung darüber zu treffen ist, wird im nachfolgenden Satz 2 aufgegriffen. So ist danach eine Zusammenarbeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts regelmäßig dann durch gemeinsame spezifische öffentliche Inte­ ressen bestimmt, wenn die in den Nummern 1 bis 4 aufgeführten Vor­ aussetzungen erfüllt sind.1177 Mit Blick auf die sich daraus ergebende Sys­ tematik innerhalb des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG lässt sich folgern, dass der in Satz 2 aufgeführten Kriterienkatalog keine abschließende Definition enthält. Vielmehr handelt es sich dabei um ein Regelbeispiel.1178 Auf der einen Seite kann daher § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG auch dann Anwendung finden, wenn zum Beispiel nur drei der vier Kriterien des Katalogs vorlie­ gen, diese jedoch im konkreten Einzelfall von ausreichendem Gewicht sind. Eine für die Zusammenarbeit bestimmende Wirkung von gemeinsamen spezifischen öffentlichen Interessen liegt folglich nicht nur dann vor, wenn alle der in dem Regelbeispiel genannten Voraussetzungen er­ füllt sind. Hierdurch verbleibt der Grundregel in § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG neben dem Kriterienkatalog weiterhin ein eigenständiger An­ wendungsbereich. Auf der anderen Seite wird mithilfe des Regelbeispiels 1177 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 92; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neure­ gelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 5. 1178 Vgl. Ringwald, UR 2015, 1 (4); Sterzinger, UR 2015, 655 (665).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

vom Gesetzgeber hervorgehoben, auf welche Kriterien vorrangig zur Be­ stimmung des Merkmals der Grundregel in § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG abzustellen ist.1179 Gleichwohl besteht wegen des nicht abschließenden Charakters des Regelbeispiels grundsätzlich die Möglichkeit, dass andere als die gesetzlich genannten Kriterien im Rahmen der Prüfung, ob die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird, herangezogen werden.1180 Fraglich ist allerdings, ob es sich bei dem Regelbeispiel um eine widerleg­ bare oder um eine unwiderlegbare Vermutung handelt. Im letzteren Fall wäre demnach stets von einer bestimmenden Wirkung von gemeinsa­ men spezifischen öffentlichen Interessen auszugehen, wenn alle Voraus­ setzungen des Regelbeispiels erfüllt sind. Die Möglichkeit, dass die Nichtbesteuerung der Leistungen innerhalb einer Zusammenarbeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu größeren Wettbewerbs­ verzerrungen führt, wäre damit ausgeschlossen. Gegen die Annahme ei­ ner unwiderlegbaren Vermutung spricht allerdings gerade der Umstand, dass der Kriterienkatalog vom Gesetzgeber als Regelbeispiel ausgestaltet wurde. Hätte der Gesetzgeber die zwingende Rechtsfolge einer unwider­ legbaren Vermutung erzielen wollen, wäre anstelle des Wortes regelmäßig eher der Begriff insbesondere naheliegend gewesen. Eine demgegen­ über nur regelmäßig anzunehmende Rechtsfolge impliziert hingegen, dass grundsätzlich auch das Gegenteil möglich ist. Die Gesetzesmateria­ lien lassen ebenfalls jeden Hinweis darauf vermissen, dass der Tatbe­ stand des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG immer als erfüllt anzusehen ist, wenn die Voraussetzungen des Kriterienkatalogs erfüllt sind.1181 Bei der Anwendung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG darf in systematischer Hinsicht weiterhin nicht übersehen werden, dass die Ausübung der un­ ternehmerischen Tätigkeit im Rahmen der Zusammenarbeit auf einer öffentlich-rechtlichen Grundlage beruhen muss. Denn im Fall eines Handelns auf privatrechtlicher Grundlage ist schon die Anwendung der Befreiungsregelung des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG ausgeschlossen. Auf das Vorliegen von größeren Wettbewerbsverzerrungen kommt es für die Be­ handlung der öffentlichen Hand als Unternehmerin in diesem Fall nicht mehr an.1182

1179 Vgl. auch Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 4. 1180 Sterzinger, UR 2015, 655 (665). 1181 In den Erläuterungen zum Vorschlag der Finanzministerkonferenz für einen § 2b UStG wird insoweit nur der Gesetzestext widergegeben, vgl. Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: ­Ok­tober 2014), S. 5. Gleiches gilt für die Beratungen im Finanzausschuss, vgl. ­BT-Drs. 18/6094, 75, sowie die Erläuterungen zum Gesetz, BT-Drs. 18/6094, 92. 1182 Vgl. hierzu oben unter B. II. 2. b) bb).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Im Rahmen der weiteren Untersuchung der Regelung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG soll zunächst deren konzeptioneller Hintergrund näher be­ leuchtet werden. Darauf aufbauend gilt es sodann, die einzelnen Voraus­ setzungen, die sich aus dem Regelbeispiel ergeben, eingehend zu erör­ tern. In einem dritten Schritt sind daraus die Folgerungen für das Ausgangsmerkmal, die Bestimmung der Leistungserbringung durch ge­ meinsame spezifische öffentliche Interessen, zu ziehen. In einem ab­ schließenden Schritt ist zu bewerten, ob die Regelung in § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG in Ansehung der zuvor gewonnenen Erkenntnisse im Ganzen geeignet ist, die tatsächliche oder die potentiell-reale Gefahr einer Her­ beiführung von größeren Wettbewerbsverzerrungen durch die Behand­ lung der öffentlichen Hand als Nichtunternehmerin auszuschließen. (1) Ableitung aus dem Vergaberecht Die Abgrenzungskriterien des § 2b Abs. 3 S. 2 UStG zum Ausschluss von größeren Wettbewerbsverzerrungen sind dem Vergaberecht der Euro­ päischen Union entliehen.1183 In der Vergaberichtlinie (VergabeRL)1184 fin­ den sich für die Erteilung von Aufträgen zwischen Einrichtungen des öf­ fentlichen Sektors Ausnahmen von der Anwendung des Vergaberechts. So beruht zum Beispiel das Merkmal des gemeinsamen spezifischen öf­ fentlichen Interesses auf Art. 12 Abs. 4 lit. b VergabeRL.1185 Die einzelnen aufgeführten Kriterien des § 2b Abs. 3 S. 2 UStG sind demgegenüber vor allem aus der Rechtsprechung zum Vergaberecht abgeleitet.1186 Mit der Anknüpfung an das Vergaberecht hat der Gesetzgeber entsprechende Tendenzen innerhalb der Literatur zur Auslegung des Begriffs der größe­ ren Wettbewerbsverzerrungen aufgenommen.1187 Dahinter steht die Überlegung, dass in den Ausnahmefällen des Vergaberechts die Möglich­ keit einer größeren Verzerrung des Wettbewerbs im Verhältnis zu priva­ ten Wirtschaftsakteuren ausgeschlossen wird und sich diese Annahme 1183 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 92; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neure­ gelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 4. 1184 RL 2014/24/EU v. 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhe­ bung der Richtlinie 2004/18/EG (19), ABl. L 94 v. 28.3.2014, S. 65. 1185 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 75; Art. 12 Abs. 4 VergabeRL: Ein ausschließlich zwischen zwei oder mehr öffentlichen Auftraggebern geschlossener Vertrag fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wenn alle nachfolgend genannten Bedingungen erfüllt sind: a) […] b) die Durchführung dieser Zusammenarbeit wird ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt und […]. 1186 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 93; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neure­ gelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 5. 1187 Für das Gesetz grundlegend Englisch, UR 2013, 570 (575 ff.); zustimmend Küffner/Rust, DStR 2014, 2533 (2535); Pithan, DStZ 2014, 205 (215); ablehnend Widmann, DStZ 2014, 147 (152 f.); ders., UR 2015, 5 (10).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

auf das Umsatzsteuerrecht übertragen lässt.1188 Hierzu wird sowohl in der Literatur1189 als auch im Rahmen der Erarbeitung des Gesetzes1190 da­ rauf hingewiesen, dass in den zu übernehmenden Ausnahmefällen des Vergaberechts grundsätzlich auch nach allein umsatzsteuerlichen Krite­ rien die Erbringung vergleichbarer Leistungen von privaten Unterneh­ mern und damit die Möglichkeit von Wettbewerbsverzerrungen regel­ mäßig ausgeschlossen sind. Im Rahmen der Ausnahmen von der Anwendung des Vergaberechts lässt sich bei der Zusammenarbeit von Einrichtungen des öffentlichen Sektors zwischen zwei Fallgestaltungen unterscheiden.1191 Zum einen kann eine Zusammenarbeit in vertikaler Richtung erfolgen. In diesem Fall übt eine der Einrichtungen über die andere eine Kontrolle aus, wie sie auch gegen­ über einer eigenen Dienststelle möglich wäre.1192 Zum anderen kann die Zusammenarbeit von einer Gleichberechtigung der beteiligten Einrich­ tungen geprägt sein. In diesen Fällen besteht eine horizontale Zusam­ menarbeit.1193 (2) Regelbeispiel für eine durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmte Zusammenarbeit Nach § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 2 UStG ist eine Zusammenarbeit von juristi­ schen Personen des öffentlichen Rechts regelmäßig dann durch gemein­ same spezifische öffentliche Interessen bestimmt, wenn die in den Num­ mern 1 bis 4 aufgeführten Kriterien erfüllt sind.1194 Dabei handelt es sich, wie gezeigt, nicht um eine abschließende Definition, sondern um ein Regelbeispiel.1195 Damit gibt der Gesetzgeber für die Anwendung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG vor, dass dabei im Wesentlichen auf die genannten Kriterien abzustellen ist.1196 Von besonderer Bedeutung bzw. von beson­ derem Gewicht sind danach, ob die Zusammenarbeit auf einer langfristi1188 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (575); Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 4 ff. 1189 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (575 f.). 1190 Vgl. Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 5. 1191 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.12.2012 – Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Pro­ vincia di Lecce u. a.), EU:C:2012:817, Rz. 31. 1192 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.11.1999 – Rs. C-107/98 (Teckal), EU:C:1999:562, Rz. 50; Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 34; Englisch, UR 2013, 570 (575). 1193 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 36; Englisch, UR 2013, 570 (576). 1194 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 92; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neure­ gelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 5. 1195 Vgl. Ringwald, UR 2015, 1 (4); Sterzinger, UR 2015, 655 (665). 1196 Vgl. Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 5.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

gen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung beruht und ob die dabei ausge­ übten Leistungen dem Erhalt der Infrastruktur sowie der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen. Des Weiteren ist vor allem zu berücksichtigen, ob die Leistungen im Rahmen der Zusammenarbeit ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und ob die leistende juristische Person des öffentlichen Rechts gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts erbringt. (a) Langfristige öffentlich-rechtliche Vereinbarung Als erstes Kriterium sieht das Regelbeispiel vor, dass die Leistungen bei der Zusammenarbeit auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinba­ rungen beruhen. Dieses Kriterium lässt sich zwar nicht dem Art. 12 Abs. 4 lit. b VergabeRL selbst entnehmen, jedoch soll sich dieses aus der darauf beruhenden Rechtsprechung des EuGH ergeben.1197 So urteilte der EuGH in seiner Entscheidung Hamburger Stadtreinigung, dass ein Ver­ trag zwischen gleichberechtigten Einrichtungen des öffentlichen Sektors nicht dem Vergaberecht unterliegt.1198 Der Vertrag sah für die vereinbarte Zusammenarbeit eine Dauer von 20 Jahren und die Möglichkeit auf eine Verlängerung vor.1199 Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzge­ ber in der Laufzeit einer Vereinbarung ein geeignetes und allgemeingülti­ ges Anknüpfungsmerkmal zur Bestimmung der gemeinsamen spezifi­ schen öffentlichen Interessen sieht. Sowohl die Anknüpfung an die Laufzeit von Vereinbarungen als auch die damit verbundenen Erwartungen und Vorstellungen vermögen allerdings wenig zu überzeugen. So wurde im Rahmen der Entwurfsbegründung da­ rauf hingewiesen, dass es bei kurzen Laufzeitvereinbarungen grundsätz­ lich schon an einer nachhaltigen Tätigkeit fehle und in diesen Fällen eine unternehmerische Tätigkeit ausscheide.1200 Das bedeutet jedoch, dass bereits eine Vereinbarung über nicht nur einmalige und gelegentliche Leistungen als längerfristig zu gelten hat. Damit erlangt das Merkmal der Laufzeit jedoch kaum an praktischer Bedeutung zur Abgrenzung. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bereits auch ein einmaliges Tätigwerden nachhaltig sein und damit eine unternehmerische Tätigkeit begründen kann.1201 1197 Ebenda. 1198 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 31 ff. 1199 EuGH, a. a. O., Rz. 5. 1200 Vgl. Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 5; wohl zustimmend Sterzinger, UR 2015, 655 (660). 1201 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 18.11.1999 – V R 22/99, BStBl. II 2000, 241 (243); zum Be­ griff der Nachhaltigkeit oben unter B. II. 1. a) bb).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf seinen Zweck als Abgren­ zungsmerkmal ist das Kriterium der Langfristigkeit dahingehend auszu­ legen, dass eine vergleichbare Laufzeit für die Vereinbarung im konkre­ ten Einzelfall mit einem privaten Unternehmer nicht möglich gewesen wäre und die Laufzeit sich an den verfolgten gemeinsamen öffentlichen Interessen orientiert bzw. diesen erkennbar dient. So war zum Beispiel die Laufzeit des Vertrages von mindestens 20 Jahren in dem Sachverhalt, der dem Urteil Hamburger Stadtreinigung zugrunde lag, der Durchführ­ barkeit der Zusammenarbeit geschuldet.1202 Da der Gesetzgeber erkenn­ bar kurzfristige Laufzeiten mit einer nicht nachhaltigen Tätigkeit in Be­ ziehung setzt, ist das Merkmal weit auszulegen. Damit kann eine Vereinbarung auch bei kürzeren Laufzeiten, zum Beispiel von ein oder zwei Jahren, als langfristig angesehen werden. Ein besonderes Gewicht sollte bei der Auslegung allerdings der Frage zukommen, ob und inwie­ weit die Laufzeit in Bezug auf die Zusammenarbeit konkreten öffentli­ chen Interessen dient und darauf beruhend die Möglichkeit, dass eine solche Vereinbarung auch mit einem privaten Unternehmer hätte erzielt werden können, als unwahrscheinlich erscheinen lässt. Denn in diesem Fall mindern sich die Möglichkeiten eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Unternehmern und damit die Gefahr von größeren Wettbewerbsverzerrungen. Keine weitergehende Bedeutung kommt der Voraussetzung zu, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung handeln muss. Denn die Vereinbarung liegt dem Handeln der juristischen Person des öffentlichen Rechts zugrunde. Die Anwendung der Befreiungsregelung des § 2b UStG setzt jedoch voraus, dass die Grundlage der unternehmerischen Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Natur ist. Fehlt es folglich an einer öffentlich-recht­ lichen Vereinbarung, weil die juristische Person des öffentlichen Rechts als Subjekt des Privatrechts handelt, kommt es auf das Vorliegen von größeren Wettbewerbsverzerrungen gar nicht mehr an. Somit dient es allein der Klarstellung, wenn das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung gefordert wird. Insbesondere lässt sich nicht im Umkehr­ schluss daraus folgern, dass auch ein Handeln auf privatrechtlicher Grundlage als Handeln im Rahmen der öffentlichen Gewalt gelten kön­ ne.1203 Denn das gesetzgeberische Ziel, ein privatrechtliches Handeln vom Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift des § 2b UStG auszu­ schließen, lässt sich deutlich sowohl dem Gesetzestext als auch der ex­ pliziten Absicht, eine unionsrechtskonforme Regelung zu erlassen, ent­ nehmen.1204 1202 EuGH, Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 37 ff. 1203 So aber Küffner/Rust, DStR 2014, 2533 (2537). 1204 Vgl. oben unter B. II. 2. b) bb).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

(b) Leistung zum Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und zur ­Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe Die langfristige öffentlich-rechtliche Vereinbarung muss Leistungen um­ fassen, die sowohl dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur als auch der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dient. Dieses Kriterium ist dem Art. 12 Abs. 4 lit. b VergabeRL sowie der EuGH-Rechtsprechung1205 entliehen und stammt damit wiederum aus dem Vergaberecht.1206 Der Gesetzgeber scheint davon auszugehen, dass bei Einhaltung dieser Voraussetzungen Leistungen unter Rahmenbedin­ gungen erbracht werden, die nicht von Privatpersonen erfüllt werden können.1207 Damit scheiden unter diesen Voraussetzungen die Möglich­ keit vergleichbarer privater Leistungen und folglich auch die Gefahr von größeren Wettbewerbsverzerrungen aus.1208 Die Voraussetzung, dass die Leistung der Wahrnehmung einer allen Be­ teiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen muss, stellt eine unge­ naue Übernahme der hier zum Vorbild genommenen EuGH-Rechtspre­ chung dar. Denn danach muss die Zusammenarbeit selbst diesem Zweck dienen.1209 Eine Beurteilung des jeweiligen Leistungsinhalts anhand die­ ses Kriteriums ist nach dieser Rechtsprechung nicht vorgesehen. Doch in der Regel dürfte die Leistungserbringung wiederum dem Zweck der Zu­ sammenarbeit dienen. Aus diesem Grund entspricht der Zweck der Leis­ tung grundsätzlich auch dem Zweck der Zusammenarbeit, so dass die ungenaue Übernahme eine geringe Bedeutung erlangt. Gleichwohl sollte der Zweck der Leistungserbringung nicht isoliert und losgelöst vom Zweck der Zusammenarbeit bestimmt werden, um der gesetzlich ver­ folgten Anknüpfung an das Vergaberecht der Europäischen Union im Rahmen der Auslegung gerecht zu werden. Eine öffentliche Aufgabe obliegt allen Beteiligten grundsätzlich nur dann, wenn diese sich gleichrangig gegenüberstehen. Im Fall einer vertikalen Zusammenarbeit von Einrichtungen im öffentlichen Sektor hingegen dürfte es regelmäßig dazu kommen, dass nur eine der Einrichtungen eine ihr obliegende öffentliche Aufgabe erfüllt.1210 Nach der Gesetzesbegrün­ 1205 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 37. 1206 Vgl. Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 5. 1207 BT-Drs. 18/6094, 75. 1208 Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 5. 1209 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 37; Englisch, UR 2013, 570 (576). 1210 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (576); Stellungnahme vom 31.7.2014 kommunaler Interessenverbände zum § 2b UStG-E, S. 7.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

dung soll dieses Kriterium jedoch auch im Fall einer vertikalen Zusam­ menarbeit vorliegen können.1211 So wird als Beispiel die Gründung eines (öffentlich-rechtlichen) Zweckverbandes genannt, der für die daran betei­ ligten öffentlichen Einrichtungen Aufgaben übernimmt und ausübt.1212 Damit sollen aus Sicht des Gesetzgebers auch vertraglich übernommene öffentliche Aufgaben als einer juristischen Person des öffentlichen Rechts obliegend beurteilt werden können. Hierdurch verliert das Merk­ mal allerdings erheblich an seiner Abgrenzungswirkung. Denn Privatper­ sonen können als Beliehene ebenfalls öffentliche Aufgaben auf Grundla­ ge eines öffentlich-rechtlichen Vertrages übernehmen und ausüben. Diese Verzerrung des Merkmals beruht darauf, dass der Gesetzgeber ein Kriterium der Rechtsprechung des EuGH zum Vergaberecht für die Fall­ gestaltung einer horizontalen Zusammenarbeit von Einrichtungen im öffentlichen Sektor1213 auf die Fallgestaltung einer vertikalen Zusam­ menarbeit überträgt. Vor diesem Hintergrund scheint es geboten, dem Kriterium bei einer vertikalen Zusammenarbeit nur eine geringe Bedeu­ tung beizumessen. Zur Verwirklichung des gesetzgeberischen Willens sollte das Kriterium folglich teleologisch reduziert werden und nur in den Fällen einer horizontalen Zusammenarbeit eine für die Anwendbar­ keit der Regelung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG einschränkende Wirkung entfalten. Die Leistungen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gegen­ über einer anderen bzw. die vereinbarte Zusammenarbeit müssen darü­ ber hinaus dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur dienen. Nach der Begründung des insoweit unverändert übernommenen Entwurfs für ei­ nen § 2b UStG sollen darunter beispielsweise Leistungen zum Erhalt der Verwaltungs-, Dienstleistungs- oder technischen Infrastruktur fallen.1214 Verbunden mit diesem Kriterium ist ebenfalls die Erwartung, dass in die­ sen Fällen die Leistungen aufgrund der damit verbundenen Rahmenbe­ dingungen nicht mit solchen von privaten Unternehmern vergleichbar seien und folglich ein Wettbewerbsverhältnis nicht bestehe.1215 Es ist je­ doch sehr fraglich, ob angesichts der Formulierung des Kriteriums die damit verbundene Erwartung berechtigt ist. So bezieht die öffentliche Hand regelmäßig Leistungen von privaten Unternehmen, die dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur dienen. Zu nennen sind zum Beispiel Leis­ tungen im Bereich der EDV, der Öffentlichkeitsarbeit oder der Abfallent­ 1211 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 92. 1212 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 92; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neure­ gelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 5. 1213 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 36 f.; Englisch, UR 2013, 570 (576). 1214 Vgl. Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 5. 1215 A. a. O.,  S.  6.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

sorgung. Gleichwohl hat dieses Kriterium seine Berechtigung dahinge­ hend, als dass nur in den Fällen, in denen öffentliche Ziele und Interessen verfolgt werden, Rahmenbedingungen bestehen können, die private Un­ ternehmer von der Möglichkeit einer vergleichbaren Leistungserbrin­ gung ausschließen. Somit indiziert das Merkmal nicht den Ausschluss größerer Wettbewerbsverzerrungen, sondern dient vielmehr der Abgren­ zung von Leistungen, die Zielen und Interessen dienen, die bereits nicht als öffentlich anzusehen sind.1216 In diesem zuvor genannten Sinne und damit entsprechend weit sollte folglich das Merkmal ausgelegt werden. So entspricht nicht nur der Er­ halt der öffentlichen Infrastruktur öffentlichen Interessen, sondern auch deren Schaffung oder Nutzung.1217 Die Beschränkung des Regelbeispiels auf die öffentliche Infrastruktur dürfte zudem im Zusammenhang mit dem Erfordernis stehen, dass die Zusammenarbeit nach dem Grundtat­ bestand des § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG durch spezifische öffentliche In­ teressen bestimmt sein muss. Ob ein öffentliches Interesse spezifisch ist, ergibt sich mit Blick auf die mit der Leistung verbundene öffentliche Aufgabe. Denn lässt diese erkennen, dass insoweit ein besonderes öffent­ liches Interesse besteht, kann dieser Umstand gegen die Möglichkeit ei­ ner vergleichbaren Leistungserbringung durch einen privaten Unterneh­ mer sprechen. Folglich ist das Merkmal der öffentlichen Infrastruktur, wie es auch die Gesetzesbegründung mit ihren Beispielen andeutet, weit zu verstehen und mit Blick auf die durch die Zusammenarbeit verfolgten öffentlichen Aufgaben zu beurteilen. Im Rahmen einer solchen Ausle­ gung kann die Beschränkung auf Leistungen, die dem Erhalt der öffentli­ chen Infrastruktur dienen, eine zu möglichen Leistungen von Privatper­ sonen abgrenzende Funktion wirksam entfalten. (c) Leistungen ausschließlich gegen Kostenersatz Des Weiteren setzt das Regelbeispiel voraus, dass die Erbringung von Leistungen im Rahmen der Zusammenarbeit ausschließlich gegen Kos­ tenersatz erfolgt. Diese Vorgabe findet sich wiederum in der EuGH-Recht­ sprechung zum Vergaberecht.1218 Zwar lässt die bloße Erstattung der an­ fallenden Kosten nicht bereits mangels Entgelt den unternehmerischen Charakter der Leistung entfallen,1219 gleichwohl ist die Erzielung eines Gewinns bzw. die Berücksichtigung eines Unternehmergewinns im Rah­ men der Kostenkalkulation ein regelmäßiges Wesensmerkmal privaten 1216 In diese Richtung auch Englisch, UR 2013, 570 (576). 1217 Vgl. die Bedenken in der Stellungnahme kommunaler Interessenverbände vom 31.7.2014 zu einer ersten Entwurfsfassung des § 2b UStG, S. 6. 1218 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 44; Englisch, UR 2013, 570 (576). 1219 Vgl. Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 62.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Wirtschaftens. Aus diesem Grund lässt eine Leistungserbringung gegen bloßen Kostenersatz zum einen den Schluss zu, dass die Leistung vor al­ lem auf der Verfolgung gemeinsamer öffentlicher Interessen beruht. Zum anderen werden private Unternehmer eine vergleichbare Leistung unter diesen Rahmenbedingungen in der Regel nicht erbringen.1220 Damit lässt dieses Kriterium sowohl den Schluss auf eine bestimmende Wirkung spezifischer öffentlicher Interessen für die Zusammenarbeit als auch auf den Ausschluss der Gefahr von größeren Wettbewerbsverzerrungen zu. (d) Wesentliches Tätigwerden gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts Eine juristische Person des öffentlichen Rechts darf im Rahmen des Re­ gelbeispiels auf Grundlage der Vereinbarung im Wesentlichen nur für eine oder mehrere andere juristische Personen des öffentlichen Rechts tätig werden. Diese Regelung beruht wiederum auf einer Anlehnung an das Vergaberecht.1221 Die grundsätzlich den Anwendungsbereich des § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 2 UStG einschränkende Wirkung ist angesichts der Orien­ tierung an die Vorgaben des Vergaberechts konsequent. Denn die Aus­ nahmen von der Anwendung des Vergaberechts betreffen den Leistungs­ austausch zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors. Daran fehlt es, wenn die Vereinbarung über die Zusammenarbeit ein Tätigwerden gegenüber privaten Dritten in einem Umfang von merklichem Gewicht vorsieht bzw. begründet. Soweit allerdings Leistungen gegenüber Privat­ personen nicht auf der Vereinbarung über die Zusammenarbeit beruhen, sondern unabhängig davon infolge einer obliegenden originären hoheitli­ chen Aufgabe erfolgen, sollen diese aus Sicht der Entwurfsbegründung nicht für die Prüfung der Voraussetzung zu berücksichtigen sein.1222 Die­ se Einschränkung ist nur sachgerecht, denn im Rahmen des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG wird die verzerrende Wirkung von Leistungen geprüft, die auf einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung beruhen. Ob und inwieweit Leistungen auf einer anderen Grundlage erfolgen, ist für die Beurteilung der Zusammenarbeit insoweit unerheblich.

1220 Vgl. Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 5. 1221 Vgl. Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 5; Art. 12 IV lit. b und lit. c VergabeRL; EuGH, Urt. v. 18.11.1999 – Rs. C-107/98 (Teckal), EU:C:1999:562, Rz. 50. 1222 Vgl. so klarstellend der Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neurege­ lung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 6; siehe auch die zuvor geäußerten Bedenken in der Stellungnahme kommunaler Interessenverbände vom 31.7.2014 zu einer ersten Entwurfsfassung des § 2b UStG, S. 7 f.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

(3) Der Grundtatbestand einer durch gemeinsame spezifische ­öffentliche Interessen bestimmten Zusammenarbeit Der Grundtatbestand in § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG ist dem Vergaberecht entliehen1223 und folglich grundsätzlich unter Berücksichtigung der hier­ zu ergangenen Rechtsprechung auszulegen.1224 Der Regelung liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass in diesem Fall durch die Tä­ tigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts keine größeren Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu privaten Unternehmern her­ vorgerufen werden.1225 Anhand welcher vorrangigen Kriterien dieser Grundtatbestand zu bestimmen ist, erschließt sich jedoch erst mit Blick auf die Einzelkriterien des Regelbeispiels. Bei deren Untersuchung hat sich gezeigt, dass die Laufzeit der Zusammenarbeit allenfalls einen er­ gänzenden Anhaltspunkt darstellen kann. Von hervorgehobener Bedeu­ tung ist die Frage, ob und inwieweit die Zusammenarbeit von der Wahr­ nehmung und Ausübung öffentlicher Aufgaben geprägt ist. Ergibt sich daraus, dass die Zusammenarbeit auf besondere Anforderungen und Er­ fordernisse zur Erreichung der mit den öffentlichen Aufgaben verbunde­ nen Ziele maßgeblich Rücksicht nimmt bzw. diese im Rahmen der Aus­ gestaltung berücksichtigt wurden, kann von einer Bestimmung anhand spezifischer öffentlicher Interessen nach der gesetzlichen Wertung ausge­ gangen werden.1226 Mit Blick auf die Untersuchung der Einzelmerkmale in § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 2 lit. b UStG wird deutlich, dass der Voraussetzung von spezifischen öffentlichen Interessen keine besondere Abgrenzungs­ funktion zukommt. Insbesondere wird hierdurch nicht der Anwendungs­ bereich des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG eingeschränkt. Ähnliches gilt für die Frage, ob diese Interessen für alle beteiligten juristischen Personen beste­ hen und damit als gemeinsam angesehen werden können.1227 Diese stellt allenfalls im Rahmen einer horizontalen Zusammenarbeit einen geeig­ neten Anknüpfungspunkt dar. Gegen die Annahme einer bestimmenden Wirkung von spezifischen öf­ fentlichen Interessen spricht hingegen, wenn ein vereinbartes Entgelt für die Leistungserbringung die anfallenden Kosten übersteigt. Gleiches gilt, 1223 Vgl. Art. 12 IV lit. b VergabeRL, der von einer ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmten Zusam­ menarbeit spricht. 1224 BT-Drs. 18/6094, 92; Vorschlag der Finanzministerkonferenz für eine Neurege­ lung in § 2b UStG-E (Stand: Oktober 2014), S. 4. 1225 Ebenda. 1226 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.1.2005 – Rs. C-26/03 (Stadt Halle und RPL Lochau), EU:C:2005:5, Rz. 50; Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 47; darauf verweisend Englisch, UR 2013, 570 (575). 1227 Zum Erfordernis eines gemeinsamen spezifischen öffentlichen Interesses eben­ falls kritisch die Stellungnahme kommunaler Interessenverbände vom 31.7.2014 zu einer ersten Entwurfsfassung des § 2b UStG, S. 5 f.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

wenn die auf der Vereinbarung beruhenden Leistungen gegenüber einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts bei der Zusammen­ arbeit nicht wesentlich im Vordergrund stehen. Darüber hinaus wurde in den Beratungen des Finanzausschusses darauf hingewiesen, dass sich bei verwaltungsunterstützenden Hilfstätigkeiten regelmäßig ebenfalls kei­ ne spezifischen öffentlichen Interessen als bestimmend auf eine Zusam­ menarbeit auswirken würden.1228 Dies gelte auch „für Vereinbarungen, deren Gegenstand im Wesentlichen auf die Ausführung von Grünpflege­ arbeiten sowie von Neubau- und Sanierungsmaßnahmen an Straßen und Gebäuden beschränkt sei.“1229 Damit wird zutreffend dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Piepenbrock Rechnung getragen. Denn danach handelt es sich bei einer Vereinbarung zwischen öffentlichen Einrichtun­ gen über die Erbringung von Reinigungsleistungen nicht um die „Wahr­ nehmung einer gemeinsamen Gemeinwohlaufgabe […].“1230 Demnach unterliegt ein entsprechender Auftrag grundsätzlich dem Vergaberecht. Wegen der Anknüpfung an die Ausnahmen von der Anwendung des Ver­ gaberechts ist diese Entscheidung folglich auch im Rahmen des § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG einschränkend zu berücksichtigen. (4) Abschließende Bewertung des Ausschlusstatbestandes Nachdem der Anwendungsbereich und die Merkmale des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG untersucht wurden, gilt es auf dieser Grundlage die Regelung als solche zu beurteilen. Dafür ist in einem ersten Schritt zu erörtern, ob mit dieser dem Gesetzgeber eine adäquate Übertragung der Ausnahmen von der Anwendung des Vergaberechts in das Umsatzsteuerrecht gelun­ gen ist. In einem zweiten Schritt soll der Frage nachgegangen werden, ob prinzipiell die Anknüpfung an das Vergaberecht zu befürworten ist. Ausgangspunkt der Anknüpfung an das Vergaberecht der Europäischen Union sind die darin vorgesehenen Ausnahmen von der Anwendung im Fall der Zusammenarbeit von Einrichtungen im öffentlichen Sektor. Da­ bei ist zwischen einer vertikalen und horizontalen Zusammenarbeit zu unterscheiden.1231 Als prägende Leitentscheidung hat sich zur vertikalen Zusammenarbeit das Urteil in der Rechtssache Teckal1232 erwiesen.1233 Danach findet das Vergaberecht nur dann keine Anwendung, wenn die beauftragende öffentliche Einrichtung über die beauftragte Einrichtung eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübt. Zusätzlich muss 1228 BT-Drs. 18/6094, 75. 1229 Ebenda. 1230 EuGH, Urt. v. 13.6.2013 – Rs. C-386/11 (Piepenbrock), EU:C:2013:385, Rz. 41. 1231 Vgl. Urt. v. 19.12.2012 – Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a.), EU:C:2012:817, Rz. 31. 1232 EuGH, Urt. v. 18.11.1999 – Rs. C-107/98 (Teckal), EU:C:1999:562. 1233 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (575).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

die beauftragte Einrichtung im Wesentlichen für die sie beauftragende und kontrollierende öffentliche Einrichtung tätig werden.1234 Für den Fall einer horizontalen Zusammenarbeit soll nach der Leitentscheidung in der Rechtssache Hamburger Stadtreinigung1235 von einer Anwendung des Vergaberechts abzusehen sein, wenn der Vertrag ausschließlich zwi­ schen öffentlichen Einrichtungen geschlossen wurde.1236 Zudem darf in­ folge der Vereinbarung kein privater Wirtschaftsteilnehmer besser ge­ stellt werden als die anderen Wettbewerber und die Zusammenarbeit muss durch Anforderungen, die sich aus öffentlichen Interessen ergeben, bestimmt werden.1237 Damit bestehen nach dem Vergaberecht für die bei­ den Fallgestaltungen verschiedene Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Anwendung der Vorgaben zur Auftragsvergabe. Der Gesetzgeber kombiniert jedoch in der Regelung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 2 UStG die sich aus der Rechtsprechung ergebenden Vorgaben zu den unterschiedli­ chen Fallgestaltungen. Dadurch entfernt sich die Regelung von dem maßgeblichen Vergaberecht und schränkt den Anwendungsbereich der jeweiligen Fallgestaltung weiter ein.1238 Sinnvoller wäre es hier gewesen, die Anknüpfung an das Vergaberecht konsequent umzusetzen und zwi­ schen den beiden Fallgestaltungen zu unterscheiden. Zwar lässt sich die einschränkende Wirkung infolge der Kumulierung der Voraussetzungen aus dem Vergaberecht, wie im Rahmen der Untersuchung der Regelung gezeigt,1239 im Wege einer entsprechenden Auslegung teilweise mindern. Gleichwohl verursacht das Vorgehen des Gesetzgebers eine Komplexität, die leicht zu vermeiden gewesen wäre. Zudem wäre eine Unterscheidung zwischen einer vertikalen und einer horizontalen Zusammenarbeit ange­ sichts des erklärten Willens, an das Vergaberecht der Europäischen Uni­ on anknüpfen zu wollen, nur konsequent gewesen.1240 Einer konsequenten Einführung der Ausnahmeregelungen des Vergabe­ rechts in das Umsatzsteuerrecht vorgelagert ist die Frage, ob und inwie­ 1234 EuGH, Urt. v. 18.11.1999 – Rs. C-107/98 (Teckal), EU:C:1999:562, Rz. 50; bestä­ tigt im Urt. v. 11.1.2005 – Rs. C-26/03 (Stadt Halle und RPL Lochau), EU:C:2005:5, Rz. 49; Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 34; Urt. v. 29.11.2012 – Rs. C-182/11 (Econord), EU:C:2012:758, Rz. 25; Urt. v. 19.12.2012 – Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a.), EU:C:2012:817, Rz. 34. 1235 EuGH, Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357. 1236 EuGH, a. a. O., Rz. 44; Urt. v. 19.12.2012 – Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a.), EU:C:2012:817, Rz. 35. 1237 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 47; Urt. v. 19.12.2012 – Rs. C-159/11 (Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a.), EU:C:2012:817, Rz. 35; vgl. hierzu insgesamt Englisch, UR 2013, 570 (576). 1238 Vgl. so auch die Kritik in der Stellungnahme kommunaler Interessenverbände vom 31.7.2014 zu einer ersten Entwurfsfassung des § 2b UStG, S. 5. 1239 Vgl. oben unter B. II. 2. d) bb) (2) (b) und (3). 1240 So z. B. insoweit zutreffend die „Vorarbeiten“ von Englisch, UR 2013, 570 (575 ff.).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

weit die Anknüpfung selbst zu überzeugen vermag. In der Literatur wird ein solches Vorgehen teilweise befürwortet.1241 So geht Englisch zunächst zutreffend davon aus, dass der EuGH die Ausnahmen von der Anwen­ dung des Vergaberechts zugunsten öffentlicher Einrichtungen einräumt, weil unter den in seiner Rechtsprechung genannten Voraussetzungen eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs zwischen den privaten Wettbe­ werbern nicht erfolgt.1242 Der EuGH stellt dabei darauf ab, dass die Ver­ einbarung zwischen den Einrichtungen des öffentlichen Sektors durch „Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen.“1243 Daraus zieht Englisch und ihm wohl folgend der Gesetzgeber den Schluss, dass damit der EuGH in diesen Fällen gleichzeitig bereits ein Wettbe­ werbsverhältnis zwischen den zusammenarbeitenden Einrichtungen des öffentlichen Sektors und privaten Wettbewerbern negiert.1244 Fraglich ist, ob diese Interpretation der EuGH-Rechtsprechung zutref­ fend ist. Hierfür ist es dienlich, sich die vorrangige Zielrichtung und die Rechtsfolge des Vergaberechts der Europäischen Union zu vergegenwär­ tigen. So soll vor allem verhindert werden, dass inländische Unterneh­ men durch die gezielte Vergabe öffentlicher Aufträge gegenüber ihren ausländischen Mitbewerbern in der Europäischen Union bevorzugt wer­ den.1245 Die Regeln zur Auftragsvergabe dienen zudem der Transparenz und der Verhinderung von Diskriminierungen.1246 Daher finden die Re­ geln nur dann Anwendung, wenn ein Auftrag an Dritte vergeben wird.1247 Wird ein öffentlicher Auftrag demnach nicht nach außen vergeben, son­ dern handelt es sich um ein in-house-Geschäft, ist eine Berücksichtigung der Vorgaben zur Auftragsvergabe nicht erforderlich.1248 Denn in diesen Fällen kommt eine Bevorzugung eines (inländischen) Unternehmens ge­ genüber einem ausländischen Mitbewerber nicht in Betracht.1249 Ein sol­ ches in-house-Geschäft liegt auch dann vor, wenn ein öffentlicher Auf­ 1241 Grundlegend Englisch, UR 2013, 570 (575); zustimmend Küffner/Rust, DStR 2014, 2533 (2535); Pithan, DStZ 2014, 205 (215); ablehnend Widmann, DStZ 2014, 147 (152 f.); ders., UR 2015, 5 (10). 1242 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.1.2005 – Rs. C-26/03 (Stadt Halle und RPL Lochau), EU:C:2005:5, Rz. 51; Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 47; Englisch, ebenda. 1243 Ebenda. 1244 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (575); BT-Drs. 18/6094, 75, 92; Vorschlag der Finanz­ ministerkonferenz für eine Neuregelung in § 2b UStG-E, S. 4. 1245 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 31 der RL 2014/24/EU v. 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (19), ABl. L 94 v. 28.3.2014, S. 65; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 21 Rz. 57. 1246 Vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim, ebenda. 1247 Vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 21 Rz. 63. 1248 Ebenda. 1249 Ebenda.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

traggeber die beauftragte Einrichtung kontrolliert1250 oder aber bei dem Auftrag von vornherein wegen einer Vereinbarung zwischen öffentlichen Einrichtungen die Involvierung privater Wirtschaftsteilnehmer nicht vorgesehen ist.1251 Maßgeblich für die Ausnahme von der Anwendung des Vergaberechts ist somit zuvorderst die fehlende Gefahr der Bevorzugung bestimmter privater Unternehmer. Ob ein privater Unternehmer gleich­ wohl eine grundsätzlich vergleichbare Leistung erbringen könnte, ist da­ bei unbeachtlich. Finden die Regelungen des Vergaberechts Anwendung, muss die öffentli­ che Einrichtung als Auftraggeberin die Vergabe des Vertrages ausschrei­ ben und dem Bewerber mit dem sich anhand der zuvor festgelegten Kri­ terien ergebenden besten Angebot den Zuschlag erteilen.1252 Damit kann sich die öffentliche Einrichtung den Leistungserbringer nicht frei aussu­ chen, sondern dieser ergibt sich allein aus dem Verfahren.1253 Hierdurch kommt es zu einer weitgehenden Beschränkung der Entscheidungsfrei­ heit von öffentlichen Einrichtungen. Dies erkennt der EuGH und betont dementsprechend, dass die öffentliche Einrichtung als Auftraggeberin die Möglichkeit hat, „ihre im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben mit ihren eigenen administrativen, technischen und sonstigen Mitteln zu erfüllen, ohne gezwungen zu sein, sich an externe Einrichtungen zu wenden, die nicht zu ihren Dienststellen gehören.“1254 Dieser Grundsatz gilt auch für eine Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen.1255 Damit schützt der EuGH die Entscheidungsfreiheit der öffentlichen Ein­ richtungen bei der Erfüllung ihrer im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben.1256 Dieser Schutz endet wiederum dann, wenn die Gefahr einer Begünstigung bestimmter privater Unternehmen im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern besteht.1257 Es ist nicht erkennbar, dass für den EuGH Erwägungen im Vordergrund stehen, ob eine beauftragte öffentliche Ein­ 1250 So bei EuGH, Urt. v. 18.11.1999 – Rs. C-107/98 (Teckal), EU:C:1999:562, Rz. 50; mit weiteren Kriterien zur Qualität der Kontrolle Urt. v. 29.11.2012 – Rs. C-182/11 (Econord), EU:C:2012:758, Rz. 25 ff. 1251 So bei EuGH, Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 47; vgl. auch Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 21 Rz. 63. 1252 Vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 21 Rz. 67. 1253 Vgl. Brüning, VBlBW 2011, 46 (52). 1254 EuGH, Urt. v. 11.1.2005 – Rs. C-26/03 (Stadt Halle und RPL Lochau), EU:C:2005:5, Rz. 47; Urt. v. 13.11.2008 – Rs. C-324/07 (Coditel Brabant), EU:C:2008:621, Rz. 48. 1255 EuGH, Urt. v. 13.11.2008 – Rs. C-324/07 (Coditel Brabant), EU:C:2008:621, Rz. 48 f.; Urt. v. 9.6.2009 – Rs. C-480/06 (Kommission/Deutschland), EU:C:2009:357, Rz. 45; Urt. v. 29.11.2012 – Rs. C-182/11 (Econord), EU:C:2012:758, Rz. 28. 1256 Vgl. zur Bedeutung dieses Ziels für die Rechtsprechung des EuGH Struve, EuZW 2009, 805 (807 f.). 1257 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.1.2005 – Rs. C-26/03 (Stadt Halle und RPL Lochau), EU:C:2005:5, Rz. 51.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

richtung selbst einen Vorteil gegenüber privaten Wettbewerbern erlangt oder ob ein solches Wettbewerbsverhältnis überhaupt besteht. Hinzu kommt, dass die Folgen einer Behandlung als umsatzsteuerlicher Unter­ nehmer in der Regel eine weniger schwere Einschränkung darstellt als die Pflicht, dem besten Bewerber den Zuschlag zu erteilen. Denn im letz­ teren Fall besteht die Gefahr, dass die Zusammenarbeit öffentlicher Ein­ richtungen von vornherein verhindert wird. Denn nur dann, wenn die für eine Zusammenarbeit grundsätzlich präferierte öffentliche Einrichtung sich um die Auftragserteilung bewirbt und dabei nach Maßgabe der Ver­ gabekriterien das beste Angebot einreicht, kommt die Zusammenarbeit zustande. Folglich ist die Vermeidung der Behandlung als Steuersubjekt zumindest abstrakt nicht vom vergleichbaren Gewicht wie die Folgen, die sich aus einer Ausschreibungspflicht ergeben. Vor diesem Hinter­ grund erscheint ebenfalls eine bloße Übertragung der Ausnahmen des Vergaberechts auf das Umsatzsteuerrecht problematisch. Es lässt sich folglich zwar nicht ausschließen, dass der EuGH bei seinen Ausnahmen von der Anwendung des Vergaberechts für die Zusammen­ arbeit öffentlicher Einrichtungen ebenfalls mit Blick auf das Wettbe­ werbsverhältnis zwischen privaten und öffentlichen Bewerbern urteilt. Gleichwohl stehen dabei erkennbar die vorrangige Zielrichtung des Ver­ gaberechts, nämlich der Schutz des Wettbewerbs zwischen privaten Un­ ternehmern, und der Schutz der Entscheidungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers im Vordergrund. Auf die für das Umsatzsteuerrecht bedeu­ tende Frage, ob auch ein privater Unternehmer eine vergleichbare Leis­ tung grundsätzlich ausüben könnte, kommt es hingegen nicht an. Damit birgt die Anknüpfung an das Vergaberecht sowie die Übertragung von Anwendungsausnahmen auf das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich die Gefahr, dass diese umsatzsteuerlichen Maßstäben für die Bestimmung des (potentiellen) Wettbewerbs nicht standhalten. Deswegen erscheint es geboten, das sich aus der Anwendung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG resul­ tierende Ergebnis anhand der umsatzsteuerlichen Maßstäbe zur Bestim­ mung des Vorliegens von größeren Wettbewerbsverzerrungen zu prüfen. In vielen Fällen, die von § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG erfasst werden, dürfte es dabei zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen. Denn bei der verti­ kalen Zusammenarbeit kommt es zum Beispiel der leistungsempfangen­ den Einrichtung regelmäßig erkennbar darauf an, in besonderem Maße eine Kontrolle bzw. einen Einfluss ausüben zu können. Sind private Un­ ternehmer mit Blick auf die Bedürfnisse und entsprechenden Eigenschaf­ ten der Leistung nicht in der Lage, unter vergleichbaren Rahmenbedin­ gungen tätig zu werden und damit eine vergleichbare Leistung zu erbringen, scheidet ein Wettbewerbsverhältnis aus.1258 Daneben finden 1258 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (575).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

sich in den Vereinbarungen über eine horizontale Zusammenarbeit eben­ falls regelmäßig Eigenschaften und Bedürfnisse, denen eine Leistung von privater Seite nicht gerecht werden kann und somit ein Wettbewerbsver­ hältnis ausscheidet.1259 Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass dem § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG im Verhältnis zu den umsatzsteuerlichen Maßstäben zumin­ dest eine indizielle Bedeutung zukommt. So liegt es nahe, dass unter den dort genannten Voraussetzungen die Möglichkeit größerer Wettbewerbs­ verzerrungen ausgeschlossen ist. Damit bietet die Regelung für den Rechtsanwender eine gewisse Orientierung. Eine unionsrechtskonforme Behandlung der öffentlichen Hand ist dabei allerdings nur dann sicherge­ stellt, wenn der auf Kriterien des Vergaberechts beruhende Ausschluss von größeren Wettbewerbsverzerrungen mit dem Ergebnis auf Grundlage umsatzsteuerlicher Maßstäbe überprüft wird. Kommt es dabei zu diver­ gierenden Ergebnissen, stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine uni­ onsrechtskonforme Behandlung der öffentlichen Hand bei der Anwen­ dung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG gewährleistet werden kann. Wegen ihrer unterschiedlichen Ausgestaltungen bietet es sich für diese Frage an, zwi­ schen dem Grundtatbestand in Satz 1 und dem Regelbeispiel in Satz 2 zu unterscheiden. Liegen alle Voraussetzungen des Regelbeispiels vor, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öf­ fentliche Interessen bestimmt wird und sich daher die Möglichkeit von größeren Wettbewerbsverzerrungen ausschließen lässt. Ergibt sich aber unter Anwendung umsatzsteuerlicher Maßstäbe, dass gleichwohl die Nichtbesteuerung von Leistungen im Rahmen der Zusammenarbeit zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, kann diese Regelver­ mutung als widerlegt angesehen werden. In diesem Fall wäre der Tatbe­ stand des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG nicht erfüllt und eine Anwendung der Wettbewerbsklausel in § 2b Abs. 1 S. 2 UStG scheidet nicht bereits von vornherein aus. Im Rahmen des Regelbeispiels ist es folglich möglich, dem Ergebnis einer Überprüfung anhand umsatzsteuerlicher Maßstäbe Rechnung zu tragen und eine richtlinienkonforme Behandlung der öf­ fentlichen Hand trotz der Anknüpfung an Kriterien des Vergaberechts zu gewährleisten. Im Rahmen des Grundtatbestandes in § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG besteht keine Regelvermutung, über deren Widerlegung umsatzsteuerliche Wer­ tungen zu Erzielung einer unionsrechtskonformen Behandlung der öf­ fentlichen Hand berücksichtigt werden können. Als Einfallstor für ein abweichendes Ergebnis einer an rein umsatzsteuerlichen Kriterien orien­ 1259 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (576 f.); Pithan, DStZ 2014, 205 (210).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

tierten Prüfung kommt somit allein das weitgehend unbestimmte Tatbe­ standsmerkmal des Grundtatbestandes in Betracht. Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen soll hier der Fall sein, dass sich anhand von Kriterien des Vergaberechts ergibt, dass die Zusammenarbeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch gemeinsame spezifi­ sche öffentliche Interessen bestimmt wird.1260 Als Rechtsfolge sind dann größere Wettbewerbsverzerrungen und damit eine Anwendung der Wett­ bewerbsklausel des § 2b Abs. 1 S. 2 UStG ausgeschlossen. Ergibt in ei­ nem solchen Fall die Überprüfung dieses vergaberechtlich begründeten Ergebnisses anhand umsatzsteuerlicher Maßstäbe, dass die Befreiung der juristischen Person des öffentlichen Rechts zu größeren Wettbewerbsver­ zerrungen führen würde, liegt es zunächst nahe, die Erfüllung des Grund­ tatbestandes und damit die konkrete Anwendung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG zu verneinen. Im Ergebnis liefe ein solches Vorgehen auf eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des Grundtatbestan­ des hinaus. Dieses könnte damit begründet werden, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 2b UStG generell die Gewährleistung einer richtlinien­ konformen umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand beab­ sichtigte.1261 Denn soweit die Anwendung der Befreiungsregelung des § 2b Abs. 1 UStG im Ergebnis mit umsatzsteuerlichen bzw. mehrwert­ steuerlichen Maßstäben unvereinbar wäre, stünde die Rechtsfolge der Anwendung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG im Widerspruch zum Inhalt des Richtlinienrechts und folglich auch zum gesetzgeberischen Willen. Gegen diese Begründung einer teleologischen Reduktion spricht aller­ dings der gleichzeitige spezifische Wille des Gesetzgebers, das unbe­ stimmte Tatbestandsmerkmal der größeren Wettbewerbsverzerrungen mithilfe des § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG anhand von vergaberechtlichen Kriterien zu konkretisieren.1262 Eine teleologische Reduktion des Anwen­ dungsbereichs des § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG, die im Ergebnis der An­ wendung umsatzsteuerlicher Maßstäbe dient und damit die Anwendung 1260 Der andere Fall wäre, dass § 2b III Nr. 3 S. 1 UStG nicht einschlägig ist, während auf der Grundlage umsatzsteuerlicher Maßstäbe die Möglichkeit größerer Wett­ bewerbsverzerrungen ausgeschlossen werden kann. In diesem Fall ist die richtli­ nienkonforme Behandlung der öffentlichen Hand, hier die Behandlung als Nicht­ unternehmerin, allerdings bereits über den allgemeinen Wettbewerbsvorbehalt in § 2b I 2 UStG gewährleistet. Denn dessen Anwendung kann zwar über § 2b III Nr. 3 S. 1 UStG ausgeschlossen werden. Aus der Nichtanwendbarkeit der in § 2b II und III UStG genannten Konkretisierungen ergibt sich aber nicht im Umkehrschluss, dass größere Wettbewerbsverzerrungen vorliegen. So sind nach § 2b II und III UStG größere Wettbewerbsverzerrungen nur insbesondere aus­ geschlossen, sie treffen aber insoweit keine abschließende Regelung, vgl. auch BT-Drs. 18/6094, 91. 1261 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 91. 1262 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 92.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

vergaberechtlicher Kriterien verhindert, würde diesen spezifischen Wil­ len des Gesetzgebers missachten. Damit erfolgte eine entsprechende Auslegung contra legem. Davon ausgehend ließe sich eine Anwendung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG, welche zwar im Einklang mit seiner ver­ gaberechtlichen Ausgestaltung steht, aber damit zu einer richtlinien­ widrigen Behandlung der öffentlichen Hand führt, nicht im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung durch eine teleologische Reduktion verhindern. Deswegen stünde die Regelung im Widerspruch zum Unions­ recht, wenn es bei ihrer Anwendung und bei einer Prüfung anhand um­ satzsteuerlicher Maßstäbe zu divergierenden Ergebnissen käme. Mit der Einführung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG hätte der Gesetzgeber folglich den Boden für mögliche Abweichungen vom maßgeblichen Inhalt des Richtlinienrechts im Rahmen der nationalen Rechtsanwendung bereitet. Diese Gefahr scheint der Gesetzgeber allerdings erkannt zu haben. Denn so soll „sich die Anwendung von Absatz 3 Nummer 2“1263 nur insoweit an vergaberechtlichen Regelungen orientieren, sofern dieses „mit den verbindlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie verein­ bar“1264 ist. Damit ist sich der Gesetzgeber bewusst gewesen, dass die Anwendung vergaberechtlicher Regelungen zu Abweichungen vom In­ halt des Richtlinienrechts führen kann und erkennt zudem zutreffend die vorrangige Bedeutung des Letzteren. Vor diesem Hintergrund steht es letztlich im Einklang mit dem Gesetzgeberwillen, die Rechtsanwendung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG vom Vergaberecht zu lösen, soweit hier­ durch eine richtlinienwidrige Behandlung der öffentlichen Hand vermie­ den wird. Eine entsprechende teleologische Reduktion des vergaberecht­ lichen Anwendungsbereichs des § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG erfolgt somit zum einen nicht contra legem. Zum anderen ist diese wegen des Gebots einer richtlinienkonformen Auslegung sogar erforderlich. Abschließend lässt sich damit festhalten, dass die vergaberechtliche Aus­ gestaltung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG zwar grundsätzlich zu einer richt­ linienwidrigen umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand führen kann. Allerdings ist es möglich, diese Abweichung vom Richtlini­ enrecht im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung zu vermei­ den. Somit steht die Regelung selbst nicht im Widerspruch zum Richtli­ nienrecht.1265 Dies setzt jedoch grundsätzlich eine parallele Prüfung des Vorliegens von größeren Wettbewerbsverzerrungen anhand von umsatz­ steuerlichen Maßstäben voraus. Nur auf diesem Wege kann gewährleis­ tet werden, dass es zu keinen unzutreffenden Befreiungen juristischer 1263 Ebenda. 1264 Ebenda. 1265 A. A. Heidner, UR 2016, 45 (49), der es bereits für schwer vorstellbar hält, dass der EuGH eine national-rechtliche Definition eines autonomen unionsrechtli­ chen Begriffs akzeptieren wird.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Personen des öffentlichen Rechts von der Behandlung als Steuersubjekt kommt. Diese Prüfung mindert zudem die Gefahr, dass unter dem Deck­ mantel des Vergaberechts der Anwendungsbereich des Befreiungstatbe­ standes in einem vom harmonisierten Mehrwertsteuerrecht nicht mehr gedeckten Umfang ausgeweitet wird. Darüber hinaus werden durch die abschließende Prüfung die Möglichkeiten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts eingeschränkt, über eine entsprechende Gestaltung der Zusammenarbeit neben dem Vergaberecht auch die Anwendung des Umsatzsteuerrechts zu vermeiden. e) Exkurs: Die Übergangsregelung zur Anwendung des § 2b UStG Mit der Neuregelung in § 2b UStG wurde auch eine Übergangsregelung eingeführt, welche die Anwendbarkeit des neuen Rechts und die zeitlich beschränkte Möglichkeit einer weiteren Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. betrifft. Zwar ist für die vorliegende Untersuchung die seit dem 1. Ja­ nuar 2016 geltende formelle Rechtslage maßgeblich. Gleichwohl soll die Übergangsregelung in Ansehung ihrer praktischen Bedeutung und der damit verbundenen rechtlichen Fragen und Probleme in der gebotenen Kürze im Rahmen des folgenden Exkurses erörtert werden. Dabei wird zunächst auf den Hintergrund und den Inhalt der Übergangsregelung so­ wie ihrer Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie eingegangen. In einem zweiten Schritt wird die Frage behan­ delt, ob die Übergangsregelung den Tatbestand einer verbotenen Beihilfe im Sinne des Art. 107 AEUV erfüllt. aa) Die weitere Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. Die Notwendigkeit einer Neuregelung für die umsatzsteuerliche Be­ handlung der öffentlichen Hand lag unter anderem auch darin begründet, dass sich die hierfür maßgeblichen Kriterien, wie sie sich aus der Ausle­ gung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie durch den EuGH und des Um­ satzsteuergesetzes durch den BFH ergaben, immer mehr von der Interpre­ tation und praktischen Anwendung des nationalen Rechts durch die Finanzverwaltung entfernten.1266 Denn während sich die Rechtsprechung bei ihrer Auslegung an umsatzsteuerliche Maßstäbe orientierte, stellte die Finanzverwaltung vorrangig auf den Begriff des Betriebs gewerblicher Art und damit auf Kriterien des Körperschaftsteuerrechts ab.1267 Auf die­ sem Wege formulierten die Gerichte insgesamt engere Voraussetzungen für die Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtunternehmerin im 1266 Vgl. zur Abweichung des nationalen Rechts bzw. seiner Anwendung von den unionsrechtlichen Vorgaben oben unter B. II. 2. a) bb). 1267 Vgl. Abschn. 2.11 Abs. 4 UStAE; OFD Niedersachsen, Vfg. v. 27.7.2012 – S 7106283 – St 171, UR 2013, 42; Baldauf, UR 2014, 549 (552).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Vergleich zur Finanzverwaltung, welche die Befreiungsregelung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. großzügig zugunsten eines Ausschlusses der öffentli­ chen Hand vom Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts ausleg­ te.1268 In Ansehung dieser Diskrepanz beabsichtigte der Gesetzgeber mit seiner Neuregelung eine Umsetzung der Vorgaben des Richtlinienrechts in der Auslegung durch den EuGH und der daran anknüpfenden Rechtspre­ chung des BFH zur Altregelung des § 2 Abs. 3 UStG a. F.1269 Dabei war ihm bewusst, dass sich damit die bisherige Rechtspraxis der Finanzver­ waltung nicht weiter aufrechterhalten lässt. Denn mit § 2b UStG wurde eine eigenständige umsatzsteuerliche Regelung geschaffen und dadurch die bisherige Verknüpfung mit dem Körperschaftsteuerrecht mittels des § 2 Abs. 3 UStG a. F. gekappt. Damit wurde der vorrangig an körper­ schaftsteuerlichen Kriterien orientierten Auslegung durch die Finanzver­ waltung die Grundlage entzogen. Folglich rechnete der Gesetzgeber da­ mit, dass die Neuregelung in § 2b UStG in ihrer Tendenz zu einer praktischen Ausweitung der Behandlung der öffentlichen Hand als Un­ ternehmerin und zu einer zunehmenden steuerlichen Belastung ihrer Ausgangsleistungen führen wird.1270 Wohl um dem Wunsch kommunaler Verbände zu entsprechen, die damit verbundenen Auswirkungen zu Las­ ten der öffentlichen Hand bzw. der betroffenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu mildern,1271 und um einen „geordneten Wech­ sel“1272 zu einer steuerlichen Behandlung nach § 2b UStG zu ermögli­ chen, werden für die Anwendung des neuen Rechts in § 27 Abs. 22 UStG großzügige Übergangsregelungen eingeräumt.1273 So tritt zum einen die Regelung des § 2b UStG zwar formell zum 1. Januar 2016 in Kraft, soll aber gem. § 27 Abs. 22 S. 1 und 2 UStG erst auf Umsätze Anwendung finden, die nach Ablauf des 31.12.2016 ausgeübt werden. Für die bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Umsätze ist danach weiterhin der § 2 Abs. 3 UStG a. F. in seiner bisherigen Fassung maßgeblich. De facto er­ gibt sich damit für die Anwendung der Neuregelung des § 2b UStG eine einjährige Anlaufhemmung. Zum anderen können juristische Personen des öffentlichen Rechts gem. § 27 Abs. 22 S. 3 UStG für Umsätze, die bis zum 31.12.2020 ausgeübt werden, eine weitere Anwendung der Altrege­ 1268 Vgl. z. B. im Fall der Beistandsleistungen Baldauf, UR 2014, 549 (552 f.); allge­ mein Engels, UR 2013, 188 (192). 1269 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 91. 1270 Die Gesetzesbegründung spricht insoweit von einer Zäsur, BT-Drs. 18/6094, 93; vgl. aber auch die geäußerten Befürchtungen innerhalb des Finanzausschusses, BT-Drs. 18/6094, 76. 1271 BT-Drs. 18/6094, 76. 1272 BT-Drs. 18/6094, 93. 1273 Eine Übergangsregelung wurde bereits im Bericht vom 23.2.2012 einer eingesetz­ ten Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgeschlagen, vgl. Baldauf, UR 2014, 549 (556).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

lung beantragen. Somit besteht die Möglichkeit, die Anwendung der Alt­ regelung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. um vier Jahre auf eine Gesamtdauer von fünf Jahren herbeizuführen und für diesen Zeitraum eine Anwen­ dung der Neuregelung des § 2b UStG zu vermeiden. Der Sinn dieser Übergangsregelung erscheint auf den ersten Blick frag­ lich. Wie gezeigt,1274 zielt die Neuregelung in § 2b UStG vorrangig darauf ab, die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung zu vermei­ den und die Gesetzeslage den unionsrechtlichen Vorgaben anzupas­ sen.1275 Allerdings legte der BFH in seiner Rechtsprechung die Altrege­ lung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. richtlinienkonform aus und erzielte bereits auf diesem Wege eine grundsätzlich mit den inhaltlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie übereinstimmende umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand.1276 Folglich dürfte die richtlinienkon­ forme Auslegung der Altregelung als auch die Anwendung der Neurege­ lung des § 2b UStG regelmäßig zu übereinstimmenden Ergebnissen füh­ ren. Worin ist dann aber der Vorteil der Übergangsregelung zu sehen, wenn die Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. ebenso zu einer Behand­ lung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts als Unterneh­ merin führt wie die Neuregelung des § 2b UStG? Sinnvoll erscheint die Übergangsregelung vor diesem Hintergrund nur dann, wenn mit der An­ wendung des § 2 Abs. 3 UStG gleichzeitig auch die Anwendung der bis­ herigen Rechtspraxis der Finanzverwaltung gemeint ist, die mit ihrer Auslegung anhand körperschaftsteuerlicher Maßstäbe insgesamt eine Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtunternehmerin begünstig­ te.1277 Die Übergangsregelung dient demnach erkennbar nicht nur der weiteren Anwendung des bisherigen Rechts, sondern vielmehr der Mög­ lichkeit der öffentlichen Hand, von einer im Widerspruch zum maß­ geblichen Richtlinienrecht1278 stehenden Verwaltungspraxis zu profitie­ ren.1279 Folgt man der Sicht des BFH, dass in richtlinienkonformer Auslegung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. einzelne körperschaftsteuerliche Maßstäbe infolge einer umsatzsteuerlichen Auslegung des Begriffs eines Betriebs gewerbli­ cher Art auszublenden sind, so stellt sich die Verwaltungspraxis als rechtswidrig dar. Denn damit missachtet die Finanzverwaltung das sie bindende Gebot der richtlinienkonformen Auslegung.1280 Etwas anderes könnte sich möglicherweise dann ergeben, wenn die richtlinienkonfor­ 1274 Vgl. hierzu oben B. II. 2. b) – d). 1275 Vgl. BT-Drs. 18/6094, 91. 1276 Vgl. hierzu insbesondere oben unter B. II. 2. a) bb). 1277 Vgl. Engels, UR 2013, 188 (192). 1278 Vgl. hierzu oben unter B. II. 2. a) bb). 1279 Vgl. Widmann, UR 2016, 13 (15). 1280 Vgl. zum Gebot der richtlinienkonformen Auslegung oben unter B. I. 1.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

me Auslegung durch den BFH contra legem1281 erfolgt und das Vorgehen der Finanzverwaltung zumindest als vereinbar mit dem nationalen Recht angesehen wird. In diesem Fall stellt sich allerdings die Frage, ob hier nicht die Finanzverwaltung verpflichtet ist, das Recht der Mehrwertsteu­ ersystemrichtlinie als vorrangiges Unionsrecht zu Lasten der öffentli­ chen Hand anzuwenden, soweit es andernfalls zu einer richtlinienwidri­ gen umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand käme. Eine unmittelbare Anwendung von Richtlinienrecht ist zwar grundsätzlich nicht vorgesehen1282 und die Finanzbehörden werden auch nicht durch das Richtlinienrecht unmittelbar zu seiner Anwendung verpflichtet.1283 Allerdings sind die Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zur Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige unbedingt und hinreichend bestimmt.1284 Zudem steht mit der öffentlichen Hand dem Fiskus keine private Rechtsperson gegenüber, zu deren Lasten sich die Finanzbehörden nicht auf eine unmittelbare Anwendung des Richtlini­ enrechts berufen dürften.1285 Vielmehr sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts der staatlichen Ebene zuzurechnen,1286 so dass diese grundsätzlich einer richtlinienkonformen Behandlung als Steuerpflichti­ ge nicht die fehlende zutreffende Umsetzung des Richtlinienrechts der Finanzbehörde entgegenhalten dürften. Denn zum einen minderte die auf einer mangelnden Umsetzung der inhaltlichen Vorgaben der Mehr­ wertsteuersystemrichtlinie beruhende Behandlung der öffentlichen Hand als nichtsteuerpflichtig die Effektivität des Richtlinienrechts1287 und würde den deutschen Staat in Form der begünstigten juristischen Personen des öffentlichen Rechts letztlich für seine Säumnis belohnen. Zum anderen dient die Behandlung der öffentlichen Hand als Unterneh­ merin aus Sicht der Mehrwertsteuersystemrichtlinie insbesondere dem Schutz des gemeinschaftlichen Wettbewerbs und der privaten steuer­ 1281 So z. B. Tillmanns, Divergenz und Konvergenz von Umsatzsteuer und Einkom­ mensteuer, S. 231 ff.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 56; Gröpl/ Zukiwski, MwStR 2014, 77 (83); Stadie, UStG, § 2 Rz. 354. 1282 Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 47. 1283 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 109 (Stand: Aug. 2012). 1284 Vgl. zu den Voraussetzungen einer unmittelbaren Anwendung von Richtlinien­ recht Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 33; oben unter B. I. 2. 1285 Englisch, a. a. O., § 4 Rz. 34. 1286 Vgl. zum weiten Verständnis des Staatsbegriffs Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 59; nicht darunter fallen allerdings z. B. kirchli­ che Einrichtungen, die als juristische Personen des öffentlichen Rechts grund­ sätzlich in den Anwendungsbereich der Befreiungsregelung des § 2 III UStG a. F. fallen. Zu ihren Lasten könnte sich der Fiskus somit nicht auf eine unmittelbare Anwendung des Richtlinienrechts berufen. 1287 Die Effektivität stellt gerade einen zentralen Grund für die Rechtsfortbildung ei­ ner unmittelbaren Wirkung des Richtlinienrechts dar, vgl. Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 102 f.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

pflichtigen Wettbewerbsteilnehmer.1288 Vor diesem Hintergrund ist im Fall des Ausscheidens einer richtlinienkonformen Auslegung eine un­ mittelbare Anwendung des Richtlinienrechts zur Vermeidung einer uni­ onsrechtswidrigen Befreiung der öffentlichen Hand von der Unterneh­ merzustellung nicht nur möglich, sondern sogar geboten. Erfolgt in diesen Fällen unter Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. gleichwohl ein Ausschluss vom Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts, so ist die­ se Behandlung wegen des in diesem Fall geltenden Anwendungsvorrangs des Richtlinienrechts (unions-) rechtswidrig. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die bisherige an körper­ schaftsteuerlichen Maßstäben orientierte Verwaltungspraxis zur um­ satzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand nicht von einer An­ wendung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. gedeckt ist. Denn entweder ist die Altregelung richtlinienkonform auszulegen oder aber die Mehrwertsteu­ ersystemrichtlinie ist unmittelbar anzuwenden, wenn es andernfalls zu einer nicht vom Inhalt des Richtlinienrechts gedeckten Befreiung der öffentlichen Hand vom Anwendungsbereich der Umsatzsteuer käme. Vor diesem Hintergrund dürfte es auf Grundlage der Übergangsregelung zu keiner über den Regelungsgehalt des § 2b UStG hinausgehenden Be­ freiung der öffentlichen Hand kommen. In Ansehung des erkennbaren gesetzgeberischen Zwecks der Übergangs­ regelung, wonach diese als gesetzliche Grundlage für die bisherige richt­ linienwidrige Verwaltungspraxis dienen soll, dürfte die Übergangsre­ gelung insoweit selbst als unionsrechtswidrig anzusehen sein. Zur Skizzierung des Umfangs der Unvereinbarkeit der bisherigen Verwal­ tungspraxis und damit der Übergangsregelung mit dem Richtlinienrecht braucht hier nur auf die Anlässe, die der richtlinienkonformen Aus­ legung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. durch den BFH zugrunde liegen, zurück­ gegriffen zu werden.1289 Demnach verstößt die Übergangsregelung zum Beispiel gegen das Richtlinienrecht, soweit es weiterhin mangels Über­ schreitung der Umsatzgrenze von 30 678 f zu einer Behandlung als Nichtunternehmerin1290 kommt.1291 Gleiches gilt, wenn der Ausschluss vom Anwendungsbereich darauf beruht, dass die erbrachten Leistungen

1288 Vgl. zur zentralen Bedeutung des Wettbewerbsgedankens hier nur Küffner, DStR 2003, 1606 ff.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 53 f.; ausführlich oben unter A. II. 2. 1289 Vgl. hierzu OFD Niedersachsen, Vfg. v. 27.7.2012 – S 7106-283 – St 171, UR 2013, 42; Pithan, DStZ 2014, 205 (208). 1290 Abschn. 2.11 Abs. 4 UStAE i. V. m. R 6 Abs. 5 S. 1 f. KStR 2004. 1291 Vgl. BFH, Urt. v. 17.3.2010 – XI R 17/08, BFHE 230, 466 (472); Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (423); Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (559); Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235 (239) m. w. N.; Becker, BB 2012, 2154.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

der Vermögensverwaltung1292 zuzuordnen sind oder es sich dabei um Bei­ standsleistungen1293 handelt. Die bisherige Verwaltungspraxis kann zudem nur aufrecht erhalten blei­ ben, solange die dieser widersprechenden Urteile des BFH nicht im Bun­ dessteuerblatt veröffentlicht werden.1294 Denn andernfalls müsste die Fi­ nanzverwaltung die inhaltlichen Vorgaben des BFH zur Auslegung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. bei der Anwendung der Altregelung berücksichtigen und könnte ihre bisherige, die Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtunternehmerin begünstigende Rechtsauffassung, nicht aufrechter­ halten. Um den Sinn der Übergangsregelung, die zeitweise Fortführung einer richtlinienwidrigen Verwaltungspraxis zu bewahren, werden die Urteile des BFH wohl auch zukünftig nicht im Bundessteuerblatt veröf­ fentlicht werden. bb) Die weitere Anwendung der bisherigen richtlinienwidrigen ­Verwaltungspraxis als unionsrechtlich verbotene Beihilfe Die Übergangsregelung des § 27 Abs. 22 UStG führt zu einer über den 31. Dezember 2015 hinausgehenden Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG a. F. und schafft damit die Grundlage dafür, dass die bisherige darauf beruhen­ de richtlinienwidrige Verwaltungspraxis bei der umsatzsteuerlichen Be­ handlung der öffentlichen Hand auch weiterhin angewendet werden kann. Infolge dieser Verwaltungspraxis kommt es zu einem Ausschluss der öffentlichen Hand vom Anwendungsbereich der Umsatzsteuer und zu einer Nichtbelastung ihrer Ausgangsleistungen, obwohl Gegenteiliges auf Grundlage der Vorgaben des Richtlinienrechts angezeigt wäre. Hier­ durch könnte es zu einer Begünstigung der unternehmerischen Tätigkeit der öffentlichen Hand im Verhältnis zu anderen Wettbewerbsteilneh­ mern kommen. Dies führt zu der Frage, ob die richtlinienwidrige Verwal­ tungspraxis eine verbotene Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. Demnach gilt es im Folgenden zu klären, ob die Fortführung 1292 Vgl. OFD Niedersachsen, Vfg. v. 27.7.2012 – S 7106-283 – St 171, UR 2013, 42; gem. Abschn. 2.11 Abs. 4 UStAE ist anhand körperschaftsteuerlicher Maßstäbe über das Vorliegen eines Betriebs gewerblicher Art zu entscheiden. Nach diesen begründet die Vermögensverwaltung allerdings keinen Betrieb gewerblicher Art, vgl. Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 135 f. m. w. N.; Erhard, in: Blümich, KStG, § 4 Rz. 32 ff. (Stand: Juni 2014); für das Umsatzsteuerrecht a. A. hingegen grundlegend BFH, Urt. v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416 (421 f.). 1293 Aus Verwaltungssicht grundsätzlich keine steuerbare Leistung bzw. hierdurch keine Begründung eines Betriebs gewerblicher Art, vgl. OFD Niedersachsen, Vfg. v. 27.7.2012 – S 7106-283 – St 171, UR 2013, 42; hierzu Baldauf, UR 2014, 549 (552 f.); a. A. hingegen z. B. BFH, Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (560 f.). 1294 Vgl. Pithan, DStZ 2014, 205 (209).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

der bisherigen Verwaltungspraxis eine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe darstellt, durch die es zu einer Begünstigung bestimmter Unternehmen und darauf beruhend zu einer Verfälschung des Wettbewerbs sowie einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten kommt. (1) Staatliche Beihilfeleistung Unter eine Beihilfeleistung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV fallen grundsätzlich alle von einem Unternehmen erlangten Leistungen oder Zuwendungen, denen keine marktübliche Gegenleistung gegenüber­ steht.1295 Eine Begünstigung ist aber auch dann gegeben, wenn mittels einer bestimmten Verwaltungspraxis1296 eine Belastung verringert wird, die ein Unternehmen üblicherweise zu tragen hat.1297 Die hier als rechtswidrig erachtete Verwaltungspraxis führt dazu, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmerin und damit nicht als Subjekt der Umsatzsteuer behandelt werden. Daraus folgt, dass ihre im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeübten Leistungen nicht steuerlich belastet werden. Während ein Unternehmer in einer solchen Situation üblicherweise einen Teil der vereinnahmten Entgelte als Steuer an den Fiskus als eigene Steuerschuld abzuführen hat, unterliegen die im Rahmen der Verwaltungspraxis von der Unterneh­ merstellung als befreit behandelten juristischen Personen des öffentli­ chen Rechts keiner solchen Verpflichtung. Mithin werden diese durch die auf der Verwaltungspraxis beruhenden Behandlung als Nichtunter­ nehmerin finanziell begünstigt, so dass dieses Vorgehen zu einer Beihilfe­ leistung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV führt. Die Schlussfolgerung einer finanziellen Verschonung der infolge der un­ rechtmäßigen Verwaltungspraxis als Nichtunternehmerin behandelten juristischen Personen des öffentlichen Rechts könnte mit Hinweis auf den Besteuerungsgrund der Umsatzsteuer in Zweifel gezogen werden. Denn im System der Umsatzsteuer ist der Endverbraucher intendierter Träger der Steuer und soll dementsprechend mit der auf ihn abgewälzten

1295 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, AEUV/EUV, Art. 107 AEUV Rz. 10; Kühling, in: Streinz, AEUV/EUV, Art. 107 AEUV Rz. 28 m. w. N. 1296 Vgl. z.  B. EuGH, Urt. v. 12.10.2000 – Rs. C-480/98 (Kommission/Spanien), EU:C:2000:559, Rz. 20 f.; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steu­ errecht, Rz. 9.4. 1297 Vgl. EuGH, Urt. v. 7.3.2000 – Rs. C-310/99 (Italien/Kommission), EU:C:2002:143, Rz. 51; Urt. v. 8.11.2001 – Rs. C-143/99 (Adria-Wien Pipeline), EU:C:2001:598, Rz. 38; Urt. v. 24.1.2013 – Rs. C-73/11 P (Frucona Košice/Kommission), EU:C:2013:32, Rz. 69; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 10.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Steuer endgültig belastet werden.1298 Danach könnte der finanzielle Vor­ teil der Verschonung von der persönlichen Steuerschuld allein dem nicht mit der Umsatzsteuer endgültig belasteten Endverbraucher, nicht aber dem Unternehmer selbst zugutekommen. Diese Argumentation kann jedoch in Ansehung der Ausgestaltung der Steuerverschonung nicht auf­ recht erhalten werden. So knüpfen die Finanzbehörden maßgeblich an die Rechtsform der juristischen Person des öffentlichen Rechts an. Priva­ te Unternehmer sind von einer vergleichbaren Behandlung ausgeschlos­ sen1299 und auch die Person des Leistungsempfängers spielt insoweit kei­ ne Rolle. Dies lässt darauf schließen, dass mit der Verschonung vor allem die juristischen Personen des öffentlichen Rechts begünstigt werden sol­ len und der möglichen Weitergabe des finanziellen Vorteils an die End­ verbraucher dabei eine eher untergeordnete Bedeutung zukommt.1300 Des Weiteren erscheint es zwar auf dem ersten Blick naheliegend, der Annahme einer finanziellen Begünstigung der als Nichtunternehmerin behandelten juristischen Personen des öffentlichen Rechts entgegenzu­ halten, dass diese im Gegenzug vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind und damit für sie eine finanzielle Belastung durch die nicht abzugsfähige Vorsteuer entsteht.1301 Allerdings sind Vorsteuerabzug und Steuerschuld nicht derart miteinander verknüpft, dass sie sich regelmäßig gegensei­ tig ausgleichen. Der Regelfall ist vielmehr, dass nicht zuletzt wegen der eigenen Wertschöpfung die anfallende Steuerschuld die davon abzugs­ fähigen Vorsteuern übersteigt. Hinzu kommt, dass die juristischen ­Personen des öffentlichen Rechts aufgrund der Übergangsregelung ein Wahlrecht besitzen, ob sie umsatzsteuerlich nach der bisherigen Verwal­ tungspraxis oder aber nach der Neuregelung des § 2b UStG behandelt werden möchten. Folglich ist davon auszugehen, dass die Behandlung als Nichtsteuerpflichtige im Rahmen der bisherigen Verwaltungspraxis sich zum finanziellen Vorteil der dies beantragenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts auswirkt. Eine staatliche Maßnahme liegt vor, wenn der Bund oder die Länder die­ se durchführen.1302 Die Steuerverwaltung obliegt für die Umsatzsteuer 1298 Vgl. zum Besteuerungsgegenstand der Umsatzsteuer oben unter A. I. 2. 1299 Vgl. so z. B. auch zur Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit durch private Un­ ternehmer in Abschn. 2.11 Abs. 3 UStAE. 1300 Zur vergleichbaren Situation, wenn die Steuerbefreiung für eine grundsätzlich steuerbare Leistung an die Person des leistungserbringenden Unternehmers ge­ knüpft wird, Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 199; allgemein zur Begünstigung des Unternehmers i. S. d. Beihilferechts bei indirekten Steuern Koenig/Paul, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 79 f. 1301 Vgl. zum Ansatz einer Saldierung der Begünstigung mit einer Belastung, die nur in ganz engen Grenzen möglich ist, Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Euro­ päisches Steuerrecht, Rz. 9.15. 1302 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 27.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

den Ländern als Auftragsverwaltung,1303 so dass diesen das Handeln der Finanzbehörden zuzurechnen ist. Die Verantwortung eines Mitgliedstaa­ tes scheidet hingegen aus, wenn dieser nur Vorgaben des Unionsrechts umsetzt, wie es zum Beispiel bei der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Fall ist.1304 Aus diesem Grund stellt eine Verwaltungspraxis nur inso­ weit eine staatliche Beihilfeleistung dar, als sie nicht den inhaltlichen Vorgaben des Richtlinienrechts entspricht. Die bisherige Verwaltungs­ praxis führt jedoch wegen der damit verbundenen Anwendung körper­ schafsteuerlicher Grundsätze, wie oben gezeigt,1305 zu einer Behandlung der öffentlichen Hand, die im Widerspruch zum Richtlinienrecht steht. Soweit demnach die Begünstigung der öffentlichen Hand auf der weite­ ren Anwendung einer richtlinienwidrigen Verwaltungspraxis beruht, liegt eine dem Staat zuzurechnende Maßnahme vor. Mithin handelt es sich bei der die öffentliche Hand begünstigende richtlinienwidrige Ver­ waltungspraxis um eine staatliche Beihilfeleistung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV. (2) Das Unternehmen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Unter das Verbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV fallen nur solche Beihilfen, die an Unternehmen oder Produktionszweige gerichtet sind.1306 Die ­Beihilfeleistung, welche eine juristische Person des öffentlichen Rechts infolge ihrer umsatzsteuerlichen Behandlung als Nichtunternehmerin erlangt, muss demnach dieser auch innerhalber ihrer Eigenschaft als Un­ ternehmerin im Sinne des Beihilferechts zugutekommen.1307 Die wettbe­ werbsrechtliche Unternehmereigenschaft richtet sich allein danach, ob selbständig eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird.1308 Darunter ist das Anbieten von Gütern und Dienstleistungen gegen Entgelt am Markt zu verstehen.1309 Keinen wirtschaftlichen Charakter besitzt hingegen die Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit.1310 1303 Art. 108 III GG i.V.m Art. 106 III GG. 1304 Vgl. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.39 m. w. N. 1305 Vgl. oben unter B. II. 2. e) aa). 1306 Vgl. Koenig/Paul, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 68. 1307 Vgl. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.8. 1308 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.1.2006 – Rs. C-222/04 (Cassa di Risparmio di Firenze u. a.), EU:C:2006:8, Rz. 107; Urt. v. 23.6.2006 – Rs. C-237/04 (Enirisorse), EU:C:2006:197, Rz. 28; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 25; Englisch, a. a. O., Rz. 9.9. 1309 EuGH, Urt. v. 10.1.2006 – Rs. C-222/04 (Cassa di Risparmio di Firenze u. a.), EU:C:2006:8, Rz. 107; Cremer, ebenda; Englisch, ebenda. 1310 EuGH, Urt. v. 19.1.1994 – Rs. C-364/92 (SAT Fluggesellschaft), EU:C:1994:7, Rz. 30 f.; von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 39 (Stand: Oktober 2011); Englisch, ebenda; vgl. zu den Krite­ rien ausführlicher unten unter D. III. 2. b) bb).

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Ob und inwieweit eine juristische Person des öffentlichen Rechts mit ihrer von der Verwaltung als nicht steuerbar behandelten Tätigkeit un­ ternehmerisch im wettbewerbsrechtlichen Sinne handelt, lässt sich grundsätzlich nur im konkreten Einzelfall feststellen.1311 Im Allgemei­ nen ist jedoch zu berücksichtigen, dass in den hier relevanten Fällen zu­ mindest aus umsatzsteuerlicher Sicht regelmäßig selbständig eine wirt­ schaftliche Tätigkeit in Form einer entgeltlichen Lieferung von Waren oder einer Erbringung von Dienstleistungen ausgeübt wird. Somit dürf­ ten die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Wettbe­ werbssinne zumindest in einer Vielzahl der von der Verwaltungspraxis erfassten Fälle ebenfalls erfüllt sein. Die zentrale Frage ist daher, ob und inwieweit die ausgeübte Tätigkeit wegen einer gleichzeitig bestehenden hoheitlichen Prägung aus dem Anwendungsbereich des Beihilferechts herausfällt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der hoheitli­ chen Tätigkeit im Sinne des Beihilferechts nicht mit dem Begriff der Ausübung öffentliche Gewalt in Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL gleichzuset­ zen ist.1312 Denn im Wettbewerbsrecht bestimmt sich der Begriff mit Blick auf den Inhalt1313 einer Tätigkeit und nicht anhand der Rechts­ grundlage1314 des Handelns.1315 Mit Blick auf die hier im Fokus stehende richtlinienwidrige Verwal­ tungspraxis lassen sich folgende Rückschlüsse ziehen. Die Vermögens­ verwaltung der öffentlichen Hand stellt regelmäßig eine wirtschaftliche Tätigkeit dar, ohne dass sie einen inhaltlichen Bezug zu der Ausübung hoheitlicher Befugnisse aufweist. Vor diesem Hintergrund ist davon aus­ zugehen, dass in diesen Fällen die Beihilfeleistung in Form der Behand­ lung als Nichtunternehmerin einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in ihrer Eigenschaft als Unternehmerin im Sinne des Wettbe­ werbsrechts zugutekommt. Gleiches dürfte der Fall sein, wenn die Be­ handlung als Nichtunternehmerin allein wegen des Unterschreitens der Umsatzgrenze von 30 678 f erfolgt. Schwieriger gestaltet sich hingegen eine Aussage zu Tätigkeiten im Bereich der Amtshilfe bzw. von Bei­ standsleistungen. Denn nach den von der Verwaltung angewendeten kör­ perschaftsteuerrechtlichen Maßstäben liegt eine hoheitliche Tätigkeit 1311 So ist über die Unternehmereigenschaft auch grundsätzlich anhand der konkret ausgeübten Tätigkeit zu entscheiden, vgl. z.  B. EuGH, Urt. v. 16.6.1987 – Rs. 118/85 (Kommission/Italien), EU:C:1987:283, Rz. 7. 1312 Vgl. hierzu ausführlich unten unter D. III. 2. b) bb). 1313 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.1.1994 – Rs. C-364/92 (SAT Fluggesellschaft), EU:C:1994:7, Rz. 30 f.; Urt. v. 12.7.2012 – Rs. C-138/11 (Compass-Datenbank), EU:C:2012:449, Rz. 51. 1314 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 13 f.; Urt. v. 14.12.2000 – Rs. C-446/98 (Fazenda Públi­ ca), EU:C:2000:691, Rz. 19; anstatt vieler Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 186. 1315 Vgl. zum Verhältnis des wettbewerbsrechtlichen und des mehrwertsteuerrechtli­ chen Begriffs der hoheitlichen Tätigkeit ausführlich unten unter D. III. 2. b) bb).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

dann vor, wenn diese mit Blick auf ihren Inhalt der öffentlichen Hand als eigentümlich und vorbehalten gilt.1316 Damit erfolgt auch nach der Ver­ waltungsauffassung wie im Beihilferecht grundsätzlich ein Bezug auf den Inhalt der Tätigkeit. Daraus folgt zwar nicht, dass in diesen Fällen die umsatzsteuerliche Behandlung die juristische Person des öffentlichen Rechts als Nichtunternehmerin in ihrer Eigenschaft als Nichtunterneh­ merin im wettbewerbsrechtlichen Sinne betrifft. Allerdings zeigt sich, dass es zur Annahme einer verbotenen Beihilfeleistung bei Beistandsleis­ tungen grundsätzlich eine Abgrenzung zwischen einer wirtschaftlichen und einer hoheitlichen Tätigkeit ausschließlich anhand von wettbe­ werbsrechtlicher Kriterien erforderlich ist. Abschließend lässt sich damit festhalten, dass eine Verwaltungspraxis, welche unter Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG die öffentliche Hand al­ lein wegen der Ausübung einer vermögensverwaltenden Tätigkeit oder des Unterschreitens der Umsatzgrenze von 30 678 f als umsatzsteuerli­ che Nichtunternehmerin behandelt, regelmäßig eine Beihilfeleistung an ein Unternehmen darstellt. Im Fall der Ausübung von Amtshilfe- bzw. von Beistandsleistungen lässt sich hingegen nicht regelmäßig ausschlie­ ßen, dass die Beihilfeleistung im Zusammenhang mit einer hoheitlichen Tätigkeit erfolgt. Somit kann insoweit keine generalisierende Aussage getroffen werden, ob eine umsatzsteuerliche Behandlung als Nichtunter­ nehmerin eine juristische Person des öffentlichen Rechts in ihrer wett­ bewerbsrechtlichen Eigenschaft als Unternehmerin betrifft. In diesen Fällen bedarf es demnach grundsätzlich einer konkreten Prüfung des Ein­ zelfalls anhand wettbewerbsrechtlichen Kriterien. (3) Begünstigung bestimmter Unternehmen Damit die Verwaltungspraxis als Begünstigung dem unionsrechtlichen Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV unterliegt, darf diese nicht al­ len, sondern nur bestimmten Unternehmen zugutekommen. Folglich ist eine selektive Wirkung der Begünstigung erforderlich.1317 Wird eine steu­ erliche Verschonung gesetzlich angeordnet, so hat aus Sicht des EuGH die Prüfung einer selektiven Wirkung der Begünstigung grundsätzlich in drei Schritten zu erfolgen.1318 Danach ist zunächst festzustellen, ob die steuerliche Regelung von der sich aus dem Steuersystem ergebenden ­normalen Belastung abweicht.1319 Sodann müssen sich die begünstigten 1316 Vgl. Erhard, in: Blümich, KStG, § 4 Rz. 92 ff. (Stand: Juni 2014). 1317 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 26. 1318 Vgl. zu dieser Prüfung Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuer­ recht, Rz. 9.16 ff. 1319 Vgl. z. B. Urt. v. 8.11.2001 – Rs. C-143/99 (Adria-Wien Pipeline), EU:C:2001:598, Rz. 41; Urt. v. 18.7.2013 – Rs. C-6/12 (P Oy), EU:C:2013:525, Rz. 19; Englisch, a.a.O, Rz. 9.16 m. w. N.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Unternehmen sowie die der normalen Belastung unterliegenden Unter­ nehmen in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage be­ finden.1320 Abschließend gilt es zu klären, ob eine sich daraus ergebende selektive Wirkung rechtfertigen ließe.1321 Für diese Prüfungsschritte be­ darf es grundsätzlich eines Steuersystems, auf welches als Referenzsys­ tem abgestellt werden kann.1322 Dieses wäre auf dem ersten Blick das Umsatzsteuergesetz, welches die Kriterien für die Behandlung von juris­ tischen Personen des öffentlichen Rechts als Unternehmerin vorgibt. Al­ lerdings finden sich hierfür wiederum inhaltliche Vorgaben in der Mehr­ wertsteuersystemrichtlinie, welche in Ansehung ihres systematischen Aufbaus und der Dichte ihrer inhaltlichen Vorgaben einem eigenständi­ gen und abgeschlossenen Regelungssystem entspricht.1323 Zudem bedeu­ tet sie wegen ihres Anwendungsvorrangs auch eine eigenständige Prü­ fungsebene für das nationale Umsatzsteuerrecht in Bezug auf seine Vereinbarkeit mit dem vorrangigen Unionsrecht. Vor diesem Hinter­ grund ist zur Prüfung der selektiven Wirkung einer umsatzsteuerlichen Regelung auf die Mehrwertsteuersystemrichtlinie als Referenzsystem abzustellen. Die Begünstigung der im Sinne des Wettbewerbsrechts unternehmerisch tätigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts beruht allerdings nicht auf einer gesetzlichen steuerlichen Regelung, sondern auf einer be­ stimmten steuerlichen Verwaltungspraxis. Diese knüpft für ihre Anwen­ dung an die Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an und schließt damit private Unternehmer von vornherein aus.1324 Von einer Allgemeinheit1325 der Verwaltungspraxis kann folglich keine Rede sein und die Begünstigung kommt somit nur bestimmten Unternehmen, nämlich denen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, zugu­ te. Aber auch unter den Voraussetzungen, die zur Prüfung einer selekti­ ven Wirkung einer steuerlichen Regelung heranzuziehen sind, ergibt sich für die Verwaltungspraxis eine selektive Wirkung. So widerspricht zu­ nächst die Verwaltungspraxis einer unionsrechtlich gebotenen Behand­ 1320 Vgl. z.  B. EuGH, Urt. v. 8.11.2001 – Rs. C-143/99 (Adria-Wien Pipeline), EU:C:2001:598, Rz. 41; Urt. v. 6.9.2006 – Rs. C-88/03 (Portugal/Kommission), EU:C:2006:511, Rz. 54; Englisch, ebenda m. w. N. 1321 Vgl. z.  B. EuGH, Urt. v. 8.11.2001 – Rs. C-143/99 (Adria-Wien Pipeline), EU:C:2001:598, Rz. 42; Urt. v. 6.9.2006 – Rs. C-88/03 (Portugal/Kommission), EU:C:2006:511, Rz. 52. 1322 Vgl. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.16. 1323 Terra, Intertax 2012, 101 (109). 1324 Vgl. zur Behandlung eines privaten Unternehmers im Fall der Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit Abschn. 2.11 Abs. 3 UStAE; vgl. zur Selektivität im Fall des Anknüpfens an die Rechtsform Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäi­ sches Steuerrecht, Rz. 9.22. 1325 Vgl. zu allgemeinen Fördermaßnahmen Koenig/Paul, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 77.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

lung der öffentlichen Hand. Damit führt die Verwaltungspraxis zu einer sich von der nach dem Inhalt der Mehrwertsteuersystemrichtlinie erge­ benden steuerlichen Normalbelastung abweichenden steuerlichen Be­ handlung. Zu dieser Ungleichbehandlung muss es weiterhin kommen, obwohl sich private und öffentliche Unternehmer in Bezug auf Inhalt und Wertung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in einer vergleichbaren Situation befinden.1326 Dies ist grundsätzlich wie die Abweichung von der Normalbelastung anhand der Grundprinzipien des Referenzrechts zu entscheiden.1327 In den von der rechtswidrigen Verwaltungspraxis erfassten Fällen sind die begüns­ tigten juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach den Vorgaben des Richtlinienrechts wegen der selbständigen Ausübung einer wirt­ schaftlichen Tätigkeit und mangels Anwendbarkeit der Befreiungsre­ gelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL grundsätzlich wie private Unter­ nehmer als Steuerpflichtige zu behandeln. Somit befinden sich die öffentlichen und die privaten Unternehmer rechtlich und tatsächlich in einer vergleichbaren Situation. Diese selektive Begünstigung lässt sich abschließend auch nicht aus der Systematik und den der Mehrwertsteu­ ersystemrichtlinie zugrundeliegenden Prinzipien rechtfertigen.1328 Denn eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige durch die Verwaltungspraxis widerspricht bereits den inhaltlichen Vorgaben des Richtlinienrechts und lässt sich daher auch nicht mithilfe der diesen zugrundeliegenden Prinzipien rechtfertigen. Mithin ergibt sich letztlich unter den besonde­ ren beihilferechtlichen Prüfungsvoraussetzungen des EuGH für Regelun­ gen über steuerliche Begünstigungen ebenfalls eine selektive Wirkung der Verwaltungspraxis. (4) Maßnahme mit wettbewerbsverfälschender Wirkung und ­Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten Die Verwaltungspraxis muss weiterhin, um unter das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu fallen, sowohl eine tatsächliche oder zumindest drohende wettbewerbsverfälschende Wirkung entfalten als auch dadurch

1326 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.11.2001 – Rs. C-143/99 (Adria-Wien Pipeline), EU:C:2001:598, Rz. 41; Urt. v. 8.9.2011 – Rs. C-279/08 P (Kommission/Niederlande), EU:C:2011:551, Rz. 52; zur Voraussetzung der Vergleichbarkeit Englisch, in: Schaumburg/Eng­ lisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.22. 1327 Englisch, ebenda m. w. N. und kritisch zu diesem Schritt wegen des wiederholten Abstellens auf die bereits zur Bestimmung der normalen Besteuerung heran­ gezogenen Grundprinzipien der Besteuerung; dieser Schritt sei daher „redun­ dant“, ders., a. a. O., Rz. 9.32. 1328 Vgl. zur Möglichkeit einer Rechtfertigung EuGH, Urt. v. 8.9.2011 – Rs. C-279/08 P (Kommission/Niederlande), EU:C:2011:551, Rz. 62; Urt. v. 6.9.2006 – Rs. C-88/03 (Portugal/Kommission), EU:C:2006:511, Rz. 81; Englisch, in: Schaumburg/Eng­ lisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.23.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten herbei­ führen. Eine Wettbewerbsverfälschung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich die wirtschaftliche Lage des von einer solchen Begünstigung profitierenden Unternehmens verbessert und mit einer wirtschaftlichen Benachteiligung der nicht begünstigten Unternehmen einhergeht bzw. eine solche Situation einzutreten droht.1329 Die inhaltlichen Anforderun­ gen, welche die Rechtsprechung an den Zusammenhang zwischen Be­ günstigung und genannten Auswirkung stellt, sind dabei gering.1330 Mit der Behandlung der öffentlichen Hand als umsatzsteuerliche Unterneh­ merin wird in Ansehung der Regelungen des Richtlinienrechts insbeson­ dere das Ziel verfolgt, eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu Lasten der privaten Wettbewerbsteilnehmer zu vermeiden. Dieser Schutz wird umgangen, indem auf Grundlage der Verwaltungspraxis in bestimmten Fällen abweichend von den Richtlinienvorgaben eine Einbindung von ju­ ristischen Personen des öffentlichen Rechts als Subjekt der Umsatzsteu­ er sowie eine steuerliche Belastung ihrer Ausgangsumsätze unterbleibt. Zwar ist es fraglich, ob der umsatzsteuerliche und der wettbewerbsrecht­ liche Wettbewerbsbegriff inhaltlich übereinstimmen. Allerdings lässt sich in Ansehung der geringen Anforderungen des Beihilferechts für eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs folgern, dass eine aus Wettbewerbs­ gründen gebotene, gleichwohl unterbliebene umsatzsteuerliche Behand­ lung als Unternehmerin im Sinne des Beihilferechts zu einer wirtschaft­ lichen Benachteiligung der nichtbegünstigten Wettbewerbsteilnehmer führt. Die wettbewerbsverfälschende Wirkung der richtlinienwidrigen Verwal­ tungspraxis müsste auch eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten entfalten. Im Allgemeinen reicht für eine solche Wirkung aus, dass die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage von be­ günstigten Unternehmen einen zumindest drohenden Nachteil für Wirt­ schaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten bedeutet.1331 Soweit es also zu einer Begünstigung einer Tätigkeit kommt, die auch von Unter­ nehmen aus anderen Mitgliedstaaten ausgeübt werden kann, ist grund­ sätzlich von einer Beeinträchtigung des Handels auszugehen.1332 Dies gilt 1329 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.9.1980 – Rs. 730/79 (Philip Morris/Kommission), EU:C:1980:209, Rz. 11; jeweils m. w. N.: Englisch, a. a. O., Rz. 9.41 f.; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 30. 1330 Vgl. Englisch, a. a. O., Rz. 9.42; Cremer, ebenda. 1331 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.6.1999 – Rs. C-75/97 (Belgien/Kommission), EU:C:1999:311, Rz. 47; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.42 und m. w. N. 1332 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.6.1999 – Rs. C-75/97 (Belgien/Kommission), EU:C:1999:311, Rz. 47; Urt. v. 13.7.1988 – Rs. 102/87 (Frankreich/Kommission), EU:C:1988:391, Rz. 19; Englisch, ebenda und m. w. N.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

auch für eine nur auf einem lokalen Markt ausgeübte Tätigkeit, soweit nicht nur eine hypothetische Möglichkeit besteht, dass auch Unterneh­ men aus anderen Mitgliedstaaten auf diesem Markt auftreten.1333 Ein­ schränkend zu diesen Grundsätzen geht vor allem die Europäische Kom­ mission davon aus, dass der Handel nicht verfälscht wird, wenn eine Tätigkeit nur rein lokale Auswirkungen entfaltet.1334 Die Richtlinienwidrigkeit der bisherigen Verwaltungspraxis beruht ins­ besondere darauf, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht mit ihren Leistungen der Umsatzbesteuerung unterliegen, obwohl sie mit diesen im Wettbewerb zu privaten steuerpflichtigen Wettbewerbsteilneh­ mern stehen. Soweit demnach die Behandlung der öffentlichen Hand als Nichtunternehmerin auf Grundlage der Verwaltungspraxis als richtli­ nienwidrig anzusehen ist, handelt es sich dabei regelmäßig um eine Tä­ tigkeit, die potentiell auch von einem Unternehmer aus einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt werden kann. Daher ist grundsätzlich von einer Beeinträchtigung des Handels auszugehen. Allerdings könnte hier die Einschränkung der Europäischen Kommission für kommunale Einrich­ tungen von besonderer Bedeutung sein. Denn die richtlinienwidrige Ver­ waltungspraxis betrifft zum Beispiel mit der Umsatzgrenze solche Tätig­ keiten von Kommunen, die regelmäßig nur von geringer Bedeutung sind und damit auch entsprechend in ihren Auswirkungen lokal begrenzt sein dürften. Soweit sich die Kommunen im Rahmen ihrer Vermögensverwal­ tung nur an die Bevölkerung vor Ort richten, könnten die Auswirkungen ebenfalls lokal begrenzt sein.1335 Aber auch Beistandsleistungen zwischen kommunalen Einrichtungen besitzen regelmäßig einen starken lokalen Bezug, der gegen eine Relevanz ihrer Auswirkungen für den Handel zwi­ schen den Mitgliedstaaten spricht. Vor diesem Hintergrund dürfte die Einschränkung der Europäischen Kommission dazu führen, dass zumin­ dest die richtlinienwidrige Nichtbesteuerung von lokal begrenzten Tätig­ keiten von Kommunen mangels einer Beeinträchtigung des Handels zwi­ schen den Mitgliedstaaten keine verbotene Beihilfe darstellt. (5) Ergebnis Ausgangspunkt der vorangegangenen Untersuchung stellt die bisherige Verwaltungspraxis zum § 2 Abs. 3 UStG a. F. dar, nach der obgleich der Vorgaben des Richtlinienrechts und der hierzu ergangenen Rechtspre­ 1333 EuGH, Urt. v. 24.6.2003 – Rs. C-280/00 (Altmark Trans), EU:C:2003:415, Rz. 77 f.; Europäische Kommission, Entwurf einer Bekanntmachung zum Begriff der staat­ lichen Beihilfe (2014), Rz. 192 f.; Englisch, ebenda. 1334 Europäische Kommission, a. a. O., Rz. 196 f.; Englisch, ebenda; Koenig/Paul, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 100; vgl. unten unter D. III. 2. b) ee). 1335 Vgl. hierzu Europäische Kommission, Entwurf einer Bekanntmachung zum Be­ griff der staatlichen Beihilfe (2014), Rz. 197.

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II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

chung des EuGH richtlinienwidrig von einer gebotenen Behandlung der öffentlichen Hand mit ihren Leistungen als Unternehmerin und damit als Subjekt der Umsatzsteuer abgesehen wird. Davon sind insbesondere Tätigkeiten im Bereich der Vermögensverwaltung und solche mit einem Jahresumsatz unter 30 678 f betroffen.1336 Das Verwaltungshandeln stellt insoweit grundsätzlich eine verbotene Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Gleiches gilt auch für Beistandsleistungen, allerdings mit der bedeutenden Einschränkung für den Fall, dass zwar aus richtlini­ enkonformer umsatzsteuerlicher Sicht keine Ausübung öffentlicher Ge­ walt vorliegt, aus wettbewerbsrechtlicher Sicht gleichwohl eine hoheit­ liche Tätigkeit gegeben ist. Denn dann fehlt es an einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Beihilferechts und damit an einem Unternehmen, welches dem Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Beihilfeverbots unterliegt. Somit ist vor allem in diesem Bereich regelmäßig eine Prü­ fung des Einzelfalls erforderlich, um festzustellen, ob die Verwaltungs­ praxis zu einer verbotenen Beihilfe führt. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass es vor allem bei kommunalen Tä­ tigkeiten mit rein lokalen Auswirkungen an einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten fehlen kann, so dass die richtlini­ enwidrige Verwaltungspraxis insoweit keine verbotene Beihilfe darstellt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass eine grundsätzlich verbote­ ne Beihilfe ausnahmsweise nach Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV1337 oder Art. 106 Abs. 2 AEUV1338 unter bestimmten Bedingungen zulässig ist. In Ansehung der damit verbundenen hohen Anforderungen dürften diese Ausnahmen jedoch grundsätzlich keine Bedeutung entfalten, wenn die weitere Anwendung der bisherigen Verwaltungspraxis zugunsten der öf­ fentlichen Hand dem Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV unterliegt. f) Zusammenfassung Die Behandlung der öffentlichen Hand ist seit Einführung der Umsatz­ steuer von der Unterscheidung zwischen ihren öffentlich-rechtlich und ihren privatrechtlich geprägten Tätigkeiten bestimmt. Während dabei im ersten Fall die öffentliche Hand nicht als Steuersubjekt behandelt werden soll, ist sie im zweiten Fall mit ihren Tätigkeiten in den Anwen­ dungsbereich des Umsatzsteuerrechts einzubeziehen. Die Entscheidung über die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand war im nationalen Recht bis zum 31. Dezember 2015 und damit für knapp 40 Jahre an das ertragsteuerliche Institut des Betriebs gewerblicher Art gebunden. Mit Blick auf das Richtlinienrecht zur Harmonisierung des 1336 OFD Niedersachsen, Vfg. v. 27.7.2012 – S 7106-283 – St 171, UR 2013, 42. 1337 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 1. 1338 Vgl. Cremer, a. a. O., Art. 107 AEUV Rz. 1, 14 ff.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Mehrwertsteuerrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemein­ schaft und später der Europäischen Union hat sich dieser Weg als proble­ matischer nationaler Sonderweg erwiesen. Aus diesem Grund erfolgte mit der Neuregelung der Befreiungsvorschrift für die öffentliche Hand im § 2b UStG der Versuch, das nationale Gesetz insbesondere in seinem systematischen Aufbau und in seinem Wortlaut dem Richtlinienrecht und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH anzugleichen. Da­ rin ist insgesamt ein notwendiger und richtiger Schritt zu sehen, der die richtlinienkonforme umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand auf feste Füße stellt und die seit Jahren bestehenden Missstände weitgehend beseitigt. Gleichzeitig gewinnt wegen der Annäherung des nationalen Rechts an das Richtlinienrecht die hierzu ergangene Recht­ sprechung des EuGH noch mehr an Bedeutung und ist bei der Auslegung grundsätzlich zu berücksichtigen. Wie im Richtlinienrecht ergibt sich nach nationalem Recht ein Re­ gel-Ausnahme-Rückausnahme-Schema. Während die Unternehmerei­ genschaft im Fall der Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit den Regelfall darstellt, entspricht die persönliche Befreiungsregelung des § 2b Abs. 1 S. 1 UStG einem Ausnahmetatbestand. So unterliegt die öf­ fentliche Hand mit den Tätigkeiten, die sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausübt, nicht dem Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts. Die Abgrenzung eines Handelns im Rahmen der öffentlichen Gewalt ist dabei übereinstimmend mit der Auslegung des Richtlinienrechts hand­ lungsformbezogen vorzunehmen. Ein vorrangiges Abstellen auf den In­ halt und auf den mit der Tätigkeit verfolgten Zweck ist damit untersagt. Gleichwohl wirkt sich der Inhalt der Tätigkeit wiederum bei der Be­ stimmung der Handlungsgrundlage aus. Damit stellt der handlungs­ formbezogene Ansatz in der Rechtsanwendung zwar grundsätzlich eine Vereinfachung dar, nichtsdestoweniger kann auch dieser zu Abgren­ zungsschwierigkeiten bei der Bestimmung der Handlungsgrundlage und dessen Rechtsnatur führen. Die Bestimmung hat wiederum grundsätz­ lich nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben zu erfolgen. Als Rückausnahme findet sich im nationalen Recht nunmehr auch aus­ drücklich ein Wettbewerbsvorbehalt in § 2b Abs. 1 S. 2 UStG. Kann ­danach die Behandlung der öffentlichen Hand zu größeren Wettbewerbs­ verzerrungen führen, verbleibt es bei der Unternehmerstellung der öf­ fentlichen Hand nach § 2 Abs. 1 UStG. Bei der Auslegung ist sowohl die konkretisierende Rechtsprechung des EuGH zum unionsrechtlichen Be­ griff als auch die bisherige richtlinienkonforme Auslegung des BFH zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Neuregelung die Gelegenheit ge­ nutzt, Vorgaben der Richtlinie und der Rechtsprechung des EuGH zur 276

II.  Die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand

Konkretisierung der Wettbewerbsklausel in Gesetzesform zu gießen. So ähnelt die steuerliche Behandlung eines Nichtunternehmers in sei­ ner Wirkung den steuerlichen Folgen bei der Ausübung einer Tätigkeit, die einer sachlichen Steuerbefreiung unterliegt. Soweit demnach eine vergleichbare Leistung von privaten Unternehmern einer Steuerbe­ freiung unterliegt, fehlt es bei einer Nichtunternehmerstellung der öf­ fentlichen Hand an einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Ausgangs­ umsätze und damit an der Möglichkeit von Wettbewerbsverzerrungen. Gleiches gilt, wenn der aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte Gesamtum­ satz im Jahr einen Betrag von 17 500 f nicht übersteigt. Dabei sind die einzelnen Vorgaben zur Ermittlung dieser Umsatzgrenze weit auszule­ gen, um ihre Anwendung zugunsten der Befreiungsregelung gering zu halten. In besonderem Umfang hat sich der Gesetzgeber der Leistungserbringung zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen ei­ ner vereinbarten Zusammenarbeit gewidmet. Dies ist der hohen Be­ deutung solcher Kooperationsformen vor allem auf kommunaler Ebene geschuldet.1339 So werden zum einen zutreffend Wettbewerbsverzer­ rungen ausgeschlossen, wenn die öffentliche Hand eine Monopolstellung für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit innehat. Das eröffnet je­ doch gleichzeitig für die öffentliche Hand einen erheblichen Gestal­ tungsspielraum hinsichtlich ihrer Behandlung im Rahmen des Umsatz­ steuerrechts. Zum anderen verbleibt es nach der Regelung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG im Fall einer Leistungserbringung im Rahmen einer öffent­ lich-rechtlich vereinbarten Zusammenarbeit bei einer Behandlung als Nichtunternehmerin, wenn die Leistung durch spezifische gemeinsame öffentliche Interessen bestimmt ist. Was darunter zu verstehen ist, wird in einem Regelbeispiel erläutert. Mit dieser Regelung knüpft der Ge­ setzgeber an die Vergaberichtlinie der Europäischen Union sowie der Rechtsprechung des EuGH zum Vergaberecht an. Er überträgt die darin vorgesehenen Ausnahmeregelungen für die Zusammenarbeit von Ein­ richtungen im öffentlichen Sektor auf das Umsatzsteuerrecht und ne­ giert in diesen Fällen das Vorliegen von größeren Wettbewerbsverzerrun­ gen. Dem Vorgehen des Gesetzgebers ist zugutezuhalten, dass in einer Viel­ zahl der von dieser Regelung erfassten Sachverhalte aus umsatzsteuer­ rechtlicher Sicht die Möglichkeit von größeren Wettbewerbsverzerrun­ gen tatsächlich ausgeschlossen werden kann. Allerdings offenbart eine nähere Untersuchung der Regelung gleichzeitig erhebliche Schwächen. So sind die einzelnen Kriterien des Regelbeispiels nur eingeschränkt ge­ eignet, zuverlässig typisierende Rückschlüsse auf die Gefahr von Wettbe­ 1339 Pithan, DStZ 2014, 205 (206).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

werbsverzerrungen durch die Nichtbesteuerung von Leistungen zu erlau­ ben. Dieser eigentlichen Zielrichtung der Regelung ist vor allem im Rahmen der Auslegung der einzelnen Abgrenzungskriterien Rechnung zu tragen. Dies gilt auch für die Auslegung des Grundtatbestandes über die Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen nach § 2b Abs. 3 S. 1 UStG. Des Weiteren erfolgt die Übernahme der vergaberechtlichen Kriterien nicht konsequent unter Berücksichtigung der diesen zugrun­ deliegenden Fallgestaltungen, sondern werden in einem einheitlichen Regelbeispiel zusammengeführt. Dadurch entsteht sowohl eine wider­ sprüchliche Vermengung von Kriterien als auch die Gefahr einer unbeabsichtigten weiten Einschränkung des Anwendungsbereichs der Regelung. Letztlich stellt sich grundsätzlich die Frage, ob sich eine Verwendung vergaberechtlicher Maßstäbe zur Bestimmung umsatzsteuerrechtlicher Begriffe empfiehlt. Dies lässt sich aus guten Gründen, insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Zielrichtungen der beiden Regelungsbe­ reiche Vergaberecht und Mehrwert- bzw. Umsatzsteuerrecht, bezwei­ feln. Ergibt sich damit unter Anwendung der vergaberechtlichen Kriteri­ en des § 2b Abs. 3 UStG, dass die Leistungserbringung im Rahmen einer Zusammenarbeit nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann, kommt diesem eine grundsätzliche Indizwirkung zu. Allerdings gilt es, das Ergebnis unter Anwendung der umsatzsteuerrechtlichen ­Kriterien zur Bestimmung von größeren Wettbewerbsverzerrungen zu überprüfen. Kommt es danach zu widersprüchlichen Ergebnissen, ist der Anwendungsbereich des § 2b Abs. 3 UStG richtlinienkonform und teleo­ logisch einzuschränken. Mit Blick auf den grundsätzlich interpretations­ fähigen Wortlaut und den klarstellenden Charakter der Regelung sowie den damit verbundenen Willen des Gesetzgebers, eine richtlinienkonfor­ me Behandlung der öffentlichen Hand zu gewährleisten, stellt dieses Vorgehen auch noch ein zulässiges Auslegungsergebnis dar und erfolgt nicht contra legem.

III. Sachliche Steuerbefreiungen für Umsätze der öffentlichen Hand Die persönliche Befreiungsregelung des § 2b UStG bewirkt, dass die öf­ fentliche Hand mit den entsprechenden Tätigkeiten als Nichtunterneh­ merin von vornherein nicht dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer unterliegt. Eine Alternative zu einer solchen umfassenden Befreiungs­ vorschrift, die an das Steuersubjekt anknüpft, stellen sachliche Steuer­ befreiungen dar, welche für bestimmte ausgeübte Umsätze greifen und damit auf das Objekt der Umsatzsteuer abstellen. Eine sachliche Steuer­ befreiung kommt folglich nur in Betracht, wenn ein steuerbarer Umsatz 278

III.  Sachliche Steuerbefreiungen für Umsätze der öffentlichen Hand

grundsätzlich vorliegt.1340 Dies setzt jedoch im Regelfall des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG voraus, dass eine Lieferung oder sonstige Leistung von einem Unternehmer im Inland gegen Entgelt ausgeübt wird. Für die umsatz­ steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand ist die Frage nach der Un­ ternehmereigenschaft damit vorrangig. Die Beurteilung hingegen, ob ein steuerbarer Umsatz der Umsatzsteuer unterliegt oder aber als steuerfrei zu behandeln ist, stellt eine zweite Prüfungsstufe dar. Ein Katalog über die sachlichen Steuerbefreiungen findet sich in § 4 UStG. Ist die öffentliche Hand als Unternehmerin zu behandeln, so finden auf ihre Umsätze die einzelnen Steuerbefreiungstatbestände Anwendung. Es erfolgt somit grundsätzlich keine besondere Behandlung der öffentlichen Hand. Allerdings enthält der Katalog des § 4 UStG einzelne Befreiungs­ tatbestände, die entweder an die Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts anknüpfen oder zumindest auf Umsätze zuge­ schnitten sind, die vor allem von diesen ausgeübt werden.1341 Von beson­ derer Bedeutung ist zum einen die Steuerfreiheit für Krankenhausbe­ handlungen und ärztliche Heilbehandlungen nach § 4 Nr. 14 lit. b UStG. Dieser Befreiungstatbestand stellt an die Person des Unternehmers be­ sondere Anforderungen. Während es auf der einen Seite bereits ausreicht, dass eine Einrichtung des öffentlichen Rechts die befreiten Tätigkeiten ausübt, müssen private Unternehmer in persönlicher Hinsicht besondere sozialrechtliche Anforderungen erfüllen.1342 Zum anderen ist die Steuer­ freiheit gem. § 4 Nr. 16 UStG hervorzuheben. Danach sind Leistungen, die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körper­ lich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbunden sind, von der Steuer befreit. Solche Einrichtungen sind vor allem Krankenhäu­ ser, Alten- und Pflegeheime. Neben der Tätigkeitsumschreibung müssen die Unternehmer in der Regel auch in persönlicher Hinsicht bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Während es dafür auf der einen Seite wieder­ um reicht, dass die Leistungen von einer juristischen Person des öffentli­ chen Rechts ausgeübt werden,1343 müssen auf der anderen Seite private Unternehmer zusätzliche Anforderungen erfüllen.1344 Von vornherein nur für den Bund, die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände vorge­ sehen ist die Befreiung für Umsätze von bestimmten kulturellen Einrich­ tungen, wie zum Beispiel Theatern, Orchestern, Chöre und Museen.1345 1340 Vgl. den Einleitungssatz in § 4 UStG: „Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei […].“ 1341 Vgl. Musil, UR 2015, 533 (534); Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (353). 1342 Vgl. § 4 Nr. 14 lit. b S. 2 UStG. 1343 § 4 Nr. 16 lit. a UStG. 1344 Z. B. müssen bestimmte Vereinbarungen im Sinne des Sozialrechts bestehen (§ 4 Nr. 16 lit. b, c, e, h, i UStG) oder in besonderer Weise eine Anerkennung erfolgen (§ 4 Nr. 16 lit. f, g, j UStG). 1345 § 4 Nr. 20 lit. a UStG.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Ebenfalls, wenn auch nicht ausschließlich, an die Rechtsform der juristi­ schen Person des öffentlichen Rechts anknüpfend sind die Befreiungen von bestimmten, nicht zur Gewinnerzielung erbrachte Bildungsangebo­ te1346 sowie für Aktivitäten im Bereich der Jugendhilfe.1347 Bereits dieser kurze Blick in das Recht der sachlichen Steuerbefreiungen zeigt ihre große Bedeutung für die umsatzsteuerliche Behandlung der öf­ fentlichen Hand. Zum einen wird diese wegen der Anknüpfung an die öffentlich-rechtliche Rechtsform gegenüber privaten Unternehmern pri­ vilegiert. Denn auch wenn Letztere grundsätzlich die Möglichkeit besit­ zen, von der Steuerbefreiung zu profitieren, so müssen hierfür zunächst weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Zum anderen werden von den Steuerbefreiungen Leistungen der öffentlichen Hand erfasst, die ange­ sichts ihres Umfangs und ihrer gesamtgesellschaftlichen Relevanz von besonderer Bedeutung sind. So sind vor allem Tätigkeiten in den Berei­ chen Gesundheit und Bildung weitgehend von der Umsatzbesteuerung freigestellt. Im Ergebnis erfolgt durch die Steuerbefreiung und die darin vorgesehene Anknüpfung an die Rechtsform eine über die persönliche Befreiungsvorschrift hinausgehende Ausweitung der Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand mit ihren Ausgangsleistungen. Im Zusammenhang mit der steuerlichen Behandlung der Zusammenar­ beit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sei noch abschlie­ ßend auf § 4 Nr. 14 lit. d UStG verwiesen. Danach stellt die Leistungser­ bringung eines gemeinschaftlichen Zusammenschlusses von juristischen Personen1348 des öffentlichen Rechts gegenüber ihren Mitgliedern eben­ falls eine steuerfreie Leistung dar, wenn sie der Ausübung von Kranken­ hausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen dienen. Das Ent­ gelt darf dabei allerdings nicht den Umfang einer Kostenerstattung übersteigen. Begünstigt wird dadurch zum Beispiel eine Vereinigung, die zum Zweck der gemeinschaftlich finanzierten Anschaffung und Nut­ zung medizinischer Geräte gegründet wird.1349 Diese Regelung beruht auf Art. 132 lit. f MwStSystRL, welcher die Steuerfreiheit von Dienst­ leistungen eines Zusammenschlusses an seine Mitglieder anordnet.1350 Voraussetzung ist dabei insbesondere, dass die grundsätzlich steuerba­ ren Leistungen den nicht besteuerten Tätigkeiten der Mitglieder dienen und das Entgelt den Umfang einer Kostenbeteiligung nicht übersteigt. 1346 § 4 Nr. 22 lit. a UStG. 1347 § 4 Nr. 25 UStG, der zwar nicht von juristischen Personen des öffentlichen Rechts selbst spricht, aber die Befreiung u. a. für die öffentliche Jugendhilfe vor­ sieht. 1348 Die Regelung gilt auch für private Unternehmer, die in persönlicher Hinsicht die Anforderungen der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 lit. b UStG erfüllen. 1349 Vgl. Baldauf, DStZ 2014, 549 (559). 1350 Vgl. hierzu Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 131–137 MwStSystRL Rz. 42 ff. (Stand: Aug. 2013).

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III.  Sachliche Steuerbefreiungen für Umsätze der öffentlichen Hand

Insoweit entspricht die nationale Regelung dem Unionsrecht. Allerdings ist die Steuerbefreiung nach Art. 132 lit. f MwStSystRL nicht auf Gesundheitsleistungen beschränkt, sondern gilt für sämtliche nicht ­ ­besteuerte Tätigkeiten.1351 Vor dem Hintergrund, dass die nationale Rechtsprechung insoweit ebenfalls eine unzureichende Umsetzung des Richtlinienrechts annimmt, kann sich die öffentliche Hand für ihre ­Zusammenarbeit auch auf die Steuerbefreiung des Art. 132 lit. f MwSt­ SystRL unmittelbar be­rufen.1352 Ein solches Vorgehen stellt neben der Regelung des § 2b Abs. 3 UStG eine weitere Möglichkeit dar, die Zusam­ menarbeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts von einer Besteuerung zu befreien. Eine besondere Bedeutung erlangt diese Variante vor allem dann, wenn die Zusammenarbeit auf einer privat­ rechtlichen (vertraglichen) Grundlage beruht. Denn eine Anwendung der Befreiungsregelung des § 2b Abs. 1 UStG kommt dann von vornher­ ein nicht in Betracht.1353 Einschränkend ist allerdings zu berücksichti­ gen, dass Art. 132 lit. f MwStSystRL nur dann Anwendung findet, wenn die Steuerfreiheit der Umsätze zu keinen Wettbewerbsverzerrungen führt.1354 Vor dem Hintergrund, dass die nationale Regelung zu den Steuerbefrei­ ungen die entsprechenden Vorgaben des Unionsrechts grundsätzlich um­ setzen, ergeben sich insoweit für die öffentliche Hand die gleichen Folge­ wirkungen.1355 Hervorzuheben ist zum einen, dass die Ausübung steuerbefreiter Umsätze grundsätzlich den Vorsteuerabzug für bezogene Leistungen ausschließt, die hierfür verwendet werden.1356 Zum anderen führt die Anknüpfung der Steuerbefreiung an persönliche Verhältnisse des Unternehmers dazu, dass nicht privilegierte private Unternehmer trotz Ausübung vergleichbarer Tätigkeiten nicht in den Genuss der Steu­ erbefreiung gelangen. Beabsichtigt daher eine juristische Person des öf­ fentlichen Rechts, eine im Fall der eigenständigen Ausübung steuer­ 1351 Vgl. Baldauf, DStZ 2014, 549 (559). 1352 BFH, Urt. v. 23.4.2009 – V R 5/07, BFHE 226, 116 (120 ff.); explizit sowohl im vorhergehenden als auch im nachgehenden Verfahren FG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2006 – 5 K 3327/02 U, UR 2007, 462 (463); Urt. v. 4.4.2012 – 5 K 3139/09 U, MwStR 2013, 250 (251); Baldauf, DStZ 2014, 549 (559); mittlerweile hat die EU-Kommission wegen dieser mangelnden Umsetzung des Richtlinienrechts ein Vertragsverletzungsverfahren angekündigt, vgl. Mitteilung vom 26.2.2015, IP/15/4493; hierzu Erdbrügger/Liegmann, BB 2015, 989 ff.; zu den nach Art. 132 I lit. f MwStSystRL bestehenden Möglichkeiten der steuerfreien Erbringung von Leistungen durch interkommunaler Kooperationen ausführlich Ronnecker, ZKF 2014, 100 ff. 1353 Vgl. oben unter B. II. 2. b) bb). 1354 BFH, Urt. v. 23.4.2009 – V R 5/07, BFHE 226, 116 (120 ff.); zum Begriff der Wett­ bewerbsverzerrung EuGH, Urt. v. 20.11.2003 – Rs. C-8/01 (Taksatorringen), EU:C:2003:621, Rz. 58 ff. 1355 Vgl. hierzu oben unter A. III. 1356 Vgl. § 15 II UStG.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

befreiten Tätigkeit auf einen in Bezug auf die Steuerbefreiung nicht privilegierten Unternehmer zu übertragen, unterliegt dessen Leistung der Besteuerung.1357

IV. Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand Entsprechend den Vorgaben des Unionsrechts ist die Umsatzsteuer als Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug ausgestaltet.1358 Die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug dient der steuerlich neutralen Behand­ lung der unternehmerischen Tätigkeit.1359 Werden mit der Inanspruch­ nahme von Fremdleistungen hingegen andere als unternehmerische Zwecke verfolgt, bleibt im Umkehrschluss ein Vorsteuerabzug grund­ sätzlich versagt.1360 Dadurch kommt es in diesen Fällen zu einer end­ gültigen steuerlichen Belastung und zu einer Behandlung des Leistungs­ empfängers als Träger der Umsatzsteuer. Das Recht zum Vorsteuerabzug und sein Umfang sind in § 15 UStG gere­ gelt.1361 In diesem finden sich wie in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie keine besonderen Vorgaben für die steuerliche Behandlung der öffentli­ chen Hand, so dass sich die Berechtigung zum Abzug der Vorsteuer auf bezogene Eingangsleistungen allein aus den allgemeinen Vorgaben er­ gibt. Der § 15 Abs. 1 UStG sieht mehrere Tatbestände für die Entstehung des Rechts auf einen Vorsteuerabzug vor. Für den Vorsteuerabzug der öf­ fentlichen Hand wird sich im Folgenden jedoch auf den Grundtatbestand des § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG beschränkt. Im Rahmen der weiteren Untersuchung stehen daher zunächst der Grundtatbestand des Vorsteuerabzugs und seine Bedeutung für die steu­ erliche Behandlung der öffentlichen Hand im Fokus. Danach werden das 1357 Vgl. z. B. BFH, Urt. v. 23.4.2009 – V R 5/07, BFHE 226, 116 (120). 1358 Vgl. hier nur §§ 1, 15 UStG; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 15; Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 11; zur Mehrwertsteuer nach der MwSt­ SystRL oben unter A. I. 2. 1359 Vgl. hier nur BFH, Urt. v. 15.7.2004 – V R 30/00, BStBl. II 2004, 1025 (1026); Urt. v. 24.4.2013 – XI R 25/10, BStBl. II 2014, 346 (348); Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 6; Stadie, UStG, § 15 Rz. 2. 1360 Vgl. BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75); Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 91; Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 229 (Stand: Sept. 2015). 1361 Die systematische Aufteilung zwischen dem Anspruch auf den Vorsteuerabzug auf der einen Seite und dessen Umfang auf der anderen Seite, wie dieser vom EuGH aus den Art. 167 und 168 MwStSystRL hergeleitet wird, findet sich nicht unmittelbar in der nationalen Regelung wieder. Jedoch verdeutlicht zumindest das Wort „kann“ in § 15 I Nr. 1 S. 1 UStG den grundsätzlichen Anspruchscharak­ ter der Vorschrift, dessen Umfang sich nach den weiteren genannten Vorausset­ zungen ergibt, vgl. Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 42 (Stand: April 2014).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

Zuordnungswahlrecht und seine Folgen für den Vorsteuerabzug der öf­ fentlichen Hand eingehend beleuchtet. Abschließend soll im Zusam­ menhang mit dem Vorsteuerabzug noch auf die umsatzsteuerliche Be­ lastung der öffentlichen Hand eingegangen werden, welche sie unter bestimmten Voraussetzungen bei der Zahlung von öffentlichen Zuschüs­ sen zu tragen hat. 1. Der Grundtatbestand des Vorsteuerabzugs Der Grundtatbestand des Vorsteuerabzugs findet sich mit seinen Voraus­ setzungen in § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, Abs. 2 – 4 UStG. Hinsichtlich der öffentlichen Hand werden insoweit keine besonderen Regelungen getrof­ fen, so dass zunächst im Überblick auf die allgemeinen Grundzüge und Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs einzugehen ist. Im Anschluss dar­ an ist zu untersuchen, welche Bedeutung und Auswirkungen sich daraus für die steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand ergeben. Bei beiden Schritten ist zudem zu prüfen, ob und inwieweit das nationale Recht und seine Folgen im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben stehen. a) Grundzüge und Voraussetzungen Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG die Steuer auf seine bezogenen Eingangsleistungen in Abzug bringen, soweit die Steuer gesetzlich geschuldet und die Eingangsleistung von einem anderen ­Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt wird. Diese Möglichkeit ist nach § 15 Abs. 2 UStG jedoch ausgeschlossen, wenn der Unterneh­ mer die bezogene Leistung für die Ausübung steuerfreier Umsätze ver­ wendet. Eine Ausnahme vom Ausschluss ergibt sich wiederum nach § 15 Abs. 3 UStG. In den dort genannten Fällen ist trotz Ausübung steu­ erfreier Umsätze ein Vorsteuerabzug möglich. Für den Fall, dass eine be­ zogene Leistung nur teilweise für steuerfreie Ausschlussumsätze ver­ wendet wird, erfolgt insoweit eine Aufteilung des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 4 UStG. Der Begriff des Unternehmers in § 15 UStG ist in Übereinstimmung mit § 2 UStG auszulegen.1362 Sowohl der Leistungsempfänger als auch der Leistungserbringer müssen folglich gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG über die Unternehmereigenschaft verfügen, damit ein Anspruch auf Vorsteu­ erabzug entsteht. Hierdurch ist ein Vorsteuerabzug nur innerhalb der Leistungskette zwischen Unternehmern im Sinne des § 2 UStG möglich. Auf diesem Wege schließt die Regelung zum einen die Möglichkeit des 1362 Vgl. BFH, Urt. v. 6.5.1993 – V R 45/88, BStBl. II 1993, 564 (565); Urt. v. 27.1.2011 – V R 38/09, BStBl. II 2012, 68 (71); Kraeusel, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 15 Rz. 26.1 (Stand: Nov. 2014); Wagner, in: Sölch/Ringleb, § 15 Rz. 190 (Stand: Sept. 2010).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Vorsteuerabzugs aus, wenn die bezogene Leistung von einem Nicht­ unternehmer erbracht wird. Zum anderen setzt der Vorsteuerabzug vor­ aus, selbst über die Unternehmereigenschaft zu verfügen. Fehlt es bereits an dieser, kommt eine steuerlich neutrale Behandlung nicht in Betracht. Die Voraussetzung, dass eine Leistung für das Unternehmen ausgeführt werden muss, entspricht nach seinem Wortlaut nicht den unionsrechtli­ chen Vorgaben.1363 Denn nach Art. 167, 168 MwStSystRL kommt es auf den Bezug für die wirtschaftliche Tätigkeit und eine Verwendung für be­ steuerte Umsätze an.1364 Nach Unionsrecht sind folglich die Ausgangs­ umsätze maßgeblich. Der Bezug für das Unternehmen allein reicht nicht aus.1365 Vor diesem Hintergrund ist § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG richt­ linienkonform tätigkeitsbezogen auszulegen. Unter dem Begriff für sein Unternehmen ist damit die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers gem. § 2 Abs. 1 UStG zu verstehen.1366 Angesichts der Tat­ sache, dass diese Definition der unternehmerischen Tätigkeit in § 2 Abs. 1 UStG richtlinienkonform als Synonym für den Begriff der wirt­ schaftlichen Tätigkeit zu verstehen ist,1367 bedarf es letztlich für den Vor­ steuerabzug einen Leistungsbezug, welcher der wirtschaftlichen und da­ mit einer dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer unterliegenden Tätigkeit zuzuordnen ist.1368 Daher entspricht die Auslegung des Unter­ nehmensbegriffs für den Vorsteuerabzug des § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG den inhaltlichen Vorgaben des Art. 167 MwStSystRL, der ein Handeln als Steuerpflichtiger und eine Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit er­ fordert.1369 Dies führt dazu, dass ein Vorsteuerabzug wie im Unions­ recht1370 ausscheidet, soweit ein Unternehmer eine bezogene Leistung nicht seiner unternehmerischen (wirtschaftlichen) Tätigkeit zuordnet

1363 Einen Überblick über die Abweichungen gibt Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 30 (Stand: April 2014); vgl. zudem Wäger, DB 2012, 1288 (1289); Westermann/Maier, KStZ 2013, 81 (82). 1364 Vgl. hierzu oben unter A. IV. 1. und 2. 1365 Vgl. Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 231 (Stand: April 2014). 1366 Vgl. BFH, Urt. v. 6.5.2010 – V R 29/09, BStBl. II 2010, 885 (887); Wäger, DStR 2011, 433 (434); Oelmaier, a. a. O., § 15 Rz. 229 (Stand: April 2014); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 97 (Stand: März 2013). 1367 Vgl. BFH, Urt. v. 26.1.2012 – V R 18/08, BFHE 236, 250 (257) m. w. N.; Korn, in: Bunjes, UStG, § 2 Rz. 3; Oelmaier, a. a. O., § 15 Rz. 231 (Stand: April 2014); Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 26 (Stand: März 2013); zur unternehmerischen Tätigkeit nach § 2 I UStG oben unter B. II. 1. 1368 BFH, Urt. v. 23.10.2014 – V R 11/12, BFHE 247, 471 (478); Urt. v. 22.10.2009 – V R 33/08, BFH/NV 2010, 957 (958); Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75); Urt. v. 19.7.2011 – XI R 29/09, BStBl. II 2012, 430 (432); Oelmaier, eben­ da; Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 97.2 (Stand: März 2013). 1369 Vgl. Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 98; zu Art. 167 MwStSystRL oben unter A. IV. 1. 1370 Vgl. zum Zuordnungserfordernis im Unionsrecht oben unter A. IV. 1. a).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

bzw. zuordnen kann.1371 Folglich besteht kein Anspruch auf Vorsteuer­ abzug, wenn die Eingangsleistung nicht unternehmerischen, sondern ausschließlich privaten Zwecken dient.1372 Gleiches gilt, wenn der Leis­ tungsbezug anderen nichtunternehmerischen Zwecken dient.1373 Ein Ausschluss vom Vorsteuerabzug erfolgt gem. § 15 Abs. 2 UStG darüber hinaus auch dann, wenn ein Leistungsbezug zur Ausübung von steuer­ freien Umsätzen verwendet wird. Diese Regelung entspricht der Vorgabe des Art. 168 lit. a MwStSystRL, der nur für den Fall der Verwendung für steuerpflichtige Umsätze einen Vorsteuerabzug vorsieht.1374 Eine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG setzt weiterhin voraus, dass diese zur Ausübung von steuerbaren Umsätzen führt.1375 Dementsprechend ist die Voraussetzung einer Leistung für das Unternehmen nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG dahingehend zu verste­ hen, dass es einer Verwendung des Leistungsbezugs für die Ausübung von eigenen steuerbaren Umsätzen bedarf.1376 Das sind insbesondere Umsätze im Sinne des § 1 UStG, die als Steuerobjekt dem Anwendungs­ bereich der Umsatzsteuer unterliegen.1377 Mit der Anknüpfung der Rege­ lung des Vorsteuerabzugs an die Ausübung von steuerbaren Umsätzen kommt es im nationalen Recht wie im Richtlinienrecht vorgesehen zu einer Verknüpfung zwischen Eingangs- und Ausgangsseite.1378 Sowohl die Voraussetzung, dass die Eingangsleistung für das Unterneh­ men ausgeführt werden muss als auch die negative Abgrenzung zur Aus­ 1371 Vgl. BFH, Urt. v. 12.1.2011 – XI R 9/08, BStBl. II 2012, 58 (60); Stadie, in: Rau/ Dürrwächter, § 15 Rz. 268 (Stand: Juli 2013). 1372 BFH, Urt. v. 8.9.2010 – XI R 31/08, BStBl. II 2011, 197 (200); Urt. v. 13.1.2011 – V R 12/08, BStBl. II 2012, 61 (63); Urt. v. 20.12.2012 – V R 37/11, BFH/NV 2013, 781 (782); Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 260 (Stand: April 2014). 1373 Vgl. BFH, Urt. v. 22.10.2009 – V R 33/08, BFH/NV 2010, 957 (958); Urt. v. 9.12.2010 – V R 17/10, BStBl. II 2012, 53 (55); Urt. v. 12.1.2011 – XI R 9/08, ­BStBl. II 2012, 58 (60); Urt. v. 27.1.2011 – V R 38/09, BStBl. II 2012, 68 (71); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 328; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz. 284 (Stand: Juli 2013). 1374 Vgl. Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 282; zur Einschränkung des Vorsteuer­ abzugs auf die Verwendung für die besteuerten Umsätze nach Art. 168 MwSt­ SystRL oben unter A. IV. 2. 1375 Vgl. EuGH, Urt. v. 1.4.1982 – Rs. 89/81 (Hong Kong-Trade), EU:C:1982:121, Rz. 11 f.; Urt. v. 8.3.1988 – Rs. 102/86 (Apple and Peer Development), EU:C:1988:120, Rz. 16 f.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 45; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 43 (Stand: März 2013); Abschn. 2.3 Abs. 8 S. 3 f. UStAE. 1376 Vgl. BFH, Urt. v. 28.11.2002 – V R 18/01, BStBl. II 2003, 443 (444); Urt. v. 6.5.2010 – V R 29/09, BStBl. II 2010, 885 (887); Urt. v. 9.12.2010 – V R 17/10, BStBl. II 2012, 53 (54); Urt. v. 19.7.2011 – XI R 29/09, BStBl. II 2012, 430 (432); Englisch, a. a. O., § 17 Rz. 323; Reiß, a. a. O., § 2 Rz. 97 (Stand: März 2013). 1377 Vgl. Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 229 (Stand: Sept. 2015). 1378 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 323.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

übung steuerfreier Umsätze1379 erfordert eine Bestimmung darüber, ob ein Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsätzen be­ steht.1380 Die Frage des hinreichenden Zusammenhangs ist unter Berück­ sichtigung der vom EuGH diesbezüglich aufgestellten Kriterien zu beant­ worten.1381 Das Recht zum Vorsteuerabzug entsteht im Zeitpunkt des Leistungsbe­ zugs, so dass die Zuordnung auf Grundlage der in diesem Moment beste­ henden Umstände zu erfolgen hat.1382 Es gilt folglich in Anknüpfung an das Unionsrecht der Grundsatz des Sofortabzugs.1383 So wird eine nach­ trägliche Änderung der maßgeblichen Umstände grundsätzlich nicht im Rahmen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG berück­ sichtigt.1384 Eine Durchbrechung der Wirkung des Sofortabzugs und die Möglichkeit zur Berücksichtigung einer späteren Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse findet sich in der Vorsteuer­ berichtigung gem. § 15a UStG.1385 Diese Regelung greift die Vorgaben des Unionsrechts in den Art. 184 ff. MwStSystRL auf.1386 Nach seinem Wort­ laut setzt § 15a Abs. 1 und 2 UStG voraus, dass die Änderung der Verhält­ nisse die Verwendung einer Leistung betrifft, welche zur Ausführung von Umsätzen diente.1387 Daraus folgt, dass für eine Leistung, die zunächst nicht zur Ausführung von Umsätzen verwendet wurde, eine spätere Vor­ steuerberichtigung nicht in Betracht kommt. Eine nachträgliche Ein­ lagenentsteuerung über die Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG schei­ det damit ebenfalls aus.1388 Das Verbot der Einlagenentsteuerung, welches

1379 Vgl. Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 282. 1380 Vgl. Heidner, a. a. O., § 15 Rz. 18 ff.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 323 ff. 1381 Vgl. BFH, Urt. v. 6.5.2010 – V R 29/09, BStBl. II 2010, 885 (887); Urt. v. 8.9.2010 – XI R 31/08, BStBl. II 2011, 197 (199); Urt. v. 9.12.2010 – V R 17/10, BStBl. II 2012, 53 (54 f.); Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75); Heidner, a. a. O., § 15 Rz. 18 ff.; oben unter A. IV. 2. b). 1382 Vgl. BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 17/10, BStBl. II 2012, 53 (55); Urt. v. 24.4.2013 – XI R 25/10, BStBl. II 2014, 346 (349); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 330; Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 50 (Stand: März 2012); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rz. 279 (Stand: Juli 2013). 1383 Vgl. BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 17/10, BStBl. II 2012, 53 (57) m. w. N.; Englisch, a. a. O., § 17 Rz. 315; Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 125. 1384 Vgl. BFH, Urt. v. 23.10.2014 – V R 11/12, BFHE 247, 471 (478 f.); Urt. v. 23.9.2009 – XI R 14/08, BStBl. II 2010, 243 (245); Wäger, DStR 2011, 433 (440); Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 204 (Stand: April 2014); zu den Einschränkun­ gen durch die Rechtsprechung des EuGH oben unter A. IV. 1. b). 1385 Vgl. Oelmaier, a. a. O., § 15a Rz. 36 (Stand: April 2014). 1386 Vgl. Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15a Rz. 6. 1387 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 331; Heidner, a. a. O., § 15a Rz. 11. 1388 Vgl. BFH, Urt. v. 1.12.2010 – XI R 28/08, BStBl. II 2011, 994 (995 f.).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

der EuGH aus dem Unionsrecht ableitet,1389 gilt somit auch im nationa­ len Recht und schränkt die Möglichkeit des Vorsteueranspruchs ein.1390 Zusammengefasst ist übereinstimmend mit dem Richtlinienrecht nach nationalem Recht ein Vorsteuerabzug insbesondere dann ausgeschlos­ sen, wenn der Leistungsempfänger kein Unternehmer ist oder aber die bezogene Leistung nicht seiner unternehmerischen Tätigkeit zuordnet und für diese verwendet. Gleiches gilt, soweit es zu einer Verwendung für steuerfreie Ausgangsumsätze kommt. In diesen Fällen wird der Leis­ tungsempfänger mangels Abzugsmöglichkeit steuerlich endgültig belas­ tet. Demgegenüber besteht dann ein Anspruch auf Vorsteuerabzug, wenn eine bezogene Leistung der unternehmerischen Tätigkeit zugeordnet wird und zur Ausübung steuerpflichtiger Umsätze verwendet wird. b) Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand Mangels besonderer Vorschriften erlangt die öffentliche Hand unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG einen Vorsteueran­ spruch. Dieser scheidet damit zum einen dann aus, wenn eine Einheit der öffentlichen Hand nicht als Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG dem Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts unterliegt. Übt die öffentliche Hand folglich keine unternehmerische Tätigkeit aus oder ist sie nach den besonderen Regelungen des § 2b UStG von der Unterneh­ mereigenschaft befreit, kommt ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht. Zur Versagung einer steuerlich neutralen Behandlung kommt es weiter­ hin dann, wenn eine Einrichtung der öffentlichen Hand zwar Unterneh­ merin ist, jedoch eine Leistung nicht für ihr Unternehmen bezieht.1391 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Eingangsleistung aus­ schließlich für nichtunternehmerische Zwecke verwendet wird.1392 Auch hier kommt es nicht darauf an, ob der nichtunternehmerische Charakter einer Tätigkeit darauf beruht, dass diese nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG erfüllt oder aber eine unternehmerische Tätigkeit der Befreiungsregelung des § 2b UStG unterliegt. In beiden Fällen erfolgt im Rahmen der Zuordnung zu einer solchen Tätigkeit kein Leistungsbezug für das Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG. 1389 Vgl. oben unter A. IV. 3.; a. A. im Vergleich zur Auslegung des EuGH Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 331. 1390 Vgl. BFH, Urt. v. 11.4.2008 – V R 10/07, BStBl. II 2009, 741 (744); Urt. v. 23.9.2009 – XI R 14/08, BStBl. II 2010, 243 (244); hierzu Fleckenstein-Weiland, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 15a Rz. 218 (Stand: April 2013); Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 254 (Stand: April 2014); einschränkend für nichtunternehmerische Tätigkeiten, die jedoch keinen privaten Charakter besit­ zen, ders., a. a. O., § 15a Rz. 48a (Stand: April 2014). 1391 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 180 (Stand: März 2013). 1392 Vgl. BFH, Urt. v. 22.10.2009 – V R 33/08, BFH/NV 2010, 957 (958).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs der öffentlichen Hand könnte sich weiterhin aus § 15 Abs. 1 S. 2 UStG ergeben. Danach gilt eine Leis­ tung nicht für das Unternehmen ausgeführt, wenn der unternehmerische Nutzungsanteil unterhalb einer Grenze von 10 % liegt. Die Möglichkeit zum anteiligen Vorsteuerabzug scheidet damit aus, obwohl eine zumin­ dest teilweise unternehmerische Veranlassung vorliegt. In Ansehung des Umstandes, dass die öffentliche Hand neben ihren unternehmerischen Tätigkeiten regelmäßig und überwiegend nicht dem Umsatzsteuerrecht unterliegende Tätigkeiten ausübt, erlangt der Ausschluss vom Vorsteu­ erabzug nach § 15 Abs. 1 S. 2 UStG für sie eine hohe Bedeutung.1393 Eine entsprechende Einschränkung ist im harmonisierten Mehrwertsteuer­ recht nicht vorgesehen, so dass die Regelung auf den ersten Blick gegen das Richtlinienrecht verstößt.1394 Allerdings beruht sie auf einer Ermäch­ tigung des Rates der Europäischen Union zur Umsetzung einer Sonder­ maßnahme gem. Art. 395 MwStSystRL. Es ist allerdings fraglich, ob der Anwendungsbereich der Ausschlussrege­ lung des § 15 Abs. 1 S. 2 UStG von der Ermächtigung des Rates gedeckt ist.1395 So berechtigt die Ermächtigung nach ihrem Wortlaut den vollstän­ digen Ausschluss vom Vorsteuerabzug insoweit, als dass Leistungen „zu mehr als 90 % für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Per­ sonals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke genutzt werden […].“1396 Die öffentliche Hand selbst verfolgt keine privaten Zwecke und nach der Rechtsprechung des EuGH sind ihre nichtwirtschaftlichen Zwecke auch nicht als unternehmensfremd im Sinne des Art. 16 bzw. 26 MwStSystRL anzusehen.1397 Soweit es unter Anwendung des § 15 Abs. 1 S. 2 UStG zum vollständigen Vorsteuerausschluss zu Lasten der öffentlichen Hand kommt, erscheint diese Rechtsfolge nicht mehr vom Regelungsgehalt der Ermächtigung des Rates gedeckt zu sein.1398 Dieses Ergebnis findet sich zudem in der Entstehungsgeschichte der Ermäch­ tigung bestätigt, die zunächst alle nichtwirtschaftlichen Zwecke als Ausschlussgrund vom anteiligen Vorsteuerabzug anerkannte. Bei den späteren Entscheidungen des Rates der Europäischen Union über die Ver­ längerung der Ermächtigung zum vollständigen Vorsteuerausschluss 1393 Vgl. Baldauf, DStZ 2013, 516. 1394 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 35; BFH, Beschl. v. 16.6.2015 – XI R 15/13, BFH/NV 2015, 1319 (1323); Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 262 f. 1395 Vgl. mit einem Überblick des Diskussionsstandes BFH, Beschl. v. 16.6.2015 – XI R 15/13, BFH/NV 2015, 1319 (1323). 1396 Durchführungsbeschluss des Rates (2012/705/EU) vom 13.11.2012, ABl. L 319 v. 16.11.2012, S. 8. 1397 Vgl. hierzu ausführlich oben unter A. IV. 2. c). 1398 So z. B. Baldauf, DStZ 2013, 516 (520); Küffner/von Streit, DStR 2012, 636 (638); a. A. z. B. FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 17.1.2013 – 7 K 7132/10, EFG 2013, 987 (988 f.); Abschn. 15.2c Abs. 1 S. 3 UStAE; Sterzinger, UR 2012, 213 (220).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

wurde diese hingegen mit dem noch heute geltenden Wortlaut auf priva­ te und andere unternehmensfremde Zwecke beschränkt.1399 Damit steht die in § 15 Abs. 1 S. 2 UStG vorgesehene Versagung des vollständigen Vorsteuerabzugs der öffentlichen Hand bei der Verfolgung ihrer nicht­ wirtschaftlichen Zwecke, die jedoch nicht unternehmensfremd im Sinne des Art. 16 bzw. 26 MwStSystRL sind, im Widerspruch mit den unions­ rechtlichen Vorgaben. Die derzeit bestehende Ermächtigung nach Art. 395 MwStSystRL hilft nicht darüber hinweg. Vor diesem Hinter­ grund hat der BFH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob der Anwendungsbe­ reich der Ermächtigung in diesem Sinne zu verstehen ist und sich dabei selbst dieser Ansicht angeschlossen.1400 Bis zur endgültigen Klärung durch den EuGH kann sich die öffentliche Hand gleichwohl in diesen Fällen unmittelbar auf die Anwendung des Richtlinienrechts berufen und einen anteiligen Vorsteuerabzug begehren.1401 Somit führt § 15 Abs. 1 S. 2 UStG für die öffentliche Hand grundsätzlich zu keiner weitergehen­ den Einschränkung des Vorsteuerabzugs. Des Weiteren besteht gem. § 15 Abs. 2 UStG kein Anspruch auf Vorsteu­ erabzug, wenn die ausgeübte Tätigkeit der öffentlichen Hand einer Steu­ erbefreiung des § 4 UStG unterliegt. Damit kommt es regelmäßig gerade in den Fällen der sachlichen Befreiungstatbestände, die an die Rechts­ form einer juristischen Person des öffentlichen Rechts anknüpfen, zu einer endgültigen Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand. Ist eine Ein­ gangsleistung der öffentlichen Hand bei Leistungsbezug ausschließlich ihrer nichtunternehmerischen Tätigkeit zuzuordnen, kommt im Fall der späteren Verwendung für unternehmerische Zwecke eine Vorsteuerbe­ richtigung nach Art. 15a UStG nicht in Betracht. Zusammenfassend führt das nationale Recht wie das Unionsrecht zu ei­ nem weitgehenden Ausschluss der öffentlichen Hand vom Vorsteuerab­ zug. Insbesondere wegen der Verknüpfung von Eingangsseite und Aus­ gangsseite wird sie somit als Endverbraucherin und Trägerin der steuerlichen Belastung behandelt.1402 Darüber hinaus wirken sich die Schwierigkeiten, die sich im Rahmen der Bestimmung der Unterneh­ mereigenschaft der öffentlichen Hand ergeben, auch auf die steuerliche Behandlung der Eingangsseite aus. Angesichts der mit dem Vorsteuer­ abzug verbundenen Vorteile entfaltet die gegenwärtige Regelung zu­ dem einen hohen Anreiz für die öffentliche Hand, die bestehenden Ge­ 1399 Vgl. zu dieser Interpretation der Entstehungsgeschichte BFH, Beschl. v. 16.6.2015 – XI R 15/13, BFH/NV 2015, 1319 (1323 f.). 1400 Vgl. BFH, Beschl. v. 16.6.2015 – XI R 15/13, BFH/NV 2015, 1319. 1401 Vgl. Küffner/von Streit, DStR 2012, 636 (638); zu der Möglichkeit, dass sich die öffentliche Hand auf eine unmittelbare Anwendung des Richtlinienrechts beruft, oben unter B. I. 2. 1402 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 183 (Stand: März 2013).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

staltungsmöglichkeiten bei der Bestimmung der Unternehmereigenschaft zu ihrem Vorteil zu nutzen. 2. Das Zuordnungswahlrecht und seine Folgen Der EuGH hat in seiner Auslegung des Art. 167 MwStSystRL ein Zuord­ nungswahlrecht des Steuerpflichtigen anerkannt, wenn ein Gegenstand sowohl für die Zwecke einer wirtschaftlichen als auch einer nichtwirt­ schaftlichen Tätigkeit bezogen wird. Wie im Unionsrecht ist auch im nationalen Recht im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG ein Leis­ tungsbezug zur unternehmerischen Tätigkeit und damit eine entspre­ chende Zuordnung erforderlich.1403 Dabei ist das Zuordnungswahlrecht des EuGH im Fall der gemischten Veranlassung und Verwendung eines Leistungsbezugs zu berücksichtigen.1404 Somit kann in diesen Fällen der Unternehmer die bezogene Leistung in vollem Umfang, anteilig oder gar nicht der unternehmerischen Tätigkeit zuordnen.1405 Ob der öffentlichen Hand ein solches Zuordnungswahlrecht nach natio­ nalem Recht zusteht und welche Auswirkungen sich daraus für den Vor­ steuerabzug ergeben würden, gilt es im Folgenden zu untersuchen. Die Auswirkungen eines Zuordnungswahlrechts könnten dabei vor allem den Umfang der sofort abzugsfähigen Vorsteuer und die Möglichkeit der Vorsteuerberichtigung bei Veränderung der anteiligen Verwendung be­ treffen. a) Das Zuordnungswahlrecht der öffentlichen Hand Die Untersuchung des Unionsrechts ergab, dass die öffentliche Hand nach dem Inhalt der Mehrwertsteuersystemrichtlinie über ein Zuord­ nungswahlrecht verfügt.1406 Danach kann sie grundsätzlich darüber ent­ scheiden, ob ein Gegenstand, der sowohl für Zwecke einer wirtschaftli­ chen als auch einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit angeschafft wird, ganz, teilweise oder gar nicht der einen oder der anderen Tätigkeit zuge­ ordnet wird. Das unionsrechtliche Zuordnungswahlrecht wird grund­ sätzlich im nationalen Recht im Rahmen des Vorsteuerabzugs berück­ 1403 Vgl. zur Zuordnung zur unternehmerischen Tätigkeit oben unter B. IV. 1. a). 1404 Vgl. BFH, Urt. v. 31.1.2002 – V R 61/96, BStBl. II 2003, 813 (814); Urt. v. 28.2.2002 – V R 25/96, BStBl. II 2003, 815 (816); Urt. v. 11.4.2008 – V R 10/07, BStBl. II 2009, 741 (743); Urt. v. 7.7.2011 – V R 21/10, BStBl. II 2014, 81 (83); Urt. v. 19.7.2011 – XI R 29/09, BStBl. II 2012, 430 (432); Urt. v. 18.4.2012 – XI R 14/10, BFH/NV 2012, 1828 (1831); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 336; Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 99; Oelmaier, in: Sölch/Ring­ leb, UStG, § 15 Rz. 246 ff. (Stand: April 2014). 1405 Vgl. Radeisen, DB 2014, 321 (322). 1406 Vgl. zum Zuordnungswahlrecht der öffentlichen Hand nach den Vorgaben des Unionsrechts oben unter A. IV. 4.

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

sichtigt, so dass dieses zunächst mangels besonderer Regelungen mit Anwendung der allgemeinen Grundzüge des Vorsteuerabzugs ebenfalls für die öffentliche Hand gilt.1407 Allerdings vertritt der BFH in seiner Rechtsprechung zum Zuordnungs­ wahlrecht den Grundsatz, dass ein Vorsteuerabzug nur insoweit möglich sei, als dass die Aufwendungen für einen Leistungsbezug der „wirtschaft­ lichen Tätigkeit zuzurechnen sind […].“1408 Danach bestünde kein ­Zuordnungswahlrecht und der Zuordnungsumfang sowie der Vorsteuer­ abzug wären von vornherein auf den wirtschaftlichen bzw. unternehme­ rischen Anteil beschränkt.1409 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz be­ stehe nach dem BFH nur dann, wenn die nichtunternehmerische Tätigkeit zu einer Entnahmebesteuerung nach Art. 16 oder 26 MwStSystRL führe. Dabei schließt sich der BFH der Auslegung des EuGH an und beschränkt den Anwendungsbereich der Art. 16 und 26 MwStSystRL auf die Verfol­ gung privater Zwecke.1410 Der BFH interpretiert das Zuordnungswahl­ recht damit als Sonderfall und beschränkt es auf solche Fälle, in denen es nach der Rechtsprechung des EuGH zu einem vollumfänglichen Abzug der Vorsteuer für einen Leistungsbezug, der sowohl einer wirtschaftli­ chen als auch einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit dient, kommen kann.1411 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der EuGH wiederum nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie einen vollen Vorsteuerabzug im Fall der gemischten Veranlassung eines Leistungsbezugs nur dann für möglich hält, wenn dieser neben wirtschaftlichen auch privaten Zwecken dient. Im Fall der Verwendung für andere nichtwirtschaftliche Zwecke als sol­ che von privater Natur ist ein vollumfänglicher Vorsteuerabzug nicht möglich.1412 Vor diesem Hintergrund kommt nach der Rechtsprechung des BFH ein Zuordnungswahlrecht als Sonderfall nicht in Betracht, wenn die nichtunternehmerische Tätigkeit keinen privaten Zwecken dient.1413 1407 Vgl. BFH, Urt. v. 22.10.2009 – V R 33/08, BFH/NV 2010, 957 (958); Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (562 f.); so auch die Rechtspre­ chung und die Verwaltungspraxis in Österreich, vgl. Heber, ÖStZ 2013, 46 (47). 1408 BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 17/10, BStBl. II 2012, 53 (56); Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75); Urt. v. 19.7.2011 – XI R 29/09, BStBl. II 2012, 430 (432); vgl. hierzu Ehrke-Rabel/von Streit, UR 2015, 249 (250); Radeisen, BB 2013, 151 (152). 1409 Vgl. BFH, Urt. v. 8.9.2010 – XI R 31/08, BStBl. II 2011, 197 (199). 1410 BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75 f.); Urt. v. 19.7.2011 – XI R 29/09, BStBl. II 2012, 430 (432). 1411 Vgl. BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 17/10, BStBl. II 2012, 53 (56); Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 232 (Stand: April 2014); Abschn. 15.2 Abs. 15a S. 7–9 UStAE. 1412 EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuin­ bouw Organisatie), EU:C:2009:88, Rz. 37 ff.; hierzu Korn, DStR 2009, 372 (373); zur Rechtsprechung des EuGH oben unter A. IV. 1. 1413 Vgl. hierzu BFH, Urt. v. 12.1.2011 – XI R 9/08, BStBl. II 2012, 58 (59); Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (562 f.); Küffner/von Streit, DStR

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Die effektive Beschränkung des Zuordnungswahlrechts auf Sachverhal­ te, in denen mit der nichtunternehmerischen Tätigkeit private Zwecke verfolgt werden, bedeutet grundsätzlich den Ausschluss der öffentlichen Hand vom Zuordnungswahlrecht.1414 Dies gilt sowohl dann, wenn die Tätigkeit nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG erfüllt, als auch dann, wenn die öffentliche Hand mit einer Tätigkeit der persönlichen Befreiung nach § 2b Abs. 1 S. 1 UStG unterliegt. Demgegenüber scheidet nach der Rechtsprechung des EuGH in diesen Fällen gerade nicht das Zuordnungswahlrecht aus, sondern nur der volle Vorsteuerabzug man­ gels Verwendung für steuerpflichtige Zwecke.1415 Mit dem Ausschluss des Zuordnungswahlrechts für die öffentliche Hand steht die Rechtspre­ chung des BFH folglich im Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorga­ ben. Ausgangspunkt dafür ist die fehlende Berücksichtigung des BFH der im Unionsrecht nach der Auslegung des EuGH vorgesehenen Trennung zwischen dem Zuordnungswahlrecht auf der einen Seite, welches die Entstehung des Rechts zum Vorsteuerabzug betrifft, und der davon ge­ trennten Frage des Umfangs des Vorsteuerabzugsrechts auf der anderen Seite.1416 Demgegenüber bestimmt aus Sicht des BFH bereits der Umfang der Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit den konkreten Umfang des Vorsteuerabzugsrechts.1417 Nach diesem Verständnis ist es zwar nach­ vollziehbar, dass der BFH ein Zuordnungswahlrecht nur in den Fällen für zutreffend erachtet, in denen der EuGH den vollständigen Abzug der Vor­ steuer ermöglicht. Gleichwohl ist die Rechtsprechung des BFH insoweit richtlinienwidrig. Der BFH stützt sich für seine ablehnende Haltung zum Zuordnungswahl­ recht allein auf seine Interpretation der Rechtsprechung des EuGH.1418 Damit ergibt sich die Einschränkung des Zuordnungswahlrechts nicht zwingend aus den nationalen Vorgaben, sondern liegt allein in einer ver­ fehlten Auslegung der Regeln zum Vorsteuerabzug begründet. Unter zu­ treffender Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben steht der öffentlichen Hand auch in Anwendung des nationalen Rechts entgegen der Auffassung des BFH im Fall der gemischten Verwendung von Ein­ gangsleistungen ein Zuordnungswahlrecht zu.1419 2012, 581 (583); Birkenfeld, in: Birkenfeld/Wäger, UStG, § 170 Rz. 154 (Stand: Juli 2012). 1414 Vgl. BFH, Urt. v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554 (562 f.); Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75 f.). 1415 Vgl. oben unter A. IV. 4. a). 1416 Vgl. Küffner/von Streit, DStR 2012, 636 (637). 1417 BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75 f.); Urt. v. 19.7.2011 – XI R 29/09, BStBl. II 2012, 430 (432). 1418 Vgl. BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75); Urt. v. 19.7.2011 – XI R 29/09, BStBl. II 2012, 430 (432). 1419 So auch die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis in Österreich, vgl. Heber, ÖStZ 2013, 46 (47).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

Eine Einschränkung des Zuordnungswahlrechts der öffentlichen Hand könnte sich allerdings aus § 15 Abs. 1 S. 2 UStG ergeben. Dies kommt nach der hier vertretenen Auffassung zum Anwendungsbereich dieser Regelung jedoch von vornherein nur dann in Betracht, wenn sich die öf­ fentliche Hand nicht unmittelbar auf das Richtlinienrecht beruft. Denn der vollständige Vorsteuerausschluss für eine gemischte Tätigkeit, die sowohl wirtschaftlichen als auch nichtwirtschaftlichen Leistungen der öffentlichen Hand dient, mit denen jedoch keine privaten Zwecke ver­ folgt werden, steht nicht im Einklang mit den Richtlinienvorgaben.1420 Darüber hinaus ist weiterhin fraglich, ob mit dem vollständigen Aus­ schluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 2 UStG, wenn der unter­ nehmerische Nutzungsanteil unterhalb der Grenze von 10 % liegt, auch eine Zuordnung zur unternehmerischen Tätigkeit ausgeschlossen ist. Dies wäre dann der Fall, wenn es sich bei der Regelung des § 15 Abs. 1 S. 2 UStG um eine Zuordnungsfiktion zur nichtunternehmerischen Tä­ tigkeit1421 oder um ein Zuordnungsverbot zur unternehmerischen Tätig­ keit1422 handelte.1423 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Re­ gelung in § 15 Abs. 1 S. 2 UStG die Formulierung für sein Unternehmen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG aufgreift. In richtlinienkonformer Ausle­ gung setzt eine Ausführung für das Unternehmen wiederum zweierlei voraus, nämlich dass die Eingangsleistung sowohl der wirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet als auch zur Erbringung von steuerbaren Ausgangs­ umsätzen verwendet wird.1424 Im Fall der Interpretation des § 15 Abs. 1 S. 2 UStG als Zuordnungsfiktion oder aber als Zuordnungsverbot wird für die einschränkende Wirkung jeweils an die erste Voraussetzung, und zwar an die Zuordnung ange­ knüpft. Die den Vorsteuerabzug ausschließende Wirkung des § 15 Abs. 1 S. 2 UStG gebietet jedoch mit Blick auf das Neutralitätsgebot eine enge Auslegung der Vorschrift. Aus diesem Grund ist es vorzugswürdig, für die einschränkende Wirkung nicht an die Zuordnung, sondern an die Verwendung anzuknüpfen. So ließe sich die Regelung als Fiktion einer Verwendung für nicht steuerbare Ausgangsumsätze verstehen. Auf die­ sem Wege wird auf der einen Seite der Vorsteuerabzug in vollem Umfang ausgeschlossen, auf der anderen Seite besteht das Zuordnungswahlrecht fort.1425 So kann im Fall einer beim Leistungsbezug erfolgten Zuordnung 1420 Vgl. hierzu oben unter B. IV. 1. b). 1421 So z. B. Baldauf, DStZ 2013, 516 (517); Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 265. 1422 So Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15 Rz. 455 (Stand: Sept. 2015); Ab­ schn. 15a.1 Abs. 6 S. 2 Nr. 5 UStAE. 1423 Vgl. zur vergleichbaren Problematik im österreichischen Recht Heber, ÖStZ 2013, 46 f.; Tumpel, Lennartz, Armbrecht und (k)ein Ende, in: FS Ruppe, S. 664 (668 ff.). 1424 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 323. 1425 I. E. wie hier Lohse, IStR 2000, 232 (234 f.); Sterzinger, UR 2012, 213 (220); von Streit/Zugmeier, DStR 2010, 524 (528).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

zur unternehmerischen Tätigkeit vor allem eine spätere Überschreitung der Grenze der unternehmerischen Verwendung von 10 % im Rahmen der Vorsteuerberichtigung berücksichtigt werden.1426 Für diese Ausle­ gung spricht zudem der Wortlaut der Vorschrift des § 15 Abs. 1 S. 2 UStG, der auf die Nutzung und damit auf den Verwendungsanteil abstellt. Auf die Verwendung kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch nur für den Umfang, nicht aber für die Zuordnung eines Leistungsbezugs an.1427 Damit schließt die Regelung des § 15 Abs. 1 S. 2 UStG nicht die Zuordnung, sondern nur den Vorsteuerabzug aus.1428 Soweit die öffentli­ che Hand damit eine bezogene Leistung weniger als zu 10 % für die Aus­ übung von steuerbaren Ausgangsumsätzen verwendet, scheidet nach § 15 Abs. 1 S. 2 UStG nur ein anteiliger Vorsteuerabzug aus. Unbeschadet davon bleibt auch bei Anwendung dieser nationalen Regelung die Wahl­ möglichkeit der öffentlichen Hand über eine Zuordnung zur unterneh­ merischen Tätigkeit bestehen. b) Keine Möglichkeit zum vollen Vorsteuerabzug Nach den unionsrechtlichen Vorgaben und in zutreffender Auslegung des nationalen Rechts verfügt die öffentliche Hand im Fall der gemisch­ ten Veranlassung eines Leistungsbezugs über ein Zuordnungswahlrecht. Gleichwohl würde eine vollständige Zuordnung des gemischt verwende­ ten Gegenstandes keine Möglichkeit der Inanspruchnahme eines voll­ ständigen Vorsteuerabzugs herbeiführen. Der Vorsteuerabzug nach Art. 168 lit. a MwStSystRL setzt eine Verwen­ dung für steuerpflichtige Umsätze voraus. Führt damit die nichtwirt­ schaftliche Verwendung der voll zugeordneten Leistung zu einer Entnah­ mebesteuerung nach Art. 16 oder 26 MwStSystRL, ist aus Sicht des EuGH darin eine Verwendung für die Ausübung besteuerter Umsätze zu 1426 Vor dem Hintergrund, dass die Anwendung des § 15a UStG die Verwendung ei­ nes Leistungsbezugs zur Ausführung von Umsätzen voraussetzt, dürfte die Re­ gelung des § 15 I 2 UStG nach nationalem Recht auch im Fall der ursprünglichen Zuordnung zur unternehmerischen Tätigkeit eine Vorsteuerberichtigung bei späterer Erreichung der 10 %-Grenze ausgeschlossen sein (vgl. zum Anwen­ ­ dungsbereich des § 15a UStG oben unter B. IV. 1. a)). Allerdings könnte sich der Unternehmer in diesem Fall auf die Vorsteuerberichtigung nach den Art. 184 ff. MwStSystRL berufen, die „nur“ eine ursprüngliche Zuordnung zur wirtschaftli­ chen Tätigkeit voraussetzt; vgl. zum Anwendungsbereich des Art. 184 ff. MwSt­ SystRL oben unter A. IV. 3. 1427 Vgl. zur Unterscheidung zwischen Entstehung des Rechts und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug nach den unionsrechtlichen Vorgaben oben unter A. IV. 1428 Vgl. auch Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 182 (Stand: März 2013); so auch zum insoweit vergleichbaren österreichischen Umsatzsteuerrecht Heber, ÖStZ 2013, 46 (47); Tumpel, Lennartz, Armbrecht und (k)ein Ende, in: FS Ruppe, S. 664 (670).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

sehen.1429 In diesem Fall erlangt der Steuerpflichtige folglich im Zeit­ punkt des Leistungsbezugs einen vollumfänglichen Vorsteuerabzug. Al­ lerdings kommt eine Entnahmebesteuerung aus Sicht des EuGH nur in Betracht, wenn die nichtwirtschaftliche Verwendung privaten Zwecken dient.1430 Für die öffentliche Hand ist vor diesem Hintergrund ein voller Vorsteuerabzug mangels der Verfolgung privater Zwecke im Rahmen der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit in der Regel ausgeschlossen.1431 Diese Vorgaben des EuGH finden sich in der Rechtsprechung des BFH wieder. Danach liegt ein Leistungsbezug für das Unternehmen gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG nur insoweit vor, als dass dieser für die unterneh­ merische Tätigkeit verwendet wird.1432 Damit bleibt der Vorsteuerabzug grundsätzlich auf diesen Anteil beschränkt.1433 Eine Ausnahme besteht in dem Fall, dass die unternehmerische Tätigkeit zur Besteuerung einer unentgeltlichen Leistung gem. § 3 Abs. 1b oder 9a UStG führt. In Über­ einstimmung mit der Auslegung des EuGH soll in diesen Fällen eine un­ entgeltliche Wertabgabe nur vorliegen, wenn private Zwecke verfolgt werden.1434 Damit bleibt die Möglichkeit zum vollen Vorsteuerabzug wie im Unionsrecht auf die nichtunternehmerische Verwendung zu privaten Zwecken beschränkt. Wegen der Übernahme dieses Rechtsprechungs­ grundsatzes des EuGH durch den BFH hat die öffentliche Hand damit in der Regel keinen Anspruch auf einen vollen Vorsteuerabzug im Fall der Verwendung einer Leistung für unternehmerische und nichtunterneh­ merische Tätigkeiten. Zu einer Ausnahme kann es kommen, wenn der Leistungsbezug zumindest teilweise für private Zwecke der Arbeitneh­ mer verwendet wird bzw. werden soll. Denn in diesem Fall unterliegt diese Art der nichtunternehmerischen Verwendung der Entnahmebe­ steuerung nach § 3 Abs. 1b Nr. 2 oder Abs. 9a UStG.1435

1429 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 184 (Stand: März 2013). 1430 Vgl. zur Möglichkeit des vollen Vorsteuerabzugs nach Unionsrecht oben unter A. IV. 4. b). 1431 Vgl. zum Ausschluss der öffentlichen Hand vom vollen Vorsteuerabzug im Unions­recht oben unter A. IV. 4. b). 1432 Vgl. BFH, Urt. v. 27.1.2011 – V R 38/09, BStBl. II 2012, 68 (71); Abschn. 15.2 Abs. 15a S. 1 UStAE. 1433 BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75); Abschn. 15.2 Abs. 15a S. 6 UStAE. 1434 BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75 f.); Abschn. 15.2 Abs. 15a S. 7 UStAE; zustimmend Lohse, IStR 2009, 486 (487); Reiß, UR 2010, 797 (806); ders., in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 184.1 (Stand: März 2013); Heuermann, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rz. 340a (Stand: April 2014); a. A. Englisch, Vorsteuerabzug und nicht steuerbare Aktivitäten, in: ders./Nieskens, Umsatz­ steuer-Kongress-Bericht 2010, S. 25 (37 ff.); ders., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 160. 1435 Vgl. BFH, Urt. v. 12.1.2011 – XI R 9/08, BStBl. II 2012, 58 (60).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Fraglich ist allerdings, ob die mit dem Unionsrecht übereinstimmende Auslegung des Anwendungsbereichs der Entnahmebesteuerung zutref­ fend ist. So sieht Englisch das Vorgehen des BFH nicht mehr von der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Umsatzsteuerrechts ge­ deckt.1436 Vielmehr liege dem Umsatzsteuergesetz ein einheitlicher Be­ griff des Unternehmens zugrunde, der als Umfang der unternehmeri­ schen Tätigkeit zu verstehen sei.1437 Dementsprechend läge alles, was nicht mehr der wirtschaftlichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, außerhalb des umsatzsteuerlichen Unternehmensbegriffs.1438 Danach kann zum Beispiel eine Verwendung für eine von der persönlichen Befrei­ ung nach § 2b UStG erfassten Tätigkeit, die nicht mehr als wirtschaftli­ che Tätigkeit in den Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts fällt, nur als Zweck außerhalb des Unternehmens ausgelegt werden. Folglich unterläge zum Beispiel eine spätere Erhöhung des Verwendungsanteils für die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten der öffentlichen Hand grund­ sätzlich der Entnahmebesteuerung.1439 Der Begriff der unternehmerischen Tätigkeit dient in § 2 UStG als Ab­ grenzung zu Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Um­ satzsteuerrechts fallen sollen. So werden sämtliche wirtschaftliche Tä­ tigkeiten erfasst, nichtwirtschaftliche hingegen gerade nicht. An dieser Abgrenzung orientiert sich auch der Vorsteuerabzug, der nach § 15 UStG nur im Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit bzw. der wirtschaftlichen Tätigkeit möglich sein soll. Während die unternehme­ rische Tätigkeit mittels des Vorsteuerabzugs steuerlich neutral behan­ delt wird, unterliegen nichtunternehmerische Tätigkeiten der steuerli­ chen Belastung. Kommt es zu einer Änderung der Verwendung, gilt es, eine vorherige steuerliche Entlastung auszugleichen, um eine Gleichbe­ handlung der nichtunternehmerischen Tätigkeiten zu gewährleisten.1440 Die hierzu erforderliche Abgrenzung von unternehmerisch und nichtun­ ternehmerisch greift der Wortlaut des § 3 Abs. 1b Nr. 1 und Abs. 9a UStG auf. Anders als in Art. 16 und 26 MwStSystRL auf der einen und Art. 9 MwStSystRL auf der anderen Seite wird im Umsatzsteuergesetz auch nicht zwischen dem Begriff des Unternehmens und der wirtschaft­ 1436 Diese Sicht ablehnend Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 184.3 (Stand: März 2013). 1437 Englisch, Vorsteuerabzug und nicht steuerbare Aktivitäten, in: ders./Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 25 (37 ff.); ders., in: Tipke/Lang, Steuer­ recht, § 17 Rz. 160. 1438 So auch grundsätzlich zum Unternehmensbegriff im Unionsrecht in Art. 16 und Art. 26 MwStSystRL Wäger, UR 2012, 25 (26). 1439 So im Ergebnis auch Lippross, DStZ 2012, 320 (329); Wäger, DB 2012, 1288 (1294); ders., UR 2012, 25 (29); ohne Begründung die Finanzverwaltung, vgl. Ab­ schn. 3.4 Abs. 2 S. 4 UStAE. 1440 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 154.

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

lichen Tätigkeit unterschieden. Damit fehlt es im nationalen Recht an einem Anknüpfungspunkt für eine Unterscheidung, wie sie der EuGH vornimmt.1441 In Ansehung des einheitlichen Begriffsverständnisses über den Umfang des Unternehmens bzw. der unternehmerischen Tätigkeit innerhalb des Umsatzsteuergesetzes,1442 erfolgt die den Anwendungs­ bereich der Entnahmebesteuerung einschränkende Auslegung des BFH contra legem. Folglich führt auch die nichtunternehmerische Verwendung durch die öf­ fentliche Hand nach nationalem Recht zu einer Entnahmebesteuerung. Wird damit die Beschränkung der Anwendung der § 3 Abs. 1b Nr. 1 und Abs. 9a UStG auf die Verwendung für private Zwecke abgelehnt, entfällt die Begründung für die Einschränkung des Vorsteuerabzugs im Fall der gemischten unternehmerischen und nichtunternehmerischen Verwen­ dung. Im Ergebnis müsste es nach dieser Auslegung zu einer Gleichbe­ handlung von privaten und anderen nichtunternehmerischen Tätigkeiten kommen und der öffentlichen Hand bei entsprechender Ausübung des Zuordnungswahlrechts ebenfalls ein vollumfänglicher Vorsteuerabzug zustehen. Damit bestünde eine Sachlage, wie sie vor der VNLTO-Recht­ sprechung des EuGH in Deutschland weitgehend für zutreffend erachtet wurde.1443 Einschränkend ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine Entnahmebe­ steuerung der öffentlichen Hand bei der Verfolgung von nichtunterneh­ merischen Zwecken, die nichtprivater Natur sind, im Widerspruch zur maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH stünde. Gleiches gilt für einen sich daran anschließenden vollumfänglichen Vorsteuerabzug der öffent­ lichen Hand im Fall der vorherigen vollständigen Zuordnung zur unter­ nehmerischen Tätigkeit. Damit ist die contra-legem-Auslegung des BFH im Ergebnis von der Rechtsprechung des EuGH gedeckt und dürfte folg­ lich zumindest faktisch die Möglichkeit zum vollständigen Vorsteuerab­ zug für die öffentliche Hand auch weiterhin ausschließen.

1441 Vgl. Englisch, a. a. O., § 17 Rz. 160. 1442 Vgl. hierzu auch Blankenheim, „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, S. 32; Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 13 (Stand: März 2013). 1443 Vgl. BFH, Urt. v. 22.10.2009 – V R 33/08, BFH/NV 2010, 957 (958); Abschn. 192 Abs. 21 Nr. 2 i. V. m. Abs. 22 Nr. 2 i. V. m. Abschn. 22 Abs. 5 UStHA 2008; Wagner, UVR 2009, 250 (253); die eingereichten Erklärungen im Rahmen des Verfah­ rens vor dem EuGH zum Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-515/07 (Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie), EU:C:2009:88, Rz. 21 ff.; hierzu Englisch, Vor­ steuerabzug und nicht steuerbare Aktivitäten, in: ders./Nieskens, Umsatzsteu­ er-Kongress-Bericht 2010, S. 25 (29); Reiß, UR 2010, 797 (803 f.).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

c) Vorsteuerabzug bei Änderung der anteiligen Verwendung Im Rahmen der bisherigen Untersuchung wurde zunächst festgestellt, dass die öffentliche Hand auch nach nationalem Recht grundsätzlich über ein Zuordnungswahlrecht im Fall des Leistungsbezugs für unter­ nehmerische und nichtunternehmerische Zwecke verfügt.1444 Der BFH hingegen beschränkt die Möglichkeit der Zuordnung auf den Umfang der unternehmerischen Verwendung.1445 Daneben ergab die Untersuchung, dass die nichtunternehmerische Tätigkeit der öffentlichen Hand, die in der Regel nichtprivaten Zwecken dient, grundsätzlich als Zwecke außer­ halb des Unternehmens im Sinne des § 3 Abs. 1b Nr. 1 und Abs. 9a UStG anzusehen ist. Damit steht die nationale Regelung der Entnahmebesteu­ erung im Widerspruch zum Richtlinienrecht, wie es vom EuGH ausge­ legt wird. Zu einem anderen Ergebnis kommt hingegen der BFH, der dem EuGH in seiner Rechtsprechung folgt und die Anwendung des § 3 Abs. 1b Nr. 1 und Abs. 9a UStG auf die Verfolgung von privaten Zwecken beschränkt und andere nichtunternehmerische Zwecke davon aus­ ­ schließt.1446 Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden geklärt werden, wie sich spä­ tere Änderungen der anteiligen Verwendung auswirken. Dabei gilt es, die Auswirkungen sowohl unter Berücksichtigung der hier vertretenen als auch der vom BFH geäußerten Ansicht zu untersuchen. In einem ersten Schritt wird sich dabei den Auswirkungen im Fall der nachträglichen Minderung des unternehmerischen Verwendungsanteils gewidmet. In einem zweiten Schritt soll dann darauf eingegangen werden, wie sich eine nachträgliche Erhöhung der unternehmerischen Nutzung für die öf­ fentliche Hand auswirken würde. aa) Folgen einer Minderung des unternehmerisch genutzten Anteils Der Vorsteuerabzug zielt darauf ab, die unternehmerische Tätigkeit steu­ erlich neutral zu behandeln. Gleichzeitig soll jedoch ein Leistungsbezug für nichtunternehmerische Tätigkeiten den Leistungsempfänger steuer­ lich endgültig belasten. Die zeitlich nach dem Vorsteuerabzug erfolgende Minderung der unternehmerischen Nutzung führt dazu, dass eine ur­ sprüngliche steuerliche Entlastung ihre Rechtfertigung verliert. Zum ei­ nen kann eine Korrektur dadurch erfolgen, dass die steuerliche Belastung durch eine erneute Besteuerung nachgeholt wird. Dieser Ansatz wird im Rahmen der Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG umgesetzt. Zum anderen kann zur Korrektur die durch den Vorsteuer­ 1444 Vgl. oben unter B. IV. 2. a). 1445 Vgl. insb. BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75); Urt. v. 19.7.2011 – XI R 29/09, BStBl. II 2012, 430 (432). 1446 Vgl. hierzu oben unter B. IV. 2. b).

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

abzug erfolgte ursprüngliche steuerliche Entlastung rückgängig gemacht werden. Eine solche Vorsteuerkorrektur erfolgt grundsätzlich nach § 15a UStG. Nach der hier vertretenen Auffassung unterliegt die Verwendung für eine nichtunternehmerische Tätigkeit der öffentlichen Hand, die nichtpriva­ ten Zwecken dient, dem Anwendungsbereich der Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 und Abs. 9a UStG. Folglich führt danach die Min­ derung der unternehmerischen Tätigkeit zu einer nachträglichen steuer­ lichen Belastung der öffentlichen Hand.1447 Auffallend ist, dass auch die Finanzverwaltung in diesen Fällen eine Entnahmebesteuerung befürwor­ tet,1448 obwohl sie im Zusammenhang mit der Berechtigung zum Vor­ steuerabzug im Rahmen des Zuordnungswahlrechts der Rechtsprechung des BFH folgt.1449 Infolge der Entnahmebesteuerung wird der Gegenstand letztlich unverändert zur Ausübung steuerpflichtiger Ausgangsumsätze verwendet, so dass sich im Vergleich zum ursprünglichen Vorsteuerab­ zug die Verhältnisse nicht geändert haben. Aus diesem Grund scheidet eine Berichtigung der Vorsteuer nach § 15a UStG in den Fällen der Ent­ nahmebesteuerung grundsätzlich aus.1450 Eine Entnahmebesteuerung un­ terbliebe letztlich nur, wenn die öffentliche Hand ihr Wahlrecht ausge­ übt hätte und die bezogene Leistung von vornherein im vollen Umfang der nichtunternehmerischen Tätigkeit zugeordnet hätte. In diesem Fall wäre jedoch auch ein Vorsteuerabzug von vornherein nicht möglich ge­ wesen. Einschränkend ist zu berücksichtigen, dass die Entnahmebesteu­ erung der öffentlichen Hand insoweit dem nationalen Umsatzsteuerge­ setz, nicht aber den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht. Aus diesem Grund kann sich die öffentliche Hand grundsätzlich auf die unmittelbare Anwendung des vorrangigen Unionsrechts berufen und auf diesem Wege eine steuerliche Belastung abwenden.1451 Zu einem anderen Ergebnis nach nationalem Recht führt die Ansicht des BFH, der den Anwendungsbereich der Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 und Abs. 9a UStG auf die Verfolgung privater Zwecke be­ schränkt. Nach dieser Auslegung scheidet eine Entnahmebesteuerung 1447 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 160; i. E. auch Lippross, DStZ 2012, 320 (329); Wäger, DB 2012, 1288 (1294); ohne Begründung die Finanzver­ waltung, vgl. Abschn. 3.4 Abs. 2 S. 4 UStAE. 1448 Vgl. Abschn. 3.4 Abs. 2 S. 4 UStAE. 1449 Vgl. Abschn. 15.2 Abs. 15 S. 7 f. UStAE. 1450 Vgl. Reiß, UR 2010, 797 (800). 1451 Vgl. zum Recht juristischer Personen des öffentlichen Rechts, sich auf die un­ mittelbare Anwendung der MwStSystRL zu berufen, EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 29 ff.; Urt. v. 4.6.2009 – Rs. C-102/08 (SALIX), EU:C:2009:345, Rz. 76; Canz, Die Um­ satzbesteuerung der öffentlichen Hand im Wandel, S. 90 ff.; Küffner, UR 2009, 491 (492); Nieskens, UR 2013, 739 (747).

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

für die öffentliche Hand in der Regel mangels der Verfolgung privater Zwecke aus.1452 Fraglich ist allerdings, ob vor diesem Hintergrund die unberechtigte Entlastung nichtunternehmerischer Tätigkeiten über eine Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG zu erfolgen hätte.1453 Dann müsste die nachträgliche Minderung des unter­ nehmerischen und die gleichzeitige Erhöhung des nichtunternehmeri­ schen Verwendungsanteils als Änderung der ursprünglich maßgeblichen Verhältnisse im Sinne des § 15a UStG gesehen werden. Demnach wäre dessen Anwendungsbereich grundsätzlich eröffnet.1454 Hiergegen könnte allerdings das Verhältnis der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG zur Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG sprechen. Denn der Wechsel von einer Verwendung von Eingangsleistungen für unternehmerische Zwecke hin zu einer Verwen­ dung für nichtunternehmerische Zwecke wird grundsätzlich im Umsatz­ steuergesetz von der Entnahmebesteuerung erfasst. § 15a UStG findet hingegen zuvorderst Anwendung, wenn ein Wechsel zwischen der Ver­ wendung für steuerfreie und steuerpflichtige Ausgangsumsätze er­ folgt.1455 Zugunsten einer Anwendung des § 15a UStG in diesen Fällen ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Voraussetzung einer Änderung der ursprünglich maßgeblichen Verhältnisse nicht abschließend auf ei­ nen Wechsel zwischen steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätzen be­ schränkt ist.1456 Zudem verbindet die Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG und die Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG eine vergleichbare Zielrichtung. Denn beide sollen eine Belastung des Unternehmers herbeiführen, um eine gleiche Behandlung mit anderen Leistungsempfängern, die eine Leistung aus nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Gründen beziehen, zu gewährleisten.1457 Sie sind damit beide Bestandteil eines einheitlichen Berichtigungssystems.1458 Zwingen­ de Gründe, die gegen eine Anwendung des § 15a UStG im Fall der Erhö­ hung des nichtunternehmerischen Anteils sprechen, bestehen demnach nicht. Vor diesem Hintergrund ist es zu befürworten, der verfehlten Aus­ legung des BFH zum Anwendungsbereich der Entnahmebesteuerung durch eine Anwendung des § 15a UStG Rechnung zu tragen.1459 1452 Vgl. Becker, BB 2012, 2154 (2157). 1453 Ebenda. 1454 Vgl. Reiß, UR 2010, 797 (806); Becker, ebenda. 1455 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 366; Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15a Rz. 4. 1456 Vgl. auch BFH, Urt. 17.6.2004 – V R 31/02, BStBl. II 2004, 858 (859 f.); Urt. v. 1.12.2010 – XI R 28/08, BStBl. II 2011, 994 (995). 1457 Vgl. Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15a Rz. 43 (Stand: April 2014). 1458 Vgl. Oelmaier, a. a. O., § 15a Rz. 35 (Stand: April 2014). 1459 So i. E. auch Ehrke-Rabel/von Streit, UR 2015, 249 (254); Klenk, UR 2012, 663 (666); Küffner/von Streit, DStR 2012, 636 (639); Oelmaier, a. a. O., UStG, § 15a

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IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

Abschließend ist damit festzuhalten, dass eine Minderung des unterneh­ merischen Verwendungsanteils für die öffentliche Hand grundsätzlich zu einer besteuerten unentgeltlichen Leistung gem. § 3 Abs. 1b Nr. 1 oder Abs. 9a UStG führt. Dies entspricht auch der Ansicht der Finanzverwal­ tung. Die nationale Regelung steht jedoch damit im Widerspruch zum vorrangigen Richtlinienrecht. Zudem vertritt der BFH in seiner Recht­ sprechung ein einschränkendes und aus seiner Sicht noch durch das Ge­ bot der richtlinienkonformen Auslegung gedecktes Verständnis des An­ wendungsbereichs des § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG. Kommt es aus diesen Gründen nicht zu einer Entnahmebesteuerung, ist der Anwen­ dungsbereich der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG eröffnet und in der Regel einschlägig. Nach beiden Ansichten kommt es letztendlich bei einer Minderung der wirtschaftlichen Tätigkeit für die öffentliche Hand grundsätzlich zu einer nachträglichen steuerlichen Belastung. bb) Folgen einer Erhöhung des unternehmerisch genutzten Anteils Im Fall einer nachträglichen Erhöhung des Anteils der Nutzung für die unternehmerische Tätigkeit entfällt eine vorherige steuerliche Belastung im Umfang der Erhöhung nunmehr auf eine unternehmerische Tätig­ keit. Wie im Richtlinienrecht1460 ist auch im nationalen Recht eine allge­ meine Einlagenentsteuerung zugunsten des Unternehmers nicht vorge­ sehen.1461 Aus diesem Grund scheidet ein nachträglicher Vorsteuerabzug für Leistungen, die allein aus nichtwirtschaftlichen bzw. nichtunterneh­ merischen Gründen angeschafft wurden, von vornherein aus. Die einzige Möglichkeit der nachträglichen Erlangung eines Vorsteuerabzugs stellt im nationalen Recht die Regelung des § 15a UStG dar.1462 Aus den unionsrechtlichen Vorgaben ergibt sich, dass eine Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugsbetrages nach Art. 184 ff. MwSt­ SystRL nur dann möglich ist, wenn die Eingangsleistung bereits bei Leis­ tungsbezug dem Unternehmen zugeordnet wurde.1463 Fraglich ist jedoch, ob diese Voraussetzung auch für den § 15a UStG gilt. Dieser setzt all­ gemein voraus, dass sich die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Ver­

Rz. 48a (Stand: April 2014); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 184.6 (Stand: März 2013); Stadie, UStG, § 15a Rz. 102. 1460 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 11; hierzu kritisch Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 331; ausführlich oben unter A. IV. 3. 1461 Vgl. Becker, BB 2012, 2154 (2157); Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15a Rz. 4. 1462 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 184.5 (Stand: März 2013); ­Becker, BB 2012, 2154 (2157). 1463 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1991 – Rs. C-97/90 (Lennartz), EU:C:1991:315, Rz. 11 f.; Urt. v. 30.3.2006 – Rs. C-184/04 (Uudenkaupungin kaupunki), EU:C:2006:214, Rz. 37; zum Anwendungsbereich des Art. 184 MwStSystRL oben unter A. IV. 3.

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B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

hältnisse verändern.1464 Stellte die nachträgliche Zuordnung eine solche Änderung der Verhältnisse dar, bedürfte es nach § 15a UStG keiner vor­ herigen Zuordnung. Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich weder eine zwingende Erfassung der Zuordnung als eine solche Änderung entneh­ men noch das Gegenteil. Für eine Auslegung im letzteren Sinne sprechen allerdings die Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in der maß­ geblichen Auslegung durch den EuGH. Da die Zuordnung der Berichti­ gungsmöglichkeit vorgelagert ist, bedingt eine richtlinienkonforme Aus­ legung des § 15a UStG, auch für die nationale Berichtigungsmöglichkeit die vorherige Zuordnung als notwendige Bedingung zu beurteilen und damit deren nachträgliche Vornahme nicht als Änderung der maßgebli­ chen Verhältnisse anzusehen.1465 Folglich kommt die Anwendung der Berichtigung nach § 15a UStG nur insoweit in Betracht, als dass die frag­ liche Eingangsleistung im Zeitpunkt des Leistungsbezugs der wirtschaft­ lichen Tätigkeit zugeordnet wurde.1466 Maßgeblich ist daher die Frage, ob und inwieweit die öffentliche Hand bei Leistungsbezug eine Zuordnung zur unternehmerischen Tätigkeit vornehmen kann. Wie sich im Rahmen der bisherigen Untersuchung gezeigt hat, verfügt die öffentliche Hand nach zutreffender richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG über ein Zuordnungswahlrecht. Ordnet die öffentliche Hand eine bezogene Leistung folglich im vollen Umfang der unternehmerischen Tätigkeit zu, ist im Fall der späteren Erhöhung des unternehmerischen Anteils die nachträgliche Berichtigung des ur­ sprünglichen Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG möglich. Damit findet § 15a UStG grundsätzlich zugunsten juristischer Personen des öffentli­ chen Rechts bei zuvor erfolgter Ausübung des Zuordnungswahlrechts und der Erhöhung des für die wirtschaftliche Tätigkeit genutzten Anteils Anwendung.1467 Entgegen der hier vertretenen Ansicht lehnt der BFH ein Zuordnungs­ wahlrecht der öffentlichen Hand ab, soweit diese keine privaten Zwecke mit ihrer nichtunternehmerischen Tätigkeit verfolgt. Vielmehr sei eine Zuordnung auf den Umfang der Verwendung für die unternehmerische

1464 Vgl. § 15a I 1, II 1, III 1 UStG. 1465 Vgl. Reiß, UR 2010, 797 (801); Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15a Rz. 12. 1466 Vgl. auch Küffner/von Streit, DStR 2012, 636 (639); Radeisen, BB 2013, 151 (154); Fleckenstein-Weiland, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 15a Rz. 219 (Stand: ­April 2013); Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15a Rz. 51 f. (Stand: April 2014). 1467 Grundsätzlich wird die Anwendung des § 15a UStG in einem solchen Fall der Verwendungsänderung in der Literatur befürwortet, vgl. Ehrke-Rabel/von Streit, UR 2015, 249 (250); Wäger, UR 2012, 25 (29); Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 15a Rz. 48a (Stand: April 2014); Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 2 Rz. 184.5 (Stand: März 2013); Stadie, UStG, § 15a Rz. 102.

302

IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

Tätigkeit beschränkt.1468 Diese bedeutet jedoch, dass eine Vorsteuerbe­ richtigung zugunsten der öffentlichen Hand im Fall der späteren Erhö­ hung des unternehmerisch genutzten Anteils ausscheidet. Diese Sicht vertritt auch die Finanzverwaltung.1469 Allerdings räumt diese gleichzei­ tig die Möglichkeit zur Anwendung des § 15a UStG bei späterer Erhö­ hung des unternehmerischen Anteils unabhängig vom Umfang der vor­ herigen Zuordnung im Billigkeitswege ein.1470 Soweit ein Unternehmer hiervon Gebrauch macht, gilt der Gegenstand im entsprechenden Um­ fang dem Unternehmen und der unternehmerischen Tätigkeit zugeord­ net.1471 Folglich besteht für die öffentliche Hand die Möglichkeit, sich auf die Billigkeitsregelung zu berufen, um eine Berichtigung des Vorsteuer­ abzugs nach § 15a UStG zu erlangen.1472 Im Ergebnis kommt es daher gegenwärtig zu einer zutreffenden und unionsrechtskonformen Berück­ sichtigung der nachträglichen Erhöhung des unternehmerischen Anteils. Vorzugswürdig wäre freilich der Weg über die Anerkennung eines Zuord­ nungswahlrechts der öffentlichen Hand. 3. Die steuerliche Behandlung von öffentlichen Zuschüssen Die öffentliche Hand erlangt nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG keinen Vorsteuerabzug, soweit sie Fremdleistungen für nicht in den Anwen­ dungsbereich des Umsatzsteuerrechts fallende Tätigkeiten bezieht. Da­ mit wird die öffentliche Hand endgültig mit der Vorsteuer belastet, wo­ durch sich die von ihr aufzuwendenden Mittel um den anfallenden Steuerbetrag erhöhen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusam­ menhang, ob und inwieweit Zahlungen an Dritte der öffentlichen Hand als Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustausches zu qualifizieren sind. Diese Frage stellt sich insbesondere im Fall von Zuschüssen der öffentli­ chen Hand.1473 Dabei lassen sich aus umsatzsteuerlicher Sicht solche Zahlungen in drei Gruppen unterteilen.1474 Zunächst können Zuschüsse der öffentlichen Hand ein Entgelt für die Leistung eines Unternehmers an die öffentliche Hand darstellen. In diesem Fall liegt grundsätzlich ein zu besteuernder Vorgang vor und eine belastende Wirkung ließe sich nur 1468 Vgl. BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74 (75); Urt. v. 19.7.2011 – XI R 29/09, BStBl. II 2012, 430 (432); vgl. hierzu Ehrke-Rabel/von Streit, UR 2015, 249 (254); oben unter B. IV. 2. a). 1469 Vgl. Abschn. 15a.1 Abs. 6 S. 1 lit. f. UStAE. 1470 Vgl. Abschn. 15a.1 Abs. 7 S. 1 UStAE. 1471 Vgl. Abschn. 15a.1 Abs. 7 S. 2 UStAE. 1472 Vgl. Becker, BB 2012, 2154 (2157). 1473 Vgl. hierzu z. B. Amand, IVM 2006, 433 (436); Baldauf, DStZ 2010, 125 ff.; Fest, DStR 2011, 1340 ff.; List, BB 2005, 241 ff.; Lippross, DStZ 2013, 433 ff.; Husmann, UR 2000, 137 ff. 1474 So Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 143; Oelmaier, in: Sölch/Ring­ leb, UStG, § 1 Rz. 48 (Stand: April 2014); Tehler, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 10 Rz. 121 (Stand: Jan. 2013).

303

B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

durch einen Vorsteuerabzug abwenden. Als maßgebliches Kriterium kommt es darauf an, ob die öffentliche Hand einen eigenen verbrauchsfä­ higen Vorteil durch die Leistung des Zahlungsempfängers erlangt.1475 Dies ist in der Regel gegeben, wenn zwischen der öffentlichen Hand und dem leistenden Unternehmer ein gegenseitiger Vertrag abgeschlossen wird.1476 Denn in diesen Fällen dürfte es der öffentlichen Hand auf den Erhalt einer bestimmten Leistung ankommen und nicht die Förderung des Zahlungsempfängers im Vordergrund stehen.1477 Ebenfalls zu einem zu besteuernden Vorgang kommt es dann, wenn die Zahlung der öffent­ lichen Hand ein zusätzliches Entgelt für die Leistung des Unternehmers an eine dritte Person als Leistungsempfänger darstellt.1478 In diesem Fall fehlt es zwar an einem verbrauchsfähigen Vorteil des Zuzahlenden, doch diesen erlangt gerade der begünstigte Leistungsempfänger.1479 Als maß­ gebliches Kriterium kommt es darauf an, dass sich aus der Vereinbarung zwischen der zahlenden öffentlichen Hand und dem leistenden Unter­ nehmer eine Begünstigung zugunsten des Leistungsempfängers ergibt.1480 Für beide der bisher genannten Gruppen von Zuschüssen ist es unerheb­ lich, ob die öffentliche Hand mit den Zahlungen gleichzeitig die Erfül­ lung eigener Aufgaben1481 oder aber einen Nutzen für die Allgemeinheit verfolgt.1482 Kein steuerbarer Vorgang liegt hingegen vor, wenn die Zah­ lung an einen Unternehmer losgelöst von der Verschaffung eines ver­

1475 Vgl. BFH, Urt. v. 28.7.1994 – V R 27/92, BFH/NV 1995, 550 (551); Urt. v. 13.11.1997 – V R 11/97, BStBl. II 1998, 169 (170 f.); Urt. v. 27.11.2008 – V R 8/07, BStBl. II 2009, 397 (398 f.); Urt. v. 28.5.2013 – XI R 32/11, BStBl. II 2014, 411 (415); Englisch, a. a. O., § 17 Rz. 145; Oelmaier, a. a. O., § 1 Rz. 49 (Stand: April 2014). 1476 Vgl. BFH, Urt. v. 8.11.2007 – V R 20/05, BStBl. II 2009, 483 (485); Urt. v. 18.12.2008 – V R 38/06, BStBl. II 2009, 749 (752); Urt. v. 19.11.2009 – V R 29/08, BFH/NV 2010, 701 (702 f.); Urt. v. 11.2.2010 – V R 30/08, BFH/NV 2010, 2125 (2127); Beschl. v. 14.11.2011 – XI B 66/11, BFH/NV 2012, 460 (461); Urt. v. 28.5.2013 – XI R 32/11, BStBl. II 2014, 411 (415) m. w. N.; Abschn. 10.2 Abs. 2 UStAE; Oelmaier, a. a. O., § 1 Rz. 50 (Stand: April 2014); Robisch, in: Bunjes, UStG, § 1 Rz. 18. 1477 Oelmaier, a. a. O., § 1 Rz. 51 (Stand: April 2014). 1478 Vgl. § 10 I 3 UStG; BFH, Urt. v. 9.10.2003 – V R 51/02, BStBl. II 2004, 322 (323 f.); Urt. v. 5.12.2007 – V R 63/05, BFH/NV 2008, 996 (998 f.); Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 144; Tehler, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 10 Rz. 127 (Stand: Jan. 2013). 1479 Vgl. Tehler, ebenda. 1480 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 144. 1481 Vgl. BFH, Urt. v. 18.6.2009 – V R 4/08, BStBl. II 2010, 310 (312); Urt. v. 11.2.2010 – V R 30/08, BFH/NV 2010, 2125 (2127). 1482 BFH, Urt. v. 18.12.2008 – V R 38/06, BStBl. II 2009, 749 (751); Urt. v. 18.6.2009 – V R 4/08, BStBl. II 2010, 310 (312); Urt. v. 19.11.2009 – V R 29/08, BFH/NV 2010, 701 (702); Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 1 Rz. 51 (Stand: April 2014); Robisch, in: Bunjes, UStG, § 1 Rz. 18.

304

IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

brauchsfähigen Vorteils erfolgt.1483 Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Zahlung dem Unternehmer selbst zur Verbesserung seiner finanziellen Situation zugutekommen soll.1484 Denn dann fehlt es an einem Zusam­ menhang zu einem verbrauchsfähigen Vorteil und damit an dem Be­ steuerungsgegenstand des Umsatzsteuerrechts. So stellt aus Verbrauch­ steuersicht die bloße Hingabe von Geld, wie zum Beispiel die Schenkung oder aber eben die Subventionierung eines Unternehmers, keinen be­ lastungswürdigen Vorgang dar.1485 Vor diesem Hintergrund erfolgen ins­ besondere Zahlungen aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen grundsätzlich unabhängig von der Erlangung einer Leistung und unterliegen damit nicht der Besteue­ rung.1486 Zusammenfassend folgt aus der steuerlichen Behandlung von öffentli­ chen Zuschüssen, dass für die öffentliche Hand die unmittelbare Sub­ ventionierung von Unternehmern grundsätzlich keiner steuerlichen Be­ lastung unterliegt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich die Abgrenzung zu den anderen beiden Gruppen von Zuschüssen bei gleich­ zeitiger Verfolgung mehrerer Interessen im Einzelfall nur mit entspre­ chendem Aufwand vornehmen lässt. Die Streitanfälligkeit der zutreffen­ den Behandlung von Zuschüssen1487 zeigt sich nicht zuletzt an der Vielzahl der hierzu ergangenen Entscheidungen.1488 Fragwürdig erscheint die gegenwärtige aufwendige Behandlung der öffentlichen Zuschüsse insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich hier die öffentliche Hand als Steuergläubigerin und Steuerträgerin gegenüberstehen. Denn im Fall

1483 Sog. echter Zuschuss, vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 146; Tehler, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 10 Rz. 141 (Stand: Jan. 2013). 1484 Vgl. BFH, Urt. v. 24.8.2006 – V R 19/05, BStBl. II 2007, 187 (190); Urt. v. 18.12.2008 – V R 38/06, BStBl. II 2009, 749 (751); Urt. v. 19.11.2009 – V R 29/08, BFH/NV 2010, 701 (702); Urt. v. 11.2.2010 – V R 30/08, BFH/NV 2010, 2125 (2127); Abschn. 10.2 Abs. 7 UStAE; Englisch, ebenda; Oelmaier, in: Sölch/Ring­ leb, UStG, § 1 Rz. 51 (Stand: April 2014). 1485 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 122. 1486 Vgl. BFH, Urt. v. 24.8.2006 – V R 19/05, BStBl. II 2007, 187 (190); Urt. v. 18.12.2008 – V R 38/06, BStBl. II 2009, 749 (751); Urt. v. 19.11.2009 – V R 29/08, BFH/NV 2010, 701 (702); Urt. v. 11.2.2010 – V R 30/08, BFH/NV 2010, 2125 (2127); Abschn. 10.2 Abs. 7 UStAE; Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 1 Rz. 51 (Stand: April 2014); Tehler, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 10 Rz. 142 (Stand: Jan. 2013). 1487 Vgl. z. B. für die praktisch bedeutsame umsatzsteuerlichen Behandlung von Zu­ schüssen an öffentliche Beteiligungsunternehmen Lippross, DStR 2009, 781 ff. und Noack, DStR 2011, 2027 ff. auf der einen Seite, BFH, Urt. v. 18.6.2009 – V R 4/08, BStBl II 2010, 310 ff., zuletzt noch bestätigt mit Beschl. v. 6.5.2014 – XI B 4/14, BFH/NV 2014, 1406 (1407) und Fest, DStR 2011, 1293 ff., auf der ande­ ren Seite. 1488 Vgl. z. B. die Auflistung bei Baldauf, DStZ 2010, 125 (133 ff.).

305

B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

der steuerlichen Belastung von öffentlichen Zuschüssen scheidet aus ge­ samtstaatlicher Sicht eine Generierung von Steuereinahmen aus.1489 4. Zusammenfassung Die Regeln zum Vorsteuerabzug im nationalen Recht enthalten wie im Unionsrecht keine besonderen Vorgaben für die öffentliche Hand. Die Frage, ob und inwieweit die öffentliche Hand mit ihren Tätigkeiten steu­ erlich neutral zu behandeln ist, ergibt sich folglich aus den allgemeinen Bestimmungen. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug knüpfen an die Ausgangstätigkeit an, so dass es zu einer Verbindung zwischen der steuerlichen Behandlung auf der Eingangs- und der Ausgangsseite kommt. Ein Vorsteuerabzug ist demnach schon von vornherein ausge­ schlossen, wenn die öffentliche Hand keine Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 1 UStG besitzt oder von dieser wegen der Anwendung des § 2b UStG befreit ist. Aber selbst wenn sie wegen einer unternehmeri­ schen Tätigkeit Unternehmerin im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist, bleibt ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie eine Fremdleistung für ihre Tätigkeiten bezieht, die nicht die Voraussetzungen einer unter­ nehmerischen Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 UStG erfüllt. Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug gilt auch für Tätigkeiten der öffentlichen Hand, die unter den Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift nach § 2b UStG fallen. In der Summe ergibt sich wegen des umfassenden Ausschlusses der öffentlichen Hand und ihrer Tätigkeiten aus dem Anwendungsbe­ reich der Umsatzsteuer wie im Unionsrecht ihre Behandlung als Trägerin der Steuer. In der Regel unterliegt die öffentliche Hand damit mangels Vorsteuerabzug einer steuerlichen Belastung. Wie im Unionsrecht führt die Anwendung der allgemeinen Bestimmun­ gen zum Vorsteuerabzug auf die öffentliche Hand insbesondere dann zu Schwierigkeiten, wenn eine Leistung sowohl aus unternehmerischen als auch aus nichtunternehmerischen Gründen bezogen wird. Eine juristi­ sche Person des öffentlichen Rechts übt in der Regel neben einer unter­ nehmerischen Tätigkeit auch nichtunternehmerische Tätigkeiten aus, so dass es häufig zu einer gemischten Veranlassung für einen Leistungs­ bezug kommen dürfte. Führte eine solche Situation schon auf Ebene des Unionsrechts zu komplexen Rechtsfragen, die nicht zuletzt in der Recht­ sprechung des EuGH begründet sind, so gestaltet sich die Aufgabe der zutreffenden Rechtsanwendung im nationalen Recht nicht minder schwierig. Vor allem die sprachlichen Abweichungen des Umsatzsteuer­ gesetzes zum Unionsrecht erschweren die Gewährleistung einer richtli­

1489 Vgl. zur Kritik der Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerträgerin unten unter C. II.

306

IV.  Der Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand

nienkonformen Rechtsanwendung.1490 So findet sich im nationalen Recht kein Anhaltspunkt für eine Trennung zwischen Entstehung und Umfang des Vorsteuerabzugsrechts, wie sie der EuGH aus den Art. 167 und 168 MwStSystRL ableitet. Darin liegt maßgeblich begründet, dass der BFH der öffentlichen Hand grundsätzlich ein Zuordnungswahlrecht ab­ spricht. Dies steht jedoch im Widerspruch zum Inhalt der Mehrwertsteu­ ersystemrichtlinie nach Auslegung durch den EuGH. Daneben beinhal­ tet das Umsatzsteuergesetz einen einheitlichen Begriff des Unternehmens, während sich im Unionsrecht zwischen dem Steuerpflichtigen in Art. 9 MwStSystRL und dessen Unternehmen in Art. 16 und 26 MwSt­ SystRL unterscheiden lässt. Aus diesem Grund unterliegen nach natio­ nalem Recht nicht nur private Zwecke der Entnahmebesteuerung, son­ dern auch andere nichtunternehmerische Zwecke fallen darunter. Damit kann insbesondere die nach dem rechtmäßigen Vorsteuerabzug eintre­ tende Verwendung für Tätigkeiten, mit denen die öffentliche Hand von der Unternehmerstellung nach § 2b Abs. 1 S. 1 UStG befreit ist, der Ent­ nahmebesteuerung nach § 3 Abs. 1b oder Abs. 9a UStG unterliegen. Zu­ sammengefasst führt die zutreffende Auslegung des nationalen Rechts zu einem unionsrechtswidrigen Ergebnis, während die Auslegung durch den BFH zwar im Einklang mit dem Unionsrecht steht, jedoch contra legem erfolgt. Diese komplexe Ausgangslage führt zu weiteren Widersprüchen im Fall der späteren Änderung der Verwendung von bezogenen Leistungen durch die öffentliche Hand. Denn während die Finanzverwaltung nach nationa­ lem Recht zutreffend eine Erhöhung des nichtunternehmerischen Ver­ wendungsanteils der Entnahmebesteuerung unterwirft, folgt der BFH der Rechtsprechung des EuGH und schränkt den Anwendungsbereich der Entnahmebesteuerung contra legem ein. Zur Wahrung einer systema­ tisch zutreffenden Belastung der Änderung der Verwendungsanteile ist als national-rechtliche Notlösung auf § 15a UStG zurückzugreifen. Eine Anwendung des § 15a UStG hat zudem richtigerweise zu erfolgen, wenn sich bei der öffentlichen Hand der unternehmerisch genutzte Anteil nachträglich erhöht. Behindert wird diese Anwendung in der Rechtspra­ xis durch die verfehlte Ablehnung eines Zuordnungswahlrechts für die öffentliche Hand durch den BFH. Gleichwohl kommt es zumindest zu einem richtigen Ergebnis, indem die Finanzverwaltung zugunsten der öf­ fentlichen Hand die Regelung des § 15a UStG im Billigkeitswege anwen­ det. Abschließend lässt sich damit festhalten, dass die Behandlung der öffentlichen Hand im Rahmen des Umsatzsteuergesetzes unter Berück­ sichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben zu einer komplexen Rechts­ anwendung führt und erhebliche Rechtsunsicherheiten hervorruft. 1490 Hierzu kritisch Wäger, DStR 2011, 433.

307

B.   Die Behandlung nach dem Umsatzsteuergesetz

Ebenfalls komplex und nicht weniger streitanfällig stellt sich die steuer­ liche Behandlung von Zuschüssen der öffentlichen Hand dar, deren Ab­ grenzung ebenfalls eine Quelle für Rechtsunsicherheiten darstellt. So­ weit Zuschüsse mit dem Ziel der Erlangung eines eigenen Vorteils vorgenommen werden, kommt es darauf an, ob und inwieweit der Leis­ tungsbezug für die unternehmerische Tätigkeit bezogen und verwendet wird. Ein solcher Zusammenhang ist allerdings in der Regel ausgeschlos­ sen, wenn der Zuschuss der Begünstigung eines anderen Leistungsemp­ fängers erfolgt. Insoweit unterliegt der Zuschuss der Umsatzsteuer und führt mangels eigenen Leistungsbezugs grundsätzlich zu einer endgülti­ gen steuerlichen Belastung der öffentlichen Hand. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Zuschuss allein der Begünstigung des zahlungsempfan­ genden Unternehmers dient. Insoweit kommt der Umfang des Zuschus­ ses dem Unternehmer ungeschmälert zugute und die öffentliche Hand wird nicht zur Trägerin der Umsatzsteuer. Fragwürdig erscheint der mit der Besteuerung einhergehende Aufwand vor allem aus dem Grund, dass dabei kein Steuerertrag durch die Belastung des privaten Endkonsumen­ ten generiert wird. Vielmehr wird ein Teil des öffentlichen Zuschusses verwendet, um eine Steuer zu bezahlen, die wiederum der öffentlichen Hand zugutekommt.

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C. Eine grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand Der Gang der bisherigen Untersuchung konzentrierte sich vor allem dar­ auf, ein umfassendes Bild der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffent­ lichen Hand nach geltendem Recht zu erstellen. Dabei dominierte die Klärung von Fragen, die sich im Zusammenhang mit den inhaltlichen Vorgaben des Richtlinienrechts sowie der Anwendung des nationalen Umsatzsteuerrechts stellen. Gleichwohl ergibt sich in der Zusammen­ schau der bisherigen Untersuchung ein aussagekräftiges Gesamtbild. So wird die öffentliche Hand weitgehend von der Behandlung als Steuersub­ jekt ausgeschlossen. Hieraus folgt für die Ausgangsseite der öffentlichen Hand, dass ihre Leistungen regelmäßig keiner steuerlichen Belastung un­ terliegen. Diese steuerliche Behandlung wirkt sich auch auf die Ein­ gangsseite der öffentlichen Hand aus. Denn der Vorsteuerabzug für bezo­ gene Fremdleistungen setzt grundsätzlich voraus, dass diese für die der Besteuerung unterliegenden Ausgangsleistungen bestimmt sind und ver­ wendet werden. So ist mit dem weitgehenden Ausschluss vom Anwen­ dungsbereich der Umsatzsteuer auch ein weitgehender Ausschluss von der Möglichkeit, einen Vorsteuerabzug zu erlangen, verbunden. Folglich führt die gegenwärtige umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand zu ihrer weitgehenden Belastung mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer. Losgelöst von den konkreten Rechtsanwendungsfragen sollen diese bei­ den zentralen Folgen der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentli­ chen Hand nunmehr einer grundlegenden Betrachtung unterzogen wer­ den. Als Referenzrahmen dient dabei nicht das geltende Recht mit seinen Einzelregelungen. Denn sowohl die weitgehende Nichterfassung der Ausgangsleistungen als auch die entsprechende Belastung mit nicht ab­ zugsfähiger Vorsteuer sind gerade die Folgen des geltenden Rechts. Viel­ mehr gilt es zunächst, die Behandlung der öffentlichen Hand auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundprinzipien einer allgemeinen Verbrauchsbe­ steuerung zu überprüfen. Darüber hinaus ist zu klären, welche Bedeu­ tung national-verfassungsrechtliche Vorgaben in diesem Zusammenhang entfalten. Des Weiteren sollen die wirtschaftlichen Auswirkungen der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand eingehend beleuchtet werden. Die umfassende Untersuchung der gegenwärtigen Rechtslage hat jedoch nicht nur ein umfassendes Bild für die Ausgangs- und Eingangsseite der öffentlichen Hand ergeben. Es wurde auch erkennbar, inwieweit die ein­ zelnen Vorgaben des Richtlinienrechts gewährleisten können, dass es in den Mitgliedstaaten zu einer unionsweit übereinstimmenden Behand­ lung der öffentlichen Hand kommt. Mit Bezug auf die insoweit erzielten 309

C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

Ergebnisse der Untersuchung gilt es zusammenfassend zu bewerten, ob die Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dem Ziel einer Har­ monisierung des Mehrwertsteuerrechts genügen. Mit dieser grundlegenden Betrachtung der gegenwärtigen Behandlung der öffentlichen Hand werden zudem mit Blick auf den folgenden Teil der Untersuchung über mögliche Reformmodelle zwei weitere Ziele ver­ folgt. Zum einen soll dabei deutlich werden, ob neben der Vielzahl von bestehenden Rechtsanwendungsfragen und verbleibenden Rechtsunsi­ cherheiten des gegenwärtigen Rechts weitere Kritikpunkte bestehen, die für eine grundsätzliche Reform der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand sprechen. Zum anderen können die Ergebnisse der fol­ genden Betrachtung als Bezugs- und Ausgangspunkt für die Erarbeitung zentraler Zielvorgaben dienen, die es im Rahmen einer Reform zu verfol­ gen und umzusetzen gilt.

I. Die Ausgangsseite der öffentlichen Hand Die Untersuchung der gegenwärtigen Rechtslage der umsatzsteuerlichen Ausgangsseite der öffentlichen Hand zeigte insoweit ein einheitliches Bild, als dass die Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand weitgehend keiner steuerlichen Belastung ausgesetzt sind. So wird eine Vielzahl von entgeltlichen Ausgangsleistungen selbst dann nicht in den Anwendungs­ bereich der harmonisierten Mehrwertsteuer einbezogen, wenn sie im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeübt werden. Im Folgen­ den soll vor diesem Hintergrund zunächst untersucht werden, ob und inwieweit das Ergebnis der gegenwärtigen Rechtslage noch als vereinbar mit dem Charakter der harmonisierten Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer beurteilt werden kann. Im Anschluss daran wird auf die Relevanz der regelmäßig in der Literatur aufgeworfenen Frage eingegan­ gen, ob die weitgehende Befreiung der öffentlichen Hand von der Behand­ lung als Steuersubjekt der Umsatzsteuer im Einklang mit verfassungs­ rechtlichen Vorgaben steht. In einem abschließenden dritten Schritt soll für die Ausgangsseite der Frage nachgegangen werden, welche wirtschaft­ liche Bedeutung und Folgen sich aus der weitgehenden Nichterfassung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand ergeben. 1. Verletzung des Gebots einer gleichmäßigen Besteuerung Die harmonisierte Mehrwertsteuer zielt als allgemeine Verbrauchsteuer auf die gleichmäßige Belastung von Vermögensverwendungen für den pri­ vaten Endkonsum ab.1491 Wie sich aus der vorangehenden Untersuchung 1491 Vgl. oben unter A. I. 2.

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I.  Die Ausgangsseite der öffentlichen Hand

ergeben hat, werden allerdings gegen Entgelt ausgeübte Ausgangsleistun­ gen der öffentlichen Hand, die grundsätzlich der Besteuerung unterliegen würden, wegen der Befreiung der Einrichtungen des öffentlichen Rechts von der persönlichen Steuerpflicht nach Art. 13 Abs. 1 MwSt­SystRL weit­ gehend von einer Besteuerung ausgenommen. Dies führt dazu, dass durch Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand initiierte private Vermögens­ verwendungen keiner steuerlichen Belastung unterliegen. Damit steht die Ausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 MwSt­SystRL auf den ersten Blick im Widerspruch zum Gebot der gleichmäßigen Besteuerung des privaten Endverbrauchs und führt zu einer Einschränkung des Charakters einer all­ gemeinen Verbrauchsteuer. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ausnahmeregelung unter einem Wettbewerbsvorbehalt (Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL) steht. Zudem wird die Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand im Fall der entgeltlichen Leistungserbringung regelmä­ ßig verdeckt mit dem Preis auf den Leistungsempfänger abgewälzt.1492 In diesen beiden Fällen kommt es folglich zu einer Belastung des privaten Endverbrauchers als intendierten Steuerträger. Deswegen gilt es zunächst zu untersuchen, ob auf diesem Wege nicht bereits die Anforderungen an eine gleichmäßige Besteuerung erfüllt werden. Weiterhin gilt es zu klären, ob und inwieweit eine gleichwohl verbleibende Beschränkung des Gebots einer gleichmäßigen Verbrauchsbesteuerung gerechtfertigt werden kann. a) Gewährleistung einer gleichmäßigen Besteuerung durch die ­Wettbewerbsklausel? Die Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht und von der Behandlung als Steuersubjekt nach Art. 13 Abs. 1 MwSt­ SystRL steht unter dem Vorbehalt, dass diese nicht zu größeren Wettbe­ werbsverzerrungen führt. Damit kommt es zu einer Einbeziehung der öffentlichen Hand in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer und grundsätzlich zu einer steuerlichen Belastung ihrer Ausgangsleistungen, wenn die Wettbewerbsklausel greift. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob diese Rückausnahme bereits eine gleichmäßige Besteue­ rung des privaten Endverbrauchs gewährleistet. Mit der Wettbewerbsklausel kommt es für die steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand maßgeblich auf das Verhältnis zwischen privaten und öffentlichen Wirtschaftsteilnehmern an. Folglich entscheidet sich die Besteuerung allein mit Blick auf die (potentiell) Steuerpflichtigen bzw. Steuerschuldner.1493 Das Kriterium zielt demnach vorrangig auf eine gleiche Behandlung vergleichbarer mehrwertsteuerliche Leistungen und 1492 Vgl. Ruppe, System und Rechtfertigung unechter Steuerbefreiungen, in: Achatz/ Tumpel, Unechte Steuerbefreiungen, S. 23 (25); Kraeusel, in: Reiß/Kraeusel/­ Langer, UStG, § 4 Rz. 3 (Stand: März 2009). 1493 Vgl. zum erforderlichen Wettbewerbsverhältnis insb. oben unter A. II. 2. c) cc) (1).

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

damit auf eine Wettbewerbsgleichheit zwischen öffentlichen und priva­ ten Anbietern ab. Auf diesem Wege verwirklicht die Wettbewerbsklausel das im Neutralitätsprinzip verankerte Gebot der Wettbewerbsgleich­ heit.1494 Gleichzeitig wird hierdurch jedoch auch verhindert, dass die ­privaten Endverbraucher in Bezug auf eine vergleichbare Leistung einer unterschiedlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt werden. Diese Wir­ kung der Wettbewerbsklausel könnte dafür sprechen, dass damit eine gleichmäßige Verbrauchsbesteuerung gewährleistet wird. Allerdings fordert das Gebot einer gleichmäßigen Besteuerung, ausge­ hend von dem maßgeblichen Belastungsgrund die Besteuerung folgerich­ tig auszugestalten.1495 Die Wettbewerbsklausel setzt jedoch nicht an den privaten Endverbraucher als intendierten Steuerträger und dessen Ver­ mögensverwendungen als Besteuerungsgegenstand an, sondern stellt al­ lein auf das Verhältnis der Steuerschuldner zueinander ab. Aus diesem Grund entspricht die Wettbewerbsklausel insoweit grundsätzlich keiner folgerichtigen Regelung.1496 Deutlich wird dies vor allem am Beispiel ei­ ner rechtlich abgesicherten wirtschaftlichen Monopolstellung der öffent­ lichen Hand. Denn in diesem Fall scheidet die Möglichkeit eines Wettbe­ werbs zwischen öffentlichen und privaten Wirtschaftsteilnehmern zwar von vornherein aus.1497 Gleichwohl entsprechen die durch öffentliche Ausgangsleistungen initiierten privaten Vermögensverwendungen dem Belastungsgrund der Mehrwertsteuer und wären folgerichtig steuerlich zu belasten.1498 Vor diesem Hintergrund vermag die Wettbewerbsklausel zwar das Ausmaß der Nichtbesteuerung von Ausgangsleistungen der öf­ fentlichen Hand und damit die Beeinträchtigung einer allgemeinen Ver­ brauchsbesteuerung zu mindern sowie einen Verstoß gegen das mehr­ wertsteuerrechtliche Neutralitätsprinzip zu vermeiden. Sie führt jedoch nicht dazu, dass die öffentliche Hand mit ihren wirtschaftlichen Tätig­ keiten grundsätzlich der persönlichen Steuerpflicht unterliegt und es da­ mit zu einer gleichmäßigen Besteuerung ihrer Ausgangsleistungen kommt. Damit besteht trotz dieser Klausel grundsätzlich auch weiterhin das Bedürfnis der Rechtfertigung der weitgehenden Befreiung der öffent­ lichen Hand mit ihren Ausgangsleistungen. 1494 Vgl. oben unter A. I. 3. 1495 Vgl. oben unter A. I. 2. 1496 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 54; in diese Richtung auch Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1133 f. (Stand: Juli 2014); kritisch zur Rechtsprechung des EuGH, der das Wettbewerbskriterium im Vordergrund stellt, Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (20). 1497 Vgl. hier nur Stadie, UStG, § 2 Rz. 373; oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (b). 1498 Vgl. so bereits Sarrazin, UR 1974, 281 (284); Söhn, StuW 1976, 1 (10); Wagner, DStJG 13 (1990), S. 59 ff.; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 182 f.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 54.

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I.  Die Ausgangsseite der öffentlichen Hand

b) Gewährleistung einer gleichmäßigen Besteuerung durch das ­verdeckte Überwälzen der Steuer? Die weitgehende Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht bedeutet grundsätzlich den gleichzeitigen Ausschluss vom Vorsteuerabzug, so dass die öffentliche Hand insoweit zunächst steuerlich endgültig belastet wird.1499 Diese Belastung kann jedoch im Rahmen der Preiskalkulation als Kostenfaktor berücksichtigt werden und auf diesem Wege verdeckt auf die privaten Endverbraucher abgewälzt werden. In diesem Fall kommt es zumindest faktisch zu einer Belastung des privaten Endverbrauchs und zur Behandlung des Endverbrauchers als intendierten Steuerträ­ ger.1500 Allerdings wird ein solches Vorgehen dem Grundsatz einer allgemeinen Verbrauchsbesteuerung und dem Gebot der gleichmäßigen Belastung nur in eingeschränktem Maße gerecht. So fällt die steuerliche Belastung ge­ ringer aus, indem hierfür nicht auf das Entgelt und damit nicht auf die Vermögensverwendung als maßgeblicher Indikator für die Leistungsfä­ higkeit abgestellt wird. Denn es wird nur die anteilige nicht abzugsfähige Vorsteuer im Rahmen der Preiskalkulation abgewälzt. Darüber hinaus liegt es zwar nahe, dass auch die öffentliche Hand die Vorsteuerbelastung bei Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit typischerweise als Kos­ tenfaktor in die Preiskalkulation einfließen lässt. Jedoch sind einem sol­ chen Vorgehen, zum Beispiel, wenn die Preise gesetzlich vorgegeben sind, Grenzen gesetzt. Eine verdeckte Weitergabe scheidet ebenfalls aus, wenn öffentliche Mittel zur Finanzierung der Tätigkeit verwendet wer­ den und sich damit der wirtschaftliche Anreiz zur Einbeziehung der Vor­ steuerbelastung in die Preiskalkulation verringert. Somit ist die Mög­ lichkeit der verdeckten steuerlichen Belastung des Endverbrauchs über die Weitergabe der nicht abzugsfähigen Steuer nicht geeignet, die mit der Ausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL verbundene Ein­ schränkung einer allgemeinen Verbrauchsbesteuerung auszugleichen. Eine gleichmäßige und folgerichtige Belastung des privaten Endver­ brauchs kann hierdurch letztlich nicht gewährleistet werden. Folglich besteht weiterhin ein Widerspruch zwischen dem Charakter der allge­ meinen Verbrauchsteuer auf der einen Seite und der weitgehenden Her­ ausnahme der öffentlichen Hand aus ihrem Anwendungsbereich auf der anderen Seite.

1499 Vgl. hierzu aus unionsrechtlicher Sicht oben unter A. IV. sowie dementspre­ chend nach nationalem Recht oben unter B. IV. 1500 Vgl. allgemein zu dieser Wirkung des Ausschlusses eines Steuerpflichtigen vom Vorsteuerabzug Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. Rz. 25 f. (Stand: Jan. 2015).

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

c) Rechtfertigung aus Gründen der Existenzsicherung und aus sozialen Gründen Eine mögliche Rechtfertigung der durch die besondere Befreiung der öf­ fentlichen Hand nach Art. 13 MwStSystRL hervorgerufenen Einschrän­ kung des Gebots einer gleichmäßigen Besteuerung könnte darin beste­ hen, dass die Vermögensverwendungen für Leistungen der öffentlichen Hand wegen des Gebots der Freistellung existenzieller Konsumaufwen­ dungen1501 oder aus sozialen Gründen steuerlich nicht zu belasten sind.1502 Denn die grundsätzlich steuerbaren Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand dienen insbesondere der Daseinsvorsorge und stehen damit in in­ haltlicher Nähe zu solchen Leistungen.1503 Im Zusammenhang mit dem Ziel einer Verschonung von Vermögensverwendungen ist zu berücksich­ tigen, dass es bei der Mehrwertsteuer als indirekte Steuer grundsätzlich nicht möglich ist, auf die persönliche Situation des Einzelnen Rücksicht zu nehmen. Denn anders als zum Beispiel bei der Besteuerung des per­ sönlichen Einkommens kann die persönliche Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt werden.1504 So bedarf es der Typisierung existenziell be­ dingter und aus sozialen Gründen zu verschonende Vermögensverwen­ dungen mithilfe anderer Kriterien, um die beabsichtigte Verschonung folgerichtig auszugestalten. Maßgeblich ist damit die Frage, ob bzw. inwieweit die mit Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL vorgegebene Anknüpfung an die Rechtspersönlichkeit und die Ausübung der öffentlichen Gewalt angesichts der zuvor genannten Verschonungsgründe folgerichtige Kriterien darstellen. Als Argument dafür könnte auf die große Bedeutung von Leistungen der öffentlichen Hand hingewiesen werden, die diese in ihrer hoheitlichen Funktion in zentralen Bereichen der existenziellen und sozialen Daseinsvorsorge er­ bringt. Zu nennen sind hier vor allem die Bereiche Bildung und Gesund­ heit. Zudem dienen öffentliche Ausgangsleistungen eines modernen Sozialstaats regelmäßig Bürgern mit einem vergleichsweise geringen ­ Einkommen1505 und dürften somit von diesem auch in einem entspre­ 1501 Vgl. zum Gebot der Verschonung in der Umsatzsteuer hier nur Englisch, in: ­Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 13, 195 ff., 272 ff.; Ruppe, System und Recht­ fertigung unechter Steuerbefreiungen, in: Achatz/Tumpel, Unechte Steuerbefrei­ ungen, S. 23 (30 f.); ausführlich dazu unten unter D. I. 1. b) aa). 1502 Vgl. hierzu Canz, Die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand im Wandel, S. 44 f.; de la Feria, Intertax 2009, 148; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 244 f. 1503 Vgl. Park, Die Steuerpflicht von Daseinsvorsorgeeinrichtungen der öffentlichen Hand, S. 18 ff. 1504 Vgl. Englisch, UR 2011, 401 (405 f.); Kirchhof, in: HStR V³, § 118 Rz. 241. 1505 Europäische Kommission, Employment and Social Developments in Europe 2011, S. 107; Kistler/Schneider, Verteilungswirkungen öffentlicher Dienstleis­ tungen, S. 12.

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I.  Die Ausgangsseite der öffentlichen Hand

chend höheren Umfang1506 in Anspruch genommen werden.1507 So ge­ sehen dient die weitgehende Befreiung von Ausgangsleistungen der öf­ fentlichen Hand über Art. 13 Abs. 1 UStG, eine zu starke regressive Wirkung1508 der Mehrwertsteuer zu vermeiden. Diese Argumente zugunsten einer inhaltlichen Verbindung zwischen po­ tentiellen Verschonungsgründen und den in Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL aufgeführten Tatbestandsmerkmalen für eine befreiende Wirkung kön­ nen jedoch nicht darüber hinweghelfen, dass diese Merkmale den Anfor­ derungen an eine folgerichtige Kriterienwahl allenfalls in Ansätzen ge­ recht werden.1509 So werden die relevanten Tätigkeitsbereiche nicht zielgenau benannt, sondern es werden sämtliche im Rahmen der öffent­ lichen Gewalt ausgeübten Leistungen der öffentlichen Hand erfasst. Zu­ dem weist das Kriterium der öffentlichen Gewalt keinen erkennbaren Bezug zum Inhalt der Verschonungsgründe auf. Daher unterliegen Leis­ tungen, die auf privatrechtlicher Grundlage erbracht werden, aber aus Sicht der Verschonung existenzieller Aufwendungen oder aus sozialen Gründen nicht belastet werden sollten, gleichwohl grundsätzlich der Be­ steuerung. Hinzu kommt, dass die Rechtsform des Steuerpflichtigen als Steuerschuldner für Zwecke der Entlastung des privaten Endverbrau­ chers als Steuerträger in der Regel kein geeignetes Abgrenzungskriteri­ um darstellt.1510 1506 Allerdings gestaltet es sich insgesamt als schwierig, öffentliche Dienstleistungen der damit anvisierten Gruppe zielgerecht zukommen zu lassen. So kann zum Beispiel regelmäßig nicht verhindert werden, dass auch Wohlhabende die ent­ sprechenden Dienstleistungen in Anspruch nehmen, vgl. Kistler/Schneider, a. a. O., S. 16, 27 ff. 1507 Die Studienlage zur Verteilungswirkung bei der Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen ist insgesamt überschaubar, vgl. Kistler/Schneider, a. a. O., S. 8, 19; insb. eine umfassende Betrachtung der Verteilungseffekte öffentlicher Sach­ leistungen steht noch aus, vgl. dies., a. a. O., S. 3; gleichwohl lassen jüngere Stu­ dien weiterhin eine Gesamttendenz in der Wirkung von öffentlichen Leistungen zugunsten von Bürgern mit niedrigem Einkommen erkennen, vgl. z. B. Bischoff/ Heck, Interpersonelle Verteilungswirkungen aus dem Angebot öffentlicher haus­ haltsbezogener Infrastruktur, S. 26; Gugar  u. a., Umverteilung im Wohlfahrts­ staat, S. 32; Reichenbach  u. a., Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen, S. 13; ein Überblick über weitere Studien im Zusammenhang mit der Verteilungswirkung von öffentlichen Leistungen bei Kistler/Schneider, a. a. O., S. 49 ff. 1508 Vgl. zu dieser Wirkung Kirchhof, in: HStR V³, § 118 Rz. 193. 1509 Vgl. zu den Anforderungen an die Kriterien für eine Befreiung von der Umsatzbe­ steuerung übersichtlich Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 209. 1510 Vgl. Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 181; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 199; Kirchhof, UR 2002, 541 (545); Ruppe, System und Rechtfertigung unechter Steuerbefreiungen, in: Achatz/Tumpel, Un­ echte Steuerbefreiungen, S. 23 (30); Wagner, DStJG 13 (1990), S. 59 (62); so emp­ fahl der Rat der Europäischen Gemeinschaften bereits im Rahmen der 2. EWGRL, zur Befreiung von Leistungen der öffentlichen Hand an die entsprechenden

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

Folglich könnte im Ergebnis zwar ein Teil der Leistungen der öffentli­ chen Hand, die über Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL von der Steuerbelastung ausgenommen sind, mit Verweis auf die Verschonung existenzieller Auf­ wendungen und aus sozialen Gründen gerechtfertigt werden. Allerdings erweisen sich die Tatbestandsmerkmale des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL insoweit als ungenau und nicht folgerichtig anhand dieser möglichen Rechtfertigungsgründe ausgestaltet. d) Rechtfertigung aus Gründen der Praktikabilität Als mögliche Rechtfertigung für die Einschränkung der allgemeinen Ver­ brauchsbesteuerung durch den weitgehenden Ausschluss der öffentli­ chen Hand mit ihren Ausgangsleistungen aus dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer wird in der Diskussion immer wieder auf eine damit erzielte Vereinfachungswirkung hingewiesen.1511 So seien die Tätigkei­ ten von Einheiten der öffentlichen Hand sehr vielseitig, denn diese lägen zum Beispiel sowohl im Bereich der politischen Gestaltung als auch im Bereich der Daseinsvorsorge. In Ansehung dieser Diversität wäre es be­ reits mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, eine zutreffende und einheitliche Besteuerung der Einheiten zu gewährleisten.1512 Neben die­ ser insgesamt eher vagen Argumentation könnten darüber hinaus die Er­ gebnisse der bisherigen Untersuchung den Rechtfertigungsgrund einer vereinfachenden Wirkung der weitgehenden Nichtbesteuerung von Aus­ gangsleistungen der öffentlichen Hand stützen. So hat sich dabei im ­Rahmen der allgemeinen Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Tä­ tigkeit im Sinne des Art. 9 MwStSystRL und ihrer Bedeutung für die öf­ fentliche Hand ergeben, dass danach nur ein Teil ihrer Ausgangsleistun­ gen in den Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts fallen. Die darüber hinausgehende Befreiung der öffentlichen Hand, die gerade wirt­ schaftliche Tätigkeiten betrifft, gewährleistet somit eine weitgehende einheitliche steuerliche Behandlung ihrer gesamten Ausgangsleistungen. Wie sich zudem aus der historischen Entwicklung des besonderen Befreiungs­ tatbestandes gezeigt hat,1513 lag der Einführung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL auch gerade das Ziel einer einheitlichen Behand­ lung von Tätigkeiten mit einem gemischten öffentlichen und wirtschaft­ lichen Charakter zugrunde. Somit kann zumindest mit Bezug auf die Gleichbehandlung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand

Umsätze, nicht aber an die Rechtspersönlichkeit anzuknüpfen, vgl. ABl. P 71 v. 14.4.1967, S. 1303 (1308). 1511 Vgl. de la Feria, Intertax 2009, 148; Ebrill/Keen/Bodin/Summers, The Modern VAT, S. 90; Reiß, Der Verbraucher als Steuerträger der Umsatzsteuer im Euro­ päischen Binnenmarkt, in: FS Tipke, S. 433 (437). 1512 Vgl. de la Feria, ebenda; Ebrill/Keen/Bodin/Summers, ebenda. 1513 Vgl. oben unter A. II. 2. a).

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I.  Die Ausgangsseite der öffentlichen Hand

der umfassenden Nichtbesteuerung eine vereinfachende Wirkung zuge­ schrieben werden. Einer danach angenommenen Vereinfachungswirkung der Nichtbesteue­ rung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand ist jedoch die Reali­ tät der gegenwärtigen Rechtslage gegenüberzustellen, wie sie sich eben­ falls im Rahmen der Untersuchung des geltenden Rechts gezeigt hat. So führten bereits die unbestimmten Rechtsbegriffe des Art. 13 Abs. 1 MwSt­ SystRL zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung.1514 Viel gewichtiger gegen die Anerkennung von Praktikabilitätsgründen als Rechtfertigung spricht jedoch der gegenwärtige Umfang des wirtschaftli­ chen Handelns der öffentlichen Hand. So dürfte die Befreiung der öffent­ lichen Hand bei Einführung des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts vermutlich nur wenige Tätigkeiten erfasst haben. Aber angesichts der Zunahme des staatlichen Wirtschaftens betrifft die Ausnahmeregelung mittlerweile eine Vielzahl von entgeltlichen Ausgangsleistungen. Damit bedeutet die Nichtbesteuerung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand eine entsprechend gestiegene Beeinträchtigung der gebotenen all­ gemeinen Besteuerung von privaten Konsumaufwendungen. Unter Be­ rücksichtigung der mit der Befreiungsregelung des Art. 13 MwStSystRL verbundenen Schwierigkeiten in der Rechtspraxis erscheint es demge­ genüber als unwahrscheinlich, dass eine vereinfachende Wirkung der Nichtbesteuerung von Ausgangsleistungen in einem vergleichbaren Um­ fang an Bedeutung hinzugewonnen hat. Diese gegensätzliche Entwick­ lung hat zur Folge, dass die Vereinfachungswirkung der Nichtbesteue­ rung zumindest mittlerweile nicht mehr geeignet ist, den Umfang der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Gebots einer gleichmäßigen Besteuerung zu rechtfertigen. Im Rahmen einer solchen Gegenüberstellung ist zwar grundsätzlich zu berücksichtigen, dass einer Vereinfachungswirkung zugunsten des Steu­ erschuldners im Bereich der indirekten Steuern ein besonderes Gewicht erlangt. Denn bei indirekten Steuern übt der Steuerschuldner grundsätz­ lich nur anstelle des Staates die Funktion des Steuereinsammlers aus.1515 Dieses Argument greift jedoch nicht in gleichem Maße, wenn es um den Staat selbst geht. Denn im Fall der öffentlichen Hand fallen Steuer­ schuldner und Steuergläubiger ausnahmsweise zusammen, so dass einer Steuervereinfachung zugunsten der öffentlichen Hand kein besonderes Gewicht zukommt.

1514 Vgl. zu den unbestimmten Rechtsbegriffen in der Befreiungsregelung des Art. 13 I MwStSystRL oben unter A. II. 2. b). 1515 Vgl. zur Funktion des Steuerpflichtigen bzw. des Steuerschuldners im System der Mehrwertsteuer oben unter A. I. 2.

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

e) Der Grundsatz der Nichtbesteuerung des Staates Abschließend lässt sich noch allgemein die Frage nach dem Sinn einer Besteuerung der Tätigkeit des Staates stellen. So dient die Erhebung von Steuern zuvorderst der Erzielung von staatlichen Einnahmen.1516 Vor die­ sem Hintergrund führt eine Besteuerung der öffentlichen Hand grund­ sätzlich zu einem gesamtstaatlichen1517 Nullsummenspiel. Denn in die­ sem Fall steht der Staat sowohl auf seiner angestammten Seite des Steuergläubigers und gleichzeitig auf der Seite des Steuerschuldners.1518 Wegen der Kollusion von Steuerschuld und Steuerforderung begründete der durch die Besteuerung verursachte Verwaltungsaufwand schließlich sogar ein Verlustgeschäft.1519 Vor diesem Hintergrund könnte geschluss­ folgert werden, dass von einer Besteuerung des Staates grundsätzlich ab­ zusehen ist, wenn nicht gewichtige Gründe dafür sprechen.1520 Folglich bedürfte es für den Ausschluss der öffentlichen Hand aus dem Anwen­ dungsbereich der Mehrwertsteuer und der damit verbundenen Nichtbe­ steuerung ihrer Ausgangsleistungen keiner Begründung. Vielmehr unter­ lägen die Einbeziehung der öffentlichen Hand und die Besteuerung ihrer Ausgangsleistungen einer Rechtfertigungspflicht.1521 Allerdings lässt sich diese Argumentationslinie nicht auf die Mehrwert­ steuer als indirekte Steuer übertragen.1522 Denn hier fallen, anders als zum Beispiel im Grundfall einer direkten Steuer, der Steuerschuldner und der Steuerträger auseinander.1523 Werden Ausgangsleistungen der öf­ fentlichen Hand steuerlich erfasst, wird die Steuer auf den Leistungs­ empfänger übergewälzt und ist von diesem zu tragen. Damit werden mit der steuerlichen Erfassung Steuereinnahmen generiert, die nicht die öf­ fentliche Hand selbst belasten.1524 Das Argument des Nullsummenspiels 1516 Vgl. z. B. den Steuerbegriff in § 3 AO; Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentli­ cher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 83. 1517 Etwas anderes ergibt sich unter Berücksichtigung des föderalen Aufbaus zumin­ dest hinsichtlich der Verteilung der Steuereinnahmen, vgl. Hüttemann, Die Be­ steuerung der öffentlichen Hand, S. 5; so bereits auch schon Hensel, StuW 1930, 873 (881). 1518 Vgl. Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 47 ff.; Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-­ Projekten, S. 83. 1519 Vgl. Liegmann, ebenda; Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 1. 1520 Vgl. Liegmann, ebenda; Hüttemann, a. a. O., S. 5 f. 1521 So Liegmann, ebenda; im Ergebnis auch für das nationale Recht Häck, Die öf­ fentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 99 f. 1522 Vgl. Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, S. 136. 1523 Vgl. hier nur Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 12; Stadie, UStG, Vorbem. Rz. 16; oben unter A. I. 2. 1524 Vgl. so schon bei der Frage nach der Besteuerung von Rundfunkanstalten Söhn, JuS 1976, 161 (163).

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I.  Die Ausgangsseite der öffentlichen Hand

oder des Verlustgeschäfts greift bei der Mehrwertsteuer als indirekte Steuer damit nicht. Eine Ausnahme gilt allenfalls dann, wenn eine Einheit der öffentlichen Hand eine Ausgangsleistung ausschließlich gegenüber einer anderen Ein­ heit der öffentlichen Hand erbringt. Hier kann es im Ergebnis zu einem gesamtstaatlichen Nullsummenspiel kommen, wenn die Produktions­ kette bei der Leistungsempfängerin endet und die Eingangsleistung daher nicht mehr in eine Ausgangsleistung gegenüber einer Privatperson ein­ mündet. Denn in diesem Fall vereinigen sich in der Person der öffentli­ chen Hand sowohl Steuergläubiger, Steuerschuldner als auch Steuerträ­ ger. Für diese Fälle ließe sich begründen, dass eine Besteuerung der Ausgangsleistung im Saldo zu keinen steuerlichen Mehreinnahmen führt und deswegen von der Besteuerung abzusehen ist bzw. abgesehen werden kann.1525 Allerdings könnte dann eine Besteuerung aus Gründen der Wettbewerbs­ gleichheit zum Schutz privater Wirtschaftsteilnehmer geboten sein. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn auf der einen Seite die leistungs­ erbringende Einheit der öffentlichen Hand mit ihren nicht besteuerten Ausgangsleistungen in einem Wettbewerbsverhältnis zu steuerpflichti­ gen Ausgangsleistungen von privaten Wirtschafsteilnehmern steht, und auf der anderen Seite die leistungsempfangende Einheit der öffentlichen Hand nicht zum Abzug einer anfallenden Vorsteuer berechtigt ist.1526 Un­ terbliebe eine Besteuerung der leistungserbringenden öffentlich-rechtli­ chen Einheit, führte dies grundsätzlich zu einem Preisvorteil im Verhält­ nis zum privaten Wirtschaftsteilnehmer und seinen steuerbelasteten Ausgangsleistungen. Demnach folgt die Besteuerung der Ausgangsleis­ tung der öffentlich-rechtlichen Einheit zwar nicht aus dem Gebot der gleichmäßigen Besteuerung, jedoch aus dem gebotenen Schutz der priva­ ten Wettbewerbsteilnehmer. Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass die weitgehende Nichtbesteu­ erung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand wegen der in­ direkten Erhebung der Umsatzsteuer nicht mit Verweis auf das Zusam­ menfallen von Steuergläubiger und Steuerschuldner in der Person der öffentlichen Hand gerechtfertigt werden kann. Denn das Steueraufkom­ men generiert letztlich der private Endverbraucher als Steuerträger. So­ weit jedoch eine Einheit der öffentlichen Hand gleichzeitig auch noch die Rolle des Steuerträgers einnimmt und dabei wie ein privater Endver­ braucher zu behandeln ist, führt die Besteuerung einer Ausgangsleistung 1525 So z. B. auch grundsätzlich im australischen Mehrwertsteuerrecht, vgl. unten un­ ter D. IV. 3. a) bb) (1). 1526 Dabei handelt es sich um eine Ausgangslage, die auch dem § 2b III UStG zugrun­ de liegt.

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

der öffentlichen Hand in gesamtstaatlicher Sicht zu keinem zusätzlichen Steueraufkommen. In diesem Fall entfaltet die Nichtbesteuerung der Ausgangsleistung einer Einheit der öffentlichen Hand keine Beeinträch­ tigung des Gebots der gleichmäßigen steuerlichen Belastung von priva­ ten Konsumaufwendungen. Erlangt jedoch der öffentliche Anbieter einer Leistung durch die Nichtbesteuerung einen Wettbewerbsvorteil gegen­ über privaten Wirtschaftsteilnehmern, folgt das Gebot zur Besteuerung der Ausgangsleistung aus dem Grundsatz der Wettbewerbsgleichheit. f) Ergebnis Ausgangspunkt der vorangegangenen Untersuchung war der Wider­ spruch, in welchem die weitgehende Befreiung der öffentlichen Hand nach Art. 13 MwStSystRL vom Anwendungsbereich des Mehrwertsteu­ errechts im Verhältnis zum Charakter der Mehrwertsteuer als allgemei­ ne Verbrauchsteuer steht. Im Rahmen der Untersuchung hat sich gezeigt, dass weder die Rückausnahme durch die Wettbewerbsklausel noch die Möglichkeit der verdeckten Überwälzung der Steuer über den Preis dem Gebot einer gleichmäßigen Besteuerung privater Vermögensverwendun­ gen gerecht werden. Zwar ließe sich im Fall einer Einzelbetrachtung der von der Mehrwertsteuer befreiten Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand ein Teil von diesen mit Verweis auf die oben untersuchten Recht­ fertigungsgründe zumindest im Ergebnis als zulässig erachten. Aller­ dings liegen keine tragenden Gründe vor, welche die befreiende Wirkung des Art. 13 MwStSystRL in vollem Umfang zu rechtfertigen vermögen. Letztlich stellt die Befreiungsvorschrift für die öffentliche Hand eine sachfremde Regelung im System der harmonisierten Mehrwertsteuer als indirekte Verbrauchsteuer dar.1527 Vor diesem Hintergrund stellt sich weiter die Frage, ob die Regelung des Art. 13 MwStSystRL noch als konform mit den Vorgaben des Union­ primärrechts, namentlich dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrund­ satz,1528 beurteilt werden kann. Denn nach diesem hat die Mehrwert­ steuersystemrichtlinie ausgehend vom Besteuerungsgegenstand unter Orientierung an dem Leistungsfähigkeitsprinzip in folgerichtiger Weise eine gleichmäßige Besteuerung zu gewährleisten. Abweichungen lassen sich zwar grundsätzlich rechtfertigen, sind gleichwohl verhältnismä­

1527 Vgl. i. E. ebenso u. a. Küffner, Umsatzsteuerliche Behandlung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Lichte der 6. EG-Richtlinie, S. 30 f. m. w. N.; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 182 f.; Tipke, Die Steu­ errechtsordnung, Band II, S. 995 f.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 54; Söhn, StuW 1976, 1 (10); Stadie, UStG, § 2 Rz. 361; Wagner, DStJG 13 (1990), S. 59 (60 ff.). 1528 Vgl. oben unter A. I. 1. und 2.

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I.  Die Ausgangsseite der öffentlichen Hand

ßig auszugestalten.1529 Wie sich gezeigt hat, genügt die Regelung des Art. 13 MwStSystRL diesen Ansprüchen gerade nicht. Folglich erweist sich eine weitgehende Befreiung der öffentlichen Hand nicht nur als Fremdkörper im System der Mehrwertsteuer, sondern sie verletzt zudem den Gewährleistungsgehalt des unionsrechtlichen Gleichbehandlungs­ grundsatzes.1530 2. Die Relevanz verfassungsrechtlicher Vorgaben Die Frage nach der steuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand wird regelmäßig auch aus Sicht des nationalen Verfassungsrechts beurteilt.1531 So lässt sich insbesondere mit Verweis auf das verfassungsrechtliche Ge­ bot der Wettbewerbsgleichheit nach Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG die Notwendigkeit einer Besteuerung begründen.1532 Aber auch mit Ver­ weis auf die Wahrung der berechtigten Interessen der staatlichen Einrich­ tungen, denen das Steueraufkommen ganz oder teilweise zusteht, wird ein Besteuerungsgebot für Einrichtungen des öffentlichen Rechts her­ geleitet.1533 Denn bestünde zum Beispiel die Möglichkeit der Erbringung von nicht besteuerten Ausgangsleistungen, so könnten vor allem die nur gering oder gar nicht am Steueraufkommen partizipierenden Einrich­ tungen des öffentlichen Rechts dazu verleitet werden, eine Besteuerung zu vermeiden und über einen höheren Preis selbst unmittelbar und un­ geteilt an der Wirtschaftskraft des Leistungsempfängers zu partizipie­ ren.1534 Für die Behandlung der öffentlichen Hand in der nationalen Umsatzsteu­ er sind solche Erwägungen hingegen wegen des Geltungsvorrangs des Richtlinienrechts zur harmonisierten Mehrwertsteuer für den von ihr erfassten Regelungsbereich gegenwärtig ohne praktische Relevanz.1535 Wie sich im Rahmen der Untersuchung der unionsrechtlichen Vorgaben gezeigt hat, ist die Frage der Behandlung von Ausgangsleistungen der öf­ fentlichen Hand umfassend in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie gere­ gelt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist das Sekundärrecht der Eu­ 1529 Vgl. zu diesen Grundsätzen oben unter A. I. 2. 1530 Skeptisch in Bezug auf die Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip im Sinne des Unionsprimärrechts auch Englisch, Ability to Pay, in: Brokelind, Prin­ ciples of law, S. 439 (462). 1531 Vgl. ausführlich Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteu­ errecht, S. 27 ff. 1532 Vgl. Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 8 ff. 1533 Vgl. Hüttemann, a. a. O., S. 13 f.; Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 84 ff.; Heger, FR 2009, 301. 1534 Vgl. Hüttemann, ebenda; Liegmann, ebenda. 1535 Vgl. Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 234; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 53; allgemein zu harmoni­ sierten Verbrauchsteuern Krumm, ZfZ 2014, 281 (285 ff.).

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

ropäischen Union1536 und das nationale Recht im Fall der Umsetzung von Richtlinienrecht1537 nicht anhand des nationalen Verfassungsrechts zu prüfen.1538 Dieser Auffassung wird im Ergebnis auch vom BVerfG mitge­ tragen.1539 Damit kommt es auf die Frage, ob und inwieweit die unions­ rechtlich bestimmte Nichterfassung von Ausgangsleistungen mit dem nationalen Verfassungsrecht vereinbar ist, nicht an. Etwas anderes gilt hingegen dann, wenn die Mitgliedstaaten bzw. die öffentliche Hand über eine Gestaltungsmöglichkeit und damit ein implizites Wahlrecht über die steuerliche Belastung ihrer Ausgangsleistungen verfügen. So kann zum Beispiel die öffentliche Hand unter Umständen über die Wahl ihrer Handlungsform eine Besteuerung vermeiden oder herbeiführen.1540 Stün­ de in einem solchen Fall die Nichtbesteuerung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand zwar im Einklang mit den unionsrechtlichen Vor­ gaben, verstieße jedoch gegen nationale verfassungs- bzw. grundrechtli­ che Vorgaben, könnte sich daraus im konkreten Einzelfall die Pflicht der öffentlichen Hand ergeben, ihre Gestaltungsmöglichkeit (auch) im Ein­ klang mit den nationalen Vorgaben auszuüben.1541

1536 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.1.2006 – Rs. C-344/04 (IATA und ELFAA), EU:C:2006:10, Rz. 27 m. w. N.; grundlegend Urt. v. 17.12.1970 – Rs. 11/70 (Internationale Han­ delsgesellschaft), EU:C:1970:114, Rz. 3; Urt. v. 13.12.1979 – Rs. 44/79 (Hauer), EU:C:1979:290, Rz. 14; Englisch, Gemeinschaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des Steuerrechts, S. 39 (41). 1537 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.6.2010 – Rs. C-188/10 (Melki und Abdeli), EU:C:2010:363, Rz. 54 ff. 1538 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 53; zur Stellung der MwSt­ SystRL im Gefüge des Unionsrechts und des nationalen Verfassungsrechts oben unter A. I. 1. 1539 Vgl. zum Richtlinienrecht BVerfG, Urt. v. 13.3.2007 – 1 BvF 1/05, BVerfGE 118, 79 (95 ff.); Urt. v. 2.3.2010 – 1 BvR 256/08 u. a., BVerfGE 125, 260 (306 f.); Urt. v. 4.10.2011 – 1 BvL 3/08, BVerfGE 129, 186 (198 ff.); Englisch, Gemein­ schaftsgrundrechte im harmonisierten Steuerrecht, in: Schön/Beck, Zukunfts­ fragen des Steuerrechts, S. 39 (51 f.); grundlegend BVerfG, Urt. v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (387); Urt. v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92 u. a., BVerfGE 89, 155 (174 f.). 1540 Vgl. hierzu oben unter A. II. 2. b) bb). 1541 Für eine Geltung nationaler Grundrechte bei der Umsetzung von Richtlinien­ recht im unionsrechtlich nicht determinierten Bereich spricht sich das BVerfG aus, vgl. Urt. v. 13.3.2007 – 1 BvF 1/05, BVerfGE 118, 79 (95); Urt. v. 14.5.2007 – 1 BVR 2036/05, NVwZ 2007, 942; Beschl. v. 20.3.2013 1 BvR 3063/10, UR 2013, 468 (469); nichts anderes dürfte damit im Fall von bestehenden Handlungsalter­ nativen auf der Grundlage einer unionsrechtskonformen Umsetzung des Richtli­ nienrechts gelten; zur Frage der Geltung unions- und nationalrechtlicher Grund­ rechte bei der Umsetzung von Richtlinienrecht vgl. BFH, Urt. v. 2.12.2015 – V R 25/13, DStR 2016, 219 (223); Urt. v. 22.7.2010 – V R 4/09, BStBl. II 2013, 590 (595); Engler, Steuerverfassungsrecht im Mehrebenensystem, S. 77 ff.

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I.  Die Ausgangsseite der öffentlichen Hand

3. Die Behandlung von Ausgangsleistungen aus ökonomischer Sicht Aus wirtschaftlicher Sicht ist die gegenwärtige Behandlung der Aus­ gangsleistungen der öffentlichen Hand insgesamt kritisch zu beur­ teilen.1542 So begründet die komplexe Regel-Ausnahme-Rückausnah­ me-Systematik mit ihren unbestimmten Rechtsbegriffen, die von den Mitgliedstaaten zudem in nationales Recht umzusetzen ist, erhebliche Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung.1543 Für die öffentliche Hand führt dies zu erhöhtem administrativen Aufwand im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung der eigenen Steuerpflicht und der zutref­ fenden Behandlung von Ausgangsleistungen.1544 Aber auch auf Seiten der privaten Wirtschaftsteilnehmer ist die gegenwärtige Rechtslage mit er­ heblichem Aufwand und Rechtsberatungskosten verbunden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn es bei einer möglichen Wettbewerbsverzer­ rung durch die Nichtbesteuerung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Unter­ abs. 2 MwStSystRL gilt, bestehende Abwehransprüche zu prüfen und durchzusetzen.1545 Die gegenwärtige Rechtslage begründet damit insbe­ sondere die Gefahr, dass es zu einer unzutreffenden Nichtbesteuerung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand kommt, obwohl im Er­ gebnis das Vorliegen von Wettbewerbsverzerrungen zu bejahen wäre.1546 Wegen dieser Auswirkungen kann die Nichtbesteuerung ein Hemm­ nis für private Wirtschaftsteilnehmer darstellen, in einen bestimmten Marktbereich als Akteur und Anbieter von Leistungen einzutreten.1547 Dies wiederum schwächt den Wettbewerb und birgt die Gefahr von hö­ heren Preisen im Vergleich zu einem unbeeinflussten Wettbewerb.1548 1542 Vgl. Amand, IVM 2006, 433 (434 f.); Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (146); Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 127 ff.; Crawford/Keen/Smith, Value Added Tax and Excises, in: Mirrlees, Dimension of Tax Design, S. 275 (305); Ebrill/Keen/Bodin/Summers, The Modern VAT, S. 92. 1543 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 59 ff., 130 f.; de la Feria, Intertax 2009, 148 f.; Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 6; Tait, Value Ad­ ded Tax, S. 76. 1544 Vgl. Bird/Gendron, The VAT in Developing and Transitional Countries, S. 87; Copenhagen Economics, a. a. O., S. 59; Crawford/Keen/Smith, Value Added Tax and Excises, in: Mirrlees, Dimension of Tax Design, S. 275 (305). 1545 Vgl. Copenhagen Economics, ebenda; zur Konkurrentenklage vgl. insb. EuGH, Urt. v. 8.7.2006 – Rs. C-430/04 (Feuerbestattungsverein Halle), EU:C:2006:374; Englisch, StuW 2008, 43 ff.; Kohlhepp, DStR 2011, 145 ff. 1546 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 127; in diese Richtung auch schon die Europäische Kommission, Grünbuch über die Zukunft der Mehrwertsteuer, KOM(2010) 695 endg., S. 11; Ebrill/Keen/Bodin/Summers, The Modern VAT, S. 92. 1547 Vgl. Bird/Gendron, The VAT in Developing and Transitional Countries, S. 94; Copenhagen Economics, a. a. O., S. 130; Crawford/Keen/Smith, Value Added Tax and Excises, in: Mirrlees, Dimension of Tax Design, S. 275 (305); Tait, Value Ad­ ded Tax, S. 77. 1548 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 130.

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

Des Weiteren führt die weitgehende Nichtbesteuerung von Ausgangs­ leistungen der öffentlichen Hand dazu, dass die Preise für öffentliche Leistungen geringer sind als im Fall einer Einbeziehung der öffentlichen Hand in das Mehrwertsteuerrecht.1549 Diese Auswirkung lässt sich zwar wegen der gleichzeitigen Belastung der öffentlichen Hand mit nicht ab­ zugsfähiger Vorsteuer nicht für alle ihrer entgeltlichen Tätigkeiten mit Bestimmtheit sagen. Zudem kann auch der Umfang nicht konkret bezif­ fert werden, denn die Vorsteuerbeträge werden als Kosten in der Regel verdeckt mit dem Preis auf den Leistungsempfänger abgewälzt.1550 Aber angesichts der effektiven steuerlichen Freistellung des durch die öffentli­ che Hand geschaffenen Mehrwerts1551 und vor dem Hintergrund, dass auf dieser Ebene in der Regel der nicht mit Vorsteuer belastete Personalein­ satz1552 dominiert, dürfte die Annahme einer allgemeinen Minderung der Preise im Zusammenhang mit öffentlichen, nicht besteuerten Leistun­ gen zutreffen.1553 Darüber hinaus bewirkt die weitgehende Befreiung nach Art. 13 MwSt­ SystRL, dass es zu einer Nichtbesteuerung von Ausgangsleistungen kommt, obwohl diese grundsätzlich im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit gegen Entgelt erbracht werden. Damit bleiben die mit der Leis­ tung zusammenhängenden privaten Vermögensverwendungen unbesteu­ ert, was sich im Ergebnis mindernd auf das steuerliche Aufkommen aus­ wirkt.1554

II. Die Eingangsseite der öffentlichen Hand Die Untersuchung der gegenwärtigen Rechtslage auf Ebene der Euro­ päischen Union als auch auf der nationalstaatlichen Ebene ließ neben einer Vielzahl von Rechtsanwendungsfragen deutlich erkennen, dass die öffentliche Hand weitgehend einer endgültigen Belastung mit Vorsteuer ausgesetzt ist. Im Folgenden soll diese Belastungswirkung in einem ers­ ten Schritt auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundprinzipien der Mehr­ 1549 Vgl. Bird/Gendron, The VAT in Developing and Transitional Countries, S. 88; Copenhagen Economics, ebenda. 1550 Vgl. Copenhagen Economics, ebenda. 1551 Vgl. Bird/Gendron, The VAT in Developing and Transitional Countries, S. 88; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 206; Ruppe, System und Rechtfer­ tigung unechter Steuerbefreiungen, in: Achatz/Tumpel, Unechte Steuerbefreiun­ gen, S. 23 (25). 1552 Vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 131 (Stand: Juli 2014). 1553 So i. E. auch Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 130; zur vergleichbaren Situation bei sachlichen Steuerbefreiungen Langer, in: Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG, Art. 131–137 MwStSystRL Rz. 15 (Stand: Aug. 2013). 1554 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 129 f.; Ebrill/Keen/Bodin/Summers, The Modern VAT, S. 85.

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II.  Die Eingangsseite der öffentlichen Hand

wertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer geprüft werden. Angesichts der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit, diese Belastungswirkung auch durch ein nationales Vorgehen zu überwinden,1555 gilt es aus natio­ naler Sicht zu prüfen, wie die endgültige Belastung der öffentlichen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht zu würdigen ist. Abschließend ist auch für die Eingangsseite darauf ein­ zugehen, welche wirtschaftlichen Folgen sich aus der gegenwärtigen Be­ lastungswirkung der öffentlichen Hand ergeben. 1. Die endgültige Vorsteuerbelastung aus Verbrauchsteuersicht Die endgültige Vorsteuerbelastung resultiert aus dem weitgehenden Ausschluss der öffentlichen Hand mit ihren Ausgangsleistungen vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Denn ein Vorsteuerabzug ist nach gegenwärtigem Recht nur insoweit zulässig, als dass Steuerpflichti­ ge ihre Eingangsleistungen zur Ausübung eigener steuerpflichtiger Um­ sätze verwenden.1556 Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden zunächst untersucht werden, ob die gegenwärtige endgültige Vorsteuerbelastung eine Beschränkung von Grundprinzipien der Mehrwertsteuer als allge­ meine Verbrauchsteuer darstellt. In einem zweiten Schritt ist dann da­ rauf einzugehen, ob und inwieweit eine solche Beschränkung gerechtfer­ tigt werden könnte und die endgültige Vorsteuerbelastung damit als zulässig anzusehen wäre. a) Beschränkung von Verbrauchsteuerprinzipien Die harmonisierte Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer für den privaten Endkonsum zielt auf die Belastung von privaten Vermö­ gensverwendungen ab. Als Maßstab für eine gleichmäßige steuerliche Belastung gilt das Leistungsfähigkeitsprinzip.1557 Eine steuerliche Leis­ tungsfähigkeit ist wiederum grundsätzlich nur bei privaten Konsumauf­ wendungen indiziert.1558 Vor dem Hintergrund, dass im Gegensatz zu Privatpersonen die öffentliche Hand keine eigenen privaten Zwecke ver­ folgen kann, spiegeln ihre Vermögensverwendungen keine eigene indivi­

1555 Im Wege eines Refundsystems lässt sich die Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand beseitigen. Ein solches System besteht bereits in acht Mitgliedstaaten der Europäischen Union: Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Nie­ derlande, Österreich, Portugal, Schweden; vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 31; zum Refundsystem unten unter D. III. 1556 Vgl. Art. 168 lit. a MwStSystRL; oben unter A. IV. 2. 1557 Vgl. oben unter A. I. 2. 1558 Vgl. Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 260; Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (31).

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

duelle Leistungsfähigkeit wider.1559 Folglich entsprechen diese nicht dem ausgewählten Besteuerungsgegenstand der harmonisierten Mehrwert­ steuer und die öffentliche Hand ist aus Verbrauchsteuersicht grundsätz­ lich nicht als Steuerträgerin zu behandeln. Die Untersuchung des Rechts der öffentlichen Hand hat demgegenüber ergeben,1560 dass sie für ihre Eingangsleistungen die anfallende Mehrwert­ steuer nicht im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen kann und folglich grundsätzlich insoweit endgültig zu tragen hat. Eine Möglich­ keit der unmittelbaren Entlastung besteht nur, soweit sie die Eingangs­ leistungen zur Ausübung eigener steuerpflichtiger Ausgangsumsätze verwendet. Stellt die Tätigkeit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts folglich keine wirtschaftliche Tätigkeit dar oder handelt es sich dabei um eine wirtschaftliche Tätigkeit, die im Rahmen der öffentlichen Gewalt und ohne die Begründung möglicher Wettbewerbsverzerrungen erfolgt, wird sie wie ein privater Endverbraucher behandelt und von der Möglich­ keit des Vorsteuerabzugs ausgeschlossen. In diesen Fällen wird die öf­ fentliche Hand folglich entgegen dem Belastungsgrund der harmonisier­ ten Mehrwertsteuer grundsätzlich als Trägerin der Steuer behandelt.1561 Soweit die öffentliche Hand allerdings eine nicht steuerbare, aber gleich­ wohl entgeltliche Tätigkeit ausübt, kann und wird sie regelmäßig versu­ chen, die nicht abzugsfähige Vorsteuer als belastenden Kostenbestandteil über den Preis zumindest verdeckt an den Leistungsempfänger weiterzu­ geben. Gelingt dies ganz oder teilweise, ist sie zumindest im Ergebnis insoweit nicht mehr steuerlich belastet. Handelt es sich bei dem Leis­ tungsempfänger jedoch um einen Steuerpflichtigen, so wird nun dieser zum einen entgegen dem Neutralitätsprinzip mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer belastet.1562 Zum anderen werden dessen Aufwendungen und damit auch die durch die öffentliche Hand verdeckt weitergegebene Vor­ steuer als Kostenbestandteil in die Preiskalkulation seiner eigenen steu­ erpflichtigen Ausgangsleistungen einfließen. Indem das Ergebnis der Preiskalkulation als Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer unter­ liegt, kommt es zu einer steuerlichen Belastung der in der Bemessungs­ grundlage enthaltenen Steuer, mithin zu einem Kaskadeneffekt.1563 Für 1559 Vgl. Löhr, ebenda; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 273 f.; Birk, Die Umsatzsteuer aus juristischer Sicht, in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 61 (65); Englisch, ebenda; Hüttemann, FR 2009, 308 (314). 1560 Vgl. oben unter A. IV. und B. IV. 1561 Vgl. Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (146); Englisch, in: Tipke/Lang, Steu­ errecht, § 17 Rz. 60; Kirchhof, Umsatzsteuergesetzbuch, S. 22; Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (364). 1562 Vgl. Krauesel, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 4 Rz. 3 (Stand: März 2009). 1563 Vgl. zum Kaskadeneffekt Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 9 f.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 206.

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II.  Die Eingangsseite der öffentlichen Hand

den privaten Endverbraucher einer dem Kaskadeneffekt unterliegenden Ausgangsleistung wiederum ergibt sich eine dadurch erhöhte mehrwert­ steuerliche Belastung, so dass dieser im Ergebnis eine ungleich höhere steuerliche Last zu tragen hat.1564 Damit steht die Wirkung des Kaskaden­ effekts ebenfalls im Widerspruch zum Gebot einer gleichmäßigen steuer­ lichen Belastung.1565 b) Rechtfertigung der Beschränkungen Fraglich ist, ob sich die durch eine endgültige Belastung der öffentlichen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer verursachten Beschränkungen von tragenden Prinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts rechtfertigen lassen. So ließe sich zunächst im System der harmonisier­ ten Mehrwertsteuer selbst nach entsprechenden Anhaltspunkten su­ chen. Keine umfassende Rechtfertigung stellt dabei allerdings der Um­ stand dar, dass regelmäßig mit dem Preis die nicht abzugsfähige Vorsteuer verdeckt an den Leistungsempfänger weitergegeben wird. Denn hierdurch wird nicht der Grundsatz der gleichmäßigen Besteue­ rung gewahrt1566 und die Versagung des Vorsteuerabzugs für Eingangsleis­ tungen, die nicht für dem Mehrwertsteuerrecht unterliegende Tätigkei­ ten verwendet werden, entspricht damit auch nicht den Anforderungen einer allgemeinen Verbrauchsteuer. Des Weiteren scheidet eine Rechtfertigung des Ausschlusses vom Vor­ steuerabzug als logische Konsequenz von vornherein dann aus, wenn sich bereits die hierfür verantwortliche Nichterfassung von Ausgangs­ leistungen wegen der gegenwärtigen Sonderbehandlung gem. Art. 13 MwStSystRL der öffentlichen Hand nicht rechtfertigen lässt. Denn wenn die Behandlung auf der Ausgangsseite nicht gerechtfertigt ist, dann kann eine darauf beruhende endgültige Belastung mit nicht abzugsfähiger Vor­ steuer erst recht nicht zulässig sein. So ist in diesen Fällen bereits wegen der aus Verbrauchsteuersicht gebotenen und zutreffenden Besteuerung der Ausgangsumsätze ein Vorsteuerabzug grundsätzlich zu gewähren. Demgegenüber hat die Untersuchung der Nichterfassung von Ausgangs­ leistungen der öffentlichen Hand infolge der Befreiungsvorschrift des Art. 13 MwStSystRL gezeigt, dass die Nichtbesteuerung bestimmter Tä­ tigkeiten im Ergebnis gerechtfertigt werden kann. Aus diesem Grund soll im Folgenden zunächst geklärt werden, ob und inwieweit in diesen Fällen eine endgültige Belastung der öffentlichen Hand mit Vorsteuer trotz der oben festgestellten Beschränkungen von Grundprinzipien des 1564 Vgl. Krauesel, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 4 Rz. 3 f. (Stand: März 2009). 1565 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 9 f.; Englisch, in: ­Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 206. 1566 Vgl. oben unter C. I. 1. b).

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

Mehrwertsteuerrechts zulässig ist. Im Anschluss daran gilt es noch zu erörtern, ob nicht auch die Vorsteuerbelastung in Bezug auf Tätigkeiten der öffentlichen Hand, die mangels wirtschaftlichen Charakters nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, zumindest aus Gründen der Wettbe­ werbsgleichheit einer Rechtfertigung zugänglich sind. aa) Ausübung von steuerfreien Ausgangsleistungen Die Versagung einer Entlastung für die mit dem Preis zu zahlende Vor­ steuer könnte in den Fällen zulässig sein, in denen die Nichtbesteuerung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand im Ergebnis gerechtfer­ tigt werden kann.1567 Denn insoweit entspricht die Versagung des Vor­ steuerabzugs einer Situation, wie sie sich auch in vielen Fällen von sach­ lichen Steuerbefreiungen ergibt.1568 So werden bei diesen ebenfalls auf der einen Seite steuerbare Leistungen zum Beispiel aus sozialen Gründen von der Steuerpflicht befreit, auf der anderen Seite aber gleichzeitig we­ gen der fehlenden Verwendung für steuerpflichtige Umsätze der Vorsteu­ erabzug versagt.1569 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine Ver­ sagung des Vorsteuerabzugs im Fall von sachlichen Steuerbefreiungen grundsätzlich nur zulässig sein kann, wenn typischerweise die Mög­ lichkeit zur verdeckten Weitergabe der anfallenden Vorsteuerbelastung auf den Leistungsempfänger besteht.1570 Soweit eine Vorsteuerbelastung demnach eine Tätigkeit betrifft, die zum Beispiel unentgeltlich und da­ mit auch von vornherein nichtwirtschaftlich im Sinne des Mehrwert­ steuerrechts ausgeübt wird, ist eine Rechtfertigung aus diesem Grund schon ausgeschlossen. Zur Beantwortung, ob und inwieweit die Versa­ gung des Vorsteuerabzugs für die öffentliche Hand vor diesem Hinter­ grund mit Verweis auf eine Befreiung von Ausgangsleistungen gerecht­ fertigt werden kann, bietet es sich an, zwischen den ausgeübten Tätigkeiten wie folgt zu unterscheiden. (1) Leistungen, die einer bestehenden Steuerbefreiungsvorschrift unterliegen Die nach den Sondervorgaben für die öffentliche Hand befreiten Tätig­ keiten könnten zu Leistungen führen, die grundsätzlich dem Anwen­ 1567 Vgl. hierzu oben unter C. I. 1. 1568 Vgl. zur Versagung des Vorsteuerabzugs wegen der Ausübung steuerfreier Aus­ gangsumsätze EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 59; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 206 ff.; Reiß, in: Reiß/ Kraeusel/Langer, UStG, Einf. Rz. 46 (Stand: Jan. 2015). 1569 Vgl. zu den sachlichen Steuerbefreiungen A. III. und B. III.; zur Einschränkung des Vorsteuerabzugs insb. A. IV. 1570 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 209; zum allgemeinen Gebot der Überwälzbarkeit Kirchhof, in: HStR V³, § 118 Rz. 243.

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II.  Die Eingangsseite der öffentlichen Hand

dungsbereich einer Steuerbefreiung unterliegen.1571 In diesen Fällen gleicht sowohl die Nichtbesteuerung von Ausgangsleistungen als auch die Versagung des Vorsteuerabzugs der Behandlung von privaten Steuer­ pflichtigen, deren Leistungen der Steuerbefreiung unterliegen. Folg­ lich entspricht in diesen Fällen die Versagung des Vorsteuerabzugs der ebenfalls im Neutralitätsprinzip verankerten Wettbewerbsgleichheit.1572 Denn entfiele in diesen Fällen die Belastung mit nicht abzugsfähiger Vor­ steuer, so hätte der öffentlich-rechtliche Anbieter einen Kostenvorteil gegenüber dem privaten Anbieter, der die anfallende Vorsteuer wegen der unechten Steuerbefreiung nicht abziehen kann. Zudem würde ein priva­ ter Endverbraucher bei Bezug einer vergleichbaren Leistung im Fall des öffentlich-rechtlichen Anbieters nicht belastet werden, während der­ jenige, der die Leistung von einem privaten Anbieter erlangt, mit der verdeckt weitergegebenen Steuer belastet wird. Somit spricht auch der Gedanke der gleichmäßigen Besteuerung für eine Versagung des Vorsteu­ erabzugs der öffentlichen Hand in diesen Fällen.1573 (2) Leistungen, die existenziellen oder sozialen Zwecken dienen Fraglich ist, ob sich eine endgültige Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand darüber hinaus in den Fällen rechtfertigen lässt, in denen aus exis­ tenziellen oder sozialen Gründen die Nichtbelastung einer Ausgangsleis­ tung der öffentlichen Hand gerechtfertigt ist.1574 Im ersteren Fall indizie­ ren die Vermögensaufwendungen keine Leistungsfähigkeit,1575 so dass auch eine verdeckte Weitergabe der Steuer über den Preis eine Belastung im Widerspruch zum Leistungsfähigkeitsprinzip darstellt und damit ge­

1571 Vgl. in diesem Zusammenhang insb. Art. 13 II MwStSystRL; hierzu oben unter A. II. 2. b) cc). 1572 Vgl. oben unter A. I. 3. 1573 Die Argumentation für ein solches, sich im Einzelfall ergebendes Gebot des Aus­ schlusses der öffentlichen Hand vom Vorsteuerabzug knüpft an das Vorliegen ei­ ner unechten Steuerbefreiung für Umsätze von privatrechtlichen Steuerpflichti­ gen an. Eine unechte Steuerbefreiung lässt sich jedoch selbst nur in seltenen Fällen rechtfertigen, vgl. z. B. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 209; Ruppe, System und Rechtfertigung unechter Steuerbefreiungen, in: Achatz/Tum­ pel, Unechte Steuerbefreiungen, S. 23 (30); ausführlich zu Steuerbefreiungen aus unionsrechtlicher Sicht Englisch, The EU Perspective on VAT Exemptions, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 37 (60 ff.). Eine abschließende Beurteilung, welche geltenden unechten Steuerbefreiungen sich im System der Mehrwertsteuer rechtfertigen lassen, soll und kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Er­ weist sich jedoch eine unechte Steuerbefreiung als ungerechtfertigt, stellte diese freilich von vornherein keinen zulässigen Bezugspunkt für ein Gebot der Belas­ tung der öffentlichen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer dar. In diesem Fall gelte es vielmehr, die entsprechende Befreiungsregelung zu ändern. 1574 Vgl. hierzu oben unter C. I. 1. c). 1575 Ebenda.

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

gen dieses verstoßen würde.1576 Soweit es sich um Tätigkeiten handelt, deren Steuerfreiheit sich im Ergebnis über sozial-politische Erwägungen begründen ließe, ist eine vollständige steuerliche Freistellung hingegen nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zwingend erforderlich.1577 Al­ lerdings dürfte es in diesen Fällen regelmäßig sowohl zielsicherer als auch verhältnismäßiger sein, die Ausgangsleistungen mit einem ermä­ ßigten Steuersatz zu besteuern und dafür im Gegenzug einen vollständi­ gen Vorsteuerabzug zu gewähren.1578 Vor diesem Hintergrund lässt sich der Ausschluss der öffentlichen Hand vom Vorsteuerabzug nicht mit ei­ ner gerechtfertigten Nichtbelastung von Ausgangsleistungen rechtferti­ gen. bb) Ausübung einer unternehmerischen, aber nicht dem Anwendungsbereich des Art. 9 MwStSystRL unterliegenden Tätigkeit Abschließend bleibt noch zu klären, ob die endgültige Belastung von Ein­ gangsleistungen der öffentlichen Hand gerechtfertigt werden kann, so­ weit diese Tätigkeiten dienen, die nicht dem Anwendungsbereich des Art. 9 MwStSystRL unterliegen. So könnte sich eine Rechtfertigung im Einzelfall aus dem Gewährleistungsgehalt des Unionsgrundrechts der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit1579 ergeben. Denn wenn eine unter­ nehmerische Tätigkeit einer privaten Rechtsperson wegen der Defini­ tion des Begriffs der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht in den Anwen­ dungsbereich der Mehrwertsteuer fällt, erlangt diese für entsprechende Eingangsleistungen grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Erstattung der Vorsteuer. Übt eine Einrichtung des öffentlichen Rechts nunmehr eine vergleichbare nicht steuerbare Tätigkeit aus, besteht aus diesem Grund ein Wettbewerbsverhältnis zum privaten Unternehmer. Erlangt die öffentliche Hand in diesen Fällen einen Vorsteueranspruch, stellt dies grundsätzlich einen wirtschaftlichen Vorteil dar, der sich wiederum zum Nachteil des privaten Wettbewerbsteilnehmers auswirken kann. Da­ durch könnte es zu einer ungerechtfertigten Beeinträchtigung seines Grundrechts auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit kommen.1580 Vor diesem Hintergrund kann es im Einzelfall zum Schutz privater Wirt­ 1576 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 209; Ruppe, „Unechte“ Um­ satzsteuerbefreiungen, in: FS Tipke, S. 457 (461). 1577 Vgl. Englisch, ebenda. 1578 Vgl. Englisch, ebenda; Kirchhof, Umsatzsteuergesetzbuch, S. 30 und 131; Reiß, DStJG 32 (2009), S. 9 (50); Ruppe, „Unechte“ Umsatzsteuerbefreiungen, in: FS Tipke, S. 457 (461 f.). 1579 Vgl. Art. 15, 16 EU-GrCh; EuGH, Urt. v. 19.9.1985 – Rs. 63/84 und 147/84 (Finsi­ der), EU:C:1985:358, Rz. 23; Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 19 Rz. 10. 1580 Vgl. zur Konkurrenz durch öffentliche Unternehmen als relevante Beeinträchti­ gung Ruffert, a. a. O., § 19 Rz. 30.

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II.  Die Eingangsseite der öffentlichen Hand

schaftsteilnehmer gerechtfertigt sein, die öffentliche Hand entgegen des Besteuerungsgrundes der harmonisierten Mehrwertsteuer endgültig mit der Vorsteuer zu belasten.1581 Mit Blick auf den Anwendungsbereich des Art. 9 MwStSystRL in seiner Auslegung durch den EuGH dürfte diese Rechtfertigung für eine endgül­ tige Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand allerdings gegenwärtig nicht zum Tragen kommen. Als ein mögliches Anwendungsbeispiel käme insoweit allenfalls die Tätigkeit des bloßen Haltens von Gesell­ schaftsanteilen im Rahmen eines Beteiligungsunternehmens in Betracht. Dabei handelt es sich mangels Ausübung steuerbarer Umsätze um keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 9 MwStSystRL, so dass die für diese Tätigkeit bezogenen Eingangsleistungen grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.1582 Gleichwohl dient diese Tätigkeit grundsätzlich der unternehmerischen Betätigung und fällt damit in den Gewährleistungsbereich der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit. Aller­ dings lässt sich daraus kein Gebot zur Belastung der öffentlichen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer ableiten, soweit diese ebenfalls als Be­ teiligungsunternehmen Anteile an einer Gesellschaft hält. Denn die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug stellte zwar eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu einem privatrechtlichen Beteiligungsunternehmen dar, dieses erleidet jedoch hierdurch in Bezug auf seine eigene unternehmeri­

1581 A. A. vor dem Hintergrund des geltenden Rechts wohl Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (233 f.). Diese verweisen darauf, dass der nichtsteuerpflichtige Unter­ nehmer keine Umsatzsteuer für seine Ausgangsleistungen in Rechnung stellen muss. Dies würde den fehlenden Vorsteuerabzug kompensieren. Bei der öffentli­ chen Hand entfiele die Pflicht zur Besteuerung der Ausgangsleistungen hingegen bereits aus dem Grund, dass ihre befreiten Leistungen „hoheitlich“ und damit nicht marktfähig seien. Deswegen entfalte die Nichtbesteuerung für die öffentli­ che Hand keinen kompensierenden Effekt und die Entlastung von der Vorsteuer sei deswegen auch im Verhältnis zum privaten Unternehmer keine relevante Ungleichbehandlung. Zutreffend ist dabei zunächst, dass nur im Fall von Tätig­ keiten, die in einem Wettbewerb zueinander stehen, das Bedürfnis der Gleichbe­ handlung und damit einer Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand besteht. Wie im Zusammenhang mit der Befreiung von Ausgangsleistungen der öffentli­ chen Hand gezeigt, können aber auch nach geltendem Recht nicht erfasste Aus­ gangsleistungen zu belastungswürdigen privaten Vermögensverwendungen füh­ ren. Stehen sich jedoch vergleichbare, konsumfähige Ausgangsleistungen von nichtsteuerpflichtigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts und nichtsteuer­ pflichtigen privaten Unternehmern gegenüber, liegt ein relevantes Wettbewerbs­ verhältnis vor, das ein Gebot der Gleichbehandlung im Hinblick auf den Vor­ steuerabzug entfaltet. Die Frage, ob die Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand darauf beruht, dass diese aus Sicht des geltenden Umsatzsteuerrechts z. B. nicht­ wirtschaftlicher, sondern hoheitlicher Natur ist, ist entgegen der Ansicht von Desens/Hummel ohne Belang. 1582 EuGH, Urt. v. 20.6.1991 – Rs. C-60/90 (Polysar), EU:C:1991:268, Rz. 17; Urt. v. 6.9.2012 – Rs. C-496/11 (Portugal Telecom), EU:C:2012:557, Rz. 31 f.

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

sche Betätigung grundsätzlich keinen beeinträchtigenden Wettbewerbs­ nachteil. Im Ergebnis kann damit die im gegenwärtigen Mehrwertsteuerrecht an­ gelegte endgültige Vorsteuerbelastung von nichtwirtschaftlichen Tätig­ keiten der öffentlichen Hand nicht auf Grundlage der unternehmeri­ schen Betätigungsfreiheit von privatrechtlichen Wirtschaftsteilnehmern gerechtfertigt werden. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass der EuGH in seiner Rechtsprechung nicht eine stringente Unterscheidung zwi­ schen privaten und wirtschaftlichen Tätigkeiten zugrunde legt und so­ mit zumindest zukünftig dieser Rechtfertigungsgrund zum Tragen kom­ men könnte. Als warnendes Beispiel sei hier auf das Urteil in der Rechtssache Kommission/Finnland verwiesen, in dem der EuGH die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand wegen der Bemessung des Entgelts am Einkommen der Leistungsempfänger verneinte.1583 Wür­ de nun ein privater Anbieter vergleichbare Leistungen erbringen und hierfür aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus ebenfalls ein solches Modell zur Ermittlung seiner Preise zugrunde legen, könnte unter An­ wendung der EuGH-Rechtsprechung seine Tätigkeit ebenfalls als nicht­ wirtschaftlich im Sinne des Mehrwertsteuerrechts angesehen werden. In einem solchen Fall bestünde dann die Möglichkeit einer Wettbewerbs­ verzerrung, indem der private Anbieter vom Vorsteuerabzug ausgeschlos­ sen ist, während der öffentliche Anbieter die Möglichkeit zum Vorsteu­ erabzug erlangt.1584 Um eine solche Benachteiligung des privaten Anbieters zu vermeiden, wäre es demnach gerechtfertigt, die öffentliche Hand ebenfalls endgültig mit der Vorsteuer zu belasten. c) Ergebnis Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die endgültige Belastung der öffentlichen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer grundsätzlich im Widerspruch zu den Grundprinzipien der harmonisierten Mehr­ wertsteuer steht. Dieser Widerspruch lässt sich nur unter bestimmten Voraussetzungen rechtfertigen. So ist die endgültige Belastung der öffent­ 1583 EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 42 ff.; oben unter A. II. 1. a) aa) (3). 1584 Unabhängig von der Frage, ob sich in einer solchen Situation ein gerechtfertigter Ausschluss der öffentlichen Hand vom Vorsteuerabzug ergibt, drängt sich hier insgesamt die Schlussfolgerung auf, dass der Anwendungsbereich des Mehrwert­ steuerrechts weiter zu fassen ist. Nur auf diesem Wege kann gewährleistet wer­ den, dass grundsätzlich alle nichtprivaten und damit unternehmerischen Tätig­ keiten in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen. Zudem wird hierdurch sichergestellt wird, dass ein Vorsteuerabzug nur im Fall der Verfolgung privater Zwecke oder aber bei Ausübung bestimmter steuerfreier Ausgangsleis­ tungen ausgeschlossen ist; so z. B. im australischen Recht, vgl. hierzu ausführ­ lich unten unter D. IV. 3. a) bb).

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II.  Die Eingangsseite der öffentlichen Hand

lichen Hand zum einen stets erforderlich, wenn privaten Wirtschaftsteil­ nehmern für eine vergleichbare und dem Mehrwertsteuerrecht unterlie­ gende Tätigkeit die Möglichkeit eines Vorsteuerabzuges versagt bleibt. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn die steuerbare Leistung dem Anwendungsbereich einer sachlichen Steuerbefreiung unterliegt. Darü­ ber hinaus wäre die Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand auch dann geboten, wenn von einem privaten Wirtschaftsteilnehmer eine vergleich­ bare Tätigkeit ausgeübt wird, die zwar nicht als wirtschaftliche Tätig­ keit gem. Art. 9 MwStSystRL dem Mehrwertsteuerrecht unterliegt, aber gleichwohl einen unternehmerischen und keinen privaten Charakter be­ sitzt. Hierfür muss allerdings die Tätigkeit des privaten Wirtschaftsteil­ nehmers grundsätzlich vom Gewährleistungsgehalt seines Grundrechts auf Betätigungsfreiheit gem. Art. 15, 16 EU-GrCh erfasst sein. Mit Blick auf die gegenwärtige Rechtslage zum Anwendungsbereich des harmoni­ sierten Mehrwertsteuerrechts würde dieser Rechtfertigungsgrund aller­ dings derzeit keine Anwendung finden. 2. Die endgültige Vorsteuerbelastung aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht Neben einer Beurteilung aus Verbrauchsteuersicht könnte sich die end­ gültige Belastung der öffentlichen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteu­ er auch aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht als widersprüchlich im Verhältnis zu geltenden Vorgaben erweisen. Dieser Frage hat sich zuletzt ein Autorenteam um Desens ausführlich gewidmet.1585 Wie im Fall der verfassungsrechtlichen Würdigung der Nichterfassung von Ausgangs­ leistungen der öffentlichen Hand stellt sich an dieser Stelle ebenfalls die Frage, ob und inwieweit Vorgaben des nationalen Finanzverfassungs­ rechts für die endgültige steuerliche Belastung der öffentlichen Hand Be­ deutung erlangen.1586 So hat die Untersuchung der unionsrechtlichen Vorgaben zum Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand ergeben,1587 dass die endgültige Belastung bereits im maßgeblichen Richtlinienrecht angelegt ist. Die Gewährung eines Vorsteuerabzugs für die öffentliche Hand im nationalen Recht entgegen dem Richtlinienrecht scheidet folglich aus.1588 Wegen der vorrangigen Geltung des Unionsrechts1589 kommt es dabei auch grundsätzlich nicht auf die Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Fi­ nanzverfassungsrechts an. 1585 Vgl. Desens/Lenk/Hummel/Rottmann, Gutachten zur Umsatzsteuerdefinitivbe­ lastung von Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 22 ff.; dies., ZögU 2012, 316 ff.; Desens/Hummel, StuW 2012, 225 ff. 1586 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (227). 1587 Vgl. oben unter A. IV. 1588 Vgl. zur Bindungswirkung der Richtlinie Art. 288 III AEUV; hierzu auch bereits oben unter A. I. 1. und 2. 1589 Vgl. dazu oben unter A. I. 1. und C. I. 2.

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

Die Bindungswirkung der Richtlinie ist jedoch auf ihren Regelungsinhalt beschränkt1590 und auch nur insoweit greift folglich die verdrängende Vorrangwirkung des Unionsrechts. Wenn demnach für den nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit bestünde, die endgültige Belastung der öf­ fentlichen Hand zu beseitigen, ohne dass es hierbei zu einem Verstoß gegen das Richtlinienrecht käme, erlangten die Vorgaben des nationalen Finanzverfassungsrechts wiederum eine maßgebliche Bedeutung.1591 Mit Blick in die anderen Mitgliedstaaten1592 könnte die Einführung eines so­ genannten Refundsystems ein solches Instrument zur Entlastung der öf­ fentlichen Hand von der endgültigen Vorsteuerbelastung außerhalb der harmonisierten Mehrwertsteuer darstellen.1593 Vor diesem Hintergrund ist es angezeigt, an dieser Stelle auf die Vorgaben des nationalen Finanz­ verfassungsrechts einzugehen. Dabei gilt es herauszuarbeiten, ob und inwieweit sich die endgültige Belastung der öffentlichen Hand mit die­ sen Vorgaben als vereinbar erweist. Denn ein sich hieraus ergebender Widerspruch könnte wiederum die Pflicht des nationalen Gesetzgebers zur Einführung eines unionsrechtskonformen Ausgleichsmechanismus begründen.1594 In der Finanzverfassung werden neben dem Haushaltsrecht des Bundes die Auferlegung von staatlichen Abgaben sowie die Verteilung des daraus resultierenden Aufkommens geregelt.1595 Die entsprechenden Regelun­ gen entfalten dabei für den Gesetzgeber eine bindende Wirkung.1596 Mit Blick auf die Wirkung der endgültigen steuerlichen Belastung der öffent­ lichen Hand stellt sich zum einen die Frage, ob diese im Einklang mit dem Begriff der Steuer steht, wie er im Rahmen des Finanzverfassungs­ rechts auszulegen ist. Zum anderen gilt es zu klären, ob nicht die finanz­ verfassungsrechtlichen Vorgaben über die Verteilung des Steueraufkom­ mens unterlaufen werden.1597 a) Der Steuerbegriff in der Finanzverfassung Eine Steuer im Sinne des Finanzverfassungsrechts dient der Erzielung von Einnahmen zur Finanzierung der allgemeinen Aufgaben des Staa­

1590 Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 23. 1591 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (227). 1592 So haben bisher acht Mitgliedstaaten ein Refundsystem eingeführt: Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Österreich, Portugal, Schwe­ den; vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 31. 1593 Vgl. hierzu ausführlich unten unter D. III. 1594 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (227 f.). 1595 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rz. 6. 1596 Vgl. Siekmann, a. a. O., Vor Art. 104 Rz. 26 und 28. 1597 Vgl. zu diesen beiden Fragen Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (230 ff.).

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II.  Die Eingangsseite der öffentlichen Hand

tes.1598 Treffen soll diese als Gemeinlast die Bürger.1599 Damit sieht der Steuerbegriff des Finanzverfassungsrechts grundsätzlich den Staat als Gläubiger und den Bürger als Träger der hierdurch eintretenden Belas­ tung an.1600 Hieraus lässt sich ableiten, dass ein Steuergesetz, welches den Staat selbst als Träger der damit einhergehenden Belastung behan­ delt, dem in der Finanzverfassung niedergelegten Steuerbegriff wider­ sprechen würde.1601 Wie gezeigt, entfaltet die nicht abzugsfähige Vor­ steuer für die öffentliche Hand eine solche Wirkung, welche damit grundsätzlich im Widerspruch zum maßgeblichen Steuerbegriff steht.1602 b) Steuerverteilung außerhalb des verfassungsrechtlichen ­Finanzausgleichs Die Verteilung des Steueraufkommens erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren.1603 Dabei wird in einem ersten Schritt die Ertragshoheit über die Steuern in vertikaler Richtung zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt.1604 Diese ist in Art. 106 GG geregelt, welcher insoweit zwin­ gende Vorschriften enthält.1605 Gem. Art. 106 Abs. 3 GG handelt es sich bei der Umsatzsteuer um eine Gemeinschaftssteuer, deren Ertrag sowohl dem Bund als auch den Ländern zusteht. Mit Art. 106 Abs. 3 i. V. m. Abs. 5a GG ist zudem ein Teil des Aufkommens für die Gemeinden be­ stimmt. In einem zweiten Schritt erfolgt ein horizontaler Finanzaus­ gleich zwischen den Ländern.1606 Dieser findet sich in Art. 107 GG und ist mit seinem Inhalt ebenfalls zwingender Natur.1607 Die konkrete Höhe der Anteile der Ertragsberechtigten an dem Umsatzsteueraufkommen ist allerdings nicht im Grundgesetz selbst festgesetzt, sondern wird auf Grundlage des Art. 106 Abs. 3 S. 3 GG im Gesetz über den Finanzaus­ gleich zwischen Bund und Ländern (FAG) bestimmt. Aus § 1 FAG ergibt sich, dass vom Umsatzsteueraufkommen1608 zunächst ein Abzug von 1598 Vgl. BVerfG, Urt. v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (269); Urt. v. 7.5.1998 – 2 BvR 1991, 2004/95, BVerfGE 98, 106 (123); Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rz. 80. 1599 BVerfG, Urt. v. 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (269). 1600 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (230) m. w. N. 1601 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (231). 1602 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (233). 1603 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104 Rz. 51. 1604 Vgl. Siekmann, a. a. O., Vor Art. 104 Rz. 53. 1605 Vgl. BVerfG, Urt. v. 11.3.1980 – 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274 (300 f.); Urt. v. 28.3.2002 – 2 BvG 1, 2/01, BVerfGE 105, 185 (194); Siekmann, a. a. O., Art. 106 Rz. 1 ff. 1606 Vgl. Siekmann, a. a. O., Vor Art. 104 Rz. 56. 1607 Vgl. BVerfG, Urt. v. 28.3.2002 – 2 BvG 1, 2/01, BVerfGE 105, 185 (194); Siekmann, a. a. O., Art. 107 Rz. 5. 1608 Von den Gesamteinnahmen wird zunächst ein Beitrag in Höhe von 0,3 % der einheitlichen Mehrwertsteuer-Eigenmittelbemessungsgrundlage an die Euro­ päische Union abgeführt, vgl. Art. 311 AEUV i. V. m. Art. 2 IV des Beschlusses

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

4,45 % zugunsten der Arbeitslosenversicherung,1609 vom verbleibenden Aufkommen dann ein Anteil von 5,05 % als Zuschuss an die Rentenver­ sicherung1610 und von dem danach noch bestehenden Aufkommen wiede­ rum 2,2 % für die Gemeinden1611 abgezogen werden. Von der verbleiden­ den Differenz stehen abschließend dem Bund 50,5 % und den Ländern 49,5 % zu.1612 Diese quotale Verteilung unterliegt jedoch nicht der freien Disposition des Gesetzgebers, sondern die Anforderungen des Art. 106 Abs. 3 S. 4 GG sind dabei zu berücksichtigen.1613 Im Umkehrschluss aus den insgesamt maßgeblichen Vorgaben des Finanzausgleichs folgt, dass die sich daraus ergebende Verteilung des Umsatzsteueraufkommens grundsätzlich nicht beeinträchtigt bzw. unterlaufen werden darf.1614 Die endgültige Belastung der einzelnen juristischen Personen des öffent­ lichen Rechts führt dazu, dass diese zu Trägerinnen der Umsatzsteuer­ last werden. Die anfallende Umsatzsteuer, welche vom leistungserbrin­ genden Steuerpflichtigen bzw. Steuerschuldner mit dem Preis auf die juristischen Personen des öffentlichen Rechts abgewälzt wird, erhöht damit das Gesamtaufkommen der Umsatzsteuer.1615 Der Beitrag der ein­ zelnen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zum Umsatzsteuer­ aufkommen wird jedoch bei der Verteilung im Rahmen des Finanzaus­ gleichs nicht berücksichtigt. Zudem variiert der Beitrag in Abhängigkeit davon, ob und inwieweit Fremdleistungen bezogen werden. Dementspre­ chend tragen auch die einzelnen Einheiten der öffentlichen Hand im un­ terschiedlichen Umfang zum Umsatzsteueraufkommen bei. Aus diesem Grund und vor dem Hintergrund der quotalen Verteilung ist weder ge­ währleistet noch davon auszugehen, dass den Ausgaben, die in das Um­ satzsteueraufkommen fließen, eine Einnahme im Rahmen des Finanz­ ausgleichs in gleicher Höhe gegenübersteht. Vielmehr werden durch den Beitrag zum Umsatzsteueraufkommen die staatlichen Ebenen besonders begünstigt, denen ein hoher Anteil davon zusteht.1616 Das sind in Bezug auf das Gesamtaufkommen mit 44,81 % der Bund und mit 43,92 % die des Rates (2007/436/EG, Euratom) vom 7.6.2007 über das System der Eigenmit­ tel der Europäischen Gemeinschaften, ABl. L 163 v. 23.6.2007, S. 17; vgl. Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 224 f. 1609 § 1 S. 1 FAG. 1610 § 1 S. 2 FAG. 1611 Zzgl. 500 Millionen Euro in den Jahren 2015 bis 2017, § 1 S. 3 FAG. 1612 Vgl. § 1 S. 4 FAG. 1613 Danach haben z. B. Bund und Länder einen gleichmäßigen Anspruch auf ­Deckung ihrer notwendigen Ausgaben, welche anhand einer mehrjährigen Finanzpla­ nung zu ermitteln sind; vgl. zu den Vorgaben Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 106 Rz. 16 f. 1614 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (231). 1615 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (226). 1616 Vgl. hierzu Englisch, UR 2013, 570 (580); Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (364).

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II.  Die Eingangsseite der öffentlichen Hand

Länder.1617 Indem nun zum Beispiel eine Gemeinde unter Verwendung eigener öffentlicher Mittel zum Umsatzsteueraufkommen beiträgt, kommt es zu einer verdeckten1618 Umverteilung zwischen den staatli­ chen Ebenen zugunsten von Bund und Ländern. Vor allem aber erfolgt diese Umverteilung außerhalb der zwingenden Vorgaben des Grundge­ setzes zum Finanzausgleich.1619 Obwohl die endgültige Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand eine verdeckte Umverteilungswirkung des Steueraufkommens entfaltet, wird in der Literatur teilweise ein Ausgleich dieser Belastung abgelehnt. So stelle die Gewährung eines Vorsteuerabzugs für hoheitlich ausgeübte Tä­ tigkeiten der öffentlichen Hand eine Investitionshilfe auf Kosten der Steuereinnahmen des Bundes und der Länder dar.1620 Denn nicht die Be­ lastung mit Vorsteuer, sondern vielmehr die Entlastung davon würde zu einem „zusätzlichen Finanzausgleich“1621 führen. Gegen eine solche In­ terpretation spricht jedoch die Aufgabe des Vorsteuerabzugs und das Be­ steuerungsziel der Umsatzsteuer. Letzteres ist die Belastung der für den privaten Endverbrauch getätigten Aufwendungen, so dass das maßgebli­ che Umsatzsteueraufkommen im Sinne des Finanzverfassungsrechts grundsätzlich auch nur folgerichtig von privaten Endverbrauchern er­ bracht werden sollte. Der Vorsteuerabzug dient wiederum der Umset­ zung des Besteuerungsziels, indem die auf jeder Produktionsstufe anfal­ lende steuerliche Belastung im Fall der Verfolgung anderer als private Zwecke auf diesem Wege beseitigt wird. Am Anfang steht damit die al­ lein erhebungstechnisch bedingte Belastung von Einrichtungen des öf­ fentlichen Rechts mit Vorsteuern, die im Fall einer endgültigen Belas­ 1617 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (226). 1618 Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (354), weist zu Recht auf eine damit einherge­ hende Intransparenz der innerbundesstaatlichen Finanzströme hin. 1619 Vgl. zur Umverteilung infolge der Besteuerung als nicht vorgesehener Finanzaus­ gleich Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 15; Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (226); Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, S. 32; Vogel, in: HStR IV², § 87 Rz. 37. 1620 Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 60 ff.; Hüttemann, a. a. O., S. 15 f.; eine Freistellung der Eingangsleistungen des Staates von einer umsatzsteuerlichen Belastung befürwortend hingegen ders., FR 2009, 308 (314). 1621 Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 15; ablehnend Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 1271 ff. (Stand: Juli 2014). Letzterem ist da­ rin zuzustimmen, dass eine Besteuerung der öffentlichen Hand im Fall der Um­ satzsteuer nicht zu einer gegenseitigen Besteuerung von Hoheitsträgern führt. Denn dabei fallen Steuerschuldner und intendierter Steuerträger auseinander und im Fall der Steuerpflicht wäre die jeweilige juristische Person des öffentli­ chen Rechts zwar Schuldnerin, nicht jedoch Trägerin der Steuer. Anders ist der Fall, wenn nicht typisierend von einer Möglichkeit des Überwälzens der Steuer­ schuld bzw. einer endgültigen Vorsteuerbelastung ausgegangen werden kann. In diesen Fällen kommt es zu einer endgültigen Belastung der öffentlichen Hand und damit der steuerlichen Erfassung öffentlicher Mittel.

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

tungswirkung zu einer Beeinträchtigung der finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben führt. Der Ausgleich dieser Belastung und die Beseitigung der Beeinträchtigung über die Gewährung eines Vorsteuerabzugs stellt vor diesem Hintergrund keine Investitionshilfe bzw. keinen zusätzlichen Finanzausgleich dar. Vielmehr steht ein Vorsteuerabzug im Einklang mit dem Belastungsgrund der Umsatzsteuer und mit der Wirkung des vorge­ lagerten verdeckten Finanzausgleichs durch die endgültige Belastung mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer. Neben den Vorgaben des Finanzausgleichs wird zudem in Art. 104a Abs. 1 GG bestimmt, dass Bund und Länder getrennt voneinander ihre Ausgaben zu tragen haben. Mithin darf es grundsätzlich außer in den im Grundgesetz bestimmten Fällen nicht zu einer Mischfinanzierung kommen.1622 Vor diesem Hintergrund ist auch eine wechselseitige Be­ steuerung von Bund und Ländern ausgeschlossen.1623 Indem nach dem gegenwärtigen Recht der Umsatzsteuer die juristischen Personen des öf­ fentlichen Rechts vor allem mit ihren hoheitlichen Tätigkeiten als Trä­ gerin der Steuer behandelt werden, unterliegen diese im Ergebnis der Be­ steuerung. Die Belastungswirkung der nicht abzugsfähigen Vorsteuer steht folglich in einem gewissen Widerspruch zum grundsätzlichen Aus­ schluss einer gegenseitigen Besteuerung von Bund und Ländern nach Art. 104a GG.1624 c) Kein Verstoß gegen das Finanzverfassungsrecht Die gegenwärtige weitgehende Behandlung der öffentlichen Hand als Trägerin der Umsatzsteuer steht folglich in einem Spannungsverhältnis zum Inhalt des Finanzverfassungsrechts. Fraglich ist allerdings, ob sich damit im Ergebnis auch ein Verstoß gegen das Finanzverfassungsrecht begründen und gleichzeitig eine Pflicht des Gesetzgebers zur Beseitigung der endgültigen Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand herleiten lässt. Denn in diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bereits vor der Einführung des Grundgesetzes die endgültige Belastung der öffentli­ chen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer in der Systematik des Um­ satzsteuergesetzes angelegt war. So galt zu diesem Zeitpunkt eine Um­ satzsteuer in der Ausgestaltung als Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer, die 1622 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 104a Rz. 2 f. 1623 Vgl. Siekmann, a. a. O., Art. 104a Rz. 20; Kirchhof, in: HStR V³, § 118 Rz. 228. 1624 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (231); a. A. Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 61, der die endgültige Belastung mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer außer Acht lässt und nur auf die Erstattung der Vorsteuer abstellt. Dass Art. 104a GG eine gewisse Sperrwirkung für die Mög­ lichkeit der Beseitigung der Steuerlast von Einrichtungen des öffentlichen Rechts entfaltet, erkennt dieser gleichwohl zutreffend; vgl. hierzu unten im Zusammen­ hang mit der Einführung eines Refundsystems unter D. III. 3.

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II.  Die Eingangsseite der öffentlichen Hand

keine Möglichkeit zum Vorsteuerabzug zuließ.1625 Somit wurden die ju­ ristischen Personen des öffentlichen Rechts bzw. die öffentliche Hand offenkundig nach der Systematik der Umsatzsteuer als Steuerträgerin behandelt. Dieser Umstand hat jedoch nicht dazu geführt, dass der Ver­ fassungsgeber die Umsatzsteuer in der damaligen Form als nicht verein­ bar mit den Vorgaben des Finanzverfassungsrechts beurteilt hat. Viel­ mehr wurde diese in Ansehung ihrer geltenden Ausgestaltung in den Steuerkanon des Finanzverfassungsrechts aufgenommen.1626 Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig überzeugend, nunmehr davon abwei­ chend die finanzielle Belastung der juristischen Personen des öffentli­ chen Rechts als Verstoß gegen das Finanzverfassungsrecht zu qualifizie­ ren und daraus eine Pflicht des Gesetzgebers herzuleiten, im Rahmen seiner Möglichkeiten eine Entlastung der öffentlichen Hand von der Wir­ kung der nicht abzugsfähigen Vorsteuer herbeizuführen. Allerdings bie­ tet das hier festgestellte Konfliktpotenzial zwischen der Behandlung der öffentlichen Hand als Trägerin der Umsatzsteuer und dem Inhalt des Fi­ nanzverfassungsrechts dem Gesetzgeber gute Argumente für eine Ände­ rung des geltenden Rechts. Vertritt man entgegen der hier geäußerten Ansicht, dass aus den Vorga­ ben des Finanzverfassungsrechts ein grundsätzliches Gebot zur Beseiti­ gung der Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand folgt,1627 stellte sich im Anschluss daran die Frage, ob und inwieweit sich die Behandlung der öffentlichen Hand als Trägerin der Umsatzsteuer möglicherweise recht­ fertigen ließe. Denn zum einen ist eine solche Behandlung zumindest insoweit zulässig, als dass sich diese bereits aus der vorangegangenen Prüfung anhand der Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteu­ errechts herleiten lässt. Werden demnach vorsteuerbelastete Eingangs­ leistungen zur Ausübung von Ausgangsleistungen verwendet, die grund­ sätzlich dem Anwendungsbereich einer sachlichen Steuerbefreiung unterliegen, hat es bei der Vorsteuerbelastung zur Vermeidung einer Un­ gleichbehandlung zu Lasten privater Unternehmer zu verbleiben. Aus Sicht des nationalen Verfassungsrechts lässt sich die endgültige Vorsteu­ erbelastung insoweit insbesondere aus dem Gebot der Wettbewerbs­ gleichheit nach Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG1628 und aus dem

1625 Vgl. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rz. 1671 ff. 1626 Vgl. Art. 106 I GG a. F., BGBl. I 1949, S. 1 (14). 1627 So z. B. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (234). 1628 Als Pendant zum Inhalt des Unionsrechts auf wirtschaftliche Betätigungsfrei­ heit, vgl. Art. 15, 16 EU-GrCh; Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rz. 13; zur Wettbe­ werbsgleichheit im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer Hüttemann, Die Be­ steuerung der öffentlichen Hand, S. 8 ff.; Küffner, Umsatzsteuerliche Behandlung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Lichte der 6. EG-Richtli­ nie, S. 44 ff.

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung unter Maßgabe des Leistungs­ fähigkeitsprinzips rechtfertigen.1629 In den übrigen Fällen sind Rechtfertigungsgründe für eine Behandlung der öffentlichen Hand als Trägerin der Umsatzsteuer jedoch nicht er­ sichtlich.1630 Dies betrifft insbesondere Tätigkeiten, mit denen unent­ geltlich öffentliche Aufgaben wahrgenommen bzw. ausgeübt werden. Insoweit wäre dann, entgegen der hier vertretenen Ansicht, ein (finanz-) verfassungsrechtlicher Auftrag zur Beseitigung der endgültigen Vorsteu­ erbelastung der öffentlichen Hand begründet.1631 3. Die endgültige Vorsteuerbelastung aus ökonomischer Sicht Aus ökonomischer Sicht entfaltet die endgültige Belastung der öffentli­ chen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer insbesondere Auswirkun­ gen auf zu treffende wirtschaftliche Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Bezug von Fremdleistungen, auf den mit der Besteuerung ver­ bundenen administrativen Aufwand, auf das Steueraufkommen und auf den Preis für öffentliche Leistungen. a) Auswirkungen auf wirtschaftliche Entscheidungen Der Ausgangspunkt für den Einfluss der endgültigen Vorsteuerbelastung auf wirtschaftliche Entscheidungen der öffentlichen Hand ist die in der Mehrwertsteuer angelegte unterschiedliche Behandlung von Eigenleis­ tungen und Fremdleistungen.1632 Während Erstere keine Leistung dar­ stellt, die der steuerlichen Belastung unterliegt,1633 muss im zweiten Fall der Leistungsempfänger neben den im (Netto-) Preis enthaltenen Kosten für die Leistung auch die in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer an den 1629 Vgl. oben unter C. II. 1. b) aa); darüber hinaus könnte es grundsätzlich noch bei Tätigkeiten, die keinen wirtschaftlichen Charakter im Sinne des Mehrwertsteu­ errechts besitzen, im Einzelfall zu einer Wettbewerbsbenachteiligung privater Rechtspersonen kommen. Dies ist der Fall, wenn eine unternehmerische Tätig­ keit nicht dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer unterliegt, aber gleich­ wohl in Konkurrenz zu einer vergleichbaren Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ausgeübt wird. Denn eine einseitige Befreiung der öffent­ lichen Hand würde in diesem Fall eine Benachteiligung privater Unternehmer und eine Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Wettbewerbsgleich­ heit bedeuten. Zur Vermeidung einer solchen Benachteiligung ließe sich folglich in diesen Fällen eine verbleibende endgültige Belastung der öffentlichen Hand ebenfalls grundsätzlich rechtfertigen. In Ansehung des weit gefassten Anwen­ dungsbereichs der Umsatzsteuer dürfte diese Möglichkeit einer Rechtfertigung gegenwärtig allerdings von untergeordneter praktischer Relevanz sein, vgl. oben unter C. II. 1. b) bb). 1630 Vgl. insoweit Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (234). 1631 Ebenda. 1632 Vgl. Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (359). 1633 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (229).

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II.  Die Eingangsseite der öffentlichen Hand

Leistungserbringer zahlen.1634 Dadurch kommt es für den Leistungsemp­ fänger zu einer Differenz zwischen den Kosten für eine Eigenleistung und dem Preis einer Fremdleistung in Höhe der steuerlichen Belastung. Steht dem Leistungsempfänger ein Anspruch auf Erstattung der Vorsteuer zu, wird hierdurch der Unterschied ausgeglichen und die Mehrwertsteuer ist damit insoweit entscheidungsneutral. Etwas anderes gilt dementspre­ chend im Fall der Versagung des Vorsteuerabzugs für die öffentliche Hand.1635 Die Nichtabzugsfähigkeit der Vorsteuer für die öffentliche Hand entfal­ tet damit grundsätzlich einen Kostenanreiz zur Selbstversorgung und zur Vermeidung einer Inanspruchnahme von Fremdleistungen.1636 Sind zum Beispiel mit der Gebäudereinigung für eine Kommune erforderliche Per­ sonal- und Sachkosten von jährlich 119 000 f verbunden, stellt dieser Betrag die Bezugsgröße für die Prüfung dar, ob die Inanspruchnahme ei­ ner Fremdleistung aus finanziellen Gründen einer Selbstversorgung vor­ zuziehen wäre. Ein mit der Selbstversorgung konkurrenzfähiger Preis eines privaten Anbieters für die Gebäudereinigung dürfte folglich den Betrag von 119 000 f nicht übersteigen. Allerdings wäre in diesem Preis die anfallende Umsatzsteuer enthalten, so dass dem privaten Anbieter bei einem Regelsteuersatz von hier 19 % ein (Netto-) Betrag von 100 000 f verbliebe, um seine eigenen Kosten zu decken. Um vor diesem Hinter­ grund den im Vergleich zu den Kosten der Selbstversorgung bestehenden Nachteil der anfallenden Umsatzsteuer ausgleichen zu können, muss der private Anbieter folglich seine eigenen Kosten mindern. Erst wenn er in 1634 Hinzu käme grundsätzlich noch ein Unternehmergewinn, der hier aus Vereinfa­ chungsgründen nicht weiter als Posten der Preiskalkulation berücksichtigt wird. Dieser entfällt ebenfalls bei Eigenleistungen im Vergleich zu Fremdleistungen und erhöht damit die Differenz. Dieser Kostenvorteil einer Eigenleistung steht jedoch in keiner Beziehung zur Vorsteuerbelastung und kann deswegen für deren Einfluss auf die Entscheidung über den Bezug von Fremdleistungen vernachläs­ sigt werden. 1635 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 168; Dijkgraaf/ Gradus, Empirica 30 (2003), 149 (159); Europäische Kommission, Konsultations­ papier 2013, S. 5; Wassenaar, EC Tax Review 2012, 212 ff. 1636 Vgl. hierzu Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 11, 24 ff.; de la Feria/Krever, Ending VAT Exemptions: Towards a Post-Modern VAT, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 6 (21); Ebrill/Keen/Bodin/Summer, The Mo­ dern VAT, S. 86 ff.; Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 10; Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (359), (364 f.); van Dijk/Lubbers, IVM 2000, 6; Wassenaar/Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (381 f.); im Zu­ sammenhang mit sachlichen Steuerbefreiungen siehe z. B. auch EuGH, Urt. v. 15.12.2005 – Rs. C-63/04 (Centralan), EU:C:2005:773, Rz. 22 f.; Urt. v. 21.2.2006 – Rs. C-223/03 (University of Huddersfield), EU:C:2006:124, Rz. 14 ff.; zu den zen­ tralen Vorteilen, die mit dem Outsourcen von Tätigkeiten der öffentlichen Hand verbunden sind (Erzielung von Effizienzgewinnen, Verbesserung der Qualität, Konzentration auf die eigenen Kernaufgaben, Erhöhung des Wettbewerbs im pri­ vaten Sektor), vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 176 ff.

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

dem hier gewählten Beispiel seine Leistung um 15,97 %1637 effizienter erbringen kann als die Kommune im Rahmen ihrer Selbstversorgung, kann er den mit der Nichtabzugsfähigkeit der anfallenden Vorsteuer ver­ bundenen Kostennachteil für seine angebotene Leistung im Verhältnis zu den Kosten einer Selbstversorgung durch die Kommune ausgleichen. Aus Sicht der Kommune entfaltet die Möglichkeit, Fremdleistungen in Anspruch zu nehmen, folglich erst dann einen finanziellen Anreiz, wenn die im Rahmen der Selbstversorgung anfallenden Kosten um 19 % höher liegen als der Preis des Fremdanbieters ohne die darin enthaltene Um­ satzsteuer, mithin dessen Nettopreis. Innerhalb dieser Spanne von 19 % ist es für die Kommune weiterhin finanziell günstiger, eine Tätigkeit selbst auszuüben als einen privaten Dritten damit zu beauftragen.1638 Die Nichtabzugsfähigkeit der Vorsteuer hemmt folglich die Bereitschaft der öffentlichen Hand, durch Outsourcen, also die Ausgliederung von Aufgaben und Tätigkeiten auf externe Dienstleister, ihr Handeln aus ge­ samtwirtschaftlicher Sicht effizienter zu gestalten und auf diesem Wege insgesamt zu einer geringen Belastung des öffentlichen Gesamthaushalts beizutragen.1639 Denn auch wenn die einzelne Einheit der öffentlichen Hand den Unterschied in der Kosteneffizienz bei der Aufgabenerfüllung im Wege einer Selbstversorgung auf der einen Seite und im Wege der In­ anspruchnahme von Fremdleistungen auf der anderen Seite wegen der eigenen endgültigen Vorsteuerbelastung nicht für sich nutzen kann, so stellen nur die Kosten der Selbstversorgung im vollen Umfang eine tat­ sächliche öffentliche Ausgabe dar. Demgegenüber fließt die im Zusam­ menhang mit der Inanspruchnahme einer Fremdleistung mit dem Preis gezahlte Umsatzsteuer in das Steueraufkommen ein. Daher bedeutet ein Outsourcen in der Höhe der Differenz zwischen Kosten der Eigenleis­ tung und dem Nettopreis der Fremdleistung für den Staat, als Einheit gesehen, im Ergebnis eine geringere finanzielle Belastung. Die Differenz zwischen den Kosten für die Eigenleistung und dem End­ preis für eine entsprechende Fremdleistung vermindert sich allerdings, je höher die mit der Selbstversorgung verbundenen Sachkosten ausfal­ len.1640 Denn die in diesem Zusammenhang anfallenden nicht abzugsfä­ higen Vorsteuern stellen ebenfalls Kosten dar. Sind mit den Eigenleistun­ 1637 Verhältnis von 19 000 f zu 119 000 f; vgl. auch Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (229). 1638 Von Albert Hensel bereits früh als „Schlampereispanne“ erkannt, ders., StuW 1930, 873 (878); vgl. auch Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 24; Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 7; Desens/ Hummel, StuW 2012, 225 (226); Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (365); Wassenaar/Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (383). 1639 Vgl. van Dijk/Lubbers, IVM 2000, 6 f. 1640 Vgl. Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (359 f.).

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II.  Die Eingangsseite der öffentlichen Hand

gen also hohe Sachkosten verbunden, kann es sich für die öffentliche Hand letztlich wiederum als wirtschaftlich vorzugswürdig erweisen, die bei einer Fremdleistung anfallende Vorsteuer zu zahlen als die Vorsteuer, welche im Rahmen einer Selbstversorgung für die anzuschaffenden Ar­ beitsmittel anfallen würde. Im Gegensatz dazu ist der Anreiz für Eigen­ leistungen umso größer bei Tätigkeiten, die einen hohen Personal­ aufwand erfordern.1641 Denn die Leistung eines Arbeitnehmers und die Zahlung von Löhnen für diesen unterliegen nicht der Besteuerung.1642 Folglich fallen für die eigenen Personalkosten keine nicht abzugsfähigen Vorsteuern an. Demgegenüber fließen bei Bezug von Arbeitsleistungen als Fremdleistung von einem fremden Dienstleister die Löhne wieder als Kosten in die Preiskalkulation ein und unterliegen damit der Besteue­ rung.1643 Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund entfaltet die Nichtabzugsfähig­ keit von Vorsteuern zum einen den Anreiz zur Beschäftigung von Perso­ nal im öffentlichen Sektor selbst dann, wenn die Tätigkeiten durch frem­ de Dienstleister kosteneffizienter ausgeübt werden könnten. Denn für die öffentliche Hand ist es regelmäßig gleichwohl günstiger, eigene Ar­ beitskräfte einzusetzen.1644 Eine vergleichbare Situation besteht bei der Entscheidung darüber, ob die Arbeitsleistung von Arbeitnehmern nicht effizienter durch den Einsatz von technischen Hilfsmitteln ersetzt wer­ den könnte. Denn deren Anschaffung wäre zunächst mit den Kosten für die nicht abzugsfähige Vorsteuer belastet. Aus diesem Grund kann es aus Sicht der öffentlichen Hand wiederum günstiger sein, eigene Arbeitskräf­ te statt technischer Hilfsmittel einzusetzen, mit denen die Tätigkeiten effizienter und produktiver ausgeübt werden könnten.1645 Damit hemmt die Nichtabzugsfähigkeit der Vorsteuer auch insoweit eine Verbesserung der Produktivität und Effizienz der öffentlichen Hand.1646 Darüber hinaus mindert die Nichtabzugsfähigkeit der Vorsteuerbelastung die Bereit­ schaft zur Vornahme von Investitionen, denn die endgültige Belastung mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer erhöht die Investitionskosten der öf­ fentlichen Hand.1647 Eine besondere Bedeutung erlangt die Nichtabzugsfähigkeit von Vorsteu­ ern und die damit einhergehende Belastung für sogenannte Public-Pri­

1641 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (226). 1642 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 39. 1643 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 24. 1644 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 129. 1645 Vgl. Copenhagen Economics, ebenda. 1646 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 24, 129; Dijkgraaf/Gradus, Empirica 30 (2003), 149 (159); Wassenaar/Gradus, CESifo Econo­ mic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (380). 1647 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 128.

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

vate-Partnerships (PPP).1648 Dabei geht es vor allem um die Zusammenar­ beit von privaten Unternehmen und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen mit dem Ziel der effizienteren Erfüllung von öffentlichen Aufgaben. Als Hemmnis hat sich aber auch hier die fehlende Möglichkeit des Vorsteu­ erabzugs für den öffentlichen Partner herausgestellt, wodurch sich das Ziel der (Kosten-) Effizienz nur in eingeschränktem Maße verwirklichen lässt.1649 Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass die endgültige Belas­ tung der öffentlichen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer in einem erheblichen Umfang Anreize für ein bestimmtes wirtschaftliches Verhal­ ten entfaltet. Vor diesem Hintergrund ist die Mehrwertsteuer insoweit nicht als entscheidungsneutral zu beurteilen.1650 Betroffen sind dabei vor allem die Entscheidungen über den Einsatz von eigenem Personal und über Investitionen zur effizienteren Erfüllung der bestehenden Aufga­ ben.1651 In seiner Tendenz führen die Anreize zu einem aus gesamtstaat­ lichen Effizienzgesichtspunkten nachteiligen Hemmnis, öffentliche Auf­ gaben und Tätigkeiten outzusourcen und entsprechende Fremdleistungen in Anspruch zu nehmen. Dies wirkt sich insbesondere nachteilig auf die Zusammenarbeit zwischen privaten Unternehmern und öffentlichen Stellen aus. b) Begründung steueradministrativen Aufwands Die sich aus der gegenwärtigen Rechtslage ergebende weitgehende Ein­ schränkung des Vorsteuerabzugs kann für Einrichtungen des öffentlichen Rechts zu einem erheblichen administrativen Mehraufwand führen.1652 Dazu kommt es insbesondere dann, wenn sowohl Tätigkeiten, die zum 1648 Vgl. Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-­ Projekten, S. 163 ff.; Copenhagen Economics, a. a. O., S. 129 und 174 f.; Desens/ Hummel, StuW 2012, 225 f.; McQuaid/Scherrer, Uprava/Administration, Vol. 6 (2008), 7 (27). 1649 Vgl. Desens/Lenk/Hummel/Rottmann, Gutachten zur Umsatzsteuerdefinitivbe­ lastung von Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 11 f.; Liegmann, a. a. O., S. 173 f. 1650 Vgl. auch Wassenaar, EC Tax Review 2012, 212; ders./Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (381 f.); im Zusammenhang mit der Privatisierung der Abfallentsorgung in Deutschland Burgi, Umsatzsteuerfreiheit kommunaler Hoheitsbetriebe in der Abwasserentsorgung als Privatisierungsproblem, in: FS Stober, S. 733 (739 f.); allgemein zum Stellenwert der Entscheidungsneutralität der Besteuerung insb. aus betriebswirtschaftlicher Sicht Herzig/Watrin, StuW 2000, 378 (379 ff.). 1651 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 129; Dijkgraaf/ Gradus, Empirica 30 (2003), 149 (159); Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (359); Wassenaar, EC Tax Review 2012, 212 ff.; ders./Gradus, CESifo Economic Stu­ dies, Vol. 50 (2004), 377 (380). 1652 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 130 f.; Europäische Kommission, Konsul­ tationspapier 2013, S. 6.

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II.  Die Eingangsseite der öffentlichen Hand

Vorsteuerabzug berechtigen, als auch solche, die zum Ausschluss vom Abzugsrecht führen, ausgeübt werden. In diesen Fällen bedarf es der Ab­ grenzung von Eingangsleistungen und bei einer gemischten Verwendung auch der Aufteilung von Vorsteuerbeträgen.1653 Damit sind wiederum schwierige Rechts- und Abgrenzungsfragen verbunden.1654 Folglich be­ gründet der Ausschluss vom Vorsteuerabzug im Rahmen der Rechtsan­ wendung einen erheblichen steueradministrativen Aufwand für die öf­ fentliche Hand. c) Auswirkungen auf das Steueraufkommen Die Auswirkungen der gegenwärtigen Behandlung der öffentlichen Hand auf das Steueraufkommen lassen sich nur in der Tendenz beschreiben, nicht aber in konkretem Umfang schätzen. Zunächst ist hierfür zu be­ rücksichtigen, dass mit der Versagung des Vorsteuerabzugs nicht nur die Belastung dem privaten Konsum dienenden Vermögensverwendungen zum Umsatzsteueraufkommen beiträgt, sondern auch Aufwendungen der öffentlichen Hand für steuerpflichtige Fremdleistungen. Dies führt in einem ersten Schritt zu einem höheren Umsatzsteueraufkommen. Gleichzeitig aber steigt der Finanzierungsbedarf der betroffenen Einrich­ tungen der öffentlichen Hand, so dass sich, fasst man den Staat als Ein­ heit auf, dem Mehr an Umsatzsteuereinnahmen ein im vergleichbaren Umfang erhöhter Bedarf an öffentlichen Mitteln gegenübersteht. Die endgültige Vorsteuerbelastung ergäbe danach ein Nullsummenspiel.1655 Etwas anderes ergibt sich jedoch daraus, dass die öffentliche Hand im Fall der Ausübung einer im Ergebnis nicht besteuerten Ausgangsleis­ tung, die dennoch gegen Entgelt ausgeübt wird, die anfallende Vorsteuer verdeckt über den Preis auf den Endverbraucher abwälzen kann.1656 Denn in diesen Fällen wird der Leistungsempfänger zumindest teilweise zum Träger der Steuer und nicht allein die leistungserbringende Einheit der öffentlichen Hand. Soweit demnach die Belastung der Vorsteuer sich durch die verdeckte Weitergabe, zum Beispiel im Rahmen von Gebühren oder Beiträgen, ausgleichen lässt, deckt die Einheit den durch die Vor­ steuerbelastung bedingten finanziellen Mehrbedarf selbst ab.1657 Hier­ durch kommt es zwar nicht zu einer weiteren Steigerung des Steuerauf­ 1653 Vgl. Amand, IVM 2006, 433 (434 f.); Bird/Gendron, The VAT in Developing and Transitional Countries, S. 89; Copenhagen Economics, a. a. O., S. 59; Ebrill/ Keen/Bodin/Summers, The Modern VAT, S. 92. 1654 Vgl. Gendron, Tax Law Review 63 (2009–2010), 477 (490); zum Vorsteuerabzug oben unter A. IV. und B. IV. 1655 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 129; Hüttemann, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, S. 5. 1656 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. Rz. 26 (Stand: Jan. 2015). 1657 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 130.

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C.   Grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung

kommens, aber es erhöht sich der aus der endgültigen Belastung von Privatpersonen generierte Teil des Steueraufkommens, dem kein gleich­ zeitiger Finanzierungsbedarf von Einheiten der öffentlichen Hand gegen­ übersteht. Begünstigt werden hierdurch vor allem der Bund und die Län­ der. Denn indem die von ihnen mit zu finanzierenden Einheiten der öffentlichen Hand, allen voran die Gemeinden, sich über die verdeckte Weitergabe der Vorsteuern einer bestehenden Belastung selbst entledi­ gen, begründet die Vorsteuerbelastung insoweit keinen Finanzierungsbe­ darf. d) Auswirkungen auf die Preise von öffentlichen Leistungen Die Mehrwertsteuer wirkt sich unmittelbar auf den vom Leistungsemp­ fänger zu zahlenden Endpreis aus. So führt die Nichtbelastung von öf­ fentlichen Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand in der Tendenz zu niedrigeren Preisen. Die nicht abzugsfähige Vorsteuer hingegen stellt Aufwand dar, der im Rahmen einer Preiskalkulation grundsätzlich zu berücksichtigen ist. Aus diesem Grund führt der Ausschluss vom Vor­ steuerabzug zumindest in der Tendenz zu höheren Preisen.1658 Entschei­ dend ist dabei jedoch, ob und inwieweit Vorsteuern anfallen und die Möglichkeit besteht, die Vorsteuerbelastung verdeckt über den Preis auf den Leistungsempfänger abzuwälzen.

III. Das Harmonisierungsziel der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie verfolgt das Ziel der Harmonisie­ rung des Mehrwertsteuerrechts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.1659 Die dort aufgeführten besonderen Regeln zur steuerlichen Be­ handlung der öffentlichen Hand enthalten unbestimmte Rechtsbegriffe, die für die Umsetzung des Richtlinienrechts in nationales Recht sowie für die konkrete Rechtsanwendung von hervorgehobener Bedeutung sind. Vor dem Hintergrund, dass das Richtlinienrecht für diese unbe­ stimmten Rechtsbegriffe keine Legaldefinitionen oder weitere Konkreti­ sierungen nennt, obliegt es zuvorderst den Mitgliedstaaten, den Inhalt der Begriffe in das nationale Recht umzusetzen. Mangels zwingender ein­ heitlicher Vorgaben führt dies zu Unterschieden in der Bedeutung, die diesen Rechtsbegriffen im jeweiligen nationalen Recht der Mitgliedstaa­ ten zugewiesen wird.1660 Damit ist das vorrangige Ziel der Harmonisie­ rung insoweit nur eingeschränkt erreicht. Dabei ist allerdings zu berück­ 1658 Vgl. hierzu ebenda. 1659 Vgl. Art. 113 AEUV; oben unter A. I. 1. 1660 Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (145); Swinkels, IVM 2009, 369 (370 f.); Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 6.

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III.  Das Harmonisierungsziel der Mehrwertsteuersystem­richtlinie

sichtigen, dass die Gefahr von unterschiedlichen Regelungsinhalten in den einzelnen Mitgliedstaaten durch die Rechtsprechung des EuGH mittlerweile gemindert wurde.1661 Gleichwohl ist für die Auslegung der Merkmale der persönlichen Befreiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwSt­ SystRL weitgehend das nationale Recht maßgeblich,1662 so dass bereits insoweit eine Harmonisierungswirkung eingeschränkt ist. Darüber hin­ aus hat sowohl die Untersuchung des Grundtatbestandes des Art. 9 MwSt­ SystRL1663 als auch die den Wettbewerb schützenden Rückausnahmere­ gelungen des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL1664 gezeigt, dass die Mitgliedstaaten einen gewissen Einfluss auf die steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand ausüben können. Problematisch mit Blick auf das Ziel der Steuerharmonisierung ist zu­ dem das Wahlrecht des Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten bestimmte steuerbefreite Tätigkeiten als solche im Rah­ men von öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL ausgeübt behandeln.1665 Hinzu kommt, dass die Steuerbefreiungsvor­ schriften aus öffentlichem Interesse gem. Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL selbst wiederum einen Ermessensspielraum für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung vorsehen.1666 Diese bestehenden Gestaltungsspielräume führen dazu, dass für die Besteuerung der öffentlichen Hand eine Vielzahl voneinander abweichender Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten besteht.1667 Im Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass, obgleich der unionsrechtli­ chen Vorgaben im Bereich der steuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand, in den einzelnen Mitgliedstaaten Regelungen bestehen, die inhalt­ lich voneinander abweichen. Demnach werden die gegenwärtigen Vorga­ ben des Richtlinienrechts dem Ziel der Harmonisierung nur in einge­ schränktem Maße gerecht.1668

1661 Aujean/Jenkins/Poddar, ebenda; Copenhagen Economics, VAT in the public sec­ tor (2013), S. 70 ff. 1662 Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 17.10.1989 – Rs. 231/87 (Comune di Carpaneto Piacentin o u. a.), EU:C:1989:381, Rz. 16; oben unter A. II. 2. b). 1663 Vgl. hierzu oben unter A. II. 1. 1664 Vgl. hierzu oben unter A. II. 2. c) cc). 1665 Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 6; vgl. hierzu oben unter A. II. 2. b) cc). 1666 Europäische Kommission, ebenda; vgl. hierzu oben unter A. III. 1667 Europäische Kommission, ebenda. 1668 Ebenda.

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D. Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand Die Untersuchung der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand unter Anwendung der bestehenden Rechtslage offenbart in vieler­ lei Hinsicht deutliche Schwächen und Defizite. So begründen die beste­ henden Regelungen sowohl auf unionsrechtlicher als auch auf national­ rechtlicher Ebene erhebliche Unsicherheiten in der Rechtsanwendung. Die Vorgaben erweisen sich in ihrer Systematik als komplex und in ih­ rem Wortlaut als stark auslegungsbedürftig. Der EuGH vermochte im Rahmen seiner Rechtsprechung über die Jahre zwar in gewissem Umfang die bestehenden Probleme zu mindern. Aber gerade in jüngerer Zeit sorg­ te der EuGH selbst mit seinen Urteilen im Zusammenhang mit der Be­ handlung der öffentlichen Hand für Verwirrung und an die Stelle alter Rechtsfragen traten neue. Vor allem etablierte der EuGH mit seiner Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Tätigkeit zumindest in Ansätzen eine gewisse Sonderauslegung allgemeiner Vorgaben bei ihrer Anwen­ dung auf die öffentliche Hand. Von einer einfachen und gleichmäßigen Rechtsanwendung kann insoweit keine Rede sein. Diese bereits in den unionsrechtlichen Vorgaben angelegten Probleme finden sich wegen der Bindungswirkung auf nationaler Ebene wieder. Erschwerend kommt hin­ zu, dass die Rechtsprechung des EuGH vom BFH nicht immer zutreffend erfasst und berücksichtigt wird. Des Weiteren ergab die grundlegende Betrachtung der gegenwärtigen Rechtslage, dass die Behandlung der öf­ fentlichen Hand nicht mehr als systemkonform bezeichnet werden kann. Vielmehr verstößt sie gegen Grundprinzipien der harmonisierten Mehr­ wertsteuer und führt zu einer Verletzung des Gebots einer gleichmäßi­ gen Besteuerung. Darüber hinaus entfaltet die gegenwärtige Behandlung der öffentlichen Hand wirtschaftliche Fehlanreize. In Ansehung dieses insgesamt ernüchternden Befundes soll sich im Fol­ genden der Frage nach einer möglichen Reform der bestehenden Rechts­ lage gewidmet werden. Der Vorschlag einer grundsätzlichen systemati­ schen Neugestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen ist in der Vergangenheit immer wieder in die Diskussion eingeführt worden. Denn letztlich liegen die Wurzeln der bestehenden Probleme vor allem in dem weitgehenden Ausschluss der öffentlichen Hand mit ihren Tätigkeiten vom Anwendungsbereich der Umsatzsteuer. Dies gilt, wie gezeigt, glei­ chermaßen für die bestehenden Kritikpunkte sowohl auf der Ausgangsals auch auf der Eingangsseite. Im Fokus der Diskussion steht dabei zum einen das Reformmodell eines Refundsystems. Im Rahmen eines solchen Systems wird grundsätzlich der öffentlichen Hand die Vorsteuer durch Ausgleichszahlungen außerhalb des in der Umsatzsteuer vorgesehenen 349

D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Vorsteuerabzugs erstattet. Zum anderen wird der Ansatz einer Vollbesteuerung hervorgehoben, der auf eine umfassende Behandlung der öf­ fentlichen Hand als Steuersubjekt abzielt. Eine konkrete Diskussion über diese beiden Reformmodelle findet dabei sowohl auf nationaler Ebe­ ne als auch auf der Ebene der Europäischen Union statt. Auf nationaler Ebene wird diese Diskussion zum einen im Zusammen­ hang mit der umsatzsteuerlichen Behandlung von Projekten im Rahmen einer Public-Private-Partnership geführt. Dabei steht vor allem die Frage im Vordergrund, wie die endgültige Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand vermieden werden kann.1669 So wird insbesondere die Möglichkeit der Einführung eines nationalen Refundsystems erörtert.1670 Zum ande­ ren wirft vor allem die umsatzsteuerliche Behandlung der Zusammenar­ beit von kommunalen Einrichtungen in jüngerer Zeit die Frage nach ei­ ner grundsätzlichen Neuausrichtung der rechtlichen Vorgaben auf.1671 Losgelöst von diesen konkreten Problemkreisen wird auch immer wie­ der mit Blick auf die Grundprinzipien des Verbrauchsteuerrechts eine Abkehr vom weitgehenden Ausschluss der öffentlichen Hand vom An­ wendungsbereich der Umsatzsteuer und eine grundsätzliche Einbindung als Steuersubjekt befürwortet.1672 Dabei sticht insbesondere der Vor­ schlag von Paul Kirchhof für eine Reform der Umsatzsteuer hervor, die auch eine entsprechende umfassende Neuausrichtung der steuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand vorsieht.1673 Eine über das bestehende Maß hinausgehende Besteuerung von öffentlichen Leistungen fordert auch regelmäßig der Bundesrechnungshof.1674

1669 Vgl. Schmitz/Möser, UR 2014, 607 (608). 1670 Vgl. z. B. Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 202 ff.; Desens/Hummel/Lenk/Rottmann, ZögU 2012, 316 (324); Jacob/Berger, Vorschläge für den Einstieg in einen umsatzsteuerlichen Re­ fund bei PPP-Inhabermodellen; KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatz­ steuerrefundsystem (2005). 1671 Vgl. z. B. Englisch, UR 2013, 570 (579 ff.); Widmann, DStZ 2014, 147 (151). 1672 Vgl. bereits Söhn, StuW 1976, 1 (10); aber vor allem auch Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 276 ff.; Kirchhof, DStR 2008, 1 (7); zudem z. B. Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, S. 176 f.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 54; Schmitz/Möser, UR 2014, 607 (618); Wagner, DStJG 13 (1990), S. 59 (60 ff.); explizit für eine umfassende Entlastung der Eingangsseite Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (364 ff.); bereits zur Frage der persönlichen Steuerpflicht von deutschen Rundfunkanstalten Söhn, JuS 1976, 161 (163). 1673 Vgl. Kirchhof, Umsatzsteuergesetzbuch, S. 22, 53 f.; ders., Bundesteuergesetz­ buch, S. 815, 834 f. 1674 Vgl. Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO v. 2.11.2004, S. 42; Engels, UR 2013, 188 (193).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Auf der Ebene der Europäischen Union startete vor allem das Grünbuch der Europäischen Kommission vom 1. Dezember 20101675 eine Diskussi­ on über Möglichkeiten, die unionsrechtlichen Vorgaben zur mehrwert­ steuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand zu reformieren.1676 Denn in dem Grünbuch werden insbesondere die abweichende Behandlung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts in den Mitgliedstaaten und die wirtschaftsverzerrende Wirkung ihrer Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht als Probleme benannt.1677 Davon ausgehend wurde eine Studie zur Untersuchung des bestehenden Richtlinienrechts und zur Er­ arbeitung von Lösungswegen in Auftrag gegeben,1678 die 2011 von Copenhagen Economics und KPMG veröffentlicht wurde.1679 Darin wurden als mögliche Reformmodelle die Einführung eines Refundsystems und die Vollbesteuerung aufgeführt.1680 Mit Bezug auf diese Studie teilte die Eu­ ropäische Kommission daraufhin am 6. Dezember 2011 mit, dass ein Vorschlag zu einer erweiterten Einbindung der öffentlichen Hand in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erarbeitet und unterbreitet werden soll.1681 Aus diesem Grund wurde der ursprüngliche Studienauf­ trag noch einmal erweitert, woraufhin Copenhagen Economics im Janu­ ar 2013 erneut ein Gutachten über die mehrwertsteuerliche Behandlung des öffentlichen Sektors vorlegte. Darin werden die Lösungsmöglichkei­ ten des ersten Gutachtens aufgegriffen und eingehend in ihren rechtli­ chen und wirtschaftlichen Implikationen untersucht.1682 Als mögliche Reformmodelle werden im Ergebnis weiterhin ein Refundsystem sowie eine Vollbesteuerung in den Fokus gestellt.1683 Auf Grundlage dieser Er­ kenntnisse führte die Europäische Kommission bis zum 25. April 2014 eine öffentliche Konsultation zu den bestehenden Ausnahmevorschrif­ ten des Richtlinienrechts durch, die entweder gezielt Leistungen der öf­ 1675 Europäische Kommission, Grünbuch über die Zukunft der Mehrwertsteuer, KOM(2010) 695 endg. 1676 Allerdings wurde die Behandlung der öffentlichen Hand in der Mehrwertsteuer schon vorher von der Europäischen Kommission aufgegriffen, vgl. Mitteilung v. 7.6.2000: Strategie zur Verbesserung der Funktionsweise des MwSt-Systems im Binnenmarkt, KOM(2000) 348 endg., S. 12; Mitteilung v. 20.10.2003: Bilanz und Aktualisierung der Prioritäten der MwSt-Strategie, KOM(2003) 614 endg., S. 12. 1677 Europäische Kommission, Grünbuch über die Zukunft der Mehrwertsteuer, KOM(2010) 695 endg., S. 12. 1678 Ebenda. 1679 Copenhagen Economics/KPMG, Mehrwertsteuer im öffentlichen Sektor (2011). 1680 Copenhagen Economics/KPMG, a. a. O., S. 19; daneben werden zwei Varianten des Modells einer Vollbesteuerung vorgeschlagen, die sich durch eine Einschrän­ kung der steuerlichen Einbindung der öffentlichen Hand von dem Grundmodell einer Vollbesteuerung unterscheiden, vgl. dies., a. a. O., S. 22 ff. 1681 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung v. 6.12.2011 zur Zukunft der Mehr­ wertsteuer: Wege zu einem einfacheren, robusteren und effizienteren MwSt-Sys­ tem, das auf den Binnenmarkt zugeschnitten ist, KOM(2011) 851 endg., S. 10 f. 1682 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), insb. S. 193 ff. 1683 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 32.

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fentlichen Hand oder allgemein Leistungen aus Gründen des Gemein­ wohls von einer steuerlichen Belastung befreien.1684 Dabei stellte die Kommission insgesamt fünf konkrete Vorschläge für eine Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vor.1685 Ausgangspunkt dieser Vorschlä­ ge sind wiederum das Reformmodell eines Refundsystems und das einer Vollbesteuerung.1686 Die Ergebnisse der Konsultation wurden von der Eu­ ropäischen Kommission ausgewertet und veröffentlicht.1687 Danach ge­ ben die knapp 600 Rückmeldungen insgesamt ein uneinheitliches Stim­ mungsbild wieder. Dabei verläuft allerdings eine grobe Trennlinie zwischen Äußerungen seitens Einheiten der öffentlichen Hand und sei­ tens der Privatwirtschaft. Während Erstere sich zurückhaltend gegen­ über einer Reform geäußert haben, sprechen sich private Wirtschaftsteil­ nehmer grundsätzlich für eine weitgehende Reform aus.1688 Neben der nationalen Ebene und der rechtspolitischen Unionsebene ist die Behandlung der öffentlichen Hand in der Mehrwertsteuer der Europä­ ischen Union auch auf internationaler rechtswissenschaftlicher Ebene immer wieder Gegenstand von Untersuchungen. Dabei werden in vielen Fällen zunächst die Unzulänglichkeiten der gegenwärtigen Rechtslage hervorgehoben, um davon ausgehend mit Blick auf moderne Mehrwert­ steuersysteme, wie zum Beispiel in Neuseeland oder Australien, einen Systemwechsel für die Europäische Union hin zu einer Vollbesteuerung zu empfehlen.1689 Aber auch die Möglichkeit eines Refundsystems wird regelmäßig erörtert und dabei zum Beispiel auf seine konkrete Ausgestal­ tung in Kanada1690 verwiesen.1691 Das Interesse an dem Reformmodell ei­ nes Refundsystems liegt nicht zuletzt darin begründet, dass mittlerweile 1684 Vgl. Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013. 1685 Vgl. Europäische Kommission, a. a. O., S. 9; hierzu Schmitz/Möser, UR 2014, 607 (614); Widmann, UR 2014, 147 (151 f.). 1686 So stellen insgesamt drei der fünf Vorschläge einen Kompromiss zwischen dem Ansatz einer Vollbesteuerung und der bestehenden Ausnahmebesteuerung dar, vgl. Europäische Kommission, a. a. O., S. 12 ff. 1687 Vgl. Europäische Kommission, Consultation on the Review of existing VAT le­ gislation on public bodies and tax exemptions in the public interest (2014). 1688 Vgl. Europäische Kommission, a. a. O., S. 2. 1689 Als Ausgangspunkt darf grundsätzlich der Aufsatz von Aujean/Jenkins/Poddar genannt werden, die mit ihrem Vorschlag für eine Orientierung am Modell der Vollbesteuerung die Richtung vorgaben, vgl. dies., IVM 1999, 144 ff.; vgl. aber auch z. B. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies; Aujean, Tax Law Review, Vol. 63 (2009–2010), 509 ff.; de la Feria, Intertax 2009, 148 ff.; Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 ff. 1690 Vgl. hierzu Gendron, World Journal of VAT/GST Law, Vol. 1 (2012), 125 ff. 1691 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 107 ff.; de la Feria, Intertax 2009, 148 (161 ff.); Gendron, Tax Law Review 63 (2009–2010), 477 (494 ff.); Wassenaar/Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 ff.; speziell zum Refundsystem in den Niederlanden van Dijk/Lubbers, IVM 2000, 6 ff.; Wassenaar, EC Tax Review 2012, 212 ff.

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acht Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein solches System in ihr nationales Recht implementiert haben.1692 Für den weiteren Gang der Untersuchung soll die bestehende Reformdis­ kussion aufgegriffen werden. Aus diesem Grund gilt es, sich auf die bei­ den zentralen Reformmodelle eines Refundsystems und einer Vollbe­ steuerung zu konzentrieren. Ziel ist es dabei, sowohl die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen als auch valide und werten­ de Aussagen über Chancen und Gefahren bzw. über Vorteile und Nach­ teile zu erarbeiten, die mit einer Umsetzung eines Reformvorhabens auf der Grundlage eines dieser beiden Reformmodelle verbunden sind. Für eine Bewertung bedarf es allerdings der vorherigen Erstellung von Zielvorgaben, denen ein Reformmodell bzw. ein darauf beruhendes kon­ kretes Reformvorhaben zu entsprechen hat. Diese gilt es folglich in ei­ nem ersten Schritt aus den Grundprinzipien des harmonisierten Mehr­ wertsteuerrechts und in Ansehung der grundlegenden Kritikpunkte an der gegenwärtigen mehrwertsteuerrechtlichen Behandlung der öffentli­ chen Hand herzuleiten. In einem zweiten Schritt sollen dann Reformmo­ delle und konkrete Reformvorschläge eingehend behandelt werden. So widmet sich die Untersuchung zunächst dem Vorschlag von Paul Kirchhof für eine Reform der Umsatzsteuer. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass es sich dabei um einen ganzheitlichen Ansatz handelt, der sich nicht nur auf die Behandlung der öffentlichen Hand konzentriert. Hier ist folg­ lich insbesondere zu klären, ob und inwieweit der Reformvorschlag mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand zu befürworten oder abzulehnen ist. Im Anschluss daran soll das Reformmodell des Refundsystems unter­ sucht werden. Hierbei gilt es, zunächst die bedeutsamen unionsrechtli­ chen, aber auch nationalrechtlichen Vorgaben zu erarbeiten, denen eine Ausgestaltung dieses Reformmodells genügen muss. Auf der Grundlage des danach rechtlich Möglichen können sodann wertende Aussagen über die Eignung des Modells eines Refundsystems getroffen werden. In die­ sem Zusammenhang soll zudem sowohl ein konkreter nationaler Re­ formvorschlag von Desens, Lenk, Hummel und Rottmann, der sich als Ausgestaltung eines Refundsystems versteht, als auch ein Vorschlag der Europäischen Kommission für die unionsweite Einführung eines Re­ fundsystems einer wertenden Betrachtung unterzogen werden. Den Ab­ schluss bildet sodann die Untersuchung des Vollbesteuerungsmodells auf seine Eignung, eine den Zielvorgaben entsprechende mehrwertsteu­ erliche Behandlung der öffentlichen Hand zu gewährleisten. Dabei wer­ den die Vorschläge der Europäischen Kommission, die eine Ausgestal­ 1692 Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Österreich, Por­ tugal, Schweden; vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 31.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

tung des Vollbesteuerungsmodells darstellen, als konkrete Bezugspunkte für die wertende Betrachtung herangezogen. Denn zum einen sind diese mit Blick auf die Reformdiskussion von hervorgehobener Bedeutung, zum anderen setzen sie die beiden Grundvarianten eines Vollbesteue­ rungsmodells um. Soweit das Vollbesteuerungsmodell in Form der Vor­ schläge der Europäischen Kommission nicht den Zielvorgaben ent­ spricht, sollen davon ausgehend konkrete Empfehlungen für eine den Zielvorgaben insgesamt entsprechende Ausgestaltung einer Vollbesteue­ rung für das Unionsrecht entwickelt werden. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, die Umsetzung des Vollbesteuerungsmodells in den Mehrwertsteuersystemen von Australien und Neuseeland eingehend aus rechtsvergleichender Perspektive zu behandeln.

I. Maßgebliche Zielvorgaben für die Reformmodelle und ihre wirtschaftlichen Folgen Das übergeordnete Ziel einer Reform der mehrwertsteuerrechtlichen bzw. umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand ist darin zu sehen, dass auf der einen Seite die im Rahmen der bisherigen Untersu­ chung festgestellten Mängel beseitigt werden. Auf der anderen Seite sind die Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts zu be­ rücksichtigen und zu wahren. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden erarbeitet werden, welche zentralen Ziele mit einer Reform zu verfolgen sind. Diese sollen für die weitere Untersuchung dann als Referenzrah­ men zur Bewertung von Reformmodellen herangezogen werden. Ange­ sichts der festgestellten wirtschaftlichen Implikationen und Fehlanreize, die die gegenwärtige steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand ent­ faltet, gilt es des Weiteren, die voraussichtlichen ökonomischen Folgeef­ fekte der Zielvorgaben zu erörtern. Diese können zudem ebenfalls in die Bewertung eines Reformmodells einfließen. 1. Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt Bei der harmonisierten Mehrwertsteuer handelt es sich um eine indirekt erhobene allgemeine Verbrauchsteuer. Der Besteuerungsgegenstand sind dabei Vermögensverwendungen, die dem privaten Konsum dienen. Aus dem primärrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt, dass die Steu­ er gleichmäßig zu erheben ist. Dementsprechend ist sie ausgehend vom gewählten Besteuerungsgegenstand anhand des Maßstabs der Leistungs­ fähigkeit folgerichtig auszugestalten. Daraus folgt insbesondere das Ge­ bot eines weiten Anwendungsbereichs der Steuer.1693 Die weitgehende Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht stellt 1693 Vgl. hierzu oben unter A. I. 2.

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I.  Maßgebliche Zielvorgaben

hingegen einen Widerspruch zum Gebot der gleichmäßigen Besteuerung dar. Denn die privaten Vermögensverwendungen, die durch befreite Leis­ tungen der öffentlichen Hand initiiert werden, unterliegen keiner steuer­ lichen Belastung.1694 Vor diesem Hintergrund hat eine Reform darauf ab­ zuzielen, dass die öffentliche Hand grundsätzlich als Steuersubjekt dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegt. a) Besteuerung von Ausgangsleistungen als Regelfall Eine Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt führt in einem ersten Schritt dazu, dass die im Rahmen ihrer Tätigkeit ausgeübten Aus­ gangsleistungen grundsätzlich der Besteuerung unterliegen. Während die Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zur Folge hat, dass die steuerliche Belastung von Leistungen der öffentlichen Hand eine Ausnahme dar­ stellt, wird mit der grundsätzlichen Einbeziehung in das Mehrwertsteu­ errecht die Besteuerung der Ausgangsleistungen zum Regelfall. Damit wird der Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erweitert und gewähr­ leistet, dass die Ausgangsleistungen im Sinne einer gleichmäßigen Be­ steuerung belastet werden. Folglich sollte eine Reform der umsatzsteuerlichen Behandlung von Tä­ tigkeiten der öffentlichen Hand nicht nur darauf abzielen, dass sie als Steuersubjekt in subjektiver Hinsicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer einbezogen wird. Vielmehr gilt es darauf zu achten, dass auch in sachlicher Hinsicht ihre Tätigkeiten und die damit verbundenen Ausgangsleistungen einer steuerlichen Belastung unterliegen. Mit dem Ziel der Besteuerung der Ausgangsleistungen als Regelfall verringert sich auch die Gefahr einer ungleichen Behandlung von Ausgangsleistungen privater und öffentlicher Wirtschaftsteilnehmer und damit verbundene Wettbewerbsverzerrungen.1695 b) Ausnahmen von der Besteuerung Ausgehend von dem Grundsatz des weiten Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer und der darauf beruhenden Verwirklichung des Ziels der gleichmäßigen Besteuerung ist weitergehend zu erörtern, ob und inwie­ weit die Einbeziehung der öffentlichen Hand mit ihren Tätigkeiten Grenzen und Einschränkungen unterliegen sollte. So stellt sich insbe­ sondere die Frage, ob und inwieweit Konsumaufwendungen, die existen­ ziellen Bedürfnissen dienen, einen zulässigen Besteuerungsgegenstand

1694 Vgl. hierzu oben unter C. I. 1. 1695 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 195, 197, 200 f.; de la Feria, Intertax 2009, 148 (162 f.).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

darstellen.1696 Daneben ist zu erörtern, ob in Bereichen, in denen die öf­ fentliche Hand mit ihren Leistungen in Konkurrenz zu privaten Wirt­ schaftsteilnehmern tritt und dabei ihre Tätigkeiten in erheblichem ­Umfang mithilfe öffentlicher Mittel finanziert, insgesamt von einer Um­ satzbesteuerung abgesehen werden sollte. Denn in diesem Fall kann die öffentliche Hand ihre Leistungen grundsätzlich günstiger anbieten als ihre privaten Konkurrenten. Dieser Preisvorteil würde sich dann durch eine Besteuerung der Tätigkeiten wegen der vom Preis abhängigen und damit in unterschiedlicher Höhe anfallenden Umsatzsteuer noch einmal verschärfen. Für die Besteuerung von Ausgangsleistungen der öffent­ lichen Hand ebenfalls von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob und inwieweit an dem Erfordernis eines Leistungsaustausches festzuhalten ist, um ihre Tätigkeiten steuerlich zu belasten. In diesem Zusammen­ hang gilt es vor allem die Behandlung von typischen Zahlungen von ­Privatpersonen an die öffentliche Hand zu beleuchten. Aber auch die Behandlung von innerstaatlichen Finanzzuweisungen sowie von Zu­ ­ schüssen und Subventionen sollen vor diesem Hintergrund erörtert wer­ den. aa) Steuerfreiheit für existenzielle Konsumaufwendungen Das Leistungsfähigkeitsprinzip,1697 anhand dessen zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Belastungswirkung die einzelnen Regelungen der Umsatzsteuer folgerichtig auszugestalten sind,1698 rechtfertigt auf der ei­ nen Seite die Umsatzbesteuerung wegen einer durch die Vermögensver­ wendung indizierten Leistungsfähigkeit.1699 Auf der anderen Seite folgt aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip gleichzeitig, dass die steuerliche Be­ lastung von Konsumaufwendungen, die nicht den Schluss auf eine beste­ hende Leistungsfähigkeit zulassen, grundsätzlich nicht gerechtfertigt ist.1700 Eine am Leistungsfähigkeitsprinzip folgerichtig ausgestaltete Um­ satzsteuer muss demnach in diesen Fällen grundsätzlich eine Besteue­ rung ausschließen.1701 1696 Vgl. zum Gebot der Verschonung in der Umsatzsteuer z. B. Englisch in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 13, 195 ff., 272 ff.; Reiß, Steuergerechtigkeit und Um­ satzbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, in: FS Lang, S. 861 (878); Tipke, StuW 1992, 103 (114 f.). 1697 Vgl. zur Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Mehrwertsteuerrecht be­ reits oben unter A. I. 2. 1698 Vgl. Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (25); Tipke, StuW 2007, 201 ff. 1699 Vgl. Englisch in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 11; Kirchhof, DStR 2008, 1 (3); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 43. 1700 Vgl. Reiß, Steuergerechtigkeit und Umsatzbesteuerung im Europäischen Binnen­ markt, in: FS Lang, S. 861 (878); Tipke, StuW 1992, 103 (114 f.). 1701 Vgl. Birk, Die Umsatzsteuer aus juristischer Sicht, in: Kirchhof/Neumann, Frei­ heit, Gleichheit, Effizienz, S. 61 (68); Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Dif­

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I.  Maßgebliche Zielvorgaben

Bei der direkten Besteuerung des persönlichen Einkommens wird ein Be­ trag in Höhe eines festgesetzten steuerlichen Existenzminimums von der Steuer freigestellt. Denn insoweit kann nicht frei über das Einkommen verfügt werden und spiegelt demnach keine zu erfassende Leistungsfä­ higkeit wider.1702 Nichts anderes kann grundsätzlich für die Umsatzsteu­ er gelten. Deswegen sind grundsätzlich auch Konsumaufwendungen, welche dem Grunde und auch der Höhe nach einem existenziellen Be­ dürfnis dienen, steuerlich zu verschonen.1703 Vor diesem Hintergrund würden entsprechende Verschonungsregelungen auch nicht dem Grund­ satz des weiten Anwendungsbereichs entgegenstehen, sondern vielmehr nur die andere Seite derselben Medaille darstellen. Aber auch die Befrei­ ung solcher Leistungen, die überproportional häufig von Privatpersonen mit einer geringen steuerlichen Leistungsfähigkeit in Anspruch genom­ men werden, so dass diese auch überproportional im Verhältnis zur eige­ nen Leistungsfähigkeit mit der Mehrwertsteuer belastet würden,1704 ließe sich grundsätzlich rechtfertigen. Steuerpolitisch ist zudem zu berück­ sichtigen, dass eine weitgehende Befreiung staatlicher Leistungen in zen­ tralen sozialpolitischen Bereichen auch den Empfehlungen des Fiscal Affairs Department des Internationalen Währungsfonds entspricht.1705 Als Alternative zur steuerlichen Verschonung könnte der steuerlichen Belastung auch dadurch Rechnung getragen werden, dass diese zum Bei­ spiel bei der Bemessung von Sozialtransferleistungen berücksichtigt oder im Rahmen der Einkommensbesteuerung erstattet wird.1706 Allerdings stellte ein solches Vorgehen einen Umweg zur Erreichung desselben Ziels dar. Des Weiteren wird hierdurch die Gefahr begründet, dass je­ mand infolge der Besteuerung überhaupt erst in die Notlage gerät, Sozial­ leistungen oder andere Formen des Ausgleichs in Anspruch nehmen zu müssen.1707 Vorzugswürdig ist folglich eine unmittelbare Verschonung, soweit sich diese im Rahmen der Umsatzsteuer als indirekte Verbrauch­

ferent Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (25); Reiß, ebenda; Tipke, StuW 1992, 103 (114 f.). 1702 Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 72 ff. 1703 Vgl. Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 262; Englisch, UR 2010, 400 (406); Kirchhof, UR 2002, 541 (543), der aber auch grundsätzlich einen Ausgleich durch staatliche Transferleistungen für möglich hält. 1704 Vgl. Ebrill/Keen/Bodin/Summers, The Modern VAT, S. 112; Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 201; vgl. zu dieser Wirkung der Mehrwertsteuer auch Kirchhof, in: HStR V³, § 118 Rz. 193. 1705 Vgl. Ebrill/Keen/Bodin/Summers, a. a. O., S. 65. 1706 Vgl. Reiß, Steuergerechtigkeit und Umsatzbesteuerung im Europäischen Binnen­ markt, in: FS Lang, S. 861 (878). 1707 Vgl. mit weiteren Gründen gegen eine Berücksichtigung außerhalb des Umsatz­ steuerrechts Englisch, UR 2011, 401 (405 f.).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

steuer umsetzen lässt.1708 Denn anders als im Fall der direkten Besteue­ rung verbleibt der Konsument als Steuerträger „in der Anonymität des Marktes“1709, so dass für Steuerbefreiungen nicht auf dessen persönliche Verhältnisse abgestellt werden kann.1710 Damit sind die Steuerbefreiun­ gen von vornherein auf solche Leistungen beschränkt, für deren gegen­ überstehenden Aufwendungen typischerweise angenommen werden kann, dass sie sowohl im Grunde als auch in der Höhe existenziellen Bedürfnissen dienen.1711 Für eine Reform der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand folgt daraus, dass deren Ausgangsleistungen, die existenzielle Be­ dürfnisse befriedigen, von der steuerlichen Belastung grundsätzlich frei­ zustellen sind.1712 Um eine vollständige steuerliche Verschonung der existenziellen Konsumaufwendungen zu gewährleisten, darf die Steuer­ befreiung auch nicht zu einem Ausschluss vom Vorsteuerabzug füh­ ren.1713 Denn in diesem Fall wird in der Regel die beim Unternehmer anfallende Vorsteuerbelastung als Kostenfaktor verdeckt mit dem Preis auf den Verbraucher abgewälzt, so dass dieser im Ergebnis gleichwohl mit der Umsatzsteuer belastet wird.1714 Darüber hinaus ist zu berück­ sichtigen, ob und inwieweit die Möglichkeit und auch die Wahrschein­ lichkeit besteht, dass die begünstigende Wirkung der Steuerbefreiung auch an den Endverbraucher weitergegeben wird.1715 Dies gilt besonders dann, sollte es im Rahmen der Reform zu einer erstmaligen Anwendung des Umsatzsteuerrechts auf Leistungen der öffentlichen Hand, die exis­ tenzielle Bedürfnisse bedienen, kommen, deren Entgelte bzw. Preise ge­ setzlich vorgegeben sind. Denn unter diesen Umständen hat die öffentli­ che Hand keine Möglichkeit, den nunmehr erlangten Vorteil1716 an den Verbraucher weiterzugeben.

1708 Ebenda. 1709 Kirchhof, in: HStR V³, § 118 Rz. 241. 1710 Vgl. Englisch, UR 2011, 401 (405). 1711 Vgl. Englisch, UR 2011, 401 (406); damit verliert auch die Argumentation, eine Erstattung von entsprechenden Umsatzsteuerbeträgen außerhalb des Umsatz­ steuerrechts sei zielgenauer, an Gewicht; vgl. hierzu Reiß, Steuergerechtigkeit und Umsatzbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, in: FS Lang, S. 861 (879). 1712 Vgl. ausführlich zu den Voraussetzungen einer folgerichtigen Ausgestaltung von Steuerbefreiungen Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 209. 1713 Vgl. Englisch, UR 2010, 400 (411); Ruppe, System und Rechtfertigung unechter Steuerbefreiungen, in: Achatz/Tumpel, Unechte Steuerbefreiungen, S. 23 (30). 1714 Vgl. Englisch, ebenda; Ruppe, a. a. O., S. 23 (31). 1715 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 199. 1716 Für den Fall, dass nach einer Umsetzung eines Reformmodells wegen der gebote­ nen Steuerbefreiung weiterhin Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand keiner steuerlichen Belastung unterliegen, spiegelt sich der von ihr erlangte Vorteil in der nunmehr gewonnen Möglichkeit zum Vorsteuerabzug wider.

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I.  Maßgebliche Zielvorgaben

bb) Steuerfreiheit für bestimmte Tätigkeitsbereiche zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen Leistungen der öffentlichen Hand stehen in vielen Fällen in einer wirt­ schaftlichen Konkurrenzsituation mit Leistungen privater Unterneh­ mer. Dies gilt besonders für ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Daseinsvorsorge, wie zum Beispiel in den Bereichen Gesundheit und Bil­ dung. Wie im Laufe dieser Untersuchung mehrfach deutlich wurde, kann eine unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung von öffentlichen und privaten Leistungen dazu führen, den bestehenden Wettbewerb zu verzerren.1717 Ursächlich sind dabei vor allem die unmittelbaren und mit­ telbaren Auswirkungen des Umsatzsteuerrechts auf den vom Endver­ braucher zu zahlenden Preis. In Bezug auf Letzteren ist die Umsatzsteuer allerdings nur ein Summand von vielen. Der größte Teil des Preises be­ ruht in der Regel auf den beim Unternehmer anfallenden Kosten. Man­ gels anderer Finanzierungsquellen ist der Preis grundsätzlich die einzige Möglichkeit, um eine kostendeckende Teilnahme am allgemeinen Wirt­ schaftsverkehr zu gewährleisten. Hinzu kommt, dass die private unter­ nehmerische Tätigkeit grundsätzlich auf die Erzielung eines Gewinns bzw. Überschusses abzielt, so dass hierfür ein entsprechender Unterneh­ mergewinn in der Regel ebenfalls in den Endpreis einfließt. Während private Wirtschaftsteilnehmer weitgehend diesen hier skizzier­ ten Grundsätzen der Preiskalkulation unterliegen, ergibt sich für die öf­ fentliche Hand insoweit ein gewisser Gestaltungsspielraum. Für sie be­ steht insbesondere die Möglichkeit, ihre Tätigkeiten zum Beispiel durch Steuereinnahmen mitzufinanzieren, so dass sie sich im Rahmen der Preiskalkulation dem Diktat der Kosten zumindest teilweise entziehen kann. So muss die öffentliche Hand nicht alle Kosten über den Preis an den Endverbraucher weitergeben. Zum anderen unterliegt die öffentliche Hand nicht einem vergleichbaren Druck wie private Wirtschaftsteilneh­ mer, mit der Tätigkeit einen Gewinn zu erzielen. Damit kann auch die­ ser Posten in der Preiskalkulation regelmäßig geringer ausfallen oder so­ gar vollständig entfallen. Treten diese beiden Umstände ein, so dürfte schon deswegen die Kalkulation der öffentlichen Hand im Vergleich zu privaten Wirtschaftsteilnehmern zu einem geringeren Preis führen und sich nur schwer durch andere Faktoren, wie zum Beispiel wirtschaftliche Effizienz, ausgleichen lassen. Aufgrund dieser besonderen Situation der öffentlichen Hand kann es zu einer für die privaten Wirtschaftsteilnehmer nachteiligen Verzerrung des

1717 Vgl. zu der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen, die auf einer unterschiedli­ chen steuerlichen Behandlung beruht, insb. oben unter A. II. 2. c) cc).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Wettbewerbs kommen.1718 Hierbei handelt es sich zwar nicht um ein Pro­ blem, welches durch die Umsatzsteuer verursacht wird oder gelöst wer­ den könnte. Allerdings ist die Umsatzsteuer geeignet, das Problem zu verschärfen. Denn das Ergebnis der unternehmerischen Preiskalkulation stellt letztlich die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung einer vom Endverbraucher zu tragenden und vom Leistungserbringer geschuldeten Umsatzsteuer dar. Wegen der proportional zum Preis zu berechnenden Umsatzsteuer1719 führt ein höherer Nettopreis zu einer höheren, mit dem Preis auf den Endverbraucher abzuwälzenden Umsatzsteuer. So erhöht die Umsatzsteuer die Differenz zwischen dem Endpreis, den ein privater Unternehmer verlangt bzw. verlangen muss, und dem Endpreis eines öf­ fentlichen Unternehmers. Diese Preisdifferenz kann wiederum zu einer Verschärfung der bereits bestehenden Wettbewerbsverzerrungen beitra­ gen. Der verzerrenden Wirkung durch die Umsatzsteuer ließe sich vor allem auf zwei Wegen begegnen. Zum einen könnte sich in diesen Fällen die Ermittlung der Umsatzsteuer für Leistungen der öffentlichen Hand nicht an dem tatsächlich zu zahlenden (niedrigen) Preis, sondern an einem ver­ kehrsüblichen Preis orientieren.1720 Dies wäre möglich, indem die für die Leistungen verwendeten Steuermittel in die Bemessungsgrundlage ein­ bezogen werden.1721 Eine Alternative dazu wäre, dass ein Marktwert er­ mittelt und als Bemessungsgrundlage berücksichtigt wird.1722 Zum ande­ ren bestünde die Möglichkeit, die entsprechenden Tätigkeiten bzw. Leistungen von der Besteuerung freizustellen, um die verzerrende Wir­ kung zu vermeiden.1723 Der Vorsteueranspruch dürfte dadurch allerdings nicht ausgeschlossen werden.1724 Für eine Einbeziehung der Steuermittel in die Bemessungsgrundlage spricht, dass die Konsumaufwendungen nicht vollständig befreit werden und insoweit der Grundsatz der gleich­ 1718 Vgl. kritisch zu dieser Situation in Neuseeland Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (153). 1719 Vgl. Art. 1 II MwStSystRL. 1720 Vgl. hierzu Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 187 f. 1721 Ebenda. 1722 Ebenda. 1723 So das Vorgehen in Australien, vgl. Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (164 f.). 1724 Der Vorteil eines Ausschlusses vom Vorsteuerabzug bestünde zwar darin, dass es zumindest regelmäßig verdeckt zu einer Belastung der Konsumaufwendungen käme. Allerdings stellte die Vorsteuerbelastung wiederum einen Kostenfaktor dar, den der private Unternehmer schon aus wirtschaftlichen Gründen in seine Kalkulation einbeziehen müsse, während ein öffentliches Unternehmen bei sei­ ner Preiskalkulation die Möglichkeit hätte, von einer verdeckten Weitergabe ab­ zusehen und die Kosten über die Verwendung von Steuereinnahmen auszuglei­ chen. Letztlich stellt damit auch die Vorsteuerbelastung des Unternehmers einen Kostenfaktor dar, der geeignet ist, die bestehenden ungleichen Vorausset­ zungen von öffentlichen und privaten Anbietern zu vergrößern.

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I.  Maßgebliche Zielvorgaben

mäßigen Besteuerung umgesetzt wird. Zudem entspricht die steuerliche Belastung dem Wert der konsumierten Leistung. Allerdings ist es gerade die tatsächliche Vermögensverwendung, die eine Leistungsfähigkeit in­ diziert und die steuerliche Belastung rechtfertigt.1725 Bemisst man die steuerliche Last jedoch an einer fingierten Bemessungsgrundlage, erfolgt eine Einschränkung dieses tragenden Prinzips der Umsatzsteuer.1726 Dies gilt umso mehr, als dass es gerade bei der Inanspruchnahme durch die Verwendung von steuerlichen Mitteln mitfinanzierte öffentliche Leis­ tungen der Daseinsvorsorge häufig vorkommen dürfte, dass es auf Seiten des Leistungsempfängers an einer entsprechenden Leistungsfähigkeit fehlt, die über den tatsächlich gezahlten Betrag hinausgeht. Andere Er­ wägungsgründe, wie zum Beispiel die Gefahr des Missbrauchs oder der Steuerumgehung,1727 rechtfertigen diese Einschränkung des Leistungsfä­ higkeitsprinzips im vorliegenden Fall grundsätzlich nicht.1728 Hinzu kommen der erhebliche Aufwand und mögliche Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung, die mit der Ermittlung einer fiktiven Bemessungs­ grundlage verbunden sind. Damit ist von den beiden Varianten die Freistellung der Tätigkeiten der öffentlichen Hand sowie der privaten Wirtschaftsteilnehmer insoweit vorzugswürdig. Abschließend ist zum einen noch ungeklärt, bei welchen Tätigkeiten der öffentlichen Hand es zu einer Verschärfung von Wettbewerbsverzerrun­ gen durch die Umsatzbesteuerung kommt oder kommen kann.1729 Diese 1725 Vgl. oben unter A. I. 2. 1726 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 188. 1727 So im Fall der Mindestbemessungsgrundlage, die abweichend vom geleisteten Entgelt eine Besteuerung auf der Grundlage der höheren eigenen Aufwendungen zur Vermeidung einer Steuerumgehung vorsieht, vgl. z. B. § 10 V i. V. m. IV UStG; hierzu und zum Missbrauchsvermeidungscharakter als Rechtfertigung der Min­ destbemessungsgrundlage Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 257; Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 10 Rz. 461 ff. (Stand: Sept. 2015). 1728 A. A. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 188 f., der zwar ebenfalls sowohl in der Verwendung von Steuermitteln zur Finanzierung von öffent­lichen Leistungen als auch in der Verwendung des Marktwertes als Bemes­ sungsgrundlage eine Beeinträchtigung des Neutralitätsprinzips sieht. Allerdings rechtfertige die Beseitigung der ersten Beeinträchtigung das Hervorrufen der zweiten Beeinträchtigung. Im Ergebnis gewichtet er damit die Wahrung der Wettbewerbsneutralität höher als das der Umsatzsteuer zugrundeliegende Prin­ zip der Leistungsfähigkeit. Denn indem der Marktwert als Bemessungsgrundlage dient, bemisst sich die Belastung des Endverbrauchers nicht mehr an seiner pri­ vaten Vermögensverwendung. Kommt es zu einer Überwälzung der anfallenden Steuer, widerspricht diese Mehrbelastung dem unionsprimärrechtlich veranker­ ten Grundsatz einer an einer persönlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Be­ steuerung. Diese Beeinträchtigung ist höher zu gewichten als die Beeinträchti­ gung der Wettbewerbsneutralität der Mehrwertsteuer. Zumindest erscheint es unverhältnismäßig, die Konkurrenzsituation von privaten und öffentlichen An­ bietern auf Kosten des Verbrauchers zu lösen. 1729 Ebenda.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Frage lässt sich zwar im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend beant­ worten, allerdings dürften mit Blick auf die Daseinsvorsorge hier vor al­ lem Tätigkeiten in den Bereichen Bildung und Gesundheit in Betracht kommen. Zum anderen ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass nicht für jede Tätigkeit bzw. für jeden Tätigkeitsbereich, in dem die Verwen­ dung von Steuermitteln eine wettbewerbsverzerrende Wirkung entfaltet, zwingend eine umfassende Befreiung von der Umsatzbesteuerung gebo­ ten ist. Denn der in diesem Fall bestehenden Benachteiligung der priva­ ten Wettbewerbsteilnehmer steht das ebenfalls zu berücksichtigende Gebot der gleichmäßigen steuerlichen Belastung von Konsumaufwen­ dungen gegenüber. Vor diesem Hintergrund könnte es insbesondere ange­ zeigt sein, die Gefahr der Benachteiligung privater Mitbewerber bereits vorrangig durch eine strengere Regulierung der Teilnahme der öffentli­ chen Hand am Wettbewerb Rechnung zu tragen. Ist dieses jedoch nicht möglich oder aus berechtigten Gründen nicht opportun, so stellt die Steuerbefreiung zumindest eine Möglichkeit dar, den berechtigten Schutz­ interessen privater Wettbewerbsteilnehmer Rechnung zu tragen. Letzt­ lich bedarf es zur Entscheidung darüber, ob und inwieweit eine oder mehrere Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsbereiche aus diesem Grund von der Besteuerung auszunehmen sind, einer umfassenden Würdigung der sich insoweit gegenüberstehenden Argumente. So könnten in den Bereichen von Bildung und Gesundheit zum Beispiel anzuerkennende sozialpoliti­ sche Erwägungen zusätzlich für eine allgemeine Steuerbefreiung von Tä­ tigkeiten sprechen. cc) Begrenzung auf gegen Entgelt ausgeübte Leistungen Das Gebot einer gleichmäßigen Besteuerung verlangt auf der einen Seite einen weiten Anwendungsbereich der Umsatzsteuer. Aus diesem Grund hat eine Reform darauf abzuzielen, die öffentliche Hand mit ihren Tätig­ keiten grundsätzlich der Besteuerung zu unterwerfen. Gleichwohl erge­ ben sich aber bereits aus dem Charakter der Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer für den privaten Endkonsum und unter Berücksichti­ gung des Leistungsfähigkeitsprinzips, dass nicht alle Leistungen und Zahlungen der Besteuerung zu unterliegen haben. Denn nur soweit Ver­ mögen für Zwecke des privaten Endverbrauchs verwendet wird, ent­ spricht eine Besteuerung dem Belastungsgrund der Umsatzsteuer.1730 Aus diesem Grund ist eine steuerliche Belastung folgerichtig in sachlicher Hinsicht von vornherein auf Vorgänge zu beschränken, in denen eine Leistungserbringung als Indiz für einen Verbrauch anzusehen ist.1731 Dar­ 1730 Vgl. zum Belastungsgrund der harmonisierten Mehrwertsteuer oben unter A. I. 2. 1731 Vgl. Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, S. 138; Schüler-Täsch, Jede Leistung hat ihre Steuer, S. 49 ff.; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuer­ recht, § 17 Rz. 87 f.; zum Leistungsbegriff im Mehrwertsteuerrecht oben unter

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I.  Maßgebliche Zielvorgaben

über hinaus bedarf es eines Entgelts, welches einer Vermögensverwen­ dung als Indiz für eine individuelle finanzielle Leistungsfähigkeit ent­ spricht.1732 Letztlich müssen sowohl Leistung (Verbrauch) als auch Entgelt (Vermögensverwendung) in einem solchen Zusammenhang ste­ hen, dass von einer Vermögensverwendung für den Konsum, mithin von Konsumaufwendungen gesprochen werden kann.1733 Folglich bedarf es für die Besteuerung grundsätzlich einer gegen Entgelt ausgeübten Leis­ tung. Diese sich bereits aus den Grundprinzipien des harmonisierten Mehr­ wertsteuerrechts ergebende sachliche Beschränkung sollte grundsätzlich nicht im Wege einer Reform für die Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt und die steuerliche Belastung ihrer Ausgangstätigkei­ ten unterlaufen werden. In diesem Zusammenhang sollen im Folgenden vier Bereiche angesprochen werden, für die diese Zielvorgabe eine beson­ dere Relevanz entfalten könnte. Denn diese Bereiche sind zum einen für das Handeln der öffentlichen Hand und damit auch für die Bewertung von Reformmodellen von hervorgehobener Bedeutung. Zum anderen kann gerade in diesen Bereichen die sachliche Eingrenzung des Anwen­ dungsbereichs eine einschränkende Wirkung für die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand entfalten. Ziel ist es damit, aus der allgemeinen den Anwendungsbereich einschränkenden Zielvorgabe ei­ ner Leistungserbringung gegen Entgelt konkrete Vorgaben für die um­ satzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand und ihrer Tätigkeiten für diese Bereiche abzuleiten. So soll zunächst geklärt werden, ob und inwieweit Leistungen der öffentlichen Hand, die durch Steuern, Gebüh­ ren oder Beiträge finanziert werden, in den oben skizzierten sachlichen Anwendungsbereich der Umsatzsteuer fallen. Des Weiteren gilt es zu klären, welche Folgen sich aus der Beschränkung für innerstaatliche Fi­ nanzzuweisungen ergeben. Abschließend soll kurz auf einige Erwägun­ gen zu staatlichen Zuschüssen und Subventionen eingegangen werden. (1) Steuerfinanzierte Tätigkeiten im Interesse der Allgemeinheit Um dem Verbrauchsteuergedanken gerecht zu werden, muss für eine Be­ steuerung mittels einer Leistung ein bestimmbarer Empfänger einen

A. II. 1. a) aa) (1) (b); vgl. zum Verbrauch als Anknüpfungspunkt der Mehrwert­ steuer z. B. Kirchhof, DStR 2008, 1 (2); oben unter A. I. 2. 1732 Vgl. Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art, S. 134; zur Vermögens­ verwendung als zulässiges Indiz einer persönlichen Leistungsfähigkeit z.  B. Kirchhof, in: HStR V³, § 118 Rz. 191 ff.; oben unter A. I. 2. 1733 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 122 f.; zum Zweck des Zu­ sammenhangs zur Identifizierung desjenigen, auf den die steuerliche Last abzu­ wälzen ist, Stadie, UStG, § 1 Rz. 75.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

konkreten Vorteil erlangen.1734 Zudem muss der Vorteil von solcher Ge­ stalt sein, dass er entweder selbst unmittelbar zu einem privaten Endver­ brauch führen oder aber zumindest als Kostenelement in eine solche Leistung einfließen kann.1735 Die öffentliche Hand übt eine Vielzahl von Tätigkeiten im Interesse der Allgemeinheit aus, die mithilfe von Steuereinnahmen finanziert werden. In diesem Zusammenhang stellt sich zum einen die Frage, ob es sich hierbei um zu einem Konsum führende Leistungen handelt. Zum ande­ ren ist zu klären, ob bei Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Leistung die Steuern belastungswürdige Vermögensaufwendungen darstellen, die in einem ausreichenden Zusammenhang mit einer solchen Leistung ste­ hen. Eine Tätigkeit der öffentlichen Hand für die Allgemeinheit oder in deren Interesse kann zu einem verbrauchsfähigen Vorteil führen. Ein solcher liegt regelmäßig dann vor, wenn der Vorteil entweder selbst unmittelbar zu einem privaten Endverbrauch führt oder aber zumindest als Kosten­ element in eine solche Leistung einfließt.1736 So profitiert zum Beispiel die Bevölkerung insgesamt, und damit auch jeder Bürger, von Handlun­ gen, die der Landesverteidigung dienen. Auch der Bau von Straßen, Schu­ len und Universitäten ist ein Handeln, das entweder einen unmittelba­ ren Vorteil für die Bürger darstellt, zum Beispiel, indem die Leistungen einer Universität in Anspruch genommen werden. Ein solches Handeln kann aber auch mittelbar zu einem verbrauchsfähigen Vorteil führen, in­ dem an der Herstellung eines Produktes für den unmittelbaren privaten Endverbrauch Menschen beteiligt gewesen sind, die zuvor eine staatliche Schulbildung genossen haben. Die Tätigkeiten der öffentlichen Hand für die Allgemeinheit führen somit grundsätzlich zu einem Konsum.1737 Al­ lerdings lässt sich dabei nicht feststellen, wer in welchem Umfang als Leistungsempfänger einen individuellen Vorteil erlangt.1738 Das Handeln der öffentlichen Hand begründet damit keinen individuellen, sondern ei­ nen kollektiven Konsum.1739

1734 Vgl. Schüler-Täsch, Jede Leistung hat ihre Steuer, S. 49 ff.; Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 87 f. 1735 Vgl. Englisch, a. a. O., § 17 Rz. 87. 1736 Vgl. Englisch, ebenda; zum verbrauchsfähigen Vorteil als Bestandteil des Leis­ tungsbegriffs im Richtlinienrecht oben unter A. II. 1. a) aa) (1) (b). 1737 Zu keinem Konsum führen jedoch z. B. Geldtransferleistungen der öffentlichen Hand, denn die Zahlung von Geld selbst begründet keinen verbrauchsfähigen Vorteil, vgl. Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (32). 1738 Vgl. Englisch, ebenda; OECD, Consumption Tax Trends 2014, S. 103. 1739 Vgl. hierzu Millar/McCarthy, Australia, in: Ecker et al., The Future of Indirect Taxation, S. 21 (138 ff.).

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I.  Maßgebliche Zielvorgaben

Fraglich ist, ob es sich dabei auch um ein Verhalten handelt, dass dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer unterliegen sollte. Das Verständ­ nis der Umsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer könnte dafür spre­ chen, auch den gemeinschaftlichen Verbrauch der Besteuerung zu unter­ werfen. Dem steht entgegen, dass nach dem gleichheitsrechtlich1740 fundierten Prinzip der Leistungsfähigkeit der Aufwand für den privaten Endkonsum den zulässigen Anknüpfungspunkt der Besteuerung dar­ stellt. Im Fall von Tätigkeiten im Interesse der Allgemeinheit lässt sich jedoch in der Regel das Vorliegen eines Konsums bzw. eines entsprechen­ den Vorteils nicht genau zuordnen.1741 Damit würde eine Besteuerung allein auf der theoretischen anteiligen Zurechnung eines Vorteils beru­ hen.1742 Im Ergebnis dürfte eine Reform der umsatzsteuerlichen Behand­ lung der öffentlichen Hand nicht dazu führen, dass steuerfinanzierte Leistungen an die Allgemeinheit dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegen. Käme man entgegen der hier vertretenen Auffassung zu dem Ergebnis, dass auch Handlungen zugunsten bzw. im Interesse der Allgemeinheit zu einem Konsum führten, den es im Rahmen der Umsatzsteuer grundsätz­ lich zu erfassen gelte, führt dies zur Frage, ob die hierfür verwendeten Steuerzahlungen belastungswürdige Konsumaufwendungen, also ein Entgelt für die öffentlichen Leistungen, darstellen. So entstammen die Mittel für die Steuerzahlungen in der Regel dem zuvor erlangten Vermö­ gen der Bürger und werden zur Finanzierung von Tätigkeiten der öffent­ lichen Hand sowohl erhoben als auch verwendet. Allerdings kommt der Steuerbürger nur einer ihm obliegenden Forderung des Staates nach, wel­ che gerade nicht als Indiz einer Leistungsfähigkeit interpretiert werden kann.1743 Hinzu kommt, dass mangels Zurechenbarkeit eines konkreten individuellen Vorteils eine entsprechende Überwälzung der mit der Leis­ tungserbringung anfallenden Umsatzsteuer nicht gewährleistet werden kann.1744 Des Weiteren lässt sich hinsichtlich des erforderlichen Zusam­ menhangs von Konsum und Leistung bezweifeln, dass durch Steuerzah­ lungen die Handlungen der öffentlichen Hand veranlasst werden. Denn die Aufgaben des Staates werden dadurch in der Regel nicht begründet,1745 1740 Vgl. hierzu oben unter A. I. 2. 1741 Vgl. OECD, Consumption Tax Trends 2014, S. 103. 1742 Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (32). 1743 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 179; Englisch, eben­ da. 1744 Vgl. Englisch, ebenda. 1745 So beruht die Steuererhebung in der Regel auch nicht vorrangig auf einem Äqui­ valenzprinzip, dass die Steuerzahlung als gleichwertigen Ausgleich für durch staatliches Handeln erlangte Vorteile rechtfertigt. Z. B. sieht die Abgabenord­ nung gerade als Merkmal von Steuern, dass sie nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen, vgl. § 3 I AO.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

so dass allenfalls eingeschränkt von einem kausalen Zusammenhang ge­ sprochen werden kann.1746 Losgelöst von der Qualifizierung der Steuern als Entgelt ist zu berücksichtigen, dass anstatt einer Besteuerung von Steuerzahlungen ein gleiches Ergebnis durch die Erhöhung der entspre­ chenden Steuern erzielt werden könnte.1747 Dies stellte in der Erhebung eine effizientere Art und Weise dar, so dass Zweifel an dem Sinn und sogar der Verhältnismäßigkeit einer umsatzsteuerlichen Erfassung von Steuerzahlungen begründet sein dürften. Folglich sind Steuerzahlungen nicht als Konsumaufwendungen für Leistungen an die Allgemeinheit zu qualifizieren.1748 Abschließend ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass eine Umsatz­ besteuerung von Steuern von staatlichen Ebenen bzw. Einrichtungen zu einer Umverteilung des Steueraufkommens innerhalb eines föderalen Staatsaufbaus führen würde.1749 Dies wäre der Fall, sobald eine andere Ebene bzw. Einheit der öffentlichen Hand eine Steuer erhebt als diejeni­ ge, der das Umsatzsteueraufkommen zumindest teilweise zusteht. Denn ein Teil des Steueraufkommens als Bruttoentgelt für die öffentlichen Leistungen stellte vereinnahmte Umsatzsteuer dar und würde auf die­ sem Wege der steuererhebenden staatlichen Ebene bzw. Einheit entzo­ gen. Unterläge zum Beispiel eine Gemeindesteuer in Deutschland der Umsatzsteuer, würde jede Steuererhöhung einer Gemeinde über die Ver­ teilung des Umsatzsteueraufkommens1750 allen anderen Gemeinden, den Ländern und dem Bund zugutekommen. Hier zeigen sich Parallelen zu der Umverteilung von Steueraufkommen, die sich infolge der endgülti­ gen Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand ergibt.1751 Im Ergebnis gilt damit die Vorgabe für die Behandlung von steuerfinan­ zierten Tätigkeiten der öffentlichen Hand für oder im Interesse der All­ gemeinheit, dass diese nicht als steuerbare Leistungserbringung gegen Entgelt in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer einzubeziehen sind.1752 (2) Leistungen gegen Gebühren oder Beiträge Neben der Verwendung von Steuereinnahmen wird eine Vielzahl von Tä­ tigkeiten der öffentlichen Hand mittels der unmittelbaren Erhebung von 1746 Vgl. Aujean, EC Tax Review 2012, 134 (138). 1747 Vgl. Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (142). 1748 Vgl. zu dieser Frage ebenfalls ablehnend Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 181; Millar, ebenda; grundsätzlich auch Aujean/Jenkins/­Poddar, IVM 1999, 144 (147). 1749 Vgl. Millar, ebenda. 1750 Vgl. zur Verteilung des Umsatzsteueraufkommens oben unter C. II. 2. b). 1751 Vgl. hierzu oben unter C. II. 2. b). 1752 So im Ergebnis auch die OECD, Consumption Tax Trends 2014, S. 103.

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I.  Maßgebliche Zielvorgaben

Gebühren oder Beiträgen finanziert. In diesem Zusammenhang stellt sich für die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand wiede­ rum die Frage, ob und inwieweit sich hierfür aus dem Grundprinzip einer Leistungserbringung gegen Entgelt Vorgaben für ein Reformvorhaben ab­ leiten lassen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass, anders als Steuerzah­ lungen, Gebühren und Beiträge regelmäßig mit konkreten Tätigkeiten für den einzelnen Bürger verbunden sind und nicht Interessen der Allge­ meinheit im Vordergrund stehen. So lässt sich die steuerliche Erfassung nicht schon deswegen ablehnen, weil es andernfalls zu einer Besteuerung eines kollektiven Konsums käme. Zudem kommt der Bürger mit der Zahlung einer Gebühr oder eines Beitrags keiner bloßen staatlichen Ob­ liegenheit nach, wie es oben für den Fall der Erhebung einer Steuer fest­ gestellt wurde.1753 Vielmehr beruht die Zahlung auf der Verschaffung ei­ nes individuellen Vorteils. Aus diesem Grund stehen Handeln der öffentlichen Hand und die Zahlung einer Gebühr oder eines Beitrags grundsätzlich in einem Kausalverhältnis zueinander. Daher ist, wie im Fall der Zahlung eines Preises an einen privaten Unternehmer, grund­ sätzlich ein Rückschluss auf eine entsprechende Leistungsfähigkeit des Leistungsempfängers zulässig. Gebühren und Beiträge an die öffentliche Hand stehen folglich der Einbeziehung in den Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts nicht von vornherein entgegen.1754 Vielmehr ist die Frage, ob eine Leistung gegen Entgelt vorliegt, anhand des konkreten Ein­ zelfalls zu beantworten. Anders als bei Steuern gilt somit die Zielvorgabe, dass Leistungen der öffentlichen Hand, für die eine Gebühr oder ein Beitrag gezahlt wird, grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer einzubezie­ hen sind. (3) Innerstaatliche Finanzzuweisungen Ausgehend von der steuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand in Neuseeland ließe sich fordern, dass auch die Zuweisung von Steuerein­ nahmen zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen und Einrich­ tungen in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer einzubeziehen sind.1755 Dies würde für Deutschland zum Beispiel dazu führen, dass ein 1753 Zu Steuerzahlungen als Entgelt Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (32). 1754 Vgl. Englisch, ebenda. 1755 Vgl. zur Regelung in Neuseeland Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (146 f.). In Neuseeland werden diese Zahlungen als Entgelt für eine steuerbare Leistung fingiert. Der Hauptgrund für diese Regelung ist die Folge, dass die steuerfinanzierten Tätigkeiten wegen dieser Fiktion in den An­ wendungsbereich der Umsatzsteuer fallen und damit wiederum zum Vorsteuer­ abzug berechtigen, vgl. hierzu ausführlich unten D. IV. 3. a) aa).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Bundesland einer Kommune bei einem Steuersatz von 19 % einen Betrag von 119 000 f überweisen müsste, damit dieser im Ergebnis 100 000 f verblieben. Denn 19 000 f an Umsatzsteuer schuldete die Kommune als steuerpflichtige Erbringerin einer Leistung gegen Entgelt. Ein solches Vorgehen würde jedoch aus gesamtstaatlicher Sicht nicht zu einem höheren Steueraufkommen führen. Denn entweder entsteht spie­ gelbildlich zu den Mehreinnahmen ein Mehrbedarf zur finanziellen Aus­ stattung der eine solche Finanzzuweisung ausübenden staatlichen Ein­ richtungen, in dem genannten Beispiel also für das Bundesland. Oder die zahlende Einrichtung, wiederum das Bundesland, ist wie in Neuseeland zum Abzug der Vorsteuer berechtigt. Dann steht der Umsatzsteuerzah­ lung kein erhöhter Finanzierungsanspruch gegenüber, sondern mit dem Vorsteueranspruch spiegelt sich das steuerliche Nullsummenspiel be­ reits innerhalb des Umsatzsteuersystems wider.1756 Denn effektive steu­ erliche Mehreinnahmen lassen sich grundsätzlich allein im Fall der steu­ erlichen Belastung von Vermögensaufwendungen von Privatpersonen generieren.1757 Schwierigkeiten dürfte es darüber hinaus bereiten, das Handeln der die Steuerzuweisung empfangenen staatlichen Einheit als umsatzsteuerliche Leistungen gegenüber der zahlenden staatlichen Ein­ heit zu interpretieren. Dies würde folglich die Fiktion einer solchen Leis­ tungserbringung erfordern, die über den sich aus den Grundprinzipien des Umsatzsteuerrechts ergebenden Anwendungsbereich hinausginge. Aus Sicht der Umsatzsteuer als Steuer auf den privaten Endverbrauch gilt aus diesen Gründen für innerstaatliche Finanzzuweisungen, sei es im Rahmen der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens oder der Be­ reitstellung von finanziellen Mitteln zur Unterstützung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, die Vorgabe, dass sie nicht einer steuerlichen Be­ lastung unterliegen sollten.1758 (4) Staatliche Zuschüsse und Subventionen Die Frage nach der Einbeziehung von staatlichen Zuschüssen und Sub­ ventionen unterscheidet sich im Vergleich zu den vorherigen Punkten dadurch, dass hier die öffentliche Hand allein Geldzahlungen erbringt, und nicht, wie im Fall von Steuern, Gebühren und Beiträgen, solche er­ langt.1759 Grundsätzlich ist in diesen Fällen die Frage der Besteuerung zu­ nächst nach den Grundprinzipien der Umsatzsteuer zu bestimmen, also danach, ob und inwieweit es sich bei einem staatlichen Zuschuss um ein 1756 Vgl. zu diesem Effekt in Neuseeland Millar, ebenda. 1757 So auch Millar, a. a. O., S. 135 (147). 1758 Vgl. Millar, a. a. O., S. 135 (173). 1759 Vgl. zur Relevanz von Zuwendungen durch die öffentliche Hand für ein mögli­ ches Reformvorhaben Schmitz/Möser, UR 2014, 607 (611 ff.).

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I.  Maßgebliche Zielvorgaben

Entgelt in einem ausreichenden Zusammenhang mit einer umsatzsteu­ erlichen Leistung handelt.1760 Losgelöst von dieser konkreten Frage greifen hier jedoch Erwägungen, wie sie auch im Zusammenhang mit dem Ausschluss von innerstaatli­ chen finanziellen Zuweisungen aus dem Anwendungsbereich der Um­ satzsteuer bestehen. So führt zum einen die Besteuerung von staatlichen Zuschüssen aus gesamtstaatlicher Sicht nicht zu Mehreinnahmen. Denn deren steuerliche Belastung steigert zwar auf der einen Seite die Einnah­ men aus der Umsatzsteuer. Aber gleichzeitig erhöht sich auf der anderen Seite hierdurch ebenfalls der erforderliche staatliche Subventionsbetrag, um den Zahlungsempfänger im Ergebnis so zu stellen, wie dieser ohne eine steuerliche Belastung der Subventionszahlung stünde. Zum anderen schafft die Frage der Besteuerung wegen der im Einzelfall schwierigen Abgrenzung erhebliche Rechtsunsicherheiten.1761 Eine Möglichkeit, diesen beiden Punkten Rechnung zu tragen, wäre es, staatliche Zuschüsse und Subventionen in Form von Geldleistungen weitgehend als reine Transferzahlung außerhalb des Anwendungsbe­ reichs des Umsatzsteuerrechts zu behandeln. Im Vordergrund hat dabei vor allem die Rechtssicherheit zugunsten des Unternehmers, der einen Zuschuss bzw. eine Subventionszahlung erlangt, zu stehen. Daher bietet sich insoweit eine besondere Regelung an, nach der bestimmte Geldleis­ tungen nicht als Entgelt für eine Leistung gelten. Als Abgrenzung könnte dabei dienen, ob eine Einheit der öffentlichen Hand im Zusammenhang mit ihrer Geldleistung einen individuellen verbrauchbaren Vorteil er­ langt oder nicht. Im ersten Fall liegt schon weder ein Zuschuss noch eine Subvention im eigentlichen Sinne vor, denn die Zahlung an den Unter­ nehmer dient der eigenen Inanspruchnahme einer Leistung. Hier ist es zugunsten der Rechtssicherheit des Unternehmers vorzugswürdig, dass dieser wie gewohnt einen solchen typischen Fall der Leistungserbrin­ gung gegen Entgelt der Besteuerung unterwirft. In allen anderen Fällen sollte der Unternehmer hingegen die Zahlung einer Einheit der öffentli­ chen Hand als nicht steuerbares Entgelt vereinnahmen können.

1760 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 144; so grundsätzlich auch in Australien, vgl. Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (158 f.); Peeters/Stas, The VAT Treatment of Subsidies – An Evergreen De­ bate, in: Arendonk et al., Essays in honour of Han Kogels, S. 137 ff.; vgl. zur steu­ erlichen Behandlung von staatlichen Zuschüssen und Subventionen oben unter B. IV. 3. 1761 Vgl. Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (146 f.), die aus diesem Grund alle staatlichen Subventionen der Besteuerung unterwerfen möchten. Dieser Vor­ schlag beruht maßgeblich darauf, dass die öffentliche Hand auch insoweit einen Vorsteuerabzug erlangt.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Als Zuschuss bzw. Subvention gilt danach folglich jede Geldleistung, die von einer Einheit der öffentlichen Hand aus öffentlichen Mitteln an ei­ nen Unternehmer ohne den Zweck der Erlangung einer individuellen Gegenleistung zahlt. Hierdurch ist es für die Besteuerung unerheblich, ob die öffentliche Geldleistung als Entgelt von dritter Seite zugunsten eines Leistungsempfängers oder aber als echter Zuschuss zur Unterstüt­ zung des Unternehmers selbst erfolgt. In beiden Fällen unterliegt die Zahlung an den Unternehmer keiner Besteuerung und die bisher inso­ weit erforderliche Abgrenzung entfällt.1762 Als formale Voraussetzung könnte in eine besondere Regelung zudem noch aufgenommen werden, dass die einen Zuschuss oder eine Subvention gewährende Einheit der öffentlichen Hand gegenüber dem Unternehmer bestätigen muss, von diesem keine Leistung für eigene Zwecke erhalten zu haben.1763 Eine andere Möglichkeit wäre es, aus Vereinfachungsgründen alle Geld­ leistungen der öffentlichen Hand an einen Unternehmer der Besteuerung zu unterwerfen und gleichzeitig der öffentlichen Hand die Möglichkeit einzuräumen, die dann bei diesen Zahlungen enthaltene Umsatzsteuer im Rahmen eines besonderen Vorsteuerabzugsrechts erstattet zu bekom­ men.1764 Durch diese Möglichkeit käme es zu einem vergleichbaren ­Ergebnis. Allerdings erscheint wegen der fehlenden Generierung von ef­ fektiven Steuereinnahmen durch die Belastung von staatlichen Subven­ tionszahlungen die erste Variante vorzugswürdig. Des Weiteren würde die umfassende Behandlung staatlicher Subventionen als Entgelt für eine umsatzsteuerliche Leistung eine Ausweitung des umsatzsteuerlichen Anwendungsbereichs über die grundsätzlich gebotene Begrenzung des Anwendungsbereichs hinaus bewirken.1765 Aus steuerpolitischen Grün­ den könnte für die erste Variante zudem sprechen, dass ihre Umsetzung keiner weiteren Änderungen für den Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand bedürfte. Als Zielvorgabe für die umsatzsteuerliche Behandlung von staatlichen Zuschüssen und Subventionen von einer Einheit der öffentlichen Hand gilt hier daher, dass diese grundsätzlich nicht als umsatzsteuerliches Ent­ 1762 Vgl. zur bisher erforderlichen Unterscheidung oben unter B. IV. 3. 1763 Als Nebeneffekt einer grundsätzlichen Nichtbesteuerung von staatlichen Sub­ ventionszahlungen ist allerdings zu beachten, dass es dadurch für die öffentliche Hand grundsätzlich günstiger ist, selbst den Preis für eine Leistung an eine ande­ re Person direkt an den Unternehmer zu zahlen, als der begünstigten Person den für die Inanspruchnahme der Leistung erforderlichen Geldbetrag auszuzahlen. Denn im letzteren Fall müsste die Transferleistung eine anfallende Umsatzsteu­ er beinhalten, während im ersten Fall die Umsatzsteuer nicht anfiele; vgl. hierzu Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (162). 1764 In diese Richtung Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (146 f.). 1765 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 181; Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (173 f.).

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I.  Maßgebliche Zielvorgaben

gelt für eine Leistung zu behandeln sind, soweit sie nicht der Erlangung einer umsatzsteuerlichen Leistung für eigene Zwecke dienen. 2. Wettbewerbsgleichheit Die Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt sowie die regel­ mäßige steuerliche Belastung ihrer Ausgangsleistungen führen dazu, dass die öffentliche Hand umsatzsteuerlich grundsätzlich wie ein priva­ ter Wirtschaftsteilnehmer behandelt wird. Gleichwohl zeigen die erfor­ derlichen Ausnahmen von der Besteuerung, die im Rahmen einer Re­ form zu berücksichtigen wären, dass die öffentliche Hand nicht mit allen ihren Tätigkeiten der Umsatzsteuer unterliegen sollte. Mit jeder Aus­ nahme entsteht wiederum die Gefahr einer umsatzsteuerlichen Un­ gleichbehandlung zwischen privaten und öffentlichen Wirtschaftsteil­ nehmern. Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen hat eine Reform zu gewährleisten, dass durch die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand keine nachteilige Wettbewerbssituation privater Wirtschaftsteilnehmer entsteht. Aus unionsprimärrechtlicher Sicht folgt diese Vorgabe bereits aus dem Grundrecht auf Wettbewerbsfreiheit nach Art. 16 EU-GrCh1766 in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichbehand­ lungsgrundsatz1767 des Unionsrechts.1768 Das Gebot der Wettbewerbsgleichheit wird darüber hinaus im gegenwär­ tigen Recht im Neutralitätsgrundsatz der Umsatzsteuer aufgegriffen. So­ weit sich dieser als Ausgestaltung und Konkretisierung des Gebotes der Wettbewerbsgleichheit und des allgemeinen Gleichbehandlungsgrund­ satzes darstellt, ist für die Zwecke einer Reform auf die entsprechenden Vorgaben des mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsgrundsatzes zu­ rückzugreifen.1769 Danach sollen insbesondere vergleichbare Umsätze auch einer vergleichbaren umsatzsteuerlichen Behandlung zu unterlie­ gen haben.1770 Für die Frage der steuerlichen Belastung kommt es nur auf den Umsatz selbst an, nicht aber zum Beispiel darauf, wer diesen ausübt. Vor diesem Hintergrund stellte insbesondere eine Anknüpfung an die Rechtsform des Leistungserbringers einen Widerspruch zu diesem Inhalt 1766 Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 22.1.2013 – Rs. C-283/11 (Sky Österreich), EU:C:2013:28, Rz. 42; hierzu Sasse, EuR 2012, 628 f.; Jarass, EU-GrCh, Art. 16 Rz. 9. 1767 Vgl. Art. 20 – 26 EU-GrCh; Jarass, EU-GrCh, Art. 20 Rz. 1 ff. 1768 Für das nationale Recht ergibt sich das Gebot der wettbewerbsneutralen Ausge­ staltung des Umsatzsteuerrechts aus Art. 3 I und 12 I GG, vgl. hier nur Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuerrecht, S. 27 ff.; oben un­ ter C. I. 2. 1769 Vgl. zur unionsprimärrechtlichen Dimension des Neutralitätsgrundsatzes oben unter A. I. 3. 1770 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.11.2011 – Rs. C-259/10 (The Rank Group), EU:C:2011:719, Rz. 32; Urt. v. 11.9.2014 – Rs. C-219/13 (K), EU:C:2014:2207, Rz. 24; Reiß, DStJG 32 (2009), S. 9 (14 f.); oben unter A. I. 3.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

des Neutralitätsgrundsatzes dar. Für die Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand ergibt sich damit die Zielvorgabe, dass vergleichbare Umsätze, die sowohl von privaten als auch von öffent­ lich-rechtlichen Wirtschaftsakteuren ausgeübt werden, einer vergleich­ baren steuerlichen Behandlung ausgesetzt sind. Des Weiteren führt das in der Wettbewerbsgleichheit verankerte Gebot der Gleichbehandlung von Umsätzen dazu, dass die Empfänger vergleich­ barer Leistungen auch einer vergleichbaren steuerlichen Last ausgesetzt werden. Auf diesem Weg schützt dieses Prinzip nicht nur vor Ungleich­ behandlungen von Leistungserbringern mit möglicherweise wettbe­ werbsverzerrenden Wirkungen, sondern dient durch eine Gleichbehand­ lung der Leistungsempfänger auch der Verwirklichung des Grundsatzes der gleichmäßigen Besteuerung.1771 Somit ist im Rahmen einer Reform auch das Ziel zu verfolgen, Umsätze unabhängig von Eigenschaften der Person des Leistungserbringers zu be­ lasten. Konkret bedeutetet dies zum Beispiel, dass Steuerbefreiungen oder auch Steuermäßigungen grundsätzlich sowohl für private als auch öffentliche Leistungserbringer zu gelten haben. Diese Vorgabe dürfte vor allem im Zusammenhang mit dem Gebot der steuerlichen Verschonung von existenziellen Konsumaufwendungen relevant sein. Denn ange­ sichts der Bedeutung, den die öffentliche Hand mit bestimmten Tätig­ keiten im Bereich der Daseinsvorsorge einnimmt,1772 liegt die Idee nahe, anstelle oder ergänzend zu einer sachlichen Umschreibung der zu befrei­ enden Leistungen, an die Rechtsform einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Indiz für das Vorliegen von existenziellen Konsumaufwendun­ gen anzuknüpfen.1773 Dies widerspräche jedoch zum einen einer folge­ richtigen Ausgestaltung des Verbrauchsteuerprinzips. Denn damit wird gerade nicht auf die Person des zu entlastenden Steuerträgers und auch nicht allein auf die maßgebliche Leistung und ihrer existenziellen Bedeu­ tung abgestellt.1774 Außerdem weisen die persönlichen Verhältnisse des Leistungserbringers, welche als Abgrenzungskriterium dienen, in der Re­ gel keinerlei Bezug zu der Steuerbefreiung und den sie tragenden Recht­ fertigungsgedanken auf.1775 Zum anderen spricht die Anknüpfung an die persönlichen Verhältnisse des Leistungserbringers im Fall einer indirek­ 1771 Vgl. Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (20); hierzu oben unter A. I. 3. 1772 Vgl. hierzu Häck, Die öffentliche Hand im Körperschaft- und Umsatzsteuer­ recht, S. 27 f.; Park, Die Steuerpflicht von Daseinsvorsorgeeinrichtungen der öf­ fentlichen Hand, S. 1 ff. 1773 Vgl. z. B. die Steuerbefreiungen aus Gründen des Gemeinwohls in Art. 132 lit. b, g, h, i, n, q MwStSystRL. 1774 Vgl. zu den Anforderungen an die Ausgestaltung einer Steuerbefreiung Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 199 ff. 1775 Ebenda.

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I.  Maßgebliche Zielvorgaben

ten Steuer für eine beabsichtigte Begünstigung zu dessen Gunsten und nicht zum Vorteil für den Verbraucher als Steuerträger.1776 Soweit also eine Steuerbefreiung an die Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Ein­ richtung knüpft, wird hierdurch die Gefahr der Bevorzugung der öffentli­ chen Hand und der Benachteiligung privater Wirtschaftsteilnehmer be­ gründet. Folglich sind im Rahmen einer Reform der umsatzsteuerlichen Behandlung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand mit Blick auf das Gebot der Wettbewerbsgleichheit insbesondere die Befreiungsvor­ schriften rechtsformneutral auszugestalten. 3. Keine Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerträgerin Intendierter Steuerträger der Umsatzsteuer ist der private Endverbrau­ cher.1777 Im Umkehrschluss steht jede endgültige Belastung eines Leis­ tungsbezugs, der nichtprivaten Zwecken dient, grundsätzlich nicht im Einklang mit der im Rahmen der Umsatzsteuer getroffenen Belastungs­ entscheidung. Die öffentliche Hand verfolgt und erfüllt mit ihren Ein­ richtungen öffentliche Interessen und Aufgaben und folglich gerade kei­ ne eigenen privaten Zwecke. Aus Sicht der Umsatzsteuer scheidet sie damit als Trägerin der steuerlichen Belastung aus.1778 Folglich muss für die öffentliche Hand, soweit ein Leistungsbezug umsatzsteuerlich belas­ tet ist, die Möglichkeit zum Ausgleich bestehen. Für ein Reformvorha­ ben ergibt sich daraus die Zielrichtung, dass eine endgültige steuerliche Belastung auf der Eingangsseite einer Tätigkeit der öffentlichen Hand grundsätzlich zu vermeiden ist.1779 4. Effiziente Steuererhebung Neben den vorgenannten umsatzsteuerspezifischen Zielvorgaben stellt für die Erarbeitung und Bewertung von möglichen Reformmodellen der Aspekt einer effizienten Steuererhebung ein allgemeines Ziel dar, wel­ ches zu berücksichtigen ist. So führt diese zu einer Minderung der mit der Erfüllung von steuerlichen Pflichten verbundenen Kosten und senkt damit die Belastung der öffentlichen Hand. Dieser Effekt ist sowohl aus allgemeiner staatsökonomischer Sicht als auch aus Sicht des Bürgers, der 1776 Ebenda. 1777 Vgl. hier nur Kirchhof, DStR 2008, 1 (2 f.); ausführlich oben unter A. I. 2. 1778 So auch Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsum­ sätze, S. 260; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 273 f.; Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (146); de la Feria, Intertax 2009, 148 (159); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 60; Hüttemann, FR 2009, 308 (314); Kirchhof, Umsatzsteuergesetzbuch, S. 22; Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (364). 1779 Vgl. zur Kritik an der gegenwärtigen grundsätzlichen Gleichstellung der öffentli­ chen Hand mit einem privaten Endverbraucher oben unter C. II. 1. a).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

die finanzielle Ausstattung des Staates letztlich zu tragen hat, erstre­ benswert. Aus diesem Grund sollten die Regelungen zur umsatzsteuerli­ chen Behandlung der öffentlichen Hand sowohl klar verständlich als auch rechtssicher und praktikabel ausgestaltet sein. In diesem Fall sind sie grundsätzlich einer einfachen Rechtsanwendung zugänglich und mit geringem fachlichen Beratungsbedarf verbunden. Neben dem Ziel der Minderung der Rechtsanwendungskosten auf Seiten der öffentlichen Hand ist zu berücksichtigen, dass die Regelungen auch Bedeutung für private Rechtspersonen erlangen können, soweit diese zu deren Gunsten eine Schutzwirkung entfalten. Denn ein Schutz durch rechtliche Vorgaben wirkt grundsätzlich umso besser, je mehr sie den zuvor genannten Anforderungen an eine steuereffiziente Regelung ent­ sprechen und desto weniger komplizierte und komplexe Rechtsfragen im Rahmen ihrer Anwendung zu beantworten sind. Als warnendes Beispiel kann an dieser Stelle auf die Wettbewerbsklausel des Art. 13 Abs. 1 Un­ terabs. 2 MwStSystRL verwiesen werden.1780 Darüber hinaus kommt es einer effizienten Steuererhebung zugute, wenn die Regelungen einen ge­ ringen Anreiz zur Umgehung durch eine kreative Steuergestaltung her­ vorrufen und ihre Ziele auf möglichst direktem Wege verfolgen. Vor diesem Hintergrund gilt als weitere Zielvorgabe für eine Reform, dass die Regeln zur umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand insgesamt so einfach wie möglich angewendet und befolgt werden können und für die öffentliche Hand mit geringen administrativen Kos­ ten infolge der zu erfüllenden steuerlichen Pflichten einhergehen. 5. Wirtschaftliche Folgen der Zielvorgaben Eine Reform der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung der öf­ fentlichen Hand wäre nicht nur mit rechtlichen Veränderungen verbun­ den, sondern würde angesichts der ökonomischen Bedeutung, die der Staat mit seinem Handeln gegenwärtig einnimmt, auch dahingehend Auswirkungen entfalten. Wegen der Komplexität und Diversität staatli­ chen Handelns mit Bedeutung für die Wirtschaft lassen sich konkrete Aussagen über die Auswirkungen von möglichen Reformmodellen nur schwer treffen.1781 Gleichwohl soll im Folgenden untersucht werden, welche wirtschaftlichen Folgen bei Umsetzung der zuvor genannten Zielvorgaben zumindest in der Tendenz zu erwarten sind. Auf dieser Grundlage lässt sich dann bei der folgenden Bewertung und Beurteilung 1780 Vgl. hierzu ausführlich oben A. II. 2. c) cc). 1781 Vgl. Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (331); für eine ausführliche Untersuchung der wirtschaftlichen Zusammenhänge vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 166 ff.; Gendron, Tax Law Review, Vol. 63 (2009–2010), 477 ff.

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I.  Maßgebliche Zielvorgaben

von Reformmodellen bzw. von einzelnen konkreten Reformvorschlägen zumindest eine tendenzielle Aussage darüber treffen, welche wirtschaft­ lichen Auswirkungen mit der Umsetzung verbunden wären. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen, die sich aus der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand er­ geben.1782 a) Folgen einer Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt und einer Gewährleistung von Wettbewerbsgleichheit Die Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt sowie die damit verbundene regelmäßige steuerliche Belastung ihrer Ausgangsleistungen führt im Vergleich zur bestehenden weitgehenden Befreiung von der Um­ satzsteuer zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs. Eine Umset­ zung dieser Zielvorgabe dürfte folglich grundsätzlich insoweit zu einer Erhöhung des Umsatzsteueraufkommens führen, als dass Leistungen an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher erbracht wer­ den.1783 Mit der Ausweitung der steuerlichen Belastung wäre aber auch eine Verteuerung der öffentlich angebotenen Leistungen verbunden.1784 Dies hätte wiederum grundsätzlich zur Folge, dass die Nachfrage sinkt.1785 Als Folge davon bedürfte es im öffentlichen Sektor zur Ausübung der Tätigkeiten grundsätzlich weniger Personal.1786 Hinzu käme, dass in den betroffenen Bereichen die Bereitschaft der öffentlichen Hand zur Vornah­ me von Investitionen abnimmt, denn die Aussicht auf deren Amortisie­ rung schwindet ebenfalls mit sinkender Nachfrage.1787 Neben der Erweiterung des Anwendungsbereichs sollte ein Reformmo­ dell den Anforderungen des Grundrechts auf Wettbewerbsgleichheit ge­ recht werden und folglich vergleichbare Tätigkeiten von öffentlichen und privaten Anbietern umsatzsteuerlich gleich behandeln. Diese würde zumindest in Bezug auf die steuerliche Belastung grundsätzlich zu glei­ chen Wettbewerbsbedingungen für private und öffentliche Wirtschafts­ teilnehmer führen und auf einer Ungleichbehandlung beruhende Wettbe­ werbsverzerrungen grundsätzlich vermeiden. Dieses Ziel wird durch die gegenwärtige Rechtslage nur eingeschränkt erreicht.1788 Folglich dürfte es mithilfe eines Reformmodells, welches eine steuerliche Wettbewerbs­ 1782 Vgl. zur gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand aus ökonomischer Sicht oben unter C. I. 3., C. II. 3. 1783 Copenhagen Economics/KPMG, Mehrwertsteuer im öffentlichen Sektor (2011), S. 26; Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 199 f., 232. 1784 Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 201 f., 208, 233; Schmitz/Möser, UR 2014, 607 (617). 1785 Copenhagen Economics, a. a. O., S. 203. 1786 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 13, 206. 1787 Copenhagen Economics, a. a. O., S. 204, 230. 1788 Vgl. oben unter C. I. 1.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

gleichheit gewährleistet, privaten Wirtschaftsteilnehmern leichter fal­ len, in Marktbereiche einzudringen, die gegenwärtig von öffentlichen Anbietern dominiert werden.1789 Diese Ausweitung der Tätigkeit des pri­ vaten Sektors würde grundsätzlich mit einem Anstieg der Beschäftigung einhergehen.1790 Des Weiteren wäre mit dem Markteintritt die Notwen­ digkeit bzw. der Bedarf an privaten Investitionen verbunden, welche sich als steigende Nachfrage gesamtwirtschaftlich positiv niederschlagen würden.1791 Die steigende Nachfrage würde vor allem wiederum zu ei­ nem Anstieg der Beschäftigung im privaten Sektor führen.1792 Darüber hinaus ist wegen des nunmehr bestehenden bzw. zunehmenden Wettbe­ werbs eine allgemeine Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität bzw. Effizienz zu erwarten.1793 Die Ausweitung des Anwendungsbereichs sowie die grundsätzliche Gleichbehandlung von Tätigkeiten dürfte mit einer im Vergleich zur bis­ herigen Rechtslage deutlichen Minderung der Sonderregeln zur steuer­ lichen Behandlung der öffentlichen Hand über Einschränkungen und Ausnahmen von der Besteuerung verbunden sein. Es ist demnach zu er­ warten, dass sich infolge der damit abnehmenden Komplexität die Rechtsanwendung vereinfacht, wodurch sich die administrativen Kosten und vor allem Rechtsberatungsaufwendungen verringern dürften.1794 So­ mit besteht bei Verfolgung dieser Ziele die berechtigte Erwartung, dass ein entsprechendes Reformmodell gleichzeitig zu einer effizienteren Steuererhebung führt. b) Folgen einer Beseitigung der Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerträgerin Nach der gegenwärtigen Rechtslage wird die öffentliche Hand weitge­ hend wie ein privater Endverbraucher als Steuerträgerin behandelt.1795 Eine Reform ihrer umsatzsteuerlichen Behandlung sollte jedoch darauf abzielen, sie keiner endgültigen steuerlichen Belastung auszusetzen. Die Beseitigung der endgültigen Belastung mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer bedeutet1796 für die öffentliche Hand zunächst eine Minderung der mit

1789 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 204, 230; Tait, Value Added Tax, S. 78. 1790 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 206, 231 f. 1791 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 230. 1792 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 202, 220 f. 1793 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 42; Gendron, Tax Law Review 63 (2009– 2010), 477 (483); Tait, Value Added Tax, S. 78. 1794 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 209. 1795 Vgl. hierzu insb. oben unter C. I. 1. 1796 Vgl. zu den Folgen, die im Folgenden dargestellt werden, Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 217 ff.

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I.  Maßgebliche Zielvorgaben

der Ausübung ihrer Tätigkeiten verbundenen Kosten.1797 So muss diese zum einen in geringerem Umfang öffentliche Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben verwenden. Zum anderen handelt es sich bei der Vorsteuer nicht mehr um einen Kostenfaktor, den es im Rahmen einer Preiskalku­ lation zu berücksichtigen gilt. Soweit die öffentliche Hand demnach ent­ geltliche Leistungen erbringt, besteht infolge der Beseitigung der Vor­ steuerbelastung die Möglichkeit, die Preise für ihre Leistungen zu senken. Vor dem Hintergrund, dass die öffentliche Hand in der Regel öf­ fentliche Interessen verfolgt und die Erzielung eines Gewinns von unter­ geordneter Bedeutung ist, kann auch grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass dieser Kostenvorteil an die Kunden weitergegeben wird. Insgesamt dürfte eine Verfolgung dieser Zielrichtung folglich zu einer Minderung der Preise für öffentliche Leistungen führen.1798 Hierbei ist jedoch die Wechselwirkung mit den wirtschaftlichen Folgen einer Aus­ weitung der steuerlichen Belastung von Ausgangsleistungen der öffentli­ chen Hand zu berücksichtigen. Denn diese führt grundsätzlich zu höhe­ ren Preisen.1799 Die Frage, ob es im Ergebnis zu steigenden oder sinkenden Preisen von öffentlichen Leistungen kommt, lässt sich danach nur mit Blick auf die erforderlichen Eingangsleistungen und deren Verhältnis zu den Ausgangsleistungen beantworten.1800 Die endgültige Belastung mit Vorsteuern, wie es nach der gegenwärtigen Rechtslage der Fall ist, führt zu erheblichen Verzerrungen bei der Ent­ scheidung der öffentlichen Hand über den Bezug von Fremdleistungen.1801 So konkurriert hierbei die Höhe des Selbstkostenpreises der öffentlichen Hand mit dem Bruttopreis des potentiellen Fremdanbieters, wodurch die öffentliche Hand selbst bei ineffizienterer Ausübung der konkreten Auf­ gabe Geld sparen kann. Hat die öffentliche Hand demnach keine endgül­ tige steuerliche Belastung zu befürchten, entfällt dieser aus wirtschaftli­ cher Sicht bestehende Fehlanreiz.1802 Bei vollständiger Entlastung würde damit die steuerliche Belastung von Eingangsleistungen bei der Entschei­ dung über den Bezug von Fremdleistungen keine Relevanz besitzen und sich insgesamt als entscheidungsneutral erweisen. Eine solche Aus­ gangslage würde sich im Verhältnis zur bestehenden Rechtslage zumin­ dest in der Tendenz insbesondere auf die Effizienz, die Investitionsbereit­ schaft sowie die Beschäftigung im öffentlichen wie im privaten Sektor auswirken. 1797 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 219. 1798 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 222. 1799 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 233. 1800 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 208 f. 1801 Vgl. Amand, IVM 2006, 433 (435); für den Fall der Einführung eines Refund­ systems Copenhagen Economics, a. a. O., S. 219; KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 14; vgl. dazu oben unter C. II. 3. 1802 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 197.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Zunächst dürfte das Entfallen des finanziellen Vorteils einer Selbstver­ sorgung dazu führen, dass die Eigenleistungen der öffentlichen Hand zunehmend in einem verschärften Wettbewerb mit Fremdleistungen ­ von privaten Wirtschaftsteilnehmern stehen. Es ist zu erwarten, dass es durch diesen Wettbewerb insgesamt zu einer effizienteren Aufgabener­ füllung durch die öffentliche Hand kommt.1803 Denn entweder werden unter dem Preisdruck die Eigenleistungen kosteneffizienter ausgeübt oder aber auf die preiswerteren Fremdleistungen zurückgegriffen. Weiter­ hin dürfte es die Effizienz des Handelns ebenfalls steigern, dass die öf­ fentliche Hand nunmehr verstärkt die Ausübung von Tätigkeiten ohne finanzielle Einbußen outsourcen und sich damit gleichzeitig auf ihre ei­ gentlichen Kernaufgaben konzentrieren kann. Im privaten Wirtschafts­ sektor führte ein Abbau des finanziellen Hemmnisses für die öffentliche Hand, Tätigkeiten outzusourcen, zu einer stärkeren Nachfrage. Diese Folge wiederum bedeutet grundsätzlich in den betroffenen Wirtschafts­ bereichen einen steigenden Wettbewerb und wegen des damit verbunde­ nen Innovationsdrucks entsprechende Effizienzsteigerungen.1804 Weiterhin steigt mit dem Innovationsdruck grundsätzlich die Bereit­ schaft der privaten Wirtschaftsteilnehmer, Investitionen zu tätigen.1805 Aber auch bei der öffentlichen Hand, deren Investitionskosten sich mit­ tels der Beseitigung der endgültigen Vorsteuerbelastung mindern, ist ein Anstieg bei der Bereitschaft zur Vornahme von Investitionen zu erwar­ ten.1806 Wegen des danach anzunehmenden Anstiegs der allgemeinen In­ vestitionsbereitschaft im privaten wie im öffentlichen Sektor ist insge­ samt ein positiver Effekt für die Wirtschaft der Mitgliedstaaten zu vermuten. Dieser dürfte sich gerade in einem Anstieg in der Beschäfti­ gung im privaten Sektor niederschlagen.1807 Aber auch durch die gestiege­ ne Nachfrage seitens der öffentlichen Hand ist von einem Anstieg der Beschäftigung im privaten Sektor auszugehen. Eine gegenläufige Ten­ denz ist jedoch für den öffentlichen Sektor zu erwarten.1808 Denn mit zunehmendem Fremdleistungsbezug und rückgängiger Ausübung von Eigenleistungen dürfte es zu einer Minderung der Beschäftigung im öf­ fentlichen Sektor kommen. 1803 Vgl. hierzu Copenhagen Economics, a. a. O., S. 206 f., 221; allgemein von einer Effizienzsteigerung für das Handeln der öffentlichen Hand ausgehend de la Feria, Intertax 2009, 148 (160); Gendron, Tax Law Review, Vol. 63 (2009–2010), 477 (491); Wassenaar/Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377. 1804 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 219; allgemein zu den wirtschaftlichen Vorteilen des Outsourcens Wassenaar/Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (378 ff.). 1805 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 205, 219 f. 1806 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 219 f. 1807 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 219. 1808 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 13, 219.

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II.  Der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer von Paul Kirchhof

Eine im Verhältnis zur bestehenden Rechtslage weitergehende Entlas­ tung der öffentlichen Hand von der Vorsteuerbelastung begründet zu­ nächst einmal einen erheblichen finanziellen Aufwand. Dieser kann sich zum einen in einer Minderung des Umsatzsteueraufkommens wegen ei­ ner Erhöhung des Vorsteueranspruchs der öffentlichen Hand auswirken. Zum anderen könnte das Umsatzsteueraufkommen grundsätzlich un­ verändert bleiben und ein Ausgleichsmechanismus zugunsten der öffent­ lichen Hand außerhalb der Umsatzsteuer finanziert werden. In beiden Fällen käme es zu einer erheblichen finanziellen Belastung für den öf­ fentlichen Haushalt. Dieser steht jedoch im gleichen Umfang einer Ein­ sparung der erforderlichen finanziellen Ausstattung der einzelnen Ein­ heiten der öffentlichen Hand gegenüber. Hinzu kämen die Einsparungen im öffentlichen Bereich durch den geringeren Personalbedarf sowie der erzielten Effizienzrenditen. In der Theorie ergäbe sich damit nicht nur eine neutrale Auswirkung auf den Staatshaushalt, sondern eine Umset­ zung der Zielvorgaben würde sogar einen Überschuss generieren. Der Theorie steht jedoch zum einen gegenüber, dass die Entlastungswirkung in unterschiedlichem Umfang bei den einzelnen Einheiten der öffent­ lichen Hand anfallen wird, während die finanzielle Belastung vor allem die am Umsatzsteueraufkommen partizipierenden staatlichen Ebenen treffen würde. So ist zum Beispiel in Deutschland angesichts der fein­ gliedrigen föderalen Staatsstruktur und der Vielzahl an Einheiten der öffentlichen Hand nicht zu erwarten, dass sich eine Beseitigung der ­ ­Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand für alle ihre Einheiten ein­ kommensneutral umsetzen ließe. Vielmehr würde es zumindest für eine Übergangszeit für den gesamtstaatlichen Haushalt zu einer hohen finan­ ziellen Belastung kommen.1809

II. Der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer von Paul Kirchhof Im Jahr 2008 hat die von Paul Kirchhof geleitete Forschungsstelle Bundessteuergesetzbuch mit dem Umsatzsteuergesetzbuch (UStGB)1810 ei­ nen Vorschlag zur Reform der Umsatzsteuer vorgelegt, welcher auch Ein­ zug in das 2011 vorgelegte Bundessteuergesetzbuch (BStGB)1811 gefunden hat. Der Reformvorschlag verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz zur Änderung des Umsatzsteuerrechts und umfasst nicht nur eine Alternati­ ve zur gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand. Gleichwohl wird diese besondere Thematik speziell aufgegriffen 1809 Vgl. Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (365). 1810 Kirchhof, UStGB. 1811 Kirchhof, BStGB; aus Gründen der Lesbarkeit werden im Fließtext ausschließ­ lich die Normen des UStGB verwendet und in den Fußnoten auf die entsprechen­ den Normen und Fundstellen des BStGB verwiesen.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

und eine Umsetzung des Reformvorhabens würde zu wesentlichen Än­ derungen im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage führen.1812 Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden in einem ersten Schritt unter­ sucht werden, wie die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand nach dem Reformvorschlag erfolgen würde. In einem zweiten Schritt wird dann kurz auf die maßgeblichen Vorgaben des Unionsrechts und des nationalen Rechts eingegangen, die für eine Umsetzung des Vor­ schlags von besonderer Relevanz wären. Abschließend wird der Vor­ schlag unter besonderer Berücksichtigung der oben genannten Zielvorga­ ben bewertet. 1. Die Behandlung der öffentlichen Hand im Umsatzsteuergesetzbuch Der Vorschlag von Kirchhof sieht zunächst in § 1 UStGB1813 eine Neude­ finition des der Besteuerung unterliegenden Umsatzes vor. Neben dem Inlandsbezug wird der Regelfall eines umsatzsteuerlichen Umsatzes in § 1 Nr. 1 UStGB als Leistung, die ein Unternehmer an Verbraucher gegen Entgelt erbringt definiert. Davon ausgehend werden in § 2 UStGB1814 der Begriff des Unternehmers und in § 3 UStGB1815 der Begriff des Verbrau­ chers bestimmt. Dabei handelt als Unternehmer, wer selbständig eine Einkunftsquelle planmäßig zur Erzielung von Entgelten am Markt nutzt. In Abgrenzung zum Unternehmerbegriff wird ein Handeln als Verbrau­ cher angenommen, wenn eine Leistung für andere als unternehmerische Zwecke erworben wird. Auf Grundlage dieser Rollenverteilung soll im Folgenden zunächst ge­ klärt werden, inwieweit die öffentliche Hand als Unternehmerin dem Recht des Umsatzsteuergesetzbuches unterliegt. Daraufhin ist zu erör­ tern, welche Folgen sich ergeben, soweit die öffentliche Hand nicht als Unternehmerin zu behandeln ist. Den Abschluss bildet eine Erörterung der besonderen Rolle der Verwaltungseinheit, welche die öffentliche Hand noch im Umsatzsteuersystem der Reformvorlage einnehmen kann. a) Die öffentliche Hand als Unternehmerin In dem Reformvorschlag findet sich keine Einschränkung für die Unter­ nehmereigenschaft der öffentlichen Hand.1816 Vielmehr wird in § 4 S. 2 UStGB1817 angeordnet, dass diese unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1

1812 Vgl. § 4 UStGB; § 104 BStGB. 1813 § 101 BStGB. 1814 § 102 BStGB. 1815 § 103 BStGB. 1816 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 54; ders., BStGB, S. 835; Widmann, UR 2009, 9 (10). 1817 § 104 S. 1 BStGB.

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II.  Der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer von Paul Kirchhof

UStGB1818 Unternehmerin sein kann. Die Behandlung der öffent­lichen Hand als Unternehmerin und damit als Steuersubjekt der Umsatzsteuer richtet sich damit nach denselben Voraussetzungen, die für Privatrechts­ personen gelten.1819 Eine weitgehende Befreiung von der Unternehmer­ eigenschaft, wie sie im gegenwärtigen Recht zu finden ist, scheidet da­ mit aus. Es kommt folglich zu einer vollständigen Einbindung der unternehmerischen Tätigkeit der öffentlichen Hand,1820 so dass die steu­ erliche Belastung ihrer Ausgangsleistungen dem Regelfall entspricht. Der Grundsatz der Gleichbehandlung von öffentlich-rechtlichen und pri­ vatrechtlichen Unternehmern wird darüber hinaus ebenfalls im Rahmen der sachlichen Steuerbefreiungen in § 11 UStGB1821 umgesetzt. So be­ stimmt sich deren Anwendungsbereich grundsätzlich anhand der aus­ geübten Leistungen und nicht mit Bezug auf die Rechtsform des Leis­ tungserbringers. Somit erfolgt entgegen der gegenwärtigen Rechtslage1822 keine besondere Behandlung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand. Ein der Umsatzsteuer unterliegender Umsatz setzt nach § 1 UStGB1823 in persönlicher Hinsicht nicht nur voraus, dass die Leistung von einem Un­ ternehmer im Sinne des § 2 UStGB1824 ausgeübt wird. Sie muss darüber hinaus an einen Verbraucher erbracht werden. Daraus folgt im Um­ kehrschluss, dass eine Leistungserbringung an einen Unternehmer nicht der Besteuerung unterliegt.1825 Mit Bezug auf die Überschrift des 1. Ab­ schnitts des UStGB handelt es sich folglich bei einem Leistungs­austausch zwischen Unternehmern nicht um einen Gegenstand der Besteuerung. Dementsprechend unterliegen die Eingangsleistungen eines Unter­ nehmers keiner steuerlichen Belastung. Eines Vorsteuerabzugs, wie im geltenden Recht, bedarf es für eine steuerlich neutrale Behandlung des Unternehmers nicht. Soweit die öffentliche Hand demnach als Unter­ nehmerin im Sinne des § 2 UStGB handelt, ist sie auf der Eingangsseite grundsätzlich von vornherein keiner steuerlichen Belastung ausgesetzt. Eine allgemeine Einschränkung vom Grundsatz der Nichtbesteuerung unternehmerischer Eingangsleistungen findet sich jedoch im 2. Ab­ schnitt des UStGB. So ordnet der § 5 S. 1 UStGB1826 die Besteuerung von Leistungen zwischen Unternehmern an, wenn nicht ersichtlich ist, dass 1818 § 102 I BStGB. 1819 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 53; ders., BStGB, S. 834 f. 1820 Ebenda. 1821 § 111 BStGB. 1822 Vgl. z. B. § 4 Nr. 14 lit. b, Nr. 16 UStG sowie oben unter B. III.; Art. 132 lit. a, b, g, h, i, n und q MwStSystRL sowie oben unter A. III. 1823 § 101 BStGB. 1824 § 102 BStGB. 1825 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 34; ders., BStGB, S. 822. 1826 § 105 S. 1 BStGB.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

die Leistung ausschließlich dem unternehmerischen Handeln des Leistungsempfängers dient. Als Kriterien für ein ausschließlich unternehme­ risches Handeln sollen nach § 5 S. 2 UStGB1827 insbesondere auf die Ver­ wendung einer umsatzsteuerlichen Identifikationsnummer und die Zahlung per Banküberweisung abgestellt werden. Kommt es wegen die­ ser Einschränkung, zum Beispiel bei einer Barzahlung, zu einer steuerli­ chen Belastung der Eingangsleistung, besteht für den Leistungsempfän­ ger allerdings die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug. Für den Regelfall der Belastung des Unternehmers mit inländischer Umsatzsteuer muss dieser gem. § 8 Nr. 1 UStGB1828 für einen Vorsteuerabzug als Unternehmer ge­ handelt und die Umsatzsteuer gezahlt haben1829 sowie im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung sein.1830 Die neue Systematik des Reformvorschlags von Kirchhof sieht damit vor, die bisherige Erfassung aller Phasen der Wertschöpfung durch die Besteuerung sämtlicher Produktionsstufen für die Fälle abzuschaffen, in denen eine Leistung an einen Verbraucher anhand leicht administrativer Kriterien auszuschließen ist.1831 Das teilweise als Nullsummenspiel be­ zeichnete Vorgehen,1832 nach dem der leistende Unternehmer die Um­ satzsteuer an das Finanzamt abführt und der die Leistung empfangene Unternehmer sie erstattet bekommt, wird somit zum Ausnahmefall. Es findet nur noch Anwendung, wenn für den Unternehmer nicht ersicht­ lich ist, ob er eine Leistung an einen anderen Unternehmer erbringt. b) Die öffentliche Hand als Nichtunternehmerin Soweit die öffentliche Hand die Voraussetzungen für eine Unternehmer­ eigenschaft erfüllt, unterliegt sie als Steuersubjekt mit ihren unterneh­ merischen Tätigkeiten dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer. Ist die öffentliche Hand keine Unternehmerin im Sinne des § 2 UStGB, könnte sie als Verbraucherin im Sinne des § 3 UStGB1833 behandelt wer­ den. Denn in diesem Fall erwirbt sie keine Leistungen für unternehmeri­ sche Zwecke.1834 Allerdings ist der speziellen Regelung zur öffentlichen Hand in § 4 S. 1 UStGB1835 eindeutig zu entnehmen, dass die öffentliche 1827 § 105 S. 2 BStGB. 1828 § 108 Nr. 1 BStGB. 1829 Vgl. zum Erfordernis der bereits erfolgten Zahlung Kirchhof, UStGB, S. 112 ff.; ders., BStGB, S. 877. 1830 Vgl. zu dieser Auffangsystematik Kirchhof, UStGB, S. 80; ders., BStGB, S. 853. 1831 Ebenda. 1832 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 21; ders., BStGB, S. 814; Widmann, UR 2009, 9 (10); kritisch zu dieser Bezeichnung Homburg/Rublack, Anmerkungen zum Umsatz­ steuergesetzbuch, in: FS Lang, S. 893 (901). 1833 § 103 BStGB. 1834 Vgl. § 3 I UStGB; § 103 I BStGB. 1835 § 104 S. 1 BStGB.

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II.  Der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer von Paul Kirchhof

Hand aus Sicht des Gesetzes niemals wie ein Verbraucher handelt. Folg­ lich begründet das Handeln außerhalb des Anwendungsbereichs von § 2 UStGB grundsätzlich ihre Eigenschaft als Nichtunternehmerin. Die Stellung und die Behandlung des Nichtunternehmers sind im Um­ satzsteuergesetzbuch nicht eigenständig geregelt, sondern ergeben sich im Umkehrschluss aus dem Zusammenspiel der zuvor genannten Vor­ schriften. Auf den ersten Blick könnte aus § 1 Nr. 1 UStGB geschlussfol­ gert werden, dass die Leistungserbringung an die öffentliche Hand wie eine Leistung an einen Unternehmer nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Denn dies setzt eine Leistung an einen Verbraucher voraus. Als solcher kann die öffentliche Hand gem. § 4 S. 1 UStGB aber gerade nicht han­ deln. Allerdings unterliegt der leistungserbringende Unternehmer nach § 5 S. 1 UStGB1836 der Pflicht zur Besteuerung seiner Ausgangsleistung, wenn diese nicht ersichtlich einer unternehmerischen Tätigkeit des Leistungsempfängers dient. Bezieht die öffentliche Hand demnach eine Leistung für ihre nichtunternehmerische Tätigkeit, hat der leistende Un­ ternehmer vor diesem Hintergrund seine Leistung zwingend der Umsatz­ steuer zu unterwerfen und diese auf die öffentliche Hand als Leistungs­ empfängerin abzuwälzen. Ein Vorsteuerabzug scheidet aus, denn hierfür bedarf es gem. § 8 Nr. 1 UStGB1837 eines Handelns als Unternehmer. An dieser Eigenschaft fehlt es hier aber der öffentlichen Hand, wenn sie eine nichtunternehmerische Tätigkeit ausübt.1838 Im Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass die öffentliche Hand grund­ sätzlich als Nichtunternehmerin beim Bezug von Leistungen eines Un­ ternehmers mit der anfallenden Umsatzsteuer belastet wird. c) Die öffentliche Hand als Verwaltungseinheit Der Reformvorschlag sieht für die Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand im Fall ihres Handelns als Nichtunternehmerin eine weitgehende Ausnahme vor. Denn die öffentliche Hand ist wie ein Unternehmer um­ satzsteuerlich neutral zu behandeln, soweit sie als Verwaltungseinheit im Sinne des § 9 UStGB1839 tätig wird.1840 In Abschnitt 3 des UStGB finden sich spezielle Regelungen für die um­ satzsteuerliche Leistungserbringung an die öffentliche Hand. Nach § 9 S. 1 UStGB1841 sieht der Entwurf vor, die Leistung eines Unternehmers an die öffentliche Hand nur dann der Umsatzsteuer zu unterwerfen, wenn 1836 § 105 S. 1 BStGB. 1837 § 108 Nr. 1 BStGB. 1838 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 127; ders., BStGB, S. 887. 1839 § 109 BStGB. 1840 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 121 f.; ders., BStGB, S. 883 f. 1841 § 109 S. 1 BStGB.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Letztere nicht in ersichtlicher Weise als Verwaltungseinheit auftritt. Die Kriterien, anhand derer ein Leistungserbringer das Handeln einer Verwal­ tungseinheit erkennen kann, entsprechen den Abgrenzungsmerkmalen zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Leistungen zwischen Unter­ nehmern in § 8 UStGB1842. So wird auf die Verwendung einer umsatz­ steuerlichen Identifikationsnummer und der Zahlung mittels Banküber­ weisung abgestellt. Wie ein Unternehmer hat die Verwaltungseinheit ergänzend die Möglichkeit, eine steuerliche Belastung auf der Eingangs­ seite im Wege des Vorsteuerabzugs gem. § 10 UStGB1843 auszug­leichen.1844 Dabei obliegt es ebenfalls wie bei Unternehmern1845 gem. § 9 Nr. 2 UStGB der Finanzbehörde, einer Verwaltungseinheit eine umsatzsteuerliche Identifikationsnummer zu erteilen und im Rahmen des Verfahrens zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Verwaltungsbehörde gegeben sind. Eine Definition des Begriffs der Verwaltungseinheit findet sich in den Erläuterungen zum Reformvorschlag.1846 Danach ist eine Verwaltungs­ einheit, „wer finanziert durch Steuern öffentliche Aufgaben wahrnimmt und dabei am Rechtsverkehr im eigenen Namen teilnimmt.“1847 Das Kri­ terium der Finanzierung durch Steuern wird aus der Prämisse hergelei­ tet, dass ein sich Gegenüberstehen von Steuergläubiger und Steuerträger durch die Nichtbesteuerung der Eingangsleistung zu verhindern ist.1848 Der Begriff der Verwaltungseinheit soll dabei grundsätzlich in seinen Vo­ raussetzungen „im Wesentlichen mit dem herrschenden‚ ‚verfahrens­ rechtlichen Behördenbegriff‘ (vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG)“1849 deckungsgleich sein, jedoch nicht vollständig mit diesem übereinstimmen.1850 Als Bei­ spiele für eine Verwaltungseinheit in diesem Sinne werden Schulen, Uni­ versitäten oder die Beschaffungsstellen von Einrichtungen wie der Bun­ deswehr genannt.1851 In Abkehr vom Begriff der juristischen Person des öffentlichen Rechts im geltenden Umsatzsteuerrecht knüpft der Begriff der Verwaltungseinheit nicht formal an die Rechtsform an, sondern materiell an die ausgeübte Tätigkeit.1852 Aus diesem Grund können zum Beispiel auch juristische 1842 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 121 f.; ders., BStGB, S. 883. 1843 § 110 BStGB. 1844 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 122; ders., BStGB, S. 883; Widmann, UR 2009, 9 (13). 1845 Vgl. § 6 II S. 1 UStGB. 1846 Vgl. zum Begriff der Verwaltungseinheit ausführlich Kirchhof, UStGB, S. 122 ff.; ders., BStGB, S. 884 ff. 1847 Kirchhof, UStGB, S. 122; ders., BStGB, S. 884. 1848 Kirchhof, UStGB, S. 122 mit Verweis auf S. 76; ders., BStGB, S. 884 mit Verweis auf S. 850 f. 1849 Kirchhof, UStGB, S. 123; ders., BStGB, S. 884. 1850 Ebenda. 1851 Ebenda. 1852 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 124; ders., BStGB, S. 885.

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II.  Der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer von Paul Kirchhof

Personen des Privatrechts als Verwaltungseinheit behandelt werden, wenn sie von der öffentlichen Hand gegründet wurden, um öffentliche Aufgaben wahrzunehmen, und hierbei durch steuerliche Mittel finan­ ziert werden.1853 Ebenso fallen Beliehene grundsätzlich unter den Begriff der Verwaltungseinheit.1854 Angesichts der Tatsache, dass die Beliehenen bisher und wohl auch im Sinne des § 2 UStGB1855 als Unternehmer anzu­ sehen sind, dürfte die Eigenschaft der Verwaltungseinheit für diese aller­ dings von geringer praktischer Relevanz sein.1856 Anders läge nach dem Reformvorschlag der Fall bei Kirchen und Berufskammern.1857 Denn bei diesen handelt es sich zwar ebenfalls um Körperschaften des öffentlichen Rechts,1858 jedoch partizipieren beide nicht an dem Umsatzsteuerauf­ kommen. Bei diesen besteht damit keine Gefahr des Zusammenfallens von Steuergläubiger und Steuerträger.1859 Ein Bedürfnis zur vollständigen umsatzsteuerlich neutralen Behandlung ist folglich in Ansehung der Grundprämisse für das Konzept der Verwaltungseinheit insoweit nicht gegeben.1860 d) Zusammenfassung Zusammengefasst sieht der von Kirchhof vorgelegte Vorschlag für eine Reform der Umsatzsteuer eine umsatzsteuerliche Einbindung der öffent­ lichen Hand vor, soweit sie wirtschaftlich wie Privatrechtspersonen als Unternehmerin am Markt auftritt.1861 Diese Gleichbehandlung setzt sich auf Ebene der Steuerbefreiungen fort.1862 Gleichzeitig aber wird die öf­ fentliche Hand mit ihren nichtunternehmerischen Tätigkeiten grund­ sätzlich in Bezug auf ihre Eingangsleistungen ebenfalls wie eine Unter­ nehmerin behandelt und demnach von einer endgültigen steuerlichen Belastung freigestellt.1863 Als Abgrenzung dient hierfür der Begriff der Verwaltungseinheit. Nur soweit die öffentliche Hand weder Unterneh­ merin ist noch als Verwaltungseinheit auftritt, verbleibt eine endgültige Vorsteuerbelastung. Dies betrifft zum Beispiel das durch Beiträge finan­ zierte Handeln von Berufskammern gegenüber ihren Mitgliedern. Einge­ 1853 Ebenda. 1854 Kirchhof, UStGB, S. 123; ders., BStGB, S. 885; für eine Gleichstellung von Belie­ henen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts auch Reimer, DStJG 32 (2009), S. 325 (338 f.). 1855 § 102 BStGB. 1856 Vgl. Widmann, UR 2009, 9 (12). 1857 Vgl. hierzu Kirchhof, UStGB, S. 124 f.; ders., BStGB, S. 885 f.; Widmann, UR 2009, 9 (12). 1858 Für die Kirchen gilt dies über Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 V WRV. 1859 Kirchhof, UStGB, S. 124 f.; ders., BStGB, S. 885 f. 1860 Ebenda. 1861 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 75; ders., BStGB, S. 851. 1862 Vgl. § 11 UStGB; § 111 BStGB. 1863 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 121; ders., BStGB, S. 883.

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bunden ist dieser Ansatz zur umsatzsteuerlichen Behandlung der öffent­ lichen Hand in ein vom bisherigen System abweichendes Konzept der Ausgestaltung des Umsatzsteuerrechts, welches an die Stelle des Vor­ steuerabzugs den Grundsatz der Nichtbesteuerung eines zwischenunter­ nehmerischen Leistungsaustausches setzt. 2. Unionsrechtliche und nationalrechtliche Vorgaben Eine nationale Umsetzung des Vorschlags von Kirchhof müsste zunächst im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben und dabei allen voran den Inhalten der Mehrwertsteuersystemrichtlinie stehen.1864 Darüber hi­ naus wäre grundsätzlich zu untersuchen, ob und inwieweit neben den unionsrechtlichen Vorgaben auch nationalrechtliche und dabei insbe­ sondere verfassungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen wären. Hier­ bei ließe sich jedoch im Fall des Vorschlags von Kirchhof nicht allein auf den Untersuchungsgegenstand der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand abstellen, sondern wegen deren Einbindung in ein Ge­ samtkonzept wäre dieses als Ganzes einer entsprechenden Prüfung zu unterziehen. Allerdings zeigt sich bereits im grundlegenden Ansatz der Nichtbesteuerung zwischenunternehmerischer Leistungen, dass der Re­ formvorschlag im Widerspruch zu wesentlichen Vorgaben des Richtlini­ enrechts steht.1865 Denn damit erfolgt eine Abkehr von der steuerlichen Erfassung einer jeden Stufe der Produktionskette.1866 Die Umsetzung wäre also nur auf Ebene des Unionsrechts in Form einer geänderten Mehrwertsteuersystemrichtlinie möglich.1867 Im Rahmen eines solchen Vorgehens könnten wegen der vorrangigen Wirkung des Unionsrechts und der Bindungswirkung des Richtlinienrechts einer Umsetzung des Reformvorschlags grundsätzlich keine Vorgaben des nationalen Verfas­ sungsrechts entgegengehalten werden. Ob und inwieweit der Reformvor­ schlag von Kirchhof sich als vereinbar mit unionsprimärrechtlichen Vor­ gaben erweist, soll und kann an dieser Stelle nicht umfassend geprüft werden. In Bezug auf den Untersuchungsgegenstand spricht zumindest die weitgehende Übereinstimmung mit den maßgeblichen Zielvorga­ ben,1868 welche insbesondere in den unionsprimärrechtlichen Vorgaben des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes begründet liegen,1869 für eine Vereinbarkeit mit diesen.1870 1864 Vgl. zur Bindungswirkung oben unter A. I. 1. 1865 Vgl. Homburg/Rublack, Anmerkungen zum Umsatzsteuergesetzbuch, in: FS Lang, S. 893 (894). 1866 Vgl. hierzu den fünften Erwägungsgrund zur MwStSystRL. 1867 Vgl. Widmann, UR 2009, 9. 1868 Vgl. hierzu die Ausführungen im Folgenden. 1869 Vgl. oben unter D. I. 1. 1870 Vgl. aber z. B. zu den unionsrechtlichen Grenzen der umsatzsteuerlichen Belas­ tung von Kirchen Englisch, DStR 2011, 1092 (1095 f.).

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II.  Der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer von Paul Kirchhof

3. Bewertung Ausgehend von der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand, wie sie sich unter Maßgabe des Reformvorschlags von Kirchhof darstellen würde, soll diese im Folgenden einer Bewertung unterzogen werden. Dabei gilt es zunächst zu prüfen, ob und inwieweit mit dem Reformvorschlag den maßgeblichen Zielvorgaben entsprochen wird. Da­ raufhin gilt es, weitere in Bezug auf die steuerliche Behandlung der öf­ fentlichen Hand vorhandene vorteilhafte Aspekte aufzugreifen, die nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Zielvorgaben stehen. In einem letzten Schritt werden die Nachteile des Reformvorschlags he­ rausgearbeitet. Diese können zum einen darin bestehen, dass Probleme und Widersprüche der gegenwärtigen Rechtslage fortbestehen. Zum an­ deren ist zu untersuchen, ob durch eine Umsetzung des Reformvor­ schlags neue Nachteile entstehen würden. a) Übereinstimmungen mit den maßgeblichen Zielvorgaben Die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand nach dem Vor­ schlag von Kirchhof führt zu einer weitgehenden Verwirklichung der Zielvorgaben für die Ausgangsseite der öffentlichen Hand. So wird die öffentliche Hand ohne besondere Einschränkungen unter den gleichen Voraussetzungen wie Privatrechtspersonen als Steuersubjekt in den An­ wendungsbereich der Umsatzsteuer einbezogen. Hierdurch unterliegen ihre Ausgangsleistungen regelmäßig einer steuerlichen Belastung. Der Reformvorschlag führt damit zu einer gleichmäßigen Besteuerung von privaten Konsumaufwendungen und zu einer Verwirklichung des Ver­ brauchsteuergedankens.1871 Dabei sind entsprechend der Zielvorgaben Ausnahmen für die Besteuerung von existenziellen Aufwendungen in § 11 UStGB durch sachliche Steuerbefreiungen vorgesehen. Ob dieser Katalog zutreffend, zu eng oder zu weit gefasst ist, soll an dieser Stelle nicht weiter untersucht werden. Hervorzuheben ist jedoch, dass die Steuerbefreiungen nicht im Gegenzug die Möglichkeit der Vorsteuerent­ lastung des Leistungserbringers ausschließen, so dass es nicht zu einer verdeckten Weitergabe einer verbleibenden Vorsteuerbelastung kommen kann.1872 Neben der Zielvorgabe einer Einbeziehung der öffentlichen Hand mit ih­ ren unternehmerischen Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der Um­ satzsteuer führt der Reformvorschlag zu einer weitgehenden Wettbe­ werbsgleichheit. Denn es kommt für die Behandlung als Unternehmer 1871 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 53 f.; ders., BStGB, S. 834 f.; Hüttemann, FR 2009, 308 (313). 1872 Vgl. zu den Steuerbefreiungen Kirchhof, UStGB, S. 129 ff.; ders., BStGB, S. 888 ff.; Widmann, UR 2009, 9 (14).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

und die steuerliche Erfassung von Ausgangsleistungen nicht auf die Rechtsform, sondern nur noch auf die ausgeübte Tätigkeit an. Dement­ sprechend wird zum einen die im gegenwärtigen Recht grundsätzlich bestehende Gefahr einer Ungleichbehandlung von vergleichbaren Um­ sätzen und eine damit entstehende Verzerrung des Wettbewerbs bereits im Ansatz vermieden. Dies gilt nicht zuletzt auch in Bezug auf die im Reformvorschlag vorgesehenen sachlichen Steuerbefreiungen. Zum an­ deren führt die Gleichbehandlung zu einer gleichmäßigen steuerlichen Belastung der Verbraucher. Denn ihre Behandlung als Steuerträger ent­ scheidet sich allein anhand der erlangten Leistung, nicht aber danach, ob diese von einem öffentlich-rechtlichen oder von einem privaten Leis­ tungsanbieter erbracht wird. Aber nicht nur in Bezug auf die Ausgangsseite der öffentlichen Hand ent­ spricht der Vorschlag von Kirchhof grundsätzlich den maßgeblichen Zielvorgaben. So wird nach dem Reformvorschlag auf der Eingangsseite eine Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerträgerin weitgehend vermieden.1873 Denn zum einen unterliegt sie als Unternehmerin dem Umsatzsteuerrecht. Wegen der Nichtbesteuerung des Leistungsaustau­ sches zwischen Unternehmern bleibt die öffentliche Hand in diesen Fäl­ len grundsätzlich von einer steuerlichen Belastung verschont. Zum an­ deren sieht der Reformvorschlag ein gesondertes Befreiungsinstitut für die öffentliche Hand vor. Denn soweit diese als Verwaltungseinheit auf­ tritt, wird sie wie ein Unternehmer behandelt.1874 In diesem Fall unter­ bleibt ebenfalls eine steuerliche Belastung der in Anspruch genommenen Leistung eines anderen Unternehmers. Die öffentliche Hand wird damit beim Auftreten als Verwaltungseinheit nicht über die Besteuerung von Eingangsleistungen als Trägerin der Umsatzsteuer behandelt. Soweit die öffentliche Hand damit die Voraussetzungen entweder eines Unterneh­ mers oder einer Verwaltungseinheit erfüllt, unterbleibt eine endgültige Vorsteuerbelastung. In einem entsprechenden Umfang werden hierdurch die im gegenwärtigen System bestehenden Verwerfungen vermieden. So kommt es insbesondere nicht zu einem Kaskadeneffekt, in dem die öf­ fentliche Hand nicht abzugsfähige Vorsteuer verdeckt mit dem Preis an Unternehmer als Leistungsempfänger weitergibt. Des Weiteren wird mit dem Reformvorschlag die Zielvorgabe einer effi­ zienten Steuererhebung verwirklicht. Dies liegt insbesondere daran, dass der Reformvorschlag aufwendige Anwendungsfragen des geltenden Rechts beseitigt. So entfällt die Einschränkung für die Unternehmerstellung der öffentlichen Hand und damit auch die in diesen Fällen erforderliche Prü­ 1873 So auch das erklärte Ziel des Reformvorschlags, vgl. Kirchhof, UStGB, S. 121 ff.; ders., BStGB, S. 883 f. 1874 Vgl. § 4 S. 1 UStGB; § 104 S. 1 BStGB.

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II.  Der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer von Paul Kirchhof

fung des Wettbewerbsvorbehalts.1875 Zudem gewährleistet die weitgehen­ de steuerliche Freistellung von Eingangsleistungen der öffentlichen Hand, dass die sehr streitanfällige Vornahme einer Aufteilung des Vorsteuerab­ zugs im Fall der Verwendung von Leistungen für steuerpflichtige, steuer­ freie und nicht steuerbare Leistungen zur Ausnahme wird. Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage führt der Reformvorschlag insoweit zu ei­ ner einfacheren und weniger streitanfälligen Rechtsanwendung. Hinzu kommt, dass wegen der weitgehenden Beseitigung der Vorsteuerbelas­ tung der öffentlichen Hand kaum noch ein Anreiz besteht, im Wege von Steuergestaltungen einen Vorsteuerabzug zu erlangen. Dies dürfte auf Seiten der öffentlichen Hand wiederum den externen Beratungsbedarf und die damit verbundenen Kosten senken. Einschränkend für den Aspekt der effizienten Steuererhebung ist jedoch zu berücksichtigen, dass mit der Vermeidung einer Vorsteuerbelastung Nachweispflichten verbundenen sind, die einen zusätzlichen Verwal­ tungsaufwand bedeuten.1876 Hierbei gilt jedoch, dass in Zeiten der Auto­ matisierung und wegen der Möglichkeit, innerhalb der staatlichen Ver­ waltungsebenen effiziente Strukturen zur Bewältigung der Aufgaben und gegebenenfalls auch gesetzliche Erleichterungen zu schaffen, dieser Auf­ wand zumindest auf längere Sicht nicht besonders ins Gewicht fallen dürfte. Mit der weitgehenden Verwirklichung der maßgeblichen Zielvorgaben ist davon auszugehen, dass hierdurch die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Folgewirkungen grundsätzlich eintreten werden.1877 So dürfte die im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage weitergehende Ein­ beziehung der öffentlichen Hand mit ihren Ausgangsleistungen in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer insbesondere zu einer Erhöhung des Umsatzsteueraufkommens beitragen. Gleichzeitig ist damit aber auch eine Verteuerung der öffentlichen Leistungen zu erwarten. Die Um­ setzung einer grundsätzlich steuerlich neutralen Behandlung der öffent­ lichen Hand auf der Eingangsseite dürfte hingegen zu einer erheblichen Minderung des Umsatzsteueraufkommens führen. Dieser stünde jedoch zumindest teilweise eine Minderung des Finanzierungsbedarfs von Ein­ richtungen der öffentlichen Hand gegenüber. Darüber hinaus sollte sich die Beseitigung des bisherigen finanziellen Nachteils bei Bezug von Fremdleistungen im Verhältnis zu Eigenleistungen bemerkbar machen. Damit sind vor allem positive Effekte für den privaten Wirtschaftssektor 1875 Vgl. Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Pro­ jekten, S. 232; Widmann, UR 2009, 9 (10). 1876 Vgl. Homburg/Rublack, Anmerkungen zum Umsatzsteuergesetzbuch, in: FS Lang, S. 893 (903); Reiß, Diskussionsbeitrag, in: Kirchhof, Das Bundessteuergesetzbuch in der Diskussion, S. 68 f. 1877 Vgl. zu diesen ausführlich oben unter D. I. 5.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

verbunden, wie zum Beispiel eine gesteigerte öffentliche Nachfrage und Investitionsbereitschaft. In diesem Zusammenhang ist einschränkend zu berücksichtigen, dass es wegen des föderalistischen Staatsaufbaus Gewinner, aber auch Verlierer der vollständigen Entlastung der öffentlichen Hand von der Vorsteuer und des damit sinkenden Aufkommens der Umsatzsteuer geben wird.1878 Denn während ein Teil der Einheiten der öffentlichen Hand unter dem Strich von der Entlastung profitieren, werden andere wegen des geringe­ ren zu verteilenden Umsatzsteueraufkommens Einbußen in Kauf neh­ men müssen. Damit ist davon auszugehen, dass es insgesamt einer er­ heblichen Überzeugungsarbeit bedarf, um einen solchen Systemumstieg durchzusetzen.1879 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die in dem Reformvorschlag von Kirchhof vorgesehene umsatzsteuerliche Behandlung der öffentli­ chen Hand den maßgeblichen Zielvorgaben grundsätzlich entspricht und damit im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage zu erheblichen Verbes­ serungen führen würde. Verbunden damit ist auch die berechtigte Erwar­ tung, dass sich die mit den Zielvorgaben verbundenen wirtschaftlichen Folgewirkungen angesichts des deutlichen Umfangs, in welchem der Vorschlag die maßgeblichen Ziele erfüllt, grundsätzlich verwirklichen werden. b) Sonstige Vorteile des Reformvorschlags Neben der weitgehenden Verwirklichung der Zielvorgaben ist angesichts der Bedeutung für die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand zu berücksichtigen, dass der Reformvorschlag die Möglichkeit der Einlagenentsteuerung vorsieht.1880 So bedeutet das Verbot der Einlagen­ entsteuerung im gegenwärtigen Recht für die öffentliche Hand eine ­erhebliche Gefahr, dass ihre unternehmerische Tätigkeit steuerlich be­ lastet wird.1881 Wegen der grundsätzlichen Nichtbesteuerung von Ein­ 1878 Homburg, Diskussionsbeitrag, in: Kirchhof, Das Bundessteuergesetzbuch in der Diskussion, S. 65; ders./Rublack, Anmerkungen zum Umsatzsteuergesetzbuch, in: FS Lang, S. 893 (904); diese weisen darauf hin, dass im Rahmen der näheren Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Finanzausgleichs dem verdeckten Fi­ nanzausgleich durch die Vorsteuerbelastung bereits Rechnung getragen wurde und sehen dies als Argument gegen die Vorsteuerentlastung an. Diese Interpreta­ tion des Status quo hilft aber über die systemwidrige Behandlung der öffentli­ chen Hand als Steuerträgerin (vgl. oben unter C. II. 1.) nicht hinweg. 1879 Homburg, Diskussionsbeitrag, in: Kirchhof, Das Bundessteuergesetzbuch in der Diskussion, S. 65; ders./Rublack, Anmerkungen zum Umsatzsteuergesetzbuch, in: FS Lang, S. 893 (904). 1880 § 8 II UStGB; § 108 II BStGB. 1881 Vgl. hierzu oben im Unionsrecht unter A. IV. 3.; im nationalen Recht unter B. IV. 1. b).

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II.  Der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer von Paul Kirchhof

gangsleistungen der öffentlichen Hand besteht jedoch nur noch eine ge­ ringe Gefahr der endgültigen Vorsteuerbelastung von Eingangsleistungen. Gleichwohl verbleibt die Möglichkeit gerade in den Fällen, in denen die öffentliche Hand nicht die Voraussetzungen einer Verwaltungseinheit erfüllt. Folglich ist das Instrument der Einlagenentsteuerung in diesem Zusammenhang positiv hervorzuheben. Darüber hinaus wird mittels der weitgehenden Entlastung der öffentlichen Hand auf der Eingangsseite der verdeckte Finanzausgleich außerhalb der Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts vermieden.1882 c) Fortbestehende und neue Nachteile Die in dem Reformvorschlag vorgesehene Behandlung der öffentlichen Hand weist insbesondere drei Problemstellungen auf, die sich im Fall einer Umsetzung als nachteilig erweisen würden. Diese sollen im Fol­ genden sowohl herausgearbeitet als auch einer Lösung zugeführt werden. aa) Einschränkende Auslegung der unternehmerischen Tätigkeit der öffentlichen Hand Nach dem Reformvorschlag unterliegt die öffentliche Hand in persönli­ cher Hinsicht unter den gleichen Voraussetzungen wie Privatrechtsper­ sonen dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer. Eine vergleichbare Ausgangslage ergibt sich zumindest im Ansatz auch nach dem gegenwär­ tigen Recht. Denn die öffentliche Hand muss grundsätzlich wie Privat­ rechtspersonen eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausüben, um als Steuerpflichtige behandelt zu werden.1883 Die Untersuchung der uni­ onsrechtlichen Vorgaben hat allerdings ergeben, dass viele Tätigkeiten der öffentlichen Hand von vornherein nicht dem Mehrwertsteuerrecht unterliegen. Dies liegt insbesondere auch in der Auslegung der Voraus­ setzungen für die Steuerpflicht nach Art. 9 MwStSystRL durch den EuGH begründet.1884 Vor diesem Hintergrund ist für die Bewertung der umsatz­ steuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand ebenfalls relevant, ob der Reformvorschlag auch insoweit zu einer Verbesserung im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage führt. Der Reformvorschlag knüpft für die Bestimmung des persönlichen An­ wendungsbereichs der Umsatzsteuer nicht an das geltende Recht an. ­Zudem wird der Unternehmerbegriff im Umsatzsteuergesetzbuch vom 1882 Kirchhof, UStGB, S. 22; ders., BStGB, S. 815; vgl. auch oben unter C. II. 2. b). 1883 Vgl. Art. 9 MwStSystRL sowie zu seiner Stellung als allgemeine Voraussetzung für eine Steuerpflicht der öffentlichen Hand oben unter A. II. 1.; eine entspre­ chende Situation besteht im nationalen Recht nach § 2 I UStG, vgl. hierzu oben unter B. II. 1. 1884 Vgl. zur wirtschaftlichen Tätigkeit in Bezug auf die öffentliche Hand oben unter A. II. 1. a).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Unternehmerbegriff, der dem Vorschlag zu einer Reform des Einkom­ mensteuerrechts zugrunde liegt, abgegrenzt und ist im Vergleich dazu weit auszulegen.1885 Weiterhin soll sich die Frage nach der Unternehmer­ stellung insbesondere daran orientieren, ob und inwieweit die Aufbür­ dung von „finanziellen und bürokratischen Belastungen“1886 noch als verhältnismäßig anzusehen ist. Dieser Ansatz verdient insgesamt Zuspruch und wird der Funktion des Unternehmers in der Umsatzsteuer gerecht.1887 Allerdings weicht der Re­ formvorschlag gerade in Bezug auf die öffentliche Hand von diesem zu­ nächst eingeschlagenen Weg eines weiten Verständnisses ab.1888 So soll es für diese an einer Unternehmereigenschaft fehlen, wenn die für eine Leistung verlangten Entgelte nicht auf Grundlage einer marktüblichen Kalkulation beruhen. Denn in diesen Fällen würde die öffentliche Hand „Maßstäben des öffentlichen Rechts“1889 folgen und im Rahmen der öf­ fentlichen Gewalt handeln. Demnach ist aus Sicht des Reformvorschlags ein sich nach den Regeln des Marktes ergebendes Entgelt konstitutiv für die Unternehmerstellung. Daher stellten insbesondere gesetzlich be­ stimmte Gebühren und Beiträge keine Entgelte dar, deren Erzielung eine Unternehmerstellung begründen würde. Der Ansatz, dass eine von Maßstäben des öffentlichen Rechts geprägte Leistung steuerlich weder erfasst noch belastet werden soll, untermi­ niert die Besteuerung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand. Hierdurch wird der bisher eingeschlagene Weg hin zur gleichmäßigen Besteuerung und der Ausrichtung der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand am Verbrauchsteuergedanken konterkariert. Diese Problematik wurde offenbar auch von den Verfassern des Reformvor­ schlags erkannt. Denn entgegen der aufgestellten marktbezogenen Defi­ nition der unternehmerischen Tätigkeit sollen Gebühren und Beiträge im Bereich der Daseinsvorsorge gleichwohl dem Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts unterliegen.1890 Hier sei nicht zuletzt wegen der Möglichkeit zur Gestaltung seitens der öffentlichen Hand und wegen der bestehenden Konkurrenzlage eine umsatzsteuerliche Erfassung gebo­ ten.1891 Vor diesem Hintergrund ergibt sich nach dem Reformvorschlag eine Sys­ tematik, die eine beunruhigende Ähnlichkeit mit der gegenwärtigen 1885 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 52; ders., BStGB, S. 833 f. 1886 Kirchhof, UStGB, S. 54; ders., BStGB, S. 835. 1887 Vgl. zur Funktion des Unternehmers im Umsatzsteuerrecht anstatt vieler Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 51 ff. (Stand: Juli 2014). 1888 Vgl. hierzu und zum Folgenden Kirchhof, UStGB, S. 58 f.; ders., BStGB, S. 838. 1889 Ebenda. 1890 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 58 f.; ders., BStGB, S. 838. 1891 Ebenda.

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II.  Der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer von Paul Kirchhof

Rechtslage aufweist. Im Grundsatz ist die Unternehmereigenschaft nach den allgemeinen Kriterien zu bestimmen. Ergibt sich aber, dass die Tätig­ keit nicht durch den Markt, sondern vom öffentlichen Recht bzw. der öffentlichen Gewalt geprägt ist, soll es zu keiner Unternehmerstellung der öffentlichen Hand kommen. Hiervon ist wiederum eine Ausnahme zu machen, wenn die Nichtbesteuerung zu wettbewerbsverzerrenden Wirkungen führt. Neu ist nur, dass sich die Abgrenzung der öffentlichen Gewalt nach dem Reformvorschlag an der Frage orientiert, ob das Entgelt auf marktüblichen Kriterien oder eher auf „Maßstäben des öffentlichen Rechts“1892 beruht. Dieses Kriterium ist jedoch aus Verbrauchsteuersicht nicht überzeugend. Für den Verbraucher ist es unerheblich, ob die Höhe der von ihm zu leistenden Konsumaufwendungen auf den Regeln des Marktes oder aber einer Gebührenordnung beruhen. Maßgeblich ist al­ lein die Frage, ob auf Grundlage der Vermögensverwendung in typisie­ render Weise auf eine individuelle Leistungsfähigkeit geschlossen wer­ den kann.1893 Es drängt sich der Eindruck auf, dass an dieser Stelle die Idee des Markt­ einkommens1894 übernommen wurde, um auf diesem Wege den Umfang der Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand einzuschränken. Denn danach bliebe die im nationalen Recht lange vorherrschende Tren­ nung zwischen zu besteuernden unternehmerischen Tätigkeiten auf der einen Seite und nicht zu besteuernden hoheitlichen Tätigkeiten auf der anderen Seite1895 auch im reformierten Umsatzsteuerrecht enthalten. Folglich würde der Reformvorschlag von Kirchhof insoweit zu keiner Verbesserung im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage führen. Vor dem Hintergrund, dass die öffentliche Hand mittels des Konzepts der Verwaltungseinheit möglicherweise einen Vorsteuerabzug erlangt, wird die mit der Nichtbesteuerung einhergehende Gefahr der Wettbewerbs­ verzerrung auch noch verschärft. Hinzu kommt die Gefahr einer Un­ gleichbehandlung der Konsumenten, deren steuerliche Belastung davon abhängen kann, ob der Leistungsanbieter im Rahmen des öffentlichen Rechts tätig wird oder nicht. Insgesamt ist damit die besondere Auslegung des Begriffs der unterneh­ merischen Tätigkeit für die Behandlung der öffentlichen Hand als Steu­ ersubjekt abzulehnen. Geboten wäre auch insoweit eine Anwendung der allgemeinen Voraussetzungen im Rahmen einer verbrauchsteuerorien­ 1892 Kirchhof, UStGB, S. 58; ders., BStGB, S. 838. 1893 Vgl. zu diesem unionsprimärrechtlich geprägten Grundprinzip der harmonisier­ ten Mehrwertsteuer oben unter A. I. 2. 1894 Der Leitgedanke des Markteinkommens kommt insb. im Rahmen der Reform des Einkommensteuergesetzes zum Tragen, vgl. Kirchhof, BStGB, S. 13 f., 384. 1895 Vgl. die Historie der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand oben unter B. II. 2. a).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

tierten Auslegung. Nur auf diesem Wege kann eine gleichmäßige Be­ lastung von privaten Konsumaufwendungen sowie eine der Wettbe­ werbsgleichheit dienenden steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand gewährleistet werden. bb) Begriff der Verwaltungseinheit Dem neu eingeführten Rechtsbegriff der Verwaltungseinheit in § 9 UStGB widerfährt insbesondere in einem Aufsatz von Homburg und Rublack erhebliche Kritik.1896 Diese knüpft an das Tatbestandsmerkmal an, ­nachdem eine Verwaltungseinheit nur im Fall der Finanzierung ihrer ­Tätigkeiten durch Steuermittel vorliegen soll. Denn in diesem Zusam­ menhang stelle sich die Frage, wie die Einteilung im Rahmen einer Misch­finanzierung zu erfolgen habe.1897 Darüber hinaus begründe die De­ finition für die öffentliche Hand einen Anreiz, die eigenen Tätigkeiten durch Steuermittel, nicht aber zum Beispiel mittels der Erhebung von Gebühren oder Beiträgen zu finanzieren.1898 Ein solcher Anreiz lässt sich allerdings grundsätzlich nicht auf die Möglichkeit der Vorsteuerent­ lastung zurückführen. Denn wird die Ausübung einer Tätigkeit durch Gebühren oder Beiträge finanziert, dürfte es regelmäßig zu einer Leis­ tungserbringung gegen Entgelt kommen und damit eine originäre unter­ nehmerische Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 UStGB begründen. Als Unternehmerin kommt es für die öffentliche Hand jedoch ebenfalls zu einer Vorsteuerentlastung. Ein besonderer Anreiz zugunsten einer Finan­ zierung der eigenen Aufgaben durch Steuermittel kann demnach nur da­ rin bestehen, dass die durch Steuermittel finanzierten Ausgangsleistun­ gen keiner umsatzsteuerlichen Belastung unterliegen und damit die Bürger bzw. Kunden weder durch eine unmittelbare Erhebung eines Ent­ gelts in Form von Gebühren oder Beiträgen noch durch anfallende Um­ satzsteuer belastet werden. In dem Reformvorschlag wird die Anknüpfung an die Finanzierung durch Steuermittel zur Definition der Verwaltungseinheit insbesondere damit begründet, dass eine Vorsteuerbelastung zu entfallen habe, wenn sich der Staat in der Eigenschaft als Steuergläubiger und Steuerschuldner gegen­ überstehe.1899 Eine solche Situation bestehe aber nur dann, wenn eine Eigenschaft als Steuergläubiger vorliegt. Aus diesem Grund rechtfertige sich demnach das Kriterium einer von Steuern getragenen Finanzie­ 1896 Homburg/Rublack, Anmerkungen zum Umsatzsteuergesetzbuch, in: FS Lang, S. 893 (903 f.); sich dieser Kritik anschließend Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 232; Widmann, UR 2009, 9 (12), bezeichnet ihn als gewöhnungsbedürftigen Begriff. 1897 Homburg/Rublack, a. a. O., S. 893 (903). 1898 Ebenda. 1899 Kirchhof, UStGB, S. 122; ders., BStGB, S. 884.

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II.  Der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer von Paul Kirchhof

rung.1900 Diese Argumentation vermag jedoch aus Sicht der Umsatzsteu­ er als allgemeine Verbrauchsteuer für den privaten Endkonsum nicht zu überzeugen. Denn der Ausschluss der öffentlichen Hand von der Eigen­ schaft als Steuerträgerin ergibt sich daraus, dass deren Aufwendungen keine persönliche Leistungsfähigkeit indizieren.1901 Eine steuerliche Be­ handlung der öffentlichen Hand als Steuerträgerin widerspricht damit grundsätzlich einer am Prinzip der Leistungsfähigkeit ausgerichteten Ausgestaltung des Besteuerungsgegenstandes.1902 Die Einschränkung der steuerlich neutralen Behandlung auf Verwaltungseinheiten unter Bezug­ nahme auf das Kriterium der Finanzierung durch Steuermittel ist damit nicht folgerichtig. So konsumieren weder Berufskammern und Kirchen noch andere juristische Personen des öffentlichen Rechts für den eigenen privaten Konsum. Der Umstand, dass sie sich durch Beiträge und nicht durch Steuern finanzieren, ändert daran nichts.1903 Vielmehr gilt der Grundsatz, dass eine endgültige Belastung aus Verbrauchsteuersicht sys­ temwidrig ist, wenn sie keine privat veranlassten Vermögensverwendun­ gen betrifft. Im Umkehrschluss müssen demnach alle anderen Vermö­ gensverwendungen als nichtprivat bzw. als unternehmerisch und damit steuerlich neutral behandelt werden. Eine konsequente Umsetzung des in § 3 S. 1 UStGB1904 niedergelegten und zutreffenden Grundsatzes, dass die öffentliche Hand keine Verbrau­ cherin ist, wäre zum Beispiel eine Definition der Verwaltungseinheit ge­ wesen, die an ihre Rechtsform anknüpft. Auf diesem Wege könnte auch der nachvollziehbaren Sorge über Abgrenzungsschwierigkeiten im Rah­ men der Rechtsanwendung1905 entgegengetreten werden. Um zu verhin­ dern, dass es wegen der Anknüpfung an die Rechtsform zu einem unver­ steuerten privaten Endverbrauch kommt, zum Beispiel aufgrund der Verwendung von Leistungen für private Zwecke der Arbeitnehmer, hätte eine dann allgemeine Einschränkung der Vorsteuerentlastung für den Fall einer Verwendung für private Zwecke genügt.

1900 Vgl. Kirchhof, UStGB, S. 122 f.; ders,. BStGB, S. 884. 1901 Vgl. Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 260; Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 273 f.; Englisch, VAT/GST and Direct Taxes: Different Purposes, in: Lang et al., Value Added Tax and Direct Taxation, S. 1 (31); Hüttemann, FR 2009, 308 (314). 1902 Vgl. hierzu oben unter C. II. 1. a). 1903 Soweit die Einrichtungen private Zwecke ihrer Mitglieder verfolgen, stellt sich allenfalls die Frage der Steuerbarkeit von Mitgliedsbeiträgen. Ein privater (kol­ lektiver) Konsum auf Ebene der Einrichtung ist jedoch in diesen Fällen nicht an­ zunehmen; vgl. hierzu Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 66 f. 1904 § 103 S. 1 BStGB. 1905 Zu der Besorgnis über neue Abgrenzungsschwierigkeiten Homburg/Rublack, Anmerkungen zum Umsatzsteuergesetzbuch, in: FS Lang, S. 893 (903 f.).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

cc) Der Systemwechsel im Umsatzsteuergesetzbuch Die Änderungsvorschläge für die Behandlung der öffentlichen Hand sind in einem Gesamtkonzept für das Umsatzsteuerrecht eingebunden, wel­ ches eine umfassende Abweichung vom gegenwärtigen Recht vorsieht. Dies betrifft insbesondere die grundsätzliche Abschaffung des Vorsteuer­ abzugs. Eine umfassende Untersuchung des Systemwechsels oder gar des gesamten Vorschlags selbst würde sich an dieser Stelle zu weit vom ei­ gentlichen Untersuchungsgegenstand entfernen. Aus diesem Grund sei nur darauf hingewiesen, dass insbesondere Homburg und Rublack nach­ vollziehbar zentrale Probleme, die eine dem Vorschlag von Kirchhof ent­ sprechende Umstellung auf eine Endphasenbesteuerung hervorrufen würde, aufgezeigt und begründet haben.1906 Darüber hinaus haben diese auch auf ihrer Kritik aufbauend interessante Alternativen erarbeitet.1907 Für den hier maßgeblichen Untersuchungsgegenstand soll der Hinweis genügen, dass sich auch im Fall eines Verbleibs bei der Allphasen-Besteu­ erung die im Reformvorschlag vorgesehene steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand umsetzen ließe. Hierbei wäre jedoch den hier geäußer­ ten Kritikpunkten und Vorschlägen für eine systemgerechte steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand Rechnung zu tragen. 4. Abschließende Stellungnahme Der von Kirchhof vorgelegte Reformvorschlag verfolgt für die umsatz­ steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand den richtigen Ansatz. So wird die öffentliche Hand grundsätzlich unter den gleichen Voraus­ setzungen wie Privatrechtspersonen als Unternehmerin und damit als Steuersubjekt in den Anwendungsbereich einbezogen. Dieses Vorgehen entspricht auch dem Weg, der in modernen Mehrwertsteuersystemen be­ schritten wird.1908 Hierdurch kommt es zu einer umfassenden steuerli­ chen Belastung ihrer Ausgangstätigkeiten. Abzulehnen ist jedoch die im Reformvorschlag vorgesehene einschränkende Auslegung des Begriffs der unternehmerischen Tätigkeit für den Fall, dass Leistungen der öffent­ lichen Hand bzw. die Gegenleistung für diese durch Vorgaben des öffent­ lichen Rechts geprägt sind. Denn hierdurch weicht der Reformvorschlag von einer folgerichtigen Umsetzung des Verbrauchsteuergedankens ab und nähert sich der von Ausnahmen und komplexen Prüfungsschritten geprägten gegenwärtigen Rechtslage. Die einschränkende Auslegung führt letztlich zu einem Sonderrecht für die öffentliche Hand durch die 1906 Homburg/Rublack, a. a. O., S. 893 (894 ff.). 1907 Ebenda. 1908 Vgl. exemplarisch zur australischen Mehrwertsteuer Millar/McCarthy, Aus­ tralia, in: Ecker et al., The Future of Indirect Taxation, S. 21 (48 ff.); zur neusee­ ländischen Mehrwertsteuer Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 151 f.

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III.  Das Refundsystem

Hintertür und manifestiert überkommene Vorstellungen vom Umfang der Besteuerung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand. Auf der Eingangsseite der öffentlichen Hand zeichnet sich ein ähnliches Bild. Mithilfe der Gleichbehandlung von privaten Unternehmern sowie der Rechtsfigur der Verwaltungseinheit kommt es zu einer weitgehenden steuerlich neutralen Behandlung. Dieses Vorgehen ist entgegen der daran geäußerten Kritik1909 auch grundsätzlich zu befürworten. Vorzuwerfen ist dem Reformentwurf jedoch, dass er sich zur Bestimmung der Verwal­ tungseinheit von einer falschen Prämisse leiten lässt. Denn der Aus­ schluss der öffentlichen Hand von der Eigenschaft als Steuerträgerin liegt in der am Leistungsfähigkeitsprinzip auszugestaltenden Besteuerung be­ gründet. Die öffentliche Hand kann grundsätzlich keine Vermögensver­ wendungen vornehmen, die auf eine persönliche Leistungsfähigkeit schließen lassen. Das vom Reformvorschlag verfolgte Ziel, dass sich der Staat nicht als Steuergläubiger und Steuerträger gegenüberstehen soll, ist nicht falsch, schränkt aber die Verwirklichung des Verbrauchsteuerprin­ zips ein und greift damit zu kurz. Zudem bliebe dieses Ziel auch dann gewahrt, wenn die Rechtsfigur der Verwaltungseinheit, wie hier vorge­ schlagen, an eine öffentlich-rechtliche Rechtsform anknüpft. An dieser Stelle kann nicht abschließend darüber geurteilt werden, ob der Reformvorschlag für die Umsatzsteuer in Gänze befürwortet werden kann. Denn insoweit bestehen gewichtige Bedenken, die es zuvor zu besei­ tigen gilt. Gleichwohl stellt die darin vorgesehene Behandlung der öffent­ lichen Hand unter Berücksichtigung der hier unterbreiteten Änderungs­ vorschläge ein gutes Argument für die Einführung des Vorschlags dar.

III. Das Refundsystem Das Refundsystem ist eines der beiden zentralen Modelle1910 zur Refor­ mierung der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentli­ chen Hand, auf das in der aktuellen Diskussion sowohl auf der Ebene 1909 So hat nach Ansicht von Homburg und Rublack die Nichtbesteuerung des Staatsverbrauchs „keinen einzigen Vorteil“, dies., Anmerkungen zum Umsatz­ steuergesetzbuch, in: FS Lang, S. 893 (904). Angesichts der rechtlichen und ­wirtschaftlichen Verwerfungen des gegenwärtigen Systems, die auf der Vorsteu­ erbelastung der öffentlichen Hand beruhen, sowie der dargestellten Übereinstim­ mungen mit den maßgeblichen Zielrichtungen des Vorschlags von Kirchhof, kann diesem Urteil nicht zugestimmt werden. 1910 Das zweite Modell ist die sog. Vollbesteuerung, das im nachfolgenden Abschnitt IV behandelt wird. Zu den beiden Ansätzen als Alternativen zum in der EU bestehen­ den Weg der umfassenden Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 135 ff.; Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (146 ff.); Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 194 ff.; de la Feria, Intertax 2009, 148 (163 f.).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

der Europäischen Union1911 als auch für das nationale Recht1912 regelmä­ ßig Bezug genommen wird.1913 Es zielt insbesondere darauf ab, die als nachteilig angesehenen wirtschaftlichen Folgen der weitgehenden end­ gültigen Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand, die aus der gegenwär­ tigen Rechtslage resultiert, zu vermeiden oder zumindest zu verringern. So liegt dem Refundsystem der Ansatz zugrunde, dass die Belastung der einzelnen Einheiten der öffentlichen Hand durch eine Erstattung der ge­ zahlten und nicht abziehbaren Vorsteuer ganz oder zumindest teilweise ausgeglichen wird.1914 Seine Relevanz für eine nationale oder unionswei­ te Reform erlangt das Modell eines Refundsystems vor allem dadurch, dass mittlerweile acht Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein sol­ ches Erstattungsmodell, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen, eingeführt haben.1915 Darüber hinaus wird in der Reformdiskussion regel­ mäßig auf das bestehende Refundsystem in Kanada als Modellbeispiel verwiesen.1916 Angesichts der Vielzahl an bestehenden unterschiedlichen Ausgestal­ tungen eines Refundsystems in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union1917 sowie in Kanada können und sollen diese nicht einzeln mit ihren detaillierten Regelungen einer eingehenden Untersuchung unter­ zogen werden. Vielmehr zielt das weitere Vorgehen zunächst darauf ab, einen Rahmen für eine mögliche Ausgestaltung eines Refundsystems zu skizzieren. Dieser soll sodann als Prüfungsgegenstand bzw. Bezugspunkt für die weitere Untersuchung, insbesondere für die Erarbeitung der maß­ geblichen Vorgaben des Unionsrechts sowie des nationalen Rechts für ein Refundsystem, dienen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, die innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bereits bestehen­ 1911 Vgl. Henkow, a. a. O., S. 4, 83 ff.; Copenhagen Economics, a. a. O., S. 212 ff.; dies./ KPMG, Mehrwertsteuer im öffentlichen Sektor (2011), S. 21 f.; de la Feria, In­ tertax 2009, 148 (161 f.); Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 11 f. 1912 Vgl. Desens/Lenk/Hummel/Rottmann, Gutachten zur Umsatzsteuerdefinitiv­ belastung von Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 37 ff.; KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 84 ff. 1913 Vgl. Schmitz/Erdbrügger/Liegmann, DStR 2011, 1157 (1159 ff.); Schmitz/Möser, UR 2014, 607 (613 ff.). 1914 Vgl. de la Feria, Intertax 2009, 148 (161 f.); Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 42 ff.; KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteu­ errefundsystem (2005), S. 14; Wassenaar, EC Tax Review 2012, 212 (214). 1915 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 31: Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden. 1916 Vgl. z. B. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 113; de la Feria, Intertax 2009, 148 (161); Gendron, Tax Law Review, Vol. 63 (2009–2010), 477 (494 ff.); Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (137); Schmitz/Erdbrügger/ Liegmann, DStR 2011, 1157 (1160); van Dijk/Lubbers, IVM 2000, 6 (8 f.). 1917 Vgl. Aujean, Tax Law Review, Vol. 63 (2009–2010), 509 (514 f.); Wassenaar/­ Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (384 ff.).

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III.  Das Refundsystem

den Ausgestaltungen eines Refundsystems der Erarbeitung eines Refe­ renzrahmens zugrunde zu legen. Zu diesem Zweck soll in einem ersten Schritt zum einen auf die allen bestehenden Refundsystemen gemeinsa­ men Grundidee eingegangen werden. Zum anderen gilt es, zentrale Cha­ rakteristika der bestehenden Refundsysteme zu erarbeiten, anhand derer sich eine in der Europäischen Union bestehende Bandbreite ihrer Ausge­ staltungen darstellen lässt. Hierfür bietet es sich an, auf die in der bishe­ rigen Diskussion als relevant erwiesenen Abgrenzungsmerkmale für Re­ fundsysteme zurückzugreifen.1918 In einem zweiten Schritt wird auf die unionsrechtlichen Regelungen ein­ gegangen, die im Zusammenhang mit der Umsetzung eines Refundsys­ tems durch die Mitgliedstaaten relevant sind. Dabei ist zu untersuchen, ob und inwieweit sich hieraus konkrete Vorgaben bzw. Einschränkungen für die Ausgestaltung eines Refundsystems ergeben. Ein vergleichbares Vorgehen erfolgt sodann in einem dritten Schritt in Bezug auf Vorgaben, die sich aus dem Finanzverfassungsrecht für die Einführung eines natio­ nalen Refundsystems ergeben. Auf Grundlage dieser drei Schritte ergibt sich ein Bild des aus rechtlicher Sicht Möglichen, welches dann in einem vierten Schritt in Bezug auf die Verwirklichung der oben genannten Ziel­ richtungen zu bewerten ist. Abschließend sollen vor diesem Hintergrund zwei konkrete Vorschläge für die Einführung eines Refundsystems, einer auf nationaler Ebene und einer auf Ebene der Europäischen Union, einer kritischen Würdigung unterzogen werden. 1. Die Ausgestaltungen von Refundsystemen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union – Grundansatz und Abgrenzungsmerkmale Das Refundsystem zielt auf eine Entlastung der öffentlichen Hand hin­ sichtlich der von ihr zu tragenden Vorsteuern ab. Diese Wirkung wird im System der Umsatzsteuer mit der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs ver­ folgt. In Abgrenzung dazu sehen Refundsysteme stets eine Erstattung außerhalb des Vorsteuerabzugs vor. Diese Wirkungsweise soll im Folgen­ den zunächst näher beleuchtet werden. Im Anschluss daran gilt es mit Bezug auf die in der Diskussion zu Refundsystemen üblichen Abgren­ zungsmerkmale unter Berücksichtigung der existierenden Erstattungs­ systeme in der Europäischen Union die sich daraus ergebende Bandbreite einer möglichen Ausgestaltung herauszuarbeiten.

1918 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 95; KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 14 f.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

a) Ausgleich der Vorsteuerbelastung außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems Die Refundsysteme in der Europäischen Union verfolgen vorrangig das Ziel, die wirtschaftlichen Folgewirkungen der endgültigen Belastung der öffentlichen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer zu beseitigen oder zumindest zu verringern.1919 Dafür wird zwar an eine Folge der steuerli­ chen Behandlung der öffentlichen Hand angeknüpft, das System der har­ monisierten Mehrwertsteuer selbst und ihre Regelungen bleiben dabei allerdings unberührt.1920 Die Einführung eines Refundsystems ist dem­ entsprechend weder mit einer Änderung der bestehenden Regelungen zur persönlichen Steuerpflicht der öffentlichen Hand noch mit einer Mo­ difizierung der geltenden Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug verbun­ den. Dem Refundsystem liegt im Ergebnis der Ansatz zugrunde, nur die sich aus dem Recht der Mehrwertsteuersystemrichtlinie resultierenden und als nachteilig erachteten Folgen aus der finanziellen Belastung durch die nicht abzugsfähige Vorsteuer mittels eines Ausgleichs entgegenzu­ wirken. Hierdurch steht das Refundsystem grundsätzlich außerhalb des der Harmonisierung unterliegenden Mehrwertsteuerrechts. b) Abgrenzungsmerkmale Zur Beschreibung und zur Abgrenzung verschiedener Ausgestaltungen eines Refundsystems, welches der oben genannten Grundidee folgt, ha­ ben sich in der Diskussion insbesondere drei prägende Ausgestaltungs­ merkmale bzw. Fragestellungen herauskristallisiert.1921 So ist für ein Re­ fundsystem von besonderem Gewicht, welche Einheiten der öffentlichen Hand in den Kreis der Anspruchsberechtigten einbezogen werden und welche ihrer Tätigkeiten davon erfasst sind. Als zweites stellt sich die Frage, wie das Erstattungssystem finanziert wird bzw. wie die damit ein­ hergehenden Lasten innerhalb der öffentlichen Hand verteilt werden. Abschließend ist zu behandeln, ob die Erstattung auf inländische Steuern beschränkt ist oder ob auch die Belastung mit ausländischer Vorsteuer hierzu berechtigt. Im Zusammenhang mit diesen drei Merkmalen eines Refundsystems ist zu untersuchen, in welcher Bandbreite eine Ausge­ staltung grundsätzlich möglich.

1919 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 83 ff.; Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 42 ff.; KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 14. 1920 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 12. 1921 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 95; Gendron, Tax Law Review, Vol. 63 (2009–2010), 477 (502); KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 14 f.

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III.  Das Refundsystem

aa) Kreis der Anspruchsberechtigten und ihre begünstigten Tätigkeiten Im Rahmen der Ausgestaltung eines Refundsystems ist zu bestimmen, welche Einheiten der öffentlichen Hand die Möglichkeit zum Ausgleich einer Vorsteuerbelastung erlangen sollen. Hierbei erfasst der Kreis übli­ cherweise inländische1922 Einheiten der öffentlichen Hand.1923 Einheiten der öffentlichen Hand eines anderen Mitgliedstaates sind somit vom Kreis der Begünstigten ausgeschlossen. So könnte zum Beispiel eine deutsche Kommune, der niederländische Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt wird, diese nicht im Rahmen des niederländischen Refundsys­ tems erstattet bekommen. Darüber hinaus kann aber auch der Kreis der Anspruchsberechtigten weitergehend auf nur bestimmte Einheiten der öffentlichen Hand begrenzt werden. So kann zum Beispiel nur Kom­ munen als unterste Ebene der Gebietskörperschaften im föderalen Staatsgebilde die Möglichkeit des Ausgleichs einer endgültigen Vor­ steuerbelastung eingeräumt werden.1924 Neben der Bestimmung des An­ wendungsbereichs in persönlicher Hinsicht gilt es im Rahmen des ­Refundsystem festzulegen, für welche ausgeübten Tätigkeiten ein Aus­ gleichsanspruch entstehen soll. Im weitesten Sinne könnten davon alle Fremdleistungen erfasst sein, ohne dass es auf die weitere konkrete Ver­ wendung ankommt. Dem entgegengesetzt ließe sich der Anwendungs­ bereich auch auf bestimmte Tätigkeiten begrenzen. So könnte zum ­Beispiel eine Erstattung voraussetzen, dass die Vorsteuer auf einem Leis­ tungsbezug beruht, der Zwecken der Bildung oder der Infrastruktur dient.1925

1922 So könnte man gerade innerhalb der EU die Frage stellen, ob nicht auch eine aus­ ländische Einrichtung des öffentlichen Rechts einen Ausgleichsanspruch erwer­ ben sollte, wenn sie mit inländischer Vorsteuer endgültig belastet wird. Eine ent­ sprechende Regelung findet sich gegenwärtig in keinem der von Mitgliedstaaten der EU eingeführten Refundsystemen, vgl. hierzu Liegmann, Umsatzsteuerbelas­ tung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 218 f. 1923 So z. B. in der überwiegenden Mehrzahl der Mitgliedstaaten in der EU, die ein Refundsystem eingeführt haben, vgl. die Untersuchung bei Henkow, The VAT/ GST treatment of public bodies, S. 83 ff. Es wäre jedoch auch möglich, Personen des Privatrechts einen Anspruch auf Erstattung von nicht abzugsfähiger Vorsteu­ er zu gewähren. So unterliegen vor allem gemeinnützige Einrichtungen mangels unternehmerischer Tätigkeit nicht der persönlichen Steuerpflicht, üben aber wie der Staat gemeinwohlorientierte Tätigkeiten aus, so dass sich mit Bezug darauf eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Personen des Privatrechts begrün­ den ließe. 1924 Vgl. Aujean, Tax Law Review, Vol. 63 (2009–2010), 510 (514); z. B. in den Nieder­ landen, vgl. Gendron, Tax Law Review, Vol. 63 (2009–2010), 477 (502); KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 31; Wassenaar, EC Tax Review 2012, 212 (214). 1925 Vgl. hierzu Wassenaar/Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (392).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

bb) Finanzierungsquellen Die Refundsysteme in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union las­ sen sich neben dem Anwendungsbereich weiter dahingehend voneinan­ der unterscheiden, wie die für den Ausgleich der endgültigen Vorsteuer­ belastung erforderlichen Mittel akquiriert werden. Im Fall der Einführung eines Refundsystems als Reformmodell dürfte seine Finanzierung zudem von hervorgehobener Bedeutung sein. So könnte für das Erstattungssystem ein Teil des (Umsatz-) Steuerauf­ kommens verwendet werden. In einem Mitgliedstaat, innerhalb dessen föderalen Staatsaufbaus unterschiedliche Einheiten der öffentlichen Hand unmittelbar an dem Umsatzsteueraufkommen partizipieren, müss­ te der für das Refundsystem erforderliche Teil des Aufkommens im Vor­ feld der weiteren Verteilung der Steuereinnahmen mindernd berücksich­ tigt werden.1926 Andernfalls erfolgte bei einem späteren Abzug vom Steueraufkommen die Finanzierung nur zu Lasten der Einheiten der öf­ fentlichen Ebenen, deren Anteile am Aufkommen nach Minderung für Zwecke des Refundsystems ermittelt werden. Denn die verhältnismäßi­ ge Zuteilung von Mitteln aus dem Steueraufkommen vor dem Abzug zur Finanzierung des Refundsystems bliebe ungeschmälert. Folglich lässt sich durch einen Vorabzug der erforderlichen Mittel für das Erstattungs­ system sicherstellen, dass alle Einheiten der öffentlichen Hand, die un­ mittelbar am Steueraufkommen partizipieren, die Kosten des Refundsys­ tems zu tragen haben. Dies gilt aber auch für jene Einheiten, deren Tätigkeiten zumindest teilweise aus steuerlichen Mitteln finanziert werden. Denn letztlich fällt durch die Finanzierung des Erstattungssys­ tems aus Steuermitteln insgesamt das verbleibende zu verteilende Auf­ kommen geringer aus. Auf die Frage, ob und inwieweit eine einzelne Einheit der öffentlichen Hand von dem Refundsystem profitiert hat bzw. grundsätzlich in dessen Anwendungsbereich fällt, kommt es bei dieser Form der Finanzierung nicht an. Eine andere Möglichkeit der Finanzierung wäre derart, dass nur die Ein­ heiten der öffentlichen Hand zur Finanzierung des insgesamt benötigten Erstattungsvolumens beitragen, die mit ihren Tätigkeiten in den Anwen­ dungsbereich des Refundsystems fallen.1927 Ernsthaft in Betracht kommt eine solche Finanzierung wohl nur dann, wenn nicht alle Einheiten der öffentlichen Hand von dem Refundsystem erfasst werden sollen. Eine Umsetzung könnte dadurch erfolgen, dass die begünstigten Einheiten 1926 So z. B. in Großbritannien, vgl. Gendron, Tax Law Review, Vol. 63 (2009–2010), 477 (502); Wassenaar/Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (385). 1927 Ein solches System hatte ursprünglich Dänemark eingeführt, vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 96.

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III.  Das Refundsystem

aus den ihnen zur Verfügung stehenden öffentlichen Mitteln einen be­ stimmten Betrag zugunsten des Erstattungssystems, zum Beispiel in ei­ nen dafür eingerichteten Fonds, zu zahlen haben. Als gegebenenfalls effi­ zientere Alternative wäre es ebenfalls möglich, dass die im Rahmen der Verteilung des Steueraufkommens vorgesehenen Mittelzuweisungen für die dem Anwendungsbereich des Refundsystems unterliegenden Einhei­ ten der öffentlichen Hand um einen entsprechenden Betrag von vornher­ ein gekürzt werden. Diese einbehaltenen Mittel wären dann wiederum dem Erstattungssystem zuzuführen.1928 Hinsichtlich der Finanzierung lässt sich damit unterscheiden, ob diese zu Lasten des gesamtstaatlichen Steueraufkommens erfolgen soll oder nur auf die von dem Refundsystem begünstigten Einheiten der öffentli­ chen Hand verteilt werden. Im letzteren Fall kann dabei allerdings die Situation eintreten, dass die dem Erstattungssystem durch die Beiträge zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, um alle Ansprüche zu erfüllen. Diese Gefahr besteht insbesondere in den ersten Jahren nach Einführung eines Refundsystems. Denn der für das Refundsystem erfor­ derliche finanzielle Bedarf ließe sich grundsätzlich nur in Bezug auf die vor Einführung bestehende endgültige Vorsteuerbelastung näherungs­ weise ermitteln. Aber durch die mit dem Refundsystem eingeführte Möglichkeit zum Ausgleich der endgültigen Vorsteuerbelastung kommt es zu einer steuerlich neutralen Behandlung von Fremdleistungen. We­ gen des damit in vielen Fällen kostengünstigeren Bezugs von Fremdleis­ tungen ist davon auszugehen, dass mit Einführung eines Refundsystems ein Anstieg des Bedarfs zur Deckung der Ausgleichsansprüche erfolgen wird. Folglich gilt es zu klären, wie ein steigender Finanzierungsbedarf für das Refundsystem auszugleichen ist. Das Refundsystem führt in der Tendenz zu einem steigenden Bezug von Fremdleistungen durch die ausgleichsberechtigten Einheiten der öffent­ lichen Hand. Dies führt wegen der nach wie vor zunächst bestehenden endgültigen Vorsteuerbelastung zu einem Anstieg des Umsatzsteuerauf­ kommens. Vor diesem Hintergrund ließe sich begründen, dass dieser um­ satzsteuerliche Mehrertrag denjenigen zugutekommen soll, deren stei­ gende Nachfrage nach steuerpflichtigen Fremdleistungen die zusätzlichen Umsatzsteuereinnahmen verursacht hat. Folgte man dieser Argumenta­ tion, könnte zu Beginn der Einführung des Refundsystems zunächst ein fester Beitrag der begünstigten Einheiten festgesetzt werden. Ein späterer Mehrbedarf an Finanzmitteln zum Ausgleich aller Ansprüche wäre dann

1928 Diese Möglichkeit wird zumindest in einigen Mitgliedstaaten der EU umgesetzt, vgl. die Übersicht bei Gendron, Tax Law Review, Vol. 63 (2009–2010), 477 (502).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

wiederum aus dem Steueraufkommen zu finanzieren. Diese Variante wird als offenes Refundsystem bezeichnet.1929 Demgegenüber könnte ein Refundsystem auch dahingehend ausgestaltet werden, dass die dem Anwendungsbereich des Refundsystems unterlie­ genden Einheiten der öffentlichen Hand eine Nachschusspflicht trifft bzw. ein steigender Finanzierungsbedarf über steigende Beiträge aufge­ fangen wird. In diesem Fall würde es sich um ein geschlossenes Refund­ system handeln.1930 cc) Erstattung ausländischer Vorsteuern Abschließend lässt sich ein Refundsystem noch dadurch charakterisie­ ren und vergleichen, ob nur die Belastung mit inländischer Vorsteuer oder auch mit ausländischer Vorsteuer einen Ausgleichsanspruch be­ gründet. Zu einer Belastung mit ausländischer Umsatzsteuer kann es ausnahmsweise dann kommen, wenn der Ort der bezogenen Leistung nicht im Inland liegt und somit einem anderen (Mitglied-) Staat das Be­ steuerungsrecht zusteht.1931 Denn im Fall der ausländischen Vorsteuer kann es sich zwar um eine grundsätzlich vom Refundsystem erfasste in­ ländische Einheit des öffentlichen Rechts handeln und diese ist auch mit der Steuer endgültig belastet. Allerdings wird die ausländische Steuer nicht an den Staat abgeführt, gegen den sich der Ausgleichsanspruch richtet. Folglich steht der Erstattung keine steuerliche Mehreinnahme gegenüber. So ist es wenig verwunderlich, dass von den acht Mitglied­ staaten der Europäischen Union mit einem nationalen Refundsystem mit den Niederlanden nur einer davon die endgültige Belastung mit aus­ ländischer Vorsteuer im Rahmen seines Refundsystems als anspruchsbe­ gründend anerkennt.1932

1929 Vgl. KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 77 ff.; Wassenaar/Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (391). 1930 KPMG, a. a. O., S. 72 ff.; Wassenaar/Gradus, ebenda. 1931 Vgl. zu den Grundprinzipien der territorialen Zuordnung in der harmonisierten Mehrwertsteuer nur Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 398 ff. 1932 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 107; KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 32; Wassenaar/ Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (392). Die damit verbunde­ nen Auswirkungen auf das Steueraufkommen werden jedoch eingeschränkt. Denn die Niederlande verfügen zwar grundsätzlich über ein offenes Refundsys­ tem, indem die grundsätzlich Begünstigten einen festen Beitrag zur Finanzierung der Erstattungen leisten und ein zukünftiger Mehrbedarf aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert wird. Die Erstattungen von ausländischen Steuern haben hingegen ausschließlich die anspruchsberechtigten Kommunen zu finan­ zieren, so dass insoweit kein Ausgleich aus dem allgemeinen Steueraufkommen erfolgt, vgl. KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 33.

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III.  Das Refundsystem

c) Zusammenfassung eines Referenzrahmens Die Untersuchung zeigt zum einen, dass ein Refundsystem grundsätz­ lich an die endgültige Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand an­ knüpft, die Regelungen innerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuer­ rechtssystems jedoch unberührt lässt. Vielmehr zielt ein Refundsystem darauf ab, durch die Einführung eines Erstattungssystems außerhalb der Mehrwertsteuer einen Belastungsausgleich zu bewirken, so dass vor al­ lem die wirtschaftlichen Folgewirkungen der endgültigen Vorsteuerbe­ lastung verringert oder beseitigt werden. Für den Anwendungsbereich des Refundsystems sind die Anspruchsberechtigten in persönlicher und sachlicher Hinsicht zu bestimmen. So können entweder alle Einheiten der öffentlichen Hand mit all ihren Tätigkeiten darunter fallen oder die Möglichkeit einer Erstattung wird auf bestimmte Einheiten und/oder ausgeübte Tätigkeiten beschränkt. Die für den Ausgleich erforderlichen Mittel können zum einen aus den allgemeinen Steuereinnahmen finan­ ziert werden. Zum anderen ist es möglich, dass die Finanzierung nur von den vom Anwendungsbereich erfassten Einheiten der öffentlichen Hand getragen wird. Die hierfür erforderlichen Beiträge können entweder von den Einheiten selbst aus den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln an einen Fonds gezahlt werden oder ihre finanziellen Zuweisungen werden gekürzt und der entsprechende Kürzungsbetrag der Finanzierung des Re­ fundsystems zugeführt. Des Weiteren kann im Fall einer Finanzierung durch die begünstigten Einheiten zwischen einem offenen und einem geschlossen Refundsystem unterschieden werden. Wenn die Ausgleichs­ ansprüche die zur Verfügung stehenden Finanzmittel übersteigen und dieser Mehrbedarf durch Steuereinnahmen gedeckt wird, handelt es sich um ein offenes Refundsystem. Haben die vom Anwendungsbereich des Refundsystems erfassten Einheiten einen steigenden Mehrbedarf aus­ schließlich selbst zu tragen, ist von einem geschlossenen System zu spre­ chen. Abschließend kann ein Refundsystem so ausgestaltet sein, dass hierdurch nur inländische Vorsteuern erstattungsfähig sind. Demgegen­ über kann ein Refundsystem allerdings auch die Erstattung ausländi­ scher Vorsteuern ermöglichen. 2. Unionsrechtliche Vorgaben Im vorherigen Abschnitt ließ sich mit Blick auf den Zweck von Refund­ systemen und die zentralen Merkmale ihrer Ausgestaltung ein Referenz­ rahmen erstellen, der die bestehenden Möglichkeiten für die Gestaltung eines unionsweiten oder nationalen Refundsystems umfasst. Davon aus­ gehend gilt es nunmehr zu prüfen, ob und inwieweit ein Refundsystem, welches sich innerhalb dieses Referenzrahmens befindet, unionsrechtli­ chen Vorgaben entsprechen würde. Als Ergebnis folgt daraus insgesamt eine Übersicht des in der Europäischen Union Üblichen und in rechtli­ 405

D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

cher Hinsicht Möglichen für die nationale Ausgestaltung eines Refund­ systems. Auf dieser Grundlage können wiederum vor allem nationale Vorschläge für ein Refundsystem einer tatsächlichen und rechtlichen Bewertung unterzogen werden. Aus unionsrechtlicher Sicht muss ein Refundsystem zunächst mit den inhaltlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vereinbar sein. So dürfen die Anknüpfung an eine endgültige Vorsteuerbelastung sowie der damit verbundene Ausgleich im Rahmen des Erstattungssys­ tems nicht den Vorgaben zum Vorsteuerabzug entgegenlaufen. In einem nächsten Schritt ist zu klären, ob sich nicht aus dem unionsrechtlichen Beihilfeverbot Vorgaben ergeben, denen aus nationaler Sicht bei der Aus­ gestaltung eines Refundsystems zwingend Rechnung zu tragen ist. Dies wäre der Fall, soweit es sich bei den Zahlungen im Rahmen des Refund­ systems um unerlaubte Beihilfeleistungen handeln würde. In einem letz­ ten Schritt könnten sich aus den Grundfreiheiten der Europäischen Uni­ on Vorgaben für die Ausgestaltung eines nationalen Refundsystems ergeben. Denn vor allem durch die Gestaltung des Anwendungsbereichs dürfen ausländische Unternehmer nicht gegenüber inländischen Unter­ nehmern in ihren grenzüberschreitenden und grundfreiheitlich geschütz­ ten Tätigkeiten unzulässig benachteiligt werden. a) Vereinbarkeit mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind an die Inhalte des Richtlinienrechts im Sinne des Art. 288 Abs. 3 AEUV gebunden und zu ihrer Umsetzung in nationales Recht verpflichtet. Gleichzeitig hat ein Mitgliedstaat alles zu unterlassen, das den mit dem Richtlinienrecht ver­ bundenen Zielen entgegenwirken würde.1933 Somit darf der Mitgliedstaat mit Einführung eines nationalen Refundsystems keine der sich aus der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ergebenden zwingenden inhaltlichen Vorgaben unterlaufen. Angesichts der Ausgleichswirkung des Erstattungssystems in Abhängig­ keit von einer vorangegangenen endgültigen Vorsteuerbelastung könn­ ten hierdurch die inhaltlichen Vorgaben zum Vorsteuerabzug unterlau­ fen werden.1934 So sehen die Art. 168 ff. MwStSystRL die Möglichkeit vor, über einen Vorsteuerabzug von einer vorherigen steuerlichen Belastung befreit zu werden und auf diesem Wege einer steuerlich neutralen Be­ 1933 Vgl. EuGH, Urt. v. 7.7.1981 – Rs. 158/80 (Rewe), EU:C:1981:163, Rz. 36; Urt. v. 9.6.1992 – Rs. C-96/91 (Kommission/Spanien), EU:C:1992:253, Rz. 10; Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rz. 79. 1934 Vgl. zu dieser Frage auch Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Ver­ tragspartner bei PPP-Projekten, S. 205 ff.; Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (235).

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III.  Das Refundsystem

handlung zu unterliegen.1935 Dies setzt jedoch zum einen voraus, dass der belastete Leistungsempfänger als Steuerpflichtiger in persönlicher Hin­ sicht dem Anwendungsbereich der harmonisierten Mehrwertsteuer un­ terliegt.1936 Ist die öffentliche Hand somit mangels Ausübung einer wirt­ schaftlichen Tätigkeit im Sinne des Art. 9 MwStSystRL oder wegen der Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgeschlossen, ist ihr der Vorsteuerabzug zwingend zu versagen.1937 Die Folge ist eine endgültige Belastung der öffentlichen Hand mit der an den Leistungserbringer zu zahlenden Mehrwertsteuer. Zum anderen scheidet ein Vorsteuerabzug grundsätzlich aus, wenn die bezogene Leistung der Ausübung steuerfreier Ausgangsumsätze dient.1938 Denn dann ist selbst ein Steuerpflichtiger zwingend wie ein Nichtsteuer­ pflichtiger zu behandeln und mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer zu belas­ ten.1939 Indem das Refundsystem an eine Vorsteuerbelastung anknüpft, die sich nicht unter Anwendung der Regeln zum Vorsteuerabzug beseiti­ gen lässt, wird die Ausgleichswirkung außerhalb der Vorgaben zum Mehrwertsteuerrecht nachgeholt. In wirtschaftlicher Hinsicht wird die öffentliche Hand in eine Lage versetzt, wie diese auch im Fall eines Vor­ steuerabzugs bestünde, aber nach den Vorgaben der Mehrwertsteuersys­ temrichtlinie gerade nicht vorgesehen ist.1940 Fraglich ist vor diesem Hin­ tergrund, ob in einem steuerfinanzierten Refundsystem eine unzulässige Umgehung des Richtlinienrechts1941 oder aber ein zulässiges innerstaatli­ ches Finanzierungselement1942 zu sehen ist. Für die Klärung dieser Frage gilt es, zwischen den beiden zuvor genann­ ten Gründen für einen Ausschluss vom Vorsteuerabzug zu unterschei­ 1935 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.2.1985 – Rs. 268/83 (Rompelman), EU:C:1985:74, Rz. 19; Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-29/08 (AB SKF), EU:C:2009:665, Rz. 55; Urt. v. 16.2.2012 – Rs. C-118/11 (Eon Aset), EU:C:2012:97, Rz. 68; oben unter A. IV. 1936 Vgl. hier nur Art. 168 lit. a MwStSystRL; oben unter A. IV. 1. a). 1937 Vgl. hierzu oben unter A. IV. 1. c). 1938 Vgl. hier nur Art. 168 lit. a MwStSystRL. 1939 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 (Puffer), EU:C:2009:254, Rz. 59. 1940 Vgl. Kaiser, Die umsatzsteuerliche Behandlung von PPP-Modellen, S. 91. 1941 So Kaiser, a. a. O., S. 91 f. 1942 So die Europäische Kommission über das Refundsystem in Großbritannien als Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten des Europäischen Parlaments Hansenne (P-2861/99), ABl. C 225 E v. 8.8.2000, S. 211; eine bereits im Jahr 1990 ge­ stellte Anfrage des Abgeordneten Herman (Nr. 2083/90) wurde von der Europäi­ schen Kommission nicht abschließend beantwortet, vgl. ABl. C 164 v. 24.6.1991, S. 10 f.; vgl. hierzu Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspart­ ner bei PPP-Projekten, S. 205 f., welcher im Ergebnis ebenfalls von einer Verein­ barkeit eines Refundsystems mit den Vorgaben der MwStSystRL ausgeht, vgl. ders., a. a. O., S. 208. Sich der Auffassung der Europäischen Kommission an­ schließend Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 94; de la Feria, Intertax 2009, 148 (162); Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (235); Jacob/Berger, Vorschläge für den Einstieg in einen umsatzsteuerlichen Refund bei PPP-Inhabermodellen, S. 4.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

den. Denn dem Ausschluss vom Vorsteuerabzug bei Ausübung von steu­ erfreien Umsätzen könnte die Intention zugrunde liegen, dass es hierbei zumindest zu einer verdeckten Belastung des Leistungsempfängers kom­ men soll. Anhand der Materialien zum Richtlinienrecht ist nicht zu erkennen, ob die Versagung des Vorsteuerabzugs eine solche verdeckte Belastungswirkung des Leistungsempfängers herbeiführen soll.1943 Aller­ dings liegt eine solche Intention in Ansehung der Grundprinzipien und der Systematik des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts nahe. Bei der Mehrwertsteuer handelt es sich um eine indirekte allgemeine Verbrauch­ steuer, bei der typischerweise die anfallende Steuer vom Steuerpflichti­ gen mit dem Preis auf den Leistungsempfänger abgewälzt werden kann.1944 Im Fall der Ausübung von steuerfreien Umsätzen kommt es ebenfalls zu einer Leistungserbringung gegen Entgelt.1945 Folglich steht der erbrachten Leistung ein Entgelt gegenüber, mittels dessen es möglich ist und was auch dem Regelfall entsprechen dürfte, dass die anfallende Vorsteuerbelastung im Rahmen der Preiskalkulation auf den Leistungs­ empfänger abgewälzt wird.1946 Vor diesem Hintergrund ist davon auszu­ gehen, dass auch bei steuerfreien Umsätzen der Leistungsempfänger und nicht der Leistungserbringer anvisierter Träger der Steuerlast ist.1947 Die Alternative zur intendierten Belastung des Leistungsempfängers bei In­ anspruchnahme steuerfreier Ausgangsumsätze bestünde darin, dass der Unternehmer selbst wegen des versagten Vorsteuerabzugs belastet wer­ den soll.1948 Das würde jedoch bedeuten, dass der Richtliniengeber darauf abzielte, die Steuerbefreiungen zugunsten der Endverbraucher durch die steuerliche Belastung der Unternehmer zu finanzieren, und vermag da­ 1943 Englisch, The EU Perspective on VAT Exemptions, in: de la Feria, VAT Exemp­ tions, S. 37 (38); Ruppe, System und Rechtfertigung unechter Steuerbefreiungen, in: Achatz/Tumpel, Unechte Steuerbefreiungen, S. 23 (26). 1944 Vgl. oben unter A. I. 2. 1945 Vgl. zur Systematik der Steuerbefreiungen im Mehrwertsteuerrecht oben unter A. III.; diesen Fällen ist es gleichzustellen, wenn ein Mitgliedstaat von der Er­ mächtigung des Art. 13 II MwStSystRL Gebrauch macht und steuerbefreite Tä­ tigkeiten als solche im Rahmen der öffentlichen Gewalt behandelt, vgl. oben unter A. II. 2. b) cc). 1946 Vgl. Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 104; Ruppe, „Unechte“ Steuerbefreiungen, in: FS Tipke, S. 457 (461); Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, Einf. Rz. 275 (Stand: April 2013). 1947 So auch Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. Rz. 46 (Stand: Jan. 2015); in diese Richtung wohl auch Ehrke-Rabel, Unechte Steuerbefreiungen betreffend die öffentliche Hand und gemeinnützige Organisationen, in: Achatz/Tumpel, Unechte Steuerbefreiungen, S. 149 (150); Ruppe, System und Rechtfertigung unechter Steuerbefreiungen, in: Achatz/Tumpel, Unechte Steuerbefreiungen, ­ S. 23 (29 ff.); aus Sicht von Englisch lässt sich grundsätzlich nur in diesem Fall der Ausschluss vom Vorsteuerabzug rechtfertigen, ders., in: Tipke/Lang, Steuer­ recht, § 17 Rz. 209. 1948 So z. B. Frink, Der Ausschluß des Vorsteuerabzugs bei der Ausführung steuerfrei­ er Umsätze im Umsatzsteuerrecht, S. 101.

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III.  Das Refundsystem

her kaum zu überzeugen.1949 Zudem stünde diese weitgehende Belas­ tungswirkung konträr zur Funktion des Steuerpflichtigen im System der Mehrwertsteuer sowie zu deren Belastungsgrund. Denn der Steuerpflich­ tige ist regelmäßig Steuerschuldner und damit nur Steuereinsammler anstelle des Staates. Zudem ist allein der private und gerade nicht der wirtschaftliche Endverbrauch Belastungsgrund der Mehrwertsteuer.1950 Damit bleibt festzuhalten, dass nach dem Mehrwertsteuersystem auch bei steuerfreien Ausgangsumsätzen der Leistungsempfänger als Träger der Steuer behandelt werden soll. Die Einbeziehung der eigenen Vorsteuerbelastung als wirtschaftlichen Aufwand in die Preiskalkulation und die damit einhergehende Weiterga­ be der Belastungswirkung an den Leistungsempfänger entfiele allerdings regelmäßig, stünde bereits bei Leistungsbezug fest, dass es zu keiner ei­ genen wirtschaftlichen Belastung kommen wird. Eine wirtschaftliche Belastung wird jedoch gerade durch den Ausgleich im Rahmen des Re­ fundsystems vermieden. Folglich verhindert ein Refundsystem in diesen Fällen die nach dem Inhalt der Mehrwertsteuersystemrichtlinie inten­ dierte verdeckte Belastung des Leistungsempfängers von steuerfreien Leistungen. Damit widerspricht insoweit die Ausgleichsregelung eines Refundsystems der in dem Richtlinienrecht inhaltlich angelegten Wir­ kung von sachlichen Steuerbefreiungen. Dies gilt umso mehr, als dass durch das Refundsystem die intendierte endgültige Belastung des priva­ ten Endverbrauchs im Rahmen von steuerfreien Leistungen verhindert und hierdurch das vorgegebene Belastungsziel des harmonisierten Mehr­ wertsteuerrechts unterlaufen wird. Nichts anderes kann gelten, wenn die Nichtbesteuerung einer Leistung der öffentlichen Hand darauf beruht, dass sie wegen des Wahlrechts für die Mitgliedstaaten in Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL als im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt behandelt wird.1951 Denn dabei handelt es sich nur um eine Vereinfachungsregelung, die Leistungen betrifft, welche grundsätzlich dem Anwendungsbereich einer sachlichen Steuerbefrei­ ung unterliegen. Wegen der Behandlung als Nichtsteuerpflichtige nach Art. 13 MwStSystRL blieben grundsätzlich die Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand und damit die typisierte Möglichkeit der verdeckten Weitergabe der Vorsteuerbelastung wie im Fall einer sachlichen Steuer­ befreiung gewahrt. Käme es hingegen allein wegen der Regelung des Art. 13 Abs. 2 MwStSystRL zu einer Erstattung im Rahmen des Refund­ systems, ist diese Weitergabe nicht weiter gewährleistet und liefe eben­ falls auf eine Aushebelung des in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 1949 Vgl. Reiß, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Einf. Rz. 46 (Stand: Jan. 2015). 1950 Vgl. zu beiden Aspekten oben unter A. I. 2. 1951 Vgl. zu Art. 13 II MwStSystRL oben unter A. II. 2. b) cc).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

vorgegebenen Inhalts hinaus. Vor diesem Hintergrund gilt, dass der In­ halt des Richtlinienrechts einem Refundsystem insoweit entgegensteht, als dass darin ein Ausgleich für eine Vorsteuerbelastung vorgesehen ist, die im Zusammenhang mit einer grundsätzlich dem Anwendungsbe­ reich einer sachlichen Steuerbefreiung1952 unterliegenden Leistung steht. Zum anderen kann die endgültige Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand darauf beruhen, dass diese als Nichtsteuerpflichtige vom Anwen­ dungsbereich der Mehrwertsteuer ausgeschlossen ist. In diesem Fall ent­ faltet die Erstattung der Vorsteuer im Rahmen des Refundsystems keine Wirkung, die den inhaltlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie entgegensteht. Insbesondere dient die Versagung des Vorsteu­ erabzugs nicht wie im Fall der von sachlichen Steuerbefreiungen gleich­ zeitig der Belastung des privaten Endverbrauchs. Somit knüpft das Refundsystem nur an das Ergebnis an, welches sich aus der Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben in das nationale Umsatzsteuerrecht er­ gibt.1953 Hierdurch wird auch nicht das Aufkommen der Umsatzsteuer selbst beeinflusst, auf welches für den nationalen Anteil an den Eigen­ mitteln der EU angeknüpft wird.1954 Das Eintreten von Wettbewerbsver­ zerrungen ist in diesen Fallgestaltungen grundsätzlich1955 ebenfalls nicht zu befürchten. Vielmehr wird die Vorsteuerbelastung nur als Indikator für einen finanziellen Bedarf der betroffenen Einheit der öffentlichen Hand herangezogen. Abschließend lässt sich damit festhalten, dass ein Refundsystem grund­ sätzlich nicht im Widerspruch zu maßgeblichen Vorgaben der Mehrwert­ steuersystemrichtlinie steht. Nur soweit der Ausgleich der Vorsteuerbe­ lastung Tätigkeiten betrifft, die grundsätzlich in den Anwendungsbereich einer sachlichen, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Steuer­ befreiung fallen, unterläuft das Refundsystem den Vorgaben des Richtli­ nienrechts. Für die Ausgestaltung eines nationalen Refundsystems ist somit unionsrechtlich geboten, dass keine Erstattung von nicht abzugs­ 1952 Dies gilt freilich nicht für Steuerbefreiungen, die nicht zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen, vgl. z. B. Art. 169 lit. b, lit. c MwStSystRL. 1953 In diese Richtung auch der EuGH zur Anrechnung von geschuldeter Mehrwert­ steuer auf eine nationale Sonderabgabe, vgl. Urt. v. 24.10.2013 – Rs. C-440/12 (Metropol), EU:C:2013:687, Rz. 55 ff.; vgl. hierzu Englisch, in: Tipke/Lang, Steu­ errecht, § 17 Rz. 60 in Fn. 1. 1954 Vgl. Beschluss des Rates der Europäischen Union v. 7.6.2007, ABl. L 163 v. 23.6.2007, S. 17; hierzu Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (236). 1955 Dies setzt freilich voraus, dass bei Anwendung der Befreiungsvorschrift des Art. 13 I MwStSystRL die Wettbewerbsklausel zutreffend geprüft wurde. Andern­ falls würde das Refundsystem die verzerrende Wirkung noch verstärken. Denn so blieben die konkurrierenden Ausgangsleistungen nicht nur steuerlich unbe­ lastet, sondern die öffentliche Hand als Wettbewerbsteilnehmerin wird darüber hinaus wirtschaftlich ebenfalls von der Vorsteuer entlastet.

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III.  Das Refundsystem

fähigen Vorsteuern erfolgen darf, wenn die entsprechenden Fremdleis­ tungen zur Ausübung steuerfreier Umsätze verwendet werden. b) Vereinbarkeit mit dem Beihilfeverbot Die Zahlungen von Erstattungen im Rahmen eines Refundsystems müs­ sen nicht nur mit den inhaltlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie, sondern insbesondere auch mit den Vorgaben zum Schutz des Binnenmarktes vereinbar sein. So beinhaltet das Unionsrecht in den Art. 101–109 AEUV Regeln zum Schutz des Wettbewerbs im Binnen­ markt, mit denen dieser vor schädigenden Einflüssen bewahrt werden soll.1956 Während sich die Art. 101–106 AEUV mit ihren Vorgaben an die Unternehmen selbst richten, betreffen die Art. 107–109 AEUV staatliche Beihilfen, die Unternehmen oder Produktionszweigen gewährt wer­ den.1957 Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind solche Beihilfen mit dem Bin­ nenmarkt unvereinbar und aus diesem Grund verboten.1958 Von diesem Grundsatz finden sich in Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen.1959 Eine weitere Ausnahme vom Beihilfever­ bot des Art. 107 Abs. 1 AEUV stellt die Regelung des Art. 106 Abs. 2 AEUV dar. Diese Vorschrift findet sich zwar systematisch im 1. Kapitel der Wettbewerbsregeln, gleichwohl entfaltet sie ihren Ausnahmencharakter für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse nicht nur bzgl. der Wettbewerbsregeln für Unternehmen, sondern auch für staatliche Beihilfen.1960 In Ergänzung zum Verbot staatlicher Beihilfen in Art. 107 AEUV wird in Art. 108 AEUV insbesondere das Verfahren für die Entscheidung über die Frage nach der Vereinbarkeit geregelt, während Art. 109 AEUV zugunsten des Rates eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Verordnungen zum Regelungsinhalt des Art. 107 AEUV be­ gründet.1961 Die Wirkungsweise von Refundsystemen sieht Zahlungen an die begüns­ tigten Einrichtungen der öffentlichen Hand vor. Angesichts der Unions­ vorgaben zum Beihilferecht gilt es mit Blick auf die verschiedenen mög­ lichen Rahmenbedingungen eines Refundsystems zu klären, ob und unter welchen Umständen der Ausgleich für eine Vorsteuerbelastung eine verbotene Beihilfe darstellt. Dafür müsste es sich gem. Art. 107 Abs. 1 AEUV grundsätzlich bei den Zahlungen um Beihilfen und bei den Einheiten der öffentlichen Hand um Unternehmen handeln. Die Zahlun­ gen wiederum müssen staatliche Mittel darstellen oder zumindest aus 1956 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 1. 1957 Art. 107 I AEUV. 1958 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 8. 1959 Vgl. Cremer, a. a. O., Art. 107 AEUV Rz. 1. 1960 Vgl. Cremer, a. a. O., Art. 107 AEUV Rz. 1, 14 ff. 1961 Vgl. Cremer, a. a. O., Art. 107 AEUV Rz. 1.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

solchen Mitteln stammen und den Wettbewerb des Binnenmarktes ver­ fälschen oder zu verfälschen drohen, indem sie eine Begünstigung für bestimmte Unternehmen bedeuten. Letztlich müssten dann die Zahlun­ gen im Rahmen des Refundsystems den Handel zwischen den Mitglied­ staaten beeinträchtigen. Ausgehend von diesen allgemeinen Vorausset­ zungen haben sich einzelne besondere Prüfungsvorgaben für Sachverhalte etabliert, in denen es wie möglicherweise bei den Erstattungsleistungen eines Refundsystems um die Gewährung von Steuervorteilen geht.1962 Diese kommen vor allem bei der Prüfung, ob die Begünstigung nur be­ stimmten Unternehmen zugutekommt, zum Tragen. aa) Erstattungszahlung als Beihilfeleistung Die Zahlungen, mit denen eine Belastung durch nicht abzugsfähige Vor­ steuer ausgeglichen wird, müssen eine Maßnahme darstellen, die unter den Begriff der Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt. Dabei kommt es allein auf die Wirkung einer Maßnahme an.1963 So liegt eine Begünstigung dann vor, wenn die Maßnahme zu einem finanziellen Vor­ teil führt.1964 Hierfür ist die Lage eines Unternehmens vor und nach der Maßnahme zu vergleichen.1965 Danach ist eine Begünstigung also gege­ ben, wenn mittels der Maßnahme eine Belastung verringert wird, die ein Unternehmen üblicherweise zu tragen hat.1966 Dies gilt gerade dann, wenn es sich um eine Verringerung von steuerlichen Lasten handelt.1967 Keine Beihilfe liegt hingegen vor, wenn die Maßnahme eine marktübli­

1962 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung (98/C 384/03) über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direk­ ten Unternehmenssteuerung, ABl. C 384 v. 10.12.1998, S. 3 (4 ff.); dies., Bericht über die Umsetzung der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung v. 9.2.2004, C(2004) 434, Rz. 5. Diese Vorgaben gel­ ten sowohl für direkte als auch für indirekte Steuern, vgl. dies., a. a. O., Rz. 71 ff.; Beschl. v. 12.3.2015 über die Aufforderung zur Stellungnahme nach Art. 108 Abs. 2 AEUV, SA.39235 (2015/C), ABl. C 136 v. 24.4.2015, S. 7; vgl. insgesamt hierzu Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.4 ff.; Terra, Intertax 2012, 101 (109). 1963 Vgl. Europäische Kommission, Entwurf einer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe (2014), Rz. 68 m. w. N.; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 10 m. w. N. 1964 Vgl. Europäische Kommission, ebenda. 1965 Ebenda. 1966 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 10. 1967 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung (98/C 384/03) über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direk­ ten Unternehmenssteuerung, ABl. C 384 v. 10.12.1998, S. 3 (4); Bode, FR 2011, 1034; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.5 m. w. N.

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III.  Das Refundsystem

che Gegenleistung für die Erbringung einer Leistung darstellt.1968 In An­ lehnung an die Wertung des Art. 106 Abs. 2 AEUV fehlt es ebenfalls an einer Beihilfe, wenn die Zuwendung zwar nicht eine marktübliche Ge­ genleistung ist, sie jedoch für eine Dienstleistung von allgemeinem wirt­ schaftlichen Interesse erfolgt und insoweit einen bloßen Ausgleich für die damit verbundenen Aufwendungen darstellt.1969 Diese Voraussetzun­ gen wurden insbesondere vom EuGH in seinem Urteil in der Rechts­ sache Altmark Trans1970 konkretisiert.1971 Danach scheidet eine Beihilfe aus, wenn alle der folgenden vier Voraussetzungen erfüllt sind:1972 Als erstes muss dem Empfänger der Zuwendung die Erfüllung einer Ver­ pflichtung von gemeinwirtschaftlichem Interesse obliegen.1973 Dann müssen die Kriterien, anhand derer der Umfang der Zuwendung sich er­ mitteln lässt, im Vorfeld aufgestellt werden sowie objektiv und transpa­ rent sein.1974 Als drittes darf die Höhe der Zuwendung nicht die mit der Erfüllung verbundenen Kosten überschreiten, wobei ein angemessener Unternehmergewinn, aber auch erzielte Einnahmen zu berücksichtigen sind.1975 Letztlich ist der Zuwendungsbetrag für die Erfüllung der Ver­ pflichtung nicht etwa allein anhand der anfallenden Kosten zu bestim­ men, sondern auf eine Höhe zu begrenzen, die sich durch einen Vergleich mit einem „durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen“ ergibt.1976 Die Ausgleichszahlungen im Rahmen eines Refundsystems knüpfen an die steuerliche Belastung durch die nicht abzugsfähige Vorsteuer an. Ohne die Erstattung müssten die begünstigten Einrichtungen des öffent­ lichen Rechts die Belastung tragen. Die davon erfassten Einheiten der öffentlichen Hand stehen demnach hierdurch in finanzieller Hinsicht besser da als zuvor. Damit stellen die Ausgleichszahlungen im Rahmen eines Refundsystems grundsätzlich eine Begünstigung im Sinne des Bei­ hilferechts dar.1977 Die Zahlungen, die im Rahmen des Refundsystems geleistet werden, erfolgen zudem unabhängig von einer konkreten Ge­ 1968 Vgl. zu dieser Ausnahme Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 10. 1969 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 116; Cremer, a. a. O., Art. 107 AEUV Rz. 14. 1970 EuGH, Urt. v. 24.7.2003 – Rs. C-280/00 (Altmark Trans), EU:C:2003:415. 1971 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 15; Euro­ päische Kommission, Entwurf einer Bekanntmachung zum Begriff der staatli­ chen Beihilfe (2014), Rz. 72. 1972 Vgl. zu den folgenden Voraussetzungen EuGH, Urt. v. 24.7.2003 – Rs. C-280/00 (Altmark Trans), EU:C:2003:415, Rz. 95 ff.; Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 116; Cremer, ebenda; Europäische Kommission, ebenda. 1973 EuGH, Urt. v. 24.7.2003 – Rs. C-280/00 (Altmark Trans), EU:C:2003:415, Rz. 95. 1974 Ebenda. 1975 Ebenda. 1976 Ebenda. 1977 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 116.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

genleistung, so dass darin keine marktüblichen Gegenleistungen zu se­ hen sind. Letztlich dürften zwar viele der Tätigkeiten, die der öffentli­ chen Hand obliegen, aus einem allgemeinen wirtschaftlichen Interesse erfolgen. Allerdings bestimmt sich die Erstattungsleistung innerhalb ei­ nes Refundsystems nach der Höhe der nicht abzugsfähigen Vorsteuer und folglich nicht anhand der Kriterien, die sich aus dem Urteil in der Rechtssache Altmark Trans als maßgebliche Voraussetzungen für den Ausschluss einer Beihilfe in diesen Fällen ergeben.1978 Die mittels eines Refundsystems erfolgenden Ausgleichszahlungen stellen somit eine Be­ günstigung im Sinne des Beihilferechts dar.1979 bb) Die Unternehmen der öffentlichen Hand Für ein Verbot von Beihilfeleistungen muss die damit verbundene Zu­ wendung gem. Art. 107 Abs. 1 AEUV Unternehmen oder Produktions­ zweigen zugutekommen. Der Begriff des Unternehmens ist rechtsform­ neutral zu verstehen und erfasst jede Einheit unabhängig von ihrer Finanzierung.1980 Dementsprechend können sowohl Personen des Privat­ rechts als auch des öffentlichen Rechts Unternehmen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV sein.1981 Die Abgrenzung zwischen Einheiten, die dem Anwendungsbereich des Beihilferechts unterliegen und solchen, die von vornherein keine tauglichen Empfänger von Beihilfen sind, erfolgt anhand des Kriteriums der wirtschaftlichen Tätigkeit.1982 Soweit eine Einheit der öffentlichen Hand eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Beihilferechts ausübt, ist sie mit dieser als Unternehmen anzusehen. Übt eine Einheit sowohl wirtschaftliche als auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten aus, unterliegt sie nur im Umfang der Ersten dem Anwen­ dungsbereich des Art. 107 Abs. 1 AEUV.1983 Eine wirtschaftliche Tätig­ keit im wettbewerbsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn mit der Tätigkeit ein Auftreten auf dem Markt verbunden ist und dort Güter oder Dienst­ leistungen angeboten werden.1984 1978 Ebenda. 1979 Ebenda. 1980 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.9.2000 – Rs. C-180/98 (Pavlov u. a.), EU:C:2000:428, Rz. 74; Urt. v. 10.1.2006 – Rs. C-222/04 (Cassa di Risparmio di Firenze u. a.), EU:C:2006:8, Rz. 107; Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 117; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.9. 1981 Vgl. Henkow, ebenda; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz.  25 m. w. N. 1982 Vgl. Cremer, ebenda. 1983 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 118; Europäische Kommission, Entwurf einer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihil­ fe (2014), Rz. 10. 1984 EuGH, Urt. v. 16.6.1987 – Rs. 118/85 (Kommission/Italien), EU:C:1987:283, Rz. 7; Urt. v. 18.3.1997 – Rs. C-343/95 (Calì & Figli), EU:C:1997:160, Rz. 16; Urt. v. 18.6.1998 – Rs. C-35/96 (Kommission/Italien), EU:C:1998:303, Rz. 36;

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III.  Das Refundsystem

Ob eine Ausgleichszahlung des Refundsystems dem Anwendungsbereich des Beihilfeverbots unterliegt, entscheidet sich damit unter anderem an­ hand der ausgeübten Tätigkeit der öffentlichen Hand, für die sie eine Erstattung erlangt. Soweit demnach die Erstattung für eine Tätigkeit er­ folgt, die nach den Maßstäben des Beihilferechts als wirtschaftliche ­Tätigkeit anzusehen ist, unterliegt die öffentliche Hand dem Anwen­ dungsbereich des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Mit den Tätigkeiten, die ihren hoheitlichen Befugnissen entsprechen, ist die öffentliche Hand hingegen keine Unternehmerin im Sinne des Beihilferechts.1985 Ausgleichszahlun­ gen des Refundsystems, die einer solchen Tätigkeit zugutekommen, un­ terliegen demnach nicht dem Beihilfeverbot. Vor diesem Hintergrund ist im Folgenden zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen die öf­ fentliche Hand eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Beihilferechts ausübt. Da sowohl der Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts und damit des Refundsystems als auch der des Beihilferechts an die Ab­ grenzung zwischen wirtschaftlicher und hoheitlicher Tätigkeit anknüp­ fen, gilt es weiter zu klären, ob und inwieweit sich inhaltliche Gemein­ samkeiten und Unterschiede ergeben. Über die Unternehmenseigenschaft ist im Beihilferecht anhand der kon­ kret ausgeübten Tätigkeit zu entscheiden.1986 Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn eine wirtschaftliche und eine hoheitliche Tätigkeit untrenn­ bar miteinander verbunden sind. In diesen Fällen stellen beide Tätigkei­ ten bzw. alle Tätigkeiten, die mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse derart verbunden sind, keine wirtschaftliche Tätigkeit dar und die ent­ sprechenden Einheiten der öffentlichen Hand unterliegen nicht dem An­ wendungsbereich des Beihilferechts.1987 Kriterien, anhand derer die Ausübung hoheitlicher Befugnisse von einer wirtschaftlichen Tätigkeit abgegrenzt werden kann, lassen sich insbe­ sondere aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung ableiten.1988 So spricht es für eine Ausübung hoheitlicher Befugnisse, wenn ein Handeln Urt. v. 12.9.2000 – Rs. C-180/98 (Pavlov u. a.), EU:C:2000:428, Rz. 75; Henkow, a. a. O., S.  117; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 25; Europäische Kommission, a. a. O., Rz. 12. 1985 EuGH, Urt. v. 19.1.1994 – Rs. C-364/92 (SAT Fluggesellschaft), EU:C:1994:7, Rz. 30 f.; Urt. v. 12.7.2012 – Rs. C-138/11 (Compass-Datenbank), EU:C:2012:449, Rz. 51; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.9. 1986 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.6.1987 – Rs. 118/85 (Kommission/Italien), EU:C:1987:283, Rz. 7; Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 118. 1987 EuGH, Urt. v. 26.3.2009 – Rs. C-113/07 (SELEX Sistemi Integrati), EU:C:2009:191, Rz. 72 ff.; Urt. v. 12.7.2012 – Rs. C-138/11 (Compass-Datenbank), EU:C:2012:449, Rz. 38; Europäische Kommission, Entwurf einer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe (2014), Rz. 19. 1988 Vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlich Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 117 ff.; Europäische Kommission, a. a. O., Rz. 16, 18 ff.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

als „öffentliche Hand“1989 bzw. in der „Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt“1990 erfolgt. Gleiches gilt, wenn das Handeln hoheitliche Vor­ rechte bzw. wesentliche staatliche Aufgaben betrifft oder zumindest die verfolgten Ziele sowie die rechtlichen Grundlagen ihres Handelns mit einer solchen Aufgabe verbunden sind.1991 Tätigkeiten im Bereich der so­ zialen Sicherheit sind vor allem dann als nichtwirtschaftlich anzusehen, wenn sie auf dem Prinzip der Solidarität basieren, was wiederum von der Rechtsprechung an einer Vielzahl von Kriterien geprüft wird.1992 Für die Anwendung des Beihilferechts auf die Ausgleichszahlungen im Rahmen eines Refundsystems ist somit wie im Mehrwertsteuerrecht zu prüfen, ob und inwieweit die öffentliche Hand eine wirtschaftliche Tä­ tigkeit ausübt. Darüber hinaus kommt es zumindest nach der Grundwer­ tung zu keiner Einbeziehung der öffentlichen Hand in den jeweiligen Anwendungsbereich, wenn eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt wird.1993 Es stellt sich damit die Frage, ob und inwieweit wegen dieser Ähnlichkeiten für die Anwendung des Beihilferechts auf Ergebnisse und Wertungen des Mehrwertsteuerrechts zurückgegriffen werden kann. In diesem Zusammenhang sind allerdings die zwischen beiden Regelungsbereichen bestehenden systematischen und inhaltli­ chen Unterschiede zu berücksichtigen. So ist für die Anwendung des Mehrwertsteuerrechts zunächst nur ent­ scheidend, ob die öffentliche Hand überhaupt eine wirtschaftliche Tätig­ keit ausübt.1994 Die Frage nach der Ausübung hoheitlicher Gewalt ist auf dieser ersten Stufe nicht von besonderer Bedeutung. Vielmehr kann es zu einem Ausschluss vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer und da­ mit zu einer Relevanz der Ausübung öffentlicher Gewalt nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL nur dann kommen, wenn die öffentliche Hand zuvor infolge einer wirtschaftlichen Tätigkeit dem Mehrwertsteuerrecht un­ terliegt. Somit erlangt der Charakter einer hoheitlichen Tätigkeit erst auf einer zweiten Stufe eine Relevanz. Allerdings ist der Ausschluss vom Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts wegen der Ausübung ei­ 1989 EuGH, Urt. v. 16.6.1987 – Rs. 118/85 (Kommission/Italien), EU:C:1987:283, Rz. 7; Urt. v. 18.3.1997 – Rs. C-343/95 (Calì & Figli), EU:C:1997:160, Rz. 16. 1990 EuGH, Urt. v. 4.5.1988 – Rs. 30/87 (Bodson), EU:C:1988:225, Rz. 18. 1991 EuGH, Urt. v. 19.1.1994 – Rs. C-364/92 (SAT Fluggesellschaft), EU:C:1994:7, Rz. 30. 1992 Vgl. hierzu mit entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen Europäische Kommission, Entwurf einer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe (2014), Rz. 20 ff.; zudem Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 118 f. 1993 Vgl. hierzu Henkow, a. a. O., S. 119 f.; wegen der in Art. 13 I ii MwStSystRL vor­ gesehenen Rückausnahmen von der Befreiungswirkung führt die Ausübung öf­ fentlicher Gewalt gerade nicht immer zu einem Ausschluss vom Anwendungs­ bereich des Mehrwertsteuerrechts. 1994 Vgl. Art. 9 MwStSystRL.

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III.  Das Refundsystem

ner Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt nicht zwingend das endgültige Ergebnis. Denn eine Einbeziehung erfolgt wiederum und trotz Ausübung öffentlicher Gewalt, soweit durch den Ausschluss die Gefahr von größeren Wettbewerbsverzerrungen hervorgerufen wird.1995 Eine solche Regelungssystematik ist dem Beihilferecht fremd. Hier ist nur auf einer Stufe eine Abgrenzung zwischen wirtschaftlicher und ho­ heitlicher Tätigkeit vorzunehmen. Neben diesen systematischen Unter­ schieden in Bezug auf die Stellung und Bedeutung einer wirtschaftlichen bzw. einer hoheitlichen Tätigkeit sind diese beiden Merkmale auch für die Regelungsbereiche unterschiedlich auszulegen. Für das Beihilferecht ist zur Bestimmung, ob eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Ge­ walt ausgeübt wird, auf den Inhalt der konkreten Tätigkeit abzustellen. Demgegenüber wird vom EuGH für die Auslegung des Begriffs in Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL ein handlungsformbezogener Ansatz verfolgt. Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit ist wegen der unterschiedlichen vorrangigen Zielsetzungen der beiden Regelungsbereiche einer einheitli­ chen Auslegung nicht zugänglich. Denn während das Beihilferecht vor­ rangig dem Schutz der Wirtschaft und des Wettbewerbs dient, verfolgt das Mehrwertsteuerrecht einen weiten Anwendungsbereich zur Gewähr­ leistung einer gleichmäßigen Belastung von privaten Vermögensverwen­ dungen.1996 Vor diesem Hintergrund wären ein gemeinsames Verständnis und eine entsprechende Auslegung angesichts der zentralen Bedeutung dieses Begriffs verfehlt.1997 Somit finden sich in den Regelungsbereichen des Beihilferechts und des Mehrwertsteuerrechts zwar auf der einen Seite Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen, gleichzeitig bestehen bedeutende Unterschiede. Folglich kann von einer mehrwertsteuerrechtlichen Behandlung der öf­ fentlichen Hand als Nichtsteuerpflichtige nicht auf eine Nichtanwen­ dung des Beihilferechts für die damit befreiten Tätigkeiten geschlossen werden. Vielmehr gilt es wie folgt nach den Gründen für eine Nichtbe­ steuerung der öffentlichen Hand und der daraus resultierenden endgülti­ gen Vorsteuerbelastung zu differenzieren. So kann eine Erstattung im Rahmen des Refundsystems als Ausgleich für eine Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand erfolgen, die wiederum 1995 Vgl. Art. 13 I ii und iii MwStSystRL; hierzu oben unter A. II. 2. c). 1996 Vgl. zum Ziel des weiten Anwendungsbereichs oben unter A. I. 2.; hierzu EuGH, Urt. v. 26.3.1987 – Rs. 235/85 (Kommission/Niederlande), EU:C:1987:161, Rz. 8 f.; Urt. v. 4.12.1990 – Rs. C-186/89 (Van Tiem), EU:C:1990:429, Rz. 17 f.; Urt. v. 26.6.2007 – Rs. C-284/04 (T-Mobile Austria u. a.), EU:C:2007:381, Rz. 34 f. 1997 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 119, 120; a. A. wohl die Europäische Kommission, die für die Frage der wirtschaftlichen Tätigkeit im Beihilferecht auf die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 9 MwStSystRL verweist, vgl. Entscheidung v. 6.9.2005, K(2005) 3302, ABl. L 268 v. 27.9.2006, S. 1 (6).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

auf der fehlenden Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Mehrwertsteuerrechts beruht. Dieser Umstand schließt zwar nicht zwingend eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Beihilferechts aus. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Wirtschaftlichkeitsbegriff im Mehrwertsteuerrecht sehr weit zu verstehen ist und damit grundsätzlich all die Tätigkeiten umfassen dürfte, die nach beihilferechtlichen Maßstä­ ben als wirtschaftliche Tätigkeiten anzusehen sind. Folglich ist davon auszugehen, dass eine Tätigkeit, die keinen wirtschaftlichen Charakter im Sinne des Mehrwertsteuerrechts aufweist, regelmäßig auch als nicht­ wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Beihilferechts anzusehen ist. So­ mit kommt der mehrwertsteuerrechtlichen Bewertung insoweit zumin­ dest eine indizielle Wirkung zu. Einschränkend ist jedoch insbesondere zu berücksichtigen, dass der EuGH teilweise im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der öffentlichen Hand enge bzw. besondere Voraussetzungen an die wirtschaftliche Tätigkeit stellt.1998 Zudem erfüllt nach dessen Rechtsprechung auch die Beteiligungsverwaltung, zum Beispiel durch eine Holding, nicht die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Tätig­ keit im Sinne des Mehrwertsteuerrechts, wenn diese Tätigkeit selbst nicht zu steuerbaren Ausgangsumsätzen führt.1999 Diesen Besonderhei­ ten gilt es im Rahmen der indiziellen Bedeutung des mehrwertsteuer­ rechtlichen Ergebnisses im Einzelfall Rechnung zu tragen. Gleichwohl lässt sich jenseits dieser abweichenden und insgesamt eine Ausnahme darstellenden Rechtsprechung des EuGH festhalten, dass die Ausgleichs­ zahlung im Rahmen eines Refundsystems regelmäßig nicht gegen das unionsrechtliche Beihilferecht verstößt, wenn die vorherige Vorsteuerbe­ lastung auf einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit beruht. Eine Erstattung durch ein Refundsystem kann zum anderen darauf beru­ hen, dass die öffentliche Hand nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL von der persönlichen Steuerpflicht befreit ist. Hier ist eine eigenständige Prüfung für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach beihilferechtli­ chen Maßstäben geboten. Denn nach der mehrwertsteuerrechtlichen Wertung besitzt die befreite Tätigkeit gleichwohl einen wirtschaftlichen Charakter. Angesichts der handlungsformbezogenen Auslegung des EuGH im Mehrwertsteuerrecht dürfte die beihilferechtliche Beurteilung über das Vorliegen einer Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt wegen des Bezugs auf den Inhalt teilweise abweichen. Erfolgt in diesen Fällen eine Erstattung durch das Refundsystem, wäre eine Beihilfeleis­ tung an ein Unternehmen gegeben.

1998 Vgl. hierzu oben unter A. II. 1. a). 1999 EuGH, Urt. v. 20.6.1991 – Rs. C-60/90 (Polysar), EU:C:1991:268, Rz. 17; Urt. v. 6.9.2012 – Rs. C-496/11 (Portugal Telecom), EU:C:2012:557, Rz. 31 f.

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III.  Das Refundsystem

Ergibt sich letztlich anhand der beihilferechtlichen Kriterien, dass die von einer Einheit der öffentlichen Hand ausgeübte Tätigkeit wirtschaft­ lichen Charakters im Sinne des Wettbewerbsrechts ist, unterfällt sie als Unternehmen mit dieser Tätigkeit der Regelung des Art. 107 Abs. 1 AEUV.2000 Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch, wenn es sich bei der wirtschaftlichen Tätigkeit um eine Dienstleistung im allgemeinen wirt­ schaftlichen Interesse im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV handelt.2001 Mit dieser Umschreibung sind im Ergebnis „alle wirtschaftlichen Akti­ vitäten zur Sicherung von Infrastruktur und Daseinsvorsorge“2002 erfasst. Solche sollen dann nicht den Vorschriften der Wettbewerbsregeln unter­ liegen, wenn deren Anwendung dazu führen würde, dass die Erfüllung der besonderen Aufgaben rechtlich oder auch tatsächlich verhindert wird. Soweit demnach eine öffentliche Einrichtung für eine Tätigkeit, die die Voraussetzungen des Art. 106 Abs. 2 AEUV erfüllt, im Rahmen eines Refundsystems Ausgleichszahlungen erhält, stellen diese von vornherein keine verbotenen staatlichen Beihilfen dar. Allerdings wer­ den zum Beispiel in Deutschland entsprechende Tätigkeiten gegenwärtig ohne die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Ausgleichszahlungen ausgeübt, so dass grundsätzlich nicht auf eine Verhinderung der Tätig­ keiten infolge der Vorsteuerbelastung verwiesen werden könnte. cc) Begünstigung bestimmter Unternehmen Für die Anwendung des Art. 107 Abs. 1 AEUV ist weiterhin erforderlich, dass nur bestimmte Unternehmen von der Begünstigung profitieren.2003 Handelt es sich demnach bei der Beihilfe um eine allgemeine Maßnahme zur Förderung von Unternehmen, unterliegt sie nicht dem Beihilfever­ bot.2004 Für diese Frage ist darauf abzustellen, welche Unternehmen die Beihilfe im Ergebnis erreicht und welche gerade nicht. So ist nicht die formelle Ausgestaltung, sondern die tatsächliche Wirkung der Beihilfe maßgeblich.2005 Folglich muss die Beihilfe eine selektive Wirkung entfal­ ten, um verboten zu sein.2006 Der Anwendungsbereich eines Refundsystems ist in der Regel auf einen bestimmten Kreis von Anspruchsberechtigten sowie der von ihnen aus­ geübten Tätigkeiten beschränkt. So profitieren üblicherweise nur Ein­ 2000 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 119. 2001 Vgl. Henkow, ebenda; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz.  1 m. w. N. 2002 Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 106 AEUV Rz. 36. 2003 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 26. 2004 Ebenda. 2005 Ebenda. 2006 Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 122 f.; von Wallenberg/ Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 41 ff. (Stand: Okt. 2011).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

heiten der öffentlichen Hand von einem Ausgleich der nach den Regeln des Mehrwertsteuerrechts nicht abzugsfähigen Vorsteuer.2007 In diesem Fall kann die begünstigende Wirkung eines Refundsystems folglich nur öffentlichen Unternehmen zugutekommen. Private Unternehmen sind hingegen vom Anwendungsbereich des Refundsystems ausgeschlossen. Im Ergebnis folgt bereits aus der Definition eines eingegrenzten persönli­ chen Anwendungsbereichs, dass es sich bei dem Refundsystem nicht um eine allgemeine Maßnahme handelt. Damit werden nur bestimmte Un­ ternehmen durch die Ausgleichszahlungen im Rahmen eines Refundsys­ tems begünstigt, so dass die damit verbundene Begünstigung grundsätz­ lich eine selektive Wirkung entfaltet. Fraglich ist allerdings, ob darüber hinaus für die selektive Wirkung eines Refundsystems auch die Bedeutung der Ausgleichszahlungen im Verhält­ nis zum geltenden Umsatzsteuerrecht bzw. Mehrwertsteuerrecht zu be­ rücksichtigen ist. Dies wäre der Fall, wenn es sich dabei um eine steuer­ liche Beihilfe handelt. Denn das Merkmal der Selektivität besitzt für Beihilfen, die durch eine steuerliche Vergünstigung erfolgen, eine beson­ dere Bedeutung.2008 Dann gilt es nämlich zu unterscheiden, ob eine Be­ günstigung selektiv im Sinne des Beihilferechts wirkt oder eine Begüns­ tigung nur eine normale Folge des Steuerrechts selbst darstellt.2009 Maßstab ist hierfür die Belastung, die sich aus der Steuer selbst ergibt, sowie die ihr zugrundeliegenden Prinzipien.2010 Vor diesem Hintergrund gilt es zunächst zu klären, ob das Refundsystem eine steuerliche Vergünstigung im Sinne des Beihilferechts darstellt. Da­ runter fällt insbesondere die Minderung einer steuerlichen Last.2011 Die Nichtabzugsfähigkeit der Vorsteuer führt zu einer steuerlichen Belas­ tung, die im Wege des Refundsystems zugunsten der Anspruchsberech­ tigten ausgeglichen wird. Allerdings knüpft die Erstattung, wie bereits oben gezeigt, nur an die steuerliche Belastung an, lässt aber die sich aus dem Mehrwertsteuersystem ergebende Entstehung der steuerlichen Be­

2007 Vgl. zum persönlichen Anwendungsbereich eines Refundsystem oben unter D. III. 1. b) aa). 2008 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung (98/C 384/03) über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direk­ ten Unternehmenssteuerung, ABl. C 384 v. 10.12.1998, S. 3 (4 f.); Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.16. 2009 Vgl. Europäische Kommission, a. a. O., S. 3 (5 f.). 2010 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 123; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.17. 2011 Vgl. Englisch, a. a. O., Rz. 9.12; Europäische Kommission, Mitteilung (98/­ C 384/03) über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmenssteuerung, ABl. C 384 ­ v. 10.12.1998, S. 3 (4).

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III.  Das Refundsystem

lastung selbst unberührt.2012 Dies spricht dafür, auch für die Zwecke des Beihilferechts die Ausgleichszahlungen als direkte Begünstigung und nicht als steuerliche Verschonung im Wege einer Minderung der steuer­ lichen Last zu interpretieren. Dem steht allerdings gegenüber, dass die Auswirkungen des Mehrwert­ steuersystems und der Anwendungsbereich des Refundsystems eng mit­ einander verzahnt sind. Daher könnte aus Sicht des Beihilferechts gleich­ wohl die Ausgleichszahlungen eines Refundsystems als eine steuerliche Verschonung interpretiert werden, so dass zur Feststellung einer selekti­ ven Wirkung auch das der ursprünglichen steuerlichen Belastung zu­ grundeliegende Steuersystem zu berücksichtigen ist. So hat zum Beispiel die EFTA-Überwachungsbehörde im Rahmen einer Entscheidung zu ei­ nem Refundsystem in Norwegen die damit verbundenen Ausgleichszah­ lungen als eine steuerliche Beihilfe angesehen. Dementsprechend prüfte sie die selektive Wirkung der Ausgleichszahlungen auch dahingehend, ob sie „durch die innere Logik des Steuersystems selbst gerechtfertigt“2013 werden kann. Aber auch in der Literatur werden die Ausgleichszahlun­ gen eines Refundsystems als eine steuerliche Beihilfe interpretiert und somit die Frage ihrer selektiven Wirkung mit Blick auf das Mehrwert­ steuerrecht geprüft.2014 Vor diesem Hintergrund erscheint es angezeigt, im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls darauf einzugehen, ob und inwieweit sich eine selektive Wirkung im Sinne des Beihilferechts ergibt, wenn die Ausgleichszahlungen eines Refundsystems als eine steuerliche Vergüns­ tigung angesehen wird. Entsprechend der Rechtsprechung des EuGH zur Prüfung einer selekti­ ven Wirkung von gesetzlich vorgesehenen Steuervergünstigungen2015 müsste das Refundsystem zu einer Ungleichbehandlung von Unterneh­ men im wettbewerbsrechtlichen Sinne mittels einer Abweichung von der normalen Besteuerung führen, obwohl die verglichenen Unter­ nehmen sich sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht in einer vergleichbaren Situation befinden. Eine solche Ungleichbehand­ lung könnte jedoch durch Gründe, die im Steuersystem selbst liegen, wiederum gerechtfertigt werden.

2012 Vgl. zur Vereinbarkeit eines Refundsystems mit den inhaltlichen Vorgaben der MwStSystRL oben unter D. III. 2. a). 2013 EFTA-Überwachungsbehörde, Entscheidung v. 3.5.2007, ABl. L 249 v. 18.9.2008, S. 35 (41). 2014 So z. B. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 124 ff. 2015 Vgl. hierzu das ausführlich und systematisch mit entsprechenden Nachweisen aufbereitete Prüfschema bei Englisch, a. a. O., Rz. 9.16; s. auch Terra, Intertax 2012, 101 (108); Ismer, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Einf. ESt Rz. 514 (Stand: Aug. 2014).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Als maßgebliches Steuersystem kommt es für die Beurteilung der Wir­ kung eines Refundsystems auf das Umsatzsteuerrecht an. Fraglich ist allerdings, ob für ein nationales Refundsystem die nationalen gesetzli­ chen Vorschriften oder aber die Vorgaben der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie insoweit das maßgebliche Referenzsystem darstellen. Ein nati­ onales Refundsystem gleicht die Vorsteuerbelastung aus, die infolge der Anwendung des nationalen Umsatzsteuerrechts entsteht und stellt auch einen nationalen Steuervorteil dar. Diese Verknüpfung mit dem nationa­ len Recht könnte dafür sprechen, dass auch für die Fragen der normalen Steuerbelastung und der tatsächlichen und rechtlichen Situation von Unternehmen das nationale Recht maßgeblich ist. Dem steht allerdings gegenüber, dass es sich bei der Umsatzsteuer um eine unionsrechtlich harmonisierte Steuer handelt und die Richtlinienvorgaben eine hohe Re­ gelungsdichte besitzen.2016 Die wesentlichen und tragenden Prinzipien werden ebenso in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie festgelegt wie ihre nähere Ausgestaltung in weiteren Einzelregelungen. Der Umset­ zungsspielraum der Mitgliedstaaten ist im Verhältnis zu den inhaltli­ chen Vorgaben folglich nur noch gering. Damit stellt die Mehrwertsteu­ ersystemrichtlinie bereits ein eigenständiges und abgeschlossenes Regelungssystem dar,2017 welches die Mitgliedstaaten unmittelbar bin­ det.2018 Aus diesen Gründen ist die Frage, ob es sich bei den auf einem Refundsystem basierenden Zuwendungen um einen Steuervorteil im Sinne des Beihilferechts handelt, in Bezug auf die Mehrwertsteuersys­ temrichtlinie zu beantworten.2019 (1) Abweichung von der normalen Besteuerung Für eine selektive Wirkung des Refundsystems müssten die damit ver­ bundenen Ausgleichszahlungen zu einer Abweichung von der nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie normalerweise vorgesehenen steuerli­ chen Belastung führen.2020 Der Vorsteuerabzug, der die Entlastung von der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer vorsieht, ist abschließend in 2016 Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 5 f.; Mellinghof, UR 2013, 5; Robisch, in: Bunjes, UStG, Vor § 1 Rz. 5. 2017 Terra, Intertax 2012, 101 (109). 2018 Art. 288 III AEUV; vgl. zur Bindungswirkung des Richtlinienrechts oben unter A. I. 1. 2019 Vgl. auch Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 124. 2020 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.11.2001 – Rs. C-143/99 (Adria-Wien Pipeline), EU:C:2001:598, Rz. 41 f.; Urt. v. 6.9.2006 – Rs. C-88/03 (Portugal/Kommission), EU:C:2006:511, Rz. 54 und 56; Urt. v. 15.11.2011 – Rs. C-106/09 P (Kommission und Spanien/ Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich), EU:C:2011:732, Rz. 90 f.; hierzu Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.16 f.; Europäische Kommission, Mitteilung (98/C 384/03) über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmenssteuerung, ABl. C 384 v. 10.12.1998, S. 3 (4 f.).

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III.  Das Refundsystem

den Art. 167 ff. MwStSystRL geregelt. Nach den sich hieraus ergebenden Voraussetzungen scheidet ein Vorsteuerabzug für Personen, die nicht der persönlichen Steuerpflicht unterliegen, aus.2021 Denn diese fallen von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuersys­ temrichtlinie. Aber auch dann, wenn die bezogene und mit Vorsteuer belastete Leistung für steuerfreie Ausgangstätigkeiten verwendet wird, scheidet ein Vorsteuerabzug grundsätzlich aus.2022 Die Mehrwertsteuer­ systemrichtlinie sieht demnach für den Vorsteuerabzug das Erfordernis einer Verknüpfung der Eingangsseite mit der Ausgangsseite vor. Diese in sich geschlossene Systematik schafft die allgemeinen Rahmenbedingun­ gen, unter denen normalerweise ein Ausgleich für eine Vorsteuerbelas­ tung in Betracht kommt. Wie dargestellt, kommt es unter Anwendung eben dieser Systematik zu einer Belastung der öffentlichen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer. Hierbei handelt es sich folglich um das Ergebnis einer normalen2023 Besteuerung. Das Refundsystem knüpft an diese Belastung an und schafft mit der Erstattung der Vorsteuer einen Ausgleich, der unter der normalen Besteuerung nicht vorgesehen ist. Der Ausgleich im Rahmen eines Refundsystems führt in seiner Wirkung da­ mit zu einer Ausnahme von der normalen Belastung, die sich in Anwen­ dung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ergeben würde.2024 An dieser Stelle könnte noch die Frage aufgeworfen werden, ob die steu­ erliche Vergünstigung durch das Refundsystem angesichts der Mehr­ wertsteuer als indirekte Steuer in ihrer Wirkung zwar den öffentlichen Unternehmen zunächst zugutekommt, dieser Vorteil aber typischerwei­ se über den Preis an den Leistungsempfänger weitergegeben wird.2025 Da­ mit käme die steuerliche Vergünstigung letztlich nicht den öffentlichen Unternehmen zugute, sondern den Endverbrauchern als Träger der Steu­ er. Eine solche Wirkung ist insbesondere im Fall einer unmittelbaren Minderung der anfallenden Steuerlast zu vermuten, denn dabei wird vom unmittelbar begünstigten Unternehmen nur die geminderte Steuerlast auf den Leistungsempfänger abgewälzt.2026 Refundsysteme führen zwar dazu, dass die unmittelbare Steuerlast der öffentlichen Unternehmen in Form der nicht abzugsfähigen Vorsteuer gemindert wird. Jedoch zielt das Refundsystem gerade darauf ab, die öffentliche Hand selbst zu entlasten. 2021 Vgl. zum Vorsteuerabzug nach der MwStSystRL oben unter A. IV. 2022 Vgl. Art. 168 lit. a MwStSystRL; eine Steuerbefreiung bei gleichzeitigem Vor­ steuerabzug ist zwar ebenfalls möglich, stellt aber eher die Ausnahme dar, vgl. z. B. Art. 169 lit. b und lit. c MwStSystRL. 2023 Vgl. zum Begriff der Normalbelastung Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Euro­ päisches Steuerrecht, Rz. 9.17. 2024 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 124. 2025 Vgl. zu diesem Effekt Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuer­ recht, Rz. 9.34. 2026 Ebenda.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Denn die Entlastungswirkung soll bei der öffentlichen Hand verbleiben, damit Anreize für den Bezug von Fremdleistungen entstehen. Ein Re­ fundsystem verfolgt somit erkennbar nicht das vorrangige Ziel, eine Ent­ lastung der Endverbraucher herbeizuführen. Soweit es zu einer Minde­ rung der Preise für öffentliche Leistungen kommt, stellt dieses eher eine Nebenfolge dar. Damit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ent­ lastung im Rahmen des Refundsystems vorrangig den öffentlichen Un­ ternehmen zugutekommen soll. Hinzu kommt, dass Refundsysteme nur zugunsten der öffentlichen Hand eine Erstattung vorsehen, während private Unternehmen typischerweise nicht zu dem Kreis der Begünstigten gehören. Die Vergünstigung knüpft damit an die Rechtsform an, auf die private Unternehmen keinen Ein­ fluss haben. Diese besitzen nicht die Möglichkeit, sich eine öffent­ lich-rechtliche Rechtsform zu geben, um damit in den Anwendungsbe­ reich eines Refundsystems zu gelangen. Aus diesem Grund ist es für den Gesetzgeber von vornherein möglich, die Gruppe der begünstigten Un­ ternehmen abzusehen und eine gezielte Wirkung der Begünstigung zu erreichen. Dieser Umstand spricht ebenfalls für die Selektivität der mit der abweichenden steuerlichen Behandlung einhergehenden begünsti­ genden Wirkung.2027 (2) Vergleichbarkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Ausgehend von dieser Ungleichbehandlung privater und öffentlicher Un­ ternehmen müssen diese für eine selektive Wirkung der Begünstigung in Bezug auf Inhalt und Wertung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zum Vorsteuerabzug in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in einer ver­ gleichbaren Situation sein.2028 Dies ist in der Regel ebenfalls mit Bezug auf die Grundprinzipien des Referenzrechts zu entscheiden.2029 Hierfür ist zwischen den Gründen zu unterscheiden, die der Nichtabziehbarkeit der Vorsteuer, welche mittels des Refundsystems erstattet wird, zugrun­ de liegen. Soweit kein Vorsteueranspruch wegen der Ausübung steuerfreier Aus­ gangsumsätze besteht, wird hierfür allgemein an die fehlende sachliche Steuerpflicht des Umsatzes angeknüpft. Sowohl öffentliche als auch pri­ 2027 Vgl. hierzu Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.31. 2028 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.9.2011 – Rs. C-279/08 P (Kommission/Niederlande), EU:C:2011:551, Rz. 52; Urt. v. 8.11.2001 – Rs. C-143/99 (Adria-Wien Pipeline), EU:C:2001:598, Rz. 41; zur Voraussetzung der Vergleichbarkeit Englisch, a. a. O., Rz. 9.22. 2029 Englisch, ebenda m. w. N. und kritisch zu diesem Schritt, den er wegen der wie­ derholten Abstellung auf die bereits zur Bestimmung der normalen Besteuerung herangezogenen Grundprinzipien der Besteuerung grundsätzlich für „redundant“ hält, ders., a. a. O., Rz. 9.32.

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III.  Das Refundsystem

vate Unternehmen unterliegen dabei grundsätzlich wegen der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Steuerpflicht und üben steuerbare Leistungen aus. Wenn Erstattungen durch das Refundsystem solche nicht abzugsfähigen Vorsteuern erfassen, befinden sich öffentliche und private Unternehmen in einer vergleichbaren Situation. Gleiches gilt, wenn die öffentlichen Unternehmen schon keine wirtschaftliche Tätig­ keit im Sinne des Art. 9 MwStSystRL ausüben.2030 Denn dann unterlie­ gen sie nicht dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuersystemricht­ linie wie private Unternehmen, deren Tätigkeit ebenfalls nicht dem nach Art. 9 MwStSystRL erforderlichen wirtschaftlichen Gehalt ent­ spricht. Abschließend könnte eine Ausgleichszahlung durch das Refundsystem darauf beruhen, dass die öffentliche Hand wegen der Befreiung nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist. In diesem Fall besteht die Besonderheit, dass die öffentliche Hand vom Vor­ steuerabzug ausgeschlossen ist, obwohl sie grundsätzlich eine wirt­ schaftliche Tätigkeit ausübt. Ein privates Unternehmen ist hingegen grundsätzlich nur dann vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgeschlossen, wenn es keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Inso­ weit könnte folglich aus Sicht des Mehrwertsteuerrechts eine nicht ver­ gleichbare Situation bestehen.2031 Allerdings ist die vergleichbare Situati­ on wegen der Ausgleichswirkung des Refundsystems für die nicht abzugsfähige Vorsteuer in Bezug auf das Recht zum Vorsteuerabzug in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu prüfen. So hat die vorangegange­ ne Prüfung allerdings gezeigt, dass die öffentliche Hand für den Vorsteu­ erabzug wie eine Nichtsteuerpflichtige zu behandeln ist, wenn sie mit einer Tätigkeit dem Anwendungsbereich der Befreiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL unterliegt.2032 Somit hat der Umstand, dass die öffentliche Hand in den Fällen des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL grund­ sätzlich eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, für die Frage des Vorsteu­ erabzugs keine Relevanz. Aus Sicht des maßgeblichen Richtlinienrechts befindet sich die öffentliche Hand damit für den Vorsteuerabzug in einer

2030 In diesen Fällen dürfte es regelmäßig nicht mehr auf die Selektivität der Begüns­ tigung ankommen, denn wenn es bereits aus mehrwertsteuerrechtlicher Sicht an einer wirtschaftlichen Tätigkeit fehlt, liegt regelmäßig auch nach beihilferechtli­ chen Maßstäben keine wirtschaftliche Tätigkeit vor. In diesem Fall würde die Erstattungsleistung des Refundsystems von vornherein nicht dem Anwendungs­ bereich des Beihilfeverbots unterliegen; vgl. zur beihilferechtlichen Unterneh­ mensstellung der öffentlichen Hand oben unter D. III. 2. b) bb). 2031 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 124. 2032 Vgl. EuGH, Urt. v. 2.6.2005 – Rs. C-378/02 (Waterschap Zeeuws Vlaandern), EU:C:2005:335, Rz. 39; oben unter A. IV. 1. c).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

vergleichbaren Situation wie private Unternehmen, die nicht dem An­ wendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen.2033 (3) Rechtfertigung der abweichenden Besteuerung Abschließend ist in einem dritten Schritt zur Feststellung einer selekti­ ven Wirkung zu prüfen, ob sich diese Ausnahmebehandlung zugunsten der Unternehmen der öffentlichen Hand infolge des Refundsystems aus der Systematik und den zugrundeliegenden Prinzipien des Mehrwert­ steuerrechts rechtfertigen lässt.2034 Dafür könnte sprechen, dass es sich bei der Mehrwertsteuer um eine allgemeine Verbrauchsteuer auf den pri­ vaten Endkonsum handelt. Eine öffentliche Einrichtung verfolgt in der Regel Interessen der Allgemeinheit und keine privaten Zwecke. Aus die­ sem Grund ist eine endgültige Belastung systematisch verfehlt.2035 Die ausgleichende Wirkung des Refundsystems könnte somit als im Ein­ klang mit dem Charakter der Mehrwertsteuer und als folgerichtige Aus­ gestaltung2036 angesehen werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich aus den Regeln zum Vorsteuerabzug ergibt, dass nicht nur dem pri­ vaten Endkonsumenten der Vorsteuerabzug versagt wird, sondern auch Personen, die nicht der persönlichen Steuerpflicht unterliegen oder aber steuerfreie Ausgangsumsätze ausführen. Diese werden ebenfalls nach den Regeln der Mehrwertsteuersystemrichtlinie den privaten Endver­ brauchern gleichgestellt.2037 Diese Grundwertung der Gleichstellung, die sich eindeutig aus dem inneren System des Richtlinienrechts ergibt, würde mit Verweis auf den privaten Endverbrauch ausgehebelt.2038 Die Ausgestaltung des geltenden Rechts lässt sich zwar zutreffend als ver­ fehlt ansehen,2039 gleichwohl stellt die Mehrwertsteuersystemrichtlinie mit ihrem gegenwärtigen Inhalt den Referenzrahmen für die Prüfung ei­ 2033 Vgl. auch Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 124. 2034 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.9.2006 – Rs. C-88/03 (Portugal/Kommission), EU:C:2006:511, Rz. 81; Urt. v. 8.9.2011 – Rs. C-279/08 P (Kommission/Niederlande), EU:C:2011:551, Rz. 62; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.23. 2035 Vgl. hierzu bereits oben unter C. II. 1. 2036 Vgl. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.23. 2037 Vgl. EuGH, Urt. v. 2.6.2005 – Rs. C-378/02 (Waterschap Zeeuws Vlaandern), EU:C:2005:335, Rz. 39. 2038 Mit dieser Argumentation begegnete die Europäische Kommission auch dem Hinweis der norwegischen Behörden, dass ihr Refundsystem mit der Erstattung von nicht abzugsfähigen Vorsteuern wegen der Ausführung von steuerfreien Leistungen den Neutralitätsgrundsatz der Umsatzsteuer umsetze, indem es Ver­ zerrungen bei der Entscheidung von öffentlichen Einrichtungen über den Bezug von Fremdleistungen minderte. Denn die Belastung bei Ausübung von steuer­ freien Leistungen ist wie die Belastung von privaten Endverbrauchern bereits im System angelehnt; vgl. hierzu EFTA-Überwachungsbehörde, Entscheidung v. 3.5.2007, ABl. L 249 v. 18.9.2008, S. 35 (41 f.); Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 124 ff. 2039 Vgl. oben unter C. II. 1.

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III.  Das Refundsystem

ner Rechtfertigung einer von der normalen Besteuerung abweichenden Steuervergünstigung dar. Damit lässt sich die Ausnahmestellung der öf­ fentlichen Hand mittels des Refundsystems nicht mit den der Mehrwert­ steuersystemrichtlinie zugrunde liegenden Belastungsprinzipien recht­ fertigen. (4) Ergebnis Zusammengefasst führen die Ausgleichszahlungen eines Refundsystems zu einer Begünstigung bestimmter Unternehmen. Denn es profitieren nur die vom Anwendungsbereich des Refundsystems erfassten öffentli­ chen Unternehmen davon. Dabei ist es unerheblich, ob die Ausgleichs­ zahlungen im Rahmen des Refundsystems als eine direkte Begünstigung oder als eine Steuervergünstigung angesehen werden. Denn auch unter Berücksichtigung der Regelungen und Grundprinzipien der insoweit maßgeblichen Mehrwertsteuersystemrichtlinie entfalten die Ausgleichs­ zahlungen eine selektive Wirkung zugunsten der Unternehmen der öf­ fentlichen Hand. Damit ist eine Begünstigung bestimmter Unternehmen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV gegeben. dd) Refundsysteme als staatliche oder aus staatlichen Mitteln ­finanzierte Maßnahme Das Refundsystem müsste eine staatliche Maßnahme oder eine aus staatlichen Mitteln finanzierte Maßnahme darstellen, damit es vom Bei­ hilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfasst werden könnte. Während eine staatliche Maßnahme insbesondere dann vorliegt, wenn der Bund oder die Länder diese durchführen,2040 erfasst eine aus staatlichen Mitteln finanzierte Maßnahme auch ein Handeln anderer privater oder öffentli­ cher Einrichtungen, wenn die Begünstigung dem Staat zurechenbar ist.2041 Staatliche Mittel liegen nach der Rechtsprechung des EuGH zu­ mindest dann vor, wenn deren Bereitstellung einen staatlichen Haushalt belastet hat.2042 Die Erarbeitung eines unionsweiten Referenzrahmens für die Ausgestal­ tung eines Refundsystems ergab eine Bandbreite von Finanzierungsmög­ lichkeiten. Auf der einen Seite könnte die Finanzierung durch den Staat 2040 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 27. 2041 Cremer, ebenda; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz.  9.35 m. w. N. 2042 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 120 f.; Helios, EWS 2005, 208 (210); in der Rechtsprechung lässt sich ein tendenziell weitergehendes Verständnis finden, vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 17.3.1993 – Rs. C-72/91 (Sloman Nep­ tun), EU:C:1993:97, Rz. 19; Urt. v. 13.3.2001 – Rs. C-379/98 (PreussenElektra), EU:C:2001:160, Rz. 57; hierzu Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 28 m. w. N.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

selbst erfolgen, indem für das Refundsystem auf Mittel des staatlichen Steueraufkommens zurückgegriffen wird und daraus die Ausgleichszah­ lungen bestritten werden.2043 In diesem Fall ist bereits von einer staatli­ chen, weil vom Staat selbst durchgeführten Maßnahme auszugehen. Aber selbst wenn dieser eine besondere Einrichtung mit der Auszahlung der Ausgleichsbeträge beauftragt,2044 belastet die Finanzierung den staat­ lichen Haushalt. Damit beruhen in diesem Fall die Ausgleichszahlungen als Maßnahme zumindest auf einer Verwendung staatlicher Mittel. Auf der anderen Seite kann die Finanzierung durch die vom Refundsys­ tem begünstigten Einheiten der öffentlichen Hand erfolgen, indem diese eigene zur Verfügung stehende Mittel verwenden. In diesem Fall stellen die verwendeten Mittel für die Ausgleichszahlungen des Refundsystems zumindest insoweit staatliche Mittel dar, als die Zahlungen zu Lasten der öffentlichen Ressourcen bzw. der eigenen Haushalte aufgewendet werden.2045 In beiden Fällen handelt es sich damit bei dem Refundsystem um eine staatliche oder zumindest aus staatlichen Mitteln finanzierte Maßnahme. Gleiches gilt somit für solche Finanzierungsmodelle eines Refundsystems, die sich innerhalb der Bandbreite dieser beiden gegen­ sätzlichen Möglichkeiten befinden. Für die Finanzierung eines dem zu­ vor erarbeiteten Referenzrahmen entsprechendes Refundsystems werden folglich grundsätzlich staatliche Mittel im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV verwendet. Keine staatlichen Mittel liegen jedoch dann vor, wenn die zur Finanzie­ rung des Refundsystems aufgewendeten Mittel im Rahmen einer wirt­ schaftlichen Tätigkeit von Einheiten der öffentlichen Hand erzielt wer­ den.2046 Denn in diesen Fällen fehlt es an einer Belastung öffentlicher Ressourcen. Aus diesem Grund würde ein geschlossenes Refundsystem, dessen Finanzierung ausschließlich aus Mitteln erfolgt, welche die vom Anwendungsbereich des Refundsystems erfassten Einheiten der öffentli­ chen Hand durch ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten erzielt haben, nicht in den Anwendungsbereich des Art. 107 Abs. 1 AEUV fallen. Gleiches gilt auch, wenn nur privat finanzierte Einrichtungen, zum Beispiel ge­ meinnützige Einrichtungen, innerhalb eines geschlossenen Refundsys­ tems begünstigt sind und somit das Refundsystem nur von diesen getra­ gen wird. Soweit jedoch sowohl private als auch öffentliche Unternehmen das geschlossene Refundsystem finanzieren und dabei keine Trennung zwischen selbst erwirtschafteten Mitteln und aus öffentlichen Finanzzu­

2043 Vgl. zur Finanzierung von Refundsystemen oben unter D. III. 1. b) bb). 2044 Vgl. zu einem solchen Vorgehen allgemein Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 27. 2045 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 121 f. 2046 Ebenda.

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III.  Das Refundsystem

weisungen resultierenden Mitteln erfolgt, beruhen die Ausgleichszah­ lungen wiederum zumindest anteilig auf staatlichen Mitteln. Neben der Voraussetzung einer staatlichen oder aus staatlichen Mitteln finanzierten Maßnahme muss diese auch dem einzelnen Staat zuzurech­ nen sein. Hierbei ist jedoch unerheblich, welche staatliche Ebene die in Frage stehende Maßnahme ausübt, so dass zum Beispiel sowohl ein Han­ deln des Bundes, der Länder, aber auch der Kommunen das Kriterium der Zurechenbarkeit erfüllen kann.2047 Eine Verantwortung des Mitgliedstaa­ tes scheidet jedoch aus, wenn dieser nur Vorgaben des Unionsrechts um­ setzt, wie es zum Beispiel bei der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Fall ist.2048 Für die Vereinbarkeit von Refundsystemen mit dem Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV bedeutet dies, dass sowohl die Einführung eines Refundsystems auf Bundesebene, auf Länderebene oder sogar, soweit rechtlich möglich, auf kommunaler Ebene eine Maßnahme darstellen würde, die sich ein Mitgliedstaat zurechnen lassen müsste. Wäre jedoch in einer Richtlinie der Europäischen Union die Einführung eines Refundsys­ tems vorgesehen und enthält das Richtlinienrecht entsprechende zwin­ gende Vorgaben, so stünde dafür nicht der Mitgliedstaat in der Verantwor­ tung, sondern der Richtliniengeber. Dieser wiederum unterliegt nicht dem Beihilferecht nach Art. 107 Abs. 1 AEUV.2049 Folglich wäre ein natio­ nales Refundsystem, das auf der Umsetzung von Richtlinienrecht basiert, grundsätzlich mit dem Beihilferecht der Europäischen Union vereinbar. ee) Maßnahme mit wettbewerbsverfälschender Wirkung und ­Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten Für eine verbotene Beihilfe muss gem. Art. 107 Abs. 1 AEUV eine staat­ liche oder aus staatlichen Mitteln finanzierte Begünstigung bestimmter Unternehmen sowohl eine tatsächliche oder zumindest drohende wett­ bewerbsverfälschende Wirkung entfalten als auch dadurch eine Beein­ trächtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten herbeiführen. Eine Wettbewerbsverfälschung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich die wirtschaftliche Lage der von einer solchen Begünstigung profitierenden Unternehmen verbessert und diese mit einer wirtschaftli­ chen Benachteiligung der nicht begünstigten Unternehmen einhergeht bzw. eine solche Situation einzutreten droht.2050 Die Anforderungen, wel­ 2047 Vgl. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.38 m. w. N. 2048 Vgl. Englisch, a. a. O., Rz.  9.39 m. w. N. 2049 Vgl. Kühling, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 18. 2050 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.9.1980 – Rs. 730/79 (Philip Morris/Kommission), EU:C:1980:209, Rz. 11; jeweils m. w. N.: Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Eu­ ropäisches Steuerrecht, Rz. 9.41 f.; Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 30.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

che die Rechtsprechung an die Darlegung eines solchen Zusammenhangs zwischen Begünstigung und Wirkung stellt, sind gering.2051 Die Minde­ rung der steuerlichen Last durch die Ausgleichszahlungen eines Refund­ systems verschafft den begünstigten öffentlichen Unternehmen im Ver­ gleich zu ihrer Situation ohne eine solche Unterstützung2052 einen finanziellen Spielraum und versetzt diese damit in eine wirtschaftlich verbesserte Lage. Die gesteigerte Konkurrenzfähigkeit wiederum be­ gründet die Annahme, dass sich diese zum Nachteil der anderen Markt­ teilnehmer auswirken kann. Angesichts dessen ist in der Regel davon auszugehen, dass ein Refundsystem zumindest zu drohenden Wettbe­ werbsverfälschungen führt.2053 Die wettbewerbsverfälschende Wirkung des Refundsystems müsste auch eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten bedeu­ ten. Allgemein reicht es für eine solche Wirkung aus, dass die Verbesse­ rung der wirtschaftlichen Lage auch einen zumindest drohenden Nach­ teil für Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten bedeutet.2054 Soweit es also zu einer Begünstigung einer Tätigkeit kommt, die auch von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten ausgeübt werden kann, ist grundsätzlich von einer Beeinträchtigung des Handels auszugehen.2055 Eine Beeinträchtigung des Handels ist grundsätzlich ebenfalls dann an­ zunehmen, wenn die Tätigkeit nur auf einem lokalen Markt ausgeübt wird, soweit nicht nur eine hypothetische Möglichkeit besteht, dass Un­ ternehmen aus anderen Mitgliedstaaten auf diesem Markt auftreten.2056 Auf die konkrete Auswirkung der wettbewerbsverfälschenden Maßnah­ me auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten kommt es grundsätz­

2051 Vgl. Englisch, a. a. O., Rz. 9.42; Cremer, ebenda. 2052 Vgl. zu der gebotenen Gegenüberstellung der Sachlage mit und ohne der gewähr­ ten Begünstigung Cremer, ebenda. 2053 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 122; eine gegensätzli­ che Schlussfolgerung wäre allenfalls möglich, wenn sich im Wege einer Markt­ analyse feststellen ließe, dass eine solche Wettbewerbsverfälschung, z. B. wegen einer Monopolstellung, ausgeschlossen werden kann, vgl. hierzu Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 30 f. Allerdings ist zu berück­ sichtigen, dass wegen des Schutzes des Binnenmarktes auf dem gemeinschaftli­ chen Markt der Europäischen Union abzustellen ist, vgl. Henkow, ebenda; in diese Richtung auch Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuer­ recht, Rz. 9.42. 2054 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.6.1999 – Rs. C-75/97 (Belgien/Kommission), EU:C:1999:311, Rz. 47; Englisch, ebenda und m. w. N. 2055 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.6.1999 – Rs. C-75/97 (Belgien/Kommission), EU:C:1999:311, Rz. 47; Urt. v. 13.7.1988 – Rs. 102/87 (Frankreich/Kommission), EU:C:1988:391, Rz. 19; Europäische Kommission, Entwurf einer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe (2014), Rz. 192; Englisch, ebenda und m. w. N. 2056 EuGH, Urt. v. 24.6.2003 – Rs. C-280/00 (Altmark Trans), EU:C:2003:415, Rz. 77 f.; Europäische Kommission, a. a. O., Rz. 192 f.; Englisch, ebenda.

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III.  Das Refundsystem

lich nicht an. Es reicht allein, dass die Maßnahme hierzu geeignet ist.2057 Ist aber eine solche Auswirkung ausgeschlossen und damit der innerge­ meinschaftliche Handel in keiner Weise betroffen, ist eine Beihilfe zuläs­ sig.2058 So ist der Handel zwischen den Mitgliedstaaten aus Sicht der Eu­ ropäischen Kommission nicht betroffen, wenn Tätigkeiten „nur rein lokale Auswirkungen haben […].“2059 Diese beschränkten Auswirkungen müssen sich dabei aus besonderen Merkmalen der Tätigkeit ergeben.2060 Als Begründung wird von der Europäischen Kommission zum einen an­ geführt, dass in solchen Fällen eine Beihilfemaßnahme nicht dazu führt, „dass die betreffende Region Nachfrage oder Investitionen anzieht, und sie schafft keine Hindernisse für die Niederlassung von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten […].“2061 Zum anderen sind die von einem Beihilfeempfänger angebotenen Waren und Dienstleistungen „rein loka­ ler Art oder geografisch gesehen nur für ein begrenztes Gebiet von Inter­ esse […].“2062 Darüber hinaus sind bei diesen lokalen Tätigkeiten „höchs­ tens marginale Auswirkungen auf die Märkte und für Verbraucher in benachbarten Mitgliedstaaten zu erwarten.“2063 Vor diesem Hintergrund sind Beihilfeleistungen zum Beispiel für Freizeiteinrichtungen wie Schwimmbäder mit einem nur lokalen Einzugsgebiet,2064 für kulturelle Einrichtungen wie Museen mit nur wenigen Besuchern aus anderen Mit­ gliedstaaten2065 oder auch für Gesundheitseinrichtungen, zum Beispiel Krankenhäuser, für die Bevölkerung vor Ort2066 aus Sicht der Europäi­ schen Kommission nicht verboten.2067 In Ansehung dieser allgemeinen Vorgaben führen die den Wettbewerb verfälschenden Ausgleichszahlungen eines Refundsystems an öffentli­ che Unternehmen grundsätzlich zu einer Beeinträchtigung des Handels 2057 EuGH, Urt. v. 17.9.1980 – Rs. 730/79 (Philip Morris/Kommission), EU:C:1980:209, Rz. 11; Europäische Kommission, a. a. O., Rz.  195  m. w. N. 2058 Vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 37; Koenig/ Paul, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 100. 2059 Europäische Kommission, Entwurf einer Bekanntmachung zum Begriff der staat­ lichen Beihilfe (2014), Rz. 196; Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.42. 2060 Europäische Kommission, ebenda. 2061 Ebenda. 2062 Ebenda. 2063 Ebenda. 2064 Z. B.  Europäische Kommission, Beschl. v. 21.12.2000 – N 258/2000 (Freizeitbad Dorsten), ABl. C 172 v. 16.6.2001, S. 16. 2065 Z. B.  Europäische Kommission, Beschl. zu N 630/2003 (Unterstützung für örtli­ che Museen in Sardinien), ABl. C 275 v. 8.1.2005, S. 3. 2066 Z. B.  Europäische Kommission, Beschl. v. 27.2.2002 – N 543/2001 (Staatliche Ab­ schreibung für Krankenhäuser), ABl. C 154 v. 28.6.2002, S. 4. 2067 Vgl. Europäische Kommission, Entwurf einer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe (2014), Rz. 197; Koenig/Paul, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV Rz. 100.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV, wenn hierdurch Tätigkeiten geför­ dert werden, die auch von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten ausgeübt werden können. Dies dürfte insbesondere wirtschaftliche Tä­ tigkeiten im Sinne des Mehrwertsteuerrechts betreffen, mit denen die öffentliche Hand nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL von der persönlichen Steuerpflicht befreit ist. Dabei kann nicht schon aus der fehlenden An­ wendung der Wettbewerbsklausel des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwSt­ SystRL geschlossen werden, dass mit dem Refundsystem keine Beein­ trächtigung des Handels einhergeht. Denn für den Wettbewerbsschutz im Mehrwertsteuerrecht wird grundsätzlich auf den nationalen Markt abgestellt,2068 während für das Beihilferecht der Wirtschaftsraum der Eu­ ropäischen Union zur Prüfung herangezogen wird. Auf die tatsächlichen Auswirkungen der Erstattungszahlungen durch das Refundsystem auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten kommt es nicht an und grundsätzlich sind die Ausgleichszahlungen auch geeig­ net, eine wettbewerbsverfälschende Wirkung zum Nachteil von auslän­ dischen Unternehmen herbeizuführen. Allerdings gewinnt die Ein­ schränkung der Europäischen Kommission für Tätigkeiten mit nur rein lokalen Auswirkungen im Zusammenhang mit der öffentlichen Hand ein besonderes Gewicht. Denn zum einen üben gerade Kommunen im Rahmen der Daseinsvorsorge Tätigkeiten aus, die nur innerhalb ihrer je­ weiligen Gebiete von Bedeutung sind. Darunter fallen zum Beispiel kul­ turelle Einrichtungen oder Friedhöfe. Zum anderen besteht auf Grundla­ ge des Richtlinienrechts die Möglichkeit, durch die Errichtung lokaler Monopole zugunsten der öffentlichen Hand die Entstehung eines Wett­ bewerbs im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL zur ver­ meiden und somit auch eine Besteuerung der Ausgangsleistungen zu verhindern.2069 Kommt es nun zu einem Ausgleich der aus diesem Grund anfallenden endgültigen Vorsteuerbelastung, stellte diese Zahlung zu­ mindest aus Sicht der Europäischen Kommission wegen der rein lokalen Auswirkung der Tätigkeit zudem auch keine Beihilfeleistung dar. ff) Ergebnis Ein nationales Refundsystem, welches sich innerhalb des zuvor erarbei­ teten Referenzrahmens für seine Ausgestaltung bewegt, unterliegt weit­ gehenden Einschränkungen durch das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Denn die darin vorgesehenen Ausgleichszahlungen stellen grund­ sätzlich eine Vergünstigung dar, die nicht aus den der Besteuerung zu­ grundeliegenden Belastungsregeln resultieren. Vielmehr entspricht gera­ 2068 Vgl. zur Wettbewerbsklausel oben unter A. II. 2. c) cc); insb. zum erforderlichen Wettbewerbsverhältnis oben unter A. II. 2. c) cc) (1). 2069 Vgl. zur Maßgeblichkeit des lokalen Marktes im Fall einer räumlich begrenzten Monopolstellung oben unter A. II. 2. c) cc) (1) (c) (bb).

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III.  Das Refundsystem

de ihre endgültige bzw. dauerhafte Belastung mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer den Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Allerdings unterliegen nicht alle Ausgleichsleistungen an die öffentli­ che Hand dem Beihilferecht. Nur soweit die Tätigkeit, die mit der Er­ stattung in Zusammenhang steht, als wirtschaftlich zu qualifizieren ist, kann das Refundsystem zu verbotenen Beihilfen führen. Soweit die Tä­ tigkeit hingegen einen hoheitlichen Charakter besitzt, scheidet eine An­ wendung des Beihilferechts aus. Diese Abgrenzung weist Ähnlichkeiten mit dem Mehrwertsteuerrecht auf, allerdings lässt sich für Zwecke des Beihilferechts grundsätzlich nicht auf die Wertungen und Ergebnisse des Mehrwertsteuerrechts zurückgreifen. Allein für den Fall, dass bereits nach mehrwertsteuerrechtlichen Maßstäben keine wirtschaftliche Tä­ tigkeit vorliegt, kann regelmäßig auch aus Sicht des Beihilferechts eine solche Tätigkeit ausgeschlossen werden. Soweit hingegen ein Aus­ schluss vom Vorsteuerabzug und eine darauf beruhende Ausgleichszah­ lung durch das Refundsystem darauf beruht, dass die öffentliche Hand mit der Tätigkeit nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL von der persönlichen Steuerpflicht befreit ist, bedarf es einer Prüfung nach beihilferechtlichen Kriterien. Vor dem Hintergrund, dass in diesen Fällen aus mehrwert­ steuerlicher Sicht die Tätigkeit grundsätzlich einen wirtschaftlichen Charakter besitzt, dürften gerade diese Tätigkeiten häufig eine beihilfe­ rechtliche Unternehmensstellung der öffentlichen Hand begründen. Als weitere Ausnahme vom Anwendungsbereich des Beihilferechts kommt grundsätzlich noch eine Tätigkeit zur Sicherung der Infrastruktur und der Daseinsvorsorge in Betracht. Allerdings setzt dies voraus, dass ohne die Ausgleichszahlungen diese Tätigkeit gefährdet ist. Gegenwärtig wer­ den zum Beispiel in Deutschland entsprechende Tätigkeiten gerade ohne die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Ausgleichszahlun­ gen ausgeübt, so dass eine solche Argumentation grundsätzlich ausge­ schlossen wäre. Soweit die öffentliche Hand als Unternehmen im Sinne des Beihilfe­ rechts zu behandeln ist, führen die Erstattungsleistungen im Rahmen des Refundsystems für diese zu einer selektiven Begünstigung. Denn die Ausgleichszahlungen bedeuten eine Entlastung, die im Rahmen der nor­ malen Besteuerung nicht vorgesehen ist. Dabei sind sowohl die begüns­ tigten Einheiten der öffentlichen Hand als auch die nichtbegünstigten privaten Unternehmen in einer vergleichbaren Situation. Dies gilt unab­ hängig davon, ob der Ausschluss der öffentlichen Hand vom Vorsteuerab­ zug darauf beruht, dass keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird, die Befreiungsregelung des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL greift oder aber die Eingangsleistungen zur Ausübung steuerfreier Umsätze verwendet werden. Diese abweichende Begünstigungswirkung kann darüber hinaus auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die endgültige steuerliche 433

D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Belastung der öffentlichen Hand im Widerspruch zum Verbrauchsteu­ ercharakter der Mehrwertsteuer steht. Denn die Behandlung als Steuer­ trägerin entspricht den Grundvorgaben des Richtlinienrechts, wonach sowohl das Handeln als Steuerpflichtiger als auch die Ausübung steuer­ pflichtiger Ausgangsumsätze für den Vorsteuerabzug auf der Eingangssei­ te vorausgesetzt wird. Zur Finanzierung des Refundsystems wird grundsätzlich auf staatliche Mittel zurückgegriffen, so dass die Ausgleichszahlungen an die öffentli­ che Hand zumindest eine aus staatlichen Mitteln finanzierte Maßnahme darstellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Finanzierung aus­ schließlich aus Mitteln erfolgt, welche die vom Anwendungsbereich des Refundsystems erfassten Einheiten der öffentlichen Hand im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit erzielt haben. Dies wäre zudem allein innerhalb eines geschlossenen Refundsystems möglich. Darüber hinaus entfalten die Ausgleichszahlungen des Refundsystems an die öffentliche Hand auch regelmäßig eine wettbewerbsverfälschende Wirkung und füh­ ren damit zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitglied­ staaten. Aus Sicht der Europäischen Kommission kommt es jedoch bei bestimmten Tätigkeiten nicht zu einer Beeinträchtigung des Handels, wenn diese nur rein lokale Auswirkungen entfalten. Diese Einschrän­ kung dürfte vor allem für nicht steuerbare Tätigkeiten von Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge bedeutsam sein. c) Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten Die Ausgestaltung eines nationalen Refundsystems muss den Anforde­ rungen der Grundfreiheiten des Unionsrechts entsprechen,2070 welche das allgemeine Verbot der Diskriminierung anhand der Staatsbürger­ schaft nach Art. 18 AEUV konkretisieren.2071 Der Referenzrahmen für eine mögliche Ausgestaltung von Refundsystemen lässt zwei Regelun­ gen erkennen, bei denen eine Beschränkung anhand nationaler Kriterien und mit grenzüberschreitendem Bezug vorliegt. Zum einen berechtigen grundsätzlich nur inländische Steuerbeträge zum Ausgleich. Wird eine inländische Einrichtung mit ausländischer Vorsteuer belastet, erlangt sie keinen Ausgleichsanspruch gegenüber dem inländischen Refundsystem. Die einzige Ausnahme in der Europäischen Union stellt insoweit das Re­

2070 Vgl. zu dieser Frage Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertrags­ partner bei PPP-Projekten, S. 208 ff.; Hansenne, Schriftliche Anfrage (P-2861/99) an die Kommission vom 7.1.2000, die inhaltlich unbeantwortet blieb, vgl. ABl. C 225 E v. 8.8.2000, S. 211. 2071 Vgl. Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 18 AEUV Rz. 1; Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rz. 22.

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III.  Das Refundsystem

fundsystem in den Niederlanden dar.2072 Zum anderen richtet sich ein Refundsystem nur an Einheiten der öffentlichen Hand des Mitgliedstaa­ tes, in dem das Refundsystem eingeführt wurde.2073 Einheiten der öffent­ lichen Hand eines anderen Mitgliedstaates, die mit inländischer Um­ satzsteuer belastet werden, bleibt damit der Zugang zum inländischen Refundsystem versperrt. Bei diesen beiden Begrenzungen des Anwen­ dungsbereichs eines Refundsystems ist zu berücksichtigen, dass sie nur in einem engen Umfang eine den Ausgleichsanspruch einschränkende Wirkung entfalten. Zum einen werden wegen der weitgehenden Um­ setzung des Bestimmungslandprinzips in der Mehrwertsteuer2074 in der Regel die Einheiten der öffentlichen Hand mit inländischer Vorsteuer belastet. Zum anderen werden damit nur in Ausnahmefällen Einheiten der öffentlichen Hand eines anderen Mitgliedstaates mit inländischer Vorsteuer belastet.2075 Gleichwohl gilt es für die verbleibenden Anwen­ dungsfälle zu klären, ob die Begrenzung des Anwendungsbereichs des Refundsystems unter Anknüpfung an einen nationalen Bezug die unions­ rechtlichen Grundfreiheiten verletzt.2076 Denn die Ausgleichszahlungen stehen im Zusammenhang mit der Erbringung von Leistungen, also der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen,2077 die der Mehrwertsteuer unterliegen. Somit können Refundsysteme auch grenzüberschreitende Sachverhalte2078 betreffen.2079 Wegen dieser Verbin­ dung sind daher für das Refundsystem grundsätzlich auch die unions­ rechtlichen Grundfreiheiten von Bedeutung.2080

2072 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 107; KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 32. 2073 Vgl. KPMG, a. a. O., S. 14. 2074 Vgl. Art. 43 ff. MwStSystRL; zur Bedeutung des Bestimmungslandprinzips bzw. Verbrauchsortsprinzip für die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse für die har­ monisierte Mehrwertsteuer in der Europäischen Union Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 393 ff.; Kirchhof, UR 2002, 541 (547). 2075 Vgl. Wassenaar/Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (392 f.); so kommt es beim Leistungsbezug von Einrichtungen des öffentlichen Rechts zu einer Ortsverlagerung ins Inland, wenn diese als Nichtsteuerpflichtige von der Möglichkeit der Verwendung einer Umsatzsteueridentifikationsnummer Ge­ brauch machen, vgl. für das nationale Recht § 3a II S. 1 u. 3 UStG; vgl. hierzu Desens/Lenk/Hummel/Rottmann, Gutachten zur Umsatzsteuerdefinitivbelas­ tung von Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 38 in Fn. 38 f.; Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 217 f. 2076 Vgl. Liegmann, a. a. O., S. 208 ff. 2077 Vgl. Art. 2 I lit. a und lit. c MwStSystRL. 2078 Vgl. zu dieser Voraussetzung Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rz. 23. 2079 Vgl. Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Pro­ jekten, S. 211 ff. 2080 Vgl. Liegmann, a. a. O., S. 211 und 214.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

aa) Beschränkung der Erstattung auf inländische Vorsteuern Mit Ausnahme der Niederlande werden in allen Refundsystemen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nur inländische Vorsteuern er­ stattet.2081 Die Belastung einer inländischen Einheit der öffentlichen Hand mit der Mehrwertsteuer eines anderen Mitgliedstaates berechtigt damit nicht zur Erstattung im Rahmen des inländischen Refundsystems. Dies lässt sich vor allem damit erklären, dass die Mitgliedstaaten über das Refundsystem an ihre öffentlichen Einrichtungen letztlich nur eine Steuer erstatten, welche sie selbst vom steuerpflichtigen Leistungser­ bringer erhalten haben. In der Summe gestaltet sich das Refundsystem insoweit aufkommensneutral. Daher ist aus gesamtstaatlicher Sicht der Bezug von Fremdleistungen im Vergleich zu Eigenleistungen bereits dann finanziell sinnvoll, wenn der Preis für die Fremdleistung ohne Mehrwertsteuer geringer ausfällt als die Kosten, die eine Einheit der öf­ fentlichen Hand für ihre Eigenleistung aufwenden muss. Die Zahlung von in Rechnung gestellter inländischer Mehrwertsteuer als Vorsteuer schafft im Ergebnis keinen zusätzlichen staatlichen Finanzbedarf. Wird hingegen einer Einheit der öffentlichen Hand die Mehrwertsteuer eines anderen Mitgliedstaates in Rechnung gestellt, so bedeutet die Zahlung der ausländischen Mehrwertsteuer eine endgültige finanzielle Belastung der öffentlichen Hand. Denn der finanziellen Belastung der mit der Vor­ steuer belasteten Einheit der öffentlichen Hand steht gerade nicht die Einnahme der Mehrwertsteuer gegenüber. Daher besteht in diesen Fällen auch aus gesamtstaatlicher Sicht nur dann ein finanzieller Anreiz zur Inanspruchnahme einer Fremdleistung, wenn deren Preis einschließlich der anfallenden ausländischen Mehrwertsteuer geringer ist als die Kos­ ten für eine Eigenleistung. Somit ist die Erstattung von ausländischer Mehrwertsteuer im Rahmen eines Refundsystems grundsätzlich nicht geeignet, den Finanzbedarf des Staates zu verringern. Darüber hinaus könnte die Erstattung ausländischer Mehrwertsteuer sogar kontrapro­ duktive Anreize entfalten. Dies ist der Fall, wenn bei einer Einheit der öffentlichen Hand die Kosten für eine Eigenleistung im Vergleich zur Inanspruchnahme einer Fremdleistung zwar auf der einen Seite niedriger wären als der hierfür bestehende Preis mit ausländischer Mehrwertsteu­ er, auf der anderen Seite allerdings höher als der Preis ohne Mehrwert­ steuer. Erlangt die öffentliche Einrichtung in einem solchen Fall einen Anspruch auf Ausgleich der gezahlten ausländischen Mehrwertsteuer, so ist aus ihrer Sicht die Inanspruchnahme der Fremdleistung günstiger. Aus gesamtstaatlicher Sicht führt diese Entscheidung hingegen zu einer Belastung im Vergleich zu den Kosten für eine Eigenleistung. 2081 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 107; Wassenaar/ Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (392); KPMG, PPP im öf­ fentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 32.

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III.  Das Refundsystem

Vor dem Hintergrund, dass sowohl die Lieferung von Waren als auch die Erbringung von Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen, gilt es, die Beschränkung anhand der Warenverkehrsfreiheit nach den Art. 28 ff. AEUV und der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 ff. AEUV zu prüfen.2082 Die Prüfung von Grundfreiheiten orientiert sich dabei an der Frage, ob eine Beschränkung des Anwendungsbereichs vorliegt, wel­ che sich nicht rechtfertigen lässt.2083 (1) Verletzung der Warenverkehrsfreiheit Die Beschränkung der Erstattungen durch ein Refundsystem auf nationa­ le Vorsteuern verletzt die unionsrechtliche Warenverkehrsfreiheit, so­ weit ein von ihrem Gewährleistungsgehalt bzw. Anwendungsbereich erfasstes Verhalten vorliegt, welches durch die Regelung des Refundsys­ tems beschränkt wird, ohne dass sich dieses rechtfertigen lässt. (a) Anwendungsbereich Zunächst müsste das Verhalten, welches die Mehrwertbesteuerung aus­ löst, in den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 ff. AEUV fallen. Dieser umfasst in sachlicher Hinsicht mit dem Begriff der Ware insbesondere körperliche Gegenstände, die Gegenstand von Handelsgeschäften sein können2084 und aus dem Gebiet der Europäi­ schen Union stammen oder sich innerhalb dessen im freien Verkehr be­ finden.2085 In persönlicher Hinsicht finden sich keine besonderen Ein­ schränkungen, so dass zumindest Unionsbürger und grundsätzlich auch juristische Personen sich darauf berufen können.2086 Darüber hinaus muss es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handeln.2087 Bezieht eine Einheit der öffentlichen Hand eine Ware aus dem Ausland, die mit ausländischer nicht abzugsfähiger Vorsteuer belastet ist, handelt es sich dabei grundsätzlich um eine grenzüberschreitende Warenbewe­

2082 Vgl. Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Pro­ jekten, S. 208 ff. 2083 Anstatt vieler Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rz. 58; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 22 Rz. 9. 2084 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.10.1999 – Rs. C-97/98 (Jägerskiöld), EU:C:1999:515, Rz. 30; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 22 Rz. 18; Epiney, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 8 Rz. 8. 2085 Art. 28 II AEUV. 2086 Vgl. Epiney, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 8 Rz. 15, die auch Drittstaatsangehörige für berechtigt hält, sich auf die Warenver­ kehrsfreiheit zu berufen; a. A. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 36 AEUV Rz. 32 f. 2087 Epiney, a. a. O., § 8 Rz. 14 m. w. N.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

gung. Damit ist in diesen Fällen der Anwendungsbereich der Warenver­ kehrsfreiheit grundsätzlich eröffnet.2088 (b) Beschränkung Die in einem Refundsystem vorgesehene Regelung, dass es zu keinem Erstattungsanspruch für gezahlte nicht abzugsfähige ausländische Vor­ steuern kommt, müsste sodann eine einschlägige Beschränkung nach den Art. 28 ff. AEUV darstellen. Solche sind zum einen gem. Art. 30 AEUV Ein- und Ausfuhrzölle sowie Abgaben gleicher Wirkung. Darunter fallen vor allem finanzielle Belastungen, die an das Verbringen von Waren über eine gemeinsame Grenze von Mitgliedstaaten anknüpfen und sich kos­ tensteigernd auswirken.2089 Zum anderen handelt es sich gem. Art. 34 AEUV bei Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung um eine Beschränkung des Gewährleistungsbereichs. Eine Einfuhrbe­ schränkung liegt vor, wenn die Einfuhr von Waren mithilfe quantitativer Vorgaben beschränkt wird.2090 Zudem stellen auch Maßnahmen, die kei­ ne solchen Vorgaben beinhalten, aber eine damit vergleichbare Wirkung entfalten, eine Beschränkung dar.2091 Diese können sowohl wie quantita­ tive Einfuhrbeschränkungen diskriminierend wirken2092 als auch allein in einer Beschränkung des Warenverkehrs bestehen.2093 Im letzteren Fall müssen jedoch die Voraussetzungen erfüllt sein, die sich insbesondere aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Dassonville ergeben.2094 Danach muss die in Frage stehende Maßnahme geeignet sein, „den in­ nergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern.“2095 Wegen des sich damit ergebenden wei­ ten Umfangs möglicher Beschränkungen ist jedoch dort eine Grenze zu ziehen und eine Beschränkung im Sinne des Art. 34 AEUV zu verneinen, wo kein hinreichend enger Bezug zum Warenverkehr im Binnenmarkt besteht.2096 2088 Vgl. Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Pro­ jekten, S. 211. 2089 Vgl. EuGH, Urt. v. 1.7.1969 – Rs. 24/68 (Kommission/Italien), EU:C:1969:29, Rz. 14; Urt. v. 21.3.1991 – Rs. C-209/89 (Kommission/Italien), EU:C:1991:139, Rz. 7; Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 30 AEUV Rz. 1 ff. 2090 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 36 AEUV Rz. 126; Epiney, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 8 Rz. 24. 2091 Epiney, a. a. O., § 8 Rz. 28 f. 2092 Epiney, a. a. O., § 8 Rz. 29. 2093 Epiney, a. a. O., § 8 Rz. 34. 2094 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.1974 – Rs. 8/74 (Dassonville), EU:C:1974:82, Rz. 5 ff. 2095 EuGH, a. a. O., Rz. 5. 2096 Epiney, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 8 Rz. 38 m. w. N.; weitere Einschränkungen ergeben sich zudem aus der sog. Keck-Formel, die sich jedoch auf Regelungen über Verkaufsmodalitäten bezieht und da­ mit für Vorgaben über den Ausgleich für nicht abzugsfähige Vorsteuern im Rah­ men eines Refundsystems nicht einschlägig sind; vgl. zur Keck-Formel EuGH,

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III.  Das Refundsystem

Im Fall der Nichterstattung ausländischer nicht abzugsfähiger Vorsteu­ ern beruht die anfallende Steuer auf einer Regelung des ausländischen Mitgliedstaates. Damit handelt es bei der Steuer selbst nicht um eine fi­ nanzielle Belastung, die an den Grenzübergang der Waren anknüpft.2097 Somit handelt es sich dabei schon um keinen Zoll oder eine Abgabe mit vergleichbarer Wirkung, so dass die Frage der Entlastung durch einen Ausgleich ebenfalls keine solche Wirkung entfalten kann.2098 Auch stellt die Versagung des Ausgleichs in Bezug auf die betroffenen eingeführten ausländischen Waren keine Vorgabe über den quantitativen Umfang ih­ rer Einfuhr dar. Allerdings könnte es sich um eine Maßnahme handeln, die im Sinne der Dassonville-Formel eine Beschränkung des Warenver­ kehrs darstellt. Sieht ein Refundsystem vor, dass nur inländische nicht abzugsfähige Vorsteuern erstattungsfähig sind, so ist es aus Sicht einer Einheit der öffentlichen Hand günstiger, eine vergleichbare Lieferung von einem inländischen Leistungserbringer zu beziehen. Denn die inso­ weit anfallende Steuer würde einen Ausgleichsanspruch begründen. Da­ mit ist die im Refundsystem vorgesehene Nichterstattung dieser Steuer geeignet, die Entscheidung bei der Wahl des Anbieters einer Leistung maßgeblich zu beeinflussen2099 und damit den innergemeinschaftlichen Warenverkehr zu behindern.2100 Wegen dieser Wirkung auf ausländische Waren, die von einem inländischen Leistungsempfänger bezogen wer­ den, ist auch ein unmittelbarer Bezug zum Warenverkehr im Binnen­ markt gegeben. Folglich führt eine entsprechende Regelung in einem Refundsystem zu einer Beschränkung des geschützten Warenverkehrs.2101 (c) Rechtfertigung Als Rechtsfolge ergibt sich aus einer Beschränkung des Anwendungs­ bereichs im Sinne des Art. 34 AEUV, dass die entsprechende Regelung bzw. Maßnahme grundsätzlich verboten ist.2102 Allerdings könnte die Be­ schränkung entweder durch die in Art. 36 AEUV niedergelegten Ausnah­ Urt. v. 24.11.1993 – Rs. C-267/91 (Keck und Mithouard), EU:C:1993:905, Rz. 16 f.; Epiney, a. a. O., § 8 Rz. 39 ff. 2097 Damit fehlt es zudem an einer Belastung der ausländischen Ware mit einer in­ ländischen Steuer, so dass es sich dabei auch nicht um eine verbotene inländi­ sche Abgabe i. S. d. Art. 110 AEUV handelt; vgl. zum Anwendungsbereich des Art. 110 AEUV Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuer­ recht, Rz. 4.33 f. 2098 Vgl. im Ergebnis wie hier Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Ver­ tragspartner bei PPP-Projekten, S. 216. 2099 Vgl. zum Einfluss der Vorsteuerbelastung auf die wirtschaftlichen Entscheidun­ gen der öffentlichen Hand oben unter C. II. 3. a). 2100 Vgl. Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Pro­ jekten, S. 217. 2101 So auch Liegmann, ebenda. 2102 Vgl. Epiney, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 8 Rz. 56.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

men oder durch ungeschriebene Gründe gerechtfertigt werden.2103 Da­rüber hinaus müsste die Beschränkung verhältnismäßig ausgestaltet sein.2104 Vorrangiges Ziel der Einschränkung der Ausgleichszahlung im Rahmen eines Refundsystems auf inländische Umsatzsteuer ist die Vermeidung einer finanziellen Belastung für den Staatshaushalt.2105 Dieses Ziel findet sich jedoch erkennbar nicht in den in Art. 36 AEUV aufgeführten Recht­ fertigungsgründen2106 wieder.2107 Darüber hinaus könnten aber auch un­ geschriebene zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls eine Be­ schränkung des Anwendungsbereichs rechtfertigen.2108 Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung für das Steuerrecht bestimmte Fallgruppen von Gründen entwickelt, die eine Beschränkung rechtfertigen können.2109 So ließe sich die Beschränkung in Form der Nichterstattung ausländischer Mehrwertsteuer möglicherweise aufgrund des Ziels der Wahrung der Kohärenz eines nationalen Steuersystems2110 oder einer angemessenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse2111 rechtfertigen. Die Wahrung der Kohärenz eines nationalen Steuersystems setzt grund­ sätzlich voraus, dass zwischen einem Steuervorteil und dem Ausgleich dieses Vorteils durch eine bestimmte steuerliche Belastung ein unmittel­ barer Zusammenhang besteht.2112 Dieser ist wiederum anhand des Ziels 2103 Ebenda. 2104 Ebenda. 2105 Vgl. hierzu oben unter D. III. 2. c) aa). 2106 Art. 36 AEUV: Öffentliche Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, Schutz der Gesundheit und das Leben von Menschen, Tieren oder Pflanzen, das nationale Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert und das gewerbliche und kommerzielle Eigentum; vgl. hierzu Epiney, in: Ehlers, ­Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 8 Rz. 80 ff. 2107 Vgl. Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Pro­ jekten, S. 217. 2108 EuGH, Urt. v. 20.2.1979 – Rs. 120/78 (Rewe), EU:C:1979:42, Rz. 8; bestätigt in Urt. v. 24.11.1993 – Rs. C-267/91 (Keck und Mithouard), EU:C:1993:905, Rz. 15; vgl. Epiney, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 8 Rz. 85 ff.; zur Geltung auch für steuerrechtliche Vorschriften vgl. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.202; Ismer, in: Herr­ mann/Heuer/Raupach, EStG, Einf. ESt Rz. 436 (Stand: Aug. 2014). 2109 Vgl. hierzu Englisch, a. a. O., Rz. 7.203. 2110 EuGH, Urt. v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 (Bachmann), EU:C:1992:35, Rz. 21 – 23; Urt. v. 27.11.2008 – Rs. C-418/07 (Papillon), EU:C:2008:659, Rz. 43; vgl. Englisch, a. a. O., Rz. 7.279; Ismer, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Einf. ESt Rz. 438 (Stand: Aug. 2014). 2111 EuGH, Urt. v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), EU:C:2005:763, Rz. 45; Urt. v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 (National Grid Indus), EU:C:2011:785, Rz. 43; vgl. Englisch, a. a. O., Rz. 7.224; Ismer, a. a. O., Einf. ESt Rz. 439 f. 2112 EuGH, Urt. v. 28.1.1992 – Rs. C-300/90 (Kommission/Belgien), EU:C:1992:37, Rz. 14; Urt. v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 (Manninen), EU:C:2004:484, Rz. 42; Urt. v. 4.9.2014 – Rs. C-211/13 (Kommission/Deutschland), EU:C:2014:2148, Rz. 55; Urt. v. 24.2.2015 – Rs. C-559/13 (Grünewald), EU:C:2015:109, Rz. 48; vgl.

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III.  Das Refundsystem

zu messen, das mit der den Steuervorteil begründenden Regelung ver­ folgt wird.2113 Die Rechtfertigung mit Verweis auf die Wahrung der Kohä­ renz eines nationalen Steuersystems ist folglich nur dann möglich, wenn die Beeinträchtigung des Anwendungsbereichs darauf beruht, dass der steuerliche Vorteil dem Ausgleich eines Nachteils dient, der bei grenz­ überschreitenden Vorgängen gerade nicht entstehen kann.2114 Allerdings ist hier bereits fraglich, ob das Refundsystem sowie die darin vorgesehene Beschränkung der Erstattungszahlungen auf inländische Steuern einen ausreichenden Bezug zu einem nationalen Steuersystem aufweisen. Denn auf der einen Seite ist das Refundsystem in seiner Kon­ zeption gerade nicht Teil des Umsatzsteuersystems, sondern ein inner­ staatliches Finanzierungsinstrument, das zur Bemessung des Finanzbe­ darfs auf eine endgültige Vorsteuerbelastung abstellt.2115 Auf der anderen Seite beruht die endgültige Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand auf den inhaltlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, welche für die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des nationalen Umsatzsteu­ ersystems bindend sind. Hinsichtlich des Anknüpfungspunktes des Re­ fundsystems ist die Umsatzsteuer damit den Mitgliedstaaten entzogen,2116 so dass die Beschränkung der Ausgleichszahlungen auch insoweit nicht der Wahrung der Kohärenz eines nationalen Steuersystems dienen kann. Der Sinn der Nichterstattung von ausländischer Mehrwertsteuer besteht zudem darin, eine endgültige Belastung des staatlichen Haushalts mit nicht abzugsfähiger ausländischer Vorsteuer zu vermeiden.2117 So dient die Beschränkung nicht der steuerlichen Lastengleichheit durch eine gleichmäßige Besteuerung, welche als rechtsethisches Fundament2118 des Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz angesehen werden kann.2119 Denn bei einer Erstattung ausländischer Steuern im Rahmen eines Refundsys­ tems würde die belastende Wirkung nur innerhalb des Staates verscho­ ben. Damit entfaltet die Beschränkung der Ausgleichszahlungen eines Refundsystems auf inländische Steuern keinen ausreichenden Bezug zum Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.279 m. w. N.; Ismer, a. a. O., Einf. ESt Rz. 438. 2113 EuGH, Urt. v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 (Manninen), EU:C:2004:484, Rz. 43; Urt. v. 27.11.2008 – Rs. C-418/07 (Papillon), EU:C:2008:659, Rz. 44; Englisch, a. a. O., Rz.  7.279 m. w. N. 2114 Englisch, ebenda; Ismer, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Einf. ESt Rz. 438. 2115 Vgl. oben D. III. 2. a). 2116 Vgl. zur Bedeutung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bei harmonisierten bzw. nicht harmonisierten Steuern für eine Rechtfertigung aufgrund der Wah­ rung der Kohärenz eines nationalen Steuersystems EuGH, Urt. v. 1.12.2011 – Rs. C-253/09 (Kommission/Ungarn), EU:C:2011:795, Rz. 42. 2117 Vgl. dazu oben unter D. III. 2. c) aa). 2118 Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.283. 2119 So insb. Englisch, ebenda m. w. N.; in die gleiche Richtung z. B. Weber-Grellet, DStR 2009, 1229 (1231).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

inländischen Umsatzsteuersystem und es dient gerade nicht der Wahrung dessen kohärenter Belastungswirkung. Daher scheidet eine Rechtferti­ gung des Refundsystems durch eine damit einhergehende Wahrung der Kohärenz eines nationalen Steuersystems grundsätzlich aus. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben sich unter dem Begriff der Wahrung einer angemessenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse ins­ besondere drei Fallgruppen. Diese betreffen die Anerkennung aus­ ländischer Verluste,2120 die Besteuerung von stillen Reserven im Fall der Entstrickung mittels eines grenzüberschreitenden Vorgangs2121 und die Verschiebung von Steuersubstrat auf Grundlage „künstlicher“2122 Gestal­ tungen.2123 Die Beschränkung der Erstattung auf inländische Vorsteuern, die auch dem Staat des Refundsystems selbst zugeflossen sind, beruht auf der Motivation zu verhindern, dass für die Erstattung ausländischer Steu­ ern inländisches Steueraufkommen verwendet wird. Gleichwohl geht es dabei nicht um die Wahrung eines nationalen Besteuerungsrechts. Denn dieses besitzt in den betroffenen Fällen in Bezug auf die Mehrwertsteuer unzweifelhaft der steuererhebende ausländische Staat. Zudem beruht die­ se Aufteilung der Steuerhoheit auf den Vorgaben der Mehrwertsteuer­ systemrichtlinie. Der wesentliche Grund für die ­ Beschränkung liegt letztlich darin, eine Minderung des zu verteilenden ­nationalen Steuerauf­ kommens zu vermeiden. Denn die Erstattung ­ausländischer Mehrwert­ steuer lässt sich nicht innerhalb des Umsatzsteueraufkommens auf­ wandsneutral gestalten. Dieses Ziel steht jedoch nicht im Zusammenhang mit der Wahrung von Besteuerungsinteressen, so dass sich die damit ein­ hergehende Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs nicht mithilfe dieses grundsätzlich anerkannten Rechtfertigungsgrundes in Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben bringen lässt. Damit ist die festgestellte Beeinträchtigung des geschützten freien Wa­ renverkehrs, die im Fall der Nichterstattung ausländischer nicht abzugs­ fähiger Vorsteuern im Rahmen eines Refundsystems bestehen würde, nicht gerechtfertigt. Folglich steht und stünde eine solche Ausgestaltung im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben.2124 2120 Vgl. z.  B. EuGH, Urt. v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), EU:C:2005:763, Rz. 46; Urt. v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08 (X), EU:C:2010:89, Rz. 28; Urt. v. 21.2.2013 – Rs. C-123/11 (A Oy), EU:C:2013:84, Rz. 42. 2121 Vgl. z.  B. EuGH, Urt. v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 (National Grid Indus), EU:C:2011:785, Rz. 45 f.; Urt. v. 12.7.2012 – Rs. C-269/09 (Kommission/Spani­ en), EU:C:2012:439, Rz. 78. 2122 Vgl. z.  B. EuGH, Urt. v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), EU:C:2006:544, Rz. 55 f.; Urt. v. 3.10.2013 – Rs. C-282/12 (Itelcar), EU:C:2013:629, Rz. 34. 2123 Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.226 m. w. N. 2124 I. E. wie hier Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 217.

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III.  Das Refundsystem

(2) Verletzung der Dienstleistungsfreiheit Neben der Warenverkehrsfreiheit könnte auch die Dienstleistungsfrei­ heit nach Art. 56 AEUV durch die in einem Refundsystem vorgesehene Nichterstattung von ausländischen Vorsteuern verletzt sein. Der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit umfasst nach Art. 57 Abs. 1 AEUV Leistungen, die gegen Entgelt ausgeübt werden. Diese kön­ nen gem. Art. 57 Abs. 2 AEUV insbesondere in einer gewerblichen, kauf­ männischen, handwerklichen oder freiberuflichen Tätigkeit bestehen. Soweit eine entsprechende Leistung jedoch bereits in den Anwendungs­ bereich der Waren- und Kapitalverkehrsfreiheit oder der Freizügigkeit der Personen fällt, gelten diese gem. Art. 57 Abs. 1 AEUV vorrangig. Damit kommt der Dienstleistungsfreiheit im Verhältnis zur oben geprüften ­Warenverkehrsfreiheit eine Auffangfunktion zu.2125 Ausgehend von den Vorgaben des Art. 57 AEUV lässt sich eine Dienstleistung damit als selb­ ständig und entgeltlich ausgeübte, nicht-körperliche Leistung defi­ nieren.2126 Des Weiteren bedarf es wie bei der Warenverkehrsfreiheit ei­ nes grenzüberschreitenden Sachverhalts.2127 Vor diesem Hintergrund dürften vor allem Leistungen, die zum Beispiel nach deutschem Recht mangels Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand eine sonstige Leistung gem. § 3 Abs. 9 UStG darstellen,2128 in den Anwen­ dungsbereich der Dienstleistungsfreiheit fallen. Zur Wahrung der Vor­ aussetzung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts kommt es regel­ mäßig dadurch, dass sich im Fall einer Belastung mit ausländischen Vorsteuern die öffentliche Hand als Leistungsempfängerin und der Un­ ternehmer als Leistungserbringer in unterschiedlichen Mitgliedstaaten befinden. Damit unterliegen grundsätzlich mehrwertsteuerliche Leis­ tungen, die von dem Staat, in dem sich der Leistungserbringer befindet, besteuert werden und die an einen im Rahmen des Refundsystems eines anderen Mitgliedstaates begünstigten Leistungsempfänger erbracht wer­ den, dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit. Als Beeinträchtigung des Anwendungsbereichs kommen sowohl offene und versteckte Diskriminierungen als auch sonstige Beeinträchtigungen in Betracht.2129 Die Frage der Erstattung nicht abzugsfähiger Vorsteuer knüpft bei Refundsystemen zwar nicht an die Staatsangehörigkeit des Leistungserbringers an, so dass eine offene Diskriminierung ausschei­ det.2130 Allerdings ist eine versteckte Diskriminierung anzunehmen, 2125 Vgl. Pache, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 11 Rz. 5. 2126 Pache, a. a. O., § 11 Rz. 29 und 31. 2127 Pache, a. a. O., § 11 Rz. 36. 2128 Vgl. zum Begriff der sonstigen Leistung anstatt vieler Leonard, in: Bunjes, UStG, § 3 Rz. 230. 2129 Vgl. Pache, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 11 Rz. 49. 2130 Vgl. zum Begriff der offenen Diskriminierung Pache, a. a. O., § 11 Rz. 53.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

wenn sich bereits aus dem sachlichen Regelungsbereich selbst ergibt, dass diese nur für nicht im Mitgliedstaat Ortansässige zu Nachteilen führt.2131 Hier treffen die gleichen Erwägungen zu wie bei der Prüfung einer Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit. Soweit es bei waren­ losen mehrwertsteuerrechtlichen Leistungsbezügen der öffentlichen Hand mangels Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips zu einer Belas­ tung von Dienstleistungen ausländischer Unternehmer mit ausländi­ scher Umsatzsteuer kommt, führt deren Nichtabzugsfähigkeit zu einem Nachteil für den ausländischen Unternehmer. Denn bei dessen Leistung wird der Leistungsempfänger wirtschaftlich hinsichtlich der Steuer höher belastet, als wenn die inländische Vorsteuer im Fall einer Dienstleistung eines im Mitgliedstaat des Refundsystems ortsansässigen Unternehmers erstattet wird. Demnach führt die in Refundsystemen ausgeschlossene Erstattung ausländischer Mehrwertsteuer zu einer unionsrechtlich rele­ vanten Beeinträchtigung. Als ausdrückliche Rechtfertigungsmöglichkeiten kommen für Beein­ trächtigungen der Dienstleistungsfreiheit aufgrund der Verweisungsvor­ schrift des Art. 62 AEUV die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicher­ heit oder Gesundheit (Art. 52 AEUV) in Betracht. Diese Gründe finden sich jedoch in dem Ausschluss der Erstattung ausländischer Mehrwert­ steuer innerhalb von Refundsystemen nicht wieder. Daneben könnten wie bei der Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit Rechtfertigungs­ gründe herangezogen werden, die sich aus zwingenden Gründen des All­ gemeinwohls ergeben.2132 Allerdings hat bereits die Untersuchung zur Warenverkehrsfreiheit ergeben, dass solche insoweit nicht einschlägig sind. Mithin verstößt die in einem Refundsystem vorgesehene Nichter­ stattung ausländischer Vorsteuern gegen die Dienstleistungsfreiheit, so­ weit mehrwertsteuerliche Leistungen von ihrem Anwendungsbereich erfasst werden.2133 bb) Beschränkung der Erstattung auf Einheiten der eigenen öffentlichen Hand Die in den Mitgliedstaaten bestehenden Refundsysteme begründen nur für Einheiten der eigenen öffentlichen Hand einen Erstattungsanspruch für nicht abzugsfähige Vorsteuern. Einheiten der öffentlichen Hand eines anderen Mitgliedstaates, die mit inländischer Vorsteuer endgültig belas­ tet werden, sind hingegen von der Inanspruchnahme des Refundsystems ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden zunächst er­ örtert werden, ob diese Regelung generell zu einer Verletzung der Waren­ 2131 Vgl. Pache, a. a. O., § 11 Rz. 54. 2132 Vgl. Pache, a. a. O., § 11 Rz. 70 f. 2133 So i. E. auch Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 217.

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III.  Das Refundsystem

verkehrsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit führt. Danach wird dar­ auf eingegangen, ob die Regelung ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts in Bezug auf ihre im Inland eines Mitgliedstaates mit einem Refundsystem ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit in ihren Grundfreiheiten verletzen könnte. (1) Keine generelle Verletzung der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit So sieht Liegmann in der Beschränkung des Anwendungsbereichs eines Refundsystems auf inländische Einrichtungen eine Förderung inländi­ scher Waren und Dienstleistungen und folgert daraus eine nicht gerecht­ fertigte Beschränkung der Warenverkehrs- und der Dienstleistungsfrei­ heit.2134 Ausgangspunkt ist die zunächst zutreffende Annahme, dass die ausländischen Einheiten ohne Erstattungsanspruch durch den Bezug ei­ ner inländischen Ware wirtschaftlich mehr belastet werden als inländi­ sche und vom Refundsystem begünstigte Einheiten. Diese Situation be­ urteilt Liegmann als eine Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit in Form einer Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art. 34 AEUV. Denn mit der Erstattung ginge eine höhere inländische Nachfrage seitens der vom Refundsystem begünstigten Einrichtungen einher, die wieder­ um dazu führen würde, dass inländische Unternehmer sich stärker auf den inländischen Markt als auf den ausländischen Markt konzentrieren. Das stelle eine „einseitige […] Förderung des Inlandhandels“2135 dar, die in ihrer Wirkung mit einer vom EuGH als mit der Warenverkehrsfreiheit für unvereinbar beurteilten Kampagne zur Förderung inländischer Er­ zeugnisse2136 vergleichbar sei.2137 Eine unionsrechtskonforme Ausgestal­ tung eines Refundsystems erfordere folglich auch die Erstattung inländi­ scher nicht abzugsfähiger Vorsteuern zugunsten von Einheiten der öffentlichen Hand eines anderen Mitgliedstaates.2138 Diese Folgerungen sind allerdings aus mehreren Gründen kritisch zu se­ hen und im Ergebnis abzulehnen. Zum einen würde die Erstattung inlän­ discher Steuern an ausländische Einheiten bewirken, dass es für diese wirtschaftlich sinnvoller ist, eine in dem Mitgliedstaat mit Refundsys­ tem mehrwertsteuerpflichtige Leistung zu beziehen als im eigenen Staat ohne ein Refundsystem. Wegen des weitgehend umgesetzten Bestim­ mungslandprinzips mag der Umfang der möglichen Leistungen begrenzt sein, gleichwohl würde damit zunächst eine höhere Nachfrage inländi­ 2134 Liegmann, a. a. O., S. 218 f. 2135 Liegmann, a. a. O., S. 219. 2136 EuGH, Urt. v. 24.11.1982 – Rs. 249/81 (Kommission/Irland), EU:C:1982:402. 2137 Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projek­ ten, S. 219. 2138 Ebenda.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

scher Waren und Dienstleistungen hervorgerufen. Die von Liegmann vorgesehene Lösung würde das von ihm aufgeworfene Problem folglich noch einmal verschärfen anstatt zu beseitigen. Zum anderen stellte der EuGH in dem von Liegmann zum Vergleich herangezogenen Urteil vor allem darauf ab, dass die Kampagne auf eine Substitution importierter Waren durch inländische Erzeugnisse abzielt und daher eine geeignete Maßnahme darstelle, die Einfuhr ausländischer Waren und folglich den Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten einzudämmen.2139 Die be­ einträchtigende Wirkung auf den Binnenmarkt lag somit in der Bevorzu­ gung inländischer Erzeugnisse zu Lasten ausländischer Erzeugnisse, wo­ raus sich ein diskriminierender Charakter der Maßnahme ergibt.2140 Im Fall der Beschränkung der Erstattung von nicht abzugsfähigen Vorsteu­ ern auf Einheiten der inländischen öffentlichen Hand fehlen diese be­ nachteiligende Komponente und die gezielte Eindämmung der Einfuhr von ausländischen Waren. Denn eine Erstattung ausländischer Vorsteu­ ern vorausgesetzt, können ausländische Waren zu den gleichen Be­ dingungen auf dem inländischen Markt angeboten werden. Aus Sicht der inländischen Einrichtung ist es in Bezug auf die Erstattungsfähigkeit nicht abzugsfähiger Vorsteuern unerheblich, ob es sich um inländische oder ausländische Waren handelt. Von der Einrichtung eines Refund­ systems und einer höheren Nachfrage aus dem begünstigten Sektor kön­ nen folglich die Erzeuger inländischer wie auch ausländischer Waren gleichermaßen profitieren. Dass inländische Erzeuger wegen ihrer An­ sässigkeit stärker von der höheren Nachfrage profitieren, führt nicht schon zu einer unionsrechtswidrigen Förderung inländischer Erzeugnis­ se, die mit der gezielten Kampagne Irlands im Buy-Irish-Urteil des EuGH von vergleichbarer beeinträchtigender Wirkung wäre. Damit fehlt es an einer Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit und es ist insoweit zulässig, wenn mit einem Refundsystem nur Einheiten der eigenen öf­ fentlichen Hand die sie endgültig belastenden Vorsteuern erstattet wer­ den. (2) Diskriminierung bei inländischen wirtschaftlichen Tätigkeiten ausländischer Einrichtungen des öffentlichen Rechts Der Ausschluss ausländischer Einrichtungen des öffentlichen Rechts vom Anwendungsbereich eines Refundsystems führt zwar nicht wegen einer Förderung inländischer Waren und Dienstleistungen zu einer Be­ einträchtigung der Grundfreiheiten. Allerdings könnten ausländische Einrichtungen durch die Regelung des Anwendungsbereichs in ihren Grundfreiheiten verletzt sein, wenn sie eine unternehmerische Tätigkeit 2139 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.11.1982 – Rs. 249/81 (Kommission/Irland), EU:C:1982:402, Rz. 23, 25, 29. 2140 Vgl. EuGH, a. a. O., Rz. 26.

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III.  Das Refundsystem

innerhalb des Hoheitsgebietes eines anderen Mitgliedstaates ausüben. Unter diesen Voraussetzungen dürften die ausländischen Einrichtungen zwar regelmäßig wegen der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit als Steuerpflichtige den Anwendungsbereich des nationalen Umsatz­ steuerrechts unterliegen und damit auch zum Abzug der für Ein­ gangsleistungen anfallenden Vorsteuer berechtigt sein. Insoweit fehlt es folglich bereits an der Möglichkeit bzw. der Notwendigkeit zur Inan­ spruchnahme von Ausgleichsleistungen eines Refundsystems. Soweit hingegen eine ausländische öffentliche Einrichtung im Hoheitsgebiet ei­ nes anderen Mitgliedstaates im Rahmen der ihr obliegenden öffentlichen Gewalt eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und daher aufgrund der Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht nicht dem nationalen Um­ satzsteuerrecht unterliegt, kommt es zu einer Belastung mit nicht ab­ zugsfähiger Vorsteuer. Während eine inländische Einrichtung des öffent­ lichen Rechts in diesem Fall einen Ausgleichsanspruch im Rahmen des Refundsystems erlangt, bleibt die ausländische Einrichtung weiterhin wirtschaftlich mit den Kosten für die anfallende Vorsteuer belastet. Für diesen Fall2141 gilt es nun im Folgenden zu prüfen, ob es zu einer Verlet­ zung der Grundfreiheiten kommt. Als relevante Grundfreiheit kommt dabei vor allem die Dienstleistungsfreiheit in Betracht.2142 Zunächst müssten die Einrichtungen des öffentlichen Rechts eines aus­ ländischen Mitgliedstaates mit ihren oben genannten Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit fallen. In persönlicher Hinsicht ergibt sich bereits explizit aus Art. 62 i. V. m. Art. 54 Abs. 2 AEUV, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätz­ lich vom Gewährleistungsbereich erfasst werden. Somit ist ihre öffent­ lich-rechtliche Rechtsform unschädlich. Der sachliche Anwendungsbe­ reich der Dienstleistungsfreiheit erfasst in Ansehung der Kriterien in Art. 57 AEUV grundsätzlich selbständig und entgeltlich ausgeübte,

2141 Es dürfte in der Praxis wohl eher selten vorkommen, dass eine Einrichtung des öffentlichen Rechts in einem anderen Mitgliedstaat eine wirtschaftliche Tätig­ keit im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausübt. Allerdings richtet es sich grundsätzlich nach den nationalen Regelungen einzelner Mitgliedstaaten, ob und inwieweit eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt wird. Und bei 28 Mitgliedstaaten und in Ansehung des grundsätzlich weiten Anwen­ dungsbereichs des Mehrwertsteuerrechts ist es nicht auszuschließen, dass hier­ von eine wirtschaftliche Tätigkeit einer öffentlichen Einrichtung betroffen ist, die nach den Ortsregeln des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts im Inland ei­ nes anderen Mitgliedstaates ausgeübt wird. 2142 In diesen Fällen dürfte die mehrwertsteuerrechtliche Leistung jedoch weniger in einer Lieferung eines Gegenstandes oder aber in der Ausübung einer Dienstleis­ tung im Rahmen einer sich im Hoheitsgebiet des anderen Mitgliedstaates liegen­ den Niederlassung bestehen, so dass sich hier auf die Prüfung der Dienstleis­ tungsfreiheit beschränkt wird.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

nicht-körperliche Leistung.2143 Im harmonisierten Mehrwertsteuerrecht setzt eine im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit ebenfalls die Erbringung von Leistungen gegen Entgelt voraus, so dass die öffentliche Hand in den hier untersuchten Fallgestaltungen mit ihren Ausgangsleistungen auch grundsätzlich die sachlichen Voraus­ setzungen des Anwendungsbereichs der Dienstleistungsfreiheit erfüllt. Vor dem Hintergrund, dass es sich um Einrichtungen des öffentlichen Rechts eines anderen Mitgliedstaates handelt, ist auch der zur Anwen­ dung der Grundfreiheiten erforderliche grenzüberschreitende Bezug2144 gegeben. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich des Refundsystems muss für die ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts eine Be­ einträchtigung ihrer Dienstleistungsfreiheit darstellen. Als Beeinträchti­ gung des Anwendungsbereichs kommen sowohl offene und versteckte Diskriminierungen als auch sonstige Beeinträchtigungen in Betracht.2145 Eine inländische Einrichtung, die mit einer vergleichbaren wirtschaftli­ chen Tätigkeit ebenfalls auf Grundlage des nationalen Umsatzsteuer­ rechts als Nichtsteuerpflichtige behandelt wird, kann ihre Belastung mit nicht abzugsfähigen Vorsteuern mithilfe des Refundsystems ausgleichen. Damit wird eine inländische öffentliche Einrichtung wirtschaftlich nicht mit den Kosten für anfallende Umsatzsteuern für ihre Eingangsleistun­ gen belastet, ausländische Einrichtungen hingegen schon. Somit kommt es dadurch in Bezug auf die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu einer Schlechterstellung ausländischer Einrichtungen des öffentli­ chen Rechts im Vergleich zu inländischen. Diese liegt gerade in der Zu­ gehörigkeit zu einem anderen Mitgliedstaat begründet, so dass im Ergeb­ nis der Ausschluss vom Anwendungsbereich des Refundsystems eine Diskriminierung anhand der Staatszugehörigkeit darstellt. Somit beein­ trächtigen die Regeln des Refundsystems ausländische Einrichtungen des öffentlichen Rechts in ihrer Dienstleistungsfreiheit, wenn ihre wirt­ schaftliche Tätigkeit mangels persönlicher Steuerpflicht endgültig mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer belastet wird, während inländische Ein­ heiten der öffentlichen Hand bei Ausübung einer vergleichbaren wirt­ schaftlichen Tätigkeit einen Ausgleichsanspruch im Rahmen des Re­ fundsystems erlangen. Die Beeinträchtigung des Gewährleistungsgehalts der Dienstleistungs­ freiheit könnte gerechtfertigt sein. Als Rechtfertigungsgründe sind in Art. 62 i. V. m. Art. 52 AEUV die öffentliche Ordnung, Sicherheit und die 2143 Pache, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 11 Rz. 29 und 31; vgl. ausführlicher zum sachlichen Anwendungsbereich der Dienstleis­ tungsfreiheit bereits oben unter D. III. 2. c) aa) (2). 2144 Pache, a. a. O., § 11 Rz. 36. 2145 Vgl. Pache, a. a. O., § 11 Rz. 49.

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III.  Das Refundsystem

Gesundheit genannt. Daneben können wie bei den anderen Grundfrei­ heiten grundsätzlich auch zwingende Gründe des Allgemeininteresses eine Beeinträchtigung rechtfertigen. Die Ausgleichszahlungen im Rah­ men eines Refundsystems an inländische Einrichtungen des öffentlichen Rechts verfolgen den Zweck, dass sich eine endgültige Vorsteuerbelas­ tung nicht auf die Entscheidung zwischen einer Inanspruchnahme von Fremdleistungen und einer Ausübung von Eigenleistungen auswirken.2146 Daher ergibt es aus Sicht des Mitgliedstaates mit einem Refundsystem insoweit keinen Anlass, auch ausländische Einrichtungen des öffentli­ chen Rechts von der wirtschaftlichen Belastung einer Vorsteuerbelas­ tung freizustellen. In diesem Fall ist die Erstattung auch nicht aus ge­ samtstaatlicher Sicht aufkommensneutral, denn die Vorsteuer ist von einer ausländischen Einrichtung zu tragen und kommt dem nationalen Steueraufkommen zugute. Somit führt die Erstattung an ausländische Einrichtungen für den Mitgliedstaat mit einem Refundsystem im Ergeb­ nis zu einer finanziellen Belastung. Daher liegt dem Ausschluss auslän­ discher Einrichtungen des öffentlichen Rechts vor allem ein fiskalisches Interesse zugrunde. Damit scheiden auf der einen Seite die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit als mögliche Rechtfertigungsgrün­ de aus. Auf der anderen Seite entspricht dieser Veranlassungsgrund kei­ nem zwingenden Grund des Allgemeininteresses. Demnach lässt sich die mit dem Ausschluss von ausländischen Einrichtungen des öffentli­ chen Rechts einhergehende Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit nicht rechtfertigen. Folglich kommt es zu einer Verletzung dieser Grund­ freiheit, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit von ausländischen Ein­ richtungen des öffentlichen Rechts mangels persönlicher Steuerpflicht endgültig mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer belastet wird, während in­ ländische Einheiten der öffentlichen Hand bei Ausübung einer vergleich­ baren wirtschaftlichen Tätigkeit einen Ausgleichsanspruch im Rahmen des Refundsystems erlangen. d) Zusammenfassung Aus dem Unionsrecht ergeben sich insgesamt mehrere Vorgaben, die im Fall der Einführung eines nationalen Refundsystems zu berücksichtigen wären und die einen rechtlichen Rahmen ziehen, in welchem eine auf die nationalen Bedürfnisse zugeschnittene Ausgestaltung möglich wä­ re.2147 So sind zum einen die Erstattungen von Vorsteuern an die öffentliche Hand im Zusammenhang mit Tätigkeiten, die mangels wirtschaftlichen 2146 Vgl. zu den wirtschaftlichen Nachteilen oben unter C. II. 3. 2147 Die unionsrechtlichen Vorgaben ergeben zudem ein Prüfungsprogramm, anhand dessen die einzelnen bestehenden Refundsysteme in den Mitgliedstaaten auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Unionsrecht beurteilt werden könnten.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Charakters nicht dem Mehrwertsteuerrecht unterliegen, mit den binden­ den Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vereinbar. Zum ande­ ren sind danach Erstattungen für wirtschaftliche Tätigkeiten, die wegen der besonderen Vorschriften über die Befreiung von der persönlichen Steuerpflicht nicht vom Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts erfasst werden, mit dem Richtlinienrecht vereinbar. Soweit aber der feh­ lende mehrwertsteuerrechtliche Vorsteuerabzug auf Tätigkeiten beruht, die in den Anwendungsbereich einer sachlichen Steuerbefreiung fallen, stünde eine Erstattung nicht im Einklang mit den inhaltlichen Vorgaben des Richtlinienrechts. Das Beihilfeverbot führt grundsätzlich zu einer Unvereinbarkeit des Re­ fundsystems mit unionsrechtlichen Vorgaben, soweit die Erstattung eine im Sinne des Beihilferechts wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand betrifft. Denn insoweit unterliegt sie als Unternehmerin grund­ sätzlich den Vorgaben des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Wegen der inhaltlich abweichenden Begrifflichkeiten kann für die beihilferechtliche Prüfung nur in engen Grenzen auf Wertungen und Erkenntnisse des Mehrwert­ steuerrechts zurückgegriffen werden. So dürfte regelmäßig keine wirt­ schaftliche Tätigkeit nach beihilferechtlichen Maßstäben vorliegen, so­ weit der Ausschluss vom Vorsteuerabzug darauf beruht, dass keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 9 MwStSystRL ausgeübt wird. Eine besondere Gefahr für eine Unvereinbarkeit des Refundsys­ tems mit dem Beihilferecht besteht dagegen, wenn die Ausgleichszah­ lungen im Zusammenhang mit Tätigkeiten stehen, die unter die Befrei­ ungsvorschrift des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL fallen. Denn diese erfüllen zumindest die mehrwertsteuerrechtlichen Anforderungen an eine wirt­ schaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 9 MwStSystRL. Die weiteren Vo­ raussetzungen für eine Qualifizierung der Ausgleichszahlungen im Rah­ men eines Refundsystems als unerlaubte Beihilfen sind bis auf wenige Ausnahmen regelmäßig erfüllt. Eine bedeutende Ausnahme stellen in diesem Zusammenhang bestimmte Tätigkeiten dar, die nur lokale Aus­ wirkungen entfalten und damit nicht den Handel zwischen den Mit­ gliedstaaten beeinträchtigen. Mit den Grundfreiheiten, namentlich der Warenverkehrs- und der Dienstleistungsfreiheit, ist ein Refundsystem dann vereinbar, wenn es auch die Erstattung ausländischer nicht abzugsfähiger Vorsteuern ermög­ licht. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass auch grundsätzlich alle Ein­ heiten der öffentlichen Hand eines anderen Mitgliedstaates gegenüber einem nationalen Refundsystem anspruchsberechtigt sind. Wenn aber die wirtschaftliche Tätigkeit von ausländischen Einrichtungen des öf­ fentlichen Rechts mangels persönlicher Steuerpflicht endgültig mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer belastet wird, während inländische Einheiten der öffentlichen Hand bei Ausübung einer vergleichbaren wirtschaftli­ 450

III.  Das Refundsystem

chen Tätigkeit einen Ausgleichsanspruch im Rahmen des Refundsys­ tems erlangen, verstößt die Beschränkung des Anwendungsbereichs grundsätzlich gegen die Dienstleistungsfreiheit. 3. Finanzverfassungsrechtliche Vorgaben für ein nationales ­Refundsystem Im Rahmen des aus unionsrechtlicher Sicht verbleibenden Gestaltungs­ spielraums für ein nationales Refundsystem sind für die einfach-gesetzli­ che Umsetzung weiterhin grundsätzlich auch verfassungsrechtliche Vor­ gaben zu berücksichtigen. Diese könnten insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzierung des Refundsystems relevant werden. Denn ein na­ tionales Refundsystem könnte entweder zu Lasten aller Einheiten der öffentlichen Hand finanziert werden oder nur einer bestimmten Gruppe von Einheiten einen Ausgleichsanspruch gewähren, die dementspre­ chend Beiträge zur Finanzierung leisten.2148 Je nach Ausgestaltung kön­ nen damit Einheiten der öffentlichen Hand, welche auf Ebene der Länder und der Kommunen anzusiedeln sind, und solche Einheiten, die der staatlichen Ebene des Bundes zuzurechnen sind, gemeinsam an der Fi­ nanzierung des Refundsystems beteiligt sein. Im Fall einer gemeinsamen Finanzierung dürfte sich insbesondere die Bildung eines gemeinsamen Fonds anbieten, in dem die Mittel für das Refundsystem verwaltet wer­ den. Das Finanzverfassungsrecht benennt Möglichkeiten, aber vor allem auch Grenzen für ein finanzielles Zusammenwirken von Bund und Län­ dern.2149 Aus diesem Grund sollen im Folgenden die Vorgaben für die Fi­ nanzierung eines Refundsystems erarbeitet werden, die sich aus dem Fi­ nanzverfassungsrecht herleiten lassen. a) Getrennte Lastenverteilung für Bund und Länder Aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht erscheint insbesondere eine ge­ meinsame Finanzierung des Refundsystems und die Auszahlungen an die Anspruchsberechtigten wegen des föderalen Systems und der Auftei­ lung der Finanzierungsverantwortung2150 von Bund und Ländern nach Art. 104a GG problematisch.2151 Die Gemeinden stellen in diesem Zu­ sammenhang keine eigenständige dritte Ebene dar, sondern werden der Ebene der Länder zugerechnet.2152 2148 Vgl. zur Finanzierung von Refundsystemen oben unter D. III. 1. b) bb). 2149 Vgl. z. B. Art. 104a GG. 2150 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 104a Rz. 1. 2151 Vgl. hierzu vor allem KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerre­ fundsystem (2005), S. 87 ff.; des Weiteren Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (236); Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-­ Projekten, S. 220 ff. 2152 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 104a Rz. 15.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Nach Art. 104a GG gilt zum einen das sogenannte Konnexitätsprinzip, nach welchem mit der staatsorganisatorischen Verteilung der Aufgaben auch die Pflicht zur Finanzierung ihrer Ausübung verbunden ist.2153 Folg­ lich haben der Bund auf der einen Seite und die Länder auf der anderen Seite die ihnen obliegenden Aufgaben selbst zu finanzieren, soweit sich nicht aus dem Grundgesetz etwas anderes ergibt.2154 Art. 104a GG legt aber nicht nur dieses Gebot zur Finanzierung der eigenen Aufgaben fest, sondern bestimmt damit ebenfalls ein Verbot der Finanzierung von frem­ den Aufgaben.2155 Ohne eine entsprechende Ausnahmebestimmung im Grundgesetz sind damit keine Mischfinanzierungen zulässig, bei der eine dem Bund oder den Ländern bzw. Gemeinden obliegende Aufgabe gemeinsam durch beide Ebenen finanziert wird.2156 Dieses gilt auch für die gemeinsame Finanzierung eines Fonds, welcher die Ausübung dem Bund oder den Ländern bzw. Gemeinden obliegenden Aufgaben finan­ ziert.2157 Vor diesem Hintergrund gilt es im Fall der Einführung eines Refundsys­ tems auf nationaler Ebene zum einen zu beachten, dass eine gemeinsame Finanzierung eines entsprechenden Fonds bzw. Sondervermögens2158 durch Mittel des Bundes und der Länder grundsätzlich nicht zulässig wäre. Denn die Zahlungen dienen der Ausübung von Tätigkeiten der be­ günstigten Einheiten der öffentlichen Hand. Folglich würden regelmäßig Beiträge des Bundes zur Finanzierung einer Tätigkeit von Einheiten der Länder verwendet werden. Gleichzeitig kann grundsätzlich eine Einheit des Bundes von den Finanzierungsanteilen der Länder profitieren. Die Ausnahmen, die das Grundgesetz vom Gebot der getrennten Lasten­ tragung vorsieht, ermöglichen insoweit allenfalls punktuelle Ausnah­ men.2159 Möglich wäre es jedoch, sowohl auf Ebene des Bundes als auch für die Ebene der Länder einen eigenständigen Refundmechanismus ein­ zurichten, um eine entsprechende Mischfinanzierung der Erstattungen von nicht abzugsfähiger Vorsteuer zu vermeiden.2160 Dabei wäre auf der einen Seite zu gewährleisten, dass gegenüber dem Länderfonds keine Einheit, die dem Bund zuzurechnen ist, einen Anspruch erwirbt. Denn andernfalls käme es mit der Auszahlung zu einer nach Art. 104a GG ver­ 2153 Vgl. Siekmann, a. a. O., Art. 104a Rz. 2. 2154 Z. B. im Fall der Auftragsverwaltung der Länder oder die Ausführung von Geld­ leistungsgesetzen, vgl. Art. 104a II–IV GG; hierzu Siekmann, a. a. O., Art. 104a Rz. 2. 2155 Vgl. Siekmann, a. a. O., Art. 104a Rz. 12 m. w. N. 2156 Ebenda. 2157 Ebenda. 2158 Vgl. hierzu Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (235). 2159 Vgl. zu den Ausnahmen KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerre­ fundsystem (2005), S. 88 ff.; Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Ver­ tragspartner bei PPP-Projekten, S. 222 ff. 2160 Vgl. KPMG, a. a. O., S. 106.

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III.  Das Refundsystem

botenen Finanzierung von Aufgaben des Bundes durch die Länder.2161 Umgekehrt dürften zum Beispiel die Gemeinden keine Erstattungen aus dem Refundsystem des Bundes erlangen. Vor dem Hintergrund, dass Art. 104a GG keine Geltung für das Verhältnis zwischen den Ländern entfaltet,2162 wäre ein einheitlicher Länderfonds hingegen grundsätzlich möglich.2163 Damit ist insgesamt festzuhalten, dass bei Einführung eines nationalen Refundsystems die Vorgaben des Art. 104a GG zu berücksichtigen sind und eine Trennung der Lastentragung sicherzustellen ist. Sollte für das Refundsystem folglich ein Fonds bzw. ein Sondervermögen eingerichtet werden, ist zum einen zu gewährleisten, dass es nicht zu einer gemeinsa­ men Finanzierung durch Bund und Ländern kommt. Zum anderen ist zu verhindern, dass es zu einer Auszahlung zu Lasten des Fonds auf der ei­ nen Staatsebene an eine Einheit kommt, die der anderen Staatsebene zu­ zurechnen ist. b) Haushaltstrennung zwischen Bund und Ländern Eine vergleichbare Problematik wie bei Art. 104a GG könnte sich aus Art. 109 Abs. 1 GG ergeben,2164 der für Bund und Länder eine selbständige und voneinander unabhängige Haushaltswirtschaft fordert. Unter die Haushaltswirtschaft fallen grundsätzlich alle Vorgänge im Zusammen­ hang mit staatlichen Einnahmen und Ausgaben.2165 Das Gebot der Unab­ hängigkeit gewährleistet Schutz für den Bund bzw. die Länder vor einer Beeinflussung ihrer Haushaltswirtschaft.2166 Art. 109 Abs. 1 GG gilt nicht nur für Haushalte selbst, sondern auch für die außerhalb dessen befindli­ chen Sondervermögen.2167 Allerdings findet Art. 109 Abs. 1 GG keine Anwendung in den vom Grundgesetz explizit genannten Ausnahmen.2168 Bestünde ein einheitlicher Fonds bzw. ein entsprechendes Sondervermö­ gen von Bund und Ländern, hätten die an der Finanzierung beteiligten und grundsätzlich anspruchsberechtigten Einheiten von Bund und Län­ dern mit ihren Handlungen Einfluss auf Entscheidungen über Einnah­ 2161 Vgl. KPMG, a. a. O., S. 95. 2162 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 104a Rz. 12. 2163 KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 100. 2164 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (236); KPMG, PPP im öffentlichen Hoch­ bau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 91 f. 2165 Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 109 Rz. 5 m. w. N., der jedoch selbst ein enge­ res Verständnis befürwortet. 2166 Vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 109 Rz. 43 (Stand: Mai 2011). 2167 Vgl. Kube, a. a. O., Art. 109 Rz. 34 (Stand: Mai 2011). 2168 Vgl. z. B. Art. 109 IV GG, der die Möglichkeit zur Erstellung gemeinsamer Vorga­ ben einräumt; vgl. insgesamt zu den Ausnahmen Kube, a. a. O., Art. 109 Rz. 48 ff. (Stand: Mai 2011); KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefund­ system (2005), S. 91 f.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

men und vor allem Ausgaben des Sondervermögens. Davon wären jedoch auch grundsätzlich die Finanzierungsanteile betroffen, die von der je­ weils anderen Staatsebene getragen werden. Von einer dem Art. 109 Abs. 1 GG entsprechenden unabhängigen Haushaltswirtschaft könnte in diesem Fall nicht mehr ausgegangen werden.2169 Den Anforderungen des Art. 109 Abs. 1 GG könnte jedoch entsprochen werden, indem zum ei­ nen innerhalb des gemeinsam finanzierten Sondervermögens die jeweili­ gen Finanzierungsanteile getrennt nach Bund und den einzelnen Ländern verwaltet werden. Zum anderen wäre sicherzustellen, dass die an­ spruchsberechtigten Einheiten nur die Finanzierungsanteile belasten, die ihrer Zugehörigkeit zu einer staatlichen Ebene entsprechen. Auf diesem Wege kann eine der selbständigen und unabhängigen Haushaltswirt­ schaft entgegenstehende gegenseitige Einflussnahme ausgeschlossen werden.2170 Damit entfaltet Art. 109 Abs. 1 GG bindende Vorgaben hinsichtlich der Finanzierung eines nationalen Refundsystems. Wie Art. 104a GG zielen diese auf eine strenge organisatorische Trennung zwischen der Finanzie­ rung und der Auszahlung von Mitteln an Einheiten des Bundes und der Länder. Auf diesem Wege muss die Möglichkeit einer wechselseitigen Einflussnahme ausgeschlossen werden. c) Aufteilung des Umsatzsteueraufkommens Als finanzverfassungsrechtliche Vorgaben für die Ausgestaltung eines nationalen Refundsystems kämen noch die Bestimmungen über die Ver­ teilung des Umsatzsteueraufkommens nach Art. 106 GG in Betracht. Soweit die Mittel zur Finanzierung eines Sondervermögens bzw. Fonds nicht aus dem noch nicht verteilten Umsatzsteueraufkommen entnom­ men werden, sondern die Finanzierung der Verteilung nachgelagert er­ folgt, blieben die Regelungen des Art. 106 GG über die Verteilung von vornherein unberührt.2171 Aber auch, wenn die Finanzierung aus dem Umsatzsteueraufkommen vor der Verteilung erfolgt, wäre dies mit dem Inhalt des Art. 106 GG grundsätzlich vereinbar.2172 Denn dieser besagt 2169 Vgl. KPMG, a. a. O., S. 92; Desens/Lenk/Hummel/Rottmann, Gutachten zur Um­ satzsteuerdefinitivbelastung von Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 39 f. 2170 Vgl. KPMG, ebenda; in diese Richtung auch Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (236). 2171 Vgl. KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 87. 2172 Vgl. KPMG, a. a. O., S. 92 ff. Hier wird sich allein für den Fall, dass eine entspre­ chende Minderung des zur Verteilung verbleibenden Umsatzsteueraufkommens eine kontinuierliche Finanzplanung der begünstigten staatlichen Ebenen gefähr­ de, vorsichtig zu einer Vereinbarkeit mit den finanzverfassungsrechtlichen Vor­ gaben geäußert. Keine Bedenken insoweit erkennbar bei Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (237).

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III.  Das Refundsystem

nur, dass sowohl Bund und Länder im Rahmen der Verteilung berück­ sichtigt werden müssen, während der konkrete Anteil gem. Art. 106 Abs. 3 S. 3 GG durch ein einfaches Gesetz geregelt werden kann.2173 Da­ mit folgen aus den Regeln des Finanzverfassungsrechts zur Verteilung des Umsatzsteueraufkommens keine Vorgaben über die Finanzierung eines nationalen Refundsystems. d) Zusammenfassung Im Ergebnis wäre nach Art. 104a und Art. 109 Abs. 1 GG ein Fonds oder Sondervermögen zur Umsetzung eines Refundsystems grundsätzlich nur dann zulässig, wenn für jede staatliche Ebene ein eigenständig finanzier­ tes Refundsystem eingerichtet wird. Zudem dürfen nur Einrichtungen der jeweiligen finanzierenden Ebene unter dem entsprechenden Refund­ system begünstigt sein. Etwas anderes gilt nur, soweit es Tätigkeiten be­ trifft, die den wenigen Ausnahmebestimmungen des Grundgesetzes von dem Verbot der Fremdfinanzierung und gleichzeitig vom Gebot der unab­ hängigen Haushaltswirtschaft unterliegen.2174 4. Bewertung Ausgehend vom Ansatz und den Abgrenzungsmerkmalen von Refund­ systemen hat die Untersuchung der unionsrechtlichen und verfassungs­ rechtlichen Bestimmungen ergeben, dass eine rechtskonforme Einfüh­ rung eines nationalen Refundsystems bedeutenden Einschränkungen unterliegt. Die nunmehr folgende Bewertung des Ansatzes eines Refund­ systems wird dementsprechend sowohl auf sein grundsätzliches Poten­ tial Bezug nehmen, aber auch den einschränkenden Vorgaben Rechnung tragen.

2173 Vgl. Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (FAG), §§ 1 und 2. 2174 Vgl. KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), S. 96. In dem Gutachten wird zudem die Frage erörtert, inwieweit die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 II GG, die auch eine angemesse­ ne finanzielle Ausstattung umfasst, eine Grenzwirkung entfaltet, bis zu der die Heranziehung der Gemeinden für die Finanzierung eines Sondervermögens des Landes möglich ist. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass durch die mit einem Refundsystem verbundenen finanziellen Belastungen bzw. Kürzungen von Zuweisungen an die Gemeinden nicht deren Kernbereich der Selbstverwaltung verletzt wird. Allerdings kommt der finanzielle Beitrag der Gemeinden diesen grundsätzlich auch wiederum über die Erstattungen des Refundsystems der Län­ der zugute, so dass die Gefahr einer so weitgehenden Belastung auch nur einzel­ ner Gemeinden nicht ernsthaft zu befürchten ist, vgl. dies., a. a. O., S. 101 ff.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

a) Übereinstimmung mit den maßgeblichen Zielvorgaben Ein Refundsystem knüpft an die Folgen, die sich aus der Anwendung des Umsatzsteuerrechts ergeben, an. Es lässt folglich in seiner Idee die der­ zeit geltende Rechtslage unberührt und widmet sich den Symptomen anstelle der Ursachen. Daher entspricht dieser Ansatz bereits dem Grun­ de nach nicht den Zielvorgaben, welche sich auf Änderungen innerhalb des Umsatzsteuerrechts beziehen. So begründet ein Refundsystem zum einen keine Einbeziehung der öffentlichen Hand mit ihren Ausgangsleis­ tungen in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer und dient damit auch nicht dem Schutz der Wettbewerbsgleichheit von öffentlichen und privaten Wirtschaftsteilnehmern. Zum anderen wird die öffentliche Hand auch nach der Einführung eines Refundsystems innerhalb des Um­ satzsteuersystems weiterhin als Trägerin der Steuerlast behandelt. We­ gen der fehlenden Änderung des für die Besteuerung geltenden Rechts führte die Einführung eines Refundsystems auch nicht zu einer Minde­ rung der mit der Steuererhebung verbundenen administrativen Kosten. Einzig die endgültige Belastung der öffentlichen Hand mit nicht abzugs­ fähiger Vorsteuer wird in ihrer Wirkung beseitigt. Demnach ist im Fall der Einführung eines Refundsystems zumindest davon auszugehen, dass sich die mit diesem Umstand verbundenen wirtschaftlichen Folgewir­ kungen erzielen lassen.2175 Ob und inwieweit dies der Fall sein würde, hängt wiederum maßgeblich von dem Umfang des Anwendungsbereichs des Refundsystems ab.2176 Je umfassender öffentliche Einrichtungen an­ spruchsberechtigt sind, desto größer wären insgesamt der Anreiz zur In­ anspruchnahme von Fremdleistungen und die damit verbundene Substi­ tution von bisherigen Eigenleistungen. An dieser Stelle ist jedoch auf die rechtlichen Einschränkungen durch das Beihilferecht nach Art. 107 AEUV hinzuweisen. Denn danach darf eine Erstattung nur für Tätigkeiten erfol­ gen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen.2177 Der Anwendungsbe­ reich und damit auch die Möglichkeit der Erzielung der wirtschaftlichen Folgewirkungen mittels der Erstattung von nicht abzugsfähigen Vorsteu­ ern sind folglich von vornherein erheblich eingeschränkt.

2175 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 11, 127 ff.; Wassenaar/Gradus, CESifo Economic Studies, Vol. 50 (2004), 377 (393). 2176 Vgl. allerdings z. B. den kritischen Befund über die erzielten Auswirkungen durch die Einführung des niederländischen Refundsystems bei Wassenaar, EC Tax Re­ view 2012, 212 (222). Zwar entfiel effektiv die Vorsteuerbelastung für den Bezug von Fremdleistungen, jedoch scheint die Vorsteuerbelastung nicht von allein maßgeblicher Relevanz für Entscheidungen darüber zu sein, ob Aufgaben und Tätigkeiten outgesourct werden oder nicht. 2177 Vgl. hierzu oben unter D. III. 2. b).

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III.  Das Refundsystem

b) Sonstige Vorteile Innerhalb der Europäischen Union haben bisher acht Mitgliedstaaten ein Refundsystem eingeführt. Im Vergleich der bestehenden Refundsysteme findet sich in ihrem Ansatz und ihrer Wirkung eine weitgehende Über­ einstimmung, aber in der konkreten Ausgestaltung auch eine Vielzahl von Unterschieden.2178 Darin könnte eine Stärke der Idee des Refundsys­ tems liegen. Es bietet innerhalb der oben dargestellten zwingenden Vor­ gaben einen Gestaltungsspielraum und damit die Möglichkeit, nationa­ len Interessen und Bedürfnissen gerecht zu werden. Diese Freiheit betrifft vor allem die Finanzierung und den Anwendungsbereich eines Refund­ systems. Damit stellt dieses Reformmodell ein flexibles Instrument dar, mit dem die Mitgliedstaaten die aus ihrem unmittelbaren Einflussbe­ reich entzogenen und vor allem in wirtschaftlicher Sicht nachteiligen Folgen der endgültigen Belastung der öffentlichen Hand durch die uni­ onsrechtlich harmonisierte Mehrwertsteuer zumindest in einem be­ stimmten Umfang beseitigen können. Für das nationale Recht ist ein Refundsystem zudem eine Möglichkeit, den derzeit bestehenden ver­ deckten Finanzausgleich, welcher in der Nichtabzugsfähigkeit der Vor­ steuern begründet ist, durch eine entsprechende Ausgestaltung des Fi­ nanzierungs- und Erstattungsmechanismus zu beseitigen. c) Fortbestehende und neue Nachteile Als fortbestehende Nachteile sind zuvorderst die unverändert weitge­ hende Nichtbesteuerung privater Konsumaufwendungen für Ausgangs­ leistungen der öffentlichen Hand sowie ihre Behandlung als Steuerträge­ rin zu nennen. Im Ergebnis bleiben die festgestellten rechtlichen und systematischen Verwerfungen des geltenden Rechts bestehen.2179 Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die Ausgestaltung der Finanzierung eines Refundsystems eine Verschiebung im Vergleich zu der bisherigen Verteilung von öffentlichen Mitteln verursacht.2180 Werden zum Beispiel die Mittel für die Erstattungen der nicht abzugsfähigen Vorsteuern durch eine Kürzung der bisherigen Zuweisungen an die Gemeinden finanziert, bleiben diese nur dann im Vergleich zur bisherigen finanziellen Ausstat­ tung schadlos, wenn sie jeweils einen Erstattungsanspruch in einer der Kürzung entsprechenden Höhe erwerben. Schwierigkeiten, dieses zu ge­ währleisten, bestehen vor allem dann, wenn ein geschlossenes Refund­ 2178 Vgl. die Untersuchungen bei Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 97 ff.; Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 83 ff.; KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005), 14 ff. 2179 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 219; siehe auch oben unter C. I. 1. 2180 Vgl. am Beispiel der Niederlande KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatz­ steuerrefundsystem (2005), S. 38.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

system eingerichtet wird, welches nur von den Gemeinden getragen wird.2181 Denn in diesem Fall besteht ein hoher Anreiz, Fremdleistungen zu beziehen, um auch von dem Refundsystem zu profitieren und nicht nur durch die Kürzungen belastet zu werden.2182 Durch die Zunahme der Fremdleistungen erhöht sich jedoch wiederum der Finanzierungsbedarf des Refundsystems, der aber nicht durch die zusätzlichen Umsatzsteuer­ einnahmen, sondern wegen der Geschlossenheit durch eine weitere ­Kürzung der Zuweisungen gedeckt wird. Das Ergebnis wäre folglich ein System, in welchem eine finanziell neutrale Behandlung aller an der Fi­ nanzierung des Refundsystems Beteiligten nicht gewährleistet werden könnte. Des Weiteren wäre bei der Einführung eines nationalen Refundsys­ tems erforderlich, sowohl für den Bund als auch für die Länder getrennte Refundsysteme einzurichten. Dies sowie die Durchführung der Er­ stattungszahlungen dürften angesichts der möglichen Vielzahl an betrof­ fenen Einheiten der öffentlichen Hand zu einem erheblichen administra­ tiven Aufwand führen.2183 Hinzu kommt die notwendige Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben, die zusätzliche rechtliche Unsicherheiten hervorrufen können bzgl. der Frage, welche Tätigkeiten im Rahmen ei­ nes Refundsystems berücksichtigt werden dürfen und welche nicht. Vor allem die beihilferechtliche Abgrenzung zwischen der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse von der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätig­ keit dürfte erhebliche Probleme sowohl in der Rechtssetzung als auch bei der Rechtsanwendung hervorrufen. Im Zusammenhang mit der Einführung nationaler Refundsysteme inner­ halb der Europäischen Union wird es teilweise als ein Nachteil angese­ hen, dass ihre Ausgestaltungen wegen des bestehenden rechtlichen Ge­ staltungsspielraums zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten variieren würden. Damit bestehe die Gefahr, dass letztlich in den 28 Mitgliedstaa­ ten 28 unterschiedliche Refundsysteme gelten. Dies liefe jedoch der Idee einer Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts innerhalb der Europäi­ schen Union zuwider.2184 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Konzeption eines Refundsystems nur an eine Vorsteuerbelastung an­ knüpft, die sich aus dem harmonisierten Mehrwertsteuerrecht ergibt. Das Refundsystem selbst ist damit grundsätzlich nicht Bestandteil des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts, sondern stellt ein innerstaatli­

2181 Vgl. KPMG, a. a. O., S. 74 und 78. 2182 Vgl. Englisch, UR 2013, 570 (581). 2183 Vgl. in diese Richtung auch Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 43 ff.; Wassenaar, EC Tax Review 2012, 212 (223). 2184 So z. B. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 131; Liegmann, Umsatzsteuerbelas­ tung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 228.

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III.  Das Refundsystem

ches Finanzierungselement dar.2185 Dessen Ausgestaltung unterliegt nicht dem Ziel einer Harmonisierung, zumal ein unionsrechtskonform ausge­ staltetes Refundsystem, wie gezeigt,2186 nur in sehr geringem Umfang einen grenzüberschreitenden Bezug erlangt. Insgesamt ist daher eine feh­ lende Harmonisierung von nationalen Refundsystemen nicht als ein Nachteil für die Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts innerhalb der Europäischen Union zu sehen. 5. Vorschlag von Desens et al. für ein nationales Refundsystem Die Einführung eines Refundsystems in Deutschland wird bisher vor al­ lem im Zusammenhang mit sogenannten Public-Private-Partnerships diskutiert.2187 Denn die Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand erhöht die Kosten einer solchen Zusammenarbeit und mindert ihre Attraktivi­ tät.2188 Ein Reformvorschlag, der sich nicht nur auf diese Form der Zu­ sammenarbeit konzentriert, sondern sich dem grundsätzlichen Problem der endgültigen Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand annimmt, wurde 2011 von Desens, Lenk, Hummel und Rottmann in die Diskussi­ on eingeführt.2189 Danach sollen juristische Personen des öffentlichen Rechts für die Belastung mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer, die in der Ausübung von Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt begrün­ det liegt, einen Ausgleichsanspruch erhalten.2190 Dieser Anspruch richtet sich jedoch nicht gegen einen Fonds oder ein Sondervermögen, sondern unmittelbar gegen die steuerverwaltenden Länder. Finanziert werden die Auszahlungen, indem die Länder ihre dadurch entstehenden Auf­ wendungen durch eine Vorabzahlung im Rahmen der Verteilung des Um­ satzsteueraufkommens ersetzt bekommen.2191 Zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens soll zudem die Steuerschuldnerschaft vom leis­ tungserbringenden Unternehmer auf die juristische Person des öffentli­ chen Rechts übergehen, wenn diese als Leistungsempfängerin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Im Wege eines solchen Reverse-Charge-­ 2185 Vgl. dazu die Ausführungen hinsichtlich der Vereinbarkeit eines Refundsystems mit den Vorgaben der MwStSystRL oben unter D. III. 2. a). 2186 Vgl. dazu oben die Prüfung der Vereinbarkeit eines nationalen Refundsystems mit dem Beihilfeverbot unter D. III. 2. b) und mit den Grundfreiheiten unter D. III. 2. c). 2187 Vgl. zuletzt Desens/Lenk/Hummel/Rottmann, Gutachten zur Umsatzsteuerde­ finitivbelastung von Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 37 ff.; KPMG, PPP im öffentlichen Hochbau-Umsatzsteuerrefundsystem (2005); Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 202 ff. 2188 Bürsch/Funken, in: dies., Kommentar zum ÖPP-Beschleunigungsgesetz, S. 10; Desens/Hummel/Lenk/Rottmann, ZögU 2012, 316; Liegmann, a. a. O., S. 165 ff. 2189 Vgl. Desens/Lenk/Hummel/Rottmann, Gutachten zur Umsatzsteuerdefinitivbe­ lastung von Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 44 ff. 2190 Vgl. hierzu und zum Folgenden Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (238 ff.). 2191 Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (236).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Verfahrens2192 schuldet die juristische Person des öffentlichen Rechts auf der einen Seite die Umsatzsteuer. Auf der anderen Seite besitzt diese gleichzeitig einen Ausgleichsanspruch gegen das erhebungsberechtigte Bundesland auf Erstattung der gezahlten Vorsteuer im Rahmen des Re­ fundsystems. Folglich fallen Umsatzsteuerschuld und Erstattungsan­ spruch in einer Person zusammen und können verrechnet werden. Ein zusätzlicher Zahlungsverkehr durch das Refundsystem entfiele hier­ durch regelmäßig.2193 Der Reformvorschlag sieht damit insgesamt bereits ein detailliertes Re­ gelungssystem zur Einführung eines nationalen Refundsystems vor. Aus diesem Grund soll im Folgenden geprüft werden, ob und inwieweit sich der Vorschlag innerhalb des erarbeiteten Gestaltungsrahmens für ein na­ tionales Refundsystem befindet. Hierzu ist auf seine Vereinbarkeit so­ wohl mit den unionsrechtlichen als auch mit finanzverfassungsrechtli­ chen Vorgaben einzugehen. Anhand des sich daraus ergebenden Bildes lässt sich dann prüfen, inwieweit mit diesem Reformvorschlag die Ziel­ vorgaben verwirklicht werden, die im Rahmen eines Refundsystem grundsätzlich möglich sind. a) Vereinbarkeit mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie Der Reformvorschlag dürfte zunächst nicht im Widerspruch zu den in­ haltlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie stehen. So wur­ de festgestellt, dass ein Refundsystem, welches nur an das Ergebnis der Umsatzbesteuerung anknüpft, grundsätzlich nur die Verteilung des Um­ satzsteueraufkommens betrifft. Denn Änderungen am Inhalt der Vorga­ ben für das Zustandekommen der Umsatzsteuer erfolgen hierdurch nicht. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das Refundsystem Erstat­ tungen im Zusammenhang mit Tätigkeiten vorsieht, die dem Anwen­ dungsbereich einer sachlichen Steuerbefreiung unterliegen.2194 Nach dem Reformvorschlag erfolgt eine Finanzierung der Erstattungen erst nach der Durchführung der Besteuerung und betrifft damit nur das nach den Vorgaben des Richtlinienrechts zustande gekommene Umsatzsteuerauf­ kommen.2195 Zudem soll sich die Erstattung auf Vorsteuern beschränken, die infolge der Ausübung öffentlicher Gewalt und damit aufgrund der persönlichen Befreiungsvorschrift der öffentlichen Hand vom Abzug aus­ geschlossen sind. Nichtabzugsfähige Vorsteuern infolge der Ausübung einer steuerfreien Tätigkeit begründen damit zutreffend keinen Erstat­ tungsanspruch.

2192 Vgl. zu diesem Verfahren hier nur Englisch, Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 72. 2193 Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (236). 2194 Vgl. hierzu oben unter D. III. 2. a). 2195 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (236); Englisch, UR 2013, 570 (580).

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III.  Das Refundsystem

Nicht außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie befindet sich allerdings die Einführung der Verlagerung der Steuerschuld auf die öffentliche Hand als Leistungsempfängerin. Denn grundsätzlich ist nach dem Richtlinienrecht der Leistungserbringer Schuldner der Umsatzsteuer,2196 und es sieht nur in bestimmten Fällen eine Abweichung in Form des Übergangs der Steuerschuld auf den Leis­ tungsempfänger vor.2197 Der Übergang bei einer Leistungserbringung an eine juristische Person des öffentlichen Rechts für den Fall, dass diese wegen der Ausübung öffentlicher Gewalt dafür nicht zum Vorsteuerab­ zug berechtigt ist, findet sich allerdings nicht im Richtlinienrecht.2198 Zur Vermeidung einer richtlinienwidrigen Bestimmung durch die Ein­ führung der nach dem Vorschlag vorgesehenen Steuerschuldverlagerung könnte diese als Durchführung einer Sondermaßnahme gem. Art. 395 MwStSystRL beantragt werden.2199 Eine solche nationale Sondermaßnah­ me ist grundsätzlich sowohl zur Vereinfachung der Steuererhebung als auch zur Vermeidung von Steuerumgehungen möglich. In Bezug auf den ersten Grund ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Vereinfachung der Steuererhebung vor allem die Erstattungen im Rahmen des Refund­ systems betreffen, nicht aber die Erhebung der geschuldeten Um­ satzsteuer.2200 Ob im Zusammenhang mit der Leistungserbringung an juristische Personen des öffentlichen Rechts eine erhöhte Gefahr der Steuerumgehung besteht, dürfte mangels erkennbarer Anhaltspunkte nur schwer darzulegen sein.2201 Somit ist es zu bezweifeln, dass ein auf Art. 395 MwStSystRL gestützter Antrag Aussicht auf Erfolg hätte. b) Vereinbarkeit mit dem Beihilfeverbot und den Grundfreiheiten Der Reformvorschlag müsste weiterhin den unionsrechtlichen Vorgaben für ein Refundsystem entsprechen. So sollen juristische Personen des öf­ fentlichen Rechts einen Erstattungsanspruch erlangen, soweit ihre im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübten Tätigkeiten zu einer Nicht­ abzugsfähigkeit von Vorsteuern führen. Hierbei ist jedoch zu berücksich­ tigen, dass der umsatzsteuerliche Begriff der Ausübung öffentlicher Ge­ walt nicht deckungsgleich ist mit dem wettbewerbsrechtlichen Begriff des hoheitlichen Handelns.2202 So dürfte vor allem der handlungsformbe­ zogene Definitionsansatz des EuGH dazu führen, dass der Ausschluss 2196 Vgl. Art. 193 MwStSystRL; hierzu Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, Art. 192a-205 MwStSystRL Rz. 23 (Stand: Juni 2012). 2197 Vgl. Art. 194 ff. MwStSystRL; Langer, ebenda. 2198 Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (239); Englisch, UR 2013, 570 (581). 2199 Vgl. Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (239 f.). 2200 Englisch, UR 2013, 570, (581) in Fn. 84. 2201 Ebenda. 2202 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 120; Englisch, UR 2013, 570 (580); oben ausführlich unter D. III. 2. b) bb).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

vom Vorsteuerabzug solche Tätigkeiten betrifft, die aus beihilferechtli­ cher Sicht keinen hoheitlichen Charakter besitzen. Denn im Beihilfe­ recht erfolgt die Abgrenzung zwischen einer wirtschaftlichen und einer hoheitlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Handelns und nicht nach der Handlungsform. Soweit jedoch eine Erstattung im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit steht, unterliegt diese grundsätzlich dem Beihilfeverbot. Eine Ausnahme davon ist nur in engen Grenzen möglich, zum Beispiel im Bereich der Sicherung der Infrastruktur und Daseinsvor­ sorge. Eine pauschale Anknüpfung der Erstattung an die rechtlichen Wer­ tungen des Umsatzsteuerrechts ist hingegen ungeeignet, eine unions­ rechtskonforme Ausgestaltung eines Refundsystems zu erzielen. Insoweit bedarf es folglich zwingend entsprechende Vorgaben und Konkretisierun­ gen für den Reformvorschlag hinsichtlich der einen Erstattungsanspruch begründenden Tätigkeiten. Darüber hinaus ergibt sich aus den Vorgaben der Grundfreiheiten die Notwendigkeit, grundsätzlich auch ausländische Mehrwertsteuer und unter bestimmten Umständen inländische Umsatzsteuer an ausländi­ sche Einrichtungen des öffentlichen Rechts zu erstatten.2203 Diese Vorga­ ben wären bei einer Umsetzung des Reformvorschlags noch zu berück­ sichtigen. c) Vereinbarkeit mit Finanzverfassungsrecht Schließlich hätte der Reformvorschlag den Vorgaben des Finanzverfas­ sungsrechts in Bezug sowohl auf die Finanzierung als auch auf die Aus­ zahlung der Erstattung zu entsprechen. Die Ausgleichszahlungen sollen allein durch die Finanzbehörden der Länder und nicht durch einen mit Mitteln des Bundes und der Länder gemeinsam finanzierten Fonds erfol­ gen. Auf diesem Wege wird die Gefahr einer Mischfinanzierung im Sinne des Art. 104a GG, die im Fall der Bildung eines gemeinsamen Fonds grundsätzlich besteht, insoweit vermieden.2204 Hinzu kommt, dass die für die Ausgleichszahlungen erforderlichen Mittel im Rahmen des Fi­ nanzausgleichs den Ländern unmittelbar zugewiesen werden sollen. Die­ se Mittelzuweisung ist, wie zum Beispiel die Zuweisung an den Bund für die Sozialversicherung2205 oder die Zuweisung an die Gemeinden,2206 der finalen Verteilung des verbleibenden Umsatzsteueraufkommens zwi­ schen Bund und Ländern2207 vorgelagert. Dadurch wird sichergestellt, 2203 Vgl. oben unter D. III. 2. c) aa); diese Frage offen lassend Desens/Hummel, StuW 2012, 225 (237). 2204 Vgl. Desens/Hummel, ebenda; Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 226. 2205 § 1 S. 1 und 2 FAG. 2206 § 1 S. 3 FAG. 2207 § 1 S. 4 FAG.

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III.  Das Refundsystem

dass die Ausgleichszahlungen nicht über die Verwendung von Mitteln des Bundes mitfinanziert werden, wodurch es ansonsten wiederum zu einer Mischfinanzierung käme. Eine Mischfinanzierung könnte sich allerdings bei der Auszahlung der Erstattungsansprüche ergeben. Denn so sieht der Vorschlag vor, dass die Länder über die Finanzbehörden gegenüber allen juristischen Personen des öffentlichen Rechts den bestehenden Erstattungsanspruch auszuglei­ chen haben. Damit würde ein Land auch an Einrichtungen des Bundes Zahlungen leisten. Dabei verwenden die Länder jedoch Finanzmittel, welche sie im Rahmen der Verteilung des Steueraufkommens zugewie­ sen bekommen. Dies führt dazu, dass die Ausgleichszahlungen aus Lan­ desmitteln erfolgen und hierdurch Einrichtungen des Bundes sowie ihre Aufgaben aus Landesmitteln mitfinanziert werden.2208 Eine solche Mi­ schfinanzierung könnte vor allem dadurch vermieden werden, dass die Länder keine Ausgleichszahlungen an Einrichtungen des Bundes leisten, sondern hierfür der Bund selbst eine entsprechende zuständige Zahlstelle gründet.2209 Dann wäre es aber auch nur konsequent, dem Bund wie den Ländern die Mittel für die Ausgleichszahlungen im Rahmen des Finanz­ ausgleichs vorab zuzuweisen. Der Blick auf das Gebot der unabhängigen Haushaltswirtschaft2210 führt zu einem vergleichbaren Ergebnis. So erfolgt die Finanzierung des Aus­ gleichssystems allein zu Lasten des Umsatzsteueraufkommens, so dass insoweit weder der Bund noch die Länder auf die Höhe und Verwendung der zugeteilten finanziellen Mittel Einfluss nehmen können. Im Rahmen der Auszahlung gilt es jedoch, eine Vermischung bzw. eine gegenseitige Abhängigkeit bei der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern zu ver­ meiden. Denn eine Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Verwendung von zugeteilten finanziellen Mittel könnte dadurch entstehen, dass Ein­ richtungen des Bundes gegen ein Land einen finanziellen Ausgleichsan­ spruch wegen einer endgültigen Vorsteuerbelastung erlangen. Um eine solche Situation zu vermeiden, liegt es ebenfalls nahe, für Einrichtungen des Bundes eine unabhängige und eigenständige Zahlstelle einzurichten und diese wie die Ausgleichszahlungen der Länder durch eine Vorabzu­ weisung im Rahmen der Verteilung des Umsatzsteueraufkommens zu finanzieren.

2208 So Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Pro­ jekten, S. 226. 2209 Liegmann, ebenda. 2210 Vgl. hierzu oben unter D. III. 3. b).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

d) Vereinbarkeit mit den Zielvorgaben In seiner Wirkung entspricht der Vorschlag einem typischen Refundsys­ tem.2211 Verantwortlich ist hierfür der Ansatz, dass grundsätzlich alle ju­ ristischen Personen des öffentlichen Rechts mit ihren Tätigkeiten in den Anwendungsbereich des Refundsystems zur Erstattung der nicht abzugs­ fähigen Vorsteuer einbezogen werden. Im Ergebnis wird damit die öffent­ liche Hand in vollem Umfang durch das Refundsystem begünstigt. Im Fall der Umsetzung des Reformvorschlags ist deswegen davon auszuge­ hen, dass die mit der Einführung eines Refundsystems verbundenen wirtschaftlichen Folgewirkungen grundsätzlich eintreten werden.2212 e) Abschließende Würdigung Der Vorschlag entspricht der Konkretisierung eines Refundsystems und bewegt sich in seinen wesentlichen Grundzügen im Bereich des recht­ lich Möglichen. Als gelungen hervorzuheben sind zum einen der umfas­ sende Anwendungsbereich sowie die Finanzierung der Ausgleichszah­ lungen über eine Vorabzuweisung aus dem Umsatzsteueraufkommen. Einschränkend ist hier jedoch zu beachten, dass es einer Modifizierung hinsichtlich der Auszahlung von Erstattungsansprüchen bedarf. Denn es gilt zu vermeiden, dass die Finanzbehörden der Länder unter Verwen­ dung von Landesmitteln Ausgleichszahlungen an Einrichtungen des Bundes leisten. Dies wäre zum Beispiel durch getrennte Zahlstellen mög­ lich.2213 Zum anderen wurde bei der Ausgestaltung erkennbar darauf ge­ achtet, ein in der Rechtsanwendung effizientes und einfaches Erstat­ tungssystem zu gewährleisten. Allerdings sind gerade hiervon zur Wahrung der Vereinbarkeit des Reformvorschlags mit den maßgeblichen Vorgaben des Unions- und des Finanzverfassungsrechts Einschränkun­ gen zu machen. Zum einen kann der Erstattungsanspruch nicht allein daran geknüpft werden, dass es zu einer endgültigen Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand kommt. So muss auch in beihilferechtlicher Sicht die Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit vorliegen, was anhand eigenständiger bei­ ­ hilferechtlicher Kriterien zu bestimmen ist. Dies wird mit erheb­ lichem Aufwand für die betroffenen Einheiten der öffentlichen Hand ­sowie für die Finanzbehörden verbunden, denn bei dem Beihilferecht handelt es sich um eine insgesamt komplexe Materie.2214 Zudem werden 2211 Vgl. hierzu oben unter D. III. 4. 2212 Vgl. zu diesen oben unter D. III. 4. a); allgemein zu den Folgen der Beseitigung der endgültigen Vorsteuerbelastung von Eingangsleistungen oben unter D. I. 5. b). 2213 Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projek­ ten, S. 226. 2214 Vgl. Bode, FR 2011, 1034.

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III.  Das Refundsystem

die Erstattungsleistungen des Refundsystems und der damit verbundene Zahlungsverkehr den Verwaltungsaufwand noch steigern. Denn die be­ absichtigte Einführung eines Reverse-Charge-Verfahrens steht im Wider­ spruch zum Richtlinienrecht und die Aussichten auf eine erfolgreiche Antragsstellung nach Art. 395 MwStSystRL sind eher als gering einzu­ schätzen. Ebenfalls mit erheblichem Aufwand dürften vor allem auf Ebe­ ne der Länder die Durchführung der Vorabzuweisung und die Gewähr­ leistung der finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben verbunden sein. Im Vergleich zu diesen Herausforderungen stellt die politische Vermittlung der unionsrechtlich gebotenen Erstattung ausländischer Vorsteuer bzw. inländischer Vorsteuer an ausländische Einrichtungen des öffentlichen Rechts eine leichtere Aufgabe dar. Dabei dürfte die vergleichsweise ge­ ringe Anzahl an Anwendungsfällen von Vorteil sein. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Vorschlag eine gelunge­ ne Diskussionsgrundlage für die Einführung eines nationalen Refundsys­ tems darstellt. Gleichzeitig wird deutlich, mit welchen Schwierigkeiten und Aufwand die Einführung eines rechtskonformen Erstattungsmodells verbunden ist. Diese liegen wiederum überwiegend im Grundproblem des Refundsystems verankert, welches sich nur auf die Beseitigung der Symptome einer unzutreffenden steuerlichen Behandlung der öffentli­ chen Hand beschränkt, ohne aber ihre Ursachen zu beheben. 6. Vorschlag der Europäischen Kommission für ein unionsrechtliches Refundsystem Um die Gefahr einer unionsrechtswidrigen Ausgestaltung eines Refund­ systems zu vermeiden, könnte es sich anbieten, die Vorgaben hierfür auf Ebene des Unionsrechts festzulegen.2215 Denn auf diesem Weg ließen sich einschränkende Vorgaben, die sich aus der Mehrwertsteuersystemricht­ linie, dem Beihilferecht und dem nationalen Verfassungsrecht ergeben, umgehen. Aus diesem Grund sollen im Folgenden zwei Möglichkeiten der unionsweiten Einführung eines einheitlichen Refundsystems erör­ tert werden, die auch im Rahmen der Reformüberlegungen auf Ebene der Europäischen Union zur Diskussion stehen.2216 Für die Einführung eines unionsweiten Refundsystems ist zunächst zu berücksichtigen, dass dieses mit seinem Ansatz grundsätzlich an das Er­ gebnis der Anwendung des geltenden Mehrwertsteuerrechts anknüpft und folglich außerhalb des steuerrechtlichen Regelungsbereiches steht. Damit kann ein solches Refundsystem nicht auf die Ermächtigung zur 2215 Ablehnend jedoch hierzu die Haltung der Mitgliedstaaten, vgl. Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 9. 2216 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 213 ff.; Euro­ päische Kommission, a. a. O., S. 11 f.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Harmonisierung der Umsatzsteuer nach Art. 113 AEUV gestützt wer­ den.2217 Aus diesem Grund müsste ein Erstattungssystem auf der Ebene der Europäischen Union zumindest technisch in den Regelungsbereich des Mehrwertsteuerrechts integriert werden. Vor diesem Hintergrund bestünde zum einen die Möglichkeit, für die öffentliche Hand bzw. die Einrichtungen des öffentlichen Rechts ein be­ sonderes Vorsteuerabzugsrecht einzuräumen. So könnte der öffentlichen Hand ein Vorsteuerabzug zugestanden werden, obwohl sie mit ihren Tä­ tigkeiten dem Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift des Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL oder der Steuerbefreiungen nach Art. 132 MwSt­ SystRL unterliegt.2218 In diesem Fall bräuchte es neben der Regelung zum Vorsteueranspruch keine weiteren Änderungen. Vielmehr kann insoweit an die bestehenden Bestimmungen angeknüpft werden.2219 Eine ver­ gleichbare Wirkung ließe sich zum anderen dadurch erzielen, dass auf der einen Seite die bisher von Art. 13 MwStSystRL erfassten Tätigkeiten ei­ ner sachlichen Steuerbefreiung unterliegen und damit wie die Tätigkei­ ten in Art. 132 MwStSystRL als steuerfrei behandelt werden. Auf der anderen Seite berechtigen diese steuerfreien Tätigkeiten dann zum Vor­ steuerabzug.2220 In diesem Fall wäre jedoch der Katalog der Steuerbefrei­ ungen erheblich zu erweitern, um zu gewährleisten, dass es zu keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung von Ausgangsleistungen der öffent­ lichen Hand kommt.2221 Beide Vorgehensweisen erscheinen jedoch mit Blick auf die Wirkung von sachlichen Steuerbefreiungen sehr fragwürdig. Denn während die öffent­ liche Hand in diesen Fällen sowohl von einer steuerlichen Befreiung auf der Ausgangsseite als auch auf der Eingangsseite profitieren würde und damit einer steuerlich neutralen Behandlung unterläge, wären private Wirtschaftsteilnehmer weiterhin mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer be­ lastet. Aus diesem Grund ist entweder ein Vorsteuerabzug bei Ausfüh­ rung steuerfreier Leistungen weiterhin zu versagen oder die Gewährung des Vorsteuerabzugs ist auf private Leistungsanbieter auszuweiten. Letz­ teres wäre insbesondere möglich, wenn die Befreiung der Tätigkeiten der öffentlichen Hand ausschließlich im Rahmen eines erweiterten Katalo­ ges an Steuerbefreiungen erfolgte. Denn dann ließen sich die Tatbestände der Steuerbefreiungen insgesamt rechtsformneutral ausgestalten.2222

2217 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 213. 2218 Vgl. zu diesen Möglichkeiten Copenhagen Economics, ebenda; Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 11. 2219 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 213 f. 2220 Ebenda. 2221 Ebenda. 2222 Ebenda.

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III.  Das Refundsystem

Darüber hinaus wären im Rahmen dieser beiden Möglichkeiten eines Refundsystems auf Unionsebene die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten der öffentlichen Hand nicht miterfasst. Denn diese unterliegen nicht dem Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts und werden folglich weder im Rahmen des Art. 13 MwStSystRL noch bei den Steuerbefreiun­ gen nach Art. 132 MwStSystRL berücksichtigt. Damit hätte das Refund­ system innerhalb des Richtlinienrechts nur einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich. Denn wie sich bereits im Rahmen der Untersu­ chung gezeigt hat,2223 ist die öffentliche Hand mit ihren wesentlichen Tätigkeiten bereits mangels Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgeschlossen. Aller­ dings könnte der öffentlichen Hand auch für ihre nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im Rahmen einer besonderen Regelung die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug eingeräumt werden. Im Ergebnis folgte daraus ein sehr weitgehendes Vorsteuerabzugsrecht, welches grundsätzlich nur noch von der öffentlich-rechtlichen Rechtsform abhinge. Vor diesem Hintergrund stellt sich allerdings die Frage, ob ein so weitge­ hendes Vorsteuerabzugsrecht noch von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 113 AEUV gedeckt wäre. Dagegen könnte sprechen, dass dann die Entstehung eines Vorsteueranspruchs an Tätigkeiten anknüpft, die nicht dem Anwendungsbereich des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts un­ terliegen. Daher könnte auch die Einräumung eines solchen Vorsteuerab­ zugsrechts, wie ein nationales Refundsystem, außerhalb des Mehrwert­ steuerrechts liegen und damit nicht mehr zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern erfolgen. Dem steht jedoch die Funktion des Vorsteuerabzugs für eine Steuer auf den privaten End­ verbrauch, die als eine Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerab­ zug ausgestaltet ist,2224 entgegen. Denn die Mehrwertsteuer fällt auf jeder Produktionsstufe an,2225 so dass sich grundsätzlich anhand der Einräu­ mung oder der Versagung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug entscheidet, ob es zu einer endgültigen steuerlichen Belastung durch die offen mit dem Preis übergewälzte Umsatzsteuer kommt. Der Vorsteuerabzug als integraler Bestandteil des Mechanismus der harmonisierten Mehrwertsteuer2226 bestimmt damit in der Regel über die Behandlung als Steuerträ­ ger. So vermeidet auch ein Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit Tä­ tigkeiten, die nicht die Eigenschaft eines Steuerpflichtigen begründen, 2223 Vgl. oben unter A. II. 1. 2224 Vgl. zur harmonisierten Mehrwertsteuer als Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 15; oben unter A. I. 2. 2225 Vgl. Art. 1 II MwStSystRL; Englisch, ebenda. 2226 EuGH, Urt. v. 14.2.1985 – Rs. 268/83 (Rompelman), EU:C:1985:74, Rz. 19; Urt. v. 13.2.2014 – Rs. C-18/13 (Maks Pen), EU:C:2014:69, Rz. 24; Urt. v. 26.3.2015 – Rs. C-499/13 (Macikowski), EU:C:2015:201, Rz. 55; hierzu oben unter A. I. 2.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

dass die öffentliche Hand als Trägerin der Mehrwertsteuer behandelt wird. Wegen des Bezugs zur Belastungswirkung der Mehrwertsteuer er­ folgte somit eine solche Erweiterung des Vorsteuerabzugs grundsätzlich zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern im Sinne des Art. 113 AEUV. In seiner Übereinstimmung mit den maßgeblichen Zielvorgaben entspre­ chen die beiden Möglichkeiten eines Refundsystems im Wesentlichen dem, was bereits allgemein für das Modell des Refundsystems festge­ stellt wurde.2227 Allerdings ist der Gestaltungsspielraum des Richtlinien­ gebers grundsätzlich weniger eingeschränkt als der des nationalen Ge­ setzgebers, welcher den unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben unterliegt. Folglich bestehen auf Unionsebene die besseren Voraussetzungen, ein effizientes Refundsystem mit einem weiten An­ wendungsbereich und einer weitgehenden Verwirklichung der wirt­ schaftlichen Folgewirkungen einzuführen. Insgesamt zeigt sich für die Einführung eines in das Mehrwertsteuer­ recht integrierten Refundsystems auf Unionsebene ein zwiespältiges Bild.2228 Geht es allein um die mit dem Refundsystem zu erzielenden wirtschaftlichen Folgewirkungen, so wäre ein Vorgehen auf Unionsebe­ ne wegen der umfassenderen Freiheiten des Richtliniengebers gegenüber dem nationalen Gesetzgeber vorzugswürdig. Allerdings verliert das Re­ fundsystem mit seiner Harmonisierung einen Vorteil für die Mitglied­ staaten. Denn diese können in diesem Fall nicht mehr selbst Art und Umfang des Refundsystems bestimmen und damit nationalen Besonder­ heiten nur noch eingeschränkt Rechnung tragen.2229 Zudem müssten die bereits bestehenden Refundsysteme abgeschafft werden.2230 Als Alterna­ tive könnte es sich vor diesem Hintergrund auf den ersten Blick anbie­ ten, ein für die Mitgliedstaaten optionales besonderes Vorsteuerabzugs­ recht zugunsten der öffentlichen Hand einzuführen. Dieses würde jedoch wiederum eine Beeinträchtigung der Rechtseinheit innerhalb des harmo­ nisierten Mehrwertsteuerrechts und der Verwirklichung der wirtschaft­ lichen Folgewirkungen bedeuten.

2227 Vgl. oben unter D. III. 4. 2228 Skeptisch auch allgemein zur Idee eines unionsrechtlichen Refundsystems Aujean, Tax Law Review, Vol. 63 (2009–2010), 509 (515). 2229 Vgl. in diesem Zusammenhang die ablehnende Haltung der Mitgliedstaaten zu diesem Vorschlag, Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 9; vgl. auch die geäußerten Vorbehalte in den Antworten auf das Konsultationspapier, dies., Consultation on the Review of existing VAT legislation on public bodies and tax exemptions in the public interest (2014), S. 16 ff. 2230 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 214.

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III.  Das Refundsystem

7. Abschließende Stellungnahme Ein Refundsystem ist in Ansehung der für ein Reformmodell maßgebli­ chen Zielvorgaben nur in stark eingeschränktem Maße ein geeignetes Instrument. Denn es behandelt mit dem Ausgleich der endgültigen Vor­ steuerbelastung nur die Symptome, nicht aber die Ursachen einer ver­ fehlten umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand. Die Komplexität und die Rechtsunsicherheit des geltenden Rechts bleiben somit erhalten. Im Fall der Einführung eines nationalen Refundsystems setzen die uni­ onsrechtlichen Vorgaben der möglichen Ausgestaltung enge Grenzen und führen wettbewerbsrechtliche Abgrenzungsschwierigkeiten in die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand ein. Die verfas­ sungsrechtlichen Vorgaben, die darüber hinaus zu berücksichtigen sind, erhöhen noch einmal die Dichte an maßgeblichen Regeln, die eine wei­ tere Einschränkung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit bedeuten. Allerdings zeigt der Reformvorschlag von Desens, Lenk, Hummel und Rottmann,2231 dass die nationale Umsetzung eines Refundsystems dem Grunde nach möglich ist. Darüber hinaus ist das Refundsystem eine wirksame Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, zumindest den wirt­ schaftlichen Verwerfungen, die eine Folge der unionsrechtlich vorge­ gebenen weitgehenden Behandlung der öffentlichen Hand als Steuer­ trägerin darstellen, entgegenzuwirken. Vorteilhaft fällt hier zudem die aus unionsrechtlicher Sicht verbleibende Gestaltungsfreiheit hinsicht­ lich der Finanzierung eines Refundsystems ins Gewicht. Denn hierdurch dürfte es Mitgliedstaaten leichter fallen, eine an den individuellen staats­ organisatorischen Gegebenheiten orientierte Ausgestaltung eines Re­ fundsystems zu entwerfen. Des Weiteren lassen sich mittels der Bestim­ mung des Anwendungsbereichs die finanziellen Folgen besser kalkulieren. Darüber hinaus besteht für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, sich auch auf besondere Anwendungsbereiche zu konzentrieren, in denen eine Abhilfe der bestehenden endgültigen Vorsteuerbelastung aus wirt­ schaftlichen, sozialen oder auch politischen Gründen aus nationaler Sicht besonders bedeutsam ist.2232 Vor diesem Hintergrund ist die Idee der Einführung eines Refundsystems auf der Ebene der Europäischen Union kritisch zu sehen. Denn hierfür kommt als Rechtsgrundlage nur der Art. 113 AEUV in Betracht, so dass 2231 Desens/Lenk/Hummel/Rottmann, Gutachten zur Umsatzsteuerdefinitivbelas­ tung von Körperschaften des öffentlichen Rechts. 2232 So z. B. Englisch, UR 2013, 570 (580 f.), mit seiner Erwägung, die durch die Ände­ rung der Rechtsprechung des BFH eintretenden zusätzlichen steuerlichen Belas­ tungen für interkommunale Kooperationen im Wege der Einführung eines nur für Kommunen und ihre Einrichtungen geltenden Refundsystems auszugleichen.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

die Wirkungen eines Refundsystems in die Mehrwertsteuersystemricht­ linie integriert werden müssten. Damit ginge zum einen die strikte Tren­ nung der Wirkung des Umsatzsteuerrechts auf der einen Seite und die des Refundsystems auf der anderen Seite verloren. Hierdurch gestaltete sich bereits die Anwendung des Umsatzsteuerrechts noch komplexer, indem eine weitere Erstattungsebene eingeführt würde. Zum anderen wären mit der Implementierung umfassende Neuregelungen und weitge­ hende Konsequenzen für alle Mitgliedstaaten verbunden. Dieser Um­ stand spricht zwar nicht grundsätzlich gegen die Einführung eines Re­ fundsystems auf Unionsebene. Gleichwohl werden mit den Änderungen nur bestehende Probleme auf der Eingangsseite aufgegriffen, so dass es mit Blick auf die Zielvorgaben auch nur zu einer begrenzten Verbesse­ rung im Verhältnis zum Status quo kommt. Damit liefe ein Refundsys­ tem Gefahr, letztlich viel Aufwand für wenig Ertrag zu bedeuten. Aus diesem Grund stellt die Einführung von nationalen Refundsystemen die vorzugswürdige Variante dar.2233 Abschließend lässt sich festhalten, dass es sich bei dem Refundsystem trotz seiner Beschränkungen um ein wirksames und flexibles Modell handelt, mit dem zumindest in einem gewissen Umfang die umsatzsteu­ erliche Behandlung der öffentlichen Hand verbessert werden könnte. Ob sich damit auch die wirtschaftlichen Ziele verwirklichen lassen, lässt sich hingegen nur schwer vorhersagen.2234

IV. Die Vollbesteuerung Neben dem Refundsystem steht vor allem die sogenannte Vollbesteue­ rung als mögliches Modell im Zentrum der Diskussion über eine Reform der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand.2235 So findet sich eine Umsetzung dieses Modells zum Beispiel in den modernen Mehrwertsteuersystemen von Neuseeland und Australien.2236 Zudem hat die Europäische Kommission auf der Grundlage des Modells einer

2233 Und angesichts der Haltung der Mitgliedstaaten zu den Vorschlägen auf Unions­ ebene auch die einzige realistische Variante, vgl. Europäische Kommission, Kon­ sultationspapier 2013, S. 9; ausgewogener das Ergebnis bei dies., Consultation on the Review of existing VAT legislation on public bodies and tax exemptions in the public interest (2014), S. 20. 2234 Dies liegt insb. daran, dass die bewirkten wirtschaftlichen Folgen bisher nur in den Niederlanden, mit ernüchterndem Ergebnis, eingehend untersucht wurden, vgl. Wassenaar, EC Tax Review 2012, 212 (214, 222 f.). 2235 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 193 ff.; Schmitz/ Erdbrügger/Liegmann, DStR 2011, 1157 (1159 ff.); Schmitz/Möser, UR 2014, 607 (615 ff.); Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 9. 2236 De la Feria, Intertax 2009, 148 (162).

470

IV.  Die Vollbesteuerung

Vollbesteuerung drei Varianten für eine mögliche Reform und ihre Um­ setzung innerhalb der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgestellt.2237 Der Begriff der Vollbesteuerung umschreibt den Ansatz, dass die öffentli­ che Hand umfassend mit ihren Tätigkeiten als Steuersubjekt in den An­ wendungsbereich der Umsatzsteuer einbezogen wird. Somit werden auf der einen Seite ihre Ausgangsleistungen grundsätzlich besteuert und auf der anderen Seite ermöglicht eben diese steuerliche Erfassung einen im Umfang korrespondierenden Vorsteuerabzug. Ausgehend von diesem Grundansatz ist zwischen zwei Grundvarianten des Vollbesteuerungs­ modells zu differenzieren, welche sich vor allem mit Blick auf den Um­ fang, in dem die Tätigkeiten und Leistungen der öffentlichen Hand von der Umsatzsteuer erfasst werden, unterscheiden.2238 Im Folgenden sollen deswegen in einem ersten Schritt zum einen die Grundvarianten einer möglichen Behandlung der öffentlichen Hand im Rahmen einer Vollbe­ steuerung sowie ihre Umsetzung, wie sie aus Sicht der Europäischen Kommission durch eine Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie erfolgen könnte, vorgestellt werden. Zum anderen gilt es in diesem ­Zusammenhang auf die dritte Variante einzugehen, welche von der Euro­ päischen Kommission zur Diskussion gestellt wurde. Im Anschluss daran ist zu prüfen, inwieweit die drei Varianten als eine Umsetzung des Reformmodells einer Vollbesteuerung die maßgeblichen Zielvorgaben verwirklichen. Dabei ist zum einen zu klären, welche der Varianten grundsätzlich vorzugswürdig ist. Zum anderen sind verblei­ bende Schwachpunkte der vorgeschlagenen Varianten herauszuarbeiten. Denn diese sind wiederum Anlass und Ausgangspunkt für die Entwick­ lung von konkreten Empfehlungen für die Umsetzung des Modells einer Vollbesteuerung im Rahmen des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts. In diesem Zusammenhang wird auf die Behandlung der öffentlichen Hand innerhalb der modernen Mehrwertsteuersysteme in Australien und Neuseeland eingegangen, in denen das Vollbesteuerungsmodell um­ gesetzt ist. Auf der Grundlage der hierdurch gewonnenen Erkenntnisse gilt es sodann mit Blick auf die Vorschläge der Europäischen Kommissi­ on sowie der maßgeblichen Zielvorgaben konkrete Empfehlungen für die Umsetzung des Vollbesteuerungsmodells innerhalb der Mehrwertsteuer­ systemrichtlinie zu entwickeln.

2237 Vgl. die Übersicht der Optionen bei der Europäischen Kommission, Konsulta­ tionspapier 2013, S. 9. 2238 Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 194 f.; Europäische Kommission, a. a. O., S. 9 ff; Schmitz/Möser, UR 2014, 607 (615 f.).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

1. Grundvarianten und Vorschläge der Europäischen Kommission zur Umsetzung innerhalb der Mehrwertsteuersystemrichtlinie Das Modell einer Vollbesteuerung verfolgt grundsätzlich eine weitgehen­ de Einbeziehung der öffentlichen Hand mit ihren Tätigkeiten in den An­ wendungsbereich der Mehrwertsteuer. Zur Gewährleistung einer umfas­ senden Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt könnten alle Tätigkeiten der öffentlichen Hand als steuerpflichtig behandelt wer­ den.2239 Eine andere Möglichkeit bestünde darin, nur die Tätigkeiten zu erfassen, bei denen es zu einem Leistungsaustausch kommt.2240 Diese beiden Varianten einer Vollbesteuerung hat die Europäische Kommission in ihre Liste für Vorschläge für eine Reform der mehrwertsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand aufgenommen.2241 Darüber hinaus hat sie eine weitere Variante vorgeschlagen, die einen Kompromiss zwischen dem weiten Anwendungsbereich nach der Vollbesteuerung und der weit­ gehenden Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand nach der gegenwärti­ gen Rechtslage darstellt.2242 a) Besteuerung aller Tätigkeiten Die Einbeziehung aller Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer setzt voraus, dass die Besteuerung der öffentlichen Hand an keine weiteren einschränkenden Voraussetzungen geknüpft wird. Da­ mit kommt es bei dieser Variante insbesondere nicht darauf an, ob eine Tätigkeit einen wirtschaftlichen Charakter besitzt und gegen Entgelt ausgeübt wird.2243 Maßgeblich ist allein, dass eine Tätigkeit durch eine Einheit der öffentlichen Hand ausgeübt wird. Indem dadurch alle Tätig­ keiten der Besteuerung unterliegen, werden korrespondierend dazu alle Eingangsleistungen zur Ausübung von besteuerten Ausgangsumsätzen verwendet. Die vollständige Besteuerung der Tätigkeiten der öffentli­ chen Hand führt damit auch zu einer vollständigen Entlastung von der zu zahlenden Vorsteuer. Diese Folge stellt das wesentliche Motiv für die­ se Variante dar.2244 Denn vielen Tätigkeiten der öffentlichen Hand steht kein Entgelt gegenüber bzw. ein solches lässt sich nur schwer feststel­ len,2245 so dass nach dem allgemeinen Grundsatz des erforderlichen Zusammenhangs von steuerpflichtigen Ausgangsleistungen und Ein­ ­ 2239 Vgl. Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (147); Copenhagen Economics, a. a. O., S. 194; Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 10. 2240 Vgl. Copenhagen Economics, a. a. O., S. 194 f.; Europäische Kommission, ebenda; Schmitz/Erdbrügger/Liegmann, DStR 2011, 1157 (1159). 2241 Vgl. Europäische Kommission, a. a. O., S. 9 ff. 2242 Vgl. Europäische Kommission, a. a. O., S. 12 f. 2243 Vgl. hierzu Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 194 f. 2244 Vgl. hierzu Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (146). 2245 Ebenda.

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IV.  Die Vollbesteuerung

gangsleistungen ein Vorsteuerabzug nicht möglich ist. Indem nun alle Ausgangstätigkeiten unabhängig von einem Entgelt oder anderen Vor­ aussetzungen als steuerpflichtig behandelt werden, wird die einschrän­ kende Wirkung des erforderlichen Zusammenhangs von Ausgangs- und Eingangsseite vermieden. Geprägt ist diese Variante vor allem vom Mehrwertsteuersystem in Neuseeland.2246 Aus Sicht der Europäischen Kommission ließe sich diese Variante umset­ zen, indem zum einen die persönliche Befreiungsregelung des Art. 13 MwStSystRL und zum anderen die sachlichen Steuerbefreiungen für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten (Art. 132–134 MwStSystRL) ge­ strichen werden.2247 Allerdings wären darüber hinaus noch weitere Än­ derungen erforderlich. So müsste die Steuerbarkeit sowohl von nicht­ wirtschaftlichen Tätigkeiten als auch von unentgeltlichen Tätigkeiten fingiert werden. Darüber hinaus bedarf es zumindest ergänzender Regeln in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, mit denen sich bei diesen Tätig­ keiten eine Bemessungsgrundlage bestimmen ließe.2248 b) Besteuerung aller gegen Entgelt ausgeübten Tätigkeiten Die Beschränkung der Besteuerung auf Tätigkeiten, die gegen ein Entgelt ausgeübt werden, führt dazu, dass die öffentliche Hand nur mit diesem Teil ihrer Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer einbezogen wird.2249 Dies bedeutet gleichzeitig einen Ausschluss der öf­ fentlichen Hand vom Vorsteuerabzug bei einer Verwendung von Ein­ gangsleistungen für Tätigkeiten, bei denen es nicht zu einer Leistungser­ bringung gegen Entgelt kommt.2250 Im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage, die sogar wirtschaftliche und damit gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer grund­ sätzlich ausschließt, stellt dieser Ansatz gleichwohl eine gegensätzliche mehrwertsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand dar. Der nach dieser Variante bestehende Anwendungsbereich bestimmt sich folglich maßgeblich anhand der Frage, ab wann und inwieweit eine Gegenleis­ tung im Zusammenhang mit einer Tätigkeit der öffentlichen Hand vor­ liegt.2251 Hierfür könnte zum einen an die bisherige Rechtsprechung des EuGH angeknüpft oder aber zum anderen der Begriff der Gegenleistung 2246 Vgl. Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (147); Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 10. 2247 Vgl. Europäische Kommission, ebenda. 2248 Ebenda. 2249 Vgl. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 194 f.; Euro­ päische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 10; Schmitz/Möser, UR 2014, 607 (615 f.). 2250 Ebenda. 2251 Vgl. Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 10.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

gesondert für den Bereich der Leistungen der öffentlichen Hand geregelt werden.2252 Für eine Umsetzung dieser Variante genügt es nach der Europäischen Kommission bereits, die Art. 13 und 132–134 MwStSystRL ersatzlos zu streichen.2253 Damit entfielen sämtliche Sondervorschriften für die öf­ fentliche Hand und sie unterläge denselben Regelungen wie private Rechtspersonen. Die bisherigen Grundsätze zur Frage, wann eine Tätig­ keit wirtschaftlichen Charakter erlangt und unter welchen Vorausset­ zungen von einem Entgelt für eine Leistung auszugehen ist, blieben un­ verändert. c) Kompromiss zwischen Vollbesteuerung und gegenwärtiger ­Besteuerung Eine dritte Variante, welche von der Europäischen Kommission zur Dis­ kussion gestellt wurde, orientiert sich nicht vorrangig an dem Modell einer Vollbesteuerung, sondern eher am geltenden Recht.2254 Sie besteht darin, dass zwar Art. 13 MwStSystRL ersatzlos gestrichen wird, so dass alle wirtschaftlichen Tätigkeiten der öffentlichen Hand dem Anwen­ dungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen.2255 Auf der anderen Seite sollen jedoch die bestehenden Steuerbefreiungen für die dem Gemein­ wohl dienenden Tätigkeiten in den Art. 132–134 MwStSystRL beibe­ halten und modernisiert werden. Insbesondere sollen dabei Vorausset­ zungen, die bisher an die Person des Leistungserbringers anknüpfen, gestrichen werden und nur noch Kriterien in Bezug auf die Tätigkeit bzw. Leistung maßgeblich sein. Damit stellt diese Variante insgesamt einen Kompromiss zwischen der gegenwärtigen Besteuerungssituation und dem Ziel einer Vollbesteuerung dar.2256 2. Bewertung der Vorschläge der Europäischen Kommission Die Europäische Kommission hat mit ihren Vorschlägen die Grundidee der Vollbesteuerung aufgegriffen und die für ihre Umsetzung erforderli­ chen Änderungen innerhalb der Mehrwertsteuersystemrichtlinie skiz­ ziert. Im Folgenden sollen nun diese Vorschläge in einem ersten Schritt auf ihre Übereinstimmung mit den maßgeblichen Zielvorgaben geprüft werden. In einem zweiten Schritt gilt es, mit Bezug auf die im ersten Schritt erzielten Ergebnisse abzuwägen, welcher der Vorschläge vorzugs­ 2252 Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 211. 2253 Vgl. Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 10; in diese Rich­ tung auch schon Weich, Öffentliche Hand im System der Umsatzsteuer, S. 282 f. 2254 Vgl. Europäische Kommission, a. a. O., S. 12. 2255 Vgl. hierzu und zum Folgenden Europäische Kommission, a. a. O., S. 11. 2256 Vgl. Europäische Kommission, a. a. O., S. 12.

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IV.  Die Vollbesteuerung

würdig ist und ob bzw. inwieweit gleichwohl noch ein Handlungsbedarf für darüber hinausgehende Änderungen besteht. a) Übereinstimmung mit den maßgeblichen Zielvorgaben Für die Untersuchung, inwieweit das von den Vorschlägen der Euro­ päischen Kommission aufgegriffene Modell einer Vollbesteuerung den maßgeblichen Zielvorgaben entspricht, bietet es sich an, zwischen den drei oben genannten unterschiedlichen Varianten zu unterscheiden. Denn die in zentralen Punkten abweichenden Ausgestaltungen führen zu variierenden Ergebnissen für die Umsetzung der maßgeblichen Ziel­ vorgaben sowie der damit verbundenen Folgewirkungen. aa) Besteuerung aller Tätigkeiten Mit der Besteuerung aller Tätigkeiten der öffentlichen Hand wird diese grundsätzlich als Steuersubjekt der Mehrwertsteuer behandelt. Damit werden alle ihre Ausgangsleistungen einer Besteuerung unterworfen, so dass eine gleichmäßige Belastung der auf öffentlichen Leistungen beru­ henden privaten Vermögensverwendungen gewährleistet ist. Mit der Be­ seitigung der Ausnahmevorschriften für die öffentliche Hand werden zudem Beeinträchtigungen der Wettbewerbsgleichheit vermieden. Allerdings sieht diese Variante nicht die aus Verbrauchsteuersicht gebo­ tenen Einschränkungen für eine Besteuerung der öffentlichen Hand vor.2257 So bedürfte es für Ausgangsleistungen, die zu einem existenzsi­ chernden Konsumaufwand führen, einer Steuerbefreiung. Dabei gebietet insbesondere der Gedanke der Wettbewerbsgleichheit, dass die Anwen­ dungsbereiche der Steuerbefreiungen grundsätzlich allein an die ausge­ übte Tätigkeit anknüpfen und somit rechtsformneutral ausgestaltet wer­ den.2258 Diese Zielvorgabe ließe sich daher durch die Aufnahme von entsprechenden sachlichen Steuerbefreiungen innerhalb dieser Variante umsetzen. Etwas anderes gilt jedoch mit Blick auf die Begrenzung der Besteuerung auf gegen Entgelt ausgeübte Leistungen.2259 Denn diese Vari­ ante einer Vollbesteuerung zielt gerade darauf ab, alle Tätigkeiten einer Besteuerung zu unterwerfen. So werden zum Beispiel in Neuseeland, das diese Variante seinem Mehrwertsteuersystem zugrunde gelegt hat,2260 so­ wohl innerstaatliche Finanzzuweisungen als auch Steuerzahlungen auf kommunaler Ebene als Entgelte für eine Leistungserbringung mit Mehr­

2257 Vgl. zu den gebotenen Einschränkungen der steuerlichen Belastung von Aus­ gangsleistungen oben unter D. I. 1. b). 2258 Vgl. z. B. Englisch, Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 199; oben unter D. I. 2. 2259 Vgl. hierzu oben unter D. I. 1. b) cc). 2260 Vgl. Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 10.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

wertsteuer belastet.2261 Mit der Besteuerung von Aufwendungen, die sich nicht einem konkreten individuellen Vorteil zuordnen lassen, wider­ spricht diese Variante den hier aus dem Verbrauchsteuerprinzip abgelei­ teten Zielvorgaben.2262 Die umfassende Besteuerung der Tätigkeiten der öffentlichen Hand führt auf der Eingangsseite zu einem korrespondierenden Vorsteuerabzug und damit zu einer vollständigen Beseitigung der steuerlichen Belastung. Da­ mit entspricht diese Variante in vollem Umfang der Zielvorgabe, die öf­ fentliche Hand nicht als Trägerin der Steuer zu behandeln. Die steuerlich neutrale Behandlung bleibt auch gewahrt, wenn die oben genannten er­ forderlichen Steuerbefreiungen so ausgestaltet werden, dass sie nicht zu einem Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen. Anders würde es sich verhalten, wenn darüber hinaus die Zielvorgabe der Begrenzung des An­ wendungsbereiches auf gegen Entgelt ausgeübte Leistungen umgesetzt wird. Denn damit würde sich diese Variante ihres zentralen Anliegens berauben. So soll gerade die Behandlung der unentgeltlichen bzw. nicht­ wirtschaftlichen Leistungen als steuerpflichtig eine vollständige Beseiti­ gung der Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand gewährleisten.2263 Eine Berücksichtigung dieser Zielvorgabe führte hingegen wegen der be­ stehenden Verknüpfung von Eingangs- und Ausgangsseite dazu, dass die nicht besteuerten Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich der Mehr­ wertsteuer fielen und damit auch die darauf entfallenden Eingangsleis­ tungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten. Damit wird die Zielvor­ gabe einer Begrenzung des Anwendungsbereichs auf gegen Entgelt ausgeübte Leistungen mit dieser Variante einer Vollbesteuerung nicht erfüllt. In Bezug auf das Ziel einer effizienten Steuerhebung dürfte auf der einen Seite die Beseitigung der Ausnahmeregelungen in den Art. 13 und 132– 134 MwStSystRL die bestehenden Abgrenzungsprobleme beseitigen und insoweit die Rechtsanwendung erheblich vereinfachen. Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass der administrative Aufwand für die öffentliche Hand mit der Ausweitung ihrer Behandlung als Steuer­ subjekt ansteigen würde. Ein konkretes Problem stellte in diesem Zu­ sammenhang insbesondere die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für solche Leistungen dar, denen keine konkrete Gegenleistung gegenüber­ steht.2264 Des Weiteren unterliegt nach dieser Variante einer Vollbesteue­ 2261 Vgl. unten unter D. IV. 3. a) aa). 2262 Vgl. oben unter D. I. 1. b) cc) (1) und (3); Schmitz/Erdbrügger/Liegmann, DStR 2011, 1157 (1159). 2263 Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (147). 2264 Vgl. zu diesem Problem Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertrags­ partner bei PPP-Projekten, S. 192 ff.; Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (146 f.); Schmitz/Erdbrügger/Liegmann, DStR 2011, 1157 (1159).

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IV.  Die Vollbesteuerung

rung grundsätzlich jede selbständige Einheit der öffentlichen Hand dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer und müsste die damit einher­ gehenden steuerlichen Pflichten erfüllen.2265 Ob vor diesem Hintergrund die Vereinfachung durch die Beseitigung der Ausnahmevorschriften im Ergebnis auch zu einer nachhaltig effizienteren Steuererhebung führt, ist schwer einzuschätzen. So werden mit der Beseitigung der Ausnahmere­ gelungen vor allem beratungsintensive Probleme in der Rechtsanwen­ dung vermieden. Demgegenüber können die belastenden Auswirkungen durch die zunehmende Erfüllung steuerlicher Pflichten im Rahmen der Ausgestaltung des Besteuerungsverfahrens mithilfe von Verfahrensver­ einfachungen zugunsten der öffentlichen Hand gemindert werden. Zu­ dem besteht insoweit auch die Möglichkeit zum Einsatz von technisch bzw. maschinell unterstützten Verfahren. Dies könnte zumindest in der Tendenz aus gesamtstaatlicher Sicht für eine Verringerung des steuerad­ ministrativen Aufwands sprechen. Es ist allerdings nicht vorhersagbar, ob und inwieweit im Rahmen einer Umsetzung dieser Variante einer Vollbesteuerung neue beratungsintensive Rechtsprobleme entstehen. So kann zum Beispiel die erforderliche Ermittlung einer fiktiven Bemes­ sungsgrundlage für unentgeltliche Leistungen solche Rechtsprobleme verursachen, aber im Wege einer sorgfältigen Regelung können diese auch weitgehend vermieden werden. Folglich entscheidet vor allem die Sensibilität des Richtliniengebers bzw. des nationalen Gesetzgebers für mögliche Probleme in der Rechtsanwendung sowie die Qualität der Rechtssetzung über den Umfang, in dem das Ziel der effizienten Steuer­ erhebung bei einer Umsetzung dieser Variante einer Vollbesteuerung er­ reicht werden kann. Im Fall der Einführung dieser Variante kommt es sowohl zu einer gleich­ mäßigen Belastung privater Konsumaufwendungen für öffentliche Leis­ tungen als auch zur vollständigen Beseitigung der Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand. Folglich würde mit dieser Variante einer Vollbesteue­ rung das mit den Zielvorgaben verbundene Potential wirtschaftlicher Folgewirkungen so weit wie möglich ausgeschöpft.2266 bb) Besteuerung der gegen Entgelt ausgeübten Tätigkeiten Die zweite Variante einer Vollbesteuerung entspricht wie die erste Vari­ ante grundsätzlich in einem sehr weiten Umfang den Zielvorgaben für ein Reformmodell. Auf der Ausgangsseite kommt es wegen der Beseiti­ gung der Ausnahmevorschriften zu einer gleichmäßigen Belastung priva­ ter Konsumaufwendungen und einer Gewährleistung des Gebots der 2265 Vgl. Liegmann, a. a. O., S. 195 f. 2266 Vgl. Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 10; zu den wirt­ schaftlichen Folgen ausführlich auch bei Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 231 ff.

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Wettbewerbsgleichheit. Auf der Eingangsseite kommt es zu einer zuneh­ menden Beseitigung der Vorsteuerbelastung, denn wegen der Auswei­ tung der Besteuerung von Ausgangsleistungen berechtigen die hierfür bezogenen Fremdleistungen zum Vorsteuerabzug. Allerdings wären auch bei dieser Variante noch Steuerbefreiungen für existenzsichernde Konsum­ aufwendungen aufzunehmen. Die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug wäre trotz der Steuerbefreiungen allerdings beizubehalten. Der zentrale Unterschied zur ersten Variante besteht in der Beschrän­ kung der Besteuerung auf solche Tätigkeiten, die zu einer Leistung gegen Entgelt führen. Damit wird bei dieser Variante die nach den maßgebli­ chen Zielvorgaben vorgesehene Einschränkung der steuerlichen Belas­ tung von Aufwendungen, die einer konkreten Leistung zugeordnet wer­ den können, berücksichtigt. Vorgesehen ist bei dieser Variante aber auch weiterhin die inhaltliche Verknüpfung von Ausgangs- und Eingangsseite. Dies hat zur Folge, dass es hinsichtlich der steuerlich nicht erfassten Tätigkeiten der öffentlichen Hand grundsätzlich bei einer endgültigen Belastung mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer verbleiben würde. Eine gleichzeitige vollständige Verwirklichung der Zielvorgaben für die Aus­ gangsseite mit der Gewährleistung einer gleichmäßigen Belastung von privaten Konsumaufwendungen für öffentliche Leistungen und der Ziel­ vorgaben für die Eingangsseite mit der vollständigen Beseitigung der Vor­ steuerbelastung wäre im Ergebnis nach diesem Vorschlag ebenfalls nicht möglich. Die Einschränkung des Besteuerungsumfangs von Tätigkeiten der öffent­ lichen Hand nach dieser zweiten Variante bedeutet für die Zielvorgabe einer effizienten Steuererhebung sowohl Vorteile als auch Nachteile, de­ ren Umfang sich nur schwer abschätzen lassen. Zunächst dürfte sich für die Steuererhebung das Verhältnis zwischen dem vorteilhaften Effekt der Beseitigung der Ausnahmevorschriften für die öffentliche Hand und der belastenden Wirkung durch die Ausweitung der Auferlegung von steuer­ lichen Pflichten im Vergleich zur ersten Variante nicht wesentlich än­ dern. Als Nachteil im Vergleich zur ersten Variante ist zu erwarten, dass es wegen der nur teilweisen Einbeziehung der öffentlichen Hand in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer nun weiterhin zu Abgren­ zungsfragen kommen wird, die sowohl die Besteuerung von Ausgangs­ leistungen als auch die Vorsteuerentlastung auf der Eingangsseite betref­ fen. In Bezug auf die Steuerhebung als vorteilhaft ist bei dieser zweiten Variante hervorzuheben, dass sich die schwierige Frage der Bemessungs­ grundlage bei unentgeltlichen Tätigkeiten der öffentlichen Hand grund­ sätzlich nicht stellen wird.2267 2267 Vgl. zu dieser Frage Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (146 f.); Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 192 ff.

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IV.  Die Vollbesteuerung

Indem nach dieser zweiten Variante im Vergleich zur ersten Variante so­ wohl der Anwendungsbereich als auch die Beseitigung der endgültigen Belastung in einem geringeren Umfang verwirklicht wird, ist des Weite­ ren davon auszugehen, dass auch die wirtschaftlichen Folgewirkungen nur in einem im Vergleich zur ersten Variante geminderten Umfang ein­ treten würden.2268 cc) Kompromiss zwischen Vollbesteuerung und gegenwärtiger ­Besteuerung Der Kompromisscharakter der Variante, nach welcher Art. 13 MwSt­ SystRL zwar beseitigt wird, gleichzeitig aber die Steuerbefreiungen nach Art. 132–134 MwStSystRL, wenn auch in modifizierter Form, beibehal­ ten werden, spiegelt sich auch in der Bewertung in Bezug auf die Über­ einstimmungen mit den maßgeblichen Zielvorgaben wider. Auf der Ausgangsseite führt diese dritte Variante wie die vorgenannte zweite Variante grundsätzlich zu einer Ausweitung der Behandlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt, ohne dass alle Tätigkeiten der Be­ steuerung unterworfen werden. Vielmehr wird hierfür ebenfalls eine Leistungserbringung gegen Entgelt vorausgesetzt. Darüber hinaus wird sogar, wenn auch in eingeschränktem Umfang, mit der Beibehaltung der Steuerbefreiungen nach Art. 132–134 MwStSystRL die Vorgabe zur erfor­ derlichen Begrenzung des Anwendungsbereichs der Besteuerung für exis­ tenzsichernde Aufwendungen2269 zumindest teilweise umgesetzt. Soweit aber die bestehenden Steuerbefreiungen in ihrem Umfang über das aus Verbrauchsteuersicht gebotene Maß hinausgehen, verbleibt eine Ein­ schränkung der gleichmäßigen Belastung von privaten Konsumaufwen­ dungen. Wegen der Aufhebung des Art. 13 MwStSystRL unterliegt die öffentliche Hand unter denselben Voraussetzungen wie private Rechts­ personen dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Insoweit ent­ spricht diese Variante dem Gebot der Wettbewerbsgleichheit. Danach ist weiterhin erforderlich, bei der vorgesehenen Modernisierung der Steuer­ befreiungen in Art. 132–134 MwStSystRL die entsprechenden Tatbestän­ de ebenfalls rechtsformneutral auszugestalten. Auf der Eingangsseite kommt es korrespondierend zur Ausweitung der steuerlichen Belastung der Ausgangsleistungen zu einem Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand. Grundsätzlich würden die Steuerbefreiungen zu einem Ausschluss vom Vorsteuerabzug und damit zu einer endgültigen Belastung führen. Obwohl insoweit zumindest die Möglichkeit der ver­ deckten Weitergabe im Rahmen des Preises besteht, sollten die Steuerbe­ 2268 Vgl. übersichtlich die wirtschaftlichen Ergebnisse zu diesem Modell in Euro­ päische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 10. 2269 Vgl. hierzu oben unter D. I. 1. b) aa).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

freiungen die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs grundsätzlich nicht aus­ schließen. Dies ließe sich im Rahmen einer Modernisierung der Steuerbefreiungen umsetzen. Soweit jedoch die öffentliche Hand eine nichtwirtschaftliche bzw. eine unentgeltliche Tätigkeit ausübt, bleibt die öffentliche Hand nach dieser Variante wie in der zweiten Variante vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgeschlossen. Für die entsprechenden Eingangsleistungen besteht folglich keine Möglichkeit zum Vorsteuerabzug und es bleibt bei der endgültigen Belastung mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer. Die Beseitigung der Ausnahmebestimmung des Art. 13 MwStSystRL kommt auch hier der Zielvorgabe einer effizienten Steuererhebung inso­ weit zugute, als dass die Schwierigkeiten bei der Definition und Abgren­ zung der darin vorgesehenen Tatbestandsmerkmale beseitigt werden. Insoweit diese Schwierigkeiten jedoch die Vorschriften zu den sachli­ chen Steuerbefreiungen betreffen, wird es maßgeblich auf die Qualität ihrer Modernisierung ankommen, ob und inwieweit es dadurch zu einer Minderung der Probleme bei der Rechtsanwendung kommen wird. Im Vergleich zu einer Aufhebung der Art. 132–134 MwStSystRL wird der vorteilhafte Effekt zugunsten der effizienten Steuerhebung jedoch gerin­ ger ausfallen. Gleiches gilt auch für die wirtschaftlichen Folgewirkun­ gen, die sich im Wege einer Umsetzung dieser Reformvariante erzielen ließen.2270 b) Abschließende Würdigung der Varianten Alle drei Vorschläge der Europäischen Kommission für die Umsetzung des Modells einer Vollbesteuerung bedeuten zunächst mit Blick auf die umgesetzten Zielvorgaben im Vergleich zur bisherigen mehrwertsteuer­ rechtlichen Behandlung der öffentlichen Hand eine Verbesserung. Her­ vorzuheben sind dabei jedoch die zweite und die dritte Variante, nach denen die Sonderstellung der öffentlichen Hand beseitigt wird, jedoch nur im Fall der Leistungserbringung gegen Entgelt eine Besteuerung vor­ gesehen ist. Denn neben der weitgehenden Verwirklichung der wesentli­ chen Zielvorgaben werden auch neue Folgeprobleme vermieden, die sich insbesondere im Zusammenhang mit der Ermittlung der Bemessungs­ grundlage bei solchen Leistungen, denen sich kein konkretes Entgelt zu­ ordnen lässt, ergeben würden.2271 Innerhalb dieser beiden Varianten ist wiederum im Ansatz die zweite Variante, die eine Besteuerung aller ge­ gen Entgelt ausgeübten Tätigkeiten bedeuten würde, vorzuziehen. Denn die dritte Variante sieht mit ihrem Kompromisscharakter eine weitge­ 2270 Europäische Kommission, Konsultationspapier 2013, S. 13. 2271 Vgl. Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Pro­ jekten, S. 192 ff.

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IV.  Die Vollbesteuerung

hende Beibehaltung der bestehenden Steuerbefreiungen vor. Dabei lässt sich mit Blick auf den Katalog der Art. 132–134 MwStSystRL bezweifeln, dass sich die Steuerfreiheit der dort aufgeführten Leistungen aus Ver­ brauchsteuersicht insgesamt rechtfertigen ließe.2272 Des Weiteren würde die Gewährung eines Vorsteuerabzugs angesichts der Vielzahl von befrei­ ten Leistungen zu erheblichen steuerlichen Einbußen führen. Aus die­ sem Grund erscheint es überzeugender, im Rahmen des zweiten Vor­ schlags die wenigen gebotenen Steuerbefreiungen ohne Ausschluss vom Vorsteuerabzug einzuführen. Der große Nachteil der beiden insgesamt vorzugswürdigen Varianten ist allerdings die verbleibende Belastung von Eingangsleistungen für die nichtwirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand mit nicht abzugsfä­ higer Vorsteuer. Diese resultiert aus der für den Vorsteuerabzug in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgesehenen Verknüpfung von Aus­ gangs- und Eingangsseite. Allerdings bestünde insoweit zumindest noch die Möglichkeit, die endgültige steuerliche Belastung mit der Einführung eines nationalen Refundsystems zu verringern oder zu vermeiden. Dies würde insbesondere regelmäßig den unionsrechtlichen Vorgaben ent­ sprechen. Als besonders vorteilhaft erweist sich dabei, dass die Vor­ steuerbelastung bei Einführung der insgesamt vorzugswürdigen zweiten Variante allein bei Ausübung einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit an­ fallen kann. Denn die Ausnahmeregelungen der Art. 13 und Art. 132– 134 MwStSystRL würden bei der Einführung abgeschafft. Zwar ist der mehrwertsteuerrechtliche Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht identisch mit dem beihilferechtlichen Begriff. Allerdings handelt es sich bei der öffentlichen Hand im Fall der Ausübung einer aus Sicht des Mehr­ wertsteuerrechts nichtwirtschaftlichen Tätigkeit regelmäßig nicht um ein Unternehmen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV.2273 Folglich würde eine Ausgleichszahlung für die nicht abzugsfähige Vorsteuer im Rahmen eines Refundsystems grundsätzlich keine verbotene Beihilfe darstellen. Daher stünden die unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln einem solchen Refundsystem grundsätzlich nicht entgegen. Eine solche Kombination zweier Reformmodelle erscheint zwar auf den ersten Blick kompliziert und mit viel Aufwand verbunden, jedoch wür­ den hier die bereits oben angeführten Vorteile eines nationalen Refund­ systems greifen. So stünde es jedem Mitgliedstaat frei, ob und inwieweit dieser von der Möglichkeit eines Refundsystems Gebrauch macht. Vor allem könnten die Mitgliedstaaten sich auf die Bereiche der öffentlichen 2272 Zum Umfang der gebotenen Steuerbefreiungen oben unter D. I. 1. b) aa) und bb); zur Rechtfertigung von Steuerbefreiungen vgl. Englisch, The EU Perspective on VAT Exemptions, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 37 (60 ff.). 2273 Vgl. zu der indiziellen Wirkung einer nach der Wertung des Art. 9 MwStSystRL nichtwirtschaftlichen Tätigkeit für das Beihilferecht oben unter D. III. 2. b) bb).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Hand konzentrieren, in denen sie einen besonderen Handlungsbedarf se­ hen. Darüber hinaus kann ein Mitgliedstaat mithilfe des Refundsystems Fehlanreizen, die durch die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug bei Aus­ übung einer entgeltlichen wirtschaftlichen Tätigkeit entstehen würden, entgegenwirken. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass es sich bei dem Refundsystem letztlich um eine „Krücke“ handelt, mit der die Unzulänglichkeiten des Mehrwertsteuerrechts ausgeglichen werden sol­ len. Somit wäre es im Vergleich zu der hier vorgeschlagenen Kombinati­ onslösung grundsätzlich vorzugswürdig, innerhalb des Mehrwertsteuer­ rechts für die öffentliche Hand sowohl die Ausgangsbesteuerung auf Tätigkeiten, die gegen Entgelt ausgeübt werden, zu beschränken als auch die endgültige Vorsteuerbelastung auf der Eingangsseite vollständig zu beseitigen. Diesem Ziel soll im Folgenden weiter nachgegangen werden. 3. Empfehlungen für die Umsetzung des Reformmodells einer ­Vollbesteuerung Die Untersuchung des Modells einer Vollbesteuerung und seine Umset­ zung nach den Vorschlägen der Europäischen Kommission stellen auf der einen Seite grundsätzlich einen interessanten und vielversprechenden Ansatz für eine Reform der gegenwärtigen Behandlung der öffentlichen Hand dar. Insbesondere werden auf diesem Wege die Ursachen innerhalb des Mehrwertsteuerrechts aufgegriffen und nicht, wie bei dem Refund­ system, nur nachteilige Folgeerscheinungen außerhalb der Mehrwert­ steuer zu korrigieren versucht. Auf der anderen Seite lassen sich mit den Vorschlägen nicht alle maßgeblichen Zielvorgaben gleichzeitig umset­ zen. Die verschiedenen Vorschläge zeigen weiterhin, dass aus Sicht der Europäischen Kommission in den zentralen Punkten für die Umset­ zung des Modells einer Vollbesteuerung innerhalb der Europäischen Uni­ on offenbar keine Einigkeit für eine insgesamt vorzugswürdige Ausge­ staltung eines Reformvorhabens besteht.2274 Die Abweichungen zwischen den drei Vorschlägen der Europäischen Kommission betreffen insbeson­ dere den Umfang der Einbeziehung der öffentlichen Hand in den Anwen­ dungsbereich der Mehrwertsteuer und die Frage, welche ihrer Tätigkei­ ten der Besteuerung zu unterliegen haben. Darüber hinaus erweist sich vor allem die für den Vorsteuerabzug maßgebliche Verknüpfung von Ein­ ­ gangs- und Ausgangsseite als Ursprung für die endgültige Vorsteuer­ belastung der öffentlichen Hand. Diese kann nach den Vorschlägen der Europäischen Kommission nur dadurch umgangen werden, dass alle Tä­ tigkeiten der öffentlichen Hand besteuert werden. 2274 Vgl. z. B. die unterschiedlichen Auffassungen, die im Rahmen des Konsultations­ prozesses zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission geäußert wurden, vgl. dies., Consultation on the Review of existing VAT legislation on public bo­ dies and tax exemptions in the public interest (2014), S. 16 ff.

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IV.  Die Vollbesteuerung

Vor diesem Hintergrund gilt es Möglichkeiten zu erarbeiten, wie die be­ stehenden Schwächen der vorgeschlagenen Umsetzungen des Modells einer Vollbesteuerung beseitigt werden können. Hierbei könnte sich ein Blick auf die Mehrwertsteuersysteme in Neuseeland und Australien als gewinnbringend erweisen.2275 Denn in diesen findet sich der Ansatz der Vollbesteuerung für die Behandlung der öffentlichen Hand wieder.2276 Da­ bei soll vor allem den Fragen nachgegangen werden, wie und in welchem Umfang die Einbindung der öffentlichen Hand in den Anwendungsbe­ reich der Mehrwertsteuer erfolgt und es zu einer Besteuerung ihrer Tätig­ keiten kommt. Zudem gilt es zu klären, ob in den beiden Mehrwertsteu­ ersystemen für den Vorsteuerabzug ebenfalls eine Verbindung zwischen Eingangsleistungen und steuerpflichtigen Ausgangsleistungen vorausge­ setzt wird und wie sich diese auf den Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand auswirkt. Ausgehend von den gewonnenen Erkenntnissen soll dann versucht werden, konkrete Empfehlungen für eine Umsetzung des Modells einer Vollbesteuerung zu erarbeiten. a) Die Vollbesteuerung in Neuseeland und Australien Neuseeland und Australien verfügen im Vergleich zur Europäischen Union jeweils über ein modernes Mehrwertsteuerrechtssystem, das ­ durch einen weiten Anwendungsbereich bei einer nur geringen Anzahl von Steuerbefreiungen geprägt ist.2277 aa) Neuseeland Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen für die Mehrwertsteuer in Neuseeland sollen in einem ersten Schritt die Grundzüge der Goods and Services Tax Act New Zealand erörtert und daran anknüpfend unter­ sucht werden, wie die Einbindung und steuerliche Behandlung der öf­ fentlichen Hand in diesem System erfolgt. In einem zweiten Schritt wer­ den dann die daraus folgenden Ergebnisse für die aufgeworfenen Fragen ausgewertet und zusammengefasst. (1) Die Besteuerung der öffentlichen Hand im System der Goods and Services Tax New Zealand Neuseeland hat 1986 als eines der ersten Länder eine an den Maßstä­ ben eines modernen Mehrwertsteuerrechts orientierte allgemeine Ver­ 2275 So auch Gendron, Tax Law Review, Vol. 63 (2009–2010), 477 (492 ff.), zur Frage der Behandlung des öffentlichen Sektors im Fall der Einführung einer bundes­ staatlichen Mehrwertsteuer in den USA. 2276 Vgl. de la Feria, Intertax 2009, 148 (162); Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Fe­ ria, VAT Exemptions, S. 135 (137). 2277 Vgl. de la Feria, Intertax 2009, 148 (162); Krever, Designing and Drafting VAT Laws for Africa, in: ders., VAT in Africa, S. 9 (13 ff.).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

brauchsteuer2278 in Form einer Goods and Services Tax eingeführt.2279 Diese ist durch eine breite Besteuerungsgrundlage,2280 einen einheitli­ chen und geringen Steuersatz2281 sowie nur sehr wenigen Ausnahmen von der Steuerpflicht2282 gekennzeichnet. Die zentralen Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer finden sich dabei in section 8(1) des Goods and Services Tax Act New Zealand (s 8(1) GSTA NZ).2283 In persönlicher Hinsicht setzt die Entstehung der Steuer voraus, dass der Leistungserbringer eine steuerbare Tätigkeit (taxable activity) ausübt, die in s 6 GSTA NZ definiert ist.2284 Die dort genannten Voraussetzungen erinnern zwar an die Kriterien, mit denen nach Art. 9 Abs. 1 MwSt­ SystRL und der hierzu ergangenen Rechtsprechung eine wirtschaftliche Tätigkeit definiert wird,2285 stimmen mit diesen jedoch nicht überein. Explizit ausgeschlossen vom Begriff der taxable activity sind private Tä­ tigkeiten.2286 In sachlicher Hinsicht unterliegen solche Leistungen (supplies) der Besteuerung, die im Rahmen einer taxable activity erbracht 2278 Vgl. Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (144). 2279 Goods and Services Tax Act 1985 (New Zealand), abrufbar unter: http://www.­ legislation.govt.nz (6.4.2016). 2280 Vgl. Schenk/Thuronyi/Cui, Value Added Tax, S. 289 f. 2281 Bei Einführung 10 %, nunmehr 15 %, vgl. s 8(1) GSTA NZ. 2282 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 137. 2283 S 8(1) GSTA NZ (Imposition of goods and services tax on supply): Subject to this Act, a tax, to be known as goods and services tax, shall be charged in accordance with the provisions of this Act at the rate of 15 % on the supply (but not including an exempt supply) in New Zealand of goods and services, on or after 1 October 1986, by a registered person in the course or furtherance of a taxable activity carried on by that person, by reference to the value of that supply. Vgl. hierzu Krever, GST Legslation Plus, S. 75; ausführlich zu den Voraussetzun­ gen Blanchard, Some Basic Concepts of New Zealand GST, in: Krever/White, GST in Retrospect and Prospect, S. 91 ff. 2284 S 6(1) GSTA NZ (Meaning of term taxable activity): (1) For the purposes of this Act, the term taxable activity means— (a) any activity which is carried on continuously or regularly by any person, whether or not for a pecuniary profit, and involves or is intended to involve, in whole or in part, the supply of goods and services to any other person for a consideration; and includes any such activity carried on in the form of a business, trade, manufacture, profession, vocation, association, or club: (b) without limiting the generality of paragraph (a), the activities of any public authority or any local authority. Im Grundsatz muss sich derjenige, der eine taxable activity ausübt, registrieren, vgl. s 51(1) GSTA NZ. Sobald dieser jedoch der Pflicht zur Registrierung unter­ liegt, ist er als Steuerpflichtiger zu behandeln; vgl. hierzu auch Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 151. 2285 Vgl. zum Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit oben unter A. II. 1. a). 2286 S 6(3)(a) GSTA NZ: Notwithstanding anything in subsections (1) and (2), for the purposes of this Act the term taxable activity shall not include, in relation to any person,— (a) being a natural person, any activity carried on essentially as a private re­ creational pursuit or hobby; or […].

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werden.2287 Der Leistungsbegriff wird insgesamt sehr weit definiert und umfasst im Grundsatz jede Art einer Leistung.2288 Des Weiteren bedarf es eines mit der Leistung im Zusammenhang stehenden Entgelts (consideration), dessen Definition ebenfalls sehr weit gefasst ist.2289 Damit bildet das Erfordernis eines Entgelts auch im neuseeländischen Recht eine tra­ gende Rolle.2290 Die Anforderungen an den Zusammenhang (sufficient nexus) von Leistung und Entgelt sind sehr gering, so dass grundsätzlich auch freiwillige Zahlungen sowie Zahlungen von dritter Seite darunter fallen können.2291 Zusammengefasst unterliegen demnach alle gegen Ent­ gelt im Rahmen einer steuerbaren Tätigkeit erbrachten Leistungen der Besteuerung und derjenige, der diese ausübt, ist als Steuerpflichtiger zur Abführung der entstehenden Steuer verpflichtet. Die wenigen Steuerbe­ freiungen2292 knüpfen, anders als zum Beispiel in der Mehrwertsteuersys­ temrichtlinie, nicht an einen steuerbaren Umsatz an und schließen des­ sen Steuerpflicht aus, sondern in diesen Fällen fehlt es von vornherein an einer steuerbaren Tätigkeit.2293 Übt demnach jemand nur steuerfreie Tä­ tigkeiten aus, unterliegt er von vornherein nicht der Steuerpflicht. Die steuerlich neutrale Behandlung des Steuerpflichtigen auf der einen Seite und die steuerliche Belastung des privaten Endkonsumenten auf der anderen Seite werden durch das Instrument des Vorsteuerabzugs ­gewährleistet. Die zentrale Voraussetzung hierfür ist, dass eine bezoge­ ne Leistung für die Ausführung einer steuerbaren Leistung verwendet wird bzw. werden kann (are used for, or are available for use in, making

2287 Vgl. s 8(1) GSTA NZ. 2288 Vgl. s 5(1) GSTA NZ: the term supply includes all forms of supply; jedoch finden sich in s 5 GSTA NZ darüber hinaus in über vierzig nachfolgenden Absätzen wei­ tere Spezifizierungen; hierzu kritisch Blanchard, Some Basic Concepts of New Zealand GST, in: Krever/White, GST in Retrospect and Prospect, S. 92. 2289 S 2 GSTA NZ (Interpretation): (1) […] consideration, in relation to the supply of goods and services to any person, includes any payment made or any act or forbearance, whether or not voluntary, in respect of, in response to, or for the inducement of, the supply of any goods and services, whether by that person or by any other person; but does not include any payment made by any person as an unconditional gift to any non-profit body […]. 2290 Vgl. hierzu auch Blanchard, Some Basic Concepts of New Zealand GST, in: Kre­ ver/White, GST in Retrospect and Prospect, S. 91 (94 f.). 2291 Vgl. Blanchard, a. a. O., S. 95: „consideration given or promised is with a view to inducing or motivating a supply by the taxpayer to someone or is in response to the supply.” Vgl. zum Begriff der consideration, ders., a. a. O., S. 147. 2292 Vgl. s 14 GSTA NZ. 2293 Vgl. s (6)(3) GSTA NZ: Notwithstanding anything in subsections (1) and (2), for the purposes of this Act the term taxable activity shall not include, in relation to any person,— (d) any activity to the extent to which the activity involves the making of ­exempt supplies[..].

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taxable supplies).2294 Somit muss zwischen dem Leistungsbezug und der Ausführung steuerbarer Leistungen ein hinreichender Zusammen­ hang2295 bestehen.2296 Liegt ein solcher Zusammenhang nur teilweise vor, ist auch nur ein diesem Anteil entsprechender Vorsteuerabzug mög­ lich.2297 Unter dem Begriff des taxable supply fallen Leistungen, auf die der Regelsteuersatz von 15 % oder ein Steuersatz von 0 %2298 anzuwen­ den ist.2299 Nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen damit nicht steuerba­ re Tätigkeiten, also insbesondere private und steuerbefreite Tätigkeiten. Die Einbindung einer staatlichen Einrichtung (public authority)2300 in das Mehrwertsteuerrecht erfolgt, indem deren Tätigkeiten von Gesetzes we­ gen stets als steuerbare Tätigkeiten (taxable activity) gelten.2301 Jedoch nicht nur auf persönlicher Ebene besteht für die öffentliche Hand eine besondere Regelung. Hinsichtlich der sachlichen Voraussetzung für die Besteuerung, wonach eine Leistung gegen Entgelt ausgeübt werden muss, finden sich ebenfalls spezielle Bestimmungen.2302 So werden Zahlungen, die staatliche Einrichtungen im Rahmen der Verteilung des Steuerauf­ kommens2303 oder aber von privaten Dritten als Abgabe, Beitrag oder Ge­ 2294 S 20 GSTA NZ: […] (3C) For the purposes of subsection (3), and if subsections (3D) or (3L) do not apply,— (a) input tax as defined in section 3A(1)(a) or (c) may be deducted to the extent to which the goods or services are used for, or are available for use in, making taxable supplies: […]. Vgl. hierzu und zum Folgenden McKenzie, GST – A Practical Guide, ¶27–150 (Stand: Mai 2014). 2295 McKenzie, ebenda. 2296 Die Vorschriften zum Vorsteuerabzug wurden mit Wirkung zum 1.4.2011 geän­ dert. So lautete die bis dahin maßgebliche zentrale Voraussetzung, dass der Leis­ tungsbezug for the principal purpose of making taxable supplies erfolgte. Vor diesem Hintergrund besteht derzeit Ungewissheit über die genaue Definition der neuen Formulierung, denn der Bezug auf die Rechtsprechung zur alten Formulie­ rung ist ggf. irreführend und einschlägige Rechtsprechung zur neuen Regelung liegt noch nicht vor, vgl. hierzu McKenzie, GST – A Practical Guide ¶27-300 (Stand: Nov. 2013); zum alten Recht Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 147. 2297 Bis zum 1.4.2011 konnte nach altem Recht auch in diesen Fällen grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug geltend gemacht werden, vgl. Henkow, ebenda. 2298 S 11 ff. GSTA NZ. 2299 McKenzie, GST – A Practical Guide, ¶10-101 (Stand: April 2013). 2300 Definiert in s 2(1) GSTA NZ. 2301 S 6(1) GSTA NZ: (1) For the purposes of this Act, the term taxable activity means— (a) […] (b) without limiting the generality of paragraph (a), the activities of any public authority or any local authority. 2302 Vgl. insb. s 5(6) ff. GSTA NZ. 2303 Vgl. s 5(6) GSTA NZ.

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IV.  Die Vollbesteuerung

bühr (levy, fee or charge)2304 erhalten, als Entgelt für eine Leistung fin­ giert, so dass diese Zahlungen der Besteuerung unterliegen. Aus diesem Grund kommt es in Neuseeland sogar zu einer Belastung des gemein­ schaftlichen Verbrauchs, indem eine Art Grundsteuer, die als sogenannte local rates von den Kommunen erhoben wird, als mehrwertsteuerpflich­ tig behandelt wird.2305 Damit werden im Ergebnis Aufwendungen für die vom Einzelnen als Teil der örtlichen Gemeinschaft in Anspruch genom­ menen kommunalen Leistungen an die Allgemeinheit belastet.2306 Des Weiteren gilt die Fiktion eines Leistungsaustausches auch zum Beispiel für Zuschüsse, die staatliche Einrichtungen an private Dritte in Bezug auf deren steuerbare Tätigkeit zahlen.2307 Wenn allerdings Zahlungen mangels tatsächlicher Umstände oder gesetzlicher Fiktion in keinem Zu­ sammenhang zu einer Leistung stehen, kommt nach der Systematik des neuseeländischen Mehrwertsteuerrechts eine Besteuerung mangels Ent­ gelts nicht in Betracht.2308 Infolge der besonderen Regelungen für die staatlichen Einrichtungen führt allerdings nahezu jede ihrer Tätigkeiten zu steuerbaren Leistungen. Denn es werden zum einen schon alle Leis­ tungen, die nach dem weiten Verständnis eines Zusammenhangs mit ei­ ner Gegenleistung verbunden sind, besteuert, zum anderen unterliegen aber auch Zahlungen von Beiträgen oder Gebühren, die sich ohne eine Fiktion gegebenenfalls nur schwer einer konkreten Leistung zuordnen ließen, der Mehrwertsteuer. Und nicht zuletzt werden sogar die inner­ staatlichen Finanzzuweisungen besteuert. Einher mit dieser umfassen­ den Besteuerung geht die Konsequenz, dass alle die in diesem Zusam­ menhang stehenden Handlungen steuerbare Leistungen darstellen. Für den Vorsteuerabzug der staatlichen Einrichtungen bestehen hingegen keine besonderen Vorgaben. Somit müssen auch staatliche Einrichtun­ gen grundsätzlich die Eingangsleistungen für steuerbare Ausgangsleis­ tungen verwenden. Hier führen allerdings neben dem schon allgemein weit gefassten Anwendungsbereich des neuseeländischen Mehrwert­ steuerrechts die gesetzlichen Fiktionen zugunsten steuerbarer Leistun­ gen der staatlichen Einrichtungen dazu, dass auch der Vorsteuerabzug entsprechend umfassend ausfällt. (2) Auswertung und Zusammenfassung der Ergebnisse Im neuseeländischen Mehrwertsteuerrecht wird die öffentliche Hand mit ihren Tätigkeiten im Gegensatz zum gegenwärtigen Ausnahmemo­ 2304 Vgl. z. B. s 5(6A), (6AB), (6AC), (6B) GSTA NZ. 2305 Vgl. s 5(7) GSTA NZ. 2306 So auch Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (142). 2307 Vgl. s 5(6D) GSTA NZ; Blanchard, Some Basic Concepts of New Zealand GST, in: Krever/White, GST in Retrospect and Prospect, S. 91 (93). 2308 Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (147 f.).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

dell2309 der Europäischen Union vollständig in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer einbezogen. Dies erfolgt im Wege einer Fiktion, wo­ durch ihre Handlungen stets eine steuerbare Tätigkeit begründen.2310 Auf den konkreten Inhalt ihrer Tätigkeit kommt es folglich nicht an. Übertra­ gen auf das europäische Mehrwertsteuerrecht entfällt damit die Prüfung über das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Darin ist aus Sicht des Goods and Services Tax Act New Zealand eine konsequente Umsetzung des die persönliche Steuerpflicht tragenden Abgrenzungsgedankens zu ­sehen. Denn eine steuerbare Tätigkeit ist ausgeschlossen, wenn eine pri­ vate2311 oder unselbständige2312 Tätigkeit ausgeübt wird. Staatliche Ein­ richtungen verfügen jedoch grundsätzlich nicht über einen privaten Tätig­ keitsbereich oder sind unselbständig eingebunden. Folglich handelt es sich bei Tätigkeiten der öffentlichen Hand immer um steuerbare Tätigkeiten. Die Fiktion der Steuerpflicht führt nicht unmittelbar dazu, dass jede Tä­ tigkeit einer staatlichen Einrichtung auch der Besteuerung unterliegt. Denn das im neuseeländischen Mehrwertsteuerrecht bestehende Erfor­ dernis einer Leistung gegen Entgelt gilt auch für die öffentliche Hand. Allerdings kann sich hieraus die auch aus dem Mehrwertsteuerrecht der Europäischen Union bekannte Schwierigkeit ergeben, Zahlungen ei­ ner konkreten Leistung einer staatlichen Einrichtung zuzuordnen.2313 Dem wird in Neuseeland dadurch begegnet, dass weitgehend bei an staatliche Einrichtungen geleisteten Zahlungen deren Entgeltcharakter, aber auch die damit verbundenen Handlungen als steuerbare Leistungen fingiert werden.2314 Diese umfassende Besteuerung auf allen staatlichen Ebenen führt jedoch nicht immer zu steuerlichen Mehreinnahmen. Denn zum Beispiel die Besteuerung der Zahlungen, die auf der Grundlage der Verteilung des Steueraufkommens erfolgen, führt wegen des korrespon­ dierenden Vorsteueran­spruchs der zahlenden staatlichen Einrichtung zu keinen Mehreinnahmen.2315 Nur bei Zahlungen eines privaten Endkon­ sumenten für eine Leistung kommt es zu einer effektiven Verbreiterung der Besteuerungsgrundlage.2316 Eine von der konkreten Verwendung von Eingangsleistungen für Aus­ gangsleistungen getrennte Beurteilung der Abzugsfähigkeit von Vorsteu­ ern findet im neuseeländischen Mehrwertsteuerrecht nicht statt. Die unmittelbare Verknüpfung von Ausgangsseite und Eingangsseite besteht 2309 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 21 ff. 2310 S 6(1)(b) GSTA NZ. 2311 Vgl. s 6(3)(a) und (aa) GSTA NZ. 2312 Vgl. s 6(3)(b) and (c) GSTA NZ. 2313 Vgl. Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (153). 2314 Vgl. hierzu übersichtlich Millar, a. a. O., S. 135 (154 ff.). 2315 Vgl. hierzu Millar, a. a. O., S. 135 (146 f.). 2316 Millar, a. a. O., S. 135 (147).

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IV.  Die Vollbesteuerung

damit auch hier. Aber wegen der weitgehenden Fiktion von steuerbaren Leistungen, unter die insbesondere auch unentgeltliches hoheitliches Handeln wegen der fingierten Steuerbarkeit von zwischenstaatlichen Fi­ nanzzuweisungen fällt, steht nahezu jede Eingangsleistung in einem für den Vorsteuerabzug ausreichenden Zusammenhang mit einer steuerpflich­ tigen Ausgangsleistung. Somit ist im Ergebnis eine verbleibende endgülti­ ge Belastung der öffentlichen Hand ebenfalls nahezu ausgeschlossen.2317 bb) Australien (1) Die Besteuerung der öffentlichen Hand im System der Goods and Services Tax Australia Die australische Goods and Services Tax (GST) wurde im Jahre 1999 mit Wirkung zum 1.7.2000 eingeführt.2318 Für die Erarbeitung eines Regel­ werks orientierte man sich sowohl an der harmonisierten Mehrwertsteu­ er in der Europäischen Gemeinschaft als auch an der neuseeländischen GST. Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass die australische GST in ihrer finalen Ausprägung einem Mittelweg zwischen diesen beiden Mehrwertsteuersystemen entspricht.2319 Wie die GST in Neuseeland handelt es sich bei der australischen GST um ein modernes Mehrwert­ steuersystem mit einem grundsätzlich weiten Anwendungsbereich bei gleichzeitig wenigen Ausnahmen von der Besteuerung.2320 Die zentralen Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer finden sich in section 9–5 des A New Tax System (Goods and Services Tax) Act 1999 (s 9–15 GSTA AUS).2321 Als persönliche Voraussetzung auf Seiten desjeni­ gen, der eine steuerbare Leistung erbringt, fordert die Entstehung der Steu­ er, dass dessen Tätigkeit ein Unternehmen (enterprise) bildet.2322 Wie die 2317 Aujean/Jenkins/Poddar, IVM 1999, 144 (147); Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 126. 2318 Vgl. Millar/McCarthy, Australia, in: Ecker et al., The Future of Indirect Taxa­ tion, S. 21. 2319 Vgl. Cooper/Vann, Sydney Law Review 1999, 337 (343 ff.). 2320 Vgl. zu den Kennzeichen des australischen Rechts Millar/McCarthy, Australia, in: Ecker et al., The Future of Indirect Taxation, S. 21 (24 f.). 2321 Der Gesetzestext ist abrufbar unter http://law.ato.gov.au (6.4.2016); s 9-5 GSTA AUS (Taxable supplies): You make a taxable supply if: (a) you make the supply for *consideration; and (b) the supply is made in the course or furtherance of an *enterprise that you *carry on; and (c) the supply is *connected with Australia; and (d) you are *registered, or *required to be registered. However, the supply is not a *taxable supply to the extent that it is *GST-free or *input taxed. 2322 S 9-20 GSTA AUS (Enterprises): (1) An enterprise is an activity, or series of activities, done:

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

wirtschaftliche Tätigkeit in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie und die steuerbare Tätigkeit (taxabel activity) im GSTA NZ dient diese Voraus­ setzung vor allem der Abgrenzung zwischen demjenigen, der als Wirt­ schaftsakteur2323 die Steuer einsammelt, aber grundsätzlich nicht selbst tragen soll, und dem privaten Verbraucher2324 als intendierten Steuerträ­ ger.2325 Der Begriff der enterprise ist wie der neuseeländische Begriff der taxable activity sehr weit zu verstehen.2326 In sachlicher Hinsicht bedarf es zur Entstehung der Steuer insbesondere einer Leistung gegen Ent­ gelt (supply for consideration).2327 Der Leistungsbegriff ist gesetzlich defi­ niert und besitzt einen in seinem Umfang über den Leistungsbegriff in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie hinausgehenden2328 weiten Anwen­ dungsbereich.2329 Für den Begriff des Entgelts findet sich ebenfalls eine eigene Definition.2330 Hierbei handelt es sich um eine sehr weite Formu­ lierung, damit auch Zahlungen von dritter Seite erfasst werden.2331 An die erforderliche Verbindung von Leistung und Entgelt stellt das australi­ sche Recht wiederum inhaltlich geringere Anforderungen als das harmo­

(a) in the form of a *business; or (b) in the form of an adventure or concern in the nature of trade; or (c) on a regular or continuous basis, in the form of a lease, licence or other grant of an interest in property; or […]. 2323 Vgl. Kriterien in s 9-20(1) GSTA AUS. 2324 Vgl. s 9-20 GSTA AUS (Enterprises): (1) […] (2) However, enterprise does not include an activity, or series of activities, done: (a) by a person as an employee […]; or (b) as a private recreational pursuit or hobby; or (c) by an individual […], without a reasonable expectation of profit or gain; or […]. 2325 Vgl. de la Feria/Krever, Ending VAT Exemptions: Towards a Post-Modern VAT, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 16 f.; Krever, GST Legislation Plus, S. 75; grundlegend zur Struktur der GST in Australien Millar/McCarthy, Australia, in: Ecker et al., The Future of Indirect Taxation, S. 21 (25 f.). 2326 Millar/McCarthy, a. a. O., S. 21 (32). 2327 Vgl. s 9-5(a) GSTA AUS. 2328 Vgl. hierzu die veröffentlichte Auffassung der australischen Finanzbehörden (sog. Goods and Services Tax Ruling), GSTR 2006/9, Rz. 24 ff. (Stand: 22.12.2014), ab­ rufbar unter http://law.ato.gov.au (6.4.2016). 2329 S 9-10 GST AUS (Meaning of supply): (1) A supply is any form of supply whatsoever. […]. 2330 S 9-15 GSTA AUS (Consideration): (1) Consideration includes: (a) any payment, or any act or forbearance, in connection with a supply of anything; and (b) any payment, or any act or forbearance, in response to or for the inducement of a supply of anything (2) It does not matter whether the payment, act or forbearance was voluntary, or whether it was by the *recipient of the supply. […]. 2331 Vgl. Barkoczy, Foundations of Taxation Law, S. 155.

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IV.  Die Vollbesteuerung

nisierte Mehrwertsteuerrecht in der Europäischen Union.2332 Als allge­ meine Voraussetzung für eine ausreichende Verbindung (sufficient nexus) genügt es, wenn die Bezahlung im Zusammenhang mit der Leistung steht (in connection with),2333 als Erwiderung darauf zu sehen ist (in response to) oder zum Zweck der Veranlassung zu einer Leistung vorgenommen wird (for the inducement of).2334 Anders als in der neuseeländischen GST knüp­ fen Steuerbefreiungen nicht an die persönliche Voraussetzung für die Ent­ stehung der Mehrwertsteuer, sondern an die grundsätzlich steuerbaren Leistungen an.2335 Dabei wird wie im Mehrwertsteuerrecht der Europäi­ schen Union zwischen zwei Arten der Steuerbefreiung unterschieden. So beinhaltet die australische GST auf der einen Seite Steuerbefreiungen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen (GST-free),2336 und auf der anderen Seite solche, die für die damit im Zusammenhang stehenden Eingangs­ leistungen den Vorsteuerabzug ausschließen (input taxed).2337 Im australischen Recht ist der Vorsteuerabzug davon abhängig, dass die steuerbelastete Eingangsleistung für zum Vorsteuerabzug berechtigende Zwecke (creditable acquisition)2338 bezogen wird.2339 Der Hauptfall eines 2332 Vgl. hierzu die australische Finanzbehörde, GSTR 2006/9, Rz. 106 f. (Stand: 22.12.2014), abrufbar unter http://law.ato.gov.au (6.4.2016). 2333 Vgl. hierzu die australische Finanzbehörde, GSTR 2012/2, Rz. 123 ff. (Stand: 11.2.2015), abrufbar unter http://law.ato.gov.au (6.4.2016). 2334 Vgl. hierzu die australische Finanzbehörde, GSTR 2012/2, Rz. 15, 123 ff. m. w. N. (Stand: 11.2.2015), abrufbar unter http://law.ato.gov.au (6.4.2016). 2335 S 9-30 GSTA AUS (Supplies that are GST-free or input taxed): GST-free (1) A supply is GST-free if: (a) it is GST-free under Division 38 or under a provision of another Act; or […] Input taxed (2) A supply is input taxed if: (a) it is input taxed under Division 40 or under a provision of another Act; or […]. 2336 Vgl. zur Umsetzung und Auswirkung von GST-free supplies bei Cooper/Vann, Sydney Law Review 1999, 337 (352 ff.). 2337 Vgl. zur Umsetzung und Auswirkung von input taxed supplies bei Cooper/Vann, Sydney Law Review 1999, 337 (349 ff.). 2338 S 11-5 GSTA AUS (What is a creditable acquisition?): You make a creditable acquisition if: (a) you acquire anything solely or partly for a *creditable purpose; and (b) the supply of the thing to you is a *taxable supply; and (c) you provide, or are liable to provide, *consideration for the supply; and (d) you are *registered, or *required to be registered. Vgl. aber auch die inhaltliche Zusammenfassung über den Vorsteuerabzug in s 11-1 GSTA AUS sowie Millar/McCarthy, Australia, in: Ecker et al., The Future of Indirect Taxation, S. 21 (83 ff.). 2339 S 7-1 GSTA AUS (GST and input tax credits): (1) […] (2) Entitlements to input tax credits arise on *creditable acquisitions and *creditable importations.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

solchen Zwecks ist ein Leistungsbezug im Zusammenhang mit dem Un­ ternehmen (enterprise) bzw. mit der Tätigkeit, welche die Voraussetzun­ gen eines Unternehmens erfüllen (carrying on your enterprise).2340 Vor dem Hintergrund, dass die Ausführung besteuerter Leistungen nicht zu den Voraussetzungen eines Unternehmens im Sinne der australischen GST gehört, entsteht der Vorsteueranspruch unabhängig von einer Ver­ wendung der Eingangsleistung für Zwecke steuerbarer Ausgangsleistun­ gen. Folglich kommt ein Vorsteuerabzug auch dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige die bezogene Leistung für nicht steuerbare Zwecke bzw. Leistungen verwendet.2341 Dem positiv formulierten gesetzlichen Grundfall eines Vorsteuerabzugs wird eine negative Abgrenzung gegen­ übergestellt.2342 Hiernach ist ein Vorsteuerabzug insbesondere immer dann ausgeschlossen, wenn ein Leistungsbezug privat veranlasst ist. Da­ mit wird noch einmal die konsequente Unterscheidung innerhalb des GSTA AUS anhand des Verbrauchsteuerprinzips zwischen dem Steuer­ pflichtigen auf der einen Seite und dem privaten Endverbraucher auf der anderen Seite verdeutlicht. Eine endgültige steuerliche Belastung durch den Ausschluss vom Vorsteuerabzug soll nur derjenige zu tragen haben, der eine Leistung zu privaten Zwecken bezieht.2343 Neben den privaten

2340 S 11-15 GSTA AUS (Meaning of creditable purpose): (1) You acquire a thing for a creditable purpose to the extent that you acquire it in *carrying on your *enterprise. […]. 2341 Vgl. auch Cooper/Vann, Sydney Law Review 1999, 337 (391); Millar/McCarthy, Australia, in: Ecker et al., The Future of Indirect Taxation, S. 21 (48 f.). 2342 Vgl. s 11-15(2) GSTA AUS (Meaning of creditable purpose): However, you do not acquire the thing for a creditable purpose to the extent that: (a) the acquisition relates to making supplies that would be *input taxed; or (b) the acquisition is of a private or domestic nature. 2343 Wegen dieser stringenten Trennung könnte die Auffassung vertreten werden, dass grundsätzlich ein Anspruch zum Vorsteuerabzug besteht, wenn die Voraus­ setzungen einer enterprise vorliegen. Dann wäre ein Vorsteuerabzug nur ausge­ schlossen, wenn die Voraussetzungen der s 11-15(2) GSTA AUS erfüllt wären. Bei dieser Lesart wäre der Vorsteueranspruch letztlich negativ abzugrenzen, so z. B. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 311; ebenso vermutlich Millar/ McCarthy, Australia, in: Ecker et al., The Future of Indirect Taxation, S. 21 (26). Auf die positive Feststellung, dass eine Leistung für die Belange der enterprise bezogen wurde, käme es dann nicht mehr an. Demgegenüber lässt sich mit Blick auf die Ausgangsregelung in s 11-15(1) GSTA AUS ebenfalls vertreten, dass die in s 11-15(2)(b) GSTA AUS genannten negativen Kriterien eine überflüssige Rege­ lung darstellen. Denn die Verfolgung privater Gründe kann von vornherein nicht einer enterprise dienen, so dass private Gründe bereits durch s 11-15(1) GSTA AUS ausgeschlossen sind. Eine praktische Bedeutung dürfte dieser Streit in der Regel jedoch nicht erlangen. Aus Sicht der Finanzbehörden erweist sich s 11-15(2) GSTA AUS zumindest als hilfreiche Regelung zur Bestimmung des Vorsteueranspruchs; vgl. zu dieser Streitfrage auch Krever, GST Legislation Plus, S. 103.

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IV.  Die Vollbesteuerung

Gründen führt auch die Ausführung bestimmter steuerfreier Leistungen (input taxed supplies) zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug.2344 Die Vorstellung, wie die öffentliche Hand innerhalb des einzuführenden australischen Mehrwertsteuerrechts behandelt werden soll, wurde be­ reits im Rahmen der erstmaligen Veröffentlichung des entsprechenden Reformvorhabens skizziert.2345 Als Grundsatz sollen alle kommerziellen Tätigkeiten staatlicher Einrichtungen in den Anwendungsbereich der GST fallen, während die steuerliche Belastung nichtkommerzieller Tä­ tigkeiten nicht beabsichtigt wird.2346 Zu Letzteren sollen vor allem regu­ latorische Tätigkeiten gehören.2347 Aber auch für innerstaatliche Trans­ fer- und Förderungszahlungen soll grundsätzlich angenommen werden, dass diese im Zusammenhang mit nichtkommerziellen Tätigkeiten ste­ hen.2348 Die Einbindung der öffentlichen Hand in das Mehrwertsteuerrecht in persönlicher Hinsicht erfolgt wie im neuseeländischen Recht über eine Fiktion der hierfür erforderlichen Voraussetzung.2349 So bildet die Tätig­ keit von staatlichen Einrichtungen aufgrund ihrer Rechtsform stets eine enterprise im Sinne der australischen GST.2350 Auf die Frage, ob die aus­ geübte Tätigkeit tatsächlich die Voraussetzungen einer enterprise erfüllt, kommt es damit nicht mehr an. Folglich unterliegt die öffentliche Hand in persönlicher Hinsicht immer der GST, so dass ihre Ausgangsleistun­ gen beim Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen grundsätzlich be­ steuert werden. Der wesentliche Grund eines solchen Vorgehens besteht in der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen öffentlichen und privaten Anbietern von Leistungen.2351 Eine weitere besondere Rege­ lung besteht darin, dass sich auch staatliche Einheiten, die keine eigene 2344 S 11-15(2)(a) GSTA AUS. 2345 Costello, Tax Reform: not a new tax – a new tax system, S. 98. 2346 Vgl. Costello, ebenda. So wurden income tax, Medicare levy, land tax, stamp duties, motor vehicle registration fees, water and sewerage rates and charges, local government rates als Indiz für eine nicht kommerzielle Leistung angese­ hen, vgl. hierzu Costello, a. a. O., S. 16, 22; aber auch die privaten Unternehmer wurden insoweit befreit, vgl. s 38-G GSTA AUS sowie Brysland, The Tax Specia­ list 1999, 173 (178). 2347 Vgl. Brysland, The Tax Specialist 1999, 173. 2348 Vgl. Costello, Tax Reform: not a new tax – a new tax system, S. 98. 2349 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 169. 2350 S 9-20 GSTA AUS (Enterprises): (1) An enterprise is an activity, or series of activities, done: […] (g) by the Commonwealth, a State or a Territory, or by a body corporate, or corporation sole, established for a public purpose by or under a law of the Commonwealth, a State or a Territory; or […]. 2351 Vgl. Krever, GST Legislation Plus, S. 567; Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (138).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Rechtspersönlichkeit besitzen, als Steuerpflichtige registrieren lassen können.2352 Aber nicht nur in Bezug auf die subjektiven Voraussetzungen einer steu­ erbaren Leistung finden sich abweichende Bestimmungen für die mehr­ wertsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand, sondern vor allem auch für die sachliche Voraussetzung eines Entgelts,2353 gegen welches eine Leistung für die steuerliche Erfassung des Vorgangs ausgeübt werden muss.2354 Aus den entsprechenden Vorschriften ergibt sich ein Geflecht von Fiktionen,2355 die entweder Ausnahmen2356 oder Bestätigungen2357 bzw. Erweiterungen2358 des weit angelegten Entgeltbegriffs (considera­ tion) begründen. Überwiegend kommt es dabei jedoch zu einer Einschrän­ kung des Entgeltbegriffs und damit zu einer Einschränkung der Besteue­ rung von Leistungen der öffentlichen Hand, womit der politischen Zielvorgabe, nichtkommerzielle Leistungen unbesteuert zu lassen, ent­ sprochen wird.2359 Aufgrund dieser besonderen Vorgaben sind zum einen Finanzzuweisun­ gen zwischen staatlichen Einrichtungen (government related entities)2360 grundsätzlich kein Entgelt und führen damit nicht zu einer Besteuerung einer damit verbundenen Ausgangsleistung.2361 Zum anderen erfolgt eine Einschränkung im Fall der Zahlung von Steuern, Gebühren und Beiträ­ gen (taxes, fees and charges).2362 Danach stellen Steuern grundsätzlich kein Entgelt dar, wenn gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist.2363 2352 S 149-5 GSTA AUS. 2353 Vgl. z. B. s 9-17(3) und Divison (Div) 81 GSTA AUS. 2354 S 9-5(a) GSTA AUS. 2355 Vgl. zur Veranschaulichung die Ausführungen der australischen Finanzverwal­ tung im Practice Statement Law Administration (General Administration), GST treatment of Australian fees or charges under Division 81 of the A New Tax Sys­ tem (Goods and Services Tax) Act 1999, PS LA 2013/2 (GA) v. 13.6.2013, abrufbar unter http://law.ato.gov.au (6.4.2016). 2356 Vgl. z. B. s 9-17(3), s 81-5(1) GSTA AUS. 2357 Vgl. z. B. s 81-15(2) GSTA AUS i. V. m. s 81-10.01 A New Tax System (Goods and Services Tax) Regulations (GSTR AUS); diese regulations sind ebenfalls abrufbar unter http://law.ato.gov.au (6.4.2016). 2358 S 81-5(2) GSTA AUS sieht die Möglichkeit vor, dass die Zahlung von australi­ schen Steuern als Entgelt berücksichtigt wird, wenn dies gesetzlich bestimmt ist. 2359 Vgl. Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (163); diese Einschränkung war seitens des Gesetzgebers auch von Anfang vorgesehen, vgl. Cooper/Vann, UNSW Law Journal, Vol. 23 (2000), 252 (262). 2360 Vgl. die Definition des Begriffs government related entity in s 195-1 GSTA AUS.  2361 S 9-17(3) und (4) GSTA AUS; vgl. hierzu Krever, GST Legislation Plus, S. 63 ff.; Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (156) und (158). 2362 Vgl. Div 81 GSTA AUS. 2363 Vgl. s 81-5 GSTA AUS.

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IV.  Die Vollbesteuerung

Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass eine solche gesetzliche Regelung bisher erlassen wurde.2364 Bei den Gebühren und Beiträgen ist die Rechts­ lage hingegen nicht so eindeutig und übersichtlich. So werden zwar auf der einen Seite bestimmte Tätigkeiten staatlicher Einrichtungen ge­ nannt, in deren Zusammenhang die Zahlung einer Gebühr oder eines Beitrags kein Entgelt darstellt.2365 Dies sind vor allem Tätigkeiten, die mit staatlichen bzw. behördlichen Erlaubnisverfahren oder mit der Zur­ verfügungstellung von Informationen zusammenhängen.2366 Aber auch Gebühren und Beiträge für Tätigkeiten in dem Bereich der Müllentsor­ gung oder die mit einer regulierenden Tätigkeit einer staatlichen Stelle verbunden sind, entsprechen keinem Entgelt. Auf der anderen Seite fin­ det sich jedoch eine Vielzahl von Tätigkeiten und Bereiche, in denen eine gezahlte Gebühr oder ein gezahlter Beitrag grundsätzlich ein Entgelt dar­ stellt.2367 So führt die Erhebung von Maut- und Parkgebühren2368 ebenso zu Entgelten wie auch Zahlungen im Zusammenhang mit Handlungen, die nicht regulierend wirken bzw. begründet sind.2369 Insgesamt lässt sich aus der Systematik ableiten, dass auf diesem Wege das politische Ziel der steuerlichen Belastung von Aufwendungen für kommerziell motiviertes und der Verschonung nicht kommerziell veranlassten staatlichen Han­ delns umgesetzt werden soll. Die Einteilung von Steuern, Gebühren und Beiträgen in einen besteuer­ ten und einen nicht besteuerten Teil anhand des Inhalts staatlichen Han­ delns stellt dabei bereits den zweiten Versuch dar, die Besteuerung der öffentlichen Hand entsprechend der politischen Zielvorgaben zu regeln und gilt vollumfänglich erst für Zahlungen ab Juli 2013.2370 Der erste Ver­ such bestand in einem schlichten Regel-Ausnahme-Schema. So wurde

2364 Vgl. für die Zeit bis zum 13.6.2013 die Ausführungen der australischen Finanz­ verwaltung im Practice Statement Law Administration (General Administrati­ on), GST treatment of Australian fees or charges under Division 81 of the A New Tax System (Goods and Services Tax) Act 1999, PS LA 2013/2 (GA) v. 13.6.2013, Rz. 17 in Fn. 10, abrufbar unter http://law.ato.gov.au (6.4.2016). 2365 Vgl. s 81-10(1) i. V. m. (4) und (5) GSTA AUS; s 81-15 GSTA AUS i. V. m. s 81.15-01 GSTR AUS. 2366 Vgl. die Überschriften zu s 81-10(4) GSTA AUS (Fees or charges paid for per­ missions etc.) und s 81-10(5) GSTA AUS (Fees or charges relating to information and record-keeping etc.). 2367 Vgl. s 81-10(2) GSTA AUS i. V. m. s 81-10.01 GSTR AUS. 2368 S 81-10.01(1)(a) und (b) GSTR AUS. 2369 Vgl. z. B. s 81-10.01(1)(f) und (g) GSTR AUS. 2370 Die gesetzliche Änderung erfolgte bereits zum 1.7.2011. Allerdings galt für die bisherigen taxes, fees and charges, die nach der alten Regelung steuerfrei behan­ delt wurden, zunächst eine einjährige Übergangszeit bis zum 1.7.2012. Diese wurde jedoch im Zuge der Änderungen in 2012 noch einmal bis zum 1.7.2013 erweitert, vgl. z. B. s 81-15.01(1)(h) GSTR. Vgl. zum alten Recht Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (162 f.).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

die Zahlung von Steuern, Gebühren und Beiträgen als Entgelt fingiert.2371 Gleichzeitig besaß der Finanzminister (Treasurer) die Möglichkeit, diese Fiktion für einzelne Steuern, Gebühren oder Beiträge wieder rückgängig zu machen und ihre Behandlung als Entgelte gesetzlich auszuschließen. Das Ergebnis war eine Liste über Abgaben, denen kein Entgeltcharakter zukommen soll, die zweimal im Jahr aktualisiert wurde und bis zur Än­ derung des Gesetzes im Jahr 2011 über 680 Seiten umfasste.2372 Hinter­ grund der Änderung des Systems war vor allem, dass sich das Verfahren mit der Liste als sehr umständlich und angesichts des Umfangs auch als unübersichtlich erwies.2373 Mit der Neuregelung war jedoch keine Ände­ rung hinsichtlich des tatsächlichen Umfangs der Besteuerung von Steu­ ern, Gebühren und Beiträgen vorgesehen.2374 Wie im neuseeländischen Recht sieht der australische GSTA ebenfalls keine besonderen Regelungen für den Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand vor.2375 Anders als Neuseeland unterwirft Australien jedoch in nur eingeschränktem Umfang das Handeln der staatlichen Einrichtungen der Mehrwertsteuer, so dass zu erwarten wäre, dass sich die Einschränkun­ gen auf der Ausgangsseite wiederum auch nachteilig auf den Umfang des Vorsteuerabzugs auswirken müssten.2376 Tatsächlich aber bleiben die Einschränkungen auf der Ausgangsseite für die Frage des Vorsteuerab­ zugs ohne Belang.2377 Denn für den Vorsteuerabzug reicht bereits ein be­ stehender Zusammenhang mit der die enterprise begründenden Tätig­ keit, auf eine Verwendung zur Ausübung besteuerter Leistungen kommt es hingegen nicht an.2378 Indem nun die staatlichen Einrichtungen bereits aufgrund ihrer Rechtsform den Status einer enterprise besitzen, gehört im Ergebnis das gesamte Handeln zum Unternehmen und dient diesem. Damit bleibt der öffentlichen Hand der Vorsteuerabzug auch dann er­ halten, wenn die Tätigkeiten nicht zu steuerbaren Ausgangsleistungen

2371 Vgl. s 81-1 GSTA AUS a. F., als Gesetzeshistorie abrufbar unter http://law.ato. gov.au (6.4.2016); vgl. zum alten Recht Brysland, The Tax Specialist 1999, 173 (174); Millar/McCarthy, Australia, in: Ecker et al., The Future of Indirect Taxa­ tion, S. 21 (49). 2372 Vgl. zu dieser Liste Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (162 f.). 2373 Vgl. House of Representatives, Tax Laws Amendment (2011 Measures No. 2) Bill 2011, Tax Laws Amendment (2011 Measures No. 2) Act 2011, Explanatorium Memorandum, Rz. 4.9, abrufbar bei den Extrinsic Materials unter http://law.ato. gov.au (6.4.2016). 2374 Vgl. Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (164). 2375 Vgl. Millar, a. a. O., S. 135 (159). 2376 So z. B. Copenhagen Economics, VAT in the public sector (2013), S. 122. 2377 Vgl. Millar/McCarthy, Australia, in: Ecker et al., The Future of Indirect Taxa­ tion, S. 21 (48). 2378 Vgl. s 11-15(1) GSTA AUS.

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IV.  Die Vollbesteuerung

führen.2379 Vor dem Hintergrund, dass staatliche Einrichtungen keine ei­ genen privaten Interessen verfolgen können, scheidet demnach ein Vor­ steuerabzug nur dann aus, wenn Eingangsleistungen für Ausgangsleis­ tungen verwendet werden, die ohne Anspruch auf Vorsteuerabzug von der Besteuerung befreit sind (input taxed). (2) Auswertung und Zusammenfassung der Ergebnisse Während die Behandlung als Steuersubjekt sich in der Mehrwertsteuer­ systemrichtlinie danach richtet, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit ausge­ übt wird, und in der neuseeländischen GST danach, ob eine steuerbare Tätigkeit (taxable activity) vorliegt, richtet sich die australische GST danach, ob eine Tätigkeit ein Unternehmen (enterprise) begründet. So wie in Neuseeland fingiert wird, dass das Handeln von staatlichen Ein­ richtungen stets eine taxable activity bildet, so geht das australische Recht davon aus, dass dadurch stets eine enterprise begründet wird. In­ dem die Besteuerung in persönlicher Hinsicht eine enterprise voraus­ setzt, sollen vor allem die unselbständig oder nur aus privaten Gründen Handelnden aus dem Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts ausgeschlossen werden.2380 Vor diesem Hintergrund entspricht die unein­ geschränkte Einbeziehung der öffentlichen Hand, deren Einheiten in der Regel weder unselbständig noch aus privater Veranlassung heraus han­ deln, der Trennungswirkung, welche mit der Voraussetzung einer enterprise beabsichtigt wird. Die vollständige Einbeziehung der öffentlichen Hand in das Mehrwert­ steuerrecht führt dazu, dass die von ihr gegen Entgelt ausgeübten Leis­ tungen grundsätzlich steuerlich belastet werden. Soweit es jedoch an ei­ ner ausreichenden Verbindung (sufficient nexus) zwischen den beiden Elementen Leistung und Entgelt fehlt, kommt eine Besteuerung nicht in Betracht. Anders als im neuseeländischen Recht wird ein solcher Zusam­ menhang auch nicht in nahezu jedem Fall einer Geldleistung an eine staatliche Einrichtung fingiert. Vielmehr wird im australischen Mehr­ wertsteuerrecht mithilfe von gesetzlichen Vorgaben zur Behandlung bzw. Nichtbehandlung von bestimmten Geldleistungen als mehrwert­ steuerrechtliches Entgelt das politische Ziel verfolgt, kommerzielle Leis­ tungen der öffentlichen Hand zu besteuern, nichtkommerzielle Leistun­ gen hingegen von der Besteuerung auszunehmen. Aus diesem Grund werden im Ergebnis Steuerzahlungen und grundsätzlich auch finanzielle Zuweisungen zwischen staatlichen Einrichtungen in vollem Umfang von der Besteuerung ausgenommen. Im Bereich der Gebühren und Bei­ 2379 Hierbei handelt es sich um eine typische Behandlung von öffentlichen Einrich­ tungen in modernen Mehrwertsteuersystemen, vgl. de la Feria/Krever, Ending VAT Exemptions, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 3 (20). 2380 Vgl. s 9-20(2)(a) und (b) GSTA AUS.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

träge werden diese zwar aufgrund besonderer Vorgaben für bestimmte Tätigkeiten zwingend steuerlich belastet, für andere bestimmte Tätig­ keiten ist aber auch der Ausschluss von einer Besteuerung gesetzlich ge­ regelt. Anders als in Neuseeland ist damit eine vollumfassende Besteue­ rung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand von vornherein nicht vorgesehen. Der Vorsteuerabzug für die öffentliche Hand richtet sich nach den allge­ meinen Regeln, nach denen jeder Leistungsbezug für die eine enterprise begründende Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt. Folglich wird nach dieser Systematik jeder, der mit seiner Tätigkeit dem Anwendungs­ bereich der GST unterliegt, über den Vorsteuerabzug vor einer steuerli­ chen Belastung dieser Tätigkeit bewahrt. Ob und inwieweit die Tätigkeit selbst zu besteuerten Leistungen führt, ist dafür unerheblich. Eine Aus­ nahme gilt nur für Eingangsleistungen, die für steuerfreie Ausgangsleis­ tungen verwendet werden, welche den gleichzeitigen Vorsteuerabzug explizit ausschließen (input taxed supplies). Diese Trennung zwischen Eingangs- und Ausgangsseite für die Frage des Vorsteuerabzugs führt dazu, dass die öffentliche Hand, deren Tätigkeit schon von Gesetzes ­wegen eine enterprise begründet, auch für grundsätzlich nicht steuer­ bare Leistungen den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann. Die ­Einschränkungen auf der Ausgangsseite der öffentlichen Hand bleiben damit insoweit folgenlos und das Erfordernis einer unmittelbaren und direkten Verbindung zu besteuerten Ausgangsumsätzen, wie es im har­ monisierten Mehrwertsteuerrecht der Europäischen Union besteht,2381 ist der australischen GST unbekannt.2382 Des Weiteren besteht nach aus­ tralischem Recht nicht wie in Neuseeland die Notwendigkeit, Handlun­ gen der öffentlichen Hand als steuerbare Leistungen zu fingieren, um deren vollumfassenden Vorsteuerabzug zu gewährleisten.2383 b) Empfehlungen Aus der Bewertung der Vorschläge der Europäischen Kommission und der Untersuchung der Umsetzung der Vollbesteuerung in Neuseeland und Australien sollen im Folgenden als Ergebnis konkrete Empfehlungen für die Einführung einer an dem Modell der Vollbesteuerung orientierten Behandlung der öffentlichen Hand innerhalb der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie vorgestellt werden. 2381 Vgl. Art. 168 lit. a MwStSystRL; EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-29/08 (AB SKF), EU:C:2009:665, Rz. 57; Urt. v. 6.9.2012 – Rs. C-496/11 (Portugal Telecom), EU:C:2012:557, Rz. 35. 2382 Vgl. de la Feria/Krever, Ending VAT Exemptions, in: de la Feria, VAT Exemp­ tions, S. 3 (16 f.); Millar/McCarthy, Australia, in: Ecker et al., The Future of Indi­ rect Taxation, S. 21 (48 f.). 2383 Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (159).

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IV.  Die Vollbesteuerung

aa) Tätigkeit der öffentlichen Hand als wirtschaftliche Tätigkeit Das Modell der Vollbesteuerung sieht eine vollständige Einbeziehung der öffentlichen Hand in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer vor. Dies ist auch sachgerecht. So lassen sich die Zwecke, die sie mit ihrem Handeln regelmäßig verfolgt, schon dem Grunde nach weder mit denen von Privatpersonen noch mit nichtselbständig Handelnden, allen voran Arbeitnehmern, vergleichen. Auch besitzt die öffentliche Hand keinen erkennbaren Abwehranspruch gegen die Auferlegung steuerlicher Pflich­ ten. Praktikabilitätserwägungen, wie zum Beispiel zugunsten eines öko­ nomischen Verwaltungshandelns, ließen sich zudem über eine Ausnah­ meregelung berücksichtigen. Angesichts des Ziels der Mehrwertsteuer, Vermögensverwendungen für den privaten Endkonsum zu belasten, ist es nur als folgerichtig anzusehen, dass bereits bei der Frage der persönli­ chen Einbindung des Mehrwertsteuerrechts in Neuseeland und Australi­ en stringent zwischen privatem und wirtschaftlichem Handeln unter­ schieden wird. Im harmonisierten Mehrwertsteuerrecht der Europäischen Union wird in dieser Frage eine solche konsequente Zweiteilung nicht vorgenommen. Dies liegt vor allem in dem vergleichsweise engen Ver­ ständnis des Begriffs der wirtschaftlichen Tätigkeit begründet. Dadurch werden Tätigkeiten vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer aus­ geschlossen, die keinen privaten Charakter besitzen, gleichwohl aber als nichtwirtschaftlich im Sinne des Art. 9 MwStSystRL angesehen werden. Dies betrifft vor allem Tätigkeiten der öffentlichen Hand, die wegen ein­ zelner Besonderheiten ihres Handelns bereits mangels der Begründung einer persönlichen Steuerpflicht steuerlich nicht erfasst werden.2384 In diesen Fällen besteht zudem kein besonderer Schutz vor Wettbewerbs­ verzerrungen. Vor diesem Hintergrund ist es als nicht ausreichend zu beurteilen, wenn die besonderen Bestimmungen zur persönlichen Steuerpflicht der öffent­ lichen Hand mit Art. 13 MwStSystRL abgeschafft werden, wie es die Vor­ schläge der Europäischen Union vorsehen. Denn wesentliche Probleme liegen bereits in Art. 9 MwStSystRL und seiner Auslegung verortet. Viel­ mehr wäre eine Regelung zu treffen, nach der das Handeln einer Einrich­ tung des öffentlichen Rechts stets eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sin­ ne des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL darstellt.2385 Die mit einer solchen Bestimmung erfolgende Abweichung von der Rechtsformneutralität mag zwar auf den ersten Blick befremdlich wirken. Damit ließe sich jedoch verhindern, dass bereits der Ausschluss der öffentlichen Hand vom An­ wendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts zu einer teilweisen Nicht­ besteuerung von Ausgangsleistungen und darauf beruhenden Wettbe­ 2384 Vgl. hierzu oben unter A. II. 1. 2385 Vgl. auch Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 185 f.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

werbsverzerrungen oder zu ihrer Behandlung als Steuerträgerin führt. Eine gegebenenfalls aufwendige Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der persönlichen Steuerpflicht entfiele damit ebenfalls. bb) Beschränkung der Besteuerung auf gegen Entgelt ausgeübte ­Leistungen Das Modell der Vollbesteuerung zielt auf eine umfassende Besteuerung der Leistungen der öffentlichen Hand ab. So scheint eine Besteuerung aller Tätigkeiten, unabhängig von der Frage eines entsprechenden Ent­ gelts, nur konsequent zu sein. Die damit verbundenen Schwierigkeiten, insbesondere in Bezug auf die Bemessungsgrundlage, ließen sich grund­ sätzlich mithilfe besonderer Regeln beheben. Allerdings hat sich gezeigt, dass eine so weitgehende steuerliche Erfassung im Widerspruch zu den maßgeblichen Zielvorgaben stehen würde.2386 Der Blick auf die Regelun­ gen in Neuseeland und Australien zeigen zudem, dass deren moderne Mehrwertsteuersysteme ebenfalls grundsätzlich auf einen ausreichen­ den Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt abstellen. Es ist zwar zutreffend, dass in Australien und in Neuseeland bei Geldleistun­ gen an staatliche Einrichtungen teilweise ein solcher Zusammenhang fingiert wird, wenn dieser andernfalls nicht oder nicht zweifelsfrei vorlä­ ge. Gleichwohl ist jeweils eine Geldleistung für eine Besteuerung erfor­ derlich. Denn es wird nur die Qualifizierung einer Geldleistung als ein aus steuerlicher Sicht relevantes Entgelt fingiert, nicht aber die Geldleis­ tung selbst. Angesichts dieses Befundes ist für die Einführung einer Voll­ besteuerung innerhalb der Europäischen Union festzuhalten, dass von einer Besteuerung aller Tätigkeiten unabhängig vom Vorliegen eines Ent­ gelts abzusehen ist. Die Frage, die sich daran anschließt, ist, welche inhaltlichen Anfor­ derungen an den Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt zu stel­ len sind. Wie die Rechtsprechung des EuGH,2387 aber auch das Beispiel Australien2388 anschaulich aufzeigen, ist diese Frage insbesondere für Geldleistungen an die öffentliche Hand, die als Steuern, Gebühren oder Beiträge gezahlt werden, relevant. Allerdings handelt es sich bei dem er­ forderlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt um eine Frage, die nicht allein im Zusammenhang mit der Besteuerung der öf­ fentlichen Hand zu klären ist. Denn diese ist für die steuerliche Behand­ lung von Personen des Privatrechts von nicht geringerer Bedeutung. Aus diesem Grund lassen sich grundsätzlich keine spezifischen Vorgaben für 2386 Vgl. Ausführungen zur Bewertung des Vorschlags der Europäischen Kommission oben unter D. IV. 2. a) aa). 2387 Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 51; hierzu oben unter A. II. 1. a) aa) (3). 2388 Vgl. s 9-17 und Div 81 GSTA AUS.

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IV.  Die Vollbesteuerung

den Zusammenhang von Leistung und Entgelt postulieren, sobald die öffentliche Hand an einem Vorgang beteiligt ist. Um aber Schwierigkei­ ten in der Rechtsanwendung zu vermeiden bzw. eine politisch gewollte und auch rechtlich mögliche Behandlung von Geldleistungen an staatli­ che Einrichtungen zu gewährleisten, bietet es sich an, unter Berücksich­ tigung der bzw. in Anknüpfung an die allgemeinen Anforderungen für einen Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung gezielte Rege­ lungen zu erlassen. Bliebe es zum Beispiel bei der Forderung des EuGH, dass ein Entgelt dem tatsächlichen Wert einer Leistung entsprechen muss,2389 mit der Folge, dass quersubventionierte öffentliche Leistungen nicht besteuert werden, ließe sich diese Lücke durch eine entsprechende Regelung schließen. So könnte in diesen Fällen zur Wahrung des Ziels einer gleichmäßigen steuerlichen Belastung2390 das Vorliegen eines Ent­ gelts in Bezug auf die tatsächlich erfolgte Geldleistung fingiert werden. Das Beispiel zeigt allerdings, dass ein solches Vorgehen allenfalls ein Be­ helf darstellen kann. Idealiter sollten deswegen in Abkehr vom gegen­ wärtigen engen Verständnis die allgemeinen Anforderungen an den Zu­ sammenhang von Leistung und Entgelt weiter gefasst werden.2391 Dieses würde auch dem Ziel der gleichmäßigen Belastung von Konsumaufwen­ dungen entsprechen. Angesichts der bisherigen Rechtsprechung des EuGH bedarf es allerdings hierfür einer ausdrücklichen Regelung in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie.2392 Zusammengefasst ist bei einer Reform der Behandlung der öffentlichen Hand von einer Besteuerung aller Tätigkeiten abzusehen und auf solche, die gegen Entgelt ausgeübt werden, zu beschränken. Des Weiteren sind die einschränkenden Zielvorgaben für Leistungen, die dem existenzsi­ chernden Konsum dienen, zu berücksichtigen und entsprechende rechts­ formunabhängige Befreiungsvorschriften aufzunehmen.2393 Darüber hin­ aus wäre zu erwägen, ob nicht auch die Zahlung von Gebühren und Beiträgen in bestimmten Bereichen als Entgelt fingiert werden sollten. cc) Vorsteuerabzug unabhängig von besteuerten Ausgangsleistungen Das Modell der Vollbesteuerung verfolgt neben einer umfassenden Be­ steuerung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand korrespon­ dierend dazu eine entsprechende Beseitigung der steuerlichen Belastung auf der Eingangsseite durch die Gewährleistung eines Vorsteuerabzugs. 2389 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – Rs. C-246/08 (Kommission/Finnland), EU:C:2009:671, Rz. 51; oben unter A. II. 1. a) aa) (3). 2390 Vgl. hierzu oben unter A. II. 1. a) aa) (3). 2391 Vgl. hierzu ausführlich Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 178 ff. 2392 Henkow, a. a. O., S. 187, hat insoweit einen interessanten Vorschlag unterbreitet. 2393 Vgl. Henkow, a. a. O., S. 186.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Sowohl die Vorschläge der Europäischen Kommission als auch das Mehr­ wertsteuerrecht in Neuseeland knüpfen die Möglichkeit zum Vor­ steuerabzug an die Ausübung besteuerter Ausgangsleistungen. Soweit Tätigkeiten der öffentlichen Hand nicht zu dem Mehrwertsteuerrecht unterliegenden Leistungen führen, lässt sich eine vollständig steuerlich neutrale Behandlung der öffentlichen Hand auf dieser Grundlage nicht erreichen. Der vollständige Abzug der anfallenden Vorsteuer stellt auch den zentralen Grund dar, warum die Europäische Union einen Vorschlag zur Besteuerung aller Tätigkeiten unterbreitet hat und in Neuseeland selbst die Zuweisung öffentlicher Mittel als Entgelt für eine Leistung fingiert wird. Wie sich bereits aus der vorherigen Empfehlung entneh­ men lässt, ist von einem solchen Vorgehen jedoch abzusehen. Um gleich­ wohl eine steuerlich neutrale Behandlung der öffentlichen Hand zu ge­ währleisten, darf der Vorsteuerabzug letztlich nicht von der Ausführung steuerpflichtiger Ausgangsleistungen abhängen. Hier bietet sich eine Orientierung an der australischen Regelung an, welche für den Vorsteu­ erabzug an die Ausübung einer die Behandlung als Steuersubjekt begrün­ denden Tätigkeit anknüpft.2394 Vor diesem Hintergrund ist bei einer Umsetzung der Vollbesteuerung eine eigenständige Regelung zum Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand einzuführen, nach der grundsätzlich allein wegen ihrer Rechtsform ein Vorsteueranspruch besteht.2395 Dieser müsste jedoch ausgeschlossen sein für den Fall, dass eine Tätigkeit von der Besteuerung befreit ist und der Vorsteuerabzug grundsätzlich ausgeschlossen ist, so dass es in der Regel zu einer verdeckten Weitergabe der beim Leistungserbringer anfallenden Steuerlast kommt.2396 Darüber hinaus wäre der Vorsteuerabzug im Fall der Verwendung von Eingangsleistungen für private Zwecke von Arbeit­ nehmern entsprechend der für private Steuerpflichtige geltenden Regeln einzuschränken.2397 Nachteilig bei dieser Lösung ist der Umstand, dass ein eigenständiges Abzugsrecht wieder eine besondere Behandlung für die öffentliche Hand 2394 Henkow schlägt hingegen hierfür vor, die Verbindung im Wege einer Fiktion zu überwinden, nach der jede Eingangsleistung der öffentlichen Hand als für eine besteuerte Ausgangsleistung bezogen gilt, vgl. ders., ebenda. 2395 Vgl. auch Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 186. 2396 A. A. Henkow, ebenda, der zugunsten des Abbaus von Hemmnissen für den Be­ zug von Fremdleistungen den Ausschluss für steuerfreie Leistungen auf die Fälle beschränken will, in denen ein Wettbewerb mit privaten Steuerpflichtigen be­ steht. Eine solche Lösung würde jedoch zum einen der gesetzlichen Wertung des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs, nach der auch in diesem Fall der Leistungs­ empfänger intendierter Steuerträger ist, entgegenstehen. Zum anderen muss in jedem Fall einer Steuerbefreiung der Wettbewerbsvorbehalt geprüft werden, was wiederum zu Verwaltungsaufwand und Rechtsunsicherheiten führen kann. 2397 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 186 in Fn. 32.

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IV.  Die Vollbesteuerung

begründet. Fraglich ist dabei zunächst, ob sich hierdurch eine Besserstel­ lung der öffentlichen Hand ergibt, die eine Beeinträchtigung des Wett­ bewerbs zum Nachteil privater Wirtschaftsteilnehmer hervorrufen könnte.2398 Nach der hier vorgestellten Lösung kommt eine ungleiche Behandlung nur im Fall der Ausübung von Tätigkeiten in Betracht, die nicht steuerbar sind. Denn im Fall einer steuerpflichtigen und oder auch steuerfreien Tätigkeit werden öffentliche und private Steuerpflichtige in Bezug auf den Vorsteuerabzug gleich behandelt. Im Fall der Ausübung nicht steuerbarer Tätigkeiten bleibt hingegen dem privaten Steuerpflich­ tigen nach Art. 167, 168 MwStSystRL der Vorsteuerabzug in der Regel versagt, während in diesem Fall die öffentliche Hand ein Recht zum Vor­ steuerabzug erlangen würde. Voraussetzung für eine Wettbewerbsverzer­ rung ist, dass sich vergleichbare Ausgangsleistungen konkurrierend ge­ genüberstehen und die ungleiche Behandlung beim Vorsteuerabzug zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führt, indem die Privatperson einer Kostenbelastung ausgesetzt ist, die öffentlich-rechtliche Einrichtung hingegen nicht.2399 Prinzipiell dürfte es jedoch zu keiner Verzerrung des wirtschaftlichen Wettbewerbs kommen. Denn wenn eine Privatperson schon keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sollte dieses gleichbedeu­ tend damit sein, dass keine Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsver­ kehr gegeben ist. Damit wäre aber auch von vornherein ein relevantes Wettbewerbsverhältnis zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Personen ausgeschlossen.2400 Bedenken könnten jedoch dahingehend bestehen, dass der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Art. 9 MwStSystRL nicht ge­ währleistet, dass sämtliche nichtprivaten und nicht unselbständigen Tä­ tigkeiten darunter fallen.2401 So entspricht zum Beispiel das Erwerben und Halten von Beteiligungen einer Holdinggesellschaft keiner Tätig­ keit, die unter Art. 9 MwStSystRL fällt,2402 obwohl diese damit keine pri­ 2398 So Henkow, der aus diesem Grund befürwortet, im Rahmen eines weitergehen­ den Abzugsrechts der öffentlichen Hand allgemein eine Wettbewerbsklausel zum Schutz der privaten Wirtschaftsteilnehmer einzufügen, vgl. ders., a. a. O., S. 186. 2399 Anders Liegmann, Umsatzsteuerbelastung öffentlicher Vertragspartner bei PPP-Projekten, S. 199, der allein von einer Ungleichbehandlung beim Vorsteuer­ abzug auf das Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung schließt, ohne darauf ein­ zugehen, ob und inwieweit eine Konkurrenzsituation überhaupt besteht. Allein das Ausüben vergleichbarer Tätigkeiten, die jedoch nicht auf eine Leistungser­ bringung nach außen hin gerichtet sind, reicht dafür nicht aus. 2400 Vgl. zum Begriff des Wettbewerbsverhältnisses oben unter A. II. 1. c) cc) (1). 2401 Vgl. de la Feria/Krever, Ending VAT Exemptions, in: de la Feria, VAT Exemp­ tions, S. 3 (16). 2402 Vgl. EuGH, Urt. v. 20.6.1991 – Rs. C-60/90 (Polysar Investments Netherlands), EU:C:1991:268, Rz. 17; Urt. v. 6.9.2012 – Rs. C-496/11 (Portugal Telecom), EU:C:2012:557, Rz. 31; hierzu Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rz. 82.

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

vaten Zwecke verfolgt und nicht unselbständig handelt. Allerdings gilt dies nur, wenn sich die Holding auf solche Tätigkeiten beschränkt und sie gerade keine steuerbaren entgeltlichen Ausgangsleistungen aus­ übt.2403 Sollte demnach die öffentliche Hand für eine solche Tätigkeit dennoch einen Vorsteuerabzug erlangen, werden dadurch keine Wettbe­ werbsverzerrungen hervorgerufen, denn es fehlt an einem relevanten Wettbewerbsverhältnis mit privaten Ausgangsleistungen. Angesichts des engen Verständnisses, welches dem Begriff der wirtschaftlichen Tä­ tigkeit nach Art. 9 MwStSystRL zugrunde liegt, kann jedoch aus theore­ tischer Sicht nicht ausgeschlossen werden, dass eine zum Vorsteuerab­ zug berechtigende Tätigkeit der öffentlichen Hand mit einer nicht im Sinne des Art. 9 MwStSystRL wirtschaftlichen Tätigkeit einer Person des Privatrechts im Wettbewerb steht und sich damit nachteilig aus­ wirkt. Aus diesem Grund bietet es sich an, eine Wettbewerbsklausel in die besondere Regelung aufzunehmen und den Vorsteuerabzug auszu­ schließen, wenn die Tätigkeit der öffentlichen Hand im wirtschaftlichen Wettbewerb mit einer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Tätig­ keit einer Person des Privatrechts steht.2404 Der Anwendungsbereich dürfte jedoch denkbar gering ausfallen und somit zu keinen Problemen in der Rechtsanwendung und damit zu keiner nennenswerten Rechtsun­ sicherheit führen. Aus diesen Gründen sollte an dieser Stelle auch darauf verzichtet werden, bereits einen potentiellen Wettbewerb als ausrei­ chend zu erachten. Denn wie bereits die Untersuchung der Wettbe­ werbsklausel in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL gezeigt hat, sind damit erhebliche Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung verbun­ den,2405 und wegen des geringen Anwendungsbereichs der Wettbe­ werbsklausel steht dem auch ein nur geringer Gewinn an zusätzlichem Schutz für potentielle private Wettbewerber gegenüber. In Australien stellt sich die hier aufgeworfene Frage nach möglichen Be­ einträchtigungen des Wettbewerbs durch den umfassenden Vorsteuerab­ zug der öffentlichen Hand erkennbar nicht. Der maßgebliche Grund dürfte vor allem darin liegen, dass der persönliche Anwendungsbereich sehr weit gefasst ist und über den Umfang der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie hinausgeht.2406 Dadurch erscheint es nahezu ausgeschlossen, dass wirtschaftliche Tätigkeiten grundsätzlich nicht unter den Begriff des Unternehmens (enterprise) fallen. Denn mit dem Begriff des Unter­ nehmens (enterprise) wird konsequenter zwischen privatem bzw. nicht­ selbständigem Handeln und wirtschaftlichem Handeln unterschieden, 2403 Vgl. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 46 m. w. N. 2404 Vgl. Henkow, The VAT/GST treatment of public bodies, S. 186. 2405 Vgl. oben unter A. II. 2. c) cc). 2406 Vgl. Millar/McCarthy, Australia, in: Ecker et al., The Future of Indirect Taxa­tion, S. 21 (32).

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V.  Abschließende Betrachtung zu den Reformmodellen

als dies bei der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Art. 9 MwStSystRL der Fall ist. Dies spricht wiederum dafür, den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit weiter zu fassen, als das gegenwärtig der Fall ist, und strenger an dem Zweck der Abgrenzung zu privatem und nichtselbständigem Handeln auszurichten. Dies gilt allerdings auch losgelöst von der Einfüh­ rung einer Vollbesteuerung in der Europäischen Union.2407 Ein weiterer Vorteil des australischen Rechts im Vergleich zu der hier vorgeschlagenen Variante eines besonderen Abzugsrechts für die öffentli­ che Hand besteht darin, dass sich der Vorsteuerabzug für Personen des Privatrechts und öffentlich-rechtliche Personen nach denselben Regeln richtet. So knüpft der Vorsteuerabzug einheitlich an die Ausübung einer die Behandlung als Steuersubjekt begründenden Tätigkeit an. Daher er­ langen auch Personen des Privatrechts unabhängig von einer Verwendung von Eingangsleistungen für besteuerte Ausgangsumsätze einen Vorsteu­ eranspruch. Wegen des damit verbundenen umfassenden Vorsteueran­ spruchs erscheint eine Ungleichbehandlung in Bezug auf bestimmte Tä­ tigkeiten von Personen des Privatrechts und staatlichen Einrichtungen ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund wäre es vorzugswürdig, dass der Vorsteueranspruch in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ebenfalls da­ hingehend geändert wird, dass grundsätzlich nur im Fall der Verwendung für steuerfreie oder private Tätigkeiten der Vorsteuerabzug ausgeschlos­ sen ist.2408 Diese Frage ist jedoch von allgemeiner Bedeutung für die Mehr­ wertsteuer und soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.2409

V. Abschließende Betrachtung zu den Reformmodellen Die gegenwärtige Behandlung der öffentlichen Hand in der harmonisier­ ten Mehrwertsteuer und dieser grundsätzlich folgend in der nationalen Umsatzsteuer ist zum Gegenstand von konkreten Reformüberlegungen geworden. Diese lassen sich zum einen in ihrem Ansatz unterscheiden. Während sich Refundsysteme als Ausgleichsmechanismen auf die Besei­ tigung der Wirkung einer endgültigen Vorsteuerbelastung konzentrieren, verfolgt die Vollbesteuerung eine Lösung innerhalb des Mehrwertsteuer­ systems. Das Vollbesteuerungsmodell widmet sich dabei sowohl der Be­ handlung der öffentlichen Hand als Steuersubjekt sowie der steuerlichen 2407 Vgl. zu einer umfassenden Besteuerung als Folge des Gebots einer gleichmäßigen Besteuerung oben unter A. I. 2. 2408 Vgl. Millar, Smoke and Mirrors, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 135 (158); Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rz. 311. 2409 Allgemein gilt jedoch für moderne Mehrwertsteuersysteme, dass der Vorsteuer­ abzug nur an das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit und die Verwendung für diese geknüpft wird, vgl. hierzu de la Feria/Krever, Ending VAT Exemptions, in: de la Feria, VAT Exemptions, S. 3 (16 f.); Millar/McCarthy, Australia, in: Ecker et al., The Future of Indirect Taxation, S. 21 (48 f.).

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D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

Belastung ihrer Ausgangsleistungen als auch der Beseitigung ihrer end­ gültigen Belastung mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer. Zum anderen las­ sen sich die Reformüberlegungen nach der Ebene ihrer möglichen Um­ setzung unterscheiden. So sind Refundsysteme vor allem eine nationale Lösung zur Beseitigung der Folgewirkungen, die sich für die steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand durch die bindenden Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ergeben. Die Vollbesteuerung kann hin­ gegen wegen der dafür erforderlichen Änderungen des Richtlinienrechts nur auf Ebene der Europäischen Union umgesetzt werden. Bei den Reformmodellen handelt es sich um Grundideen bzw. Vorstel­ lungen über eine gegenüber der gegenwärtigen Rechtslage vorzugswürdi­ gen Vorgehensweise bei der steuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand. Sie stehen für einen grundsätzlichen Wandel innerhalb (Vollbe­ steuerung) oder außerhalb (Refundsystem) des Mehrwertsteuerrechts. Es handelt sich damit nicht um ausformulierte Entwürfe für eine konkrete Änderung des Unionsrechts oder des nationalen Rechts. Aus diesem Grund ließen sich diese Reformmodelle im Rahmen der Untersuchung auch nur in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung behandeln. Gleichwohl ergeben sich bereits aus ihrer systematischen Ausrichtung jeweils kon­ krete Vorgaben für eine auf dem jeweiligen Reformmodell beruhende weitere Ausgestaltung des maßgeblichen Richtlinienrechts oder des na­ tionalen Rechts. Für einen Vergleich der Reformmodelle sowie darauf beruhender konkre­ ter Reformvorschläge bedarf es eines Vergleichsmaßstabs. Dieser wurde hier in Form von maßgeblichen Zielvorgaben entwickelt, welche sich sowohl aus den Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuer­ rechts als auch in Ansehung der grundlegenden Widersprüche und Ver­ fehlungen der gegenwärtigen Behandlung der öffentlichen Hand herlei­ ten lassen. So hat eine Reform das Ziel zu verfolgen, die öffentliche Hand weitgehend als Steuersubjekt zu behandeln und ihre entgeltlichen Aus­ gangsleistungen der gleichmäßigen Besteuerung zu unterwerfen. Dabei sind die Regeln so auszugestalten, dass es zu einer dem Gebot der Wett­ bewerbsgleichheit genügenden steuerlichen Gleichbehandlung von ver­ gleichbaren Tätigkeiten kommt. Hinsichtlich der steuerlichen Belastung der öffentlichen Hand beim Bezug von Fremdleistungen gilt als maßgeb­ liches Ziel, eine endgültige Vorsteuerbelastung und damit eine Behand­ lung als Steuerträgerin zu vermeiden. Angesichts der gesamtwirtschaftli­ chen Relevanz der Tätigkeit der öffentlichen Hand ist die steuerliche Behandlung nicht isoliert zu würdigen. Vielmehr gilt es, damit zusam­ menhängende wirtschaftliche Folgewirkungen zu berücksichtigen, auch wenn im Rahmen dieser Untersuchung nur tendenzielle Aussagen über ihr Eintreten möglich sind.

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V.  Abschließende Betrachtung zu den Reformmodellen

In Ansehung der Zielvorgaben hat sich das Reformmodell der Vollbesteu­ erung als vorzugswürdig erwiesen. Es verfolgt einen ganzheitlichen An­ satz und ist damit grundsätzlich geeignet, die Probleme und inhaltlichen Widersprüche der gegenwärtigen steuerlichen Behandlung der öffentli­ chen Hand zu beseitigen. Die Diskussion hierzu konzentriert sich auf zwei Grundvarianten einer möglichen Ausgestaltung. Entweder soll die öffentliche Hand mit all ihren Tätigkeiten der Besteuerung unterliegen oder aber zumindest mit den Ausgangsleistungen, die gegen Entgelt er­ bracht werden. Diese beiden Ansätze wurden von der Europäischen Kommission aufgegriffen und in zwei Reformvorschlägen zur Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie umgesetzt. Gemeinsam ist bei­ den Vorschlägen, dass sowohl die persönliche Befreiungsvorschrift des Art. 13 MwStSystRL als auch die sachlichen Befreiungsvorschriften der Art. 132–134 MwStSystRL für Umsätze der öffentlichen Hand ersatzlos aufgehoben werden sollen. Während im ersten Vorschlag alle Tätigkeiten der öffentlichen Hand zu einer Besteuerung führen, soll diese im zweiten nur mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in den Anwendungsbereich ein­ bezogen werden. Mit beiden Vorschlägen lassen sich jedoch die maßgeb­ lichen Zielvorgaben nicht in vollem Umfang erreichen. Denn entweder kommt es zu einer Besteuerung von Tätigkeiten der öffentlichen Hand, denen jedoch keine Gegenleistung gegenübersteht, oder aber es bleibt bei der Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand, wenn sie Fremdleistungen für ihre nicht besteuerten Tätigkeiten bezieht. In diesem letzten Fall be­ stünde allerdings die Möglichkeit, die verbleibende Vorsteuerbelastung mithilfe eines nationalen Refundsystems zu beseitigen. Bei einer solchen Kombination führen die unionsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestal­ tung eines Refundsystems auch nur zu geringen und leicht umzusetzen­ den Vorgaben. Vor dem Hintergrund der Unzulänglichkeiten der Vorschläge der Europä­ ischen Kommission gilt es somit, konkrete Empfehlungen für eine Aus­ gestaltung des Vollbesteuerungsmodells zu entwickeln, welche eine Umsetzung der maßgeblichen Zielvorgaben durch eine Änderung des Richtlinienrechts gewährleistet. Dabei erweist sich ein Blick auf die Vor­ gehensweise der modernen Mehrwertsteuersysteme in Neuseeland und Australien bei der Behandlung der öffentlichen Hand als aufschlussreich. Daraus folgt zum einen, dass die öffentliche Hand mit all ihren Tätigkei­ ten als Steuersubjekt der Mehrwertsteuer gelten sollte. Dies ließe sich dadurch umsetzen, dass ein Handeln der öffentlichen Hand stets als wirt­ schaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 9 MwStSystRL fingiert wird. Gleichwohl ist die Besteuerung ihrer Tätigkeiten auf die Ausübung von Ausgangsleistungen zu beschränken, denen ein Entgelt gegenübersteht. Dies führt nicht zu einer gleichzeitigen Einschränkung des Vorsteuerab­ zugs, denn dieser sollte der öffentlichen Hand unabhängig von der Aus­ 507

D.  Reformmodelle für die umsatzsteuerliche Behandlung

übung steuerpflichtiger Umsätze zustehen. Ein Ausschluss vom Vorsteu­ erabzug hat nur zu erfolgen, wenn zum einen die Fremdleistungen zur Ausübung steuerfreier Umsätze oder aber privaten Zwecken von Arbeit­ nehmern dienen. Zum anderen gilt es, dem vergleichsweise engen Ver­ ständnis des EuGH zum Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit Rechnung zu tragen. So gilt der Vorsteuerabzug unter dem Vorbehalt, dass die öf­ fentliche Hand nicht in einem tatsächlichen Wettbewerb mit privaten Wirtschaftsteilnehmern steht, deren Tätigkeit nicht dem engen Wirt­ schaftlichkeitsbegriff des Richtlinienrechts in Auslegung durch den EuGH entspricht und diese somit keine Möglichkeit zum Ausgleich ei­ ner anfallenden Vorsteuerbelastung besitzt. Die Einführung eines nationalen Refundsystems stellt zwar auf der einen Seite keine gleichwertige Alternative zum Modell einer Vollbesteuerung dar. Auf der anderen Seite hat sich gezeigt, dass dieser Ausgleichsmecha­ nismus zumindest in der Tendenz geeignet ist, die Folgen der weitgehen­ den Behandlung der öffentlichen Hand als Trägerin der Umsatzsteuer zu mindern. Die Schwierigkeiten, die mit einer Einführung verbunden sind, fallen jedoch vielfältig aus. So darf für eine Vorsteuerbelastung der öffent­ lichen Hand, die auf einer steuerfreien Ausgangsleistung beruht, kein Ausgleich erfolgen. Zudem stellt jede Erstattung, die der im wettbe­ werbsrechtlichen Sinne wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand zugutekommt, grundsätzlich eine unionsrechtlich verbotene Beihilfe dar. Für die Rechtsanwendung kommt dabei erschwerend hinzu, dass der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit im Beihilferecht und im harmoni­ sierten Mehrwertsteuerrecht unterschiedlich auszulegen ist. Nur soweit schon keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 9 MwStSystRL vorliegt, lässt sich dies regelmäßig auch für das Beihilferecht annehmen. In allen anderen Fällen bedarf es einer eigenständigen wettbewerbsrecht­ lichen Prüfung. Zuletzt stellt die Finanzierung des Refundsystems eine weitere Herausforderung dar, die aus nationaler Sicht zu bewältigen ist. So gilt es vor allem, ein Zusammenwirken von Bund und Ländern zu vermeiden, um ihre verfassungsrechtlich gebotene eigenständige bzw. unabhängige Finanzverantwortung nicht zu unterminieren. Gleichwohl der vielen Einschränkungen zeigt der Reformvorschlag von Desens, Lenk, Hummel und Rottmann, dass eine Umsetzung zumindest grund­ sätzlich möglich ist. Auch wenn dabei nach der hier vertretenen Ansicht noch einzelne Vorgaben einer Umsetzung bedürfen, stellt der Vorschlag eine insgesamt geeignete Grundlage für die Einführung eines nationalen Refundsystems dar. Abzulehnen ist hingegen der zur Diskussion gestell­ te Vorschlag der Europäischen Kommission, durch Änderungen des Richtlinienrechts die Wirkung eines Refundsystems in das Mehrwert­ steuerrecht zu integrieren. Denn die unionsrechtlich bindenden Vorga­ ben beraubten den einzelnen Mitgliedstaaten die Freiräume zur Ausge­ 508

V.  Abschließende Betrachtung zu den Reformmodellen

staltung eines Ausgleichssystems, welches auf die jeweiligen nationalen Besonderheiten und Bedürfnisse Rücksicht nehmen kann. Kirchhof hat zwar keinen gezielten Reformvorschlag für die steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand unterbreitet. Gleichwohl umfasst sein Umsatzsteuergesetzbuch, welches auf eine grundlegende Reform des ge­ samten geltenden Umsatzsteuerrechts abzielt, auch eine Abkehr von der gegenwärtigen Besteuerung der öffentlichen Hand. Dabei führen die in­ soweit vorgesehenen Änderungen grundsätzlich zu einer den maßgebli­ chen Zielvorgaben entsprechenden steuerlichen Behandlung und lassen sich insgesamt einer Umsetzung des Vollbesteuerungsmodells zuordnen. Allerdings wird die Beseitigung der Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand außerhalb eines Zusammenhangs mit der Ausübung von eigenen steuerpflichtigen Leistungen auf die Rechtsfigur der Verwaltungseinheit beschränkt. Damit verwirklicht der Reformvorschlag die verbrauchsteu­ erlich gebotene neutrale Behandlung der öffentlichen Hand nicht voll­ ständig. Als eine wesentliche Änderung empfiehlt sich insoweit die An­ knüpfung der steuerlich neutralen Behandlung an die öffentlich-rechtliche Rechtsform einer Einheit der öffentlichen Hand. Gleichwohl spricht die vorgesehene Behandlung der öffentlichen Hand insgesamt eher für den Reformvorschlag von Kirchhof als dagegen. Maßgeblich für den Erfolg des Reformentwurfs wird allerdings sein, wie andere vorgesehene Ände­ rungen innerhalb des Reformvorschlags zu beurteilen sind, allen voran die Nichtbesteuerung des Leistungsaustausches zwischen den Steuer­ pflichtigen.

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Resümee Die vorliegende Arbeit behandelt als Forschungsgegenstand die umsatz­ steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand und davon ausgehend die Frage, ob, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen diese als Steu­ ersubjekt bzw. Steuerschuldnerin auf der einen Seite und Steuerträgerin auf der anderen Seite behandelt wird. Diese Fragestellung wird sowohl mit Blick auf die gegenwärtige Rechtslage als auch auf die Möglichkeiten einer grundlegenden Reform untersucht. Für die aktuelle Behandlung der öffentlichen Hand erweist sich eine be­ stehende Regel-Ausnahme-Rückausnahme-Systematik als prägend. Da­ nach wird die öffentliche Hand wie eine Person des Privatrechts grund­ sätzlich nur mit ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten als Steuersubjekt und Steuerschuldnerin in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer einbezogen. Soweit die wirtschaftliche Tätigkeit jedoch im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt wird, ist die öffentliche Hand vom Anwen­ dungsbereich der Umsatzsteuer ausgeschlossen, so dass ihre Ausgangs­ leistungen mangels ihrer Eigenschaft als Steuersubjekt keiner Besteue­ rung unterliegen. Diese Ausnahmeregelung findet allerdings keine Anwendung, wenn die abweichende Behandlung zu einer Beeinträchti­ gung des Wettbewerbs zwischen öffentlichen und privaten Anbietern führen würde. Für die Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerträgerin ist entschei­ dend, ob und inwieweit diese die Möglichkeit zum Abzug der ihr in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als sogenannte Vorsteuer besitzt. Der Vorsteuerabzug setzt allerdings voraus, dass die steuerbelasteten Ein­ gangsleistungen zur Ausübung steuerpflichtiger Ausgangsumsätze bezo­ gen und verwendet werden. Wegen dieser Anknüpfung des Vorsteuerab­ zugs an die Ausgangsseite der öffentlichen Hand ist für ihre Behandlung als Steuerträgerin entscheidend, ob und inwieweit sie mit einer Tätigkeit im Rahmen der oben genannten Systematik als Steuersubjekt in den An­ wendungsbereich der Umsatzsteuer fällt und ihre Ausgangsleistungen damit einer steuerlichen Belastung unterliegen. Diese Systematik sowie weitere detaillierte Vorgaben zur umsatzsteuer­ lichen Behandlung der öffentlichen Hand sind in der Mehrwertsteuersys­ temrichtlinie niedergelegt, so dass diese von den Mitgliedstaaten der Eu­ ropäischen Union als inhaltlich bindende Vorgaben im Rahmen des nationalen Umsatzsteuerrechts umzusetzen sind. Die Untersuchung dieser bindenden Vorgaben zeigt zunächst, dass die öffentliche Hand be­ reits mangels der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit regelmäßig mit ihrem Handeln nicht als Steuersubjekt der Mehrwertsteuer unter­ liegt. Insoweit scheitert eine Einbeziehung der öffentlichen Hand bereits 511

Resümee

am Grundtatbestand des Mehrwertsteuerrechts, so dass es auf die An­ wendbarkeit der besonderen Befreiungsvorschrift nicht mehr ankommt. Daher erlangt dieser allgemeine Grundtatbestand für die Behandlung der öffentlichen Hand bereits eine große Bedeutung. Die Bestimmung der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit wirft im Zusammenhang mit Tätigkeiten der öffentlichen Hand komplizierte Abgrenzungsfragen auf, die teilweise nur unter eingehender Untersuchung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH sowie ihrer Einordnung in Bezug auf seine bisherigen allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätze zutreffend beant­ wortet werden können. Die Untersuchung verdeutlicht dabei, dass an­ dernfalls eine große Gefahr besteht, aus einzelnen Urteilen des EuGH ein unzutreffendes Sonderrecht für die Anwendung allgemeiner Vorgaben auf die öffentliche Hand herzuleiten. Der Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift für den Ausschluss der öffentlichen Hand vom Mehrwertsteuerrecht ist wegen der Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen auslegungsbedürftig. Daher ist dieser sehr stark von der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH geprägt. Der Anwendungsbereich setzt grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche Rechtsform voraus, so dass eine Befreiung von der Behandlung als Steu­ ersubjekt weitgehend öffentlich-rechtlichen Einheiten der öffentlichen Hand vorbehalten ist. Es handelt sich folglich um eine Sonderreglung für die öffentliche Hand. Soweit es danach zu einer Befreiung der öffentli­ chen Hand von der persönlichen Steuerpflicht kommt, unterbleibt auch eine steuerliche Belastung der mit den befreiten Tätigkeiten verbunde­ nen Ausgangsleistungen. Hierdurch kann es vor allem zu einem Preis­ vorteil öffentlicher Anbieter im Vergleich zu privaten Wirtschafts­ teilnehmern kommen, so dass ein insoweit bestehender Wettbewerb verzerrt wird. Diese Gefahr wird im Rahmen eines Wettbewerbsvorbe­ halts als Rückausnahmeregelung aufgegriffen, so dass es dann bei einer Be­handlung der öffentlichen Hand als Steuerpflichtige und damit bei ei­ ner steuerlichen Belastung ihrer Ausgangsleistungen verbleibt. Bei der Untersuchung der Befreiungsregelung wird deutlich, dass sowohl die Mitgliedstaaten als auch die einzelnen Einheiten der öffentlichen Hand auf der Grundlage der Tatbestandsmerkmale der Befreiungsregelung ei­ nen Gestaltungsspielraum besitzen, innerhalb dessen im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben auf die Behandlung als Steuersubjekt Einfluss genommen werden kann. Die besondere Behandlung der öffentlichen Hand und ihrer Tätigkeiten beschränkt sich allerdings nicht darauf, dass sie im Wege einer persön­ lichen Befreiungsvorschrift nur eingeschränkt mit ihren grundsätz­ lich steuerbaren Ausgangsumsätzen in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer einbezogen wird. Darüber hinaus unterliegt auch eine Vielzahl ihrer Umsätze einer sachlichen Steuerbefreiung. Dabei knüpfen 512

Resümee

die Voraussetzungen von mehreren Steuerbefreiungen an eine öffent­ lich-rechtliche Rechtsform des Steuerpflichtigen an, so dass die Befreiun­ gen erkennbar zwar nicht nur, aber vor allem auf eine Anwendung auf Umsätze der öffentlichen Hand abzielen. In Ansehung der weitgehenden Befreiung der öffentlichen Hand und ih­ rer Ausgangsleistungen von einer Mehrwertbesteuerung führen ihre Tä­ tigkeiten regelmäßig nicht zu steuerpflichtigen Umsätzen. Aber nur in­ soweit Eingangsleistungen für diese Zwecke bezogen und verwendet werden, kann die öffentliche Hand mithilfe des Vorsteuerabzugs vermei­ den, mit der beim Bezug der Leistungen in Rechnung gestellten Umsatz­ steuer endgültig belastet zu werden. Daher wird die öffentliche Hand nach den Vorgaben des Richtlinienrechts regelmäßig wie ein privater Endverbraucher als Steuerträgerin behandelt. Darüber hinaus folgt aus der Untersuchung, dass die allgemeinen Vorgaben zum Vorsteuerabzug sich bei der Anwendung auf die öffentliche Hand als sehr komplex erwei­ sen. Dies liegt vor allem darin begründet, dass eine Einheit der öffentli­ chen Hand regelmäßig sowohl wirtschaftliche als auch nichtwirtschaft­ liche Tätigkeiten ausübt, so dass sich bei der Bestimmung des zutreffenden Vorsteuerabzugs Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben. Dies gilt insbe­ sondere in Ansehung der Rechtsprechung des EuGH zum sogenannten Zuordnungswahlrecht, welche zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führt und die zutreffende Behandlung der öffentlichen Hand erheblich erschwert. Die Ergebnisse, welche sich aus der Untersuchung der inhaltlichen Vor­ gaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ergeben haben, dienen im Rahmen der Untersuchung des nationalen Umsatzsteuerrechts sowohl als Prüfungsmaßstab für die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht als auch der richtlinienkonformen Auslegung nationa­ ler Regelungen. Das nationale Umsatzsteuerrecht sieht für die Behandlung der öffentli­ chen Hand ebenfalls eine Regel-Ausnahme-Rückausnahme-Systematik vor. Die Untersuchung des Grundtatbestandes hat ergeben, dass, wie im Richtlinienrecht, die öffentliche Hand schon mangels Ausübung einer unternehmerischen bzw. wirtschaftlichen Tätigkeit regelmäßig nicht als Steuersubjekt und Steuerschuldnerin dem Anwendungsbereich des Um­ satzsteuerrechts unterliegt. Dabei können mögliche Abweichungen des nationalen Rechts vom Richtlinienrecht grundsätzlich im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung vermieden werden. Die Untersuchung zeigt jedoch auch, dass dieses bei der Anwendung der nationalen Vorga­ ben zur Organschaft auf die öffentliche Hand weitgehend nicht möglich ist. Daher kommt es gegenwärtig insoweit zu einer Abweichung des na­ tionalen Rechts von den inhaltlichen Vorgaben des Richtlinienrechts zur 513

Resümee

Mehrwertsteuergruppe, wie diese sich vor allem aus der jüngeren Recht­ sprechung des EuGH ergeben. Die im Richtlinienrecht vorgesehene Befreiung der öffentlichen Hand von der persönlichen Steuerpflicht wird im nationalen Recht von dem zum 1. Januar 2016 eingeführten § 2b UStG umgesetzt. Diese Regelung orientiert sich sehr stark an den Vorgaben des Richtlinienrechts und ist daher grundsätzlich mit dem vorrangigen Unionsrecht vereinbar. So kommt es folglich im Fall der Ausübung einer unternehmerischen Tätig­ keit im Rahmen der öffentlichen Gewalt durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts zu einer Behandlung als Nichtunternehmerin. Demgegenüber verbleibt es bei einer originären Unternehmerstellung der öffentlichen Hand, wenn die Behandlung als Nichtunternehmerin zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Darüber hinaus be­ müht sich der nationale Gesetzgeber um eine Konkretisierung des Wett­ bewerbsvorbehalts. Dies gelingt, soweit er Rechtsprechungsgrundsätze des EuGH und des BFH aufgreift und in Gesetzesform gießt. Mit der Re­ gelung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG nimmt der Gesetzgeber jedoch Wer­ tungen und Rechtsbegriffe des unionsrechtlich geprägten Vergaberechts in das Umsatzsteuerrecht zur Konkretisierung des Wettbewerbsvorbe­ halts auf. Dieses Vorgehen stellt zwar auf der einen Seite eine Vereinfa­ chung der Rechtsanwendung dar und dürfte in vielen Fällen zu einer zu­ treffenden umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand führen. Allerdings begründet die konkrete Ausgestaltung der Regelung für die Rechtsanwendung erhebliches Konfliktpotenzial. Darüber hinaus beste­ hen grundsätzliche Zweifel daran, ob Kriterien des Vergaberechts zur Konkretisierung umsatzsteuerlicher Rechtsbegriffe geeignet sind. Wie im Unionsrecht findet sich auch im nationalen Recht neben der per­ sönlichen Befreiungsregelung eine Vielzahl an Steuerbefreiungen für die Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand. Diese knüpfen insbesondere an eine öffentlich-rechtliche Rechtsform des Unternehmers an und fin­ den demnach vor allem auf Einheiten der öffentlichen Hand Anwendung. Für den Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand bedeutet ihr weitgehender Ausschluss vom Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts, dass sie bei dem Bezug von Fremdleistungen regelmäßig wie ein privater Endver­ braucher endgültig mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer belastet wird. Die Bestimmung des Vorsteueranspruchs der öffentlichen Hand gestaltet sich dabei insgesamt als sehr komplex und streitanfällig. Dies liegt zum einen daran, dass die nationalen Regelungen einer richtlinienkonformen Auslegung bedürfen, um den inhaltlichen Vorgaben des Richtlinien­ rechts unter Berücksichtigung ihrer Auslegung durch den EuGH gerecht zu werden. Zum anderen hat der EuGH mit seiner Rechtsprechung zum Zuordnungswahlrecht den nationalen Rechtsanwender vor eine schwie­ 514

Resümee

rige Aufgabe gestellt, die insbesondere vom BFH nur unzureichend be­ wältigt wird. Diese Ausgangslage betrifft nicht nur, aber vor allem den Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand. Denn ihre einzelnen Einheiten üben regelmäßig neben einer unternehmerischen Tätigkeit wegen des weitgehenden Ausschlusses vom Anwendungsbereich der Umsatzsteuer auch als nichtunternehmerisch zu behandelnde Tätigkeiten aus. In Ansehung der Ergebnisse der Untersuchung der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand auf Grundlage des Richtlinienrechts und des nationalen Umsatzsteuerrechts lässt sich zum einen mit Blick auf die Ausgangsseite der öffentlichen Hand festhalten, dass wegen der persönlichen Befreiungsvorschrift nur ein Teil der von ihr gegen Entgelt ausgeübten Leistungen steuerlich belastet werden. Dies steht im Wider­ spruch zum Gebot einer gleichmäßigen Belastung von privaten Kon­ sumaufwendungen. Eine einschlägige Rechtfertigung der persönlichen Befreiungsvorschrift ist dabei nicht ersichtlich. Auf die Frage, ob und in­ wieweit darüber hinaus die Behandlung der öffentlichen Hand als Nicht­ unternehmerin einen Verstoß gegen verfassungsrechtliche Vorgaben dar­ stellt, kommt es hingegen wegen der insoweit bestehenden vorrangigen Geltung des Unionsrechts nicht an. In wirtschaftlicher Hinsicht führt die weitgehende Befreiung von Ausgangsleistungen auf der einen Seite in der Tendenz zu niedrigeren Preisen, aber auch zu einem geringeren Steu­ eraufkommen. Zudem besteht die Gefahr, dass die öffentliche Hand mit ihren nicht mit der Umsatzsteuer belasteten Ausgangsleistungen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Wirtschaftsteilnehmern erlangt und damit der Wettbewerb verzerrt wird. Die mit dem Ausschluss vom Anwendungsbereich der Umsatzsteuer verbundene Versagung des Vorsteuerabzugs führt in einem entsprechen­ den Umfang zu einer endgültigen Belastung der öffentlichen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer. Diese Belastungswirkung steht im Wider­ spruch zum Besteuerungsgegenstand der Umsatzsteuer als eine allgemei­ ne Verbrauchsteuer auf den privaten Endkonsum. Denn die Inanspruch­ nahme von Fremdleistungen dient grundsätzlich nicht den eigenen privaten Zwecken der öffentlichen Hand, und die damit verbundenen Aufwendungen indizieren auch keine persönliche Leistungsfähigkeit. Somit ist die öffentliche Hand keine taugliche Trägerin der Umsatzsteu­ er, und diese Belastungswirkung lässt sich nur in einzelnen Ausnahme­ fällen, zum Beispiel zum Schutz des Wettbewerbs bei der Anwendung einer allgemeinen Steuerbefreiung, rechtfertigen. Die belastende Wir­ kung der nicht abzugsfähigen Vorsteuern wirft auch mit Blick auf den Inhalt des Finanzverfassungsrechts, insbesondere in Bezug auf die Vorga­ ben für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens, Fragen auf. Aller­ dings lässt sich insoweit kein Verstoß und kein damit einhergehender Auftrag des Gesetzgebers zur Beseitigung dieser Belastungswirkung her­ 515

Resümee

leiten. In wirtschaftlicher Sicht ist die endgültige Vorsteuerbelastung ge­ eignet, die Entscheidung der öffentlichen Hand darüber, ob sie Fremdleis­ tungen bezieht oder eine Tätigkeit in Eigenleistung ausübt, zum Nachteil der erstgenannten Möglichkeit zu beeinflussen, obwohl aus gesamtstaat­ licher Sicht ein Outsourcen von Tätigkeiten günstiger wäre. In Ansehung der Defizite der gegenwärtigen umsatzsteuerlichen Behand­ lung der öffentlichen Hand liegt es nahe, die Möglichkeiten einer Reform näher zu bestimmen. Als Bewertungsmaßstab haben sich dabei mit Blick auf die Grundprinzipien des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts sowie der sich in Bezug darauf für das geltende Recht festgestellten grundlegen­ den Widersprüche und Unzulänglichkeiten insbesondere vier Zielvorga­ ben herauskristallisiert. So sollte eine Reform der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand dazu führen, dass diese grundsätzlich mit ihren gegen Entgelt ausgeübten Leistungen dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer unterliegt. Dabei gilt es insbesondere zu gewährleisten, dass vergleichbare private und öffentliche Ausgangsleistungen zur Wah­ rung einer Wettbewerbsgleichheit steuerlich gleich behandelt werden. In Bezug auf die Eingangsseite der öffentlichen Hand ist im Rahmen einer Reform zu vermeiden, dass es weiterhin durch die endgültige Belastung mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer zu einer Behandlung als Steuerträgerin kommt. Darüber hinaus sollte eine Reform allgemein darauf abzielen, den mit der Umsatzbesteuerung für die öffentliche Hand verbundenen administrativen Aufwand so gering wie möglich zu halten. Je stärker sich diese Zielvorgaben im Rahmen eines Reformvorhabens umsetzen lassen, desto wahrscheinlicher ist das Eintreten damit verbundener wirtschaftli­ cher Folgewirkungen. Dies ist zum Beispiel bei der Ausweitung der Be­ steuerung von Ausgangsleistungen der öffentlichen Hand ein zunehmen­ der Wettbewerb zwischen privaten und öffentlichen Anbietern. Mit der Beseitigung der endgültigen Vorsteuerbelastung würde sich hingegen die kostenmäßige Benachteiligung der Inanspruchnahme von Fremdleistun­ gen gegenüber der Verwendung von Eigenleistungen mindern. Kirchhof hat mit seinem Vorschlag zur Reform des Umsatzsteuerrechts zwar nicht vorrangig eine Änderung der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand bezweckt, gleichwohl finden dazu sich in seinem Entwurf eines Umsatzsteuergesetzbuchs bzw. eines Bundessteuergesetz­ buchs konkrete Vorschläge. Dabei wird die bisherige Sonderstellung der öffentlichen Hand hinsichtlich der steuerlichen Behandlung ihrer Aus­ gangsleistungen grundsätzlich beseitigt, und sie unterliegt wie eine Per­ son des Privatrechts bei Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit als Steuersubjekt der Umsatzsteuer. Hierdurch kommt es auch zu einer entsprechend weitergehenden Abzugsmöglichkeit für die Vorsteuer. Da­ rüber hinaus kann die öffentliche Hand auch einen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, wenn sie eine Eingangsleistung nicht für unterneh­ 516

Resümee

merische Tätigkeiten zu verwenden beabsichtigt. Dafür muss eine juris­ tische Person des öffentlichen Rechts allerdings die Voraussetzungen ei­ ner sogenannten Verwaltungseinheit erfüllen, also ihre Tätigkeiten durch die Verwendung von Steuermitteln finanzieren. Mit der vorgesehe­ nen Behandlung der öffentlichen Hand erfüllt Kirchhof in seinem Vor­ schlag weitgehend die aufgestellten Zielvorgaben. Allerdings ist anhand der genaueren Ausführungen zum Umsatzsteuergesetzbuch zu erken­ nen, dass der Entwurf entgegen seiner grundsätzlichen Ausrichtung für die Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit durch die öffentliche Hand einschränkende Voraussetzungen vorsieht. Damit käme es im Er­ gebnis nicht zu einer gleichmäßigen steuerlichen Belastung öffentlicher Leistungen. Zudem orientiert sich die Beseitigung der Vorsteuerbelas­ tung nicht konsequent daran, dass in den Aufwendungen der öffentli­ chen Hand keine persönliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt. Hier wäre es im Ergebnis vorzuziehen, die Möglichkeit des Vorsteuerab­ zugs grundsätzlich an die Rechtsform einer Einheit der öffentlichen Hand anzuknüpfen. Während der Vorschlag von Kirchhof auf eine umfassende Reform des Umsatzsteuerrechts abzielt und damit auch die Besteuerung der öffentli­ chen Hand betrifft, zielen die beiden Reformmodelle eines Refundsystems und einer Vollbesteuerung allein auf eine Änderung der umsatz­ steuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand ab. Das Refundsystem dient dabei nur der Beseitigung der endgültigen Belastung der öffentli­ chen Hand mit nicht abzugsfähiger Vorsteuer. So wird im Rahmen dieses Systems den Einheiten der öffentlichen Hand die belastende Wirkung der ihnen in Rechnung gestellten und an den Leistungserbringer bezahlten Umsatzsteuer außerhalb des Vorsteuerabzugs und damit außerhalb des Mehrwertsteuersystems durch Transferzahlungen ausgeglichen. Bei Ein­ führung eines nationalen Refundsystems sind sowohl unionsrechtliche als auch finanzverfassungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen. So führen insbesondere die inhaltlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersys­ temrichtlinie als auch das Beihilfeverbot zu Einschränkungen in der Ge­ staltungsfreiheit für die Einführung eines nationalen Refundsystems. Insgesamt handelt es sich bei dem Refundsystem vor allem für den nati­ onalen Gesetzgeber um eine grundsätzlich geeignete Möglichkeit, den nachteiligen wirtschaftlichen Folgen der endgültigen Vorsteuerbelastung der öffentlichen Hand entgegenzuwirken. Einen insoweit interessanten Ansatz stellt ein Vorschlag des Autorenteams um Desens dar. Ein von der Europäischen Kommission in die Diskussion eingeführter Vorschlag eines unionsrechtlich harmonisierten Refundsystems vermag hingegen nicht zu überzeugen. Das Reformmodell einer Vollbesteuerung zielt darauf ab, die öffentliche Hand grundsätzlich als Steuersubjekt zu behandeln und sie damit umfas­ 517

Resümee

send dem Anwendungsbereich der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Hier­ durch kommt es sowohl zu einer weitgehenden Besteuerung ihrer Aus­ gangsleistungen als auch in einem entsprechenden Umfang zu einer Entlastung von der in Rechnung gestellten Vorsteuer. Die auf diesem Modell beruhenden Vorschläge der Europäischen Kommission werden den maßgeblichen Zielvorgaben nicht in vollem Umfang gerecht. Vor diesem Hintergrund lassen sich allerdings mit Blick auf die modernen Mehrwertsteuersysteme in Neuseeland und Australien für eine mögli­ che Umsetzung dieses Modells innerhalb der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie drei Empfehlungen herleiten. Danach sind zum einen die Tä­ tigkeiten der öffentlichen Hand innerhalb des Systems der Umsatzsteuer stets als eine wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, so dass die öffentliche Hand in persönlicher Hinsicht immer als Subjekt der Umsatzsteuer zu behandeln ist. Dabei darf es allerdings nur zu einer steuerlichen Belas­ tung kommen, wenn die Tätigkeiten zu einer gegen Entgelt ausgeübten Leistung führen. Zum anderen sollte die öffentliche Hand über die Mög­ lichkeit zum Vorsteuerabzug verfügen, ohne dass es hierfür der Verwen­ dung von Eingangsleistungen zur Ausübung von steuerpflichtigen Um­ sätzen bedarf. Dabei empfiehlt es sich, insoweit grundsätzlich an die Eigenschaft einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform anzuknüpfen. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass sich im Rahmen der umsatz­ steuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand auf der Grundlage des gegenwärtigen Rechts eine Vielzahl von komplexen und aufwendigen Rechtsfragen ergeben. Diese Unzulänglichkeiten sind jedoch vor allem Symptome des im Rahmen der Arbeit weiterhin festgestellten Ergebnis­ ses, dass die weitgehende Befreiung der öffentlichen Hand von einer Be­ handlung als Steuersubjekt mit den Anforderungen an einer folgerichti­ gen Ausgestaltung einer Besteuerung von Vermögensverwendungen für den privaten Endverbrauch nicht vereinbar ist. Gleiches gilt auch für die Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerträgerin. Daher ist eine Re­ form der umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand erforder­ lich, und mit den beiden Reformmodellen eines Refundsystems und ei­ ner Vollbesteuerung stehen auch Alternativen zur Verfügung. Mit Blick auf die hier als maßgeblich angesehenen Zielvorgaben erscheint das Mo­ dell der Vollbesteuerung unter der Berücksichtigung der erarbeiteten Empfehlungen grundsätzlich als vorzugswürdig. Eine solche Änderung wäre jedoch nur im Rahmen einer Änderung der Mehrwertsteuersystem­ richtlinie möglich. Für den nationalen Gesetzgeber stellt daher die ­Einführung eines Refundsystems eine interessante Möglichkeit dar, zu­ mindest den in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie angelegten wirt­ schaftlichen Folgen der weitgehenden Behandlung der öffentlichen Hand als Steuerträgerin entgegenzuwirken.

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Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. a. F. ABl.

andere Auffassung am angegebenen Ort alte Fassung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften/ Europäischen Union Abs. Absatz Abschn. Abschnitt AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Anm. Anmerkung AO Abgabenordnung Art. Artikel Aug. August Az. Aktenzeichen Betriebs-Berater (Zeitschrift) BB BeckOK Beck’scher Online-Kommentar Begr. Begründer Beschl. Beschluss BFH Bundesfinanzhof Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entschei­ BFH/NV dungen des Bundesfinanzhofs BFHE Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofes BGBl. Bundesgesetzblatt Bundesministerium für Finanzen BMF BR-Drs. Drucksachen des Deutschen Bundesrates BStBl. Bundessteuerblatt BStGB Bundessteuergesetzbuch BT-Drs. Drucksachen des Deutschen Bundestages BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CMLR Common Market Law Review (Zeitschrift) Der Betrieb (Zeitschrift) DB ders. derselbe dies. dieselbe, dieselben Diss. Dissertation DM Deutsche Mark DStJG Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) 519

Abkürzungsverzeichnis

DStZ EDV EFG EFTA EG EigVO NRW

Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) Elektronische Datenverarbeitung Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft Eigenbetriebsverordnung für das Land Nordrhein-­ Westfalen Einf. Einführung Einl. Einleitung endg. endgültig ESt Einkommensteuer EStG Einkommensteuergesetz et alii et al. EU Europäische Union Europäischer Gerichtshof EuGH Charta der Grundrechte der Europäischen Union EU-GrCh EuR Europarecht (Zeitschrift) Vertrag über die Europäische Union EUV EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeit­ EWS schrift) folgende, fortfolgende f., ff. FAG Finanzausgleichsgesetz FG Finanzgericht Fn. Fußnote FR Finanz-Rundschau (Zeitschrift) FS Festschrift GA Generalanwalt gem. gemäß Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen GemO NRW GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung Goods and Services Tax GST Goods and Services Tax Australia GSTA AUS Goods and Services Tax New Zealand GSTA NZ GSTR Goods and Services Tax Rulings Goods and Services Tax Regulations Australia GSTR AUS Habil.-Schr. Habilitationsschrift Hrsg. Herausgeber HStR Handbuch des Staatsrechts i. E. im Ergebnis i. S. d. im Sinne des 520

Abkürzungsverzeichnis

i. V. m. in Verbindung mit insb. insbesondere IStR Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) International VAT Monitor (Zeitschrift) IVM Jan. Januar JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) KStG Körperschaftsteuergesetz KStH Körperschaftsteuer-Hinweise KStR Körperschaftsteuerrichtlinien Kommunale Steuer-Zeitschrift KStZ lit. littera m. w. N. mit weiteren Nachweisen Mrd. Milliarden MwStR Mehrwertsteuerrecht (Zeitschrift) MwStSystRL Mehrwertsteuersystemrichtlinie Nov. November Nr. Nummer Organisation for Economic Co-operation and OECD ­Development OFD Oberfinanzdirektion Österreichische Steuerzeitung (Zeitschrift) ÖStZ Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages BT-PlPr. PPP Public-Private-Partnership Prot.-Erkl. Protokollerklärung Rev. Revision RFH Reichsfinanzhof RGBl. Reichsgesetzblatt RL Richtlinie Rs. Rechtssache RStBl. Reichssteuerblatt Rz. Randziffer s section S. Seite, Satz Sept. September sog. sogenannt StuW Steuern und Wirtschaft (Zeitschrift) und andere; unter anderem u. a. UMTS Universal Mobile Telecommunications System Univ. Universität UNSW University of New South Wales Unterabs. Unterabsatz UR Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) Urt. Urteil UStAE Umsatzsteueranwendungserlass 521

Abkürzungsverzeichnis

UStB Der Umsatz-Steuer-Berater (Zeitschrift) UStDB Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen UStG Umsatzsteuergesetz UStGB Umsatzsteuergesetzbuch UStG-E UStG-Entwurf UStHA Umsatzsteuer-Handausgabe UVR Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (Zeitschrift) v. vom Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zeit­ VBlBW schrift) VergabeRL Vergaberichtlinie Vfg. Verfügung vgl. vergleiche Vol. Volume Vorbem. Vorbemerkung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen VVDStRL Staatsrechtslehrer WUStG Warenumsatzstempelgesetz Weimarer Reichsverfassung WVR zum Beispiel z. B. Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ZfZ Zeitschrift für Kommunalfinanzen ZKF Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche ZögU Unternehmen zugl. zugleich zzgl. zuzüglich f Euro

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541

Literaturverzeichnis

Vorschlag der Finanzminister der Länder für eine Neuregelung in § 2b UStG-E zur Umsatzbesteuerung von Leistungen der öffentlichen Hand – Zusammenarbeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Stand: Juni 2014), (zitiert: Vorschlag einer Neuregelung in § 2b UStG-E (Stand: Juni 2014)), abrufbar unter: http://www.vku.de/ finanzen-steuern/newsletter-2015/januar/top-thema-reform-der-um satzbesteuerung-der-oeffentlichen-hand.html (6.4.2016).

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Stichwortverzeichnis Amtshilfe 41, 176, 238, 240, 269 f. Beihilfeverbot 265 ff., 411 ff. –– Altmark Trans 413 f. –– Beeinträchtigung des Handels 273 f., 430 ff. –– Beihilfeleistung 266 ff., 412 ff. –– hoheitliche Tätigkeit 268 ff., 415 ff. –– Referenzsystem 271, 422 –– rein lokale Auswirkungen 274, 431 f. –– selektive Wirkung 270 ff., 419 ff. –– staatliche Maßnahme 267, 427 ff. –– Systematik 411 –– und steuerliche Vergünstigun­ gen 270 f., 420 ff. –– wettbewerbsverfälschende Wir­ kung 272 ff., 429 ff. –– wirtschaftliche Tätigkeit 268 ff., 414 ff. Beistandsleistungen 205 f., 238, 265, 269 f., 274 Beleihung 78, 115, 178, 212 Bemessungsgrundlage 19, 31, 144, 326, 360 f., 473, 476 f., 480, 500 Bestimmungslandprinzip 435, 444 f. Betrieb gewerblicher Art 202 ff., 218, 223, 260 ff., 275 civil law 88 common law 88 Daseinsvorsorge 3, 314 ff., 359 ff., 372, 392, 419, 432 ff., 462 EFTA-Überwachungsbehörde 421 Eigenbetrieb 179, 209 –– Regiebetrieb.  Siehe dort Einlagenentsteuerung 144 ff., 149, 153 ff., 236, 286, 301, 390 f.

Einrichtung des öffentlichen Rechts –– Begriff 77 ff. –– Beleihung 78 –– formelle Privatisierung 81 –– Gestaltungsspielraum 82 –– Personen des Privatrechts 77 ff. Entnahmebesteuerung 138, 150 f., 155 ff., 196, 291, 294 ff., 307 –– Auslegung contra legem 297 –– unternehmensfremde Zwecke 138, 151, 154, 288, 289 Erstattungssystem.  Siehe Refund­ system Existenzminimum, steuerliches 357 Finanzverfassungsrecht 333 ff., 451 ff., 462 f. –– Finanzausgleich 335 ff., 391, 457, 462 –– Finanzierungsverantwortung, Art. 104a GG 451 –– Haushaltstrennung, Art. 109 Abs. 1 GG 453 –– Konnexitätsprinzip 452 –– Steuerbegriff 335 Finanzzuweisungen, innerstaatli­ che 367 f., 487, 489, 494 gewerbliche oder berufliche Tätig­ keit 169 ff. –– Erzielung von Einnahmen 170 f. –– Leistung gegen Entgelt 171 ff. –– Nachhaltigkeit 175 ff. –– objektive Überschusserzielungs­ möglichkeit 177 –– unmittelbarer Zusammenhang 172 –– Gleichbehandlungsgrundsatz 13, 17, 19 ff., 320 f., 354, 371 f., 386 Gleichheitssatz, allgemeiner 12 f. 543

Stichwortverzeichnis

Goods and Services Tax (GST) Australien 489 ff. –– Entstehung der Steuer 489 ff. –– und öffentliche Hand 493 ff. –– Vorsteuerabzug 491 ff. Goods and Services Tax (GST) Neuseeland 484 ff. –– Entstehung der Steuer 484 f. –– und öffentliche Hand 486 ff. –– Vorsteuerabzug 485 f. Grundfreiheiten –– Aufteilung der Besteuerungsbe­ fugnisse 442 –– Dienstleistungsfreiheit 443 ff., 447 ff. –– Kohärenz eines nationalen Steu­ ersystems 440 ff. –– Warenverkehrsfreiheit 437 ff., 445 f. Grundrechte, unionsrechtliche –– Berufsfreiheit 13 –– Gleichheitssatz, allgemei­ ner.  Siehe dort –– unternehmerische Freiheit 13, 123 –– Wettbewerbsfreiheit 12, 371 –– Wettbewerbsgleichheit 371 –– wirtschaftliche Betätigungsfrei­ heit 330 ff. Juristische Person des öffentlichen Rechts –– Begriff 208 ff. –– formelle Privatisierung 210 –– nichtrechtsfähige Untereinhei­ ten 179, 209 –– und Personen des Privatrechts 210 ff. Kaskadeneffekt 144, 326, 388 Kirchhof, Reformvorschlag 353, 379 ff. –– Endphasenbesteuerung 396 –– und Zielvorgaben 387 ff. –– Unternehmereigenschaft 380 f., 392 f. 544

–– Verwaltungseinheit 383 ff., 394 f. –– Vorsteuerabzug 381 f. Leistungen an eine andere juristi­ sche Person des öffentlichen Rechts, § 2b Abs. 3 UStG 238 ff. –– Erhalt der öffentlichen Infra­ struktur 247 ff. –– Gestaltungsmöglichkeit 240 –– öffentlich-rechtliche Vereinba­ rung 245 f. –– Regelbeispiel 241, 244 ff., 257 –– spezifische öffentliche Interes­ sen 241 f., 251 –– Systematik 241 f. –– teleologische Reduktion 258 –– Vergaberecht 243 f., 251 –– widerlegbare Vermutung 242 Leistungserbringung gegen Entgelt 30 ff., 171, 362 f. –– Entgelt 32 f., 172 ff. –– Gebühren oder Beiträge 367 –– Gestaltungsspielraum 36 –– innerstaatliche Finanzzuweisun­ gen 367 f. –– kollektiver Konsum 364, 367 –– Leistung 31 f., 171 f. –– steuerfinanzierte Tätigkeiten 364 ff. –– Teilentgelt 35 ff. –– unmittelbarer Zusammenhang 33, 172 –– Zuschüsse und Subventionen 368 ff. Leistungsfähigkeitsprinzip 14, 16 f., 20 f., 32 f., 314, 325, 329, 340, 354, 356, 361 f. Mehrwertsteuer –– Allphasen- 16 –– Belastungsgrund 14, 17 f. –– gleichmäßige Besteuerung 14 –– indirekte Steuer 15 –– Neutralitätsprinzip.  Siehe dort

Stichwortverzeichnis

–– unionsprimärrechtliche Vorga­ ben 10 ff., 20 –– Verbrauchsteuer 13, 129, 310 Mehrwertsteuersystem, modernes 352, 470, 483, 489, 500 Mehrwertsteuersystemrichtlinie 10 ff. Mindestumsatzgrenze, § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG 229 ff. –– Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers 234 –– gleichartige Tätigkeiten 230 f. –– Kleinunternehmerregelung 232 ff. –– Option zur Regelversteuerung 235 –– relevante Umsätze 229 ff. –– Vorsteuerkorrektur 236 Monopolstellung der öffentlichen Hand 52 ff., 97, 115 ff., 225 f., 239 f., 312 Nachhaltigkeit –– Begriff 38 f., 175 ff. –– objektive Überschusserzielungs­ möglichkeit 42 ff., 177 Neutralitätsprinzip –– Inhalt 18 ff. –– und der Gleichbehandlungs­ grundsatz 19 ff. –– Wettbewerbsgleichheit 18 öffentliche Gewalt –– Begriff 83 ff., 216 –– Gestaltungsspielraum 87, 220 –– Handlungsform 85 ff., 214 ff. –– hoheitliche Befugnisse 83, 216 –– öffentlich-rechtlicher Vertrag 217 f. –– privatrechtliche Grundlage 87, 215 –– richtlinienkonforme Auslegung 215 –– Verwaltungsakt 217 –– Verwaltungsaufgabe 84

–– Wahlrecht der Mitgliedstaaten 88 öffentliche Hand –– Einheiten 1 –– wirtschaftliche Bedeutung 3 Organschaft 180 ff. –– finanzielle Eingliederung 190 ff. –– Innenleistungen 181, 186, 192 f., 196 –– Mehrwertsteuergruppe 182 f., 211 –– richtlinienkonforme Auslegung 187, 189 f., 193 f. –– Über-/Unterordnungsverhältnis 180, 182, 191, 193 –– wirtschaftliche Eingliederung 188 f. Outsourcen 342, 378 Public-Private-Partnership 344, 350, 459 Reformdiskussion 5, 349 ff., 397 f., 470 Reformmodelle –– Refundsystem.  Siehe dort –– Vollbesteuerung.  Siehe dort –– wirtschaftliche Folgen der Ziel­ vorgaben 375 ff. –– Zielvorgaben 354 ff. Reformvorschläge 5, 353 –– Desens et al. 353, 459 ff. –– Empfehlungen 483, 498 ff. –– Europäische Kommission 5, 351 ff., 470 f., 473 f. –– Kirchho f.  Siehe dort Refundsystem –– Abgrenzungsmerkmale 400 –– Ansatz 398, 400 –– Anspruchsberechtigte 401, 419 –– Ausgestaltungen 400 ff. –– Finanzierung 402 ff. –– geschlossenes 404 –– innerstaatliches Finanzierungs­ element 407, 441 –– offenes 404 545

Stichwortverzeichnis

–– Referenzrahmen 399, 405 –– Reformvorschlag Desens et al. 459 ff. –– Reformvorschlag Europäische Kommission 465 ff. –– Relevanz 398 –– steuerfreie Umsätze 407 ff. –– und ausländische Umsatzsteuer 404, 436 ff. –– und Beihilfeverbot 411 ff., 462 –– und Finanzverfassungsrecht 451, 462 f. –– und Grundfreiheiten 434 ff., 462 –– und Mehrwertsteuersystem­ richtlinie 406 ff., 460 f., 466 –– und Zielvorgaben 456, 464 Regiebetrieb 179, 209 Rückausnahmen von der persönli­ chen Steuerbefreiung der öffent­ lichen Hand 92 ff., 220 ff. –– Auslegungsgrundsatz 94 –– für bestimmte Tätigkeiten 96 ff., 221 ff. –– Wettbewerbsverzerrungen.  Siehe dort Selbständigkeit 58 f., 177 ff. –– Abgrenzungskriterien 58, 178 –– Beleihung 178 –– nichtrechtsfähige Untereinhei­ ten 59, 179 –– Organschaft.  Siehe dort Sondermaßnahme gem. Art. 395 MwStSystRL 288 f., 461, 465 Steuerbefreiung der öffentlichen Hand, persönliche –– § 2b Abs. 1 UStG 198, 207 ff. –– Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL 62, 75 ff. –– Rechtfertigung 314 ff. –– Rückausnahmen von der per­ sönlichen Steuerbefreiung der öffentlichen Hand.  Siehe dort 546

Steuerbefreiungen, sachliche –– § 4 UStG 279 f. –– Art. 132 MwStSystRL 127 f., 280 –– Einrichtung des öffentlichen Rechts 128, 279 –– Gestaltungsspielraum 127 f. –– Zusammenschlusses von juristi­ schen Personen 280 Steuerpflichtiger –– Grundtatbestand, Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL 25 ff. –– Selbständigkeit.  Siehe dort –– Steuerbefreiung der öffentlichen Hand, persönliche.  Siehe dort –– wirtschaftliche Tätigkeit.  Siehe dort Übergangsregelung, § 27 Abs. 22 UStG 260 ff. –– Anlaufhemmung 261 –– Beihilfeverbot 265 ff. –– Beistandsleistungen 265 –– Hintergrund 260 ff. –– Umsatzgrenze von 30 678 264 –– Vermögensverwaltung 265 Unternehmereigenschaft –– Bedeutung 166 –– gewerbliche oder berufliche Tätigkeit.  Siehe dort –– Grundtatbestand, § 2 Abs. 1 UStG 167 ff. –– Selbständigkeit.  Siehe dort –– Steuerbefreiung der öffentlichen Hand, persönliche.  Siehe dort Unternehmerfähigkeit 168, 209 Vollbesteuerung –– Ansatz 471 –– Grundvarianten 472 f. –– in Australien 489 ff. –– in Neuseeland 473, 475, 483 ff. –– und Zielvorgaben 475 ff. –– Vorschlag der Europäischen Kommission 473 f.

Stichwortverzeichnis

Vorsteuerabzug –– 10 %-Grenze, § 15 Abs. 1 S. 2 UStG 288 f., 293 f. –– besteuerter Umsatz 137 f. –– direkter und unmittelbarer Zu­ sammenhang 139, 286 –– Einlagenentsteuerung.  Siehe dort –– Gestaltungsmöglichkeiten 136 –– Grundtatbestand in § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 283 ff. –– Recht auf Abzug, Art. 167 MwStSystRL 131 ff. –– richtlinienkonforme Auslegung 284, 293, 296, 301 f. –– Sofortabzug 133 f. –– Umfang des Abzugs, Art. 168 ff. MwStSystRL 136 ff. –– und Entnahmebesteuerung 150 f., 155 ff., 291, 294 ff. –– Unternehmen, Leistung für sein 283 f. –– Vorsteuerberichtigung.  Siehe dort –– Wirkung 16, 129 –– Zuordnungswahlrecht.  Siehe dort Vorsteuerberichtigung 143 ff., 155 ff., 286, 299 ff. –– Billigkeitsregelung 303 Wettbewerbsverhältnis 104 ff., 225 –– Hoheitsgebiet 112, 115, 118 –– hypothetische Möglichkeit des Markteintritts 105 –– maßgeblicher Markt 112 ff. –– Monopolstellung 110 f., 115 ff., 225, 239 f. –– potentielles 104 ff.

–– vergleichbare Ausgangsleistun­ gen 108 ff., 225 –– Voraussetzungen 107 ff. Wettbewerbsverzerrungen 120 f., 225 –– Bagatellfallgrenze 98, 123 –– größere 121 ff., 225, 238 –– Leistungen an eine andere juri­ stische Person des öffentlichen Rechts, § 2b Abs. 3 UStG.  Siehe dort –– Mindestumsatzgrenze, § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG.  Siehe dort –– steuerfreie Ausgangsleistungen, § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG 227 f. –– Wettbewerbsverhältnis.  Siehe dort wirtschaftliche Tätigkeit –– Definition 28 –– Leistungserbringung gegen Ent­ gelt.  Siehe dort –– Monopolstellung 52, 54 –– Nachhaltigkeit.  Siehe dort –– nichtkommerzielle Tätigkeit 50 f. –– regulatorische Tätigkeit 47 ff. –– Vermögensverwaltung 28 Zielvorgaben 354 ff. Zuordnungswahlrecht 146 ff., 290 ff. –– 10 %-Grenze, § 15 Abs. 1 S. 2 UStG 293 f. –– Investitionsgut 145 –– und Entnahmebesteuerung 150 f., 291, 294 ff. –– vorherige Zuordnung 153 ff. Zuschüsse 42 ff., 303 ff., 368 ff., 487

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