Der Triumph: Erfolgsdenken als Staatsgrundlage. Gedanken zu einer Staatslehre der großen, dauernden Ordnung [1 ed.] 9783428458516, 9783428058518


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German Pages 318 Year 1985

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Der Triumph: Erfolgsdenken als Staatsgrundlage. Gedanken zu einer Staatslehre der großen, dauernden Ordnung [1 ed.]
 9783428458516, 9783428058518

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WALTER LEISNER · DER TRIUMPH

Der Triumph Erfolgsdenken als Staatsgrundlage Gedanken zu einer Staatslehre der großen, dauernden Ordnung

Von

Prof. Dr. Walter Leisner

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Lelsner, WaUer: Der Triumph: Erfolgsdenken als Staatsgrundlage; Betrachtungen zu e. Staatslehre d. großen, dauernden Ordnung I Walter Leisner.- Berlin: Duncker und Humblot, 1985. ISBN 3-428-05851-8

Alle Rechte vorbehalten

@ 1985 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41

Satz: Feese & Schulz, Berlin 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Prlnted in Gennany ISBN 3-428-05851-8

Vorwort In den vergangeneo Jahren habe ich im Verlag Duncker & Humblot eine Betrachtungsreihe über die "Spätdemokratie" veröffentlicht. "Demokratie - Selbstzerstörung einer Staatsform" sollte die inneren Widersprüche der Volksherrschaft aufzeigen, an denen sie immer wieder zu zerbrechen droht. "Der Gleichheitsstaat - Macht durch Nivellierung" versuchte den Nachweis, daß der fast notwendig erscheinende Weg der Demokratie zu immer stärkerer Egalisierung nicht mehr Freiheit, sondern mehr Herrschaft bedeutet. "Die Demokratische Anarchie -Verlust der Ordnung als Staatsprinzip" war dem Nachweis gewidmet, daß dieselbe Demokratie, durch ihre Ideologie der Ungebundenheit und der Ansprüche, zu immer neuen Ausbruchsversuchen aus ihrer Gleichheitsordnung führt, bis hin zur Leugnung des Ordnungsgedankens. "Der Führer: Persönliche Gewalt - Staatsrettung oder Staatsdämmerung?" sollte den fatalen Kreislauf zeigen, der immer wieder von der Demokratie zur Persönlichen Gewalt treibt und zurück - eine Warnung vor den Gefahren einer übersteigerten Freiheit, die dann nach der "Führung" ruft. Dies war ein Wagnis, denn die Kritik ging tief, sie machte vor keinem Tabu halt. Doch es hat sich gelohnt; Zustimmung wie Kritik haben mir gezeigt, daß ich in einem für mich entscheidenden Punkt verstanden worden bin: es ging mir um Denkanstöße zur Bewahrung einer Freiheit, die heute, wie zu aller Zeit, nicht nur von der Herrschaft der Gewalt bedroht wird, sondern ebenso, vielleicht noch mehr, von ihren eigenen Schwächen, von dem Mangel an Mut, sich gegen einen Pseudokonsens aufzulehnen, der Diskussion und Nachdenken verdrängen will. Dies aber ist heute die größte Gefahr für die Meinungsfreiheit. Am Ende dieser Betrachtungen blieb allerdings ein Fragezeichen: Soll dies nun das letzte Wort sein, die so oft bedrückende Vision der "Spätdemokratie"? Führt da kein Weg hinaus über all diese Grundsatzkritik, aufwärts mit der Kraft einer Begeisterung, aus der doch alle großen Staatsformen, vor allem die Demokratie, gewachsen sind? Muß nicht dieser "Kritik der Demokratie" der Versuch einer Lehre von den Grundlagen der staatlichen Ordnung folgen, auf denen aufgebaut werden kann?

6

Vorwort

Johannes Broermann, dessen Gedächtnis das hier vorgelegte Werk gewidmet ist, hatte den Mut, jene Betrachtungen über die "Spätdemokratie" zu veröffentlichen - er konnte es, weil er immer, auch in der Vergangenheit, auf der Seite der Freiheit zu finden war. Doch schon vor Jahren hatte er mich gemahnt, die positiven Seiten nicht zu vergessen, und wenn noch so vieles den Kassandrarufen Recht geben möge. Auf Gespräche mit ihm geht der Gedanke zurück, der "Spätdemokratie" Betrachtungen über eine "Staatslehre der großen, dauernden Ordnung", über die Kraftquellen heutiger und künftiger Staatlichkeit folgen zu lassen. So beginne ich denn nun mit einem Buch, das die positive Grundstimmung zeigen soll, aus der größere Staatlichkeit entsteht. "Der Triumph" - das ist heute kein Schlachtensieg mehr, doch das große römische Vorbild bleibt: Erfolgsgefühl, Erfolgsdenken brauchen wir, gerade heute, damit "Aufschwung" kein ökonomischer Begriff nur sei, sondern eine größere Dimension für unsere Gemeinschaft gewinne. Dabei soll alles das analysiert werden, was bisher diese größere, im wahren Sinne staatstragende Grundstimmung hervorgebracht hat, damit wir daraus die geeigneten Formen für unsere Zeit entwickeln. Wir sind dabei auf der Suche nach Idee und Wirklichkeit einer "großen, dauernden Ordnung"; pragmatische Organisation eines gegenwärtigen Miteinander kann nicht genügen. Diese Ordnungsvorstellung soll in den ersten Kapiteln, gewissermaßen als Programm, näher verdeutlicht werden unter einem Wort: Das Reich. Für uns Deutsche ist dies ein Begriff, belastet mit Schuld, Trauer, Verhängnis. Über ein Jahrtausend war das zu allererst ein deutsches Wort, die Mitte unseres ganzen Staatsrechts- in wenigen Jahren ist es zerstört worden. Dieses frühere Reich hat uns für immer verlassen, doch die Idee eines Reiches der großen, dauernden Ordnung muß uns weiter begleiten, so wie alle Staatlichkeit es stets gesucht hat. Hier liegt eine Verantwortung deutscher Geschichte und Staatslehre, aus ihren Erkenntnissen und Verirrungen heraus: Wir müssen das Reich suchen jenseits von Blut und Gewalt. Wenn wir es noch so verdrängen- in allunserem politischen und staatsrechtlichen Bemühen suchen wir immer etwas von ihm. Die Untersuchung beginnt mit Kapiteln über den "Triumph" . Allzu leicht verwirft heute die gängige Kritik alle Formen eines "Triumphalismus". Dabei dürfen wir nicht stehenbleiben, wir müssen wieder zu den Kräften finden, aus denen große, dauernde Ordnung entsteht, vor

Vorwort

7

allem zu jener Staatsgrundlage des Erfolges, der überzeugt gefeiert werden darf, im Leben des Staates wie der Bürger. Das Reich, das nicht von dieser Welt ist, sollte uns im Triumph über den Tod geöffnet werden. Wird nicht auch das Reich dieser Welt nurim Triumphzug erreicht? Erlangen, den 1. Januar 1985 Walter Leisner

Inhaltsverzeichnis

A. Vom Staat zum Reldl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

I. Von der Kritik der Demokratie zur Lehre vom Reich . . . . . . . . . .

17

1. Besinnung auf die Reichsidee -

Chance der Staats-Spätzeit 17

2. Die Reichsidee -

Sehnsucht des Staatsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die zwei Quellen der Reichssehnsucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Reich - Sehnsucht aller Macht, mehr noch: aller Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Einheitshoffnung - gerade aus Demokratie . . . . . . . . . . d) Imperiale Demokratie- drängende Bewegung und ruhende Ordnung zugleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

TI. Die Lehre vom Reich: Von der Kritik zum ,.positiven Staatsrecht" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19

21 23 25

26

a) Kassandrarufe - das Schicksal des kritischen Staatsrechts der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) Kompromiß- und Mittellösung - Resignation der Kritik . . 27 c) Das Imperiale als Kriterium des positiven Staatsrechts . . . 28 III. Neue Methoden der Suche nach einem Reichs-Staatsrecht . . . . . . . 1. Vom Organisationsrecht der Herrschaft zum Primat des Ord-

nungsziels . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wiederentdeckung des Ziels über den Befugnissen . . . . . . . b) Kein Reich aus Freiheit allein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) "Recht auf das Reich" - Bürger-Reich aus gesteigertem Status activus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 31 31 33 34

2. "Das Reich" - mehr als ,.der Staat" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Staat - die "gerade-noch-Herrschaft" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Die Reichsidee - Steigerung der drei kantischen Kategorien der Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 c) Relativitätstheorie des Reichsgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Das Reich in seinen Trümmern entdecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) System um jeden Preis- ein staatsrechtlicher Irrtum . . . . b) Der Verlust der Klassik - Reich ohne Vielfalt? . . . . . . . . . . c) Reichstrümmer als Reich - staatsrechtliche Archäologie . .

41 41 44 46

Inhaltsverzeichnis

10

B. Triumph -

Reidlsgrund und Reidlsanfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

I. Der Triumphzug- vom Staat zum Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1. "Triumph vor Reich" -

der "Durchbruch" als Reichsproklamation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ein Reich - aus triumphalen Ereignissen, nicht aus Normen ......... ... ................. ... .................... b) Triumph - etwas wie Gnade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Und etwas Einmaliges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Die Reichsidee -

49 49 50 50 52

Staat und Triumph . ... . . : ... . .. .. . : . . . . . .

52

II. Was ist Triumph? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

1. Der "ganz große" Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

2. Der triumphale Erfolg - ein Ereignis jenseits von jeder Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Das reichsgründende Ereignis -

eindeutig und einheitlich . .

59

4. Sieg und Siegesfolgen - eine Einheit im Triumph . . . . . . . . . . a) Fortsetzungstriumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Triumphbegleitendes Feiern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61 62 63

5. Tradition als Triumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Triumph als Tradition von Siegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 b) Tradition des Sieges als dauernder Triumph . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Tradition ohne Großerfolg - Gegenteil des Triumphs . . . . 69 d) Die größte gefeierte Tradition - das katholische Rom . . . 70 6. Triumph als rettender Sieg - die Notstandslegitimation des Reichsdenkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 III. Die Erweiterung des Triumphbegriffs: v om Sieg zum Erfolgder demokratische Triumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

1. Überwindung des Triumphalismus durch Pazifismus? . . . . . . . .

74

2. Erfolg -

76

der neue Kernbegriff des Triumphalismus . . . . . . . . .

3. Der Großerfolg als demokratischer Triumph . . . . . . . . . . . . . . . .

78

4. Jeder Erfolg- ein reichsgründender Triumph? . . . . . . . . . . . . .

80

IV. Was ist Staats-Wahrheit? - Nach dem Reichsgedanken: der Triumph ..... . ...... . ........ . . .. .... . ..... ... . ......... . ..... 83 1. Triumph als politische Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 a) Die "niedergeschlagene Wahrheit" - Vae victis . . . . . . . . . 83 b) Triumph - Wahrheit durch Feier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

2. Vom unmöglichen "Wahrheitsstaat" - zur Triumph-Wahrheit des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Der "Wahrheitsstaat" - eine demokratische Illusion . . . . . 86 b) Die größere triumphale Reichs-Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Inhaltsverzeichnis

11

3. Der Großerfolg-überzeugende Wahrscheinlichkeit als Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4. Reichsidee- Wille, nicht Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Der Triumph - Reichswille, nicht Reichssystem . . . . . . . . . . 91 b) Der imperiale Triumph und die Grenzen der wissenschaftlichen Erfaßbarkeit des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 V. Der Weg der Staatserhöhung zum Reich- eine Via triumphalis

94

1. Das Reich als "höhere Integrationsform der Staatlichkeit" . . .

94 94 95 95 96 97

a) b) c) d) e) f)

Das Reich als "Staat an sich" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Triumph - ein "Generationenvertrag zum Reich" . . . . . . Reich - "mehr als Mehrheit im Triumph" . . . . . . . . . . . . . . . Das Reich - Staat der Begeisterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Triumphalismus - Denken in politischen Kräften . . . . . . . . Reichsdenken - nicht einig sein in Werten, einig werden im Triumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Was verlangt das Reich vom Triumph - Beweise, Ziele, Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Triumph - Existenzbeweis des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exkurs: Der Triumph - Existenzbeweis als Orakel . . . . . . c) Staatsziele aus Großerfolgen - der triumphale Teleologismus ......... . .............. ... ...................... d) Instrumentalismus - Triumph als Lehrbuch größerer Reichs-Staatlichkeit ....... .. .. . ......... . ........ . ......

98 99 99 100 102 104

3. Souveränität aus Triumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4. Das Himmel-Reich auf Erden - im Triumph . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Das heilige Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i08 b) Der heilige Triumph ............ .. ...................... 108 5. Reich als Geheimnis .. ................. .. .......... . ... ... . . 109 a) Großerfolg- Verdämmerung der Einzelheiten .. .. . . .. ... 109 b) Die "geheime Reichs-Sache" - imperiales Geheimnis aus Triumph ........................... . ..... .... .. ... . ..... 110 6. Die Reichsidee - unsterblich im Triumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Das Reich - ohne Ende, daher ohne Anfang . . . . . . . . . . . . . 112 b) Ewigkeit aus Trhunph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

C. Ersdleinungsformen des Triumphes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I . Der militärische Triumph . .. . .. .. .. .. . . . . . . . . .. . .. . .. . . . .. . .. . 116 1. Der Endsieg- das triumphale Wesen alles Militärischen . . . . 116

a) Waffen- stets auf den "großen Erfolg" gerichtet ...... . . 116 b) VerteidigUngsideologie - Ende eines Denkens in militärischen Triumphen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

2. Militärischer Sieg -

der große, eindeutige Triumph . . . . . . . . . 119

3. Die staatsgründenden Kräfte des militärischen Sieges . . . . . . . 121

12

Inhaltsverzeichnis 4. Militärische Niederlage als staatsgründender Triumph? . . . . . 124 5. Der demokratische Militärtriumph - Bürgerwehr, Levee en masse ........... . ................ ... ........ . ....... .. .. .. 126 II. Die triumphierende Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Die "große Revolution" - Aufbruch zu neuer, größerer Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

2. Die Revolution- militärischer und ziviler Triumph verbündet 130 a) Die große Revolution - immer ein militärischer Sieg . . . . 130 b) Imperiale Endgültigkeit im zivilen Sieg .................. 131 3. Die "große Verfassungsstunde" - ein demokratischer Triumph? ............................ . ................ ... . .... 133 a) Revolution durch Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Das "unmilitärische Verfassungsrecht - Triumph ohne Sieg"? . .... .. . . . . ..... .. .. ... .. . . . . . .. .... .... . . .. .. .... 134 4. Die große Freiheit - ein Triumph der Demokratie .. . .. , . . . . 135 a) Freiheit an sich- Sieg oder Genuß? ............. .. ...... 136 b) "Freiheit durch Sieg" - ein Weg zum Reich ..... . . . ..... 138 5. Der imperiale Triumph der revolutionären großen Gleichheit 139

III. Tradition als Triumph? . .. .. . . .... .. .. . ........... .... .. .. .... 141 1. "Reine Tradition" -

das wesentlich Untriumphale . . . . . . . . . . 141

2. Wahre Tradition- "alles in einen Großerfolg integriert" .. . . 142 3. Größte Triumphalität aus der größten der Traditionen - das Zweite Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

IV. Der ökonomische Triumph . .. .. . . ............... . .. . ........... 145 1. Das Wirtschaftwunder -

ein staatsgründender Sieg? . . . . . . . . 145

2. Vom Sieg zum Gewinn: ein pazifistischer Triumph . . . . . . . . . . 147 3. Wirtschaftlicher Großerfolg 4. Der Markt -

immer ein liberaler Triumph 149

ein Schlachtfeld großer Siege? . . . . . . . . . . . . . . . . 151

5. Plutokratischer Triumphalismus -

Reichtum als Sieg? . . . . . . 153

6. Privater Reichtum als Reichstriumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 7. Reichtum gegen Reich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 8. Das Ende des Triumphalismus im Eudämonismus . . . . . . . . . . . 159 9. Ökonomischer Triumphalismus gegen "Überbau"- das Reich als "Dritter Weg" . ..... . ............. .. .. . ...... . ... . . ... .. 160

V. "Triumphe des Geistes" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Triumph in geistiger Spitzenleistung - oder in "Bildungszuständen"? .... ... . ..... . . .... .... .. ....... .. ....... . . .. .. 163

Inhaltsverzeichnis 2. Kunst als Sieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kunst- der ewige Triumphalismus .................. ... b) Kunst - ein internationaler Triumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kunsterbe oder Kunst-Auftrag zum Reich? .............. d) Von der Staatskunst zur Reichskunst ................. . .. e) Staatsfreie Kunst- ein staatsfreier Triumph? ......... . . f) Renaissance-Triumph ............ . ................ ... . ..

13 165 165 166 168 169 170 173

3. "Klassiker der Literatur"- Künder eines Reichs-Triumphs .. 174 4. Staatsliteratur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 5. Wissenschaft als Triumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Forschung und Lehre- notwendige Einheit in einer wahrhaft "politischen" Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Universität- ein Imperium aus geistigen Triumphen .... c) Wissenschafts-Lehre - Reichsvermittlung ....... ... .. .. . d) Deutscher Professoren-Triumphalismus- ein vergangenes Jahrhundert? .. .. . . . .. . .. . ...... . . .. . ... . . . . .. .... ... . . . e) Wissenschaftsfortschritt gegen Wissenschaftstriumph? . ...

177 177 178 180 181 182

VI. Der "soziale Triumph" -Frieden als Sieg .. . . . ....... ... ...... 185 1. Der neue Triumphalismus: Die kommunistische Siegesidee . . . 185

a) Der Klassensieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Entmilitarisierung, Entökonomisierung des Triumphalismus ......... . ...... .. ... . .... .. .. .. . .. ... .. .... .. . .... . 187

2. Triumphieren durch Verteilen? .... ... ................... . .. a) Vom militanten Kommunismus zum triumphalen Sozialismus .......... .. ...................................... b) Verteilung ohne Sieg und Gegner ..... . . . ............ .. . c) Internationale Sozialverbrüderung - Desintegration der Triumphe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Triumph - mehr als "Gerechtigkeit" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verteilung- Auflösung des Triumphzuges in kleine Glückseligkeilen .... .. ........ . . .. . . .. ............ . ........ . .. 3. Soziale Befriedung als großes Gelingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Von der Verteilung zum Triumph des Gebenden .. . . ... ... b) Von der Befriedigung zur Befriedung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausgleich als Triumph - Sozialvertrag als Reichsgründung

188 188 191 192 193 194 195 195 196 197

4. Exkurs: Frieden als Triumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

VII. Der "reine Triumph" - Triumph als Triumphgegenstand- vom "barocken Triumph" zum "dionysischen Reich" .... ... . . . . ... . . . 201 1. "Reiner Triumph"- ein demokratischer Weg zum Reich .... 201

2. Der "reine Triumph" - eine überwirkliche Idee . . . . . . . . . . . . a) Triumphieren - im Überschwang vieler Erfolge . . . . . . . . b) Triumph in Feiern - der imaginäre "r(,!ine Triumph" . . . . c) Vom historischen Triumph zum dogmatischen Triumphalismus . ... .. . . . . .. .. . . . . .. .. .. . .. .. . ... . . ... .. . . . ... .. .

202 202 204 205

14

Inhaltsverzeichnis d) Der "Triumph an sich"- Staatsgrundlage außerhalb jeder Zeit ........................... . ........................ 208 e) ,.Reiner Triumph" - Erfolg als platonische Idee ........ 209 3. Barock als Triumphalismus an sich ........... . ............ a) Der geistige Ausgangspunkt: allgemeines Triumphgefühl b) Der kirchliche Barocktriumphalismus ............. . .... c) Die triumphale Reichs-Kunst des Barock ................ d) Vom barocken Triumphalismus der Freiheit zur Demokratie ......................... ... ............... ..... ..

211 211 212 214

4. Die reichsschaffende Kraft des reinen Barocktriumphs . . . . . . a) Absolutismus - eine bleibende staatliche Kraftquelle . . . . b) über "viele kleine Reiche" im "reinen Triumph" zum Imperium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Christliches Reichsdenken im Barocktriumph . . . . . . . . . . . . d) Barockwiederkehr - Triumphrenaissance . . . . . . . . . . . . . .

222 222

219

223 224 225

5. Die absolute Staatsgewalt - ein Geschenk des Absolutismus der reinen Triumphalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 6. Der "reine Triumph" amEndein Europa? .................. 227 a) Sieghafter Oberschwang- Vergangenheit? ...... .. ... ... 227 b) Europäische Chancen zu einem .,reinen Triumphalismus" 229 7. Der .,reine Triumph"- das Dionysische der Politik .. .... .... 232

D. Triumphale Formen der Staatsorganisation - Triumphfeiern im Staat 235 I. Die institutionelle Staatsfeier .................................. 235

1. Das Staatstheater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staatsfeiertage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nationalhymnen ........ .. .......... . ................... c) Fahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Orden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Staatsfeiern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235 235 236 237 238 240

2. Staatstragende Gesellschaftsfeiern - Prozessionen und Maifeiern ............... . ............ .. .... .. . . . ... .. .. . ... ... . 242 II. Das feierliche Staatshandeln . ...... . ..... . ..... .. .............. 244

1. Formen des allgemeinen Staatshandeins .. ........ .. ........ 245 a) Staatshandlungsformen als Ausdruck des Erfolges . . . . . . 245 b) Prozeßrecht als Ausdruck des Gelingens ................ 246

2. Staatskunst .... . ................. ... ...................... a) Staatskunst als Staatshandeln ...... . ................... b) Staatsbauten - über-private Würde oder .,normative Maschinenhallen"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Staatskunst - Ausdruck des .,Großerfolges Staat" . . . . . . . .

247 247 249 250

Inhaltsverzeichnis

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3. Das Medientheater - triumphale Verbreitung des Staatshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

III. Staatsgewalten feiern Staatstriumph ..... . . . ............ . .... . . 255 1. Das Staatsoberhaupt -

personifizierter Staatstriumph . . . . . . 256

2. Exekutive - Gestaltung zum großen Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . a) Legalität- Verwaltung ohne "Erfolg"? .......... .. ...... b) Normvollzug als Erfolg ............................. ... . . c) Ermessen - Erfolgsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Triumph in normfreier Exekutivgestaltung .. . . ... . . .. . .. e) Politisierung der Exekutive- ein Versuch großer Erfolghaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

259 259 259 261 261

3. Parlamentstriumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Parlament- ein antitriumphales Staatsorgan? ...... b) "Versammlung als Triumph" .................... .. ...... c) Abstimmung als Sieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Parlamentsrede - Siegespathos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Volksvertretung - triumphales Forum, nicht Normenfließband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

265 265 266 267 268

4. Der Rechtstriumph - Gerichtsbarkeit als Forum der Siege . . a) Gerichtsbarkeit - "Staatlichkeit ohne Erfolg" .... ... . .. b) Entscheidung - ein "kleiner Triumph" ........... . ...... c) Corpus Iuris - ein dauernder Reichstriumph . . . . . . . . . . . . d) Strafe - Sieg der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gnade - Triumph der Stärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verfassungsgerichtsbarkeit - "große Staatlichkeit in Urteilsform" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

270 271 271 272 273 275

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IV. Bildungstriumph .. ................................... . .. .... .. 278 1. Der Bildungsstaat - Überwindung des kulturellen Wahrheitsliberalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

2. Erfolgsdenken als Bildungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 3. Erfolgsdenken im Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) "Primat der Geschichte" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Naturwissenschaften- Erfolgsmaterien .. .. ... . . . . . .... . . c) "Methode aus Erfolg" - Begeisterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schule- der .. kleine Wächterstaat" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

283 283 284 285 286

4. Volks-Schule- die breite Begegnung mit dem Erfolg ...... 287 5. Hochschulen - Hohe Schulen des Erfolges . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Studentischer Triumphalismus? .. ...................... b) Die Hochschule und ihr Ideal des Gelingens . ........... c) "Wieder Ideale" - wieder triumphales Denken .. .. . ... 6. Erfolgsdenken -

288 288 290 292

Zentrum politischer Bildung . . . . . . . . . . . . . . 293

7. Die Bildungseinheit aus Erfolgsdenken ........ .... .......... 295

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Inhaltsverzeichnis

E. Der Bürgertriumph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 I. Reichsvielfalt aus Bürgertriumph- staatsgefördert, nicht staatsbefohlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 II. Das Leistungsprinzip -

Ausdruck egalitärer Triumphalität . . . . . 299

1. Verdiente Selbstdurchsetzung, nicht Prüfungsstaat .......... 299

2. Triumphieren im Arbeitsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 3. Alter -

Erfolg eines Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

4. Jugendtriumph -

ein Omen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

III. Familie- der fortgesetzte Bürger-Triumph ......... . ........ . 304 1. Die Geschichtswerdung des Bürger-Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

2. Die Erfolgsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 3. Erbrecht -

Weitergabe von Bürgertriumphen . . . . . . . . . . . . . . 306

4. Triumphale Familienlegenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 5. Dekadenz -

Verlust der Familien-Triumphalität . . . . . . . . . . . 308

IV. Bürgertriumph als Staatstriumph -

der "Reich.sbürger" . . . . . . . . 310

1. Bürgererfolge als Formen öffentlicher Triumphalität ...... 311 2.

D.~e triumphale Erhöhung des Bürgerlebens der Reichsburger .... .. ................. . ............................. 313

F. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

A. Vom Staat zum Reich I. Von der Kritik der Demokratie zur Lehre vom Reich

1. Besinnung auf die Reichsidee-Chance der Staats-Spätzeit Das Jahrtausendende ist Staatsende. Vergangenheit ist die Feudalherrschaft vieler Jahrhunderte und ihre aristokratische Kirche, Geschichte wird das Bürgertum mit seiner liberalen Demokratie. So vergehen Begriffe und Ziele, die unsere staatsrechtliche Sprache waren und unsere politischen Hoffnungen. Herauf kommen die vielen Gleichen mit ihren gewählten oder gerufenen Führern; in grauer, glanzloser Machttechnik arbeitet die Großorganisation Staat für panem et circenses, Wohlfahrt und Unterhaltung, nur für eines nicht: ad maiorem gloriam ... Dies ist mehr als Spätzeit, Spätdemokratie. Zwar werden uns die vertrauten Staatsideen noch lange mit sich fortschleppen, mit "Gewaltenteilung und Freiheitsrechten" "Volksvertretung und Sozialstaat", immer weiter verästelt, und postglossierend, können wir Probleme wenn nicht lösen, so doch - lassen; als neue Kräfte erscheinen uns die alten Beruhigungen. Doch es brechen nicht immer weitere, immer spätere Stunden der heutigen Staatlichkeit an. Die Idee der Herrschaft selbst wandelt sich zutiefst: Mächtige und Unterworfene werden zu Partnern, Mitverantwortungen verdichten sich - und zugleich doch eine neue Freude an der kleinen Privacy unabsehbar vielfältiger Bürger. Am Ende des Macht-Staates ein neues Zusammenleben in natürlich-technischen Zwängen? Wir glauben, daß dies ein Neues sein wird, das uns heute schon umgibt, täglich mehr. Wir hoffen, daß es sich ohne vernichtenden Bruch herausentwickeln kann aus der nervösen, ängstlichen Geistigkeit unseres überunterscheidenden Staatsdenkens. Wir lieben den Gedanken, daß diese Vita Nuova aus den Ruinen wachsen wird. Nicht das Vergangene soll wiederkehren, das Verschüttete wollen wir entdecken, in unserem staatsgrundsätzlichen Denken, unserer politischen Theorie, graben nach den Ruinen dessen, was unsere Seelen suchen - nicht die Macht: das Reich. Die Chance unserer Staats-Spätzeit gilt es zu nutzen. Am Niedergang mag man sich berauschen, an der Gewaltsamkeit der Befreiungen oder 2 Leisner

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A. Vom Staat zum Reich

an Kassandrarufen ohne Kosten und Folgen. Mehr bedeutet die große Freiheit des Suchens nach Aufstiegen aus den Niederungen einer sich selbst zerstörenden Demokratie, aus der Staatsschmiede bürokratischer Gleichheitsherrschaft, aus den Vulkankratern der demokratischen Anarchie, aus den Befehlen der Führer. Was kommt jenseits all dieser Spätzeit- es ist etwas, das man nur von ihren Ufern aus sehen kann, zu dem man allein aus einer Spätzeit aufbrechen darf: die größere Dimension eines Staates als Zustand, als allgemeine, ruhige, gemeinsame Kraft, eine politische Welt, die wahrhaft cosa nostra ist, weil es außerhalb von ihr nichts mehr gibt - das Reich. Dies nennen wir das politische Glück einer Spätzeit: Die Ängste des Untergangs schärfen den Blick für das Unvergängliche, welches er neu entdecken darf; die zerfallende Kleinheit der Lösungen weckt Sehnsucht nach der großen Gestaltung; die ermüdende Richtigkeitssuche will zum Erfolg werden, zum ruhig dauernden Triumph; Pluralität ist nicht das letzte Wort, sie lebt nur aus höherer Einheit. All dies liegt in einem Wort, das Geschichte ist und Programm, Vergangenheit als Zukunft - Reich. Nichts scheint heutigem Staatsdenken ferner zu sein, mit seinen wahren oder falschen Bescheidenheiten eines rechtstechnischen Spezialistentums, als die größere Reichsidee. Nichts steht so gegen den Antitriumphalismus unserer Tage, der über jede politische Freude mit kritischem Lächeln hinweggeht. Kaum etwas ist weniger im Gespräch als jene großen Ordnungsversuche der Vergangenheit, welche sich stolz diesen Namen gegeben haben. Und doch, gerade deshalb ist dies das erste Thema der Staatstheorie unserer Tage: Die Reichsidee ist die Antithese unserer Verwaltungs-Mikrogeometrie, die wir Staatsrecht nennen und zugleich die einzig mögliche Synthese über der dauernden krampfhaften Bewegung zwischen den Antithesen von Volksherrschaft zu Persönlicher Gewalt und zurück; es ist zugleich das "ganz Andere", das unserem staatsgrundsätzlichen Denken Bewegung gibt - und der ruhende Pol, aus dem wir unsere immer rascheren politischen Bewegungen verstetigen. Unbewußt suchen wir es alle in unserer Spätzeit, in Rechtshereinigungen und Kodifikationen, in Theorien von einer "Regierung" und bei Obersten Gerichten, im Führer und im Volk- hier wird es einmal offen gesucht. Alles Folgende mag Irrtum sein, eines nicht: daß dieses Wort zum Thema werden muß. Eine Begeisterung sollte uns stets begleiten, die das Recht so selten kennt: daß wir immer suchen dürfen, ohne je unseren Gegenstand voll zu erfassen. Denn vieles vorwegnehmend können wir ein Wort wohl am Anfang schon abwandeln: "das Reich" - es ist nicht von dieser Welt. Gerade deshalb- suchet!

I. Von der Kritik der Demokratie zur Lehre vom Reich

2. Die Reichsidee -

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Sehnsucht des Staatsrechts

Die Betrachtungen über die Spätdemokratie haben Bestehendes kritisiert, eine Staatslehre des Reiches ist Suche nach Verlorenem. Sie kommt aus einer Kritik, die Geltendes herabsetzt, damit hinter ihm das Neue, bereits sich Entfaltende sichtbar werde. Doch die Lehre vom Reich ist in ihrem Wesen nicht mehr Kritik, sondern deren Gegenteil: Ausdruck staatsrechtlicher Sehnsucht. Im Innersten der Reichsidee liegt der Traum vom Paradies - aber nicht im Sinne des glückhaften Naturzustandes, der ersten Stunde nach der Schöpfung. Reich - das bedeutet ein politisches Paradies hochentwickelter Geistigkeit. Hier hat der Garten Eden seinen Gott wiedergefunden, in der glücklichen einen und allgemeinen Herrschaft. Im imperialen Streben liegt nicht die Suche nach der heilen politischen Welt vor dem Sündenfall, das Reich ist ein Paradies politischer Erlösung. a) Die zwei Quellen der Reichssehnsucht Keine Staatslehre hat solche historischen Grundlagen wie die Theorie vom Reich. Hier sollen Gedanken Wirklichkeit werden, weil sie schon einmal mächtige Realität waren. Geschichte entfaltet darin ihre volle staatsgrundsätzliche Kraft: Sie ist zugleich Lehrbuch des Möglichen und verdämmernder Gegenstand stets erneuten Suchens, unbegrenzter Sehnsüchte, sie zeigt Erreichtes und Verlorenes zugleich. Die beiden Quellen des Reiches als staatsrechtlicher Sehnsucht, zugleich seine Geschichte gewordene Dogmatik, sind das Erste und das Zweite Rom, die caesarische Herrschaft und die allgemeine Kirche. Beide sind geschichtliche Annäherungen an einen Zustand politischer Erlösung, zuzeiten fast Gelungenes, das sich immer wieder von den Menschen entfernt, sie stets von neuem in Sehnsucht an sich zieht. -

Unsere Reichsidee ist immer zuerst eine gewesen: die römische. Daß die tiefen Prägungen des Abendlandes durch römisches Recht, lateinische Geschichtsschreibung und Literatur nur Einzelaspekte des Weiterwirkens der einen Reichsidee sind, ist Gemeingut. Doch die neuere Geschichtsschreibung, vornehmlich die deutsche, hat eine Verengung gebracht: Die verbreitete Personalisierung der Reichsidee zur Kaiseridee. So wie vor allem protestantische Historie die allgemeine römische Kirche auf den Papst konzentrierte, so entsprach es dem Geschichtsverständnis des 19. Jahrhunderts, in den Sehnsüchten und Kämpfen des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit den Kaiser vor das Reich zu stellen. Eine wichtige historische Wirkkraft der Reichsidee lag darin sicher - das Imperium als höchste

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A. Vom Staat zum Reich Steigerung der germanisch-feudalen Führergewalt. Doch damit rückte staatsrechtlich Entscheidendes aus dem Blickfeld, gerade das, was in allgemeinerer Sehnsucht auch heute noch staatsrechtlich begeistern kann: das Reich nicht als Gewalt, sondern als Zustand. Wäre die Erinnerung an das alte Rom nicht mehr gewesen als ein Wiederholungsstreben von Caesarenbefehlen, nie hätte ein Jahrtausend davon geträumt und darum gekämpft. Führer mochten an den Kaiser denken, die Menschen haben immer an das Reich der Römer gedacht. Und dies waren stets die großen staatsgrundsätzlichen Sehnsüchte - sie sind es noch heute: die unbedingte, unbestrittene Macht jenseits aller Kritik, die wahre Souveränität - Senat und Volk von Rom als der erste Name der Geschichte; eine Ordnung, die alles umgreift, was bekannt, besser: was wichtig ist auf dieser Welt- das römische Weltreich der zivilisierten Ökumene; die dauernde Herrschaft, ein perpetuum immobile, das sich zur Überzeitlichkeit steigert, das nicht sterben wird, weil schon seine Anfänge in Legenden verdämmern; eine höchste Ordnung, in der Vielfalt zur Einheit findet, die sich über Sklaven und Freien, Bundesgenossen und Provinzen wölbt, verschieden in ihrem Gewicht, stets gleich in der einen Wirkung; die Glückhaftigkeit schließlich des Dauererfolgs, der sich Staat nennt. All diese staatsrechtlichen Träume von der goldenen Zeit des Augustus haben Jahrtausende überdauert, in ihrem Namen waren nicht Führer einig, sondern Menschen. Romantik hat sie stets wieder belebt, doch im letzten sind sie mehr: Staats-Klassik.

-

Die Kirche, das Zweite Rom, ist immer im letzten Reich gewesen, nicht Führer, Papst, Herrscher-Gott. Gerade darin hebt sie sich ab von der reinen Transzendenz eines fernen Gottesdenkens anderer semitischer Religionen, daß ihr Reich zwar nicht von dieser Welt ist, immer jedoch in sie hineinwirken, sie höher heben will, in einer Form von Imperium. Da ist die Idee der Gemeinschaft, in welcher der Herr mitten unter den Seinen ist, vor allem aber die ursprüngliche Grundidee: ut omnes unum sint! Diese Einheitssehnsucht ist es, in welcher die allgemeine Kirche die römische Reichsidee weiterträgt, in die sie sich erhebt über immer stärkere, selbständigere Provinzen, die ihrerseits zu kleinen Reichen werden wollen. Ihre Souveränität ist nicht mehr überall, in allen Tiefen des Politischen, doch sie bleibt noch immer absolut, weil zuallerhöchst. Ihre Internationalität erfaßt alles, extra muros gibt es kein Heil, nur Barbarei. Da die Kirche aus dem ewigen Gott kommt, kennt ihr Reich keinen Anfang, also auch kein Ende. Über der menschlichen

I. Von der Kritik der Demokratie zur Lehre vom Reich

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Vielfalt wölbt sich ihr Dom in Reichshierarchie. Und schließlich ist sie ewige Auferstehung, dauernder Triumph - soweit es ihn gibt auf Erden. Diese Kirche bedeutet nicht nur eine Vergeistigung der römischen Militär-Herrschaft, sie hat die Vergeistigung der Reichsidee selbst gebracht, in ihr ist das Reich, wenigen nur bewußt, vom Zwang ganz zur Idee geworden. Und eine immer noch größere religiös-politische Sehnsucht: Nun entzog sich dieses Imperium stets von neuem und wie mit Notwendigkeit den Blicken, es blieb Abglanz des höheren Himmelreichs. Diese beiden Rom sind es, die immer wieder den Ruf haben ertönen lassen nach einem neuen Reich, und wenn dies noch so sehr von dieser Welt sein sollte, stets lag in ihm etwas von der letzten Hoffnung eines Dritten Rom, noch jenseits des Zweiten. b) Das Reich- Sehnsucht aller Macht, mehr noch: aller Ordnung Geschichte, die Größe erreichte, war immer und allein Variation über das Reichs-Thema. Auf hoher Machtstufe verdichtete sich stets die Reichs-Sehnsucht zur Restaurationshoffnung der römischen Universalherrschaft, doch ihre Kraft blieb auch dort wirksam, wo der ganz große Strom in bescheidenere Arme zerfloß: Dieser staatlichen Sehnsucht mochten selbst Teil-Reiche genügen, und die Kraft dieser Idee ist immer gewesen, daß sie auch in Teilung noch ordnend wirkte. Divide et impera wandelt hier seinen Sinn: Auch das geteilte Reich ist noch ein Imperium. Restaurationskraft kam immer aus Reichsdenken, vom Wiedervereinigungsstreben der römischen Reichshälften über die Beendigung des Schisma bis zum letzten Versuch des napoleonischen Empire; dessen Einmaligkeit liegt gerade darin, daß noch einmal eine alte Sehnsucht sich voll zu erfüllen schien. Nicht nur die physische Machtrestauration des Reiches ist immer wieder versucht worden, die Idee war stark genug, sich über jeder realen Macht in geistigen Höhen voll in Einheit zu erhalten, als Ideal und als politische Reservegewalt aus diesen Höhen immer wieder auf die Wirklichkeit von Jahrhunderten einzuwirken- nichts anderes bedeutet das Weiterleben der Reichsidee von Karl dem Großen über tausend Jahre bis zum Ende des Alten Reichs. Dies war eine ständige virtuelle Restauration, das Reich bestand ja, es mußte nur entdeckt, appropriiert werden. Wenn nicht die größte, so doch die höchste Form politischer Ordnung hat so Jahrhunderte überdauert- das unsichtbare Reich, gerade so konnten Sehnsüchte immer weiter, immer höher wachsen.

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A. Vom Staat zum Reich

Doch nicht minder wichtig als die Restaurationskraft ist die Teilungsfähigkeit des Reiches, einer "Idee in beweglichen Grenzen", gerade im Teil-Reich weckt eine politische Idee Sehnsüchte zum größeren Reich. Ob man nun das römische Imperium noch über sich hängen ließ oder nicht - über ein Jahrtausend hinweg ist die politische Geschichte geprägt durch den großen Herrschaftsanspruch "Rex Imperator in regno suo". Das französische Königtum wollte in seinem Territorium das ganze Reich darstellen, nicht nur der König sollte wie ein Kaiser handeln dürfen. Die deutschen Territorialfürsten schufen sich Reiche im Reich, auch wenn ihre Herrschaften andere Namen trugen; und nach dem Ende des römisch-deutschen Reiches nannte selbst Bayern sich ein Reich und kannte Reichsräte. In all dem lag Machtanspruch, vor allem aber die Behauptung perfekter Ordnung. Und irgendwie war jedes dieser größeren oder kleineren Reiche "unmittelbar zum großen Imperium der Römer" geworden, in einem vervielfältigten römischen Staatsrecht. Gerade darin aber hat die Reichsidee Sehnsuchtskräfte freigesetzt, denn nun galt es doch, dem Anspruch die politische Wirklichkeit folgen zu lassen, der Ordnung die Macht - eigentümlich, wo doch in der Reichsidee Ordnung nach Macht kommt und diese gewissermaßen überhöht. Wo immer ein Stück ruhiger, zeitlos scheinender Ordnung entstand, trieb sogleich die große Reichssehnsucht zu Höherem hinauf. Und so haben denn selbst die kleinen italienischen Stadtrepubliken des Mittelalters Reichshoffnungen in ihren Namen gelegt, in dem sie an das frühe Rom erinnerten, als wenn sie ein größeres Reich werden wollten - Senatus Populusque ... Doch neben der Restaurationskraft eines Universalreiches und dem Steigerungsstreben der Teil-Reiche hat die Reichs-Sehnsucht ihren Ausdruck immer noch und vor allem in einem Dritten gefunden: Man sehnte sich nicht nur nach dem Imperium, man suchte alles, was imperial erschien, und dies vor allem gilt, unbewußt vielleicht, auch für unsere Tage. Je ferner das große Machtreich unerreichbar verdämmert, desto mehr ist es, als trage alles, was auch den letzten Saum seines Purpurs berühren konnte, in sich noch etwas von seiner Weihe. Dies war, um nur das größte Beispiel zu nennen, die Geburt unseres Rechts: In allem Reichs-Recht lebte das Reich weiter. Die Romanistik hat uns gezeigt, daß die Rezeptionswellen des römischen Rechts stets vor allem Legitimationsversuche einer Staatlichkeit waren, welche sich zum Reich hinaufpflanzen wollte. Doch dessen Idee war noch stärker: Nicht nur in den staatsrechtlichen Übernahmen von Kaiserrechten sah man Imperiales, selbst das Zivilrecht noch, die machtferne Austauschordnung zwischen den gleichen Bürgern, erschien als etwas Reichsähnliches, in

I. Von der Kritik der Demokratie zur Lehre vom Reich

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ihrer zeitlosen Beständigkeit, in der souveränen Vernünftigkeit der ratio scripta. Und die letzte der großen Rezeptionen, die deutsche Pandektistik, schuf gerade in ihrer Beschränkung auf das bürgerliche Recht noch einmal eine Rechtseinheit als einen ersten Schritt zur Reichseinheit, etwas wahrhaft Imperiales im Geiste, über deutsche Grenzen hinaus. Hier gerade, in dieser Begegnung mit dem Reich jenseits von Staatsrecht und Macht, wird die letzte Größe der Idee offenbar, die einer stets neu zu entdeckenden, einen, unwandelbaren Ordnung über aller Vielfalt. In neuerer Zeit hat man alles Reich nennen wollen, was riesige Macht konzentrierte. Reichssehnsucht war eben immer auch und zuallererst Machtsehnsucht, vom Petersburger Zaren, der sich nunmehr Imperator nannte, bis zum englischen Empire, jener Mischung von Staatsromantik und englischer Altertumsliebe - alles war römische Machtsehnsucht Doch das Reich ist mehr noch als Macht, sein machtloser Abglanz im Zivilrecht zeigt es: Wenn es als Macht sich entfernt, bleibt seine Ordnung zurück. Den Deutschen mag dies ein Trost sein; das Reich, das ihnen einst anvertraut war, sie haben es immer wieder, immer mehr verloren, gerade deshalb müssen sie das imperiale Denken bewahren, das Reich nicht in seiner Macht, sondern in den Elementen seiner Ordnung suchen. Dies ist eine alte und große Aufgabe gerade deutscher Rechtswissenschaft. c) Die Einheitshoffnung -

gerade aus Demokratie

Alle Formen der Reichss,e hnsucht, die wir nannten - der große Restaurationsversuch, das Imperium im Teilreich, die imperialen Phänomene als Reichsabglanz - alle Wirkungen dieser politischen Idee sind auf eines gerichtet: auf die Integration zur größeren Einheit. Je mehr das Macht-Reich verdämmert, unerreichbar bleibt in der Vielheit der Staaten, desto stärker wirkt das geistige Zentrum des Zweiten Rom, die Hoffnung, daß "alle eins werden". Einheit - in diesem Begriff liegt, so paradox es scheint, eine unvergleichliche Wandelbarkeit und Vielfalt, "Einheit" kann erstrebt werden aus jedem Zustand heraus, auf jeder Stufe politischer Integration, nie stößt sie an die Schallmauer eines staatsrechtlichen Endzustandes wie etwa die totale Gleichheit, bedeutet sie doch stets auch Einheit über Vielfalt, die bleiben muß, damit jene gefühlt werde. Dem Staat ist der Begriff der Einheit nicht wesentlich, wann spricht man schon von Staatseinheit? Reichseinheit ist die Grundsehnsucht, seit es das Imperium gibt, nur eine Gefahr bedroht es wirklich: die Spaltung. Das Einheitsstreben ist in der Demokratie der neuesten Zeit

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A. Vom Staat zum Reich

immer weiter zurückgetreten, kaum haben wir noch ein Organ für die hohe Bedeutung jenes Wortes, das an ihrem Anfang stand: La Republique une et indivisible. Den Revolutionären war es bewußt, was die Aufhebung der einenden Monarchie bedeutete, die Revolution war der ganz große Versucheines Reiches ohne Kaiser. In der Volkseinheit sollte er wiederkehren, "das eine Volk als Reich"; dies ist noch immer das Grunddogma der Demokratie von heute, doch kaum jemand spricht mehr von ihm, und nicht etwa, weil es selbstverständlich geworden wäre, sondern weil die Demokratie solches aus ihrer Kraft allein nicht schaffen, sondern nur postulieren kann. Immer aber wenn sie das eine Volk nicht bereitzustellen vermag, ruft sie den einen Führer, der mit Gewalt das eine Volk schafft- und damit wieder das Reich. Die Demokratie muß sich verstehen, will sie eine große Staatsform sein, als eine größere "Einheit der Herrschaft". Sie braucht daher die Einheit des Herrschaftssubstrats, des Volkes, nur zu oft aber auch noch die Einheit des Herrscherorgans, die Führung. Gerade wenn ihr das Erste nicht gelingt, wenn sie das Zweite nicht will - eben dann muß sie doch nach der großen geistigen Herrschaftseinheit streben, alle imperialen Formen vergangener Ordnungen restaurieren, potenzieren, integrieren zu einer großen Reichsannäherung. So ist denn imperiale Sehnsucht nicht nur d~halb ein Schicksal der Volksherrschaft, weil sie hier nach ihrem Gegenbild, nach dem Glanz und der Macht strebt, welche sie sich immer wieder versagen muß. Nachdenken über das Reich ist in der Demokratie nicht so sehr romantische Sehnsucht als harter dogmatischer Zwang: Demokratisches Staatsrecht kann nur wachsen in den integrativen Kategorien der Reichsidee. Das Volk und seine Souveränität werden und müssen zur Pluralität unrettbar zerfallen oder sich gewaltsam durch den Führer zur Einheit zwingen lassen, wenn nicht imperiales Denken die Rettung bringt: aus der Einheit der großen Herrschaftsordnung die Einheit der Staatsorgane und ihrer Kompetenzen, und über ihr die Einheit des Volkssouveräns. Seit der Französischen Revolution hat die Demokratie den großen Strom eingeleitet vom Volk über den Führer zum Reich, politisch fließt er ohne Umkehr noch heute. Doch geistig gilt es, die Strömung zurückzutreiben, und dies ist die Aufgabe des Staatsrechts unserer Zeit: Wir müssen wieder beim Reich beginnen, nicht beim Volk, nicht beim Führer. Aus der Reichsidee allein kann alles aufgeladen werden in neuer Kraft, die Bürgerschaft und ihre führende Staatsgewalt, so wie nicht eine blutige neue Gleichheitsordnung im Inneren die einstige französische Republik gerettet hat, sondern die alte neue Reichsidee mit ihren Tribunaten und Konsulaten, der Aufbruch zuerst zum Uni-

I. Von der Kritik der Demokratie zur Lehre vom Reich

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versalreich der Menschenrechte, sodann zum neuen römischen Imperium Napoleons. Dieser Reichsidee verdankt die Demokratie die Volkseinheit in Frankreich und in Europa, auf ihr sollte in Weimar noch einmal die Einheit der deutschen Demokratie errichtet werden. Es gelang nicht mehr, als imperiales Denken an hartem Dezisionismus des Einzelbefehls zerbrach. "Ein Volk, ein Reich, ein Führer"? Nein, am Anfang steht das Reich, es schafft sich sein Volk, ruft sich seine Führung. Die Chance der nächsten Zeit liegt in dieser Synthese, die imperiale Demokratie gilt es zu entfalten. d) Imperiale Demokratie - drängende Bewegung und ruhende Ordnung zugleich Die politisch gestaltende Kraft der Reichssehnsucht liegt darin, daß sie Bewegung auslöst, weil sie auf etwas Großes, vielleicht Unerreichbares gerichtet ist, daß dieses ihr letztes Ziel aber nicht immer größere Dynamik sein kann, immer härtere Befehle, stets noch raschere Machtbewegung. Dieser tragische Weg, wie ihn Adolf Hitler gegangen ist, führt nicht zum Reich. Die ruhende Ordnung ist es, eine letzte Bewegungslosigkeit in Raum und Zeit, die sich auch von ihrer causa entfernt, dies allein wird zum Reich. Viel kleines Streben nach großer Ruhe - welcher Staatsform wäre es mehr aufgegeben als der Demokratie unserer Tage? Da ist die Freude an der wogenden Pluralität der Ideen und Bestrebungen, an einem Fortschritt um des Laufens willen, dafür sind alle die geschmeidigen Institutionen der Volksherrschaft geschaffen, von der Wahl bis zur parlamentarischen Verantwortlichkeit, von der "offenen" Grundrechtlichkeit bis zu den gesellschaftsreflektierenden Entwicklungen der Rechtsprechung. Für Bewegung ist hier wahrhaft Raum, doch er muß genutzt werden zu einem Drängen auf ihr Gegenbild hin, zur imperialen ruhenden Ordnung. Nicht als ob dies je ein erreichbarer Zustand wäre, in dem bewegendes Meinen und Wählen aufhören könnte, Regieren und Gegenlenken; doch in jeder dieser Bewegungen muß der imperiale Zug liegen, der Versuch zu einem größeren, übergreifenden Ordnen. Nur dann lebt eine Demokratie mit Zukunft, wenn jede ihrer politischen Quellen zum einen Reich der Meere, zum großen ruhigen Ozean wird. Deshalb müssen seine Tiefen immer von neuem auf die imperialen Urgründe hin ausgelotet werden, aus ihnen muß die Ruhe heraufkommen, welche die schwersten Stürme an der Oberfläche hält, sie alsbald in neuer Reichsordnung glättet. Auch dies noch mag als Paradox hingehen: Keine Staatsform vielleicht hat so große unbewußte Chancen zum Reich wie die unruhige

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A. Vom Staat zum Reich

Volksherrschaft; sie bringt die Bewegung, welche in Ruhe fließen kann, aus ihr kann ein geschärfter Blick die ruhigen Weiten des Reiches leichter erreichen. Wie schon gesagt - das Reich wird dieser Demokratie zur Synthese ihrer Nöte, zugleich aber zur belebenden Antithese, in deren Sehnsucht sie sich verjüngt. II. Die Lehre vom Reich: Von der Kritik zum "positiven Staatsrecht" a) Kassandrarufe- das Schicksal des kritischen Staatsrechts der Demokratie Die Demokratiekritik unserer Zeit ist unüberhörbar. Kritische Geister, welche diese Staatsformen gerufen hat, wenden sich mit zerstörenscher Kraft gegen sie selbst, immer mehr, je weniger es noch Vergangenes zu bewältigen, abzubauen gibt. Die Gefahr einer staatsrechtlichen Zerstörungskritik wird erst dann voll sichtbar werden, wenn auch der letzte die Unergiebigkeit von Obrigkeits- und Faschismuskritik erkannt hat. Schwer wird man auch zur Tagesordnung übergehen können, über alle diese Unregierbarkeitssorgen unserer Tage hinweg, denn wenn etwas kaum zu makulieren ist, dann staatsgrundsätzliche Kritik in einer Demokratie. Kassandrarufe werden nicht weniger wahr, wenn sie sich häufen, es gilt, sie zu begreifen als notwendigen Endzustand des kritischen demokratischen Staatsrechts. In ihm ist nichts der Kritik axiomatisch entzogen, ganz breit und von unten setzt sie überall an, und was wäre natürlicher, als daß sie sich aus vielfacher Verwaltungskritik in das Staatsrecht hinein nach oben fortsetzte, wo sie aber dann vom technischen Vorschlag zur Grundsatzkritik werden muß, wer wollte solche staatsrechtliche Hochrechnungs-Kritik aufhalten? Mehr noch: Diese Demokratie ist Institution der Kritik, ihr ganzes Staatsrecht ein Instrument zu ihrem Ausdruck. Wie könnten da ihre Grundlagen von grenzenloser Kritik freigestellt werden? Vor allem aber führt noch ein Weiteres von der Einzelkritik zum großen Kassandraruf über diese Staatsform: Die Demokratie versteht sich als die rationale Staatsform, in allem und jedem rechenbar. Doch wenn sie sich so offen der Kritik stellt, werden sehr bald ihre irrationalen Grundlagen offenbar, die Widersprüchlichkeit ihrer Grundannahmen, die ins Irrationale drängende Bewegungskraft ihrer anarchischen Freiheiten. Selbst in ihrer Gleichheitsgeometrie kann sie keine Mauern errichten, wo immer man weiterdenkt - eigentlich muß stets alles zusammenbrechen, und gerade Demokraten müssen sich täglich

II. Die Lehre vom Reich: Von der Kritik zum "positiven Staatsrecht"

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wundem, daß es nicht geschieht. Wie könnte es auch anders ein, wo doch die Demokratie sich so weit öffnen will zu einer außerrechtlichen Wirklichkeit, die immer wieder geprägt ist durch Passionen und Aggressionen, durch das unvorhersehbar Vulkanische des politischen Temperaments? Das ökonomische Zivilrecht mag sich am Außerrechtlichen orientieren und korrigieren, weil dieses stets im letzten durch Tauschvernunft und Marktrationalität gehalten wird. Für das Staatsrecht ist die 'Öffnung der Mauem ein ungeheures Wagnis, und nur zu oft zieht man durch sie das Trojanische Pferd der Vernichtung auf die Burg. Das Ergebnis des kritischen demokratischen Staatsrechts dürfen aber nicht nur Unregierbarkeitstheorien sein, darin würde jeder geistigkonstruktive Anspruch aufgegeben, die tägliche Wirklichkeit selbst wäre verfehlt. Die Kritik mag die Gefahren aufzeigen, in Hochrechnungen Widersprüchlichkeiten nachweisen. Doch dann muß der größere Schritt folgen: Über die Kritik des demokratischen Staatsrechts hinweg zu einem "positiven Staatsrecht", das als solches nicht allein in dem vorwiegend auf Kritik gestellten System der liberalen Demokratie gefunden werden kann. Gerade wenn wir Demokratiekritik vertieft haben, muß der Umschlag kommen in eine positive Lehre vom Reich. Sonst werden die Kassandrarufe wahr, wenn das Ziel nur eines ist: daß immer noch mehr Freiheit sei zu noch mehr Kritik. b) Kompromiß- und Mittellösung-Resignation der Kritik Die späte Volksherrschaft findet ihre Lösungen nicht im Kompromiß, sondern in tausend Kompromissen. Die Vervielfältigung der Beratungs- und Entscheidungsgremien und die unzähligen Formen der Mitbestimmung, die Zersplitterungen in Wahlen und die Unsicherheiten politischer Verantwortungen können nur solches hervorbringen. Dogma der Volksherrschaft ist, daß darin etwas wie göttliche Vernunft liegt, die alles Seiende berücksichtigt. In der Tat wird damit eine Realitätsnähe erreicht, in welcher die Demokratie bisher den allzuschweren Sturz aus ideologischen Höhen auf den harten Boden der Tatsachen vermeiden konnte. Doch immer mehr wird aus dem Kompromiß die Mittellösung, aus dem Zwang zum integrierenden Friedensschluß die Notwendigkeit einer halben Entscheidung. Auch in ihr noch liegt viel von der großen antiken Mäßigung, der höchsten Staatsweisheit. Doch wenn sie das erste Wort bleibt und das letzte, so öffnet sich hier der Weg in den halben, den verunsicherten, den unglaubwürdigen - schlimmer noch: in den kleinen Staat. Wieder ist es das kritische Denken, das hier in seinem Extrem zur Gefahr wird, _sich selbst aufhebt: Kritik ist gut als Wahr-

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heitssuche, darum soll jeder sprechen; doch jedes Wort wird zur Realität, die ihr Recht verlangt im Kompromiß, und vor diesem Recht beugt sich die Richtigkeit, auch die der Kritik. Je mehr die späte Demokratie vor der harten Kampfabstimmung zurückweicht - und wo würde sie noch geliebt- je stärker der Zwang wird zu Kompromiß- und Mittellösung, in der Verschleierung der Vorbereitungen wie der Ausführungen von Abstimmungen, desto häufiger resigniert eine Kritik, auf welche das Staatsrecht dieses politischen Regimes gegründet ist. Die große Gefahr dieses kleinen Staates ist es, daß er den Blick verliert für die Weite der größeren Ordnung, aus der allein heraus auch das kleine Gebilde den Namen der Staatlichkeit zu Recht trägt; kaum in etwas anderem geht mehr vom Imperialen verloren als in Kompromiß und Mittellösung, erhebt man sie zur alleinigen Staatsmaxime. Umgekehrt wird die Größe des Reiches gerade darin erst deutlich, daß es die große, weite Lösung verlangt, stets noch etwas mehr als Kompromiß. Er ist nicht Quelle eines positiven Staatsrechts für die Demokratie, er bedeutet nichts als den resignierenden Ruhezustand ihrer kritischen Bewegung. Was es im folgenden zu entfalten und in diese unsere Welt hineinzutragen gilt, sind imperiale Elemente, welche die "Mittellösungen" transzendieren, etwas also, dem stets das virtuell Une~dliche eigen ist. Wenn positives Staatsrecht einen Sinn hat, dann liegt er im Worte: Es muß etwas setzen, nicht nur koordinieren. c) Das Imperiale als Kriterium des positiven Staatsrechts Die Staatslehre der liberalen Demokratie muß nicht nur zu dem Ergebnis kommen, sondern letztlich schon davon ausgehen, daß etwas wie ein "positives Staatsrecht", Elemente erfolgreicher "guter" Ordnung gar nicht erkannt werden können. Axiom des kritischen Geistes dieser Staatstheorie ist es ja, daß sie Gefahren aufzeigen, Fehlentwicklungen durch immer feinere Gewichte und Gegengewichte ausschalten kann. Was "läuft" an Staatlichkeit, wenn alle diese Hemmnisse beseitigt sind, dies eben ist dann "gut", politisch "gerecht". Gerade noch, daß man, höchst vorsichtig bereits, etwas "Bewährtes" anerkennen will - aber stets nur bis zum jederzeit möglichen Beweis des Gegenteils, und "gut" sind eben eine Staatsform und ihre Elemente schon dann, wenn sich gegen sie nichts Wesentliches einwenden läßt, wenn nichts Besseres an ihre Stelle zu setzen ist. Dies ist der tiefe Sinn des Wortes von der Demokratie als der besten der schlechten Staatsformen: das "Gute", "Gerechte" im Staate, das "Positive" - all das wird aus dem Fehlen des "Negativen", aus ihm allein heraus definiert. Kritik anerkennt als gut eben all das, was ihr irgendwie noch standhält, ob es einen Wert in sich trägt, läßt sie stets offen. Deswegen hat auch nie ein demokra-

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tisches Verfassungsgericht versucht, "demokratische Herrschaft" an sich oder auch nur in ihren Elementen zu definieren. Dies kann nicht das letzte Wort der Staatstheorie sein. Sie muß versuchen, positive Kriterien, wenn nicht für ein ganzes System, so doch für Elemente eines solchen aufzustellen, Staatsbausteine zu finden, die als solche mit einiger Sicherheit tragen. Ein "bis zum Beweis des Gegenteils" darf sie nicht sogleich neben jedes positive Urteil stellen, positiv kann nur sein, was kaum, vielleicht nurmehr theoretisch zu bezweifeln ist. Die Demokratie selbst liefert täglich den Beweis, daß sie ohne solchen Aufbruch zu Elementen eines positiven Staatsrechts nicht lebensfähig ist. Wenn sie etwa "Gerechtigkeit" als solche nicht definieren zu können vorgibt, so füllt sie doch diese Lücke mit immer neuen Annahmen - etwa der von der "sozialen Gerechtigkeit" - bleibt hierfür allerdings dann jeden kritischen Beweis schuldig. Dies zeigt nur eines: Gesucht wird nach positiven Elementen einer staatlichen Ordnung, jenseits aller Kritik, selbst wenn man es in kritischer Verfangenheit nicht wahrhaben will. Ist es da nicht besser, sich offen zur Notwendigkeit eines materiellen, positiven Staatsrechts zu bekennen und dies nun zu suchen, durchaus mit kritischen Augen? Entscheidend ist dabei das Kriterium: Aus dem riesigen staatsrechtlichen Steinbruch der Verfassungsgeschichte und aus dem Fluß von Regimeelementen der Gegenwart gilt es, in beständiger Arbeit, an einzelnen Punkten ansetzend, positive Elemente größerer Staatlichkeit herauszufinden, es ist eine Suche nach Goldadern. Da können mächtige geschichtliche Phänomene als Ausgangspunkt dienen, oder es muß, umgekehrt, eine massive dogmatische Konstruktion als Arbeitshypothese an wechselnden politischen Realitäten gemessen werden. Eines aber ist stets notwendig: Oberste, materielle Kriterien muß es geben für diese Suche nach den positiven Elementen eines Staatsrechts, einen wenn auch weiten Blickpunkt, von dem aus sie erkannt und von anderem, Vorübergehendem, Negativem isoliert werden können. Das oberste Kriterium wollen wir hier und im folgenden das Imperiale nennen, alle Elemente des Staatsrechts eines "Reiches", das diesen Namen verdient, sind uns positiv. Was dies im einzelnen bedeuten kann, wurde bereits in den vorhergehenden Kapiteln angedeutet, in der Suche nach positiven Staatselementen wird es sich weiter verdeutlichen lassen. Doch eines sei noch einmal in die Erinnerung gerufen, was ja bereits eine Vorgabe selbst der liberalen Volksherrschaft ist: Zum Reich steigert sich der Staat dann, wenn seine Ordnung eine gewisse Größe im Raum, eine gewisse Dauer in der Zeit, eine letzte Übermenschlichkeit in Transzendenz erreicht. Nicht anders kann ja auch die Demokratie das Gute erkennen als darin, daß es von vielen, auf lange Zeit und

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über die Kausalität ihres kontingenten Willens hinaus gebilligt wird. In diesem Sinne ist das positive Staatsrecht des Reichs nichts anderes als jener gesteigerte Dauerkonsens, aus dem allein die Volksherrschaft Gerechtigkeit ableitet. Ein positives Staatsrecht, ausgerichtet an den Elementen des Reichsbegriffs, kann nie "von außen herein" den heutigen staatsrechtlichen Entwicklungen und Erfahrungen aufgeprägt, es muß aus ihnen heraus behutsam entwickelt werden. Hier gilt es zu fragen, was an den Wahlen und am Staatstheater, an aufschäumender Meinungsfreiheit und an strengem Staatssicherheitsstreben jeweils "imperial" sein kann, wenn täglicher Mißbrauch und heutige Zufälligkeit von ihm abfallen. In diesem Sinne sind dies dann Elemente eines "Allgemeinen Staatsrechts" allgemein auch in dem Sinne einer größeren zeitlichen Kontinuität; denn dies gilt es ebenfalls zu beachten: Was sich nicht immer wieder findet, wenn möglich in bruchloser Kontinuität, wird uns kaum Elemente eines imperialen Staatsrechts zeigen. Wenn "das Reich" hinter unserer Verfassungserscheinungen Flucht stets unsichtbar gegenwärtig geblieben ist, so muß es uns auch in unserer Zeit faßbar sein, und sei es auch nur, um das große Wort zu wiederholen, im letzten Saum seines Kleides. Imperiales Staatsrecht ist bisher immer versucht, jedenfalls aber gesehen worden als eine mächtige, lastende Ordnung, welche von oben über Zerfallendes herabgesenkt wurde. Da aber die Fundamente brüchig waren, mußten auch diese Hallen rasch zu Ruinen werden. Wir bekennen uns hier zum Vorverständnis eines induktiven imperialen Staatsrechts, wir sehen seine Elemente nur sichtbar werden im Kleineren, gerade in der täglichen realitätsnahen Demokratie. Methode ist nicht die Vergoldung von Fassaden, weit mehr die Goldsuche in Ruinen. Was wir suchen wollen? Elemente eines positiven Staatsrechts, d. h.: größere, weiterreichende, in ihrer Geistigkeit übermenschliche Elemente politischer Ordnung. Unsere heutige sozial denkende Welt strebt nach "Errungenschaften" und will sie bewahren. In diesen positiven Aufbruch wollen wir uns einreihen, denn wir sind sicher, wir haben weit mehr an Errungenschaften schon unter uns, es gilt nicht nur sie zu schaffen, es gilt, sie wiederzufinden - über Gewalt, Widerspruch, Anarchie ein freudiges Staatsrecht.

III. Neue Methoden der Suche nach einem Reichs-Staatsrecht

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lll. Neue Methoden der Suche nach einem Reichs-Staatsrecht 1. Vom Organisationsrecht der Herrschaft zum Primat des Ordnungsziels

a) Wiederentdeckung des Ziels über den Befugnissen Das moderne Staatsrecht ist, bereits seit dem Beginn der Neuzeit, konzentriert auf eine Frage: nach Inhalt und Grenzen der Befugnisse von Staatsorganen. Im Mittelpunkt aller Bemühungen stand und steht ja stets die Freiheit des Bürgers, für die Demokratie unserer Tage ist sie das Kernproblem schlechthin. Dann aber ist es selbstverständlich, daß das Fragen nicht beim Staat, seinen Zielen, seiner Ordnung und deren Qualität beginnt, sondern bei dem, was er zu achten hat, bei der Bürgerfreiheit. Alles Bemühen läuft also darauf hinaus, Staatsgewalt in Befugnisse aufzulösen und diesen dann Schranken zu setzen. Doch dabei gleitet der Blick ab von der großen Zielhaftigkeit der Freiheit und verliert sich in der Geometrie der Befugnisse. Für das Staatsrecht und seine Fortsetzung, das Verwaltungsrecht, gibt es daher letztlich nur die Frage nach der Herrschaftsorganisation. Das gesamte neuere öffentliche Recht ist Organisationsrecht, nicht materielles Ordnungsrecht. Dieses Organisationsrecht wiederum teilt sich dann rasch in zwei Ströme: in das Recht der Organe des Staates im engeren Sinn, ihrer Bestellung und ihrer Kompetenzen, und in das Recht der Herrschaftsformen, der Verfahren der Machtäußerung. Demokratisches Zentrum des ersteren Bereichs ist das Wahlrecht, für den letzteren steht das Gesetzgebungsverfahren. Das gesamte öffentliche Recht ist damit etwas wesentlich Formales geworden, eliminiert ist das Ziel, die Qualität der herzustellenden Ordnung. Das Parlament als solches, mit dem sich das heutige Staatsrecht beschäftigt, kann ja unterschiedliche Ordnungen schaffen; aus dem Gesetzgebungsverfahren mögen nahezu beliebige Entscheidungen hervorgehen, der Verwaltungsakt kann, in äußersten formalen Grenzen, weithin variable Inhalte dem Bürger befehlen. Im 19. Jahrhundert, auf der Höhe der liberalen Staatsform, traten die materiellen Inhalte immer weiter zurück, im Verwaltungsrecht verdämmerten sie zum Allerweltsbegriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Der neueren Rechts- und Staatstechnik entspricht es, Befugnisverästelungen, Kompetenzüberschneidungen, Formfehlern nachzugehen, nur so erreichen ihre Gegenstände die logische Festigkeit zivilrechtlicher Tatbestände. Nur nach einem wird immer weniger gefragt: nach dem Ziel des Herrschens, nach dem Ergebnis einer Ordnung, hinter welche der Wille des Ordnenden zurücktritt, nach der Ordnung als Selbstzweck, nach

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dem Selbstgewicht des geordneten ~ustands. Es ist, als seien die Akteure das Theater, als variierten sie das Herrschaftsspiel frei, auf den sorgsam eingegrenzten Bühnen der Macht, als sei es nicht ein großes Schauspiel-Thema, dem sie sich interpretierend unterzuordnen hätten; und man mag hier Parallelen zu den Variationsbemühungen des modernen Theaters ziehen. Aus der Freiheit zuerst ist all dies gekommen, aber auch aus dem Zusammenbruch dessen, was vor ihr war: der großen christlich-kirchlichen Teleologie, aus dem Ende des materiellen Staatsrechts des Mittelalters. Seine politische Theologie fragte ja nicht in erster Linie nach den Befugnissen von Kaisern und Königen, Völkern und Führern, sondern nach dem Ziel, dem Heilsauftrag, der zu schaffenden Civitas Dei. Bis in die letzten Details war diese Teleologie theologisch begründet, darin liegt die größte politische Leistung der Scholastik. Verfehlten die Herrschenden diese Ziele, so verfielen sie der Sündenstrafe und Hölle, dem Widerstand und der Exkommunikation, die materiellen Fehler wurden zur Schranke ihrer Befugnisse. Allzu rasch hat sich unser kritisches Denken seit dem 19. Jahrhundert daran gewöhnt, daß all dies unwiederbringlich verloren sei, vergangen mit der geistigen Einheit der abendländischen Kirche, aufgelöst in unabsehbare Pluralität. Vieles daran mag wahr sein- gerade hier aber dürfen wir nicht stehenbleiben. Es gilt, das große Ziel wieder zu entdecken, und sei es auch nur in Bruchstücken, in Umrissen, aus der Qualität der herzustellenden Ordnung erst Organisation und Befugnisse der Staatsorgane zu definieren. So ganz ist eben dieses Hoch- und Spätmittelalter nicht vergangen, gerade in seiner Reichsidee finden wir etwas von der großen staatsrechtlichen Zielhaftigkeit wieder: Gut ist alles, "positives Staatsrecht", was zum Reich formt, dem Reich näher bringt, im Kleinen wie im Großen. Dies bedeutet also: Wir müssen methodisch wieder lernen, von materiellen Staatszielen her zu denken, nicht nur Befugnisgeometrie zu betreiben. Begonnen worden ist damit bereits in den neueren Staatszieltheorien, deren Bedürfnis unser Jahrhundert wieder entdeckt hat. Doch einen Fehler müssen wir vermeiden: daß wir als Staatsziele, als Ideal unserer Ordnung wieder nur etwas rein Formales uns vorstellen, nichts als Verfahren und Berechenbarkeiten, formale Legalität. Nicht als ob nicht auch aus ihm Wege in materielle Zielvorstellungen sich öffneten, Reichs-Elemente sind aber mehr als Verfahrensoffenheiten, in denen letztlich wieder nur die Träger und die Formen des Herrschens von Bedeutung bleiben. Doch bereits wenn nach Größe, Dauer, Übermenschlichkeit einer Herrschaft gefragt wird, nach ihrer idealen Kraft, ist das Telos in seiner Macht wirksam, kreisen wir erneut um Sonnen. Die

III. Neue Methoden der Suche nach einem Reichs-Staatsrecht

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Philosophie unseres Jahrhunderts hat versucht, die formale Kategorik der Vergangenheit zu überhöhen in den Zielen einer materialen Ethik; dazu sind auch Politik und Staatsrecht gefordert. Ihr Problem wird es sein, daß sich dies nicht in einem neuen Ordre moral erschöpfe, sondern sich in der Allgemeinheit der Reichsidee vollende. Dies bedeutet, sagen wir es heraus, eine radikale Methodenumkehr: Nicht mehr das klassische Schema des Polizeirechts: der Blick auf das Organ zuerst und seine Befugnisse - Aufgaben und Ziele nurmehr als theoretische Legitimation und Begrenzung, sondern seine Umkehr - aus der Aufgabe die Befugnis, aus der Befugnis das Organ bestimmen. b) Kein Reich aus Freiheit allein "Hier beginnt das Reich der Freiheit!" - mit diesem Spruch über der Straßburger Rheinbrücke wandte sich das Elsaß ab von den Deutschen und ihrem Alten Reich, im Namen jenes neuen Reiches, welches Revolution versprach und Demokratie. Bis auf den heutigen Tag suchen wir nach diesem Regne de la Liberte, nach der Freiheit als der neuen Teleologie unserer Ordnung, nach dem Staatsziel der Bürgerfreiheit, dem Freiheits-Reich. Gerade in Deutschland ist mit jedem demokratischen Stoß der Gedanke der Libertät als Staatsgrundlage, als Reichsbasis wiedergekehrt: In der Weimarer Zeit sollte das Reich als solches auf eine Freiheits-Charta gegründet werden, auf eine Freiheit, in welcher alle Lebensbeziehungen kodifiziert erschienen- wirklich ein Versuch der Reichs-Rettung aus Freiheit. Nach 1945 konnte nicht mehr vom politischen Reich die Rede sein, die Deutschen mußten es in überpolitisch erscheinenden Werten suchen, den geistigen Resten ihrer Reichs-Vergangenheit. Und so begann auch hier wieder die Suche nach dem Staatsrecht der Werte, sie schien in der Wertordnung des Grundgesetzes fündig zu werden, wieder einmal fand der Deutsche sein Reich im System, aber in dem der Freiheit. In all dem, in der viel bewunderten Freiheitskodifikation von Weimar wie in der Wertlehre des Grundgesetzes, liegt deutsches systematisches Staatsdenken - Reichsdenken. Dies sind große Leistungen, die zeigen, daß das Reich in unserem Staatsrecht nicht verloren ist, wurde doch nirgends im Ausland vergleichbar an ein "Reich in Freiheit" gedacht, nimmt man Amerika aus. Doch zuweit gegangen wird dies zum Holzweg. Freiheit bedeutet ja, wie immer man sie verstehen will, stets eines im Kern - Rückzug der Staatlichkeit vor dem Bürger. Noch soviel mag man denken in "realen Freiheiten", Staatsgeschenken, der eigentliche Kern des Freiheitsgedankens bleibt der Status negativus, die Ab3 Lelsner

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wehrfreiheit gegen öffentliche Fremdbestimmung. Ein Staat aber, der letztlich immer absterben soll - und darin sind sich ja die "bürgerliche" wie die kommunistische Demokratie einig - kann kein materiales Ziel seiner Ordnung finden, er ist letztlich nichts als politischer Selbstmord. Wer nur nach Freiheit fragt, kann das Reich nicht erkennen, weil er nur fortfährt, es immer noch weiter spätmittelalterlich zu zerstören. Es wird unendlich schwer sein, ideelle Gewohnheiten und Begeisterungen der Freiheit von Jahrhunderten in unserem Denken zurückzudrängen, dabei aber die Freiheit nicht zu verlieren, ohne die es kein Reich geben kann mit seiner Vielheiten überwölbenden Einheitund doch den Ordnungswert als solchen wieder zu entdecken, ihn nicht nur in der größten Freiheit der größten Zahl zu sehen. Wie immer man das Reich definieren mag - in ihm muß Freiheit sein, aber es darf nicht nur aus Freiheit bestehen, zu ihr ziehen, und man darf in seinem Namen auch nicht nur von Individualfreiheiten zu Kollektivfreiheit fortschreiten wollen. Denn das Reichs-Denken verlangt eine Betrachtung des Ordnungszustands als solchen, der Ordnungskräfte auch unabhängig von ihren freiheitsgewährenden Wirkungen. Das Reich ist zu groß, als daß es nur Freiheit sein könnte. c) "Recht auf das Reich" -Bürger-Reich aus gesteigertem Status activus Daß ein Denken in Abwehr nicht genügen kann, der Status negativus, ist heute Gemeingut: Hinter ihm kommt immer mächtiger das Forderungsrecht des Bürgers gegen den Sozialstaat herauf, im Status positivus verdrängt die Forderung die Freiheit. Darin liegt bereits eine neue Erkenntnis der Notwendigkeit von Staats-Zielen: Staat - das ist nicht eine Maschine mit beliebiger Produktion, es ist ein Service mit bestimmten Leistungen. Im Materiellen der Leistung, aus der "Staats-AG" definiert wird, liegt bereits das Materielle des Staats-Ziels, in einer ersten Annäherung. Ein Staat, dessen Herrschaft nicht Brot gibt und Spiele, verdient diesen Namen nicht, sekundär sind hier Befugnisse und Handlungsformen, entscheidend ist der Handlungserfolg, die materielle Ordnung von Wohlfahrt und Vergnügen. Dies ist ein neues "Reich" - aber auf der Stufe wahrhaft elementarer, materieller Glückseligkeiten. Der Weg ist gut, doch er endet zu rasch im Schlaraffenland. Die Paradiesvorstellung vom Reich ist wieder ganz gegenwärtig in den Bedürfnissen, die es befriedigt - doch seine Bürger schauen nur einen Garten ohne Gott, ohne die höhere Idee, die ihn zum Paradies macht, letztlich sehen sie den Garten vor Fruchtbäumen nicht mehr.

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Die so viel kritisierten Forderungsrechte sind eine tödliche Gefahr des niedersten Eudämonismus, zugleich aber auch ein Aufbruch zur alten, größeren Reichsidee des Staates, der irdische Glückseligkeit bringt für seine Bürger. Das öffentliche Recht ist verwirrt angesichts solcher Ordnungsprobleme, mit der Organisationsgeometrie des Sicherheitsrechts lassen sie sich nicht lösen, in verwaltungsgerichtlich durchsetzbare Ansprüche kaum fassen, eben weil hier neuartige Reichs-Dimensionen sichtbar werden. Doch gerade unser Jahrhundert fühlt auch die Notwendigkeit zum nächsten Schritt: zur Teilhabe, zur Mitbestimmung, zum Status activus. In der Forderung des Status positivus ist die Dogmatik der Freiheit überhöht worden, das klassische öffentliche Recht. Mit der Teilhabeidee, der die nächste Zukunft gehören wird, gilt es, auch die Forderungsrechte noch zu überhöhen, in Verantwortlichkeit einzubinden ins Reich. Auch hier bietet sich uns zunächst kaum mehr als ein unklares, ja anarchisch wirkendes Bild. Bürger, die ausziehen, für einen besseren Staat zu streiten, private Verbände, die für öffentliche Interessen vor den Kadi gehen wollen - in all dem kann das liberale öffentliche Recht nichts anderes sehen als eine Auflösung des staatlichen Befugnismonopols, Organmonopols, im letzten: Gewaltmonopols. In Wahrheit wird darin aber weit mehr sichtbar: Der Forderungsstaat ist Wirklichkeit; aber der Bürger erkennt, daß er hier nicht stehenbleiben kann, weil sonst der Forderungsgegner, der Staat, zum Kadaver wird, den nurmehr Bürgeregoismus zerreißt. Eine neue Seele muß er ihm geben, er selbst muß in ihn hineintreten, auf daß er, seine und anderer Forderungen befriedigend, wieder aus ihm heraus wirken könne. Damit aber verlangt der Bürger etwas gänzlich Neues: Er macht einen Anspruch auf eine bestimmte Art staatlicher Herrschaft geltend. Entscheidend ist ihm nicht, in welchen Formen im einzelnen diese realisiert werden kann, daher erklärt sich ja auch das Chaotische vieler derartiger Teilhabeversuche. Entscheidend ist für den Bürger, daß bestimmte Inhalte staatlicher Ordnung durchgesetzt werden, nicht so sehr, daß gerade er es ist, der dies vermag. Die Betroffenen-Demokratie ist ein Schlagwort, ein Instrument vielleicht; wichtiger ist die Sorge des Bürgers um die Ordnung selbst, um gesicherte Umwelt, sicheren Arbeitsplatz. Das viel kritisierte Teilhaberecht ist also nur Ausdruck von einem: Gesucht werden nicht mehr nur Befugnisse und Organe, gesucht sind bestimmte Ordnungen, Sicherheiten. Man mag dies Lebensqualität nennen oder Sicherheitsdenken - dahinter steht doch nur das Streben nach dem, was eben diese Werte stets optimal gebracht hat: ein Reich.

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A. Vom Staat zwn Reich

Reich - das ist heute Sicherheit, in einer Herrschaft, die uns fern, und doch als Bürgern ganz nah ist. Das besondere Erbe, das die Demokratie diesem unserem Reichsdenken hinterlassen hat, ist die Bürgernähe, in welcher wir alle Ordnungen suchen müssen. Welche Primitivität wäre es, das Reich nur im Militärstaat sehen zu wollen, im Kaiser auf weißen Rossen! Das Reich ist heute in uns, in unseren sozialen und geistigen Ordnungsängsten, aber auch in unserer Bereitschaft, nicht nur zu fordern, sondern in teilhabend-verantwortungsvollem, gesteigertem Status activus dieses Reich selbst mitzutragen. Methodisch bleibt das völlige Umdenken Aufgabe: Forderungsstaatlichkeit und Teilhabestaatlichkeit nicht als Degeneration der liberalen Abwehrfreiheit, sondern als ihre Steigerung und Vollendung; ein Denken nicht nur in Ausgrenzungen, ·Organen und Befugnissen, sondern in Ordnungsqualitäten als Lebensqualitäten, aus denen sich dann erst Befugnisse und Organe technisch ableiten lassen; ein Blick, der sich immer zuerst auf Art und Qualität der Ordnung richtet, nicht auf Person und Begrenzung der Herrschenden. Der gesteigerte Status activus mag nicht leicht in die herkömmlichen Formen unseres Rechtswegesystems einzufügen sein, der Kampf um Verbandsklagen zeigt es. Doch ein Nachdenken über das Reich muß zu einer Rechtsfigur führen, ohne die es eine solche größere Ordnung nicht geben kann; etwas wie ein "Recht des Bürgers auf sein Reich", auf eine bestimmte Qualität der Ordnung, nicht allein auf Organbestimmung durch Wahl. Nur ein Staat, welcher seine Bürger durch Ansprüche an sich zieht, die er ihnen auf sein "besseres Herrschen" verleiht, ist letztlich voll legitim - als ein wahres "Bürger-Reich".

2. "Das Reich" - mehr als "der Staat" a) Staat -

die "gerade-noch-Herrschaft"

Das gahze moderne Staatsrechtist auf Beschränkung, ja Minimierung der Macht angelegt, nicht zuletzt im Staatsbegriff selbst kommt dies zum Ausdruck. In ihm liegt an sich nichts von Machtkonzentration, von Steigerung der Gewalt, von Ballung der Herrschaft - im Gegenteil: Staat, das ist eigentlich nichts als ein Machtminimum, welches gerade noch Ordnung aufrechterhalten kann, der Staat ist nur die "geradenoch-Herrschaft"; so haben ihn uns die Liberalen hinterlassen. Deutlich zeigt dies die allgemeine Staatslehre, von ihr befruchtet, oder in ihrem Gefolge, die völkerrechtliche Lehre von den Staatselementen. Hier wird nicht etwa das Ideal einer Staatlichkeit aufgestellt, der sich ein solches Ordnungsgebilde immer mehr annähern

III. Neue Methoden der Suche nach einem Reichs-Staatsrecht

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müßte, um diesen hohen Namen zu verdienen, der Begriff Staat hat all seine attraktive Idealität verloren. Es geht nur um eines: Welches Gebilde kann man gerade noch als Staat ansprechen, so daß man sich der Einmischung in seine inneren Angelegenheiten enthalten und es als Mitglied der Staatsfamilie anerkennen muß? Dazu eben bedarf es nur der Mindestvoraussetzungen einer Mehrzahl von Staatsbürgern, eines abgegrenzten Gebietes und einer Herrschaft, die beides zusammenhält. Diese drei Elemente tragen jedoch in sich schon wieder einen Zug zum Minimalen, nicht zur machtmäßigen Steigerung. Schwer läßt sich ja im Völkerrecht bestimmen, wie groß das Staatsvolk denn sein müsse, als Staatsgebiet genügt das "Eckchen Erde" des Vatikanstaates s'icher, und an Herrschaft reicht erst recht ein Minimum aus, das im einzelnen sogar der Beurteilung "von außen" entzogen ist: Es muß eben nur soviel sein, daß die übrigen Elemente nicht zerfallen. Nicht einmal ein "rechtlich geordnetes Regieren" im Sinne der entwickelten Staaten kann heute noch gefordert werden, ein Gebiet, das von Militärpatrouillen umkreist, dessen Sender, Häfen und Flugplätze von ihnen kontrolliert werden, ist ein Staat, im Sinne einer "minimalen Dauergewalt". Nicht hinreichend haben wir bisher darüber nachgedacht, daß diese völkerrechtliche Minimalsicht des Staates im Grunde auch die Vorstellungen unseres internen Staatsrechts prägt; der Staat ist eben einer, ob er "von außen" oder "von innen" gesehen wird, so wie die allgemeine Staatslehre ja auch völkerrechtliche Betrachtungsweise sogleich und ganz natürlich ins interne Staatsrecht transformiert. Daraus aber ergibt sich nun, daß der Begriff der Ordnung der StaatIichkeit im herkömmlichen Verständnis nur in einer sehr elementaren Weise eigen ist- es genügt, daß jeder auf die Dauer niedergeschlagen werden kann, der sich gegen jene auflehnt, welche einige strategische Punkte besetzt haben. Nicht notwendig ist eine ausgebildete Rechtsordnung, noch weniger eine entwickelte Verfassungsordnung und schon gar nicht die Steigerung beider zu einer gestuften intensivierten Gesamtordnung. Hier nun liegt der entscheidende Unterschied zwischen dem Reich und dem Staat: Mit den Kategorien des letzteren läßt sich das Reich nie voll erfassen, weil hier eine Minimal-Ordnung genügt, welche diese letztere Bezeichnung schon kaum mehr verdient. Eine Staatslehre des Reiches muß also Abschied nehmen von der "Betrachtung des Staates von außen", sie darf sich nicht begnügen mit der herkömmlichen Lehre von den Staatselementen, mit der Feststellung des "gerade-noch-Herrschens". "Von innen" muß sie auf den Staat sehen, die Ordnungs-Kategorie als Kriterium seiner Reichs-Qualität entwickeln, eine gewisse Höhe, Allgemeinheit, Intensivierung dieser Ordnung ver-

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langen und, vor allem, ein Ordnungs-Ideal entfalten, dem sich die Herrschaft zu nähern hat, damit sie, immer mehr, den Namen eines "Reiches" verdiene. Nach Annäherung oder Entfernung von diesem Idealzustand sind dann Güte oder Untauglichkeit staatsrechtlicher Gestaltungen zu beurteilen - für den Bau des Reiches. Vom Staat als Minimal-Herrschaft zum Reich als Maximal-Ordnung - dies ist in erster Linie ein methodisches Problem: Es muß der Standort gewechselt werden, von "außen" nach ,.innen", und auch der Orientierungspunkt für die Beurteilung der Güte von Staatsformen und Staatsorganisationen - er liegt nun in der Intensivierung gestufter Ordnungen, nicht mehr in einer Macht, die sich eben noch über den Wassem der Anarchie zu halten vermag. Der moderne Staat ist für viele heute nur ein Wort für Machtabbau, immer mehr wird er geradezu ordnungsneutraL Das Reich mag machtneutral sein, es ist auf Ordnungen gerichtet. Das Ideal der neueren ,.Staatlichkeit" ist ein Zustand von eigenartiger Liberalität - die Militärpatrouille, die im besetzten Gebiet ausspäht, ob sich irgendwo Widerstand zeigt, alles andere ,.in Freiheit" belassend, allenfalls noch Herbeieilenden aus Feldküchen Essen verteilend. Das Reich dagegen will in Ordnung wenn nicht überall sein, so doch alles überprüfen; daher muß es, die Geschichte hat das immer wieder bewiesen, im letzten ,.von unten" kommen, von den Bürgern selbst, eben als- Bürger-Reich. b) Die Reichsidee-Steigerung der drei kantischen Kategorien der Staatlichkeit Die Ordnungsidee ist ein entscheidendes Kriterium für die Erkenntnis, daß das Reich der Idee nach mehr ist und ein anderes als der Staat. Doch hinzu muß noch ein weiteres treten: Das Bewußtsein, daß eine Staatslehre des Reiches sich in ,.ganz anderen" Dimensionen zu bewegen hat als ein Herrschen, das sich in Staatlichkeit - gerade noch dahinschleppt. Kants zentrale Erkenntnisse gilt es hier abwandelnd ~inzusetzen: Macht und Herrschaft mögen "Dinge an sich" in der Realität sein, wir vermögen sie nicht wirklich zu erkennen, aus unseren Denkkategorien heraus legen wir in sie, was uns politische Ordnung bringt. Bisher haben wir diese unsere kantischen Kategorien in einer Art von ,.Staatsdenken" auf die Politik angewandt, es gilt jedoch, dies in ,.Reichsdenken" zu überhöhen. Zwar stehen uns immer nur die gleichen Kategorien der Räumlichkeit, Zeitlichkeit und Kausalität, im Sinne der Wirksamkeit, zur Verfügung. Doch wir können und müssen sie steigern, um eine neue Größenordnung zu gewinnen.

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Konkret bedeutet dies: Die Reichslösung muß größere Dimensionen im Raum erreichen, das Reich fordert die "große Lösung", den Monumentalstaat. Die kleine Entscheidung bleibt Baustein, im letzten zählt allein das Gewölbe. Das Reich verlangt einen ganz anderen Zeitbegriff als die Staatlichkeit mit ihren Anfängen und Enden, ihrer ängstlichen Kontinuitätssuche in Legalität. Das Reich kann verdämmern und wiederkehren, es bleibt stets gegenwärtig in jedem einzelnen seiner Elemente, sein Gütezeichen ist die Wiederauferstehung von Ordnungsformen, die staatsrechtliche Renaissance. Das Reich entsteht schließlich aus Wirkkräften, in einer Kausalkette, die unvergleichlich ist mit den Ursprüngen liberaler Staatlichkeit. Diese wird hervorgebracht und gehalten durch etwas wie eine "Grenz-Gewalt", die eben noch genügende Macht. Die intensiven, tief gestuften Ordnungen eines Reiches könnten nur herauswachsen aus der mächtigen Kausalität eines großen Anfangserfolgs, der sich in der Erfolgsgemeinschaft fortsetzt, in ihr immer weitere Reichs-Kräfte hervorbringend. Dies ist es, was wir im folgenden, in diesem Bande, "Triumph" nennen wollen, im Grunde nichts als ein strahlend gesteigertes Erfolgserlebnis, die große fortwirkende Ordnungskausalität. Außerhalb der Denkbahnen der deutschen idealistischen Philosophie vermögen wir nichts zu entwickeln, dazu bekennen wir uns. Doch wir haben noch längst nicht in der politischen Theorie ihre Tiefen ausgelotet. Hegel hat den Weg gewiesen mit seinem Geist als Staat in den ersten Anfängen des deutschen Liberalismus. Noch ganz, wenn auch vielleicht unbewußt, aus der alten großen Reichsidee schöpfend hat er die Herrschaft als das Reich des übermenschlichen Geistes erkannt. Unsere Aufgabe ist es, seinen Spuren zu folgen, belastet mit dem Gepäck von eineinhalb Jahrhunderten Liberalismus, Herrschaftsminimierung durch Staat, bereichert aber auch durch vielfache Erkenntnisse, die zu einer Sicht zusammenführen: wieder zurück zu einem Reich, in dem der Staat die Ordnung der größeren Dimension ist, in den gesteigerten kantischen Kategorien. c) Relativitätstheorie des Reichsgedankens Nicht die gebotene Ausweitung, sondern eine Verengung des Blickes wäre es aber, wollten wir nun das Reich nur im Riesenstaat sehen, in der Gewaltanhäufung, so wie es der liberalen Staatsromantik der kolonialen Empires im vergangeneu Jahrhundert entsprach. Immer wieder muß ja betont werden, daß außenpolitisch wirksame Machtkonzentration allein ein Reich nicht schaffen kann, für diesen Begriff vielleicht

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überhaupt unbehilflich ist. Es gilt eben auch hier, den außenpolitischen, völkerrechtlichen Blickpunkt aufzugeben: Das Reich definiert sich nicht aus der Unterwerfungschance anderer Nationen, und dies gilt auch nicht erst seit der Entdeckung der totalen Vernichtungswaffen. Reichsdenken blickt auf die eigene Ordnung zuerst, stets wesentlich nach innen. Reichsstaatsrecht, wie wir es hier verstehen, kann nur Primat der Innenpolitik bedeuten. Dann aber ist etwas die notwendige Folge, was wir, in diesem methodischen Kapitel, eine "Relativitätstheorie des Reichs-Denkens" nennen wollen, die gerade sichtbar wird in Ordnungs-Kausalität, im staatsgründenden Erfolg: Es kommt nicht darauf an, was er im Ergebnis an Machtballung, in absoluten Zahlen der Ausführung bewirkt, entscheidend bleibt das Verhältnis des Triumphes zu der Ordnung, die aus ihm erwächst. Um ein Beispiel zu nennen: Wilhelm Tell und die Schweizer Bauernsiege haben einen imperialen Anfang gesetzt, im engen, vorgegebenen Raum der Kantone haben sie den Ausgangspunkt einer unvergleichlich gestuften und intensiven Ordnung bedeutet, in diese immer wieder legitimierend hineingewirkt; die Relation war optimal, die Schweiz ist ein Reich par excellence, deshalb konnte sie sich als erste vom größeren Reich lossagen. Wichtig sind also, im Sinne solcher Relativitätstheorie, nicht die absoluten Zahlen, sondern die Beziehungen zwischen Erfolg und Ordnung, die Ordnungsintensität, nicht der Ordnungsraum. Doch noch in einem weiteren Sinne mag von einer Relativitätstheorie des Reichs-Denkens gesprochen werden, gerade bei der Betrachtung der Erfolgs-Grundlage des Reiches tritt er ins Blickfeld: Entscheidend für die Reichsqualität der geschaffenen Ordnung, für die Wirkkräfte, die solche Ordnungen als ein Reich auf Dauer erhalten können, ist das Verhältnis zwischen der Größe des Ausgangserfolgs und dem Ergebnis der End-Ordnung. Je kleiner der Anfangs-Triumph war, je größer aber die Ordnung ist, welche daraus eines Tages entsteht, nach ihrer Intensität wie nach ihrer räumlichen Ausdehnung, um so mehr wirken hier Kräfte wahrer Reichlichkeit, der Triumph steigert sich zur StaatsLegende. Die Staats-Legende der Vereinigten Staaten ist der große Aufbruch in die Freiheit des Westens, das riesige Reich der Freiheit als Ergebnis der namenlosen, armseligen Auswanderer-Trecks - darin liegt "Reich", darin bewährt sich die Relativitätstheorie des Imperialen. Die Eroberung Rußlands und Sibiriens aus den Moskovitischen Zentren heraus, des Französischen Reichs aus der Ile de France waren ebenfalls imperiale Explosionen, wenn auch lang dauernd in der Zeit. Und ist nicht das größte aller Reiche aus dem kleinsten aller Anfänge gewachsen, aus den Hügeln am Tiber?

111. Neue Methoden der Suche nach einem Reichs-Staatsrecht

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Diese Relativitätstheorie als Prüfstein des wahrhaft Imperialen bedeutet die notwendige Verstetigung langsam aufbauender Ordnungen, der Tempel des Reichs wird nicht in drei Tagen wieder aufgebaut; wer dies versucht, wie Napoleon, der wird ihn an einem Tage stürzen sehen. Die Relativitätstheorie des Reiches bedeutet aber noch mehr: das Reich als "politisches Wunder", als politische Legende, aus so kleinen Anfängen so hoch hinaufwachsend. Es ist, als gelten auch hier die physikalischen Gesetze von Düsen und engen Explosionsräumen: Aus ihnen heraus werden die größten Wirkungen frei, und der Lehre vom Reich wird eine schwere Aufgabe gesetzt, sie muß versuchen, diese wahrhaft atomaren politischen Abläufe zu beherrschen, zu verstetigen, friedlich zu nutzen, sonst können sie nur in Explosionen zerstören; Deutschland hat es erlebt. So ist denn eine recht verstandene Relativitätstheorie des Imperialen nicht eine Relativierung der vorhergehenden These vom Reich als Steigerung kantischer Kategorien, sie ist nur deren Verfeinerung. Wir müssen lernen, diese Potenzierung der kantischen Kategorien auch im vergleichsweise kleinen politischen Raum zu erfassen, im Imperium der Schweiz. Und wir müssen erkennen, daß "das Reich" nie in absoluten Zahlen meßbar ist, sondern immer in der Beziehung von Ausgangskraft und endgültigem Ordnungsergebnis gemessen werden muß. Wer dies nicht sieht, wird mit seinem "Reich" nur dem Götzen der Macht ein Denkmal setzen, wo es doch gilt, den Geist der Ordnung in Politik zu verehren. So mag denn ein Satz am Anfang einer Lehre vom Reich stehen: Das Reich ist Kraft und Herrlichkeit, doch ein anderes kommt vor all dem: Reich - das ist eine Form des politischen Denkens. 3. Das Reich in seinen Trümmern entdecken

a) System um jeden Preis- ein staatsrechtlicher Irrtum Eine Staatslehre des Reiches muß eine zugleich inhaltliche und methodische Grundannahme aufgeben, von welcher aber ein Denken in Reichs-Kategorien bisher meist ausgegangen ist: Das Reich als ein großes, umfassendes Herrschaftssystem, das Imperiale als Systemsuche par excellence. Die Gewölbe der größeren Ordnungen mögen sich wohl letztlich zur Kuppel schließen, stets dahin weisen, das Reich kann nicht von oben, aus der Laterne der Kuppel heraus, deduktiv gebaut werden. Der zu rasche Umschlag aus der geduldigen Suche imperialer Staatselemente zum Reichs-System schafft vielleicht systematische Herrschaft, nicht aber Ordnungselemente des Imperialen.

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A. Vom Staat zum Reich

Das Staatsrecht der neuesten Zeit ist von seinen aufklärerischen Anfängen an stets zuerst auf der Suche nach dem System gewesen, nicht selten hat es gerade deshalb das Reich verfehlt - aus drei Gründen vor allem: -

Ein Mißverständnis der aristotelischen Staatsformenlehre mag der geistige Ausgangspunkt gewesen sein. Die kategorisierende Ordnung der Staatselemente, wie sie die antike Staatsphilosophie versucht hatte, wie sie im Mittelalter und zum Beginn der Neuzeit fortgesetzt worden ist, erschien allzu leicht als ein primäres Systemstreben. So setzte man denn diese Versuche fort, nicht um immer neue, heterogene Elemente zu erfassen und vorsichtig zusammenzuordnen, sondern sogleich in dem anspruchsvollen Versuch, aus ihnen ein in sich schlüssiges System zu gewinnen, das sich in Selbstgesetzlichkeit reproduzieren könne. Das Ergebnis war dann der Staat als Herrschaftssystem, die Staatsform als systematischer Kern, der Heterogenes zu assimilieren vermochte. So war dann früher im Grunde "alles Monarchie", in unseren Tagen wird "die Demokratie überall" gesehen, bis in alle Einzelordnungen von Staat und Gesellschaft hinein soll sie deduktiv durchgesetzt werden. Methodisch war dies, wenn nicht ein Irrweg, so doch ein bedenklicher Kurzschluß. Der aristotelischen Staatsformenlehre geht es ja, wenn auch mit einiger Vereinfachung, gerade nicht darum, ein in sich geschlossenes, sich selbstgesetzlich reproduzierendes Normensystem zu entwickeln; sie will vielmehr Heterogenes zusammenordnen, indem sie die Verschiedenheit der Elemente durchaus anerkennt, sie gerade fruchtbar macht. Deshalb ist ihr Ideal ja auch nicht der rocher de bronze der in sich völlig einheitlichen Staatlichkeit, sondern Verbindung und gegenseitige Durchdringung unterschiedlicher, ja gegenläufiger Staatselemente, ihr Ideal ist die gute, d. h. aber die "gemischte" Staatsform. Diese aristotelische Staatslehre ist ein methodisches System, sie will kein einheitliches normatives System schaffen.

-

Die monotheistische Gottesidee war es vor allem, welche dieses systematische aristotelische Denken zur Systemsuche der Staatlichkeit wandelte. In der scholastischen Staatslehre mit ihrer Theozentrik hat sie die Staatselemente zum Staatssystem zusammengeschweißt, unserem ganzen neueren Staatsdenken eine Richtung fast ohne Wiederkehr gegeben. Das säkularisierte, kritische Denken der Aufklärung hat in seinen staatsrechtlichen Systembemühungen, von Bodin bis Rousseau, immer nur dieses eine fortgesetzt: das Staatssystem als Gottessystem auf Erden, in monotheistischer, absoluter Einheit.

III. Neue Methoden der Suche nach einem Reichs-Staatsrecht

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Und mit der systematischen Gottesidee kam in das staatsrechtliche Denken die systematische Schöpfungsidee, jene Vorstellung von creatio continua, in der ein Systemzentrum, der sich in sich drehende Schöpfergott - der Monarch, das Volk - ununterbrochen Herrschaft hervorbringt, sie konzentrisch um sich legt, in Schöpfungstagen immer weiter entfaltet. Der Einheit des mißverstandenen aristotelischen Staatsrechtssystems fügte das monotheistische Religionsdenken noch die systematiche Konzentrik hinzu. Das Reich konnte einem solchen Denken nur erscheinen als der "wesentliche Mittelpunkt" , um den sich Herrschaftskreise bilden, in denen sich die zentrale Machtäußerung abschwächt, ja verliert, bis sie in der Reichsferne der Barbaren endet, so wie das Himmelreich sich im Fegefeuer abschwächt, an den Pforten der Hölle aufhört. Dieses Reich soll also nicht nur Einheit sein, in einem "System", sondern noch Konzentrik - damit aber wird ein Doppeltes verschüttet, ohne das die große antike Reichsidee nicht nachvollziehbar ist: zum einen die bereits erwähnte Vielfalt der Elemente, aus denen sich eine solche Ordnung zusammensetzt, die vielleicht gerade durch zentripetale und zentrifugale Kräfte gemeinsam erhalten wird; zum anderen und vor allem der großflächige Ordnungsgedanke, das Wesen einer Ordnung selbst, die überall auf dem Reichsgebiet gleich gegenwärtig, gleich intensiv, wenn auch vielleicht in Stufung nach oben führend gedacht wird. Das Reich - das ist ein Ganzes, nicht ein sich in Randzonen ordnungsmäßig Verlierendes. Einheit und Ausschließlichkeit mag sein Ideal sein, seine Größe liegt darin, daß es selbst im einzelnen, verloren scheinenden Element erkannt werden kann, daß in allem Imperialen bereits das Reich liegt. -

Das Reich ist immer gekommen mit seinem Recht, doch dieses ist für unser Denken seit einem Jahrtausend eine systematische Einheit, die römische Kodifikation der späten Reichszeit. Anders als in Systemen konnte schon deshalb das neuere Staatsrecht nicht denken, weil die römische Herrschaftsform ihm wesentlich als das System des Corpus iuris begegnete. So einheitlich, geschlossen, sich selbst systematisch fortbildend wie das römische Recht - so nur konnte das Reich gedacht werden. Auch hier wieder wurde geschichtlich bereits zu kurz gedacht. Als "das Reich" nahm man jene Kompilations-Anstrengung, in der eine bereits müde werdende Imperialität noch einmal mit Gewalt die Reichsidee restaurieren wollte. Justinian- das bedeutet RechtsAbend wie Reichs-Abend. Erst die Philologie der letzten hundert Jahre hat all die vielen Schichten wieder ans Licht gehoben, in denen sich das römische Recht entfaltet hat, als das Recht eines

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A. Vom Staat zum Reich

großen Reiches; so ist der Panzer aufgebrochen, in den späteres Systemdenken diese Vielfalt gepreßt hatte, ein Staatsdenken, welches das Reich in seinem System geistig erhalten wollte, weil es politisch und in der Wirklichkeit verloren schien. Diese Aufgabe vertiefter Pandektistik, welche das Zivilrecht mit philologischer Hilfe lösen konnte, die Wiederentfaltung des großen antiken Reichtums der imperialen Rechtsformen - dies alles steht dem öffentlichen Recht noch bevor. Nur wenn es sich von allzu einfachem, kurzatmigem Systemdenken befreit, wenn es zuerst nach den Bausteinen fragt, nicht nach dem Bauwerk, nur dann hat das staatsrechtliche Reichsdenken eine Chance. Das System steht am Ende des Reichs, nicht an seinem Anfang, es ist eine dauernde Aufgabe, nicht ein glücklicher Ausgangspunkt. Das Reich ist keine rationale Machtgeometrie, kein auszubauendes Stützpunktsystem der Herrschaft, in welcher diese sich von oben nach unten herabsenkend verfeinern könnte. So verstanden hätte es heute keine Chance, so begriffen wird es nach einer langen Phase der Demokratie stets abgelehnt werden. Vielleicht mußte erst einmal die Volksherrschaft mit ihrer Anarchie die monarchische, monotheistisch-monolithische Systematik zerbrechen, damit uns der Blick wieder geöffnet werde für die scheinbare Anarchie so vieler Herrschaftselemente, bei der aber in jedem doch "etwas liegt vom Reich". So laßt uns denn auch einmal das Reich und seine Größe vergessen über einem bemerkenswerten Ordnungs-Fund - auch und zuerst darin begegnet uns das Imperiale. b) Der Verlust der Klassik- Reich ohne Vielfalt? Unser modernes Staatsdenken ist mit der Französischen Revolution in seine entscheidende Phase getreten in einem Augenblick, in welchem unser künstlerisches und geistiges Bemühen im Neo-Klassizismus verarmte, zu erstarren begann. Was an Reichsgedanken damals, in der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, einfloß in staatsrechtliche Versuche und Konstruktionen, trug bereits die uniformierende Maske immer gleicher antik-schöner Gesichter, lebte aus dem Versuch extrem vereinfachender Reichs-Konstruktion. Das Imperiale als das Größte und zugleich Einfachste - das Reich als die höchste Abstraktion der Macht, als die einfachste Form des Herrschens, dies wurde als klassisch gefühlt und antik, und so konnte es keine Kraft bilden gegen die neuen, mächtigen Bewegungen der heraufkommenden Volksmacht. Wenn die brodelnde Demokratie über diese Reichsgeometrie der Restauration hinweggegangen ist, wenn der Fortschritt immer wieder über ein "Kon-

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servatives" hinwegzuschäumen versucht, in dem er lediglich erstarrte Reichs-Geometrie erkennen zu können glaubt, bewegungsarmen Law and Order, so hat all dies einen schweren Verlust an Reichsdenken gebracht, weil es im Grunde nur eines ist: der Verlust der großen staatsrechtlichen Klassik. Die Antike ist verlorengegangen mit ihrem Reichsdenken, als die neoklassischen Götter alle dieselben Gesichter zu tragen begannen, sie kann nur wiederentdeckt werden in einer Rückkehr zum politischen Polytheismus, der den Reichtum vielartiger politischer Mächte zusammenzuordnen unternimmt. So ist der Pluralismus der Demokratie nicht ein Hindernis, sondern eine Chance auf dem Weg zum Reich, wenn er sich versteht als ein Zurück zum klassischen Polytheismus der Herrschaftsinstanzen und Herrschaftsformen, die im Reich sich zusammenfinden. Die Reichidee ist zurückgetreten in den allzu raschen Kodifikationsversuchen auf höchster Ebene, den immer neuen, vorschnellen Verfassungsschöpfungen, in der die imperiale Vielfalt der Gesetze sich verloren hat. Die großen Reiche sind gewachsen, von Rom bis Britannien, im tastenden Vorwärtsbauen der Gesetze, nicht in den abschließenden Tridentinen mit ihren verfassungsschützenden Exkommunikationen. Das Klassische - das ist nicht die eine Lösung, die eine, konzentrierte Herrschaft, das eine machtzentrierte Reich, es ist die Vielheit, die bewahrt und zur Einheit geordnet wird. Das Reich ist die Suche nach der Harmonie des Verschiedenartigen, das sich nicht vereinheitlichen läßt, das nur in Freiheit zur Ordnung zusammenfinden kann. Klassisches Reichsrecht - das ist wie ein Bemühen um klassische große StaatsArchitektur, um eine Beschäftigung mit den tragenden Bau- und Gestaltungselementen, mit Säulen, Friesen und Architraven, zuerst in der Nachzeichnung all ihrer bewährten Einzelheiten, sodann in der Suche nach der Harmonie einer Zusammenschau, welche doch jedem Element einen imperialen politischen Selbststand beläßt. Da sind dann die Kommunen unmittelbar zum Reich wie die Gliedstaaten, in ihrer Idee gerade, im Föderalismus liegt imperiales Denken; da finden sich die einzelnen Gewalten von Finanz und Kultur in der gleichmäßigen Berücksichtigung menschlicher Grundbedürfnisse. Immer haben wir die Harmonie gesucht vor den Teilen im Namen des Reichs - es gilt zuerst geduldig zu suchen nach den Elementen eines Imperiums, bevor sie sich zu seiner Größe in Harmonie zusammenfinden können. Diese Suche ist uns vorgegeben zuallererst, nicht sogleich der glückliche Einzug in die Hallen der größeren Ordnung. Immer wieder haben wir Integrationslehren entwickelt, nicht ohne Ge-

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A. Vom Staat zum Reich

waltsamkeit auseinanderstrebende Willensmächte zusammenzwingen wollen, und viele schöne Worte sollten uns dabei helfen, Konsens ist nur das letzte, demokratische unter ihnen. Doch entscheidend ist nicht der Konsens, sondern zuallererst die Vielheit, aus der er entsteht und die Ordnungsformen, die ihn dann erleichtern. Klassik ist uns seit Generationen Ausdruck olympischer Ruhe, bis zur Bewegungslosigkeit erstarrter Herrschaftskolossalität. Doch dies ist nicht klassisch, es ist staatsrechtlich kein Aufweg zum Reich. Läge nur darin imperiales Denken, wir müßten die letzten Erinnerungen an das Reich begraben, in unserer flutenden Volkswelt. Wenn aber harmonisierende Ordnungssuche aus Vielfalt imperial ist, wenn das Reich Reichtum sein muß aus geordneter, bewahrter Vielheit, dann stehen wir, so paradox es scheinen mag, am Anfang einer neuen demokratischen Klassik, so wie die einzige stets lebendige Klassik, die griechische, sich aus den Wogen der Volksbewegung herausheben konnte. Suchen wir also zuerst alles Imperiale und seine Gerechtigkeit Reich wird uns dazugegeben werden. c) Reichstrümmer als Reich -

das

staatsrechtliche Archäologie

Das Reich ist nicht potenzierte Herrschaft, sondern pazifizierte Vielheit, entscheidend ist die Harmonie der ordnenden Befriedung, von der PaxRomanabis zur Pax Britannica. Wenn dort die Spannungen nachlassen, dann hört die Domination auf, der Staat stirbt wirklich - im Reich. Doch all dies muß Endhoffnung bleiben. Heute begegnet uns das Reich nicht in der einen, schimmernden konstantinopolitanischen Kaiseridee, es liegt in der Vielfalt klassischer Ordnungsstücke, die - noch immer - sich zusammenfügen lassen, haben wir sie erst gefunden. Das Reich - für uns ist es heute zuallererst eine Ruinenbetrachtung, ein Verwundern vielleicht, warum dies oder jenes noch trägt, was so lange schon politisch hätte einstürzen müssen, warum eine politische Säule noch steht, ein Beamtenturn etwa, warum ein Staatstheater noch gespielt wird, und sei es unter zerfallenden Bögen. Immer neues Erstaunen weckt ja in unserer Zeit gerade die Langlebigkeit von Regimen, die nach allen historischen Erfahrungen, allen staatsrechtlichen Logizismen bereits zerfallen sein sollten - wie die parlamentarische Demokratie. Dies läßt sich weder aus tagtäglichem Pragmatismus heraus begreifen, noch aus einer übergeordneten Ideologie verstehen. Begreiflich wird es allein dann, wenn wir erkennen, daß darin noch Reichskräfte wirksam sind, nicht das Reich im Sinne einer voll-rationa-

111. Neue Methoden der Suche nach einem Reichs-Staatsrecht

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len, einheitlichen Machtmechanik, sondern etwas wie Ordnungsprovinzen, die sich immer wieder, da oder dort, neu zusammenfügen. Diese Elemente und Wirkkräfte gilt es zu erkennen, mehr noch: zu entdecken. Das Klassische in der Kunst ist stets vor allem der Torso gewesen, das Fragment. Warum sollte es anders sein in einem Staatsrecht, das sein Reich sucht? Die vielen Fragmente allein fügen sich zum Mosaik, aus dem etwas wie die römische Kaiseridee schimmert. Es gilt, der großen und vor allem deutschen Archäologie eine staatsrechtliche Archäologie folgen zu lassen, eine Suche nach den schönen Trümmern des Reiches. Sie kann gerade in einem Lande beginnen, dessen Reich zerbrochen ist, in dem wie in keinem anderen systematisch gedacht und geirrt worden ist. Die Ausgrabung des Reiches in seinen Teilen, aus unserer täglichen politischen und rechtlichen Wirklichkeit, die Suche in dem Boden, über den wir täglich gehen, das ist staatliche Reichs-Archäologie. Sie muß aufhören, nurmehr systematische Kreisläufe aufzuzeigen, globale Dekadenzurteile abzugeben, Bewegungen zu suchen auf Untergänge hin. Nehmen wir an, all dies habe bereits stattgefunden - bleibt uns da nicht eines nur: das Zerstörte, Verlorene wiederzufinden? Und wenn wir finden können, nicht das Reich, sondern auch nur etwas Imperiales, in großer Bescheidenheit, so wird uns doch jedes Stück etwas nehmen von der Hast und der Unruhe unserer Epoche; denn was gefunden werden kann im Namen des Reichs, das ist etwas Bleibendes und Ruhiges in seiner ordnenden Größe, etwas, das immer wiederkehrt, eine Vergangenheit des Triumphs, die zur Zukunft wird. Da ist vielleicht etwas wirklich Göttliches an Ordnung: in jedem seiner Bruchstücke - das ganze Reich.

B. Triumph -

Reichsgrund und Reichsanfang

Das Reich ist der Überstaat der großen, dauernden Ordnung. In ihm gewinnen, wir sahen es schon, die drei kantischen Kategorien größere politische Dimensionen. In den folgenden Blättern geht es um die erste und größte von ihnen, um den Grund, um die causa des Reiches. Der Triumph steht am Anfang des Reiches, im Rausch der siegreichen Barrikaden, in der Weite des eroberten Schlachtfelds, die der Pulverdampf freigibt, in der Krönung, im feierlichen Schwur auf die Verfassung. Doch wie das Reich mehr ist als eine historische Phase, weil es nicht primär abläuft, sondern in Ordnung "ist", so bedeutet Triumph als sein Anfang nicht nur ein zeitliches Phänomen: Zugleich liegt in ihm der legitimierende Grund, die weiterwirkende Kraft in dieser größeren Ordnung. Deshalb vielleicht muß gerade der Anfang des Reiches so hoch sein, bis hinauf in den Triumphbogen, damit derzeitliche Beginn zur wirkenden Dauerkraft werde. Mächtige Wirkungen kleiner Ursachen - auch sie können ein solcher Reichstriumph sein, Rom hat es bewiesen. Doch dann liegt die Größe in der Dauer der Erfolge, und auch dort muß stets der Orchesterschlag des größeren Ereignisses unterbrechen, den Staat auf die nächste Stufe heben: "Näher mein Reich, zu dir!" Ein Anfang, der sogleich Geschichte wird, ist nie mehr als der Beginn eines verlorenen Reiches. So wollen wir also den Anfang des Reiches betrachten, den Triumph - als einen wirklichen Grund zu Großem. Das triumphale Ereignis ist Grund des Reiches nicht in dem Sinne, daß hier Energien der Begeisterung, der politischen Kraft, freigesetzt an einem großen Tag, "in Organisation verwandelt" weiterwirken, getrennt von ihren Wurzeln, jenen historischen Vorgängen, die zu Siegesbildern verblassen. Im tiefsten Sinne "Grund" ist der Triumph vor allem in einer dreifachen Wirkung auf seine Schöpfung, das Reich: -

Dauernde Ursache ist er, causa continua der großen Ordnung, die er jeden Tag prägt, immer neu, doch in stets gleicher Siegesstimmung.

-

Gegenwärtigen Grund bedeutet der Triumph für das Reich, solange hält er das Reich, wie die damalige Siegesfeier heute noch wiederholt wird, so wie einst in der Weihe des ersten Augenblicks. "Tut dies zu meinem Andenken" - das kann hier nicht genügen, immer wieder

I. Der Triumphzug- vom Staat zum Reich

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muß sich im Reich die wahre Wandlung vollziehen, wie in der katholischen Messe oder im lutherischen Glauben. -

Triumph ist schließlich nicht nur ein Grund, der die Bogen des Reiches aufrecht erhält, aus dem heraus sie restauriert werden, er bedeutet die "erhöhende causa", die stets von neuem und immer mehr den Staat in die höhere Ebene des Reiches hinauf führt. Wo immer ein Triumph in Restauration zelebriert wird, verliert er all seine Kraft, und bald ist er mehr Anklage der Enkel als Recht der Erben.

In einem solchen Sinne nun wollen wir in diesem Kapitel die allgemeinen Züge eines jeden Triumphzugs zum Reich betrachten, in den folgenden dann die einzelnen Erscheinungsformen - Siege, Feiern, Erfolge.

I. Der Triumphzug - vom Staat zum Reich In der Vision eines Zuges, der - in welchem Verständnis immer das Wesen des Triumphalen ausmachte, liegt ein Doppeltes: -

Der Triumph steht vor dem Reich, sein Bogen muß durchschritten werden, bevor das Kapitol erreicht wird. Der Triumph ist nicht Folge des Imperiums, er ist die entscheidende Stufe zu ihm. Es gilt nicht nur - die große Geschichte der wahren Großreiche hat es immer wieder bewiesen - "Einigkeit macht stark", noch mehr Wirklichkeit ist die Umkehrung: "Stärke macht einig".

-

Nicht das Ziel des Triumphzugs, sein Ausgangspunkt gibt ihm den größeren Schwung: Er formiert sich aus dem Staat heraus, aus einer "Lage gewöhnlicher Gewalt", im Triumph wird dann dieser Staat zum Reich.

1. "Triumph vor Reich"- der "Durchbruch" als Reichsproklamation Ein Reich wird nicht ausgerufen- es ist da. Versailles 1871 war eine Stunde, vielleicht ein Fehler; Sedan war ein Triumph, dort wurde ein Reich zerstört, ein anderes gegründet. Feierstunden haben ein Gewicht der Weihe; Beurkundungsvorgänge, Notarstunden sind nicht Triumphe. Ereignis kann auch die Proklamation sein; doch ein Reich, das nur aus ihr lebt, trägt von Anfang an seinen schlimmsten Todeskeim - es ist zuerst Pathos, es wird amEndein ihm zerfallen. Nein- der Triumph ist da, noch bevor er proklamiert wird, in der Proklamation wird er nur voll bewußt, darin zur Reichs-Ordnung. Reich - das ist mehr als ein Willensakt, wie mächtig er auch sein mag, es entsteht nicht mit der pompösen Unterschrift. Es kommt aus 4 Leisner

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

dem Triumph als einem "Ereignis" -und das Wort läßt die größere Deutung zu: Hier geht etwas vor mit besonderem, mit wahrhaft "eigenem" Gewicht. Und dieses Ereignis mag sogar nach dem Triumphzug kommen, der es vorwegnimmt - erst am Tage von Austerlitz wurde das Empire. Die Menschen prophezeien und hoffen, die Geschichte setzt im Triumph Anfang und Grund des Reiches; seine Bürger mögen dann zurückdatieren. Der "gesehene" Triumph hat seine Bedeutung, wie der gespielte; doch immer bleibt die Frage nach dem wahren Ereignis gestellt. Der Wille bewegt, doch das Reich ereignet sich. Da ist das große befehlende Wort, doch die Historie muß das größere äußere Zeichen hinzusetzen, erst darin vollendet sich das Reich im Triumph wie ein politisches Sakrament. a) Ein Reich- aus triumphalen Ereignissen, nicht aus Normen Das Reich wird zum Halt ganz großer normativer Ordnungen, aus ihm wachsen Rechtsbegriffe und Gesetzbücher für Jahrhunderte. Doch es kommt selbst nicht aus einer Norm, seine Wurzeln liegen nicht im Reiche des Sollens, hier endet kelsenianisches Denken: Das Reich ist keine "Grundnorm" - der Triumph als sein Grund beweist es. Seine Basis liegt nicht in einem Befohlenen, sondern in einem Gewesenen, das heute noch ist und weiterwirkt. Und stünde da am Anfang nur Proklamation, das Reich würde sich in reinem Sollen erschöpfen, in Befehlen an seine Bürger; es wäre ein Staat der mehr oder minder geordneten Gewalt, nicht jene höhere Ordnung, die über aller Gewalt frei schweben kann, als welche wir das Reich kennenlernen wollen. Hier wird das alte Wort in größter Dimension Wirklichkeit: Ex facto oritur jus - aus dem großen triumphalen Ereignis wird das große imperiale Recht. Deshalb muß am Anfang des Reichs triumphiert werden, damit da mehr sei als die dünnblütige Norm, welche Juristen biegen und wenden. Der triumphale Erfolg ist auch ihnen vorgegeben, er ist der Fels, auf dem sie dann Kirchen und Kirchiein erbauen mögen, in selbstgebrannten Ziegeln. An den Dekreten des heißen Sommers von 1789 deutelt man seit Jahrhunderten - die Begeisterung dieser Tage ist in ihrer Grundstimmung zum Triumph geworden, an diesem Triumphzug kommt kein Reinterpret vorbei, in ihn muß er sich immer wieder einreihen, will er Gesetze des größeren, geistigen Reiches dieser Revolution anwenden auf seine kleinen Fälle von heute. Über die Normen reicht das Reich in einem vor allem hinaus: in seinem triumphalen Anfang. Triumphale Ereignisse sind mehr als nur Wirklichkeit, sie bedeuten die "gute Realität", sie bringen das Reich als das Ziel der Wünsche. Reich - das ist nicht der "Gerade-noch-Sieg", das harte Niederwerfen

I. Der Triumphzug- vom Staat zum Reich

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des Gegners, der gedemütigt wird und auf Rache sinnt. Der Anfang des Imperiums ist der Sieg des "allgemeineren Guten", der in tausend Geschehnissen vorbereitet ist, der im großen Ereignis nurmehr bestätigt wird. Auch darin ist also das Reich mehr als ein "Sollen", das ganz wesentlich die Kategorien von Gut und Böse nicht kennt. Sein Anfang, der Triumph, ist zuerst etwas politisch Schönes - und diese Kategorie gibt es eben, was auch das Staatsrecht dazu an Kritik erfinden mag sodann wird die Schönheit des großen Erfolges immer mehr als ein Gutes bewußt, das in ihm von Anfang an angelegt war. Das Wertneutrale, welches aller Gewalt eigen ist, wie auch ihrem juristischen Ausdruck, der Norm, wird gerade im Triumph überhöht durch den "Wert des Erfolges". Mit seinem Anruf an alle später Regierenden wird das Reich zur dauernden Wertordnung; der Triumph liegt hinter ihnen, als Staatsziel steht er ihnen immer vor Augen. Der Triumph wird damit zum Ausgangspunkt des Reiches als einer "Ordnung des materiellen Verfassungsrechts", hoch über den gängigen, formalen Staatsbegriffen des Liberalismus. b) Triumph -

etwas wie Gnade

Wenn das Reich so durch seinen triumphalen Anfang etwas "Gutes" trägt in seinem innersten Wesen, wenn es mehr ist als die politisch erfolgsneutrale Erscheinung, so hat es, gerade aus seinen großen Erfolgsanfängen, etwas an sich von jenem Guten, das letztlich nicht getan, sondern geschenkt wird. Nicht umsonst zieht der Triumph zu den hohen Tempeln, ganz kann er nie verdient sein, so wie das Reich nicht allein von Menschenhand gebaut, sondern von höherer Hand geschenkt wird - und verloren ward durch Schuld, aber auch durch etwas wie den Zorn der politischen Götter. Im Begriff des Ereignisses, in welchem triumphiert wird und welches im Triumph gefeiert werden darf, liegt zugleich dieses Übermenschliche, Unverdiente, Zugefallene. Triumph ist immer Durchbruch; doch wenn die "Victory" die Linie der feindlichen Schlachtschiffe durchbricht und das Trafalgar eintritt, wenn der soziale Friedensschluß die Plebs als Bürger vom Aventin zurückholt - all das ist mehr als Verdienst und menschliche Tat, es ist etwas wie Gnade. Eine höhere Ordnung wie die des Reiches, die sich auch selbst tragen kann, die nicht ruhen will auf den Spitzen der Bajonette, sie muß Geschenktes bewahren wollen, verwalten, sich daraus legitimieren. Ihre Herrschenden sind die längst Toten, welche Siege errungen, Revolutionen gewonnen, Frieden geschlossen haben- und noch jemand: jenes Schicksal, dem damals im Triumphzug gedankt wurde, dem das Reich in seiner Ordnung täglich dankbar ist. Die metaphysischen Hin4,0

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

tergründe des Reiches werden uns noch beschäftigen, hier nur dies: Gerade in der Grandeur des Triumphs setzt das Reich höher an, beginnt es auf einer anderen Ebene, in einer Größenordnung, die nicht mehr verdient sein kann, gerade deshalb auch nicht so leicht durch menschliche Schwächen verloren wird. c) Und etwas Einmaliges Alles Imperiale ist stets einmalig, auch in der Zeit. Wie es nicht außerhalb seiner Grenzen kopiert werden kann, so können seine Anfänge nicht wiederholt, sondern nur lebendig weitergetragen werden. Menschliche Willensakte lassen sich repetieren, niemand kann ein Ereignis restaurieren. Aus der eirunaligen causa wächst das einmalige Reich. Was wäre das für ein Triumph, welcher der Bestätigung bedürfte; und spätere Siege sind eben auch oft nur einzelne Gruppen in einem längeren, kontinuierlichen, aber einheitlich-unwiederholbaren Triumphzug. Der Begriff des Einmaligen wird politisch den Menschen nur in einem Augenblick ganz klar: wenn sie triumphieren dürfen. Und wenn schon ein Reich proklamiert werden muß - dies gerade geschieht im triumphalen Erfolg, ist er doch mehr denn ein Durchbruch als Kraftakt. Er wäre nicht gelungen, hätte es ihn nicht schon vorher als Hoffnung in den Herzen vieler Menschen gegeben. So wird das Reich im großen Ereignis Wirklichkeit; der Triumph kann nicht wiederholt werden, weil er im Grunde schon war; seine Einmaligkeit wird in der Ordnung des Reiches verewigt.

2. Die Reichsidee - Staat und Triumph Im triumphalen Ereignis wird das Reich zuerst wahrhaft proklamiert, im Triumph bleibt es sichtbar. Ob es in ihm dann noch weitere Erfolge gibt, ist ohne Belang, solange sich alles einordnet in den großen Triumphzug, der einmal bedeutend begonnen hat. Vor dem Triumph mag Staatlichkeit gewesen sein, Herrschaft, Gewalt, Gehorsam; erst der größere Erfolg gibt dieser Macht die weiteren Flügel, mit der sie sich selbst halten kann, als eine Ordnung. Der Staat als solcher kennt keinen Triumph, er braucht ihn nicht, seinem Begriff ist er nicht wesentlich. Er kann sich eben dahinschleppen, vom Untergang bedroht sein und sterben; er muß immer nach vorne blikken und sich ängstlich befestigen, weil hinter ihm der Triumph von einst nicht steht, der ihn weitertreibt

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Weimar war eine neue Staatlichkeit, war ein Staat ohne Triumph, Staatlichkeit aus reiner Niederlage, daher war diese Republik unmöglich. Bonn begann ganz mit leeren Händen, mit den Trümmern seiner Städte räumte es auch die Niederlage weg, sein Triumph begann mit der eigenen Leistung des Wiederaufbaus. In Weimar waren Werte, aus ihnen allein wollte man den Staat halten, nicht einmal dies ist gelungen, weil dazu die Herrschaftskraft nicht reichte. Diese Werte kamen eben nicht aus einem glückhaften Erfolg, nicht er wies sie den Bürgern, das Reichsgericht proklamierte, sie sollten in ihrem Namen einig sein, sie als Heiligtümer verehren - sie sollten, aber sie wollten nicht, nicht ohne das große glückhafte Ereignis; sie haben es gesucht und ganz andere Ereignisse gefunden ... Staat - das ist etwas wie eine Zwangsordnung ohne Triumph, ein abgesteckter Platz immerhin, auf dem sich der Triumphzug formieren kann. Nur jener Staat, der so zum Reich werden will, wird sich auf Dauer als Staatlichkeit behaupten - wenn er in den Triumph hineinund über ihn zum Reich hinaufwachsen kann. Dies ist, wir werden es immer wieder sehen, das Grundproblem der "friedlichen Staatlichkeit": Zu nichts bedarf es größerer Kraft als zu einer politischen Ordnung des Friedens - woher aber soll sie kommen, wenn da immer die Angst steht vor allem Triumphalismus - wo es doch nur gilt, den Triumphalismus des Friedens zu entdecken. So ist denn der Triumph, das große Ereignis und seine dauernde Feier im Reich, weit mehr als ein geschichtlicher Vorfall, als ein Anfang des Imperiums. Er ist eine kausale Kategorie des Staatsrechts, ein dogmatischer Begriff dieser Materie. Tritt seine Kraft zur organisierten Staatlichkeit hinzu, ist er wirksam als die erste Reichs-StaatsKategorie, so erhöht er die Herrschaft zum Segen, er drückt ihr das unauslöschliche Zeichen des Erfolges auf, er bedeutet den Bürgern, daß diese Macht mehr ist als ein Mittel, das man zu beliebigen Zielen gebrauchen kann, daß in ihm bereits Ziel und Hoffnung liegt. Mit dem sacramentum, dem Fahneneid, wurde der Römer ganz nah an seinen Militärstaat gezogen, auf ihn verpflichtet, er war nun Teil von ihm; und dies war eine wirkliche Weihe, ein Sakrament, denn es bedeutete die Verpflichtung auf den großen Erfolg, den ersten Schritt im Triumphzug, den ersten Meilenstein zum Imperium Romanum. Und ein Sakrament ist der Triumph mit seiner verpflichtenden Kraft für alle Bürger noch heute: Er allein gibt dem Staat die höheren Weihen, durchbrechend prägt er alles an ihm - in Richtung auf das höhere Reich, nicht hinab in die langsame Auflösung des anarchischen Nebeneinander.

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

Staaten werden wir immer über uns haben - das Reich müssen wir suchen, im Triumph; und es hört auf, wenn wir nicht mehr triumphieren können. ß. Was ist Triumph?

Dies ist nicht eine historische Frage, sondern eine staatsgrundsätzliche, nach den Ursprüngen des Reiches, nach seinen Wesenszügen, die ihm sein Anfang mitgibt. In diesen Stunden wird es am hellsten beleuchtet.

1. Der "ganz große" Erfolg Triumphal - das sind nur Ereignisse, denen etwas Endgültiges eigen ist, welche die Geschichte in ihrem Auf und Ab stille stehen lassen - im Reich. Anlaß zum Triumph ist nicht jeder Vorgang, nie das Mittelmäßige, überall Nachzuahmende, nicht das, was jedem widerfährt oder doch geschenkt werden kann. Die Endgültigkeit verlangt Einmaligkeit, so wie sich auch der Staat im Grunde dem Reich nur dann nähert, wenn er nicht mehr abgelöst werden kann durch andere Staatlichkeit, weil seine Ordnung zu groß geworden ist. Das tägliche Leben als triumphales Ereignis - eine unvollziehbare Vorstellung! Durchschnittsmenschen säumen die Straßen des Triumphzuges, sie gehen nicht in ihm. Zwar ist dort Platz für alle, für große und kleine, Legionäre und Imperatoren. Doch sie müssen Diener des Außergewöhnlichen sein keine Akteure oder Statisten - aus ihrem täglichen Leben heraustreten. Diese Jedermann-Existenz ist sicher der Anfang, weil aus ihr jeder Bürger kommt, damit auch der Triumph seines Reiches. Doch es ist wie im Gebet: Es mag beginnen mit der Bitte, daß heute das täglich Brot geschenkt werde, doch dann kommen die dramatischen Akzente: die Schuld und ihre Vergebung, der Triumph in der Erlösung vom Übel. Triumph wird der nie erlangen, nicht einmal begreifen, der in täglichem Wirtschaften sich erschöpft, sondern nur, wem die Gnade des außerordentlichen Ere~gnisses irgendwann geschenkt wird, hier hat das Gleichnis von Martha und Maria einen politischen Sinn. Und dies gilt für den Bürger wie für seinen Staat: Wenn dieser sich nur darin erschöpfen will, daß er wirtschaftet wie alle seine Angehörigen, von Früh bis Abend, von Krise bis Aufstieg und wieder zurück, dann bleibt ihm der Triumph versagt, und das Reich. Imperium - das ist kein Wort für jedermann, für alle in etwa gleich entwickelten Gemeinschaften. Den Grundsatz gibt es nicht, es müsse "jedem Volk sein Reich" werden. Diese größere Ordnung ist

II. Was ist Triumph?

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virtuell exklusiv, gerade weil sie nur aus dem ganzen Erfolg kommen kann. Sosehr man auch den Begriff des Erfolges wird differenzieren müssen, mit ihm den des Triumphes - und dies ist auch die Aufgabe dieser Betrachtungen - überall ist er nicht, und der große Triumph läßt sich nicht in unzählige kleine und gleichzeitige Fronleichnamsprozessionen auflösen. Deshalb war auch die Geschichte nach Rom ein dauernder Kampf nicht nur um das Reich, sondern um den ganz großen Erfolg, aus dem es werden sollte, und der letztlich - nie ein ganz großer gewesen ist. Doch so viel war immer den größeren Führenden bewußt: Man wollte triumphieren, denn dies war der "Kampf um Rom", um das Reich. Im Triumph kann ein Ereignis nur gefeiert werden, wenn es "endgültig ordnet", sich damit heraushebt aus der politischen Erscheinungen Flucht. Für die reine Historie ist dies allen größeren Folgen eigen, doch reichsgrundlegend sind sie nur dann, wenn sie den Umschwung ausschließen, Triumph ist der point of no return. Da mag es dann zwar noch einzelne Niederlagen geben können, schwere vielleicht, doch Cannae ändert nichts an Rom, und die Reichsidee von Austerlitz hat sogar ein Waterloo überdauert, im Geiste der Grenadiere von Heinrich Heine und der Grande Nation. Darin eben wird das triumphale Ereignis als solches erkannt, daß es der Ausgangspunkt einer unzerstörbaren, größeren, einer geistigen Ordnung werden konnte. Dies ist denn auch das eigentliche Kriterium wirklich triumphaler Vorgänge: Sie können legendär werden, sie sind zugleich Gegenstand des Wissens und des Glaubens künftiger Generationen. Dies relativiert denn auch den Begriff der Größe, sie ragt über das Quantitative hinaus. Die Zahl der Leichen auf Schlachtfeldern bedeutet hier ebensowenig wie das gewonnene Gold, die Zahl der glückseligen Bürger. Das Beispielhafte an diesem Ereignis ist eines, wichtiger aber noch bleibt, daß es so groß ist im Sinne des Außergewöhnlichen, daß es sich weitererzählen läßt wie eine Legende, daß es unbegrenzten Variationen zugänglich ist, Arabesken, Umrankungen, Dichtungen. Triumph ist etwas, was nicht erdichtet, was aber gedichtet werden kann. Darin liegt, daß dieser Vorgang einen festen Kern und variationsfähige Randbereiche haben muß, daß er die Bewunderung anregt und die Phantasie, damit gerade Größe erreicht. So ist denn das "triumphale Ereignis" ein ganz und gar qualitativer Begriff, quantitative Größe fügt später das Reich hinzu, das aus ihm wird; und all dies muß nicht üher Kontinente gehen: Wilhelm Tell, die Schweizer Freiheit, die Schweizer Banken beweisen es. So groß immerhin muß der Erfolg als Reichsgrundlage sein, daß er letztlich nicht einem Menschen allei~ zugerechnet werden kann, einer

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

Generation ganz unwiederholbar, gewissen Umständen, die es nie mehr geben wird. Dies ist die schwerste Balance, welche dieses geschichtliche Ereignis zu politischer Reichs-Wirkmächtigkeit halten muß: daß es zugleich einmalig und doch nicht eigentlich zurechenbar sei, denn durch das Letztere würde es verkleinert, relativiert, seiner Dauerkraft auf das Reich beraubt. Hier liegt das Exemplarische des Triumphalen. Unbezweifelbar muß der große Erfolg sein, nur dann kann er das Reich schaffen, das seinem Wesen nach jenseits steht von aller Kritik. Jede Generation klassischer Philologie hat uns ein neues Römer-Bild beschert, doch wer wollte am Römischen Reich zweifeln -schon weil wir ja mit diesen Worten unseren eigenen Staat im letzten aufgäben. An Einzelkritik wird man gerade bei großen Vorgängen nicht sparen, Schlachten werden anders nachgezeichnet, Konferenzen aus Archiven nach Jahrhunderten noch verändert. Die Erklärungen also wechseln, und hier mag sich der kritische Geist versuchen, interessant und wenig umwälzend wie immer. Doch die Fakten bleiben, vor allem in ihren Wirkungen, in ihren imperialen Folgen. Die Größe des triumphalen Ereignisses beginnt mit seiner geschichtlichen Dimension, doch darin erschöpft sie sich nicht, sie wird laufend reproduziert und häufig erst zur wahren Größe gesteigert im Nachvollzug, in der Nachempfindung durch unzählige Spätere. Groß ist der Erfolg dann, wenn er sich feiern läßt, immer wieder, immer mehr, und wir werden noch im einzelnen zeigen können, wie sich gerade in diesen Staatsfeiern der Triumphzug vergrößert, das Reich mächtiger wird. Es ist, als holten spätere Triumphzüge den alten großen Triumph ein, als verlängerte sich der einstige Marsch in immer neuen Formationen. Dies ist ja auch das Demokratische an der triumphalen Reichsgrundlage: Sie kann nicht eigentlich wirken ohne die Teilnahme; so groß ist der Triumph wie das Fest, das ihm geweiht werden kann, in dem die Bürgerschaft noch nach Generationen, Jahrhunderten vielleicht, zur Reichs-Einheit intergriert wird. In dieser imperialen Sicht findet etwas statt, das der normativen Betrachtungsweise entspricht: Sie suchte die volonte de tous, damit aus ihr dann die endgültige, allgemein verbindliche volonte generale werde, die dauern könne, im Prinzip sogar zeitlos sein soll. Ähnlich das triumphale Ereignis als Staatsgrundlage: Hier ist es etwas wie der succes general, der nun gefeiert wird, als sei er wirklich der Erfolg aller, der succes de tous. "Allgemeiner Wille" wird immer ein demokratisches Mirakel bleiben, die Minderheit ist nicht die Mehrheit, sie

li. Was ist Triumph?

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hat das Gesetz nicht gewollt. Doch wer den großen Erfolg nicht mitfeiern will, der "bleibt eben zu Hause", damit aber überläßt er das Feld seinen feiernden Mitbürgern, denn gegen Triumphzüge kann man nicht stimmen, seine Gegner verlieren sich in der Schwächlichkeit der Enthaltung. Und was bedeutet schon bei wirklich großen Feiern das Fehlen von Kritikern, in den Triumphzügen ziehen die endlosen Reihen der Toten und Lebendigen mit. Hier wie im folgenden wollen wir manchmal Beispiele nennen, doch nicht immer; jedem sind sie zur Hand, jeder wird anderes kennen, sein Reich anders legitimieren, aber immer mit etwas, das sich in Kategorien einfügt, wie sie hier entwickelt werden, in diesem "allgemeinen Teil des Triumphalismus". 2. Der triumphale Erfolg - ein Ereignis jenseits von jeder Gleichheit

Der große Triumph bleibt so einmalig wie das große Reich, welches er einläutet. Triumphalismus ist insoweit Absage an die Vergleichbarkeit, damit aber auch - an die Gleichheit. Er kann nicht überall wachsen, in jeder Nation, nicht täglich wiederholt werden, als habe er noch nie stattgefunden. Seine geschichtliche Dimension, welche uns noch beschäftigen wird, steht schon deshalb notwendig gegen alle Egalität, weil es hier gilt zu bewundern und zu feiern, das Einmalige zu reproduzieren, nicht zu vergleichen. Diese Grundstimmung der Einmaligkeit, ist sie uns nicht heute fremd geworden in unserer Welt der Vergleiche, will diese nicht mit ihrem "alles allen" letzthin nur den überall gleichen Verkaufsstand der Konsumgüter, nicht den triumphalen Großerfolg, der immer etwas vom Luxus an sich haben wird? Es gibt etwas wie einen ganz grundsätzlichen Antitriumphalismus in unseren Tagen, gerade deshalb muß die Rede sein von Triumph und Reich. Hebt die Einmaligkeit reichsgründender Ereignisse nicht jene Egalität in den internationalen Beziehungen auf, welche als Garant des Friedens erscheint, könnte sich nicht in ihrem Namen wieder ein Volk über das andere erheben, in blutigen Kriegen? Und wendet man nun die Einmaligkeit nach innen, bedeutet sie dann nicht erst recht die Überlegenheit der einen Generation über die andere, der Väter des Triumphes über jene, welche nur Enkel sein dürfen? Schafft sie nicht, ganz allgemein, jenes Gefühl der Überlegenheit über den anderen, welchen wir doch vor allem als den Mitbürger, den Nächsten sehen müssen?

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

Es ist wahr - im Triumph liegt immer etwas von Sieg, und in ihm gibt es eben auch Besiegte. Selbst der wirtschaftliche Großerfolg, das triumphale Wirtschaftswunder, wird irgendwie auf Kosten anderer gewonnen, das schlechte Gewissen des Entwicklungsbewußtsseins in den großen Industrienationen gibt davon Zeugnis, daß auch dieser Triumph die Gleichheit verletzt. Was als großer Erfolg gefeiert werden kann, ist eben nicht ein "Allgemein-Menschliches", sondern das Einmalig-Übermenschliche, und es kommt nicht zuerst aus menschlichen Sorgen, aus menschlichem Verdienst, seine letzte Größe erwächst aus dem transpersonalen Ereignis. Darin liegt gewiß eine Spannung zu allem Egalitär-Demokratischen, zwischen den Völkern wie zwischen den BÜrgern. Die Demokratie will das Rechenbare, das Nachvollziehbare, deshalb kann sie auch eine Staatsform der technischen Welt sein. Sie predigt das Leistungsprinzip und sollte eigentlich ein Staat der Prüfungen sein - kann sie da große, unzurechenbare Erfolge verehren? Steht in ihr von den drei Staatselementen nicht das Volk im Vordergrund, während jener Triumph, welcher das Reich beginnen läßt und hält, sich eben zuallererst auf dem Staatsgebiet ereignet, sodann als eine Erscheinung der dort errichteten Herrschaft? Etwas Antiegalitäres liegt sicher in jedem Triumph, doch nicht mehr an Spannung zur Bürgergleichheit, als auch jede gesunde Demokratie ertragen kann, vielleicht gar suchen muß. Hier und ganz allgemein dazu nur so viel: Die große Staatsfeier hat immer auch etwas von Gleichheit, wie ihre Freude, ihre Bewunderung dieselbe ist in allen; hier werden eben Bürger wahrhaft integriert. Das große Ereignis aber kann auch die Demokratie nicht missen, wir werden ihre Triumphe noch bewundern. Mit ihren rechtlichen und politischen Kategorien läßt sich der große Erfolg durchaus erfassen, wir müssen ihn eben als einen Verfassungsvorgang sehen, nicht als ein Verwaltungsphänomen. Im Gegensatz steht der Triumph nicht so sehr zur Demokratie, die das Aufschäumen der Siegesstunden kennt und aus ihm lebt, mehr vielleicht als andere Staatsformen, sondern vielmehr zu bürokratisierter Verwaltung: Er ist die Antithese zu all dem, was in Italien "ordinaria amministrazione" genannt wird, mit jenem Kernwort, das politische Ruhe sucht, Kleinheit in Kauf nimmt. Dieser Administration muß es, wie jeder Verwaltung, nur darum gehen, möglichst auch das Außergewöhnliche gewöhnlich werden zu lassen, im Reich wird das Gewöhnliche erstaunlich. Indem die doch wesentlich verwaltungsfeindliche dynamische Demokratie ihren Frieden gemacht hat mit jener Verwaltung, welche ihre Gleichheit in alle Verästelungen der Gemeinschaft trägt, hat sie sich in der Tat weit entfernt von der Stimmung

II. Was ist Triumph?

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der großen Stunden, welche diese Augenblicke auch überdauern kann. Doch der Triumph bedeutet letztlich nur die Absage an ein Egalitätsinstrument, nicht an die Gleichheit als solche und an ihre Demokratie: Der "gleiche Reichsbürger" ist kein Widerspruch in sich, andere will er vielmehr auf die Höhe des Imperialen heben. Nach außen wird das wahre Imperium immer noch mehr angliedern, in sich aufnehmen wollen, und die Pax Romana drängt zum allgemeinen römischen Bürgerrecht, zum "Privileg für alle" - und wenn das Reich daran sterben sollte. Auch das Reich ist ein Weg zur Gleichheit, gerade im Triumphein anderer freilich als die Vergewöhnlichung kleiner Verwaltungsvorgänge.

3. Das reichsgründende Ereignis - eindeutig und einheitlich Triumph verlangt Eindeutigkeit, er will Kritik nicht bekämpfen und überwinden, er zieht über sie hinweg, ganz selbstverständlich; doch diese Eindeutigkeit verlangt eine gewisse Einheit, welche im Ereignis selbst, in seinem Ablauf liegen muß. -

Indiskutabel ist stets der triumphale Vorgang, das Ereignis selbst wie auch seine Feier. Am Erfolg darf es hier nichts zu deuteln geben, spätestens muß die große Feier in der Einheit der Deutung Eindeutigkeit bringen. Der Triumph braucht nicht nur den zentralen, den Kernerfolg, er verlangt auch den Erfolgskern, der in seiner Härte biegender Interpretation widersteht. Idealtypisch wird hier immer die Entscheidungsschlacht sein, der große Durchbruch in ihr. Die Indiskutabilität des geräumten Schlachtfelds läßt sich nicht leicht ersetzen. Doch unsere Tage kennen sie auch in der scheinbar reinen Quantität der ganz großen Wahlsiege, auch über ihnen liegt ein Abglanz reichsgründender Demokratizität.

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Unteilbar ist der triumphale Erfolgskern, seine Spaltung würde alles am Reich zerstören. Die heroische Attacke und der eroberte Wahlkreis - all dies sind Geschichten und Geschichte, Triumph gilt dem gewonnenen Krieg, der siegreichen Wahl. In ihrer Unteilbarkeit ist die große Reichseinheit vorgezeichnet, jenes "ut omnes unum sint", mit dem alles Imperiale steht und fällt, und wieder vor allem deshalb, weil diese Einheit Eindeutigkeit bringt. Und wenn überhaupt etwas eindeutig ist durch Einheit, so der Triumphzug, der immer zuerst Heiligtümer aufsucht, bevor er sich in Kneipen verliert.

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Der Triumph gilt immer einem "Spitzenereignis", das nach Bedeutung und Auswirkungen anderen, kleineren Vorgängen historisch

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

wie politisch übergeordnet erscheint. Auch darin ist Imperiales bereits vorgezeichnet, ist doch das Reich vor allem ein hierarchisches Ordnungsprinzip. Imperial ist ganz wesentlich "die Einheit über der Vielheit", das triumphale Ereignis stellt die "ganze Eindeutigkeit" her durch die Einheit des Erfolges an der Spitze: Es ist die Schlacht zwischen Kaisern, der große Sieg von mehr als legislativer, von im Grunde konstitutioneller Bedeutung. Wie es eine Hierarchie der Normen und der Ordnungen gibt, so auch eine solche der Erfolge: Das Triumphale bewegt sich "ganz oben", es ist die faktische Grundnorm des kommenden Reiches, in seinem Namen gilt "pacta sunt servanda". -

Nur das einheitliche, eindeutige Ereignis ist Anlaß zur Freude, in der ganzen politischen Intensität dieses Wortes. Ketten von Vorgängen fallen leicht auseinander, lassen sich in Teilen uminterpretieren. Das große Ereignis, die glückhafte Stunde, sie sind eine Einheit wie die Freude, deren Funken aus ihnen kommt. Nicht umsonst verwendet man dieses Wort in der Mehrzahl nur für die "kleinen Freuden"; die Freude ist ebenso eine, wie es nur einen Durchbruch gibt.

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Triumph- das hat etwas von Theater, es ist die höchste theatralisierte Form der Politik. Seit Aristoteles steht das große Theater unter der Lehre von den "drei Einheiten" von Zeit, Ort und Handlung, über die sich nur wenige, ganz Große ungestraft hinwegsetzen konnten - die Einheit der Handlung allerdings mußten sie immer wahren. Darum aber geht es gerade beim triumphalen Ereignis: Es muß eine Einheit bilden, wenn möglich in Raum und Zeit, sicher in der Handlung, im Voranschreiten des Vorganges. Darin kulminiert eine Bewegung, eine Tendenz, politische Moden mit einem Mal, in dieser Brennspiegelwirkung des Ereignisses. Eine ganze Geschichte wird zur überschaubaren Handlung, wenn ihr letztlich der große Erfolg beschieden ist, dann rücken die Jahre einander näher, 1789 war es, als seien die Gedanken von Montesquieu und Rousseau gerade in jenen Julitagen erst gedacht worden. Die theatralische Wirkung des Triumphes auf das Reich ist entscheidend: In all seiner Ruhe, seiner hohen Ordnung bedarf es des Kontrapunkts der Theaterspannung, welche ihm sein triumphaler Anfang verleiht. Ruhig werden die Bürger in diesen großen Hallen wandeln, die Gesetze lesen und befolgen, wenn sie dort noch immer begleitet werden von den lebendigen Erinnerungen größerer Tage. Die Langeweile des Bestehenden und der Änderungsdrang aus ihm können nur gehalten werden in der Dynamik der Erinnerung an den großen Anfang- und es ist eben weit mehr als Gedächtnis.

II. Was ist Triumph?

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Dem Theater ist so vieles angedichtet worden - Schule soll es sein, moralische Anstalt. Eine weitere Theorie könnte man dem hinzufügen: das Theater als Herrschaftsform in der Wirkung vor allem seines dramatischen Höhepunkts im reichsgründenden Triumph. -

Spannung hält zusammen, sie ist der Kern der einheitlichen Handlung, damit der Eindeutigkeit des Ereignisses. So wirkt denn auch das ordnend, was man den politischen suspens des triumphalen Ereignisses nennen könnte: Er integriert die Bürger auf den einheitlichen Höhepunkt des großen Sieges hin; ist er erreicht, löst sich die Spannung, so bleibt doch die Ordnung, welche in diesen Momenten geworden ist. In der Auflösung der politischen Spannung ist jedes politische Ding für einige Zeit "an seinen Platz gestellt" worden- und dort bleibt es. Wer die Rückkehr General de Gaulles an die Macht miterlebt hat, den Triumph von 1958, der konnte verstehen, warum über Jahrzehnte hinweg Parteien und politische Kräfte auf ihre Plätze verwiesen wurden - und im dynamischen Frankreich haben Jahrzehnte schon etwas Imperiales. Es war die gewaltige Spannung, welche sich im Triumph auflöste, doch sie bereits hatte diese Ordnung gebracht.

Eine Geschichte ohne Berge gibt es nicht, die Historie braucht Blickpunkte. Die Spitzen des Triumphs, der Feldherrnhügel der Entscheidungsschlacht, sie allein öffnen den Blick in die Weiten des Reichs, weil er aus einer einheitlichen, eindeutigen Höhe herabschaut. Wenn es uns gelingen könnte, daß wir uns lösen von der materialistischen GewaltBetrachtung der politischen Phänomene, so würden wir erkennen, daß größere politische Ordnungen "ganz Blickpunkt sind", ganz aus einer Sicht gesehen. Gerade weil das Reich größere, dauernde Ordnung sein will, braucht es den hohen Berg, von dem der Triumphzug hinabführt in seine Weiten- denn Triumphzüge steigen verbreiternd ab, nachdem sie das Kapitol erreicht haben. Vielleicht wird sich noch zeigen, daß dieses Reich im letzten - nichts ist als ein besonderer Aspekt der Macht, eben aus dem Blickpunkt eines ganz großen Triumphes. In ihm wenigstens muß alles klar sein und eindeutig; das Reich steht immer in der Gefahr der Verdämmerung, in seiner Größe eben. Ein Punkt muß beleuchtet sein, wie weit zurück er auch liege, damit alle auf ihn schauen, ohne Zeit und Ort - Triumph heißt der Leuchtturm des Reiches. 4. Sieg und Siegesfolgen- eine Einheit im Triumph

Eindeutigkeit hatten wir gefordert, eine gewisse Einheit, damit von einem triumphalen Ereignis gesprochen werden könne. Doch hier darf der Blick nicht zu eng werden: Gerade wenn ein Ereignis gewaltige

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

Dimensionen erreicht, wird es auch mächtige Folgen haben, in ihnen eben sichtbar werden. Diese Konsequenzen zeigen den Durchbruch, im Ausklang erst wird oft der Höhepunkt wirklich klar. So bedarf eine Theorie des Triumphs auch einer "Triumphfolgentheorie", und zwar nicht nur in der zeitlichen Dimension, als eine Verstetigung der Wirkungen des großen Erfolges, sondern auch sozusagen in einer "räumlichen", indem die Wasser überall hingetragen werden, nachdem die Dämme gebrochen sind. Diese Verendgültigung und Vergrößerung des Triumphs bringt erst ganz das Reich - in zwei Stufen: a) Fortsetzungstriumph Es genügt nicht, das Schlachtfeld zu behaupten, der Feind muß vernichtet werden. Immer wieder verdeutlicht Caesar im "Gallischen Krieg" den militärischen Zweitakt: Der Feind wird geworfen, sodann werden seine Scharen durch die Reiterei ausgelöscht. Daß das triumphale Ereignis stets den Endsieg bedeuten muß, ist nur eine Seite, selbstverständlich, soll der Sieg eindeutig ausfallen. Doch eben diese Klarheit wird nicht nur in Verfolgungskämpfen bewiesen, sie zeigt sich in neuen Entwicklungen, die aus dem Ereignis unmittelbar hervorgehen. Nicht Actium allein war der Triumph des Augustus: Die Befriedung nach der Schlacht, die beginnende goldene Zeit und ihr erstes moralisches und kulturelles Leuchten- das alles steht in jenem Fortsetzungstriumph, dem eine ganz große, reichsgründende Macht eigen ist. Sicher liegt im Fortsetzungstriumph etwas von einem Beweis der Größe des erreichten Durchbruchs. Wichtiger noch ist, daß erst in der Vielfalt der Folgen sich die ganze Mächtigkeit des triumphalen Vorgangs erweist. Und wieder wird damit der politische Reichtum sichtbar, über welchem allein sich dann das Reich wölben kann, seine Bibel kann doch nicht nur die Militärgeschichte einer gewonnenen Schlacht sein, oder soziologische Lehren aus dem ganz großen Wahlerfolg. In diesen Fortsetzungen, welche der Einheit des großen Ereignisses nichts nehmen, ihm eher noch Gewichte hinzufügen, werden schon die "Königreiche" sichtbar, welche sich unter dem Imperium formieren, ohne welche ein Reich nie bestehen kann. In ihnen wird der Sieg gewissermaßen abgewickelt, seine Folgen organisiert. Wieder wird eine Parallele deutlich zwischen der Struktur des triumphalen Ereignisses und des Reiches, das aus ihm wird: Beides ist eine Art von primus motor, aus dem großen Reich kommen die Teilreiche, nicht umgekehrt, wie aus dem großen Sieg die Folgesiege erwachsen. Gerade die Betrachtung des Triumphes als Ausgangspunkt des Reiches lehrt uns also, daß Imperialität nicht nur Statik bedeutet, daß sie vielmehr ein Anstoß ist zur ordnenden Reichsorganisation in vielen Teilen.

II. Was ist Triumph?

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Doch vor einem sei gewarnt: Die Königreiche dürfen nicht mit dem Reich verwechselt werden, wie die einzelnen Akte der Fortsetzung des großen Erfolges nie an dessen Stelle treten können. Wer so nämlich den Triumph verkleinert, wer in einzelnen wirtschaftlichen Aufschwungbewegungen oder kulturellen Blüteerscheinungen allein etwas vom Reich zu sehen glaubt, der hat allenfalls Staatlichkeit im Blick, die Fortsetzungen für sich genommen bringen Legitimationen der Staatlichkeit, nicht das höhere Reich. Sie sind nur Ausstrahlungen einer größeren Sonne, des entscheidenden Durchbruchs, sie können ihn fortsetzen, nie ersetzen, sowenig wie der Staat das Reich. Erneut wird so in der Struktur des triumphalen Ereignisses die Struktur des Reiches sichtbar. b) Triumphbegleitende Feiern Diese Doppelbedeutung liegt in dem Wort, über das wir schreiben, sie wird uns immer wieder beschäftigen: Triumph ist der große Erfolg- und seine große Feier, oft beides zugleich, das eine im anderen. Die ersten geistigen Auswirkungen eines ganz großen Erfolges sind die Feiern, welche ihn nun begleiten und fortsetzen, in ihnen wird er neu erlebt, gewinnt er erst seine ganze Dimension, in der reinen Feier der Sedanstage, im feiernden Monument, das an Trafalgar erinnert. Ohne solche Siegesbegleitung wäre der Erfolg nichts, wie der Triumph nichts ist ohne seinen Zug. In ihm wird der Sieg dem staunenden Bürger vorgespielt, vielleicht immer wieder. Diese Begleitung aber würde nicht voll in ihrer Bedeutung erfaßt, wollte man sie nur als Verdeutlichung, als Unterstreichung verstehen: In der Staatsfeier des großen, alten Erfolgs, der heute noch lebendig ist, öffnen sich zugleich die Tore für die oben erwähnten Fortsetzungen des Triumphs, für die Schaffung und Befestigung der vielen Teilreiche, über denen sich das Reich wölbt. Sie kommen aus dem großen Erfolg, aber meist über die erfolgsbegleitende "Triumph-Feier". Besonders deutlich ist es in der kulturellen Verherrlichung politischer Größe oder einfach nur in ihrem Genuß in Kultur. Auch die wirtschaftliche Blüte ist ein triumphbegleitendes Phänomen, vergoldet werden in emsiger Anstrengung die Fassaden, an denen der vergegenwärtigende Triumphzug vorübergeht. Der ökonomische Aufschwung nach dem politischen ist sowohl ein Phänomen der Triumphfortsetzung als auch ein triumphbegleitendes Ereignis. Feier des Großerfolgs und seine Folgen - beides läßt sich logisch trennen, und ist doch verbunden: Feier ist selbst eine Triumphfortsetzung, in aller Fortsetzung wird er im Grunde bereits gefeiert. Die offene Vielfalt der Siegeskonsequenzen ist nichts anderes als ein Ab-

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bild des Überganges vom festen Herrschaftsstaat zum offenen, weiteren Reich, in dem immer neue Folgen des ersten Durchbruchs gefeiert werden können. Zahllos sind die Metamorphosen, deren der wirklich große Erfolg fähig ist, der den Namen des Triumphes verdient- vom Militärischen, zum Wirtschaftlichen, ins Kulturelle hinein, bis in die höchsten Höhen des Geistes, Napoleon hat all dies in wenigen Jahren gezeigt. Und wer wollte Entscheidungsschlachten verachten, wenn aus ihnen so viel werden kann an wahrem Reich? Der wirkliche Triumph schlägt immer weitere Wellen, er treibt den Staat auf die hohe See einer wahrhaft goldenen Zeit hinaus, in der flexiblen Ordnung des Reiches in Vielfalt und übergreifender Einheit.

5. Tradition als Triumph Das triumphale Ereignis ist seinem Wesen nach, wir sahen es schon, eine eindeutige, eine einmalige Einheit. Bedeutet dies die Absage an alle Tradtion, soll daraus geschlossen werden, daß jenes Reich, das aus Triumph wächst, Tradition nicht kennen darf? Dafür könnte die Zeitlosigkeit sprechen, in welcher sich die große Ordnung über allem ausbreitet. Doch auch dies wäre eine verhängnisvolle Blickverengung, hier würden wir uns von den Erfahrungen einer Geschichte trennen, für welche stets Reich und Tradition eine Einheit gewesen sind. Diese enge und notwendige Verbindung aber läßt sich auch und gerade in der Betrachtung des Triumphes als Reichsurgrund erweisen: In der Tradition wird der große Erfolg in die Zeit hinein ausgedehnt, damit entscheidend vergrößert und intensiviert, so wird er erstmals voll zum Ordnungsfaktor. Der Triumph trennt nicht das Reich von der Tradition, im Gegenteil - in seiner Einmaligkeit kann er ordnend nur wirken durch eine gewisse "Folge in der Zeit"; sie hebt zwar die Einmaligkeit des Ausgangsereignisses, des ersten Durchbruchs nicht auf, vertieft ihn aber in die Zeit hinein, läßt ihn gerade darin endgültig und indiskutabel werden. Triumphalismus müßte sich in der Oberflächlichkeit der Schlachtenverherrlichung erschöpfen und verlieren, würde diese Dimension nicht mehr gesehen. In doppeltem Sinne wirkt die Tradition triumphverstärkend und damit reichsbefestigend: In der Tradition von Siegen und in Tradition des Sieges. a) Triumph als Tradition von Siegen Bei aller Einmaligkeit des großen, triumphalen Ereignisses - eine Serie von Erfolgen, die als Einheit empfunden wird, legt den festesten Grund eines Reiches. Jene beiden politischen Gebilde, welche der

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Reichsidee am nächsten gekommen sind, Rom und E.ngland, haben auf einzelnen Großerfolgen aufgebaut, mehr aber noch auf einer Kontinuität von solchen, welche wie ein großer, notwendiger, schicksalhafter Sieg empfunden wurde. Im Untergang der Armada über Trafalgar zur meerbeherrschenden Vernichtungsblockade gegen die Mittelmächte der englische Triumph war die Unbesiegbarkeit der Flotte. Viele römische Siege sind weniger bekannt als manche Niederlagen des TiberStaates - doch die letzte Schlacht wurde immer von Rom gewonnen immer. Zusammengesehen wurde all dies bald im Triumphgefühl der unbesieglichen virtus Romana, legendär vorgezeichnet schon in der Gründungsgeschichte, welche der Stadt das Schicksal des Sieges mitgab. Für römische und griechische Historiker waren die Siege Roms ein großer Sieg, für die imperialen Engländer konnte es gar nichts anderes geben als Englands einen Dauererfolg. Die Unbestreitbarkeit des Großerfolges wird ja vor allem durch seine Dauer bewiesen. Ist er einer im Ergebnis, vielgestaltig aber in der Zeit, so zeichnet er gerade darin bereits die Reichsgestalt vor: die des Dauererfolgs in vielen Provinzen. Die Tradition der Siege bringt jene lrreversibilität, in welcher der Triumph seine Spitze erreicht: Er mag Gnade im letzten bleiben, doch er wird zur Notwendigkeit. Und weiß nicht jeder Demokrat, welches Triumphgefühl der "Genosse Trend" gibt? Hier wird der Triumph aus der Kontingenz zum Schicksal. Mit dem glückhaften Roulette-Ereignis mag er beginnen, zur Notwendigkeit des Reiches findet er in der Dauer, der Kontinuität. In ihr allein erreicht er die volle Allseitigkeit des alles durchdringenden Reichsprinzips. Wie könnte man auch das Reich schon jetzt, am Anfang, besser charakterisieren als darin, daß es sich aus nichts Menschlichem zurückzieht, daß es sein Siegesgefühl trägt in Kultur, in Wirtschaft, in Politik? Es kann sogar die These gewagt werden: Nicht ganz, aber bis zu einem gewissen Grade kann Siegesserie Siegesgröße ersetzen - wenn sie einmalig ist wie diese. Dann allerdings ist viel an Kontinuität gefordert; zu einem solchen Thermiten-Triumph der Geduld bedarf es römischer Größe. Da zeigen sich auch die Grenzen des Triumphtheaters und des Erfolgsspektakels - die größten Triumphe werden in langem Marsch erreicht. Hier stellt sich die Frage "Rückschlag, Triumph und Reich" - was bedeutet der Negativerfolg für das Imperiale, wieviel an Rückschlägen erträgt "das Reich"? Die Antwort kann nur aus dem Begriff der Triumph-Tradition heraus gegeben werden: Wenn das Reich die große, dauernde Herrschaft bedeutet, so kann es Rückschläge hinnehmen, doch 5 Leisner

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sie dürfen nie die Reichs-Kontinuität brechen - darunter hat die französische Reichsidee seit Napoleon entscheidend gelitten, die deutsche seit Ende des Alten Reiches. Es ist, wie wenn ein goldenes Verhältnis gewahrt werden müßte zwischen Rückschlag und Triumph, im ganzen wie in den einzelnen historischen Phasen. Rückschläge müssen Parenthese bleiben, nie dürfen sie größer werden als die Erfolge, welche sie immer wieder ausgleichen und dann noch etwas höher bauen müssen. Kraft seines großen und weiterwirkenden Ausgangserlebnisses, seiner Kontinuität vielleicht, ist sicher das Reich jene politische Organisationsform, die mehr an Rückschlägen erträgt als jede andere Staatlichkeit, und je mehr sich ein Staat von neuem oder zum ersten Mal der Reichsidee nähert, desto mehr wird er immun gegen Krankheiten kleinerer Niederlagen. Wie mächtig der Anruf an die Reichsidee wirken kann, hat sich selbst in der deutschen Tragödie gezeigt: Weil viele Bürger 1933 - zu Recht oder zu Unrecht - ein Reichserlebnis hatten, das ihnen ganz groß erschien, wirkte der Tag der Machtergreifung mit seiner begeistemden Kraft selbst noch über Stalingrad hinaus. Je größer das Reichserlebnis im Triumph war und ist, desto stärkere Bewältigungskraft auch für größere Rückschläge verleiht er dem Reich. Die Überwindung der Niederlage durch triumphale Kräfte bedeutet die Stärke der Reichsidee; und vielleicht könnte man das Reich als jene Staatsform bezeichnen, welche die meisten Niederlagen ohne Kontinuitätsverlust überwinden kann, als eine höchst stabile Ordnung in der Zeit. Über Jahrhunderte, ja über Jahrtausende hinweg kann der große Reichstriumph Niederlagen ertragen lassen, vielleicht ignorieren; keinen größeren Beweis dafür gibt es als das alte Deutsche Reich, das nur rationalistische Unintelligenz belächeln konnte: Es war wirklich ein Römisches Reich noch immer, denn geschlagen und zerrissen lebte es stets noch weiter aus der Mächtigkeit altrömischer Triumphe. Seine Lehrer und Priester lasen bei Livius, was sie selbst nicht mehr erleben durften; für lange Zeit hat es genügt. Das Reich wird uns immer wieder begegnen als Ordnung der Einheit über der Vielfalt der Teilreiche, Länder, Kantone, über der geistigen und kulturellen Pluralität und dem Auf und Ab ökonomischen Geschehens. Als eine solche "Ordnung der Vielfalt" zeigt sich auch der "Triumph in der Zeit", die Tradition von Siegen, die stärker ist als die Rückschläge, welche in sie eingeflochten sind: Die Niederlagen erweisen sich als Unordnungen, doch sie werden eingebunden in die TriumphTradition, in ihr verstärken sie sogar dynamisch das politische Leben der Reichseinheit. Und so mag selbst im Rückschlag eine integrierende Kraft des Triumphs sich bewähren - im größeren Rahmen des Reichs.

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Ein weiterer Schritt nun wäre es zu einer "Theorie des negativen Triumphs" .Die ganz große Niederlage hat ihre wahrhaft triumphale Bedeutung, wenn sie nicht umwirft, sondern stärker macht. Die römische Geschichte blickt auf das caudinische Joch, die Revanche dafür ist kaum jemandem bekannt; Cannae ist ein Begriff - wer denkt schon an Zama. Die schicksalhafte Tradition der Siege war eben so groß, daß sie als notwendiges Ende erschienen, die schwere Niederlage dagegen als Probe auf die Stärke des alten Triumphgefühls, die Stärke des Reiches. Die große Niederlage ist Triumph in der Kraft, die auch sie noch übersteht, in Kolin und Kunersdorf ist Preußen größer gewesen noch als am Tag von Leuthen. Dort allerdings, im Bereich der negativen Triumphe, tritt doch wieder das große Ausgangsereignis, die Erinnerung an einen oder einzelne Höhepunkte mächtiger hervor als Serien von kleineren Erfolgen, hier verliert auch die Tradition etwas von ihrer Kraft; denn in einer schweren Stunde muß man sich an eine andere, große erinnern können, in der Politik der Staaten wie im einzelnen Leben. Gerade jene Tradition der Siege, welche einzelne Niederlagen überwinden läßt, zeigt auch, daß politische Tradition nicht plätscherndes Wasser ist, sondern in Großereignissen gestaute Kraft. b) Tradition des Sieges als dauernder Triumph Triumph-Tradition gibt es nicht nur in der Folge der Siege und Erfolge. Das eine, große Ausgangsereignis kann seine eigene Tradition schaffen. In der Erinnerung gepflegt, mehr nachempfunden als nachgeahmt, gibt dieser fortgetragene Triumph der Reichsordnung besondere Kraft. Der einst so große Erfolg ist nie Vergangenheit geworden, die Trafalgar-Idee hat England Mächtigkeit gegeben, seine Fleet in being zu halten. Die Wirkungen einer solchen Tradition großer Erfolge sind vielgestaltig, dauernde Metamorphosen finden auch hier statt. Jede Generation, jeder Bürger erlebt ja diesen seinen großen Staatserfolg schon in der Erzählung der Älteren und in der Schule anders, auf seine besondere Weise wird er ihn politisch in der Gemeinschaft weitertragen. Darin wird die reine Erfolgshistorie überwunden, eine solche Siegestradition ist mehr als die Gegenwart von Daten. Der Triumph erwächst so zum lebendigen Großerfolg, das Reich, welches er trägt, wird damit zur besonders lebendigen, vielfältigen Staatsform. Zugleich findet darin, und vor allem über die Schulen, eine mächtige Erfolgsverbreiterung statt - es ist, als habe jeder, der dies empfindet, die Schlacht selbst gewonnen, die goldenen Gedichte geschrieben oder zuerst hören dürfen. Das internationalisierte westliche Denken mag vor allem kulturelle Großerfolge nicht mehr in nationalistischer Weise zurechnen- gehört s•

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

Beethoven "uns" oder "euch"? Doch gerade vertiefte intellektuelle Beschäftigung - und sie leitet eben doch weithin das Bewußtsein der Gemeinschaften - wird immer von neuem den historischen und nationalen Nährboden suchen und bestimmen, aus dem dies alles kam, damit aber wird auch die kulturelle Tat wieder zum nationalen Großerfolg. Gerade sie ist jener Tradition mächtig, welche das ursprüngliche Ereignis nahezu unbegrenzt in unserem Bewußtsein reproduziert, interpretiert, variiert. So teilt jedes wahrhaft triumphale Ereignis das Schicksal der großen musikalischen Tat: Es wird gesetzt, doch dann ist alles Interpretation im weitesten, vollen Sinn. Alles darf der Interpret, solange er nicht Fehler fortschleppt. Mit jedem Nachfühlen wird die Musik perfekter - wie das Reich mit dem Fortdenken und Fortleben seiner Triumphe. Die Tradition des einen Triumphes, mehr noch als seine serienweise Wiederholung, macht das Reich ruhiger, es ruht auf dem festesten Grund, den es gibt, dem historischen. So hatte immer das englische Empire viel Zeit, mehr Zeit schon nach der Armada, noch weit mehr nach Waterloo. Da es von der Siegesgöttin begleitet wurde, konnte es den Sieg erwarten. Das unendliche russische Reich, das Dritte Rom, ist sich im Denken an Poltawa und den Brand von Moskau erst ganz seiner Tiefe bewußt geworden, nicht nur in seinen räumlichen Weiten, sondern auch in der Dimension seiner legendären Erfolge. Seine unruhigsten Dichter wirken gelassen, da sie von 1812 aus blicken. Und so eben das Reich: Das wahre Reich hat Zeit, denn es ist tief, es kann in der Tradition seiner großen Erfolge nur immer noch tiefer wachsen, wenn schon nicht höher. Das Deutsche Reich ging verloren, als seine Ruhe hin war im Wilhelminismus, als es mehr neue Erfolge wollte, als daß es an einstige gedacht hätte. Aus der Sicherheit früherer schicksalhafter Erfolge heraus kommt auch jenes glückhafte Zögern, mit dem ein Cunctator ein Reich gerettet, ermöglicht hat. Rom war damals schon groß genug, um warten zu können. Abwarten muß das Reich können vor allem in jenen Unruhen, in die es jedenfalls geworfen wird, außen und innen: Nie wird es den imperialen Namen verdienen, wenn es nicht der ruhigen Außenpolitik fähig ist, nur sie ist Reichspolitik. Ein wahres Reich kann man nicht herausfordern, weil es seine Proben bereits bestanden hat. Und nicht anders in der inneren Unruhe: Ein Reich darf liberal sein, eigentlich ist jedes wahre politische Gebilde dieser Art notwendig ein Empire liberal. Die ökonomisch-gesellschaftliche Unruhe nimmt es in Gelassenheit hin, es läßt sie unter den größeren Strukturen verschäumen. Ob alle diese Bewegungen zum Erfolg führen - der Liberalismus weiß es nicht, und das Reich berührt es nicht, denn es hat seine Erfolge. Aus dem großen

II. Was ist Triumph?

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Triumph kommt dem Reich etwas Glückhaftes: ein Reichsoptimismus der Selbstverständlichkeit in fortdauernder Siegesstimmung. Nurmehr Augenblicke sind gegenwärtig, auch wenn sie von den Heutigen nie erlebt wurden; doch sie sind sicher: Diese große Ordnung kann nicht zusammenbrechen. Wenn es einst zum guten Ende kommen konnte, im Triumph, trotzdem so viel erlebt und erlitten werden mußte, so ist auch heute der Erfolg gewiß - erst recht. Der frühere Triumph wird in seiner Tradition zur Triumpherwartung. Das Reich ist eine Ordnung "im Zweifel für den Erfolg", zum Bestehen verurteilt. Freilich bedarf es dann des wirklich großen triumphalen Ereignisses, Teilerfolge helfen nicht, Begleiterscheinungen nie allein. Tradiert werden kann immer nur das ganz Große, aber auch die "große Zeit". Reichsgründend in diesem Sinne waren die Fortwirkungen des grand siecle, des siglo de oro; was später in jenen Landen als Reich verteidigt wurde, war immer auch eine Fortsetzung dieser großen, triumphalen Stimmungen. Das große Ereignis ist viel, seine Tradition ist mehr. Sie ordnet, sie wird zum Reich. In der Triumphserie liegt etwas wie die Beweiskraft höherer politischer Mathematik: "Die Reihen werden unwiderleglich", sie allein, nicht die punktuelle Berechnung oder Konstruktion. Quod erat demonstrandum - hier kann weitergerechnet werden, bis in immer neue Stellen hinter dem Komma, in der untrüglichen Sicherheit, daß das große Ergebnis sich nicht mehr ändern wird - das Reich. In diesen Siegesserien werden die politischen Fehlerquellen immer kleiner, zugleich wird der Hintergrund nur noch größer, das verdämmernde Ausgangsereignis, Roms Gründung, der Kopf von Karl Marx, sein geistiger Triumph hinter den Schlachtensiegen der Roten Armee. Die Formen der Feiern wandeln sich, doch von der Apotheose der siegreichen Barrikaden bis zum Eiffelturm von 1889 und immer weiter feiert sich die triumphale Republique franc;:aise ständig selbst, in der Triumphalität einer Tradition republicaine et revolutiona'ire, aus der heraus sie das Empire colonial geschaffen hat, mehr als all ihre Könige und Kaiser. In einer solchen Tradition können alle Erfolge zusammengefaßt werden, zivile und militärische, ökonomische und kulturelle. Die Tradition wird zum integrierten Triumph. c) Tradition ohne Großerfolg - Gegenteil des Triumphs Der Antitriumphalismus unserer Zeit ist weithin vor allem eines: Antitraditionalismus, in einem erstaunlichen Mißverständnis. Tradition wird hier ja nicht bekämpft als der fortgelebte Erfolg, den man nur

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

allzu gern mitfeiert, das Verständnis solcher Kräfte für die Russische Revolution beweist es. Auch die Tradition der Triumphserie wird immer beeindrucken - Rußland ist zum unüberwindlichen Reich geworden durch die Vernichtung seiner drei größten Gegner. Was heute abgelehnt wird, was auch den Antitriumphalismus begründen soll, ist die Sklerose nicht "der Tradition", sondern gewisser Traditionen, vornehmlich im sozialen Bereich, in den Verkrustungen bourgeoiser Üblichkeiten. Dies ist eine Kampfansage an die "Tradition an sich", an das einfache Weiterwirken, das rasch zum Fortschleppen wird. Doch könnte es einen größeren Abstand zwischen dem allem geben und jenem Triumph, den wir hier geistig feiern, im Namen des Reichs? Diese Traditionen sind doch nichts anderes als "reine Vergangenheit", die auf die Gegenwart wirken will, nur weil sie "irgendwie" einmal war, ohne daß sie den Beweis auch nur anzutreten versuchte, daß sie ganz groß gewesen ist. Solche bürgerlichen Traditionen werden nicht besungen, sie werden vielleicht in leiser Nostalgie zu Ende geträumt. Angefangen haben sie doch gerade nie mit dem großen Schlag des Triumphes, sie können ihn nicht einmal erfinden. Sie wollen nur dem Fortschritt die Beweislast zuschieben, er soll zeigen, daß Neues besser ist, doch hier fehlt die "Kraft der Wahrscheinlichkeit des Triumphes", zur großen Beweislastumkehr, von der noch die Rede sein wird. Kraft eben mangelt vor allem, es sind ewige Krankheiten, die sich fortschleppen und schwächen. Oder hätten diese sozialen Traditionen etwas "Ereignishaftes", das sich feiern ließe? Da werden die Uniformen der Gardes du Corps noch leichter hingenommen, bis zur Friedlichkeit der Schweizergarde, steht hinter ihnen doch die triumphale Größe von Siegen und die Grandeur der Geschützten. Der Frack aber hat nichts Triumphales, selbst wenn er noch mit weißer Weste getragen werden kann. Die Betrachtung von Traditionen als Triumph zeigt die Bedeutung des Ereignisses für das Reich. Das Bürgertum, die ereignislose Klasse, kann ein Reich genießen, nie schaffen. Ereignistradition steigert den Triumph zuhöchst, ereignislose Tradition ist sein Ende. d) Die größte gefeierte Tradition -

das katholische Rom

Wenn etwas möglich ist wie eine Reichs-Dogmatik der Tradition, deren Linien wir zu zeichnen versuchten, mit Blick auf das Triumphale, so bleibt eine Frage vor allem noch gestellt, an der sich erweisen muß, ob wirklich nur Ereignis-Tradtion zum Reich führen kann. Wenn es etwas Imperiales gibt in unserer Welt, trotz all seiner Öffnungen und Flexibilitäten, vielleicht gerade in ihnen, so ist es das Zweite Rom der

II. Was ist Triumph?

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katholischen Kirche. Ist dies nicht der lebendige Beweis für die politische Macht der reinen Tradition, in der Überleben allein schon zum Triumph wird? Im Gegenteil - hier ist Kontinuität und Ablauf nur das Äußere, im Kern bleibt alles Ereignis. Die Tradition der Kirche ist so groß, daß ihre Einzelheiten in der Tat immer mehr verdämmern, ihre Ereignisse sich in die Archive des Vatikan zurückzuziehen scheinen. Dies ist das Schicksal einer jeden Groß-Tradition in der Zeit, und auch eine gewisse Schwäche. Immer wieder, in der Reformation wie heute, hat man darin den verhängnisvollen Weg in reine Tradition gesehen, ein Abfallen von den großen biblischen Ereignissen des christlichen Anfangs. Groß ist in der Tat die Versuchung sich auszuruhen, nicht mehr auf Lorbeeren, sondern auf reiner Vergangenheit; eine antitriumphalistische Jugend hält es am Ende des Jahrtausends der tausendjährigen Kirche vor. Doch immer wieder zeigt diese Kirche, daß da Verdämmerung der Triumphe sein mag, nicht aber ein Abfall von ihnen. Die Tradition des Zweiten Roms bedeutet eine Zusammenfassung aller Großerfolge unter einer Kuppel, in einem Namen: der militärischen - in hoc signo vinces; der zivilen- in der zweiten Pax Romana; der geistigen - tu sola omnes haereses interemisti; der ökonomischenunter dem Krummstab ist gut leben. All dies wölbt sich zusammen zu einem einzigen großen Triumph, der so mächtig ist, daß seine einzelnen Elemente gar nicht mehr diskutiert werden können, daß sie kaum noch in der Feme der Wölbung erkennbar sind, in der sie sich gegenseitig sicher halten. Und schließlich bleibt da immer, unwandelbar, der riesige Ausgangstriumph - das größte Ereignis der Geschichte, die Erlösung in Tod und Auferstehung, der Fels, auf den ein für allemal die Kirche gegründet ist, aus dem ihre Tradition sich wie ein lebendiges Wasser in die Geschichte ergießt. Der Triumphator ist der "ganz Andere", er hat da:s Ereignis gesetzt, er wiederholt es täglich, allgegenwärtig wendet er alles zum Guten, darin kommt zu uns sein Reich. Die ganz große Reichsidee ist aus dem Ersten Rom gedacht, aus seinen legendären Anfängen, die sich in Siegesserien bewiesen - aber auch aus dem Zweiten, in dem der Anfang alles ist, der sich in einem ewigen Triumphzug nicht abschwächt, sondern beweist und vollendet. Wenn es imperiale Tradition nur aus dem fortwirkenden Ereignistriumph gibt, so ist dies wahrhaft ein römisches Erbe.

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

6. Triumph als rettender Sieg die Notstandslegitimation des Reiches Triumph ist der Sieg der ganz großen Überlegenheit - aber auch stets die Rettung aus großer Not. Hinter dem Reich steht der Notstand, den es im großen Erfolg überwindet, diese große Ordnung versteht, wer die "Reichs-Vertiefung zur ständigen latenten Notstandsbewältigung" begreift. Die Grundidee dieses Kriteriums für den triumphalen Charakter eines Ereignisses ist: Es muß ganz wesentlich "Sieg" sein - eine schwere Gefahr wird überwunden. Das Reich wird ersehnt und geschaffen, wenn die politischen Gefahren "Existenz bedrohen", in welcher Form immer, die der staatlichen Organisation, wie auch, vor allem, das Weiterleben des einzelnen Bürgers in seinem individuellen Lebensraum. Die Auflösung der dramatischen Spannung im Triumph bedeutet etwas wie die Transformation persönlicher Todesängste in Reichsordnungen. Da mögen lange Perioden der Unsicherheit vorangegangen sein; am Ende des permanenten Bürgerkriegs oder merovingischer Fehden stand mehr als einmal das Reich -im alten Rom, zu Beginn des Mittelalters- oder doch ein Aufbruch zu ihm, in der Überwindung der deutschen inneren Kämpfe des vergangenen Jahrhunderts. Es ist, als werde die Dauer und Schwere des Leidens, der Gefahren von vielleicht mehreren Generationen, wieder gut gemacht an einer glücklicheren, der ein Reich geschenkt wird große Ordnung aus viel Unordnung. Doch auch eine große Not allein mag ein Reich schaffen oder neu befestigen, in der Türkennot, im Triumph von Wien wurde es erlebt. Immer muß da etwas mehr sein als "Staats-Not", das Reich wächst aus überwundener, besiegter Bürgernot, denn seine vielfältigen, späteren Ordnungen werden auf den Schicksalen und Bedürfnissen aller aufruhen, rahmenmäßig einem jeden gerecht werden, soll da ein Reich sein; und so muß schon an seinem Ausgangspunkt ein jeder seinen Triumph mitfeiern dürfen, ihn im Sieg der Gemeinschaft erkennen. Überwindung ist der Triumph, ein wirklicher Sieg. Das FreundFeind-Verhältnis als Wesen des Politischen findet hier seine höchste Steigerung, im Triumph läuft Hochpolitisches ab, nicht Eitelkeitsbefriedigung, ein Theater von Helmbüschen, der Kaiser auf weißen Rossen. Ohne Sieger und Besiegte gibt es keinen Reichsbeginn, doch der Besiegte selbst wird im großen Erfolg wieder aufgehoben, auch er geht im Triumphzug, und an seinem Ende werden ihm die Fesseln abgenommen - oder er wird in die siegreichen Formationen integriert.

II. Was ist Triumph?

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Wohl ist Triumph auch der totale Vernichtungssieg, das endgültige, dauernde Blutbad, die Russische Revolution. Dies ist dann der Triumph ohne Rückkehr, ein Reichsbeginn, der nie mehr die Restauration zu fürchten hat. In ihm wird der Wille der geschlagenen Minderheit zu dem der Mehrheit, weil es eine andere politische Dimension überhaupt nicht mehr gibt; aber auch dort muß irgendwann das Töten und Niederwerfen aufhören, die Minderheit wird nicht mehr besiegt, sondern in die Mehrheit integriert. Und so ist es in jedem überzeugenden demokratischen Wahl-Großerfolg, der ein Regime verändert, neue demokratische Imperialität schafft: War es wirklich die große Wandlung, der "Erdrutsch", so wird die hoffnungslose Minderheit geradezu im Rousseau'schen Wunder Teil der Mehrheit, weil sie in deren Triumphzug einschwenkt, unter ihren Fahnen weitergeht. Wem nicht im Triumph die Welt gehört hat- und sei es auch nur einen Augenblick - der kann sich nicht die eigene, notwendig kleinere Welt im Versuch eines Reiches aufbauen. Eine Vertiefung des Ordnungsdenkens findet hier statt, hin zum Reich, zu einer Struktur, die sich stets bedroht fühlen muß - dann aber doch siegen wird, weil sie einst gesiegt hat. Das Reich - es ist der permanente Notstand - und seine erfolgreiche Auflösung im Triumph. Für den "einfachen Staat" ist Notstand eigentlich nicht vorstellbar, zum einen, weil man ihn ohne Bedauern sterben läßt, vor allem aber, weil er im wirklichen Notstand bereits sein Ende erreicht hat. Anders das Reich: Aus seinem großen Erfolg heraus triumphiert es gerade über den Notstand, die Notstandsdimension erst gibt seiner Ordnung die letzte Imperialität. Steht hinter ihr nicht die große Bedrohung, aus der die Ordnung errettet wurde, wieder werden wird, so kann die letzte Reichsgröße nicht erreicht werden. Die dauernde und geradezu gepflegte Angst vor der Konterrevolution im russischen Reich des Kommunismus ist eine politische Selbstverständlichkeit, vor allem aber eine Folge der wahren Triumphalität der großen Revolution: Das Reich schafft sich ständig seinen Notstand, um immer neu triumphieren zu können. Und selbst in den kleineren Räumen der Banner Republik war die Notstandsdebatte der Fünfziger Jahre auch Aufbruch nicht nur zur Souveränität, sondern zu einer reichsähnlichen Ordnungsbefestigung. "Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet" Reich wird, was ihn überwindet.

zum

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

III. Die Erweiterung des Triumphbegriffs: vom Sieg zum Erfolg - der demokratische Triumph

1. Oberwindung des Triumphalismus durch Pazifismus? Triumphalismus ist aus der Mode, in all seinen Formen, aus einem Grunde vor allem: Man verbindet ihn mit dem militärischen Sieg, ihn aber soll es erst recht nicht mehr geben in einer Welt, die schon keinen Kampf kennen darf. Ausgangspunkt dieses Pazifismus ist die Ablehnung des militärischen Erfolges, in seinen extremen Formen verwirft er alles als Staatsgrundlage, was unfriedlich, kämpferisch erscheint. So ist denn der Sinn für den Triumphalismus weithin verloren gegangen, selbst die große Kirche entfernt ihn von ihren Fassaden, die Demokratie wird gefeiert als die Staatsform des Antitriumphalismus, nur eines darf sich überall frei zeigen - politische Bescheidenheit, die weiche Hand, die hilft, deren Finger nicht das Siegeszeichen geben. Sind damit alle diese Betrachtungen von Anfang an durch eine politisch-geistige Großentwicklung überholt, enden in der Friedlichkeit unserer Tage Triumph und Reich? Wir glauben es nicht, all dies verlagert sich nur. Schwerer wird es, Zeitgenossen den Sinn für das Imperiale wiederzugeben, die sich in Realitäten oder Illusionen des Pazifismus bewegen. Doch gerade sie gilt es zu überzeugen: Es ist nicht Beruf unserer Zeit, säkulare Kräfte wie Triumph und Ordnungsformen des Imperialen durch die reine Negation von Spannungen zu ersetzen; wir müssen erkennen, daß sich allenfalls vieles verschiebt; Triumphe werden anders gefeiert, Worte wechseln; vor allem aber: Der Triumph wird zum Erfolg, das Reich erscheint als die große Ordnung der Erfolgsgemeinschaft Dies ist der Gegenstand der folgenden Blätter. Hier ist nicht zu entscheiden, wo die tieferen Gründe des Pazifismus am Jahrtausendende liegen: in den vergangeneo Kriegen, in den Massenvernichtungswaffen, der steigenden Angst vor inneren Spannungen und Bürgerkriegen - oder ganz einfach in einem politischen allgemeineren Energieverlust der hochentwickelten Länder, in der Erschlaffung politischen Gestaltungswillens. Sicher ist, daß eine zutiefst untriumphalistische Generation alle Manifestationen größerer Erfolge, damit aber vielleicht diese selbst, abzulehnen scheint, bis hin zu Titeln, Prüfungen, Hierarchien, bis hinein in den Luxus als äußere Form des größeren Bürgererfolgs. Verworfen wird so alles, was irgendwie an einen "Bürgertriumph" erinnern könnte, und wie sollte da ein Verständnis für den Staatstriumph geweckt werden können, welcher die politische Ordnung zum Reich steigert? Doch gerade deshalb muß ein

III. Die Erweiterung des Triwnphbegriffs

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geistiger Kontrapunkt gesetzt werden: Wer Siege nicht sehen will, muß um so mehr über Erfolge nachdenken. Zunächst schon aus einem banalen Grund: Das Militärische ist nicht verdrängt, selbst n:icht in seinen großen Formen, es wird lediglich vom Einsatz in die Drohung verlagert, und noch nie war die ganz große Rüstung so mächtig, damit aber steht doch am Horizont die Vision vom ganz großen Sieg. "Triumph" bedeutet heute bereits die Rüstungsüberlegenheit. Und manche Waffensysteme sind so fürchterlich, daß ihre Bereitstellung allein schon triumphale Größe erreicht und gerade das schützen soll, was man ein Reich nun wirklich nennen kann - die "Supermacht". Doch ebenso wichtig ist eine andere Verlagerung - vom äußeren militärischen Kampf in den inneren Bürgerkrieg, und sie erschüttert viele politische Gemeinschaften. Im Siegeserlebnis einer Befreiungsbewegung der Dritten Welt soll stets der Anfang eines neuen Imperiums gefeiert werden, eines kleinen vielleicht, aber doch einer Ordnung, die nun groß sein, sich nicht mehr ändern wird - was wäre das Reich anderes, ist da nicht Triumphalismus? Dies alles zusammen müßte schon genügen, um die Frage nach dem Triumph als Reichsgrundlage gerade heute zu stellen, mehr vielleicht als je zuvor. Nie haben wohl so viele politische Hände nach dem "Reich" gegriffen wie in unseren Tagen. Doch es gibt noch einen anderen Grund, der uns zum Triumphalismus hin-, vielleicht auch zurückführt: Gerade wenn der Pazifismus gegen alles Militärische erfolgreich ist, findet eine weitere, eine dritte Verlagerung von Spannungen und Auseinandersetzungen statt: vom militärischen Triumph zum zivilen Großerfolg. Wer jenen nicht will, muß gerade diesen erstreben, seinen Ordnungen zugrunde legen, damit aber, in einer neuen Weise, doch triumphieren. Pazifismus als Antitriumphalismus - das ist nichts als eine primitive Blickverengung. Wir werden sehen, daß im Militärischen vieles und Wesentliches von jedem Triumph begründet liegt, doch dies ist eben wandlungs-, übertragungsfähig in den unblutigen Bereich, und so war es im Grunde von jeher. Stets mußte sich der militärische Triumph im zivilen Erfolg fortsetzen, der Sieger zum Friedensfürsten werden. Wer nicht mit brutaler Gewalt siegen kann, vom Duell bis zur Atombombe, der muß seine Auseinandersetzungen in anderen Formen austragen und gewinnen, vom politischen Boykott über protektionistische Wirtschaftspolitik, wahre Formen des Wirtschaftskriegs, bis hin zum ganz einfach offenen Wettbewerb zwischen Staaten und Bürgern, in dem ja auch täglich gesiegt, verloren - triumphiert wird. Die Verlagerung der Aggressionen

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

in den zivilen Bereich hebt den Triumphalismus nicht auf, sie wandelt nur seine Formen; und gerade die Deutschen sollten nicht vergessen, mit welchem triumphalistischen Unterton sie das Wort "Wirtschaftswunder" ausgesprochen haben, darin klang etwas mit von der Sehnsucht nach dem verlorenen Reich. Niemand muß mehr über Triumphalismus nachdenken als der Pazifist, welcher Gewalt in Grenzen halten w'ill. Hinter ihr steht ja stets der Triumphdrang; wer ihn schlechthin leugnet, elimini,eren will, bewirkt nur eines: die Abdrängung der Gewalt in Kryptaformen einer heimlichen, verschlagenen Brutalität, die ihren Triumph einfach nur mehr in der Gewaltanwendung selbst erblickt, nicht in der Ordnung, die aus ihr erwachsen soll, die sich im Niedertreten erfüllt, nicht im Aufrichten des Reiches. Darin ginge allenfalls das Imperiale unter, die Ordnungskraft der gelösten Spannung, die Frucht des Triumphes, nicht er selbst, er würde nicht zivilisiert, sondern brutalisiert. Seien wir daher auf der Hut: In solchen Anti-Triumphalismus darf nicht etwa noch die Gewalt- Krypta-Triumphe feiern. "Kampf der Gewalt" ist gut, Zivilisierung ihrer Formen ist die Aufgabe unserer ganzen Zukunft; doch Ablehnung der Gewalt darf uns nicht um die Idee des Triumphes bringen, um die Ordnung, um das Reich. Deshalb gerade muß der Blick erweitert werden, vom Sieg zum Großerfolg. 2. Erfolg -

der neue Kernbegriff des Triumphalismus

Eines wird der Pazifismus unserer Tage sicher bringen: Den Weg vom Schlachtfeld zum zivilen Erfolgserlebnis, doch in beiden wird, nach wie vor, triumphiert, in beidem ist etwas Imperiales- das Reich als Erfolgsgemeinschaft. Diese Begriffe sind nötig in einer Welt geistiger Gewaltlosigkeit, um das Wesentliche des Triumphes verständlich zu machen: nicht das Niederschlagen, sondern das eindeutige politische Ordnen. Damit ist auch etwas an sprachlicher Wahrheit zurückgewonnen, war doch von jeher der Erfolg Kern des triumphalen Ereignisses; wer dies nicht erkennt, kann immer nur eine Seite, etwa am päpstlichen Triumphalismus, sehen. Die Großerfolge unserer Tage, etwa der ökonomische Triumph, würden in ihrer reichsgründenden Kraft gar nicht erfaßt, der Triumphalismus, der auf vielfältig gemischte Entwicklungen zurückführt, würde verkannt, wollte man alles auf den Schlachtensieg beschränken. Die legendären Triumphe in der Eroberung des goldenen Westens und des fernen Sibiriens, welche den heutigen Großimperien erst ihren geistigen Hintergrund geben, sie würden in ihrer imperialen Mächtigkeit gar nicht gewürdigt. Und selbst das Römische Reich - war es denn wirklich nur ein rein militärisches Phänomen?

111. Die Erweiterung des Triumphbegriffs

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Wer "Erfolg" sagt anstatt "Sieg", der gibt dem triumphalen Ereignis seine "rein positive" Bedeutung zurück, unbelastet von den Revanchegelüsten der Unterlegenen, ohne die Verführung zum Sieges-Übermut. In diesem Sinne ist der "Erfolg" als reichsgründendes Ereignis ganz überzeugend, er wird auch, aber nicht allein, bestimmt vom wankelmütigen Bataillenglück. Sicher kann Triumph nicht nur aus Verdienst kommen, wir sagten es schon; doch eine Reichsgründung allein aus Schlachtenwunder, lediglich aus dem "Zeichen von Oben" ist in der heutigen rationalisierten Welt nicht mehr überzeugend. Wäre das triumphale Ereignis nur ein Geschenk des "Herren der Armeen", eine Art von "Gottesurteil", es würde wohl rasch in seiner Kraft sich erschöpfen. Was wir also brauchen, wollen wir die Reichschancen von heute und morgen ermessen, ist ein zivilisierter, in gewissem Sinne ein säkularisierter Siegesbegriff. Ein so verstandener Erfolg bezieht alle großen, glückhaften Vorgänge ein - Triumphfolgen und Triumphbegleitungen, es findet etwas wie eine räumliche Öffnung des Erfolgserlebnisses statt. In dem weiteren Erfolgsbegriff öffnet sich der Triumph zur Tradition- damit hinein in die Zeit- welche die Früchte des Großerfolges einbezieht und diesem zurechnet; die Kurzatmigkeit des militärischen Siegens fällt ab vom Triumph und vom Reich - eine temporale Erweiterung des Triumph-Begriffs wird vollzogen. Vor allem aber wird die reichsschaffend-kausale Kraft des Triumphes erst voll erkannt, in all seinen ordnungssteigernden Formen: Im Begriff des "Erfolges" liegt es - ganz anders als in dem des "Sieges" daß nicht nur an ein historisches Faktum angeknüpft wird, daß dieses vielmehr auch als solches, als Reichsbeginn gefühlt werden muß, reflektiert von allen. Sämtliche kausalen Wirkungen des Triumphes "hin zum Reich" werden auf diese Weise lokal, temporal, kausal zu einer großen Einheit integriert. Der wirkliche Großerfolg hat, über alles Siegen hinaus, entscheidende, echte "Reichs-Qualitäten" als Triumph: Anders als der Schlachtensieg ist er nicht mehr rückgängig zu machen, denn der größten gewonnenen Schlacht können viele verlorene folgen, und Napoleons Triumph war eben doch nur zum Teil Erfolg, im Rest lediglich Sieg. Das Reich muß die Zusammenarbeit aller bringen, auch die mit den Besiegten, das Römische Imperium ist das erste Vorbild. Darin aber ist das Imperium ganz wesentlich krönender Schlußerfolg. Das Reich ist überhaupt immer integrativ, mehr noch als exklusiv - wie jeder große, wahre Erfolg. Der Triumph kommt von den Schlachten her ihre Felder hinweg, als Erfolg.

aber er zieht über

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

3. Der Großerfolg als demokratischer Triumph Die Volksherrschaft gibt sich antitriumphalistisch, und in der TatTriumph als Reichsgrundlage kann ihr nur als Großerfolg vermittelt werden. In dieser Idee liegt dann aber viel wesentlich Demokratisches: -

In dieser Reichsgrundlage ist zunächst beschlossen, daß der Triumph nicht wenigen nur gehört, sondern allen. Siege erringen Kaiser und Heere, doch auch der Umstand gehört zum Triumphzug, für ihn ist es eben der Großerfolg, der zählt, nicht die getöteten Feinde. Wer den Triumph zu allen Bürgern bringen will, darf ihn nicht nur als Sieg, er muß ihn, dann und vor allem, als Erfolg begreifen.

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Triumph als causa des Reiches - das meint in erster Linie das Ordnende des triumphalen Imperiums, nicht die unterjochende Kraft. Die Bürger ordnen sich in den Triumphzug ein, in ihrem Mitziehen wird die Ordnung Realität - im gemeinsamen Erfolgserlebnis. Wer ein Reich aus Revolutionstriumph bauen will, wie nach der russischen Erhebung, der kann nicht immer nur die Zahl der erschlagenen Gegner im Munde führen, er muß den Erfolg einer Idee betonen, welche sogleich jeden an seinen Platz stellt.

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Damit wird das Siegeserlebnis zum Erfolgserlebnis generalisiert und zugleich reichsschaffend demokratisiert: Alle Bürger gewissermaßen waren auf dem Schlachtfeld, immer noch bewegen sie sich dort, wenn sie die Früchte des Sieges ordnen, im Sichten der Erfolge. Der Sieg als solcher bringt nur einer Seite Glück, aus dem Erfolg entsteht Ordnung - für alle. In solchem Erfolgsdenken wird denn auch der Sieg von den Geschlagenen akzeptiert, in seiner triumphalen Wirkung über Jahrzehnte auch von ihnen weitergetragen; so war es etwa nach dem Ende des Spanischen Bürgerkrieges, weil alle erkannten, daß einem geliebten oder gehaßten Sieger eines jedenfalls gelungen war: die Wiederbefestigung eines Reiches in einem Großerfolg.

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Auch die Demokratie kennt den "Sieg" -vor allem im Wahlsieg, doch im Grunde ist es stets ein Wahlerfolg: Der Unterlegene wird nicht ausgeschlossen, sondern in neuer Gewichtung einbezogen in die Willensbildung der Gemeinschaft, die Akzente nur werden anders verteilt. Der primäre Effekt des Wahlsieges soll es nicht sein, daß die unterlegene Partei mit einem Triumph ausgelöscht, mit einem Zug völlig überrollt wird, ihre Führer werden in ihm nicht als Gefangene mitgeführt. Bescheinigt wird der siegreichen Partei, daß sie die Erfolgreichere sein werde, in der Erwartung der Bürger, der eigentliche demokratische Triumph ist nicht der Sieg, sondern der Ausbruch einer großen Erfolgserwartung. In einer Bürgerge-

III. Die Erweiterung des Triumphbegriffs

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meinschaft, wie sie die Volksherrschaft anstrebt, kann es den vernichtenden Großtriumph über andere Bürger nicht geben, wohl aber den Großerfolg, der zur Führung aller legitimiert. -

Erfolg- das ist vor allem ein Wort der Ökonomie, die heute immer mehr entscheidet. Successful - das ist gerade in einer Markt- und Wettbewerbswirtschaft ein Wort für dauernden, sich steigernden Triumph. Auch hier wieder geht es nicht um völlige Verdrängung und Zerstörung, sondern um eine Integration des Gegenüber durch die eigene größere Kraft, die aber den Wettbewerb, und damit die Erfolgsquelle, unangetastet läßt. Wiederum ist dieser ErfolgsTriumph nicht etwas primär Zerstörendes, es werden nur Strukturen umgestellt, der gemeinsame Raum bleibt erhalten, in dem das Imperiale gebaut werden soll. Dies aber ist das demokratische Reichsverständnis: daß nicht auf einer tabula rasa gebaut werden soll, daß das Imperium nicht in neu entdeckten Kontinenten zu befestigen sei, sondern nichts anderes stattfindet, als eine große Ordnungsveränderung in bekannten, vorgegebenen Grenzen. Und wenn Demokratie eine Staatsform des wirtschaftlichen Wettbewerbs sein soll, dann ist sie erst recht eine solche des "Erfolges".

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Hinter all dem erscheint eine Grundidee des demokratischen Triumphalismus: Der Erfolg steht im Vordergrund - nicht der Sieg weil er zur Erfolgsgemeinschaft führen muß, damit aber zu etwas zutiefst Demokratischem. Bei Siegen wird immer diskutiert werden, ob sie von Soldaten errungen worden sind oder vom Feldherrn, die Siegesgemeinschaft muß stets ein problematischer Begriff sein; solche Erörterungen über die Zurechnung des Großerfolges finden in der Demokratie von Anfang an nicht statt. Das allgemeine, gleiche Wahlrecht sichert jedem Bürger die Teilnahme am triumphalen Erfolg zu. Das Wahlgeheimnis verdeckt, zumindest unter den Bürgern, wer Sieger war und Besiegter; da mag es eine siegreiche Richtung geben, doch Sieger und Besiegte sind nicht eigentlich faßbar, die Solidarität der Demokratie will mit einem Minimum von Besiegten auskommen, auch wenn ein Maximum an Erfolg erzielt werden kann. Nur im gemeinsamen Zusammentreffen aller kann überhaupt der Großerfolg errungen werden, wie immer er ausfallen mag; ein jeder Bürger hat diesen "status activus zum Sieg" - eben als Bürger. Primär ist er also von Anfang an Angehöriger einer Erfolgsgemeinschaft, nicht einer siegreichen Truppe; es siegen Richtungen, nicht Menschen. Die Bürger dagegen haben sogleich wieder alle teil an der Verteilungsgemeinschaft, welche sich nach dem Erfolg wie von selbst konstituiert. Sie alle begleiten nun, wie immer sie gestimmt haben, die gemeinsame Beute im Triumphzug - die

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

dann allerdings nicht in Tempel geführt, sondern sogleich in der Demokratie des Verteilungsstaates zugewiesen wird. Politische Meinungsänderung nach einem wahren Wahltriumph mag moralisch wohl anrüchig bleiben; politisch ist sie aus der Sicht der Demokratie nichts als ein rasches Sicheinordnen in den großen Triumphzug, zu dem jeder Bürger gleichen Zugang hat, eben in der Erfolgsgemeinschaft der Volksherrschaft. So hat denn die Demokratie vielleicht ihre eigene Triumph-Struktur, so wie auch ihr Imperium sich von dem der Caesaren in manchem unterscheidet, vor allem darin, daß hier Erfolg größer geschrieben wird als Sieg, daß Gemeinschaft und Gemeinsamkeit des Staatsvolkes natürliche Grundlagen des Reiches sind und bleiben. Doch in einem ist auch der Großerfolg der Demokratie ganz Triumph: Er ist ein Ereignis, das gefeiert werden muß, und wo stünde denn geschrieben, über den triumphalen Bögen, die zum Reiche führen, daß sie nur von wenigen, von Siegern, durchschritten werden könnten, nicht von allen gemeinsam? Dies aber gerade bedeutet: Triumph als Erfolg.

4. Jeder Erfolg -

ein reichsgründender Triumph?

Die Wandlung des Triumphalen von der Siegesfeier zur Triumphgemeinschaft ist eine notwendige in unserer Zeit des technisierten, schlachtenlosen Zusammenlebens, diese Erweiterung des Triumphbegriffs ist vielleicht die einzige Chance, die belebenden Kräfte des "großen Erfolges als Staatsgrundlage" überhaupt noch verstehen zu können. Besteht aber nicht die Gefahr einer Abwertung des Triumphs zum Erfolg, geht damit nicht gerade das Besondere des Imperialen verloren, bleibt im Erfolg nicht nur der Staat, während das Reich ohne den größeren Siegestriumph nicht denkbar ist? Sicher - das Triumphale darf nicht in kleine Münze gewechselt werden, und der Begriff des "Erfolges" ist nicht nur unklar, irgendwie ist er "nach unten geöffnet", wo könnte hier eine "Schwelle zum Reich" bestimmt werden? Wer aber das Reich als Erfolgsgemeinschaft halten will, für den muß auch der Erfolg als "zivilisierter Sieg" alle Kriterien des Triumphes erfüllen: in seiner Größe, seiner Dauer, seiner staatskausalen Kraft. Die große Gefahr liegt darin, daß der Erfolg nurmehr als ein eudämonisierendes Erlebnis erscheint, daß er zum Konsumgut wird, wo er doch eine große Investitionsanstrengung bringen muß. Im einzelnen bedeutet diese Wamung vor dem "Verlust des Triumphes in reinem Erfolgsdenken" vor allem: Nicht jeder kleine Teilerfolg trägt in sich schon imperiale Kräfte. Das Abflauen etwa einer terroristischen Bewegung, wie gefährlich sie, vor allem den Regierenden, er-

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schienen sein mag, ist ein polizeilicher Staatserfolg, nie eine triumphale Reichsgrundlegung- gleich ob hier eine Bewegung besiegt worden ist oder ob sie sich nur verlaufen hat. Der Sinn für das "ganz große Ereignis" darf eben nicht verlorengehen, sonst wird der Nur-Erfolg, der bequeme Sieg, nicht zur Reichsgrundlegung, sondern zum Reichsverlust Das "reine Erfolgsdenken" verführt dazu, ein großes Ereignis allzu sehr "in die Zeit zu verlegen", es damit aber aufzulösen, ihm seine Intensität der Wirkung auf den Geist der Bürger zu nehmen. Es ist eben nichts Triumphales daran, daß es nur "zeitweise einmal ganz gut gegangen ist", die Anbetung eines "Wirtschaftswunders" läuft diese Gefahr: Der Sinn für "das Ereignis als solches" geht verloren, das Reich verliert damit die legitimierende Kraft dessen, was zur Legende werden kann. Der Erfolg als solcher hat nichts notwendig "Ordnendes" an sich; über ihn freut man sich, alle mögen glücklich sein, nicht jeder aber wird darin "an einen Platz gestellt", dort gehalten. Was "sogleich gut ist für alle" hat keine größere regulierende Zukunftskraft mehr; tritt die Siegesidee völlig zurück, so ist der Verlust der Reichs-Ordnung nicht weit. Das triumphale Ereignis bringt zwar "für jeden etwas", entscheidend aber ist die notwendige Stufung in dieser Zuteilung der einen Gruppe mehr an Macht und Verantwortung, der anderen eine bestimmte, umschriebene Kompetenz. Der ökonomische Erfolg in einer Gemeinschaft insbesondere leidet immer unter der Schwäche, daß solche Zuteilungen nicht klar, eindeutig, damit aber zukunftsordnend erfolgen. Ein größeres Los ziehen - das allein ist noch kein Triumph. In jedem Triumph liegt auch irgend etwas vom Verdienst, doch der Erfolg wird leicht zu reinem Verdienst verkleinert; da ist dann zu wenig Gnade, zu viel Tüchtigkeit. Selbst eine echte und zuzeiten geradezu triumphale Reichsgrundlage, wie die volle Stabilität von Wirtschaft und Währung, wird allzu leicht als Folge von Leistung empfunden, und dann noch kurzerhand einer Gruppe zugerechnet "den Unternehmern", "den Arbeitnehmern", "der Beamtenschaft" und anderen staatstragenden Gruppen. Und es setzt sogar noch der Kampf um die Erfolgszurechnung ein, ein vielleicht notwendiges, aus imperialer Sicht aber stets höchst gefährliches Phänomen. Eines leidet mit Sicherheit darunter: die transzendente Qualität des Imperialen in einer Ordnung. Vor allem aber wird das Erfolgserlebnis nur zu rasch zur reinen Verteilungsmasse, es ist nicht mehr ein Vermächtnis, welches bewahrt werden muß, in Tempeln im Triumph aufgestellt. Dann bleibt nichts 6 Lelsner

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mehr als die Beuteverteilung, das schale Auslaufen des Triumphzugs. Wenn wir etwas vom Reich wollen, so dürfen wir nicht um die Kleider des Herrn würfeln, wir müssen nach oben sehen, auf das Kreuz, auf die Stunde des Triumphes über den Tod. Auch Geld ist Macht, und doch liegt eine Welt zwischen ihm und den eigentlichen Zentren der politischen Herrschaft; triumphiert wird in neuen Provinzen, nicht nur in höheren Juliustürmen. In ihnen errichten wir im letzten eben doch nur das Empire de tous, nicht das Empire general, und dann wird uns in der Demokratie nicht einmal mehr die volonte generale bleiben. Im Grunde haben wir in all dem nur eines angesprochen, was uns aber gerade heute bedroht: daß wir das Imperiale allein im ökonomischen Erfolg suchen, damit aber, über die zu verteilenden Erfolge, nicht zum Reich finden, sondern allenfalls noch zum Verteilungsstaat. Wir müssen uns sicher lösen vom rein militarisierten Triumpherlebnis der Siegesstaatlichkeit, vor allem, weil in ihrer Kurzatmigkeit das Reich nicht wachsen kann, allenfalls sich zu Tode siegen wird, die Deutschen haben es zweimal erlebt. Doch die Heilung von solchen Verblendungen darf nicht zu einerneuen Kurzatmigkeit führen, der wirtschaftlichen, in der kurzfristigen ständigen Beuteverteilung laufender oder nicht einmal kontinuierlicher Erfolge. Es stellt sich schließlich, will man vom "Sieg" zum allgemeineren "Erfolg" wechseln im Namen des Reiches, in besonderer Weise die Beweisfrage: Das Reich ist etwas, was sich im Triumph ganz selbstverständlich demonstriert, und zwar als eine einheitliche Ordnung, nicht nur, unendlich gebrochen, im Geiste derjenigen, die ein Erfolgserlebnis haben dürfen. Die reine Subjektivierung von Erfolgserlebnissen trägt ein Reich nicht allein, irgendwo muß da ein großer, objektiver Erfolgskern sein, zu dem alle aufschauen, der keinem ganz gehört, der nicht verteilt werden kann. Dies ist das Wesen des militärischen Triumphes, und deswegen müssen wir ihn auch hier noch näher betrachten, mögen wir ihn auch in zivilem Erfolgsdenken letztlich überwinden, überhöhen. Sicher wissen wir: Der "reine Siegesstaat" gehört der Vergangenheit an, dies ist nur eine Folge der rationalen, zivilisierenden Entwicklung unserer Epoche, vielleicht ist es das Beste an ihr. Doch ein Erfolgs-Reich darf uns nicht zum Zufallsstaat der wechselnden politischen Glücksstunden werden. Aus den alten Siegesfundamenten des Imperialen müssen immer noch entscheidende Kategorien für unseren neuen Erfolgsbegriff gewonnen werden, auf dem wir unsere Imperialität aufzubauen haben. Irgend ein Erfolg - das ist zu schwach für das Reich, wir haben vielleicht gar kein Wort für das, was wir für das Imperium brauchen; was kann es schon bedeuten, wenn wir das Reich als den "verewigten Großerfolg" bezeichnen. Die Richtung ist ange-

IV. Was ist Staats-Wahrheit?- Nach dem Reichsgedanken: der Triumph 83

deutet, doch die große geistige Aufgabe bleibt: Die Vergangenheit der militärischen Triumphe muß in unsere zivile, demokratische Zeit übersetzt werden, nur dann können wir Grundlagen eines imperialen Staatsrechts legen, der Herausforderung der großen Anarchie die große Ordnung entgegensetzen. Eine solche Anstrengung darf nicht mit Verwerfungen beginnen, sie muß alles einbeziehen, auf allem, aus allem aufbauen. Nur dann kann etwas gelingen, was in Weimar belächeltund verloren worden ist: die Reichsdemokratie. IV. Was ist Staats-Wahrheit?- Nach dem Reichsgedanken: der Triumph

1. Triumph als politische Wahrheit Am Anfang mag hier stehen: Triumph macht These zur Tat; in Feiern werden Fakten vergessen.

Wir leben in einer Zeit des immer öfter enttäuschten, aber immer nur noch drängender werdenden politischen Wahrheitsstrebens. Weil die Demokratie keinen aristokratischen Politik-Ehrenkodex entwickeln kann, sucht sie die subjektive Wahrhaftigkeit, welche ohne eine Hypothese der objektiven Wahrheit nicht vorstellbar ist. Dann aber stellt sich ihr erst recht die Frage: Was i:st wahr am Erfolg, am Triumph, so sehr Wahrheit, daß es die größeren Strukturen des Reiches zu tragen vermag? Unsere Antwort ist: Gerade das, was im großen Triumph gefeiert, darin erkannt werden kann. Doch beginnen wir mit der negativen Seite, in der Vertiefung einer unserer früheren Thesen: daß das wahrhaft Triumphale über Kritik erhaben ist- weil es jede Kritik besiegt. a) Die "niedergeschlagene Wahrheit" - Vae victis Der Triumph, der ganz große Erfolg, ist in seiner Evidenz überkritisch, damit steht er nicht nur für das Gute, er wird zur realen Wahrheit. Die Kritik sieht sich verbannt in die Details des historischen Nachrechnens, wenige mögen es interessant finden, die große Bürgerschaft berührt es nicht. Die historische Kritik selbst wird in ihrer Besserwisserei der Einzelheiten von Anfang an so kleinlich, wie es die Wahrheit eben oft ist; dann aber sterben die Kritiker, der große Erfolg bleibt. Wer wollte die Größe napoleonischer Siege erschüttern im Namen der Wahrheit, den Sieg der Alliierten über den Faschismus? Was nicht politisch eine Lehre sein kann, wird auch historisch bald uninteressant. Nicht oft überlebt eine Niederlage im Namen des Ethos das Ver-

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

gessen, und dies verlangt schon recht allgemeine Empörung, wie im Falle des englischen Angriffs auf Kopenhagen. Dann wird auch noch nach der Wahrheit gefragt; in den meisten Fällen geht sie mit der Moral unter. Die Historiker mögen dies beklagen und Verteidiger einer wie immer sich verstehenden Sittlichkeit. Doch es ist etwas politisch Notwendiges darin, weil wir hier im letzten vor triumphalen Erscheinungen stehen, die zu einer größeren Ordnung führen, zu "etwas vom Reich"; sie aber ist jedenfalls "gut", ihr moralisches Gewicht überwiegt immer den Wahrheitsverlust. Noch deutlicher als der Sieg zeigt es die Niederlage. Vae victis ist nicht nur eine Befugnisnorm für den wahrhaft triumphierenden Sieger, es liegt darin auch eine Kategorie der Wahrheit.. Der große Erfolg spricht eben für sich, er gibt alle Rechte, vor allem das Monopol der Wahrheit- aber nur dann, wenn er total ist. In diesem Sinne konnten die Siege von 1871 und 1918 nicht größere politische Wahrheit schaffen, trotz aller politischen Überzeugungskraft, für das eine Lager blieben sie insgesamt bestritten, nicht nur in den Ergebnissen, sondern in ihrer ganzen Geschichte, erst 1945 hat, rückblickend, 1918 zum "wahren" Sieg gemacht. -Das Verlangen der bedingungslosen Kapitulation war weit mehr als ein Nachspiel wider die Dolchstoßlegende. Zum Triumph sollte es endlich kommen, der große Geschichte macht, damit aber Staatswahrheit. Daß sich alle dem totalen Erfolg beugen, daß eine "andere Wahrheit" nurmehr im stillen Kämmerlein nutzlos überlebt, das ist nicht allein eine Folge des Opportunismus der Menschen, der alles Politische begleitet, es bedeutet Reichsgrundlage in der Überzeugungskraft des ganz großen Erfolgs. Dann hat die Wahrheit auch nicht mehr das letzte Privileg - daß sie "auf Dauer" ans Licht kommt; wenn gegen sie wirklich triumphiert wird, wenn sich daraus ein Reichsdenken befestigt oder entfaltet, wird der Triumph zur endgültigen Wahrheit, wie im Siege des Christentums über das Gedächtnis eines Nero, oder in der Entfaltung der amerikanischen und russischen Macht in unserer Zeit. Die Willenskraft des Triumphs reißt die Schwäche intellektueller Analyse mit sich. b) Triumph- Wahrheit durch Feier In der Feier erst wird der Erfolg wirklich zur Wahrheit- unzweifelhaft, weil sich die Wahrheitsfrage an ihn nicht mehr stellt. Hier wirkt die schon erwähnte Einheit von triumphalem Ereignis und Triumphzug zusammen, bis hin zu einer "Über-Wahrheits-Stimmung" . Die Demokratie vor allem zieht hier aus ihrer Grundlage, dem Volk, der atomisierten Vielzahl, sogar starke Integrationskräfte: Das Volk

IV. Was ist Staats-Wahrheit?- Nach dem Reichsgedanken: der Triumph 85

will nicht Wahrheiten, sondern Feiern- dies ist nicht ein abwertender Erfahrungssatz, sondern eine politische Notwendigkeit: In den Triumphzügen findet es sich als Einheit, die Wahrheit läßt es in Gruppen zerfallen. Wo immer ein Triumphzug sich bewegt, bis hinein in die Reihen der mächtigen Demonstration, wo die Stimmung wahrer Feier emporwächst, da sind die Akten der Wahrheit geschlossen; Feier ist sich Wahrheit genug. Und dieses letzte entscheidet: Der Triumph stellt sich nicht gegen die Wahrheit, er unterwirft sie nicht, er nimmt sie auf, er wird selbst zu ihr. Hier bewährt sich die platonische Grundidee der Einheit des Guten und Wahren: Der Großerfolg als das politisch Gute ist "zugleich auch geistige Wahrheit". Darin hat gerade die Volksherrschaft eine große imperiale Chance. In einem ist die Demokratie durch die "gefeierte Wahrheit" besonders stark: im Spektakel der Medien, ihrer sich als Wahrheit feiernden Berichterstattung. Die ständigen Angriffe im Namen der Wahrheit gegen die veröffentlichte Meinung bleiben darin immer schwächlich, daß sie den Erfolgscharakter und den Triumphgehalt von Presseäußerungen in der Demokratie unterschätzen. Durch die Vielfalt wird all dies nicht gebrochen, eher noch gesteigert, wenn es campagnenhaft zusammenfließt, und wie rasch bildet sich nicht doch diese einheitlich"triumphale" Meinung! Im einzelnen Artikel, in der Einzelsendung erringt übrigens der wahre Journalist stets einen Großerfolg, und auch diese - sicher subjektive - Kraft darf in ihrer Triumphalität nicht unterschätzt werden. Die Medien feiern im Spektakel den Erfolg der anderen, dadurch setzen sie "Feier als Wahrheit", sie zelebrieren aber auch ihren eigenen Erfolg, damit stellen sie sich voll und ganz "in die Wahrheit". "Triumphfeier als Wahrheit" ist schließlich so stark, daß es gleich bleibt, ob der eigene Erfolg mit einem Glorienschein umgeben wird oder der des Nächsten, des Gegners sogar. Unsere Zeit hat eine eigenartige Form des Triumphalismus besonders entwickelt, die es immer, vor allem in Deutschland, gegeben hat: den Fremdtriumph als Eigenerfolg. Dieses Phänomen beschränkt sich nicht nur auf die verständliche Freude darüber, daß eigene Interessen durch fremde Erfolge auf Dauer gewahrt werden, etwa die der antifaschistischen Kräfte im Triumph der Alliierten. Wenn ein Sieg groß ist, weckt er in jedem Betrachter imperiale Verehrung, selbst im geschlagenen Feind. In den vielen künstlerischen Darstellungen bedingungsloser Kapitulationen, in der Verneigung vor dem Sieger, wird fremder Triumph gefeiert, auf den Anteil der eigenen Wahrheit zugleich verzichtet. Man mag den Triumph die "politische Wahrheit des als ob" nennen - "er ist nicht nur, er wird erkannt" in der größeren Feier, mit ihr spätestens erwächst er zur intellektuellen Kategorie.

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Der Antitriumphalismus unserer Tage will sich selbst all dem nicht beugen, den Kampf gegen Erfolg und Feier führt er gerade im Namen auch der historischen Wahrheit, des Wahren überhaupt. Doch er ist schon verloren, dieser Aufstand kleinbürgerlicher Nachdenklichkeit. Seine Kräfte können sich nicht eigentlich entfalten, sind sie doch eingeklemmt zwischen die große Masse, welche den Triumph als Spektakel liebt und deshalb als Wahrheit verehrt, und eine geistige Oberschicht, die sich immer wieder, gerade im Namen ihres Intellektualismus, zu Romantismen hinreißen läßt, nicht zuletzt aber den politischen Opportunismus der Geschickten, welche verwundert fragen, warum man im Triumph nicht auch noch die Wahrheit sehen dürfe. Gegen die Vielen, Gescheiten, Geschickten- was bleibt da der Wahrheitskritik an Chancen gegen die Triumphwahrheit? Feiern kann man stören, nicht negieren.

2. Vom unmöglichen "Wahrheitsstaat" zur Triumph-Wahrheit des Reiches a) Der "Wahrheitsstaat" -eine demokratische Illusion Es gibt keine Staatsform der rationalen Wahrheit, nicht einmal die Annäherung an sie wirkt staatsverstärkend; dies gilt schon für die "einfache Herrschaft", für "Macht ohne jedes Reichsgelüste". Das Politische ist nicht primär auf Wahrheit gebaut, nicht von ihr aus strebt es die Macht an. Wie weit sich die Herrschenden von der Wahrheit entfernen- sie dürfen es nie sagen, doch es ist im Grunde gleichgültig, solange sie noch überzeugen. Der Staat ist nichts als das organisierte "stat pro ratione voluntas". Dies folgt schon aus dem Gewaltmonopol der Staatlichkeit, es ist immer, auch in hochentwickelter Staatlichkeit, als Machtmonopol in erster Linie auch ein Wahrheitsmonopol. Weil diese zivilisierte Staatlichkeit nicht mehr leben will aus dem Niederdrücken der Bürger, weil ihr Gewaltmonopol sich verfeinert hat, deshalb wird sie nicht etwa das Wahrheitsmonopol aufgeben, sie wird sich dem öffnen, was sie politische Wahrheit nennt - und sie wird eben deshalb immer mehr "Staats-Wahrheit" brauchen, Wirklichkeit zu ihrer "Wahrheit" manipulieren. Es ist eine Gefahr gerade der "milden Staatsgewalt", daß sie zur Staatslüge drängt. Doch Klagen darüber sind müßig. Angelegt ist diese Entwicklung im Staatsbegriff überhaupt, Gewaltrückzug kann er nur durch Wahrheit kompensieren, und sei es die falsche. Und ist sie nicht doch besser als der Polizeiknüppel? Auch die Demokratie, gerade sie, kann all dem nicht entgehen, mag es auch in ihr besonders schmerzlich gefühlt werden. In der Abstrak-

IV. Was ist Staats-Wahrheit?- Nach dem Reichsgedanken: der Triumph 87 tion ihrer Mechanismen ist sie die "rationale Staatsform par exellence", in ihrem Staat der geistigen Freiheit bleibt die "wirkliche Wahrheit" auch politisches StaatszieL Für jenen Sieges-Erfolg will die Volksherrschaft blind sein, der zur triumphalistischen Wahrheitsgefahr werden könnte. Sieger und Besiegte möchte sie nicht kennen, ihre großen Erfolge möglichst feiern in der Einbindung aller, selbst den Unterlegenen öffnet sie am Tage des großen Wahlerfolges die Türen der Reue oder des Opportunismus. Doch so vermag sie das Problem der "StaatsWahrheit" nicht zu eliminieren: Entweder die Volksherrschaft schwächt sich ab, verliert in anarchischen Erdstößen die Attribute der Staatlichkeit, weil sie ein Wahrheits-Tabu nicht kennen will - oder sie lebt, gerade umgekehrt, in ständiger Ideologiegefahr: Sie öffnet sich Faschismen und Sozialismen, die "ihre Wahrheit mitbringen", oder einem Liberalismus, der das Ideologiebedürfnis nur verstärkt, in der Suche nach "irgendeiner Wahrheit". Für die Demokratie ist dieses Dilemma der Staatswahrheit höchst gefährlich, leicht findet gerade in ihr der Umschlag statt in ihr Gegenteil: die Ideologisierung befohlener Wahrheit; und befehlen können ja viele, auch die Träger politischer Moden und Medien. Staatlichkeit - das bedeutet also Suche nach der "eigenen" politischen Wahrheit, nicht nach "der Wahrheit" schlechthin; und wo dies letztere doch versucht wird, da ist nicht nur das Reich, es ist jede Staatlichkeit, die Herrschaft als solche, in Gefahr. b) Die größere triumphale Reichs-Wahrheit Diese politischen Wahrheitsgefahren überwindet völlig nur eine Form der Macht: das Reich in seiner "größeren Wahrheit" des Triumphes, der wirklichen oder zur Wirklichkeit hochgefeierten Fakten. Wo ein Imperium im Raum steht, ist die Wahrheit gleichgültig, es geht um Wirklichkeit, um Wirksamkeit, in ihnen liegt sie allein. In ihren intellektualistischen Wahrheitsversuchen seit der Aufklärung hat die Demokratie dies weithin verschüttet, aber auch sie braucht nichts anderes, und der Triumph ist, gerade in seiner größeren Dimension, ein wahrhaft "schlagender" Beweis dieser einfachen politischen Wahrheit. Dem Vertreter eines wirklichen Reiches geht eben der Pilatus-Satz ganz einfach über die Lippen: "Was ist Wahrheit" -was geht sie ihn an, die intellektuelle Wahrheit oder auch nur die ideale, ideologisierbare - wenn er nur triumphieren kann, solange er steht im großen Erfolg seines Reiches? Da ist nicht allein Skepsis, da ist Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit, und nicht nur in einer Form des oderint

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dum metuant, weil die politische Kraft etwa stärker wäre als die Wahrheit, sondern vielmehr, weil diese Kraft sich als Wahrheit schon fühlt, mit dem jedenfalls zufrieden ist, was sie sich selbst an Wahrheit bedeutet. In der ordnenden Kraft des Großerfolges wird zugleich die politische Wahrheit sichtbar, all das von ihr, was überhaupt erkenntnisfähig ist. Wer andere sich völlig unterwerfen, sie in seine Mächtigkeit aufnehmen kann, der erhält eben zugleich etwas von der Wahrheit, die an ihren politischen Früchten erkannt wird. Wo so viel gelungen ist, da kann nichts "Falsches" sein, in jenem Sinn wenigstens nicht, der hier zentral ist: die Wahrheit als Widerspruchslosigkeit. Der Triumphator hat eines doch sicher bewiesen, auch nach allen Kategorien intellektueller Wahrheitssuche: daß er ein Kraftzentrum hat schaffen und erhalten können, dies aber beweist die innere Widerspruchslosigkeit. Dann aber ist der große Schritt zur Wahrheitserkenntnis nicht mehr schwer, wird er doch in wahrhaft kantischer intellektueller Bescheidenheit vollzogen: Was können wir mehr erkennen, wissen von der politischen Wahrheit, als was unsere Denkkategorien eben zulassen, vor allem unsere Logik der Widerspruchsfreiheit? Wenn etwas gelungen ist aus großer politischer Kraft, von der bedingungslosen Kapitulation bis zu einem wahren Wunder der Wirtschaft - ist dies nicht ein Beweis für die widerspruchsfreie Organisation, wird dieses Faktum nicht zur Legitimation, mehr noch, weil alles politisch Erkennbare sich in sich schließt, zur Wahrheit? Ist dies nicht politische Wahrheit, daß nichts Widersprüchliches sei bei dem, welchem der große Erfolg geschenkt wird? Wollen wir sie wirklich ergründen, die beiden politischen Wahrheiten- "wie es wirklich war" und "ob unsere Herrschenden es uns gesagt haben" - genügt es nicht, daß sie den großen Erfolg hatten, daß sie triumphieren dürfen, ist dies nicht der Beweis von Wahrheit und Wahrhaftigkeit zugleich? Kommt es im Triumph nicht auch zu einer großen Renaissance des strengsten Wahrheitsbegriffs, den wir kennen: der kantischen Wahrheitserkenntnis? Die Reichs-Wahrheit, welche zugleich die Wahrhaftigkeit der imperial Herrschenden bestätigt, liegt schließlich in der besonderen Höhe des Triumphs, der über alle Wahrheit hinwegzieht, sie ganz einfach mitnimmt und verwandelt. So groß und tief ist das wahre Reich, daß es nicht nur an der Wahrheit nicht scheitert, daß es vielmehr in seiner großen Ordnung der Wahrheit erst einen Raum für ihre Entwicklung schafft - ein Beispiel mag genügen: Roms Reich war vor seiner Geschichte, die antike Historiographie hat Wahrheiten a posteriori gefunden, geschaffen, sie hat sie dem Reich unterlegt, sie in seine großen Räume geschoben, wo Platz war für diese Wahrheiten wie für andere.

IV. Was ist Staats-Wahrheit?- Nach dem Reichsgedanken: der Triumph 89 Und wiederholt sich dies nicht immer wieder, steckt nicht Livius in jedem Historiker, der eben von uns allen "die Reichs-Wahrheiten" seiner Zeit hört, welche schon Triumph-Feiern geworden sind, hat nicht die größere deutsche Geschichtsschreibung aus dem erwarteten oder gegenwärtigen Reich heraus die Wahrheit der Vergangenheit gesucht, weniger oder mehr, in Ranke oder Treitschke? Der wahre Triumph ist so groß, daß es gleichgültig ist, ob die Wahrheit erst an seinem Ende mitzieht. Jedenfalls von ihm an findet Geschichtsschreibung als ReichsRationalisierung statt. Im Triumph wird vor allem über eines gesiegt: Über die bohrende Frage nach der "wirklichen Wahrheit", eines vor allem wird verdrängt, die Frage nach der politischen Wahrhaftigkeit außerhalb der Ordnungen des Reiches, dort eben gibt es sie nicht mehr. Der Staat ist nicht Wahrheit, er benutzt und schafft sie, wir sahen es schon. Im Reich findet er erst ganz zu seiner Staatlichkeit, im Triumph. Reich der Wahrheit? Das gibt es nicht, das Reich als Wahrheit können wir finden. So exklusiv, wie es den Erdkreis umfaßt, jedenfalls "alles politisch Erfaßbare", so ist es auch exklusiv auf dieser höchsten Ebene: Die politische Wahrheitssuche muß zu den Skythen abwandern. 3. Der Großerfolg-überzeugende Wahrscheinlichkeit als Wahrheit Der ganz große Triumph "ist" als solcher schon politische Wahrheit, er schiebt die kritische Wahrheitsfrage überhaupt beiseite. Doch dies ist nicht die einzige Form, in welcher der Großerfolg die Wahrheitsfrage auf seine Weise löst, in einer "Reichs-Wahrheit" : Noch einen Weg gibt es, auf dem der Erfolg zur Wahrheit wird, die Kritik überwindet: Indem alles andere ihm gegenüber unwahrscheinlich wird, während er die Überzeugungskraft der Wahrscheinlichkeit gewinnt - und nicht selten ist sie, gerade kritischem Denken gegenüber, stärker als die feststellbare Wahrheit. In der Größe seines Triumphes darf, ja muß das Reich stets unglaublich sein, unglaubhaft darf es nie werden. Die unglaubliche Größe seines Ausgangserfolgs, des Triumphs, den es selbst darstellt, verleiht ihm eine geradezu religiöse Dimension- davon wird noch die Rede sein. Dann aber mag die Wahrheit verdämmern. Was so groß ist, daß man daran glauben kann, ist deshalb eben wahr, in einem höheren Sinne vielleicht, die Gottesidee zeigt es. Die Größe des Triumphs ersetzt seine Wahrheit, durch eine Wahrscheinlichkeit, welche den Glauben nahelegt. Jüngere Generationen, welche die Russische Revolution nur aus unzähligen Büchern kennen, werden mit zahllosen kleinen Geschichten gewonnen, vom heroischen Proletariat, von den Taten roter Kosaken. Die eigentlichen Wahrheitsfragen, nach Gründen

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und Verlauf, nach Kerensky und Trotzky, haben keine Bedeutung mehr, der große Triumph gibt der Partei recht. Und nicht nur die objektive Größe des Geschehens, seine Wirkung als "politische Gnade" wirkt reichsgrundend, seine Größe gibt auch dem subjektiven Verdienst der Akteure die Wahrscheinlichkeit der Wahrheit, damit aber moralische Kraft: Die Leistung der siegreichen Revolutionäre muß doch eine unglaubliche gewesen sein, damit aber wahr - der Triumph als moralische Kategorie überwindet auch darin die Wahrheit. Wie in der kantischen Moralphilosophie wird der Staat als Reich in seinem Triumph zum "gestirnten Himmel", unter dem die metaphysische Wahrheit, im Dunkel der Niederungen dieser Erde, bedeutungslos verblaßt. Selbstverständlich ist es also, daß der "Großerfolg", bis zu einem gewissen Grade, von seinen politischen Erben in der Reichsgewalt als Wahrheit manipuliert werden kann, ja verändert werden muß, bis hin zu Feiern, die ihn erst schaffen; der Unbekannte Soldat hat nie triumphiert - er ist zur täglichen triumphalen Wahrheit geworden. Der Grund ist einfach und wahr: Vom gigantischen Erfolg bleibt stets ein Kern, Manipulation "zur Unwahrheit" wird nur in kleinen Dingen vermutet - in den täglichen Erfolgslügen der politischen Parteien, in Hoffnungen auf einen Aufschwung, der noch immer nicht da ist. Am Großen aber ist nicht nur etwas, an ihm muß etwas sein, und selbst Goebbels' Rat zur Propaganda der ganz großen Unwahrheit hat zwar das Reich nicht zu halten vermocht, weil irgendwann sogar der Erfolgskern verlorenging, im übrigen aber war es eine imperiale Intuition. Je größer der Triumph ist, desto leichter genügt die Möglichkeit seiner Wahrheit zur Wahrhaftigkeit. Für den großen Erfolg reicht es ja aus, daß der Abstand zur Unwahrscheinlichkeit gewahrt ist, und der Triumph ist eben, wenn er noch irgendwie diesen Namen verdient, nie unwahrscheinlich. Was sich so feiern läßt, bleibt eben darin "angesiedelt zwischen Wahrheit und Wahrscheinlichkeit"; die politische Wirkung will ja auch nicht die der befriedigten Wahrheitssuche sein, sondern der Überzeugung der Bürger, zum Handeln und Ertragen. Im letzten genügt sogar ein gewisser Abstand zur offensichtlichen Unwahrheit - ihn aber hält der Triumph immer; warum sollte denn etwas unwahr sein, was legendär hat werden können? Darin zeigt sich die große Wahrscheinlichkeitskraft des Triumphes: Er kehrt die politische Beweislast um, selbst noch in der Legende. Diese Kraft gibt er dem Reich mit: Es bedeutet die Umkehr der Legitimations-Beweislast durch den Großerfolg, in ihm gerade kommt es zum Umschlag. Da mag einer über Austerlitz reden und jener, etwas Unge-

IV. Was ist Staats-Wahrheit?- Nach dem Reichsgedanken: der Triumph 91 heures war da doch jedenfalls. Der Überschwang des Triumphzugs ist vorüber, in der Niederlage, der Triumph bleibt, er bleibt imperiale Wahrheit. "Was ist Wahrheit?" -

der Triumph weiß es nicht, aber er ist es.

4. Die Reichsidee - Wille, nicht Erkenntnis a) Der Triumph -:- Reichswille, nicht Reichssystem Wer das Reich zu erfassen versucht, wie es hier geschieht, als eine große Ordnung, nicht nur als eine große Macht, der mag leicht einer Versuchung erliegen: daß er das Imperium sieht als ein "geistiges System", als eine intellektuelle Welt, die sich "herabsenkt auf alle Politik", und es ist nicht leicht, der geistigen Faszination zu widerstehen, welche in allem Imperialen den Übergang sieht von dem "niederen Willen", von den politischen Passionen, in geistige Sphären. Der deutsche philosophische Staats-Idealismus war darin bereits ein Kind der Romantik, daß er den politischen Willen sah, ihn aber aufheben wollte in der größeren Ruhe der imperialen Geistigkeit, in Ordnung. Wir aber erkennen gerade in unserer Betrachtung des Triumphes als causa des Reiches die weiterwirkende Kraft des Willens, mag er auch in der Ruhe der Ordnungen gebrochen, überhöht erscheinen. Das Reich ist sicher ein Übergang vom intensiven Ordnungswillen, von seinen Leistungen auf Schlachtfeldern, Barrikaden, säkularen Gesetzgebungen, in die größere Ordnung; der Großerfolg hat etwas an sich von der historischen Grundnorm dieser politischen Ordnung. Doch da ist alles und immer noch Wille, nicht primär Wahrheit, Erkenntnis. Der deutsche philosophische Idealismus bietet auch hierfür den Lösungsrahmen: Der politische Wille wird gerade in seiner triumphalen Größe objektiviert zur Ordnung. Romantisierungen des Reiches, das "wie vom Himmel gefallen" erscheint, können daran nichts ändern. Der Antitriumphalismus von heute lehnt das Imperiale nicht zuletzt deshalb ab, weil er in ihm eine pseudointellektuelle Kategorie sieht, die nicht angewendet werden darf, wo doch alles Dynamik ist und Fortschritt, Wille und Kraft des Politischen. Solange wir den großen Erfolg hinter dem Reich sehen, bleibt es "ganz Wille und Kraft", die in Ordnung gegossen sind. Der Triumph ist gerade die Ordnungwerdung des Willens, in ihm und seinem Weiterspiel im Reich bewegt er sich noch immer. Die "permanente Revolution", die dauernde Wiederkunft der großen Vergangenheit, hat noch immer das Reich legitimiert und getragen, von der Renaissance bis in Kulturrevolutionen und Basisbewegungen

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von Sozialismus und Kommunismus. Die Angst vor der politischen Sklerose treibt gerade heute in eine Dynamisierungshektik von Betroffenheitsdemokratien und Basisbewegungen, welche den Triumphalismus belächeln, weil sie allein den gegenwärtigen Willen als lebendige Kraft suchen. Finden können sie nur die Anarchie, wenn sie ihre heutige Basis nicht auf größere Triumphe der Vergangenheit bauen, und instinktiv fühlen dies jene sozialistischen Bewegungen, denen es immer um eines geht - daß sie nicht von den großen Triumphen der alten Arbeiterbewegung getrennt werden und ihren russischen triumphalen Erfolgen. Nein- im Reich verlieren wir nicht den Willen in reiner Erkenntnis, wir machen ihn erkennbar in der Größe seiner Anstrengungen und Siege. b) Der imperiale Triumph und die Grenzen der wissenschaftlichen Erfaßbarkeit des Staates Wenn das Reich auch wesentlich Wille ist, nicht nur geistiges System, wenn sich dies gerade im Ereignis des Triumphs als seinem Ausgangspunkt zeigt - der dort sogar näher "beim Willen" steht als "beim Geist", wo er wesentlich "Ereignis" ist - so stellt sich die Frage nach der Erfaßbarkeit der größeren Staatlichkeit in einem völlig neuen Sinne, gerade in der Betrachtung des Triumphs: Sind diese Phänomene überhaupt rechtswissenschaftlich voll erfaßbar, bleiben sie nicht einer Historie vorbehalten, welche eben die Geschichte des Willens und der Ereignisse schreibt? Hier stellt sich die kelsenianische Frage wirklich: Ist der Staat wesentlich Recht und daher nur in den Kategorien der Rechtswissenschaft erlaßbar - oder gilt dies gerade nicht an seiner Spitze, im Reich? Jurisprudenz ist zur Wissenschaft geworden durch die Beschäftigung mit den Pandekten, einem "Abglanz des Reiches"; nur deshalb studierte man - ein einzigartiges Phänomen - dieses "nicht geltende Recht", weil es Reichs-Renaissance war, wieder zu entdeckendes Imperium. Dies könnte zu der vorschnellen Folgerung führen, daß auch das Reich selbst, seine Organisation, seine Ordnung, in ähnlicher Weise rechtswissenschaftlich erfaßbar, rationalisierbar sei. Aber wie steht es dann mit dem Triumph, jenem Erfolg, den man in einem solchen Falle doch mit Kelsen in das Reich der Fakten verbannen müßte, welche "das Recht nicht kennen darf?" Doch die Geburt der modernen Rechtswissenschaft aus dem Römischen Recht war nicht eine geistige Wahrheitssuche, welche von vornherein staatsrechtliche Beschäftigung mit dem Triumph als Grundlage des Reichs ausschließen müßte. Die Pandektistik war im Grunde nichts

IV. Was ist Staats-Wahrheit?- Nach dem Reichsgedanken: der Triumph 93 anderes als eine fortgesetzte Anbetung jenes großen Ordnungsgedankens, des Reiches, das ihr vorgegeben erschien; die größten Vertreter des Römischen Rechts aber, ein Mommsen etwa, sind zur triumphalen Historie emporgestiegen, haben die Pandektistik einem geistigen Systemdenken überlassen, das auf einem anderen Niveau nur sich entfalten konnte, unter der ReichskuppeL Die große Pandektistik war in diesem Sinn eine privatrechtliche "Hilfswissenschaft der Reichs-Erkenntnis". Und anderes kann auch das öffentliche Recht nicht leisten, solange es "reine Rechtswissenschaft" bleibt: Hier wird eine Hilfs-Systematisierung vollzogen, das Reichs-Phänomen wird in seinem Ordnungscharakter in wissenschaftlicher Widerspruchslosigkeit fortkonstruiert. Auch hier, wie im Falle der Pandektistik, muß ein großes Axiom der Ausgangspunkt sein: Die Idee des Reiches selbst als das Postulat der größeren Ordnung, das sich dann in der geistigen Suche der Wissenschaft verwirklicht. In diesem Sinne aber ist und bleibt das Reich aller Rechtswissenschaft vorgegeben, es "ist" bereits, noch bevor es die Juristen des öffentlichen Rechtes systematisieren können. Rein normativ können sie das "richtige Reich" nicht suchen, aus den historischen Reichsphänomenen mögen sie ihre Ordnungskräfte und Ordnungspostulate gewinnen. Doch für das staatsrechts-wissenschaftliche Observatorium bleibt etwas von der Spitze des Reiches stets in Wolken: Das Imperiale ist auch ein Triumph der Ordnung über die wissenschaftliche Erfaßbarkeit, gerade in seinen Anfängen - im Triumph. Aus ihm entsteht nicht nur das Staatsrecht, in ihm ist es schon ganz angelegt, dies ist die normative Reichs-Kraft des Faktischen. Methodelogisch bedeutet dies: In seinen Grundlagen ist das Imperiale, gerade im Triumph, historisch erfaßbar, rechtswissenschaftlich auf Widerspruchslosigkeit hin erkennbar, weiterkonstruierbar. Mehr an "Wahrheit" kann das Staatsrecht vom größeren Staat nicht erkennen. Das Pilatuswort, die Frage nach der Wahrheit, zieht auch Grenzen des wissenschaftlichen Staatsrechts. Im letzten muß es sich begreifen als eine Hilfswissenschaft der historischen Staatsphilosophie vom Reiche, den eigenen dogmatichen Selbstzweck sollte es nicht überschätzen. Auch hier kann wieder das öffentliche Recht vom privaten lernen, vor allem in mehr Bescheidenheit: Die großen Juristen der Pandektistik schrieben "Institutionen" des Rechts nicht nur in Nachahmung klassischer Vorbilder; sie wußten, daß sie nur Bruchstücke besaßen, weil die große Systematik eben verdämmert war, das Reich. Und sie versuchten nicht, es "von unten" wieder aufzubauen, dies hätte ihre wissenschaftliche Kraft überfordert. Wenn wir wahr bleiben wollen, müssen auch wir uns im öffentlichen Recht der Reichs-Wahrheit beu-

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gen; ein "Reichs-Staatsrecht" vennögen wir nicht zu schreiben, seien wir froh, wenn es "Institutionen" werden! Diese geistige Bescheidenheit ist ein Tribut an die Größe des Imperialen, das auch über geistige Herrschaftsgelüste des Staatsrechts hinweggeht - gerade in seinem Triumph. V. Der Weg der Staatserhöhung zum Reidt - eine Via triumphaUs

1. Das Reich als "höhere Integrationsform der Staatlichkeit" a) Das Reich als "Staat an sich" Über das Reich muß heute gesprochen werden, weil mehr denn je ein Irrtum sich ausbreitet: daß die politische Gemeinschaft nichts anderes sei als ein "möglichst reines", möglichst wenig strukturiertes Zusammenleben von Individuen. Hier folgt ein Mißverständnis des Demokratischen dem anderen: Aus der Gleichheit wird das Postulat der Herrschaftslosigkeit abgeleitet, sie soll Entstaatlichung bedeuten, und dann teilen sich die Wege: die einen marschieren in Richtung auf den absterbenden Staat des Kommunismus, die anderen wollen ökonomische Staats-Aktiengesellschaft, den "Betrieb/Staat". Ob aber nun "Staatsbetri'eb" oder "Betrieb/Staat", stets wird nur eines gesucht: das möglichst unpathetische, untriumphalistische Nebeneinander, in welchem der Bürgertitel dem Menschsein nichts mehr hinzufügt. Die Ergebnisse sind dann ganz konkret: Die Staaten können sich beliebig öffnen, ausländische Menschen sind sogleich ausländische Bürger- die seit Jahrtausenden immer wieder erstrebte und umkämpfte Reichsbürgerschaft - was könnte sie noch bedeuten? Das Wort "Staat" ist all diesen Versuchen gegenüber letztlich neutral; das "Reich" aber setzt ihnen ein großes Nein, eine wahre Herausforderung entgegen: Es gibt den Seihstand der Ordnung, das originäre Eigenleben der Gemeinschaft als solcher, nicht nur auf der Ebene der Gemeinden, sondern erst recht und stärker an der Reichsspitze. Der Staat erschöpft sich nicht in der Gemeinschaft, er hat seine eigene Geschichte, seine besonderen Gesetze des Lebens, er reicht hinaus über die heutige Generation. Und um dieses Reich geht es hier, in dem der Staatsbegriff überhöht, gesteigert wird, als seine höchste Integrationsfenn. Wir könnten auch ein anderes Wort gebrauchen; aber in einer Zeit, in welcher Staatlichkeit so oft mißverstanden wird, degradiert zu einer Organisation, welche in Härte als Kompression der grundsätzlich freien Individuen zur Gemeinschaft wirkt, in dieser Zeit brauchen wir ein höheres Wort für "den Staat an sich"; die Geschichte gibt uns nur eines - das Reich.

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Und der Triumph ist nichts als eine Geschichte dieses "Staates an sich", mehr noch: bereits Ausgangspunkt seiner ganzen Dogmatik. Wenn die "Gemeinschaft als Idee" einen Sinn hat, von Platon bis Hege!, so kann er nur im Reich gefunden werden; und wie eigenartig spielt der historische Zufall, oder die tiefere Weisheit des Geschehens: Diese beiden größten Vertreter der Reichsidee haben gedacht kurz bevor sie zweimal, wenn auch nur in einem Ausbruch, Wirklichkeit wurde, im alexandrinischen und Wilhelminischen Reich. b) Triumph- ein "Generationenvertrag zum Reich" Der Triumph scheint als Großereignis keine zeitliche Dimension zu haben, steht er nicht außerhalb des zeitlichen Ablaufs, liegt seine imperiale Kraft nicht gerade darin, daß er das Reich aus den Monaten und Jahren heraushebt in der Einmaligkeit eines Sieges? Doch auch dies wäre verkürzt, die höhere Integrationsstufe der Staatlichkeit, die doch ganz wesentlich auch "abläuft", liegt gerade im Triumphalen. Im Großerfolg wird etwas geschlossen wie ein Generationenvertrag: Die siegreiche Generation formt ihren Erfolg zum Vermächtnis für die kommenden Generationen, diese wiederum werden durch den triumphalen Reichsanfang in die generationen-vertragliche Pflicht genommen, diesen Reichsbeginn weiterzuleben. Für Generationen von russischen Kommunisten ist der Sturm auf das Winterpalais der erste Akt eines wahrhaft imperialen Sozialvertrags geworden, den sie auf immer neuen Schlachtfeldern erfüllen mußten. Der Generationenvertrag soll vor allem Sicherheit bieten, so will es ein Begriff, der aus der Sozialversicherung kommt. Das Reich ist die größte politische Sicherheit, die es geben kann, im Triumph versichert nicht nur der Staat seine Bürger in seiner Gegenwart, er sichert sie in seiner Ordnung. So stellt der Triumph die politische Einheit des Staates in der Zeit her, über Generationen hinweg, in ihm wird die Staatlichkeit gelöste Zeitfrage, die höhere Integration der Staatlichkeit ist auch temporal gelungen. c) Reich -

"mehr als Mehrheit im Triumph"

Vor allem der Intensivierung bedarf die Staatslegitimation, sie wird im Triumphieren geschaffen, und dies darf gerade die Demokratie nicht vergessen. Sie steht ja ständig in der Gefahr, Legitimationen und Integrationen nur aus Mehrheitsbildungen beziehen zu wollen, in denen manches, aber doch nicht alles zusammengefaßt wird, teilweise, aber "doch nicht ganz".

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Gerade wenn dieses Mehrheitsprinzip seine Bedeutung behalten soll, im Auffangen und Ordnen der Vielfalt, eben dann muß irgendwo, irgendwann eine größere Kraft eingesetzt werden, welche dieses Volk schafft und als solches erhält. Die Geburt der Abstimmungskörper ist im letzten immer ein ungelöstes demokratisches Problem geblieben; die Volksherrschaft kann sie organisieren und herrschen lassen, im letzten wird sie sie immer nur vorfinden. Schaffen aber kann sie das Zusammentreten im großen Sieg, die Reichsproklamation, das Erfolgserlebnis. Wer "dazugehören" soll, mag das Wahlrecht zwar näher ausgestalten, wirklich entschieden werden wird es immer durch etwas wie ein reichsgründendes, triumphales Ereignis. Dies ist die Nabelschnur, über welche selbst die Demokratie ein Kind des Reiches sein und bleiben kann. Triumph und Mehrheit haben vieles gemeinsam, auch Majorität kann Sieg bedeuten; aber im Triumph wird stärker integriert als in der Mehrheitsbildung, hinter ihm verschwinden seine Träger, er wird nur als einer gesehen. Die Mehrheit mag zum Staat integrieren, der Triumph integriert zum Reich. Aus ihm kommt dauernde Ordnung, nicht "ein bestimmter Zustand", wie im Falle der Mehrheit; dem Wandel ist beides geöffnet, dem Wechsel weit mehr die Mehrheit. Doch beides schließt sich nicht aus, steht vielmehr in pyramidaler Beziehung: Wann wäre je Mehrheitsordnung leichter gewesen als nach einem großen, gemeinsamen Sieg? Der Triumphalismus von Salamis hat die attische Demokratie ermöglicht, über Generationen gehalten; Schiffsschnäbel haben Rostra nicht nur geschmückt, sie haben sie uns geschenkt. d) Das Reich -

Staat der Begeisterungen

Integration muß in jedem Sinne wirken können, auch in der Einbeziehung aller Kräfte der Menschen. Politische Gemeinschaft ohne Gefühl mag Staat sein; wo das Politische zum Ernst wird, wo es die politischen Passionen in sich aufnimmt, die Gefühle der Bürger, da allein kann es emporschäumen zu imperialer Höhe. Verdienst und Chance der Demokratie ist es, daß sie diese mächtigen Passionen nicht unterdrückt, sie weckt und stärkt sie. Das so oft unwürdige Schauspiel ihrer leidenschaftlichen Kämpfe kann eigentlich nur in einem Gnade finden vor den Augen ruhigerer geistiger Betrachtung: wenn all dies "zum Reiche drängt", sein Ausdruck bereits ist. Dann werden die politischen Leidenschaften des demokratischen Kampfes Vorspiele imperialer Triumphe, vorweggenommene Großerfolge, und selbst wenn diese ihnen nicht folgen sollten, so ist doch der triumphalistische Wille zu loben oder, um es sportlich zu sagen: Es genügt,

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dabeigewesen zu sein bei Märschen und Kämpfen, ein wenig sind sie sich selbst Triumphbogen, auch wenn der größere Are de Triomphe nie erreicht wird. In dieser Integration wird demokratischer Rationalismus überhöht; all das, was ihm "nicht so ganz groß" erscheint- und was könnte er so groß auch finden - wird doch zur Macht im Triumph, der die Leidenschaften mit erfaßt. Keine Staatsform der neueren Zeit hat sich rationaler gegeben, mehr rationalistisch als die Französische Republik; doch ohne die Gefühlskräfte der Revolution und des Kaisers - wie hätte sie sich behaupten können, in Verdun und anderswo? In dieser Integrationskraft des Triumphes zum Reich wird übrigens eine andere eigenartige Erscheinung sichtbar: Die Stufentheorie des Staatsrechts muß als eine solche der "Sprünge" verstanden werden: Triumph bedeutet ja "Kontinuitätsbruch als Anfang", das Reich beginnt als Stufenpyramide, als solche setzt es sich fort. Wäre der Triumph eine rein rationale Integrationsform - dies alles ließe sich nie erklären, diskursives Staatsdenken mag sich allenfalls langsam hinaufschieben, es kann nicht in Sprüngen aufsteigen. Im Triumph aber, der Gefühle und Passionen einbezieht, wird immer die wahrhaft "neue Ebene" erreicht, damit die höhere Integrationskraft. So steht es ja auch um die Begabungen der Menschen, welche in der Gemeinschaft integrativ nur wirken können, weil sie stufenförmig geschenkt sind, sich in Sprüngen entfalten. Wenn der Staat nicht im Triumph voranschreiten kann zum Reich, bleibt er Basis, er wird immer wieder von den Dünen des Treibsandes der Anarchie bedeckt. Passionen aber, in Wahrheit die "Gemeinschaft aus Begeisterung", das wächst in Sprüngen empor zur höheren Ordnung, und hier wird auch die kelsenianische Intuition der Normstufen erst politische Wirklichkeit. Sie hat Erfolg und Triumph eliminieren wollen, doch in ihren Worten bereits kehren sie zu ihrem Staat zurück. e) Triumphalismus -

Denken in politischen Kräften

Der "normalen Staatlichkeit" kann es genügen, daß ihre politische Mechanik ständig juristisch gewartet wird. Bis zu einem gewissen Grade wird hier sogar aus der Illusion gelebt, daß Richtigkeit mehr bedeute als Kraft. Doch dies alles ist nichts als eine Tagtäglichkeit, die ständig Kräfte verbraucht, nicht freisetzt. Das Staatsrecht der Demokratie gefällt sich in Machtbeschränkungen und beschränkt sich auf sie, in der Sicherheit, daß doch stets "der Wille zur Macht" vorhanden sein werde; woher er kommt - es interessiert sie nicht. Was die Volksherrschaft aber immer mehr braucht, was sie durchaus hervorbringen kann, ist ein "Verfassungsrecht der Anreize", eine stärkere 7 Lelsner

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Ausformung der integrativen Kräfte. Den Sinn der Prämie haben wir weithin verloren, sie wird der Gleichheit geopfert. Sollten wir nicht wieder erkennen, daß sie Triumph bedeutet, den Großerfolg des Bürgers, von dem noch die Rede sein wird, müßten wir sie nicht in unsere Verfassungen schreiben, dort ausformen so wie die Prüfungen, welche zu ihr führen? Dem Triumph ist die Integrationskraft des Anreizes in höchstem Maße eigen, zur Wiederholung, als Beispiel. Ein Reich, das mit ihm einsetzt, hat eine Art von Anreiz-Verfassung als seine Grundnorm gesetzt. f) Reichsdenken-nicht einig sein in Werten, einig werden im Triumph Nach dem Verlust des II. Reiches hat Rudolf Smend den großen geistigen Versuch gemacht, welchen die Zeit verlangte: In seiner Integrationslehre wollte er den "Reichsbürgern ohne Reich" die Werte aufweisen, welche sie wieder zu ihrem Imperium führen sollten, die Mechanismen sogar, in denen das Reich der Deutschen eine geistige, wenn schon nicht mehr eine militärische größere Wirklichkeit bleiben könnte. Es war die Lehre von den "Heiligtümern des deutschen Volkes", von jenen Werten, "in deren Namen die Bürger einig sein" wollten oder sollten. Wissenschaftliche Zurückhaltung und die Strömungen einer Zeit bewußt beginnender Soziologie ließen mehr nicht zu; vor allem war es ein Aufruf zur Tatsachenforschung, zur Feststellung der einenden Werte, welche sodann vom Recht des Reiches aufgenommen und verfestigt werden sollten. Von diesen Theorien müssen wir auch heute ausgehen, es geschieht gerade in der Lehre vom Triumph, doch es ist uns aufgegeben, sie weiterzudenken: Wir wissen heute, mehr als damals, um die Zerbrechlichkeit der gemeinsamen Wertvorstellungen, um die begrenzte Integrationskraft von Normen, welche sie festschreiben wollen, in verfassunggebenden Stunden oder später. Deshalb dürfen wir nicht mehr nur fragen, "in wessen Namen" die Bürger einig sind, wir müssen nach den Triumphen suchen, die sie einig machen. Beginnender Demokratismus im Weimarer Deutschland mochte noch hoffen, daß wirklich "alles aus dem Bürger komme", althergebrachter normativer Legalismus verbot zu denken, daß unter einer demokratischen Grundnorm Integration anders entstehen könne. Darüber müssen wir heute hinwegdenken: Demokratie schließt den Triumph nicht aus, als ein Ereignis, das dann vom Bürger aufgenommen wird, nicht aber aus ihm allein hervorwächst Nicht nur der Wille der Bürger bringt Integration, auch der der Geschichte. Die Lehre von einst wollte die Integration vor allem in den Willen der

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Bürger verlegen, heute müssen wir einen Aspekt stärker betonen, den auch sie schon erkannt hat: daß den Bürgern der Gegenstand des Einigseins weithin auch vorgegeben wird, daß sie ihn in ihrem "Einigsein im Namen von etwas" nur noch weiter integrativ verdichten. Damit wird die Integrationslehre zum Ausgangspunkt einer demokratischen Theorie des Triumphes, die zugleich ein Bekenntnis zum Personalismus des Bürgerwillens ablegt und zum Transpersonalismus des historischen Ereignisses. Die Stärke der Ereignisse müssen wir wieder erkennen lernen, und daß die Menschen sehr stark werden gerade in ihnen und durch sie. Ob da der Vorgang stärker ist als der Mensch- wen muß es noch kümmern, wenn nur beide zusammen sie schaffen, die triumphalen Heiligtümer des deutschen Volkes.

2. Was verlangt das Reich vom TriumphBeweise, Ziele, Instrumente Eine dreifache Integrationskraft verleiht der Triumph dem Reich: Er führt seinen Existenzbeweis, dem Heute als Historie, dem Morgen als Orakel; er führt den Gütebeweis, heute in der Legitimation, morgen in Zielen, die er weist, als die beste Wahl; er führt den Praktikabilitätsbeweis, indem er Methoden an die Hand gibt, Instrumente. In diesem Zusammenklang von Existentialismus, Teleclogismus und Instrumentalismus hebt er den Staat zum Reich. a) Triumph -

Existenzbeweis des Reiches

Der Großerfolg beweist nicht nur, daß das Reich kommt, in ihm ist es bereits Wirklichkeit. Nur mit seinen Kräften, mit der Macht einer "größeren Ordnung in fieri" kann sich ja lmperialität wirklich durchsetzen. Dies gilt für den "langsamen Triumph" des unaufhaltsamen wirtschaftlich-politischen Aufstiegs ebenso wie etwa für die siegreiche Revolution: Im Zusammentreten des "Volkes", in seinem Sieg über den Tyrannen liegt bereits das Imperiale, später mag noch stärker organisiert werden, was aber bereits in diesen Momenten volle und funktionierende Ordnung war. Mit ihren Primärversammlungen haben die französischen Revolutionäre von 1789, mit ihren Parteizellen die kommunistischen Insurgenten Rußlands nur als Staatsorganisation fortsetzen wollen, was den Triumph gebracht hatte, was in ihm zuerst und am vollsten geworden war. In Milizen und Revolutionsheeren, in der Idee der revolutionären Roten Armee liegt die Vorstellung, daß im Triumph bereits das Reich war, daß selbst seine organisatorische Existenz in nuce durch ihn vorweggenommen, bewiesen worden ist. Später mag man das Reich kri7•

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tisieren, in Zweifel ziehen wollen - sein bester Existenzbeweis wird immer die Erinnerung an den großen Moment sein, aus dem seine heutigen Strukturen kommen. Doch dies bedeutet mehr - eine grundsätzliche juristische Umwertung: Die Hineinnahme des Solleus in das Sein, seine Vorwegnahme in diesem, damit aber die Aufhebung einer immanenten Schwäche des Rechts und seiner Normen. Sie liegt ja darin, daß die Norm eben doch nur einen Befehl für die Zukunft bedeutet, dessen Notwendigkeit nicht beweisbar ist, ebensowenig wie seine existentielle Verbindung zu etwas mächtig Existierendem. Im letzten bleibt dem Befehl des Rechts immer etwas von einer schwächlichen Behauptung, politisch ist er eigentlich doch nicht mehr als Hoffnung auf Befolgung - oder seine Kraft kommt allein aus der psychologischen Wirkung im Bereich der Bürger, aber auch da ist alles Erwartung, nichts wirkliches politisches Sein. Im Triumph wird dieser Abgrund zwischen Norm und Politik übersprungen: Die Ordnung des Reichs soll sein, weil sie in ihm schon ist. Der Triumph transzendiert die Schwächlichkeit des Befehles - er ist zu befolgen, weil er bereits in Größe befolgt ist. Das Zukünftige, der Gegenstand der Normordnung, "soll sein", weil es im Triumph vorweggenommen worden ist. Das Reich ist nichts anderes als der Triumph - in seiner Ordnung eine lange, glückliche Stunde. Wer in früheren Zeiten an echten oder vermeintlichen staatsgründenden Triumphen teilgenommen hat, der wird in den späteren Jahren des Reichs immer nur die einstigen Stunden des Triumphs erleben wollen, so wie jener italienische Präsident, dem sein Staatsamt die Feier des früheren Widerstands gegen den Faschismus bedeutete. In der Ordnung des Reiches soll also gar nicht primär ein Verhalten erzwungen werden, es werden Stunden zeitlos verlängert, und entscheidend ist nicht die Dauer verleihende Ordnungskraft, sondern die Stunden, welche im Triumph bereits gewesen sind, in jenem Existenzbeweis der zum Reich gesteigerten Staatlichkeit. Den Staat hat niemand je gesehen, er beweist sich in dauernden Kraftakten. Das Reich ist Fleisch geworden - und Blut so oft - in seiner triumphalen Existenz; so hat es unter uns gewohnt. b) Exkurs: Der Triumph- Existenzbeweis als Orakel Nicht allein darin wirkt der Großerfolg voraus, daß die Zukunft des Reiches in ihm bereits existentiell begonnen hat - er verkündet auch dessen künftige Stunden, wie die Orakel der Alten.

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Die außerordentliche Bedeutung der orakelhaften Zukunftsergründung in der alten Welt kam ja nicht nur aus den Ängsten einer sich von höheren Mächten bedroht fühlenden kleinen menschlichen Existenz. Dahinter stand auch die Überzeugung, daß Vergangenheit und Gegenwart eine geistige Einheit bilden, die im Orakel ausgesprochen, vorbewiesen wird, bestätigt sodann in seiner Erfüllung. Von zahllosen Orakelsprüchen ist so das Römische Reich umgeben, wenn sie nicht waren - sie mußten erfunden werden. Und ein solches Orakel, ein ganz großes und sicheres, ist der Triumph für das Reich. Entweder in ihm ist das Imperium schon voll und ganz, wie wir oben sahen, oder er verkündet es für eine Zukunft, deren Abstand von der Gegenwart keine Bedeutung hat; darin gerade liegt ja der orakelhafte Beweis. Dieses Erfolgsorakel deutet immer auf ein Großes, weil es selbst Großerfolg ist. Dem Reich wird es gegeben, nicht dem "kleineren politischen Schicksal", di:e großen Orakel haben stets imperiale Vorgänge nicht nur angekündigt- bedeutet. Im Triumph als Orakel ist jene imperiale Zukunft, die sonst ja nur über ein normatives Sollen erreichbar ist, bereits gegenwärtig, weil "die Würfel schon gefallen sind", in ihm wird das Reich sub specie aeternitatis gesehen, als eines der großen Dinge dieser Welt "ist es schon bei Gott", bevor es zu den Menschen kommt. Damit wird der Triumph zum Existenzbeweis des Zukünftigen in Gegenwart, Zukunft kann hier nurmehr- ein schönes Wortbild- Erfüllung bringen, der triumphale Reichsrahmen steht. Nirgends ist die Orakelidee größer gewesen als in jenem "Vorausblick von Reich zu Reich", welcher die Einheit der Rom-Idee bedeutet: Im Triumph der Caesaren war schon das geistige Reich der Kirche geboren, zur selben Zeit wie ihr Gründer - es war, als sollte sich die Bitte in Erfüllung umkehren: "Wie auf Erden, also auch im Himmel". In diesem Augenblick der römischen Triumph-Erfüllung sang der größte Dichter dieses römischen Triumphes in seiner Ekloge dem kleinen Kind, dem größeren Triumphator, das Reichsorakel, so will es eine Tradition, in deren Namen das Mittelalter mit Dante seinen höchsten geistigen Triumph hat feiern können, als die triumphale römisch-deutsche Kaiseridee zerbrach. Doch im Triumph als Orakel liegt nicht nur politische Metaphysik, mit ihm läßt sich die politische Wirklichkeit unseres Jahrhunderts erklären. Der gescheiterte Aufstand ist das Orakel der später gelungenen Revolution, und das revolutionäre Imperium der russischen Kommunisten wäre keine so mächtige geistige Wirklichkeit, hätten es nicht schon frühere Aufstände geweissagt - 1905 als Orakel.

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Doch zum Orakel gehört das Geheimnis, es liegt auch im Triumph. Wird er geschenkt, so mag ein großes Reich gegründet - oder zerstört werden. Er zeigt die teuflische Fata Morgana ebenso wie den Anblick der glücklichen politischen Oase. Wirklichkeitsbeweis oder große Täuschung - der Triumph kann beides zugleich sein, nie vielleicht deutlicher als in der Zeit Napoleons. Seine Siege mögen ihm in manch bitteren Stunden auf St. Helena als Reichs-Täuschung erschienen sein, während sie den Siegern ein Orakel bedeuten für ein Zweites Kaiserreich, den Deutschen für ein neues, größeres Imperium; und auch sie wurden alle enttäuscht, nein: getäuscht, gerade durch den Erfolg. Triumph als Täuschungsorakel haben die Deutschen dann nochmals erleben müssen, am Sedanstag wurde ihnen das Reich allzusehr auf Zeit nur geschenkt. Deshalb bedarf der Triumph, wie jedes Orakel, des Auslegers, der ihn geistig erst als Reich erkennt, das Imperium an ihn heranführt, aus ihm entwickelt. Er muß der politischen Priesterschaft mächtig sein, der Erkenntnis größerer Zusammenhänge, aus denen er die glückliche Gegenwarts-Zukunft entfaltet. Dies war stets der deutsche Kanzlertraum, das Bismarck-Phänomen, jenes Mannes Werk, der Königgrütz und Sedan zum Reiche auszulegen vermochte. Und darin liegt - unbewußt vielleicht - der letzte Grund des Adenauer-Mythos, daß er den ungeheuren "negativen Triumph" von 1945 wie kein anderer als Orakel verstand für ein Reich des deutschen goldenen Westens. Triumph als Reichsorakel - wer es deuten kann, dem ist mehr gegeben als ein Auftrag, er hat imperiale Gewißheit, den Existenzbeweis des Reiches schon heute. c) Staatsziele aus Großerfolgen der triumphale Teleclogismus Der Triumph beweist das Reich - zugleich weist er ihm sein Ziel, er enthüllt die Statik der großen politischen Existenz, zugleich setzt er sie in mächtige dynamische Bewegung, darin liegt seine einmalige Bedeutung. Das Römische Reich als Auftrag wurde gerade in der Zeit am deutlichsten gesehen, als im Triumph seine Größe erkannt war. Dieser triumphalen und imperialen Zeit des Augustus wurde die Virtus Romana zur Aufgabe, der Sieg der Ordnung zum StaatszieL Und Preußen wird man nur so verstehen, in seinen imperialen Augenblicken, in dieser Tüchtigkeit als Staatsziel, hinter der der Sieg als Staatszweck steht. Triumph als Existenzbeweis des Reiches ist uns leichter verständlich, sind wir doch allzu sehr geneigt, das Imperium stets als den politischen

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rocher de bronze zu begreifen. Der Triumph als dynamisch wirkendes Ziel - kann das noch wirken, wo alles gelungen scheint? Und doch wird gerade hier seine doppelköpfige Kraft deutlich: Erbe als Erfüllung und Auftrag zugleich. Wenn er dem Staat nur den größeren Existenzbeweis des Reiches lieferte, würde diese Ordnung rasch in der Zufriedenheit des Seins verkümmern, niedergehen in der Ruhe des Erreichten: "Es ist erreicht" - das steht über dem Eingang zum Reich, doch er ist ein Triumphbogen, und wenn er als solcher nicht erkannt, nicht immer wieder durchschritten wird, damit dieses Wort stets von neuem gelesen und Überzeugung werde, dann wandelt es sich zum "Lasciate ogni esperanza" - so stand es am Ende des Reiches der Deutschen. Doch Ziel allein darf der Großerfolg auch nicht sein, sonst ist in ihm allzu viel doch nur Hoffnung. Wiedervereinigung der Deutschen als Staatsziel mag vorläufige Staatlichkeit legitimieren, zum Reich ist sie zu schwach, auch wenn sie aus früheren großen Erfolgen legitimiert würde, denn da ist zu viel Hoffnung, zu weit entferntes Sein. Die Größe des Triumphes ist es, daß er beides bringt: existentialistische Statik und Teleologie der Dynamik, im Auftrag der Wiederholung der Großerfolge aus denselben politischen Quellen heraus, von einem Punischen Krieg zum anderen; im ceterum censeo lag imperialer Triumph-Teleologismus. Nicht nur in heilsame Bewegung aber gerät das Reich im Namen seiner Triumphe, sie treten auch seinen Gütebeweis an. Die Größe des Erfolges beweist, daß das Reich machtvoll erstrebenswert war, daß es in vielem Siegreichen als etwas wahrhaft Gutes erscheint, so beweist die Historie Qualität, nicht nur die Demokratie. Indem dann dem Triumphzug gefolgt werden muß, im Namen des Reichs, zu neuen Triumphen, "steht nur Gutes bevor", das Reich als Staatsziel ist das politisch Gute, weil es so groß war im Triumph, aus ihm heraus zu so großem Gleichen unterwegs ist. Im großen Erfolg ist, wir sahen es schon, die Wahrheit überhöht worden, aber nicht aufgehoben. Im Triumph als Staatsziel wirkt sie nach wie vor mächtig, weil die große Existenz zugleich der Beweis der guten Wahl wird, der politische Gütebeweis. Siege als Staatsziele haben sich die Deutschen des Zweiten und des Dritten Reiches gesteckt; das Schicksal hat sie ihnen versagt, und sie sich selbst. Doch niemand kann sagen, daß da nicht wahrhaft imperiale Chancen verspielt wurden, als man den Fahnen früherer Siege folgen wollte.

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d) Instrumentalismus - Triumph als Lehrbuch größerer Reichs-Staatlichkeit Triumph als Existenzbeweis des Reiches mag etwas an sich haben von der Problematik der großen Gottesbeweise. Der Großerfolg als Staatsziel, als Auftrag zu seiner Wiederholung und Fortsetzung, begegnet bald dem Einwand der Unwiederholbarkeit historischer Situationen. In einem aber ist, gerade heute, der Triumph gegenwärtig, als eine staatsverstärkende Kraft mit imperialen Zügen: Er weist nicht nur die große Linie, sondern die einzelnen Instrumente ihrer Verfolgung, Schritt für Schritt die Meilensteine ihrer Vollendung. Das kommunistische Imperium ist nicht vom Himmel gefallen, es ist die Frucht vielfacher Verbindungen proletarischer Kraft und intellektueller Herrschaftskategorien- und bestimmter historischer Zustände, welche der revolutionären Generation vorgegeben sind. All dies gilt es nun, um moderne Worte zu gebrauchen, zuerst zu instrumentalisieren, sodann im einzelnen das Gefundene zu operationalisieren. Geschichte als Lehrstück bedeutet für den imperialen Kommunisten: Triumph seiner Sache als Lehrbuch, im großen wie im kleinen. Unsere politische Zeit kümmert sich wenig um Bestehendes und Anzustrebendes, entscheidend ist ihr die "technische Machbarkeit", darin nennt sie sich pragmatisch. Das Imperiale hat keine Chance, die normale Staatlichkeit zu erhöhen, gelingt ihm nicht - in einem ganz neuen Sinn - eine Reichs-Pragmatik, und wo sollte es sie finden, wenn nicht im großen Erfolg? Jener Triumph, den unsere Generation so klein schreibt, sie sucht und findet ihn doch täglich, eben im Kleinen, in einem Kernwort unserer Welt vor allem: im Experiment und seinem Gelingen. Die Notwendigkeit des politischen Triumphes mag sie bestreiten, sein Gelingen wird sie bewundern, eben als ein gelungenes Groß-Experiment. Gerade wenn sie die Gründe, in vorsichtiger wissenschaftlicher Zurückhaltung, nicht alle zu kennen vorgibt, die Instrumente wird sie durchsuchen - mit naturwissenschaftlich-technischer Emsigkeit - welche im einzelnen zu solchen Wundern geführt haben. Und des Wunderglaubens ist sie doch durchaus mächtig, unsere Zeit, der jeder technische Großerfolg zunächst ein Mirakel ist, ein wahrer Triumph. Die politischen Triumphkategorien werden wir heute woanders suchen müssen, nicht mehr auf blutbefleckten Schlachtfeldern, sondern in den Laboratorien, aus denen heraus jene vielleicht einmal in einem furchtbaren Verglühen sogar "sauber" sein werden. Die politischen Wissenschaften wollen den Polit-Ingenieur formen, was sucht er anderes als seinen technischen Triumph, und wo könnte er ihn denn finden, wenn nicht in den Großerfolgen der Ver-

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gangenheit, welche eine immer mehr historisch orientierte Politische Wissenschaft ihm als Lehrbuch mitgibt? Verengen wir nicht diesen Instrumentalismus der Entwicklung eines moralisch-politischen Verhaltens-Kodex! Hier spricht auch Macchiavelli mit, er vor allem: Unserer Zeit muß "der Triumph rechenbar werden", bis hin zur amoralischen Geschicklichkeit der Ausnützung vorgegebener Umstände. Alle Wege führen eben nach Rom in diesem Sinne des Instrumentalismus, und es müssen viele sein, den Marsch auf Rom gilt es "aufzulösen, zu rationalisieren in seine Triumph-Elemente"; dies wird uns im nächsten Hauptteil noch beschäftigen. Triumphe sind nicht Standbilder, die man betrachtet, aus ihrem Erz müssen Schwerter geschmiedet werden- oder Pflugscharen, viele Instrumente, zum Reich. Wenn es Zeichen des Imperiums ist, daß es stets kommt "auf breiter Front", so müssen wir versuchen, alle seine Abschnitte zu überblicken, die kulturellen Kräfte wie die militärische Stärke, moralische Überzeugung wie ökonomische Findigkeit. Der Staat ist ein Mechanismus; das Reich braucht Instrumente zu größerem Einsatz, es findet sie dort, wo sie schon einmal eingesetzt wurden, es gräbt sie unter seinen Bögen aus. Da ist nichts zu klein Riesenstatuen werden aus Trümmern zusammengesetzt. 3. Souveränität aus Triumph

Wenn es überhaupt etwas gibt, was souverän ist, dann ist es das Reich. Souveränitätstheorie ist stets Reichstheorie gewesen, von Badins Begründung für seinen König, der "Imperator in regno suo" sein wollte, bis zum Streben der heutigen Supermächte in der atomaren Souveränität, dem gegenwärtigen Kriterium für "das Reich". Hat in diesem Reich der Triumph noch einen Raum, bedeutet Souveränität nicht das Erreichte, ohne Blick auf den Weg? Doch auch hier hat der Triumph seinen Platz, er gerade ist souverän. Was dem Großerfolg zu fehlen scheint für die Souveränität, ist in erster Linie die ruhige Systematik, in welcher allein diese sich entfalten soll. Wir haben uns daran gewöhnt, in unserem juristischen Denken, die Lückenlosigkeit vor alles zu setzen, Souveränität dort zu sehen, wo der Staat auf jede Frage eine Antwort findet, und doch war Souveränität im Ausgang etwas ganz anderes: Es ging darum, daß die letzte Antwort auf die höchsten Fragen gegeben werden konnte. Wir haben die "innere Souveränität" der Französischen Revolution dem Souveränitätsbegriff unterschoben, die große republikanische Systema-

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tik der Bürgerordnung höher geschätzt als die äußere Souveränität der unbedingten Behauptung. Diese Wandlung des Souveränitätsbegriffs war ein Fehler, sie entfernt uns vom Reich, schneidet uns ab von seinen Triumphen, denn in der Systematik der Allgegenwart der Ordnung kommt ja der Triumphzug zum Stehen, die totale, gleichmäßige Durchdringung, bis zum Auslöschen der Vielfalt, ist bereits ein Reichs-Endzustand. Wir müssen uns wehren gegen die politisch krafttötende Übertragung der Kodifikationsidee auf das Staatsrecht des Reiches, sie ist gerade eine deutsche Versuchung, welche die große Pandektistik mißverstanden hat. Wo die Reichsidee noch lebendig ist, da mag man zur Systematik, zur Kodifikation unterwegs sein, doch in ihr sieht man nicht Souveränität, vielmehr ihre Sklerose. Als ein Unbekannter über den Beruf unserer Zeit zur Gesetzgebung schrieb und ihn verneinte, da war das Reich näher als in dem Jahr, in dem "es erreicht" schien, auch im Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuches. Der Blick auf den Triumph bewahrt vor solcher Souveränitätsverkrustung; solange er lebendig ist, verliert sich das Reich nicht im System. Nicht darin zeigt der Triumph die Souveränität des Reiches an, daß er systematisch in normativer Allgegenwärtigkeit wirken könnte, im Gegenteil: Der Ausgangserfolg ist ein Thema mit nahezu unbegrenzten Variationsmöglichkeiten. Die gelungene Großrevolution etwa wird jede spätere Generation anders sehen und sich doch, wie im republikanischen Frankreich, stets zur "Souverainete revolutionnaire" bekennen. Darin ist die "Volkssouveränität" selbst Ausdruck der Souveränität, daß sie einmal, meist in revolutionären Ausbrüchen, triumphiert hat; ob es wirklich ein Großerfolg war, wie mächtig er heutiger historischer Betrachtung erscheint - all dies ist dann im Grunde gleichgültig, in ihrer Souveränität ist die Volksherrschaft sich selbst bereits ein Triumph. Das Souveräne erfaßt sie eben darin, daß sie etwas "ganz hoch" setzt, absolut im wahren Sinne des Wortes, gelöst von gegenwärtigen Wertungen: den großen revolutionären Erfolg, der in der Volkssouveränität bereits normativiert wird. Deshalb ist dies auch eine so eigenartige Norm, welche mit monarchischer lmperialität kaum erfaßbar ist, weil vielleicht kein anderer Triumph so unmittelbar normative Staatsgrundlegung geworden ist. Gerade die Demokratie braucht also, zur Grundlegung ihrer Souveränität, den Triumph. In ihrer Volks-Triumphalität kann sie etwas vom Reich erreichen, zugleich aber dessen größter Gefahr entgehen: dem zerfasernden, zerstörenden Neid der vielen. Nicht nur darin gelingt es ihr, daß im letzten der Bürger zum Triumphator wird, daß sich jemand geradezu außerhalb der Bürgerschaft, der Gemeinschaft stellen müßte, um dieses Reich zu bekämpfen. Im Triumph wird überhaupt ein neid-

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überwindendes Prinzip der Reichsgründung eingesetzt: Neid richtet sich ja immer auf die Gegenwart, gegen die befürchtete Zukunft; was in der Vergangenheit war, mag abgelehnt, es wird nicht neidig angegriffen werden. So ist es denn eine List der demokratischen Vernunft, wenn sie nicht nur ihren Ausgangserfolg in die revolutionäre Vergangenheit verlegt, sondern daraus noch unmittelbar ihr Souveränitätsprinzip gewinnt. Für die Demokratie schließlich ist es besonders wichtig, daß sie mit ihrer besonderen Triumphalität ihr Reich aus der Statik der beharrenden Systematik reißt, wird doch gerade dieser Staatsform stets die verkrustende Narrnativität auch wieder gefährlich, nach der sie im Namen der Gleichheit strebt. Der belebende Basiskontakt, der heute so viel beschworen wird, ist im letzten nichts als ein Zurück zu den lebendigen Quellen, die im revolutionären Triumph zuerst geflossen sind, die in jeder Wahl, als seiner Wiederholung, erneut aufbrechen. Die freie Volksherrschaft schließlich hat ihre Chance gerade in dieser "Souveränität aus Triumph", wie übrigens jede größere Ordnung: Die tiefere Wortbedeutung bereits zeigt es. "Souverän" bedeutet ja eine Überlegenheit, die auf Kleinigkeiten nicht sehen muß, die sich nicht in der Einzelheit zerreibt. Jede größere Ordnung steht in dieser Versuchung, daß sie ihre Höhe suchen will in der perfekten, einzelregelnden Allgegenwart; und gerade in der Demokratie wird dies zur Gefahr, für die ja der "kleine Bürger" eben doch nicht nur eine Kleinigkeit ist. Aus all dem hebt der stete Blick auf den großen Erfolg, der souverän macht, weil er souverän gewesen ist. Wer ganz groß gesiegt hat, braucht die Besiegten nicht in Lager zu sperren, er läßt sie im Triumphzug mitlaufen; sind die Rechte des Volkes auf den Barrikaden errungen, so mögen entmachtete Aristokratien sogar in ihren Schlössern weiterleben. Souveränität in diesem Sinne des Triumphes bedeutet eine Reichs-Liberalität, ohne welche es diese große Ordnung über der Vielfalt nicht geben kann. Generationen lang haben wir stets Souveränität und Freiheit als Gegensatz gesehen- hier wird er erstmals aufgelöst, nur in der großen Ordnung des Reiches kann dies gelingen. In der Souveränität liegt schließlich immer etwas vom höchsten, unbedingten Befehl, jener Anordnung, die schon Wirklichkeit ist, weil sie so mächtig ergeht. Und auch eine solche Souveränitätskraft verleiht im letzten nur der Triumph. Er setzt einen "Stein des Anstoßes", mit ihm muß man sich auseinandersetzen, die große Zahl der Toten, Freund oder Feind, verlangt es, die mit ihm veränderte Welt; schon Terreur und Lubianka fordern, daß man sich mit dem beschäftigt, was von den Triumphen ihrer Führer geblieben ist. Himmelhoch jauchzend reißt der Triumph jedermann aus seiner Gleichgültigkeit, auch wenn

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er ihn zu Tode betrübt. Darin führt er zum Reich: Der Staat kann so leicht gleichgültig werden, der demokratische zumal, in seiner öden Gleichheit. Findet er immer wieder den Aufschwung zu seinem einstigen Triumph, so erreicht er wieder Souveränität, welche ihn interessant macht, geliebt oder gehaßt, jedenfalls aber groß. In welchem Sinne auch immer man das Wort der "Souveränität" nimmt- ohne Triumph gibt es sie nicht auf Dauer. 4. Das Himmel-Reich auf Erden -

im Triumph

a) Das heilige Reich Wer glaubt, wird nicht lieben in der Politik, was er nicht heilig nennen darf; diesseitige Heiligkeit braucht gerade, wer das Jenseits nicht findet - in dieser Welt tritt beiden das Heilige entgegen im Reich, in ihrer Sehnsucht zu ihm, von der wir schon sprachen. Die Reichsidee war immer von Heiligkeiten umgeben. In diesem Begriff wird ja Herrschaftsgewalt und Herrschaft zusammengefaßt, in ihrer Unteilbarkeit liegt gerade das Verehrungswürdige. Vom Himmelsstaat sprechen wir nicht, zu uns soll das Himmelreich kommen; und des heiligen Augustinus Civitas Dei konnte zwar, im zerfallenden römischen Imperium, als eine "Bürgerschaft zu Gott" gedacht werden, doch zur Heiligkeit integriert ist sie im letzten "Reich, nicht Staat". Für den Staat stirbt man nicht, für das heilige Reich ist nicht nur der Attentäter gestorben, der ein unheilig werdendes Reich aus dem Untergang retten wollte. Das Reich wird von Göttern regiert, von einem Gott im Himmel, also auch auf Erden; die Divinisierung der römischen Caesaren war Ausdruck der heiligen Reichsidee, das Imperium konnte so groß nur sein, wenn es von einem Gott geführt wurde, in wahrhaft göttlichen Triumphen. Die Ausschließlichkeit, welche allem Imperialen eigen ist, ragt bis in die Metaphysik hinein, die Größe des Reichs findet ihre Vollendung in der Größe eines Gottes. Ein Paradies auf Erden will das Reich sein; wo immer in ihm gelebt oder gesündigt wird, das Heilige kann nicht weit sein. b) Der heilige Triumph Nur über die Reichsidee wird Religion in großem Stil appropriiert im Diesseits. Diese Aneignung der Heiligkeit durch eine doch so unheilige Politik aber geschieht, zuerst und vor allem, im Triumph. Alle wahren Triumphzüge enden in Tempeln, die Beute wird auf Altäre gelegt, damit die Gewalt heilig werde. Die aufgehängten Tro-

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phäen sind bereits Gesetzestafeln des neuen Imperiums. Ob sie in Blut geschrieben sind oder nicht, aus Triumph müssen sie kommen. Der Triumph hat als solcher eine Dimension zum Heiligen, er verleiht sie erst dem Reich. Da ist mehr als das allgemeine menschliche Bedürfnis, sich vor Größerem zu verneigen, der Triumph ist Sieg und zugleich Danksagung für Verdientes und Unverdientes, etwas von einem Gesang von Leuthen, von einem "Helm ab zum Gebet!" Die höchste Dimension erreicht der Erfolg dann, wenn er so groß wird, daß er aus dem Jenseits hereinzuragen scheint in unsere Diesseitigkeit. Heilig wird selbst der atheistische Triumph, er divinisiert sich selbst. Im Lenin-Mausoleum liegt der kommunistische Triumph begraben, in der Verehrung seiner Heiligkeit wirkt er aus ihm heraus. Die Heiligkeit des Reiches wird erst ganz in seinem Triumph wirklich erkannt. Was sonst gar nicht heilig sein könnte, Ordnungen und Normen, sie werden es als Ausstrahlungen des Großerfolgs. Denn nun ist das Reich nichts anderes als das Vermächtnis des Triumphalen, sein innerstes Wesen wird geprägt durch die Testamentsidee. Heilig wird dann das Reich durch vergangene Verheißung, welche im Ausgangstriumph lag - in der gottgewollten Gründung von Rom, im Triumph des Herrn über den Tod. Politik will sich immer selbst überwinden, höher hinaufwachsen. Wenn es ihr irgendwo gelingen kann, dann in jenem Triumph, in welchem sie ihre häßliche Macht heilig macht.

5. Reich als Geheimnis Die ganz große politische Macht wird immer etwas Geheimnisvolles, Unerklärliches haben, so wie die Ordnung, welche sie schafft und erhält. Gemeinsam ist dem Imperium dies mit dem Triumph, er gerade gibt noch mehr Geheimnis. a) Großerfolg- Verdämmerung der Einzelheiten Wo immer etwas politisch Großes gelingt, müssen seine Einzelheiten ringsum verdämmern, der Blick bleibt auf den Erfolg gerichtet, nicht auf die siegreichen Truppen. Welcher Abteilung der Durchbruch gelungen ist, bleibt gleich, Militärgeschichte. Das Große des Gesamtsieges wird Reichsgeschichte. Immer ist sie auch Staatslegende gewesen, von Rom bis Rußland. Das Wesen des Legendären, damit aber auch des Triumphes, liegt vor allem in der Beliebigkelt seiner Einzelheiten, die bald nurmehr als Ausschmückung erscheinen, doch hinter den legen-

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

dären Einzelheiten der Ilias bleibt die ganze Größe des Trojanischen Krieges. Zunächst mag es scheinen, als falle gerade das Groß~Ereignis in die Dämmerung zurück, als könne nur die Einzelheit überdauern, der Tod des Rektor, seine Rückkehr mit dem Vater. Doch die eigenartige Wirkung des imperialen Triumphs liegt gerade in einer Umkehr: Es verschwindet die Einzelheit, der Schlußerfolg allein bleibt. Er nur kann ja weiter gesteigert werden im Lobpreis der Triumphzüge, ver~ dichtet werden damit zur Reichsgrundlage, nicht die Einzelheit, das Verdienst, die Heldentat. Sie bleibt Vorbild, darin aber auch begrenzt. Die zahllosen Heldengeschichten des alten Rom, aus denen seine Geschichtsschreiber die Reichslegende gewoben haben, sind immer Beispiele geblieben, ihre Wahrheit war nie entscheidend. Im Schlußerfolg der Entscheidungsschlacht, der Reichsbefestigung, ja der Reichsexistenz selbst haben sie erst ihre triumphale Bedeutung erlangt. Gerade wer in tagtäglicher Politik sich auf große Triumphe berufen, sie reichsbefestigend einsetzen will, findet gar nicht Gehör für die Einzelheit, er verweist auf das Ganze, das Große. Die unzähligen Helden der Sowjetunion marschieren im Hades; der Triumph des Proletariats ist so groß, daß er sichtbar bleibt, aber, von seinen einzelnen Wurzeln getrennt, zum Geheimnis wird. Im Triumphalen liegt etwas von einem sichtbaren Geheimnis, in seinen Einzelheiten unerklärlich und vielleicht schon vergessen, in seiner Größe deutlich, aber gerade deshalb so geheimnisvoll, weil seine begleitenden Einzelheiten verdämmem. b) Die "geheime Reichs-Sache" imperiales Geheimnis aus Triumph Der Staat ist dem Staatsrecht stets ein Geheimnis geblieben, als solches nimmt es ihn hin, in seiner letzten Unerklärlichkeit, in einer Unausschöpflichkeit. Selbst der rechtsstaatliche Jurist ist immer emsig bemüht, wie jener Engel am Strande des heiligen Augustinus, will er doch die Unendlichkeit des politischen Volkswillens in die kleinen Grübchen seiner Paragraphen und Artikel genießen. Dieses politische Geheimnis der unausschöpflichen Staatlichkeit läßt die Bürger nicht los, mit ihm müssen sie sich beschäftigen, in dieses "Geheimnis Staat" können sie ihre Wünsche legen, in der Hoffnung, daß sie aus ihm heraustreten als politische Wirklichkeit. Am Staat ist immer, an sich schon, so vieles Geheimnis, trotz aller demokratischen Rationalität und Publizität. Mit all unserer MedienÖffentlichkeit tasten wir uns immer nur hin am Rande dieses StaatsGeheimnisses, vielleicht wird es durch allzu viel veröffentlichte Wahr-

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heit nur immer noch größer. Und eines zeigt uns gerade die geheimnisvoll-überklare Staats-Welt unserer Medien-Landschaft: In hoher Politik wird das Geheimnis größer, nicht nur, weil die Verschleierung zunimmt, sondern weil den Akteuren selbst immer weniger bewußt ist. Dann aber muß d1e ganz große Staatlichkeit, das Reich, zum politischen Geheimnis par excellence werden. Vom Staats-Geheimnis zur "geheimen Reichssache" - das ist ein Weg steigender Unerklärlichkeiten. Und gerade er wird im Triumphzug durchschritten. Das triumphale Ereignis treibt den Staat in die Höhe des Reichs, weil man ihm "sonst nie begegnet" . Der Bürger dreht sich in privaten Kreisen, in ihnen ist wenig Geheimnis. Hier, im Triumph, schreitet sein Staat völlig über sie hinweg, er stört sie nicht, "total unprivat" hält er über alle bürgerliche Erklärlichkeit die geheime Reichssache. Geheimnisvoll und unerklärlich überschreitet er mit der Wirkung dieses seines Triumphs die Lebenszeit des Bürgers, der etwa als treuer Kommunist sein einmaliges Leben in der Jenseitshoffnung einzusetzen hat, nicht für künftige Generationen so sehr, als vielmehr für das höhere Reich. Gerade wenn das ganz große Erfolgsereignis herauswächst aus "kleinen Anfängen" wie im Ersten Rom, wenn der Triumph zunächst geradezu aus Zufälligkeit zu entstehen schien - dann kann er doch nur, das Paradox mag gestattet sein, seine Erklärung finden im geheimnisvollen Reich, das mit ihm einsetzt. Der Triumph - das ist das wesentlich extrovertierte Geheimnis, dessen wahre Gründe keine geschichtliche Forschung freilegen kann. Im Triumph "wird das Reich aus Geschichte", und doch wird zugleich die Historie bewußt überwunden: Sie beschreibt, sie allein kann nichts erklären. So ist der Triumph der unerklärliche Anfang des unerklärlichen Reiches, das im Großerfolg kaum verständlich erhöht wird. Deswegen können wir hier auch nicht definieren und dogmatisieren, weil das Triumphale unser Gegenstand ist, wir werden es immer nur umkreisen können, damit Lichter von allen Seiten auf dieses Geheimnis fallen. In seiner triumphalen Grundlage transzendiert das Reich beides zugleich, Dogmatik und Historie: jene, weil das Glück der Schlachten, Revolutionen in Normen fortsetzbar, aber selbst nicht voll durch sie erfaßbar ist; Historie, weil glücklicherweise so viel verdämmert und Geheimnis bleibt am Großerfolg, obwohl er menschlich war - oft allzu menschlich. Der Triumphator ist nicht Geheimnis, der Triumph ist es, deshalb gibt es ein Reich.

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B. Triumph- Reichsgrund und Reichsanfang

6. Die Reichsidee - unsterblich im Triumph a) Das Reich - ohne Ende, daher ohne Anfang Wer imperial denkt, denkt etwas Unendliches. Das Imperium als optimale Staatsform darf schon deshalb nicht sterben, weil es das beste bedeutet, was politisch vorstellbar ist, als Idee bleibt es dem Ende entrückt. Die Staatslegende, welche seine Ursprünge beschreibt, umrankend verdeckt, kann als solche nicht sterben; wie könnte etwas, was auf der römischen Siegesidee oder auf der Erlösung am Kreuz aufbaut, verlorengehen? Legenden sind unendliche Geschichten, immer, auch wenn sie das so Vergängliche, das Politische beschreiben. Dieser erzählte, nicht nur der "gewußte Großerfolg", treibt das Reich weiter und weiter, von einer Ära in die andere. Einzelheiten bedeuten nur wenig, denn über ihnen steht die Unendlichkeit des ewigen Reiches. Das Imperium macht den Triumph, auf dem es aufbaut, durch seine große Ordnung zu einem ewigen Ereignis, im Reich ist ihm sein Monument gesetzt. Denn nur in der ordnunggewordenen Ewigkeit des Triumphes wächst dieser über die Tagtäglichkeit einer glückhaften Entscheidungsschlacht hinaus, er nimmt teil an der Beharrungskraft der Ordnung, in der er sich sozusagen auf Dauer beruhigt. In der EmpireIdee hat die Austerlitz-Stunde Ewigkeit erlangt, sie ist nicht in der Völkerschlacht endgültig abgelaufen. Im Grund hat das Reich nie begonnen. Eine Herrschaft, die ihm nahekommt, beginnt an der Unendlichkeit teilzuhaben, welche dieser Ordnungs-Idee eigen ist. Sicher wird dieses Endlose Wirklichkeit vor allem in den Wiedergeburten, in der renaissancehaften Wiederkehr der klassischen Staatsformen. Doch in der Vorstellung vom "ewigen Reich" liegt weit mehr- eine kontinuierliche Weiterwirkung von Ordnungen sogar, die längst gedacht waren, bevor sie Wirklichkeit wurden. Deshalb hat jedes Reich, das diesen Namen verdient, ja auch seine Vorläufer - so wie der Erlöser - in denen es sozusagen schon begonnen hat, bevor seine Ordnung wirklich einsetzt. Darum auch kann es nur aus einem ganz großen Triumph kommen, einem Ereignis, der ein Denken in imperialen Kategorien eigentlich schon voraussetzt, aus einer Entscheidungsschlacht, die bereits von einem Kaiser geschlagen wurde; und in diesem Sinne allerdings war es selbstverständlich, daß Napoleon vor Austerlitz schon gekrönt wurde. Im Reiche denken wir etwas, was gewissermaßen "vor sich selbst schon da war", eine Ordnung, die zwar immer größer wird, sich aber stets um sich selbst dreht, wie der Schöpfergott des Michelangelo, "nur in sich selbst begonnen haben kann". Das Reich ist allenfalls eine Ord-

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nung der Kreisläufe, nicht der Abläufe. Seine Staatslegende der ersten, großen, glückhaften Erfolge kann und darf schon deshalb nicht historisch festgelegt werden, das Gründungsdatum von Rom ist gleichgültig, weil hinter ihm ein Reich steht. Und dieses Imperiale kann nicht sterben, mögen auch seine Trümmer auf Jahrhunderte begraben werden. In der Idee ist es wahrhaft unendlich, darin hebt es sich ab von der Staatsidee der zufällig auf- und absteigenden Herrschaft, daß es auf einer anderen Ebene angesiedelt ist, der des nicht enden Wollenden. Staatliche Herrschaft- das ist eine Dogmatisierung der Reichsidee, damit aber, dem Wesen des Dogmatischen entsprechend, eine Ablösung ebensowohl von der Idealität des Reiches wie von dessen höchst konkreter Grundlage, dem Triumph. Der Staat hat keine Unendlichkeit, er ruht auf Gesetzen, weil er den großen Triumph nicht braucht und nicht kennt, das Fundament der unendlichen Reichs-Ordnung. b) Ewigkeit aus Triumph Gerade aus dem Triumph zieht das Imperium die Kraft zur Ewigkeit. Zunächst mag dies als ein Widerspruch erscheinen: Wenn das Reich nicht enden wird, weil es nie begonnen hat - wo soll dann sein Triumph stehen, welches ist seine Kraft, wenn nicht die des Beginnes? Doch hier muß unterschieden werden, zwischen der historischen und der staatsgrundsätzlich-ideellen Ebene: Historisch setzt das Reich ein mit dem Triumph, weitere Großerfolge bringen ihm immer neue historische Stunden. In der Idee aber war das Reich längst vorher da, "vor sich selber" - und nicht anders der Triumph. Er bedeutet nicht nur eine historische Stunde, er ist Erfüllung der Zeiten, das Reich setzt mit einem Ereignis ein, das "kommen mußte", das "verdient war", von wem auch immer, vielleicht ganz einfach von einer Epoche im ganzen. So wird der Triumph angekündigt, wie das Reich, durch Orakel, seine eigentlichen Gründe sucht die historische Forschung eines Tages in weit zurückliegenden Entwicklungen, der Großerfolg als Ereignis war dann eigentlich nurmehr eine Frage der Zeit. Wo aber der Triumph wirklich "so ganz Ereignis ist" , im Untergang der Armada, in der Rettung von Wien aus der Türkennot, da ist er eben doch auch selbst etwas wahrhaft Zeitloses, er ist "vom Himmel gefallen", als eine Gnade, die den Reichsbürgern zuteil wird, war er "so von Ewigkeit an bei ihrem Gott wie ihr Reich". Und nicht nur, daß das Imperium im Triumph "unsterblich begonnen hat" - in ihm gerade stirbt es nie. Der Großerfolg führt zur Feier, ihre Idee aber ist, daß sie nie enden kann. Zum "ganz großen Erfolg" gehört es, daß er ständig gefeiert wird, zelebriert werden muß, in jeder 8 Leisner

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Schulstunde, in unzähligen Medienmoden, im Selbstbewußtsein eines Staatstheaters. Gefeiert wird der Triumph als Staatsgrundlage ja auch dann, gerade dann, wenn von ihm nicht mehr gesprochen werden muß; wäre der erste Waffenstillstand von Compiegne wirklich ein reichsgründender Triumph gewesen, so hätte die Französische Republik diesen Tag leichter vergessen können, sie hätte ihn in Selbstverständlichkeit gefeiert, tagtäglich. Aus seiner Zeitlosigkeit allein kann der Triumph über alle Niederlagen hinwegführen, wir sahen es schon, etwas von der Reichsidee hat selbst die Reichskanzlei 1945 überlebt. Im Wort .,Staat" liegt etwas von der abnutzbaren Maschine, die irgendwann einmal auch wirklich abgeschrieben ist. Im Reich träumen wir von der totalen Unzerstörbarkeit des Politischen. Und deshalb können wir diesen Begriff so oft verneinen und begraben, wie wir wollen, er wird uns immer begleiten, denn etwas Imperiales legen wir, wenn auch mit echter oder falscher Bescheidenheit verbrämt, in all unser politisches Handeln. So wie die Idee der ewigen Vereinigung hinter jedem Augenblick der Liebes-Passion steht, ihm erst seine Größe gibt, so verleiht allein das Streben zum ewigen Reich politischen Taten eine, wenn auch vielleicht bescheidene, Größe. Die Kraft des Symbolischen ist in der Politik in unseren Jahren neu entdeckt worden. Nach .,Bil~ern" strebt die Herrschaft, in ihnen will sie sich dem immer primitiver werdenden Geist des Volkssouveräns verständlich machen, Bilder und Zeichen setzen und besetzen, den Frieden etwa und die politische .,Mitte". All dies sind eben mehr als Worte, hier entstehen schon Symbole für die politisch gute, große, beruhigende Ordnung. Doch nichts ist im letzten so symbolträchtig wie der Triumph - ein Bild, .,das uns so kommt", von der Heiligen Jungfrau, welche über den Wellen von Lepanto ihre Flotte zum Sieg führt, bis hin zur Kaiserproklamation in Versailles. Und es können ja auch Serien von Bildern werden, die dann zum triumphalen Film sich finden, die immer gleichen römischen Triumphzüge, die nahezu identischen römischen Feldherrngesichter, einheitlich nicht nur in der späthellenistischen Typisierung, sondern in dem, was ihren Triumph bedeutet: in der Härte der römischen Tugend. Eben dieser Triumph aber als Symbol, er ist wahrhaft unsterblich. In ihm ist ja ein Reich gegründet, das über seine Grenzen, wie fern sie auch sein mögen, immer so weit hinausreicht, daß jedem künftigen Reich noch ein Saum seines großen Reichspurpurs zur Berührung bleibt. So finden sich denn in einem einzigen, wahrhaft reichsgründenden Triumph irgendwie alle Reiche in der Idee des Imperialen zusammen, es werden immer nur neue Akte gespielt - und dies ist ein Aufruf nicht nur zum Stolz, sondern zuerst zur Bescheidenheit aller Akteure.

V. Der Weg der Staatserhöhung zum Reich- eine Via triumphaUs

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Der Triumph sagt ihnen, daß sie dienen, daß sie allenfalls Ähnliches, kaum je Größeres werden darstellen dürfen. Mitall diesen Worten und Beleuchtungen der politischen Szene wollten wir etwas sichtbar machen, was wir täglich fühlen, aus dem heraus allein wir in allem und jedem "politisch größer" handeln, was wir im letzten aber vielleicht nicht bestimmen können, jedenfalls nie sagen dürfen - gerade wenn wir dabei sind, wirklich imperial zu handeln; der Neid der Götter gönnt den herausgesagten Triumph nicht. Das Reich trägt nur, was seine Legionen und Bürger im Herzen tragen. Im gefeierten Großereignis überwinden wir, zum Reich aufgebrochen, die temporalen Kategorien unseres Denkens, vielleicht aber, mehr noch, alle unsere kantischen Kategorien. Oben hieß es, das Reich sei ihre Erweiterung, Überhöhung, es schaffe neue kantische Denkräume. Vielleicht trägt der Triumph noch höher - bis zur Überwindung aller kantischen Kategorien. Dann wäre das Reich in seinem Triumph, mit ihm und durch ihn, wahrhaft die politische Transzendenz der Ordnung. Wenn etwas auf uns Menschen triumphal wirkt, so ist es der gestirnte Himmel. Er ist das Reich, in den Sternen der Erfolge.

C. Erscheinungsformen des Triumphes Der Triumphalismus ist so stark, und mit ihm die Reichsidee, wie der Begriff des Triumphes erweitert werden kann- solange er sich nicht in einem Erfolgsgenuß verliert. Wenn das Reich verdämmert, wenn Beutezüge zu Triumphen werden, vollzieht sich auch eine Brutalisierung dieses Begriffs: Er ist nicht mehr der Weg zur größeren Ordnung, sondern ein Zustand augenblicklicher Überlegenheit. Der ganz große, Ordnung ausstrahlende Erfolg aber ist etwas anderes als die geglückte Unternehmung. In einer Welt steigender Zivilisation- mit all ihren zivilisatorischen Schwächen und Erschlaffungen - verliert der Triumph seine Chancen im Bewußtsein der Bürger, und mit ihm die Reichsidee, weil er allerdings nur eines zu sein scheint: Verherrlichung militärischer Siege, eine Schlachtengeschichte, von der sich heute die Historie immer mehr entfernt. Unser Triumphbegriff muß weiter sein, wollen wir das Reich wieder in seinen Grundzügen entdecken: Triumph ist jeder ganz große Erfolg, ob er nun für oder gegen etwas falle. Doch das Militär und seine Siege, sie haben hier ihren festen Platz, aus historischen wie aus staatsgrundsätzlichen Gründen: Das Triumphale ist den Menschen zuerst bewußt geworden im Sieg der Waffen, was nachher kam an kulturellen und wirtschaftlichen Erfolgen, war oft nur ihre sieghafte Ausstrahlung. Und nichts trägt, in der Tat, die Zeichen des Triumphes so deutlich auf der Stirn wie der militärische Sieg. Wer den Triumph zivilisieren, im Frieden erzielen will, der muß sein Wesen zuerst im Kriege erkennen. I. Der militärische Triumph 1. Der Endsieg- das triumphale Wesen alles Militärischen

a) Waffen- stets auf den "großen Erfolg" gerichtet Seit es Waffen gibt, sind sie auch auf Tötung gerichtet, jedenfalls aber auf den großen Erfolg über den Gegner, der sich nicht mehr erheben wird. Die Atombombe hat dem die Sicherheit des Selbstmords hinzugefügt, damit aber der Waffenidee eine neue Dimension gegeben: Nunmehr ist sie in der Tat nicht mehr die Verkörperung des Willens

I. Der militärische Triumph

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zum "großen Erfolg", der mit Gefahren für die eigene Existenz erkauft sein mag, nicht aber notwendig in ihnen selbst untergehen muß. Die Friedensbewegungen des Jahrtausendendes haben es wohl, wenn auch unbewußt, gefühlt, daß hier der Waffenbegriff sich wandelt, weil die ganz große Bewaffnung nicht mehr den ganz großen Erfolg bringt, sondern den Erfolgsbegriff schlechthin eliminiert. Nur wenn es gelingt, Atomwaffen zu neutralisieren, der konventionellen Rüstung eine selbständige Bedeutung zurückzugeben, dann wird der Triumphalismus der Waffen überleben können, mit ihm eine wichtige Voraussetzung für ein triumphales Bewußtsein, das zum Reich führt, ohne Selbstmord zu begehen. So ist denn der Pazifismus weit mehr als eine Angstreaktion, er ist eine Herausforderung für eine neue Militärphilosophie, ohne die es ein Reich nicht geben kann: Die große konventionelle Bewaffnung ist eine Grundlage größerer Ordnung, mit der Atombewaffnung könnte mehr untergehen als nur diverse Staatlichkeiten - sie ist eine Gefahr für die Reichsidee selbst. Etwas muß anbrechen wie eine Zeit der Schlachtschiffe, dann ist das Reich nicht weit; sie haben nicht nur imperiale Worte, sie haben die Reichsidee über die Meere getragen. Wenn die Ächtung des kollektiven Atomselbstmordes auch zur militärischen Selbstverständlichkeit geworden ist, dann wird von neuem klar sein, daß der Sinn der Waffen nicht in der großen Vernichtung liegt, sondern im ganz großen Erfolg. Blutvergießen war nie der Sinn des militärischen Sieges, töten können stets. Die Waffen sind auf jene Wehrlosigkeit gerichtet, in welcher Gefangene gemacht und sodann im Triumphzug mitgeführt werden. Die ganz großen Siegesschlachten waren oft unblutig, Gemetzel ist ein Zeichen zweifelhafter Überlegenheit. Bevor wir zum Triumphalismus finden, müssen wir erst wieder lernen, was eigentlich Bewaffnung bedeutet. Und: Der Pazifismus darf Atombomben in Kraftwerke verwandeln, Pflugscharen muß er wieder in Waffen umschmieden, die diesen Namen zu Recht tragen. Die Atombombe sollte den ganz großen Triumph bringen - sie könnte das Ende des Triumphalen bedeuten, und des Imperialen, aus dem heraus ein wahres Weltreich sie 1945 in Verblendung eingesetzt hat, militärisch ebenso sinnlos wie staatsgrundsätzlich. b) Verteidigungsideologie- Ende eines Denkens in militärischen Triumphen? Was ist von den großen militärischen Triumphen des Zweiten Weltkriegs geblieben, welche zwei Reiche befestigt, wenn nicht geradezu gegründet haben, das amerikanische und das sowjetische- nichts als

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

eine vage Verteidigungsideologie, hinter der sich der Imperialismus verstecken will, diese Degeneration des imperialen Denkens. Viel Kritisches und Ironisches könnte man sicher sagen über jene Friedenshelden unserer Zeit, die in trauriger Nachfolge ihrer trojanischen Vorgänger nicht Krieg führen mit Waffen, sandem mit Worten, die selbst den Krieg aufheben wollen, den sie nunmehr Verteidigung nennen. Nie haben solche Worte den Erstschlag verhindern können, weder in den Nahostkriegen noch im Falklandkonflikt. Und eine schlimme Folge hat das Gerede von der Verteidigung gebracht, das gewiß keine ordensgepanzerte Marschallbrust hat durchdringen können: Auch dieser schöne und tiefe Begriff ist verlorengegangen, politisch und moralisch; denn nicht ohne Recht ergreift nun die Ablehnung des aggressiven Tötens auch noch jene kollektive Selbstverteidigung, deren moralische Berechtigung doch letztlich in der selbstverständlich akzeptierten Notwehridee liegt. Wenn der Krieg einfach zur Verteidigung umgetauft wird, dann darf es eben auch diese nicht mehr geben. "Reine Verteidigungsideologie" ist als solche vollständig gescheitert, in ihr liegt nur der Zwang zur unehrlichen List der Worte: Die Staaten und ihre Führer werden durch sie nur zu einem gezwungen, was der modeme Medienkrieg ohnehin seit dem Ersten Weltbrand in unseliger Weise verbreitet hat: zur systematischen Lüge, zur Schuldzuweisung an den Gegner mit allen Mitteln, jener Folge der pervertierten Moralisierungsversuche des militärischen Konflikts. Doch die geistigen Defekte der "Verteidigungsideologie" liegen weit tiefer: Das einzige, was dem Militärischen Sinn und tiefere Bedeutung verleihen mag, ein Endsiegstreben, welches den Triumph will und hinter ihm das Reich, dies gerade verliert sich in dem "Kampf mit Schildem", mit denen leichter oft erschlagen wird als mit Schwertern und Lanzen. Wenn sich Verteidigung überhaupt definieren läßt, gegenüber dem "Krieg", so darin: Sie ist militärische Anstrengung ohne Triumphsuche, dann aber gerät die Rüstung in der Tat in die Nähe der Vorbereitung des Kriegs-Verbrechens - sie wird durch nichts mehr geheiligt, wenn ihr die Weihe eines Triumphes fehlt, den sie nicht mehr erstreben darf. Gerechtfertigt wird zwar die Anwendung tödlicher Gewalt immer dort, wo sie in wahrer, eindeutiger Selbstverteidigung geschieht - doch wann ist dies schon klar nachweisbar in einer hoch technisierten, von Kriegslügen beherrschten Welt? Dann aber schwächt sich notwendig die ethische Rechtfertigung ab. Und im Grunde hat sie allein nie zur Legitimation des kriegerischen Handeins ausgereicht, hinzutreten mußte immer die zweite große Legitimation: das Endsiegstreben, die Triumphsuche, im Namen einer größeren Ordnung; sie hat letztlich den noblen Krieg unterschieden von der blutigen Schlägerei.

I. Der militärische Triumph

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Wenn die militärische Gewalt nicht zu einem Akt des größeren ReichsTheaters wird, wenn sie immer nur ängstlich abwehren will, so wird und muß sich bald die Frage nach den Werten stellen, in deren Namen solches Töten legitim sein soll - doch nicht allein in der Aufrechterhaltung eines status quo, der in sich selbst stets kritikabel sein wird, kaum je Lebensopfer legitimiert. An dem fatalen Dilemma "Rot oder tot" kommt keine Verteidigungsideologie vorbei, solange sie dem "roten" Imperium kein anderes entgegenzusetzen hat. Ist dies aber der Fall, so wird eben imperial gedacht, der Sieg gesucht. Allein die Verbindung von imperialem Triumph und ethischem Selbstschutz kann höher stehen als das menschliche Einzelleben; was die moralische Rechtfertigung nicht leistet, wegen mangelnder Eindeutigkeit - das Streben nach großer politischer Durchsetzung kompensiert es reichlich. Erst wenn wir wieder triumphales Denken lernen, aus der Sicherheit des Reiches, welches verteidigt werden soll, dann erst gewinnt Verteidigung ihren ganzen, großen Sinn. Denn die Waffen müssen zuerst siegen, das Schwert kommt vor dem Schild. Und wie nur der Triumph die Rüstung heiligt, so kann nur sie wirklich zeigen, was Triumph bedeutet. 2. Militärischer Sieg -

der große, eindeutige Triumph

Beginnt das Reich in unserem Denken wirklich mit Waffen, gehören sie in sein Wappen? Wenn eine Ordnung zu imperialer Größe emporwächst, so scheint sie uns doch alle Zufälligkeiten militärischer Siege abzustreifen. Verdient eine Ordnung nicht erst dann den Namen des Imperiums, wenn sie die engen, oft gedankenlosen Stirnen des militärischen Räsonnierens hinter sich läßt, wenn sie dessen gegebene und befolgte Befehle in der Ordnung überhöht? In der Tat - militärischer Sieg und imperiale Größe sind keineswegs eine notwendige geistige Identität; und Soldatenkaiser mögen eher als ein Abfall von der Reichsidee erscheinen. Die punktuelle Härte des militärischen Vorgehens, die immer etwas vom "Schlag" in sich tragen wird, das alles ist allzusehr noch behaftet mit der Unruhe des sich Durchsetzenrnüssens, wo doch das Reich das Gelungene bedeutet. Die Legionen mögen auf dem Marsch dahin sein, sind sie aber bereits angekommen? Dennoch - nirgends ist der Triumph so ganz Gegenwart wie im großen militärischen Sieg, er zuerst hat die Größe, Eindeutigkeit, Dauerhaftigkeit erreicht, welche den Erfolg zum Triumph werden lassen. Eindeutigkeit vor allem: Alle anderen Erfolge mögen diskutabel sein, später in ihrer Größe erst ganz hervortreten, von Wertungen mag ihre

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

Höhe abhängig sein, von geistigen Betrachtungsweisen, welche eine spätere Zeit einmal unangreifbar macht. Dies sind die Schwächen aller "zivilen Triumphe"; der militärische ist ihnen überlegen, weil die untergegangene feindliche Flotte keinen Kanonenschuß mehr löst, weil der gefangene Kaiser dem Sieger den Degen übergibt. Die siegreiche Entscheidungsschlacht fragt überhaupt nicht mehr nach Verdienst, nach ihren tausend Helden, sie setzt all dies voraus, in ihr breitet sich das Reich aus über das gewonnene Schlachtfeld, über die eroberte Festung. Endsiegstimmung aber muß da sein, damit Eindeutigkeit bestehe; und nichts ist für die Reichsidee gefährlicher als zweideutige Siege eines Imperiums, die Französische Republik hat es nach 1918 erleben müssen. Churchills Streben nach der bedingungslosen Kapitulation war ein gefährlicher Racheakt, zugleich aber eine triumphale Weisheit. Die militärische Entscheidungsschlacht mag so engstirnig sein wie die Offiziere, welche die letzten Bastionen des Gegners stünnen, sie hat für sich die Eindeutigkeit der geistlosen Gewalt, aus ihr wächst ihre Antithese: das Reich in seiner hohen geistigen Ordnung. Gerade als solches wird es immer von der Kritik angegriffen werden, irgendwo muß der blanke Stahl ihrer Säure widerstehen, der schneidende Endsieg. Größe erreicht der militärische Sieg mehr als jedes andere Ereignis; imperiale Kraft liegt in ihm, und wenn er später noch so schwächlich auseinanderläuft, in der Gerusalemme liberata hat Italien etwas von politischer Renaissance erlebt, die Reichsidee ist zurückgekehrt; Salamis hat das geistige Reich der Griechen begründet, das längst vor Alexander dem Großen da war, das kein Peloponnesischer Krieg hat zerstören können. Reichsgründung - Reichszerstörung, im militärischen Triumph liegt beides ganz, in jenem "einen Schlag", mit dem der Bote des Aischylos das Ende seines Reiches ankündigte, den Beginn des Reiches der griechischen geistigen Freiheit. Dauerhaft schließlich kann der militärische Sieg sein, nur als Endsieg führt er zum Reich, von der Zerstörung von Karthago bis zur Kapitulation von Georgetown. Wenige Augenblicke in der Geschichte sind es, in denen jene Endgültigkeit sogleich erreicht wird, in welcher der militärische Sieg zugleich zum politischen Faktum, zum Triumph emporwächst. Nur Mächte mit ganz großem imperialen Atem, Rom oder England, können solche Augenblicke auf die Geschichte verteilen, militärische Siegesserien orakelhaft mit einer Schlacht beginnen lassen. Die Stunden von Cannae und Austerlitz bringen imperiale Augenblicke, in denen sich der Himmel zu öffnen scheint zum Reich. Wenn sie an frühere Imperialität anschließen, wie in den Siegen des großen Kaisers, so werden sie, gehalten von ihr, mit reichsgründender Kraft begabt; wollen sie ein Imperium erst hervorbringen, so bleiben sie

I. Der militärische Triumph

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militärische Fata Morgana. Der militärische Sieg als solcher läßt sich besingen - nur wenn er zum Triumph wird, kann man ihn feiern, auf Dauer. So ist denn die militärische Gewalt eine Chance zum Triumph, keine sichere Via triumphalis. Reine Gewalt errichtet nur ein militärisches Gerüst; ob hinter ihm dann die Mauern des hohen Rom emporwachsen, ist eine transmilitärische Schicksalsfrage. Eines aber bietet der siegreiche General: das Gerüst eines Reiches. 3. Die staatsgründenden Kräfte des militärischen Sieges Die Entscheidungsschlacht ist eine Stunde, sie bringt einen Zustand; führt sie empor in die Ordnung des Imperiums? Wir glauben, daß dies ihr wesentlich sein kann, daß sie an sich alle Kräfte dazu in sich trägt, daß gerade hier das Wesen des Triumphalismus erkannt werden kann, deshalb beginnt unsere Betrachtung mit ihr. -

Unbestreitbarkeit ist wohl die staatsgründende Kraft des militärischen Sieges. Mit ihm werden die Fundamente des Staates selbst aller Kritik entzogen - und doch schließt der militärische Triumph jene belebende Kritik nicht aus, ohne welche eine höher entwickelte Staatsordnung nicht denkbar ist. Der militärische Sieg schlägt ja nur die physische Gegen-Gewalt nieder, er sichert lediglich die tiefsten Grundlagen, auf denen sich dann bewegliche Geistigkeit ohne weiteres entfalten kann. Der militärische Triumph ist nicht primär selbst Gewalt, vor allem bringt er das Ende aller Gewaltanwendung, damit schafft er jenes Gewaltmonopol der Staatlichkeit, in welcher gerade heute deren Wesen gesehen wird. Selbst die "kleine Staatlichkeit" der Normen und Gesetze braucht Unbestreitbarkeit, sie sucht sie in einseitigen Willenserklärungen. Der große militärische Triumph fügt die höhere imperiale Wirklichkeit hinzu. Es ist durchaus nicht der Geist der totalen Besatzungsordnung, der hier über das Reich ausgegossen wird, im Gegenteil: Der militärische Großerfolg verleiht eine letzte Sicherheit, welche erst wahren und dauernden Liberalismus ermöglicht, eben das, was dem Bürger Freiheit gibt und Autonomie und damit die Ordnung konstituiert; denn darin unterscheidet sich diese ja vor allem in imperialer Größe von der Staatlichkeit, daß nicht alles befohlen, wohl aber alles eingebundenwerden kann. Wenn also Freiheit und Autonomie zum Begriff Ordnung gehören, damit zu dem des Reiches, dann führt, so paradox es scheinen mag, die gewonnene Entscheidungsschlacht geradewegs zur Liberalität einer alles übergreifenden Ordnung. Die englische imperiale Libertät war erst nach Trafalgar möglich, die Entschei-

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dungsschiacht hat diesem Reich jene Sicherheit gebracht, aus der heraus so vieles, im Grunde alles erlaubt sein konnte. Im Hydepark mochte diskutiert werden, weil es auf den Meeren nur eine Flotte gab. -

Die Entscheidungsschlacht definiert sich daraus, daß ihr Ergebnis nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Was sie an Fundamenten des Reiches gelegt hat, bleibt unverrückbar im Boden, und wenn noch so vieles wechselt, was darauf errichtet wird. Vom Begriff des Fundaments ist so viel die Rede in der Staatslehre, und doch ist gerade die Narrnativität des Verfassungsrechts kaum in der Lage, den Begriff mit wahrem Sinn zu erfüllen. Wenn fundamental nur die Normen genannt werden, zu deren Abänderung man einer etwas größeren Mehrheit bedarf, so ist die Unverrückbarkeit aufgegeben, die aber im triumphalen Ereignis liegt, nirgends stärker als im militärischen Endsieg; die Historie wird dann fortgesponnen, nicht neu verankert. Abbau der Staatsgrundlagen - das ist ein Widerspruch in sich, eine normative Spielerei der liberalen "kleineren" Staatlichkeit. Im Reich hat er nicht Platz, weil die Fundamente tief im Boden bleiben - tief in den Herzen der Bürger als Erinnerung an eine glorreiche Stunde. Kasernen lassen sich schwerer abschaffen als Grundrechte, militärische Traditionen, von großen Siegen geprägt, sind schwerer zu verändern als Staatsgrundsatznormen. Deshalb bedarf auch eine demokratische Imperialität keiner Verankerung ihrer "Verteidigung" in der Verfassung: Das Grundgesetz ihrer Armee ist der militärische Triumph, wenn es ihn nicht gibt, so muß er erfunden werden; er trägt in sich sein Ziel, besser formuliert in der Geschichte, als es je ein Normgeber vermöchte.

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Einmaligkeit ist dem militärischen Sieg eigen wie keinem anderen Groß-Ereignis, die Konzentration auf einen Tag, auf eine entscheidende Stunde. In der siegreichen Schlacht kulminiert etwas, sie ist ganz Spitze, in ihr ballt sich das Staatstheater in imperialer Mächtigkeit zusammen. Und wie sich das Imperium aus der politischen Erscheinungen Flucht heraushebt, aus der Serie der Staatlichkeiten und Befehlsordnungen, so fällt der Schlachtentag vom Himmel. Gefeiert wird "ein großer Tag, ein Freudentag". Wollen wir wieder die gemeinsame Feier der Bürger verstehen, so werden wir immer im tiefsten Herzen an den militärischen Sieg denken, etwas von diesem Victoria reicht dann hinein bis in den Wahlsieg, den großen wirtschaftlichen Erfolg. Die Faszination, welche stets das Militärische sogar und vor allem auf die friedlichste Intelligenz ausgeübt hat, liegt wohl in diesem Staatstheater, das hier als Reichstheater ganz groß gespielt wird.

I. Der militärische Triumph

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Es bedeutet etwas, wenn ein Großerfolg des Abbildes fähig wird die Entscheidungsschlacht ist es. Ein Augenblick kann hier zum Bild werden, zum Symbol, welches über den Säulenhallen des Reiches aufgestellt wird. Wer könnte einen Wahlsieg darstellen- er müßte allzu viele kleine, gleiche Menschen zeichnen; und der wirtschaftliche Erfolg als Bild - wie weit ist dies noch entfernt vom Kitsch der Belle Epoque? Der wahre militärische Triumph ist immer abbildbar gewesen, wo er es nicht mehr ist, fehlt ihm vielleicht die letzte Überzeugungskraft. Dieser militärische Sieg kann besungen werden, er ist ein Gegenstand des Epos immer gewesen, mehr noch: Er wird in allem "!ehrbar".

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Das Groß-Ereignis als laufende Lehre - das ist ein Vorrecht des militärischen Sieges zuerst. In ihm tritt ja alles ins Rampenlicht, was auch die Demokratie braucht, will sie nur Größe beweisen, sie vielleicht mehr als jede andere Staatsform: den Mut ihrer Bürger und ihre Bereitschaft zum Widerstand, nicht nur gegen ihresgleichen; denn wer den militärischen Triumphalismus verlernt hat, soll nicht von Widerstand gegen die Macht reden, er verlangt jene Tapferkeit, die auf Schlachtfeldern gelernt wird und im militärischen Dienst, die Schweizer Volksmiliz ist ein wahrhaft imperiales Beispiel. Vor allem aber ist es der Opferwille, der in der siegreichen Entscheidungsschlacht seinen Triumph feiert, ihn seinem Reiche und dessen Bürgern weitergibt. Wenn eine Gemeinschaft soviel wert ist, wie ihre Bürger für sie einzusetzen bereit sind, so hat ihnen gegenüber die Demokratie mehr Rechte als jede andere Staatsform, sie bietet eine Freiheit, für die es sich lohnt zu sterben - aber nur, wenn frühere Triumphe zeigen, daß dies schon Wirklichkeit war; die Legitimation des heutigen Lebenseinsatzes liegt allein im erfolgreichen Lebensopfer der Vergangenheit.

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Im militärischen Erfolg ist mehr Glück als in allem anderen, was sonst Menschen gelingt. Das Reich und sein Triumph weisen diese Legitimation nicht zurück, sie brauchen sie, ist doch ihr Staat nicht eine wohlkonstruierte Maschine, sondern ein Gebäude, über dem wirklich stehen kann: FeHeiter - mit Glück beendet. Die Demokratie der Prüfungen und Verdienste, der Konkurrenzen und rechenbaren Durchsetzungen braucht gerade dies, eben weil sie ganz offen die Schwäche der Freiheit predigt, sonst in sich nichts tragen will. In der Bildhaftigkeit und Lehrbarkeit wird die einmalige Schöpfertat des militärischen Triumphs zur creatio continua des Imperiums, die staatsgrundlegenden Kräfte werden verewigt. In dem Glück, das im gewonnenen Spiel der Schlacht liegt, wächst der militärische Triumph in die Höhe des Heiligen hinauf, vergossenes

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

Blut erhebt ihn über das Staats-Roulette. Darin ist wahrhaft ständige Gründung des Reiches. "Blut der Märtyrer - Samen der Christen", so stand es einst über einer Kirche, als sie noch ganz groß war, ganz Zweites Rom. Etwas vom militärischen Triumph liegt auch darin, in den Armis Christi, jenen Leidenswerkzeugen, mit denen der Herr seine Gegner bezwingt und den Tod. Auch dies ist ein Sinn der Entscheidungsschlacht - leiden können bis zum guten Ende, auch dies ist eine staatsgründende Triumphstraße zum Reich. 4. Militärische Niederlage als staatsgründender Triumph? Die Lage Deutschlands und seine Geschichte seit dem Ende des Reichs stellen eine Frage: Läßt sich ein Reich gründen, oder auch nur ein Staat mit größerem, dauerndem Ordnungsanspruch, auf die totale militärische Niederlage? Macht der militärische Einsatz so stark, daß er "an sich wirkt", selbst wenn er erfolglos bleibt? Drei Aspekte gilt es hier zu unterscheiden: Heldentum, Revanche, Teilhabe am gegnerischen Triumph. -

Heldentum in der Niederlage bedeutet moralische Kraft, imperiale Dimension erreicht es nicht, und gerade dies ist ein sicherer Beweis für die reichsgründende Kraft des Triumphes - dem Heldentum der Niederlage fehlt sie; es überzeugt viel, es überzeugt nicht die vielen. Das Reich bedarf des Erfolges, nicht nur der großen Menschlichkeit. Helden mögen im Triumph mitziehen - er ist mehr als Opfer; einzelne große Taten mögen ihn einleiten, Wilhelm Tell ist ein Zeugnis, doch erst der Sieg der Erhebung hat das Schweizer Imperium der hohen Berge begründet. Die heldenhafte Niederlage hat etwas Erschütterndes, doch der Geist des Reiches ist in ihr nicht; die Alte Garde hat bei Waterloo kein Reich zu retten vermocht. Wären die Thermopylen nicht in ein Marathon verwandelt worden, es würden vielleicht Wanderer stehen bleiben, dann aber vorübergehen; denn sie müssen nach Sparta gehen können. Heldentum und Niederlage gehören sicher zusammen, nirgends ist das Heroische so stark wie im Untergang; und die legendären römischen Reichs-Helden mußten die Kraft haben, in einen Abgrund zu springen. Doch all dies waren vielleicht Zeichen zum Reich, Wegsäulen - erst der Triumph bringt die große Ordnung hervor, ein Pour le merite nach verlorenem Weltkrieg bedeutet nichts. Für die Demokratie gilt dies mehr als für jede andere Ordnung: Ihre Bürger brauchen ihre Helden, doch überzeugt hat die vielen immer nur der große Erfolg. Das Reich muß aus Nachahmung, aus Solidarität, aus gleichem Tun der Bürger kommen, soll es demo-

I. Der militärische Triumph

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kratisch wachsen, die Bürger wollen wohl gleiche Erfolge erzielen wie ihr Staat, dazu halten sie sich nicht für unfähig in neuem, demokratischem Selbstbewußtsein; doch Helden sein wie die wenigen das ist ihnen nicht gegeben. Die Selbstverständlichkeit demokratischer Imperialität kann aus dem Heldentum einzelner nicht wachsen. -

In einem allerdings mag die militärische Niederlage, gerade die bitter verlorene Schlacht, der Beginn eines Triumphes sein: in der Revanche-Idee. Nirgends ist diese wohl so stark wie im Versuch des militärischen corriger la fortune. Was eindeutig verloren wurde, kann doch mit gleicher Eindeutigkeit wieder gewonnen werden, der eine Schlag wird ausgelöscht durch den einen Gegenschlag. In diesem möglichen Revanche-Denken liegt auch die Schwäche des rein militärischen Triumphalismus, der durch diese mächtige und moralische Idee wieder umgekehrt werden kann - in eine Niederlage, so wie kaum ein anderer geschichtlicher Großerfolg. Die Niederlage als Siegesstachel hat die französische III. Republik in die Nähe der alten imperialen Größe geführt, ein Abglanz davon lag sogar noch über jenem Gaullismus, der den Französinnen und Franzosen an seinem Beginn versprach, Frankreich habe nur eine Schlacht verloren, nicht den Krieg. So mächtige moralische Kraft verleiht die Niederlage, daß sie erfunden werden mußte, um die größten Reichsanstrengungen der Geschichte zu erklären - das römische Imperium als Rache für Troja, die Aeneis als imperiale Überwindung der List des Odysseus. Doch gegen den "großen Erfolg als Reichsprinzip" bedeutet all dies nichts - im Gegenteil: Der Triumphzug wird nur um so glänzender, wenn er aus den Tiefen der Niederlage aufsteigt, aber er muß vom Erfolg gekrönt sein, soll die Revanche nicht in Revanchismus verflachen, gar zum Verbrechen werden gegen inzwischen etablierte andere Imperien. Die deutsche Revanche für Compiegne hatte eine große Stunde - das zweite Compiegne, es war eine Reichsstunde, die ungenutzt blieb, die letzte der Deutschen. Von da an blieb ihnen nur eines mehr:

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Teilhabe am Triumph der anderen - darauf haben viele in Deutschland geglaubt, einen neuen Staat errichten zu können, von nahezu früherer Bedeutung. Sicher- im ganz großen Triumph ziehen auch die Geschlagenen mit, und im Laufe der Feiern mag man ihnen die Fesseln abnehmen, so daß sie sich fühlen dürfen wie Bürger der Großreiche - aber nur Augenblicke lang, nie zu einem eigenen Imp~rium hin. Der Triumph des äußeren Feindes über den eigenen inneren Gegner ist stets von der geretteten Partei als ihr eigener gefeiert worden, und oft war er es wirklich, in einem größeren

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C. Erscheinungsformen des Triumphes Sinne - die Partei des Philipp von Makedonien in Athen hat in der Tat auf den gesetzt, der allein leisten konnte, was an Griechischem noch zu tun war. Und so mag auch der deutsche Antifaschismus legitime Triumphgefühle empfinden, wenn schon die Vernichtung des Reiches das Beste war, was den Deutschen noch widerfahren konnte. Da mag vieles wünschbar sein und erfreulich, nur eines ist Teilhabe an fremdem Triumph nie, die Freude an den siegreichen Fahnen des "größeren Bruders", vor dem die eigenen gestrichen wurden: Da sind nie die Adler auf dem Flug vom Triumph zum Reich. Nur aus einem könnten sie sich erheben, selbst mit dem Wind fremder Erfolge - aus einer ganz mächtigen und eindeutigen Befreiungsideologie heraus, wenn wirklich die fremden Armeen nur die eigenen Kräfte beflügelt hätten. Die Deutschen werden das von sich nicht sagen dürfen, im Westen so wenig wie im Osten, dankbar dürfen sie sein für wiedererlangte Freiheit, ihren Reichs-Triumphalismus haben sie vielleicht zu Recht und endgültig verloren, ihre Gegner haben ihre eigenen Imperien über ihnen errichtet, diese Adler dürfen sie so wenig berühren wie die Atombomben, mit welchen ihre früheren Feinde sie heute schützen. In solchen militärischen Niederlagen, wie sie Deutschland erlitten hat, bricht die militärische Siegestradition einfach und endgültig zusammen. Was das bedeutet, haben die Deutschen vielleicht gefühlt, mit anderen kleinen Triumphen überspielen wollen, nie aber wirklich erkannt. Es ist der Verlust der Triumphalität und des Reiches, selten vielleicht hat die Geschichte so deutlich gezeigt, wie stark der militärische Sieg ist - in einer Zeit, die nicht mehr von ihm reden will. 5. Der demokratische Militärtriumph Bürgerwehr, Levee en masse

Nur die Verfallsdemokratie rüstet ab. Imperiale Volksherrschaft, der vielleicht die politische Zukunft gehört, hat ihre militärischen Groß-Siege in der Geschichte gefeiert, mit eigenen Mitteln, sie hat ihre Triumphe bereits wahrhaft imperial institutionalisiert. Es ist hohe Zeit, die Demokraten daran zu erinnern: Begonnen hat die Demokratie nicht mit Urkunden und applaudierten Normen, sondern mit Bürgerheeren. Darin vor allem ist die freie Schweiz stets imperial geblieben, daß sie so viele Tapfere zählte in ihren Gebirgstälern, daß sie Europa seine Söldner geben und zugleich ihre Alpenfestung stets hat bewahren können. In den Schweizergarden hat ein kleines Volk etwas wie eine militärische imperiale Triumphalität über die europäischen Höfe ausgebreitet, eine große Bürgerwehr, bezahlt im Ausland, ohne Sold in der Hei-

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mat. Die Schweiz ist ohne Milizidee heute staatsrechtlich nicht vorstellbar, Imperialität hat sie in diesen Formen der Militärorganisation darin erreicht, daß diese eine perfekte, vielfältige Ordnung in Einheit schützen, und in Frieden, im Zeichen des wirklichen Reiches. Die Schweizer Armee bedarf keiner Schlachten, denn niemand hat je ihre Stärke bezweifelt, die großen, demokratischen Anfangstriumphe begleiten sie, auch heute traut jedermann dieser Miliz zu, daß sie ein Sempach wiederholen könne. Und dies ist eine demokratische "Triumphalität in Organisation": Alle Bürger tragen das Heer, Verteidigung ist selbstverständlich, weil es außerhalb der Schweiz nichts Erobernswertes gibt - dies eben ist ein Zeichen des Reiches. Für Freiheit und Vielfalt werden Waffen verteilt und bewahrt, der Demokratie ist hier das Größte gelungen, was ein Heer erreichen kann: Nicht nur jeder an seinem Platz - an jedem Platz einer. Die Demokratie hat die Chance zu den größten und stärksten Armeen, Amerika hat es gezeigt: Hier steht jeder in Freiheit zum Staat, jeder zahlt seinen Zoll in jeder Weise, in Einheit über der Vielfalt wird eine gewaltige Militärmaschine bewegt. Wenn sich der Bürgerstaat auch als Militärstaat fühlt, ist er unschlagbar und wenn er die Milizidee wirklich versteht und in seine ungeschriebene, unveränderliche Verfassung aufnimmt - dann liegt der Triumph bereits in dem Augenblick, in welchem das Volk aufsteht, der Sturm losbricht, denn wer könnte ein Volk erschlagen? Die Demokratie schämt sich der militärischen Imperialität, und doch ist diese keiner Staatsform so gegeben wie dem Bürgerstaat. Diesen triumphalisti:schen militärischen Stolz gilt es, in demokratischen Armeen stets wach zu halten. Noch ein anderes Beispiel bietet uns die Geschichte für den großen militärischen Triumph der Demokratie, den größten vielleicht, den wir, rein militärisch, überhaupt kennen: der spektakuläre Sieg der Levee en masse in der Französischen Revolution. In verzweifelter Lage, militärisch umzingelt und politisch geächtet, sind in demokratischem Aufbruch beispiellose militärische Erfolge errungen worden, die Grundlagen für ein späteres Empire, mit dem Napoleon auch nie die revolutionären triumphalen Grundlagen verleugnet hat. Die Idee der Levee en masse, des Volkes, das zu den Waffen greift im Namen der Freiheit, ist vielleicht bisher nie in ihrer militärischen Furchtbarkeit erkannt worden, und doch hat sie sich immer wieder darin bewährt, bis hin zu den Partisanenarmeen in den Weiten des Ostens. Die militärischen Kräfte der Gleichheit haben hier wahrhaft atomare Kettenreaktionen ausgelöst, zu etwas wie den "Siegen der unbegrenzten Möglichkeiten" geführt. Die allgemeine Wehrpflicht, wahre

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

Demokratisierung innerhalb der Armee, eine Bürgerfreiheit in Uniform, die streng bleibt und tapfer - "einen besseren findst du nicht". Und noch etwas vermag diese militärisch-triumphalistische Demokratie: Einen wahrhaft "imperialen Aufbruch von unten", ein Solidaritätsdenken, das von der Basis kommt, aber in die "Grande Nation" hinaufreicht. Es ist da etwas wie ein "militärisches Empire von unten". Da ist der Schwung des Einfachen, Un-lntellektuellen, die Brüderlichkeit von Menschen, die nichts sind als das. Sie aber können vielleicht geschlagen, sie können nie erschlagen werden, ein nostris ex ossibus ultor ist hier nicht Wunsch, sondern Sicherheit. Der militärische Großerfolg der Levee en masse hat in Frankreich eine Militärtradition des Sieges mit den Revolutionsheeren begründet, welche die französischen Streitkräfte bis heute begleitet hat, mehr noch: welche immer zugleich auch die lmperialität Frankreichs tragen konnte. Mit der Niederlage von Sedan brach eine neue, eine Gegen-lmperialität in Gambettas Levee en masse auf, nur deshalb ist die Reichsidee in Frankreich damals nicht verloren worden. Und in furchtbarer Konsequenz trug sie zu einem weiteren wahrhaft imperialen Ereignis: zum Widerstand bei Verdun, wo ein ganzes Volk bereit schien, in Millionen zu sterben, für seine Freiheit, mehr noch: für sein Reich. Daß eine Demokratie dies vermocht hat, zeugt von einer Kraft der VolksTriumphalität, die nie verstehen wird, wer da nur Gefallene zählt. Die Demokratie hat ihre Chance zum Imperium, wenn sie zu all dem bereit ist- zum Aufbruch aller, zu aller Opfer. Militärischer Triumphalismus bedeutet uns nur allzu oft allein den weißen Helmbusch - dann haben wir ihn nicht verstanden. Die ganz große, gemeinsame Anstrengung, der gemeinsame Erfolg ist es, was hier gekrönt wird; und diesen Lorbeer trägt am besten noch immer der republikanische Imperator, für alle, für aller Reich. Für alle Staatsformen, vor allem aber für die Volksherrschaft, kann also der militärische Triumph zur Grundlage ihrer Ordnung werden. Wenn unsere Zeit versucht, die Aktionen der uniformierten Staatsgewalt auf die Aufgabenerfüllung von Bestattungsunternehmen herabzustufen, so ist dies nicht nur Abfall von jeder lmperialität, sondern ein Mißverständnis aller Staatlichkeit. Der Demokratie bleibt es heute aufgegeben, nicht in falscher Friedlichkeit den Triumphalismus zu verleugnen, sondern den Bürgertriumph an die Stelle des blutigen Sieges zu setzen. Dabei muß ihr jedoch stets der militärische Großerfolg als Vorbild dienen: Nur wenn in ihren Erfolgen etwas ist von der hohen Nacht nach siegreicher Schlacht, nur dann wird der Bürger-General beiden befehlen können - dem Marschall der Gewalt wie dem Obristen des Putsches.

II. Die triumphierende Revolution

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ß. Die triumphierende Revolution

1. Die "große Revolution"- Aufbruch zu neuer, größerer Staatlichkeit Siege der Gewalt will die gewaltlose Demokratie nicht mehr kennen, doch ihre Friedfertigkeit schreitet keineswegs über alle Gewalt hinweg, auf einer steht diese Demokratie, fest und gerade auf sie gegründet: auf der siegreichen Volkserhebung. Sie ist in ganz anderer Weise ständig gegenwärtig, ein lebendiges Lehrbuch des Bürgers, als der größte Schlachtenerfolg; Stalingrad ist nurmehr eine Episode der Russischen Revolution für die Sowjetbürger. Die beiden großen Erhebungen der neueren Zeit, die eigentlich allein den Namen der Revolution verdienen, 1789 und 1917, sind beide Volkstriumphe gewesen und zugleich Gründungen demokratischer Imperialität, wie immer man hier den Begriff der Volksherrschaft verstehen mochte. Fürsten und Feldherrn mag es gegeben sein zu siegen - zeigt nicht die Geschichte, daß im letzten nur das Volk reichsgründend zu triumphieren vermag? Grundlegung neuer Staatlichkeit im Großerfolg - das kennt in unseren Jahrhunderten :e igentlich nur die Volksmacht Fürsten und Feldherrn mögen Siege erringen, ihre Erfolge haben etwas von der restaurativen Schwächlichkeit der Reichs-Befestigung, die berstende Bögen halten will; das Volk baut sein Reich ganz neu, über den Trümmern zerbrochener Staatsgewalt. Den russischen und den französischen Revolutionären ist eines gemeinsam: Beide haben sie nicht fortsetzen wollen, sondern ern~mern, von den früheren Ordnungen blieb nur das Volk übrig, und dieses selbst war ein anderes geworden, im Bewußtsein einer ganz neuen Mächtigkeit. Alle umliegenden Staaten haben es damals gefühlt, deshalb die Revolutionen bekämpft und geächtet, weil sie nicht irgend etwas Neues brachten, sondern einen "ganz anderen" Staat. Diese neue Bürgergemeinschaft trat auch international mit dem Willen der großen Novation auf: Die Schulden des früheren Regimes wollte sie nicht bezahlen, neue völkerrechtliche Normen suchte sie zu setzen, im Namen der Befreiung und der Befreiungskriege. Die Brücken zur alten Staatlichkeit wurden so völlig abgebrochen, wie es nur eine Anstrengung vermag - wenn zum Reich aufgebrochen wird. Die revolutionäre Imperialität ist deshalb die stärkste und überzeugendste, welche wir kennen, weil sie nicht verändern will, sondern verwandeln, weil sie allein spürt, daß mit ihrer großen Bürger-Ordnung etwas ganz Neues kommt, das in keiner Tradition stehen kann, weil außer ihm nichts ist, weder 9 Lelsner

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C. Erscheinungsfennen des Triumphes

im Raum noch in der Zeit - eben das Reich. Revolutionäre Demokratie ist kein Fortsetzungsgebilde der Herrschaft, in ihrem Anspruch der Herrschaftslosigkeit gerade bekennt sie sich zur Ordnung, dem neuen imperialen Organisationsprinzip, jenseits von allen Befehlen. Mit der überschießenden Kraft eines neuen Imperiums setzt die revolutionäre Demokratie auch an einem anderen Punkt ein: Sie öffnet sich, in ihren ersten Phasen zumindest, geistig aber immer, anderen Bürgern und Staaten. Die Sowjetmacht wurde errichtet mit dem Vereinigungswillen aller Proletarier, der junge Sowjetstaat öffnete sich allen anschlußwilligen Räterepubliken. Die I. Französische Republik erstrebte etwas wie eine imperiale Weltherrschaft der Freiheit, alle freiheitlichen Gemeinschaften erschienen ihr als natürliche Verbündete, ja als Teile dieses größeren Reiches. In diesem Bewußtsein allein, mit erstaunlicher Leichtigkeit, konnte Napoleon das französische Empire mit einem Strahlenkranz kleinerer Staaten umgeben, sein Licht erlosch, als das Feuer der Revolutionen in ihnen von den Parvenu-Fürsten seiner Familie und ihrer neuen Feudalität erstickt wurde. Etwas aber von wahrer Imperialität ist der freiheitlichen Demokratie immer geblieben, eine Leichtigkeit des Zusammenschlusses mit anderen freien Staaten, als Heimstatt für alle, die um der Freiheit willen verfolgt werden. So liegt in der Bereitschaft, auf Souveränität zugunsten überstaatlicher Zusammenschlüsse zu verzichten, etwas von demokratischem, föderalem Staatsdenken, die Vielheit will aus sich die Einheit hervorbringen. Auch wenn es nicht gelingt - der Aufbruch hat etwas Imperiales. Und im politischen Asyl, in der Bereitschaft, nicht nur fremde Bürger aufzunehmen, sondern fremde Gemeinschaften, liegt etwas von der "Öffnung des Reiches", welche auch die politischen letzten Grenzen des "geschlossenen Handelsstaates" sprengt, im Namen der größeren Ordnung. In jeder Asylgewährung will ja die Demokratie "triumphieren im kleinen", als Reich, über die Un-Gewalt der Fluchtregime.

2. Die Revolution - militärischer und ziviler Triumph verbündet a) Die große Revolution - immer ein militärischer Sieg Die Revolution braucht die Gewalt. In ihr erst wird sie ganz legitim. Darin liegt eine tiefe Rechtfertigung der militärischen Triumphalität durch ihr angebliches Gegenbild, den demokratischen Pazifismus: den friedlichen Kindern und Enkeln der Revolution kann nicht immer nur erzählt werden von neuen Gesetzestafeln und größerer, genüBlicher Freiheit. Die Opfer ihrer Gewinnung müssen in den Tempeln aufgehängt sein, zur Verehrung für alle Bürger. Mag dann übertrieben wer-

II. Die triumphierende Revolution

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den und gelogen, wie in allen Triumphen- etwas Wahres, Unbestreitbares ist für die Revolution nur der große militärische Sieg, will sie nicht im Blut der Terreur untergehen, der "rein internen" Abrechnung zwischen den Klassen. Alles Demokratische ist stets wesentlich illegal, weil es mit früherer Staatlichkeit radikal brechen muß. Deshalb gerade braucht es den großen militärischen Sieg, und wenn er zum Blutbad würde. Nicht nur, damit aufgerichtete Freiheit, die als solche ja etwas durchaus Unbegeisterndes hat, von Barrikadenrauch und zerfetzten Fahnen verhüllt, zum Heiligenbild werde, sondern vor allem, damit die ganz große Gesetzwidrigkeit des demokratischen Aufstandes aufgehoben erscheine im übergesetzlichen Notstand des Volkes, das in Waffen siegt. Ein Mißtrauen verdient stets die "unblutige Revolution": daß sie eben doch "alles beim Alten" lassen könnte, dann aber auch rasch in dieses Alte zurückfallen wird. Selbst wenn "die Zeit reif" sein sollte und als Frucht den Bürgern in den Schoß fällt - was sie nicht mit Blut und Tränen, im Schweiße ihres Angesichts erworben haben, wie sollen sie es auf Dauer genießen? Hier unterscheidet sich die müde Staats-Demokratie, welche nur die Abdankung ihrer noch müderen Könige entgegengenommen hat, von der jungen, kraftvollen Volksherrschaft, die nichts kennt außer den Bürgern und ihrem Reich, die länger dauern wird, weil sie imperial begonnen hat, stark genug ist, von dieser ihrer Imperialität vielen kleinen Volksherrschaften noch etwas zu lassen, welche nur in der Sonne militärischer Erfolge der Größeren haben entstehen und bestehen können. Denken wir an die Amerikanische Revolution, die wir so selten nennen, weil sie von der größeren Frankreichs überschattet worden ist: Sie hat ein größeres Reich gegründet, nicht nur in ihren weiteren Räumen, sondern auch in ihrem größeren, militärisch endgültigen Sieg. b) Imperiale Endgültigkeit im zivilen Sieg Der staatsgründende Erfolg beginnt militärisch, er endet zivil - das hat keine Staatsform voller bewiesen als die Volksherrschaft. In ihren Waffen liegt schon das Bürgerhafte, in diesem Sinn ist ihre blutigste Gewalt selbst irgendwie eine "bürgerliche", weitab von der "reinen Militarität" herrschaftsgründender Condottieri. Und so, wie sie begonnen hat, setzt sie sich alsbald in zivilen Siegen fort: Den militärischen Sieg verwandelt sie in bürgerlichen Ordnungsbeginn, ihr eigentliches Werk fängt an mit dem Schweigen der Waffen, wenn auch in ähnlichen, oft so brutal-militärischen Formen. Das große Problem der imperialen Staatsgründung aus dem Triumph der Gewalt löst heute wohl s•

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

nurmehr die Volksherrschaft, vielleicht ist dies immer ihr größtes Vorrecht gewesen: die große Kontinuität des militärischen Triumphes in den zivilen hinein, das Imperium als Verlängerung der Siege. Was "verlängerter Sieg" bedeuten kann, weiß allein die Volksherrschaft wirklich. Vielleicht ist sie nur darin heute die stärkste aller Staatsformen. In der siegreichen Revolution werden zwei Sehnsüchte Wirklichkeit, deren Erfüllung die Vergebung der Sünden von Blut und Gewalt bringt: Friede und Ordnung. Das Schwert darf ziehen, wer es in die Scheide stecken wird, wer den Frieden auf dem beendeten Bürgerkrieg errichten kann, dem werden dessen Greuel vergeben. Der autoritäre Führertriumph ist oft nur ein militärischer Sieg zu immer neuen Schlachten - bis zum Fall. Die Geschichte hat ihm etwas wie das napoleonische Verhängnis mitgegeben. Die Revolution mordet auf Frieden hin, auf jene Ruhe, in der allein ein Imperium wachsen kann. Darin ist sie Triumph, mehr als nur Schlacht, weil der Triumphzug ganz wesentlich eines ist: ein Schwert in die Scheide gesteckt. Und etwas vom Ziehen, vom Weiterschreiten, hat die siegreiche Revolution an sich, sie "ist" heute zwar ganz und voll, in ihrem Siegestaumel, doch sie weiß, daß nach ihr graue Tage anbrechen, in denen es nicht nur gilt, Beute zu verteilen, an denen politische Beute erst noch gemacht werden muß. Alle Revolution versteht sich als "Fort-Schritt", fort von der Staatsgewalt zur Reichsordnung, in einem Schreiten, das von den Waffen in die Ordnung übergeht. Ordnung liegt in einer Erhebung, die nicht nur angetreten ist mit Bomben und Kanonen, deren Programm nicht nur der Ehrgeiz ihrer Führer ist, die vielmehr ganz und gar Ordnungsstreben war, von ihren ersten Gedanken an. Zu Unrecht hat man ihre Utopismen kritisiertsie sind ihre Kraft, in ihnen unterscheidet sie sich imperial von den Offizieren, welche nur ihre blanken Degen haben und Schlachten. Utopie - das ist die reine Ordnung, unbefleckt von der Wirklichkeit; und wenn sie vom Blut befleckt ist, so wird aus dem glatten Weiß der Lilienfahne die farbige Fülle der Reichstrikolore. In der Utopie demokratischer Revolutionäre ist viel an politischem Glück verspielt worden, begonnen hat in ihr immer eines: ein Reichsdenken, in "Ordnung an sich". Nur an einem leidet die Imperialität der siegreichen Revolution: daß sie sich wiederholen könnte. Das "Reich der permanenten Revolution" würde sogleich zerfallen, läge in diesen Gedanken mehr als nur Utopie- jener "reine Gedanken-Triumph der Ordnung". Alle Revolution hat den Zug zum Permanenten, zur dauernd wiederholten Entscheidungsschlacht, wer ihn ihr nimmt, raubt ihr die Triumphalität des Utopischen, der "perfekten Ordnung aus ständiger Unordnung".

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So schafft die Demokratie ihre großen Reiche - welches Paradox! - in höchster Steigerung gerade dessen, was sie so völlig verwirft: Ihre Utopien sind stärker als die Rationalität ihrer Staatsform; ihre Gewalt blutiger als ihr Pazifismus, in der Verbindung beider aber triumphiert sie. Und weil alles, was Triumph bringt, zum Reich führt, ist der Volksherrschaft all dies verziehen, solange es im großen geschieht. 3. Die "große Verfassungsstunde"- ein demokratischer Triumph?

a) Revolution durch Normen Eigentlich müßte der große Verfassungstag, der Neubeginn in Volksherrschaft, etwas Triumphales haben in der Demokratie, etwas wahrhaft Imperiales. Würdige Verfassungsväter, mit oder ohne Perücken, verkörpern doch etwas Senatoriales, worin die Revolution zur Ordnung findet. Warum also nicht sie feiern und ihr Abstimmungs- und Unterschriftenwerk, warum militärische Volkssiege verlangen, Köpfe auf Piken? Sicher - den Tag der zivilen Machtergreifung als Großerfolg gibt es auch ohne Gewalt und Blut; der Marsch auf Rom, der Tag von Potsdam und die Rückkehr de Gaulies an die Macht im Jahre 1958 - all das waren Aufbrüche auch zu einer Imperialität. Doch sie waren nicht die wirklichen Siege, sondern Schlußpunkte in Zerfallsvorgängen, und was nicht wirklich hat kämpfen müssen, dessen Triumph bleibt leer - oder besser noch: was den Sieg nicht gekannt hat. Und dabei ist nicht zu übersehen, daß diesen drei Bewegungen, so unterschiedlich sie unter sich waren, eines gemeinsam ist: das Paramilitärische, der unblutige Schlachtensieg. Der Umbruch von 1933 hätte ohne die SA und ihre Uniformen nicht zu einem III. Reich geführt, die Treue der französischen Generäle und ihre Truppenbewegungen um die Hauptstadt haben dem General etwas von revolutionärer Triumphweihe gegeben. Der rein parlamentarische Triumph, wie groß er auch sei - hätte er solche imperiale Siegesstimmung verbreiten können? Hier liegt auch die Berechtigung der Kritik des orthodoxen bolschewistischen Kommunismus an allen eurokommunistischen Illusionen von parlamentarischen Machtergreifungen des Proletariats: Eines werden sie doch nie bringen, wenn sie überhaupt möglich sind: die totale Vernichtung der Gegenmächte, den endgültigen, unbedingten Großerfolg, den aber die Wahrheit des Kommunismus braucht, der allein sie beweist. Solchen zivilen Verfassungsrevolutionen - denn mehr kann all dies nicht sein - fehlt die Bluttaufe, sie sind neue Ordnung, nicht Revolution.

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

Hier sehen wir, wie sehr unsere Welt von einem Triumphalismus geprägt ist, der sich vergeblich zu verbergen sucht: Der große Verfassungsneubeginn ist Ordnung ohne Sieg, doch wenn das kein Triumph ist, so wird kein Reich. b) Das "unmilitärische Verfassungsrecht"- Triumph ohne Sieg? Der tiefere Grund für die Schwäche des größten Verfassungsschlages ist sein völlig unmilitärisches Triumphstreben. Es ist, als solle hier aus dem Reich der Triumph eliminiert werden, oder als werde er bereits in dem Beginn der Ordnung gesehen, in ihr allein. Doch gerade dies ist der große Irrtum: Ordnung aus Erfolg - das führt zum Reich; Ordnung als Erfolg ist zu schwach, sie bleibt Postulat, ein Körper, der nie eine Blutswallung gekannt hat, nie ein großes, glückhaftes Fieber. Was bringt dieser konstitutionelle Neubeginn anderes als die sofortige Gefahr der Sklerose alles Politischen in Normen, muß nicht gerade hinter der großen Verfassungsnorm die größere Vergangenheit stehen, welche sie rechtfertigt? "Alle Gewalt geht vom Volke aus" diesen Satz hat normative Kurzsichtigkeit bespötteln können; denn sie konnte nicht begreifen, daß in ihm demokratische Staatsgründung liegt. Die Gewalt geht vom Volke nur deshalb aus, immer weiter, stets von neuem, weil sie an einem großen Tag siegreich von ihm ausgegangen ist. Andernfalls wäre dies nur eine sinnlose Behauptung eigener Kraft. Je größer die Verfassung, desto mächtiger müssen die Groß-Erfolge sein, welche hinter ihr stehen, das Bild einer revolutionären Verfassunggebung ist nichts als ein Dokument langweiligen Staatsnotariats, wenn zu den Toren nicht die siegreichen Revolutionsgarden hereindrängen. Nun mag man einwenden, die demokratische Volksbegeisterung stehe doch hinter den Verfassungsvätern, durch sie spreche das wogende Volk, in ihren Worten liege daher der einzige Volkstriumph, den wir kennen: der universelle Konsens. Soll das nun wirklich genügen, darin demokratische Triumphalität sich ausdrücken? Wir glauben es nicht, denn dieser Erfolg ist wieder nur durch eine andere demokratische Norm dekretiert, nicht durch einen Sieg konstituiert. Der Triumphalismus bedeutet eben, daß im Politischen der Glaube allein nicht selig macht, daß wir sie an ihren Erfolgen erkennen werden, die Triumphatoren und ihr Reich. Die Verfassungsväter mögen etwas haben von Propheten - und wie oft sind sie nicht die Mittelmäßigsten aller! - doch auch die Propheten des Alten Bundes bedurften der Zeichen und Wunder, Jahwe mußte ihnen Sieg geben, Erfolg, Heimführung, den großen Triumphzug der Bundes-

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lade. Sollen wir ohne Triumph an die Normen erlassenden Konsensträger unserer verfassunggebenden Versammlungen wirklich glauben? Oder wollen wir uns begnügen mit dem "Triumph der Worte", mit den wuchtigen staatsrechtlichen Formeln, in welche die neue Ordnung gegossen erscheint, was nützen sie als solche dem Volke und seiner Herrschaft? Merkwürdig - wo das Volk wirklich triumphiert hat, bedurfte es kaum der Proklamation der Volkssouveränität, ihre späte Nachholung in der III. Französischen Republik im Jahre 1884 beweist es, und zu Recht ist der normative Gehalt solcher Deklamationen stets bezweifelt worden. Das Staatsrecht steht, in allen Ländern, immer in der Gefahr des freien verbalen Triumphalismus, doch hier muß es sich mit der größeren militärischen Erfolgs-Elle messen lassen, und wie wenig bleibt dann noch! Da ist nur eine Chance: daß den großen Worten große Taten folgen werden - Triumphalismus ist das Gegenteil, große Taten in großen Worten gefeiert. Und überhaupt - was gibt es denn hier zu feiern, wo nur Papiere ausgefertigt werden, Wechsel auf eine unsichere demokratische Zukunft? Nationalfeiertage haben immer etwas Schales an sich; da ist doch noch viel besser die ewige Kranzniederlegung am Grab des immer unbekannteren Soldaten, die Verfassungstage sind an Langeweile nicht zu überbietendes Staatstheater - steht hinter ihnen nicht eine Kapitulation, wie vor den Truppen der neuen amerikanischen Imperialität. Der militärische Maßstab weist dem normativen Erfolg der Verfassunggebung seine Bedeutung, sie ist noch kleiner als die der zivilen Großerfolge, welche der siegreichen, blutigen Revolution folgen. Wenn wir das Reich wollen, brauchen wir keine formalen Erfolge; wenn der Triumphalismus einen Beweis antreten kann, so den, daß ohne seine siegreiche Mächtigkeit nichts als Staatsrecht bleibt. Seine Vertreter haben sich immer den Triumphen rasch und vollständig gebeugt, es war ihnen nie gegeben, sie zu bringen oder auch nur triumphal weiterzudenken. Und gerade weil diese emsigen Ordnungstechniker der Macht stets am Werke sein müssen, soll ein Reich ausgebaut werden, deshalb muß es aufgebaut werden von Menschen, die triumphieren können - in Siegen. Wenn unsere Verfassungen etwas bedeuten sollen, so laßt uns nicht vergessen, daß es Siegesgöttinnen sind, aus deren Händen sie herabgleiten, wie eine selbstverständliche Beurkundung des Triumphs!

4. Die große Freiheit- ein Triumph der Demokratie In demokratischen Verfassunggebungen und ihrer nachfolgenden Ordnung sollte eigentlich so gar nichts Triumphales liegen, wenn sie nicht geschrieben sind mit dem Blut der Revolutionäre. Und doch -

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

größere imperiale Mächtigkeit haben sie immer noch in sich getragen, selbst in der notariellen Bescheidenheit ihrer Ordnungsbeurkundungen. So muß denn in ihnen etwas leben, was Tore zum Reich öffnet, auch ohne Blut und Gewalt; heute gerade müssen wir sie öffnen, ihr Angelpunkt ist einer: die große demokratische Freiheit. Nur wo sie ganz mächtig aufbricht, erreicht sie Triumphalität. Daß die "kleine Freiheit" nichts sei als eine Phase vergänglicher Staatsgewalt, daß über der großen aber wirklich stehen kann: "Hier beginnt das Reich der Freiheit", das sei nun unser Betrachtungsgegenstand. a) Freiheit an sich -

Sieg oder Genuß?

Ein großer Verfassungsneubeginn, der die Revolution in Normen hinter sich läßt, trägt nicht genug von der Kraft des Triumphes in sich - zumindest im formalen Sinne. Kommt ihm diese Mächtigkeit aber nicht allein schon aus den Inhalten der siegreichen Revolution, die sich fast immer in ein Wort fassen lassen: die große Freiheit? Und unsere Frage muß hier lauten: Ist diese Bürgerfreiheit nicht selbst schon siegreiche Revolution, bedarf sie des spektakulären Erfolges der Barrikaden und gestürzten Festungen? Ist Freiheitsgewinn nicht so groß als politischer Erfolg, daß er den Triumph in Aufstand und Blutvergießen nicht nötig hat, ist sich die Freiheit nicht selbst Triumph genug? Hier, wie schon so oft, kommen aus der Fragestellung des Triumphes tiefere Einsichten, in das Wesen der Freiheit. Wird sie revolutionär errungen, so ist es die ganze, die große Freiheit, die nun gelten soll, sie wird proklamiert, nicht normiert, erst später mag sie sich, in Grundrechtskatalogen kanalisiert, im kleinen über alles verbreiten und verteilen. Das Staatsrecht hat die Freiheit nie als Einheit zu erfassen vermocht, im Triumph der Revolution ist sie es immer ganz. Die Größe des Ereignisses hat sie in diesen Stunden sicher an sich, wie sie der Triumph braucht. Und das Feiern: Kaum ein Schlachtenerlebnis war so zündend wie der Fall Jahrtausende alter Privilegien in der Pariser Nacht zum 4. August 1789. In Schulstunden und Sonntagsreden kommt immer wieder etwas von dem alten Pathos der Freiheit zurück; mag sie auch zur Alltäglichkeit geworden sein, klein, vielfältig, nutzlos - die alte Virtualität ist immer noch in allem, was diesen Namen tragen darf, hinter jedem Grundrecht steht das größere Mutterrecht, wie es das Staatsrecht schön und treffend genannt hat. Selbst die begrabenen Freiheitshoffnungen stehen dann wieder auf, in dem einen, großen früheren Ereignis waren sie Wirklichkeit, doch immer bleiben sie lebendige Hoffnung. Wäre da nichts Triumphales?

li. Die triumphierende Revolution

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In der Feier bleibt etwas davon, im Staatsstolz auf dieses Wort, und mag es noch so sehr zur müden Staatsselbstverständlichkeit geworden sein. Liegt denn nicht in der Libertas etwas wahrhaft Sieghaftes, wirft mit ihr nicht der Bürger die Staatsgewalt, den großen Feind, aus seiner Burg hinaus in die Außenbezirke der Macht? Er mag sich nun selbst fühlen wie in einer dauemd belagerten Festung, von immer neuen Anschlägen der Obrigkeit heimgesucht; weiß er aber nicht, daß der letzte Mauerkranz halten wird, der Wesenskern einer Freiheit, von der eben "etwas bleiben wird", ist der Angriff darauf nicht endgültig abgeschlagen- und wäre dies kein Triumph? In all dem liegt ein ganz großer Erfolg, und er wäre sicher ein Sieg zum Triumph, käme nicht mit der Freiheit immer zugleich das ganz andere, das völlig Untriumphale: der Rückzug in den bewegungslosen Genuß. Freiheit ist ein Erlebnis, aber liegt dies nicht nur im siegreichen Augenblick ihrer Gewinnung, in der Hoffnung auf die unbegrenzten künftigen Möglichkeiten ihrer Nutzung, ist sie in diesem Erfolg selbst endgültig - oder nichts als ein großer Blankoscheck, den der Bürger nun täglich auszufüllen hat? Triumph als Auftrag - das ist sicher ein Wort, aber nicht das ganze Triumphieren. Das Abgeschlossene, Endgültige allein bringt die Staatsgrundlage, das, was als solches bleibt, nicht etwas, was täglich nicht nur neu zu erringen, sandem überhaupt erst zu realisieren ist - im Genuß. Denn dies ist eben, gerade aus triumphaler Sicht, das Grundproblem der Freiheit: daß sie zum Genuß drängt, zum Alleinsein, zu einem Privaten, dem die Macht des öffentlichen Großerfolges fehlen muß. Die eroberte Bürgerfreiheit nach siegreicher Revolution verwandelt für Augenblicke diese Privacy in eine öffentliche Mächtigkeit, doch dann fällt sie wieder zu den Bürgern zurück, in ihre tausend kleinen Häuser, dort wird sie genossenverbraucht. Nicht nur ihr Fehlgebrauch verkleinert sie, hebt sie auf; daß sie überhaupt so ganz individuell genossen werden kann - und darin liegt doch ihr höchstes Ethos -, das ist etwas zutiefst Untriumphales, Siege finden eben nicht in Wohnküchen statt. Gefühlt hat dies sehr tief jener Kommunismus, der nur eine Freiheit kennen will, die kollektive. In seinen befohlenen oder hervorgerufenen Aufmärschen und anderen "Demonstrationen politischer Freiheit" ist diese politische Libertät nicht nur "größer" durch die Masse ihrer Träger, sie bleibt triumphal als eine "öffentliche Freiheit". Wenn also die Demokratie meint, in der Freiheit als solcher bereits den unblutigen Sieg ihrer Revolution auf Dauer feiem zu können, so darf sie nicht vergessen, daß sie all dies immer wieder zum öffentlichen Freiheitserlebnis steigern muß. Staatsgründende Großerfolge lassen sich eben nicht nur vor Richtertischen feiem, wenn dort der

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

große Staat vom kleinen Bürger besiegt wird im Namen der Freiheit, und auch nicht nur in genüBlichen Ferienfeiem, welche der FreiheitsStaat zuläßt oder gar bezahlt. Selbst wenn das Freiheitsbürgertum nicht im Sozialbürgertum untergeht - genossene Freiheit ist kein Triumph; Ungebundenheit, die nur groß war in großer Genußhoffung, gründet keinen Staat. b) "Freiheit durch Sieg"- ein Weg zum Reich Dennoch gibt es etwas wie das "Reich der Freiheit" - und vielleicht wird sich am Ende unserer Betrachtungen zeigen, daß das Wesen des Imperiums in der großen Freiheit liegt, in welcher seine Vielfalt durch eine Ordnung gehalten wird, von der wir schon sahen, daß sie sich nur über Freiheit wölben kann. Fragen wir aber nach dem Ausgangspunkt, nach dem dynamischen, weiterwirkenden Triumph, so mag auch dort Freiheit uns stets begegnen; doch die Demokratie muß wissen, daß es eine streitbare sein muß, weil nur sie einst hat triumphieren können, weiter staatsgrundlegend wirken kann, reichsgründend. Die Demokraten müssen sich daher zur revolutionären Freiheit bekennen, mit all ihren anarchischen Schwächen und Gefahren. Reichsgründend, weil triumphal, kann eine solche Freiheit nur sein im Sieg über den Tyrannen, in einer militärgleichen Niederlage der Unfreiheit, welche die Libertät zur Errungenschaft macht. Der Bastille-Sturm war politisch unnötig, er bedeutete das notwendige triumphale Ereignis, den militärischen Sieg der Freiheit, und mochte es im Grunde ein Marionettenerfolg sein. Denn der verfassungsmäßig fundierten Freiheit ist eben stets der Auftrag zu ihrer Weiterentwicklung eigen, sie bedarf des plebiscite de tous les jours, sie ist selbst ein solches. Dies aber ist schon untriumphale Demokratie, das "Errungene" wird in Frage gestellt, es muß täglich sich dem alten Wort der Liberalen stellen: Wenn wir nicht diskutabel sind, sind wir nicht wahr. Ihm fehlt die Wahrheit der siegreichen Legionen, mehr noch: die Endgültigkeit. Wohl haben die Demokraten gefühlt, daß hier ihre große Gefahr lauert, und so beschwören sie die Ewigkeit, die Alternativlosigkeit ihrer Staatsform von morgens bis abends, jene Freiheit, nach der "nichts kommen kann als wieder Freiheit". Doch die Historie zeigt es eben anders, im Begriff der Freiheit als solcher liegt noch nichts Endgültiges, es sei denn, sie steige vom hohen Berge eines gewaltigen Sieges herab, mit einem Schwung, den kleine Caudillos nicht aufzuhalten vermögen. Dies ist die unaufhebbare Schwäche der südamerikanischen, einer echten Freiheit: daß sie politisch nie auf Dauer wirken kann, weil sie immer nur ein Abschiedsgeschenk übermüdeter Militärdiktaturen war- oder selbst eine solche.

II. Die triumphierende Revolution

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Laßt uns also für die Freiheit wünschen, daß sie der Demokratie in großen Augenblicken geschenkt werde, und daß man sie in Triumphserien weitertrage, von Kraftprobe zu Kraftprobe, gerade sie hat diese ständige Neubestätigung bitter nötig. Und wenn es das große, freiheitsstiftende Ereignis nicht gegeben haben sollte, so laßt es uns erfinden! Dies ist ein Weg zum Reich, über gestürzte Götzenbilder der Macht, doch sie müssen in Scherben fallen, nicht nur täglich in tiefere Kammern unserer Herzen verdrängt werden. Die große Aufgabe eines neuen Triumphalismus liegt vielleicht gerade darin, daß er der Demokratie das Reich retten muß, indem er ihr eines bewußt macht: daß die Freiheit ein großer Sieg sein muß, und bleiben.

5. Der imperiale Triumph der revolutionären großen Gleichheit Gleichheit, der tiefste Wesenszug aller Demokratie, macht und hält klein; und doch- führt nicht auch hier ein Weg zum Reich? Gibt es triumphale Egalität? Die äußeren Zeichen sprechen wohl dagegen: Was wäre denn endgültig an einer Gleichheit, die sich immer wieder von der Hydra der tausend Unterscheidungskünste bedroht sieht, mit welcher unausrottbare menschliche Verschiedenheit auch in die politische Macht drängt? Hat denn selbst der radikalste aller Gleichheitsschläge, die Russische Revolution, die endgültige, totale Egalität bringen können? Und war sie denn ein Ereignis, nicht etwas, was immer neu gewonnen, immer weiter verfeinert werden mußte, in Blutbädern und ständigen Säuberungen? Denn diese Egalität hat, so hoch sie auch gepriesen werden mag, Feinde wie keine andere Staatsgrundlage: Wie sollte sie auf Altäre gestellt werden, wo doch ihre Befestigung täglich neue Diskussionen auslöst? Was ist begeisternd an ihr, wenn sie die nur vertreiben kann, welche ungleich sein wollen, in die Verbannung nach außen oder nach innen? Wäre dies nicht ein Triumphzug, der ununterbrochen über die Leiber anderer Bürger hinweggeht, ein permanenter Bürgerkriegs-Triumph, wo doch ein solches Ereignis im Inneren einen soll, im Namen äußerer Erfolge, ja geradezu den inneren Sieg zu einem äußeren verwandelnd? Und schließlich - wo wäre da "der feste Endzustand", die Frucht des triumphalen Ereignisses, wo doch immer alles neu zu erringen bleibt, was ist vom militärischen Sieg in den Schlägen der Gleichheit, worin gleicht sie der Entscheidungsschlacht, welche vom Gegner nichts mehr übrig läßt? Und doch gibt es etwas wie eine triumphale Egalität, die Geschichte hat es immer wieder gezeigt. Gleichheit läßt sich eben nicht genießen, sie stellt dem Bürger nicht primär Aufträge, sie bedeutet einen ganz

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

großen, einen geradezu imperialen Befehl, einen Ordnungsrahmen, den nicht erst der Bürger in seiner Privatheit zu schaffen hat, der ihm vielmehr vorgegeben wird durch das große Ereignis des Sieges der Egalität. Denn da ist durchaus etwas vom Ereignis. Nicht die Staatsgewalt wird zurückgedrängt, eine imaginäre Organisation - die Besiegten sind greifbar, jene anderen, die sich über die Gleichen haben erheben wollen. Die großen Revolutionen in Frankreich und Rußland, welche beide begonnen haben im Namen der Freiheit, siebeidehaben erst in der Proklamation der Gleichheit ihre wahrhaft triumphalen Stunden erlebt. Mit einem ganz großen Schlag kam die Endgültigkeit der Errungenschaft, ein Prinzip, das nie mehr rückgängig gemacht werden konnte, das mit politischer Mächtigkeit alle Unterscheidungsversuche seither stets auch noch in die intellektuelle Unterwelt verbannt hat. In der Gleichheit gibt es weder Begründungszwang, noch Zukunftshoffnung, sie ist einfach ganz da, ganz ein triumphaler Augenblick, so wie wenn nach siegreicher Entscheidungsschlacht zum Sammeln geblasen wird. Mit der Gleichheit ist etwas geschehen, in der Freiheit wird nur vieles möglich. Die Gleichheit ist ein Sieg, dessen Entscheidung auch anders hätte fallen können, Freiheit ist irgendwie überall, mehr oder weniger. Vor allem aber: Was läßt sich mehr und glückhafter feiern als die errungene Gleichheit? Sie trägt in sich die Solidarität der Genossen, die Brüderlichkeit der kleinen Leute, welche heiterer ist als der angestrengte Wettbewerb der freigesetzten Führungskräfte, auf dem Markt wie in der Politik. Mag noch soviel einzuebnen bleiben - nach dem großen Gleichheitsschlag kommt ein Triumphtor in Sicht, über dem stehen darf: "Es ist erreicht". Wo aber stünde geschrieben, daß der Triumphzug Ungleiche eint? An seinem Bild ist Gleichheit: Der Triumphator steht zwar inmitten der vielen Dahinziehenden, hoch erhoben, mit weißen Rossen, doch der Triumphzug ist in allem anderen egalisierend, in ihm laufen Freunde und Feinde mit, Wächter und Gefangene, Helden und Feiglinge. Und der Triumphator selbst- er ist eben nicht die Verkörperung des Ungleichen, ihm ist nicht wesentlich, daß er von Feudalherrn umgeben sei. In ihm führt schon eine Idee diese Menge - "der Triumphator ist bereits das Reich", nicht die große Ungleichheit. Dies war der große Irrtum des Nationalsozialismus, zu glauben, daß sich auf der Gleichheit nicht ein Imperium errichten, mit ihr nicht halten läßt, ein wahres russisches Riesenreich. Noch soviel mögen wir suchen nach Ungleichheiten in diesem Koloß, in Offiziersrängen und Parteichargen, an der Gleichheit kommen wir nicht vorbei, daran, daß

III. Tradition als Triumph?

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ihre Idee zumindest stark genug war zur Imperialität. Darin allein sind sich heute die beiden Weltmächte gleich: in ihrer Riesengewalt aus Gleichheit. Die kleineren Demokratien aber sollten auch hier Reichs-Lehren annehmen: Nivellierung allein nützt nichts, sie zerreibt, und bei aller ernsten Humanität - ein Sozialdemokratismus hat noch nie etwas Imperiales hervorgebracht. Doch dann, wenn die Gleichheit größer wird, wenn sie mit einem Schlag ganz da ist, in der revolutionären Proklamation, oder wenn der Fuß auf das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gesetzt wird, dann wird die Gleichheit zum Ereignis, nicht nur zum Vorgang, zum großen Atem, nicht zur Atemlosigkeit der immer kleineren Schritte, mit welchen der Achilleus die Schildkröte des Reichtums verfolgt. Es gibt etwas wie eine dionysische Trunkenheit der Gleichheit, sie tanzt mit jedem, sie ist das allgemeine Fest. Demokratie ist groß, wenn ihre Bürger sich zurufen: "Laßt uns in unserem Gleichheitstriumph hineintanzen ins Reich!" Dann ist wahrhaft siegreiche Revolution. III. Tradition als Triumph? Große Erfolge entwickeln ihre eigene Tradition, sie werden darin stärker, daß die Nachwelt sie feiert, besingt, in immer weitere Höhen hinauf - lebt. Siegesserien werden dadurch zum Großerfolg, daß sie in ihrer Zusammenfassung den kleinen Erfolg zum Triumph steigern, daß sie in Beständigkeit zum Reich emporwachsen. Von all dem war schon die Rede, hier aber stellt sich noch eine andere Frage: Ist Tradition als solche eine Erscheinungsform des Triumphes, kann der Großerfolg in reiner Fortsetzung wachsen, aus dem Nichts oder doch aus ganz kleinem, Bescheidenem? Wer nicht siegen kann - hat er die Chance, zu triumphieren "nur in Dauer"? 1. "Reine Tradition"- das wesentlich Untriumphale

Wer von seiner Ordnung nur sagen kann, sie habe lange bestanden, nie aber gesiegt, wer den großen Anfang nicht zeigen darf, der vermag nie etwas Imperiales zu legitimieren - das sei eine These dieses Kapitels. In der Tradition allein, und sei es die längste und stärkste, ist nichts mehr von einem Ereignis fühlbar, ihr Wesen liegt darin, daß alles Ereignishafte aus ihr verschwindet. Zweihundert Jahre Demokratie in Amerika - das bedeutet eine imposante, ununterbrochene Tradition, für das Staatsrecht etwas wie eine technische Legitimation kontinuierlicher Machbarkeit. Doch politisch begründet es so wenig wie die

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

langen Traditionen parlamentarischer Unregierbarkeit, von der III. Französischen Republik bis zu der schier ewig scheinenden Agonie des italienischen Parlamentarismus. Ob effizient oder nicht - hinter all diesen "reinen Traditionen" steht nur eine Überzeugung: daß man eben "immer wieder mit allem fertig werden konnte", sie hat die Legitimationskraft der feudalen Ahnenbilderreihen; mag noch so viel vergehen, das Reich bestehtja-aber eben auch nicht mehr. Dabei wird dann kaum mehr bemerkt, daß eben auch dieses Bestehen immer um ein Weniges schwächer wird, weil das große Ausgangsereignis nicht mehr hinter der Ordnung steht, an dem aber die Tradition gemessen werden muß, aus dem allein heraus sie wachsen kann. Unsere Epoche verwirft die Tradition ebenso leichthin wie den Triumphalismus, Tradition kann ihr nichts mehr bedeuten, wenn sie den Triumphalismus verlernt. Denn jene "hergebrachten Grundsätze", welche dann so rasch zu hergeholten werden, tragen alle Schwächen der unverdienten, nutzlos werdenden, belastenden Erbschaft vor allem deshalb in sich, weil vor ihnen nicht immer das triumphale Maß des Großereignisses steht, an dem sie wachsen könnten. Mitgeschleppt wird eine Tradition deshalb, weil sie untriumphalistisch geworden ist, weil ihre Verkrustungen kein Brot mehr sind für triumphale Gelage. Die "reine Tradition" hat Kraft nur noch darin, daß sie die öde Frage nach dem stellt, wer es besser machen kann. Doch eine solche "Herrschaft des in dubio" reicht auf Dauer nicht einmal zur Staatlichkeit, vom Reich ist sie weit entfernt. Rückschrittlich wird sie gerade deshalb, weil sie sich an keinem Ereignis mehr im Rückblick zu orientieren vermag. Eine gefährliche Reichs-Lektion haben die Deutschen mit ihrem sterbenden Römischen Reich gegeben, mit jenen Ordnungen der reinen Tradition, mit ihren Verzunftungen der römischen Siege. Und darin kann der Feudalismus so leicht der Anfang vom Ende des Reiches sein, daß er reine Tradition installiert, wo doch nur Siege helfen können; das Verhängnis Napoleons war es, daß er ein Reich der Königsbrüder schaffen wollte, wo doch nur Austerlitzstunden Kraft gaben; allzu gut hatte er die schlimme deutsche Reichslektion gelernt. Reine Traditionen sind ansteckende politische Krankheiten, der Aufbruch zum Triumph ist ihre Überwindung. Fortsetzungsgeschichten das ist kein Reichsepos. Lebendig bleibt und wird unsere Tradition nur auf dem Hintergrund eines großen Sieges.

2. Wahre Tradition- "alles in einen Großerfolg integriert" So müssen wir denn wieder die wahrhaft triumphale Tradition erlernen, denn eine solche gibt es. Sie liegt im Fortleben des Großereignisses ebenso wie in den Siegesserien, doch ein Drittes wollen wir

III. Tradition als Triumph?

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hier noch besonders betonen: die integrative Kraft des Triumphalen in der Tradition. In saecula saeculorum, das ist eine gewaltige triumphalistische Formel, aber nicht nur in dem zeitlichen Geltungsanspruch, sondern vor allem in seiner zusammenfassenden Kraft. Das Großereignis war ein Anfang, aber es hat so viel hervorgebracht, daß eine neue politische Lebensstimmung entsteht, in welche viele Bäche wie in einen großen Strom einfließen können: ökonomische Erfolge und kulturelle Glücksstunden, und die Staatskunst, welche Schlachten besingt und wirtschaftliche Expansionen nachbildet, all das schafft eine wahre Staatsgrundstimmung im Namen des triumphalen Ereignisses, aber mit einer sich verselbständigenden Pracht großer Tradition. Da können dann alle Erfolge zusammengefaßt werden, militärische und zivile, der eine festigt den anderen, das vergossene Blut wird vergeben und überwunden im friedlichen gemeinsamen Glück. Die Tradition ist ,.alles in allem", kein Begriff ist unklarer, aber von größerer virtueller Kraft. Dem Staatsrecht ein Ärgernis, weil unfaßbar für seine normativen Mechanismen, erscheint sie doch wie ein Deus ex machina, immer dann, wenn kein einzelner politischer Wille mehr weiterhilft, oder wenn er nicht mehr faßbar ist. Und ein Gott ist diese Tradition wirklich, solange die Erinnerung eines großen Sieges sie still begleitet, mag man auch in ihrem Namen nie von ihm sprechen. In dieser Verselbständigung der Tradition wird der Triumph selbstverständlich, das war die Größe des imperialen England. Da wurden nicht Siegesserien mühsam aneinandergereiht, alles war nur Fortsetzung einer Tradition, aber eben dessen, was die Wappen bezeugten: des einstigen großen Sieges. Und dies ist auch die Bedeutung der Wappen-Idee im Reich, deshalb ist immer so viel Imperium wie da Wappen sind: Weil das Symbol der triumphalen Tradition allem und jedem aufgeprägt werden kann, so wie es in England war, weil die große Integrationskraft des Triumphs sich in jenem Herkommen zeigt, das auch ,.zu allem kommt", alles in Imperialität erreicht. Eine solche integrative Tradition aus Großereignissen heraus läßt sich dann feiern - als solche, und man kann das Ereignis vergessen. Was ist denn wahre Tradition anderes, als daß Vergessenes gefeiert wird, als daß sich die Feier um sich selbst dreht? Doch Demokraten sollten eines wissen: Ihre Macht mag noch so lange vom Volke ausgegangen sein- sie ist so schwach wie ein vergehender Tag, wenn nicht die Sonne eines Triumphs bis in ihre späteren Nächte hineinleuchtet.

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

3. Größte Triumphalität aus der größten der Traditionen- das Zweite Rom Eine Tradition nur gibt es, die sich im dauernden Triumph um sich selbst dreht, wie ihr schaffender Gott: die Weltkirche, das Zweite Rom. In ihr ist nicht nur Triumph Tradition geworden, Tradition steigert sich selbst zum Triumph. Die Katholische Kirche hat stets mehr gebraucht, um ihre riesigen Bögen zu halten, als Glauben und Werke, als Buchstaben und Geist. In einer riesigen Tradition hat sie all ihre Großerfolge über J ahrtausende hinweg hinaufgewölbt, immer an einem Maß: dem der Menschwerdung des Herrn, der fortdauernden Erlösung in seiner auf Erden gegründeten Unfehlbarkeit. Da waren die militärischen Erfolge, von Attilas Rückzug vor Rom bis nach Lepanto, nur eine einzige Tradition, eine große Milvische Brücke. "In hoc signo vinces", ohne diese militärische Siegesgewißheit, die bis in die Palmen des Märtyrertums hineinreicht, in denen die sterbenden Legionäre ihren wahren Triumph feiern - keine kirchliche Größe wäre denkbar; in Selbstverständlichkeit hat all dies eine geistliche Macht übernommen, die "nicht nach Blut dürstet". Zivile Triumphe konnten da gefeiert werden, wenn die Pax Romana in der geistlichen Herrschaft fortgesetzt wurde, bis hinein ins genüBliche Lebenlassen unter dem Krummstab. Die Kirche hat in Rom auch und von jeher die dolce vita unzähliger Prozessionen, Feiern und Gelage hineingenommen in ihre Triumphalität, so wie ganz natürlich das Allerheiligste von den Kürassen der Schweizer Garde begleitet wurde. Wirtschaftliche Triumphe, ein glückliches, reiches Leben in den geistlichen Fürstentümern Deutschlands, war all dies nicht eine ganz natürliche Triumphalität im Namen dessen, der an die Lilien des Feldes erinnert hatte und der nur um das Tägliche Brot gebeten wird? Warum sollte es nicht genügen, wo doch Sein Triumph heute gefeiert wird, jeden Tag von neuem, im Sakrament? So lange ist diese Tradition, daß alle Einzelheiten, welche sie so zusammenfaßt, vollends in ihr verdämmern, daß keines der einzelnen Elemente mehr diskutiert zu werden braucht. Da bleibt es gleich, wer die Türken besiegt hat, wo doch dies alles nur einer der vielen Triumphe der Madonna war, der Königin der Kirche; jene Frau hat gesiegt, von der gesagt werden konnte, daß sie alle Irrlehren getötet habe, geistige und militärische Triumphe zugleich feiernd, in allem stets immer nur einen: den des Großereignisses, ihres Sohnes auf Erden. In dieser Tradition wird alles eindeutig, gerade durch sie. Die vielen einzelnen Siege, mit Schwert oder Griffel errungen, wachsen aneinander hinauf, umfassen sich gegenseitig, alle geistig überhöht von dem

IV. Der ökonomische Triumph

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einen Großereignis der Erlösung; und warum wollte man es einer solchen Kirche verdenken, daß sie Kanonen gesegnet hat? In dieser "Tradition als Triumph" erst wird eines wirklich verständlich, in dem man immer das Symbol dieser Kirche gesehen hat: die Kuppel. Nicht aus einem einzigen Ereignis heraus kann sie sich hinaufwölben, zu einem einzigen Triumph wölbt sie sich hin, dem des Kreuzes. In ihr wird alles von allem gehalten, in der höchsten Integration einer Tradition, die nie einstürzen kann, diese Todesängste des Michelangelo sind mit ihm gestorben. Über den Nationalstolz ist viel Gutes gesagt worden und Schlechtes; sicher ist, daß auch in ihm "reine Tradition" lebt, eine triumphalistische Begeisterung, die eigentlich nicht mehr weiß, worauf sie stolz ist. Die große Kirche aber weiß es, und darin unterscheidet sich ihre Traditionalität von allem Nationalstolz dieser Erde. Ihre Tradition hat sich verselbständigen können zum immerwährenden Triumphzug, zur Feier als Triumph in der Wiederholung der erlösenden Tat - weil über ihr, nicht hinter ihr, stets der Eine bleibt, der einst auf Golgatha triumphiert hat, der alles kleine Menschliche hineingenommen hat in den großen Triumph seiner Gottheit, seines Reiches. Solange davon noch etwas bleibt auf Erden, ist Tradition Triumph, bleibt ein Triumphbogen stehen, zum Reich. IV. Der ökonomische Triumph

1. Das Wirtschaftswunder - ein staatsgründender Sieg? Der Triumph unserer Tage ist der wirtschaftliche Großerfolg - in diese These könnte man wohl eine heute nahezu allgemeine Meinung zusammenfassen. Wenn überhaupt noch etwas wie ein Triumphalismus anerkannt wird in unseren Tagen, so ist es die ökonomische Begeisterung. Sie mag nicht immer den Wegen gelten, auf welchen der große wirtschaftliche Sprung nach vorne gelang, sie verneigt sich um so tiefer vor dessen materiellen Ergebnissen, welche sie im Aufschwung eines modernen ökonomischen Neo-Humanismus sogar in geistige Münze wechseln will. Deutsche haben einen besonderen Anlaß, über diesen Triumphalismus nachzudenken, und viele haben in diesem Land über ihn versucht, etwas von ihrem verlorenen politischen Reich wieder zu beleben. Die Deutsche Republik von Weimar war dem Untergang geweiht, weil sie aus dem militärischen Mißerfolg erwuchs, und weil ihr der ökonomische Triumph versagt blieb. Erst in der Inflation ging der 10 Leisner

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

Erste Weltkrieg endgültig und greifbar verloren. Die neue Republik suchte nach jedem Triumph, der sich ihr zu bieten schien, sie hat ihn gefunden ... Daß der ökonomische Großerfolg den militärischen Sieg ersetzen kann, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, weil eben auch er ein großes politisches Faktum bedeutet, das hoffte man damals schon, und nach der zweiten militärischen Katastrophe schien es sich erneut und diesmal im großen zu erweisen. Noch so eifrig mag heute die Bonner Republik ihre Staatsgrundlagen in antifaschistischer Vergangenheitsbewältigung suchen - ihre eigentliche Basis lag und liegt im ökonomischen Erfolg, mit dem Worte "Wirtschaftswunder" hat sie ihn in die Höhe des Triumphalismus zu heben versucht. Viel Mißbehagen war stets um diesen Begriff, antitriumphale Bescheidenheit der Geschlagenen; doch schließlich wurde und wird er noch immer angenommen aus einem wohl nur gefühlsmäßig bewußten Grund: Hier ist das einzige Feld, auf dem Deutschland noch zu triumphieren vermag; wenn es nach dem totalen Verlust des Reiches wenigstens wieder zum Staat werden will, bedarf es eines mächtigen Hebels, der sonst vielleicht ein Reich entstehen läßt. Doch mit jenem Ökonomie-Staat haben sich, bekennen wir es doch, die Deutschen nicht zufrieden gegeben. Die Schubkraft dessen, was sie als einen wahren Triumph der Welt vorstellten, trug ja viel weiter: Bei den alten Freunden, Italien etwa und Japan, war es wie ein Beweis, daß etwas vom früheren Reich noch lebendig war, und selbst die siegreichen Vereinigten Staaten bewunderten im Aufstieg dieses neuen Verbündeten nicht nur ihren alten, geliebten Success, auch sie fühlten, daß hier eine Kraft lebendig sein könnte, welche ihr eigenes Land zum Imperium erhoben hat. In diesem "Wirtschaftwunder" wird vieles, ganz unmilitärisch, deutlich, das aber jeden Triumph ausmacht: das Spannungsverhältnis zwischen Ausgangspunkt und Erreichtem, zwischen der wirtschaftlichen Vernichtung und einem hohen Wohlstand; die absolute Größenordnung der wirtschaftlichen Fortschritte, der gewonnenen Reichtümer; nicht zuletzt aber ein Drittes, was all diesen Fakten erst den politischen Schwung, den triumphalen Wert gibt: das Bewußtsein, daß hier etwas wie ein später Sieg errungen worden ist, daß sich jene Virtus, welche immer Imperien gegründet hat, auf Schlachtfeldern hat niederboroben lassen müssen, daß sie aber ihre Auferstehung in der deutschen Tüchtigkeit des Wirtschaftswunders hat feiern können. In diesem Wort liegt eben etwas von dem alten "Und ihr habt doch gesiegt". Nicht nur die Kriegsteilnehmer mögen so gedacht haben, auf welche dieses Wirtschaftswunder zurückführt, auch eine junge Generation hat

IV. Der ökonomische Triumph

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es ganz selbstverständlich geglaubt, gerade weil sie von Triumphen und Niederlagen der Vergangenheit nichts mehr wissen wollte. Und sagen wir es nochmals: Hier wurde mehr gesucht und auch gefunden als die Identität einer geschlagenen, geteilten Nation, mehr auch als die Rechtfertigung für irgendeinen staatlichen Mechanismus, der als Herrschaftsform immer geschaffen worden wäre - hier war imperialer Triumphalismus lebendig, die Überzeugung, daß das "deutsche Wesen" großräumig Vorbilder setzt und, wenn es schon nicht beherrschen kann, so doch seine Kräfte nahezu ungemessen zu exportieren vermag: Die zuzeiten wahrhaft imperiale Begeisterung deutscher Entwicklungshilfe zeigt es wohl. Ob hier eine Art von Fortwirkung des früheren politischen Reichsdenkens ins Wirtschaftliche hinein lebendig war, oder Hoffnungen einer wahren Neugründung auf wirtschaftlicher Grundlage - was macht es schon aus? So mächtig war dieses Erfolgserlebnis, so zutiefst triumphalistisch, daß ein Teilgebilde, wenige Jahre nach der totalen militärischen Niederlage, seinen "Gegen-Triumph" gar noch auf Europa ausdehnen zu können glaubte, indem sich gerade dieses Land als ein wahrhaft imperialer Motor europäischer Einigung fühlte - und diese wurde nicht zuletzt deshalb von den anderen Partnern mit immer größerem Mißtrauen beantwortet, weil auch sie in diesem ökonomischen Wunder doch wieder etwas sahen wie ein - ReichsWunder. Auch darin schließlich zeigt sich die wahrhaft reichsgründende Gewalt ökonomischer Phänomene an diesem deutschen Beispiel, daß dieses "Wirtschaftswunder" heute bereits Legende geworden ist. So mag es sich denn auch abschwächen, vielleicht verlieren; als großes Beispiel lebt es fort, und längst nicht nur in der deutschen Nationalökonomie, welche aus dieser Vergangenheit Lehren, oft allzu sehr vielleicht Rezepte für neuen Aufschwung gewinnen will. Am stärksten aber ist seine Wirkung gerade in dem, was zutiefst triumphal ist: Das alles hat es geben können, diese epische Zeit ist Wirklichkeit gewesen, warum sollte sie nicht zurückkehren, noch immer gegenwärtig sein? Man hat die Bürger des Wirtschaftswunders belächelt - sehr zu Unrecht, karikieren ist billig: Etwas von dieser neuen, triumphalen, wahrhaft imperialen Sicherheit liegt in allen Deutschen, sonst gäbe es kein Bann. 2. Vom Sieg zum Gewinn: ein pazifistischer Triumph Die "Friedensbewegungen" der frühen achtziger Jahre haben nur etwas klar ins Bewußtsein gehoben, was sich seit langem vorbereitet, seit Generationen vielleicht: Das Ende der militärischen Triumphe durch die Vernichtungswaffen, von den Schlachtfeldern zu den Feldern der Schlächter. Das kaiserliche Entsetzen auf der leichenübersäten 10°

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Wahlstatt, von Solferino bis zum Wilhelminischen "das hab' ich nicht gewollt" - unsere Zeit hat dem nur noch die Atombombe hinzugefügt. Doch gerade dann gibt es nur eine Lösung, außer der sinnlosen Flucht in Paradies-Utopien: Die Verlagerung der Siege in die Gewinne, die Verwandlung der physischen Aggressionen in ökonomischen Wettbewerb. Der große Liberalismus hat für seine unblutigen Triumphe der Wirtschaft das Gemetzel napoleonischer Schlachten gebraucht; die ökonomische Friedensbewegung der Konkurrenz, die einzig wirksame, welche es je gegeben hat, sie ist Jahrhunderte alt und übertrifft den heutigen Pazifismus vor allem in einem: Sie hat nie den Sieg eliminieren wollen, sie hat ihn nur verlagert, die reichsgründende Kraft des Triumphs hat hier viel von der politischen Mächtigkeit behalten, mit welcher allein sie Schlachten zu verhindern vermag, zu ersetzen vielleicht. Pazifismus wird immer wieder daran gemessen werden, ob er sich einen Sinn für Triumph hat bewahren können, und da genügt es nicht, Waffen in Pflugscharen umzuschmieden, welche man sodann in schwungloser Bedürfnisbefriedigung parallel über endlose Felder zieht: In Hämmer müssen sie heute verwandelt werden, mit denen der eine besser schmiedet als der andere, denn die Menschen wird es immer wieder hinziehen zu etwas wie einem Reich, doch dieses hat nicht begonnen auf den Äckern von Rom, sondern auf jenem Forum, dem Marktplatz des Wettbewerbs. Und die Verlagerung von den Waffen zum Wettbewerb ist ja kein "alles oder nichts" - imperiale Völker suchen ihren Triumph, ihr Reich in beidem, im militärischen Erfolg und in seinen ökonomischen Fortsetzungen oder Ersetzungen, von der Eroberung sibirischer Weiten durch russische Kaufleute bis zum Konkurrenztriumph des weiten Westens, und nicht zuletzt im großen Handel Englands. Sombarts "Helden gegen Krämer" ist als Ausdruck des Patriotismus enger deutscher Professoralität verzeihlich, unverzeihlich in der Verkennung der wahrhaft imperialen Größe einer Wirtschaft, welche Husarenattacken überspielen kann. Nur bleibt freilich die schwere Frage an den Pazifismus, ob Ökonomie allein zu triumphieren vermag - dann hätten die Deutschen nach 1945 eines der größten Beispiele in ihrer Geschichte gesetzt; oder ob Merkur eben doch nicht im freien Flug seine Anbeter erreicht, sondern früher in den Segeln englischer Kriegsschiffe, heute mit den Flügeln von Bombern und Düsenjägern. Eines aber ist schon jetzt Sicherheit: Das schlechte Waffengewissen unserer Zeit hat den Triumphalismus der alten Handelsvölker wahrhaft neu belebt, darin liegt seine politische und moralische Chance.

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3. Wirtschaftlicher Großerfolg - immer ein liberaler Triumph Schätze sind kein Triumph, Juliustürme sind Staatssicherheiten, nicht Reichsgrundlagen. Dem ökonomischen Gewinn allein fehlt die politische Stoßkraft - wir werden es noch zu vertiefen haben - wird er nicht als Ausdruck eines Sieges bewußt und in bewußter Triumphalität politisch eingesetzt. Nur dieses ganz wesentlich politische Triumpherlebnis lenkt die "Kraft durch Freude am Reichtum". Dies aber führt zu einer Erkenntnis, welche allzu lange wohl verschüttet war. Wiederzuentdecken gilt es "Liberalismus als Triumphalismus". Heute entspricht es vordergründiger Überzeugung, daß Liberale nicht wissen, was ein Sieg bedeutet, daß da nichts anderes ist als ein ständiges "Geschehen-lassen", während der Triumph doch entscheidend im Tun liegt, im Angriff, im Einsatz. Nichts daran ist wahr, kaum eine Zeit ist so zutiefst triumphalistisch gewesen wie der große Liberalismus des 19. Jahrhunderts. Das beweist nicht nur seine fast phrenetische Monumentensuche, mit der er alles in Bronze und Stein zu fassen versuchte, was sich auch nur wenig über das Mittelmaß erhob; er triumphierte nicht nur in Standbildern, er triumphierte in Reichtümern, weil er die Siege nicht in ihnen als solchen sah, sondern in dem, woraus sie erwuchsen: in seiner großen Freiheit, zuallererst der der Wirtschaft. Sicher - Schätze gewannen so für diese Liberalen weit größere triumphalistische Bedeutung als für die Könige früherer Zeiten, denen sie nichts anderes waren als Beweise der Macht oder Mittel zu ihr. Herrscher haben Reichtümer und können sie wohl gebrauchen, doch ihre Macht überlebt sie noch, Ludwig XIV. ist ein Beispiel. Und sie suchen im Grunde immer nur eines: den Ersatz des Reichtums durch politische Macht, und letztlich haben sie kaum ein Organ für "Reichtum als Triumph" -man denke nur an jene Diktatoren, denen man alles vorwerfen kann, nur eines nicht: daß sie an eigenen Reichtum viel Zeit verschwendet hätten. Für die Liberalen liest sich dies alles ganz anders, weil ein großes Prinzip zwischen ihre Reichtümer tritt und die Macht: die Freiheit. An sich ist diese Libertät ein Nichts, nur eine Erlaubnis zum Guten wie zum Schlechten. Als solche kann sie den Staat nur zerstören, ein Reich nie gründen. Doch alles ändert sich dann, wenn da Beweise der Freiheit erbracht werden, Reichtum und wirtschaftliches Glück. Dann wird die Freiheit zur ganz unblutigen Staatsgrundlage, dann zieht der Triumph händlerischer Intelligenz herauf, der Sieg des so ganz Unmilitärischen - der Geschicklichkeit. Und all dies wird als Triumph gefühlt und ge-

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feiert: Die wirtschaftliche Kraft überlebt die militärische und ersetzt sie, Athen hat es uns gezeigt. Militärmacht mag sich in endlosen peloponnesischen Kriegen verlieren, doch es bleibt "griechischer Triumph", nicht römischer, ein ganz wirtschaftlicher, und zugleich doch so stark auch politischer- Kolonien gründen, über sie Handelsnetze erweitern, gemeinsame Zivilisationen auswerfen über barbarische Gebiete, Handel treiben ohne Macht und Willkür, in einem ökonomischen Polytheismus so wirtschaftlich glücklich sein wie menschlich in den Hainen und Tempeln der zahllosen Gottheiten. Darin hat der große Liberalismus des 19. Jahrhunderts griechisches Denken nachvollzogen, deshalb ist in dieser Zeit die neue Entdeckung des griechischen Geistes gelungen, weil die Freiheit wieder in ihrer ganzen Virtualität erkannt wurde, vor allem aber in dem, was sie den Liberalen geschenkt hat: Wettbewerb, Reichtum, ökonomisches Glück, das sie in geistige Freiheit haben umsetzen können, mit einer auch politischen Mächtigkeit, welche über Jahrzehnte vernichtende Kriege vermieden hat. Ökonomischer Triumph - das ist und bleibt immer zugleich ein Triumph des Liberalismus, weil die politische Verbindung in einer Freiheit gefunden wird, welche über das Ökonomische hinaus wirkt, damit staatsgrundlegend, reichsbegründend wird, in einer Grenzenlosigkeit, wie sie nur der freie Handel erreichen kann. Ob dann der Druck des Militärisch-Politischen stark genug ist, um ein Reich zu schaffen, das mag eine andere Frage sein; im 19. Jahrhundert war er notwendig, in Italien, Deutschland und anderswo, aus reinen Freihandelszonen wäre kein Deutsches Reich entstanden, und europäischer Freihandel allein hat das europäische Imperium nicht zu schaffen vermocht. Doch daß da etwas ist wie triumphale Anfänge, daß sich da triumphierende Gruppen formieren, die es dann nur gilt, in einen großen Triumphzug zusammenzuschließen - das haben die Liberalen immer wieder bewiesen. Triumph ist mehr als Ökonomie - von diesem Ausgangspunkt müssen wir sicher im folgenden die ökonomischen Erfolge betrachten, doch Triumphalismus macht auch die Wirtschaft zur Reichsgrundlage. Wir haben viel vom römischen Reich gesprochen, auch von einem griechischen Reich müßte die Rede sein: Wenn es etwas gegeben hat wie ein solches, wenn es uns im Geiste noch heute begleitet, so hat sicher auch der griechische Händlergeist seinen großen, verdienstvollen Anteil, jenes Denken in Geld und Handel, in dem die Griechen das Morden der Ilias überwunden haben, ihr ägäisches Reich schaffen konnten, bis es die mazedonische Phalanx über die Welt trug, und bis hin zu jenem freien, wahrhaft liberalen Händlertum, mit welchem griechische

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Spätzeit die römische Militär-Imperialität unterlaufen, vielleicht zerstört hat; immerhin, ein zweites, ein griechisches, ökonomisches Reich hat das Reich der Legionen länger dauern lassen. So hat denn die ökonomische Imperialität nicht nur heute eine entscheidende Chance, als ein Weg zu ganz neuem Reichsdenken, sie hat auch eine lange Geschichte, die ihre Kräfte zeigt - und ihre Grenzen. 4. Der Markt -

ein Schlachtfeld g1·oßer Siege?

Die großen ökonomischen Triumphe werden, wenn sich in ihnen nicht nur politische Überlegenheit auszahlt, in unserer Zeit stets auf "dem Markt" errungen. Ist dies aber ein Raum größeren, reichsgründenden Staatserfolges, ist hier ein Schlachtfeld für ökonomische Triumphe, welche in größere politische Ordnungen hinüberwirken? Als solcher hat dieser ökonomische Aktionsraum sicher kaum etwas Begeisterndes, Glückhaftes, er ist kein Ort der Feier. Und seine Erfolge - gibt er ihnen nicht immer so viel Unvollkommenes mit, in der Unsicherheit geteilter Freuden, welche nicht ausreicht für die große Endgültigkeit des reichsschaffenden Triumphs? Ist nicht auch den Resultaten des Marktes jene Vorläufigkeit eigen, welche begeistern mag, nicht aber begründen kann? Die politischen Schwächen des Marktes sind zugleich die der ökonomischen Großerfolge, und sie werden immer wieder sichtbar, sie relativieren den ökonomischen Triumph. Auf dem Markt wirkt in vielem jenes Glück, welches auch den Triumph im letzten schenkt, doch ist es nicht allzu mächtig? Das moralisierende Element des "verdienten Sieges" tritt dort doch zurück, wo man sich ganz bewußt in Abhängigkeit begibt von unzähligen, auch nicht annähernd beherrschenden Faktoren, wo nicht nur persönlicher Einsatz ist, wo regelrecht eingesetzt wird. Auch der politische Triumph mag eine Gnade sein, doch sie baut eben ganz wesentlich auf den Werken auf, der Markterfolg kann auch mit Glück allein beginnen, wenn er nur mit Glück schließt. Der verdiente Sieg- kennt ihn der Markt überhaupt, ist es nicht nur eine nachträgliche Moralisierung einer Wirtschaftsphilosophie, welche alles Unerklärliche im ökonomischen Erfolg in die geheimnisvolle "Unternehmerpersönlichkeit" verlagert? Erst wenn es gelingt, Verdienst und Verdienen auf dem Markt noch enger, überzeugender zu verbinden, wird der ökonomische Triumph wirklich zum politischen Sieg. Der Markt der großen wirtschaftlichen Erfolge ist letztlich immer international geöffnet, nur daraus kann er auch die größere geistige Dimension wahrer Triumphalität gewinnen. Wenn schon nicht Macht

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exportiert wird - Gewinn muß auch importiert werden, er gewinnt dort erst herrscherliehe Legitimation, wo er mit seinen Wirkungen über die Grenzen reicht. Der Triumph aber, so wie ihn die politische Geschichte uns zeigt, ist immer zu allererst ein nationaler gewesen, in einer Erweiterung vielleicht nationaler Ordnungen, immer aber in einem großen Vorgang der "Grenzüberschreitung als Grenzerweiterung". Kann der Marktökonomie aber eine derartige "Nationalisierung der Außenhandelserfolge" wirklich gelingen, liegt ihr Triumph nicht gerade in der Grenzüberschreitung, in der Überwindung von Dirigismen und Zollschranken? Sicher- ein Reichstriumph kann nicht nur im geschlossenen Handelsstaat gefeiert werden, doch wenn da nicht ein Siegeswille als Herrschaftsanstrengung lebendig ist, ein Hauch von ökonomischem Imperialismus - wie sollte aus dem unendlichen Markt das kleine Schlachtfeld werden, das doch immer beherrschbar bleiben muß, wahrhaft zu besetzen? Doch gerade dies will ja die Marktwirtschaft nicht mit ihren ökonomischen Erfolgen. Auf das Internationale kann sie setzen, weil sie ganz und gar fluktuiert, aber aus diesem wesentlichen Floating, aus den dauernden Ebben und Fluten der Marktbewegung, führt da ein Weg zu jenen Ordnungen, in denen sich schon der Triumphzug formiert, welche sodann in der Ruhe eines Reiches befestigt werden? Muß nicht das Reich zuerst sein, rund um das Mittelmeer, damit des Meeres und des Marktes Wellen sicher den großen Reichtum bringen? Reich aus Markt - oder Markt nur im größeren Reich, das ist eine Schicksalsfrage des ökonomischen Triumphierens. Der Markt ist nicht das einmalige Schlachtfeld, auf dem der Turm von Solferino entsteht, Heldengräber in Zypressenhainen verehrt werden. Er ist das ständige Schlachtfeld der Erfolge - und der schweren, vielleicht vernichtenden Niederlagen, als solcher wird er bejaht, sonst wären da nur Zünfte, Ökonomie in Politik verkrustet. Im Triumph liegt die Endgültigkeit, wie im Reich, der Markt ist das wesentlich Reversible, das Un-Endgültige par excellence. War darin nicht das Wirtschaftswunder von Anfang an ein Problem-Triumph, daß es eben den ständigen Markterfolg bedeutet hätte, eine Ewigkeit von Gewinnen, ist es damit ein Widerspruch in sich gewesen, ein im Grunde politisches Erfolgspostulat - nur ökonomisch gewendet? "Wie gewonnen, so zerronnen" - das Reich kennt solches nicht, ist es nicht deshalb unzerrinnbar, weil es eben im letzten kein Markterfolg ist? Und noch ein Problem des Markt-Triumphs: Der Markt ist ein Aktionsraum, eine Institution vielleicht, er ist als solcher nie ein Ereignis, Ereignisse finden allenfalls auf ihm statt. Doch wenn das Ereignis das Zentrum des triumphalen Vorgangs ist, so bleibt eben doch die

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Frage, ob die wesentliche Ereignisferne des Marktes als Aktionsraum nicht doch auch den großen Ereignischarakter all dem nimmt, was dort vorgeht. Praktisch gewendet: Liegt im großen Spekulationserfolg und alles am Markte ist doch Spekulation - auch nur irgendetwas Triumphales von der Art, wie wir sie suchen müssen auf dem Wege zum Reich? Die neoliberale Ökonomie hat im Markt eine Institution gefeiert, von den Marktereignissen hat sie stets in vornehmer Makroökonomie - regelrecht abgesehen. Doch in diesen Ereignissen liegen, wenn überhaupt, die Triumphe, in Rothschilds Spekulation um Waterloo. All dies ist natürlich auch ein Kapitel der Grundsatzkritik an der reichsgründenden Kraft des Liberalismus, hat er nicht doch immer mehr auf den Markt gesehen und seine Gewinne, als auf eine politische Freiheit, die er nicht zuletzt verloren hat, weil er allzu viel verdienen wollte? Bedeuten diese Markterfolge nicht doch nur einen Entwicklungszustand, der erreicht, nicht aber einen Sieg, der errungen wird? Wohl führt dies auch zurück zur Kernfrage des Triumphes: Ob da eben doch vielleicht etwas Militärisches sein muß in seinen Erfolgen, ein Abglanz von Sieg vielleicht .. . ? Verhindert der Markt nicht doch jede politische Wendung ökonomischer Großerfolge, kann ein Weg zum Reich auch nur über ihn führen?

5. Plutokratischer Triumphalismus -

Reichtum als Sieg?

Verlassen wir aber einmal den Markt, blicken wir wirklich nur auf seine Ergebnisse: Liegt in ihnen, in der politischen Kraft des Reichtums allein, etwas wie Triumphalität zum Reich? Die Antwort kann nicht von den Kanonenbaronen kommen, die alle politische Macht sich kaufen, nicht von den immer stärkeren wirtschaftlichen Mafien, welche sich die politische Macht aufteilen. Abgesehen davon, daß hier nur allzu oft nicht ein Reich gekauft wird, sondern eher seine Auflösung - in solchem politischen Einsatz des Kapitals ist die Wende vom Reichtum zur Macht schon vollzogen, das hier entscheidende Problem stellt sich gar nicht: Ob bereits im gewonnenen Reichtum der Triumph liegt, in ihm selbst, in seiner notwendigen Verwendung. Vieles läßt sich sicher dafür sagen: Reichtum hat noch immer Auslagen gesucht, im individuellen Luxus ebenso wie, politisch hoch transformiert, in einer Eitelkeit nationalen Besitzes. Reichtum ist klar nachweisbar, unbestreitbar bis zur Indiskutabilität, die triumphale Eindeutigkeit ist ihm sicher eigen, trotz seiner unendlichen Verwertbarkeit; sie gibt ihm nur größere Kraft. Feiern läßt sich der Reichtum wie kaum ein anderer Erfolg, in Geist und Kunst hat er sich triumphal

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verewigt. Darin liegt die Bildhaftigkeit, die Darstellbarkeit, die äußere Seite der Goldmedaillen in den Panzerschränken, eine Form totaler Personalisierung des anonymen Kapitals. Reichtum bedeutet reale Gewalt, in unserer Zeit mehr denn je, er ist stärker als die Kanonen, die er sich nebenbei kauft. Ist da nicht etwas wie ein impliziter Triumph, eine Unendlichkeit von Siegen, klein und groß, die nurmehr von einem abhängen: vom Willen des Reichen? Und öffentlich nun gewendet: Ist dies nicht die einzige wahre Staatsgrundlage unserer Zeit - die öffentlichen Finanzen als Folgen des privaten Reichstums, oder der unendliche öffentliche Steuerreichtum der Gemeinschaft? Der Marxismus hat die Herrschaft des Kapitals gepredigt, ist sie nicht der Triumph unserer Tage? Wenn dieses Kapital schon zum Imperialismus führt, geht sein Triumphzug nicht über die Schwelle des Reichs? Entscheidendes zur Relativierung solcher Thesen hat bereits die Marxismuskritik beigetragen, hier gilt es, noch zu vertiefen aus dem Blickpunkt des Triumphes. Die Schwäche eines Triumphes der Plutokratie liegt schon in einem, was der Marxismus nie überzeugend hat dartun können: die Irreversibilität in der Entwicklung, die säkulare Dauerentwicklung aus gewonnenem Reichtum ins Politische hinein. Reich und arm kommen und gehen, der Staat schon braucht beständige Grundlage, das Reich ewige. Von der Endgültigkeit des Kapitaltriumphs kann keine Rede sein in Gewerkschaftsstaatlichkeit und parlamentarischer Demokratie. Wenn ein Triumph prekär ist, so der des heutigen Geldes. Doch es fehlt noch mehr - vor allem die Größenordnung, in der triumphiert werden muß. Privater Reichtum ist stets relativ, kann er denn überall jenes Triumphgefühl als Grundstimmung schaffen, welches sodann, politisch potenziert, im Reichstriumph erstarkt? Und selbst wenn man alles zum nationalen Reichtum zusammenzieht - auch er ist doch immer relativ im internationalen Vergleich, selbst der dauernde Dollar-Triumph hat schwerste Einbrüche mit politischen Folgen hinnehmen müssen, die Goldkeller von Fort Knox waren allein noch nicht amerikanische Triumphalität, werden es nie sein, solange internationale Finanzmärkte in größtem Umfang ökonomische Stärken und Schwächen der Macht zuteilen und nehmen. Und wird heute denn Reichtum wirklich noch so laut gefeiert, wie in früheren Zeiten, in denen aber eben nicht er den Triumph bedeutete, sondern nur eine seiner Folgen war? Gerade in jener hochliberalen Zeit, die oft nichts mehr anderes an Triumph anerkennen wollte als die stärkeren Konten, hat doch das Kapital bald anfangen müssen, sich

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von der Straße zurückzuziehen, sich zu verbergen vor den immer stärkeren Angriffen gegen den luxe insolent. Ist da nicht so viel zum "diskreten Charme der Bourgeoisie" herabgesunken, der im Verborgenen genießt und sündigt, das gerade Gegenteil eines wahren Triumphs? Dieser ist doch gezeigte Stärke, ein Erfolg, der den Mut zu sich selbst hat, aus ihm heraus politische Wirkungskraft entfaltet. Eigentum, das sich versteckt, triumphiert nicht nur nicht mehr im Reich, es dankt im Staat schon ab; Geschäfte werden immer diskreter gemacht, immer leiser gefeiert. Plutokraten haben in unseremJahrhundertimperial gewirkt, sie hatten noch den Mut zum Reichtum, wer auf den Spuren eines Roosevelt wandeln kann, für den wird das Kapital zur Grundlage eines Imperiums. Er muß versuchen, Kapital in das zu verwandeln, was es im Grunde nicht ist: in einen Sieg, in welchem Reichtum einen Gegner niederschlägt, nicht nur ihm die Taschen leert. Reichtum wird im Triumphzug mitgetragen, doch es führt ihn der Imperator; wer ihn durch Reichtum ersetzen will, tanzt nur um das goldene Kalb- in einer politischen Todsünde.

6. Privater Reichtum als Reichstriumph Triumphal kann Reichtum überhaupt nur wirken als private Wirtschaftskraft. Reinem Staatsreichtum fehlt die triumphale Macht, weil er nur Ansprüche der Bürger bringt an die Gemeinschaft mit ihren Riesenfonds, und aus Anspruchsdenken ist noch nie Siegesstimmung gekommen, in welcher Form immer. Dies ist eine der tiefsten Schwierigkeiten des kommunistischen Staatskapitalismus, daß er triumphales Gefühl überhaupt nicht unter seinen Bürgern verbreiten kann in ökonomischen Erfolgen, daß es ihm allenfalls noch gelingt, ihre Zufriedenheit zu steigern - doch welchen größeren Gegensatz gäbe es als den zwischen dem zufriedenen und dem triumphierenden Bürger? So muß denn dieses große Reich seine Triumphalität, damit aber seine eigentlichen Grundlagen, aus ganz anderen Quellen ständig befestigen, aus der Martialität der militärischen Erfolge in vaterländischen Kriegen und aus der Ideologie ökonomieferner Überzeugungen. Hat man einmal vertiefend darüber nachgedacht, welcher innere Widerspruch darin liegt, daß ein wahres Reich, welches sich auf ökonomischen Doktrinen aufbauen will, seine Triumphalität aus den ökonomischen Erfolgen nicht zu gewinnen vermag, und würde es noch so reich, würden seine Bürger noch so konsum-zufrieden? Privater Reichtum hat in Plutokratien zu allgemeinen Triumphstimmungen geführt, im deutschen Wirtschaftwunder alte Triumphalität in

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neuem Gewande unter den geschlagenen Bürgern verbreitet. Aus einem "wir sind ja alle reich geworden" wird dann ja auch schnell etwas wie nationale Triumphalität, vermittelt gerade durch die Staatsform der Volkssouveränität in der Demokratie. Bürgerreichtum als Reichstriumph - wäre dies nicht eine Grundlage echter Bürger-Imperialität, der einzigen Form des Reiches vielleicht, welche uns heute noch erreichbar ist? Doch dagegen wird nun der Zweifel laut, je reicher der Bürger, desto ärmer sein Staat, zum Schlagwort ist die staatsauflösende Kraft des privaten Reichstums geworden. Sicher - in ihm liegen auch diese zentrifugalen Kräfte, vor allem dann, wenn sich Reichtum nicht mehr feudal zusammenballt, damit aber sicher in die staatliche Macht drängt, wenn er vielmehr verteilt wird unter die Unzähligen, dann aber im kleinen Peripheriehäuschen das imperiale Paris erstickt. Im Grunde ist dies nicht mehr so sehr ein Problem der Triumphalität des Reichtums, als vielmehr eine Frage an die Demokratie: Kann, will sie sich noch den ökonomisch stärkeren Bürger des politikbewußten Reichtums leisten, der darin aber in den Triumph drängt, der reichsbewußt wird? Die liberale Demokratie des vergangenen Jahrhunderts hat es noch wagen wollen, der fraktionierende Egalitarismus unserer Tage bedeutet sicher eine Tendenz hin zum Ende allen triumphierenden Bürgerreichtums. Im Triumph muß ja der Reichtum, will er überhaupt reichsgründend wirken, sich verströmen, sich selbst aufgeben und verschenken an die Politik, wenn auch vielleicht in der Hoffnung, sich dort in noch mehr Geld und Gut wiederzufinden. Wenn dieser Kreislauf unterbrochen ist, wenn Bürgerreichtum nurmehr vorweggenommene Rentenabfindung bedeutet, dann ist der Rückzug angetreten, vom Reich zum Staat, vom Staat zum Schalter, an welchem Renten ausbezahlt werden. Ökonomische Triumphalität kann herauswachsen aus privatem Reichtum, zu großem wirtschaftlichen Siegesdenken emporsteigen, welches dem Kaiser gibt, was da an überschießender Kraft ist am eigenen, privaten Triumph, mehr noch: in einem Denken, das offen ist für den großen Staatserfolg, weil im kleineren Leben der große Bürgererfolg gewesen ist. Eine Gemeinschaft ist ganz triumphal oder nicht; die totale Triumphstimmung aber, aus der Reiche kommen - und "Reiche" braucht auch, nicht allein, die unzähligen Triumphe der wirtschaftlichen Erfolge, welche in einer politischen Grundstimmung öffentlicher Triumphalität emporwachsen, nicht nur über einen staatlichen Haushalt. Im kleinen Bürgergeld wird der Staat kleiner, aus ihm kann kein Reich kommen; in dem Gefühl, auch Größeres erreichen zu können, nähert es sich, und noch immer ist das Ökonomische gerade hier über die Ränder seiner Goldstücke hinausgewachsen.

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7. Reichtum gegen Reich?

Reichtum ist noch nicht Reich - kann er aber nicht wenigstens dessen Ausdruck sein, ein Instrument zu ihm? Gerade in der Triumphalität liegt das Problem: Fehlt sie dem Ergebnis des ökonomischen Erfolges, damit diesem selbst, in solchem Maße, daß allzu groß der Abstand wird zwischen wirtschaftlichem Erfolg und einer größeren Ordnung auf Dauer - oder liegt hier sogar ein Gegensatz, Reichtum gegen Reich? Ist der ökonomische Erfolg, in all seiner wirtschaftlichen Realität, doch nur politisch eine Fata Morgana von Triumphalismus, oder wohnt in ihm vielleicht sogar die Kraft zur Zerstörung dessen, was er nicht schaffen kann? Ernst muß dies bedacht werden, denn wenn auch nur etwas daran Wesentliches ist, so bedeutet das Wirtschaftswunder nicht ein Stück Reich, sondern eine Reichsillusion. Sicher - ohne wirtschaftlichen Erfolg gibt es keine politische Feier, keine reichsfeiernde Kultur. Ohne Reichtum kann es nie zu einem glückhaften Dauerzustand kommen, in welchem ein großer Sieg staatsgrundlegend wirken könnte. Wenn der Triumph Reichsgrundlage nicht ist im Glück eines Augenblicks, sondern im Dauerzustand der Sieghaftigkeit, so ist Armut eben doch ein Beginn von Staatszerstörung, auf einer verarmten Elite kann sich kein Imperium aufbauen, Don Quijote ist ein Anfang vom Reichsende -und dies alles gilt für das Bürgerreich nicht minder. Der verarmte Adel - das ist vielleicht immer ein Reichsproblem gewesen, gerade aus der Sicht eines Triumphalismus wird es ganz deutlich. Dies sind doch dann Träger einer Imperialität, welche nichts mehr anderes besitzen als vielleicht noch etwas von früherer Tugend, von der Kraft, auch ohne wirtschaftlichen Erfolg triumphierend Reiche zu schaffen. Doch es ist etwas ganz anderes, ob man die Güter zum Triumph nicht braucht, sie jederzeit in ihm gewinnen kann- oder ob sie verloren sind und verkauft, so daß nichts anderes bleibt als verarmte Triumphalität. Dies ist dann wirklich ein Endzustand, nicht der Beginn eines Reiches, und spricht nicht all dies für die reichsschöpfende triumphierende Kraft des ökonomischen Erfolges? Doch es bleibt eine tiefe Antinomie zwischen Reichtum und Reich. Der eigentliche Triumph, gerade dieses Kapitel hat es immer wieder, auch zwischen den Zeilen, gezeigt, ist stets etwas "ganz anderes als mehr Geld und Gut". Sie folgen dem Triumph, wenn er errungen ist, sie mögen irgendwann vor ihm kommen, doch im Augenblick seines großen Ausbruchs, wenn er die Grundlagen des Reiches setzen will, da vermag er dies wohl nie aus einer Triumphalität des Ökonomischen, eher wendet sich diese Macht noch gegen ihn. Sie will ja im Reiche des

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Möglichen bleiben, der ökonomische Erfolg behält sich immer seine Verwendung, seinen Einsatz vor, der Triumph dringt nach außen, er will seine Kräfte sehen lassen. Ökonomische Siege bleiben, selbst wenn sie diesen Namen verdienen, in den Fesseln des Materiellen, etwas vom Fluch des Materialismus haftet ihnen stets an, der Triumph ist in seinem Wesen ganz Vergeistigung der Erfolge, Spiritualisierung der Güter in Ordnung. Der Reichs-Triumph ist stolz, weil er um das Verdienst weiß, aus dem er kommt, nur dann, im letzten, beugt er sich vor der Gnade, die in ihm geschenkt ist; der ökonomische Erfolg kennt andere Abläufe: Er kommt aus den Roulette des Handels oder aus der Passivität des Friedens, nur zu oft fernab von feststellbarer Leistung, sie will er sich dann später geben als verdienstliche und immer bestreitbare Rechtfertigung, seinem Verdienstdenken haftet stets etwas an von der Schwächlichkeit nachträglicher Legitimation. Das "Kapital" steht immer- seit Marx wird es niemand leugnenganz wesentlich in der sozialen Auseinandersetzung zwischen den Schichten und Klassen, wann eint schon der ökonomische Großerfolg die Menschen, muß er sie nicht immer, laufend entzweien? Läuft er nicht darin stets gegen alle Triumphalität, daß diese eben der große Augenblick der Integration ist, bis hin zu den Besiegten, die vom Sieger aufgenommen werden, weil sie so ganz verloren haben? Triumph hat stets etwas Neidloses, so groß muß er sein, so einend und überzeugend, daß heutiger und späterer Neid vor ihm verblaßt. Doch die Schätze rufen den Neid, es gibt einen Ring des Nibelung, kein Reich der Nibelungen, und vielleicht ist dies die Tragödie Deutschlands gewesen, daß seine Siege nie ein Glück jenseits des großen politischen Neides haben erreichen können. Beneidetes Reich - das ist ein Widerspruch in sich; beneidete Schätze, Neid auf ein Wirtschaftswunder - das ist tägliche, ewige Realität. Schätze werden mitgeführt im Triumphzug, Beute ist eines seiner Zeichen, aber sie bleibt unter den Adlern. Eine Schlacht, in der nur Beute gemacht wird, ist kein Sieg, sondern Plünderung. Die Verteilung kann erst beginnen, wenn das Epos beendet ist, in einer heiligen Handlung auf einem Capitol. Wer in Gütern triumphieren will, löst vorher den Triumphzug auf. Wirtschaftliche Großerfolge - das sind die Folgen politischer Triumphalität, und sie kommen mit solcher Selbstverständlichkeit, daß sie oft selbst als Triumph erscheinen mögen, und doch ist hier die Phasenverschiebung entscheidend. Wird man eines Tages vielleicht nicht doch sagen, daß das deutsche Wirtschaftswunder nach 1945 nur NachTriumph einer Virtus germanica war, welcher der Sieg auf den Schlachtfeldern versagt geblieben ist? Und dann spricht eben doch so

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viel dafür, daß mit dem ökonomischen Großerfolg der Triumph nicht beginnt, sondern endet. 8. Das Ende des Triumphalismus im Eudämonismus

Der Idealismus der großen deutschen Philosophie hat alles Vernichtende über den Eudämonismus gesagt - ganz natürlich, war dies doch die Zeit eines selbstverständlichen, eines geistigen und materiellen Triumphalismus in unseren Landen. Napoleonische Siege stellten die Kulisse, sie wurden wie eigene gefeiert; die Zerstörung des Alten Reiches begründete die neue große Reichshoffnung der Deutschen, der heraufkommende Liberalismus ließ unendliche Kräfte ahnen. Vor allem aber steigerte sich der protestantische Pietismus zu einer Neuentdekkung der Virtus Romana, es kam etwas herauf wie das Ende allen Genusses im Geiste. Kaum sechs Generationen später - könnte der Abstand größer sein, und müssen wir nicht, gerade in Deutschland, all unseren Triumphalismus begraben, auch die letzten Trümmer unseres Reiches noch tiefer im Boden versenken, wenn wir die Freude an unseren ökonomischen Erfolgen am Maß des Genießens messen? Dabei lag im deutschen Wirtschaftswunder durchaus ein Anfang von Triumphalität, gerade deshalb, weil dies weithin genußlose wirtschaftliche Erfolge waren. Nennen wir es getrost einen großen Sieg des Investitionismus über den eudämonistischen Konsumismus, und vielleicht war es sogar, ein wahres Paradox, ein Triumph der "Investition aus Konsum", weil eben in der Philosophie eines Erhard noch mehr in den Boden gegraben als geerntet wurde. Das Maul wurde nicht verbunden, vor allem aber wurde gedroschen, in diesem Triumph der zähen Ochsen. Und dann kam, gerade in Deutschland ganz sichtbar, der Umschlag in Verteilung und Genuß, und es war nichts anderes als das Ende der letzten Reste des deutschen Triumphalismus, im schlimmsten aller Eudämonismen, jenem, der sich "soziale Gerechtigkeit" nennt. Hier werden geistige Worte eingesetzt gegen die reichsgründende Virtus, welche die Wirtschaft im Reich überhöht, ein Gegenreich wird aufgebaut wider das Imperium der Triumphe, im Namen jener "Gerechtigkeit", hinter welcher doch stets imperiales Denken stehen sollte. Zwei Reichsbegriffe treten hier gegeneinander: das Reich der Verteilung zum Genuß und das Imperium aus Triumph, kaum irgendwo wird deutlicher, daß nur aus Triumphalismus der wahre Reichsbegriff gewonnen werden kann. Denn "Ordnung" ist ja auch die laufende Verteilung und Umschichtung, zu immer mehr "Glück" der immer größeren Zahl, worin ein Liberalismus den Anschluß an den Sozialismus findet,

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der sich eben nurmehr als ein "leben lassen" versteht. "Erhalten müssen" als "schaffen müssen" - wenn das noch als Auftrag gefühlt wird, dann kann es noch etwas wie eine - zugleich - ökonomische Triumphalität geben; die reine Ökonomie verliert sich im Pseudotriumph des Verbrauchs, und in diesem Wort liegt alles, was auch nur irgendwie antitriumphalistisch sein kann. Da fehlt das Bleibende und das Weiterwirkende, das übermenschlich zu Feiernde und der Dank für die Gnade des Triumphs; denn gefordert wird das tägliche Brot, gedankt wird dem großen Gott für seine unendliche Triumphalität, für den Saum dieses Mantels, den wir berühren dürfen - gratias agimus tibi propter magnam gloriam tuam. Keinen größeren Gegensatz gibt es als den zwischen materiellem Genuß und einem "Triumph zum Reich". Nicht nur, weil von jenem nichts bleibt, sondern weil Genuß eben doch nur Abschwung ist, wo Aufschwung gefordert ist, weil er im letzten - nichts besiegt und über niemanden sich stellt, sich allenfalls noch in sich selbst versenkt. Daß dem ökonomischen Großerfolg stets der Genuß folgen mußte, daß sich in ihm alle Kräfte verlieren, welche siegen können - dies ist nichts als eine historische Banalität; darin gehen sicher nicht Staaten unter in ihrer unbezeichnenden Technizität, daran sind immer die großen Reiche gestorben. Einen Gegensatz von Reichtum und Staatlichkeit gibt es wohl nicht, doch darin unterscheidet sich das größere Imperium von der kleineren Ordnung, daß es den großen Reichtum auf Dauer nicht ertragen kann, weil er seine Triumphalität auslöscht, alle Kräfte mit diesem mächtigen Zug nach oben. Der große wirtschaftliche Erfolg - das ist kein Reich, Reich kann aus ihm werden, wenn er als Tempelschatz bewahrt, wenn seine Kraft ganz außerökonomisch eingesetzt wird, in jenem Umschlag ins Politische, in dem der Triumph die Beute trägt, nicht ist.

9. Ökonomischer Triumphalismus gegen "Oberbau"das Reich als "Dritter Weg" Hätten wir der marxistischen Überbaulehre zu folgen, so müßte der große wirtschaftliche Erfolg stets auch den politischen Triumph bedeuten, nur in ganz großem Reichtum läge der große Sieg, nichts anderes gäbe es als das ökonomische Reich, keine kleinere oder größere Chance zum Reich wäre denkbar als der Gewinn des Kapitals, stets müßte es sich international zum Wirtschaftsimperialismus steigern. Und selbst das End-Reich des Kommunismus wäre nur vorstellbar im ruhigen Zustand der totalen ökonomischen Verteilung, des großen Endsiegs aller Proletarier im total verteilten wirtschaftlichen Glück. Dies ist die

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Reichslehre des ökonomischen Kommunismus, nicht die Reichspraxis der kommunistischen Staaten unserer Tage. Doch imperiale Triumphalität liegt auch in dieser ökonomischen Theorie - wie ein Beweis, daß es keine große politische Ordnung geben kann ohne die triumphale Dimension. Doch nirgends werden wohl auch die Überzeichnungen dieser Ideologie deutlicher als gerade in diesen letzten Konsequenzen ihrer Üherbaulehre, welche sie zum triumphalen Kuppelbau des Endkommunismus emporführen will. Das Politische ist eben mehr als ein ökonomischer Zustand, der Kommunismus selbst hat es schlagend bewiesen, indem er zuerst seine Gegner politisch und militärisch schlagen mußte, hier seinen politischen Triumph zu feiern hatte, bevor er einen neuen politischen Überbau über den veränderten ökonomischen Strukturen zu errichten vermochte. Der tiefere Grund liegt im Wesen des Triumphs, in seiner Notwendigkeit für die Schaffung des politisch Bleibenden und Großen: Entscheidend ist eben die Kraft, nicht der erreichte Zustand, nicht die Größe des Kapitals, sondern der politische Schwung, mit dem es herrscherlieh eingesetzt wird oder genossen. Und eine Prämisse in der Überbaulehre hat sich nie erweisen lassen: daß das Kapital, immer größer werdend, auch immer herrschedieher sich einsetzen will, daß das wachsende Geld in den Triumph notwendig hineinwächst. Im Gegenteil: Es bleibt triumphlos liegen, es wird nicht mehr getragen von Höhe zu Höhe, es will genießen, nicht siegen. Dieser erste Weg, der des Kapitalismus, führt in der Tat politisch nur zur Auflösung, wenn sich das Kapital nicht vom kapitalistischen Denken freimachen kann, wenn es nicht wirken will, sondern sich in der Sicherheit der ökonomischen Gesetzmäßigkeit wiegt, welche ihm der Marxismus verheißt. Dann verlieren sich die Riesenvermögen wie in unseren Tagen, dann geht selbst die politische Kraft des "Kapitals an sich" in Verteilung und Genuß vollends verloren. "Das Kapital" mag stärker werden, doch nie hat der Marxismus vertieft untersucht, was es bedeutet, wenn es damit zugleich auch immer nur noch anonymer wird- inappropriiert wächst es dann aus der Macht hinaus, wie jene Walküre, deren Schönheit dem ersten gehört, der sie findet, der siegt. Doch auch "der zweite Weg" führt ins politische Nichts, der Massenreichtum der totalen Verteilung. Mit großen Worten werden hier Siege gefeiert, Triumphalismen beschworen, von Errungenschaften ist die Rede, und keine politische Richtung hat je so oft die Worte "Kampf" und "Sieg" gebraucht wie der ewig triumphierende Sozialismus. Und all diese Siegesstimmung soll dann einen völlig herrschaftsfreien Verteilungszustand bringen, aus dem politischen Triumph in die ökonomische Antitriumphalität der totalen Verteilung? Da ist sicher etwas 11 Lelsner

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von einem großen Ordnungsdenken, doch wenn es ökonomischer Triumphalismus sein sollte, so kann daraus ein Reich nicht kommen. Seine Kräfte werden ja gerade aufgehoben in der Verteilung, der kommunistische Endzustand ist kein Triumph, und was ihn gebracht hat, ist nicht ökonomisch. In Ökonomie Siege genießen- dies ist immer möglich gewesen, und es bedarf nicht des Kommunismus, um es zu beweisen; aus ökonomischen Großerfolgen Reiche entstehen zu lassen, das hat mit sozialistischer Verteilung nicht zu tun, sie macht es unmöglich. Aus der Siegesstimmung mordender und plündernder Massen mag ein Reich werden, doch es ist kein Imperium aus ökonomischem Erfolg. Hier gerade zeigt sich klar das Verhältnis ökonomischer Erfolge zum politischen Triumphalismus: Sie geben dem Triumphzug den Glanz und folgen ihm nach, sein Weg sind sie nicht. Immer wird man vergeblich suchen nach einem "Dritten Weg" zwischen Sozialismus und Kapitalismus - wohin übrigens? Zu einem größeren Reich, natürlich. Er kann nicht gefunden werden, wenn er stets von jenen ökonomischen Orten aus nur gesucht wird, von denen die beiden anderen Wege kommen. Diese Suche verschleiert auch nur eine Angst: daß die beiden anderen Wege gar keine Straßen seien, oder daß auf ihnen nichts anderes voranschreite als laufende Auflösung. So ist es, denn verloren wurden Bewußtsein und Gefühl für den Triumphalismus, für den Großerfolg, der ökonomisch gefeiert, nicht aber allein wirtschaftlich errungen werden kann. Erst wenn die Beute eingesetzt wird zu immer neuen Siegen, erst dann kommt das Reich näher. Bittere Worte sind dies für kleine Staaten, wie auch den Staat der Deutschen. Wenn sie das Reich schon in der Größenordnung der politischen Möglichkeiten verloren haben, es geht ihnen nun noch weiter verloren in der Genußsucht der wirtschaftlichen Erfolge. Es gibt ja etwas wie einen Mehrwert der Imperialität: Die großen politischen Ordnungen, Amerika und Rußland unserer Tage, werden durch ihre alten Triumphe in immer neuen politischen Konsumverzicht des ökonomisch Erreichten gezwungen, ihre politische Verantwortung treibt sie von Triumph zu Triumph. Die kleineren Weggenossen wollen stets nur ruhiger genießen, ihr immer reichsferneres Verhängnis ist die Versuchung zu immer reinerem ökonomischen Triumphalismus. Sie sollten erkennen, daß der einzige Dritte Weg, der politische, der des Triumphes, auch ihnen offensteht, daß sie die ökonomischen Wege zusammenfassen und verbreitern müssen, soll darauf einmal wieder etwas marschieren wie Legionen.

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V. "Triumphe des Geistes" Geistiges Triumphieren mochte einst eine selbstverständliche Folge der Imperialität sein, die große Kunst im großen Reich. Die Frage, ob dies Ordnungskraft oder nur Ordnungszeichen sei, wurde sicher auch schon früher gestellt, in den römischen Versuchen, dem beginnenden großen Imperium eine ebenso große Geistigkeit zu verleihen, in einer Renaissance, welche gewonnene Schlachten durch geschaffene Kunstwerke ersetzte. Heute stellt sich uns die Frage nach der imperialen TriUmphkraft des Geistigen in ganz besonderer Weise in diesem letzteren Sinn: Kann der Kulturstaat den Militärstaat überholen, gibt es etwas wie geistige Siege, auf denen das Reich sicherer ruht als auf den Bajonettten seiner Garde? Daß die Frage nach dem "Kulturstaat" immer häufiger, drängender gestellt wird in unseren Tagen - das ist bereits ein Zeichen für Triumph-Verluste, welche vor allem die kleiner gewordenen europäischen Staaten hinnehmen mußten, in denen aber doch noch etwas wie Reichserinnerung lebendig ist. Von der Kulturnostalgie zum Kulturimperialismus - gegen beides mag sich friedliche Demokratie heute verteidigen, auf dem Wege zu gemäßigten Formen des Letzteren ist sie sicher. So wollen wir denn hier die Frage stellen: Was ist triumphal am geistigen Großerfolg, vermag er politisch zu wirken, militärische Schwäche, machtpolitischen Niedergang auszugleichen? 1. Triumph in geistiger Spitzenleistung oder in "Bildungszuständen"?

Einem demokratischen Denken, das nach dem größten Glück der größten Zahl strebt, dies über die Anspruchsbefriedigung der Bedürfnisse zu verwirklichen trachtet, mag auch die Demokratisierung des Geistigen vorgegebenes Ziel sein. So gehört es denn zu den Ritualen des Verfassungsrechts unserer Tage, Kunst, Wissenschaft und Forschung vom staatlichen Griff zu befreien, die Erziehung andererseits in die Hände dieser selben Macht immer mehr zu legen. Dahinter steht zunächst eine als demokratisch empfundene Grundentscheidung, die als solche vielleicht gar nicht bewußt ist: Das Geistige wird erweitert, zum großen, beinahe allumfassenden gesellschaftlichen Raum, und in ihm wieder werden dann Großbereiche angesiedelt, die ihrerseits auch noch in ständiger Ausdehnung begriffen sind, man denke nur an den Verfassungsbegriff der "Lehre", der nunmehr vom elitären Universitätsunterricht zur allgemeinen Unterrichtung verbreitert erscheint. In all dem liegt bereits etwas wie eine "Horizontalisierung des Geistigen"; gegen den Vorwurf der Einebnung würden sich ihre Vertreter gewiß

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wehren, doch niemand kann bestreiten, daß hier der frühere Raum großer geistiger Vorgänge sich zum allgemeineren Lebensbereich wandelt, damit nun von den Rastern des ordnenden Staates überdeckt wird, daß vielleicht noch weithin Freiheit belassen, diese aber allseitig von Herrschaftsmechanismen eingegrenzt wird. Kunst und Literatur gegenüber funktioniert dieser Mechanismus mehr nachtwächterlich, bei der Umsetzung der "Kultur in Erziehung" wird wohlfahrtsstaatliches Bemühen schon aktiver. Eines aber hat diese Entwicklung sicher bereits weithin in unser Bewußtsein gebracht: große Kulturebenen vielleicht - kein Bemühen um Kulturspitzen im Geistigen. Nicht, als ob dies nun die Spitzenleistung ausschlösse oder auch nur wesentlich zu beeinträchtigen vermöchte darüber ist hier kein Urteil möglich. Doch ein Problem kommt jetzt sicher herauf, gerade aus der Sicht der Triumphalität: Die politische Bedeutung des Geistigen ist wohl noch nie so deutlich erkannt worden wie in unseren Tagen, zahllose Versuche werden unternommen, Kunst, Literatur, ja Forschung und Lehre "politisch" zu wenden, wirken zu lassen. Doch geschieht dies alles nicht gerade in Formen, welche jede geistige Triumphalität von vomherein ausschließen wollen - indem "das Geistige" der Gesellschaft überlassen wird, oder indem diese und ihr Staat im Pluralismus, bis hin zur Indifferenz, nur einen riesigen Garten fördernd bewässern? Über diese Kulturfreiheit, über das "Gießkannenprinzip" mag man weiter streiten, darüber vor allem, ob es überhaupt eine "Entscheidung bedeutet". In einem Sinne aber ist dies sicher zu bejahen, in dem, welcher uns hier zentral ist: Triumphalität kann aus solcher Horizontalisierung des Geistigen vielleicht noch entstehen, bewußt wird sie hier nicht mehr gepflegt, eher zurückgedrängt. Eines aber mag als Ausgangsthese über diesem Kapitel stehen: Wenn es "Triumphe des Geistes" gibt, so werden sie in Spitzenleistungen sichtbar, in der Bewunderung für sie gefeiert. Eine Vertikalisierung des Verständnisses von Kunst und Literatur, von Forschung und ihrer Lehre ist Voraussetzung für ein triumphalisierendes Wirken des Geistigen in der politischen Gemeinschaft, eine Rezeption dieser Erfolge in die politische Landschaft, aus welcher dort dann Reichsbauten entstehen können. Großentwicklungen nur und Spitzenleistungen lassen sich feiern, nur sie sind Fakten, welche über die tausend Kanäle der Bildung in die Zukunft fließen, als Epos immer einmalig, in demselben triumphalen Gefühl stets appropriiert von späteren Generationen, aus dem sie einst geschaffen wurden. Bildungszustände sind nie Triumphe, und wollte man noch soviel Anstrengung auf sie verwenden und ihre Hebung. "Bildung" mag Staatsgrundlage sein, Verständigungschance gemäßigter Herrschaftsformen;

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Alphabetisierung einer Gemeinschaft wird man wohl kaum als einen "Sieg" empfinden können, allenfalls noch als eine weit entfernte Chance, ihn zu erringen. Wer in Bildungszuständen denkt, hat den geistigen Triumphalismus begraben. Wer sie als Vorbereitungen zu geistigen Entscheidungsschlachten versteht, muß sich den Sinn für die geistigen Großerfolge bewahren, die dann folgen sollen, aus denen er nicht nur die über-materielle Identität seines Volkes gewinnen, sondern dessen weit größere, wahrhaft imperiale Ordnung bauen will. Und von den abstrakteren Worten zur täglichen Politik: In Schulen wird nicht triumphiert, dort werden Offiziere ausgebildet und Generäle, vielleicht auch nur Sergeanten, welche dann die geistigen Entscheidungsschlachten schlagen. Schulen geben ihnen gute Noten, sie bieten ihnen Siegesgeschichten, aber Napoleons Caesar-Lektüre war noch nicht Tauion oder Wagram. Und "Schulen des Imperialen" -ob es das überhaupt geben kann? Eines jedenfalls ist wohl sicher: Schulpolitik ist wahrhaft Sache eines Staates, ein Einteilen der Bewahrung und Förderung, aus ihr allein wächst kein Reich. So wichtig sie ist als ein Ausgangspunkt für die Zusammenfassung der Vielheit in größerer Einheit, welche das Imperium ausmacht - die letzten Höhen kann sie nicht erklimmen, den großen Anstoß des Triumphalen nicht geben, der die "Verwaltung" zur "Reichs-Regierung" macht. Wo immer Verschulung sich durchsetzt, da verkümmern die Organe für einen Triumphalismus, der aus der mechanischen staatlichen Ordnung heraustritt, um die weit größere, die des Reiches, zu schaffen. So mag mit Akademien der Niedergang des Reichsdenkens eingesetzt haben, die Universität als Schule verliert eine weitere Chance zum Reich. Und doch: Wie das Geistige in immer neue Formen des Sieges hinaufwächst, aus allem Verwalten heraus, so ist jederzeit diese eine und große Chance des Triumphalismus gegeben - wenn jemand sie nutzt in einem Bewußtsein, das noch verstehen kann, was ein Sieg ist.

2. Kunst als Sieg a) Kunst - der ewige Triumphalismus Nirgends sind wohl die Chancen des Geistigen größer, triumphale Höhe zu erreichen, als in der Kunst. Aus ihrer überpolitischen Wirkungskraft kommt eine Integration, welche, gerade in der Demokratie, alle Parteiungen entscheidend überwindet, in der alle sich in den Triumphzug einreihen. Ihr ist die Grenzenlosigkeit des Imperialen ebenso eigen wie der Ausschließlichkeitsanspruch des ganz großen Werkes, in ihr triumphiert der Künstler über die Materie und sein eigenes Leben. Nirgends vielleicht wird dieses Wort Triumph noch so selbstverständ-

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lieh, so ohne jede Kritik gebraucht wie hier. Weil die Form ganz eins wird mit ihrem Gegenstand, fallen Siegesfeier und Sieg zusammen, der Triumph wird schon in der großen Attacke gefeiert. Durchbruch - ein Kernwort des Triumphalismus - gelingt nie vielleicht so entscheidend und auf Dauer wie in der künstlerischen Tat, nie setzt er sich so unmittelbar, als gäbe es keine Zeit, fort in den Herzen derer, die betrachten, nachempfinden, genießen. Wenn ein Triumphalismus unausrottbar ist, so der einer Begeisterung für die künstlerische Spitzenleistung, besser: der Begeisterung, aus der allein heraus sie hat entstehen können. Ob in Kunst immer wieder triumphiert werden wird, ob die alten Triumphe sich abschwächen oder immer noch mächtiger weiterwirken - diese Frage brauchen wir gerade in unserer Zeit nicht zu stellen, deren gehobener Bildungszustand sich vor allem in einem beweisen will: in der immer weiteren Öffnung zur Triumphalität früherer und heutiger Tage. Was Pazifismus von den Schlachtfeldern verdrängt, was Demokratie internationalisierend aus dem politischen Egoismus wirft - all dies findet sich wieder in immer weiteren Besuchen von Museen und Konzerten, als müsse der demokratische Bürger dort verströmen, was er in der herben Landschaft der politischen Kritik nicht mehr zeigen darf: Bewunderung für Triumphe der Vergangenheit und seiner Mitbürger. Die Frage ist nun eigentlich nur eine: Was von alledem läßt sich politisch wenden, welcher Weg führt von den Museen und Instrumenten zum Reich? Ist diese Kunst göttlich in ihrer Triumphalität, damit aber unberührbar für die, welche aus ihr politisches Kapital schlagen oder auch nur ihre Kapitalien vergolden wollten? Hier kommen große Probleme herauf, die wir in unseren Tagen mit kleineren Worten erörtern - Staatskunst und Kunstfreiheit, dahinter aber steht die Frage nach der politischen Renaissance-"Gewalt" aller Kunst. b) Kunst -

ein internationaler Triumph

Schließt nicht die grenzübergreifende Wirkung künstlerischer Großleistungen von vorneherein eine imperiale Wirkung aus, welche doch, in wenn auch weiten Grenzen, in etwas wie einer nationalen Ordnung erfolgen sollte? Die Frage nach der ordnenden Kraft eines künstlerischen Triumphes ist hier nicht die erste, denn einem solchen GroßEreignis ist es ja wesentlich, daß es in erster Linie Belebung und Anstoß bedeutet zu imperialen Konstruktionen, nicht diese als solche bereits schaffen will. Im übrigen könnte über die menschlich ordnende Kraft des Künstlerischen wohl vieles gesagt werden.

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Doch die Frage der National-Kunst bleibt gestellt, wenn nur in ihr Reichs-Triumphe gefeiert werden können, so wird gerade das ganz Große niemals imperial wirken. Über die Sinnlosigkeit aller Versuche, künstlerische Erfolge ganz und gar national zurechnen zu wollen, braucht hier kein Wort verloren zu werden; Schablonierungen wie die einer "Ecole fran~aise, allemande" usw., die Kategorisierung von Künstlern nach Pässen- all dies ist nichts als barer Unsinn. Doch gerade wenn eine National-Kunst die großen, wahrhaft triumphalen Momente nicht zu erklären vermag, weil sie über alle Staatlichkeit hinauswachsen, muß nicht gerade dann das Fragen nach der Reichs-Triumphalität solcher Phänomene einsetzen? Eine staatsübergreifende Kraft der Kunst zeigt sich schon darin, daß sie vielleicht "einem Volk gehören" kann, nie aber auf einen Staat beschränkt ist. Hier begegnet man zuerst einer Wirkkraft der Kunst, welche über Grenzen hinausgreift, und dennoch auch darin noch eine politische Wendung behält- eben in jener Zurechnung zu einem größeren Volk, einer Nation, wie sie gerade den Deutschen heute bewußt werden soll. Dann folgt ganz natürlich die Frage, ob darin bereits ein Anfang von Imperialität liegt, ob in dieser Grenzüberschreitung des Künstlerischen nicht der Anspruch einer geistigen Einbeziehung fremder Zivilisation liegt, in die eigenen geistigen Ordnungen. Natürlich ist das Reich etwas wesentlich Grenzüberschreitendes, vielleicht sogar Internationales, und der Triumph ist es auch, der hier in Kunst gefeiert wird. Wir müßten schon vollends in militärische Denkweisen des 19. Jahrhunderts zurückfallen, wollten wir die geistige Imperialität nicht sehen, jene wahre groß-ordnende Beherrschung der Geister, welche vom künstlerischen Großerfolg stets ausgegangen ist; und gerade das 19. Jahrhundert war sich noch darüber im klaren - in Liberalismus seine nationalistische Enge überwindend - daß es etwas wie ein geistiges Reich geben kann, welches eine Nation weit über ihre politischen Grenzen hinweg erweitern, darin vielleicht politische Ordnung vorbereiten kann. Die Haltung des geistigen Italien zu Deutschland und Frankreich nach 1870 zeigt, wie sehr man hier die Fortsetzung eines Kampfes der beiden europäischen Reichsideen um den Boden geistig wiedererlebt hat, von dem einst das eigentliche Imperium ausgegangen war. Und in seiner Kunst ist dieses Land seinerseits ein imperiales Zentrum geblieben, ein Reich des Schönen, in dem immer, wenn auch vergeblich, die Sehnsucht wach blieb nach den Legionen, die es einst auch in seinen äußeren Mauern wieder errichten könnten. In der italienischen Kunst der Renaissance und ihrer Ausläufer hat sich "nicht etwas wie ein vager Internationalismus" entfaltet, sondern eine ganz bewußte "Reichsidee ohne Militär", eine Fortsetzung vielleicht der künstlerischen griechischen Reichsidee mit anderen Mitteln.

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Der künstlerische Triumph, wenn er auf einen Raum konzentriert auftritt, ist ja nicht etwas wie eine grenzenlos sich verströmende geistige Entwicklungshilfe, er will nicht schenken, sondern vielmehr an sich ziehen, einbeziehen, in eigenen geistigen, gestaltenden Kategorien integrieren. In der Begeisterung seiner Überlegenheit, seines Sieges über die Konkurrenz, über Leben und Materie, steht er irgendwo ganz fest, gehört er einem Volk und einer Epoche, und gliedert sich dann doch so viele andere Provinzen an; in größerem Sinne hat dies Europa erlebt in jener Zeit, in welcher seine Länder Provinzen italienischer Kunst waren, in diesem geistigen Sinne hat es für mehr als ein Jahrhundert ein Imperium deutscher Musik gegeben. Wenn es die Grundstimmung des Triumphalismus ist, daß alles möglich wird, weil eines gelingen konnte - wo wäre er stärker wirksam, bis ins Politische hinein, als in der gestaltenden Kunst? Und wenn sie den Staat ·sogar zu ersetzen vermag - hebt sie ihn letztlich nicht hinauf in die Höhen eines Reiches, in denen sie sich wiederfindet, und andere größere Ordnungen? c) Kunsterbe oder Kunst-Auftrag zum Reich? Ein gerader Weg zur politischen Ordnung eines Imperiums ist Kunst allerdings nicht. Eine flügelhafte Freiheit trägt sie hinweg über alle Unvollkommenheiten heutiger Ordnungen und künftiger. Sie steht, selbst wenn um sie das politische Chaos ausbricht, vielleicht erscheint sie dann noch verehrungswürdiger, ein letzter Halt früherer Werte, vielleicht muß sie auch wieder in einem Boden versinken, aus dem sie erst Glücklichere in einer neuen Ordnung ausgraben. Ist sie es denn wirklich, die in ihrer Triumphalität Wege weist zum Reich- oder ist sie nicht vielmehr umgekehrt vor allem ein Erbe glücklicherer Zeiten? In ihr haben frühere Reiche wiederentdeckt, wiedererlebt werden können, sie war ein Vermächtnis antiker lmperialität und deren Renaissance zu Beginn der Neuzeit. Lag denn auf ihr nicht nur eine Sonne der Vergangenheit, ohne den großen Schwung zu einer Reichs-Zukunft? Dies ist sicher die ewige Doppelgesichtigkeit des Künstlerischen, daß in ihm etwas ist von unwiederholbarer Feierlichkeit wie auch der Aufruf zu neuem Feiern. Darin liegt die Versuchung eines ästhetischen Triumphalismus, daß die Kunst nicht mehr empfunden wird als ein weiterwirkendes Omen, daß sie vielmehr geliebt wird in einer Einmaligkeit, in welcher tempi passati nur schmerzlicher werden, unerreichbar. Kunst - das ist eben auch ein Hauptgegenstand eines wahrhaft romantischen Triumphalismus, wenn er sich nicht mehr zu erneuern vermag, in weiteren Schöpfungen seine siegende Kraft abbricht. Die unendliche Diskussion um die moderne Kunst ist nichts als ein Teil jener Gesprä-

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ehe über den verlorenen Triumphalismus, die heute überall schweigend geführt werden. "Weh dir, wenn du nur Erbe bist"- dieses Wort wendet sich an den Betrachter von Bildern, aus denen ihn frühere Triumphe, vergangene Imperialität anblicken, ohne daß er Antwort geben könnte, indem er sie fortlebt. Die eisern kanonisierte, für den raschen Betrachter kaum sich bewegende antike Kunst ist kein rocher de bronze von Einfallslosigkeit. Hier wurde der griechische Kunst-Triumph ganz groß und bleibend erkannt, in unendlichen Repliken ständig anerkannt. Das Römische Reich hat seine Kunst-Triumphalität erst später gefunden, doch es hat sich auch diesen Sieg voll zu eigen gemacht, ihn in seine Staats-Legende eingebaut wie die Flucht des Aeneas von Troja. Und dann war da ein Reich, das gar nicht anders konnte, weil ihm ein Gott half - es hat sein Kunsterbe nie erreicht, doch es immer als imperialen Auftrag empfunden. d) Von der Staatskunst zur Reichskunst Staatskunst, Architektur etwa als Ausdruck eines politischen Zustandes, ist immer noch der vernichtenden Kritik eines freieren, größeren Kunstverständnisses erlegen. Und doch war diese zu leicht, wenn sie sich nur die brutale Massigkeit moderner Regime-Kunst zum Ziel nahm. In ihr sollte allerdings Kunst ganz bewußt als Triumph eingesetzt werden, weit mehr aber als ein Zeichen gegenwärtiger Macht denn als ein Weg zu größerer Ordnung. Kunst, welche sich dergestalt "parallel im Staate" entwickelt, hat keine imperiale Chance, weil sie selbst so gewaltsam ist wie die Macht, die sie verherrlicht. Doch allzu schnell wird hier auch der Stab über eine Reichskunst gebrochen, die weit über alle Regime-Kunst hinausgeht. Ob etwas von ihr auch in manchen Bauten kommunistischer Staatlichheit liegt, kann heute noch nicht übersehen werden; sicher ist nur, daß Staatskunst, Staatsarchitektur im besonderen, nur von jenen völlig verdammt werden kann, denen Kunst nichts anderes bedeutet als Freiheit, obwohl sie doch so viel mehr noch ist als diese. Betrachten wir also alle Staatskunst mit weit mehr Sinn für ihre triumphalistischen Kräfte! Entscheidend ist nicht, wie eng die Kunst beim Staate steht und seinem Regime, sondern ob dieses groß genug ist, um durch sie wirklich gefeiert zu werden. Wenn das zutrifft, dann hebt die Kunst auch den mächtigen Staat noch über seine Grenzen hinaus, sie schafft Monumente seiner Triumphe, in welchen sie von der Staatskunst zur Reichskunst wird. Wo die Kunst selbst schon nicht, in sich, ein großer Sieg ist, wo sie sich anschließt an politischen Sieges-

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willen, da bedarf sie der Sieghaftigkeit seiner Ergebnisse; wenn sie fehlt, kann gerade eine "politische", eine Staatskunst, ein Reich nicht retten, das in Schlachten zerbricht. In diesem Sinne ist die Kritik an der Staatskunst sinnlos: Triumphalismus kann von der Kunst nicht erwartet werden, wo es nichts zu triumphieren gibt. Wir aber sollten an das Größere denken, an die Reichskunst. e) Staatsfreie Kunst- ein staatsfreier Triumph? Dem liberalen Staat steht keine Freiheit höher als die der Kunst, einst war sie ihm so selbstverständlich, daß sie in seinen Verfassungen gar nicht erwähnt zu werden brauchte. So ungebunden will er sie lassen, daß er sogar die Definition des Kunstbegriffes freigibt, bis zur Unfaßbarkeit: Verwaltungsbeamte und Richter läßt er allein mit der Frage, was denn nun Kunst sei, und nie wird mehr gelingen als ein Skandal, will ein Gericht die einzig mögliche Grenze dieser schon vorbehaltlosen Freiheit noch verdeutlichen, die eben doch nur da liegen kann, wo etwas wie eine "höhere Kunst" verlassen wird. Demokratische Kritik wird immer wieder alle Versuche, Gelegenheits- oder Geschäftskunst diesen Namen abzusprechen, der Lächerlichkeit preisgeben. In der Tat- was ist leichter, als mit Lexikonzitaten Kunstfreiheit ad absurdum zu führen. Was damit aber verloren wird, ist weit mehr: Die triumphale, die reichsschaffende Kraft des Künstlerischen. Was sich so in sich selbst drehen soll, ziellos, weil grenzenlos, bewegt sich im letzten dann aus der Wertwelt der Gemeinschaft heraus, doch mit dem Anschluß an die Politik verliert es auch die Verbindung zur allgemeinen Geistigkeit, welche eine Gesellschaft prägt. Wie ein wundersames Monstrum erscheint heute diese Kunst in ihrer vollen Freiheit, der alles erlaubt sein soll, was sonst mit Gefängnis und Sozialzwang geahndet wird, der dafür aber eines genommen wird: politische Bedeutung, triumphale Kraft. In ihrer Kunstfreiheit hat sich die liberale Demokratie im letzten schon von der Kunst überhaupt abgewendet, und der Radikaldemokratismus sozialer Verteilungsfreuden hat nichts voller übernommen als diese Grundentscheidung: Freiheit muß doch auch er zu bewahren suchen, welches Alibi wäre besser als das der Kunstfreiheit, um im übrigen, in allem Materiellen und politisch Bedeutsamen, verkleinernden Sozialzwang kritikfrei einsetzen zu dürfen? Die Antitriumphalität jener Kunstfreiheit der Beliebigkeit muß ein Glück sein für ein solches Staatsverständnis, läßt sich hier doch etwas feiern, was nichts bringen wird, nichts bewegen zu größeren Ordnungen einer vielleicht nicht mehr nur nehmenden, sondern auch wieder gestaltenden Freiheit. So

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ist denn die Tradition bruchlos vom liberalen zum sozialen Staat, in dieser Kunstferne von Politik und Staatlichkeit, Demokraten sehen darin auch heute noch eine der großen Kontinuitäten ihrer Staatsform. Doch es ist nichts anderes als eine Kontinuität des Irrtums, und zutiefst antidemokratisch zumal. Der politischen Erfahrung von der stets "politischen", von der triumphalen, reichsschöpfenden Kraft des Künstlerischen, seiner reichsweisenden Kraft zumindest, wird hier nur ein politisches Axiom stillschweigend entgegensetzt: daß Kunst allenfalls noch als kritischer Sturmbock wirken könne, daß hier der GuernicaEffekt alles sei. Wenn dann die "volle Demokratie" erreicht ist, so mag die Kunst zu ihrer Freiheit versammelt werden, ein Freizeitvergnügen allenfalls noch für den Verteilungsbürger. Doch dort wird Kunst nie stehen bleiben, solange sie noch diesen Namen verdient. Eine Wesensbestimmung gibt es für sie sicher: daß sie immer triumphal hervorbringen will, sich aus dem Triumphzug einer Gemeinschaft nicht ausschließen läßt, ihn mit ihren Zeichen verschönt, wenn nicht anführt. Die große Kunst ist immer an der Spitze der Triumphe einhergeschritten, die liberal-soziale Kunstfreiheit will ihre Träger verarmen, indem sie sie aus der Gemeinschaft und ihrer Politik zuerst verdrängt, um sie dann mit ihren guten Werken der Sozialversicherung in diese wieder aufzunehmen. Künstler als Sozialrentner ist das größte Ärgernis für wahre Kunst, weil es der tiefste Abfall ist von der Triumphalität des Künstlertums. Das Problem einer Staatsförderung der Kunst kann eine liberale Verfassungsdogmatik nicht lösen. Sie fällt von den Ängsten der wirtschaftlichen Beherrschung der Kunst in die ihrer Politisierung, und sie weiß darauf nur eine Antwort: die des staatlichen Finanzrückzugs oder der Förderungsverteilung über die Jury. Doch der Fehler liegt schon am Anfang dieses Denkens: Staats-, machtferne Kunst ist ein Unding, sie verliert ihr triumphales Wesen, wenn ihr immer nur "geholfen" werden soll - sie selbst will helfen, gestalten, beherrschen. Der arme Künstler, von reichen Kaufleuten belächelt - welch trauriger liberaler Unsinn, welcher Abfall vom Malerfürstentum der Vergangenheit! Nirgends ist ja der Schritt kürzer von der Zwecklosigkeit zur Sinnlosigkeit menschlichen Tuns, und welche Kunst wäre größer gewesen als jene, der Liberalismus nur Schmeichelei für die Mächtigen vorhalten kann, triumphierendes Nachempfinden von geistigem Schlachtenglück? Natürlich kann es der größeren Kunst nicht genügen, daß ihr aus dem Staatssäckel quotenmäßig Geld verteilt wird, als seien ihre Träger Parteivertreter. In dieser Kunstförderung liegt, wenn überhaupt noch, nur eine pervertierte Politisierung, Künstler werden kleiner gemacht, es wird ihnen das Recht zum Triumph entzogen, so wie ja auch, in sol-

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ehern Verständnis, eine Partei nie wirklich soll über die andere triumphieren dürfen. Der wahre, große Künstler aber wird nie den Konkurrenten anerkennen oder auch nur kennen, weil sein Werk unvergleichlichen Triumph bedeutet, weil er diese Macht in den Staat hineintragen, ihn dadurch zum Reich erhöhen will. Administrativförderung ist in der Tat das Schlimmste, was der Kunst widerfahren kann, hier wird sie verstaatlicht, wo es doch gilt, sie zu verreichlichen. Wer mit der Staatsförderung der Kunst antritt, wird eines Tages auch diese noch in demokratischer Konsequenz versagen müssen, er wird dann hier nichts weiter de facto abschaffen als eine "liberte inutile", die Freiheit einer enttriumphalisierten Kunst. Noch größer fast ist die Gefahr einer Kunstförderung über die Jury, welche die Kunstfreiheit durch künstlerische Selbststeuerung aufrechterhalten will. Wettbewerbsbedenken mag man verdrängen, obwohl doch gerade härtester Wettbewerb immer zum Wesen des Künstlerischen gehört hat, Förderungsgremien aber so leicht zu heimlichen Kartellen sich entwickeln. Weit gefährlicher ist Verzunftung und Notablierung, Schulverfestigung und Gegengeschäfte, welche nur zu oft Sklerose durch solche Kunstförderu~g bringen, in eigentümlichen Vorstufen einer Akademisierung. Und wieder zeigt die Blickrichtung des Triumphalismus: Genommen wird so dem Künstler die Kraft des begeisternd Durchbrechenden, eines grenzenlosen Hinaufstürmens, die epische Dimension einer Anstrengung. In der Zunft ist alles Ordnung und Staat, bis hin zur Mechanik. Kaum etwas steht dem Triumph so fern wie die Zunft. Sie ist müde und bewahrt, sie verwaltet. Ein Reich mag auch Zünfte unter sich haben, aus ihnen wird es nicht, und die KunstZunft der Jury, die noch nicht einmal die Wohltaten der HandwerksZunft und ihrer bewahrten Regeln weiterträgt, sondern nichts als eine Form der Bank-Verzunftung bedeutet, sie ist doch nur eine Verrentung des Künstlerischen im großen, zu Gunsten derjenigen, die so sicher von Preis zu Preis schreiten, wie später von Rentenanspruch zu Rentenanspruch. Die Jury sollte für den Preis da sein, aus ihm sich definieren, doch nur zu oft ist es, als diene der Preis nur der Jury, der Bestätigung der in ihr verkörperten untriumphalistischen Mächte eines selbst sich bewahrenden Ordnens. Wie soll eine Kunst triumphal wirken, wenn sie durch etwas ermöglicht wird, was wie eine Gerichtsverhandlung wirkt! Verliert vor Gerichtsschranken nicht auch der größte Sieg noch an Triumphalität? Zutiefst undemokratisch schließlich ist die Vorstellung von der staatsfreien Kunst. In der Volksherrschaft ist der Staat das Volk, und sollte denn die Kunst nicht vom Volkssouverän hervorgebracht werden? Wenn aber nicht nur in seinem Namen alles geschieht im Staate, son-

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dern wenn es von ihm selbst sogar ausgeht, warum sollte er dann eine eigenartige Zurückhaltung mit einem Male dort üben, wo es gilt, den Staat als Einheit zu befestigen und zu verherrlichen? Demokratie verlangt weit mehr als Kunstförderung, sie fordert die Kunstschöpfung durch die Gemeinschaft, die volle Hineinnahme künstlerischer Schaffenskraft in die politischen Ordnungen. Demokratie als Mäzen - die Formen müssen hier vielleicht noch entwickelt werden, den Grundsatz müssen wir festhalten; er aber nützt wenig, wenn sodann alles relativiert wird in einer Neutralität, welche die Kunstrichtungen wie Parteien behandeln will. Überwunden werden kann all dies nur in der Erkenntnis der Triumphalität des künstlerischen Schaffens, im mutigen Bekennen zu einer Kunst, die nicht nur Staatskunst sein will, sondern größer werden. Volkskunst ist heute dafür noch kein Wort, doch es wird nötig sein, dies einmal mit neuem Sinn zu erfüllen, mit dem einer wahrhaft triumphierenden Bürgerschaft, die in ihrer Kunst sich selbst verherrlicht und ihre Triumphe. Mag sie dann nach Athen schauen! Kunstfreiheit - wer auf das Parthenon blickt, erkennt sie als KunstTriumph. f) Renaissance-Triumph

Eine Zeit hat es gegeben, in welcher Kunst sicher in ihre höchsten Rechte getreten ist, mit der Macht des Triumphes: die Renaissance, hier hat die Kunst die Dimension des reichsgrundlegenden Großerfolgs erreicht. Ausdruck und Feier von Siegen war sie, doch in ihrer eigenen Größe, in ihrem künstlerischen Gelingen setzte sie selbst darüber noch etwas wie einen weiteren, noch höheren Triumph, nicht nur sichtbarer, größer wurden in ihr die gefeierten Siege. So ist denn der Petersdom selbst Triumph in sich, geistig wohl herauswachsend aus der Einheit der Erlösung, doch mit dem Anspruch der alternativlosen Lösung von Schönheit und Größe, Versailles ist in sich dauernder Triumph geworden, nicht nur, weil es so groß war wie sein König, sondern weil es, zutiefst in Renaissancedenken noch wurzelnd, seinen Triumph verewigen konnte, und in diesem Palast waren auch die verlorenen Schlachten gewonnen. Die große Renaissance mit ihrer "Kunst aus Ruinen" war ganz staatsgrundlegende Triumphalität. Es fehlten die Legionen, doch die Köpfe der Imperatoren waren in Stein geblieben und wurden neu. Mehr war da als einfach Fortsetzung des großen Reichs, im Geist seiner Künstler und ihrer politischen Auftraggeber, die nie wieder in gleicher Weise mit ihnen zur Binheit sich verbanden, wurde die Kunst das ganz große Staats-Ereignis, ein Reichs-Phänomen.

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Renaissance bedeutet "Reich durch Kunst", darin war damals viel Romantik, die ihre Sehnsüchte zu Monumenten werden ließ, später, bei den Deutschen zumal, Fortsetzungshoffnung, Neo-Renaissance im 19. Jahrhundert als Vorläufer des Neuen Reiches. Viel mehr als Geschichts-Kunst wollte man ja in der immer erneuten Hinwendung zu den Großtaten der Renaissance, das Rom-Ereignis sollte sich künstlerisch wiederholen, vom Triumph zum Reich. In dieser Renaissance werden zwei Bande sichtbar, welche Kunst in der Höhe des Triumphalen halten: die gigantische Dimension, die auch in der Einmaligkeit der Qualität erreichbar wird, und die bewußte Siegessuche, die in der Wiederentdeckung das alte neue Großereignis feiert. Im Barock ist dies nicht verloren gegangen, es hat sich zu anderen Formen der Kunst-Triumphalität gewandelt, über die wir noch sprechen werden, die Kunst ist auch Ausdruck des "Triumphs an sich" geworden. Verloren aber geht aller Kunst die reichsgründende Kraft sicher dann, wenn etwas eintritt, was man in ihr den "Verlust der Renaissance" nennen könnte, jener Grundstimmung, mehr noch: Grundüberzeugung, in der sie und die Künstler sich fühlen als überstaatliche Macht. In der besonderen geschichtlichen Lage der Renaissance, mit ihren zerbrechenden politischen Ordnungen und ihrem einmaligen künstlerischen Aufbruch, hat Italien der Welt gezeigt, wie einmal Kunst kommt vor Reich, wie im Kunsttriumphalismus das Imperium vorweggenommen wird und wenn es dann nie kommen sollte. Kunst wird zum Reich im ganz großen Gelingen der Kuppel, nicht nur zum Staat in begrenzten Herrschaftsmomenten. Klassische Kunst ist dies im Sinne eines tiefen, auch politischen, eines wahrhaft zum Reich führenden Ernstes. Und zugleich steigt etwas Göttlich-Triumphales auf diese Tempel herab, denn in der Renaissancekunst trägt alles diesen Namen. Monumental ist das Große wie das Kleine, triumphal ist alle Kunst. Italienische Reise - hieß das nicht auch, am Ende des Reiches der Deutschen, das Reich der Römer mit der Seele suchen? 3. ,.Klassiker der Literatur" -

Künder eines Reichs-Triumphs

Das geschriebene Wort hat eine einmalige Chance in der Grundlegung größerer Staatlichkeit in triumphalen Formen: Ausdrücklich und bewußt kann es verherrlichen und feiern, es bedeutet einen Aufruf zum Mit-Triumphieren, in welchem die große Literatur ganz anders anspricht als das bedeutendste Werk der bildenden Kunst. Kurz ist der

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Weg vom politischen Wort, in dem bereits triumphiert werden kann, zur großen literarischen Form, die über den Anlaß hinausreicht und zum Triumph der Worte wird. Gerade eine Demokratie muß den Literatur-Triumph anerkennen, sie, die Staatsform des Wortes, weil darin doch nichts anderes liegt als ein "Sieg der höheren Worte". Und ein Sieg, der zum dauernden, Grundlage schaffenden Triumph werden kann, über die Weitergabe, die nicht nur Lesbarkeit bedeutet, sondern Lehrbarkeit in unzähligen Schulen. In literarischen Monumenten wird der besungene Großerfolg zum imperialen Epos, und diese reichsschöpfende Kraft scheint sich auch noch in vielen anderen Worten mitzuteilen, welche eine Höhe erreicht haben, die nur imperial definiert werden kann: die der "Klassiker". Wie immer dieses Wort entstanden sein mag für die Schriftsteller der Alten, in ihm liegt etwas vom Abgeschlossenen, vom endgültig Triumphierenden sicher. Sie sind so ewig wie ihr römisch-griechisches Reich, mochten sie es nun besingen oder nur ganz einfach aus ihm kommen, seine goldenen Lorbeeren um die Stirnen tragen. Über diese alten Schriftsteller ist der Begriff der "Klassiker" zum Ausdruck der allgemeinen Triumphalität hoher Literatur geworden, ohne Rücksicht auf ihren "politischen Inhalt". Für viele Jahrhunderte waren ihre Worte ein Beweis dafür, daß das Reich einst gelungen war, daß sich etwas von ihm auch in späteren Geistern fortsetzen durfte, in diesen Klassikern haben Griechenland und Rom nicht nur herrschaftslegitimierend, sandem in ständiger geistiger Reichsgründung überlebt. Wenn Braque einmal das Wesen der großen Malerei im "fait pictural" gesehen hat- die Klassiker bedeuten ein literarisches Faktum für jeden Kulturkreis, weil sich in ihnen eine Reichs-Triumphalität, ein Beginn der größeren, übergreifenden Ordnung nicht nur fortsetzt - weil sie all das sind. 4. Staatsliteratur? ·

Mehr noch als die bildende Kunst hat sich stets die Literatur femhalten können von den Niederungen der politischen Herrschaftsverherrlichung, des täglichen Staats-Lobes. Über Staatskunst mag noch gesprochen werden, Staatsliteratur ist, zum Glück, nie ein Wort geworden. Die Klassiker gerade, im Grunde jeder Literatur, definieren sich geradezu aus einer eigentümlichen Distanz zu gegenwärtigen, wechselnden Machtverhältnissen, mögen die Autoren diesen auch persönlich noch so sehr verhaftet gewesen sein. Aus der weiten Politikfeme der großen Literatur fallen immer wieder mächtige Worte in die politische Arena herab, seit dem homerischen Lob der Monarchie, doch im letzten stehen ihre Autoren darüber, keine Staatlichkeit hat je Klassiker besetzen können.

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

Für Deutsche verständlich mag man dies den "Goethe-Effekt" der großen Klassik nennen, ein eigentümlich überstaatlich erscheinendes Schweben, mit großen Worten für dieses und jenes, die man auch über Machtgebäude schreiben mochte. Ein eigentümlich internationalisierendes Schweifen ist, bei aller sprachlichen Verwurzelung und ursprünglichen Kraft, dieser Goethe-Klassizität eigen, es sind Wanderungen zwischen geistigen Welten. Und dies ist keineswegs eine Besonderheit deutscher Klassik, auf anderen Spitzen der Literatur findet sich dieselbe Erscheinung, bei Homer, Dante, Shakespeare. Doch diese übernational erscheinende literarische Weite bedeutet in keiner Weise Verlust an reichsgründender Kraft, im Gegenteil. Hier wird eine eigentümliche ausgreifende Triumphalität sichtbar, in welcher diese Klassik sich als wahrhaft imperial erweist. Das große Gelingen ist zwar ein solches der nationalen Sprache, es strahlt auf alle aus, welche sie herrscherlieh oder gar in größerer Ordnung gebrauchen, wird zu ihrem nationalen Triumph, in seinem Namen können sie eigene geistige Ordnungskraft auf Fremdes ausdehnen. Darin aber liegt gerade das Imperiale des großen Literaturtriumphs: Nicht in den primitivierenden Versuchen, die eigenen Klassiker über die fremden zu stellen, sondern in der großen Chance, in ihren Worten eigene Gedanken über die Grenzen zu tragen, auch politische Inhalte, und damit vielfache Strömungen in wenigen großen Worten zu einen. Wer die Triumphkraft der großen sprachlichen Klassik leugnet, hat nichts von der ordnenden Kraft der Worte verstanden, mit denen ein Reich sich immer neue Provinzen nicht unterwirft, sondern angliedert. In der Bewunderung für seine Klassik, in der Triumphalität ihrer selbst völlig unpolitischen glücklichen Worte, dehnt sich ein geistiges Reich aus, in Gedichten wird vorgesungen, was dann in imperialen Befehlen geordnet wird, in derselben Sprache, mit demselben ausgreifenden Anspruch. Daß es ein Reich der Sprache gibt, daß es die großen Klassiker schaffen und beherrschen, wird niemand bestreiten, auch nicht, daß es politische Kräfte ersetzen kann und überleben. Die Klassiker sind sicher nicht Staatsliteratur, nur Geschriebenes zum Herrschergebrauch. Fraglich kann allenfalls eines sein: Liegen in ihren Werken triumphale Kräfte auch einer größeren politischen Reichsidee? Im Epos ist es selbstverständlich, wird es doch in seinem großen erzählenden Ausgriff Reich gewordene Dichtung. Jedes Werk, das diesen Namen verdient, ist nicht nur triumphale Geschichte, was immer es beschreiben mag, es ist selbst ein triumphales Faktum, welches das Beschriebene als ein mächtiges Monument in die eigene geistige Welt stellt. Ein Epos ist immer Reichsdenken, der Triumph einer großen Begebenheit.

V. "Triumphe des Geistes"

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Auch die Tragödie, alles größere Schauspiel einer klassischen Literatur erreicht die Dimension epischer Triumphalität. Auch hier ereignet sich Größtes, in der Kraft der Literatur. In der Triumphalität der shakespeareschen Königsdramen ist schon das englische Empire aus dem germanischen Dunkel getreten. Aristoteles hat uns gelehrt, daß dort Könige auftreten müssen - weil Reich gespielt wird. Der große Sieg liegt in der Einmaligkeit des Vorgangs, vor dem sich auf Dauer alle Zuschauer neigen. In der Triumphalität einer Reichsdichtung bilden Epos und Drama eine Einheit, doch Triumph ist auch im großen lyrischen Wort: Es ist der Sieg des Augenblicks, die Einmaligkeit eines Gefühls ohne Grenzen, die göttliche Freiheit eines Wortes mit neu geschaffenem Inhalt. In solchen Worten erkennt sich eine Nation, eine Epoche, ein Reich. In dieser ausgreifenden Kraft des so ganz Einzelmenschlichen liegt etwas von der Virtualität einer Reichsidee, das große lyrische Ereignis öffnet die Augen auch für so ganz gefühllos erscheinende politische Triumphalität, in der doch soviel ist von großer geschichtlicher Lyrik. Nicht immer bleibt einem allein gegeben, einen literarischen Ausgangstriumph für das geschriebene Reich mit einer Zunge zu setzen. Öfter noch traten in einer Periode literarischer Klassik mehrere zusammen, in Deutschland, Frankreich und anderswo. Viele literarische Großtaten werden zu einem Triumph der Klassiker, als solcher sind sie, unbewußt, Generationen von Schülern und Bürgern immer gegenwärtig. Da ist etwas, was weit mehr zusammenhält als ein Nationalgefühl, eine sprachliche Selbstverständlichkeit; in den vielen Worten der Zahlreichen, in dem einheitlichen ausgreifenden Schwung ihrer Periode wird der Ausgangspunkt gesetzt für ein Reich des Geistes. So ist es denn, als hätte alles Spätere schon auf einer ihrer Seiten gestanden, so wie die ganze große Reichsordnung in der Stunde des säkulären Sieges ganz schon da war. Kunst und Literatur - ob sie triumphieren wollten oder nicht, wir fühlen diese ihre imperiale Macht als spätere Erben, vielleicht legen auch nur wir in sie die Ausgangskraft eines Imperiums, in diese ReichsDichtung. 5. Wissenschaft als Triumph

a) Forschung und Lehre -notwendige Einheit in einer wahrhaft "politischen" Universität Wie der große Liberalismus in seiner Kunstfreiheit, unbewußt vielleicht, etwas wie einen Raum triumphaler Selbstentfaltung zu bewahren suchte, so war ihm die Forschung und ihre Lehre heilig- vielleicht 12 Leisner

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wollte er dort Siegesstimmungen schaffen, welche seinen ökonomischen Erfolgen reichsgründende Höhe und Tiefe sichern sollten. Aus ähnlichen Gründen wie die Kunstfreiheit sind auch Wissenschaft und Forschung von der Krise des Triumphalismus erfaßt worden. Wenn das Wort vom geistigen Triumph hier überhaupt einen Sinn haben soll, so kann dieser nur in der Forschung errungen werden, nie allein in einer Lehre, die ihn allenfalls noch weitergibt. Die Schule als solche triumphiert nicht, und es liegt sicher ein tieferer Sinn darin, wenn eine Verfassung "die Forschung und ihre Lehre" in Freiheit halten will: Aus der Sicht des Triumphalismus, der Gründung größerer Ordnungen aus geistigen Erfolgen, ist diese Einheit eine unbedingte Notwendigkeit, denn der "stille Sieg" des Forschungserfolgs allein kann ebensowenig politisch wirken, wie seine Popularisierung je mehr bedeuten wird als eine Staatsveranstaltung ohne Triumph. Tritt aber die Forschung in Lehre heraus aus ihren engeren Kreisen, so hat sie in diesem Vorgang selbst eine Chance zum geistigen Triumph. Etwas Triumphales liegt ja schon im Namen der Hochschule selbst, das einzige, was sie mit dem Begriff der Universitas gemeinsam hat, ist eben diese Triumphalität, das Bewußtsein, in einsamer Höhe über allem zu stehen und zugleich derart auszugreifen, daß es außerhalb nichts mehr geben kann - jenseits von diesem "Reich des Geistes". Wenn die Reichsidee je hat voll vergeistigt werden können, dann in dieser Vorstellung von der grenzenlos großen und darin notwendig freien Universität. Darin ist auch durchaus etwas Politisches, und jene unglücklichen Reformer, welche die Politisierung der Hochschulen predigten, mögen dies wohl gespürt haben, nur setzten ihre Angriffe eben dort an, wo sie die politische Kraft der Universität gerade tödlich treffen mußten, anstatt sie zu steigern: Sie wollten ihr, in Verschulung und Massenausrichtung, den triumphalistischen Schwung nehmen, in dem sie aber allein politisch wirken kann, und mehr als das - darin wird sie zu einem Reich. b) Universität- ein Imperium aus geistigen Triumphen Das Verhängnis des Liberalismus war, daß er überall nur Freiheiten sichern wollte, nicht Institutionen, welche sie zwar begrenzen, doch ihre politische Wirkung auch sichern. So wird immer weiter in unseren Tagen die typisch liberale Diskussion geführt, wie weit Freiheit von Forschung und ihrer Lehre in hohen Schulen monopolisiert sein könne, ob sie nicht jeder Wissenschaft vorzubehalten sei. Liberalem Denken entspricht es sicher, den Wissenschaftsbegriff ebenso unfaßbar werden zu

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lassen wie den der Kunst, Gelegenheiten, Liebhabereien, vor allem Geschäft mit denselben politischen Privilegien beglücken zu wollen wie Rektoren und Professoren. Blickt man nur auf forschende Tätigkeit als solche, so ist dies unangreifbar. Doch wer geistige Triumphalität hier bewahren, neu wecken will, für den muß im Vordergrund jene Institution stehen, in welcher der Forschung und ihrer Lehre allein ein imperialer Raum des Triumphierens geschaffen wurde, in dem aus Triumphen geradezu ein Reich des Geistes schon über Jahrhunderte errichtet worden ist - die Zusammenfassung der Wissenschaft in der Universität. Hier berühren sich in der Tat Imperialität und Triumphalität, wird die eine aus der anderen geboren und laufend gesteigert. Von einem Reich her gedacht bedeutet eine Zusammenfassung der verschiedenen Fakultäten die eine Einheit eines höchsten, gottähnlichen Geistes, welche sich über dieser größten Vielfalt wölbt, die es geben kann; und bereits die Zusammenfassung verschieden spezialisierter Lehrstühle in Fakultäten bedeutet ja eine imperiale Organisation, in der Einheit über der Vielheit, wie auch in der Kraft einer sich selbst tragenden Ordnungsidee, welche auf Zwang und Gewalt verzichten kann. Triumphalität aber hat dieses Reich des Geistes hervorgebracht, sie allein kann es laufend halten, mit ihrem Niedergang zerfällt es: Da sind die geistigen Großleistungen und Entdeckungen, welche Lehrstühlen und Instituten, ganzen Universitäten ihren Namen gaben und ihren dauernden Glanz; da ist der ständige Einsatz im Kampf um den geistigen Sieg, nicht so sehr über das Unwissen als über den noch so schöpferischen Zweifel. Wer je etwas von Forschung erleben durfte und ihren Ergebnissen, der weiß, wie hier Triumphe gefeiert werden, und vielleicht ist alles Tun an einer wahren Hochschule nur darauf gerichtet, zu finden, sodann aber in der Verbreitung der Erkenntnisse erst recht zu triumphieren. Jeder verdiente Aufstieg zu einem Lehrstuhl kommt aus solchen geistigen Triumphen, welche auch persönliche sind im Leben des universitär gekrönten Forschers, und selbst wem dies versagt bleibt, auf den wird doch immer die Institution wirken, in der etwas gegenwärtig ist wie ein unsichtbarer Sieg. Die unbegrenzten Möglichkeiten der Erkenntnis, die heutige Sicherheit bereits noch völlig unabsehbarer Erfolge- alldies schafft einen .,Triumphalismus in die Zukunft hinein", der letztlich aber aus den früheren Großerfolgen kommt. Der futuristische Triumphalismus heutiger Naturwissenschaft ist nichts als die Projektion vergangeuer Erfolge, da wäre nichts als Maulwurfsarbeit, wenn nicht die Bewunderung vergangeuer Triumphe den Weg zu immer Neuern wiese; und so löst sich das Paradox auf, daß kaum irgendwo so geschichtsüberzeugt gedacht wird, so historienbegeistert wie in jenen so nüchtern erscheinenden Fakultäten. 12•

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Doch da ist nicht nur eine Triumphalität mit imperialem Schwung und dem Anspruch der größeren Institution - ein Reich ist das Ganze bereits, und es wirkt imperial. Nie wird es Wissenschaft geben, wenn ihre Träger sich nicht als Senatoren einer gelehrten Republik fühlen, Bürgername ist hier zuwenig, und vielleicht definiert sich ein Reich darin auch, daß es in ihm nur Senatoren mehr gibt. Dies ist der Wissensstaat, mit einer Öffnung zum Reiche der Weisheit. Seine Stützen wollen nicht etwa Freiheitsspiele veranstalten, ihnen geht es immer um einen Tempelbau. Deshalb auch wird Freiheit in all dem letztlich so klein geschrieben - weil sie einerseits selbstverständlich ist, zum anderen aber niemals Selbstzweck sein kann, ist sie doch nur eine Stufenleiter zur Höhe der geistigen Triumphalität. c) Wissenschafts-Lehre- Reichsvermittlung Diesen triumphalen und imperialen Institutionen sind seit Jahrhunderten die besten Jahre unserer Eliten anvertraut. Was sie im einzelnen dort lernen, ist noch immer, von höherer politischer Warte aus, völlig gleichgültig gewesen. Oft recht hilfloser Widerstand gegen VerschulungsstöBe fragt immer wieder, warum man denn nicht erkenne, wie wichtig es sei, Universitas zu erleben. Was eigentlich damit gemeint ist, kann nur ein anderer Satz ausdrücken: Universität bedeutet das Erlebnis geistiger Triumphalität, den Beginn eines politischen Bürgerlebens im geistigen Triumph, der dann in den folgenden Jahren in den Staat getragen wird und ihn immer wieder zum Reich steigern will. Akademikerdünkel anprangern - das ist so billig wie die schalen Angriffe auf die große Bourgeoisie: Was politisch zählt und so lange Zeit groß gewesen ist, das war der Stolz von Menschen, denen in ihrer Jugend, zu einer Zeit, welche allein vielleicht zu triumphieren vermag, die Begegnung mit der Grenzenlosigkeit geistiger Erfolge geschenkt war, welche sich aufhalten durften in der Nähe des reinen Suchens und Findens, welche von dort nicht nur ein Gefühl der Freiheit, sondern etwas von einem triumphierenden Reich mitgenommen haben in die Niederungen ihres späteren Lebens, ihrer kleineren Staatlichkeit. Universitäten waren Schulen des Reichs, nicht nur in ihren Anfängen von Bologna, Padua und den anderen theologischen und juristischen Reichs-Schulen. Wiederbegonnen hat das zerstörte römische Imperium in der universitären Triumphalität dieser machtlosen Institutionen, welche etwas zutiefst Imperiales bewiesen haben: daß nämlich ein wahres Reich, wo immer es steht, keine Waffen mehr braucht, weil es auf unendlichen Triumphen gegründet ist. In ihren ersten Anfängen ist die europäische Universitätsgeschichte voll und ganz triumphal gewe-

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sen: Das Reich ist wiederentdeckt worden in seinem größten Triumph, in dem seines Rechtes. Weil diese Pandekten, welche vielleicht nichts anderes mehr waren als eine letzte Restauration, nunmehr als triumphaler Aufbruch, vielleicht in historischer Verkennung, verstanden wurden - aus diesem geschichtlichen Mißverständnis, das aber ein imperiales Verständnis war, sind geistige Reiche gewachsen. Erkenntnis und Weitergabe war hier eine Einheit, und erst jetzt müssen wir wirklich besorgen, daß diese säkulare Reichs-Vermittlung zur Wissensvermittlung verflacht. Ängstlich rechtfertigen heute die Universitäten ihre gesellschaftliche Nützlichkeit mit Berufsvorbereitung und dem kleinen Glück von zehntausend späteren Ingenieuren. Damit allein werden sie sich nie beweisen können, ebensowenig wie mit dem Hinweis auf Denkmethoden, welche sie weiterzugeben berufen seien; geistige Turnlehrer braucht eine Gemeinschaft nicht so hoch zu bezahlen. Dann aber findet die Universität zu ihrem höheren Sinn, einem wahrhaft politischen, wenn sie Triumphalität vermittelt, Triumphoffenheit und Triumphkraft über die Elite in dem ganzen Staat bringt. Eine solche Universität hat nie einen Staat gekannt, immer war sie einem Reich verpflichtet. Die nationale Internationalität, welche in dieser Lehre Wirklichkeit wird, gründet täglich ferne und nahe, bekannte und noch ganz unbekannte Provinzen, die sich zusammenschließen und wieder trennen, immer aber unter einer riesigen Kuppel, der Gemeinsamkeit einer Erkenntnisbemühung, die im letzten- konvergiert. Nicht umsonst hat es universitären Provinzialismus nie gegeben, soweit die Hochschule diesen Namen noch verdiente, ihre Lehre wirkte immer für ein Reich, so wie ihre Triumphe groß genug waren, ein Imperium wahrhaft zu erfüllen. d) Deutscher Professoren-Triumphalismus ein vergangenes Jahrhundert? Unerreichte Höhe hat der universitäre Triumphalismus im Deutschland des 19. Jahrhunderts erreicht. Die heutige Kritik und Verteidigung der Humboldtschen Universitätsidee ist allzu oft an einem Zentrum dieser Vorstellungswelt vorübergegangen: Sie sah ein neues Reich kommen, sie wollte ihm einen geistigen Triumph voranstellen. Vertiefte Betrachtung vermag denn leicht zu erkennen, daß die heutige Ablehnung Humboldtscher Ideale vom Antitriumphalismus und vom antiimperialen Grundgefühl getragen ist, welches sich in der Gegenwart verbreitet.

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Organisation und Zielen dieser Hochschulreform in ihrer Fortsetzung in den Wilhelminismus hinein wird ja nicht gerecht, wer da nur Konservatives sieht oder gar eine reine Rückwendung zu Werten einer fernen Vergangenheit. Elitarismus und Historismus verbinden sich dort in ganz anderer Weise: Jene wesentliche Geschichtlichkeit, welche, aus antikem Denken heraus, über diese ganze Hochschullandschaft ausgebreitet ist, versteht sich keineswegs als ein Fortdenken früherer Ideen; im großen deutschen Idealismus und Historismus scheint die ganze Zeit so still zu stehen, worin? In einem ganz großen Triumph des endlichen Verstehens der Vergangenheit, welche nunmehr definitiv geistig geordnet wird. Der Triumph dieser humboldtschen Wissenschaftlichkeit liegt darin, daß die Forschung und ihre Lehre, nun endlich von allen Fesseln befreit, in eine elitäre institutionelle Form gegossen und auf das Ziel der Elitebildung gerichtet, sich ihrer ganzen Kraft mit einem Mal bewußt werden: Ober der deutschen Universität des 19. Jahrhunderts steht, schon längst bevor ein Kaiser es aussprach, das imperiale Wort "es ist erreicht" -nicht als ob alles Wissen gewonnen wäre, wohl aber in dem Sinne, daß alle spätere Erkenntnis schon vorweggenommen erscheint in einer Organisation und einer universitären Grundhaltung aller Bürger dieser Gelehrtenrepublik, welche sich in ihrer imperialen Weite durchaus schon als ein Vorläufer des kommenden Imperiums der Deutschen versteht. Nie vielleicht ist der innere Zusammenhang von geistigem Triumphalismus und Reichsschöpfung deutlicher geworden als in diesem Professorentriumph, in welchem die Talare einem Reich vorausschritten. Wer mit einem politischen Bewußtsein durch die Hallen deutscher Universitäten aus dem 19. Jahrhundert geht, der fühlt die ganze Distanz dieser Welt zu jenen geistigen Mehrzwecke-Laboratorien, welche auf Industriegeländen errichtet sein können. Sie scheinen Bezug nur in die Zukunft hinein zu haben, sie sind abschreibbare Güter. Die alte Universität wohnte in Gebäuden, in denen, bei aller Strenge und Bescheidenheit, etwas wie eine schweigende Triurnphalität herrscht: Die Wissenschaft ist entdeckt, in einem großen geistigen Sieg, es gilt nurmehr, ihn immer weiter zu entfalten. e) Wissenschaftsfortschritt gegen Wissenschaftstriumph? Die heutige Kritik ist hier rasch zu Stelle: Was kann mehr Vergangenheit sein als ein solches Denken, sind diese geistigen Sicherheiten nicht mit einem Imperium zerbrochen, an das sie sich oberflächlich banden? Doch die Kritik geht tiefer, sie richtet sich gegen den universitären Triumphalismus als solchen, gerade aus einer Wissen-

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schaftlichkeit heraus, welche doch einen "Sieg im Sinne reichsschaffender Triumphe" nicht zu kennen scheint. Wissenschaft ist nicht politisch festgelegt, gerade die Vertreter früher dominanter Werte wollen sie mit aller Kraft stets offen halten ohne jede Identifizierung mit Staatsformen, noch weniger also doch mit Ordnungen imperialer Größe. Wo noch die Idee einer Gelehrtenrepublik lebendig ist, da wird sie zur Gruppe im pluralen Staat, führt etwas wie eine eigene Außenpolitik ihm gegenüber, grenzt sich ab, nicht nur von seiner Polizei, sondern selbst von seiner Fördergewalt. Wie aber soll ihre Organisation da staatsgrundlegend, triumphierend hinausgreifen in die Ordnung der Gemeinschaft? Sie kann es doch auch gar nicht, denn wo echte Wissenschaft ist, muß Bescheidenheit herrschen, eine Selbstkritik, die keinen ihrer Erfolge mit jener Endgültigkeit umgibt, welche allein den Triumph anführt. Dies zumindest hat doch die moderne Naturwissenschaft gebracht, alle übrige Forschung und ihre Lehre ist ihr gefolgt, darin liegt doch die gewandelte Grundstimmung des heutigen Forschens und Erkennens, daß alles schon wieder falsifiziert ist, was Siege hätte bedeuten können oder bleibenden Triumph. Werden nicht Wissenschaftstriumphe mit ihrer Veröffentlichung sogleich zu Wissenschaftsgeschichte, ist nicht alles nurmehr wissenschaftlicher Fortschritt, eine Entwicklung, die als solche nie triumphal sein, nie ein Reich bauen, immer nur geistige Illusionen zerstören kann? Viele wollen daher heute Wissenschaft so ganz anders sehen als noch nicht lange zuvor: Der Geist mag in ihr große Staatsereignisse begleiten, doch er ist nicht mehr als eine der vielen Staffagen für Staatsglück, nicht ein Träger von Triumphen für ein größeres Reich. Und die Wissenschaftsangst schließlich, aus Atombomben geboren und neuen Maschinen der Arbeitsplatzvernichtung - löscht sie nicht alle Feuer der Triumphalität? Was mit unwiderstehlicher Kraft mitreißt in eine unbekannte Zukunft voller Sorgen, soll dies wirklich noch einen Triumph bedeuten, wo ist da jenes Reich, in dessen Hallen der Fortschritt zur Ruhe kommt? All dies sind, sagen wir es heraus, antitriumphalistische Herausforderungen größter Dimension, auf sie geben die futuristischen Begeisterungen um eine Mondlandschaft sicher noch keine überzeugende Antwort. Dennoch - diese Fortschrittshast ist nicht das Wesen der Wissenschaft, Nobelpreisfeiern lassen immer von neuem die Atemlosigkeit zur Ruhe kommen in einer Stimmung des Erreichten. Doch dies allein, Universitätsfeiern und Auszeichnungen - all das könnten im Grunde

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

vielleicht doch nur medienkonforme Ausdrucksversuche eines Bereichs sein, der zwischen Sport, Politik und so vielem anderen eben auch noch "interessant" bleiben will. Das Problem liegt tiefer: Wenn nicht etwas "wie ein Reich in der Luft liegt", wenn sich nicht ein imperiales Denken in größeren Dimensionen verbreitet, so fallen auch Wissenschaft und Geist in reine Fortschrittlichkeit, gehen darin unter. Sie allein können eine Triumphalität nicht retten, die überall verlorengeht So ist denn wohl der Weg ein umgekehrter bereits gewesen: Nicht die Forschung und ihre Lehre haben triumphales Denken aufgegeben, eine enttriumphalisierte Umwelt hat sie daraus verdrängt. Es gilt, in Geduld und in einer Ruhe, welche nicht nur auf Möglichkeiten und Ängste blickt, sondern auch Erreichtes sieht, in der Wissenschaft und an den Hochschulen die Grundlagen, vielleicht nurmehr Ruinen, früherer Triumphbögen freizulegen, sie in jener Grundstimmung vor allem neu hochzubauen, in welcher der Geist noch immer Organe für persönliches und überpersönliches Triumphieren entwickeln konnte, und für seine Feiern. Dort wird ja stets eine Bereitschaft sein, Zauberlehrlinge nicht nur zu entbinden, sondern auch wieder zu beherrschen, und bis in die Tiefen der professoralen Eitelkeit hinunter liegen überall heute vielleicht verschüttete persönliche und noch größere Triumphe. Nur eine neue Generation, die wieder etwas von all dem entdecken darf, auch für Sich selbst, kann den wahren Fortschritt des Geistes erneut aufnehmen: nicht von Sorge zu Angst, sondern von Triumph zu Triumph. Fassen wir zusammen: Geistige Triumphalität liegt nicht auf den Heerstraßen der politischen Geschichte wie Schlachtfelder und Siegesfeiern. Nur selten kann der Geist wahrhaft große Siege feiern, epochale Erfolge erringen. Schwächer ist seine Wirkung auf die heute entscheidenden Massen, unbestreitbar nur selten, enthält und verlangt er doch allzu viel an Wertung. In der Renaissancehaftigkeit erreichen Kunst und zuzeiten auch Literatur große Siegeskräfte, in ihnen wird schon ein "großes Gelingen" sichtbar, das zum reichsgrundlegenden Triumph hinaufwächst. Entscheidend ist dann die Größe solcher Werke, ihr Siegescharakter über geistige Widerstände, der auch in endgültigen Formen liegen kann; nicht zuletzt aber eine politische Wendung, und sei es auch nur in der Wiedererweckung früherer imperialer Größe. Triumphal wirkt also der klassisch-geistige Erfolg, seine geistige Renaissance. Jenseits von diesem "inneren Triumph des Geistes" , den er selbst hervorzubringen vermag, stellt er immer wieder Triumphformen auf, er wird zum Begleiter der großen Triumphzüge. Der geistige Sieg ver-

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größert den politischen nicht nur, er kann ihn, das wird sich noch zeigen, erfinden, Und indem er sich als Triumph-Begleiter anlehnt an politische Siege, wird er ihr Beweis für spätere Zeiten und erscheint dann geradezu als Teil politischer Großerfolge. Politische Siege - wie oft sind sie nicht furchtbar und banal. Doch wenn es ihnen gelingt, sich ihre Sänger und Künstler, ihre Historiker und Ingenieure zu rufen, sich in ihren geistigen Siegen fortzusetzen, so wird bald eine spätere Generation nurmehr goldene Zeiten des Sieges sehen. Und ist dies nicht auch geschehen mit den blutigen Zeiten des amerikanischen goldenen Westens, setzt es sich nicht in Film und Gesang noch heute täglich fort? Um ein größeres Bild zu gebrauchen: Die geistigen Triumphe sind wie die Seraphim, welche den Thron des politischen Glücks umschweben - den Menschen erscheinen sie später vor allem, ihre Worte und Zeichen werden daher verehrt als das Göttliche in der Politik, das sich Reich nennt. Triumphatoren haben stets Engel gerufen oder formen lassen; wenn der Geist wieder unsichtbar, doch unüberhörbar triumphieren kann, in der Gestaltung und im Wort und im Wissen, dann ist uns auch das Reich wieder nah. VI. Der "soziale Triumph"- Frieden als Sieg

1. Der neue Triumphalismus: Die kommunistische Siegesidee a) Der Klassensieg Es ist, als könne keine Epoche ohne Triumphalismus leben; wandeln mögen sich die Inhalte der großen Ordnung, welche er grundlegen will, gleich bleibt die begeisternde Kraft, ja selbst die äußeren Formen. Kaum schwächte sich die barocke Siegesstimmung ab, da begann schon der demokratisch-liberale Triumphalismus, noch hatte er nicht die Skepsis der Restauration erreicht, da erhoben sich neue Rufe zu Kampf und Sieg in der marxistischen Revolution. Und alle diese Triumphalismen haben sich immer bald auch auf Schlachtfeldern beweisen wollen. Der Kommunismus ist die große triumphalistische Bewegung unseres Jahrhunderts, mit allen Zeichen einer solchen, in ihm liegt der Schwung zu einem Universalreich, ein großes Imperium hat er schon geschaffen. Neue Reichsformen, vom "sozialistischen Lager" zur "internationalen Solidarität", sind die Ergebnisse eines erneuerten Triumphdenkens, doch Reich und Triumph gehören wieder untrennbar zusammen, am

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

sozialistischen Neo-Triumphalismus sind alle Zeichen der reichsgründenden Kraft. -

Etwas ganz Großes soll kommen, eine Neue Ära, in der alles frühere Staats-Unglück erlöst, alle Spannungen in einer großen Ordnung gelöst werden sollen. Die großen Gesellschaftsphasen der kommunistischen Geschichtstheorie, Sklavenhaltergesellschaft und Feudalregime zeigen es deutlich, daß er nun zu einem neuen Reich führen will: Alles Bisherige war ein finsteres Mittelalter, eine Periode vielleicht nicht "zwischen den Reichen", wohl aber "vor dem einen End-Reich" .

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Als das Ergebnis von Kampf und Sieg wird dieses Imperium kommen, dies ist kommunistisches Credo. Seine ganze Geschichte wird militarisiert, vor allem das an sich doch so Friedliche, die Arbeit. Im Klassenkampf beginnt der Weg, doch für den Kommunisten liegt in diesem Wort des Kampfes schon "Klassentriumph". Der Endzustand kann nicht errungen werden, wenn der Triumphzug nicht führt über die Leichen der erschlagenen Klassenfeinde oder Abweichler, und stärker als romantisierender Blutrausch ist das kalte Kalkül der Triumphalität im vernichtenden Sieg des Proletariats. Klassenkampf - das ist kein Wort, das sich streichen läßt; in ihm liegt die Reichskraft des Kommunismus.

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Der große Sieg ist nicht etwas Fern-Gewünschtes, er war schon da, sein Reich hat er bereits gegründet. Die Verbindung mit der Russischen Revolution muß gehalten werden, in ebenso triumphalistischen Formen der Oktoberparaden am Roten Platz, wie diese Revolution als triumphale Zuversicht ausstrahlt in die Herzen aller, die am großen Reich weiterbauen. Wann auch immer dieses Imperium vollendet sein wird, sein Epos hat es bereits gefunden.

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Der revolutionäre Triumph der Massen war und ist nicht nur eindeutig, er wird als endgültig verstanden, im marxistischen Determinismus hängt die große triumphale Sicherheit der Kontinuität des Sieges. Dieses Reich hat nichts mehr Zufälliges an sich, es muß kommen, weil der große Sieg schon war.

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Weiter wirkt dieser Endsieg, er ist Kraftquelle, nicht nur immer fernerer Hintergrund, er ist Evangelium, nicht nur Gesetzbuch des Reiches. Und in Begeisterung schließlich wird dieser Triumph des Klassenkampfes gefeiert, in Heroisierungsformen, welche den Betrachtern im Westen primitiv erscheinen mögen, so wie wohl auch späte Griechen die Formen barbarischer Siegesfreude nicht verstanden. Doch darin liegt nur das Bekenntnis zum eigenen Sieg, mit aller

VI. Der "soziale Triumph" - Frieden als Sieg

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Kraft, deren sein Träger, das einfache Volk, nur fähig sein kann, und es bedarf eben auch großer äußerer Formen, Reichsarchitekturen, damit es sich wiederfinde in seinem ganzen Triumphalismus des Klassensieges. Wenn er über die Grenzen reicht, in der Vereinigung des Proletariats aller Länder, so liegt auch darin etwas wie eine größere Reichs-Hoffnung; von den Anfangserfolgen der Revolution aus betrachtet mag sie immer weiter zurückgenommen worden sein, etwas von der Überzeugung einer Einheit aus gemeinsamem Sieg bleibt erhalten, und wenn sie noch so weit verdämmert b) Entmilitarisierung, Entökonomisierung des Triumphalismus Ein sozialer Triumph soll dies sein, darin die einzige große triumphalistische Alternative zu früheren Großerfolgen. Nicht eines der früheren Imperien soll hier entstehen, in militärischer Beherrschung oder in ökonomischer Ausbeutung, das ReiCh des Kommunismus wird ein anderes sein, wie auch sein Triumphalismus sich gewandelt hat, in Entmilitarisierung und Entökonomisierung. Das Gefühl für den Triumphalismus ist heute verlorengegangen, weil dieses Wort zu einfach gleichgesetzt wird mit äußeren Formen vergangener Erfolge. Der zivile Triumph der Arbeit über das Kapital, wie ihn der Kommunismus will, ist ganz Sieg, und auch auf Barrikaden errungen, doch sein Wesen ist schon Gesellschaftsordnung, nicht Kraftprobe. Daß da noch viel zu tun, in Gleichheit immer mehr ausgestaltend fortzusetzen ist, nimmt dem Ausgangsereignis nicht sein Gewicht, aber auch nicht seinen "gesellschaftlichen" Charakter: Hier wird im Sieg schon geordnet, nicht nur geschlagen, Militarisierung ist nur äußere Form, unter der Uniform wird der Arbeitsanzug immer noch getragen. Mit wirtschaftlichen Forderungen triumphiert diese Revolution, doch in gewissem Sinne ist sie bereits in ihrem Ausgangspunkt entökonomisiert. Denn Sieg bedeutet ja nicht das errungene Gold, Plünderungen sind zweitrangig und übrigens verboten. Der Triumphzug erschöpft sich nicht im Genuß des Geraubten, und wenn da nichts wäre, er würde nur noch größer gefeiert. Der Triumphalismus gilt dem Ende der Ausbeutung, nicht ihrer Verlagerung, die Diktatur des Proletariats konnte nie einen wirtschaftlichen Sinn haben. Dies ist wirklich ein Neues, in der Geschichte der Reiche und ihrer triumphalen Anfänge: Triumphzüge- das waren früher Waffen und Beute, Zeichen militärischer und wirtschaftlicher Gewalt. Die triumphierenden Massen des Kommunismus führen keine Gewehre mehr mit sich, sie brauchen sie nicht, da sie so zahlreich sind; sie schleppen kein Gold zu Göttern, an die sie nicht glauben, denn ohnehin gehört ihnen

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

alles, ihnen allen zusammen. Ein Reich sind sie allein deshalb, weil außer ihnen nichts ist, die wenigen früheren Herrn sind erschlagen. Und auch zwischen ihnen ist nichts, keine Waffen, mit denen sie sich gegeneinander wenden könnten, keine Beute, um welche sie sich streiten dürften. Da ist nichts als der totale Triumph der zivilen Einheit in Gleichheit. Ein erstaunliches Schauspiel - all dies sollte doch im Grunde nichts sein als ein Zustand ohne Spannung und Kraft, als eine Masse, welche Triumphalismus nicht kennt - und doch ist nie etwas so begeistert gefeiert worden. Sollte nicht doch die Idee des Triumphalismus noch größer sein als Waffen und Beute? Ist nicht überall dort ein Reich, wo eine große Vielheit endgültig verbunden erscheint, ist dies nicht ein Sieg, nicht über Menschen, wohl aber über das, was sie immer getrennt hat? Alles, was wir an sozialer Begeisterung heute finden, stellt uns diese Frage, welche der Kommunismus nur gesteigert hat - wahrhaft triumphal. 2. Triumphieren durch Verteilen?

Der soziale Triumph lebt aus Verteilung in Gleichheit. Wenn das Ausgeteilte genossen wird, verlieren sich seine politischen gestaltenden Kräfte, vom Eudämonismus als Gegenpol zum Triumphalismus war schon die Rede. Und Gleichheit- ist sie nicht weit mehr ein Endzustand als ein Ausgangstriumph? Läßt sich wirklich in sozialen Errungenschaften triumphieren, gibt es ein Reich der sozialen Errungenschaften? Zweifel drängen sich auf. a) Vom militanten Kommunismus zum triumphalen Sozialismus Der Kommunismus hat noch immer zu faszinieren vermocht, nicht nur wegen seiner politischen Großleistungen, sondern, im letzten Grunde, aus seinen militärischen Großerfolgen heraus, welche dann sozialer Überzeugungskraft zugeschrieben werden konnten. Die Militarisierung des Sozialismus im Kommunismus war in den Anfängen der sozialen Bewegung angelegt, sie hat die tiefe Zäsur gebracht zwischem einem Sozialdemokratismus und kommunisierendem Sozialismus. Der erbarmungslose Kampf gegen Abweichlertum, seinerseits bereits ein Ausdruck fortgeschrittener Militarisierung des Kommunismus, erklärt sich aber vor allem aus der Tiefe des Gegensatzes zwischen einem im letzten triumphalistischen, reichsorientierten, sozialrevolutionären Denken und, auf der anderen Seite, dem evolutionistischen Errungenschaftsstreben der Sozialdemokratie.

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Die Gewaltsamkeit des Kommunismus ist kein Akzidens dieser Weltanschauung, sie bedeutet deren triumphierenden Kern. Er kann gar nicht entmilitarisiert werden, ohne seinen Triumph-Gegenstand zu verlieren, damit seine eigentliche Legitimation: den endgültigen, säkularen Sieg über einen ganz großen, furchtbaren Gegner. Der Kommunismus entmilitarisiert nicht etwa alles zu einem zivilen Triumph sozialer Verteilung, er militarisiert sogar diese wesentlich gesellschaftlichen, unmilitärischen Vorgänge, er bringt sie aufs Schlachtfeld, seine Errungenschaften werden in Entscheidungsschlachten gewonnen. Dies ist, aus der Sicht einer Theorie des Triumphalismus, die tiefere Bedeutung des Streites um die "größere oder geringere Radikalität" auch der sozialistischen Bewegung. Im Grunde sollte sich daran doch ein Bruderkrieg nicht entzünden können, kann wirklich eine Methodenfrage derart entzweien, wo doch, ganz ersichtlich, dieselben Ergebnisse auch auf den leiseren Sohlen des Sozialdemokratismus immer errungen werden konnten, oder gar noch Besseres? Wäre das Ziel der materiellen Glückseligkeit allihren Richtungen so vollständig gemeinsam gewesen, so könnten sich in den Methodenunterschieden zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten nicht zwei Welten trennen, schon lange hätte es zu viel weitergehender Konvergenz kommen müssen. Die eigentlichen Unterschiede liegen aber eben nicht in einer ökonomischen Doktrin, sie finden sich im Staatsverständnis: Sozialdemokratismus will letztlich einen enttriumphalisierten Sozialsieg oder besser: Errungenschaften ohne Sieg, wie sie eben aus dem Halbrund eines Parlaments herauskommen können, wo von Gesetz zu Gesetz, von Zusatzantrag zu Änderungsvorschlag millimeterweise Verteilung gesteigert, die soziale Landschaft verändert wird. Unterschiedlich sind nicht nur die Kräfte, welche hinter den linken Gruppierungen stehen, es unterscheiden sich ganz wesentlich auch die Ziele, die sie anstreben, Triumph und Imperium sind auch hier, in einer so ganz ihnen fern scheinenden Welt, Begriffe von entscheidender Erklärungskraft. Kommunismus fühlt hinter sich die Stärke der Revolution als Triumph, Sozialdemokraten dürfen allenfalls die Triumphalität eines Wahlsiegs kennen, jenen abgeschwächten Erfolg unter Vorbehalt, der so leicht zur schönen Vergangenheit wird. Die Grundstimmung kann nicht dieselbe sein, wenn die einen aus einem Gelingen heraus antreten, die anderen immer nur erreichen wollen. Im revolutionären Denken der Kommunisten ist schon etwas von einem Reich gegenwärtig, es muß nur entfaltet, durchgesetzt, verbessert werden; dies ist auch der Sinn ihrer unbedingten Wahrheit, ohne welche ihre Ordnung sich nie zu legitimieren vermöchte, wird sie doch aus einem geistigen Imperium bereits deduziert, während Sozialdemokraten sie in geduldiger Arbeit, induzie-

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rend, langsam enthüllen wollen - wenn es sie gibt. Kommunismus ist ganz Staatskonzept, politisch-triumphalistisch von seinen Anfängen her gedacht, sozialdemokratischer Evolutionismus ist völlig reichsfern, triumphblind - oder hätte man sich je langsam zu einem Triumph entwickeln können? Sozialdemokraten haben, in der bisherigen Geschichte ihrer Bewegung, ihr Ziel noch nie "im großen erreichen können" , und mochten sie auch ein halbes Jahrhundert lang an der Macht sein, wie in Schweden. Kommunisten werden ihnen antworten, sie hätten eben keines, sie könnten sich auf diesen Endzustand ja nur zubewegen, wenn sie etwas von ihm schon in einem Anfang gesetzt hätten - eben in einem triumphalen Schlag. Für diese radikalere Richtung ist das Ziel einmal zum Greifen nahe, es ist gegenwärtig gewesen, und sei es auch im Blutbad, in der Zerstörung, und sei es auch nur in der Endgültigkeit eines Kaisermordes, der keinen Rückweg mehr offen ließ. Sozialdemokratismus dagegen bedeutet den stets vorläufigen sozialen Fortschritt - wie kann er eine Endgültigkeit erreichen, welche dem triumphalen Ereignis innewohnt? Muß aber hingenommen werden, daß immer wieder konservative Phasen dazwischentreten, die es sodann in neuen Anstrengungen zu kompensieren gilt? Dieser Sozialismus schaukelt sich zum Erfolg hoch, wirksam vielleicht, aber eben ohne triumphalistischen Schwung und daher ohne imperiales Ziel. Stets bleibt er unter dem Vorbehalt einer glücklichen wirtschaftlichen Entwicklung, welche er nur zu oft mit seinen Experimenten auch noch gefährdet, und er ist ehrlich genug, dann seine eigenen Errungenschaften zurückzunehmen. Es fehlt ihm der Utopismus der Kommunisten, der auf den vergangenen Triumph blickt und daher selbst die Gegenwart zu ignorieren wagt. Zur zähen parlamentarischen Kleinarbeit ist Sozialdemokratismus bereit, in einer Grundstimmung, welche dem tödlich erscheint, der jemals die Begeisterung eines großen Sieges erlebt hat. Der Sozialdemokratismus bewegt sich schließlich mit der großen Kraft der kleinen Schritte in die Macht, hier aber werden sie ihm zum Verhängnis, wenn er nicht mehr weiß, wohin er sie richtet, weil er nicht von einem großen Triumph mitgerissen wird. Die "kleinen Schritte" des Sozialismus sind der Alptraum jener Bourgeoisie, welche mit ihnen an den Rand ihrer Macht gedrängt wird, und doch sind sie selbst so bourgeois - untriumphalistisch eben: So wie das Bürgertum sich langsam und zäh in das Kapital und vom Kapital in die Macht gearbeitet hat, ohne je recht zu wissen, was es damit eigentlich schaffen wollte (denn ein Reich, das hat es nie gewollt) - ebenso seine Totengräber: Auch sie haben nichts Größeres vor mit ihren Errungenschaften; sollten sie also nicht doch nur Kleinbürger sein? Wenn dieses Wort der Gegenbegriff ist zum Triumphalismus einer Reichsschöpfung, so trifft es wahrhaft den Kommunismus nicht,

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wohl aber so vieles, was sich um uns heute abspielt. Wenn Ordnungsängste sich ausbreiten, sind sie nicht Ausdruck eines triumphlos verteilenden Sozialismus, dem jeder Sieg fehlt, und am Ende auch noch der Gegner, der nichts verstanden hat von der großen Transpersonalität einer imperialen Staatsfreude? b) Verteilung ohne Sieg und Gegner Hier helfen Proklamationen und Utopien nicht weiter, hier beginnt eine tiefere Problematik aller sozialen Verteilungsbewegungen, bis in das Reich des Kommunismus hinein: Die "soziale Errungenschaft" ist eben doch letztlich ein gewünschter Zustand, der aus einem anderen, gegenwärtigen heraus erreicht werden soll, sie ist als solche kein Sieg, denn es fehlt der Feind, und er fehlt immer mehr. Wie aber soll im gegnerlosen Sozialismus triumphiert, wie soll so zu einer größeren Ordnung fortgeschritten werden? Konservative und christlich-soziale Verteilungsversuche haben deshalb nie eine Chance der Reichsgründung gehabt, ja nicht einmal staatsbefestigend auf Dauer konnten sie wirken, waren sie doch nichts als "reine Verteilung", die sich vorher schon darauf festgelegt hatte, daß niemand ihr Gegner sei. Von Anfang an ist der Sozialismus hier konsequenter gewesen, er wollte den Feind personalisieren, von Kampf nicht nur sprechen, und wenn es auch einmal gar nichts zu kämpfen gab. Dann mußten eben Abstraktionen genügen wie der Klassenfeind und Karikaturen aus einer Vergangenheit der Zigarren und Zylinder, die keiner der sozialen Kombattanten je gekannt hat. Doch all dies konnte nie etwas daran ändern, daß die sozialistischen Richtungen in den meisten Fällen letztlich nur Zustände haben verändern, nicht Feinde haben schlagen können. Und wenn eine solche Entwicklung gar mit ökonomischer Gesetzlichkeit kommen soll, wo ist der Gegner, über den sich triumphieren läßt? Verlangt Triumph nicht die Gefahr der Niederlage? Der Kapitalismus zerfasert in tausend Formen, der Kapitalist entschwindet aus dem Blickfeld der Arbeiterschaft, die immer mehr zum Kampf gegen anonyme Mächte aufgerufen wird, gegen die "Politik" und damit, in der Demokratie, auch noch gegen sich selbst. Nicht ohne Gewaltsamkeit suchen sozialistische Führer jenen Feind festzuhalten, ohne den es keinen Triumph gibt, und sei es auch nur in ständigem Hinweis auf die große Vergangenheit der Arbeiterbewegung. Das ist ganz und gar triumphalistisch gedacht - die heutige Forderung aus Zuständen vor hundert Jahren legitimiert, der jetzige Kampf als Fortsetzung damaliger Siege. Doch was ist die Realität? Die Arbeiterbewegung hat sich in eine geschichtliche Einbahn begeben, weil sie

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nicht insgesamt von einem großen Gelingen aus aufgebrochen ist. Das "Reich der sozialen Errungenschaften" muß sie nun ängstlich suchen von Erfolg zu Erfolg, damit aber nicht zurückblickend auf Triumphe, welche ihr Sicherheit geben könnten, sondern immer nur nach vorne. Dies aber verwickelt sie in eine Fortschrittshast, die weit weniger den Gewinn spürt als vielmehr schmerzlich auch den kleinsten Verlust. Bei all den doch wirklich großen, ja epochalen Fortschritten der Gewerkschaftsbewegung, des Sozialismus überhaupt - es ist, als seien sie ständig in eine Abwehrschlacht verwickelt, und es ist nicht nur taktische Berechnung, wenn sie alles in Gefahr sehen, nur weil weniges verloren zu gehen droht. Es fehlt eben die triumphalistische Sicherheit, weil es keinen Gegner mehr zu schlagen, sondern nurmehr Zustände zu verändern gibt, und deshalb geraten die Versuche, in Verteilung zu triumphieren, immer mehr in die Gefahr ganz untriumphaler "reiner ökonomischer Erfolge", von deren c;lesintegrierender Kraft schon oben die Rede war. Der soziale Endsieg sinkt dann zu einem "Klein-Kapitalismus" herab, und er hat noch weit weniger Siegeskraft als der große wirtschaftliche Erfolg. Wer verteilen kann, hat doch keinen Gegner mehr, was soll ihm ein Reich nützen, wovor ihn beschützen? c) Internationale Sozialverbrüderung Desintegration der Triumphe "Proletarier aller Länder, vereinigt euch!" - das ist sicher ein triumphaler Schlachtruf. Unter ihm stand damals der Wille zu einer Weltrevolution, in der sich alle Unterdrückten in einem Reich sozialer Gerechtigkeit zusammenfinden sollten; und der erste Staat, der im Namen dieses Programmes triumphieren konnte, öffnete denn auch seine Grenzen diesen neuen Provinzen. Doch dann hat sich die Sozialistische Internationale rasch wieder von dieser Vision entfernt, nach der sie im Grunde nie gestrebt hatte. Ihr Internationalismus war ja von Anfang an etwas anderes gewesen: wie zu Hause, so auch über die Grenzen hinaus eine Solidarität mit anderen Ausgebeuteten, in einer Frontstellung gegen die Staatlichkeit, den Bedrücker, nicht auf das Ziel gerichtet, größere Ordnungen hervorzubringen. Die Begeisterung, welche in diesen Worten lag, war im Grunde eben doch eine staatsauflösende, nicht eine staatsgründende, und wenn überhaupt Siegeswillen daraus sprach, so war es eine spätliberale, damit aber letztlich doch eine Anti-Staats-Triumphalität. Viel näher stand sie der Anarchie als einem imperialen Denken, und deshalb ist die Staat-

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lichkeit am Ende stärker gewesen als der internationalisierende Sozialismus, der es nicht vermocht hat, sie durch ein größeres Imperium zu überhöhen. Auch darin steht Sozialdemokratismus dem Kommunismus unversöhnlich gegenüber, daß dieser letztere die untrennbare Verbindung von Reichsidee und internationaler Triumphalität der Arbeiterklasse stets erkannt und hochgehalten hat, während die Internationalität des Sozialismus sich letztlich in grenzüberschreitenden guten Werken, wenn nicht in romantisierenden Beteuerungen verloren hat. Diese Gefahr einer wahren Anti-Triumphalität läuft jede internationalisierende Sozial-, ja Wirtschaftsbewegung, bis hin zu einem christlich-sozialen Solidarismus, der sich immer schwerer vom Sozialdemokratismus unterscheiden läßt. Weil hinter solchen Bewegungen, und seien sie auch europäisch geprägt, nur irgendetwas wie ein "Zusammensein" steht, weil hinter ihnen keine Reichsidee sichtbar wird, sind sie nicht Ausdruck triumphaler Integration zu höherer Staatlichkeit, sondern nur eines, was soziale Verteilungswünsche ohnehin nur allzu leicht anstreben: Verteilung der Siege, Desintegration der Triumphe. d) Triumph -

mehr als "Gerechtigkeit"

Der Sozialtriumph der Verteilung gründet letztlich in Gerechtigkeitskategorien, und von allem, was den Anspruch eines größeren Sieges erhebt, ist wohl nur ihm dies eigen. Das Gleichheitsdenken will sich ja hier nicht etwa über einen Besiegten stellen, auch der Kapitalist wird aufgenommen, wenn er zum Proletarier wird. In diesem Nebeneinanderstellen einstiger Gegner kann kaum ein Sieg liegen; ein großes Ereignis mag es sein, ein Glück kaum und warum auch, wo es doch zuerst darum geht, Ungerechtigkeiten rückgängig zu machen im Namen einer einheitlichen neuen iustitia distributiva. Von den Schwierigkeiten, in Gleichheit zu triumphieren, war schon die Rede. Hier wird nun ein tieferer Grund sichtbar: Die soziale Verteilungstriumphalität kommt, wenn es sie überhaupt gibt, aus dem Bewußtsein eines Sieges der Gerechtigkeit - doch eben dies ist dem Endsieg zuwenig. Er bedeutet immer weit mehr als einen gewonnenen Prozeß, in der sozialen Verteilung dagegen liegt ein tief verwurzeltes Prozeß-Denken, eben in dem Drang, Forderungen durchzusetzen, wobei es dann gleichbleibt, ob die Instanz, vor der der Schwächere Recht bekommt, noch ein Richter ist oder bereits nurmehr die Gewalt der solidarischen Vielen. Gerechtigkeits- und Prozeßdenken aber liegt eben in all dieser sozialen Verteilung, gerade darin ist sie zutiefst untriumphalistisch, denn der Triumphzug führt auch über alle heutige Gerechtigkeit hinweg, im Namen einer größeren, neuen Ordnung. "Ge13 Leisner

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rechtigkeit" - das ist sicher einmal das Ergebnis des größeren Reiches, mit ihr kann dieses nicht beginnen. Prozessen, in denen man sich durchsetzt, ist immer etwas von der Abwehrschlacht eigen, in der "das schon seit langem Geschuldete" endlich gewonnen wird, und nichts anderes beinhalten auch die Forderungen der Sozialverteiler - deshalb kann sie ja auch ein Richterspruch, ein politischer Erfolg nie befriedigen, weil sie darin "immer nur ein Minimum" erhalten. Die politische Gerechtigkeit als ein Ausdruck des ethischen Minimums ist die Grundlage des Verteilungs-Sozialismus, Triumphalismus dagegen ist immer ein Wort für das Überschießende, ein Schwung zum Maximalen, das nach seiner Berechtigung nicht mehr fragt, weil es sie im Sieg herstellt. Ob Verteilungs-Moral überhaupt nur ein Ausdruck politischer Müdigkeit ist, mag hier offenbleiben; sicher ist, daß der Triumph, und damit die Imperialität, in ihren Anfängen durch und durch moral-neutral sein müssen, sonst werden sie nie etwas umstürzen können, daraus aber ziehen sie ihre größere Kraft. Es mag ein schweres Wort sein: Das Reich kommt vor der Gerechtigkeit, der Triumph trägt seine eigene Gerechtigkeit in sich. e) Verteilung- Auflösung des Triumphzugs in kleine Glückseligkeiten Wirtschaftliche Erfolge zerstören triumphale Kräfte im Eudämonismus - davon war allgemein schon die Rede, vor allem aber gilt dies für die große Verteilung. Hier wird der Sieg verbraucht, die Askese, die allein zur Überwindung führen kann, hört in der Gemütlichkeit der kleinen Zuteilung auf, die brennenden Augen des Triumphators fehlen - es wird nur noch gegessen. Etwas von Glückseligkeiten mag sein in all diesen solidaristischen Feiern, aber es ist nicht mehr das große Herausforderungs-Glück des Triumphalismus, sondern die Befriedigung, mit welcher kleine, geschuldete Geschenke genossen werden. Bald bleibt nurmehr das Gefühl eines kleinen Stückes von einem "zugeteilten Triumph", der große, einheitliche Sieg ist ausgemünzt - verteilt. Nichts mehr wird errungen, es wird nur - kassiert. Die große Gefahr aller Triumphe lag immer darin, daß sich der Triumphzug auflöst, daß der Sieger unfaßbar wird und mit ihm der große Erfolg. Deshalb muß das große Gelingen auch ein großes geschichtliches Faktum sein und bleiben können, das über die Auflösung seines Zuges hinausreicht und seiner Kräfte. Das Verhängnis der Ver-

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teilungs-Triumphalität liegt darin, daß sie sich in ihrem Hauptereignis selbst bereits auflöst, daß ihr Sieg gerade die Auflösung des Kollektivs bringt, welches ihn errungen hat. Und weil dies seine Schatten vorauswirft, kann ein solcher Sieg von Anfang an nie als solcher ganz groß gefeiert werden, da er sich sozusagen in Auflösung selbst verbraucht. Das Ende der Gewerkschaftlichkeit überhaupt wäre ein größerer sozialer Triumph, die Vertreter der Arbeitnehmer würden damit zur nutzlosen Organisation, ihre Mitglieder müßten sich von ihr abwenden, nicht in der Niederlage, sondern im größeren Sieg. Und da verdämmert nicht etwa eine Große Armee in der Erinnerung der Historie, ganz faßbar und tagtäglich läuft ein Triumphzug in verteilender Glückseligkeit auseinander. Wenn schon der große ökonomische Erfolg nicht selbst Triumph sein kann, wie sollte da ein Mechanismus der zahllosen kleinen Glückseligkeiten Sieghaftes bewirken? In aller Verteilungstriumphalität ist etwas wie die Freude am Mannah, das vom Himmel fällt, die Verteilung kümmert sich nicht um seine Herkunft, überhaupt nicht um das, was nach ihr bleiben oder wieder kommen könnte. Reichsdenken ist am Gegenpol angesiedelt: Das Schaffen der Schätze ist ihm entscheidend, nicht ihr Verbrauch, das Imperium umfaßt all das, was bleiben wird, jenseits von Konsum und Verteilung, und deshalb vielleicht ist es immer im Bilde der großen Hallen beschrieben worden. Lager sind dies sicher für Reichtum und Glück, die emsige Verteilung und ihre irdische Gerechtigkeit wird in ihnen ohnehin stattfinden, doch das Imperium ist mehr: eine Sicherheit, daß Schiffe von allen Seiten kommen, geordnet und beladen, heute und morgen. Und deshalb ist schon der Beginn des Reiches, der Triumph, nicht wesentlich ein Verteilen, sondern ein Zusammenwerfen der vielen Beutestücke zu einem Schatz, der als solcher einem Gott geweiht wird, in dem dieser das Reich hält.

3. Soziale Befriedung als großes Gelingen a) Von der Verteilung zum Triumph der Gebenden Seit über hundert Jahren hören wir den lauten Triumphalismus der Verteilung. Haben wir uns nicht bereits daran gewöhnt, daß dies schon ein Großerfolg sei - Zugeteiltes zu genießen? Mehr und mehr verlieren wir dabei den Sinn für wahre Triumphalität, die sich durchaus auch im unmilitärisch-gesellschaftlichen Bereich vollziehen kann. Doch ist das dann nicht der Sieg derjenigen, welche ihn sich "von unten" erkämpfen und ihn sogleich unwiederbringlich verbrauchen, der

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Triumph liegt in der reichsgründenden Kraft jener politischen Mächtigkeit, welche eine neue übergreifende Ordnung gesellschaftlicher Zufriedenheit hat schaffen können. Im Verteilungsvorgang werden immer die einen glauben, allzuviel gehe ihnen verloren, andere sind dennoch nicht befriedigt. Nie in ihm und seiner kleinen Glückseligkeit kann der Triumph liegen, sondern nur, ins große gewendet, im Gesamtzustand einer neuen sozialen Ruhe. So wie nicht die einzelne Kanonenkugel den Sieg bedeutet, sondern die ganze Schlacht, ebenso muß auch im sozialen Bereich die unendliche Zahl der kleinen, konsumierenden Glückseligkeiten erst emporgerechnet, integriert werden zu einer epochalen sozialen Ordnung. Und in ihr ist es dann gleichgültig, wer was im einzelnen erhält und zu genießen vermag, entscheidend ist der Sieg über die früheren Ordnungen. Und vor allem der Sieger: Denn nun muß die Personalisierung der Triumphalität gefunden werden, es genügt nicht, Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten die Verdienste zuzuschreiben. Der soziale Triumphator ist ebenso untrennbar von Sieg und Reich wie die Räder des militärischen Glücks. Einer der größten Triumphalisten der Geschichte hat dies erkannt und sozial gewendet: Lenin ist zum Sozial-Imperator für eine Welt geworden, er triumphiert aus den Tiefen des Mausoleums, auf denen ein Reich steht. Das ist nicht allein mit Personalismus zu erfassen, hier ist der Transpersonalismus des Triumphalen beerdigt, denn die Gebenden sind wahrhaft selig, nicht die Nehmenden, den großen Befriedigern gehört der Triumph, nicht den ständig Befriedigten. b) Von der Befriedigung zur Befriedung Triumph ist Bewegung, und dies gilt sicher auch für die soziale Güterverteilung. Doch wer sie in ewiger Unruhe halten will, der verspielt in Ziellosigkeit soziale Erfolgskräfte. Wo ein Endzustand postuliert oder gar sichtbar wird, da mag auch etwas nahe sein wie ein sozialer Triumph. Soziale Befriedigung muß hier zur sozialen Befriedung emporwachsen, zum allgemeineren, größeren Glückszustand, der nun als historisch einmalig empfunden, damals wie auch später als Triumph gefeiert werden kann. Der Fortschrittsglaube weckt im Sozialen sicher triumphalistische Kräfte: Weil früher so viel erreicht wurde, kann morgen noch mehr gelingen. Doch darin gerade liegen die großen Gefahren der Selbstzerstörung, des Abfalls vom eigentlichen Triumphalismus: Das früher Erreichte wird vom Erfolg zur Armseligkeit aus der Sicht unserer Tage, Befriedung ist das Letzte, was man will, Endzustände darf es nicht geben, würden sie doch die Dynamik brechen.

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Hier muß eine Wende gelingen, wenn jemals wieder etwas wie eine größere soziale Befriedung kommen soll. Frühere Zeiten konnten Triumphe genießen, weil sie ein großes soziales Glück auch schon in einer fernen Vergangenheit erreicht sahen, in den goldenen Jahrhunderten des römischen Reiches, weil sie sich ihm wieder nähern wollten. Wer immer an reiche, glückliche Vergangenheiten sich erinnern kann, der hält soziale Befriedung für möglich und mag sie erstreben, wem alles Vergaugene nur Ausbeutung und Irrtum war, der läuft hinter möglichen Triumphzügen her. Allzu sehr haben wir die glückhafte Triumphalität der Vergangenheit aufgelöst in ein doppeltes: zum einen in die dauernde, schwächliche Sehnsucht nach der "guten alten Zeit", zum anderen in die reine Hoffnung auf die bessere Zukunft. Daß die Vergangenheit triumphal schon war und daher groß wieder werden wird - diese Verbindung ist gerissen. Der Fehler liegt darin, daß wir stets Genußzustände vergleichen, uns damit den Weg zu einer Vorstellung triumphaler sozialer Vergangenheit versperren. Erst wenn wir wieder lernen, in Kategorien der Befriedung zu denken, nicht der Befriedigung, wird uns die Vergangenheit mehr geben als Nostalgie oder Abscheu. Das Revolutionsbürgertum Frankreichs lebte bereits viel besser als die Bürgerschaft unter dem guten Heinrich IV. Doch die Idee vom guten, auch sozial befriedendt!n König wirkte weiter, hierwar ein Sozialtrumph gelungen. Vielleicht ist doch vor allem eines dazu gefordert: Ein nicht immer nur mikroökonomisches, individualbezogenes, wirtschaftliches Denken - eine Hinwendung zu jener Makroökonomie, in welcher politische Gewalten auch wirtschaftlich triumphieren können und sozial. Gesamtgesellschaftliche Sozialität, nicht ein Glück von Gruppen, Schichten und Klassen - darin allein kann etwas wie soziale Triumphalität sich aufbauen. Sozialistische Triumphalität mag schwer sein- sollte es wirklich keinen sozialen Triumph geben? c) Ausgleich als Triumph -

Sozialvertrag als Reichsgründung

Rom hat viele Bürgerkriegstriumphe gefeiert - sie haben das Reich nicht befestigt, sondern es an den Rand des Abgrunds geführt. Klassenkämpfe mögen nötig sein und nützlich, doch wenn sie sich nicht erfüllen im ganz großen Erfolg eines neuen Reiches, wie in der Russischen Revolution, dann bleibt ihnen nur eine Triumphchance: Sie müssen enden im Ausgleich, alle inneren Kämpfe sind im letzten sinnvoll allein als Wege zu einem großen sozialen Frieden. Sozialer Friede als Waffenstillstand, der jederzeit, fast nach Belieben schon, gebrochen werden kann - das ist kein größeres, reichsgründen-

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des Faktum, nichts, woran man sich in triumphaler Sicherheit erinnern, nichts, worauf man sich bei neuen Bünden beziehen könnte. Wenn Errungenschaft immer nur die Hälfte von dem ist, was heute gefordert, morgen erreicht wird, nicht aber Ausdruck eines Ausgleichs, in dem etwas zur Ruhe kommt, so ist alles verfehlt, was es an sozialer Triumphalität geben kann und so oft schon Wirklichkeit war. Es sind schon zwei geistige Welten, welche sich hier wirklich gegenüberstehen: In der einen wird das Wegnehmen als Triumph gefeiert, nein: als eine kleine Stufe auf dem Weg zu einem unendlich hohen Siegesaltar; auf der anderen Seite steht der Ausgleich als Ziel, etwas von einem "staatsgründenden Bund", der gehalten und immer neu befestigt werden soll. Hier steht das Imperium, und deshalb auf dieser Seite auch der Kommunismus, wieviel er auch genommen haben mag, er hat gewissermaßen mit einer Endlösung schon triumphal begonnen. Daß es solche goldenen Zeiten des sozialen Ausgleichs geben kann, haben die Deutschen in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts erlebt, eine Sozialpolitik des größeren Atems wird sich immer an dem orientieren, was damals gelungen ist, kaum erkannt als das, was es nun wirklich war: ein sozialer Ausgleichs-Triumph. Die Demokratie hat begonnen mit dem Postulat des Cantrat social, gleich ob es ihn je gegeben hat - er war ihr ein "Triumph des als ob". Nur in Freiheitskategorien sollte er gefeiert werden, nicht in sozialer Befriedung, doch allein schon die Idee vom Sozialvertrag zeigt, daß dies eine triumphalistische Sehnsucht gerade der Demokraten immer gewesen ist. Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, daß die Stunde kommen wird für den ganz großen befriedenden Sozialgesetzgeber, eine wahre Salon-Zeit, in welcher die sozialen Errungenschaften zurücktreten hinter dem sozialen Frieden, der das Reich hält. Wenn dies gelingt, ein Verzicht auf frühere Genüsse und künftige Genußhoffnungen, wenn einmal ein sozialer Zustand heutigen wahren Ausgleichs erreicht wird, so mag sich später noch so viel verändern, an diesen sozialen Sieg wird man sich erinnern, ihn wiedergewinnen und fortsetzen wollen, dann kann das wahre Soziale endlich entdeckt werden - in einem ruhigen Triumphalismus. 4. Exkurs: Frieden als Triumph

Die Größe der Idee des Triumphs zeigt sich gerade darin, daß ihn die Menschen nie auf Schlachtfelder begrenzt haben, auf Blut und Tränen. Stets ist ihnen Friede - Sieg gewesen, nichts vielleicht ist mehr verherrlicht worden in der großen Reichskunst, im geistigen Erfolg der

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Gedanken vom "Ewigen Frieden". Ist dann auch unsere Zeit, die um nichts anderes so viele Worte macht, in ihrem Friedenslobpreis der Triumphal'ität entscheidend näher gekommen, zieht etwas herauf wie ein großes neues Reich des Friedens? Wer das Reich vom Triumph trennt, mag dies in GewaltlosigkeitsHoffnungen sich nähern sehen. Doch gerade weil alles uns bisher gezeigt hat, daß es kein Reich gibt, wenn nicht aus Triumph, fallen viele und große pazifistische Hoffnungen heute in Utopie zurück. Müdigkeiten und Ängste haben stets zum Frieden getrieben, doch dieser Weg führt eben nicht zu bleibenden, auch nur irgendwie reichsähnlichen Zuständen, zu einem wie immer verstandenen ewigen Frieden. Frieden als Triumphverzicht ist nichts als ein Waffenstillstand, eine Spannung, die für kurze Zeit gelockert wird. Die Triumphalität früherer Zeit kann uns auch hier lehren: Der eigentliche Frieden ist die Frucht des Sieges, so groß wie er errungen wurde, so dauernd kann es Frieden geben. Wie weit wir auch in der Geschichte zurückgehen immer noch hat die Größe der Triumphe dem entsprochen, was dann als Frieden kam; in seinem halben Sieg war der Erste Weltkrieg der Beginn des Zweiten. Nicht umsonst sind es auf den alten Bildern dieselben Triumphengel, welche den siegreichen König und den Friedensfürsten krönen. Friede - das ist ein Triumph, aber nur in der Verewigung errungener Siege. In diesem Frieden liegt dann in der Tat die Kraft, den triumphalen Zustand zu halten, in diesem Sinn kann das folgende Reich nur eine Frucht des Friedens sein. Wenn es ohne weiteren Sieg gelingt, das Erreichte zu verewigen, welcher Erfolg könnte größer sein, ist in diesem Sinne nicht Frieden ein Triumphbeweis ohnegleichen, ein Triumphzug ohne Ende? Doch dies gerade ist nicht jener Frieden, den heute so viele meinen, der Friede um jeden Preis vor allem, wie ihn von jeher der Pazifismus predigt. Dieser Frieden kann nur zweierlei bedeuten: Entweder Konfliktlosigkeit als solche wird zum Wert erhoben, oder es ist eine Fonn der Gewaltlosigkeit, in der dann sogar triumphiert werden soll. Friede als solcher ist nie Triumph, weil er eben immer nur seine Folge sein kann, in sich selbst trägt er eher das Gegenteil der reichsgründenden Kraft des Sieges. Da fehlen die Ereignisse und ihre Begeisterung, da ist nicht eine große Staatsfestigkeit aus großem Sieg, sondern im Grunde immer nur der schwächliche Versuch fortzusetzen, was im Grunde schon zerbrochen ist, weil sich die Kräfte gewandelt haben. Konfliktsfennen mögen sich ändern, an der Spannung ändern sie doch nichts. Wie oft verlagert sie der Pazifismus von heute nur in die Katastrophen von morgen. Frieden um jeden Preis - das ist

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

extreme Staatsschwäche, nie ist man weiter entfernt vom Reich als in solchem Denken. Denn im Grunde ist es ja bereits begonnener Krieg, Maginot-Linien, die vom Angriff abhalten sollen, wo keine tiefere Front mehr ist. Triumphalismus ist eine absolute Gegenposition zu dieser Art des Pazifismus: Sie ist sicher, und sieht sich in allen historischen Erfahrungen bestätigt, daß der große Friede nur über den großen Erfolg kommen kann, weil der Frieden als solcher nichts ist was wäre er überhaupt anderes als fortgesetzter Triumph ohne Gegner - oder aber eben ein großes Gleichgewicht der Erfolge. Denn auch dies bedeutet Triumphalismus, nicht nur, daß es keinen Gegner mehr gibt, sondern auch, ja vor allem, daß die eigene Stärke genug ist, daß sie sich sicher fühlen darf, daß in ihr ein so großer - aufs Ganze betrachtet - Teilerfolg liegt, daß dieser dauern kann. Im Triumphalismus des Friedens ziehen sich beide Seiten auf ihre stärkeren Positionen zurück, welche sie ihren Siegen verdanken, und diese mögen ihnen nun genügen. Triumph garantiert gerade diesen dauerhaften Frieden der Starken, können sie doch auf weitere Vernichtungsschlachten verzichten, im Vollgefühl dessen, was ihnen schon ein Reich garantiert- des erreichten Triumphs. Gewaltlosigkeit schließlich als Triumph? Ewig wird man sich wohl streiten um den Begriff der Gewalt, und wie vielfältig er sich wandeln kann, welche Gewalten bis hin zum Triumph führen können - in diesen Kapiteln ist es uns immer wieder begegnet. Vor der Weite der Triumphe verliert die Diskussion um die Gewaltlosigkeit ihren Sinn. Sie mag ja eine Form des Kampfes sein, Gandhi hat in ihr wahrhaft triumphiert. Generalstreiks sind stärker als Bajonette, wenn Bürger zu Hause bleiben, brechen Staaten zusammen. Doch was soll dies alles? Mittel allein bedeuten keinen Triumph, und wer weiß sChon, ob allein vergossenes Blut von Übel ist; der Befehl, ein Schwert in die Scheide zu stecken, blieb ganz am Rande des großen Erlösungsgeschehens. Das Gewaltmonopol des Staates ist eine Frage des Staatsmechanismus, nicht der Reichsgründung, sie kann aus vielen Gewalten kommen, längst nicht nur aus öffentlichen, staatlichen. Frieden .:...__ das ist durchaus ein großes Kapitel für jeden Triumphalismus, für alles Reichsdenken. Entscheidend ist das, was sich in die schönen Worte kleiden läßt: "Frieden halten" . In der Tat ist es etwas, was große Kraft verlangt, eine Triumphmacht in potentia. Dies allein wollte und kann das sinnlos kritisierte Wort "para bellum" ausdrücken: der starke Frieden, die Paix armee als Kriegsersatz, weil sich in ihnen bereits so viel an Triumphalismus befestigen kann, daß es ausreicht für das größere Empire. Und was wäre die dauernde, große Ordnung des Reiches mehr als ruhender Triumph im Frieden?

VII. Der "reine Triumph" -Triumph als Triumphgegenstand

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VII. Der "reine Triumph" - Triumph als Triumphgegenstand Vom "barocken Triumph" zum "dionysischen Reich"

1. "Reiner Triumph"- ein demokratischer Weg zum Reich Triumph als großes sieghaftes Ereignis - so kennt ihn jeder, so kommt er aus der Historie ins Staatsrecht. Etwas muß da doch vorgegangen sein, ein Faktum wurde gesetzt, aus ihm entsteht das Recht des Reiches, in ihm bereits liegt es. Doch dies ist nicht die einzige Dimension des Triumphes. So wie er sich im Feiern fortsetzt, in ihm erkannt wird, geradezu "wird", so zeigt dies bereits eine "ganz andere Dimension" des Triumphes: Es muß vielleicht gar nichts erfolgt sein, er "folgt aus sich selbst". Wenn das große Erfolgsereignis nicht "ganz wahr sein muß" - wir sahen es schon- muß es überhaupt ein solches geben? Gibt es nicht etwas wie den "Triumph an sich", Triumph einfach - "aus Triumphieren"? Dies ist der Gegenstand des folgenden Kapitels, wir wollen das den "reinen Triumph" nennen. Im "Staats-Barock" vor allem werden wir ihm begegnen, dort, wo es wenig zu triumphieren gab und wo doch am meisten triumphiert worden ist. Und wir wollen dort Lehren suchen für unsere Zeit, in der das Gegenteil eingetreten ist: Es gibt so viel zu triumphieren, es will nicht mehr triumphiert werden. Was kann zwei solchen Gegensätzen gemeinsam sein, dem ganz großen Pomp und der allseitigen Bescheidenheit? Uns scheint - sehr vieles: Zuerst schon jene Gegensätzlichkeit, die sich eben berührt. Die heutige Antithese zum Barock ist größer denn je, deshalb besteht gerade jetzt die Chance, dies durch eine Synthese zu überwinden, eben jenen "reinen Triumph", der kein sieghaftes Ereignis mehr braucht, der sich selbst genug ist. Aus ihm heraus kann gerade die Demokratie und ihre sieglose, gewinnträchtige Wirtschaft in einer neuen Triumphalität erstarken, weil sie dann eben den Großerfolg nicht nachweisen muß, weil ihr dann ihr eigener, ungebrochener Optimismus genug ist für reichsgründendes Verhalten - und keine Staatsform hat mehr davon als die gegenwärtige. Gleich bleibt es ja, ob man, in Atomwaffen gerüstet, zu stark geworden ist zum Triumphieren, oder ob man im Barock zu schwach war in den kleinen Mächtigkeiten der Duodez-Fürsten und der nurmehr feiernden, nichts mehr hinzugewinnenden Kirche. Beidem ist eines gemeinsam: Wo aus Ereignissen nichts mehr gewonnen werden kann, da muß der Triumph aus dem eigenen Herzen kommen, aus der Grundstimmung, aus einem "subjektiven Faktum".

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

Unsere so unbarock scheinende Zeit ist in diesem Sinn höchst triumphalistisch-barock, daß sie ihren Triumph, ihre Reichsgrundlage, ohne die sie so wenig leben kann wie irgendeine Periode vorher, in sich selbst suchen muß, daß ihr das nicht mehr geschenkt wird, von vielen Göttern oder einem Allmächtigen. Dies ist eine Periode der Arbeit, die sich nichts schenken lassen will, der daher auch nichts vom Schicksal geschenkt wird, auch nicht ihr Reich. Ihre Tragik liegt darin, daß sie mehr auf ihr Arbeiten blickt als auf ihre Erfolge, daß sie diese letzteren stets sogleich entweder verteilt oder ignoriert. Dann aber bleibt ihr nur eines: der Triumph an sich, die optimistische Grundstimmung, ein Beginnen ohne den Beweis früherer Erfolge, aus einer Grundhaltung heraus, die "einfach zum Erfolg greift", ihn liebt, ob es ihn gibt oder nicht. Besonders wichtig ist all dies für die Demokratie und ihre erfolgsverdünnte politische Welt, für eine Marktökonomie, die allenfalls in ihrem Begriff zu triumphieren wagt, nicht in ihren einzelnen Gewinnen. Wir, die uns eine Welt zu trennen scheint von den Schlachtensiegern einer noch nahen Vergangenheit, gerade wir müssen eine neue Triumphalität entdecken, und auch sie war schon da, in einer gar nicht fernen Vergangenheit, im Grunde vielleicht immer. Die Demokratie mag den militärischen Erfolg verabscheuen, den wirtschaftlichen und sozialen beargwöhnen, jener Ewigkeitsanspruch, mit dem gerade sie auftritt, weil sie nichts anderes an Zusammenleben mehr hinter sich fühlt als die Anarchie, sie braucht mehr Triumph und Reich vielleicht noch als viele ihrer Vorgängerinnen, und diese Straße führt nicht zuletzt, vor allem vielleicht, über das, das wir nun als den "reinen Triumph" beschreiben wollen. Hier wird auch der Weg an einem Beispiel deutlich, der vom Triumph zum Reich führt: von der Einmaligkeit des Sieges zur vielfach-umfassenden Reichsordnung - über "die Grundstimmung des Triumphalen"; soll aus dem Sieg die Ordnung werden, so muß die Stoßrichtung, welche den Durchbruch gebracht hat, in einem "Insichdrehen" enden, einer "Insichbewegung" des Erfolgs, in der runden, zeitlosen Feier; und schließlich braucht das Reich eine Dogmatik, nicht nur Fakten, der "reine Erfolg" gerade läßt die Tatsachen weg und wächst darin zur staatsgründenden Norm hinauf.

2. Der "reine Triumph"- eine überwirkliche Idee a) Triumphieren -

im Überschwang vieler Erfolge

Welchem Menschen ist schon der "große Erfolg" beschieden in seinem Leben, welchem Volk in einer vielhundertjährigen Geschichte? Bleibt dann wirklich nichts als ein kalkulierendes Nebeneinanderleben, das

VII. Der "reine Triumph" -Triumph als Triumphgegenstand

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sich nur ausrechnet, dies sei eben doch besser als der Krieg aller gegen alle? So ist Staatlichkeit nie geworden, und wenn sie das Reich nicht erreicht hat - zu ihm war sie immer unterwegs. Wo der eine große Erfolg fehlt, lassen sich doch viele und allseitige Erfolge registrieren, wenn nötig erfinden. Denn nur der "mittlere Sieg" kann nicht einfach behauptet werden, der ganze große kommt nur zu oft aus Legenden, die vielen kleinen aus Erfindungen. Und darin sind sie sich auch gleich, diese beiden Formen des Triumphierens: Die vielen kleinen Erfolge bringen eine "Grunderfolgsstimmung", aus ihr wächst die Grundstimmung des "Feierns an sich", weil sich der Staat, seine Macht, doch überall ausbreitet, sich wahrhaft gefestigt hat. Und wenn es nicht mehr ganz große Wunder gibt- wie ja auch nicht mehr im Barock- so sind sie doch überall, so wie damals die Marlenerscheinungen ohne Zahl. Die vielen kleinen Erfolgsdosen rufen erst recht den Rausch hervor, den Überschwang, das triumphale Denken, und darin liegt ein Ausgangspunkt des "reinen Triumphes" - im Überschwang der Triumphstimmung, die als Grundlage der Reichsgründung nicht mehr Fakten braucht, sondern vor allem das Herz, mehr noch als den Verstand, der Reichsgründer. Und "rein" können wir dieses Triumphieren nennen, weil da nicht mehr viel anderes ist als - am Ende triumphieren um des Triumphierens Willen. Deutschland hat solche Stimmungen mehr als einmal erlebt, im Zweiten Reich und im Dritten. Das jugendstilhafte "Es ist erreicht" war nicht aus Sedan geboren und Königgrätz allein, damit verbanden sich Fortschritte ohne Zahl, in Bahnen und Industrie, in Kolonien und an der Front der Wissenschaft und der Künste. Da war weit mehr ReichsTriumphstimmung als schon Imperium. Und diese Stimmung hat gedauert bis hinein in den Ersten Großen Krieg mit seinen "zahllosen deutschen Siegen", in jene eingebildete Siegesstimmung, welche den großen Durchbruchssieg ersetzen sollte und ihn lange ersetzt hat. Das deutsche 111. Reich aber hat etwas wie den reinen "ÜberschwangTriumph" nachgespielt, aus den Jahren des Ersten Weltkrieges, und seine zuzeiten doch imperiale Mächtigkeit war kaum auf etwas anderes geistig gegründet. In all dem war mehr als eine triumphale Grundstimmung der Siegesserien, welche wir schon besprachen, hier begegnen wir dem erfolgsgelösten Siegesüberschwang. Und gerade England, das, wie kaum ein anderes Reich, aus Siegesserien leben durfte, hat seine Imperialität auch aus Siegesüberschwang noch befestigen können, als die wahren, großen Siege schon Vergangenheit waren. Wo die Kraft allein längst

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

nicht mehr zum Erfolg ausreichte, war noch immer etwas von jener Siegessicherheit geblieben, in welcher sogar das Einziehen der eigenen Fahne in unzähligen Kolonien noch als Reichstriumph erschien. Rom schließlich hat weiter zu triumphieren vermocht, als es längst nichts mehr zu triumphieren gab, über Jahrhunderte hinweg, unter dem steingewordenen Triumph der früheren Bögen, nicht nur im Feiern allein, sondern als wenn es etwas gäbe wie eine "Notwendigkeit des römischen Triumphes als Institution". Denn dies ist es eigentlich: Der Triumph gewinnt ein Eigenleben, er wird zur Institution, damit zur Grundlage des Reiches. Der Demokratie aber und ihrem Wirtschaften mag dies eine Lehre sein und ein großer Trost: Wenn sie den ganz großen Sieg nicht feiern kann - fast täglich werden ihr kleine Erfolge an vielen Fronten geschenkt, eine unendliche Reihe, in welcher sogar ihre Mißerfolge verdämmern. Und wenn sie sich in allem feiern darf, in Siegen wie in Niederlagen von Wahlen, weil ja immer ihr Denken triumphiert hat, ihre Mehrheit, so ist da eben doch viel Grundstimmung, viel Überschwang, viel realitätsgelöste Sicherheit, so viel Erfolg an sich. Tagtäglich triumphieren so die wahrhaft großen Demokratien. b) Triumph in Feiern - der imaginäre "reine Triumph" Feiern sollten Erfolgsbegleitung sein, dem Siege nachfolgen, doch wie oft gehen sie ihm nicht in der Geschichte voraus, so weit, daß sie der Erfolg nicht mehr einzuholen vermag. Es ist dann, als werde in der Feier der ganz große Triumphgegenstand entdeckt, dann wird überall zugleich -um des Triumphes willen triumphiert. Dieser "reine Triumphalismus" schenkt sich seine Erfolge selbst, wo sie nicht oder noch nicht sind, bringt er sie hervor, nimmt sie in Feiern vorweg, und vielleicht ist jedes Reich so stark wie es auch dies in sich trägt. Da ist etwas vom Siegesgeschrei vor dem Angriff, vom Abschreckungstriumph, obwohl doch niemand auch nur angreifen wollte. Mit den Kategorien des Normativismus können wir all dies kaum erklären, wie ja auch von ihnen kein Weg führt zum Reich, wachsen doch die Normen dann erst aus dieser Ordnung hervor. Deshalb kann es dem Normativismus auch nie gelingen, den "Triumph an sich" zu erfassen, weil es nicht etwas gibt wie ein "optimistisches Staatsrecht". Ein favor legis, eine Vermutung für den Bestand des Gesetzes mag anzunehmen sein, schon ein favor Constitutionis hat kaum mehr Sinn, wo die Norm der "ganz anderen Wirklichkeit" gegenübergestellt wird. Weit eher könnte man von einem "Vorbehalt des Faktischen" sprechen,

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und darin ist das rechtsstaatliche Staatsrecht eher pessimistisch gestimmt. Die Triumphalität des Reichsrechts muß diesen Kreis durchbrechen, zum Optimismus finden, und dies gelingt vor allem im reinen Triumphalismus. Da ist eben alles gut und erfolgreich, es wird gefeiert trotz aller Niederlagen und über sie hinweg, nach dem Vorbild der barocken Kirche, welche die Häresien nicht mehr überwinden konnte und doch ganz groß sich ihre Siege über sie herbeigefeiert hat, in Stein und Gold. Die Demokratie lebt aus der Idee der Unabänderlichkeit ihrer Staatsform, im amerikanischen Optimismus der Alternativlosigkeit dieser Ordnung, und was ist dies im Grunde anderes als imaginärer, reiner Triumph, so unbeweisbar, so sehr Postulat wie die Idee von Freiheit und Gleichheit, aus der heraus diese Demokratie entstanden ist? Triumphieren in genießenden Feiern allein kann es nicht geben, so nahe gerade dem, wieder in barocker Wohlgefälligkeit, die Demokratie auch sein mag, in ihrem wirtschaftlichen Konsumismus. Der "reine Triumph" liegt aber letztlich nicht im Gelage. Herbeigefeiert wird der Sieg nicht allein in einer eudämonistischen Grundhaltung, sondern aus einer geistigen Überzeugung heraus: Es scheint eben, als genüge die Sieghaftigkeit eines Gedankens, weil der den Sieg gar nicht braucht, der die siegreiche Idee für sich hat. Wenn es einer politischen Idee gelingt, mit ihrer Überzeugungskraft sozusagen "die grundsätzliche Sieghaftigkeit zu besetzen", so findet in ihr der Triumph statt, in der Wirklichkeit muß es ihn nicht mehr geben. Und wie anders könnte man den staatsrechtlichen Optimismus erklären als in der Überzeugung von der Sieghaftigkeit der Verfassungsidee, der Menschenrechte? Daß dies "richtig" ist, bedeutet nur einen Teil und könnte nie genügen, solange Menschen nicht nur die Wahrheit suchen, sondern auch den Erfolg. Erst dort, wo der Erfolg im Zelebrieren der Staatsgrundlagen herbeigefeiert wird, wie in jedem größeren demokratischen Spektakel - da muß es den Sieg, ja den Erfolg eigentlich gar nicht geben, er ist zwar imaginär, weil er nur in der demokratischen Idee liegt, aber er ist wirklich im Geist der Bürger, deren Optimismus in ihm eben doch das Optimum der schlechten Staatsformen sieht. So triumphiert die Demokratie, und gerade sie, wirklichkeitsentrückt; und wären denn Siege über Windmühlen keine Erfolge, wenn sie nur im Namen von Freiheit errungen werden und Menschenrechten? c) Vom historischen Triumph zum dogmatischen Triumphalismus Der "reine Triumph" kehrt der Wirklichkeit den Rücken, damit aber läßt er auch die Tradition hinter sich, so wichtig sie auch für das impe-

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riale Denken sein mag. Es kommt zum "abstrakten Triumphieren", und dieses kann besonders überzeugend werden, weil es sich dem historischen Kritizismus entzieht, weil nun ja jedes Regime irgendeine Chance hat, mittriumphieren zu können. Hier liegt etwas von imperialen Chancen auch für junge Staaten, die nichts hinter sich haben als einen mehr oder weniger rühmlichen Befreiungskrieg und sonst nur zu oft lediglich übernommene fremde Technik, geborgte Geschichte. Ohne triumphales Großereignis kann ja übergehen in die Reichsgrundlage des abstrakten Triumphalismus, wer sich nicht mehr fragen läßt, woraus er seinen Staatsoptimismus gewinnt. So ist denn gerade in den "jungen Völkern" oft mehr Reichsbereitschaft - wenn auch so wenig Reichsvermögen - als in der müden Skepsis europäischer Nationen, die unzählige Male mit ihren Reichsträumen gescheitert sind. Vielleicht wird das Erbe des Reiches dort vor allem aufgenommen werden, wo es mit abstraktem "reinen" Triumphalismus beginnt, die Geschichte von Anfang an überspringt. Dann setzt etwas ein, was man die "Dogmatisierung des Triumphalismus" nennen könnte. Der klassische Triumph des Römischen Reiches braucht keine Dogmen, weil der historische Großerfolg - oder die Staatslegende - gerade sein Dogma ist. Doch wo Staat und vielleicht Reich ohne Großerfolge gegründet werden müssen - und wie schwer dies ist, erleben wir täglich in der Dritten Welt - da muß in reinem Triumphalismus" der "Sieg dekretiert werden", der Erfolg wird befohlen. Wo ein Volk die reichsgründenden Siege nicht aufzuweisen hat, da ist es "zum Sieg verurteilt", oder es verurteilt sich selbst, in einer Triumph-Fiktion, die es reichsgründend durchhält - wenn es daran nicht zerbricht. Triumphieren ohne Sieg - das wird für viele Staaten, solche, die Reiche werden wollen, ein Problem naher Zukunft sein; und die rein geographische Größe so vieler Länder der Dritten Welt verlangt von ihnen einfach das imperiale Denken, wie sollte ein Brasilien etwa mit rein staatlichen Kategorien gebaut werden können? Im Worte "Dogma" selbst liegt bereits jene Doppeldeutigkeit, welche aber begreiflich macht, was "reiner Triumph", "befohlener Sieg" bedeuten kann: Einerseits ist dies ja die absolute Wahrheit- zum anderen aber die befohlene Mächtigkeit; eigentlich sollte ihr geglaubt werden, weil sie "so absolut evident" ist, doch es wird dieser Evidenz gerade noch der Befehl hinzugefügt, in ihm wird sie in die entscheidende Höhe gehoben. Wo Triumphalismus in reiner Form auftritt, wird der Erfolg dogmatisiert, seine Evidenz kommt ihm nun wieder aus dem Befehl, doch dieser muß eben so groß sein, wie er den Bürgern "den

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Erfolg befehlen will", und so zwingt dieser befohlene Triumphalismus die Staatsgewalt zum großen Befehl; in ihm aber liegt reichsgründende Anordnung. Und dann bleibt da immer auch noch etwas mehr als Befehl, etwas von der Evidenz des Erfolgsereignisses, und wenn auch alle wissen, daß es nicht stattgefunden hat, es findet im großen ReichsBefehl triumphierend statt. Das große Problem gerade der rechtsstaatliehen Befehle ist ihre Begriindung, bis hin zur Staatsbegrundung als solcher. In aller Dogmatik liegt immer der Versuch, sich dieser Begriindungspflicht zu entziehen. Dem dogmatisierten Triumphalismus gelingt dies, wie es scheint, mühelos: Wie der Großerfolg sich selbst Begrundung ist, so bleibt etwas davon auch dem "reinen, ja dem postulierten, dem befohlenen Triumph". Was Großerfolg ist und daher als Reichsgrundlage zu gelten hat, das wird aus dem allgemeinen "Triumphgefühl" heraus frei nach dem Willen der Herrschenden dekretiert, in der moralisierenden Zeit des Augustus erreichte hier etwa die Virtus Romana mit ihren persönlichen Sittlichkeits- und Tapferkeitserfolgen eine besondere Bedeutung, zurliekgedrängt wurden die friiheren legendären, von unsichtbaren Gewalten verliehenen Siege. Letztlich aber braucht es eben solche Triumphe nicht zu geben, ihre Feier ist sich Triumphgegenstand genug; wo Staatsfeier möglich ist und zu Staatstheater emporwächst, da "muß doch" ein triumphwürdiges Ereignis vorhergegangen sein, und gerade in der Demokratie wer von den unzähligen, in ihrer Mehrzahl doch geistig bescheidenen Bürgern wollte hier schon historische Untersuchungen anstellen? Die Idee des Triumphes selbst ist groß und schön genug, daß man an sie glauben kann, im reinen Erfolgsdenken als Staatsgrundlage entwickelt sich etwas wie ein favor triumphi - im Zweifel hat es all das gegeben. Keine Staatsform wiederum kann größeres bewirken im Namen dieses "reinen Triumphes" als die Demokratie: Nicht nur, weil ihre Befehlsmacht, im Namen aller ausgeübt, seit der Französischen Revolution zuhöchst gesteigert worden ist, viel weiter noch als an den Spitzen des Absolutismus, weil sie ihre fehlende Triumphalität sich selbst bescheinigen, im Namen aller dekretieren kann. Weit wichtiger noch ist, daß der Bürger von ihr vor allem Normen verlangt, eine Dogmatik dieser Verhaltensregeln, abstrakte Notwendigkeiten, denen er sich unterwirft, während er Befehle und Fakten stets bestreiten wird. Hier aber, im "reinen Triumph", wird diese Reichsgrundlage dogmatisierbar, letztlich doch normativierbar. So stellt denn die Demokratie, ganz konsequent, die Frage nach ihren eigenen Erfolgen nicht mehr, sie

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könnte es letztlich nicht, lebt sie doch vom Bestreiten all dessen, was ihre Vertreter anordnen. Doch im "reinen Triumphalismus" findet sie zu ihren Reichsgrundlagen zurück, im optimistischen Staatsgrundgefühl, und indem sie sich ständig selbst feiert und bestätigt. Zu ihr gehört die Sonntagsrede, und selbst in deren größten Banalitäten liegt noch ein Aufschwung zur Reichsgrundlegung, in den Erfolgsmeldungen von Triumphen, die es als solche nie gegeben hat, die aber normativiert worden sind - man denke nur an die zahllosen "guten Worte", welche gerade der demokratische Gesetzgeber über seine Normwerke schreibt, vom "Sicherungsgesetz" zum "Förderungsgesetz" und wieder zurück. d) Der "Triumph an sich"Staatsgrundlage außerhalb jeder Zeit Der "reine Triumph" ist über die Historie hinausgewachsen, damit aber hat er jede Zeitdimension eliminiert. Siegesfeiern über Faschismus und Nationalsozialismus mag es nach 40 Jahren noch geben, nach einem Jahrhundert würde sie niemand mehr verstehen. Was aber bleiben kann, ist die Feier des reinen Triumphgefühls der Demokratie, die sich in ihrer Freiheitsidee irgendwie und irgendwann einmal in der Geschichte durchgesetzt hat. Jahrtausende lang hat die Kirche über Nero triumphiert, doch nach einigen Jahrhunderten war er im Grunde gleichgültig geworden, im Mittelalter war das "Blut der Märtyrer - Samen der Christen" nahezu verschüttet. Die Kirche triumphierte in der Auferstehung des Herrn, weithin hatte sie bereits die Dimension des reinen Triumphes erreicht, der in der Hochscholastik dogmatisiert wurde. Die Aufgabe der Zeitdimension und ihrer Beschränkungen gibt dieser reinen Triumphalität eine besondere Wirkmacht. Nun ist der große Sieg ja "unmittelbar zu jeder Generation", er ist ganz "in die Gegenwart versetzt", man lebt diese Geschichte selbst in den Feiern, braucht sie nicht etwa nachzulesen, Der Bastille-Sturm bleibt wenigen nur als geschichtliches Ereignis bewußt, den meisten ist er es nur in seiner historischen Sinnlosigkeit. Doch in jeder republikanischen, sozialrevolutionären Großdemonstration, welche sich auf den Platz der Bastille zubewegt, ist etwas von der reinen Triumphalität des populistischen Staatsoptimismus lebendig, in der Demonstration wird ein Sieg gefeiert, der noch gar nicht da ist, vielleicht nie kommen wird. Der Triumphalismus der Ereignisse mag sich abschwächen, mit der zeitlichen Distanz von ihnen, und gerade die fortschrittsgläubige Demokratie verbrennt diese ihre Schiffe hinter sich. Der "reine Triumph" , hinter dem nichts steht als ein optimistisches Reichsgefühl und große, immer wiederholte Staatsfeiern - er kann "immer weiter laufen",

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weil er sich sozusagen "außerhalb aller Zeit um sich selbst dreht", weil er "zeitlos an sich" geworden ist. So mag er dann beliebig lang dauern, sich eher in der Zeit noch verstärken, durch historisierende Wiederholungen wird er nicht abgeschmackt, er ist kein mittelalterliches Ritterspiel, sondern immer wieder eine neue Überraschung, lithurgische Phantasien werden in stets neuen Feiern geweckt, die Katholische Kirche bietet ein modernes Beispiel. In seinen beiden Gesichtern, dem Optimismus einer Grundstimmung wie der in sich ihren Triumph findenden Feier - und beides sind im Grunde nur zwei Seiten einer Medaille- erlangt der "reine Triumphalismus" noch weitere Mächtigkeit: Er kann unterbrochen, dann wieder aufgenommen werden. Die Kontinuität ist für jene Erfolgsgrundlage entscheidend, die auf Ereignisse zurückgeht: Auch sie können zwar vergessen, wiederentdeckt werden, doch dem sind eben engere zeitliche Grenzen gesetzt, und selbst die antike Renaissance hätte nicht wirken können, wäre nicht weit mehr an Kontinuität vorhanden gewesen, als man lange angenommen hat. Die "reine Triumphalität" der Stirnmunden und Feiern aber kann enden und wiederkehren, sie übersteht mit Leichtigkeit ein Exil von Avignon. Lange muß die Triumph-Unterbrechung dauern, bis endlich der "Vorhang des Charmes" zerreißt, bis die Realität mit ihrer ganzen Alltäglichkeit zurückkehrt. Etwas von diesem "Triumphalismus an sich" ist jeder staatlichen Erfolgsgrundlegung eigen, den reinen Ereignis-Triumphalismus kann es nicht geben. In optimistischen Reichsgrundstimmungen und in Reichsfeiern wird der Ereignis-Triumph nicht nur verbreitert, er wird auch qualitativ umgeformt, erhält eine andere Dimension noch, er will sich um sich selbst drehen, sich selbst feiern, damit über die Ereignisse hinaus in die Wolken wachsen, aus der horizontalen Befestigung und rationalen Erklärung heraus, hinauf in die Gefühle - und die Befehle, welche sie ersetzen. Die Demokratie geht gerade hier ihren Weg zum Reich, fühlt sie sich doch als die zeitlose Staatsformpar excellence, gegründet auf ein Volk, das stets da war und immer da sein wird, immer das gleiche. In seiner Existenz triumphiert sie, in diesem Optimismus, und in den Feiern seiner tagtäglichen Versammlung. Alle konkreten Ereignisse mag sie wegwerfen, was Führer und Monarchen nie dürfen, denn ihr bleibt stets ihr großes Ereignis: das Volk, die triumphale Masse. e) "Reiner Triumph" - Erfolg als platonische Idee Der große Triumph der platonischen Geistigkeit lag in ihrer Typenbildung, darin, daß sie die unvollkommene Realität an den Ideen maß, sie durch sie ordnete und erkannte. Diese geistige Sehnsucht nach dem 14 Leisner

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"Pferd an sich", dem "Menschen an sich" hat uns nie mehr verlassen, der Begriff des Wesens und seiner Züge ist uns damit deutlich geworden. Doch solche platonische Ideen kann es nicht nur geben zur Erfassung von begreifbaren Erscheinungen, von Bildhaftem überhaupt; dasselbe " ... an sich" muß sich auch Entwicklungen, Abläufen, ja Wirkungen hinzufügen lassen. Wenn wir viele von ihnen analysiert haben, so wird uns doch, über die gemeinsamen Wesenszüge, auch bei politisch-geschichtlichen Wirkmächtigkeiten deutlich werden, was ihr geistiges Zentrum, ihr Wesen ausmacht. Und hier nun sind wir letztlich in der Betrachtung des Triumphs als Reichsgrundlage, beim "reinen Triumph" angelangt: Er, der ohne Ereignis auskommen will und ohne Sieg, dem es im Grunde nurmehr um die Erfolgswirkung, die Reichsgrundlegung geht- sollte er nicht über allem existieren können, über allen Schlachtfeldern, wirkmächtig allein in .dem Gefühl eines ganz großen Erfolges und seiner Feier, gleich ob es jenen je gegeben, ob diese also berechtigt ist? Dies vielleicht ist der tiefste Sinn einer Reichsgrundlegung aus Triumph: daß es das triumphale Ereignis als solches gar nicht geben muß, daß der "Triumph des als ob" genügt, daß das Feiern, das innere in der Überschwangstimmung und das äußere im großen Reichstheater, den Triumph anzeigt - und damit selbst der große Sieg bereits ist. Dann aber sind es drei Elemente wohl vor allem, welche aus diesem "reinen Triumph" als einer platonischen Idee des Triumphierens die letzten Ausgangspunkte des Reiches markieren: -

"Positiv" muß diese Ordnung angelegt sein, auf Erfolg hin und Glück, die große, letztliehe Niederlage darf sie nicht einmal als eine Möglichkeit kennen, ödes Auf und Ab von prekärer Staatlichkeit ist ebenso unimperial wie ein Leben auf die Tragödie zu, wie es die Deutschen erfahren mußten. Reich - das ist Erwartung und Hoffnung, weil es aus Triumph kommt. Gefeiert muß werden aus diesem Staatsoptimismus heraus, es darf nicht nur Befehle geben. Darin geht das Reich über den Staat der Normen hinaus, selbst wenn es seine eigene Triumphalität noch zu normativieren versucht: Es erschöpft sich nicht in der feier-neutralen Sollensordnung der Normwerke, das Reich zelebriert seine eigene Gesetzgebung, es wendet nicht nur Paragraphen an. Denn seine Gesetze sind ihm Erfolge, so wie sein Gesetz der Erfolg ist. Normen bleiben neutral in allem und jedem, nicht nur den Werten gegenüber, auch und vor allem gegenüber dem Erfolg. Eine Stufe

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höher beginnt das Reich: Da, wo im "Triumph an sich" nicht Normanwendung stattfindet, sondern Feier. -

Groß muß schließlich das Erfolgsdenken sein, selbst und gerade wenn es die Ereignis-Erfolge nicht sind, wenn es sie nicht gibt. Denn das behält auch der "reine Triumph", der Kern aller Triumphalität: So wie der Ereignis-Triumph den großen Sieg verlangt, so kann reiner Triumph nur werden aus einem mächtigen Reichs-Optimismus, der sich in Feiern entlädt, welche Größe zeigen. Triumph das ist eben immer auch eine Frage der quantitativen Dimension, aus kleinen Geschichten und Gefühlen wird nichts, was über Gemeindegrenzen hinausreicht.

Dies schließlich ist der große Trost für unsere untriumphalistische Welt: Des großen Ereignisses mögen wir nicht mehr fähig sein- der große Erfolgsoptimismus ist jeder Generation als Möglichkeit gegeben, jede hat die Phantasiechance, ihn groß zu feiern. Wie oft belächeln wir die Fiktionen der Volksherrschaft. Sie sind gut, wenn sie nicht nur in Normen gegossen weren, wenn in ihnen etwas von der kindlichen Erfolgshoffnung des unentwickelten, geistig bescheidenen Volkes noch lebt. Die Führenden mögen lächeln, solange es ihr Volk noch glaubt; erst wenn sich die Gesichter verfinstern und das Volk die Feiern verläßt - erst dann ist der Triumphalismus wirklich am Ende, in seiner "reinen Idee". Wie er im Großen gespielt werden mag, wenn nicht erlebt, auch ohne den Riesenerfolg, der ein Imperium gründen kann, das wollen wir jetzt im barocken Triumphalismus betrachten.

3. Barock als Triumphalismus an sich a) Der geistige Ausgangspunkt: allgemeines Triumphgefühl Im 17. Jahrhundert beginnt die Barockzeit mit einer großen Intellektualisierung, ja Spiritualisierung: Vorüber ist die Periode der individuellen geistigen Großtaten, jene intellektuelle Feudalzeit des geistigen Fürstentum der Renaissance. Erstmals wird die Allgegenwart des allmächtigen Gottes wirklich bewußt, und bis hinein in die Staatlichkeit wahrhaft erfühlt. Das religiöse Denken verbreitert sich zum Deismus, bis hin in die Anfänge des philosophischen Pantheismus, mag es darin auch verflachen. Vergangen ist die Zeit des punktuellen Thaumazein, systematischer Geist entdeckt und bewundert überall - überall beginnt er im Geistigen zu triumphieren. Dieser barocke Beginn ist ein großer Aufschwung zur Systematik, von den philosophischen Systemen eines Descartes und Spinoza, bis hin

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zur Weltrechtssystematik des grotianischen Völkerrechts. Hier werden die Grundlagen gelegt für jenen späteren Enzyklopädismus, der in seinen großen Spitzen im 18. Jahrhundert, mit dem Rationalismus eines Diderot, bereits wieder klassizistisch erstarrt. In der großen Barockzeit aber, im 17. Jahrhundert, da ist noch die Begeisterung des Systems, dort triumphiert der systematische Geist überall, und nunmehr in breiter Front hinein in Politik und Staatlichkeit. Dieser Barocktriumph ist wohl in der uns bekannten Geschichte der oben entwickelten Idee des "reinen Triumphs" am nächsten gekommen, gerade als ein "systematischer Triumph" in Systemen, die noch nicht veröden und sich sklerosierend abschließen. Diese Zeit ist geprägt vom Imperialismus Ludwigs XIV., der geistig das große deutsch-spanische Römische Reich zerstört hat, längst bevor es unter Napoleon notariell beendet wurde. Und doch - welch ein Paradox! - ist niemals so viel Triumphalität in Europa gewesen seit den Zeiten der Römer, ein so breites reines Triumphdenken wie in diesem Jahrhundert, so viel "Reich in der Idee" - wie in jener Periode, in welcher das Imperium real verdämmerte. Es ist, als habe das römische Imperium in der Wirklichkeit vollends sterben müssen, damit seine Erben es in einer glückhaft-triumphalen Periode neu erwerben und, auf Zeit wenigstens, besitzen durften - in reinerer Geistigkeit. So ist dies denn der Beweis dafür, daß jede Periode ihre Berufung hat zum Triumph, darin aber ihren Auftrag zum Reich, und in "reinem Triumph" hat der Barock ihn erfüllt. Der Klassizismus hat die Mauern des alten Imperiums ausgegraben, doch noch in der Sonne der reinen Triumphalität des Barock. Weil sie überall Begeisterung weckte, entsprechend dem großen Aufbruch zur Systematik in dieser Zeit, konnte sie die Geistigkeit dieses systematischen Triumphs über Jahrhunderte tragen. b) Der kirchliche Barocktriumphalismus Es war das letzte Mal, daß die Katholische Kirche in der Geschichte geistig führen konnte, ganz allgemein. Sie hat Ausgangspunkte gesetzt, in ihrer Religiosität, in ihrer Kunst zuerst und ganz groß, ganz "rein" triumphiert. Dieser ihr heute so verachteter Triumphalismus ist die höchste und schönste Form des Siegesdenkens gewesen, die wir kennen, hier hat das Zweite Rom noch einmal etwas vom Ersten in unsere Welt gebracht, in unsere Staatlichkeit ~ bis hin zum Reich. Begonnen hat es schon mit dem Tridentinum, jener Verbindung von religiösem Renaissance-Intellektualismus und beginnendem systematischen Schwung des Barock. Der ins System gegossene Glaube hat die

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Scholastik, Jahrhunderte systematischen Denkens, nach den individuellen geistigen Durchbrüchen der Renaissancezeit, wieder aufgenommen und fast bruchlos übergeleitet in die neue Systematik, der er jedoch die Begeisterung der Triumphalität hinzugefügt, die er durch ein neues Siegesdenken verstärkt hat. Im Tridentinum wird ja erstmals voll der eine, allmächtige Gott systematisch bewußt, der große Pantokrator, der in der Schöpfung triumphiert, neben ihm der Triumph Christi über das Böse und den Tod, ebenso systematisch und weltbewegend, und schließlich die Spiritualisierung des Heiligen Geistes, der Triumph der Geistigkeit. Macht, Liebe und Geistigkeit- alles was jemals in Europa triumphale Kräfte waren, schließt sich nun zu der tridentinischen Dreifaltigkeit zusammen, wird von ihr über Europa und seine Staatlichkeit geworfen. Dieser Triumph ist, wie stets im kirchlichen Denken, zunächst ein erkannter, der von Ewigkeit da ist, ein einziger riesiger EreignisTriumph, in der Schöpfung, im Oster- und Pfingsterlebnis. Doch nun kommt hinzu die zweite Seite des "reinen Triumphs": der dekretierte Sieg, das Dogma vom Großerfolg, der sein muß, gleich ob er ist oder nicht. Im Tridentinum als Dogmengeflecht hat man meist nur Erstarrung sehen wollen - es war zugleich ein ganz großer geistiger Aufbruch, und nur so hat es vier Jahrhunderte überdauern und geistig eine Welt beherrschen können. Dies war die wahrhaft imperiale Verfassung der katholischen Welt, nie ist ein geistiges Reich so sehr auf Triumph gegründet worden, auf ihn allein, auf seine reinste, ideelle Form. Nicht als ob hier nur eine Geistigkeit gewirkt hätte, so kraftvoll konnte nur durchbrechen, was einem Kometenschweif von triumphalen Ereignissen folgte - oder ihm voranzog: Da war eine neue, zweite Welt, dem alten Glauben ganz gewonnen; da waren die Siege der Gegenreformation in allen Ländern des alten römischen Reiches; und da war vor allem der neue große geistige und politisch-realistische Aufbruch der Gesellschaft J esu, die in der Gesellschaft des Herrn die geistigen Sturmtruppen zu entscheidenden, triumphalen Durchbrüchen formierte. Diese Militarisierung des Geistes - denn was war es anderes? - hat den ganzen Reichtum des kriegerischen Triumphierens in die Höhe der beginnenden Spiritualisierung gehoben. Dies ist der gewaltige Beitrag eines bewußt triumphalen Ideenreichtums, eines Denkens, das in Disziplin durchbricht, nicht etwa zu einer müden, ja traurigen Laboratoriums-Wissenschaftlichkeit, sondern zu einem politischen Sieg des Geistes, dem letzten, den dieser in Europa rein hat feiern dürfen.

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Jesuitenbarock-das war kein Zufall, es war die damals notwendige reinste Ausdrucksform der reinen Triumphalität. Und dieser Jesuitismus mochte als Abfall von evangelischen Prinzipien aus rein religiöser Sicht verurteilt werden - daß er durch und durch politisch sein mußte, das war seine imperiale Größe. Mit Studien und in Intrigen, auf allen Wegen eben des großen Geistes, hat er den Menschen damals und noch heute die reine Triumphalität des zerstörten Reiches weitergegeben. c) Die triumphale Reichs-Kunst des Barock Die goldschimmernde Kunst des kirchlichen Barocktriumphalismus hat immer gesiegt, sie triumphiert sogar heute noch über Skepsis und Müdigkeit einer Zeit, die sich kaum noch ihre Erfolge einzugestehen wagt: Der Schwung der Kirchen, Klöster und Schlösser reißt im letzten jeden mit sich, in seiner hellen Sieghaftigkeit. Daß all dies durch und durch Staatskunst war, von den Reichsabteien der Donaulande bis nach Versailles, ist nur Banalität. Wie aber all diese Goldtriumphe ins Politische hinein gewirkt haben - diese Staatslehre des Barock liegt noch heute in den Bibliotheken der Klöster verschüttet, wer weiß, ob hier die Nachwelt jemals mehr als die unzähligen goldenen Rücken bewundern wird. Das Interesse der geistesgeschichtlichen Wissenschaften gehört nicht diesen Traktaten eines triumphalistischen Barockstaatsrechts, sondern den rationalisierenden philosophischen Vorläufern des 19. Jahrhunderts. Auch in ihnen liegt viel großer, systematischer und "reiner" geistiger Triumphalismus, von Leibniz bis Pufendorff, die Sieghaftigkeit des systematischen Denkens überwältigt den Leser von Seite zu Seite. Sahen doch diese Autoren kleine Reiche überall um sich herum aufwachsen, in kleinen Triumphen, welche sie ins Geistige hoben und damit ins Unendliche vergrößerten. Doch hier noch einige Worte über die politische Symbolik, welche die triumphalistische Staatskunst des Barock in noch reinerer Form der damaligen und unserer Zeit geboten hat; denn wohin der pietistische Geist nicht drang, dort wirkte erst recht triumphal die katholische Barockkunst. Sie zeigt uns noch heute Elemente, die bis ins Geistige und ins Fürstl'ich-Politische hinübergewirkt haben, in denen, gerade in der künstlerischen Abstraktion, "reiner Triumph" geworden ist: -

Diese wahrhaft "politische Kunst" des Barock ist aus dem Erbe der Renaissance-Klassik heraus gewachsen, nie hat sie es verloren. Jene Renaissance aber wollte doch ein Imperium restaurieren, einen wahren Triumph-Gegenstand. Hier, im Barock, konnte all dies aufge-

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nom.men und noch wuchtiger emporgebaut werden, im wahrsten Sinne des Wortes, der Petersdom ist das steinerne Beispiel. Es ist, als sei damals am römischen Imperium noch hochgebaut worden, bis in die Kuppel hinein, wie es sie noch nie gegeben hatte. Barockkunst als nicht nur Erhöhung, sondern wahrhaft Überhöhung der Renaissance- es ist wie eine Überhöhung der Ereignis-Triumphalität des römischen Imperiums in der geistigen Triumphalität des Zweiten Rom. -

Die Barockkunst hat eine neue Dimension des "Rahmen-Denkens" in die Welt gebracht, ihre Umfassungen werden mächtiger, sie erhalten Bewegung, sie dienen nicht mehr nur dem Bild, sie erreichen Selbstgesetzlichkeit, dynamisieren den Bilder-Inhalt. Es ist, als fänden große Triumph-Umzüge statt, um die bildhaften Inhalte, bis daß die Rahmen sich verselbständigen, in einer immer größeren Variationskraft selbst zu Bildern werden. In diesem Rahmen findet eine große Triumph-Feier des Bilderinhalts statt, bis die Umfassung ins Bild übergeht, bis überall zelebriert wird. In dieser Dynamisierung des Rahmens liegt etwas Bacchantisches, in dessen rankender Bewegung dauernd und überall gefeiert wird, in welcher die früher so strenge, ja oft traurige Renaissance unendlich barock triumphiert. Überall hin wirft sie ihre Girlanden und Blumen, alles wird zum glückhaften Sieg, die begrenzenden Rahmen zerbrechen in Feiern. Darüber müßte vertiefend nachgedacht werden, was all dies für die geistige, politische, ja juristische Rahmenidee bedeutet, ohne die doch heute Verfassung und Gesetz nicht mehr denkbar sind: In der Steigerung der Bedeutung der Rahmen allein wird man der Verfassungsidee gerecht, in jenem Übergreifen der Rahmen in die Bildinhalte wird verständlich, daß Verfassung stets mehr sein muß als etwas, was nur die politische Dynamik in starren Leisten hält. "Offene Verfassung" schließlich, das Kennwort einer Welt, die sich politisch entbinden will - all das ist in der bewegten Rahmenidee der Barockkunst triumphierend vorgedacht worden, denn auch dies ist ja eine Idee, die siegen will, weil sie sich bewegt.

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Barockkunst ist aber ganz, und nicht allein in ihrer Entbindung der Rahmen, Dynamik. Da ist nicht nur eine schier unendliche Variationskraft, alles gerät in Bewegung, und nicht nur in irgendwelche Richtungen, sondern immer weiter rankend, immer empor. Diese "gerichtete Dynamisierung", der nach oben wachsende Reichtum, darin liegt etwas vom "reinen Triumphalismus", so wie triumphaler Reichtum in dem gefühlt wird, woraus diese Macht des Ba-

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rock kommt: in der Urwaldidee und einer unendlich hinaus- und hinüberwachsenden Kraft. Da ist nicht nur die unbegrenzt formschaffende Mächtigkeit der tropischen Flora, die an Altäre und Decken gezaubert wird, nicht nur unendliche Vielfalt - da ist Unendlichkeit, eine Kraft, die alles überwuchert, alles zudeckt. Und wenn semitischer Religiosität die Unendlichkeit der leeren Wüste ein Beweis für die Kraft der triumphierenden Gottesidee war, so gilt dasselbe für die Unendlichkeit der zahllosen lebendigen Triumphe des Urwalds. lrgendwo ist dies eben doch auch ein Reich, in seiner Jungfräulichkeit unmittelbar zu Gott, und etwas von diesem Paradies wird in Kirchen und Paläste gezaubert, ein Wunder, ein Reich an sich. -

Kunst als Wunder hat d,ie Barockzeit gewollt, und nicht nur in der Bewunderung des einzelnen Werkes, im renaissancehaften Kunsterlebnis, sondern in einer "wundergewordenen Wirklichkeit". Nicht umsonst ist dieser Welt des beginnenden Rationalismus noch einmal eine Flut von Wundem geschenkt und von ihr verehrt worden, in Wallfahrtsorten und ihren Kirchen; sie hat diese Mirakelwelt fortgesetzt, in den Wundem ihrer Räume triumphiert sie noch heute. Sie soll der Mensch, der Bürger, der Gewaltunterworfene bewundern in einem tieferen Sinn: Vor ihnen muß er sich neigen, sie sind Siege Gottes und des Geistes über die verwandelte und vergoldete Materie, vor diesen Statuen beugen sich die Knie, weil sie in ihrer Schönheit - triumphieren. Und gäbe es reinere Triumphalität? Vielleicht hat Kunst immer in etwas siegen wollen wie einem Wunder, dieser Augenblick der offenen Augen mag ihre höchste Kraft sein. Doch das Mirakel, welches damals in den goldenen Sälen des Barock geschaffen wurde, es sollte auch politisch weiter wirken Staatskunst als Staatswunder - und so wenig ein Wunder zerstört werden kann im Geist der Menschen, so sicher wollten sich die Herrschenden fühlen in einer neuen, zeitlosen, goldenen Sieghaftigkeit - was aber wäre ein Reich anderes? In einem Saal, in einem Raum einen ganzen Triumph, ein ganzes Imperium schaffen - das ist der Barockkunst gelungen wie keiner anderen.

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Der Einheit von Himmel und Erde gilt im Grunde alle Darstellungskunst des Barock. Waren in der Renaissance noch die beiden Reiche zwar sichtbar, aber doch klar geschieden, wie im Grunde auch stets vorher, so vereint nun ein mächtiger Schwung Diesseits und Jenseits, die Wolken und ihre Engel steigen ab, die Heiligen hinauf in die Ewigkeit. Ein wahrhaft dithyrambischer Zug bewegt sich durch die gesamten Darstellungen, und es ist, sichtbar oder unsichtbar, in Falten und Gesten vielleicht nur angedeutet, stets

VII. Der "reine Triumph" -Triumph als Triumphgegenstand

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nicht nur großes Theater - so hat man es verkleinern wollen sondern immer großer Triumph. In dieser Einheit aber wird, ganz natürlich, eben doch das Diesseits erhöht, hinaufgehoben, die gesamte Barockkunst ist nicht eine absteigende, sondern eine aufsteigende Bewegung - wie ein Triumphzug, der sich dem Kapitol nähert. Zwar steigen Gott und die Heiligen scheinbar zur Erde hernieder, in Wahrheit aber heben sie diese triumphal nach oben, diese Darstellung der Transzendenz verherrlicht überall den reinen Triumph. Und im Grunde steigt ja die Erde zum Himmelreich hinauf - oder dieses senkt sich über seine vielen Provinzen. So liegt denn in solchem Triumphalismus tiefe Reichsidee, die Einheit des Himmels über der Vielfalt der Menschen und Völker, die sich aber doch in sich wahrhaft zusammenschließt und zeitlos erhöht. Wenn in der Triumphidee etwas ist vom Endsieg, den ein Ereignis gebracht hat, so wird hier der "reine Triumph" zum "allgemeinen Sieg", damit aber bleibt außerhalb von ihm so wenig etwas, wie außerhalb der Grenzen des Reiches. -

Die personifizierende Kraft des Barock ist unerreicht. Ideen nehmen in seiner Kunst menschliche Gestalt an, schimmern nicht nur durch diese hindurch. Deshalb auch kann die antike Mythologie in ihrer ganzen Breite zurückkehren, mit den vielen Göttern und ihren zahllosen Gefährten, weil alles Person wird, auch das immer allgemeiner Gedachte, das immer weiter Umspannende, Systematische. In dieser barocken Personifizierung der Ideen hat auch der Staat seinen Platz, seine Mächtigkeit, und nicht nur in der Gestalt des Mars. Staat und Reich, schon als solche bewußt, nehmen eben Fürstengestalt an, und der Fürst wiederum wächst in die antike Götterfigur hinein. Der tiefere Sinn aber dieser ganzen Personifizierung ist nicht nur ihre Greifbarkeit, eine Indiskutabilität, welche an sich schon etwas Triumphales in sich trägt - hier wird der Triumphator dargestellt, der Triumphzug in seinen Teilnehmern, vor allem aber in dem, der ihm vorangeht. Denn siegen können eben im letzten nicht Ideen, sondern nur Menschen, und wer den "reinen Triumph" des Geistigen darstellen will und den "Triumph als Idee", der wird immer personifizieren müssen, wo es ihm gelingt, hat er zum "reinen Triumph" gefunden. Und zum Reich: Denn demjenigen, der zuerst seinen Staat zum Reich steigern konnte, Ludwig XIV., durfte eben das Wort in den Mund gelegt werden, daß er der Staat sei - so wie dies auf zahllosen Gemälden, von unzähligen Sockeln herab verkündet wurde: die Personifizierung der Reichsidee im Sonnenkönig. Und ist denn

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

diese Sonne in ihrem täglichen Aufgang nicht zugleich ein Ereignistriumph und der Sieg einerunfaßbaren Idee? Das Reich unserer Erde ist noch nicht in den Himmeln, aber es ruht nicht nur auf Erden, in seiner Idee erhebt es sich so über den Boden, wie jeder Triumphzug im Grunde schon hoch über der Erde sich abspielt. Und in diesem Zwischenbereich, wo Himmel und Erde sich berühren, wie wir es gerade als für die Barockkunst typisch erkannt hatten, da wird der "reine politische Triumph" gefeiert. -

Die barocke Personifizierungskraft steigert sich noch höher, viel vergangeneu Symbolismus in sich aufnehmend, bis hin zu einer ebenfalls nie wieder erreichten Macht der Allegorie. Hier werden Ideen dargestellt ih Bildern, und wieder in Menschen, nicht, indem sie mit dem Triumphator großer Ereignisse identifiziert werden, sondern "an sich" als persongewordene Ideen - und Triumphe. Denn die erste aller Allegorien war noch immer die des Sieges, und jene Siegesgöttin, welche gar keinen Platz in der ursprünglichen Mythologie hat, wird zur Abstraktion des Triumphes, dies schwebt in unzähligen Abbildungen hinter den beiden großen Triumphatoren dieses beginnenden Barock - Heinrich IV. und Ludwig XIV., den beiden Königen, welche den Namen des Großen damit verdienten, daß sie ihr Königreich zum Reich steigerten. Staats-Kunst ist vielleicht nie wieder so eindeutig gewesen wie in dieser Personifizierung von Organen, Prozeduren, Kräften der Staatlichkeit selbst. Sie aber war immer ein Zeichen wahrer lmperialität, im römischen Imperium vorgedacht, im napoleonischen später noch nachgelebt. Allegorien jedoch - sie können nur triumphieren, in einer gelassenen Untätigkeit, welche mit dem Blick des Reichsüber Epochen hinwegschaut und die Menschen nicht sichert, sondern ihnen nur - schenkt: den Triumph.

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Mythologie und Glauben, Antike und Christentum sind in dieser Barockkunst in untrennbarer Einheit verwoben - weil sie beide nur Ausdruck eines einzigen Triumphalismus sind. Er erfaßt ja alles, will alles darstellen, wo in irgendeiner Weise im Großen triumphiert wird, und so ist es selbstverständlich, daß die Antike als Vorläuferin des Christentums reiert und gefeiert wird, das Christentum als ihre Erfüllung. Und. all dies muß übrigens glaubensdogmatisch gar nicht mehr unterschieden werden, der . große abendländische Triumph ist einer, in seiner Jahrhunderte übergreifenden Kontinuität wird er zugleich zeitlos, so wie das Reich, dessen Abbildung er ist. Christliche und heidnische Mythologie haben ja eines gemeinsam: Sie versinnbildlichen frühere imperiale Triumphe, und im Grunde nicht einmal mehr das Frühere, sondern

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vielmehr das Höhere, in welchem auch die Gegenwart sieghaft zum Reich gehoben wird. Was immer in der Pose des Sieges und der Erfüllung auftreten kann, in einem groß besetzten Staatstheater, das zeigt jenen reinen Triumph, der sich allein in der Idee, ereignislos, auf riesigen Deckengemälden abspielt; und nicht umsonst wird diese Verbindung von antiker und christlicher Imperialität noch über den Triumph hinaus gesteigert - zur Apotheose. -

In der ewigen, unendlichen Feier ihrer vergöttlichenden Triumphe lebt diese Barockkunst ihren "reinen Sieg". Ein Großerfolg wird nicht mehr durch Leistung geschaffen, in einem riesigen renaissancehaften Kuppelbau ins Werk gesetzt; da die Siegesidee allgemein ist und überall, ist das alles einfach da, es wird vorausgesetzt, entscheidend ist die Feier unter der Kuppel, sie wird zum Selbstzweck. Diese Siegeskunst wird zur immer reineren "Feier an sich" , darin entbinden, entgegenständlichen sich ihre Formen, stets noch freier werdend, der grenzenlosen Variation mächtig. L'art pour l'art wird vielleicht das erste Mal in dieser Zeit wenn nicht erreicht, so doch als Möglichkeit bewußt, in einer Überwindung der klassischen Canones, welche zu einer Kunst gehören, in der sie helfen sollten, das große künstlerische Ereignis erst zu schaffen. Nunmehr aber, im Kunsttriumphalismus des Barock, entbindet sich die Gestaltung von all diesen irdischen Regeln, sie erreicht einen freischwebenden Zustand, eben im Namen jener emporreißenden Triumphalität, welche über allem liegt, "Kunst um der Kunst willen" ist nur ein Symbol für das höhere "Triumph um des Triumphes willen", das in der Reinheit der Siegesidee die ganze Epoche prägt. In der Barockkunst ist schon die große W agnersche Idee mächtig geworden, daß die Spitzen des Künstlerischen im gewaltigen Theater nur erreicht werden, weil dort allein das Ereignis ganz groß, beliebig hoch gesetzt werden kann, und weil es nicht erwartet zu werden braucht, weil es geschaffen, hervorgebracht werden kann, in einer Theater-Triumphalität des "als ob" , welche die Siegesidee als solche feiert, den Triumph im ganz großen, gespielten Vorgang auf die Erde herabführt. Dieses künstlerische Staatstheater ist dem "reinen Triumph" wohl am nächsten gekommen, einem Reich ohne Macht, das in Feiern erkannt und genossen wird. d) Vom barocken Triumphalismus der Freiheit zur Demokratie

Der Gegensatz von Barock und Demokratie scheint unüberbrückbar, kann da eine Via triumphaUs von der theatralischen Staatskunst des absolutistischen Denkens zur Volksherrschaft von heute führen?

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

Die Demokratie ist angetreten im Namen eines Rationalismus, dessen Kritik das schimmernde Gold der barocken Siegesfeiern matt hat werden lassen. In ihr wird gezählt und kalkuliert, nicht triumphiert; sie will den Bürger schützen, nicht seine Führer verherrlichen. In all dem droht sie das Siegesgefühl überhaupt zu verlieren, wir sahen es schon. Ist da noch irgendeine Gemeinsamkeit mit dem vielberufenen barocken Lebensgefühl, zeigt sich nicht hier gerade, in der Betrachtung des Barock, daß alles Triumphalistische unwiederbringlich untergegangen ist? Die heutigen Zeichen zeigen es anders, die Demokratie geht wieder barocke Wege des Staates, vielleicht bald bis zu einem wahren Reichsdenken. Ihr Zentralbegriff nämlich, schon dies wird immer mehr bewußt werden, ist gerade jener, aus dem heraus auch barocke Erfolgskraft in reiner Triumphalität gewirkt hat: die Freiheit. Die Triumphalität der Kirche und der Fürsten war an sich kein Gegensatz zur Idee der Freiheit des einzelnen, auch der letzte Soldat triumphiert noch mit auf den großen Schlachtengemälden, Allegorien und Apotheosen stellen Unzählige dar, in ihnen triumphiert virtuell jeder. Daß sich dann sklerosierte Siegessicherheit gegen individuelle Freiheit wandte, war im letzten schon ein Erlahmen barocker Kraft, nicht mehr ihr machtvolles Wesen. Oder könnte man Zünftewesen, erstarrende Privilegiensystematik, den ganzen spätbarocken Niedergang auch der Staatlichkeit im 18. Jahrhundert noch als einen Ausdruck des großen Barock oder gar seines Triumphalismus werten? Gegen das "Volk", gegen die Bürgerfreiheit wendet sich all dies, gerade weil es hier nurmehr zu konservieren, nicht mehr zu triumphieren gilt, weil nicht mehr jedermann eingebunden werden kann in das Glücksgefühl des großen, allgemeinen Sieges. Viel näher ist die große, die frühe Barockzeit noch der Freiheit: Sie hat doch jene Erneuerung und Verbreiterung der Aristokratie gebracht, welche so viel neues Verdienst mit in die Herrschaft hineinnehmen konnte, tapfere Soldaten, die neuen Bildungsschichten - Richter, Beamte, Gelehrte. Damit hat sich sicher auch eine Abflachung des Feudalismus vollzogen, viel von der Tiefe des renaissancehaften Elitedenkens ist verlorengegangen, doch das Erfolgsdenken wurde, in vielfacher Brechung, bis ins Volk getragen, in eigenen kleineren und größeren Triumphen konnte nun fast schon jedermann bis in die Macht vordringen. Das Volk wurde als der Jedermann bewußt, nicht mehr nur als Gefolgschaft von Kriegsleuten, so sieht es ·jener fürstliche Absolutismus, der es in Versailles dem Erwachen eines Königs zusehen läßt, dem

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Aufgehen einer Sonne zu neuen Triumphen. Vor allem aber ist es die Vielfalt der Fennen, bis in die Unendlichkeit eines ganz neuen Kunstreichtums, worin nun eine Vielfalt sich triumphierend auslebt, welche im Grunde nichts bedeutet als höchste Freiheit der Kunst - eben wieder und immer noch mehr Freiheit. Als der Triumphalismus die Barockkunst verließ, als sie sich in kleine Kabinette, Chinoiseriespiele und Boudoirs zurückzog, da entfernte sich die Staatlichkeit auch vom Volk, der Triumph kehrte erst wieder in die Schlösser zurück mit den Gabeln und Piken der triumphierenden Republik. Wie rasch hat diese nicht doch die Größe der Schlösser gefühlt, welche sie mit ihren Siegen erfüllen konnte! Der Weg vom großen, triumphalen Absolutismus, mit seiner eigenartigen und doch ganz sicheren Volksnähe, über die zerbrechliche, volksferne Porzellanwelt des 18. Jahrhunderts bis zur Rückkehr der mächtigen Volkstriumphalität der Französischen Revolution - ist all dies nicht ein Beweis für Volksnähe jenes Barock, die dort ja nie gebrochen wurde, wo eine lebendige barocke Kirche, in Bayern, Österreich und anderswo, ihr Volk vor goldschimmernden Altären in der Anbetung des religiösen Triumphs vereinte? Die Demokratie braucht die große Freiheit des Hochbarock, die Freiheitsspiele des Rokoko sind ihr nicht genug, in dem die Feinheit geblieben, aus dem der große Sieg verschwunden ist. Denn die Freiheit ist eben nicht fein und elegant, zuall.ererst ist sie mächtig und sieghaft. Der "reine Triumph" des Barock ist für die Volksherrschaft eine auch politische Welt, eine geistige Dimension, denn dort braucht man nicht jene Schlachten und Erfolge, in denen Völker nur sich gegenseitig abschlachtend verbluten können, wie zwei Weltkriege es gezeigt haben. Und ist es denn ein Zufall, daß kaum je die Friedensgöttin so mächtig triumphieren konnte wie auf den barocken Gemälden? Der Schwung der Freiheit kann auch heute noch die Demokratie zu imperialen Ufern tragen, so wie in jener barocken Großzeit, und die Ordnung des Friedens wird ihr nur geschenkt werden, wenn sie wieder erkennt, daß es diesen Zustand nur dann gibt, wenn er vergöttlicht, ganz groß werden kann, in einer lmperialität des reinen Triumphes. Nur wenn die Demokratie das lernt, wenn ihr die Freude und etwas von der Naivität des früheren Volkes zurückgegeben wird, kann sie groß in die Zukunft wirken, und auf Dauer.

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C. Erscheinungsformen des Triumphes 4. Die reichsschaffende Kraft des reinen Barocktriumphs

a) Absolutismus -

eine bleibende staatliche Kraftquelle

Die Barockzeit hat uns unsere Staatlichkeit geschenkt, in all dem, was sie groß gemacht hat, heute noch groß erhält: Es ist das Erbe des Absolutismus in Spanien, Frankreich und Deutschland vor allem. Wir hätten in diesen Ländern keinen Staat, wären damals Kirche und Fürsten nicht aufgebrochen in reinem Triumph auf der Suche nach der Idee des Reiches. In Deutschland hat dies ein Historismus verdunkelt, dem die barocke Duodez-Zeit nur ein Gegenstand des Spottes war, eine verachtenswerte Kleinheit, welcher er im 19. Jahrhundert die neue Großidee des Deutschen Reiches entgegensetzte. Vieles daran ist richtig, vor allem die Erkenntnis, daß in Deutschland der Aufbruch eine Phase zu spät stattgefunden hat, sieht man von Österreichs türken-triumphaler Grandeur ab. Die in Deutschland verspäteten, geistig eigentlich schon überholten Religionskriege des 17. Jahrhunderts haben dieses Land um die große Barockzeit gebracht, wie sie in Frankreich stattfinden konnte, weithin auch um den triumphalen Absolutismus, der sich nurmehr in Preußen zu entfalten vermochte. So hat sich denn in Deutschland viel von einem bereits enttriumphalisierten Barock entwickelt, es fehlt die große reine Sieghaftigkeit, die zum Reich führt. Doch eine allseitige Betrachtung darf auch, selbst wenn sie in imperiale Weiten blicken will, die kleinen Erscheinungen nicht übersehen, aus denen sich ein Reich aufbauen kann. Es gibt eben auch etwas wie einen "Duodez-Triumph", "rein" ist er gerade darin, daß er die großen Schlachtenerfolge nicht blutig erringen, daß er sie sich in seinen Kunstwerken phantasieren kann. Die kleine Welt der deutschen Fürstenhöfe war nach außen politisch ohne Gewicht, nach innen aber fand doch etwas wie der goldene Triumph der neuen Souveränität statt. Das alte Reich deutscher Nation konnte so gewiß nicht mehr restauriert werden, in den neuen Herrschaften zerfiel es vollends. Doch auch in dieser Klein-Triumphalität einer neuen Territorialherrschaft liegen ReichsElemente: Nicht nur, weil die Idee des Großerfolgs auch dort noch wirkt, wo er in kleinen Territorien gefeiert wird, sondern vor allem, weil seit dem römischen Vorbild der Aufbau der ganz großen Ordnung sich über Provinzen vollzieht, mit all ihrer Vielfalt, ihrer begrenzten Selbständigkeit. Als dann ein Jahrhundert später der Weg zu einem größeren Reich der Deutschen beschritten werden sollte, da waren solche Duodez-Herrschaften, mit dem Selbstbewußtsein ihrer kleinen Triumphe, ihrem Klein-Absolutismus, im Grunde alles, und wenig hätte doch gefehlt, so wäre ein mächtiges Reich von unten nach oben gebaut

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worden. Daß es verspielt wurde, beweist nichts gegen die Größe seiner vielen einstigen barocken Chancen. b) Ober "viele kleine Reiche" im "reinen Triumph" zum Imperium Im territorial zersplitterten Deutschland und, mehr als e5 heute wohl bewußt ist, auch im vielfach feudalisierten Frankreich, ist die eine, große Herrschaft aufgelöst worden in viele kleine Imperia, gerade in diesem Vorgang hat die "reine Triumphalität" wirken können, welche wir hier beschreiben. Das große Erfolgsereignis, die mächtige Staatsgründung konnte hier nicht stattfinden, mochte auch jede Herrschaft ihre kleinen Siege im barocken Oberschwang hochleben. Doch auch diese Sieges-, Erfolgs-, im Grunde nur Glücks-Vielfalt zahlreicher Staatlichkeiten, welche das große alte Reich auflöste, war eine insgesamt ganz triumphale Chance zur Imperialität: Das alte Reich hätte die Kraft dazu nicht aufbringen können, es kam, sah und siegte nicht mehr, es war nurmehr vorhanden. Von seinen gotischen Größen war nur Dunkelheit geblieben, etwas von einer Tristesse, welche sich im 19. Jahrhundert noch einmal in historisierender Langeweile selbst gespielt hat. Daß Renaissance und vor allem Barock dies als eine finstere Barbarei empfanden, war sicher keine ästhetische Leistung, wohl aber Ausdruck eines sicheren politischen Gefühl: Man wollte neue Helligkeit, mehr Licht, faßbare Triumphalität, und so mochten denn die gotischen Bögen brechen oder mit Gold verkleidet werden, das Reich wurde klein, aber vielfältig, und es lernte wieder zu triumphieren. Diese Reichsauflösung in kleine Triumphe hat sich in Deutschland in der Barockwelt vollzogen, im Namen eines neuen Erfolgsstrebens, im Aufbruch zu einem neuen großen Triumph durch die vielen kleinen. Dieser reine Triumphalismus, welcher oberflächlicher historischer Betrachtung nur als Auflösung des Größeren erscheint, hat politisch eine mächtige Dynamik entfaltet, und sie trägt, in Deutschland jedenfalls, gerade die Demokratie heute, das, was an ihr gesund und kräftig ist: die kleineren politischen Zellen der Kommunen, den Föderalismus mit seiner funktionierenden Verwaltung, welche die Barockzeit entfaltet hat. Dieser Absolutismus hat immer befestigt, selbst dort, wo er auflösen mußte, er hat die Macht auch näher an jenes Volk getragen, welches in den kleineren Zellen zur Bürgerschaft zusammenwachsen konnte. Wenn die Demokratie sich immer, wo sie imperiale Höhen erreichte, als ein ungekröntes Reich verstehen konnte, in der Einheit ihrer Bürgerschaft, die nicht der schimmernden Überhöhung bedarf und doch imperiale Größe zeigt, so ist dies in der barocken Bürgerschaftlichkeit vorgedacht

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worden, die ja im Grunde auch das neue Bürgertum hervorgebracht hat, ohne das es den demokratischen Bürger nicht geben könnte. Die Atomisierung bis hinunter zu ihm, zu den vielen einzelnen, hat eben auch die große Chance des neuen Aufbaus in der Festigkeit der atomaren politischen Kerne gebracht. Und wenn sie sich zusammenschließen, so finden sie um so rascher zur Festigkeit und Größe gemeinsamer Erfolge. c) Christliches Reichsdenken im Barocktriumph Das Christentum hat die Reichsidee aufgenommen, gefestigt und weitergetragen, von Konstantin bis in das Spätmittelalter. Doch es war immer im Grunde der große Ereignis-Triumphalismus der römischen Tradition, angereichert mit dem Siegesgefühl von Schöpfung und Erlösung. Im Barock aber, mit dem Zerbrechen der kirchlichen Einheit und dem endgültigen Niedergang des Römischen Reiches, mußte auch die Kirche eine neue imperiale Dimension erfinden, sie hat sie mit einem eigenen Optimismus gefunden, in einer Form des reinen, weithin erfolgsgelösten Triumphalismus. Dies ist der wichtige Beitrag des Christentums zum Staatsdenken der Neuzeit, daß die Kirche nicht nur in Riesenreichen triumphieren will, oder, wenn dies nicht mehr gelingt, sich in den Triumph des Jenseits zurückzieht, sondern daß sie sich einem diesseitigen Triumphalismus öffnet, daß sie in neuer Weise eins wird mit dem Staat, den sie nun nicht mehr bekämpft und besetzen will, den sie von innen und oft von unten durchdringt. Die Kirchen, und nicht mehr nur die alte Kirche, haben sich in den großen barocken Triumphzug eingereiht, auf diese Weise hat das Christentum eine neue Staatsdimension gewonnen. In den evangelischen Landeskirchen ist dies nahezu bruchlos gelungen, ebenso in den geistlichen Territorien der katholischen Welt, und selbst in den katholischen Großreichen hat der Jenseitstriumph der Kirche mit dem Diesseitstriumph des Kaiser-Königs doch endlich Frieden geschlossen. Die Kirchen haben darauf verzichtet, im Namen eines großen religiösen oder politischen Erfolges ihren Sieg der weltlichen Macht aufzuerlegen, sie haben sich eingeordnet in jene reine Triumphalität, welche aus vielen Elementen besteht, aus ihnen allen ihre optimistische, reichsgründende Grundstimmung aufbaut. Die Verweltlichung der barocken Kirchen ist ein Schlagwort, politisch hatte sie ihren tiefen Sinn: In dieser verweltlichten Jenseitsdimension hat das Christentum endlich aufgehört, einen geistigen oder gar politischen "Gegentriumph" feiern zu wollen, es hat mit seiner Geistigkeit und seiner religiösen Vertiefung wichtige triumphale Elemente in die optimistische barocke Staatlich-

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keit eingebracht und auf diese Weise deren fehlendes Schlachtenglück, ihre inexistenten Großtaten selbst in den kleinen deutschen Territorien aufgefüllt. Dies ist der tiefere Sinn jener Glückhaftigkeit des kirchlichpolitischen Herrschaftslebens, welches seinerzeit unter dem Krummstab so vielen ein Leben genießender reiner Triumphalität beschert hat. Das Christentum als solches aber hat eine neue Mission erfüllt - nicht mehr nur die Engelserscheinung an der Milvischen Brücke, den göttlichen Segen für die große Entscheidungsschlacht, sondern den christlichen Beitrag zu einer Gesamtordnung in Erfolgsvielfalt. Diesen Platz hat seither das Christentum in allen Ordnungen gehalten, welche zu größerer Imperialität sich entwickeln konnten - vom Kreuzzug zum Kuppelkreuz in barockem Triumph. d) Barockwiederkehr- Triumphrenaissance Die Größe staatsgrundsätzlicher Ideen zeigt sich darin, daß sie der Renaissance fähig sind, am deutlichsten ist es bei der wirkmächtigsten unter ihnen, der Reichsidee. Doch auch alles, was zum Reiche führt, hat Teil an dieser Renaissancehaftigkeit, vor allem die Sehnsucht nach dem Großerfolg, der Triumphalismus als solcher. In seiner reinen Form der barocken Sieghaftigkeit hat dies die Geschichte eindrucksvoll bewiesen, und gerade wieder die Kunst macht es deutlich, bis in jene Moden hinein, welche in liberaleren Gemeinwesen Staatskunst ersetzen. Das "Zweite Barock" des 19. Jahrhunderts, von Frankreich bis Dresden, mochte, politisch gesehen, restaurative Wurzeln haben, ein Ausdruck politischer Größe war er schon deshalb nicht, weil er sich allzu sehr an der Verfeinerung des Rokoko, nicht an den mächtigen Formen des Hochbarock orientierte. Immerhin hat diese Barockrenaissance in immer neuen Wellen das 19. Jahrhundert getragen, nach der imperialen Renaissance des Zweiten Empire in den Blumen und Girlanden des Napoleon III., mächtiger schon und mit deutlich imperialen Zügen in jener Belle Epoque, in welcher sich das reiche Frankreich aus der Niederlage erhob und zur neuen Imperialität des Empire colonial aufbrach. Bis in den Jugendstil hinein hat diese barocke Siegesstimmung angehalten, und sei es auch nur in der auch künstlerisch bewußten Überzeugung, daß nunmehr alles möglich, alles "erreicht" sei. Künstlerisch mag dies alles wie eine Art von "Nachtriumphalismus" wirken, und vielleicht war es auch politisch nichts anderes. Dem Begriff einer "Barockrenaissance" mag man skeptisch begegnen, berechtigt ist dies insoweit, als dahinter, im Sinne eines größeren Lebensgefühls, nicht so sehr die Wiedergeburt barocker Formen, ihres Reichtums und ihrer Feinheit steht, als vielmehr das Nachempfinden- im 15 Leisner

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wahrsten Sinne des Wortes - einer Triumphalität, welche zuerst die mächtigen Ranken und Voluten emporgetrieben hat. Für die Staatlichkeit aber hat auch diese Nach-Triumphalität immer wieder etwas bedeuten können: In ihr wurde das Erreichte sichtbar, in ihr erschien es als konserviert im wahrsten Sinne, als der Ausdruck langer glückhafter Friedenszustände, in welchen sich Großerfolge in Genüssen und Feiern fortsetzten. Im Grunde aber ist auch diese "Barockrenaissance" stets Ausdruck des "reinen Triumphalismus" gewesen, lediglich sublimiert und von allen früheren Ereignissen abstrahiert, vielleicht nurmehr Ausdruck eines Staatsglücks, welches über einer Herrschaft lag und sie dem Reiche ähnlich machte, mochten auch die großen welterschütternden Siege fehlen. Nach einer Russischen Revolution kann man sich Barockrenaissance nicht vorstellen, diese neue Imperialität bedarf ihrer auch nicht, hinter ihr stehen große Ereignisse. Napoleon III., der Bürgerkaiser der Franzosen, ein WHhelm li. - sie fügen sich schon weit besser ein in diese reine Triumphalität - eben weil ihnen der wahre Triumph versagt geblieben ist. Die Idee des absolutistischen Triumphs allein ist, wenigstens eine Zeit lang noch, stark genug, fehlende Ereignistriumphe zu überspielen - die historische Wahrheit zu ignorieren.

5. Die absolute Statsgewalt - ein Geschenk des Absolutismus, der reinen Triumphalität Die moderne Staatsgewalt ist in ihrer Absolutheit ein Kind des fürstlichen Absolutismus, zuallererst eine demokratische Herrschaftsmacht, welche sich namens der vielen selbst absolut gesetzt hat wie keine andere. Dies alles ist seit langem erkannt, der Übergang hat sich in jener Französischen Revolution vollzogen, in welcher die Souveränität der Nation, später des Volkes, an die Stelle der monarchischen Gewalt trat, allihre Vorrechte übernahm. Das größte dieser Privilegien aber war das Monopol des großen, "reinen" Triumphs, welches die barocke Staatslehre dem Monarchen vorbehalten hatte. Unbedingt kann daher auch heute unsere Staatsgewalt nur sein, mit ihrem Durchsetzungs- und Gewaltmonopol gegen jedermann, wenn ihr noch ein Abglanz bleibt von jenem Triumphalismus, aus dem sich einst dieses höchste Fürstenmonopol des "lmmertriumphieren-Dürfens" legitimiert hat. Die moderne Staatsgewalt kann dann die langen Begründungsketten aus früheren Großerfolgen, welche die Monarchen noch knüpfen mußten, mit einem Mal abbrechen, sie kehrt zu dem ganz harten "sie volo si iubeo" zurück, im Namen eben jener reinen Triumphalität, die sich

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um sich selbst dreht und aus sich selbst rechtfertigt, die ihre Macht im eigenen Befehl allein findet, die keine Wahrheit mehr braucht, weil der Sieg über der Wahrheit steht. So lenkt im "reinen Triumph" die Entwicklung den Staat zu seinem innersten Wesen zurück, zum harten Befehl, doch er trägt in sich noch unzählige mehr oder weniger bewußte Elemente, frühere Glückseligkeiten, Siege, Erfolge, glückhafte Befehle und einen Optimismus, der sie gerne entgegennimmt und befolgt. Anders wäre die Mächtigkeit des Befehles in den demokratischen Spätzeiten unserer Zivilisation nicht möglich, alles würde in Anarchie sich auflösen; und so stark ist die moderne, demokratische Staatlichkeit, wie sie in ihren Befehlsstrukturen noch sehr viel integrierte Teile, die ganze Vielfalt früherer Triumphalität weiterträgt, und sei es auch nur darin, daß sie - "sich feiern will". Der Absolutismus war darin das große Geschenk an die moderne Staatlichkeit, daß er den politischen Willen bewußt machte, ihn zuallerhöchst setzte, darin die macchiavellistische Machtmathematik weit hinter sich lassend. Vielleicht kann dies ein letztes Wort zu der Idee des "reinen Triumphes" sein, die ja doch im Grunde stets ein Geheimnis bleiben wird: daß der politische Wille allein schon in sich etwas von einem großen Triumphalismus trägt, je allseitig-systematischer, je härter er sich zeigt und darin sich als Befehl - feiert. Die Demokratie mag die Erfolge vernachlässigen oder vergessen; solange sie noch Willen hat, etwas von der volonte generale, triumphiert sie gerade darin, ganz rein. Und in diesem Sinne hat Rousseau nicht ein demokratisches Mysterium angesprochen, sondern das demokratische Wesen.

6. Der "reine Triumph-am Ende inEuropa? a) Sieghafter Oberschwang- Vergangenheit? Große Ereignisse können auch unserer Zeit noch beschieden sein, bis hin zum militärischen Sieg, das unendlich gefeierte 1945 beweist es. Gerade die Demokratie sucht solche Erfolge, mehr als jede andere Staatsform, weil sich nurmehr die ganz großen Siege ihrer rationalistischen Kritik entziehen. Doch gerade wenn dies seltener wird, dann muß "reine Triumphalität" eintreten, soll noch etwas wie eine reichsähnliche Großordnung gehalten werden können. Für Europa ist dies heute wahrhaft eine Schicksalsfrage: Was gäbe es hier schon zu triumphieren - und doch soll eine neue, größere, eine Ordnung entstehen, die ihrem Wesen nach imperial sein müßte. Was

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aber ist diesem Europa geblieben, als etwas von einer "reinen Triumphalität"? Doch gerade dieser "reine Triumphalismus" wird zum politischen Zentralproblem, weil eine leidvolle Vergangenheit und eine Gegenwart, die nicht erfolgreich genug scheint, Triebfedern bedrohen, aus denen allein er kommen könnte. Die vergangenen europäischen Kriege haben ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl, so scheint es zumindest heute, nicht geschaffen, doch sie haben jene "staatliche Lebensfreude" militärisch gebrochen, in allzu großem Leiden, ohne welche Triumphe noch immer schwer haben gefeiert werden können. Wirtschaftliche Erfolge werden errungen, größer denn je zuvor, doch in rationalistischer Kritik und sozialen Verteilungskämpfen sehen wir sie verkleinert, und immer häufiger durch ökonomische Schwierigkeiten unterbrochen. Etwas wie ein "politischer Charme" ist aber wichtig für jene optimistische Stimmung der reinen Triumphalität, welche Schlachten und Siege ersetzen kann, und oft mag es scheinen, als gehe in dem laufenden Auf und Ab der ökonomischen Erfolge und Schwierigkeiten gerade dieser Zauber verloren, der eben eine gewisse Kontinuität braucht, ohne welche es wahre Triumphalität nicht geben kann. Ob nun die Wirtschaft ein Triumphgegenstand ist oder nicht - ihre Erfolge sind zumindest stets gute Vorzeichen gewesen, sie schaffen den Grundoptimismus, der größere Ordnung hält, den Rahmen, in dem der Triumph bildhaft dargestellt und Wirklichkeit werden kann, um es barock auszudrücken. Und Bilder ohne Rahmen haben etwas so gänzlich Untriumphalistisches ... Die sozialistischen Strömungen schließlich, welche die Politik in Europa seit langem bestimmen, haben in der Tat eine antitriumphaIistische Grundstimmung geschaffen, welche gerade den Optimismus einer "reinen Siegesstimmung" immer wieder zurückwirft. Wer sich ständig ausgenützt fühlt, wer immer auf dem Wege ist zu einerneuen Gesellschaftsordnung und doch stets von neuem an wirtschaftlichen Zwängen scheitert, er tritt zwar an mit etwas wie einem Triumphdenken, doch wer dauernd kämpft, kann eben nicht siegen. Der Sozialismus, eine wahrhaft triumphale Grundidee, hat sich als solcher im Sowjetstaat durchsetzen können, weil er rasch an die Macht gelangte. Noch so viel mag ihm im Westen gelingen, weit mehr vielleicht als im Reiche seiner Erfüllung, er bleibt, so scheint es eben, stets unterwegs und so mühsam. Ein "langer Marsch" durch die Institutionen kann in einem wahren Triumph enden, Mao hat es bewiesen; doch in Europa haben die sozialistischen Ideen immer wieder alles aufzulösen ver-

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mocht, was sich an Elementen zu einer Grundstimmung der "reinen Triumphalität" hätte zusammenfinden können, es ist fast, als sei hier etwas wie ein "negativer reiner Triumphalismus" am Werke. Stehen also die Zeichen ungünstig für ein Europa ohne Reich, weil ohne Triumph? Ist diese Staatlichkeit wirklich schon krank, weil sie nicht sieghaft hinaufwachsen kann zum Reich? Viele Zweifel mögen den beschleichen, welcher den heutigen untriumphalen Zustand Europas sieht, wenn er feststellen muß, wie die großen Triumphe nach Osten und Westen abgewandert sind. Es bedarf schon eines politischen Optimismus - den doch gerade die Siegesstimmung geben sollte - will man in einer Zeit, welche den Europäern Erfolgstriumphalismus wohl nicht geben kann, von ihnen ein Gespür für die reine Triumphalität verlang.en, der eben immer wieder allzu viele frühere und gegenwärtige Niederlagen, allzu zahlreiche verlorene Erfolgstriumphe entgegenstehen. Vielleicht drängt alles auf die Frage zu, ob es gelingen kann, "auf Möglichkeiten allein Großerfolge zu bauen", oder doch eine Stimmung zu schaffen, als gäbe es sie; bisher mußte es sie allerdings immer schon vorher gegeben haben. Solange jedenfalls die Europäer ihre triumphale Geschichte wegwerfen, sich nicht an ihr bereichern, so wie es die Römer auch im Anblick ihrer Niederlagen vermochten, solange wird ein neuer "reiner Triumphalismus" in Europa keine Sicherheit haben, mögen ihm auch einige Chancen gegeben sein; und von diesen soll noch gesprochen werden. b) Europäische Chancen zu einem "reinen Triumphalismus" Der geographische Umfang Europas, seine beschränkte politische Bedeutung schließen eine imperiale Siegesstimmung keineswegs aus. Selbst wenn es nicht zu einem größeren Zusammenschluß von Staaten käme, könnten einzelne von ihnen ihre triumphalen Traditionen wieder aufnehmen oder gar neue entwickeln. Dies ist ja die Bedeutung eines solchen Reichsanfangs: Er macht größer, ihm gelingt es, aus einer zunächst nur imaginären politischen Bedeutung im Oberschwang einer Siegessicherheit größere Erfolge entstehen zu lassen. Dem "reinen Triumph", so wie wir ihn in diesem Kapitel beschrieben haben, ist es gerade eigen, daß er jener Großereignisse nicht bedarf, die allerdings in und um Europa heute nur schwer vorstellbar sind, es sei denn in der Zerstörung europäischer Staatlichkeit. Chancen zum Triumph liegen heute, und auch durchaus in Europa, noch immer in der vergleichsweise hohen Begeisterungsfähigkeit für neue Bewegungen und Moden, die wir allenthalben feststellen können. Solange ein Enthusiasmus für politische Ideen - welche immer - noch

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

sich entwickeln kann, ist jener radikale Optimismus nicht untergegangen, in welchem der Triumphalismus geistig beginnt. Daß dabei vieles negiert wird, manches fallen muß, mag aus traditionalistischer Sicht bedauerlich sein, etwas Zerstöretisches ist aber eben auch dem Großerfolg, jedem Sieg eigen. Alles was politisch begeistern konnte in diesen letzten Jahrzehnten, ist zwar immer wieder rasch abgelaufenFaschismen, radikale Kommunismen, grüne Bewegungen - und an ihren Straßen haben diese Strömungen viele Ruinen hinterlassen. Die vielfachen Begeisterungen aber, aus denen solche Bewegungen entstanden sind, durch welche sie getragen wurden, haben auch Energien in die politische Welt unseres Jahrhunderts gebracht, vielfache Triumphansätze, die sich aber nicht notwendig verlieren, sondern sich auch, wie ein zersplittertes Energiepotential, zu neuen, größeren Spannungen zusammenfassen lassen. Solange es in Europa noch derartige Bewegungen gibt, wenn sie größeres Ausmaß erreichen, ist die Triumphfähigkeit erhalten, sie muß nur neue Ausdrucksformen finden. Die industrielle Welt und ihre sozialisierenden Auswirkungen haben eine Egalisierung von riesigem Ausmaß gebracht. Unübersehbar vieles an Feinheit und Zivilisation vergangener Jahrhunderte ist in einer Generation verlorengegangen, einfach vergessen worden. Doch gerade in dieser Vereinfachung unseres Denkens und Lebens, die jeder Gebildete im Grunde als eine Barbarisierung beklagen wird, wächst auch eine neue politische Einfachheit des Denkens empor; und so wie man einst von den "guten Wilden" der frühen Kolonialzeit erwartete, daß sie in glückhaftem Optimismus zusammenlebten, wie man ihnen all jene vereinfachenden Freiheitsformeln in den Mund legte, welche dann Europa triumphal erschüttern konnten, so mag mancher auch heute hoffen, daß aus Barbarisierung neuer Optimismus, daraus erneut eine Renaissance des Triumphgefühls und schließlich eine Wiedergeburt des großen Triumphalismus kommen kann. Und bedarf es denn nicht für den Triumphalismus der barbarischen Einfachheit? Haben die Griechen ihre römischen Herren anders gesehen? Und gerade diese Halbbarbaren haben triumphiert und ein Reich geschaffen, wie es dem höheren Geist nie geschenkt worden war. Genußsehnsucht ist die große Grundtendenz unserer Zeit, sie ist beherrscht vom Kampf um die genießerische Teilhabe an den Geschenken der Maschinen. Nichts bedroht die Demokratie stärker als der NeoEudämonismus, der Freizeit und Lebensfreude in einer säkularisierten Welt über alles stellt. Da mag sicher vieles Erschlaffung sein, damit aber eine tödliche Gefahr für triumphale Aufschwünge; und doch bleibt etwas von der Siegesstimmung in den unzähligen Feiern, in welchen auch der moderne Kleinbürger sein ganzes Leben in einen einzigen

VII. Der "reine Triumph" -Triumph als Triumphgegenstand

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großen Feierabend verwandeln will. In all diesem Feiern und Genießen, wenn es nicht gänzlich entnervt, liegt aber auch ein gewisses dynamisches Glücksgefühl, das irgendwann nicht mehr nur genießen, sondern auch triumphieren will. Am deutlichsten wird es im unstillbaren Bedürfnis des Bürgers unserer Tage nach den modernen Circenses, vor allem in den audiovisuellen Medien. Hier ist doch alles beherrscht von dem Bedürfnis nach "Action", vom Kriminellen bis zum Sentimentalen wird letztlich überall und immer wieder der Erfolg dargeboten - oder großer Mißerfolg, jedenfalls etwas von einem ganz außergewöhnlichen, das kleine Bürgerleben überschreitenden Triumph. So wie in allem Schauspiel etwas Triumphales liegt - wir sahen es schon - und zwar gerade im Sinne der "reinen Triumphalität", welche ja das reale Ereignis nicht mehr braucht, so wird hier von den Medien unter die Menge eine unabsehbare Zahl kleiner Triumphe geworfen, dies wird zu einer eigenartigen "Schule der Nation" , hin zur Triumphalität, deren Organ ständig, wenn auch immer in kleinen Freuden, geweckt bleibt. Und warum sollte es dann nicht zu einer größeren Triumphfähigkeit kommen können? Schon heute sehen wir es ja an einem Punkt sehr deutlich: in jener Sportbegeisterung, welche in den weitaus meisten Fällen nicht selbst triumphieren kann, auch gar nicht siegen will, auch nicht nur "dabei zu sein wünscht", welche sich vielmehr am Triumph der anderen erfreut, ihn als den eigenen mitfeiert. Und welche Triumphalität wäre denn eindeutiger, klarer nach allen mathematischen Kriterien unserer Tage als die des sportlichen Erfolgs, in welchem eine ganze Welt heute tagtäglich ihre Siegesbedürfnisse auslebt? Hier ist ja auch ein Phänomen des "reinen Triumphs" festzustellen: Die Zuschauer und die Leistenden selbst wissen, daß diese so groß gefeierten Siege "im Grunde nicht allzuviel bedeuten", dennoch werden sie überproportional gefeiert, in einer Minute wird das Triumphbedürfnis von Wochen und Monaten zusammengefaßt. In zahllosen kleineren und größeren sportlichen Erfolgen schließlich wird die eigene Nation gefeiert, die eigene Fahne, der eigene Staat. Die politische Dimension dieser sportlichen Ereignisse, ihre wahrhaft staatsintegrative Kraft- und wie viele Bürger kennen ihre Fahne nur aus solchen Plätzen und Stadien - ist seit langem erkannt und wird von vielen gefürchtet; in ihr liegt aber auch ein Gutes: Triumphfähigkeit wird erhalten und entwickelt, und es wird im Grunde nicht nur Staatlichkeit zusammengehalten, irgendwo wird damit auch an imperialen Grundlagen gebaut - die imperialen Kämpfe um Olympische Spiele zeigen es in unseren Tagen. Ist all dies wirklich nur ein Abfall von einer wie immer verstandenen "olympischen Idee"?

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

War es nicht immer der tiefere Sinn von Olympia, daß dort das Triumphgefühl gepflegt werden sollte, der ganz große Aufschwung, und kann er denn jemals unpolitisch bleiben? Die Liste der Chancen zu einer triumphaleren Zukunft ließe sich wohl noch verlängern. Hier nur noch eines: Vermassung und Kleinheit, welche heute die egalitären Demokratien aus dem Triumphalismus zu werfen drohen, können das Triumphdenken, können insbesondere die "reine Triumphalität" nicht töten, welche auch ohne Großereignisse sich groß fühlt. Vielleicht gibt es etwas wie eine "Triumphalität des kleinen Mannes", wie sie sich schon in der Russischen Revolution eindrucksvoll bewährt hat, in einem Zusammenstehen und Nebeneinander-Gehen, in großen Menschenketten einer Gemeinsamkeit, welche dann aus den Vielen eben doch mehr schafft als die Summe ihrer Körper. Man sollte dies nicht als ein "Triumpherlebnis kleiner Leute" gering achten, diese Siegesstimmung ist ein Geist, der weht, wo er will. Entscheidend ist nur, daß nie Windstille herrscht. 7. Der "reine Triumph"- das Dionysische der Politik

Der Triumphalismus ist die dionysische Seite der Politik, nur wenn er zu ihr kommt, entfaltet sie ihre vollen, schöpferischen Kräfte, wächst sie hinauf zum Reich. Dieses Dionysische ist immer besungen worden, im Grunde gilt die Historie ihm allein, oder sie verliert sich in Archiven. Der Triumph trägt alle Elemente des Dionysischen in sich: die große Bewegung, das allgemein-Erfassende, das jedermann im Triumphzug mit sich fortreißt, die grenzenlos optimistische Freude. Staatsrecht und Politik hätten keine wahrhaft geistige Dimension, wenn sie eines solchen dionysischen Triumphzugs nicht fähig wären. Hier ist Irrationales - doch dies bedeutet nicht, daß ein rationales Staats- und Reichsrecht daran vorübergehen dürfte. Vom normativen Rationalismus der Aufklärung ist es seit Jahrhunderten verschüttet worden, er hat daher ein Reich nicht zu schaffen vermocht, weil er sich immer vergeblich um Begeisterung bemühte. In seinen dionysischen Triumphmomenten, auf der ersten Höhe der Französischen Revolution, ist er ebenso in Irrationalismus umgeschlagen, wie sich dieser an allen anderen Sieges-Höhepunkten der Geschichte durchgesetzt hat. So ist denn die große Hoffung für eine neue imperiale Zeit, daß es gelingen wird, die Überrationalisierung der beiden letzten J ahrhunderte zu überwinden, die grenzziehende Kraft der Normen im Staat zu bewahren, ohne daß die dionysische Kraft des vollen, glückhaft ge-

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fühlten Erfolgserlebnisses verlorenginge. Es ist, als müßten wir, in unserer normierten Staatswelt, einen neuen "Ermessensraum für dionysische Begeisterungen" schaffen. Und in der Tat - in jedem, im kleinsten staatlichen Ermessen ist etwas von Freiheits-Macht, von unwiderstehlicher Durchsetzungskraft, welche dem Gestaltenden ein Siegesgefühl gibt. Wenn wir schon wieder einmal normativ sprechen wollen: Wo immer wir aus dem Geflecht der Gesetze in die Räume des Ermessens vorstoßen, haben wir einen Schritt auf einer triumphalen Straße getan. Den Staatstriumph gilt es wieder zu feiern, und so viele Formen -wir werden sie noch streifen- stellt unsere Staatlichkeit zur Verfügung; wo immer es Erfolge gibt, müssen wir sie sehen, sie dann in reinem Triumphalismus noch höher steigern, in unserem Geist. Das Dionysische baut sich aus den Glückserlebnissen derer auf, die im großen Zuge folgen, es wird nicht nur von oben über sie ausgegossen. Die vielen "kleinen Triumphe" der Bürger - nicht die Genußkapitalien des Bürgertums - müssen wieder in die öffentlichen Dinge hineingetragen werden. Und da ist doch so unendlich viel an kleinem und größerem Erfolg, aus diesen Bürgertriumphen muß sich der größere Staatstriumph aufladen. Das Dionysische steht unter einem eigenartigen Gesetz der Relativität: Seine begeisternden Bewegungen kommen aus kleinsten Anlässen, sein Lachen aus Nichtigkeiten - entscheidend ist immer das Spannungsverhältnis zum unmittelbar Vorangegangenen, nicht einfach nur der objektiv betrachtete Ergebnis-Erfolg. Und hier liegt eine besondere dionysische Chance unserer Jahrzehnte: Soweit haben sie sich ja von früherem Ordnungsdenken entfernt, daß die geringste Straffung als eine "neue Ordnung" gefühlt, begrüßt und gefeiert werden kann, daß halbierte Anarchie geradezu als Reichsbeginn erscheinen mag. Der Weg am Rande des Abgrundes hat etwas Triumphales, die Möglichkeit des tiefen Falls zeigt gegenwärtige Höhe, sie wird als solche freudig bewußt und gefeiert - getanzt. Finden wir nicht hier heute manche der früheren dionysischen Momente unseres Triumphalismus? Und immer wieder kommen wir zurück zum Zentralbegriff der Feiern, so wie eben das Reich der gefeierte, der gekrönte Staat ist. Bei aller Bedeutung des Erfolgstriumphalismus - das reine Dionysische liegt im reinen Triumphieren-Können, in jenem "Denken in Feier", das schon so viel bedeutet, dem dann wie mit geschichtlicher Notwendigkeit auch die Erfolge noch folgen. Zwei Dinge müssen hier zusammenkommen: Die triumphale Bereitschaft des Mitziehens, der Teilnahme an Größerem - gerade die heu-

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C. Erscheinungsformen des Triumphes

tige Demokratie hat an ihm mehr als genug, und sollte sie auch nur Herdenmenschen entwickelt haben, gerade sie sehnen sich nach dem Augenblick, der heraushebt. Und dann muß alles beginnen mit einem Choregos, mit ihm, der die Feier anführt, in demokratischer Autorität oder persönlicher Gewalt. Das Wesen der großen Triumphfeier aber ist, daß er nicht immer vorangeht, daß er irgendwann zurückfällt in die Gesamtstimmung, denn solange es wahre Triumphe gibt, kann ein Reich sein auch ohne Kaiser. Wir haben versucht, die Erscheinungsformen des Triumphalismus zu beschreiben, von seinen klaren, faßbar-militärischen Phänomenen bis hin zu einer fast verdämmernden reinen Triumphalität, einem überschwänglich optimistisch feiernden StaatsgefühL Nun lenken wir noch einmal den Weg zurück in die tieferen Bereiche organisierter Staatlichkeit, in ihnen wollen wir zeigen, daß auch heute schon, in aller normativen Einfachheit, triumphiert werden kann und sollte, damit irgendwo und irgendwie etwas wachse wie ein Reich.

D. Triumphale Formen der Staatsorganisation Triumphfeiern im Staat I. Die institutionelle Staatsfeier Die moderne demokratische Staatlichkeit hat weit mehr an Triumphalismus aus der Vergangenheit bewahrt, als gemeinhin bewußt ist. Nicht nur im Formalismus ihres Handeins will sie eine Würde zeigen, hinter der etwas wie ein deutlich triumphaler Anspruch steht. Im engeren Sinne institutionalisiert hat sie die Staatsfeier in älteren und sogar in ganz neuen Formen. Einem prosaischen Radikaldemokratismus mag dies alles lächerlich erscheinen oder doch nur als ein Zugeständnis an gerrußgierige Moden. Solcher BescheidenheUs-Puritanismus ist fehl am Platz: Ein Staat, der seine Triumphe, wie groß sie auch sein mögen, nicht mehr institutionell feiert, gibt sich als Institution selbst auf. In jeder solchen Feier aber liegt eine Erinnerung, die zum imperialen Element werden kann.

1. Das Staatstheater In diesem Worte soll hier nicht, wie so oft, eine Abwertung liegen. So wie Feiertage fest in Kalendern verankert sind, damit die Erinnerung den Menschen zwingt, so ist das Staatstheater eine Art von normativem Zwang, frühere Triumphe weiterzutragen. Darin sollten dann nicht nur, wie es die Integrationslehre wollte, die Bürger heute einig sein, sie sollen sich darin erheben, über sich selbst und sogar über die tagtäglichen Formen ihrer Staatlichkeit hinaus, mit Blick eben auf etwas, was man imperial nennen darf. a) Staatsfeiertage Staatsfeiertage sind Siegeserinnerungen, so viel Berechtigung haben sie und integrative Kraft, wie sie an frühere Triumphe erinnern. Hitlers 9. November konnte nur solange gefeiert werden, wie man den Toten der Feldherrnhalle ein .,Und ihr habt doch gesiegt!" zurufen durfte - dem Tag der deutschen Einheit ist die sieghafte Bestätigung versagt geblieben, er kann kein wahrer Nationalfeiertag werden. An diesem Tag muß ja etwas geboren worden sein, was sich mit imperialen Hoffnungen entwickeln konnte, mochte auch kein Reich aus ihm werden.

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D. Triumphale Formen der Staatsorganisation

Die zeitlose Kraft des Triumphs und der Imperialität wird hier in einem doppelten Sinne feiernd vergegenwärtigt: indem der heutige Feiertag dem früheren Ereignistag, weit übergreifend, gleichgesetzt wird, und indem das ganze nationale Leben in Zeitlosigkeit stillsteht. Denn eines Gedenkens mit gesenkten Häuptern sind die Menschen weder allgemein fähig, noch könnte dies genügen, es wäre nur rationalistisch-historisierende Verengung: Der vergangene Triumph wird einfach gefeiert, und dann spielt er nicht mehr die entscheidende Rolle, es übernimmt sie die Feier an sich. Staatsfeiertage muß auch die Demokratie kennen, jeder Anlaß sollte ihr gut genug sein, wenn er nur triumphal ist. Geschichtslektionen sollte sie hier nicht erteilen, entzweiende Polemik nicht fortsetzen wollen, nur totale, unbestreitbare Triumphe können so gefeiert werden; selbst der 14. Juli hat erst nach vielen Jahrzehnten in Frankreich die Höhe des Nationalfeiertags langsam erreichen können. Die Demokratie sollte auch nicht um jeden Preis nur Volkstriumphe feiern wollen, wenn es sie eben, wie in Deutschland, nicht gibt. Größe kann sie vielmehr darin beweisen, daß sie die Macht einer Triumphalität anerkennt, welche Staatsformen übergreift. Es ist ein Mißverständnis, die Erfolge anderer Staatsformen nicht feiern, sondern vergessen zu wollen, darin innenpolitische Polemik historisierend fortzusetzen. Was immer wahre nationale Größe hatte, kann und muß auch gerade von jener Demokratie gefeiert werden, in der doch das Volk herrscht, das Volk von einst und jetzt. Und welchen Erfolg immer die Demokratie feiert- sie macht ihn ja damit zu ihrem eigenen. So wenig eignen sich Staatsfeiertage und Staatsfeiern für ideologisierende Verengung. In ihnen liegt eben immer etwas von imperialer Weite. Nicht umsonst hat Rom so viele Tage gefeiert- immer mehr. b) Nationalhymnen Nationalhymnen haben ihren eigentlichen Sinn im Triumphalismus, der in ihnen zum Ausdruck kommt. Als Kampflieder, nach Art der Marseillaise, feiern sie den militärischen Sieg und als Grenzumschreibungen nach Art des alten Deutschlandliedes zeigen sie die Größe des Reiches, als Königshymnen die Personifizierung des Imperialen. Immer sind sie Erinnerungen an große Ereignisse, die in ihnen beschrieben werden, und glückhafte Zustände, welche fortdauern sollen. Triumphiert aber wird in ihnen gerade in jenem Augenblick, in welchem sie erklingen: Das Wichtige an der Hymne ist nicht sie selbst, sondern der Augenblick, den sie heiligen soll. Er ist der große, kleine Triumphmoment, an dem man sich an größere Siege erinnert. Er ist

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der Feier würdig, weil auf ihm ein Abglanz der großen Vergangenheit liegt, einer größeren Idee. Für viele bedeutet die Nationalhymne heute nur mehr ein Erkennungszeichen für solche, welche den gleichen Paß mit sich tragen - leicht könnte man dann auf sie verzichten. Sie rechtfertigt sich nur als Ausdruck eines nationalen Triumphalismus, mehr noch: als Symbol der Transzendenz des Staatlichen über alles Einzelbürgerliche hinaus. In diesem Augenblick "ertönt die Ordnung an sich", in diesen Klängen ist sie immer grenzenlos, jede Nationalhymne könnte eine Reichshymne sein, sie ist es für diejenigen, welche sie singen, in diesem Augenblick bekennen sie sich zu einer Imperialität. Als Ausdruck des reinen Triumphalismus schließlich braucht die Nationalhymne auch den Wahrheitsbeweis ihres Textes nicht anzutreten, ihre Wahrheit trägt sie in sich, im früheren Triumph, den sie weiterverkündet. So können denn die revolutionären Bataillone noch immer marschieren, und wenn es längst keine Tyrannen mehr gibt, niemals vielleicht wirklich solche gegeben hat; und Engländer mögen ihre heimliche Nationalhymne immer weiter singen, jenes "Rule Britannia", auch wenn die Wogen von anderen Schlachtschiffen beherrscht werden. Deutschland schließlich hätte man wohl sein Lied lassen können, und sei es auch nur als ein Monument im wahren Sinne des Wortes, als ein Mahnmal, wie man ein Imperium gewinnen und verlieren kann. c) Fahnen Fahnen und ähnliche Staatssymbole sind nicht irgendwelche Gütezeichen, noch Firmenschilder staatlicher Organisationsstellen. In der Fahne liegt das Triumphale, sie flattert den siegreichen Heeren voran, etwas Bewegendes liegt symbolisch in ihr wie in den römischen Adlern, die an ihrer Stelle standen, die dionysische Begeisterung zum Sieg. Fahnen, die nicht gesiegt haben, dürfen im Grunde nicht gezeigt werden; wer sollte sie küssen, der nicht bereit ist, für sie zu sterben, für den Durchbruch, an dessen Punkt sie wehen. Wenn die Fahne vom Siegeszeichen zum Staatstheater wird, bleibt ihr noch immer etwas vom ursprünglichen triumphalen Anspruch. Sie weht über der Staatsfeier und verschönt sie mit ihren Farben, sie erinnert das friedliche Fest an den Sieg. Durch die Fahne wird die große Einheit aller Staatsfeier bis hin zu den früheren Großerfolgen und den vielen kleinen Siegen hergestellt, in diesem Sinne ist sie wahrhaft und zutiefst Symbol. Als Triumphabbild ist die Fahne ein imperiales Zeichen, das Ausschließlichkeit verlangt, sich vor niemandem beugt, vor keiner anderen Fahne. So ist es denn nichts als eine gedankenlose Abwertung, wenn die Fahne zum touristischen Zeichen verflacht, wenn Fähnchenreihen,

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D. Triumphale Formen der Staatsorganisation

die große Triumphalität zum Volksfest degradieren. Eine wahre Fahne ist nur das, wovor jeder sich beugt, das Symbol eines Reiches, und sei es noch so im kleinen. Die Reverenz aber wird nicht einer Idee erwiesen, einer brutalen Macht, die hier gar nicht wirken kann, man grüßt und bewundert den Sieg, über dem sie geflattert hat, den sie in unsere Zeit hineinträgt. Es ist noch immer der Wind des Triumphs, der sie bewegt. Republikanische und demokratische Fahnen haben einen besonderen Sinn, diese Staatsform braucht sie mehr als jede andere. Hier sind sie ja nicht nur das Zeichen, daß an dieser Stelle etwas von der Würde der personifizierten Staatlichkeit des Monarchen gegenwärtig ist, von der Republik werden sie aufgepflanzt als reines Zeichen des Sieges, als Farben, um die sich die Bürger scharen zum Durchbruch. Die monarchische Statik der Turnierschilder ist aus ihnen verschwunden, die republikanische Fahne ist voller, dionysischer Triumph. Sie gehört jedem Bürger, so wie der Sieg ganz gleich von jedem errungen ist. Demokratische Fahnen sind ein imperialer Ausdruck des Bürgertriumphs. Welche Staatsform sollte sie höher halten? d) Orden Uniformen, Orden und Ehrenzeichen sind in mehrfacher Hinsicht Formen institutioneller Staatsfeier, in ihnen kommt der Triumph der organisierten Gemeinschaft ebenso zum Ausdruck wie der Erfolg ihrer einzelnen Glieder, der sie trägt. Die Uniform symbolisiert jenes Militärische, welches stets, wie bereits dargelegt, auf Sieg und Großerfolg angelegt ist. Wo die Uniform zum Gewande der Feiern wird, ist sie Symbolträgerin jenes großen Staatserfolges, der dort zelebriert wird. Im übrigen aber hat auch sie den Ordenscharakter, der bei solchen Formen des institutionalisierten Staatstheaters im Vordergrund steht. Ein Theater sind alle diese Uniformen, Orden und Ehrenzeichen, als solche werden sie heute belächelt und bekämpft, wenn nicht als Formen sinnloser Machtdemonstration verworfen. Auch hier wird wieder das Entscheidende verkannt: Jene Festschreibung des Triumphes, welche in allen Ordensverleihungen zum Ausdruck kommt. Befriedigung menschlicher Eitelkeiten ist da sicher, doch der Staat muß nicht nur mit ihnen rechnen, er zieht aus ihnen die Kraft der Ambition, welche zu größerer politischer Gestaltung führt. Im Siegesstreben ist ja auch stets so viel an Eitelkeit, und was besagt dieses Wort im Politischen schon anderes als Erfolgswillen und das Streben, Erfolge zu zeigen? Diese politische Eitelkeit mag in der Demokratie verdrängt werden, in die Formen eines einfacheren Staatstheaters, aufgehoben wird sie nie;

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und für den Staat bedeutet es eher eine Gefahr, wenn sie in Kryptaaktionen unter Wasser gedrängt wird, wenn sie "wahre Macht" anstrebt, in teuflischer Bescheidenheit, nicht mehr die offene der Orden und Ehren. Zwischen der reinen, sklerosierten Notablierung und jakobinischem Puritanismus muß eben jener Mittelweg gegangen werden, welcher die triumphalen Kräfte der Ordensidee aufnimmt und in sinnvolle Kanäle lenkt, in denen sie zu etwas Imperialem zusammenfließen. Denn hier feiert ja der Staat wie der Bürger seine Triumphe: Für den Staat ist Ordensgründung und jeder Akt der Ordensverleihung eine Form der Feier eigener Erfolge, seiner Souveränität, in welcher er den einen über den anderen auszeichnend erhebt, aber auch der Erinnerung an Ereignisse oder glückhafte Zeiten, oder einfach nur an die Kontinuität seiner Existenz, aus der heraus der Orden entstanden ist; und es gehört eben zum Wesen der Orden, daß sie unvordenklich alt sind. So ist denn jede Ordensverleihung ein Staatsfeiertag en miniature, und in der Auszeichnung ihrer mehr oder weniger verdienten Bürger feiert die Staatlichkeit auch sich selbst. In den Orden wird aber vor allem der Bürger aufgenommen, vom Gewaltunterworfenen wird er zum Träger, mehr noch: zum Symbol der Staatlich.keit selbst. Für die Demokratie ist dies besonders wichtig, kennt sie doch Teilhabe an der Macht grundsätzlich nur in normativierten, abgegrenzten Kompetenzen, als etwas, was zur Bürgerexistenz hinzukommt, was in der Freizeit wieder abgelegt werden kann, nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen ausgeübt wird. Ganz anders der Orden: Aus der verdemokratischen Welt bringt er in die Volksherrschaft hinein die kaum abgrenzbaren Kompetenzen, die es im Grunde als solche auch gar nicht gibt, weil er ja nicht sie verleiht, sondern nur die allgemeinere Würde. Darin liegt eine Virtualität des Triumphes, der nicht in einzelne Befugnisse gepreßt wird, in ihrer Ausübung sich nie erschöpft. Überwunden ist hier auch die scharfe Antithese zwischen dem befehlsempfangenden und Befehle gebenden Bürger, hier wird der Bürger zum Staatssymbol, zum integrierenden Teil der geistigen Staatlichkeit, in ihrem triumphalen Wesen. Und in dieses Zentrum der Staatlich.keit, das bereits etwas wie einen Reichs-Kern darstellt, stößt er vor im Erlebnis und in der Feier eines eigenen Triumphes, welchen die Ordensverleihung für ihn bringt, und aufgrund von Erfolgen eines Bürgerlebens, welche hier in einem Großerfolg zusammengeiaßt und in ihm gewürdigt werden. Was an Verdienst ist im Triumphalismus, das zeigt sich klar in der institutionalisierten Staatsfeier des Ordenstriumphs, und da auf ihn, auch in der normativen Anspruchsdemokratie, ein Anspruch nicht gewährt wird, liegt darin auch immer etwas von der Gnade, dem zweiten zentralen

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Triumphelement. Anerkennung des Bürgererfolgs, des Großerfolges eines Lebens aber ist der Orden immer, und damit eine Ausstrahlung eines imperialen Triumphalismus. So sollte denn die Demokratie die Orden nicht verwerfen, sondern aufnehmen und in neuen Formen fortentwickeln. Darin nämlich kann sie in echter Staatsfeier sich selbst Kronen aufsetzen, indem sie das Leben verdienter Bürger krönt; und ob dies alles nun ganz so verdient ist oder nicht, bleibt ebenso gleich, wie ja der Triumphalismus sich nicht in der Suche nach historischen Wahrheiten erschöpft. Auch darin übrigens liegt in der Ordensidee, aus ihrem Triumphalismus heraus, ein imperialer Zug: Sie darf ja nicht nur gesehen werden als Schmuck und Auszeichnung, hier werden Gemeinschaften geschaffen, vielleicht sogar hierarchisch gestuft, unter dem größeren Dach einer Staatlichkeit, welche sich gerade darin von der Staatlichkeit zur Imperialität erhebt, daß sie "viele Orden unter sich hat", sich so wahrhaft mit ihnen zu schmücken vermag. Nicht umsonst führen die Worte Ordnung und Orden auf dieselbe sprachliche Wurzel zurück. Wer die größere Reichsordnung über der Vielfalt der politischen Gebilde und Zusammenschlüsse schaffen will, der sollte auch die Kraft aufbringen, dies in Orden hierarchisch und, wenn es sein muß, durchaus auch elitär zu gliedern, horizontal wie vertikal eine Vielfalt zu schaffen, über der sich ein Reich wölbt. e) Staatsfeiern Staatsfeiern - das ist heute ein Begriff in der Krise. In Kompetenzen geklemmt haben die Staatsorgane es verlernt, ihren Staat zu feiern, darin geht laufend Imperialität verloren, weitere, größere, liberale Ordnungskraft. Die Kunst früherer Zeiten zeigt uns, welchen Raum solche Feste einnehmen, nimmt man hinzu noch den Pomp von Prozessionen der Staatskirche. Jahrhundertelanger Rationalismus hat die politische Kraft der Feier erfolgreich bekämpft und geistlos verkannt. Triumphe waren dies doch immer, Siege, welche der blutigen Schlacht nicht bedurften und dennoch in der Erinnerung der Bürger blieben. Diese Augenblicke sind ja auch der Wiederholung fähig, beliebig, wie das Theater, eine Geschichte zur Disposition der Menschen. Der säkularisierte Staat hat ihnen die Feierkraft der Kirche genommen, welche doch so endlos und imperial-römisch zu zelebrieren vermochte, die Angst vor Kanonen und Raketen verdrängt die Freude an den Paraden, und bald wird, so mag es scheinen, nichts mehr bleiben als - das Staatsbegräbnis, vielleicht auch in dem Sinn, daß dort immer weitere Reste von Staatlichkeit begraben werden; denn nur zu oft ist dies die wahre Trauer solcher Stunden, daß Persönlichkeiten ver-

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schwinden, die noch etwas Triumphales, ja Imperiales in einer Welt bedeutet haben, welche nun dessen nicht mehr fähig ist. Es ist eine große Aufgabe, die sich einer wie immer gearteten, vor allem aber einer demokratischen Staatlichkeit in nächster Zukunft stellt, daß sie die echte, die formierte und institutionalisierte Staatsfeier neu entdeckt und in neuen Formen entfaltet. Kommunistische lmperialität hat dies wohl verstanden und zelebriert es nicht nur an Oktobertagen. In die wertneutrale Tristesse der normanwendenden Staatlichkeit muß etwas einfließen von einer normierten Feierlichkeit, welche Erinnerung an vergangene Erfolgserlebnisse ist, zugleich aber auch etwas von der reinen Triumphalität der ereignisgelösten, höchst optimistischen Feierstimmung in sich trägt. Und wichtig ist, daß der Staat als solcher offiziell feiert, nicht nur in würdigen Formen auftritt, einer anderen, noch zu besprechenden Form formaler Staatstriumphalität. Klar muß darin werden, daß Staatlichkeit nicht nur eine Veranstaltung ist im Schutz einer sich selbst abschirmenden Würde der "Staat als freudiges Ereignis", das gilt es dem Bürger im großen Staatstheater vorzuspielen, denn dahinter steht doch die Idee vom "Staat als Glück" - wer dies aber aufgibt, wird nie mehr haben als den brutalen Befehl. Sicher liegt in solcher Staatsfeier auch immer etwas Apotropäisches: Die Feiern halten die bösen Geister von Krise und Niederlage fern, in ihnen werden die schwarzen Tage beschworen. Etwas vom vorbereiteten und dekretierten Triumph liegt in ihnen, bis hin zu den Kranzniederlegungen, den Staatsbanketten und jenen Schlössern, in welchen sich gerade die Demokratien so gerne feiern. Und sie sollen, sie müssen es, den Vorwurf des Parvenuhaften sollten sie ruhig in Kauf nehmen. Im Grunde ist doch auch der Spiegelsaal von Versailles nichts anderes als Sonne und imperialer Triumph, und welche Staatsform hätte dieses Licht nötiger als die Volksherrschaft, in einer Zeit, in welcher es ihre Medien in tausend Spiegeln reflektieren können? Erinnerungen bedeuten sehr viel für die Staatlichkeit, doch solche Feiern sind mehr als Gedächtnis, sie sind normativierte positive Staatlichkeit. Deshalb ist es müßig, darüber zu streiten, ob all diese Erscheinungen des Staatstheaters der norm11tiven Form bedürfen, ob sie "den Bürgern Rechte und Pflichten" bringen: In einem tieferen Sinne ist dies jedenfalls zu bejahen; was könnte bedeutender für den Bürger sein, ihm größere imperiale Rechte verleihen, als die Sicherheit, in einer erfolgreichen, triumphalen Gemeinschaft leben zu dürfen? Und wenn die Demokratie nur die Form ihrer Normen hat, um Staatsentscheidendes auszudrücken, so laßt uns doch Staatsfeiern in erzene Normen gießen! 16 Lelsner

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2. Staatsgetragene Gesellschaftsfeiern Prozessionen und Maifeiern Der Begriff der Staatsfeier darf nun allerdings nicht allzu sehr verengt, nur auf die offiziellen Formen des Staatstheaters beschränkt werden. Immer mehr entwickeln sich daneben Formen dessen, was man "gesellschaftliche Feiern" nennen könnte, sie werden vom Staat aufgenommen, unterstützt, getragen, bald verfließen staatliche und gesellschaftliche Selbstdarstellung ineinander. Die vielfachen Annäherungen und Verschlingungen von Staat und Gesellschaft, gerade in der Demokratie, finden darin einen Ausdruck, dem aber nicht nur der Charakter der Feier wesentlich bleibt, in dem auch viel von öffentlicher Triumphalität, wenn auch in ganz neuen Formen, bis hin zum Eudämonismus, liegt. Im Grunde hat es derartiges stets gegeben. Wenn nicht spontane Volksfeste, Bürgererinnerungen an glückhafte Ereignisse, Anlaß dazu boten, daß der Staat hier mitfeierte, ja sich in die Feiern drängte, so waren es jedenfalls die zahllosen kirchlichen Feierlichkeiten, wo öffentliche und private Freude in einem einzigen Triumpherlebnis sich verbanden. Dies war und ist ja der staatskirchenhafte tiefere Sinn der Staatsteilnahme an kirchlichen Feiern, der gezückten Degen hinter dem Sakrament, daß der Triumph Gottes in Auferstehung und Erlösung, durch die Waffen verstärkt, zugleich aber auch umgekehrt zum höheren Triumph der geweihten Waffen wird. Selbst wo nunmehr diese militärische Sieghaftigkeit zurücktritt - noch immer bleibt in der Gemeinsamkeit kirchlicher und ziviler Autoritäten, in so vielen kirchlichen Feiern und Prozessionen, etwas vom Gesamttriumph der Gemeinschaft, vom Staatstheater, bis hinunter in die Städte und Dörfer, welche sich hier, in ihrer staatlichen Einheit, unmittelbar sehen zu ihrem triumphalen Gott. Doch auch die "andere Seite", die religionsneutrale, wenn nicht -feindliche sozialistische Welt, hat ähnliche Entwicklungen zu bieten: Der große Maifeiertag ist aus einem gesellschaftlichen Ereignis, aus einem TriUmphtag der Arbeiterklasse, zu einem Staatsfeiertag geworden, ohne daß hier doch staatliche Triumphe gefeiert werden könnten- gesellschaftliche Triumphalität wird zelebriert. Jene "arbeitende Klasse", welche ihr Triumphgefühl nicht mehr finden konnte in den feudalistischen Reminiszenzen dessen, was sie nur als Unterdrückung empfand - sie hat sich ihren eigenen Klassentriumph geschaffen, der bald zum Sieg des Volkes, darüber hinaus zum Staatstriumph emporwachsen sollte. Die Riesendimensionen der Maifeiern, überall gleiche einheitlich rote Kampf- und Siegesfahnen - wo

I. Die institutionelle Staatsfeier

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wäre heute mehr an Triumphgefühl, an Kampf- und Siegesstimmung zugleich vereint als in diesen Augenblicken, welche dann in wahren Volksfesten auslaufen? Vergangene Siege werden hier gefeiert, gegenwärtige Errungenschaften, künftige Erfolge sind vorweggenommen alles in einer Stunde vereint,· in einem erstaunlichen und höchst virtuellen Synkretismus der zeitlichen Phasen wie der Bürger, Klassen und Staatsgewalten. Da treten dann Regierungsmitglieder als Volksführer auf die Tribünen, dort finden sie zu einem Triumphgefühl zurück, das sie in der eisigen Kälte der Ministerien und Parlamente kaum zeigen könnten. Triumphal lädt in diesen Feiern die Gesellschaft den Staat auf, und hier kann der heute so problematische Ereignistriumph 2;urücktreten in der reinen Sieghaftigkeit der Feiern, hier wird das ganze eudämonistische Genußpotential zur Kraftquelle für wahre Reichsfeiern, in deren Internationalität ja auch etwas von sozialistischer Imperialität liegt. Nicht umsonst sind diese Feiertage aus Streiks entstanden, warum sollte auch die Arbeitsniederlegung nicht gefeiert werden, bringt sie doch das Wesentliche des großen Erfolges wie der großen Feier: Alle Räder stehen still im Klassensieg, still steht auch der Staat mit seinen V~rwaltungen und Posten, und nun wäre es vielleicht gar Zeit für eine Staatsromantische Gedankenverbindung: Wird nicht darin gerade die Gemeinschaft zum Reich, im Stillstehen aller Staatlichkeit, wie die römische Ordnung, die am Ende fast nur mehr Träume von Feiern schuf und sich selbst feierte? Solche Gedanken sollte gerade die Demokratie aufnehmen, denn hier ist jene Bürgernähe der Feiern, um welche sie bemüht sein muß, eine Spontaneität des gemeinsamen Erlebnisses, das nicht befohlen wird, eine Genußhaftigkeit, welche schon früher einmal über Jahrhunderte hinweg Zirkusspiele zum Staatsereignis gemacht hat. Und dies alles muß ja keineswegs reine Genuß-Dekadenz bleiben; immer wieder können solche "Gesellschaftsfeiern" großen Stils, bis hin zu Messen und Volksfesten, auch politisch aufgeladen werden, und dies geschieht schon heute, in unzähligen Rahmenprogrammen, bis hinein in Kirchen- und Katholikentage. Was hier wieder hinaufdrängt ins Öffentliche, ist doch letztlich nichts anderes als jenes Zelebrieren der Tragödien und Komödien, in welchen die attische Demokratie gesellschaftliches Staatstheater feierte, ·und es dann nahezu bruchlos in ihren Volksversammlungen fortsetzte. So wie damals das Triumphale erlebt werden konnte - Aristoteles hat es uns interpretiert - in den Geschichten von Göttern und Königen, als ein großes Rahmenprogramm der prosaischen athenischen Volkspolitik, so muß die triumphale Volksfeier in der heutigen Demokratie, mit öffentlichen Geldern finanziert, 16°

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D. Triumphale Formen der Staatsorganisation

auf öffentlichen Straßen und Plätzen, unter den öffentlichen Augen der volksgewählten Autoritäten, den positiven, freudigen, triumphalen Aspekt demokratischer Politik fortsetzen, die hier endlich einmal auch genossen werden kann. Wo immer das Volk so zusammentritt, da ist außerhalb von ihm nichts mehr, da wird der Umstand zum Reich. II. Das feierliche Staatshandeln

Dem Staat kann es nicht genug sein, vor allem nicht in der Volksherrschaft, Triumphalismus nur in eigenen, institutionalisierten Feiern zu finden oder sich an den Feiern seiner Bürger-Gesellschaft zu beteiligen. Sein Staatstheater muß breiter werden, denn Triumphe lassen sich nicht so einfach institutionell, oder gar normativ, verengen. Die große These muß sein: Staatshandeln als Staatsfeiern, in den besonderen Formen, deren feierliches und feierndes Monopol dem Staate vorbehalten ist. Hier erreicht die Theorie des Triumphalen die Lehre von den Formen des Staatshandeins - wenn es eine solche überhaupt noch gibt. Denn ein Unglück der Demokratie war es, daß sie mit den Kronen und monarchiscQen Orden auch so viele Formen des Staatshandeins zerbrochen hat, in denen jener Triumphalismus weiterlebte, dessen doch sie eben bedarf. Demokratische Staatlichkeit verhält sich nur zu oft, als gehe es ihr allein darum, materielles Staatshandeln zu regeln, als gebe es ein Selbstgewicht staatlicher Handlungsformen nicht mehr - welch ein Irrtum! Wenn früher der Monarch auftrat, in den Kleidern, mit den Insignien seiner Macht, wenn er im Thronsaal Staatshandlungen setzte, so war diese Einheit von Staatshandlung und Staatsfeier noch ganz gegenwärtig, "ordentliche Verwaltung" geradezu wurde zum Staatstheater. Welche Verarmung liegt nicht darin, daß der demokratische Staat oft nur dort feiern zu können glaubt, wo er nicht mehr handelt, daß er das Staatstheater zum Faschingszug degradiert! Wenn schon alles an der Demokratie Institution und Norm sein muß, so sollte sie doch auch in ihrem normativen Handeln, und bis in die Alltäglichkeit hinein, etwas von Feierlichkeit legen, damit ihr die Triumphalität nicht gänzlich verlorengehe. Wenn es gelingt, eine Lehre der staatlichen Handlungsformen neu zu entwickeln, wenn nicht in ödem Funktionalismus jede äußere Form nur als Annex materieller Entscheidungsbefugnisse abgehandelt wird, dann wird wieder eine alte, neue Chance zum Triumphalismus entstehen. Und vielleicht erzwingt dies übrigens gerade die Notwendigkeit erhöhter Formalisierung in einer Massengesellschaft, welche ihre unzähligen Erscheinungen besser ordnen muß.

II. Das feierliche Staatshandeln

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Aufgegeben ist hier der modernen Bürgergesellschaft eine ganz große Modernisierung, ältere Formen können nicht Beispiel, sondern allenfalls Ausgangspunkt sein. Als solche aber sollten sie bewußt bleiben. Wenn die Staatsgewalt "näher ans Volk gebracht" werden soll, wie könnte dies besser geschehen als darin, daß sich irgendetwas von glückhafter Triumphalität auch noch in ihren einzelnen, tagtäglichen Handlungen zeigt?

1. Formen des allgemeinen Staatshandeins a) Staatshandlungsformen als Ausdruck des Erfolges Die Vergangenheit von Jahrhunderten hat einen großen Reichtum von staatlichen Handlungsformen entwickelt, nicht nur in der Form ihrer Akte und von deren Erlaß, sondern auch in der Charakterisierung der Befugnisse ihrer Organe. Beides ist ja letztlich als Einheit zu sehen, die Richterrobe und die feierliche Urteilsverkündung und -forme!. "Staatsroben" werden heute als Verkleidungen verpönt, als Staatstheater der Lächerlichkeit preisgegeben. Eines Tages werden sie zurückkehren, in anderen Formen vielleicht, in den Ländern, welche heute noch imperiale Größe haben, ist ihre Bedeutung durchaus bewußt geblieben. An Universitäten und Gerichten getragen hatten sie ja, und hätten sie auch heute noch einen hohen Symbolgehalt, der nur dem entgeht, der nicht triumphalistisch zu denken vermag. Denn hier tritt ja die Person, welche so verkleidet ist, zurück, sie zählt nicht, ist sie doch nur der verlängerte Arm einer triumphierenden Göttlichkeit: der Gerechtigkeit, welche über den Bürgern steht, der einzigen Göttin, die sie doch stets annehmen müssen, und wenn sie alle anderen Standbilder stürzen; der Wahrheit, die Gott ähnlich ist, welche sie immer brauchen, heute schon ganz besonders, zu ihrem größeren künftigen Nutzen und Genuß. Klarwerden soll so dem Bürger, daß etwas über ihm ist, daß er unter einer ganz großen, übergreifenden, im wahrsten Sinne des Wortes imperialen Ordnung steht - denn was wäre weiter und allgemeiner als Recht und Wahrheit - die aber gegliedert ist in vielfacher Weise, bis herunter zu seinem Fall, in der Anwendung auf seine kleinen Interessen. In der Entdeckung der Wahrheit, im Fassen eines auch nur wahrheitsnahen Gedankens, wird ebenso triumphiert wie wenn es wieder einmal heißen kann: "Justice est faite." Das Unwiderstehliche, das Undiskutable verkörpern die Staatsroben, in all ihrer Einfachheit, gerade in ihr sind sie in höchstem Sinne triumphalistisch. Staatsdokumente und Staatsformeln, bis hin zum "Namen des Volkes", haben nicht nur den ja schwer faßbaren symbolischen Gehalt der

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D. Triumphale Formen der Staatsorganisation

Darstellung einer unendlichen Vielfalt von Bürgern, hier wird gezeigt, was sich endgültig durchsetzen soll, das im höchsten Sinne des Wortes "Notarielle", eine Dokumentation, die niemand zerreißen kann. Darin ist etwas vom besiegelten Sieg, bis hin zu Zeugnissen, welche den Prüfungstriumph vertiefen. Doch auf solche Herkömmlichkeiten sollte sich der Formenreichtum eines triumphsymbolisierenden Staatshandeins nicht beschränken. Die staatlichen Hoheitszeichen auf öffentlichen Dokumenten, die Entscheidungsform und Entscheidungsformeln sogar im Handeln der Verwaltung, sind nicht nur auf Volksnähe und Verständlichkeit auszurichten, in ihrer traditionellen Formelsprache lebt auch etwas von einer Hoheit, die eben nicht aller Tage ist, es gibt etwas wie eine "Staatsliturgik", die ebensowenig ungestraft vergessen werden darf, wie ihre Aufgabe der Kirche Glück gebracht hat. Wenn früher die Staatsurkunden mit den zahllosen Titeln des Monarchen begannen, abgekürzt mit einem "usw.", das die Unendlichkeit der Macht versinnbildlichte, wenn die Entscheidung abschloß mit einem "Von Rechts wegen", so waren alldies nicht nur formalistische Bekräftigungen, in ihnen wurde die Entscheidung in Staatshoheit gehoben, sie selbst war ein, vielleicht ganz kleiner, Ausdruck der triumphalen Mächtigkeit, der sich jedermann zu beugen hatte. Gesetzeszitate, die Angabe der Legalitätsgrundlage, diese neuen Mechanismen sollen zwar die Weihe des Volkswillens andeuten, doch sie vermögen kaum die sieghafte Kraft der Staatlichkeit hinreichend zu symbolisieren. Neue Formeln- nicht Floskeln- neue Dokumente müssen entworfen werden, die nicht nur einfach eine Aufwertung sinnentleerter Hoheit bringen, welche nichts anderes wäre als Obrigkeit; Endgültigkeit und Durchsetzungsfähigkeit des Staates muß in ihnen durchscheinen, in einer Erfolghaftigkeit, die unvergleichlich größer ist als die so mancher Aktiengesellschaften, welche ihre wirtschaftliche Konkursunfähigkeit in eindrucksvollen Geschäftsberichten und Korrespondenzformen zeigen wollen. b) Prozeßrecht als Ausdruck des Gelingens Staatsformalismus - das ist aber noch weit mehr, es reicht hinein bis ins Verfahren, seine äußeren Formen und Abschnitte. Im weitesten Sinn ist hier das Prozeßrecht angesprochen, nicht nur vor den Gerichten, vor allem auch in jener Verwaltung, in die es mit Recht neuerdings wieder als Begriff eingeführt worden ist, nachdem rechtsstaatliche Blickverengung den Prozellbegriff auf die unabhängigen Gerichte hatte beschränken wollen, während früher seine Weite durchaus bewußt gewesen war.

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Einer Staatlichkeit, welche größeren Reichs-Atem hat, muß bewußt bleiben, daß der Begriff des Prozesses, des Verfahrensablaufs in ihr stets etwas Besonderes behalten muß, was über die Formen von Entscheidungsfindung und Entscheidungsverkündung weit hinausreicht. Das Selbstgewicht des Prozeßrechtes ist, im letzten, Ausdruck eines triumphalistischen Grurrdgefühles, weil hier den beiden unentrinnbaren Gottheiten gieichzeitig gedient wird: der Gerechtigkeit und der Wahrheit. Ein Prozeßrecht, welches lediglich Annex der Durchsetzung materieller Ansprüche wäre, bedürfte nicht eines Richters in Robe oder gar in Perücke. Im Grunde ist uns dies auch heute noch bewußt, in unserer entzauberten demokratischen Prozeßwelt. Wir wissen und wir genießen es letztlich, daß Gerichtsverfahren "zelebriert werden", und in diesem Sinne geschieht dies sogar in den Verwaltungen, wenn Kommissionssitzungen abgehalten werden, formalisierte Entscheidungsvorgänge ablaufen. Diese "Anhörungen" haben etwas Hoheitsvolles gerade darin, daß sie den Erfolg der staatlichen Entscheidung vorbereiten, daß sie die Überlegenheit der triumphierenden Staatsgewalt zeigen, die im letzten eben doch nicht mit dem Bürger handelt, sondern ihn hört, so wie der Vertreter des ewigen Gottes im Beichtstuhl. Der Theatercharakter schließlich, in welchem die Akte des Gerichtsverfahrens ohne Zweifel stets ablaufen werden, gerade in jenem Zivilprozeß, in welchem so vieles hinter den Kulissen geschieht, findet immer wieder den Anschluß an das größere Staatstheater, in welchem eben doch stets Sieg gespielt wird - wie auch hier der Sieg der Gerechtigkeit. Prozeßrecht ist immer und auch in der Pandektistik in Deutschland der Ausgangspunkt großer Jurisprudenz gewesen, irgendwo kam der Prozeß eben vor dem Recht. Und auch dies ist ein Symbol: Denn im Prozeß zieht ein Triumphzug dem Reich voraus, seiner materiellen Ordnung, welche er durchsetzt. Reichtum prozessualer Formen - das ist ein Weg über den Triumph zum Reich.

2. Staatskunst a) Staatskunst als Staatshandeln Staatskunst ist als Phänomen der Staatslehre, der Staatstheorie wohl erst bewußt geworden, nachdem der Liberalismus hier wie auch sonst versucht hatte, die Staatlichkeit möglichst weitgehend zu "privatisieren", nachdem in unserem Jahrhundert ein zur Verwaltung gewordener Staat sich in seiner Baukunst nicht mehr von Wirtschaftsbüros unterscheiden will, seine Rolle im Kunstbereich lediglich als Mäzenatentum mit Steuermitteln ansieht oder als Alterssicherung erfolgsschwächerer

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Künstler. Nun mußte sich l)atürlich die Frage stellen, ob es nicht doch etwas geben sollte wie politische Regimekunst, und gerade Ordnungsgewalten mit imperialen, triumphalistischen Ansprüchen, der Faschismus wohl zuerst, sodann Nationalsozialismus und Kommunismus, haben ganz bewußt der liberalen Privatisierung eine Art von triumphalistischer Staatskunst entgegengesetzt. Gegen solche imperiale Ansprüche mußte sich naturgemäß, vor allem in Deutschland, jener Neoliberalismus wenden, der in einer Berliner Stalinallee leicht und politischer Gefolgschaft sicher gigantomanischen Triumphalismus kritisieren konnte. Doch in all dem ist nicht mehr Geistigkeit als in der liberalen Polemik des 19. Jahrhunderts, die wirkliche Bedeutung des Staatsbauens, der Staatskunst überhaupt, bleibt verschüttet. Sie lag in früheren, staatsschaffenden Perioden und sie liegt auch heute noch darin: Dies sind letztlich Formen des Staatshandelns, das sich ja nicht auf prozessuale Abläufe beschränken läßt, auf Siegel und Entscheidungsformeln. Wenn zu ihm die Robe des Richters und des Professors gehört, so erst recht der größere Raum, in welchem entschieden wird, die symbolhaften Gemälde, unter denen dies geschieht. Deshalb auch soll davon in diesem Kapitel die Rede sein, damit wieder deutlich werde, wie weit der Begriff des Staatshandeins dann zu fassen ist, wenn man aus normativen Befugniskassetten ausbrechen will in die Weite größere Ordnung schaffender Dynamik. Früherer Staatskunst, vor allem der Staatsbaukunst, war dies durchaus bewußt, sie wollte überall, wir fühlen es noch heute, im Staat mehr und vor allem anderes an Kunst hervorbringen, "ganz andere staatliche Handlungsräume" schaffen, als wenn es sich um die Wohnungen der Privaten handelte. Darin liegt zuerst das sichere Gespür dafür, daß der steinerne Rahmen die Tätigkeit prägt, und derjenige anders entscheidet, auf welchen Traditionen früherer Hoheiten herabschauen. Ein ganz großer Triumphator hat einst einen seiner Siege mit dieser anfeuernden Erkenntnis eingeleitet, vor einer steinernen Kulisse von Jahrtausenden. Bis hinein in die kleinen Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungen prägt die Würde einer Staatskunst als Form des Staatshandeins die Entscheidung, verleiht sie ihr die Absolutheit triumphierender Durchsetzung. Steingewordene Tradition - das ist nur ein Aspekt, Größe und Höhe von Säulen und Architraven ist eine weitere Kraft, der Ernst, welcher aus den viel belächelten Staatsgesichtern spricht, die weiterführende Symbolik der Allegorien der Macht - all dies fließt zusammen zu jener typischen Staatskunst, die heute dem privaten Sammler oft negativ bewußt werden mag, wenn Gemälde und Skulpturen in seine hoheitslosen Räume eine Geschichte tragen,

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die größer ist als sein Leben. Darin liegt übrigens dann auch die Berechtigung musealer Kaufaktivitäten, weil hier nicht dem Markt, dem privaten Erfolg, die verdiente künstlerische Freude entzogen wird, weil nur dem Staat und seiner Geschichte zurückgegeben wird, was auch des Kaisers war und ist. b) Staatsbauten-über-private Würde oder "normative Maschinenhallen"? Was ist nun das innerste Wesen solcher Staatskunst - läßt es sich mit dem Begriff der "Würde" umschreiben, einer "Hoheit", welche Tradition, Größe und ernste Symbolik zusammenfassen will? Etwas ist sicher daran, wenn hier ein Selbstbewußtsein der Staatlichkeit gemeint ist, welche sich eben über alle anderen erheben darf. Doch der Begriff der Würde bleibt zu allgemein, zu statisch, in ihm liegen immer schon Verkrustungen, Sklerosen, welche dann dem Freiheitsstreben allzu rasch zum Opfer fallen, bis hin zur Ironie "fortschrittlicher" Betrachter. Gerade wer Staatskunst wirklich begreifen, ihr ihren Stellenwert in einer künftigen Reichs-Welt wieder zuweisen will, der darf nicht alles auf den Begriff jener Würde bauen, welche allzuleicht als legitimationsloses Selbstbewußtsein mißverstanden wird. Das Entscheidende liegt hier vielmehr in der Unterscheidung zu allem Privaten, welches ja einem Reiche der Freiheit stets Ausgangspunkt sein muß: Staatskunst war immer und ist auch heute noch jene vor allem architektonische Gestaltung, welche "etwas ganz anderes" besitzt und ausstrahlt, einen gänzlich veränderten Raum schafft, verglichen mit den Dimensionen privater Beliebigkeit, privaten Genießens. Dies ist wohl auch jenen modernen Staatsarchitekten bewußt, welche nun daraus aber die ganz abwegige Folgerung eines mißverstandenen Normativismus ziehen: daß der Staat nämlich das Allereinfachste sein und daher auch baulich nur bieten dürfe, daß jeder kleine Steuerobolus nicht nur als eine "Staatsanleihe" im weitesten Sinne in höchster Sparsamkeit eingesetzt werden müsse, sondern daß diese Staats-Einfachheit geradezu zum Begriffe moderner Staatlichkeit gehöre. Dies verbindet sich dann mit einer radikalen Funktionalität, welche die wenig geistreiche Frage stellt, was denn zum Erlaß eines "richtigen" Steuerbescheides, eines "gerechten" Urteils baulich erforderlich sei natürlich nichts als ein Dach über dem Kopf! Hier zeigt sich das Mißverständnis einer Legalität, welche alles Staatshandeln auf Normanwendung zurückführen will, dann natürlich lassen sich die normativen Maschinen am besten in kahlen Mehrzweckräumen aufstellen, bis hin zu jenen Beamten und Richtern, welche auch nichts mehr sind als die viel berufenen Subsumtionsautomaten.

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D. Triumphale Formen der Staatsorganisation

Vielleicht wird der Weg zu solchen Staats-Maschinenhallen noch weiter gegangen werden, eine Zeitlang, wenn dort die modernen Rechenmaschinen die Hoheit der menschlichen Entscheidung ersetzen sollen. Doch all dies wird vorübergehen, zurückkommen muß und wird neu eine Staatsarchitektur, eine Staatskunst, welche das "ganz andere" nicht in verödender Einfachheit sieht, sondern zuerst wünscht, daß der Staat ein Beispiel gebe, dann aber, in einer zweiten Stufe, zum Selbstbewußtsein einer Staatskunst vordringt, deren Anderssein durch etwas vor allem geprägt ist: durch die Triumphalität eines imperialen staatlichen Kunstbewußtseins. c) Staatskunst -

Ausdruck des "Großerfolges Staat"

Wie uns schon einmal die Kunst das Wesen des Triumphes und der auf ihn gegründeten Staatlichkeit in der Betrachtung des Barock nahegebracht hat, so läßt sich dies nun, verallgemeinernd und konkretisierend zugleich, staatstheoretisch fortdenken: Das Wesen der Staatskunst ist der greifbare Siegesausdruck in der künstlerischen Form..Alle Elemente, vor allem in der Staatsarchitektur, laufen dahin zusammen: Die große Traditionalität, welche in einer möglichst gleichen, geradezu antikisierenden oder restaurativen Kunstform zum Ausdruck kommen soll, bedeutet die Bildhaftigkeit früherer Erfolge, die nun sichtbar hineingestellt werden in die Gegenwart, aus denen eine ebenso triumphale Zukunft hervorgehen soll. Hier ist die Staatstheaterkulisse das Ziel, jene Aufbauten der antiken Tragödie, in denen die sagenhaften minoischen Paläste immer von neuem beschworen werden, damit sich vor ihnen Sieg und Untergang abspielen - jedenfalls etwas ganz Großes. Denn auch diese Größe, das zweite Element der Staatskunst, erwächst aus dem Grundgefühl der Triumphalität. Das Staatsbauwerk ist ja das Symbol des großen Erfolges, der mächtigen Durchsetzung, und dies haben sogar noch die Liberalen des 19. Jahrhunderts gefühlt, jedenfalls dort, wo sie in den seltenen Beispielen ihrer Staatskunst wuchtige Größe versinnbildlicht haben - in den riesigen Justizpalästen ebenso wie in den Museen, in den Tempeln der Kunst; denn dies waren ja, wir sahen es schon mehrfach, die beiden großen Gottheiten, welchen sie triumphale Würde beließen, in Formen und Roben; Wahrheit und Gerechtigkeit. Und könnte übrigens auch ein Staatsstandbilden minia;. ture vorgestellt werden, ein Staatsgemälde im Kleinformat entstehen? Die Triumphalität der Staatskunst liegt schließlich darin, daß hier wahre Symbole des Sieges, der Überwindung, der Durchsetzung geschaffen werden, der unvergleichlichen hoheitsvollen Befehlshöhe. Deshalb war die Staatskunst so groß in jenem späteren Feudalismus der

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Barockzeit, weil dort die Fürsten ihren Sieg über die Fronde ihrer Adeligen feierten, weil diesen letzteren sogar in ihren Schlössern nichts anderes blieb, als an dieser Verherrlichung ihrer Niederlage im Namen abgeleiteter Hoheit noch teilzuhaben, in einer Staatskunst des Abglanzes. Sieg wird also gefeiert in allem, was den Namen der Staatskunst verdient, bis hinein in jene Staatsliteratur, die sich in ihrer dithyrambischen Dichtung nur zu oft in schmeichlerischer Machtanbetung verflachen ließ, die aber doch immer wieder ein Carmen saeculare hervorgebracht hat. Und wir sollten darin nicht nur das Negative sehen, die Kunst braucht nicht nur den Mannesmut vor Königsthronen, sie muß sie doch vergolden. Die Demokratie aber sollte auch diese Mahnungen einer langen triumphalen und darin gerade hier imperialen Vergangenheit beherzigen. Über die Trümmer noch der römischen Staatskunst hat unsere moderne Geistigkeit zur Staatsidee wieder gefunden, sie sich bewahren können; Demokraten sollten versuchen, etwas hervorzubringen, was auch in Bruchstücken noch von der Größe ihrer Freiheit später einmal Zeugnis ablegt, in einem Augenblick, in dem deren Reich längst vergangen ist. Wer da glaubt, die moderne Staatlichkeit der Freiheit nur in die Unfaßbarkeit spiritualisierender Konstruktionen verlegen zu können, der wird sie bald in Geistesspielereien verlieren, er wird mit späteren Generationen nicht mehr kommunizieren können, denen er nicht nur eine reine Umwelt hinterlassen muß- denn hier ist ja erstmals wieder Verantwortung gegenüber künftigen Generationen beschworen worden - denen er auch imperiale Monumente hinterlassen sollte. Welche Staatsform aber wäre dazu mehr aufgerufen, gerade darin sichtbar zu triumphieren, als eine Volksherrschaft, welche doch in ihren ganz großen Häusern das ganz große Volk versammeln sollte, ganz weit mit ihrer Staatskunst jedermann auf den Weg der triumphierenden Schönheit weisen müßte.

3. Das Medientheater- triumphale Verbreitung - des Staatshandelns Die Massenmedien, jene größte Gefahr für die moderne Staatlichkeit und ihre größte Chance zugleich, haben; so scheint es doch, etwas zutiefst Untriumphalistisches. Sie nehmen alles auf, groß oder klein, elitär sind sie ebensowenig wie bewußt selektiv. Zum Genuß wollen sie den Bürger führen, nicht die Staatsmacht zum Siege - im Gegenteil: Sie sind die Foren jener Kritik, auf denen auch der größte Sieg noch klein wird, Triumphgelüste in Lächerlichkeit aufgelöst werden. Und

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gibt es schließlich im äußeren Erscheinungsbild etwas weniger Triumphierendes als jene journalistische Nonchalance, welche "in der Fortschrittlichkeit" von Kleidung und Benehmen auf dem Weg weg von der Majestät immer noch einen Schritt voraus war? Es ist wahr, dies sind die vielen und untriumphalistischen Seiten jenes Medienjournalismus, der wohl am meisten dafür getan hat, daß ein Gefühl für Sieg und reichsgründenden Großerfolg heute kaum mehr bewußt ist. Und doch tragen gerade diese Medien so sehr viel triumphales Denken und Fühlen weiter in unserer Welt, ganz unbewußt oft, bis hinein aber in die Staatlichkeit, geradezu reichsgründend. Davon - und es ist keineswegs ein Paradox - soll nun kurz gesprochen werden. -

Die Medien halten schon darin ständig ein Erfolgs-, ein Siegesgefühl lebendig, daß sie das unendliche Theater bieten, in dem ja immer auch gewonnen und verloren werden soll, von den Lotterien bis zu den Erfolgen der Kriminalpolizei, vom Triumph des Liebesgefühls bis hin zu den eindeutigsten Siegen der Akrobatik und des Sportes, um nicht zu vergessen die triumphalen Kunstgefühle in zahllosen Variationen. Hier gerade wird dem Volk tagtäglich der Erfolg in all seinen Spielarten gezeigt, in seiner unendlichen Steigerungsfähigkeit. Das Organ für die triumphalen Erfolge anderer wird ebenso geübt, wie es erhalten wird in dem Bewußtsein, daß derartige Erfolge, und seien sie noch so klein, auch im eigenen Leben irgendwie noch möglich bleiben. Überall dem aber liegt jene große Genüßlichkeit des Feierns, ohne welche es nie Triumph, sondern immer nur Befehl und Zerstörung hat geben können. In der Pressekampagne ebenso wie, noch mehr vielleicht, in den Einzelheiten des einernatographischen finden wir jene besondere und viel kritisierte Überdimensionierung im Grunde gewöhnlicher, ja tagtäglicher Vorkommnisse, welche letztlich aus jeder Begebenheit ein Ereignis, aus jedem Ereignis einen Erfolg, aus jedem Erfolg einen Triumph macht - und umgekehrt, denn auch eine negative Triumphalität ist ja solcher Medienpotenzierung durchaus eigen. Schließlich fließt all dies zusammen, oder besser: Es bleibt alle diese Vielheit geordnet in der übergreifenden Konstruktion der Programme und ihrer Höhepunkte, hier entsteht etwas wie ein imperialer Kuppelbau, in jener Welt der Medien, der unzähligen Triumphe und Optimismen, die sie uns tagtäglich bieten, in einer Wiederholung, welche etwas wie Zeitlosigkeit hervorbringt. Dies alles aber hat nicht nur viele und so oft beschriebene direkte und indirekte politische Wirkungen im allgemeinen, dieses ganze, vielfach gebrochene große Gelingen nimmt gerade mit Blick auf die Staatlichkeit einen triumphalistischen Charakter an, der heute noch

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kaum bewußt ist. Von ihm soll nun noch die Rede sein, er rechtfertigt es auch, dieses Medienkapitel in den größeren Zusammenhang des feierlichen Staatshandeins zu stellen: Wenn etwas Wahres ist an der "öffentlichen Aufgabe der Medien", wenn sie die Vierte oder Fünfte Staatsgewalt, nur zu oft die eigentliche darstellen, so hat es wenig Sinn, diese wahrhaft moderne Form eines "Staatshandelns im weiteren Sinne" anderswo zu behandeln, sie in einen "gesellschaftlichen Bereich" zu verbannen: Dann würden wir ja wieder die Reichsidee verfehlen, wenn uns nicht aufginge, daß sie gerade im Medienhandeln als Staatshandeln, im größeren Begriff einer Öffentlichkeit, triumphal Wirklichkeit wird. -

In den Medien wird der Staat tagtäglich gefeiert, er, der doch so einfach erscheinen soll, der sich so untriumphalistisch gibt, sucht hier das Rampenlicht, den größten triumphalen Rahmen der Gegenwart. Hier wird überhaupt erst jene Größe erreicht, welche in dem gewöhnlichen Staatshandeln triumphale Bezüge entdecken läßt. Größe -das bedeutet in der Demokratie Verbreiterung, das Hineintragen der Staatsaktivität in die letzte Hütte, zur bescheidensten Intelligenz. Darin eben werden der Staatsbesuch, die Parlamentsabstimmung, die Kabinettsentscheidung zum Großereigni,s, daß sie in solcher Weise verbreitet werden, daß sich jedermann ihnen, wenn auch nur für einige Minuten, hörend und sehend hingeben muß, daß sie seine Diskussionen und sein Denken für Minuten oder Stunden dann gefangen nehmen, seine geistige Tätigkeit bestimmen, den Raum seines Handelns. Daß darin moderne Staatsgewalt ausgeübt wird, ist seit langem bewußt. Doch entscheidend ist die Form, welche hier die spezifische Kraft gibt: Nicht der direkte Befehl ist es, sondern jene indirekte Mächtigkeit, welche aus der medialen Bedeutungserhöhung kommt, wie sie jedes kleinere staatliche Ereignis erfährt. Jene Größe, welche der Ereignistriumph braucht, wird hier wahrhaft erreicht, und in einer Vielfältigkeit, welche auch das allgemeine Triumphgefühl, die "reine Triumphalität" hinzufügt.

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Auf diese Weise werden auch kleine Gemeinschaften groß, kleine Staaten größer in ihren Medien, weil es für das Ereignis ja nicht entscheidend ist, wieviele Millionen es am Schirm verfolgen, es genügt die "wahrhaft große Zahl". Die Größe des triumphalen Ereignisses ist vielleicht auch in der Vergangenheit nie so sehr in seiner objektiven Geschichtlichkeit gefunden worden als vielmehr in der großen Zahl derjenigen, welche es aufnehmen, glauben und verehren. Wo könnte dies deutlicher bewirkt werden als im Medientriumph?

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Die Wahrheitsfrage, die große Crux aller Medien, kann hier ganz einfach umgangen werden - eben aus der Triumphalität der medialen Wirkung heraus. Wir hatten ja schon festgestellt, wie wenig hier Wirklichkeit und Richtigkeit bedeuten, wie sehr das Gesetz des factum, bis hin zum befohlenen Triumph, sieghaft wirken kann. Mit dieser Begründung kann und darf, muß vielleicht auch der Journalist Wahrheiten überspringen, hinzufügen, erdichten, weil er unter dem Gesetz des Großereignisses steht, in jener Triumphalität, aus der er sogar noch das Interesse des Lesers für kommunale Kleinvorgänge gewinnen muß.

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Der Triumph setzt sich durch, und gerade dies gelingt den Medien par excellence, dies ist ihr höchstes Gesetz. Das Verdrängende des Großerfolges legen sie in alle kleinsten Vorkommnisse, wem immer sie die Ehre der ersten Seiten und der Spitzenseiten gewähren, er hat darin gesiegt, in der täglichen Konkurrenz über seinen politischen Gegner, seinen wirtschaftlichen Mitwettbewerber. Und hier steht die Staatlichkeit trotz aller liberalen Kritik immer noch ganz oben an. Das Staatshandeln erreicht triumphale Durchsetzung, weil es von den Medien umlagert wird, und der heutige Triumphzug des Kanzlers, des Oppositionsführers als Repräsentanten der demokratischen Staatlichkeit, findet in jenen Momenten immer wieder statt, in welchen er die Belagerung der Reporter genießt, sich einem von ihnen dann, wie aus göttlichen Höhen niedersteigend, in sieghaftem Optimismus erschließt. Längst wartet nicht mehr der Bürger vor den Schloßtoren, für ihn warten die Journalisten, sie müssen sich behandeln lassen wie früher kaum Leibeigene, über sie gehen fast sichtbar die triumphalen Rosse der Triumphlimousinen hinweg; und so langweilig die ewigen An- und Abfahrten gefilmt werden mögen, in ihnen liegt doch etwas vom Zug, der zum Großereignis aufbricht, hinter dem es dann irgendwann kommen muß.

:--- Zur Größe und Verdrängungskraft des medien-triumphalen Vorgangs kommt schließlich der unzerstörbare Optimismus, den die Medien trotz allem und immer ausstrahlen, mit dem allein man vor sie treten darf. In Positur wirft sich in diesen Augenblicken sogar der Geschlagene, denn auch er ist ja Acteur, auch er nimmt hier eine Chance zu einem ersten Kleinst-Triumph wahr, den der würdigen Hinnahme der Niederlage, aus der neue Sympathien zu späteren Triumphen erwachsen können. Doch all dies sind Randerscheinungen, und sie betreffen ja gar nicht den Staat, der als solcher immer nur triumphiert, weil er jedenfalls die Wahlen stets gewonnen hat. Darin also feiern die Medien doch immer von neuem und allein im Grunde den Staatstriumph, daß sie zwar den Kampf um die Staat-

111. Staatsgewalten feiern Staatstriumph

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lichkeit zeigen und den Sieg, der zu ihrer Besetzung führt, daß aber immer der Staat allein der Triumphator ist, der Sieg in ihm, auf seinen Höhen gefeiert wird, Staatlichkeit aber als permanentes Siegespodest - wäre das wenig, wäre dies nicht schon ein erster Sockel für ein imperiales Standbild? So stehen wir hier denn vor ganz neuen Formen nicht nur des Triumphierens als solchen, sondern gerade der Staatstriumphalität, des großen, sich voll durchsetzenden und ungebrochenen, stets optimistischen Staatserfolges. Er wird von den Medien berichtet und von ihnen erdichtet - und beides fließt zusammen zur großen Siegesstimmung. Imperialität aber muß vielleicht schon deshalb heute nicht mehr durch hohe Säulenhallen bewiesen werden und schimmernde Staatsgewänder, sie flimmert in unzähligen Bildern täglich vom Bildschirm, in den Geist der Bürger hinein, denen hier unablässig etwas Größeres präsentiert wird, das über sie hinausgeht; und deshalb hat ja auch der Staat seine große Chance, über allen Anarchismen und Terrorismen unserer Welt - auf diese unfallbare und doch so gegenwärtige lmperialität, auf sie will kein Bürger mehr verzichten. Wenn das Imperiale immer seine Wurzeln hatte in der großen Ordnung der Vielheit zur Einheit - können wir nicht dies alles heute erleben, in der Medienvielfalt und dem einen Staatsspektakel, das sie uns doch täglich bietet, gerade in ihrer falschen Greifbarkeit die unendliche Distanz zu einer wirklichen Staatsmacht nur noch unterstreichend? Wenn wir das Reich suchen in seinen Triumphen, sollten wir nicht immer nur weit in die Vergangenheit schweifen, vielleicht blickt es uns täglich an, in ganz neuer Form.

In.

Staatsgewalten feiern Staatstriumph

Großes, triumphales Staatstheater wurde in früheren Zeiten laufend auf dem gespielt, was wir heute "Verfassungshöhe" nennen würden, von den obersten Vertretern, Symbolen der Staatlichkeit. In allen institutionellen und außerinstitutionellen Handlungen der Fürsten und ihrer Minister, all derjenigen, welche von ihnen mit Macht belehnt waren, aber auch in frühdemokratischen, jedenfalls oligarchischen Regierungsfonnen der Kommunen, feierten die Verfassungsorgane in permanentem Triumph ihren Staat, der ihnen stets etwas Imperiales bedeutete. Nichts ist ja auch natürlicher, als daß dort den großen früheren Staatserfolgen entsprechend gehandelt und aus ihrer Stimmung heraus Siege in neuen Staatshandlungen gefeiert werden, wo

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sie einst gesetzt worden sind, in einer Höhe, von welcher die "Staatsstimmung" ausgeht. In diesem Sinne war der Begriff des "Staatsaktes" stets mehr als eine Staatshandlung, es war einer von vielen Akten des Staatstheaters. Die Demokratie hat dies, wir haben schon darauf hingewiesen, in ihrer Narrnativität und Kompetenzordnung zu verdrängen versucht und weithin verschütttet. In den unteren Rängen der Staatlichkeit ist ihr dies rascher gelungen als "ganz oben", wo erst die letzte Verfeinerung des Verfassungsstaates alle "rechtsfreien Räume" aufhob, aus denen heraus so wesentlich triumphiert werden kann. So scheint denn der Verfassungsstaat eine letzte und höchste Absage an jenen institutionellen Triumphalismus zu sein, der "wenigstens oben" noch frei und sieghaft handeln und feiern will, wenn es schon "unten", in den vielen kleinen Rechtsanwendungen durch Verwaltungen und Gerichte, nur mehr Normen gibt. Der gerichtsfreie Regierungsakt, von der Diplomatie bis hin zur Gnade, war das Letzte, was den Verfassungsorganen an freiem Expansionsraum geblieben war, worin sie auch immer wieder etwas wie kleine, normbefreite Erfolgsanstrengungen unternommen hatten. Nun ist auch dies der Legalität zum Opfer gefallen. Und doch bleibt gerade heute, in der egalitären Demokratie, den obersten Verfassungsorganen das aufgegeben, was sie immer legitimierte, was nun die große Macht der Medien auch noch von ihnen verlangt: daß sie ihren Staatstriumph feiern, Akte ihres Staatstheaters ablaufen lassen, wie die Norm es gestattet, wie das Gesetz es befiehlt. Denn dies ist nun die moderne Form dieser "Organtriumphalität", daß jedes Verfassungsorgan speziell aus seinem Kompetenzraum heraus triumphieren, d. h . staatliche Großerfolge setzen und zugleich feiern soll. Und dies wird immer geschehen, solange es eine Erbschaft früherer Imperialität gibt, es gilt nur, die Formen solcher Erfolghaftigkeit als solche wieder bewußt werden zu lassen.

1. Das Staatsoberhaupt - personifizierter Staatstriumph Das Staatsoberhaupt - das war immer in der Geschichte derjenige, der für eine organisierte Gemeinschaft triumphierte, triumphieren durfte, vielleicht läßt sich der Begriff anders überhaupt nicht erklären. Was bedeutet denn auch "Repräsentanz" des Reiches, des Staates? Zur sichtbaren Vertretung all dessen, was wir Staatsgewalt nennen, ist das Staatshaupt nicht fähig, im Grunde war es das schon lange nicht, und gerade dies sollte ja gar nicht geschehen, als die moderne Begrifflichkeit geschaffen wurde, unter jener liberalen Monarchie, deren König regieren, aber nicht dirigieren sollte. Die Erfolge wurden und werden

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von anderen errungen, von Parlamenten, Regierungen, Generälen, doch gekrönt wird damit der Staat, in seinem Staatshaupt, und darin liegt eine tiefe, vor allem demokratische Gesetzlichkeit: Ein in seinen Befugnissen beschränktes Staatsorgan darf ja gar nicht wirklich triumphieren, wie könnte ihm jene absolute Gewalt zukommen, welche das ganze Volk zum Kapitol hinaufführt, in diesem Augenblick nochmals, wie schon auf dem Schlachtfelde, unbeschränkte Gewalt ausübend? So wenig wie die Demokratie den Diktator kennen kann, so wenig seine siegreiche Fortsetzungserscheinung, den Triumphator als Machtzentrum. Weil aber der Triumph gefeiert werden muß, von wem immer er errungen wurde, weil dies nicht einem Regierungschef überlassen werden kann, der so viel Macht nicht besitzt, jedenfalls aber nicht eine solche Fülle von Ehren, deshalb muß eine "Ehrenfigur" erfunden werden, welche Erfolge ohne Macht feiern darf, die sie genießt, nicht aber mit ihnen herrscht. Der demokratische Regierungschef wird nur zu oft mit der Konsequenz des Neides der Volksherrschaft aus der Macht in dem Augenblick geworfen, in dem er seinen großen Triumph feiern sollte, so ist es Winston Churchill ergangen, das demokratische Staatsoberhaupt des Parlamentarismus steht außerhalb der Macht, deshalb mitten im Erfolg. Im Protokollpräsidenten ist etwas wie ein Feierorgan nationaler Triumphe erdacht worden. Daß ihm noch einige andere Kompetenzen belassen wurden aus der königlichen Vielfalt, in denen er würdige Notarfunktionen versieht, kann nicht das Zentrum seiner Legitimation verdecken, wenn es überhaupt eine für ihn gibt: daß er nicht "vertreten" soll - sondern daß er der Hohepriester des Gedächtnisses an große Triumphe ist, permanente Feiergestalt, der Vertreter des triumphalen Staatsoptimismus, das Symbol der institutionellen Kuppel, die frei und machtlos über allen gegenläufigen Gewalten schwebt und von ihnen gehalten wird. Im Protokollpräsidenten tritt diese personifizierte Triumphfeier der Staatlichkeit in reiner Form auf, doch auch im präsidentiellen Regime krönt diese "feierliche Institution" erst wirklich die Macht, welche der Präsident dort zugleich ausüben kann. So ist es ja auch aus der Monarchie heraus gewachsen: daß die Macht bruchlos in die Feier übergehen sollte, die exekutivische Macht ihre Siege, vom Schlachtfeld bis zur Steuererhebung, auch ganz groß sollte feiern dürfen, in Zügen und Schlössern. Etwas von einem triumphalen Machtpathos zeigt uns gerade die Figur jenes ungekrönten Kaisers des westlichen Großimperiums, in 17 Leisner

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deren stets sentimental geladenen Auftritten die Macht der größten Demokratie gezeigt und zugleich Vergangenheit und Gegenwart des Landes der unbeschränkten Möglichkeiten gefeiert wird. Was diese Triumphkraft, vielleicht nur die triumphale Geste eines Präsidenten für ein Land bedeutet, zu welcher weltumfassenden Imperialität sie emporführen kann, hat ein Ronald Reagan gezeigt, der dafür eben in einer geschichtlichen Stunde einen Sinn hatte. Wo immer aber das Staatshaupt auftritt - es handelt aus einem wesentlich schrankenfreien Auftrag heraus, der eben in der Demokratie nur einer sein kann: Triumphe weniger zu erringen als zu feiern, darin den Nationaltriumph der Einheit zu repräsentieren denn dies allein vertritt im letzten ein Präsident. Seine Aufgabe ist es auch, Entscheidungen, die man ohne weiteres dem gewöhnlichen Geschäftsgang der Exekutive überlassen könnte, in die Höhe des Staatsaktes zu heben, in der Auswärtigen Gewalt wie in der Beamtenernennung etwas von der Triumphalität der Ordensverleihung, der siegreichen Behauptung dem Feind gegenüber zurückzuholen in eine friedfertigere Welt. Dies sollte sich die Demokratie nicht nehmen lassen, denn darin kann sie, ohne ihre Grundprinzipien aufzugeben, faßbar und laufend triumphieren, und sie sollte die Attribute dieser Figur nicht auf Genußfeiern und Routineanlässe beschränken. Je mehr sie ihm an Freiheiten läßt, daß er etwas aus dem Parteienkampf hinaushebe in die staatliche Triumphalität, desto leichter wird sie jenes Gleichgewicht halten können zwischen dem Wechsel der Mehrheiten und dem bleibenden permanenten Staatserfolg, der nach ihren Dogmen nur aus solchem Streite erwächst. Einen Stuhl wird die Volksherrschaft stets bei sich frei lassen müssen, den des Imperators, doch Staatsweisheit gebietet ihr, ihn immer wieder auf Zeit einnehmen zu lassen von einer Figur, die nicht nur in müden Ehren sich erschöpfen, nicht allein in ihnen gewürdigt werden sollte, welche vielmehr die große Dynamik einer gemeinsamen Freude in den Staat hineintragen kann, als erster in einem Triumphzug der Gleichen, in dem gerade die Demokratie zur Einheit finden muß. Sie, die Staatsform der Kritik und des Kampfes, welche die Triumphalität des gemeinsamen Erlebens nötiger hat als jede andere Staatlichkeit, sollte damit an ihrem Haupte beginnen.

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2. Exekutive- Gestaltung zum großen Erfolg a) Legalität- Verwaltung ohne "Erfolg"? Der Exekutive im Volksstaat ist Entscheidendes an früherer Mächtigkeit genommen worden, und gerade dies war ja gewollt: Sie soll nicht mehr triumphieren können. Wie sollte auch eine "vollziehende Gewalt" dessen mächtig sein, jene reine Vollstreckerin des Allgemeinen Willens des Volkssouveräns? Hier ist dem Triumphalismus wirklich in der Demokratie ganz institutionell der Kampf angesagt worden, man wollte weder den siegreichen Fürsten, noch den inneren Polizeitriumph, Außenpolitik selbst soll in immer bescheideneren Formen innerer Verwaltung vollzogen werden. Man mag es wenden, wie man will - Normtreue hat nichts Triumphales, jene Genauigkeit staatlicher Geschäftsbesorgung, welche man vom Beamtenstaat der Exekutive erwartet, gibt keinen Anlaß zu triumphieren, noch weniger zu feiern - sie arbeitet. Und wenn Beamte "feiern", so ist dies vielleicht das einzige Mal, daß in diesem Wort gar nichts Triumphales mehr liegt, dieses wahrhaft einfache Staatsdienerturn hat allzusehr den Triumph verlernen müssen. Und doch muß es etwas von Sieghaftigkeit auch hier geben, im eigentlichen Zentrum der kontinuierlichen Staatlichkeit, es darf dies nicht alles hinausgeworfen werden in die abstrakte Feierruhe des Staatsoberhaupts und seiner Auftritte. Die Aufgabe moderner Staatlichkeit liegt, will sie größer und wieder imperial werden, gerade darin, daß jene so hoch perfektionierte, so wahrhaft mächtige Exekutive wieder eine Gestaltungskraft zurückgewinnt, aus der heraus die Staatlichkeit triumphalen Atem schöpfen kann. Und wenn wir es näher betrachten, so sind die Anlässe dazu schon gegeben, vielleicht sind wir, mehr als es heute bewußt ist, schon auf neuen Wegen dahin. b) Normvollzug als Erfolg Der Zentralbegriff einer modernen Erfolghaftigkeit, welche die Exekutivfunktionen nicht mehr von der Sieghaftigkeit der militärischen Führung oder einer polizeilich durchgesetzten Friedhofsruhe her sieht, ist die "Gestaltung". In dieses Wort haben Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre der Legalitätsdemokratie all das hineinschieben wollen, was normativ nicht völlig faßbar war, staatliche Kraftäußerungen, welche aber doch als das eigentliche Zentrum der vollziehenden Gewalt angesehen wurden - eben im "nicht ganz reinen Vollzug". Diese "Gestaltung" bleibt jedoch eine Leerformel, wird in sie nicht das gelegt, was eine Art von staatskonstitutivem Zentrum einer Exe-

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kutivtätigkeit bedeutet, ohne die es eben keine Ordnung geben kann: eine unbedingte Durchsetzungsfähigkeit, welche tagtäglich einen Staatserfolg bringt, der dann zum Großerfolg, zur triumphalen Staatsgestaltung hinaufwachsen kann. Unrichtig wäre es nun sicher, diese exekutivische Großaufgabe einfach in einen Gegensatz bringen zu wollen zu den Normen und ihrer Anwendung. Wenn der Normgeber baurechtliche Großgestaltungen befiehlt, wenn er die Denkmale einer triumphalen Tradition normativ schützt, wenn er mit seiner Wehrgesetzgebung die Grundlagen imperialer Präsenz im eigenen Land und darüber hinaus schafft - der "Vollzug" all dieser Entscheidungen ist nicht etwa untergeordnete, pedantische Normanwendung, in ihm läuft - das Wort symbolisiert es geradezu - ein "voller Zug von Staatlichkeit" ab. Die Administrativentscheidung, wie streng sie auch an die Normen gebunden sein mag, bleibt eben Dezision, darin ist sie Sieg, Durchsetzung - Normerfolg. Die demokratische Ideologie mag zur Illusion verführen, der Normerlaß als solcher schaffe etwas, im Grunde ist er aber politisch ein Nichts, zum "Erfolg" wird die Norm erst dort, wo eine Verwaltung sie aufnimmt und durchsetzt. Diese Erkenntnis ist staatsgrundsätzlicher Beachtung wert, erst durch sie läßt sich das tägliche Phänomen der "toten Normen" erklären, jene Obsoletheitsproblematik erfassen, aus welcher heraus erkannt werden muß, daß immer nur ein Teil der gesetzgebensehen Entscheidungen auch zum "Gesetzeserfolg" werden kann, eben jene, welche auf eine wahre Erfolghaftigkeit exekutivischer Entscheidung zugeschnitten sind. So ist denn der Normenvollzug als solcher schon Erfolg, je höher die verwirklichte Norm steht, desto mehr nähert sich darin die Exekutive einer eigenartigen Vollzugs-Triumphalität: Gelingt es ihr etwa, die Verfassung zu wahren, die Existenz des Rechtsstaats, gegenüber organisierten Angriffen des Terrorismus, ist dies allein sicher noch nicht ein Triumph, doch etwas Sieghaftes liegt auch in diesem Aspekt von Sicherheitsverwaltung. Die Normenpyramide der demokratischen Legalität sperrt die Exekutive weithin vom "unmittelbaren Verfassungsvollzug" aus, unterwirft sie "immer tiefer stehenden Normen"; in vielen Bereichen, man denke nur an das Steuerrecht, wird Verwaltung zur Anwendung technischen Verordnungsrechts, und darin allerdings verliert sich ihre größere Gestaltungskraft. Es ist nicht nur ein Anliegen naiver BasisDemokratizität, der Verwaltung wieder mehr unmittelbare Verfassungsanwendung zu gestatten, darin könnte ihr auch ein Gestaltungsraum größerer Freiheit zurückgegeben werden, der ihr bei aller Normanwendung doch bleiben muß.

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c) Ermessen- Erfolgsgestaltung Wir haben in dieser Anwendung der Gesetze schon Elemente eines "Staatserfolgs" entdecken können, doch darin eben erschöpft sich die Bedeutung der Zweiten Gewalt nicht. Ihr Kernbegriff ist und bleibt jenes Ermessen, das ihr zumindest in der Sachverhaltsbeurteilung immer zusteht, im Subsumtionsvorgang selbst nie ganz durch Normenmathematik ausgeschlossen werden kann. Hier nun mag die These stehen: So viel an Erfolghaftigkeit trägt und hält die Zweite Gewalt im Staate, wie es ihr immer wieder gelingt, Gestaltung in normfortsetzendem, normübergreifendem Ermessen zu gewinnen - denn solches Ermessen will erkämpft und gegen verengendes Normenverständnis gehalten werden. Die moderne Ermessenslehre hat dies wohl erkannt, in ihrer Dogmatik der "inneren Ermessensbindung", der Ausrichtung vor allem auf Sinn und Zweck des Gesetzes. Zwar wollte sie darin immer noch mehr Bindung der Verwaltung verwirklichen, doch zugleich hat sie, andererseits, auch das Wesen des Ermessens verdeutlicht, den Gegensatz zwischen Gesetz und einer Diskretionalität überhöht, in einem "Fortdenken des Gesetzes in der freieren Gestaltung des Ermessens". Nicht "Gesetz oder Ermessen" kann die Alternative lauten, aus der heraus die "Gestaltungsaufgabe der Verwaltung begriffen werden kann", vielmehr muß es heißen: "Mehr Legalität durch mehr Ermessen", weil die Verwaltung eben auch das zum Tragen bringen muß, was keine Norm zu definieren vermag: den "Geist der Gesetze." d) Triumph in normfreier Exekutivgestaltung Damit aber wird nun der Gesetzesvollzug in einem höheren Sinn zum Normerfolg: nicht nur in der Befriedigung der Anwendung des einzelnen Paragraphen, der "endlich seinen Fall gefunden hat" - mag auch eine solche Normanwendungsfreude den Handwerker-Juristen stets erfassen, wenn er irgendwo "sein Verwaltungsgesetz hat brauchen können", wenn er der Wirklichkeit entgegenhalten kann, daß sie in ihrer angeblichen unerfaßbaren Vielfalt doch in seinen Buchstaben schon vorgedacht worden ist. Doch darüber hinaus wächst nun eben der größere Gesetezserfolg, der Sieg der Demokratie in ihren dezisionistisch vorgedachten Normen; denn daß eine erfolgsträchtige Verwaltung, bis hin zu wahrer Exekutiv-Triumphalität, vor allem aus der Staatslehre des Dezisionismus heraus zu verstehen ist, soll gar nicht geleugnet werden, hier hat er auch in der Demokratie seinen legitimen Platz. Gerade in der neueren Zeit sind die Grenzen der Gesetze erkannt worden, die Exekutive findet zu immer weiterer Normfreiheit zurück, die Versuche müssen aufgegeben werden, auch noch die letzten Räume des

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alten domaine reserve zu vergesetzlichen, normüberhöhende, ja normfreie Gestaltung tritt wieder in ihre alten Rechte- und hier kann die Gestaltung nun zum größeren Erfolg werden, ja zum Triumph emporwachsen; nennen wir nur einige Beispiele: -

Da ist jene Außenpolitik, in welcher noch immer große Stunden gefeiert werden können, vor allem in Befriedungen und Zusammenschlüssen, diesen Grundlagen künftiger wirtschaftlicher Erfolge, diesen chinesischen Mauern, hinter welchen sich für Generationen das Glück der Gemeinschaft in Sicherheit entfalten kann. Im europäischen Einigungsstreben ist es wenigstens versucht worden. Wenn heute die Außenpolitik über zahllose Gipfel auf- und leider nur zu oft auch absteigt - auch dies sind doch neue und durchaus zugleich auch alte Formen gemeinsam-triumphaler Stunden, in denen die Wirtschaft der Welt, die Verteidigung ihres größten Teiles beschlossen werden soll. Wenn da eine imperiale Vormacht auftritt, der ungekrönte Kaiser umgeben von ungekrönten Königen - wäre da nicht doch etwas von einem wahrhaft imperialen Aufschwung, dessen erster Ausdruck heute ja eine Weltwirtschaftsordnung sein müßte, welche in einer Welt-Leitwährung bereits erste Grundlagen gefunden hat? Solche Zusammenkünfte, in den alten Schlössern und auf glücklichen Inseln, werden vielen Millionen durch die Medien vermittelt in Bildern, welche weit weniger gemeinsame Befürchtungen zeigen als vielmehr die Triurnphalität beruhigter gerneinsamer Herrschaftsstunden, in denen selbst die größten Probleme vor dem größeren Optimismus gemeinsamen Karnera-Lächelns verblassen. All diese Formen sind gut und eine legitime Aufgabe für eine Exekutive, welche in Außenpolitik immer triumphieren wird, solange es eine solche überhaupt noch gibt.

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Im Inneren hat das Militärische seine Triurnphalität verloren, seine Gesetze regeln Arbeitspflichten, es ist weder zu erwarten noch zu wünschen, daß diese Triumphalität eines Tages in Paraden auch im Westen zurückkehrt, mag auch der Osten sie sich bewahrt haben. Deutlich aber muß eines bleiben: Ein militärischer Neo-Triumphalisrnus steht dann ins Haus, wenn es nicht gelingt, der Exekutive andere Bereiche von Großerfolgen zu eröffnen, und dies sollten gerade die Gegner der Uniformen und Waffen beherzigen; Triurnphalität können sie verlagern, nicht ausrotten. Eine militärische Sieghaftigkeit allerdings wird erhalten bleiben und sich in der technisierten Gerneinschaft nur noch verstärken: der hoch technisierte Militärapparat als letzte Einsatz-Rückversicherung in großen Katastrophen, Militär als Rettungsdienst. Wenn solche Einsätze befohlen werden, wird zwar nicht ein Feind ge-

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schlagen, aber es tritt dasselbe ein, was auch der alte militärische Großsieg gebracht hat; die Rettung aus höchster Not. Triumphale Elemente werden sich darin immer finden. Untergegangen ist mit der Militärtriumphalität auch der Polizeitriumph, der Ordnungstriumph über Demonstration und Streik, bis hin zur Friedhofsruhe. Früher lag hier wahre "innere Triumphalität", ein neues Bürgerbewußtsein wird solches - hoffen wir es nie mehr gestatten. Und auch im kleinen sollten "Sicherheit und Ordnung" ein selbstverständlicher Zustand sein, nicht der Sieg einer Bürgergruppe über die andere, hier sollte das Reich schon geworden sein, nicht erst in inneren Triumphen wachsen. Gerade deshalb aber muß sich die Sieghaftigkeit der Exekutive im Inneren noch an anderen Stellen bewähren: -

Die große Planungsgewalt wird sich die Exekutive nie mehr nehmen lassen, in ihr verschränken sich die Gesetze mit ihrer Ermessensfreiheit zur größeren Gestaltung. Planung - von der territorialen Ordnung bis zur vorausschauenden Finanzierungsgestaltung der Gesamtgemeinschaft- darin liegt nicht nur ein Kernbegriff künftiger Staatlichkeit, mit dem allein eine technische Welt erfaßbar erscheint, in ihm finden wir auch die wichtigsten Elemente der alten Triumphalität einer vollziehenden Gewalt im Innern: Hier ist die Größe und Vielseitigkeit eines Gestaltungsraums, der den Großerfolg verspricht; Planung ist zum Erfolg verurteilt und wird sich selbst stets als solcher verstehen und anpreisen, schon weil sie begrifflich auf einer Art von tabula rasa beginnt, "erst einmal etwas hervorbringt"; Planung bedeutet Durchsetzung im größeren Stile, Verdrängung anderer Gestaltungen oder doch ihre Einbindung in weitere Rahmenentscheidungen. Was auf der Grundlage eines solchen Planens hervorgebracht wird, kann immer für die Bürger der technisierten Welt etwas von einem großen Staats-Opus haben, und nicht zuletzt deshalb ist ja die Planung von jener Staatlichkeit im großen erfunden und zuerst angewendet worden, welche imperial triumphieren wollte: Vierund Fünfjahrespläne bedeuten Siegesfanfaren in dem Augenblick ihrer Vorlage, Siegesmeldung soll die Rechenschaft über ihren Vollzug sein. Imperialität tragen sie darin in sich, daß sie, wie kein anderes Instrument moderner Staatsgewalt, jene Ordnung der Vielheit zur Einheit vollziehen wollen, welche in Flexibilität zur Entwicklung offen bleibt, darin zu überdauern vermag. Und nicht zuletzt ist immer wieder erlebt worden, daß einmal verplante Räume ewig der gleichen imperialen Planungsgewalt unterworfen bleiben.

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Im Inneren gibt es nicht nur zentrale Handlungsformen erfolgsträchtiger Exekutive, auf einigen ihrer Ebenen tritt dies in besonderer Weise in Erscheinung, nennen wir nur das Beispiel der kleineren Zellen, der Gemeinden. Triumphale Exekutive - dies darf ja nicht etwa mißverstehend monopolisiert werden in Kabinettssitzungen oder auf große Stunden des Innenministers beschränkt sein, der in Masseneinsätzen seiner Polizei "triumphiert" hat; das wahre Erlebnis des Großerfolgs gewinnt heute die Exekutive vor allem dort, wo sie die "eigenen Aufgaben" einer überschaubaren Gemeinschaft erfolgreich zu lösen vermag, darin etwas von einem kollektiven Glücksgefühl verbreitend. Da ist das gemeindliche Bauwerk und seine Feier, das Siegeserlebnis der Mannschaft einer Stadt, da sind die historischen Ketten und Feste, in denen die imperiale Kontinuität der Kommune gefeiert wird, jener politischen Einheit, die sich immer wieder in der Geschichte als "Senatus Populusque" präsentiert, welche ihre Macht in der Tat früher einmal "Urbi et Orbi" geschenkt hat, aus einer Stadt den ganzen Erdkreis imperial erfassend. Diese kommunale Triumphalität und Imperialität zeigen uns heute nicht nur die eindrucksvollen Denkmäler der oberitalienischen Städte, gerade in Deutschland ist sie lebendig in einer eigenartigen Exklusivität des Stadtgefühls, welche in den Erfolgen ihrer Kommunalverwaltung die laufende Bestätigung "im kleinen Großen" erreichen kann. Dort findet ja auch jener Denkmalschutz statt, eine zentrale Aufgabe der Exekutive, in welcher die Zeugnisse früherer Großtaten von einer heutigen Triumphgewalt nicht nur konserviert, sondern meistens ja auch reaktiviert werden. e) Politisierung der Exekutive- ein Versuch großer Erfolghaftigkeit

Viel ist die Politisierung der Exekutive beklagt worden, aus der Sicht eines wohl verstandenen Triumphalismus vielleicht zu Unrecht. Die Vorstellung von einer "unpolitischen" vollziehenden Gewalt ist, in unsere heutige Welt übertragen, ein liberal-rechtsstaatliches Mißverständnis. Sie möchte ja diese Staatstätigkeit auf die reine Normanwendung beschränken, in welcher es in der Tat "Politik" so wenig geben darf wie in der Rechtsprechung. Wenn aber das Wesen der Zweiten Gewalt wieder in ihren großen Gestaltungsaufgaben erkannt wird und in deren Erfüllung, so kann und darf sie nie "unpolitisch" sein, wie ja auch früher ihre Verwaltung es nur deshalb sein durfte, weil über ihr eine höhere Instanz regierte, in welcher das seinerzeit Politische sich zusammenballte: Monarchie oder obligarchische Senate. Die ganze Triumphalität, ohne welche es größere Politik nicht geben kann, lag

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damals bei diesen Herrschenden, die Unbedingtheit ihrer Erfolge erreichten sie dann in der Tat mit einer entpolitisierten Beamtenschaft, einer apolitischen Armee, weil die großen Siege eben in der Unbedingtheit eines solchen Gehorsams allein errungen werden konnten. Heute fehlt diese Konzentration der Triumphalität in der Exekutivspitze, deshalb muß sie in alle Ränge der Zweiten Gewalt verlagert und verteilt werden, mit ihr aber jenes Politische, aus dem heraus allein triumphal gehandelt werden kann. In demokratische, bescheidenere Sprache übersetzt mag dies heißen: Der Verwaltung wird es immer an der erforderlichen Dynamik fehlen, aus der allein heraus sie ihre Gestaltungen vollbringen kann, wenn sie abgeschnitten ist von den demokratischen Kraftquellen der Volks-Politik, deshalb der Versuch, die Exekutive zu "politisieren", bis hin zur basis-demokratisierten Verwaltung. Darin mag sicher viel Mißverständnis liegen und massiver Effizienzverlust, wird solches utopistisch übersteigert; doch wichtig ist ein Ausgangspunkt: Die Exekutive muß nicht nur teilhaben, sie muß im Mittelpunkt jener großen Dynamik der Staatstätigkeit stehen, in welcher auch die Demokratie, gerade sie, triumphale Kraft gewinnt und zu imperialer Größe emporwächst. Und so bleibt es denn dabei: Der Staat wird immer und zuerst dort auftreten, wo der große Erfolg der organisierten Anstrengung ist, diese Triumphe werden immer und zuerst von jener Staatsgewalt gefeiert werden, die dort steht, wo früher ein Thron stand: von jener Zweiten Gewalt, die "den Staat vollzieht". 3. Parlamentstriumph

a) Das Parlament -

ein antitriumphales Staatsorgan?

Das Parlament erscheint heute als das wesentlich untriumphalistische oberste Staatsorgan. Diese Versammlung, nur zu oft ein Konvent des politischen Durchschnits, dem noch dazu führende Persönlichkeiten durch die Regierungen in Bund und Ländern entzogen werden, bildet nicht so sehr im äußeren Erscheinungsbild einer "Arbeitsinstitution" einen Gegenpol zu triumphaler Größe und Feierlichkeit, als vielmehr in ihren ständigen Diskussionen, jener Kritik und Gegenkritik, aus denen sie sich legitimiert, die geradezu oft als ihr Wesen erscheinen. Radikal-demokratischer Ideelogismus sieht in ihr überdies von jeher jenes "Volk im kleinen", das dann auch in jedem seiner einzelnen Vertreter möglichst der großen Masse und ihrer Mittelmäßigkeit nahekommen solle. Gezänk und Gerede schließlich, die äußeren Formen, in denen sich Parlamente heute dem Bürger zeigen - was könnte ferner sein jenem Kothurn der triumphalen großen Geschichte, welche sogar

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die attische Demokratie in ihren Theatern sich vorspielen mußte, vielleicht weil sie zuwenig davon in ihren Volksversammlungen wiederfand. Man mag alles Parlamentarische drehen und wenden wie man will, wo läßt sich denn hier jene Größe entdecken, das Erfolgsstreben und der Optimismus, die Durchsetzungsfähigkeit und die Siegesstimmung, welche wir als das Wesen des großen Triumphalismus erkannten? Bedeutet dies dann aber nicht, daß parlamentskonzentrierte Ordnungen - und wo wären sie heute nicht im Westen - des Reiches schon deshalb nicht fähig sind, weil sie in ihrer Ersten Gewalt keine Triumphe zu feiern vermögen? b) "Versammlung als Triumph" Doch schon die Geschichte der Volksvertretungen zeigt ein ganz anderes Bild. Ihr ursprüngliches, jedenfalls ihr erstes Zusammentreten hatte stets etwas von triumphaler Geschlossenheit und Entschlossenheit. Vom Rütli-Schwur der Eidgenossen reicht dies bis hin zur Freiheitsbegeisterung der amerikanischen Siedler und, vor allem, bis hin zum politischen Delirium, in welchem der Enthusiasmus französischer Revolutionäre die erste große Demokratie in Europa hervorgebracht hat - in einem wahrhaft imperialen Aufschwung, in einem ebenso bewußten Triumph- wie Reichsstreben. Wer Triumphe sucht, darf ja auch nicht stets auf Schlachtfeldern dem einzelnen Soldaten nur folgen, der den Gegner erwürgt und blutbefleckt einem Sieg entgegentaumelt, Triumph - das bedeutet eine Gesamtstimmung, deren Größe die Kleinheit, ja Erbärmlichkeit der einzelnen Akteure verschwinden läßt. Im Zusammentreten einer großen parlamentarischen Versammlung liegt an sich schon etwas von einer großen Feierlichkeit, welche einen Triumph einläuten kann, so wie ja immer eine gewisse formalisierte, zur Feierlichkeit emporwachsende Stimmung gefühlt wird, wenn mehrere sich zur Erfüllung einer bedeutsamen gemeinsamen Aufgabe formiert zusammenfinden; das ist eben, für jede Versammlung, der Sinn des Wortes des Herrn, daß er unter jenen sei, welche sich in seinem Namen versammeln: Die Weihe der höheren Aufgabe senkt sich im Zusammentreten auf die Mitglieder der Versammlung. Und so wird es ja auch in der Parlamentseröffnung gefühlt, jenem Akt, der nicht umsonst im imperialen England stets triumphal zelebriert worden ist. Gerade auch wenn man radikal demokratisch denkt, so muß man hier den Abschluß eines neuen Sozialvertrags fühlen, etwas wie eine wiederholte Staatsgründung, und was könnte es Triumphaleres geben als die Neugeburt des Volkssouveräns aus der verglühenden Asche der Wahlschlacht? Wenn sich die demokratischen Parlamente dieser Versammlungs-Weihe bewußt wären,

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wenn sie im "ganz großen Zusammentreten ganz groß zu triumphieren" vermöchten, in jenem Augenblick, in welchem ja auch alle Parteiungen, wenigstens für eine Stunde, in der Gemeinsamkeit der einen Parlamentszugehörigkeit untergehen - dann könnte die Demokratie in ihren Parlamenten manche triumphale Stunde erleben, dann würde der Anfang einer "Legislatur", die eben doch viel mehr ist als eine "Periode": ein wahres Zentralwort für die vornehmste demokratische Aufgabe: die Gesetzgebung - hinüberwirken auf die ganze kommende Arbeit, dann würde ein Versammlungs-Optimismus den vielen Streit um das gemeinsame Rechnen überstrahlen. Wie sehr könnten demokratische Volksvertretungen dies heute brauchen! Wenn die parlamentarische Chance darin liegt, nicht Durchschnittsmenschen nebeneinander zu setzen, sondern eine Volksversammlung im kleinen zu schaffen, dann muß auch in den Abgeordneten und ihrem Konvent viel mehr von jener imperialen Versammlung sein, die einst ihre gemeinsame Macht über die bekannte Welt getragen hat: Und senatoriale Chancen hat heute noch jedes Parlament, auch wenn es nicht notabliert zusammengesetzt ist. In diesem Sinne also gibt es einen grundlegenden parlamentarischen Triumphalismus. c) Abstimmung als Sieg Die Abstimmung wird in demokratischer Tagtäglichkeit aller Majestät entkleidet, vielleicht, weil sie schon allzu oft stattfindet. Als früher noch wenige und daher stets grundlegende Gesetze die "Hohen Häuser" passierten, wuchsen deren Säulen schon darin immer noch höher, wurde triumphale Hoheit in einem solchen Sieg gefühlt. Unzählige und in Fraktionsdisziplin vorher abgesicherte Siege - diese Routinisierung des Parlamentarismus droht dort allen Triumphalismus zu töten. Solange Blöcke noch nicht so fest formiert waren, wo immer auch heute noch echte parlamentarische Entscheidungsschlachten mit ungewissem Ausgang begonnen werden, da liegt etwas von Sieg und Triumph in der Luft, in jener Mischung von Leistung und Glück, aus welcher der politische Großerfolg wird. Die Demokratie wollte ja ursprünglich diese Sieghaftigkeit keineswegs eliminieren, sie wollte sie nur intensivieren, vervielfältigen, jene wenigen und blutigen Siege der Fürsten tagtäglich in ziviler Weise stattfinden lassen, sie aus dem Staate verbannen. Geworden ist daraus die routinierte Üblichkeit des Stimmenzählens, in welcher das Bundesverfassungsgericht offenbar gerade das "Funktionieren" dieser Staatsform sieht- das einer Maschine! Diese Vision, wenn es eine solche ist, kann nur im "völlig uninteressanten Parlamentarismus" enden, die ständigen Klagen über das Desinteresse an der Bürgerschaft an der heiligen Demokratie sind sinnlos,

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weil hier wieder einmal das Volk das "gesunde Empfinden" zeigt: Es will mehr Triumphalität fühlen, der feierliche Urnengang soll sich doch nicht nur in Zahlenspielen auflösen! Natürlich ist jede gesetzgeberische Entscheidung ex definitione ein "demokratischer Erfolg", auch wenn die Diskussion vor leerem hohem Haus stattfindet und Volksvertreter dann nur zwischen zwei anderen wichtigeren Terminen schnell ihre Zettel hinterlassen. Doch dies ist eben das "Parlament als Farce", welches dem demokratischen Gedanken schwerste Schäden zufügt. Warum muß eigentlich ein Gesetzgeber "alles Wesentliche"- und was ist nicht wesentlich?- selbst tun, wenn er darin, in der Massengesetzgebung, sein triumphales, staatsgründendes Wesen verliert? Auch die Demokratie wird wieder dazu kommen müssen, will sie nicht untergehen, daß sie in ihrem Parlament "größere Schlachten schlägt", daß dort größere Siegesstimmung aufkommen kann in der erfolgreichen Abstimmung, daß im Parlament der Staatserfolg errungen und gefeiert wird; und im Applaus der siegreichen Mehrheit, die sich dann, vor vollem Haus, von ihren Sitzen erhebt, liegt die Triumphalität der Majorität, zugleich wird hier der große Wahlsieg fortgesetzt und bestätigt. Das Parlament ist so groß und gut, wie es um triumphale Einsätze kämpft. d) Parlamentsrede - Siegespathos Die Parlamentsrede ist die Stunde des großen demokratischen Pathos. Man mag sie kritisieren und überhaupt relativieren - seit sie, "zum Fenster hinaus" auch die vielen unmittelbar erreicht, wird sie erst recht pathetisch, immer mehr. Darin liegt gewiß viel hohler Klang, aber auch eine Machtchance, die Betrachtung aus der Sicht des Triumphalismus zeigt es deutlich. Das Pathos gehört zum tiefsten Wesen des Triumphierens, die äußere Form der großen Geste gibt ihm Macht, sie vervielfältigt seine Erfolge. Und Siege werden ja nicht nur mit Waffen errungen, sie können auch herbeigeredet werden. Dies ist auch das Wesen der Parlamentsrede, ihre tiefste Rechtfertigung: Der Abgeordnete als solcher, als Mensch, ist ja institutionell gleichgültig, gewählt wird der Parlamentsredner, im Grunde der "Abgeordnete als Parlamentsrede" - und im übrigen ja nur als Zahlenträger. So ist die Parlamentsrede eine Form von "objektivierter, entpersonalisierter Demokratie", ein Triumph des Geistes, und sei es auch in Demagogie. Ob sie nun zum Erfolg führt, ob sie umzustimmen vermag, all dies tritt zurück gegenüber der so institutionalisierten Bedeutung der demokratischen Diskussion. Die große Rede hört jeder, ob er

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ihr dann folgt oder nicht, sie schlingt ein geistiges Band der Einheit um den Abstimmungskörper der Volksversammlung im kleinen. Große Rhetorik ist immer als etwas Triumphales erlernt, empfunden und gefeiert worden, weil sie große Dinge verkündet mit großen Worten, sie durch Worte noch größer macht, in ihnen siegt. Heute istalldies so weit verfallen, und dies ist eine Dekadenz der Demokratie; sie bräuchte jene geistigen Standbilder, welche die großen Parlamentsredner der Vergangenheit stets gewesen sind, aus denen sich die Volksherrschaft legitimieren konnte. Um solche Reden halten zu dürfen, wichen die Abgeordneten nur der Macht der Bajonette, die Kraft dieser Reden war stärker als jene, sie hat triumphiert. Wo wäre je in der Literatur Triumphalismus größer gewesen, so rein aufgetreten, als in der politischen Rhetorik der Parlamentsrede, in der hohen demokratischen Literatur, von Demosthenes bis Robespierre? Die triumphale politische Rede mag als solche keinen Sieg bringen, sie ist ein "Sieg an sich", in der Feierlichkeit ihrer politischen Wucht, sie ist ein triumphaler Schatz, aus dem immer wieder zitiert werden kann, und der Rhetor siegt in ihr geistig, auch wenn er "materiell" in der Abstimmung dann unterliegt. Die Größe der politischen Rede ist im Parlament institutionalisiert, doch sie reicht weit darüber hinaus, vor allem in ihrer "parlamentsvorbereitenden Funktion". Was dann in der Volksversammlung, auf triumphaler Höhe, vor den Bürgern zelebriert wird, abläuft, ist ja vorgeformt und geübt in zahllosen politischen Reden, in denen sich der Parteiführer die Spitze erkämpft, den Einzug ins Parlament gesichert, die Regierungsfähigkeit errungen hat. Die politischen Parteien und ihre Veranstaltungen, die Wahlschlacht vor allem, das sind die "Vor-Institutionalisierungen" jenes Parlamentarismus, dessen Kampf- und Siegesstreben sich dort schon übt und bewährt. Wir müssen die Parlamentsrede als den Kulminationspunkt der ganzen Parteienarbeit, der Wahlkämpfe sehen, dann erst wird ihre triumphale Dimension deutlich. Und ein Unglück des Parlamentarismus wäre es, wenn das, was so mächtig vor dem Zusammentritt des Parlaments in Parteienkampf und Wahlschlacht begonnen hat, sodann dort in Konvention verflachen sollte, im Parlament, wo es doch gilt, die eigentlichen Siege zu erringen. Solange die Demokratie groß zu reden versteht, nicht groß zu sprechen, bleibt in ihr der triumphale Geist, der des Reiches mächtig ist. e) Volksvertretung - triumphales Forum, nicht Normenfließband Den Parlamenten der heutigen Demokratien sind große Aufgaben gestellt, sie müssen, mehr vielleicht als alle anderen Staatsgewalten,

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wieder zum Triumphalismus zurückfinden, sie sollten dessen eigentlich viel mehr mächtig sein, kommen ihre Mitglieder doch aus jenem parteipolitischen Kampf, der so viel an Begeisterung braucht, der im Grunde doch nur in Siegen und Niederlagen denken kann. Und in der Tat irgend etwas Überschäumendes im Denken, Reden und Handeln ist dem eigentlichen Parlamentarier stets wesentlich gewesen, er ist nicht der Verwaltungsbeamte, der kalkuliert, der Richter, der nur entscheidet, er ist der Politiker der großen Geste, welcher triumphiert. Mit diesem frischen Mut zum Triumph kommen die jungen Parlamentarier auch heute noch in die Versammlungen, traurig allerdings ist es, wenn man ihnen dann, nach Jahrzehnten, als den alten Routiniers der Gesetzgebungsarbeit wieder begegnet, in welcher sie sich so untriumphalistisch "profilieren" mußten. Denn dies ist eine große Gefahr für die Legitimation des modernen Parlamentarismus: Er soll in erster Linie immer nur "technischer Gesetzgeber" sein, seine Abgeordneten leiden unter dem Dauerkomplex zu geringer fachlicher Kompetenz - und wie könnte es auch anders sein, angesichts jener unübersehbaren Aufgaben. Daß sie eine große Kompetenz haben, aus ihr heraus gewählt worden sind, sie im Parlament zu entfalten - Triumphe schaffen, sie genießen und feiern zu können für das Gesamtvolk - das alles sollten sie nicht in Kommissionskämpfen um Punkt und Komma der Normredaktion vergessen. Schäumende Dynamik ist noch immer der Anfang des Triumphes gewesen - der demokratisch gewählte Abgeordnete ist an sich gerade dessen fähig, so wird er ja hoch getragen. Und nicht etwa deshalb ist das Parlament letztlich ein "schlechter Gesetzgeber", weil es zuwenig könnte und wüßte, sondern weil in ihm eigentlich nicht juristische Arbeit am Fließband geleistet, sondern triumphiert werden sollte. Die Demokratie ist groß geworden in triumphierenden Parlamenten. Wenn ihre Volksvertreter das wieder lernen, wird sie nicht untergehen, weil sie das Reich nicht ersetzen, sondern triumphal durchsetzen will.

4. Der Rechtstriumph - Gerichtsbarkeit als Forum der Siege Die Gerichtsbarkeit als eine "besondere" Gewalt ist kein Zufall heutiger, vor allem demokratischer Staatlichkeit, sondern eine ihrer tiefen Notwendigkeiten. Die alles durchdringende Dynamik der Volkssouveränität bedarf dieses statischen Ausgleichs, der Normativismus findet in ihr erst die Verbindung zur Wirklichkeit der unzähligen Fälle. Wenn hier eine völlig untriumphalistische Enklave der Staatlichkeit bestünde, wäre dies sicher eine Hypothek für neue staatsschöpferische Mächtigkeit, jedenfalls für ein Reichs-Staatsrecht.

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"Staatlichkeit ohne Erfolg"

Wiederum zeigt ein erster Blick die Gerichte als das eigentlich, ja vielleicht sogar wesentlich Untriumphalistische in der Organisation heutiger Staatlichkeit. Da ist doch kaum Bewegung, nichts von einem Durchbruch, keine vorstoßende Politik, schon rein äußerlich fehlen Erscheinungsbilder und Handlungsformen, in denen gesiegt, triumphiert und all dies dann gefeiert zu werden pflegt. Der Richter, die Gestalt des ewig Genauen und Bedenklichen, des unendlich Abwägenden - wie sollte sie auf Barrikaden steigen, wo immer sie stehen, außen oder innen? Die Gerechtigkeit mit ihrer Waage symbolisiert den Ausgleich, hier wird nicht gesiegt und gebrochen, Verteilung und Ausgleich, die beiden Grundformen des richterlichen Entscheidens, sind sie nicht beide Gegenpole eines Durchbruchs, in dem der Triumph stattfindet? Könnte etwas wie "reine Triumphalität" dort entdeckt werden, wo doch so gar nichts ist vom Überschwang und Optimismus, in der Unterkühlung der liebesfreien Gerechtigkeit? All dies ist richtig, doch auch hier muß vor einer Verengung des triumphalistischen Denkens gewarnt werden: Es findet sicher ein Zentrum in der politischen Dynamik, heute etwa im Parlament. Doch so wenig es dort monopolisiert ist, weil es ja auch in den Großgestaltungen der Verwaltung zu finden ist, so wenig dürfen wir es in der Gerichtsbarkeit von vorneherein bestreiten, nur weil sie weder in der planensehen Gestaltung der Zweiten Gewalt tätig wird, noch in der politischen Dynamik der Parlamente. Was wir bei ihr finden, ist eine andere Form des Triumphalismus, in ihr rundet sich dessen Bild in einem Reichtum, welchen gerade die Theorie der demokratischen Gewaltenteilung leichter erkennbar gemacht hat, indem sie uns zwingt, die Erfolgsträchtigkeit im Handeln aller drei Gewalten zu untersuchen. b) Entscheidung -

ein "kleiner Triumph"

Die Gerichtstätigkeit ist in erster Linie und ganz wesentlich immer Entscheidung. In diesem Begriff aber liegt - wir sahen es schon - die Vorstellung vom Sieg des einen Rechtes über ein vermeintliches anderes, das unterliegt. Allzusehr sind wir ja heute gewohnt, Gerichtsbarkeit undezisionistisch aufzufassen, als werde hier nur ausgeglichen, abgewogen, befriedet. In Wahrheit wird vor dem Richter der Rechtskampf ausgetragen, die Entscheidung bedeutet den Sieg der einen Seite mit der Autorität des Staates, der den virtuellen Krieg aller Bürger gegen alle laufend zu Gunsten des einen oder anderen entscheidet, während der Waffenstillstand, der Vergleich, doch nur die seltene Ausnahme bleibt.

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D. Triumphale Formen der Staatsorganisation

So wird denn auch mit Recht immer vom "Prozeßerfolg" gesprochen, und der große gewonnene Rechtsstreit bedeutet für den einzelnen Bürger - oder den Staat, der ihn zurückdrängen kann - einen wahren und oft auch politisch wirkenden Triumph. Denn triumphal ist ja an der schließlich rechtskräftigen Entscheidung ihre Unbedingtheit, die indiskutable Durchsetzung des absoluten Staatswillens. Wenn sich das Gericht erhebt, um das Urteil im Namen des Volkes zu sprechen, so ist dies nicht nur ein Augenblick der Würde, sondern wahrhaft der Feier. Mit ihrer Vorstellung von der triumphlosen Gerichtsbarkeit bewegt sich unsere Zeit in die Gegenrichtung dessen, was doch die Demokratie braucht und auch immer wieder versucht - Aufwertung der Dritten Gewalt; oft wird sie leider, in "enttriumphalisierter Form" zu einer Art von Verwaltung. Die ohnehin in gewissen Bereichen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit schon nicht unbedenklichen Übergänge von Zweiter zu Dritter Gewalt werden damit noch im Grundsätzlichen verstärkt, und in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit sehen viele Bürger letztlich nur mehr eine Fortsetzung der Verwaltung mit anderen Mitteln; dies ist überhaupt das große Problem der so viel gelobten öffentlichrechtlichen Jurisdiktionen. Demgegenüber muß das Besondere der Judikative in ihrem Urteilen betont werden, und nicht nur in der Sicherung der Unabhängigkeit der Richter und in ihrer besonderen Besoldung: Hervorzuheben ist stets jener Endgültigkeitscharakter dieser Staatsgewalt; und nicht umsonst ist sie die einzige, die noch immer durch eine Göttin symbolisiert wird, welche den Triumph anzeigt. Und verwechseln wir doch nicht Dynamik mit Großerfolg, setzen wir nicht das Richten gleich mit den Austeilungen der Sozialstaatlichkeit! Dann wird uns wieder klar werden, daß das Recht triumphiert- dies ist ja eine der wenigen Verbindungen, in welchen wir auch heute noch dieses Wort zu gebrauchen wagen. c) Corpus Iuris- ein dauernder Reichstriumph Eine so verstandene Justiz-Triumphalität hat denn auch, gerade in dieser Endgültigkeit ihrer Durchsetzung, im "Erfolg des Rechtes" eine echte Reichsdimension, in der Majestät auch der kleinsten Rechtskraft. Darin schon können wir ihn erkennen, daß all dies stets "nach oben", ins Staatsgrundsätzliche hinein geöffnet ist, durch den Bezug zur großen, einheitlichen Rechtsidee, welche in jeder Einzelentscheidung verwirklicht wird, triumphiert. Auch historisch ist dies immer gefühlt worden, und vor allem in Deutschland. Recht und Gerechtigkeit - das war eben nicht nur eine tägliche, immer neu sich stellende Aufgabe, hier wurden wahrhaft

III. Staatsgewalten feiern Staatstriumph

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triumphale Traditionen laufend bemüht. Darin liegt der tiefere Sinn jener säkularen Pandektistik, welche die Corpus-Iuris-Idee nicht nur in reinem Renaissance-Denken immer wieder aufnehmen wollte, als etwas, was sich eben bewährt hat, sondern als jene Ratio scripta, welche damals, in imperialen Zeiten formuliert, Ausdruck der Reichsordnung war, vor allem aber der noch einmal ganz groß hervortretenden römischen Staatsmacht. Denn in diesem Corpus Iuris hat das römische Reich zum letzten Mal sichtbar triumphiert. Nirgends vielleicht ist in gleicher Weise ein geistiger Triumph so dauernd immer wieder aufgenommen, gefeiert und fortentwickelt worden. Jene Demokratie, die den Bürger und seine privaten Interessen zum ersten Staatsinteresse erhebt, findet hier eine wahrhaft imperiale Bewährung, indem sie den laufenden kleinen und größeren Justiztriumph der Rechtsgenossen in der Form ihrer eigenen staatlichen Sieghaftigkeit des letzten Wortes des Richters feiert. Iustitia fundamenturn regnerum - Gerechtigkeit, nicht nur: Justiz als Grundlage aller Staatlichkeit, das läßt sich, aus der Sicht des Triumphalismus, steigern zu dem Satz: Iustitia fundamenturn Imperii, auf den Richtern ruht das Reich. d) Strafe -

Sieg der Gemeinschaft

Die Strafgewalt des Staates ist in unseren Ordnungen jener Dritten Gewalt vorbehalten, deren Triumphalität wir hier nachzeichnen. Legitimiert wird dies, nach den rechtsstaatliehen Dogmen, damit, daß kein Zugriff der organisierten Gemeinschaft auf Freiheit und Eigentum des Bürgers schwerer wiege, schmerzlicher und einschneidender empfunden werde, als der der strafenden Gerechtigkeit. Vieles läßt sich dem allerdings heute entgegensetzen: Kaum ein Rechtsgenosse - mit Ausnahme vielleicht des Beamten, der den Verlust seiner Lebensstellung befürchten muß - begegnet der Strafjustiz in unseren Tagen mit so viel Besorgnis wie etwa der Steuergewalt, und nicht nur deshalb, weil auch hinter dieser letzteren die Strafdrohung steht. Und wirtschaftlich vernichtende zivil- oder verwaltungsgerichtliche Urteile wirken in aller Regel viel schwerer als das durchschnittliche Strafurteil, aus ihren Folgen hilft keine Rehabilitierung, über den so Geschlagenen beugt sich keine Gemeinschaft in resozialisierender Güte, hier gibt es keine Gnade. Was macht also die Besonderheit der richterlichen Strafgewalt auses ist nicht nur, nicht so sehr vielleicht die Fühlbarkeit ihres Zugriffs als vielmehr jenes Unwerturteil, das eben doch und immer das Straf18 Letsner

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D. Triumphale Formen der Staatsorganisation

urteil bringt, das in der Gemeinschaft, von vielen Rechtsgenossen wiederholt, fortlebt. Hinter ihm aber steht die Vorstellung vom Kampf des Guten, wie es hier Staat und Gemeinschaft repräsentieren, gegen das Böse des übersteigerten Individualismus. Das Strafverfahren ist in diesem Sinne die Fortsetzung der polizeilichen Unrechtsverfolgung mit anderen Mitteln, hier kommt der Kampf von Gut und Böse zu einem für das Staats-Gute siegreichen Abschluß, das heißt aber: Hier triumphiert der Staat mit seiner ganzen Verwerfungsmacht über das Böse. Darin liegt ein Ausdruck des Staatstriumphalismus, und er ist der Dritten Gewalt vorbehalten, welche damit die moralischen Standards in der Gemeinschaft setzen darf. Früher lag dieses Recht weithin bei einer anderen Macht, und auch sie war ganz wesentlich triumphalistisch legitimiert, nicht zuletzt deshalb auch zur Verhängung der Strafe berechtigt: die Kirche, bis hin zu den schwersten Formen der Inquisition. Der Staat kann zwar über seine Feinde in vielen Formen triumphieren, vom Schlachtfeld angefangen - über das Böse in seinen Bürgern und damit in sich selbst jedoch nur in der "inneren Triumphalität der Gerichtsbarkeit". Die Demokratie mußte dies besonders betonen, einen großen Teil ihres Rechtes der Sicherheit und Ordnung in das Strafprozeßrecht verlegen, weil sie nur in der Unabhängigkeit ihrer Gerichtsbarkeit die innere Ordnung feiern kann. Law and Order haben etwas Triumphalistisches, in ihrer höchsten Steigerung bedeuten sie ja das Imperium; ihre schärfste Bewehrung, ihr wahrhaft Triumphales, bringt die Gerichtsbarkeit des Strafrichters. Hier sind auch die alten UnterscheiGerichtsbarkeit des Strafrichters. Hier sind auch die alten Unterscheidungen von iustitia distributivaund iustitia commutativa überhöhtdie Strafjustiz ist im Grunde weder dem einen noch dem anderen eindeutig zuzuordnen, hier lebt die iustitia triumphalis, die den Sieg über das Böse erringt, über deren Pforten wie früher über denen zur Kirche stets unsichtbar das "non praevalebunt" steht: Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden. Deshalb auch sollte der Streit um die Strafrechtfertigung nicht nur um die alten Begriffe der Abschreckung und der Sühne geführt werden, jene ist immer wieder so schwer beweisbar, dieser fehlen mehr und mehr die religiös-moralischen Grundlagen. Erweitem wir all dies auf einen dritten Begriff, den des Staatstriumphs im Sieg über das Gemeinschafts-Übel, so wird die Legitimation indiskutabel, unanfechtbar, wie eben jener Triumph, den hier die richterliche Strenge feiert. Strafe muß wieder weit mehr mit der Staatlichkeit in Verbindung gebracht werden, darin Hegt der richtige Grundsatz eines politisierenden Verständnisses, das heute von denen gefordert wird, welche die

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Strafen zurückdrängen, vielleicht vollends abschaffen wollen aber in .e inem erstaunlichen Mißverständnis: Wenn Strafgewalt auch Politik bedeutet, deren triumphaler Ausdruck ist, so kann sie nicht zurückgeworfen werden, ohne daß ein entscheidender geistiger Kraftverlust in der Gemeinschaft eintritt und ihrer Politik. Nicht grausam darf sie werden, denn eine solche Gewaltherrschaft hat nie Bestand haben können, in der Flexibilität und Allseitigkeit der hier triumphierenden Staatshoheit muß sich das Reich entschieden und bewußt bewähren. e) Gnade -

Triumph der Stärke

Gnade gehört untrennbar zur Strafe, sie ist ein wesentliches Attribut der strafenden Staatsgewalt, so wie der gnädige Gott das andere Gesicht des furchtbar strafenden Richters zeigt. In schöner Wortverbindung bringt dies die italienische Staatsorganisation zum Ausdruck, wenn dort vom Ministro di Grazia e Giustizia die Rede ist. Der Staat ist so groß in seiner Dritten Gewalt, so unwiderstehlich triumphierend, daß er auch darin noch seine Sieghaftigkeit zeigen darf, wie er auf Strafe zu verzichten mag. Gnade im Einzelfall und Amnestie in der größeren, typisch demokratisch-normativen Form schalten die beiden anderen Gewalten des Staates ein in die triumphale Ausübung der Strafgerichtsbarkeit. Denn nichts anderes bedeutet ja dieses Vergessen und Verzeihen als eine Ausübung der Strafgewalt im umgekehrten Sinne, aus einer Größe heraus, die sich in diesen Augenblicken stets triumphal weiß. Die ganze Praxis der Gnadenerweise, in welcher Form immer, hat dies ja stets deutlich gemacht: Der Staat weicht nicht vor dem Übel, vor dem Täter zurück, solange die Schlacht nicht endgültig geschlagen, sein Sieg über die inneren Widersacher nicht ein totaler ist. Die Gnade kommt aus der Endsiegstimmung, nur dann wirkt sie nicht staatszerstörend, sondern staatserhöhend, wenn sich in ihr die Sicherheit des Sieges zeigt in seiner Endgültigkeit. Dann, wenn dies erreicht ist, wird sie auch zur tiefen staatsgrundsatzliehen Notwendigkeit, und darin hat sogar die Demokratie mit ihrem "Recht auf Gnade" ein gutes politisches Gespür gezeigt, mag sie dies auch in die unangebrachten normativen Formen gekleidet haben - sie kann eben nicht anders als normativ denken: Wenn eine gewiSse Quantität von Strafleiden zugefügt worden ist, so ist der Sieg über das Böse errungen, was dann noch käme, wäre nur mehr die sinnlose Qual jenes Rechtssubjekts, in dein letztlich ja nicht der Mensch, sondern das Staats-Übel getroffen werden soll. Dann wird die Gnade zur triumphalen Notwendigkeit, weil "der Strafzweck erfüllt ist", und er liegt eben längst nicht nur in Buße und Abschrek18°

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kung, er ist dann erreicht, wenn sich der gebesserte Bürger voll wieder einreiht in den Triumphzug der Staatsgewalten- oder wenn er, weil "nicht mehr gefährlich", dort ohne Handschellen wieder mitlaufen darf. Gnade hat immer etwas Feierliches, das in Befriedung Triumphalität zeigt, nicht umsonst ist das Verzeihenkönnen immer und überall als Zeichen der Größe gewertet worden. Die großen Amnestien waren politische Friedensschlüsse, die kleine Gnade ist es auch, darin zeigt sich eben der Staat groß genug, daß er die Wiederaufnahme der Gefallenen, Geschlagenen, und nur zu oft auch wirklich der politisch, ja militärisch Besiegten feiern darf. Gnade als Sieg - das gäbe wohl künftiger Staatlichkeit weit klarere Kriterien an die Hand für die immer so schwere Entscheidung, ob der staatliche Strafanspruch der staatlichen Güte geopfert werden soll. Aus solcher Sicht könnte auch der odiose Gegensatz zwischen richterlicher Strafgewalt und ihrer Annullierung in der Gnade überhöht werden, Exekutive und Legislative stehen hier nicht auf gegen ihre Richter, wenn sie deren Triumph nur im Verzeihen fortsetzen; solange Richterproteste gegen überzogene Gnadenerweise denkbar sind, sollten sie nicht erfolgen. Denn Individualgnade und Normativ-Amnestie sind doch nur Fortsetzung des Straftriumphs mit anderen Mitteln, denen seiner Beendigung, und hier wird die Spitze tätig, die Vertreter einer Imperialität. Deshalb kann auch nur die souveräne Gewalt, das amnestierende Parlament oder die oberste Spitze der Staatlichkeit, den Sieg des Staats-Guten verkünden. Amnestie-Kraft hat noch immer Gemeinschaften erhöht, die Unfähigkeit des Verzeihens, die ewig fortgesetzte Rache sind ein Ausdruck der Unimperialität, und dies hätten die Gewalten der Bundesrepublik Deutschland beherzigen sollen, anstatt Strafjustiz bis in die Sinnlosigkeit der fehlenden Erinnerung hinein fortzusetzen, damit haben sie in bedauerlicher Form nur eines bewiesen: daß ihre Staatlichkeit der großen Triumphalität nicht mächtig ist, die auch höher noch aufsteigt als das schwerste Verbrechen. Wenn es einst im Namen eines Reiches begangen wurde, so muß es heute auch im Selbstbewußtsein einer neuen Imperialität überwunden, vergeben werden können. Die geistigen Wunden, die diese politische Kleinheit hinterläßt, sind tiefer als das, was sie in menschlicher Verständnislosigkeit im Einzelfall angerichtet hat, sie, die nach der Präambel ihrer Verfassung im Namen eines Gottes handeln will, dessen Güte noch immer größer ist als die größte Schuld.

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f) Verfassungsgerichtsbarkeit"große Staatlichkeit in Urteilsfcirm" Mit der Verfassungsgerichtsbarkeit hat die moderne Demokratie eine neue Institution geschaffen, einen bedeutenden Ausrlruck neuartiger Triumphalität, hier hat sie bewiesen, daß jede Zeit ihren Beruf zur Sieghaftigkeit des Imperialen hat. In der Idee schon des "höchsten Gerichts", das hier nun diesen Namen wirklich verdient, liegt der Triumphalismus des letzten Wortes, das noch immer sieghafte Souveränität bedeutet hat. Solange dieser oberste Gerichtshof den Namen des Reiches in Deutschland trug, vor allem aber doch die kleinen großen Prozesse der Bürger um Mark und Pfennig entschied, war da mehr "reine Triumphalität" als greifbarer politischer Staatssieg, mehr die reine Würde der roten Roben als die Feier des politischen Großerfolges. Mit dem einen, obersten Verfassungsgericht ist die Idee der Triumphalität an der Spitze der Dritten Gewalt in das Zentrum der politischen Staatlichkeit hineinverlegt worden- durch ein Gericht als Verfassungsorgan, als wahrhaft oberstes Staatsorgan - in all dem, was eben Gerichtsbarkeit hier bedeuten kann. Hier ist nicht nur das große äußere Erscheinungsbild, der wahre Staats-Prozeß, der von den Medien überall hingetragen wird, mit seiner Beendigung im "Urteil als Staatsakt". Da sind vor allem die großen Entscheidungen, in ihrer politischen Dezisionskraft oder in der höchsten Steigerung des Praecedens, bis hin zur negativen Gesetzgebung des kassierten Gesetzes. Alles, was in der Gesetzgebung triumphalistisch ist, was in den großen Akten der Zweiten Gewalt staatsgrundsätzliche Höhe erreicht, wirkt auch in der Verfassung-sgerichtsbarkeit als großes Ereignis, und noch in einer ganz besonderen äußeren Form, in der wiederum greifbare Triumphalität zum Ausdruck kommt: Hier verbindet sich die Sieghaftigkeit des Prozesses mit dem Sieg der politischen Entscheidung. Gesetzgebung, ja Außenpolitik wird zelebriert im wahren Sinne des Wortes, Augenblicke, wie die des Erlasses des Grundvertragsurteils, haben es eindrucksvoll gezeigt. Entscheiden mag der Staat in vielen Formen Bedeutendes, kaum je erreicht er so die Dimension der Feier, im Namen des größeren Verfassungstriumphes. Denn dies steht mit einer wahren Imperialität hinter der Sieghaftigkeit des Verfassungsurteils: In Wirklichkeit wird hier die Verfassung Realität, in der Durchsetzung ihrer Wertentscheidungen. Ins Bewußtsein der Bürger wird die Verfassung in ihrer ganzen Imperialität ge-

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hoben, als höchste Charta, welche ein Reich mit allgemeinsten Formeln ordnet, welche dann fortgedacht werden kann in den vielen Gesetzen, die die Pluralität unter der Kuppel ordnen. Verfassungstriumph als Gerichtstriumph - das sind wahrhaft neue, imperiale Formen der Staatlichkeit, als solche sind sie den Richtern bewußt, und es sollte von den berichtenden Medien in das Bewußtsein aller Bürger gehoben werden, daß unter dem Adler etwas wie eine Reichsfeier stattfindet, im Fortdenken der Triumphalität der Verfassunggebung in den großen Einzeltriumphen der Verfassungsurteile. Da ist etwas von der Idee der "Gerechtigkeit in Stufen", wenn deren oberste so eindrucksvoll deutlich wird; da wird auch etwas von der Unverbrüchlichkeit des normativen Siegeserlebnisses sichtbar, weil es ja nun nicht, wie einst vor dem Reichsgericht, hervortritt in der Anwendung jener einfachen Gesetze, welche jede Reichstagsmehrheit für die Zukunft verändern konnte. Hier, vor der Verfassungsgerichtsbarkeit, erreicht die Triumphalität der Dritten Gewalt eine ganz andere Dimension, ist sie doch auch materiell gehalten von einer Verfassung, welche die anderen Staatsgewalten kaum ändern werden. Die Demokratie wollte ihre Gerichtsbarkeit höher setzen als frühere Ordnungen, in ihr sollte etwas von der Majestät des Reiches weiterleben. In der Verfassungsgerichtsbarkeit ist ihr dies gelungen. Hier triumphiert unwandelbares Recht, der Richterspruch der Menschen ist großer Rechts-Sieg und Reichs-Sieg in einem. "Unten" in der Gerichtsbarkeit mag "vor allem Recht" sein- ganz oben, vor den Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, ist "vor allem Reich".

IV. Bildungstriumph 1. Der Bildungsstaat - Oberwindung des kulturellen Wahrheitsliberalismus Die Wahrheit ist dem Staat, der triumphieren kann, immer gleichgültig - zumindest bis zu einem gewissen Grade setzt er sich in seinem Sieg auch über sie noch hinweg. Doch jene Bildung, deren vornehmste Aufgabe für uns heute die Wahrheitsvermittlung ist, war nicht nur immer bedeutende staatliche Aufgabe, gerade ein triumphales Gemeinwesen hat sie stets ernst genommen, in ihr auch Triumphe gefeiert. Der Bildungsstaat der demokratischen Gegenwart und sicher noch mehr der Zukunft, in welchem heutige Gemeinwesen zuallererst ihre Legitimationen suchen und finden, muß daher, mehr noch als so mancher andere Aspekt der Staatlichkeit, untersucht werden auf Elemente der Triumphalität, aus welchen wir immer wieder Staatsmächtigkeit haben entstehen sehen. Wenn sie hier sich findet, ist sie ein

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sichereres Fundament großer Staatlichkeit als frühere militärische Triumphe, wenn hier das Erfolgsdenken verlorengeht, ist viel an Imperialität vergangen. Der modeme Bildungsstaat muß hier vor allem eine Krise überwinden, in welche ihn die Auseinandersetzung mit dem kulturellen Wahrheits-Liberalismus geworfen hat. Bildung aus Wahrheitssuche und Wahrheitsvermittlung, durch Rationalismus und Aufklärung immer mehr zum Axiom gesteigert, hat die parastaatliche Macht der Kirche aus den organisierten Bildungsanstrengungen der Gemeinschaft verdrängt, doch der Staat konnte dort nicht voll ihren Platz einnehmen. Die Kirche hatte ja über viele Jahrhunderte hinweg Bildung mit dem Ganzheitsanspruch einer durch und durch triumphalistischen Institution vermittelt. Wahrheit und Methode wurden akzeptiert, aber letztlich doch nur als Wege zu immer vollständigerer Erkenntnis des einen großen Gottestriumphes in der Erlösung. Diese Gesamtdimension hat alle Bildungsanstrengungen durchgreifend geprägt, zuletzt noch in der schon intellektualisierten Geisteswelt der Jesuitenerziehung. Der neue republikanische und demokratische Staat, der, zuerst in Frankreich, ihr Bildungserbe antreten wollte, ist, nach einigen gescheiterten revolutionären Anläufen zu einer religionsähnlichen BürgerBildungs-Schule, bald dem vordringenden Bildungs- und Wissenschaftsliberalismus erlegen, welcher nun das Erbe von Rationalismus und Aufklärung immer höher steigerte, in einem Sinne vor allem: Die Staatlichkeit, wie triumphalistisch sie sich auch aus ihren revolutionären Ursprüngen heraus gebärden mag, verzichtet auf den Bildungstriumphalismus früherer Epochen, sie fällt zurück auf die liberale Bildungspolizei, auf die Überwachung geordneter Wahrheitssuche und -Vermittlung für jedermann. Rasch konnte sodann der Liberalismus gerade hier den Primat des Privaten durchsetzen, in der "unpolitischen Staatsfeme" wurde die beste Bildung gesehen, sei es nun wieder in privaten Unterrichtsanstalten, sei es aber auch dort, wo, wie in Deutschland, das staatliche Schulmonopol sich weithin durchset.zen konnte auch hier wurde ja sehr bald alles Bildungsbemühen in "unpolitische" Staatsfemen verbannt. Ganz unpolitisch war diese rationalisierte Wahrheits-Bildung sicher nicht, und sie ist denn auch in ihren Wilhelminischen Erscheinungsformen scharf kritisiert worden, in welchen sie in der Tat, in der Vermittlung klassischer Inhalte vor allem, die moderne lmperialität des II. Kaiserreichs der Jugend nahebrachte. Dann aber endete all dies bald in Krieg und Republik, und was hätte die staatliche Schule in Deutschland seit den zwanziger Jahren anderes bieten können als das

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Bild einer zerbrechenden geistigen Einheit, als einen Eklektizismus, dem an Substanz in der Tat nur mehr das liberale Wahrheitsstreben blieb? Wieviel dies auch bedeuten mochte, vor allem einer höher entwickelten Elite, insgesamt war dies eine geistige Katastrophe: Der große Bildungsschwung, der noch einen Humanismus getragen hatte, war nunmehr aus Schulen und Universitäten verschwunden, denn die Bildung hatte alles Strahlende, eben die Verbindung zum großen Triumphalismus früherer Staatlichkeit und Kirchlichkeit, verloren. Die gewaltsamen Versuche des Nationalsozialismus waren eine Reaktion dagegen, die geistig nichts mehr ändern konnte, zu hart und oft wahrheitswidrig sollte hier nun ein Triumphalismus aus dem Nichts geschaffen werden. Die Demokratie der Nachkriegszeit hat ihren Bildungsauftrag voll und sicher noch tiefer als die Weimarer Republik erkannt, doch staatsrechtlich ist auch sie nicht über die frühere liberale Bildungspolizei der überwachten Wahrheitssuche hinausgekommen. Der Demokratie unserer Tage ist, ob sie nun "bescheiden" bleiben will oder imperiale Anstrengungen unternimmt, jedenfalls eine Aufgabe deutlich gestellt, die als solche auch längst erkannt ist: Sie muß den Bürger "zu sich erziehen", hinziehen zu staatsgrundlegenden Erkenntnissen, aber auch Kräften. So erklärt sich die ganz allgemeine Überzeugung, daß eine "Erkenntnissuche um ihrer selbst willen" nicht genügen könne, mag dies nun mit Nützlichkeitserwägungen der hochtechnisierten Gesellschaft begründet werden oder mit einer politischen Ideologie, welche der Bildung ein neues, para-religiöses Weltbild unterschieben will. Die richtige Erkenntnis liegt darin, daß der Schule und sogar der Hochschule, um mit Karl Marx zu sprechen, nicht nur die Aufgabe der Analyse unserer Welt gestellt ist, daß es vielmehr gilt, sie zu verändern. Dies verlangt die Begeisterung der Jugend, mehr noch aber fordern es die Bedürfnisse einer Staatlichkeit, die nur darin jenen begeisternden Fortschritt in die Gemeinschaft tragen kann - all das, was man eben früher Triumphalismus genannt hat. Der Wahrheitsliberalismus ist tot, nicht weil die Wahrheit es wäre, sondern weil es immer gilt, sie auch zu feiern, zuallererst, und weil sie erfunden werden muß, wenn sie nicht als eine feierbare erkannt werden kann. Der Wahrheitsliberalismus der bisherigen Erziehungsstaatlichkeit dichtet dem Staat zuviel an Selbstverständlichkeit an, zu wenig erkennt er, wie all dies immer wieder mit großen Anstrengungen geschaffen werden muß, was die Bürger zusammenhält. Das Siegeserleb-

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nis hat er aus den Meditationen seiner antikisierenden humanistischen Säulenhallen verbannen wollen, dem Triumph wollte er nur mehr in der Geschichte begegnen, bei Salamis und Actium. Das alles aber kann nur Bildung sein, wenn, in der Tat, "es erreicht ist", wenn das Reich schon besteht, und wenn es nicht immer von neuem gewonnen werden muß. Eines jedenfalls war diese liberale Bildung nie: begeisternd für die große Zahl. Und wollen wir im folgenden "Begeisterung" sagen anstatt "Triumph" - dann wird sich gleich ein Konsens um die These bilden, daß es einer neuen, großen Bildungsanstrengung bedarf, damit in der Jugend jenes Siegesgefühl entstehe, aus dem allein heraus "die Zukunft gemeistert" werden kann, wie es so bildhaft heißt. Wenn die Demokratie aus allem und jedem den Triumphalismus ausmerzen kann - aus Bildung und Erziehung darf sie ihn nicht verbannen, sonst kommt er erst recht mit brutaler Gewalt und in der Unbildung der reinen Kraft zurück. Von zivilisiertem Verhalten ist heute so wenig die Rede, und doch bedeutet es gerade hier so viel: Der Bürgertriumph wird in Bildungserfolgen gefeiert, in einer Bildung, die zum Erfolg führt, weil sie vom Erfolg berichtet, geistige Organe für ihn entwickelt. Was auf Schlachtfeldern nicht mehr zum Imperium emporwachsen kann, dem kann es in Schulen gelingen, Schulen der Nation zum triumphalen Denken. 2. Erfolgsdenken als Bildungsinhalt

Daß diese große Aufgabe eines neuen Erfolgsdenkens durch Bildung heute erkannt ist, auch von den politisch Verantwortlichen, zeigt die wachsende Diskussion um die Aufgabe des Staates, Bildungsinhalte zu bestimmen. Sicher wehrt sich hier mit Recht alles, was der Liberalismus in unserer Welt an Gutem hinterlassen hat, gegen ein materielles staatliches Bildungsdiktat, welches neue Staatswahrheiten den jungen Bürgern "zum Glauben vorstellen" wollte. Und doch wird gerade dies heute laufend versucht, nicht zuletzt in einer eigentümlichen Form von Krypto-Triumphalität, darin nämlich, daß neue, als sieghaft vorausgesetzte Axiome und Dogmen, jedenfalls weithin begründungslose Ideologien, in Lehrpläne und Studienordnungen geschoben werden sollen. Darin ist dann häufig sehr viel mehr Sieghaftigkeitsstreben, als es auf den ersten Blick und in den prosaischen Formen erscheinen mag. Doch hinter komplizierten soziologischen oder politologischen Begriffsbildungen stehen nur zu oft Inhalte einer marxistischen Weltanschauung, welche ganz wesentlich triumphalistisch in die Bildungsinhalte einbrechen will: Mit unverbrüchlicher Sicherheit wird ja die Wahrheit

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des sozialen Egalitätstriumphes verkündet, in den militärischen Erfolgen kommunistischer Staatlichkeit sogar wird ihre Bewährung, oft recht unverhohlen, gefeiert. Ihre große Kraft ziehen solche Bestrebungen in der Tat aus dem leeren Raum, in den sie hineinstoßen: Ihre Urheber haben erkannt, daß es um neuen Bildungstriumphalismus geht, und sie wollen der Jugend politisch sieghaftes Erfolgsdenken in ihren sozialistischen und materialistischen Kategorien darbieten. Wo immer dies gelingt, dort zieht ein neuer Triumphalismus in Schulen und Hochschulen ein, und daß von ihm der Weg dann direkt ins Reich führt, das haben das östliche Imperium und seine Rand-Königreiche eindrucksvoll bewiesen. Im ökonomisierten Westen geht man noch andere Wege zur Bestimmung von Bildungsinhalten, soweit man nicht, ohne es zu wissen, schon auf östlichen wandert: Das "Nützliche" für die Gemeinschaft soll das große Kriterium abgeben, aus dem dann der "Lehrplan" der Nation in vielfacher Brechung, in unzähligen Einzelformen entwickelt wird. Diese Funktionalisierung der Bildung versteht sich in dem Sinne jedenfalls als Antwort auf die Krise des enttriumphalisierten Bildungsstaates, daß auch hier alle Unterrichtsanstrengungen wieder in einem gewissen, wenn auch recht weiten Sinn, "politisiert", jedenfalls auf die Gemeinschaft bezogen werden sollen; und dies ist ja immer der erste Schritt für eine öffentliche Erfolgsanstrengung, daß die totale Privatisierung der Bildung aufhört, diese wieder "in die Gemeinschaft zurückverlegt" wird. Doch solche Funktionalisierung, wir sahen es bereits an mehreren Stellen, kann das Grundproblem, die Auffüllung des bildungsmäßigen Triumphdefizits, allein nicht lösen. Nicht nur, daß sie eine große und gefährliche Leerformel bietet, auf welche sich der Staat zur Errichtung eines nahezu vollständigen Diktats der Bildungsinhalte berufen kann - sie bietet andererseits wiederum nicht die belebende Kraft, aus der heraus nun der Gemeinschaft wirksam genützt werden soll, und sie ist allzu tagtäglich-praxisbezogen, als daß sie noch jenen größeren Atem hätte, der im liberalen Privat-Kulturstaat verlorengegangen ist. Sie ist im einzelnen auch zu leicht freiheitsvemichtend konkretisierbar, als daß noch etwas von der doch an irgendeiner Stelle noch zu bewahrenden liberalen Freiheit erhalten bleiben könnte. Hier also muß die Entwicklung ansetzen: In der Erkenntnis wohl, daß alle Bildungsanstrengung auf den Nutzen des Staates, mit demokratischen Worten gesprochen: der organisierten Bürgergemeinschaft ausgerichtet sein muß, aber in jener freiheitsbewahrenden Allgemeinheit, welche mehr Grundgehalte und Grundstimmungen als Einzellösungen tagtäglicher Nützlichkeit bringen will. Überhaupt kann es

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eben nicht ein schwer und in einer hochtechnisierten Welt immer schwerer vorauszuberechnender Nutzen sein, der hier alles bestimmen darf. Gerade angesichts der unübersehbaren künftigen Entwicklung muß ein mächtiger "Generalismus" der Bildung erhalten bleiben, dies aber bedeutet, daß weit mehr große Zusammenhänge und Kontinuitäten, Ideen, Entwicklungen vermittelt werden müssen als mehr oder weniger große Einzelergebnisse gefundener Wahrheit. Die Aufgabe lautet also: Nicht Funktionalisierung der Bildung Finalisierung, Ausrichtung auf diejenigen Bildungswerte, durch welche sich ein größeres Erfolgsdenken entfalten kann, in denen nicht nur Wahrheit liegt, sondern in welchen Wahrheit triumphierend sich zeigen kann, Bildung schließlich als Verehrung und Feier dieser Wahrheit, die Kraft für die Zukunft gibt. Wiederentdeckt werden sollte eine Bildung zu Gemeinschaft und Staat, mehr noch: hinauf zum Reich. Die Weitergabe der Reichsidee kann mit ihren Bildungsinhalten zu Erfolgsdenken befähigen. Bildungszustände sind kein Triumph, doch Bildung - das muß zum Triumphieren ausbilden, alle Bildungsinhalte sind gut, die das näherbringen.

3. Erfolgsdenken im Unterricht a) "Primat der Geschichte" Junge Menschen sind aufgeschlossen für die Größe der Reichsdimension und ihre Begeisterung, weil sie auch ihr Leben noch groß sehen, mit vielen· möglichen Erfolgen. So muß denn eine Schule, in der sie zum ersten Mal ihrem Staat begegnen, jenes Erfolgsdenken in in den Mittelpunkt stellen, in welchem der Anlauf zum großen Gelingen und die Überwindung des Mißlingens zu Leitkategorien eines Bürgerlebens werden können. Die Schule als solche triumphiert nicht, in ihr können immer nur recht kleine Siege gefeiert werden, doch ihr allein ist es letztlich gegeben, ein Organ für jene Imperialität zu entwickeln, welche dann im Leben etwas aufnehmen und entwickeln kann, das größer ist als alles Gelernte. Erfolgsdenken ist, wir sahen es schon, wesentlich vermittelbar, Triumphalität kann, bis zu einem gewissen Grade, gelehrt und gelernt werden. Seit Jahrhunderten war dies, neben der Erziehung zu menschlichen Tugenden, das Hauptbildungsziel unserer Welt. Unausgesprochen stand es hinter den vielen einzelnen Bildungsr:ielen, mit dem Primat der Geschichte hat es, in vielen humanistischen Generationen, die Reichsidee erhalten, auch wo kein Imperium mehr war, in der Erinnerung nicht nur- im Lernen alter neuer Erfolge.

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Historie und Geschichtsbewußtsein als erstes Bildungsziel - das kann sich nie allein aus Nützlichkeit rechtfertigen, auch nicht aus Klassenbewußtsein allein. Wer es nur versteht als müde Relativiening aller menschlichen Abläufe, die nichts neues mehr findet unter der Sonne, oder sogar vor einer ewigen Wiederkehr des Vorgedachten resigniert, hat den tieferen, eminent politischen Sinn dieses Bildungsprimats nicht erkannt: Er liegt nicht in der Horizontale einer dahinfließenden Geschichtlichkeit, sondern in deren mächtigen Höhen und Tiefen, welche, den Wogen gleich, sich immer wieder emportürmen. Wie kaum ein anderer Unterricht kann dieser immer wieder begeistern, wenn die Darstellung vordringt zum ganz großen Gelingen, zu einem tiefen Fall, der aber überwunden wird. Nicht Historie als Wissenschaft, wohl aber die in Schulen gelehrte Geschichte ist so im letzten nichts anderes als vern1ittelte, wiedererlebte Triumphalität. Kernkategorie dieses Faches ist dort der "Höhepunkt", auf den sich etwas zubewegt, aber nicht nur in solcher Dynamik triumphiert das Erfolgsdenken, Geschichte ist in der Schule auch die erste Begegnung mit dem Begriff der längeren Dauer, der größeren, dauernden Ordnung. Reichskategorien sind es also, welche so geweckt und eingepflanzt werden, und der politische "Nutzen" des Faches war seit J ahrhunderten ebenso diskret wie sicher: Er lag in der Legitimation gegenwärtiger Staatlichkeit aus den Großerfolgen der Vergangenheit und ihrer Imperialität. Neuartige Politisierungsversuche der Schule haben dies wohl erkannt und, aus ihrer antitriumphalistischen Grundhaltung heraus, gerade dieses Fach verdrängen wollen, in welchem zum ersten Mal den jungen Menschen von einem Reich erzählt wird. b) Naturwissenschaften- Erfolgsmaterien Im Humanismus hat historisches Denken alle Geisteswissenschaften geprägt, aus einer Antike heraus, deren Imperialität auf diese Weise die gegenwärtige Generation erreichte. Da wurden die Großerfolge der Literatur gefeiert und der Kunst, der Unterricht begab sich auf die Via triumphalis des modernen Fortschritts aber auch und gerade in den Naturwissenschaften, welche in der Geschichte der Entdeckung als Träger von Großerfolgen bewußt wurden. Und im Grunde ist ja gerade aus der Sicht eines Erfolgsdenkens ein Gegensatz von "geschichtlichen" und "naturwissenschaftlichen" Bildungsinhalten absurd: Naturwissenschaft fasziniert gerade durch das beweisbare, eindeutige Erfolgserlebnis, in unserer Zeit wird hier mehr triumphiert als je zuvor in der Geschichte. Doch zum anderen

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werden sich eben diese Wissenschaften ihrer Größe und Bedeutung für die Gemeinschaft und das menschliche Denken überhaupt erst in Geschichtlichkeit bewußt: indem ihre Erfolgsketten geknüpft werden, Entdeckungen, Erfindungen sich aneinander reihen. Nirgendwo wird heute in unserer Welt soviel an Triumphalität aufrechterhalten und tagtäglich gelehrt wie in jenen "Erfolgsmaterien", und der junge Mensch, der sich ihnen verschreibt, stellt hier sicher nicht in erster Linie Nützlichkeitsberechnungen an, weder für sein eigenes Leben noch für das der Gemeinschaft, er reiht sich ein in den großen Triumphzug eines menschlichen Geistes, der rechenbare und darin dauernde Ordnungen geschaffen hat. Naturwissenschaften und Historie befruchten sich so gegenseitig, gerade auf der Ebene der Schule, wo der Fortsetzungszusammenhang stets im Mittelpunkt stehen muß, wo nur der fortschreitende Erfolg im letzten lehrbar ist - das Große, welches gelingt. In solcher Sicht verflacht das Problem, ob es "nationale Bildungsinhalte" geben kann, ob sie verstärkt werden sollten. Wo immer Schule im Di:enste des Erfolgsdenkens steht, ist diese Frage zweitrangig. Der Großerfolg, der eigentliche geistige Triumph mag nationale Ausgangspunkte haben, im Grunde ist er stets und rasch über die Grenzen hinausgewachsen. Seine lmperialität liegt ja darin, daß er sich viele Länder unterwirft, in allen zum großen Gelingen wird oder doch eine Chance hat. Dieses Erfolgsdenken hat Staaten als Grundlage, damit es ihre Grenzen überschreite, in ihm müssen sie sich fühlen als "Provinzen zum Reich" -und darin ist das Nationale im Unterricht auch wert, gepflegt zu werden, als etwas, das im Großerfolg überwunden werden kann. c) "Methode aus Erfolg" -

Begeisterung

Erfolgsdenken in der Schule ist schließlich nicht nur eine Frage von Bildungsinhalten, es prägt auch die Erziehungsmethoden. Vereinfachung zuallererst ist geboten, soll das große Gelingen lehrbar werden. Was in allzu breiter Faktizität zerfasert, verliert die Geschlossenheit des imperialen Großerfolges, es wird bestreitbar, abgewertet. So sollte dies denn eine Schule, welche ihre imperiale Mission ernst nimmt, späterem wissenschaftlichem Bemühen überlassen, ihr bleibt im Grunde das Schönere: die Richtpunkte zu setzen, die begeisternden Höhen, welche immer orientieren, auch wenn sie später erklommen werden. Schule und Unterricht müssen das große Gelingen herausstellen, Götter und Halbgötter vorstellen, solange gibt es für sie kein Verbot der terrible simplification, wie sie an Großerfolgen

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D. Triumphale Formen der Staatsorganisation

zeigen können, was überhaupt Gelingen bedeutet und ein Sieg auf Dauer. Über allem aber steht ein anderes, mit dem wahres Erfolgsdenken vermittelt werden kann: eine Begeisterung, welche wohl allein die prosaische Schule vergessen läßt. Daß ohne diesen Funken Bildung und Schule sinnlos werden - jeder weiß es. Doch dies ist kein Göttergeschenk, welches dem einen Lehrenden unerklärlich gegeben, dem anderen versagt bleibt. In erster Linie müssen sie sich alle für etwas begeistern können, und der Großerfolg allein ist es, der den sprödesten Betrachter zur Bewunderung bringt. Denn hier schließt sich ja die begeisternde Feier wahrhaft imperial wirkender Großerfolge an jenes Bewundern an, mit dem einst Philosophie und Paideia begonnen haben: Das Erstaunen wird geweckt, und damit geistige Anstrengung zur Bewältigung der Erscheinungen, in erster Linie aber gilt dies für jenen Großerfolg, der geistig begriffen und dann in menschlicher Tat nachvollzogen werden will. Begeistern werden immer Lehrer können, welche selbst das Organ des Erstaunens, der Bewunderung in sich entwickelt haben, es bei jungen Menschen zu entfalten vermögen, zuallererst aber in der Begegnung des ganz großen vergangeneo und damit zugleich noch gegenwärtigen Erfolges. Zu hohlem Pathos sinkt die Begeisterung ja nur dort ab, wo hinter ihrem Putz nichts steht, kein Großerfolg, der über Jahrhunderte wirken oder auch nur dauern konnte. d) Schule - der "kleine Wächterstaat" "Wer bewacht die Wächter"?- dieser Frage mußte sich eine der großen imperialen Staatskonstruktionen der Politik stellen und letztlich tritt sie auch hier auf: Wer lehrt die Lehrenden? Die Antwort ist immer dieselbe: Wächter werden bewacht durch das Reich, das sie schützen, ihre Sicherheit ist der Großerfolg, den sie bewahren und fortsetzen. Über diesen Wächtern kann nur eine größere politische Idee stehen, eine wahre Staatsgrundsatznorm, in deren Namen sie Macht über Bürger ausüben. Und ebenso die Schule, der "kleine Wächterstaat": Ihre Lehrenden können nicht wieder "nur ausgebildet" werden, "nur gebildet, damit sie andere bilden". In der Lehrerbildung spätestens stellt sich die Frage nach dem Bildungssinn unausweichlich, hier wird seine Entscheidung getroffen, und das ist stets, in den Kämpfen gerade um die Ausbildung, bewußt gewesen. Wer ein Erfolgsdenken in Bildungsinhalten und Bildungsmethoden erstrebt, darin den Weg zu einer größeren, dauernden Ordnung zu gehen versucht, der muß diese Kate-

IV. Bildungstriumph

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gorien des großen Gelingens und Mißlingens vor allem, mit all ihrer Begeisterungskraft, einführen in die Bildung der Lehrer. Hier darf nicht der homo faber ausgebildet werden, der andere kleine und immer noch kleinere Menschen Tricks und Kunstfertigkeiten lehrt, damit sie sich durchs Leben winden können; der größere Atem des Erfolges muß die Lehrenden schon in ihrer Jugend erfassen, damit sie ihn weitergeben können, und ihre Großerfolge feiern sie ja auch in den zahllosen Leben ihrer Schüler. Erfolgsdenken als Bildungsinhalt - eine Ordnung, in welcher dies möglich ist, hat aus der Vergangenheit schon für eine ferne Zukunft ihr Reich weitergebaut. 4. Volks-Schule- die breite Begegnung mit dem Erfolg

"Schule des Volkes" -dies sollte, in einer Demokratie allzumal, ein Ehventitel sein, gerade die Volksherrschaft will die Volks-Schule, aus Klassenängsten heraus, nicht mehr kennen. Fast scheint es heute schon ihr Ziel zu sein, in allzu frühen Spezialisierungen und vorweggenommener Verwissenschaftlichung alles Unterrichten aus der Einfachheit des Anfangs in die Höhe der Komplikation zu heben. Darin ist, wieder einmal, auch viel Politik am Werk, bis hin zur Befriedigung von GruppenintereSISen. Doch was damit gefährdet wird, ist mehr als die geistige Entwicklung junger Menschen: Wo sich ein Abfall vollzieht von der Einfachheit des ersten Unterrichts, da droht sich jenes Erfolgsdenken zu verlieren, welches gerade in ihm erstmals gelehrt und aufgenommen werden kann. Volksschule - das bedeutet doch die große Chance zur Vereinfachung und zum Herausgreifen des Wesentlichen aus der Fülle des Stoffes, in einer Schwarz-Weiß-Malerei, die wir nicht beargwöhnen und nie ganz verlernen sollten. In ihr wird ja das Wesentliche wenn nicht erkannt, so einfach gesetzt, und darin liegt die große Möglichkeit, dem Erfolg in vereinfachter, faßbarer Fonn früh zu begegnen. Wenn Kinder von Königen hören wollen und von Feen, wenn der ganze erste Unterricht immer auch etwas Märchenhaftes haben muß, so ist dies nicht nur eine pädagogische, es ist zugleich eine tiefere politische Notwendigkeit, es soll eine größere, dauernde Ordnung befestigt werden: In diesem Unterricht werden ja die "Elemente" dessen vermittelt, woraus sich später das Staatsgefühl, das Reichsgefühl entwickeln kann. Da ist das ganz Große, welches weit über das eigene kleine Leben hinausreicht - der König und sein Reich; da ist die märchenhafte Dauer des Glücks derjenigen, von denen angenommen werden darf, daß sie "noch heute leben"; da ist aber vor allem das immer ganz

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D. Triumphale Formen der Staatsorganisation

große Märchenereignis, in dem sich das Unglück in Gelingen verwandelt. In all dem ist Triumphalität, eine wahre Elementarschule muß sie in den ersten Jahren vermitteln- wie ein Märchen. · Und wenn dann diese Stufe überschritten ist, so bleibt es doch, im Elementarbereich, bei der Aufgabe einer Richtpunkte setzenden Vereinfachung, in welcher wiederum der Großerfolg als solcher ganz deutlich hervortritt. Mit späterem differenzierenden Denken wird sich sicher manches relativieren, Volksschule - das ist und bleibt die Zeit der Leuchttürme, in denen das einfache, unbestreitbare Gelingen denen gezeigt wird, welche noch wirklich staunen können. Ein Unterricht, welcher dies unter Mitwirkung der Schüler erreicht, hat eines jedenfalls begriffen: das Erlebnisbedürfnis von Kindern, welche in ihrer Ungeschichtlichkeit noch ganz unmittelbar sind zum großen Erfolg, den sie im kleinsten finden und feiern. Was später nur mehr in historischer Nunancierung zu vermitteln ist, aus Sieges- und Erfolgsserien mühsam aufgebaut werden muß - der geistig beginnende Mensch erlebt diese Triumphalität noch ganz unzeitlich, wenn ihm etwas gelingt, so ist ihm für diesen Tag ein Lebenstriumph geschenkt worden. Darin liegt viel von dem, was wir den "reinen Triumphalismus" genannt haben, und eine Volksschule, welche Kinderfreude kennt, wird diesen Optimismus in junge Gemüter legen. Damit aber hat sie politi:sch Entscheidendes bewirkt: Erfolg und Triumphalität sind nicht gelehrt, sie sind erfahren worden. Nicht deshalb war und ist Volksschule das Rückgrat des Bildungsstaates, weil den jüngsten Bürgern Beliebiges vermittelt werden kann, weil sie ausgeliefert sind wie später geistig nie wieder. Die große Aufgabe ist es, welche über die Volksschule den Staat trägt, vielleicht ein Reich: daß ein Erfolgsdenken mit Macht und für immer die Bürger erreiche, ihnen Sicherheit gebe in jener Einfachheit, in welcher sie dem großen Gelingen begegnen durften. 5. Hochschulen -

Hohe Schulen des Erfolges

a) Studentischer Triumphalismus? Wenn die Schule vom Erfolgsdenken geprägt sein, zu ihm hinführen soll, so darf dies in späteren Jahren nicht abbrechen, es müßte sich eigentlich noch dort steigern, wo die sogenannten Hohen Schulen erreicht werden. Von ihnen führt ja unmittelbar der Weg in jenes aktive Bürgerleben hinein, welches die größeren Ordnungen der Gemeinschaft halten soll.

IV. Bildungstriumph

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Ein Blick auf die Studenten-Welt unserer Tage stimmt hier nachdenklich, und vielleicht ist dies schon seit langem ein Problem. Bei aller Unruhe, allem jugendlichen Aufschäumen - hat diese Studentengeneration noch irgendeine Beziehung zu dem, was wir hier als Triumphalität beschrieben haben, oder auch nur zu einem, einfacher bezeichneten, Erfolgsdenken? Vieles spricht dagegen und wird noch von denjenigen zielstrebig gesteigert, welche Erfolgsdenken und Reichsordnung aus unserer Vorstellungswelt verbannen wollen. Kritisches Denken wird immer mehr zu einem Mittelpunkt studentischen Verhaltens. Früher- und auch heute noch- oft mißbrauchte Begeisterung schlägt leicht um in eine geistige Grundstimmung, in welcher herabgesetzt, relativiert und verkleinert wird, weit entfernt vom triumphalen Bewundern. Unjugendlich mag es oft erscheinen, bis hin zu Formen einer geistigen Frühsklerose, denn darin liegt nicht die Suche eines Erfolges, den man selbst noch nicht errungen hat, sondern seine vorweggenommene Ablehnung. Oder will man sich vielleicht, selbst immer kleiner werdend, beruhigen an früherer Kleinheit? Die Zukunftswendung der studentischen Jugend ist so deutlich wie kaum je zuvor. Die vor allem technisch bedingte rasche Änderung äußerer Lebensformen hat ein Grundgefühl an Fortschrittlichkeit erzeugt, in welchem zu oft dem Studierenden von heute alles Vergangene klein und nutzlos erscheinen mag. Daß die Welt, auch und vor allem die politische, mit ihnen erst beginne, das ist noch immer ein typisches Denken von Studenten. Wie könnte ihnen dann aber eine Stimmung des großen Gelingens aus der Vergangenheit vermittelt werden, muß nicht auf den hohen Schulen auch noch das Organ für Triumphalität verkümmern, welches vielleicht lange Schuljahre haben bewahren können? Gerade in einer Demokratie stellt sich diese Frage, welche hier bereits ihre kritische Diskussions-Staatsform von jungen Menschen spielen lassen will. Verliert sich hier nicht, in Gegenwartsdiskussion und Zukunftserwartung, alles Gespür für das, was schon einmal ganz groß gelungen ist? All diese Vergangenheitsskepsis verbindet sich - und gerade deshalb ist sie auch notwendig - mit dem, was noch immer die hohen Schulen trägt: mit einer Wahrheitssuche, über alle Verschulung hinweg. Wenn nun aber der Triumph- wir sahen es schon, jenseits der Wahrheit noch steht, wenn er geradezu verdämmernde Wahrheiten vor allem predigt, wie könnte da der junge Mensch von ihm erfaßt werden, ihn in seinem Leben und dem der Gemeinschaft wiederholen wollen, wo er doch nach dem Richtigen sucht, nicht nach dem, was gelingt? Sollte dann wirklich dieses Erfolgsdenken in einer studieren19 Leisner

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den Jugend auszubreiten sein, in das sich doch so leicht auch Berechnung und Arrivismus einschleichen können, ist nicht die erfolgsblinde Wahrheitssuche das Schönere, das allein Jugendliche? In all dem stellen sich Schicksalsfragen künftiger Staatlichkeit. Wenn triumphales Denken an den Hochschulen notwendig aufhören muß, wird es im Staat nicht mehr sein, aus ihm kann kein Reich werden. b) Die Hochschule und ihr Ideal des Gelingens Die Akten des Erfolges sind an den Hochschulen nicht geschlossen, es ist die große Aufgabe der Lehre, sie offenzuhalten für ein Erfolgsdenken, das hier gerade heute seine Chance hat. Von den triumphalen Kräften der Wissenschaftlichkeit und ihres Gelingens war bereits die Rede - sie gilt es nun, geordnet und überzeugend, zu vermitteln, und dazu gibt es viele Wege - nur einiges hier: -

Die Axiomatik des Wissenschaftlichen muß wieder stärker betont werden. Dies mag als ein Paradox erscheinen, wird doch heute nichts mehr gewünscht und gepflegt als ein ständiges In-FrageStellen, als jener systematische Zweifel, mit dem in der Tat wissenschaftliches Bemühen steht und fällt. Doch in der Lehre gilt eben auch ein anderes, darin liegt sogar der berechtigte Kern so manchen Verschulungsverlangens, das ja vor allem auch von den Studierenden selbst kommt: Sie bedürfen vor allem der Sicherheit, des Schutzes ihrer noch nicht voll gefestigten geistigen Grundlagen. Nicht einfach in den Zweifel dürfen sie entlassen werden, bis sie sich selbst zurechtfinden - oder untergehen; festen Halt müssen sie finden in dem, was ihnen als Grundlagenwissen vorgestellt wird, zunächst einmal zum Glauben vielleicht, bis sie dann später erkennen und daraufhin auch zweifeln dürfen. Dies aber verlangt Erfolgsdenken auch beim Lehrenden, er muß ja das birsher Gelungene überzeugt und selbstverständlich herausstellen, damit sich auf ihm dann das weitere Bemühen aufbaue. Doch diese Selbstverständlichkeit darf nicht bedeuten, daß hier etwas vom Himmel Gefallenes vermittelt würde, nur ein menschlicher Erfolg früherer Wahrheitssuche wird auch heute noch von Studierenden angenommen werden, als Halt und Ausgangspunkt eigenen Strebens. Wo immer ihnen die Indiskutabilität des Großerfolges begegnet, wird der Wunsch auch in ihnen wachsen, an dem mitzuwirken, was doch das Wichtigste ist: an der Befestigung der Wahrheit bis hin zum Axiom.

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Nützlichkeit kann auch im Bereich der Hochschulen nicht immer nur bekämpft, irgendwelchen "Idealen" entgegengesetzt werden. In einer technisierten Welt bedeutet sie den Erfolg einer praktischen Vernunft, nicht selten steigert diese sich hier zu wahrhaft triumphalem Gelingen. Es wird eine der Aufgaben künftiger Hochschullehre sein, den Gegensatz von Nützlichkeit und zweckfreier Wahrheitssuche zu überhöhen; dies aber kann nur geschehen in einem Erfolgsdenken, welches ebenso das "rein geistige" Gelingen feiert wie einen Sieg durch die Vorteile der Anwendung. Immer wieder kommt es ja nur auf die Größenordnung des Gelingens an, nicht auf seinen "Reinheitsgrad", in dessen Fragestellung sich ohnehin nicht selten pseudo-moralische Verengungen einschleichen. Und wenn nun heute die praktische Nützlichkeit das große Erfolgszeichen wäre - warum sollte dann nicht auch sie gesucht werden, zum Nutzen einer größeren, auch politischen Ordnung?

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Die Zukunftswendung einer Wahrheit suchenden Jugend schließt Triumphalismus keineswegs aus, im Gegenteil: Ihr muß nun der Triumph bewußt werden als ein fernes Ziel, als das Unerfüllte, vielleicht Unerfüllbare, als etwas, was von früheren Generationen mit ihrem Denken heute aufgegeben bleibt. Gerade wenn das Große früher nicht gelang, deshalb könnte es heute gelingen, die Anstrengungen der Vergangenheit haben immerhin die Dimension oft schon gezeigt. Und Wahrheitssuche kann ja auch in einem anderen Sinn noch bei früherem Mißlingen ansetzen: Wenn die akademische Jugend zu einer "Archäologie im weitesten Sinne" angespornt, wenn ihr die Aufgabe gestellt wird, wiederzuentdecken, was vielleicht in früherer Größe verschüttet ist. Für die gesamten Geisteswissenschaften ist dies eine wahrhaft triumphale Aufgabe, die als solche den Studierenden bewußt gemacht werden muß, und auch im Bereich der Naturwissenschaften mag es viele Fragestellungen geben, die wiederentdeckt, neu aufgenommen werden müssen. Entscheidend ist es ja nur, daß diese Jugend glaubt, es seien ihre Triumphe, auch wenn sie schon oft früher gefeiert wurden ...

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Das Grenzüberschreitende, welches sich die Universitäten hoffentlich werden bewahren können, findet seinen tieferen Grund in jener Jugend-Internationalität, welche noch weit mehr ist als nur ein Ausdruck der Wahrheitssuche, in der sich. vielmehr die Grenzenlosigkeit jugendlicher Dynamik zeigt. Auch hier wieder ist ein Hochschulunterricht aus einer nun wirklich triumphalistischen Grundstimmung heraus gefordert: Es muß diesen jungen Bürgern bewußt gemacht werden, daß die Grenzen eines Reiches, welches sie 19•

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D. Triumphale Formen_ der Staatsorganisation in Erfolgsstimmung schaffen wollen, weit über ihre Nationalstaatlichkeit hinausreicht. Darin liegt die große Dimension einerseits, zum anderen die Erfolgshoffnung einer grenzüberschreitenden Dynamik, der Triumph kennt keine Grenzen.

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Triumphalismus wird bei der studentischen Jugend stets eine Chance haben, ob dieses Wort nun geliebt oder ein anderes gebraucht wird: Die Fähigkeit zu jener Begeisterung, welche dem Triumph am nächsten steht, vor ihm kommt, ist nirgends größer als in den Hörsälen. Keine Kritik wird dies ändern, in ihr erscheint nur zu oft die Begeisterung lediglich in einem negativen Gewande. Begeistert werden kann auch heute die Studentenschaft für alles, was eine gewisse größere Dimension erreicht, und dabei mag es dann gleichbleiben, ob dies Leistung allein, oder auch Gnade des Gelingens ist. Darin ist diese Jugend dem Triumphalismus ganz nahe, daß sie all dies zusammenklingen läßt in ihrer Begeisterung für den Erfolg, im vollen, auch geistigen Sinn; oder "zum Erfolg" denn auch darin wird hier ja ganz triumphal gedacht, daß es letztlich gleichgültig ist, ob das Gelingen schon stattgefunden hat oder gerade eintritt, eben im größeren Erfolgsdenken. c) "Wieder Ideale" -

wieder triumphales Denken

Nichts wird heute mehr beklagt als das "Fehlen der Ideale", gerade bei der studentischen Jugend, welche sie dann ja auch den anderen Bürgern vermitteln sollte. Dies sind Worte der Vergangenheit, doch sie treffen einen Kern von Problemen der heutigen Hochschulen wie der Staatlichkeit überhaupt. Es geht nicht darum, Unerreichbarkeiten zu suchen, für Unwirkliches sich zu begeistern - weil dazu eine Jugend nur zu oft mißbraucht worden ist, mag sie sich von all dem heute abwenden, was Ältere "Ideale" nennen. Was aber bl'eibt und gerade heute zur großen Aufgabe wird, das ist die Vermittlung "faßbarer Ideale", "greifbarer Fernziele". Was schon einmal gelungen ist, das kann wieder erreicht werden, es verliert sich nicht in Fernen, die immer nur Streben verlangen. Die Faszination der letzten Erfolglosigkeit des reinen Strebens mag der Triumphalität fehlen, so wie wir sie hier kennenlernten, doch sie ersetzt dies leicht durch die großen Dimensionen ihres Gelingens, die immer noch unwirklich genug sind, um jugendliche Phan,tasie anzuregen. So ist denn der Triumph ein zugleich pragmatisches und höchst geistiges Ideal, er ist mehr als ein Ziel: eine ganz große Aufgabe, und das benötigt heute die Jugend, nicht ferne, blasse Ideale.

IV. Bildungstriumph

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An den Hochschulen wird das geistige Niveau erreicht, auf dem Triumphalität in all ihren Formen gelehrt und erfaßt werden kann. Wenn es gelingt, dort Wissenschaftstriumph zu vermitteln und darüber hinaus noch breitere, geistige und praktische Triumphalität bewußt werden zu lassen, so wird dort wieder auch an ein Reich gedacht, dessen Lehre doch einst diese hohen Schulen vor allem dienen sollten. 6. Erfolgsdenken -

Zentrum politischer Bildung

Politische Bildung im weitesten Sinn ist eines der Grundanliegen der Demokratie, mit seiner Erfüllung wird sie letztlich stehen und fallen. Unsere bisherigen Betrachtungen zum Triumphalismus haben uns gezeigt: Erfolgsdenken gehört in das Zentrum der politischen Bildung, bis hin zu dem; was man "politische Bildung als Ausweitung von Triumphen" nennen könnte. Gerade jener Bereich, der heute geradezu antitriumphalistisch sich entwickelt, ist aufgerufen, und vielleicht schon auf dem Wege dazu, sich dem Erfolgsdenken in neuen Formen zu öffnen. Politische Bildung ist für die parlamentarische Demokratie eine Lebensnotwendigkeit, ihre komplizierte Staatlichkeit muß ständig gerechtfertigt werden, ihre scheinbar voraussetzungslose Wahrhaftigkeit bedarf der laufenden Begründung, ihr traditioneller Rationalismus drängt in Schule und Wissensvermittlung. Doch gerade dort beginnen die demokratischen Probleme: Politische Bildung droht in eine Faktendarstellung abzugleiten, in ihr zu veröden, nur damit nicht parteipolitische Einseitigkeiten gepredigt werden. Dafür kommt es zur ständigen Verkündung von "Diskussionswahrheiten", zu laufenden politischen Meinungsangeboten, in all dem mag viel Information sein, Bildung ist da nicht genug. Schließlich droht eine solche Bildungsanstrengung abzugleiten in völligen Formalismus, "politische Bildung als Rednerschule" - das muß es wohl in der Demokratie geben, doch allein kann es nicht genügen. Der Zusammenklang von wertungsfreier Polit-Information und formaler PolitRhetorik allein "bildet" noch niemanden, das eigentliche Bildungserlebnis wird umgangen - oder den zu Bildenden selbst überlassen, in jenem erstaunlichen demokratischen Optimismus, der h ier aber zu kurz denkt. Wenn eine größere, dauernde Ordnung entstehen soll, mag man sie nun Reich nennen oder nicht, ist die politische Bildung zu weit mehr herausgefordert als zu Tatsachenvermittlungen und geistigen Übungen. Derartige imperiale Ordnungen sind Verkörperungen einer geistigen Idee, sie ist lehrbar und dringt in die politische Bildung; diese

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D. Triumphale Formen der Staatsorganisation

kann sich nicht nur daraus anreichern, daß es zu einem bestimmten Zeitpunkt "besonders viel zu diskutieren gibt", ihre eigentliche Legitimation gewinnt sie aus der zu erklärenden, zu erfassenden größeren Ordnungsidee. Eine wie immer geartete weitere Ordnung der lmperialität muß Vielfalt zur Einheit führen, daher ist sie notwendigerweise höchst komplex. Sie bedarf, noch mehr als schon die Mechanismen der parlamentarischen Demokratie, der Ausdeutung und Vertiefung in politischer Bildung. Dauernde Ordnung schließlich kann ihre Kontinuität nur in der Weitergabe des Erreichten und der Aufgaben bewähren - wiederum öffnet sich ein weites Feld politischer Bildung im weitesten Sinn. Große Ordnungen mögen vieles zusammenfassen, doch sie stehen stets in der Gefahr, gerade deshalb zu verdämmern, in Unwissenheit und Langeweile ihrer Bürger, wenn sie nicht auf zahlreichen Ebenen, ständig dynamisiert, ihre höhere Nützlichkeit beweisen können. Soll eine politische Bildung dem gerecht werden und doch den Formalismus einer Diskussionsnachzeichnung überwinden, so wird sie sich stets in besonderer Weise am Erfolgsdenken zu orientieren haben, sie kann und muß Triumphalismus lehrbar gestalten. Die Konsenssuche steht am Anfang solcher Bildungsanstrengungen in der Demokratie. Nur was sich über parteiliche Grenzen erhebt, integrativ auf alle Bürger wirkt, darf "politisch" werden. Für die großen Triumphe trifft dies zu, im nationalen Sinne wie im übernational-geistigen, für das vor allem, was man "geistige Siege der Demokratie" nennen kann und ihrer Freiheit. Die Darstellung des großen Gelirrgens und der Lehren, welche aus ihm zu ziehen sind, geht auch über reine Faktizität hinaus. Hier kommt es zu Wertungen, den Bürgern wird "etwas Gemeinsames zum Glauben vorgestellt", dessen Wahrheiten zwar sicher stets in Diskussion bleiben werden - und doch zunächst den entscheidenden Konsensgegenstand bilden. Wenn politische Bildung in der Demokratie überhaupt möglich ist, so in dieser Verbindung von politischer Nützlichkeit und politischer Dogmatik, historischer Tatsächlichkeit und reichsschaffender Ordnungskraft. ·Hier hat auch die politische Wissenschaft, wie immer man sie verstehen mag, ihren Platz, gerade wenn sie in der Verbindung mehrerer Disziplinen politische Erscheinungen zu erfassen versucht. Gefordert sind ja zugleich Geschichte und juristische Dogmatik, Soziologie und philosophische Vertiefung, der Triumphalismus kann nur in der Korn-

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bination all dieser Methoden faßbar, lehrbar werden, aus einer Tatsächlichkeit in politische Wirkmächtigkeit übergehen. Die Wissenschaft von der Politik findet in der Triumphalität schließlich auch gewisse - zugegebenermaßen stets im letzten diskutable Axiome ihrer Bemühungen, welche ihr sonst fehlen oder ein Wissenschaftsproblern für sie darstellen. Und in der Tat sind es ja heute schon die Großerfolge - und Mißerfolge - der Vergangenheit und ihre Lehren für die Gegenwart, welche das axiomatische Geflecht der Politikwissenschaft darstellen, ihren Lehrgegenstand - die Versuche, die Weimarer Zeit zu bewältigen, zeigen es deutlich. So wird denn politische Bildung, gerade in der Demokratie, auch und vor allem Lehre der Triumphalität sein - oder von geringer Bedeutung; in ihr gerade kann alles zusammenfließen, was sich mit Triumph beschäftigt und mit dem Reich. 7. Die Bildungseinheit aus Erfolgsdenken

Wenn es je eine gewisse "Einheit der Bildung" gegeben hat, heute ist sie weithin aufgelöst, und bald wird als großes Problem bewußt werden, daß es gilt, eine neue Bildungseinheit zu schaffen, in welcher Form immer. Und diese Einheit wird stets - im weiteren Sinne des Wortes - eine politische sein, aus einer politischen Entscheidung erwachsen. Ideologie ist hier rasch zur Hand, sie stellt die Einheit der Bildung um ihre "Wahrheiten" her. Wer dem nicht folgen will, dem bleibt immerhin ein Weg: im Erfolgsdenken aus dem Gelingen der Vergangenheit zu lernen, aus ihm die Einheit der Bildung zu entfalten. Im Namen früherer Großerfolge kann die Bürgerschaft einig sein, wer solche Triumphalität lehrt, mag dies überall versuchen, selbst wenn nur eine Minimaleinheit der Lehrinhalte erreicht werden kann. Immerhin wird dann weit mehr geboten als Formalismus, und auch nicht nur eine Lehre systematischer Aufsässigkeit - eher schon das gerade Gegenteil jener "Schule zur Anarchie", als welche heute so viele die politische und jede andere Bildung mißverstehen. Sicher wird es nötig sein, in der Zukunft wesentliche Akzentveränderungen vorzunehmen, soll das Erfolgsdenken die Bildungseinheit bestimmen. Bestärkt, ja neu entwickelt muß wieder werden die Kategorie der Bewunderung, welche über den nicht immer schöpferischen Neid hinwegschreitet, und Bewunderungsbedürfnisse stellen wir überall fest, gerade in dieser Welt ständiger Kritik. Zu überwinden gilt es

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D. Triumphale Formender Staatsorganisation

eben auch die Auswüchse jenes Kritizismus, in dem viel geschaffen, aus dem heraus aber auch viel selbstquälerische Zerstörung gekommen ist. Die geistige Freude gilt es im ganzen Bildungsbereich wiederzuentdecken und ihre Flamme weiterzugeben, in der Erkenntnis und Bewunderung früherer Großerfolge, in den Versuchen, sie zu wiederholen und zu vergrößern, oder doch das zu halten, was aus ihnen geworden ist - etwas vom Reich. Dann wird wieder bewußt werden, daß Lernen bedeutet, geistige Triumphe nachzuvollziehen, darauf das gegenwärtige Leben zu gründen, wo immer ein Bürger steht. Vielleicht wird uns hier der Weg führen vom voraussetzungsfreien Fragen des Platonismus zur erfolgschaffenden Bewunderungskraft der einfacheren Römer. Sie haben, in ihrer stoischen Virtus-Philosophie, die Weiten des griechischen Denkens verengt, doch diese ihre triumphgeprägte Bildungseinheit ist uns für viele Jahrhunderte weitergegeben worden und erhalten geblieben, wohl gerade deshalb, weil sie nicht nur auf Denken beruhte, sondern auch und vor allem auf Erfolgen. Und übrigens: In einem Land, wo vieUeicht "nicht mehr zu triumphieren ist" wie in Deutschland, oder gar in Europa, kann in der Einheit dieser erfolgsgeprägten Bildung immer noch etwas Größeres gelingen, über alle politischen Niederlagen hinweg, nicht, weil es einen Triumph von Schule und Bildung als solchen gäbe, sondern weil hier ein größeres Imperium hervortritt: das Reich des Geistes.

E. Der Bürgertriumph I. Reichsvielfalt aus Bürgertriumph - staatsgefördert, nicht staatsbefohlen Triumphalismus ist dann tot, und mit ihm das Reich, wenn die Bürger nicht mehr wissen, in ihrem eigenen Leben nicht mehr erfahren, was ein Triumph bedeutet, wenn sie ihn nicht mehr mit dem ihrer Gemeinschaft in Verbindung bringen können. Offizielle Siegesfeiern werden leicht belächelt, wenn sie nicht ganz großen Ereignissen gelten, verliert sich hier das Erfolgsethos nur zu rasch im hohlen Pathos der befohlenen Freude. In dem Maße ist ja der Triumphalismus aus unserer Welt verschwunden, in welchem der Staat stärker, seine Bürger in atomisierender Gleichheit kleiner geworden sind. Nur die Gemeinschaft besitzt, so scheint es, noch jene Größe, welche wahre Triumphstimmung aufkommen läßt; der Bürger wird immer mehr Zaungast, allenfalls noch zum Akteur hochoffizieller Triumphspiele - östliche Beispiele belegen es. Deshalb stehen dann auch staatliche Mammutfeiern so nahe bei gänzlich untriumphalistischem Eudämonismus, weil der Bürger den Triumph resignierend seinem Staate überläßt, sich selbst in sein Häuschen zurückzieht, wenn es ihm noch gehört. Antitriumphalistische Radikaldemokratie nimmt solches eifrig auf, sie wird nicht müde, die bürgerlosen Staatsfeiern mit ihrer Ironie zu verfolgen, und dies im Namen des "keinen Mannes", der seine gänzlich untriumphale Existenz staatsfern vor sich hinlebt, wenn er nicht in Formen einer "Negativ-Triumphalität" ausbricht, wie etwa in anarchischen Bewegungen. Und doch - hier wird Demokratie nicht von ihrer Freudlosigkeit geheilt, ihre gefährliche Krankheit - der fehlende Höhepunkt - wird schlimmer. Wer mit der Volkssouveränität ernst machen will, darf nicht nur eine unfaßbare Abstraktion, die Gemeinschaft, in die höchsten Rechte setzen, Bürgersouveränität muß entstehen; denn noch immer haben sich "Nation" und "Volk" rasch in ihre "natürlichen Teile" aufgelöst. Dann aber muß der Bürger zum Souverän werden, er muß, als einzelner und in seinen kleineren Bürgergemcinschaften,

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E. Der Bürgertriumph

Triumphe erleben dürfen. Dem ganz großen Feldherrn ist es gegeben, jeden seiner Grenadiere auf dem Schlachtfeld triumphieren zu lassen, als sei er selbst der Kaiser, dies war das Napoleonische Geheimnis. Und die Demokratie muß auch hier vom Militärstaat lernen: Optimismus bis hin zur Sieghaftigkeit muß sie jedem einzelnen ihrer Bürger erlauben, auch wenn es ihrem nur allzuoft säuerlichen Kritizismus nicht leicht fällt. Der Bürger-Souverän darf nicht nur selbstbewußter werden, er muß in seiner Existenz, wie klein sie auch sei, Erfolge erleben, das reproduzieren, was in seinem Staat größer abläuft. Die legendäre Kraft der Triumphalität hat ihre Grenzen: Vom großen Gelingen mag erzählt, doch es muß auch geglaubt werden, und dies bedeutet, daß immer wieder etwas wie ein kleines politisches Wunder in das einzelne Leben komme, oder doch auch dort möglich sei. Ein "Staat des Reiches" darf aber nicht versuchen, dies alles zu schaffen, zu regeln. Der befohlene Bürgererfolg, das staatsgeschaffene kleine Lebenswunder für die Vielen - dies alles mag heute unausgesprochenes Fernziel so vieler demokratischer Regierender sein, welche darin die höchste Erfüllung des demokratischen Wunschtraums vom größten Glück der größten Zahl zu sehen glauben. Dafür setzen sie dann die ganze Macht hochtechnisierter Staatlichkeit ein, damit der staatsgeschaffene Genuß zum staatsgeschaffenen Triumph sich steigere - und der Bürger soll dieses sein kleineres Lebens-Gelingen dann auch sogleich unmittelbar als Form einer Staatstriumphalität erleben. Doch damit kann die Staatlichkeit nicht neue Kraft gewinnen, "von unten", aus der Basis ihrer Bürger verstärkt sie sich so nur in ihrer eigenen Befehlskraft, die darin sogleich überdehnt wird, daß es dem Staat nicht mehr genügt, eigene Siege zu erringen und zu feiern, daß er sie vielmehr in jedem der unzähligen Leben seiner Bürger hervorbringen möchte; und nur zu oft glaubt er, dadurch vom eigenen Mißlingen ablenken zu können, oder doch einen größeren Triumph .allzu rasch in der kleinen Münze des Bürgertriumphs auszahlen zu dürfen. All dies sind demokratische Verirrungen, Abfall von der lmperialität, deren gerade die Volksherrschaft fähig sein kann. Ein Bürger-Reich muß sich auf den privaten Existenzen seines Souveräns aufbauen, aus ihnen eine öffentliche Kraft ziehen, welche der Staat nicht in sie gelegt, welche er ihnen nicht schon vorher zugeteilt hat. Denn sonst in der Tat träfe die Kritik vernichtend zu von der "öffentlichen Armut aus privatem Wohlstand". Staatlichkeit, die sich in großem Gelingen entfaltet, darf daher weder Triumphkräfte unter die Bürger verteilen noch ihnen überall nur alles

II. Das Leistungsprinzip -Ausdruck egalitärer Triumphalität

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"gestatten". Wie unselig der Gestattungsstaat ist - fast ebenso wie der Verteilungsstaat - zeigt sich gerade aus der Sicht der Triumphalität: Einen gestatteten Bürgertriumph kann es eben nicht geben. Die Staatlichkeit kann dies alles nur fördern, die Erfolgsergebnisse sodann aufnehmen, auf die höhere Ebene ihrer Erfolge transformieren. So muß denn die Staatsgewalt einen dritten Weg finden zwischen der reinen Duldung eines privaten Verhaltens, das dann wohl nie zum Bürger-Triumph emporwachsen könnte, und einem Alles-Gestalten-Wollen, welches öffentliche Kraft überfordert, wo Bürgerkraft gefordert ist. Fördernde Staatlichkeit ist hier ein gutes Wort, bis hin zu Erfolg und Reich im kleinen, weil private Leistung, privates Gelingen aufgenommen und zu privater Triumphalität gesteigert wird; und die Herrschenden in der Demokratie sollten nicht fürchten, daß ihnen daraus nicht Triumphalität mit Zins und Zinseszinsen zurückkommt in ihre größerwerdende Staatlichkeit - viele Formen öffentlicher Leistungsförderung für Stärkere, nicht Schwächere, nach dem Zweiten Weltkrieg haben es in Deutschland sinnfällig bewiesen. Gefördert werden aber darf eben nicht - aus der Sicht der Triumphalität ist dies ganz eindeutig - der Bürgergenuß, um den Bürgererfolg geht es, nur er kann ja dann auch zur Staatstriumphalität emporwachsen, Staats-Genuß aus Bürgergerruß wäre das Ende der Gemeinschaft. II. Das Leistungsprinzip -

Ausdruck egalitärer Triumphalität

1. Verdiente Selbstdurchsetzung, nicht Prüfungsstaat Die Volksherrschaft steht voll und ganz unter dem Leistungsprinzip, nur in ihm kann sie die Gleichheit praktisch halten und grundsätzlich legitimieren. Leistung ist Beurteilungs- und Zuteilungsgrundlage für alles, was der Staat gibt, und sie sollte es auch für alles sein, was Bürger sich untereinander gewähren - dies wäre eine große und glückhafte Demokratisierung. Vor allem aber setzt die Leistung den Ausgangspunkt jener Staatsförderung, über welche allein heute der Bürger Größeres in seinem Leben erreicht. Doch es wäre eine Verengung des Leistungsgedankens, wollte man in ihm nur einen Beurteilungsmaßstab, ein Zuteilungsmaß aus der Sicht des Staates sehen. Durch die Leistung wird viel mehr geschaffen: ein Triumphraum für den Bürger. In der Demokratie kann er ja nur unter Berufung auf dieses Wort sich und seinen Mitbürgern sagen, was Triumphalität bedeutet: daß er dies oder jenes verdient erreicht habe

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E. Der Bürgertriumph

und sich nun mehr, noch mehr leisten könne; in diesem Sich-LeistenDürfen aus Leistung liegt, in ein und demselben Wort, der Übergang vom Erfolg in dessen Feier, die ja in der Triumphalität untrennbar verbunden sind. So wird denn der Leistungsgrundsatz, wo die Verfassung ihn ausdrücklich verankert, wie im öffentlichen Dienst, mit Recht nicht nur als ein Prinzip der Staatsorganisation verstanden, sondern zugleich als ein wichtiger Freiheitsraum des Bürgers: Hier soll er seine eigenen Triumphe feiern dürfen, gegründet zuallererst auf persönliches Verdienst, aber auch mit etwas darin, was eben jedem Triumph eigen ist- Gnade des Gelingens, in Prüfungen, Arbeits-, Markterfolgen und überall. Eine totale Moralisierung des Leistungsbegriffs müßte in die Traurigkeit des Prüfungsstaates münden, wiederum wären da nur Zuteilungsmaßstäbe, nicht Freiräume für Erreichen und Genuß vielfacher Bürgertriumphe. Leistungsprinzip als Weg zum Bürgertriumph - dies bedeutet also, daß auch Beurteilungen und Prüfungen jene Schranken finden, welche heute immer mehr gefühlt werden, denn entweder man stößt so rasch an die Grenze menschlichen Beurteilungsvermögens, oder es wird gerade in der Prüfungspraxis immer weiter ent-triumphalisiert- überall gleiche Prüfungsergebnisse führen zu einer Nivellierung der Leistung, welche auch dort wiederum nur Gleichheit durchsetzt, nicht Räume des Bürgertriumphes schafft. Der Prüfungsstaat ist also kein Leistungsstaat, weil er notwendig auf Dauer das große Gelingen aus dem Bürgerleben vertreibt, weil er den Erfolg zum beeurteilten Ereignis degradiert, damit aber im letzten "fremdbestimmten Triumph" nur dem Bürger gestatten will, wo doch dessen eigentlicher persönlicher Sieg von ihm errungen werden muß, in einer "Selbstdurchsetzung von unten". Dort herrscht ein Gefühl für Bürgertriumphalität, wo die Staatlichkeit zwar in Prüfungen, in ihrer Beurteilungspraxis Elemente der Triumphalität aus dem Leistungsprinzip heraus schafft und in Strenge erhält, wo sie aber dann die Tore weit öffnet dem größeren "privaten Erfolg", den sie im letzten weder schaffen kann noch beurteilen darf. "Selbstdurchsetzung" ist das Kennwort dieses Leistungsgedankens, welches darin den Anschluß an die große Freiheit der Demokratie wiedergewinnt, den Staat hier im Namen eigener Erfolge eben doch immer wieder auch zurückdrängen, nicht nur von ihm günstig beurteilt werden will. Darin liegt die tiefe liberale Weisheit einer Grundrechtlichkeit, welche eben zuallererst - und vielleicht auch im letzten wieder nicht in Teilhabe an der Staatsgewalt sich auflösen möchte, sandem dieser den eigenen Klein-Triumph entgegensetzen, sie damit zurück-

II. Das Leistungsprinzip- Ausdruck egalitärer Triumphalität

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drängen will; und schließlich erwächst gerade damit der originäre Bürger-Sieg, der eben kein abgeleiteter Staatserfolg ist, in die höhere öffentliche Triumphalität hinein, weil der Bürger ein Gefühl entwickelt für die stets originären Kräfte einer Triumphalität, die aus eigener Leistung erwächst. Der "unterstützte Bürger" - das ist nicht nur eine Schwächung- der Demokratie, es bedeutet das Ende der Staatlichkeit, kann sich diese doch nur aufbauen aus triumphalen Kräften des kleineren Bürgerlebens, und wer von ihr die Riesenkräfte der dauemden totalen Hilfe und Verteilung verlangt, darf sie doch nicht von diesen Kraftquellen trennen.

2. Triumphieren im Arbeitsleben Neue Formen müssen sicher gefunden werden, um den Bürgertriumph überall möglich zu machen, damit die Bürger-Souveränität Wirklichkeit werde. Die Gefahr des Liberalismus war und ist es ja, daß sie diese Triumphalität in erster Linie dem Unternehmer gewährt, dem freiberuflich Tätigen, der gestalten, verlieren, aber auch groß gewinnen kann. Der Triumphalismus ist verlorengegangen dadurch, daß im Beamtenleben das große Gelingen kaum mehr fühlbar wurde, daß vor allem aber die Arbeitnehmerschaft der privaten und öffentlichen Wirtschaft nicht hinreichend zu triumphieren vermag - es sei denn in Zerstörerischen Kämpfen mit anderen Gruppen, nicht aus eigener Leistung heraus. Solange es nicht gelingt, auch dort das persönliche Gelingen wie die Feier zu gestalten, wird weder Demokratie noch Reich Wirklichkeit sein. In der Konsumdemokratie konnte dies zeitweise überspielt werden, weil Bürgererfolge sozusagen "aus dem Berufsleben heraus verlegt" wurden, in die private Genußsphäre, weil der Bürger wenigstens im eigenen Heim den kleinen Triumph erleben durfte - und wer hat ihn nicht gefühlt? Am Arbeitsplatz blieb ihm dann nur der labor improbus, doch daß dieser "alles besiegt", das durfte er wenigstens in dem erfahren, was er sich privat leisten konnte, und darin lag doch etwas wie Bürgertriumph. Arbeitsordnender Staatlichkeit ist eine große Aufgabe gestellt, die sie bisher wohl noch nicht einmal in den Umrissenerfaßt hat, gibt es doch kaum etwas weniger TriumphaUstisches als Arbeitsverwaltung: Hier darf aber nichtimmer nur gesichert werden und verteilt, Erfolgsräume gilt es zu erweitern und neu zu eröffnen, in einem doppelten Sinn: zuallererst auf individueller Ebene, denn der Bürgertriumph kann nicht nur gesellschaftlich-kollektiv gefeiert werden. Der Freiheits- und Gestaltungsraum des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz muß erweitert wer-

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E. Der Bürgertriumph

den, und nicht allein in einer .,Humanisierung" der Arbeitswelt, in welcher schon wieder vor allem nur müdes Sicherungsdenken, nur zu oft weniger Arbeit, weniger Leistung mitgedacht sind. Human ist auch und vor allem etwas ganz anderes: das Recht zu mehr Verantwortung, weil zu mehr Leistung, nicht nur ein Recht auf mehr Genuß, sondern auf größeres Gelingen. Im Mittelpunkt solcher Reformen muß dann etwa die Stärkung der Rechte auf Arbeitnehmererfindungen stehen, ihre Integration in den Betrieb, aus dem sie herausgewachsen sind. Dort feiert ja der Arbeitnehmer-Erfinder wahre kleine und oft auch recht große Triumphe, darin wird er zum Arbeits-Unternehmer. Überhaupt muß alles gefördert werden, was am Arbeitsplatz den Sinn für das persönliche Gelingen verstärkt, dann erst erreicht der Bürgertriumph die erforderliche Breite. Kollektive Triumphe sind in der Gewerkschaftlichkeit Realität geworden, man wird diese Formen eines gemeinsamen größeren Gelingens nicht mehr aus der Arbeitswelt verbannen können, irgendwie hat es sie auch immer gegeben, wo gemeinsame Interessen verfolgt wurden. Daß diese Erfolge einmal gegen andere Bürger errungen werden, nimmt ihnen nichts von ihrer Sieghaftigkeit. Aufgabe des Staates ist es, diese Konflikte für die Gemeinschaft positiv zu wenden, an den Grenzen streng zu wachen, wo etwas wie ein sozialer Bürgerkrieg beginnen könnte. Alles andere dagegen sollte geordnet und auch für eine größere Staatlichkeit in Pflicht genommen werden: als Ausdruck eines Selbstbewußtseins, mit dem sich der Bürger in eigener gesellschaftlicher Kraft durchsetzt, in einer Siegesstimmung, welche interne soziale Triumphe feiert. Doch dem Staat ist hier eine viel größere Verantwortung gegeben, als es heute bewußt ist, er kann nicht all diese Auseinandersetzungen aus seiner Verantwortung bequem entlassen, sonst degeneriert möglicher Bürgertriumph zur Bürger-Anarchie. Schlichtungsformen wird man entwickeln müssen, vor allem aber ein Bewußtsein, das heute noch fehlt: daß die soziale Auseinandersetzung ja nicht immer nur in müder Kompromißhaftigkeit enden kann, daß hier vielmehr auch der Sieg etwas bedeutet und die Niederlage, daß am Ende nicht die Frustration beider Teile stehen darf, sonst ist umsonst gekämpft worden, daß es vielmehr zuzeiten auch den klaren Sieg geben muß, als Chance zur Bürger-Triumphalität. Der immer wieder .,enttäuschte" Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, welcher klagen gelernt hat - das sind keine Figuren, aus denen sich größere Gemeinschaften aufbauen könnten. Und ist nicht schon das Bewußtsein verbreitet, daß in diese Arbeitswelt mit ihren vielfachen Abwägungen und Verteilungen wieder mehr von jener Leistung zurückkommen muß, in deren Namen dann auch einmal gesiegt und verloren werden darf? Wenn die Wellen eines politischen Pazifismus sich gelegt haben, wird auch im Arbeitsleben die Einsicht

II. Das Leistungsprinzip - Ausdruck egalitärer Triumphalität

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wachsen, daß es keinen wichtigen Bereich der Gemeinschaft geben kann, in dem Sieghaftigkeit aus Leistung heraus nicht ihren Platz hätte.

3. Alter - Erfolg eines Lebens Bürger-Triumph ist stets noch etwas mehr als Verdienst und Leistung, in ihm liegt auch das Glück der Stunde, die Gnade des Sieges. Damit die Menschen dafür ein Organ in der Gemeinschaft entwickeln, dürfen nicht Verdienste immer nur rasch addiert und sogleich vergolten werden, es muß auch etwas geben wie Lebens-Triumphe für den Bürger, so wie ja heute auch ein Arbeitsleben als erfüllte Einheit gesehen, versichert, entlehnt wird. Die Menschen leben nicht nur im Akkord, und seien es auch nur Zeit-Akkorde, ein Reich hat keine Tagelöhner. "Den Lebenstriumph" muß es dem Bürger lassen und ihn noch fördern. Nur darin wird ja in den vielen kleinen Leben jene Kontinuität erreicht, welche in die private Existenz größere Ordnungen bringt, im Grunde von jedem angestrebt wird, weil er darin sein "eigenes kleines Reich" sich schaffen will- welch ein symbolträchtiges, schönes Wort! Diese Lebenstriumphalität verlangt auch, und dies in politischer Entscheidung, eine ganz andere Grundeinstellung zum Alter. Die späteren Jahre müssen gekrönt werden, nicht nur die ersten, die sich in der Schönheit der Jugend selbst schmücken. Und darin liegt nicht nur etwas von einer ausgleichenden Lebens-Gerechtigkeit, es ist eine Notwendigkeit aus der Sicht des Bürger-Triumphs. Er kann ja nicht nur in jungen Jahren gefeiert werden, damit dann ein ganzes Leben auf der Strecke bleibe, von anderen, noch Rascheren, Jüngeren überholt werde. Alterdas bedeutet kein Recht auf Asyle, Wärmestuben, sichernde Sozialschalter. Alter gibt dem Bürger ein Recht auf die Krönung eines Lebenstriumphs, wie klein er auch sein möge. So wie das "Alte Reich" etwas Unsagbares von säkularer Geschichtstriumphalität in sich trug, so muß die Sieghaftigkeit einer Lebenskontinuität sich im Irren und Erfolg des Alters bewähren. Jugendüberschätzung bis hin zur JugendDemagogie macht nicht nur diese jungen Bürger vorzeitig unglücklich, mit all dem wird Staatlichkeit aufs Spiel gesetzt, der Bürgertriumph, der sie zum Reich erheben könnte. Oft haben wir auf diesen Blättern das Bild vom Hinaufwachsen gebraucht, und hier gewinnt es erst recht einen Sinn: In einem erfolgreichen Altern muß das Bürgerleben hinaufwachsen zu einer Krönung durch Leistungstriumphalität. Darin aber darf auch nicht immer nur tagtägliches Verdienst sein, das lebenslang sich summiert, etwas wie eine Triumphprämie für das sich erfüllende Bürgerleben steht einer großen Staatlichkeit wohl an. Mehrwert des Alters - vielleicht gibt es auch dies, und es ist ebenfalls ein politisches Wort.

E. Der Bürgertriumph

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4. Jugendtriumph -

ein Omen

Doch auch die Jugend hat ihre Prämien-Rechte, ihren eigenen Anspruch auf vorgezogene Triumphalität. Er verwirklicht sich in den Erfolgen der ersten Stunde, in jenen großen Prüfungen zumal, welche so oft Vorschußlorbeeren für ein ganzes Leben bedeuten, vom Meisterdiplom bis hin zu den legendären juristischen Einsern. Hier gibt die Gemeinschaft ganz bewußt Vorschußlorbeeren, in der Hoffnung, daß sie nicht welken; wenn in Triumphalität auch immer viel an Hoffnung ist, etwas von einem Großereignis, das sich fortsetzt, so ist auch diese Seite damit ins Bürgerleben getragen, zu Bürgertriumph aus Leistung gesteigert worden- Sicherheit künftiger Leistungserfolge aus gegenwärtiger Groß-Leistung. Hier muß ein Lob beginnen für jene elitäre Bildung und Erziehung, der heute nur die Steine geschichtsloser Unwissenheit nachgeworfen werden. Das demokratische Frankreich der Revolution hat gezeigt, wie wahre Imperialität gebaut werden kann auf jene großen Schulen, welche den frühen Jugendtriumph mit bewußten Vorschußlorbeeren krönen. Größer noch als Austerlitz und Wagram ist die Napoleonische Tat dieses Elitarismus, nicht nur, weil die französischen Artillerieoffiziere der Ecole Polytechnique den Ersten Weltkrieg für ihr Land mitendschieden haben, weil dieses Elite-Denken der Grande Nation eine Grande Diplomatie gegeben hat, sondern weil in all jenen, welche das Land führen durften, Bürgertriumphalität am Anfang ihres Lebens stand der große Erfolg aus der großen Schule. Das hat auch Napoleon gewollt, daß jeder führende Franzose hier seine Austerlitzstunde erleben solle, aus eigenem Verdienst und aus der Gnade der Prüfung. Soviel Imperialität wird in demokratischer Staatlichkeit immer sein, wie es gelingt, Bürger etwas wie große Schulen durchlaufen zu lassen, damit sie dort Bürger-Triumphe erleben. Iß. Familie -

der fortgesetzte Bürger-Triumph

1. Die Geschichtswerdung des Bürger-Erfolgs

Triumphalismus hat immer und überall vor allem eine geschichtliche Dimension: nicht die Krönung des Ereignisses allein ist wichtig, entscheidend bleibt das Weiterglänzen der Krone, alldie glückhaften Lehren und Folgerungen, welche spätere Zeit aus früheren Siegen gewinnen kann. Im Bürgerleben ist es nicht anders, sein Leistungstriumph erreicht in der Familie historische und damit erst in vollem Sinne bürger-trium-

111. Familie- der fortgesetzte Bürger-Triumph

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phale Dimension. Was auch immer dem Bürger gelingt- es ist doch letztlich nicht nur sein Erfolg, für ihn gewonnen; "seiner Familie bringt er es nach Hause", und dies gilt erst recht dann, wenn Familien und Häuser ebenso kleiner werden wie der Bürger selbst. Dort beginnt dann die eigentliche Bedeutung des kleinen Bürgertriumphs zu wirken: Das Erreichte wird gemeinsam genossen, angeschafft wird für die Familie, was noch später an guten Zeiten oder ein einmaliges Gelingen erinnert, in Kindem und Verwandten setzt sich der Erfolg eines Bürgerlebens bruchlos fort, in Beziehungen und Möglichkeiten, welche so eröffnet und später aufgenommen werden, im Selbstbewußtsein, im Stolz auf ein besonders bedeutendes Glied in der Familie, den kleinen Triumphator dieser Gemeinschaft. Dieser Familientriumph trägt in sich auch alles, was sonst dem Triumphalismus eigen ist - da werden durch Ereignisse Erwartungen gesetzt und oft erfüllt, Beispiele werden geboten und befolgt, die Historia Magistra wirkt im kleinen - genauso wie im großen des Staates. Familie als Keimzelle der Staatlichkeit - aus der Sicht des Triumphalismus können wir es noch fortdenken - dies ist wahrhaft eine Keimzelle der Imperialität. Denn hier findet der Umschlag statt von der Einmaligkeit des Sieges in die Dauer der größeren Ordnung, aus der zeitlichen Beschränkung des beruflichen Erfolgs in familiäre Ergebnisse, in denen sich dies generationenlang fortsetzen kann. Und deshalb, weil "der Sieg" überall gleich gefeiert wird, in der Familie wie in der Staatlichkeit, hat der Bürgertriumph auch dann reichsschaffende Kraft, wenn der Staat als die ganz große öffentliche Familie verstanden wird, durch seine Triumphe gehalten und die seiner Bürger.

2. Die Erfolgsgemeinschaft Im großen Liberialismus war der Bürgererfolg ein individuelles Phänomen, ein Erfolgsgemeinschaftsdenken verdrängte er auch aus der Familie, durch eine väterliche Gewalt, die sich allein die beruflichen Triumphe zurechnen durfte. Hier hat nun, vor allem im Namen der Gleichberechtigung, eine andere Entwicklung begonnen, und sie führt zur staatlichen Integration: die Familie wird zur wahren Erfolgsgemeinschaft, Siege und Mißerfolge werden zusammengefügt, ausgeglichen, es entstehen Erfolgsserien verschiedener Leben, die sich in einem Enderfolg zusammenfassen lassen. In der Familie findet daher nicht nur die Fortsetzung von Bürgertriumphen statt, hier werden sie auch integriert, so wie der Staat der integrierten Triumphalität bedarf. Wie oft läßt sich eine Familie allein dadurch noch halten, daß die Erinnerung und im Grunde das Erlebnis gemeinsamer früherer Erfolge 20 Lelsner

E. Der Bürgertriumph

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stärker bleibt als Interessengegensätze, menschliche Unvereinbarkeit. Hier zeigt sich in kleinen und überschaubaren Verhältnissen, daß der Triumphalismus die große Integrationskraft der Gemeinschaft bedeutet, daß Menschen nicht nur einig sein können im Namen gemeinsamer Werte, sondern im Namen gemeinsamer Erfolge. Deshalb bleibt die Familie auch wichtig als Gemeinschaft, nicht nur als individuelle Verbindung zweier Menschen, und sie ist ebenso zum Erfolg verurteilt wie der Staat. Sie mag sich erschöpfen in der juristischen Abwicklung und im Ausgleich von verschiedenen Interessen - dann ist sie ebenso mechanistisch wie "gewöhnliche, niedere Staatlichkeit". Gelingt es ihr aber, ihre Leistungen in etwas wie einer "gemeinsamen Bürger-Triumphalität" zu integrieren, darauf ihr Selbstbewußtsein zu gründen und daraus ihre Zukunft zu gestalten, so ist sie damit die Zelle eines Reiches.

3. Erbrecht -

Weitergabe von Bürgertriumphen

Die Erbrechtsdiskussion über Verdientes und Unverdientes wird immer weiter moralisierend geführt werden. Doch auch hier müssen Imperialität und Triumphalismus sich zu Worte melden. Wenn die Familie in ihrer Integration und Kontinuität Bürgertriumphe erst zu dem macht, was das große Gelingen auch für die Staatlichkeit bedeutet, so muß dem auch die materielle Grundlage geboten sein. Gew'iß kann ein Erbrecht bedenklich werden, das "den Staat im Staat" gestattet, auf dessen Grundlage sich ein Bürgertum in Staatsferne abzukapseln vermag, alle anderen vom Genuß seiner Güter ausschließend. Doch es ist eben nicht nur eine Frage der individuellen Gerechtigkeit, des Leistungsverdienstes, daß das Gewonnene auch soll weitergegeben werden können, liegt auch sein Sinn nur zu oft gerade darin. Aus der Sicht größerer Staatlichkeit ist das individuelle Erbrecht eine staatsgrundsätzliche Notwendigkeit, weil in ihm erst jene Übertragbarkeit der Triumphe ermöglicht wird, ohne welche es Familientradition ebensowenig geben kann wie das Weiterwirken großen individuellen Verdienstes. Darin findet dann auch das heutige Erbrecht der Familie und des Testaments seine Legitimation: Die Familie als natürliche Erfolgsgemeinschaft, als Fortsetzerio individueller Siege ihrer Mitglieder, ist die "im Zweifel nächste Form" bleibender Triumphalität im Bürgerleben. Selbst jener Erfolgreiche, der sich nicht für einen von ihm individuell bestimmten Einsatz seiner Erfolgsergebnisse entscheiden kann, wird damit praktisch gezwungen, sie in eine größere familiäre Erfolgstradition einmünden zu lassen. Wer aber dem individuellen Sieg die individuelle Fortsetzungsentscheidung folgen lassen will, der findet im Testament das Recht, seine Bürger-Siege den Menschen seiner Wahl

111. Familie- der fortgesetzte Bürger-Triumph

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zu vermachen, denn nichts anderes bedeutet eine solche Erbeinsetzung. Und nicht umsonst konnten römische Kaiser nicht nur ihre Güter, sondern vor allem ihre Triumphe in Testamenten vermachen. Dies alles hat das Bürgertum erkannt und es ist damit zu einem geradezu privaten Triumphalismus emporgestiegen. Das lebendige Triumphgefühl, welches Frankreich nie verlassen hat, über alle Niederlagen hinweg, ist getragen worden von einer Bourgeoisie, welche in der Weitergabe ihrer Privaterfolge generationenlang triumphiert hat, welche stark genug war, diese Grundstimmung ihrem bürgerlichen Staat geradezu - zu vererben. Da mochte viel an Übersteigerung sein, doch weil über solcher bürgerlicher Familientradition eine mächtige EmpireTradition lag, welche sich ständig aus dem Bürgertum heraus auflud - und gerade Napoleon hat es gewußt und durch sein Erbrecht verstärkt - deshalb ist dort "Imperialität aus Bourgeoisie" über Jahrhunderte hinweg gehalten worden. Fortsetzen wird sich all dies nicht lassen, dieses Bürgertum ist Vergangenheit, doch aus seinen BürgerTriumphen sollten die Heutigen lernen: Auch aus vielem Klef.nen, Vererbten wird ein Imperium gebaut.

4. Triumphale Familienlegenden Wenn es Familienerfolge nicht gibt, so werden sie erfunden, die Familiengeschichte wird noch leichter zur Familienlegende als die größere Historie, denn da ist kaum jemand, der sie kritisch und objektiv zu betrachten versucht. Hier verklärt die Vergangenheit das Mittelmäßige, in eine wahre Familiengeschichte mündet sehr rasch alles ein, was sich auch nur irgendwie triumphalisieren läßt. Rückschläge aber werden dann oft nur als Beweis ungebrochener Kraft, als ein neues Beginnen weitererzählt, oder als eine Warnung auf dem Weg des Erfolges. Frauen vor allem tragen diese legendäre Familienkraft, vermögen sie doch viel leichter und voller zu triumphieren als das starke Geschlecht. Sei es nun Eitelkeit oder ein ganz unmittelbares Verhältnis zu Vorgängen und Werten des Lebens- in ihren Erzählungen wird Chronik fast immer rasch zur Legende, es wird in sie jener triumphalistische Unterton gelegt, welcher die eigene Familie als das Besondere erscheinen läßt, und sei sie noch so bescheiden. Den Wahrheitsbeweis braucht die Familiengeschichte kaum je anzutreten, wo immer sie sich der Kritik stellen muß, geschieht dies in Anmerkungen, die irgendein Späterer zu früher erzählten Geschichten für sich selbst macht - und meist auch für sich behält, wenn er nicht

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E. Der Bürgertriumph

der Familie den Rücken kehrt. Darin ist hier eben Triumphalismus ganz rein vertreten, daß Familiengeschichte erfunden werden muß, wo es sie nicht gibt; im Grunde gilt dies für die Familie überhaupt. Unter diesem Zwang stehen alle, die man als Parvenus bezeichnet, und unter ihnen sind wohl die größten Triumphatoren der Geschichte, Napoleon an ihrer Spitze. Sie sind ja "heraufgekommen", "haben es erreicht", mit eigener Leistung vielleicht, oder auch nur durch unverdientes Glück. Jedenfalls aber ist ihnen allen dieser Triumph ein Zwang, er selbst steht unter Legitimationszwang, seine Wurzeln müssen in die Vergangenheit zurückverlegt werden. Ob da dann alter Familienadel ausgegraben wird oder auch nur die Erinnerung an Goethesche Muttergestalten - der Lebenstriumph des Erfolgreichen ist sich eben selbst nicht genug, er sucht seine Wurzeln. Und sie müssen ja durchaus nicht gleiche Triumphalität zeigen wie die Gegenwart, der amerikanische roots-Komplex beweist es; da muß nur etwas sein wie eine Familie und ihre Tradition, aus welcher dann eben das ganz große Erfolgserlebnis moralisch legitimiert hervorgeht - und sei man auch, wie in den Staaten, noch so stolz gerade darauf, daß es dafür keine eigentliche Vergangenheit gibt. Wer aber nun wirklich aus dem Nichts kommt, aus der Traditionsund Familienlosigkeit heraufsteigt zu einem wahren Bürgertriumph, der wird entweder die Vergangenheit seiner Familie sich erfinden, im Entwurf eines neuen Familienwappens oder in den heutigen bescheideneren Formen des Stolzes - oder aber es zwingt ihn gerade dies in etwas wie den "reinen Leistungstriumph". Der Self-Made-Man kann ohne Familienlegende leben, aber nur, weil er sie durch noch größere, bewußtere eigene Leistungstriumphalität in seinem kurzen Leben ersetzt. Seine Kinder jedoch werden dann erst recht Familienlegende spinnen. Der Triumph ist sich eben nie selbst genug, weder im Staate noch im Bürgerleben der Familie; so wie er dort im gemeinsamen Erlebnis der Feiern und in institutioneller Fortsetzung geschichtlich sich verbreitert, so erfolgt dies auch in der Familiengeschichte, und eben darin wird Familie wahrhaft "triumphalistisch denkbar". 5. Dekadenz- Verlust der Familien-Triumphalität

Der Triumphalismus ist freudig und feiernd - in einem bleibt er stets unerbittlich: mit seinem Todesurteil über diejenigen, welche "nur Erben" sind. Er will ja das Paradox einer gewissermaßen zeitlosen Kontinuität des früheren Großerfolges schaffen, von einem Sieg zum anderen fortschreiten, den letzten schon in dem ersten sehen. Leichter kann er die Vergangenheit überspielen, vergessen, erfinden als eine kleinere Gegenwart rechtfertigen. Sie muß sich an den früheren Be-

111. Familie- der fortgesetzte Bürger-Triumph

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geisterungen messen lassen, und wenn diese zur reinen Historie werden, endet der Triumphalismus, es beginnt die Dekadenz. So ist denn der große Historismus stets und ganz notwendig ein geistiges Phänomen des beginnenden Niedergangs. Weit deutlicher noch wird dieser Verlust der Triumphalität in der kleineren Zelle, in den Familien sichtbar. Wo von Schlössern nur mehr Wappen bleiben, da werden frühere Triumphe durch spätere Kleinheit ausgelöscht, sie ist ja tödlicher als jeder Mißerfolg, in dem auch noch etwCIIS von einem triumphalen Untergang liegen kann. Dann wird die Familiengeschichte zum Familienarchiv, der Name wird historisiert und gehört der Nation, hier wird schließlich der Familientriumph vergeben, wenn die letzten Familiendokumente ins Staatsarchiv gebracht, die letzten Kunstwerke den Museen geschenkt sind. Triumphalismus entfaltet dann eine verhängnisvolle Gegenkraft: Der vergangene Großerfolg führt nicht mehr hinauf, er macht den Enkel kleiner, der ihn verwalten will und dabei alle Hoffnung fahren läßt, ihn je zu erneuern. Erst von den Gebirgen der Vergangenheit aus wird der Abfall sichtbar. Wenn es dies nur wäre, so hätten frühere Triumphe Eindeutigkeit gebracht, für alle sichtbar wäre ein Bürger-Theater eben zu Ende gespielt worden. Doch der frühere Großerfolg öffnet einen noch gefährlicheren Weg in die Dekadenz: Über längere Zeiten hinweg läßt sich im Namen des einmal Gelungenen späteres Mißlingen rechtfertigen, überspielen, so wie auch der große Reichssieg über Jahrhunderte noch erfolglos gefeiert werden mag, dann aber kommt der Zusammenbruch erst recht unerbittlich. Und weil der Bürger stets begleitet wird von den wachen Augen seinesgleichen, in der Demokratie zumal, wird in Bürgerleben und Familie diese Dekadenz viel rascher sichtbar als in einer Staatlichkeit, welche über längere Perioden hinweg fehlende Triumphe ,.in reinem Triumphalismus" überdecken kann, kompensieren durch den ,.Befehl zum Triumphieren". So zeigt sich denn hier eine Besonderheit des Bürger-Triumphs, welche diesen erst recht als Grundlage des größeren Reichs-Triumphs ausweist: Wenn ,.oben", in den Höhen der großen Politik, lange, mächtige Wellenbewegungen ablaufen, über Jahrzehnte hinweg kaum veränderbar, jenes ,.langfristige Auf und Ab von Triumphen" - im Bürgerleben ist viel mehr Dynamik, kurzatmiger Erfolg, Tagestriumph. Gerade daraus aber zieht der überzeitliche Staats-Triumphalismus nach dem Gesetz der großen Zahl seine ständigen Kräfte, weil er das ,.Auf" des Bürgerlebens aufnimmt, das ,.Ab" im Namen früherer Siege verdrängen kann. Nur solange konnte Familientradition staats-

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E. Der Bürgertriumph

ähnlich Triumphalität zelebrieren, in Adel unrd Patriziat, wie Familiengeschichte sogleich aufgenommen wurde von Staatsgeschichte, Familientriumph im längeratmigen Staatstriumph vor dem Niedergang bewahrt wurde; und Staatsdekadenz kommt eben langsamer als Familiendekadenz, dafür aber dann unaufhaltsam, der Abfall von den Triumphen wirkt so vernichtend wie die frühere Grandeur. In der Dekadenz liegt etwas Feines, süßlich-Berauschendens, oft ist es gefeiert worden und genossen. Über Generationen läßt sich ja von Familienvermögen leben, darin gerade entgeht man den mühevollen Triumphen. Was aber den Familien zu solcher Gefahr wird, und dort auch sogleich erkennbar, das spielt sich im größeren auch in der Staatlichkeit ab, bis hinauf zum Reich: Es gibt einen Hedonismus der Antitriumphalität, man genießt es geradezu, wie man sich gemeinsam vom rohen vergossenen Blut der Vergangenheit entfernen, deren keuchende Anstrengungen in "gerechter Verteilung" einebnen kann. Dekadente Eleganz wird man einer solchen Periode nicht abstreiten, doch ein Reich beginnt anders und wird anders gehalten. Darin liegt eine große Chance heute: Ein Volk von Parvenus steht näher beim Reich als dekadente Aristokratie oder Bourgeoisie, welche nichts zu gewinnen, nichts mehr zu triumphieren hat. Für das Leben unserer Bürger, ihre Familien und ihren Staat hinterläßt diese Vergan,e:eqheit große Lektionen - das Entscheidende, die Kraft zum neuen Triumph kann nur "von unten" kommen, wo noch Siegeswille ist, Durchbruchsstreben, so wie vor Jahrhunderten. Möge dabei jene Vergangenheit helfen, und sei es auch mit dem guten Omen früherer Triumphe!

IV. Bürgertriumph als Staatstriumph - der "Reichsbürger" Bürgerleben und Staatsexistenz entwickeln sich, aus der Sicht des Triumphalism.us, in einem gewissen Gleichklang, Phasenverschiedenheiten sind hier nicht immer entscheidend. Daß dies aber keine Parallelen bleiben, daß die Bürger-Triumphe zum Staatstriumph konvergieren müssen, soll größere Imperialität sich entwickeln, hat sich uns immer wieder gezeigt. Hier noch ein Wort darüber, wie dieser Bürgertriumph aufgenommen wird in Staatlichkeit, transformiert in wahre Reichs-Triumphalität- um von dort zum Bürger nur größer zurückzukommen. Dies ist eine Antwort des Reiches auf die Frage nach der Einheit von Staat und Gesellschaft: Wenn sie nicht geschaffen wird im Namen eines Triumphalismus, zerfasert der Staat in Gesellschaftlichkeit. Vom Bürger-Triumph muß eine analogia entis reichen bis hinauf zum Reichstriumph, die Demokratie kann ihr Imperium nur schaffen und halten, wenn "das Reich schon im Bürger ist"- im Reichs-Bürger.

IV. Bürgertriumph als Staatstriumph- der "Reichsbürger"

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1. Bürgererfolge als Formen öffentlicher Triumphalität

Die Demokratie steht und fällt mit dem Gelingen der Überleitung des Bürgerlebens in die Staatlichkeit, in Formen der "Veröffentlichung" der Bürgerexistenz ebenso wie in "Privatisierungsbemühungen" allzu hoheitlichen staatlichen Wesens. Im status activus des Bürgers, seiner Teilnahme insbesondere an den Großentscheidungen der Wahl, wird geradezu ein institutioneller Übergang geschaffen aus der Bürgeraktivität in die Staatstätigkeit. Doch nicht allein im "Funktionieren" der Staatlichkeit darf sich dies bewähren, im Triumphalismus der Erfolge und Feiern muß es sich legitimieren, gekrönt werden. In all dem liegt also eine Chance zu größerer, dauemd~r Ordnung, zu einer wahren Imperialität, wo Bürgertriumph zugleich eine Form des Staatstriumphes wird. Einer vernichtenden Kritik hat der Liberalismus die Obrigkeitssucht unterzogen, die der Deutschen zumal. Kann groß nur sein, was mit staatlichen Weihen getauft ist, verleiht stets nur das öffentliche Dokument privater Veranstaltung höhere Bedeutung - zeigen die großen Vereinigten Staaten nicht das Gegenteil, reine private Triumphalität? Doch gerade jene Länder, welche lm~rialität sich bewahrt haben wie Frankreich, oder sie neu zu entwickeln vermochten wie die USA, beweisen uns auch heute, daß dem Liberalismus und seiner Privacy gegeben werden kann, was ihnen zusteht, ohne daß doch dem Kaiser vorenthalten wird, was des Reiches ist. Gerade wenn ein überzeugtes, freies Bürgerleben möglich ist, wenn seine "rein privaten Triumphe" geachtet werden, können von dort auch Brücken geschlagen werden zum gleichzeitigen "staatlichen Erfolg". Jedes Land hat hier seine Traditionen, sollte sie entwickeln zu größerer Reichs-Nähe. Da sind die Prüfungserfolge und öffentlichen Preisverleihungen, mit denen gerade das imperiale Frankreich das liberale Bürgertum in den imperialen Staat eingebunden hat; mehr Preise - das bedeutet eben auch mehr Lobpreis, mehr Ruhm für den Staat, hier ehrt er seine Bürger und damit sich selbst, ihr Erfolg wird zu seinem eigenen. Wer nur immer prüft, sucht Wahrheit und wird nie staatserhöhenden Triumph finden; wer zu prämieren versteht, bereitet den Schmuck für ein Reich vor. Beamtlichkeit mit ihren vielen Formalismen und Legitimationen, vor allem mit Buch und Siegel der endgültigen, lebenslang wirkenden Beförderung - all dies sind eigenartige Erfolgsverfestigungen und -beweise in einer Arbeitswelt, die sich eben nicht in Leistung und Gegenleistung auflösen läßt, die stets auf eines gerichtet ist: auf den

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E. Der Bürgertriumph

großen Betriebs-Erfolg, einen Betriebstriumphalismus. Auf ihn verzichtet der Staat nicht, wenn er in Urkunden und Titeln etwas von seiner Macht und Herrlichkeit dem erfolgreichen Bürgerleben weitergibt - und darin zugleich dessen Erfolge anerkennt, feiert und zu seinen eigenen macht; und daß diese Siege nur im kleinen und geduldig errungen werden, nimmt ihnen nichts von ihrer bescheidenen TriumphaHtät. So muß heute das Berufsbeamtenturn verstanden werden, nicht als ein Privileg, in welchem ja nur Triumph-Sklerose läge, auch nicht nur als eine Form funktionaler Sicherung der Bürgerfreiheit, welche eben beim unabhängigen Beamten in den besten Händen sich findet - darüber noch liegt jener Hauch von Bürgertriumph als Staatstriumph, in welchem der "Beamte wirklich immer im Dienst" ist, sich auch in seinem privaten Leben des Ansehens würdig zu erweisen hat, welches seinem Amt entgegengebracht wird - ihm selbst, eben als einem Träger größerer Staatstriumphalität. Doch solche Formen der "Öffentlichkeit des Arbeitstriumphs" gibt es nicht nur im beamteten Staatsbereich, irgendwie drängt dazu das heutige Arbeitsleben überhaupt, in immer neuen Formen von Betriebsversammlungen, auf denen auch Erfolgsbilanzen gezogen, von Betriebsfeiern, in denen die gemeinsamen Produktionssiege gelobt werden. Man mag es weniger pathetisch ausdrücken als im Osten - der Inhalt ist stets derselbe, das Bedürfni:s auch, daß arbeitende Menschen nicht nur ständig tätig sind und dafür bezahlt werden, denn der Roboter hat keinen Sinn für Triumphalismus. Betriebsversammlungen muß es immer mehr geben, Betriebsprämien, Betriebsfeiern, nicht nur, damit Integration erfolge, zu größerem wirtschaftlichen Erfolg des Arbeitgebers oder zur höheren Ehre eines "Betriebes an sich" - so nur wird die Arbeit in ihrem Ergebnis zum Siegeserlebnis, und sie erhält auch dort etwas Öffentliches, ja Staatsnahes, wo sie im Privatbereich abläuft; die Erfolgsbilanzen von Großunternehmen werden heute als Staatstriumphe gefeiert, und wo die Betriebsgröße dies nicht erlaubt, sind die Verbände aufgerufen, Branchenerfolg zu "veröffentlichen" -im wahren Sirme des Wortes-, triumphal in der Gemeinschaft vorzustellen und zu ihrem Gelingen werden zu lassen. In der Demokratie gibt es noch andere, besondere Chancen einer geradezu institutionalisierten Verbindung von Bürger- und Staatserfolgen: alle politischen Wahlämter in der Volksherrschaft, alles, was sich mit ihrer Innehabung, ihrer früheren Erinnerung an Bürgererfolg im einzelnen Leben verbindet, ist stets zugleich auch ein Gesellschafts- und ein größerer Staatserfolg, im "Funktionieren der laufenden Staatstätigkeit" bereits, vor allem aber dann, wenn aus diesem Amt heraus Größeres geleistet wird. Die Demokratie sollte diese Möglich-

IV. Bürgertriumph als Staatstriumph- der "Reichsbürger"

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keiten voll ausschöpfen, so geschieht es etwa im republikanischen Frankreich, wo der Minister-Titel, weit über die Dauer der Funktion hinaus, einem Bürgerleben geradezu triumphales Prestige verleiht. Nicht nur im Beamtenrecht, auch bei den "politischen Ämtern" läßt sich eben jene strenge Trennung von Privat- und öffentlicher Sphäre gar nicht durchführen, welche mit Recht bei den "Persönlichkeiten der Zeitgeschichte" durchbrachen wird und in der Demokratie noch weiter relativiert werden sollte - damit auch der Privaterfolg zum öffentlichen werde, als solcher verkündet und in gemeinsamer Triumphalität geeint. Einen Verlust an Privacy aber muß der demokratische Politiker bringen, damit sein Bürger-Triumph, der mit demokratischen Mitteln erreicht wurde, zugleich auch stets als ein Sieg dieser Staatsform bewußt bleibe. Daß der große Bürgererfolg, vor allem im Wirtschaftlichen, in die Öffentlichkeit drängt, ist aus der Sicht des Triumphalismus eine Selbstverständlichkeit und sollte nicht immer von demokratischem Mißtrauen begleitet werden. Was sich da alles entwickelt an Ehrenamtlichkeit, zwischen Wirtschaft und Staat vor allem, bedeutet nicht einfach und immer nur Korruptionsgefahr, die Volksherrschaft gerade sollte ein "Denken in Ehrenämtern" eher noch aufwerten und steigern. In ihm liegt zwar etwas vom "kapitalistischen Mehrwert in Ehren", aber eben auch zur Stärkung der Öffentlichen: Der Mehrwert des Kapitals wird zur Prämie der Macht, als solche vom Staat bezogen. Nicht umsonst ist die Imperialität stets als die "Quelle der Ehren" gesehen worden, hat es nirgends soviel "Staatlichkeit als Ehrenamtlichkeit" gegeben wie in Reichs-Ordnungen, und der römische Ehrenämter-Staat war darin am größten. In dieser Idee findet sich ja ein doppeltes, was Triumph und Reich verbindet: die Einheit von Bürgerleben und Staatsexistenz sowohl als auch die Herstellung eben dieser Einheit im Erfolg, den der Bürger erringt und der zum staatlichen Gelingen wird, in einer reinen Form, welche Bezahlung nicht erwartet. Und hier hat sogar die doch so untriumphalistische Notablierung noch eine Chance, wenn sie aus einem Erfolgszwang heraus sich befestigt, nicht nur Früheres fortschleppt, als sei es geschuldet. Überall wölbt sich so, gerade unter der Volksherrschaft, der eine Triumph über dem Bürger und seinem Staat.

2. Die triumphale Erhöhung des Bürgerlebens der Reichsbürger Der Erfolg eines Bürgerlebens wird nicht nur, in all diesen und anderen Formen, zugleich zum Staatserfolg, aus den so befestigten Höhen des Öffentlichen kommt dem Einzelnen und seiner Familie eine

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E. Der Bürgertriumph

Kraft zurück, welche seinem kleinen Leben etwas gibt vom Glanz der Imperialität. Jeder wird dies gefühlt haben, der etwas tragen durfte wie einen wahren Pour le merite: Die Gemeinschaft ist stolz auf ihren Bürger, weil ihr dieser "etwas von ihrer Grundlage verdient hat", weil er seinem Staat etwas von seinem eigenen Triumph geliehen, ihn vergoldet hat. Durch seine Ehrung verstärkt der Staat den Bürgertriumph, und so findet etwas wie eine Wechselwirkung sich höhersteigernder, gegenseitig bedingender Triumphalität statt - Bürger leihen dem Staat ihre Erfolge, sie werden von ihm mit größerem Erfolgsglanz wieder beliehen. Darin spielt sich immer noch etwas ab wie eine große Feudalisierung, ist dies doch auch nichts anderes als eine gegenseitige, wechselwirksame Erhöhung in "privaten" und "öffentlichen" Großtaten. Weil aber Bürgertriumph und Staatstriumph so zu einer wahren Einheit werden, finden sich auch stets in den Bürger-Erfolgen Elemente dessen, was den Staat im Triumph zum Reich macht, nur dies kann ja dann aus der Bürgerebene hinaufwirken ins Öffentliche. Sicher wird der Bürger heute noch weniger als früher "private Schlachten schlagen", doch etwas wie den "militärischen Kern des Triumphalismus" gibt es auch in seinem Leben: In der Unbedingtheit der Disziplin und der Härte der Erfolgssuche entladen sich dieselben Kräfte in der kleinen Existenz wie im großen VolksschicksaL Geistige Triumphe feiert der Bürger ebenso wie sein Staat, und am Anfang steht hier ja immer ein Bürger-Triumph, vielleicht ist diese Form von Sieghaftigkeit uns heute so besonders nahe, weil wir unsere Großerfolge zuallererst im Geistigen suchen müssen. Das schließlich, was wir die "reine Triumphalität" genannt haben, jener sich um sich selbst drehende Siegesoptimismus - all dieses wahrhaft barocke Lebensgefühl muß vom einzelnen kommen und seiner Bürger-Kraft, nur von dort aus kann es den Staat erreichen. So ist denn die Demokratie darin stark und geradezu zum Reich verurteilt, daß sie all ihre Triumphalität in dem findet, was sie souverän gesetzt hat: im Bürgerleben. Darin auch vermag die heutige Volksherrschaft einen wahren Triumphbogen zu spannen von der vielfältig triumphalen Welt der Antike über die gestufte Triumphalität der Feudalzeit in unsere Tage, daß sie eine Figur neu entdeckt, ohne die es kein Imperium je geben konnte: den Reichs-Bürger. Der besondere Wert einer Reichs-Bürgerschaft war dem römischen Imperium wohl bewußt, er ist es überall dort noch, wo wahre lmperialität lebt, bis in die Höhen der Schweiz.

IV. Bürgertriumph als Staatstriumph- der "Reichsbürger"

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Aktivbürgerschaft als Staatsfunktion, nein: als Reichsamt - all dies erschließt sich nur demjenigen, welcher Bürgerrechte und Bürgerverantwortung in den Gleichklang eines einheitlichen Bürgerrechts zusammenführt, das eben verliehen ist - zum Triumph, im eigenen Leben ebenso wie in dem der Gemeinschaft. Forderungsbürgertum ist vielleicht ein Meilenstein auf dem Wege dahin, immerhin wird so das Selbstbewußtsein des einzelnen wieder geweckt; doch dort dürfen wir nicht stehenbleiben, soll es zu neuer Imperialität kommen. Der Erfolgsbürger ist uns aufgegeben, diejenige Gestalt, die so viel schafft und verwirklicht im eigenen Leben, daß sie davon der Gemeinschaft spielend abgeben kann, ja daß sie in ihrem eigenen Triumph bereits etwas ist wie Gemeinschaft, Staat, Reich. Friedrich Nietzsche hat uns den machtvollen Menschen gelehrt, der aber für sich nichts will, nichts behält als die Kraft des Sich-Verströmens. Enge Geister haben dies als elitären Egoismus verdeutet - als ob dieser Herrenmensch nur besitzen wollte. Gezeigt worden ist uns im Grunde nur jener Reichs-Bürger, der allein schon, in seiner Person, den ganzen Reichtum eines Imperiums trägt, der über sein kleines Leben hinaus - reicht, in einer Triumphalität, welche anderen die hellere Fackel weiterreicht. Nur im Reich, das von solchen Bürgern geschaffen und gehalten wird, gibt es keine Massen- und keine Herdenmenschen, all das nicht, was am Menschen überwunden werden muß. Nietzsches Werk ist der gewaltigste Anlauf zum Triumphalismus, den wir kennen, vielleicht ist kein Reich dieser Welt groß genug, um ihn zu fassen, so wie es das Reich der Deutschen nicht war, in dem er gedacht hatte. Nichts fehlt uns heute mehr als dieser Schwung, jenseits von aller Wahrheit und Gerechtigkeit. Triumphalität - das ist kein Staatsproblem, keine Reichs-Frage als solche. Zuallererst ist es ein Aufruf an den Menschen, den Bürger der Demokratie; weil sie den Staat aus dem Bürger sieht, öffnen sich ihr die Wege zum Reich, wenn Triumphalismus zur Aufgabe wird.

F. Ausblick Vom Triumph zur Ordnung

Triumph ist der Anfang des Reiches, doch er ist nicht alles von ihm. Er bringt die Kraft und die Dynamik für eine größere, dauernde Ordnung, doch in sie muß er münden, in ihr zur Ruhe kommen. Triumph hat immer etwas Bewegtes, Ziehendes, doch dies kann nicht sein Ziel sein, dabei darf er sich nicht beruhigen. Ständiges Triumphieren allein wird angeordnet, notwendig entfernt es sich sogar von den Richtpunkten einstiger Großerfolge, es endet in Stagnation und Dekadenz. Der Triumphzug hat ein Ziel: das Kapitol, das Reich, die Ordnung. Dem Triumphzug geht der Sieg voraus, diesem die Schlacht, die große Unordnung. Mit ihr setzt die Triumphalität ein, etwas von diesem Tumult trägt sie immer an sich, daraus kommt ihre Kraft. Doch nun muß sie sich verwandeln, es muß zum "Umschlag in die Statik" kommen, der letztlich bereits im Geiste der Triumphalität begonnen hat, der ja die Erfolge in einer gewissen Statik zu ordnen unternimmt. Triumph - das ist etwas, worauf man bauen kann, auf dem etwas errichtet werden muß, er verliert sich sonst im Dahinziehen, in Geschichten und Legenden. Institutionalisieren läßt er sich in Grenzen, verfestigen, lehren und weitergeben; doch darin bereits hat das statische Bauen begonnen, und es muß aus der dynamischen Triumphalität seine Dimensionen gewinnen: die Größe zuallererst im gegebenen Augenblick und sodann in der Zeit, welche im Triumph, dem Großerfolg, vorgezeichnet ist. Nur die Größe der triumphalen Dynamik läßt sich in Statik verwandeln, kleine Siege zerbröckeln. So ist denn dieser Anfang des Reiches auch sein großes institutionelles Programm: Nun muß Bedeutendes hervorgebracht werden, der große Triumph verlangt die große bleibende Lösung. Nun gilt es, groß auch in die Zeit hineinzubauen, dies aber wiederum kann nur die Zeit selbst schenken, in der dauernden Wiederkehr der guten Staatselemente und Staatsformen finden wir Blöcke und Felsen, auf denen Festes errichtet werden wird. Vielleicht liegt darin eines der Geheimnisse der Trias der kantischen Kategorien: Je größer unser Vorstellungsraum bei einer von ihnen wird, desto mehr erweitern sich auch die anderen Kategorien. Wenn

F.Ausblick

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wir hier das Reich mit einem ganz großen Triumph haben beginnen sehen, so wird sich auch der Raum weiten, in welchem es zu bauen ist, die Zeit, in die hinein es gedacht werden kann. Diese Kategorien von Raum und Zeit werden so groß sein, wie die Bruchstücke und die Begeisterung es sind, welche wir in den alten und neuen Triumphen um uns haben versammeln können. Eines aber muß der Triumphalismus aller Reichskonstruktion stets mitgeben: den Zug "immer höher hinauf", vom Sieg zum noch größeren Erfolg. Denn dies ist ja die letzte Kraft des Triumphalismus, daß sie nicht abfallen will, sondern sich hinaufpflanzt. Und so gibt sie denn dem Reich nicht nur den Auftrag zur Größe mit, sondern den Befehl zum Größeren. Inuner wieder sind wir der Kuppel als dem Symbol des Reiches begegnet. Es gibt wohl nichts, was mehr für Statik stünde als diese höchste Lösung der statischen Probleme. Und doch hat nirgends gerade der Triumphalismus mit all seiner Unendlichkeitsdynamik einen höheren Ausdruck gefunden. Dies ist eben das Bild einer zur Ruhe sich schließenden Bewegung, einer Krone, welche ein Reich überwölbt, dreifach vielleicht, wie in der sich wölbenden päpstlichen Tiara. Daß es diesen Krönungsbau geben kann, ist der sichtbare Beweis für die Möglichkeit jener triumphalen Statik, die wir im Reiche erstreben müssen, den ganz großen Befehl aus dem ganz großen Erfolg. Von Ordnungen und Normen war wenig die Rede auf diesen Blättern, es galt, zunächst einmal die Kraft des Triumphes zu zeigen, welche über all das hinweggeht - aus der dann aber auch all diese Ordnung wiederkonunt. An dieser Stelle sind wir angelangt, wo wir erkennen, wie sich die Triumphalität von der Spitze einer Kuppel ausgießt in alle Richtungen, alles erfassend, zusammenordnend und beschließend. Das erste und nächste Symbol des Triumphs ist der Triumphbogen, der durchschritten wird, in der Geschichte ist kaum ein Bauwerk so oft gebaut und niedergerissen worden. Kraft ist auch in den Ruinen; aus den Trümmern der Triumphbogen gilt es zu bauen - die Mauern des hohen Rom.