IBN Khalduns Gedanken über den Staat: Ein Beitrag zur Geschichte der Mittelalterlichen Staatslehre 9783486764505, 9783486764499


212 106 9MB

German Pages 126 [132] Year 1932

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
I. Teil: Der Staat, seine Entstehung und Entwicklung, sein Begriff, Wesen und Zweck
1. Kapitel. Die ’Asabijja als motorische Kraft im staatlichen Geschehen
2. Kapitel. Die Entstehung des Staates
3. Kapitel. Die Entwicklung des Staates
4. Kapitel. Begriff, Wesen und Zweck des Staates
5. Kapitel. Die Regierungsformen des Staates
II. Teil: Staat und Kultur
1. Kapitel. Staat und Religion
2. Kapitel. Staat und Recht
3. Kapitel. Staat und Wirtschaft
4. Kapitel. Staat und geistige Kultur
Zusammenfassende Charakteristik
Kurze Erläuterung der wichtigsten im Text vorkommenden arabischen Termini
Literaturverzeichnis
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IBN Khalduns Gedanken über den Staat: Ein Beitrag zur Geschichte der Mittelalterlichen Staatslehre
 9783486764505, 9783486764499

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IBN KHALDUNS GEDANKEN ÜBER DEN STAAT EIN BEITRAG ZUR GESCHICHTE DER MITTELALTERLICHEN STAATSLEHRE VON

ERWIN ROSENTHAL

MÜNCHEN UND BERLIN 1932 VERLAG VON R. OLDENBOURG

B E I H E F T 35 D E R H I S T O R I S C H E N

ZEITSCHRIFT

A l l e Rechte, e i n s c h l i e ß l i c h des Ü b e r s e t z u n g s r e c h t e s ,

vorbehalten

D R U C K V O N R. O L D E N B O U R G , M Ü N C H E N U N D B E R L I N

ALBERT BRACKMANN GEWIDMET

Vorwort.

Uber Ibn Khaldün ist viel geschrieben worden, wie ein Blick in das Literaturverzeichnis dieser Arbeit erkennen läßt. Forscher auf dem Gebiet der Kulturgeschichte, Kulturphilosophie, Geschichtsphilosophie und Soziologie haben sich in gleicher Weise für die beachtlichen Äußerungen in seiner Muqaddima interessiert. Wenigen war der Zugang zum arabischen Original offen, und darum ist die Interpretation vieler nicht frei von Einseitigkeit, ganz abgesehen davon, daß sie mit einer durch ihr Spezialgebiet gegebenen, ganz bestimmten Fragestellung an ihn herangetreten sind. Die Tiefe und Selbständigkeit der Gedanken Ibn Khaldüns, sein umfassender Blick für historische, wirtschaftliche, soziale und allgemein kulturelle Zusammenhänge sind Anlaß für den nachgeborenen Betrachter geworden, diesen Nordafrikaner des 14. Jahrhunderts in eine Reihe mit den Denkern des 18. Jahrhunderts zu stellen. Bei aller Verwandtschaft im einzelnen darf man aber nicht die Verschiedenartigkeit der historischen Voraussetzungen übersehen und muß sich davor hüten, Ibn Khaldün zu modernisieren. Den einschlägigen Aufsätzen und Abhandlungen ist eigen, daß sie nur vereinzelt Belege aus seinem Werk selbst — zum Teil nach der keineswegs immer genauen französischen Übersetzung der Muqaddima — zur Erhärtung der Interpretation anführen. Eine Ausnahme bilden nur die im Jahre 1930 erschienenen Arbeiten von K. A y a d und F. G a b r i e l i 1 ) . Behandelt der Letztgenannte vorwiegend eine wichtige Spezialfrage, so berührt sich aie sehr eindringende Arbeit K. A v a d s enger mit der hier vorliegenden. Denn es ist klar, daß sich Staat und Gesellschaft nicht immer reinlich voneinander scheiden lassen. Bei mancher Übereinstimmung in den Ergebnissen ist aber doch Standpunkt und Ziel der die Gedanken Ibn Khaldüns über den Staat darstellenden Arbeit grundsätzlich verschieden von der die Geschichts- und Gesellschaftslehre behandelnden Arbeit A y a d s , so daß es mir richtig schien, die unabhängig begonnene und durchgeführte Arbeit in der vorliegenden Fassung doch zu veröffentlichen. Ich *) s. Literaturverzeichnis.

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habe dabei Ayads Arbeit berücksichtigt, soweit das bei unserem verschiedenen Ausgangspunkt notwendig war. Vor allem mußte ich meine Einleitung, die den historischen Hintergrund erläutern sollte, auf dem Ibn Khaldüns Anschauungen erwachsen sind, streichen, da A y a d in seiner Einleitung ausführlich Leben und Voraussetzungen Ibn Khaldüns dargestellt hat. Jedoch schien es mir für das Verständnis der Muqaddima wichtig, festzustellen, welches Anschauungsmaterial Ibn Khaldün der islamischen Geschichte zur Fassung seiner Gedanken entnommen hat und aus der Zusammenstellung und vergleichenden Einordnung der Beispiele, die er zum Beleg seiner Anschauungen aus dem Verlauf der islamischen Geschichte anführt, zusammen mit einer Darstellung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse seiner eigenen Zeit diesen historischen Hintergrund zu rekonstruieren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit war die Bewältigung einer solchen Aufgabe in Form einer kurzen Einleitung zum eigentlichen Thema nicht möglich, zumal uns für die Spätzeit des Islam eine zusammenhängende Darstellung fehlt, wie wir sie in so ausgezeichneter Weise für die Frühzeit von C. H. B e c k e r besitzen. Ich muß also vorläufig zur allgemeinen Orientierung über Ibn Khaldün, seine Zeit und die islamische Geistesgeschichte vor ihm auf die genannte Einführung A y a d s verweisen. Aber nicht nur die Tatsache, daß ich in dieser Arbeit den Versuch unternehme, vom Standpunkt des Historikers aus Ibn Khaldün zu verstehen — also in bewußtem Gegensatz zu der mehr wissenschaftsgeschichtlich und methodologisch gerichteten Arbeit Ayads —, rechtfertigt die Veröffentlichung: Es kommt mir vor allem darauf an, dem neuerdings lebendig gewordenen, berechtigten Interesse an Ibn Khaldün Rechnung tragend, gerade dem mittelalterlichen Historiker des Abendlandes durch Darbietung reichlichen Materials eine lebendige Anschauung von staatsphilosophischen und staatsrechtlichen Gedanken eines Vertreters des islamischen Kulturkreises zu vermitteln, deren Kenntnis bei der vielseitigen Berührung von Abendland und Morgenland im Mittelalter an sich und im Gegensatz zu gleichzeitigen Anschauungen über den Staat im christlichen Abendland wichtig ist. So kam mir die Anregung zur vorliegenden Arbeit in den Übungen meines hochverehrten Lehrers, Prof. Brackmann, deren Gegenstand die Staatsanschauung Friedrichs II. bildete. Ausgehend von einer Übersicht über die wichtigsten islamischen Staatsanschauungen bis ins 13. Jahrhundert hinein, hatte ich die Absicht, einen Vergleich zwischen christlich-abendländischer und islamischer Staatsauffassung dieser Zeit in einer eingehenden Untersuchung durchzuführen. Aber bei dem Mangel an einer systematischen Darstellung islamischer Staatsanschauungen im ganzen war diese Aufgabe selbst unter Beschränkung auf eine Darstellung innerhalb des Islam allein nicht zu lösen, und es blieb daher nur übrig, wenigstens die Auffassung eines bedeutenden Vertreters staatlichen

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Denkens monographisch zu behandeln. Aus demselben Grunde war es mir leider nicht möglich, Ibn Khaldüns Auffassung gegen die Auffassungen früherer islamischer Schriftsteller abzugrenzen, und die Frage nach dem Einfluß griechisch-hellenistischer Philosophie zu beantworten. Dieser Einfluß läßt sich mit Händen greifen, doch wäre es notwendig, ihn in jedem einzelnen Fall genau nachzuweisen, und das würde eine gründliche, das gesamte Quellenmaterial heranziehende Spezialuntersuchung notwendig machen. Vor allem wäre der auffallende Materialismus Ibn Khaldüns in engem Anschluß an die Naturphilosophie und Naturwissenschaft der Griechen auf seinen Ursprung zu untersuchen. Eine weitere Frage, die gerade dem Historiker nahe liegt, konnte ebenfalls nicht beantwortet werden, nämlich die Frage, wie das starke Abfallen der eigentlichen Geschichtschreibung Ibn Khaldüns gegenüber den bemerkenswerten und, trotz mancher Abhängigkeit im einzelnen, originalen Gedanken der Muqaddima, die einem tiefen historischen Verständnis entspringen, zu erklären ist. Weiterer Gegenstand für eine gesonderte Untersuchung wäre, die Richtigkeit der von Ibn Khaldün für seine Ansichten zum Beweis angeführten Beispiele aus dem Geschichtsverlauf nachzuprüfen und daraus seine historische Auffassung abzulesen. Alle hier berührten Probleme mußten vom Verfasser für diese Arbeit zurückgestellt werden. Sie sind hier nur erwähnt, um anzudeuten, welch weiter Weg zum vollen Verständnis nicht nur Ibn Khaldüns, sondern der gesamten islamischen Staatslehre noch zurückzulegen ist, und wie wichtig gerade auch für den abendländischen Historiker eine Klärung dieses Problems ist. So kann und will diese Arbeit nichts anderes sein als ein bescheidener Versuch, dem Historiker durch eine möglichst wortgetreue Übersetzung der wichtigsten staatstheoretischen Ausführungen Ibn Khaldüns in seiner Muqaddima zusammen mit einer rein an den Text sich haltenden historischen Interpretation das Material an die Hand zu geben, aus dem er sich ein Bild von der Staatsanschauung Ibn Khaldüns machen kann. Der besseren Übersichtlichkeit halber sind die zerstreut sich findenden Ausführungen unter bestimmten Gesichtspunkten systematisch geordnet worden, ohne Ibn Khaldün irgendwelchen Zwang anzutun. Mit Absicht ist vermieden worden, ihn in die moderne Begrifflichkeit und Systematik zu zwängen, und aus diesem Grund sind auch ganze Kapitel und zusammenhängende Stücke übersetzt worden, um die Gedanken in ihrer eigentümlichen Fügung und ihre Ausführung in keineswegs klassischem arabischem Stil zur Geltung und Anschaulichkeit zu bringen. Hierbei ist mir in ganz hervorragendem Maße mein verehrter früherer Lehrer, Herr Prof. B e r g s t r ä ß e r - M ü n c h e n , in selbstlosester Weise behilflich gewesen; er hat mich bei einem Teil der Übersetzung und bei der Klärung schwieriger Stellen mit stets gleichbleibender Freundlichkeit durch seinen sachkundigen Rat unterstützt, wofür ich ihm auch an dieser Stelle ganz besonderen, auf-



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richtigen Dank sagen möchte. Es wäre sehr wünschenswert, wenn die ganze Muqaddima auf Grund eines aus den von Pleßner 1 ) beschriebenen Handschriften hergestellten, allen wissenschaftlichen Anforderungen genügenden Textes ins Deutsche übersetzt werden würde, da die französische Übersetzung wissenschaftlichen Anforderungen nicht genügt. Der Übersetzung habe ich die Beyruter Ausgabe zugrunde gelegt, bessere Lesarten der zum Vergleich herangezogenen beiden andern Ausgaben (Paris und Kairo) sind regelmäßig vermerkt. Die Arbeit erscheint als Beiheft der „ H Z " und wird in der Verlagsdruckerei hergestellt. Bei der Transskription der arabischen Laute mußte deshalb auf den Typenbestand der Druckerei Rücksicht genommen werden, da Autor und Verleger aus wirtschaftlichen Gründen die Anschaffung besonderer Typen nicht auf sich nehmen konnten. Für die Ermöglichung des Druckes bin ich dem Preußischen Kultusministerium und der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin, meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. M i t t w o c h , für seine ständige Unterstützung zu großem Dank ververp fliehtet. Berlin im August 1931. 1 ) M. Pleßner: Beiträge zur islamischen Literaturgeschichte in: Islamica IV, 5. 1931. Er betont auch die Notwendigkeit einer Gesamtübersetzung der Muqaddima als Grundlage jeder wissenschaftlichen Beschäftigung mit Ihn Khaldün.

Inhaltsverzeichnis.

Vorwort V—VIII I. Teil: Der Staat, seine Entstehung und Entwicklung, sein Begriff, Wesen und Zweck 1—47 1. Kapitel: Die 'Asabijja als motorische Kraft im staatlichen Geschehen 1—3 2. Kapitel: Die Entstehung des Staates 3—13 3. Kapitel: Die Entwicklung des Staates 13—38 4. Kapitel: Begriff, Wesen und Zweck des Staates . . 38—45 5. Kapitel: Die Regierungsformen des Staates . . . . 45—47 II. Teil: Staat und Kultur 48—108 1. Kapitel: Staat und Religion 50—60 2. Kapitel: Staat und Recht 60—71 3. Kapitel: Staat und Wirtschaft 71—92 4. Kapitel: Staat und geistige Kultur 92—108 Zusammenfassende Charakteristik 108—114

I. Teil: Der Staat, seine Entstehung und Entwicklung, sein Begriff, Wesen und Zweck.

1. Kapitel.

Die 'Asabijja als motorische Kraft im staatlichen Geschehen. Die 'Asabijja ist der zentrale Begriff von Ibn Khaldüns Muqaddima. Sie ist für die Entstehung und Entwicklung, Ausdehnung und Dauer des Staates gleich wichtig und bedeutend. Deshalb muß einer referierenden Betrachtung des Staates bei Ibn Khaldün eine Bestimmung dieses zentralen Begriffes vorausgehen. Das Wort 'Asabijja hat die verschiedensten Übersetzungen gefunden (Stammesgefühl, Nationalbewußtsein, Vaterlandsliebe, Gemeinsinn, Korpsgeist), und es ist tatsächlich schwierig, ja vielleicht sogar unmöglich, im Deutschen einen eindeutigen Ausdruck zu prägen, der seine fundamentale Bedeutung klar und erschöpfend wiedergibt 1 ). Die angeführten Ausdrücke sind nur Umschreibungen, die an der einen Stelle passen, an einer anderen aber ganz und gar nicht. Am nächsten liegt es, an den Begriff der v i r t ù bei Machiavelli zu denken, der ja auch in einem umfassenden Sinn gebraucht wird. Ursprünglich von der virtus, der männlichen Tapferkeit und Tüchtigkeit des einzelnen ausgehend, wurde er schließlich übertragen auf die allen Gliedern des Staates, vor allem aber seinem Herrscher innewohnende persönliche Kraft, die sich politisch auswirkt und zu einem bestimmenden Faktor im politischen und sozialen Leben des Staates wird. Bei der weitgehenden Übereinstimmung mit dem wesentlichen Inhalt der 'Asabijja als einer mächtigen Triebkraft zum staatlichen Handeln, die in erster Linie aus der Gemeinsamkeit des Blutes, dann aber auch aus innerer Verbundenheit durch eine Idee oder durch die dem Menschen natürlich innewohnende Neigung zum Zusammenschluß mit anderen Menschen — wie wir noch im Kapitel über die Entstehung des Staates sehen werden — resultiert, liegt der Vergleich mit Machiavellis virtù auch inhaltlich sehr nahe, und ich stimme hierin mit K. Ayad 2 ) überein. Seine Umschreibung 1 ) Auch die neueste Arbeit F. Gabrielis: Il concetto della 'asabiyvah nel pensiero storico di Ibn Khaldün" verzichtet auf eine befriedigende Übersetzung und innere Analyse, sondern gibt vielmehr eine ausgezeichnete historische Darstellung an Hand des arabischen Textes. 2 ) Die Geschichts- und Gesellschaftslehre Ibn Halduns.

Beiheft 25