Der nationale Schulkampf in Böhmen: Schulvereine als Akteure der nationalen Differenzierung (1880-1918) 9783110723397, 9783110723342

It was not until liberal legislature was enacted in the late 1860s that national debates were able to take place in Aust

198 30 8MB

German Pages 294 [296] Year 2021

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Table of contents :
Vorbemerkung
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1 Grundlagen der nationalen Schularbeit
2 Das institutionelle Umfeld der nationalen Schularbeit
3 Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská und Deutscher Schulverein: organisatorische Entwicklung
4 Unpolitische Vereinspolitik?
5 Nationale Schulvereine und der Staat
6 Nationale Schutzarbeit vor Ort
7 Epilog: Durchsetzung der tschechischen Schulvereinsagenda im tschechoslowakischen Nationalstaat
Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
Quellen- und Literaturverzeichnis
Beilage
Namensregister
Ortsregister
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Der nationale Schulkampf in Böhmen: Schulvereine als Akteure der nationalen Differenzierung (1880-1918)
 9783110723397, 9783110723342

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Mikuláš Zvánovec Der nationale Schulkampf in Böhmen

Lernwelten

 Herausgegeben von Richard Stang

Mikuláš Zvánovec

Der nationale Schulkampf in Böhmen  Schulvereine als Akteure der nationalen Differenzierung (1880–1918)

Das vorliegende Buch wurde durch den Forschungsverbund „Grenze/n in nationalen und transnationalen Erinnerungskulturen zwischen Tschechien und Bayern“ gefördert, der durch die Bayerisch-Tschechische Hochschulagentur getragen wurde.

ISBN 978-3-11-072334-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-072339-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-072345-8

Library of Congress Control Number: 2021932011 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: Ansichtskarte des tschechischen Schulvereins Ústřední matice školská, Privatarchiv des Verfassers Satz: bsix information exchange GmbH, Braunschweig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

 Für Veronika, Max und Alex

Vorbemerkung Thema dieses Buches ist die Geschichte einer Auseinandersetzung um Schulen, Schulkinder wie auch national-politische Positionen im öffentlichen Raum und daher ist die Materie wesentlich konfliktgeladen. Da der Sprachgebrauch für die Orte und Nationalitäten in den böhmischen Ländern zu Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts schwerwiegende politische Konnotationen hatte, soll dessen Benutzung in dieser Arbeit eingangs näher erläutert werden. Weil sich diese Studie vor allem mit den Akteuren der modernen Nationalisierungsprozesse beschäftigt, fällt es schwer, essenzialistische und für die untersuchte Zeitperiode gebräuchliche Identitätszuschreibungen und somit die Weitergabe nationalistischer Deutungsmuster ganz zu meiden. Eine solche Praxis würde auch nicht selten die Aussagen der Beteiligten und die Beschreibung des Geschehens verzerren. In diesem Sinne werden für die Periode vor 1918 einheitlich die Begriffe „deutsch“ oder „tschechisch“ (statt deutschböhmisch, tschechoslawisch, usw.) verwendet, um die eindeutige nationale Frontenstellung der Akteure nicht herunterzuspielen, was gewiss eher der Selbstdeutung der Akteure entsprechen würde. Dadurch seien diese auch von den anderen Identitätszuschreibungen und der national indifferenten Bevölkerung klar zu unterscheiden, obwohl die Studie stets die eventuelle Veränderlichkeit der nationalen Loyalitäten im Blick behält. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden allerdings alle aufgeführten Städte- und Gemeindenamen ohne Rücksicht auf ihre nationale Positionierung zuerst mit ihrem deutschen Namen genannt, dem das tschechische Äquivalent folgt, insofern es sich um einen Ort in den böhmischen Ländern handelt (mit der einzigen Ausnahme Prag). Dies dient allein den Zwecken der einfachen Systematik und des Lesekomforts. Nur in Zitaten können andere Formen vorkommen. Der Vereinfachung der Lektüre halber werden „die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“ in der Arbeit entweder „Cisleithanien“ oder auch „Österreich“ genannt. Die so kontrovers gewordene Institution einer Schule für nationale Minderheit wird in der Arbeit einheitlich „Minoritätsschule“ genannt, obwohl auch andere Ausdrücke wie „Minderheitsschule“, „nationale Schule“ usw. durchaus zulässig wären.

https://doi.org/10.1515/9783110723397-201

Vorwort Als ich im Sommer 1998 als Achtjähriger in einem Ferienlager in Großgallein (Velké Skaliny) war, habe ich natürlich nicht im Geringsten daran gedacht, dass die Erinnerung an diesen kleinen Ort im Böhmerwaldvorland einmal einer der Gründe werden würde, mich in meiner Dissertation mit der böhmischen Schulgeschichte zu beschäftigen. Im Areal dieses Ferienlagers befindet sich bis heute eine verlassene „alte Schule“, die in ihrem etwas verwahrlosten, jedoch nicht baufälligen Zustand, den Kindern reichlich Stoff für gespensterhafte Geschichten bot, zumal in den Schulräumen immer einmal pro Turnus ein sogenannter „Weg des Mutes“ organisiert wurde. Im Rahmen dessen mussten die Ferienlagerkinder den Keller und das Dach der Schule nachts bei Kerzenlicht betreten, um in den dunklen alten Räumen mit einer Unterschrift ihren Mut zu dokumentieren. Da diese Schule nachts als eine Art Spukhaus galt, wirkte sie auch tagsüber recht geheimnisvoll, sah majestätisch aus und man konnte auf der Fassade noch gut die Aufschrift „Jubilejní škola 1928“ erkennen. Es dauerte nicht lange, bis ich feststellte, dass nicht weit von dieser Schule noch eine ältere Schule steht.1 Diese wirkte für den kleinen Ort, der damals nur ca. 30 Einwohner hatte, ebenso dominant, wenngleich sie sehr verfallen war. Natürlich erst viele Jahre später konnte ich den historischen Ernst der Lage des Ortes begreifen und die Gründe für diese Schulkonkurrenz herausfinden. Während das ältere Schulhaus das deutsche war, war die Schule in unserem Ferienlager eine staatliche in der Zwischenkriegszeit errichtete tschechische Minoritätsschule. Die Frage nach dem Kontext der Entstehung grenzte bei mir bald nahezu an Faszination, zumal ich später Großgallein ähnliche Orte, die es in Böhmen entlang der Sprachgrenze sehr viele gibt, gezielt aufsuchte und dokumentierte. Die vorliegende Studie ist somit das Ergebnis meines seit mehreren Jahren andauernden Interesses an den Ursachen und Kontexten, die mit der schulischen Konkurrenz und allgemein dem national-politischen Streit zwischen Deutschen und Tschechen in Böhmen zusammenhängen. Wer in den Grenzregionen des heutigen Tschechiens unterwegs ist, dem fällt es vermutlich auf, dass auch manche ziemlich abgelegenen Orte über relativ große und in vielen Fällen auch sehr repräsentative Schulbauten verfügen, die entweder als private oder staatliche nationale Minoritätsschulen erbaut wurden. Diese vielen und architektonisch interessanten Schulbauten2 wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts nicht 1 Für Bilder vgl. Beilage 10. 2 Die Architektur der nationalen Schulgebäude wurde noch nicht zu einem Gegenstand einer tiefgreifenden Forschung. Einen gewissen Anstoß dazu gab neulich Šimek. Vgl. ŠIMEK, Jan. Kde se vzdělávalo – školní budovy v období první republiky. In: KASPER, Tomáš – KASPEROhttps://doi.org/10.1515/9783110723397-202

Vorwort 

IX

selten zweckentfremdet, umgebaut, vielerorts auch dem Verfall preisgegeben, nur wenige dienen jedoch ihrem ursprünglichen Zweck bis zum heutigen Tag. Gerade dieses bis heute erkennbare dichte Netz an Schulbauten in vielen Regionen Tschechiens lässt die Geschichte der nationalen Trennung der Deutschen und Tschechen in sprachlich gemischten und daher national umstrittenen Gebieten der böhmischen Länder erahnen und zeigt die besondere Rolle des Schulwesens bei dieser Auseinandersetzung. Das Zustandekommen dieser Studie wäre nicht ohne eine große akademische sowie personelle Unterstützung möglich gewesen. An erster Stelle möchte ich meinem Doktorvater, doc. PhDr. Ota Konrád, PhD., für seine sehr verlässliche und tatkräftige Betreuung meiner Arbeit wie auch für die wertvollen regelmäßigen Gespräche, die wir während meiner Forschungsarbeit geführt haben, den allerherzlichsten Dank aussprechen. Dank der institutionellen Unterstützung des Lehrstuhls für Deutschland- und Österreichstudien an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Karls-Universität in Prag, bekam ich wertvolle Möglichkeiten, mich in Prag, Wien, Innsbruck, Bozen und Düsseldorf mit Historikerinnen und Historikern aus dem In- und Ausland auszutauschen und wichtige Bemerkungen und Ratschläge zu sammeln. Davon möchte ich die wertvollen Konsultationen mit Hildegard Schmoller, Jitka Balcarová, Pieter Judson, Lothar Höbelt, Robert Luft und Martin Zückert hervorheben und mich für diese recht herzlich bedanken. Zu einem herzlichen Dank verpflichtet bin ich auch den Stipendienprogrammen der Grantagentur der Karls-Universität Prag (Projekt Nr. 632217), des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und des Österreichischen Austauschdienstes (OeAD/Aktion), die meine Forschungsreisen und Studienaufenthalte am Collegium Carolinum in München, an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und an der Universität Wien ermöglichten, ohne die eine ausgeglichene Komparation der Schulvereinsstrukturen kaum denkbar gewesen wäre. Von der Einbindung der Dissertation als Promotionsprojekt des Forschungsverbundes „Grenze/n in nationalen und transationalen Erinnerungskulturen zwischen Tschechien und Bayern“ der Bayerisch-Tschechischen Hochschulagentur konnte diese Arbeit ebenso profitieren und von demselben wurde dankenswerterweise schließlich die Herausgabe dieses Buches ermöglicht.

VÁ, Dana – PÁNKOVÁ, Markéta (eds.). Národní školství za první československé republiky. Praha: 2018, S. 117–124. Inspirierend für eine solche Untersuchung wäre auch der Sammelband über die Architektur der nationalen Vereins- und Gesellschafthäuser. Vgl. HASLINGER, Peter – HEIN-KIRCHER, Heidi – JAWORSKI, Rudolf. Heimstätten der Nation: Ostmitteleuropäische Vereins- und Gesellschaftshäuser im transnationalen Vergleich. Marburg: 2013.

X  Vorwort

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der von mir besuchten Archive und Bibliotheken bedanken, die mich freundlich und kompetent betreuten. Namentlich handelt es sich dabei um die Tschechische Nationalbibliothek und das Tschechische Nationalarchiv (NA) in Prag, das Bayerische Hauptstaatsarchiv in München, das Archiv der Österreichischen Landsmannschaft in Wien, die staatlichen Gebiets- und Kreisarchive in Třeboň und Kadaň, die Österreichische Nationalbibliothek und das Österreichische Staatsarchiv in Wien sowie auch die Bibliothek des Collegium Carolinum in München. Ein spezieller Dank gebührt meiner Familie, vor allem meiner Frau Veronika und meinen zwei Söhnen Maxmilián und Alexandr, die während meines Studiums meine physische wie seelische Abwesenheit von zu Hause des Öfteren in Kauf nehmen mussten, mich aber bei meinem Schaffen trotzdem immer liebevoll unterstützten.

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung  VII Vorwort  VIII Abkürzungsverzeichnis  XIII Einleitung  1

1.2 1.3 1.4

Grundlagen der nationalen Schularbeit  13 Identitätskrise und Bedeutung des Schulwesens im 19. Jahrhundert  13 Entwicklung des bürgerlichen Vereinswesens  16 Liberale Gesetzgebung  21 Deutsch-tschechische Ausgleichspolitik  25

2 2.1 2.2 2.3 2.4

Das institutionelle Umfeld der nationalen Schularbeit  33 Autonome Behörden  33 Schulaufsichtsorgane  38 Staatliche Verwaltungsorgane  40 Die obersten Gerichte  42

3 3.1 3.2 3.3

Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská und Deutscher Schulverein: organisatorische Entwicklung  47 Entstehungsgeschichte  47 Organisationsstruktur  52 Finanzierung der Schulvereine  57

4 4.1 4.2 4.3

Unpolitische Vereinspolitik?  75 Nationalliberale Parteien  83 Sozialdemokratische Parteien  94 Konservative und Christlichsoziale  103

5 5.1

Nationale Schulvereine und der Staat  113 Der Große Krieg  118

1 1.1

XII  Inhaltsverzeichnis

6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9

Nationale Schutzarbeit vor Ort  123 Volkszählungen als Basis für Schulerrichtungen  123 Propaganda und Reklamationen  131 Errichtung von öffentlichen Schulanstalten  136 Erhaltung von öffentlichen Schulanstalten  142 Errichtung von privaten Schulanstalten  145 Erhaltung von privaten Schulanstalten  147 Maßnahmen gegen den Widerstand der Gemeinde  150 Immobilientätigkeit  157 Einflussnahme auf Wahlen  162

7

Epilog: Durchsetzung der tschechischen Schulvereinsagenda im tschechoslowakischen Nationalstaat  167

Zusammenfassung und Schlussbetrachtung  181 Quellen- und Literaturverzeichnis  189 Beilagen  201 Namensregister  275 Ortsregister  279

Abkürzungsverzeichnis ADSV BdL BdD DBB DKV DNP DSV DTV NJP NJS NRČ NSDAP ÖLM SHF SdP ÚMŠ VDA

Allgemeiner Deutscher Schulverein Bund der Landwirte Bund der Deutschen Deutscher Böhmerwaldbund Deutscher Kulturverband Deutsche Nationalpartei Deutscher Schulverein Deutscher Turnverein Národní jednota pošumavská Národní jednota severočeská Národní rada česká Nationalisozialistische Deutsche Arbeiterpartei Österreichische Landsmannschaft Sudetendeutsche Heimatfront Sudetendeutsche Partei Ústřední matice školská Verein für das Deutschtum im Ausland (seit 1933 Volksbund für das Deutschtum im Ausland)

https://doi.org/10.1515/9783110723397-203

Einleitung Das „lange“ 19. Jahrhundert im Habsburgerreich gilt im Allgemeinen als eine an Dynamiken der Modernisierungsprozesse in Politik und Gesellschaft ungemein reiche Zeitperiode, an deren Ende eine definitive Abkehr von der hierarchischen konservativ-feudalen Gesellschaftsordnung wie auch von den alten Identifikationsformen stand. Alte standes-, kirchlich oder gebietsbezogene Identitäten einschließlich des böhmischen Landespatriotismus scheinen nach dem Ersten Weltkrieg endgültig der nationalen Identität zwangsweise Platz gemacht zu haben. Trotzdem wäre die These, die einzelnen Völker oder gar Einwohner des Habsburgerreiches hätten zwischen 1867–1918 zielbewusst auf die Erreichung eines eigenen Nationalstaates und deshalb auf den Zerfall des Imperiums hingearbeitet, eine Fehleinschätzung. Der Eintritt des Habsburgerreiches und dessen Völker in die Moderne wurde durch die intensive Industrialisierung und große ökonomische Veränderungen geprägt. Der Entstehungsprozess moderner Nationen ist deshalb kaum von der notwendigen Modernisierung des Staatswesens und der schrittweisen Erweiterung der Teilhabe der Bevölkerung an öffentlichen Angelegenheiten zu trennen. Von Nation, Zukunft und Fortschritt gab es jedenfalls unterschiedliche Auffassungen, weshalb einige heutige Autoren auf den wichtigen politischen Aspekt des Nationalismus hinweisen oder gar vom „politischen Nationalismus“1 sprechen, der sich meistens innerhalb des gesetzlichen und institutionellen Rahmens des Staates abspielte. Der in der Zeit des Neoabsolutismus offiziell unterdrückte politische und bereits national eingefärbte Liberalismus wurde nach der Niederlage Österreichs im preußisch-österreichischen Krieg (1866) zum wichtigsten Motor für den innerstaatlichen Transformationsprozess und die Entstehung eines modern und liberal konstituierten Österreich-Ungarn. Die liberale „Dezemberverfassung“ (1867) und die darauffolgende Schulgesetzgebung, die auf den Grundsatz der im Artikel 19 der neuen Staatsgrundgesetze proklamierten Gleichberechtigung der Völker bedacht war, legitimierten den sprachlich-nationalen Emanzipationsanspruch nichtdeutscher Völker wie auch die Herausbildung einsprachiger schulischer Strukturen. Mit dem Aufstieg der bürgerlichen Gesellschaft einhergehend, formierten sich bereits nach 1867 lokale Schutz- und Schulvereine, deren Zweck die Unterstützung und Mitgestaltung dieser sich im Entstehungsprozess befindlichen Strukturen war, d. h. vor allem die Errichtung und Unterstützung nationaler Schulanstalten. 1 JUDSON, Pieter. „Where our commonality is necessary …“: Rethinking the End of the Habsburg Monarchy. In: Austrian History Yearbook, Nr. 48/2017, S. 5. https://doi.org/10.1515/9783110723397-001

2  Einleitung

Nationale Schutzvereine im breiteren Sinne entstanden bei verschiedenen Sprachgruppen Zentraleuropas2 mit dem Zweck, diese von einer möglichen „Denationalisierung“ durch eine andere Sprachgemeinschaft bewahren zu wollen. Von allen Bereichen der nationalen Schutzarbeit (wie z. B. Wirtschaft, Sport, Tourismus) wurde dem Schulwesen oberste Priorität beigemessen, und die Schutzarbeit im Schulwesen konstituierte sich zuallererst und erfuhr 1880 mit dem Deutschen Schulverein (DSV) in Wien und dem nur ein paar Monate danach in Prag gegründeten Verein Ústřední Matice Školská (ÚMŠ) eine Zentralisierung. Die im gegenseitigen Konkurrenzverhältnis stehenden Vereine wurden nicht nur zu bedeutenden Akteuren des modernen Schulaufbaus, sondern auch zu Trägern des jeweiligen Nationalgedankens. Dabei entwickelten sie nicht nur eine bunte Palette an Aktivitäten, sondern auch reiche Kontaktnetzwerke, mit deren Hilfe sie die zentrale mit der lokalen Ebene zu verbinden suchten. Die Forschung über die nationalen Verbandsaktivitäten im Schulwesen ist sehr eng mit der Nationalismus-Forschung verbunden, in der sich seit den 1980er-Jahren eine modernistische bzw. konstruktivistische Wende durchsetzt, die die Nation als Produkt der Moderne mit fließender Identitätszuschreibung annimmt und nicht als eine natürlich immer dagewesene Gemeinschaft, wie sie vom bis dahin vorherrschenden Primordialismus angesehen wurde.3 Die Begeisterung des Primordialismus für die Vorstellung einer auf einheitlicher historischer, sprachlicher und kultureller Basis beruhenden Volksgemeinschaft wird somit seit den Arbeiten von Ernst Gellner, Benedict Anderson oder Eric Hobsbawm und deren Konzepten wie „invention of tradition“4 oder „imagined communities“5 in den historischen Kontext gesetzt, und Ergebnisse der primordialistisch geprägten Historiografie werden allmählich revidiert. Diese kritische Revision der tief verankerten Grundsätze von Nation als etwas natürlich

2 So z. B. die slowenische Družba sv. Kirilla i Metoda, die polnische Macierz Polska, die ungarische Magyar Iskola Egylet, die rumänische Rumuni Astra, die ruthenische Obšestvo Sv. Vazila, die serbische Omladina, die slowakische Matica slovenská, usw. 3 Die primordialistische Theorie setzt eine objektive und unveränderliche nationale Identitätszuschreibung voraus, die bereits durch Geburt gegeben ist. Für eine ausgeglichene Abhandlung zu primordialistischen wie konstruktivistischen Ansätzen vgl. HROCH, Miroslav. Národy nejsou dílem náhody: příčiny a předpoklady utváření moderních evropských národů. Praha: 2009, S. 18–19. 4 HOBSBAWM, E. J. – RANGER, T. O. (Hrsg.). The invention of tradition. New York: 1983. 5 ANDERSON, Benedict. Imagined Communities: Reflection on the Origin and Spread of Nationalism. London: 1983. An dieses erfolgreiche Konzept wurden andere wie z. B. „imagined territory“ angeknüpft. Vgl. HASLINGER, Peter (Hrsg.). Schutzvereine in Ostmitteleuropa: Vereinswesen, Sprachenkonflikte und Dynamiken nationaler Mobilisierung 1860–1939. Marburg: 2009, S. 30.

Einleitung 

3

Gegebenem brachte eine neue theoretische und auch linguistische Basis für die Erforschung moderner Nationalisierungsbestrebungen im 19. Jahrhundert, die in diesem Sinne entscheidend von amerikanischen Historikern geprägt wurde. Es waren Autoren wie Mark Cornwall (1994)6, Jeremy King (2002)7, Pieter Judson (2006)8 oder Tara Zahra (2008)9, die bereits auf die Durchsetzung neuer nationaler Gedanken und Identitäten vor Ort hinwiesen. Wie Gary B. Cohen treffend anmerkte, handelt es sich im Bezug auf die Historiografie des 20. Jahrhundert um eine wachsende Gruppe revisionistischer Historiker, die die Nationalitätenstreite nicht als einen augenblicklichen Kampf um Macht, sondern im Rahmen der Prozesse der Herausbildung moderner Gesellschaften betrachten.10 Diese Prozesse werden anhand der Probleme des nationalen Aktivismus mit neuen Identitätszuschreibungen und mit Ambiguität, Indifferenz oder Veränderlichkeit der nationalen Loyalitäten gezeigt, und gerade durch die Optik des Gegensatzes „national“ versus „national indifferent“ wurde ein neues und bis dahin kaum behandeltes Forschungsfeld eröffnet. Dank der Werke von Pieter Judson traten auch Begriffe aus dem Alltag der Nationalisierungsakteure wie „Sprachgrenze“ oder „nationaler Aktivismus“ in den Vordergrund.11 Zu den grundlegenden Standardwerken für diese Studie zählen neben den Arbeiten der bereits erwähnten Autoren auch die Monografien von Rudolf Ja-

6 CORNWALL, Mark. The Struggle on the Czech-German Language Border, 1880–1940. In: The English Historical Review, Nr. 109/1994, S. 914–951. 7 KING, Jeremy Rupert Nicolas. Budweisers into Czechs and Germans: A local History of Bohemian Politics, 1848–1948. Princeton: 2005. 8 JUDSON, Pieter. Guardians of the Nation: Activists on the Language Frontiers of Imperial Austria. Cambridge (MA): 2006; bei Judson sind jedoch auch bereits die älteren Studien aus den 1990er-Jahren zu erwähnen, wie z. B. JUDSON, Pieter M., „Not Another Square Foot!“ German Liberalism and the Rhetorics of National Ownership in Nineteenth-Century Austria. In: Austrian History Yearbook, Nr. 26/1995, S. 83–97. 9 ZAHRA, Tara. Kidnapped Souls: National Indifference and the Battle for Children in the Bohemian Lands 1900–1948. Ithaca: 2011. 10 COHEN, Gary B. Rezension von Zahra, Tara. Kidnapped Souls: National Indifference and the Battle for Children in the Bohemian Lands 1900–1948. HABSBURG, H-Net Reviews. November 2009. http://www.h-net.org/reviews/showrev.php?id=25292 (30.10.2020). 11 Z. B. vgl. BENEŠ, Jakub S. Workers and nationalism: Czech and German Social Democracy in Habsburg Austria, 1890–1918. Oxford: 2017, S. 11, 82.

4  Einleitung

worski,12 Gary B. Cohen,13 Emil Brix,14 Gerald Stourzh15 und Hannelore Burger.16 Während Jaworski am tiefsten die unterschiedlichen sozialen Ausgangspositionen beider Nationalbewegungen erforscht, bringt Burger einen detaillierten Gesamtüberblick über die umfangreiche Problematik des nationalen Schulwesens vor 1918 aus rechtlicher Perspektive. Mit Stourzh wird auf die komplizierte rechtliche Problematik des Nationalitätenbegriffs und die Stellung der österreichischen Gerichtsbarkeit gegenüber den Aktivitäten verschiedener Akteure im Nationalisierungsprozess im Detail eingegangen. Die Studien von Cohen und Brix setzen dann die nationale Auseinandersetzung auf lokaler Ebene in einen größeren Rahmen der politischen und gesellschaftlichen Situation der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Von der neueren Forschung sind insbesondere Studien von Peter Haslinger hervorzuheben. Haslinger wagte nicht nur eine über das Jahr 1918 hinausgehende Perspektive, sondern auch einen wertvollen Deutungsentwurf zum Thema Schutzvereine.17 An diese ideenreichen Studien knüpften weitere Werke an, die konkret auf die Arbeit der Akteure der Nationalisierung, d. h. allen voran der nationalen Schutzvereine eingehen. Ausführlich erforscht sind mit den Studien von Claire Nolte,18 Marek Waic19 und Andreas Luh20 die bürgerlichen Turnvereine Sokol und Deutscher Turnverband. Die wirtschaftlich agierenden Nationalvereine Národní Jednoty und Bünde der Deutschen wurden eher zum Gegenstand allgemeinerer Betrachtungen oder Sammelbände,21 am konsequentesten befasste 12 JAWORSKI, Rudolf. Vorposten oder Minderheit? Der sudetendeutsche Volkstumskampf in den Beziehungen zwischen der Weimarer Republik und der ČSR. Stuttgart: 1977. 13 COHEN, Gary B. The Politics of Ethnic Survival: Germans in Prague, 1861–1914. Princeton: 1981. 14 BRIX, Emil. Die Umgangssprachen in Altösterreich zwischen Agitation und Assimilation: Die Sprachenstatistik in den zisleithanischen Volkszählungen, 1880 bis 1910. Wien: 1982. 15 STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung der Nationalitäten in der Verfassung und Verwaltung Österreichs 1848–1918. Wien: 1985. 16 BURGER, Hannelore. Sprachenrecht und Sprachgerechtigkeit im österreichischen Unterrichtswesen 1867 bis 1918. Wien: 1995. 17 HASLINGER, Peter (Hrsg.). Schutzvereine in Ostmitteleuropa: Vereinswesen, Sprachenkonflikte und Dynamiken nationaler Mobilisierung 1860–1939. Marburg: 2009; HASLINGER, Peter. Nation und Territorium im tschechischen politischen Diskurs 1880–1938. München: 2010. 18 NOLTE, Claire Elaine. The Sokol in the Czech Lands to 1914: Training for the Nation. New York: 2002. 19 WAIC, Marek. Sokol v české společnosti 1862–1938. Praha: 1996; WAIC, Marek. Tělovýchova a sport ve službách české národní emancipace. Praha: 2013. 20 LUH, Andreas. Der Deutsche Turnverband in der Ersten Tschechoslowakischen Republik: Vom völkischen Vereinsbetrieb zur volkspolitischen Bewegung. München: 1988. 21 Z. B. BŮŽEK, Václav (Hrsg.). Spojující a rozdělující na hranici. České Budějovice: 1992; KUBŮ, Eduard – SCHULTZ, Helga (Hrsg.). Wirtschaftsnationalismus als Entwicklungsstrategie

Einleitung



5

sich Miloš Hořejš22 mit dem Tschechischen Nationalverein für Nordböhmen (Národní jednota severočeská, NJS) und Jitka Balcarová23 mit dem Bund der Deutschen in Böhmen. Die weiteren wirtschaftlichen Schutzvereine warten trotz einiger wichtiger Beiträge, etwa zum Deutschen Böhmerwaldbund24 und seinem tschechischen Pendant Národní jednota pošumavská (NJP)25, immer noch auf ihre komplexere Erfassung. Die Forschung im Bereich der nationalen Schulvereine – trotz ihrer vermuteten politischen Bedeutung – stellt immer noch ein Desiderat dar. Der Deutsche Schulverein (DSV) in Wien wurde zwar bereits 1982 zum Gegenstand einer nicht veröffentlichten Dissertation von Monika Streitmann,26 die als erste das Wirken des DSV in Politik und Gesellschaft anhand von Archivmaterial des Deutschen Schulvereins im Archiv der Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM) studierte. Neben einigen territorial enger begrenzten Beiträgen zum DSV27 sei hier besonders Gerhard Weidenfellers28 Studie zum Allgemeinen Deutschen Schulverein (ADSV) in Berlin hervorgehoben, der teilweise die Position und Ideologie des DSV aufgrund der Interaktionen dieses 1908 zum Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) gewordenen Vereins zu seinem Wiener Bruderverein untersucht. Die Erforschung des tschechischen Schulvereins ÚMŠ ist besonders für die Zeit vor 1918 ungenügend, als diese Organisation

ostmitteleuropäischer Eliten: Die böhmischen Länder und die Tschechoslowakei in vergleichender Perspektive. Praha: 2004. 22 HOŘEJŠ, Miloš. Národní jednota severočeská. Organizace, hospodaření a sociální struktura v letech 1885–1945. [Unveröffentlichtes Rigorosum an der Phil. Fak. der Karls-Universität Prag, 2004.] 23 BALCAROVÁ, Jitka. „Jeden za všechny, všichni za jednoho!“: Bund der Deutschen a jeho předchůdci v procesu utváření „sudetoněmecké identity“. Praha: 2013. 24 LENK, Carsten. „Unbedingt fortschrittlich und in allen Dingen national“. Der Deutsche Böhmerwaldbund 1884–1938 und die Interessen des Budweiser Bürgertums. In: DRÖGE, Kurt (Hrsg.). Alltagskulturen in Grenzräumen. Frankfurt/M.: 2002, S. 45–78. 25 ŘEHÁČEK, Karel. Národní jednota pošumavská (1884–1951). In: ŠRAJEROVÁ, Olga (Hrsg.). České národní aktivity v pohraničních oblastech první Československé republiky. Olomouc: 2003, S. 222–244 – POKORNÝ, Jiří. Tschechischer Böhmerwaldbund – Národní jednota pošumavská. In: BŮŽEK, Václav (Hrsg.). Spojující a rozdělující na hranici. České Budějovice: 1992, S. 121–124. 26 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein vor dem Hintergrund der österreichischen Innenpolitik. [Unveröffentlichte Dissertation an der Universität Wien, 1984]. 27 Z. B. DROBESCH, Werner. Der Deutsche Schulverein 1880–1914. Ideologie, Binnenstruktur und Tätigkeit einer deutschnationalen Kulturorganisation unter besonderer Berücksichtigung Sloweniens. In: BISTER, Feliks J.– VODOPIVEC, Peter. Kulturelle Wechselseitigkeit in Mitteleuropa. Ljubljana: 1995, S. 129–154. 28 WEIDENFELLER, Gerhard. VDA, Verein für das Deutschtum im Ausland, Allgemeiner Deutscher Schulverein (1881–1918): ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Nationalismus und Imperialismus im Kaiserreich. Bern: 1976.

6  Einleitung

in relevanter Form nicht mehr als auf der Basis eines heute schon revisionsbedürftigen Artikels von Alexandra Špiritová29 und einer unveröffentlichten Diplomarbeit von Eva Lukešová30 bearbeitet wurde. Die letztgenannte Studie betrachtet auch die Entwicklung nach 1918, wobei die Tätigkeit der ÚMŠ während der Zwischenkriegszeit als etwas besser erforscht gilt, auch dank den Arbeiten von Karel Řeháček31 und Matěj Spurný.32 Die Archivquellen aus der Provenienz der zentralen Vereinsleitung der ÚMŠ werden im Tschechischen Nationalarchiv, diejenigen aus der Provenienz des Deutschen Schulvereins teilweise im Österreichischen Staatsarchiv und zum bedeutenden Teil auch im bereits erwähnten Archiv der Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM) in Wien aufbewahrt.33 Mit dem Sitz im ehemaligen Hauptsitz des Deutschen Schulvereins, dem sog. „Schulvereinshaus“ in der Fuhrmanngasse, gibt es mit der Österreichischen Landsmannschaft bis in die Gegenwart eine der authentischsten Nachfolgeorganisationen eines ehemaligen nationalen Schutzvereins, die sich dessen Erbe verbunden fühlt und dessen Privatarchiv verwaltet. Die aussagekräftigsten Informationen über das Wirken des DSV in den böhmischen Ländern vor 1918 ergeben sich oft aus der Korrespondenz der Vereinsleitung mit den eigenen Ortsgruppen oder mit Gemeindevertretern, die jedoch nur bruchstückhaft erhalten ist. Dasselbe gilt für die relativ vielen Restbestände der Ortsgruppen des DSV- oder des Nachfolgevereins Deutscher Kulturverband (DKV) in den tschechischen staatlichen Gebiets- und Kreisarchiven, die Dokumente beinhalten, die für diese Studie von eher geringer Aussagekraft sind, wie z. B. Rechnungen, Mitgliederverzeichnisse, Sitzungsprotokolle. Von der Korrespondenz mit den Vereinsleitungen, Gemeindevertretern, Staatsorganen oder anderen Privatorganisationen sind überwiegend Fragmente erhalten.34 Entgegen meinen Erwartungen brachten auch die erhaltenen Bestände der einzelnen Schulvereinsschulen oder der zuständigen Ortsschulräte ein eher bescheidenes Ergebnis. Als deutlich ergiebiger zeigten sich die Stadt- und Gemeindearchive in Böhmen, in denen der nationale Schulkonflikt ausgetragen wurde,

29 ŠPIRITOVÁ, Alexandra. Ústřední matice školská, In: Paginae historiae; Nr. 1/1993, S. 178– 195. 30 LUKEŠOVÁ, Eva. Ústřední matice školská. [Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Phil. Fak. der Karls-Universität in Prag, 2013]. 31 ŘEHÁČEK, Karel. Ústřední Matice Školská v letech 1918–1951. In: Paginae historiae: Sborník Národního archivu, Nr. 15/2007, S. 97–130. 32 SPURNÝ, Matěj. V zájmu národa a jeho dětí. Z bojů a české menšinové školství mezi dvěma světovými válkami. In: Časopis Národního muzea. Řada historická. Praha: 2004, S. 191–211. 33 Archiv der Österreichischen Landsmannschaft (Archiv der ÖLM), Wien. 34 SOkA Jindřichův Hradec. Bestand Německý Kulturní Svaz Nová Bystřice 1931–1937. Inv.Nr. 13, Sign. I/2–11

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wie z. B. die von Seestadtl (Ervěnice)35 oder Schüttenhofen (Sušice).36 Die Quellenlage zur Forschung der untersuchten Vereine ist durch die Absenz wichtiger Materialien aus der Provenienz der Schulvereine gekennzeichnet. Diese fielen entweder 1927 dem Justizpalastbrand in Wien zum Opfer (DSV), wurden in der Zeit des Münchener Abkommens von 1938 aus strategischen Gründen vernichtet (ÚMŠ) oder gingen infolge der Nachkriegsereignisse (DKV) verloren. Auch deshalb ist es bei der Erfassung der nationalen schulischen Auseinandersetzungen notwendig, die Bestände aller daran beteiligten Akteure mit zu berücksichtigen, im Falle des nationalen Schulwesens ging es also vor allem um die Bestände des Ministeriums für Kultus und Unterricht,37 der Polizeidirektion,38 des Ministerratspräsidiums39 sowie der Böhmischen Statthalterei.40 Miteinbezogen werden mussten auch Archivbestände der an der Schutzarbeit im Schulwesen wesentlich partizipierenden Schutzvereine. Dies betrifft vor allem die Organisationen Národní jednota severočeská (NA Praha),41 Národní jednota pošumavská (SOA Třeboň),42 Deutscher Böhmerwaldbund (SOA Třeboň),43 Národní rada česká (NA Praha),44 Menšinové muzeum (NA Praha)45 oder Deutscher Volksrat für Böhmen (SOA Litoměřice).46 Spezifische Informationen konnten aus den Nachlässen einiger Vereinsfunktionäre oder anderer Minderheitsaktivisten, wie vor allem Gustav Groß (ÖStA/HHStA Wien)47 bzw. František Cajthaml-Liberté (NA Praha)48 geschöpft werden. Bestände des Bundesarchivs in Berlin49 und des Sudetendeutschen Archivs im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München hatten für die Arbeit wiederum nur eine ergänzende Bedeutung.50 35 SOkA Chomutov se sídlem v Kadani. Bestand Archiv města Ervěnice. Bestands-Nr. 176. 36 SOkA Klatovy. Bestand Archiv města Sušice. Bestands-Nr. 634 37 NA Praha, Bestand Ministerstvo kultu a vyučování, Bestands-Nr. 871; ÖStA/AVA. Unterricht, Unterrichtsministerium, 1848–1940. 38 NA Praha, Bestand Policejní ředitelství Praha I – Prezidium. Bestands-Nr. 874. 39 NA Praha, Bestand Presidium ministerské rady Vídeň. Bestands-Nr. 870. 40 NA Praha, Bestand České místodržitelství – všeobecná registratura: spolky. BestandsNr. 873/3. 41 NA Praha, Bestand Národní jednota severočeská. Bestands-Nr. 699. 42 SOA Třeboň. Bestand Národní jednota pošumavská Praha. Bestands-Nr. 425. 43 SOA Třeboň. Bestand Německý pošumavský svaz České Budějovice. Bestands-Nr. 402. 44 NA Praha, Bestand Národní rada česká, Praha. Bestands-Nr. 639. 45 NA Praha, Menšinové muzeum. Bestands-Nr. 650. 46 SOA Litoměřice. Bestand Německá národní rada v Čechách. Bestands-Nr. 1681. 47 ÖStA/HHStA, Nachlass Gustav Groß. 48 NA Praha, Bestand František Cajthaml-Liberté. Bestands-Nr. 609. 49 BA Berlin, Bestand Volksbund für das Deutschtum im Ausland, 1900–1920, VR 9028 + 47 Bd. I-III. 50 Dies betrifft z. B die Bestände BayHSta, SdA, Nachlass Wenzel Jaksch, Nachlass Franz Jesser oder Bestand Varia, Sign. 70, 84.

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Wenn man nach einer tieferen Einsicht in die Meinungswelten und Aktivitäten der nationalen Schutzvereine strebt, muss man sich auch mit zahlreichen Propagandabroschüren, Artikeln und den Vereinsperiodika (v. a. Mitteilungen des Deutschen Schulvereins/des Deutschen Kulturverbandes und Věstník Ústřední Matice Školské), Vereinskalendern und Zeitungsartikeln der nationalen Presse beschäftigen. Wichtige faktografische Auskünfte besonders bezüglich der organisatorischen und finanziellen Entwicklung der Vereine können den Vereinsjahresberichten oder den eigens herausgegebenen Jubiläumsbroschüren entnommen werden. Für die Erforschung der Kontakte zur parlamentarischen Politik wurden auch stenographische Protokolle der Sitzungen im Böhmischen und Niederösterreichischen Landtag wie auch dem Wiener Reichsrat berücksichtigt.51 Die Komplexizität der vielseitigen und abwechslungsreichen nationalen Schutzarbeit im Schulwesen und darüber hinaus bewog die Historiker des Öfteren dazu, das Fehlen eines übergreifenden Bildes über die nationale Schutzarbeit zu beanstanden.52 Trotzdem bleibt der Wunsch Rudolf Jaworskis nach einer „übergreifenden und vergleichend angelegten Darstellung […] zum Schutzvereinswesen in den böhmischen Ländern“53 im Hinblick auf die vielen einzelnen Aspekte, die einer solchen Behandlung und Kontextualisierung bedürfen, wahrscheinlich noch für längere Zeit unerfüllt. Wenigstens einem Teilbereich des erwähnten Wunsches, nämlich dem Bereich Schulwesen Rechnung zu tragen, sei auch die Aufgabe dieser Studie. Um dies zu erreichen muss man allerdings den spannenden Gegensatz zwischen „national activists“ und der „national indifference“ teilweise ablegen, um die zentralen Differenzen der Rahmenbedingungen der beiden untersuchten mitteleuropäischen Nationalbewegungen nicht herunterzuspielen. Dieser Herangehensweise nahestehend ist dabei etwa die Schilderung der Situation der Deutschen in Prag vor dem Hintergrund des poli51 Stenographische Protokolle der Sitzungen im Niederösterreichischen Landtag [online]. http://alex.onb.ac.at/ltn.htm, für den Böhmischen Landtag: http://www.psp.cz/eknih/index. htm, für das Abgeordnetenhaus des Reichsrates: http://alex.onb.ac.at/spa.htm (30.10.2020). 52 Z. B. HASLINGER, Peter. Nation und Territorium im tschechischen politischen Diskurs 1880–1938, S. 359. – BALCAROVÁ, Jitka. Die deutschen Schutzvereine in den böhmischen Ländern und der Tschechoslowakei 1880–1945. Begriffsabgrenzung, Klassifizierung und Periodisierung. In: HASLINGER, Peter (Hrsg.). Schutzvereine in Ostmitteleuropa, S. 111 – KOGYOKU, Toshiaki. Národní agitace a obecní školství na Moravě na přelomu 19. a 20. století. Boj o české dítě. In: BINDER, Harald – KŘIVOHLAVÁ, Barbora – VELEK, Luboš (Hrsg.). Místo národních jazyků ve výchově, školství a vědě v habsburské monarchii 1867–1918. Tagungsband. Praha: 2002, S. 564, 577. 53 JAWORSKI, Rudolf. Nationale Botschaften im Postkartenformat. Aus dem Bildarsenal deutscher und tschechischer Schutzvereine vor 1914. In: HASLINGER, Peter (Hrsg.). Schutzvereine in Ostmitteleuropa, S. 143.

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tischen Abstiegs der Deutschen zugunsten der Tschechen durch Gary B. Cohen wie auch Jeremy Kings Thesen über „historisch bedingte Asymmetrien zwischen den zwei Nationalbewegungen“, die er am Beispiel des Nationalitätenstreites in Budweis (České Budějovice) untersuchte.54 Die Herangehensweise Kings sowie einiger älterer Studien an das Thema wie jene von Rudolf Jaworski, die die hervorstechenden Unterschiede zwischen den beiden Bewegungen behandeln,55 bilden die Grundlage für diese Arbeit, die sich aber auch der Ansätze der modernen Geschichtswissenschaft bedient. Dadurch sollen die unterschiedlichen sozialen, geografischen und politischen Rahmenbedingungen, die eigenen ideologischen Standpunkte, Kontakte und finanzielle Möglichkeiten beider Schulbewegungen – und damit einhergehend die Reichweite und Begrenzungen der beiden Nationalbewegungen vor 1918 – zur Sprache kommen. Die Studie trägt damit auch zur allgemeinen wissenschaftlichen Diskussion über Nationalismus und dessen Funktion im Rahmen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bei. Es wird gezeigt, dass die Entwicklungen und Dynamiken beider nationalen Schulbewegungen eng an die innerösterreichische Politik angelehnt waren und nicht etwa außerhalb oder gar in fundamentaler Opposition zum Imperium erfolgten. Gegen diese These spricht vor allem die Tatsache, dass der Ausbau und die Implementierung nationaler Strukturen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Rahmen eines liberal-geprägten kooperativen institutionellen Gefüges vonstatten ging.56 Auch dieser Ansatz, der sich in den modernen „Habsburg studies“ durchsetzt, widerspricht den in Zentraleuropa tief verankerten nationalen Narrativen, in denen die einzelnen modernen nationalen Bewegungen in prinzipieller Opposition zu einem obsolet gewordenen dynastischen Staat waren, der als „Völkerkerker“ ihrer freien Entfaltung im Wege stand. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der aktuellen Forschung wird das Bild einer dynamischen und von der bürgerlichen Gesellschaft mitgestalteten Staatsstruktur in ihrer Entstehung gezeichnet, deren Institutionen den nationalen Konflikt in sich integrierten. Diese Herangehensweise setzt „den Schlüssel“ zum Verständnis der letzten Jahrzehnte des Habsburgerreiches im Wesentlichen gerade in der Erkenntnis der Entwicklungen der „civil society“ voraus. Die vorliegende Studie erweitert die sich aktuell durchsetzende Perspektive, die lokale Konflikte im gesamtpolitischen Kontext zu betrachten, um die Unter54 KING, Jeremy. Budweisers into Czechs and Germans. S, 10, 76, 130, 154, 211. 55 JAWORSKI, Rudolf. Vorposten oder Minderheit? Der sudetendeutsche Volkstumskampf in den Beziehungen zwischen der Weimarer Republik und der ČSR. Stuttgart: 1977. 56 OSTERKAMP, Jana (Hrsg.). Kooperatives Imperium: Politische Zusammenarbeit in der späten Habsburgermonarchie: Vorträge der gemeinsamen Tagung des Collegium Carolinum und des Masarykův ústav a Archiv AV ČR in Bad Wiessee vom 10.–13. November 2016. Göttingen: 2018.

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suchung der diskursiven, organisatorischen sowie tätigkeitsbezogenen Entwicklungen beider rivalisierenden Nationalbewegungen in Böhmen wie auch ihrer prominenten Stellung in Politik und Gesellschaft.57 Eingebettet in den institutionellen Rahmen soll durch die komparative Analyse der Akteure der Nationalisierung im Schulwesen auf zentripetale bzw. zentrifugale Kräfte des jeweiligen Nationalismus hingewiesen werden.58 Mit gewisser Distanz zu allumfassenden nationalistischen Paradigmen („master narratives“), doch bei Anerkennung des nationalliberalen Einsatzes für Konstitution, Demokratie und Bildung setzt sich diese Studie zum Ziel, die breite Entwicklungs- und Verflechtungsgeschichte beider nationalen Schulbewegungen in Böhmen vor dem gesellschaftlichen und politischen Hintergrund jener Zeit komparativ darzustellen. Die Analyse der Grundlagen des nationalen Schulkampfes in Böhmen soll Aufschluss darüber geben, an welchen Regeln sich die Schutzvereine in ihrer Tätigkeit halten mussten, sowie über deren Ausgangspositionen, Dynamiken, Kontakte und Praxen. Die Struktur der Studie entspricht den thematischen Fragenkomplexen, die in sechs Analysekategorien unterteilt wurden: Parlamentarische Ebene: Welchen politischen Prozessen und gesellschaftlichen Entwicklungen entwuchsen die nationalen Schulaktivitäten und die besondere Affinität der nationalen Bewegungen zum nationalen Schulwesen? Welche legislativen Veränderungen gingen der Enstehung der Schulvereine voraus und welche Rolle spielte die Agenda der Schulvereine für die zentrale Politik? Außerparlamentarische Ebene und institutionelle Einbettung: Mit welchen weiteren außerparlamentarischen Akteuren musste sich die Schulvereinstätigkeit auseinandersetzen? Welche Rolle fiel bei der Entscheidung über die Agenden der Schulvereine den staatlichen, politischen und Selbstverwaltungsorganen zu? Waren die Bedingungen im institutionellen Umfeld imstande, eine der Schulvereinsseiten zu begünstigen? Organisatorische Entwicklung: Entwickelten sich die Schulvereinsstrukturen ähnlich und mit gleicher Dynamik und wie spiegelt das Wachstum der Mitgliederbasis und der eingenommen Mittel die politische Entwicklung wider? Wie

57 In Anlehnung an JUDSON, Pieter. „Where our commonality is necessary …“: Rethinking the End of the Habsburg Monarchy. In: Austrian History Yearbook, Nr. 48/2017, S. 1–5. 58 Dazu Vgl. COHEN, Gary B. Nationalist Politics and the Dynamics of State and Civil Society in the Habsburg Monarchy 1869–1914. In: Central European History, Nr. 40 /2007, S. 275. Zur Diskussion über „zentripetale“ bzw. „zentrifugale“ Wirkung des Nationalismus vgl. auch z. B. KUZMICS, Helmut – HARING, Sabine A. Emotion, Habitus und Erster Weltkrieg: Soziologische Studien zum militärischen Untergang der Habsburger Monarchie. Göttingen: 2013, S. 330.

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wurden die Schulvereine finanziert und welcher kann als wirtschaftlich stärker angesehen werden? Politische Positionierung und Kontaktnetzwerke: Inwiefern waren nationale Schulvereine mit nationalliberalen Parteien verbunden? Welche Bewegung war eher im Stande, auch mit den heranwachsenden Massenparteien (Sozialdemokraten etc.) in Kontakt zu treten? Inwiefern reagierten sie unterschiedlich auf einige wesentliche ideologische Fragen wie z. B. Antisemitismus oder Frauenfrage? Stellung der Schulvereine im Staat: Wie unterschied sich die Loyalität beider Bewegungen gegenüber dem Staat im Hinblick auf dessen anationalen Charakter? Mit welchen Tätigkeiten trafen sie auf Ablehnung seitens des Staates? Kann von einem Protegieren einer der beiden nationalen Seiten vor 1918 überhaupt die Rede sein? Was bedeutete der Kriegsausbruch von 1914 und die Gründung der Tschechoslowakischen Republik von 1918 für die Position und Tätigkeit der Schulvereine? Konkrete Schutzarbeit vor Ort: Welche konkreten Aktivitäten vor Ort lassen sich in das breite Tätigkeitsfeld der Schulvereine einordnen? In welchen Aspekten unterschied sich die tschechische nationale Schutzarbeit im Schulwesen von der deutschen und welche Rolle spielte dabei die soziale Frage? Die Beantwortung dieses Fragenkomplexes soll aufgrund einer detaillierten Analyse der Vereinstätigkeiten und der Kontextualisierung mit Hinblick auf den zeitgenössischen politischen, gesellschaftlichen und legislativen Rahmen erfolgen. Diese Analyse stützt sich im Wesentlichen auf das ausführliche Studium der Archivquellen, der zeitgenössischen Schriften wie auch der relevanten Sekundärliteratur. Bei den Lokalstudien handelt es sich überwiegend um sprachlich gemischte ländliche und industrielle Orte des ehemaligen Kronlandes Böhmen. Der angewandte komparative Ansatz soll eine ausgeglichene Perspektive auf den deutsch-tschechischen Nationalitätenkonflikt bieten, mit der das Ziel verfolgt wird, einige verankerte deutsche wie tschechische nationale Narrative zum Thema zu korrigieren oder zu revidieren. Dies betrifft allen voran den in der tschechischen Geschichtsschreibung vermittelten Eindruck einer schwachen Stellung des tschechischen Schutzvereinswesens, vor allem der ÚMŠ gegenüber seinem deutschen Pendant DSV.59 Die Arbeit möchte weder eine traditionelle „schwarz-weiße“ Darstellung bringen, noch eine solche, die die nationalen Akteure als spiegelgleich erschei59 ŠPIRITOVÁ, Alexandra. Ústřední matice školská v letech 1880–1919, S. 182; HOŘEJŠ, Miloš. Die nationalen „Schutzvereine“ in Böhmen, Mähren und Schlesien (1900–1938) In: KUBŮ, Eduard – SCHULZ, Helga. Wirtschaftnationalismus als Entwicklungsstrategie ostmitteleuropäischer Eliten. Prag/Berlin: 2004, S. 207.

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nen lässt. Diese letztere Sichtweise findet vor allem bei neueren Untersuchungen Anwendung,60 indirekt auch in Studien über nationale Indifferenz, wo dem Gegensatz zwischen dem nationalen Aktivismus einerseits und der nationalen Indifferenz andererseits tatsächliche oder produzierte Differenzen zwischen den Akteuren der Nationalisierung zwangshaft weichen müssen. Die vorliegende Arbeit ist viel mehr auf die Unterschiede in der Dynamik der Formierung und Stellung des deutschen und des tschechischen Nationalismus in Cisleithanien fokussiert, der durch die nationalen Schulvereine repräsentiert wurde. Dies wird vor allem aufgrund des Einflusses der Demokratisierungsprozesse, der sozialen Frage und der Staatsmacht auf die konkrete Tätigkeit der untersuchten Schulvereine entlang der ehemaligen deutsch-tschechischen Sprachgrenze in Böhmen aufgezeigt. Die Studie setzt voraus, dass der Demokratisierungsprozess der Jahrhundertwende, der mit der schrittweisen Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts und dem damit einhergehenden Aufstieg der Massenparteien zusammenhing, den Charakter des jeweiligen Nationalismus sowie das Nationalisierungs- bzw. Mobilisierungspotenzial der konkurrierenden Bewegungen unterschiedlich geprägt hat. Im Kontext der verlaufenden deutsch-tschechischen Ausgleichsverhandlungen, die sich nebst der Sprachenfrage auch der Regelung des Minoritätsschulwesens widmeten, sollen die Schulvereine als bedeutsame Bindeglieder zwischen Politik und Gesellschaft Cisleithaniens mit ihren spezifischen Limiten und Möglichkeiten gezeigt werden.

60 ZAFFI, Davide – ZAORAL, Roman. Ethnic policy in school associations. Two case studies from the Austro-Hungarian Monarchy (1880–1900) In: KONTLER, László (Hrsg.). Pride and Prejudice: National Stereotypes in 19th and 20th Century Europe: East to West. Budapest: 1995, S. 53.

1 Grundlagen der nationalen Schularbeit Maria Theresia (1770): „Das Schulwesen aber ist und bleibet allzeit ein Politicum“1

1.1 Identitätskrise und Bedeutung des Schulwesens im 19. Jahrhundert Der Anfang des Prozesses des Verschwindens alter Loyalitäten und ihr Ersatz durch den nationalen Gedanken2 ist eng mit der Ära des aufgeklärten Josephinismus verbunden, der auf der allmählichen Befreiung des Menschen aus den ständischen Gesellschaftsstrukturen basierte. Der von der Kaiserin Maria Theresia 1774 eingeführten allgemeinen Schulpflicht wurde durch das josephinische Toleranzpatent und die Aufhebung der Leibeigenschaft die Funktion eines allgemeinen intellektuellen Befreiers vom weltlichen Herrscher ebenso wie von der Kirche zuteil. Die pragmatische Zentralisierung des Staats- und Schulwesens durch eine gemeinsame Staats- und Unterrichtssprache unter Joseph II. gab jedoch dem österreichischen Schulwesen – trotz des Unmuts einiger Kronländer – bereits vor der Französischen Revolution von 1789 einen formal deutschen Charakter.3 Die normierende und vereinheitlichende Wirkung des staatlichen Schulwesens folgte allein politischen Zielen des Herrschers. An den Werken bedeutender deutscher Philosophen jener Zeit, vor allem Johann Gottfried Herder4 und Johann Gottlieb Fichte5, ist ersichtlich, dass sich der Kern des aufklärerischen Interesses am Konzept des „Volksgeistes“ ansiedelte, für den die eigene Muttersprache „das Allerheiligste“ darstellte. Damit ging die starke Bildungsorientierung mit der Forderung nach „nationaler Erziehung“ einher. Dies führte zur schrittweisen Herausbildung des Konzeptes einer Sprachnation, die die eigene Volkssprache zum entscheidenden Identifikationskriterium machte. Dieses Konzept unterschied sich daher vom konservativ-feudalen landesbezogenen Patriotismus, bei dem Sprachen keine Rolle spielten. In Fichtes „Reden an die deutsche Nation“ (1808) findet sich bereits eine entschiedene Ablehnung des Bilingualismus, die durch die prägnante Formel: „allent1 ENGELBRECHT, Helmut. Geschichte des österreichischen Bildungswesens auf dem Boden Österreichs. Wien: 1984, S. 490. 2 JAWORSKI, Rudolf. Vorposten oder Minderheit, S. 25. 3 CONNELLY, John. From Peoples into Nations: A History of Eastern Europe. Princeton: 2020, S. 76–77. 4 v. a. HERDER, Johann Gottfried. Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin: 1772; ders. Von deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter. Hamburg: 1773. 5 FICHTE, Johann Gottlieb. Reden an die deutsche Nation. Berlin: 1808. https://doi.org/10.1515/9783110723397-002

14  1 Grundlagen der nationalen Schularbeit

halben, wo eine besondere Sprache angetroffen wird, [ist] auch eine besondere Nation vorhanden“ ausgedrückt wird.6 Diese Gedanken erhielten an der Schwelle zur Moderne ihre Begründung bei den zahlreichen Völkern bzw. Sprachgemeinschaften des am Abgrund stehenden und 1806 definitiv aufgelösten Heiligen Römischen Reiches. In dessen Ländern wird 1815 nach den Napoleonischen Kriegen der Deutsche Bund geschaffen, der allerdings als eine relativ lose Gruppierung von Staaten nicht im Stande war, auf die Identitätskrise nach dem Zerfall des einstigen Reiches effektiv zu reagieren.7 In jener Zeit wird bereits für eine moderne Sprach- und Kulturnation seitens jener intellektuellen Kreise, Bildungsbürger wie auch Studenten plädiert und auch demonstriert, wie sich während des Vormärz und vor allem der Revolutionszeit von 1848/1849 zeigte. Worin bestand jedoch die enorme „Obsession mit dem Schulwesen und dessen physicher Verkörperung – der Schule?“8 Die Pflege des eigenen säkularisierten einsprachigen Schulwesens ist 1848 und endgültig 1867 zu einem allgemein garantierten Grundsatz geworden und die daraus entstandene Frage des nationalen Schulwesens wurde zu einem zentralen Politikum in den böhmischen Ländern. Diese Affinität der nationalen Bewegungen zum Bildungswesen war somit nicht allein durch die ökonomischen Ansprüche der neuen Zeit bestimmt, sondern hing sehr eng mit dem kulturell orientierten Volksbegriff zusammen, der für das deutsche wie auch tschechische „nation building“ so prägend werden sollte.9 Die konkrete Ausprägung des nationalen Selbstverständnisses sollte vor allem auf der Ebene von Deutungs- und Vermittlungsinstitutionen erfolgen, denen wichtigster Vertreter jedenfalls das Schulgebäude war, aber auch die Wissenschaft und die modernen Medien sowie Visualisierungs- und Musealisierungstechniken beinhaltete.10 Eine besondere Pflege dem Ausbau des nationalen Schulwesens widmeten die sich nach 1867 konstituierten nationalen Schutzvereine, die in ihren Propagandablättern, Zeitungsartikeln wie auch in der Korrespondenz zwischen der Hauptleitung und den Ortsgruppen die enorme Bedeutung des Schulwesens akzentuierten, was mit der politischen Rolle der Schulen bei der Durchsetzung sprachlich-nationaler Forderungen übereinstimmte. Berichte wie z. B. „In der Gemeinde Pschiwosten (Přívozec u Blížejova) wurde durch die gemeinsame Subvention der ÚMŠ und der Národní jednota pošumavská die Gefahr einer 6 FICHTE, Johann Gottlieb. Reden an die deutsche Nation. Zwölfte Rede. Berlin: 1808, S. 453. 7 HROCH, Miroslav. Die tschechische nationale Mobilisierung als Antwort auf die Identitätskrise um 1800. In: HROCH, Miroslav – KOLL, Johannes – DANN, Otto (Hrsg.). Patriotismus und Nationsbildung am Ende des Heiligen Römischen Reiches. Köln: 2003, S. 201. 8 JUDSON, Pieter. Guardians of the Nation, S. 23. 9 KOŘALKA, Jiří. Ungleiche Nachbarn, S. 33–34. 10 HASLINGER, Peter. Nation und Territorium, S. 12.

1.1 Identitätskrise und Bedeutung des Schulwesens im 19. Jahrhundert



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deutschen Schule abgewandt“11 wurden regelmäßig veröffentlicht, wobei sich diese oft auf die Meldungen der Vereinsortsgruppen stützten. So referierte z. B. die Ortsgruppe des DSV in Mies (Stříbro) der DSV-Hauptleitung in Wien über die erfolgreiche Erbauung von Schulhäusern im Gerichtsbezirk Mies (Stříbro) folgendermaßen: „Nur anhaltender und umsichtiger Arbeit ist es zu danken, alle die Angriffe, welche teils versteckt auf Umwegen, teils ganz offen erfolgten, abzuwehren und durch die Erbauung von schönen deutschen Schulen in Wranowa, Hermannshütte, Wrbitz, Piwana u.[nd] Sittna der tschechischen Eroberungslust einen Damm entgegenzustellen.“12 Schulerrichtungen in national umstrittenen Gebieten enthielten einen erheblichen Konfliktstoff und die Minoritätsschulgebäude wurden zum wahren Symbol des nationalen territorialen Anspruchs. Während das Schulgebäude für die Einen ein „Bollwerk der [eigenen] Kultur“13 oder etwa ein „Palladium [des] Volkstums“14 bedeutete, war sie den Anderen etwa eine „feindliche Zitadelle“15 oder gar ein „Pfahl im Fleische“.16 Durch die nahezu religiöse Affinität zu Schulen wurde jedweder tatsächlicher oder vermeintlicher national-motivierter Angriff auf ein Schulgebäude dementsprechend emotional hochgespielt.17 Die Schutzvereine wollten die historisch gewachsene Bedeutung ihres Schaffens bestätigt wissen: „Die Schule und das Schulhaus ist für die nationalen Parteien von heute dasselbe, was die Kirche und das Kirchengebäude für die religiösen Parteien vor Ausbruch des 30jährigen Krieges.“18 Dieses Selbstbewusstsein geht jedenfalls nicht nur aus den zeitgenössischen Quellen klar hervor, auch die Geschichtswissenschaft sieht klar die Bedeutung der Bildung für die nationale Bewegung. Wiederholt wurde auf den interessanten Nebenaspekt hingewiesen, dass der deutsch-tschechische nationale Wettbewerb im Bildungssektor einen erheblichen Beitrag dazu leistete, dass insbesondere die Sprachgrenzregionen der böhmischen Länder zu denjenigen Regionen der Habsburgermonarchie wurden, in denen die Bevölkerung den besten Zugang zur Bildung

11 Věstník Ústřední Matice Školské (VÚMŠ), Nr. 1–3/1906, S. 59. 12 Brief der DSV-Ortsgruppe Mies (Stříbro) an die DSV-Hauptleitung in Wien vom Mai 1913. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 13, Fasz. Solislau. 13 JUDSON, Versuche um 1900, die Sprachgrenze sichtbar zu machen. In: CSÁKY, Moritz – STACHEL – Peter (Hrsg.). Die Verortung von Gedächtnis. Wien: 2001, S. 169. 14 FISCHEL, Alfred. Die Minoritätsschulen. Brünn: 1900, S. 1. 15 GATTERER, Claus. Erbfeindschaft Italien-Österreich. Wien/München/Zürich: 1972, S. 91. 16 FISCHEL, Alfred. Die Minoritätsschulen. Brünn: 1900, S. 1. 17 JUDSON, Pieter. Guardians of the Nation, S. 53–63. 18 SPINDLER, Joseph. Die deutsche Schutzvereinsschule von Werschowitz. Geschichte einer deutschen Schule im tschechischen Sprachgebiete nach den Acten erzählt. Leipzig: 1898, S. 24.

16  1 Grundlagen der nationalen Schularbeit

hatte und wo die Analphabetenquote eine der geringsten im Habsburgerreich wurde.19

1.2 Entwicklung des bürgerlichen Vereinswesens Die Anfänge des modernen völkischen Vereinslebens sind in der preußischen Turnbewegung im Rahmen der sog. „Befreiungskriege“ zu sehen. Nach dem Krieg bei Jena 1806 und nach der Besetzung Preußens durch französische Truppen baute der „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn in Berlin die erste Organisation der Deutschen Turnerschaft auf, die als einer der ersten nationalen Schutzvereine im modernen Sinne gedeutet werden kann, der auch den Begriff des „Volkstums“ erfüllen wollte und seine Tätigkeit kontinuierlich auf dessen Implementierung ausrichtete. Zwar wurde zur Zeit der Restauration das Turnen eingeschränkt, doch nahmen die deutschen Turner an den revolutionären Geschehnissen von 1848/1849 aktiv teil.20 Sie förderten die deutsche Einigung, wenngleich sie an der Einbindung Österreichs zweifelten, wovon die Erklärung Jahns zeugt: „… allerzeit wird es den Österreichern misslingen, ihre Staatsbrüder zu verdeutschen, ein so herrlicher Kraftstamm auch der Deutsch-Österreicher ist, ein so ausgezeichnetes in Glück und Unglück gewiegtes Fürstenhaus auch die Länder und Staaten zusammenhält.“21 Damit deutete Jahn die als deutlich schwerer empfundene Position der deutschen Nationalbewegung in der Habsburgermonarchie an, die sich von Machtaspirationen nichtdeutscher Sprachgruppen beschränkt und schließlich auch bedroht sah. Neben Turnern waren es auch die deutschen Studentenverbindungen (Burschenschaften), die zu den aktivsten Trägern des deutschen Liberalisierungs- und Nationalisierungsforderungen wurden, was auch ihnen Konflikte mit der absolutistischen Staatsmacht bereitete. Dies zeigt sich deutlich an den im Deutschen Bund beschlossenen „Karlsbader Beschlüssen“, die nicht nur Beschränkung im akademischen Bereich (Berufsverbote für Professoren, Überwachung von Universitä19 Z. B. JUDSON, Pieter. Guardians of the Nation, S. 64; HASLINGER, Peter. Nation und Territorium, S. 60. Obwohl die Vereine im Ausbau des Schulwesens eine prägende Rolle spielten, sollte die rasche Entwicklung des Schulwesens in den böhmischen Ländern nicht allein auf den Nationalitätenkonflikt zurückgeführt werden, denn vor allem Böhmen hatte es bereits in der Zeit vor 1848 einen vergleichsweise hohen Schulbesuch und eine niedrige Analphabetenquote gegeben. KOŘALKA, Jiří. Tschechen im Habsburgerreich und in Europa 1815–1914: sozialgeschichtliche Zusammenhänge der neuzeitlichen Nationsbildung und der Nationalitätenfrage in den böhmischen Ländern. Praha: 1964, S. 101–102. 20 LUH, Andreas. Der Deutsche Turnverband, S. 19–20. 21 JAHN, Friedrich Ludwig. Deutsches Volksthum. Leipzig: 1813, S. 12.

1.2 Entwicklung des bürgerlichen Vereinswesens 

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ten), sondern auch die Schließung der Turnplätze im Rahmen der sog. „Turnsperre“ in den Jahren 1820–1842 mit sich brachten.22 Wegen des Misstrauens der Staaten des Deutschen Bundes gegenüber den bürgerlichen Assoziationen wurden Vereinsgründungen wie etwa von Lesegesellschaften, Geselligkeitsklubs und Casinos im Habsburgerreich bis in die späten 1830er-Jahre verzögert, Mitte der 1840er-Jahre waren sie in den böhmischen Ländern aber schon stark verbreitet, insbesondere ging es um Wissenschafts-, Mäzen-, Industrie- und Gewerbevereine auf utraquistischer Grundlage. Die überhaupt älteste Gelehrtengesellschaft war die kurzlebige Societas incognitorum eruditorium in Olmütz (Olomouc) (1746). Später folgten die Königliche Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften (1784), die Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde in Böhmen (1796), die Gesellschaft des vaterländischen Museums in Böhmen (1822) und die Gesellschaft zur Ermunterung der Industrie in Böhmen (1833), wobei diese Organisationen zwar einen sprachlich deutschen, aber noch keinen ausgeprägten nationalen Charakter hatten.23 Es entstanden auch die ersten Vereine zur Pflege der eigenen Sprache und Literatur wie vor allem die Matice Česká (1831), deren Gründung auf die Initiative von František Palacký, dem späteren tschechischen Revolutionsführer, zurückzuführen ist.24 Die sich anbahnende sprachlich-nationale Differenzierung, die in der Regel von der tschechischen Seite ausging,25 brachte in der Folgezeit weitere ausschließlich tschechische Vereinsgründungen, wozu vor allem die seit 1845 gegründeten Bürgerklubs (Měšťanská Beseda) gehörten, die als Zentren des sich formierenden tschechischen kulturellen Vereinslebens fungierten. Als die tschechische Politik mit František Palacký an der Spitze sich 1848 weigerte, an der Wahl für das revolutionäre konstitutionelle deutsche Vorparlament in Frankfurt am Main und somit am deutschen Einigungsprozess teilzunehmen, zeigte sich am Vereinswesen sofort die Inkompatibilität der beiderseitigen national-politischen Forderungen. Sie kommt in der Entstehung einer Reihe politischer Vereine wie der Slawischen Linde (Slovanská Lípa), des St.Wenzels-Ausschusses, des radikalen Repeal-Clubs, der Böhmisch-Mährischen Bruderschaft, des deutschen Konstitutionellen Vereins, des Vereins Markomannia oder des Vereins der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien zur Aufrechterhaltung ihrer Nationalität mit Sitz in Wien zum Audruck, wobei vor allem dem letzeren die Vorgängerschaft der künftigen nationalen Schutzvereine 22 LUH, Andreas. Der Deutsche Turnverband, S. 20. 23 LAŠŤOVKA, Marek [u. a.]. Pražské spolky: soupis pražských spolků na základě úředních evidencí z let 1895–1990. Praha: 1998, S. 31–32. 24 BECHER, Peter [u. a.] (Hrsg.). Handbuch der deutschen Literatur Prags und der Böhmischen Länder. Stuttgart: 2017, S. 91. 25 JAWORSKI, Rudolf. Vorposten oder Minderheit, S. 23.

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beigemessen wurde.26 Die tschechischen und deutschen Studenten manifestierten ihre nationalliberalen Forderungen auch im Rahmen von national getrennten Lesegesellschaften.27 Nach dem Scheitern der liberalen Revolution wurden mit den Silvesterpatenten von 1851 die Grundsätze der Gleichberechtigung und der Versammlungsfreiheit bald wieder aufgehoben. Sie wurden 1852 durch das Kaiserpatent ersetzt, das offiziell noch strenger als die allererste Vereinsregelung von 1843 gegen die Vereine vorging und eine stärkere Abhängigkeit des gesamten Vereinswesens von der Wiener Regierung mit sich brachte. Trotzdem kam es bereits in dieser Zeit zu einer „Hochflut von Vereinen“28, vor allem geselliger, religiöser und wirtschaftlicher Art, die in der Zeit der aufgezwungenen politischen Passivität als „Fetisch und Surrogat für eine unmittelbare Teilhabe an politischer Macht“29 dienten. Neoabsolutistische Gesetzgebung absorbierte in sich die revolutionären Forderungen, weshalb einige Historiker den starr konservativen Charakter des Staates in der Periode 1849–1867 anzweifeln.30 Doch zur Belebung des Vereinswesens kam es erst infolge der Schlachten bei Magenta und Soferino von 1859 und der wirtschaftlichen Krise Ende der 1850er-Jahre. Zu den wichtigsten Vorgängern des späteren nationalen Schutzvereinswesens gehörte das „Deutsche Casino“31, das als Pendant zu den tschechischen Bürgerklubs „Měšťanská Beseda“ trotz seiner vorrevolutionären Wurzeln erst 1862 in Prag gegründet wurde. Bereits 1861 entstanden die national getrennten Gesangsvereine, wie der Deutsche Gesangsverein „Flöte“ und der tschechische Gesangsverein „Hlahol“. In dieser Zeit befanden sich auch Turnvereine, wie die Deutsche Turnerschaft32 und der tschechische Turnverein Sokol, in der Konstituierungs-

26 HENNING HAHN, Hans (Hrsg.). Hundert Jahre sudeten-deutsche Geschichte: eine völkische Bewegung in drei Staaten. Frankfurt/M.: 2007, S. 52. 27 COHEN, Gary B. Politics of Ethnic Survival, S. 27. 28 JAWORSKI, Rudolf. Vorposten oder Minderheit, S. 22–23. 29 JAWORSKI, Rudolf. Vorposten oder Minderheit, S. 22–23. 30 JUDSON, Pieter. Habsburg: Geschichte eines Imperiums: 1740–1918. München: 2017, S. 281–332. 31 Zum unmittelbaren Anlass der Casino-Gründung wurde der Eindruck des tschechischen Erfolgs in Gemeindewahlen in Prag mit dem Zweck, die deutschliberalen Kräfte in Prag zu bündeln. Vgl. POKORNÝ, Jiří. Vereine und Parteien in Böhmen. In: RUMPLER, Helmut – URBANITSCH, Peter. Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Band VIII: Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft, Teil 1: Vereine, Parteien und Interessenverbände als Träger der politischen Partizipation. Wien: 2006, S. 612–613. 32 Diese hat sich in Österreich als „Turnkreis Deutschösterreich“ im Rahmen der 1868 gegründeten „Deutschen Turnerschaft“ konstituiert. Vgl. LUH, Andreas. Der Deutsche Turnverband, S. 21.

1.2 Entwicklung des bürgerlichen Vereinswesens



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phase.33 Nicht nur Interessen-, sondern auch Berufsorganisationen wie z. B. Historiker- oder Ärztevereine wurden bald von der Trennung betroffen.34 Erst in der konstitutionellen Ära seit 1867 wurde der Vereinsentwicklung freie Bahn zuteil. Die zuerst auf lokaler und bald auf zentraler Basis gegründeten nationalen Schutzvereine knüpften an die bereits bestehenden Vereinsstrukturen an und wurden zu Akteuren des umfangreichen „lokale[n] Totalprogramm[s]“35. Nationale Schulvereine, die die wichtigste Position in den nationalen Vereinsnetzwerken einnahmen, wurden bald zum Vorbild für weitere nationale Schutzvereine, die jedoch enger auf den wirtschaftlichen Bereich fokussiert waren. Zu diesen gehörten vor allem der Deutsche Böhmerwaldbund (Budweis/Budějovice, 1884) und die tschechische Gegengründung, der Tschechische Böhmerwaldbund [Národní jednota pošumavská, NJP] (daselbst, 1884). Mit der Gründung des Nordböhmischen Nationalvereins [Národní jednota severočeská, NJS] (Prag, 1885) konnte das ganze Gebiet Böhmens von tschechischen Schutzvereinen abgedeckt werden, während auf der Seite der deutschen Vereine diese Deckung wegen der engeren regionalen Fokussierung noch weitere zehn Jahre in Anspruch nahm. Diese wurde schrittweise erst erreicht durch die Konstituierung des Bundes der Deutschen Westböhmens (Pilsen/Plzeň, 1892), des Bundes der Deutschen Nordwestböhmens (Brüx/Most, 1894), des Bundes der Deutschen in Böhmen (Teplitz-Schönau/Teplice-Šanov, 1894), des Bundes der Deutschen Ostböhmens (Trautenau/Trutnov, 1894) und des Bundes der Deutschen im Egerkreis (Eger/Cheb, 1895), wobei die kleineren Vereine bald im Teplitz-Schönauer Bund der Deutschen in Böhmen aufgingen. Etwas ausgewogenener war das Verhältnis in Mähren, wo dem Bund der Deutschen Nordmährens (Olmütz/Olomouc, 1886), der Nordmark (Troppau, 1894), dem Bund der Deutschen Südmährens (Znaim/Znojmo, 1899) dem Bund der Deutschen der Iglauer Sprachinsel (Iglau/Jihlava, 1904) und schließlich dem Bund der Deutschen in Mähren (Brünn/Brno, 1912) vier tschechische Schutzvereine und zwar der Nationalverein für Ostmähren [Národní Jednota pro východní Moravu] (Olmütz/Olomouc, 1885), Nationalverein für Südostmähren [Národní Jednota pro jihozápadní Moravu] (Brünn/Brno, 1866), Schlesische Stiftung für Volksbildung für das Hultschiner Ländchen und das Teschener Land [Slezská Matice Osvěty Lidové pro Hlučínsko a Těšínsko] (Troppau/Opava, 1898) und der Schlesische

33 Dazu WAIC Marek. Sokol v české společnosti 1862–1938. Praha: 1997 oder Ders. Tělovýchova a sport ve službách české národní emancipace. Praha: 2014. 34 LAŠŤOVKA, Marek [u. a.]. Pražské spolky, S. 35. 35 Begriff nach Peter Haslinger. Vgl. HASLINGER, Peter. Wen und wovor schützten die Schutzvereine. Problemaufriss und Versuch einer Einordnung. In: HASLINGER, Peter (Hrsg.). Schutzvereine in Ostmitteleuropa, S. 3.

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Nationalverein [Národní Jednota Slezská] (Prag, 1906) gegenüberstanden.36 All diese Vereine standen im engen Kontakt mit Schulvereinen und unterstützten deren Schulen, sie unterhielten aber auch eigene Anstalten. Da im Laufe der Zeit und wegen der anwachsenden nationalen Konflikte der Bedarf nach einheitlichem nationalem Vorgehen anwuchs, wurden an der Jahrhundertwende auch nationale Dachorganisationen gegründet; dies waren der Tchechische Nationalrat [Národní rada česká, NRČ] (Prag, 1900) und der Deutsche Volksrat für Böhmen (Trebnitz, 1903), die neben der Schutzarbeit im Sinne der praktischen Einflussnahme auch eine rege lobbyistische Tätigkeit bei den lokalen Gemeindevertretungen sowie bei den Landtags- und Reichsratsabgeordneten betrieben und somit eine dezidiert national-politische Tätigkeit ausübten. Der in Mähren entstandene Deutsche Volksrat für Mähren (Brünn, 1903) engagierte sich nach dem Inkrafttreten des Mährischen Ausgleichs 1905 sehr konkret gegen Pläne, eine tschechische Universität zu errichten.37 1910 wurde bereits auf „deutscharischer“ Grundlage der Deutsche Volksrat für Wien und Niederösterreich gegründet.38 Ebenso gab es lockere Verbindungen, um die Aktivitäten einzelner Schutzvereine besser koordinieren zu können, wie z. B. die Hauptstelle der Deutschen Schutzarbeit (Wien, 1908) mit dem Vorsitzenden des DSV Gustav Groß an der Spitze, die einen ständigen Ausschuss für 13 deutsche Schutzvereine aus verschiedenen cisleithanischen Kronländern darstellte.39 An deren erster Versammlung, dem sog. „Schutzvereinstag“ in Wien, nahmen 21 verschiedene Körperschaften teil, wobei der Zweck der Versammlung vor allem die Koordinierung der verschiedensten Aktivitäten der Schutzvereine war.40 36 BALCAROVÁ, Jitka. Jeden za všechny, všichni za jednoho, S. 95.; HOŘEJŠ, Miloš. Národní Jednota Severočeská. Organizace, hospodaření a sociální struktura v letech 1885–1945. [Unveröffentlichtes Rigorosum an der Phil. Fak. der Karls-Universität Prag, 2004], S. 24.; POKORNÝ, Jiří. Vereine, Verbände und Parteien in den Böhmischen Ländern, S. 639; Národní Jednoty a Matice v Československé republice. Praha: 1925, S. 23–47. 37 Znaimer Tagblatt, Nr. 97 vom 29.4.1903, S. 2. 38 Niederösterreichischer Grenzbote, Nr. 5 vom 2.2.1913. Nr. 5, S. 2. 39 Diese Gründung folgte der Gründung des parlamentarischen Deutschen Nationalverbands und der deutschnationalen Geschäftsstelle auf der politischen Ebene. Vgl. HÖBELT, Lothar. Kornblume und Kaiseradler: Die deutschfreiheitlichen Parteien Österreichs 1882–1914. München: 1993, S. 71; WEIDENFELLER, Gerhard. VdA: Verein für das Deutschtum im Ausland, der Allgemeine Deutsche Schulverein (1881–1918). Frankfurt/M.: 1976, S. 133; GRAF, Alexander. „Los von Rom“ und „heim ins Reich“: Das deutschnationale Akademikermilieu an den cisleithanischen Hochschulen der Habsburgermonarchie 1859–1914. Berlin: 2015, S. 194. 40 Stimmberechtigte Mitglieder des deutschen Schutzvereinstages von 1908 waren: Brünner Vororteverein, Bund der christlichen Deutschen in der Bukowina, Bund der christlichen Deutschen in Galizien, Bund der Deutschen in Böhmen, Bund der Deutschen in Niederösterreich, Bund der Deutschen Nordmährens, Bund der Deutschen Ostböhmens, Bund der Deutschen Südmährens, Bund der Deutschen der Iglauer Sprachinsel, Deutscher Böhmerwaldbund,

1.3 Liberale Gesetzgebung 

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Eine Besonderheit stellt die Gründung des tschechischen Minderheitenmuseums [Menšinové Museum] (Prag, 1909) dar, das zwar anfangs die Ambition, ein zentraler Minderheitsausschuss zu werden, nicht leugnen konnte, aber nachdem ihre Satzung vom Innenministerium wegen deren politischen Charakters nicht bewilligt wurde, schlicht zu einem aktiven Museumsverein wurde, der von den tschechischen Schutzvereinen Materialien zu den Minderheitenfragen in den Regionen sammelte, archivierte und auch ausstellte.41 Aus den geschilderten Entwicklungen geht klar hervor, dass die Vereine im Laufe der Zeit zu einer Größe heranwuchsen, durch die sie über beträchtlichen Einfluss in Politik und Gesellschaft verfügten. Durch die Vereinheitlichungsversuche der nationalen Schutzarbeit zeigt sich auch der Anspruch, breite Felder des öffentlichen Lebens für sich zu redefinieren und auf sich zu übertragen.

1.3 Liberale Gesetzgebung Mit den revolutionären Verfassungsentwürfen für Österreich von 1848/1849 gelang es, einige wichtige Schritte, die die Eigenart und Entwicklung aller „Volksstämme“ gesetzlich garantieren sollte, zu machen. Die Gleichberechtigung der Völker spielte in dieser Zeit bereits eine wichtige Rolle und erschien sowohl in der Märzverfassung von 1849: „Alle Volksstäme des Staates sind gleichberechtigt, und jeder Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung seiner Nationalität und Sprache“,42 wie auch im kaiserlichen Reskript vom 8. April 1848, der sog. „Böhmischen Charta“, die „eine vollkommene Gleichstellung von Nationalität und Sprache in allen Zweigen der Staatsverwaltung und im öffentlichen Unterricht“ zusicherte und den Grundpfeiler der tschechischen staatsrechtlichen Bemühungen für die folgenden Generationen darstellte.43 Schließlich findet sich der Gleichberechtigungsgrundsatz auch im kaiserlichen ThronDSV, Deutscher Volksrat für Böhmen, Deutscher Volksrat für Kärnten, Deutscher Volksrat für die Untersteiermark, Deutscher Volksrat für Wien und Niederösterreich, Tiroler Volksbund, Nordmark, Südmark, Verein deutscher Ärzte in Österreich, Zentralstelle für deutsche Waisenpflege und Jugendfürsorge. Als nichtstimmberechtigt sind etwa der DTV, der ADSV (vertreten durch Staatsminister Hentig) oder der Alldeutsche Verband erschienen. Vgl. Verhandlungsschrift über den I. Deutschen Schutzvereinstag in Wien am 3., 4., 5. und 6. Jänner 1908. Wien: 1908, S. V–1. 41 SEDLÁKOVÁ, Monika. Menšinové muzeum v Praze. In: Paginae historiae, Nr. 15/2007, S. 61–68. 42 Reichsverfassung für das Kaiserthum Oesterreich von 1849. http://www.verfassungen.at/ at-18/verfassung49.htm (30.10.2020) 43 KANN, Robert A. Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie. Graz/Köln: 1964, Bd. 1, S. 169.

22  1 Grundlagen der nationalen Schularbeit

besteigungsmanifest vom Dezember 1848,44 was darauf hindeutet, dass ein gerechter Ausgleich zwischen den österreichischen Völkern im Interesse aller Beteiligten war. Neue Prinzipien bezüglich des Schulwesens fanden in dieser Zeit den Weg in den Entwurf der Liste der Grundrechte des Reichsrates von Kremsier (Kroměříž), wo laut § 19 jedem österreichischen Bürger nicht nur das Recht auf nationale Erziehung, sondern auch auf die Errichtung dafür notwendiger Schulanstalten zugestanden wurde.45 Die infolge der außen- wie innenpolitischen Erschütterung des Staates nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen von 1866 eintretende Liberalisierung der Gesetzgebung drückte sich bereits in Gesetzen zum Versammlungs- und Vereinsrecht vom 15. November 1867 aus, das dessen wesentliche Lockerung brachte und eine enorme Gründungswelle für Vereine ermöglichte.46 Im Unterschied zum alten Vereinsgesetz von 1852 gewährte dieses Gesetz den Vereinen unter Voraussetzung der Erfüllung aller vorgeschriebenen formalen Voraussetzungen47 die automatische Rechtsfähigkeit, was bedeutete, dass die Vereine nicht ausdrücklich bewilligt werden mussten, sondern wenn nach vier Wochen seit der Gesuchstellung keine schriftliche Ablehnung kam, die für rechtswidrige Vereine gedacht war, konnte der Verein seine Tätigkeit aufnehmen. Bei einer Ablehnung wurde den Vereinen jedoch das Recht gewährt, beim Innenministerium innerhalb von 60 Tagen Einspruch zu erheben. Des Weiteren wurden auch Vereinsversammlungen geregelt, zu denen nach § 14 nur Vereinsmitglieder und eingeladene Gäste Zutritt hatten und für deren ordentlichen Ablauf der Vereinsvorsitzende laut § 17 verantwortlich war. Bei Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Behandlung eines außerhalb des Tätigkeitsbereiches liegenden Gegenstandes konnte laut § 21 die Versammlung aufgelöst werden. Zur Auflösung des ganzen Vereins hätte es aus demselben Grund – oder wenn der Verein gewisse politische Erklärungen herausgab – kommen können. Die Entscheidungs44 BURGER, Hannelore. Sprachenrecht, S. 32–33. 45 URBAN, Otto. Kroměřížský sněm. Praha: 1998, S. 96. 46 Prozentual am stärksten war diese Vereinsbewegung in Böhmen (40 % von der ganzen Monarchie). Während dort zwischen 1856 und 1867 die Anzahl der Vereine auf 1 717 und somit um 1 251 zunahm, stieg die Anzahl der Vereine zwischen 1867 und 1876 um 2 759. Dieser Anstieg galt freilich auch für die Folgejahre, nur durch die Wirtschaftskrise der frühen 1870erJahre wurde diese Entwicklung etwas verlangsamt. KRUPPA, Erika. Das Vereinswesen der Prager Vorstadt Smichow 1850–1875. München: 1992, S. 35–36. 47 Laut § 4 des Vereinsgesetzes mussten die Vereinsstatuten folgende Informationen enthalten: 1. Vereinszweck, 2. Gründung und Statutenänderung, 3. Sitz des Vereins, 4. Rechte und Pflichten der Mitglieder, 5. Verwaltungsorgane, 6. Bedingungen für gültige Beschlüsse, 7. Schriften und Ankündigungen, 8. Art und Weise der Schichtung von Streitigkeiten im Verein, 9. Vertretung des Vereins nach außen, 10. Vereinsauflösung. Vgl. RGBl. Nr. 134 vom 15.11.1867, S. 378.

1.3 Liberale Gesetzgebung



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kompetenz lag bei der Statthalterei im Falle von inländischen und beim Innenministerium im Falle von internationalen Vereinen. Unterstehende politische Behörden (Bezirkshauptmannschaften) waren laut § 28 „bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit“ ebenso befugt, die Tätigkeit des Vereins einzustellen.48 Die nur einen Monat darauf beschlossene Dezemberverfassung garantierte darüber hinaus die nationalen Rechte im Besonderen auch im Schulwesen, was jedoch – von der heutigen Perspektive – zur Herausbildung expansiver Agitationsräume für eine weitgehende Nationalisierung beitrug.49 Der Gleichberechtigungsgrundsatz wurde im Art. 19 der neuen Staatsgrundgesetze von 1867 wie folgt verankert: Abs. 1: Alle Volksstämme des Staates sind gleichberechtigt, und jeder Volksstamm50 hat ein unverzichtliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache. Abs. 2: Die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben wird vom Staate anerkannt. Abs. 3: In den Ländern, in welchen mehrere Volksstämme wohnen, sollen die öffentlichen Unterrichtsanstalten derart eingerichtet sein, daß ohne Anwendung eines Zwanges zur Erlernung einer zweiten Landessprache jeder dieser Volksstämme die erforderlichen Mittel zur Ausbildung in seiner Sprache erhält.51

Im Abs. 3 ist ersichtlich, dass die Deutschliberalen es vermochten, verfassungsrechtlich die Aufhebung des ihnen missliebigen „Sprachenzwangsgesetzes“ von 1866 zu bewirken. Dessen faktische Aufhebung ließ auch nicht lange auf sich warten,52 wodurch die Tendenz zum Bilingualismus im Schulwesen endgültig abgeschafft wurde.53 Der Abs. 1, der das unverletzliche Recht der Staatsbürger auf „Wahrung und Pflege der Nationalität und Sprache“ garantierte, bedeutete die volle Anerkennung beider in Böhmen landesüblichen Sprachen im öffentlichen Dienst und im Unterricht, was jedoch keine Anerkennung der

48 KRUPPA, Erika. Vereinswesen, S. 36–39. 49 ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 14. 50 Beachtenswert ist der Termin „Volksstamm“, mittels dessen in den Staatsgesetzen (im Unterschied zu Landesgesetzen) der Begriff der „Nationalität“ vermieden wurde. Dazu KLADIWA, Pavel. Etnická klasifikace a institucionální zakotvení národnosti v Československu (1918–1938). In: Moderní dějiny: časopis pro dějiny 19. a 20. století. Praha: 2014. Jg. 22, Nr. 2/2014, S. 89–116. 51 STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 56. 52 Zunächst wurden alle sog. „Sprachenzwangs-Erlässe“ für Mähren vom Unterrichtsministerium aufgehoben. Der umstrittene § 4 des Landesgesetzes für Böhmen wurde bei Abwesenheit der tschechischen Abgeordneten im Böhmischen Landtag 1868 ebenso aufgehoben. Vgl. STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 49, 59. 53 BURGER, Hannelore. Sprachenrecht, S. 39.

24  1 Grundlagen der nationalen Schularbeit

Rechtspersönlichkeit der Nationalitäten bedeuten konnte.54 Wie Stourzh bemerkt, waren die ersten zwei Absätze Konzessionen gegenüber den Tschechen, der Abs. 3 demgegenüber die Erfüllung des Anliegens der deutschen Abgeordneten und damit conditio sine qua non ihrer Zustimmung zu der neuen Verfassung.55 Der durch die Staatsverfassung etwas unkonkret festgelegte Rahmen sollte in der Zeit des deutschliberalen „Bürgerministeriums“ (1867–1870) durch weitere liberale Gesetze für den Bereich Schulwesen ergänzt werden. Diese zielten vor allem darauf ab, das Schulwesen der kirchlichen Aufsicht zu entziehen und eine staatliche Schulaufsicht zu errichten, was durch die sog. „Maigesetze“, namentlich das „Schule-Kirche-Gesetz“ von 1868 auch gelang, wobei „weltliche“, dem Unterrichtsministerium untergeordnete Institutionen staatlicher Schulaufsicht auf drei Ebenen (Landesschulrat, Bezirksschulrat und Ortsschulrat) geschaffen werden konnten.56 Erst durch die neue Gesetzgebung bekam der Staat effektive Mittel, die allgemeine Schulpflicht ins alltägliche Leben der Gesellschaft zu bringen.57 Für den Bereich des Schulwesens wurde am 14.5.1869 das Reichsvolksschulgesetz erlassen, das die Maigesetze wie auch die Verfassungsgrundsätze konkretisierte.58 Der große Wert, den die liberale Politik auf die Schulbildung legte, zeigt sich in der Anhebung der Schulpflicht von sechs auf acht Jahre und der Erweiterung des Fächer-Angebots, als der Realien-Unterricht inkl. Geschichte, Geografie usw. mit besonderer Berücksichtigung der Heimatkunde eingeführt wurde. Abweichend von den rechtlichen Vorbildern in Baden und Bayern legte das neue Gesetz Wert auf die Überkonfessionalität und Professionalisierung des Lehrerstandes, wozu auch die Errichtung von Lehrerbildungseinrichtungen dienen sollte. Durch die Reorganisierung der Struktur wurde die ursprüngliche Hauptschule durch eine 5-jährige Volks- und eine 3-jährige Bürgerschule ersetzt.59 § 6 des Reichsvolksschulgesetzes regelte direkt, obwohl relativ unkonkret, die Unterrichtssprache und die Unterweisung in einer zweiten Lan-

54 STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 189. 55 STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 56. 56 Für die Stellung und Kompetenzen der neuen Schulaufsichtsorgane vgl. Kap. 2.2. 57 HLAVAČKA, Milan. Zlatý věk české samosprávy. Samospráva a její vliv na hospodářský, sociální a intelektuální rozvoj Čech. Praha: 2006, S. 96. 58 Das Gesetz wird auch „Hasner-Gesetz“ nach dessen Autor, dem Minister für Kultus und Unterricht Leopold Hasner von Artha, genannt. 59 STÖHR, Ingrid. Zweisprachigkeit in Böhmen: Deutsche Volksschulen und Gymnasien im Prag der Kafka-Zeit, S. 183. Für die Entwicklung der Schulorganisation im Habsburgerreich vgl. ENGELBRECHT, Helmut. Schule in Österreich: Die Entwicklung ihrer Organisation von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: 2015.

1.4 Deutsch-tschechische Ausgleichspolitik 

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dessprache, wobei es in diesen Angelegenheiten der Landesschulbehörde das Entscheidungsrecht zusprach. Im § 59 wurde bereits der Grundstein für den enormen Ausbau der Schulanstalten gelegt, als dieser festlegte, „dass eine Schule unter allen Umständen überall dort zu errichten sei, wo sich im Umkreise einer Stunde und nach einem fünfjährigen Durchschnitt mehr als 40 Kinder vorfinden, welche eine über vier Kilometer entfernte Schule besuchen müssen“. Die Kosten für die Errichtung und Erhaltung von Schulen waren nach § 62 von der Ortsgemeinde zu decken, was bedeutete, dass der Gemeinde die Finanzierung von Schulbauten für ihre Minoritäten „angelastet“ werden konnte. Darin war freilich ein erhebliches Konfliktpotenzial versteckt, obwohl im § 66 bestimmt wurde, dass bei nicht ausreichenden Mitteln der Gemeinde die entsprechenden Kosten vom Land zu bestreiten sind. Das Gesetzeswerk wurde mit den Schulerrichtungsgesetzen für die einzelnen Kronländer (für Böhmen von 1870 bzw. dessen novellierter Fassung von 1873) vervollständigt. Gemeinsam mit dem Erlass des Unterrichtsministeriums vom 9.6.187360 wurden dadurch die Bedingungen für die Errichtung und Erhaltung von Schulgebäuden sehr konkret festgelegt. Ein Schulgebäude durfte nach § 13 des Gesetzes nur dort gebaut werden, wo sich weder Lärm, Nässe, Gestank und Verkehr auf den Unterricht störend auswirken konnten.61 Mit der Ausnahme der Novellierung des Reichsvolksschulgesetzes von 1883, als im Rahmen der sog. „Schulerleichterungen“ die Kürzung der 8-jährigen Schulpflicht in begründeten Fällen ermöglicht wurde,62 blieb diese liberale Schulgesetzgebung bis 1918 unangetastet in Kraft. Das Reichsvolksschulgesetz erfüllte jedenfalls schlicht die Rolle eines Rahmengesetzes für die Ländergesetzgebung.63

1.4 Deutsch-tschechische Ausgleichspolitik Der Konflikt zwischen tschechischen staatsrechtlichen Forderungen und dem deutschliberalen Zentralismus von 1848 bildete die ideologischen Ausgangsbedingungen beider Nationalbewegungen, die bereits seit den ersten Landtagswahlen und der Eröffnung des Wiener Reichsrats von 1861 die tägliche Parlamentspolitik prägten. Für die Durchsetzung des Zentralismus bzw. Föderalismus sollten nun Mehrheiten in Politik und Gesellschaft gewonnen werden.

60 Ministerialverordnung vom 20.8.1870. Z. 4816. 61 Landesgesetz für Böhmen vom 24.2.1873. LGBl. Nr. 22/1870. 62 BURGER, Hannelore. Sprachenrecht, S. 43–44. 63 URBANITSCH, Peter. Das Schulwesen in Cisleithanien. In: OSTERKAMP, Jana. Kooperatives Imperium, S. 99.

26  1 Grundlagen der nationalen Schularbeit

Die nach 1867 eingetretene Vormachtstellung der Deutschliberalen unterbrach 1871 kurzzeitig die Regierung des konservativen Grafen von Hohenwarth, der wichtige Schritte zugunsten einer föderalistischen Umgestaltung und somit auch der tschechischen Politik machte. Die am 10. Oktober 1871 im Böhmischen Landtag verabschiedeten sog. „Fundamentalartikel“ bedeuteten eine faktische Anerkennung der böhmischen Staatlichkeit und räumten dem Böhmischen Landtag autonome Kompetenzen ein, was auch die Bereiche Bildung und Erziehung anbelangte. Gleichzeitig wurden die neue Landtagswahlordnung und das sog. „Gesetz zum Schutze der Nationalitäten“ verabschiedet.64 Dies stieß jedoch auf starken Widerstand der deutschliberalen zentralistischen Politiker und breiter Kreise der so gesinnten Öffentlichkeit Cisleithaniens, die sich in Demonstrationen gegen die Regierung mündeten, was beinahe zur Ausrufung des Ausnahmezustandes geführt hätte. Kaiser Franz Joseph I. ließ sich von Reichskanzler Friedrich Ferdinand von Beust gegen die Fundamentalartikel aufbringen, die schließlich noch im selben Jahre zum Scheitern verurteilt wurden. Die nächste Regierung unter Adolf von Auersperg nahm alle föderalistischen Reformversuche wieder zurück.65 Die durchaus fließenden ideologischen Komponenten des politischen Konflikts in Cisleithanien lassen sich freilich nicht ohne Weiteres auf den Konflikt zwischen Konservatismus und Liberalismus reduzieren, die Tatsache jedoch, dass sich tschechische nationale Parteien nie offiziell „liberal“ nannten (dafür z. B. „freisinning“, „staatsrechtlich“, „fortschrittlich usw.) weist auf deren zeitgenössische Wahrnehmung des Liberalismus als einer vom deutschen Zentralismus zutiefst geprägten politischen Richtung. Zu seiner Diskreditierung führte auch die Wirtschaftskrise von 1873, die die Monarchie erschütterte und gleichzeitig das Aufkommen der Massengesellschaft forcierte, die sich gegen den Liberalismus wandte.66 Doch musste sich die tschechische Politik am Verhältnis zu den Konservativen (re)definieren, um liberale Politik durchzusetzen, was sich 1874 in der Abspaltung der sog. „Jungtschechen“ im Rahmen der „Freisinnigen Nationalpartei“ von der „Nationalpartei“ (Alttschechen) zeigt. Mit dem politischen Fall der Deutschliberalen von 1879 wurde eine innenpolitische Wende markiert, als erstmals tschechische Abgeordneten aus den böhmischen Ländern als Partner des böhmischen Adels das Wiener Parlament 64 Dieses nur für Böhmen gültige Landesgesetz sah eine völlige Gleichberechtigung der deutschen und der tschechischen Sprache vor. Als Amtssprache wurde das Deutsche mit prinzipieller Zulässigkeit des Tschechischen anerkannt und deshalb sollten die Staatsbeamten beider Sprachen mächtig sein. Des Weiteren sollte der böhmische Landtag in nationale Kurien aufgeteilt werden. Vgl. URBAN. Otto. Die tschechische Gesellschaft 1848–1918. Wien: 1994, S. 369. 65 SCHARF, Christian. Ausgleichspolitik, S. 165, 173; KRUPPA, Erika. Vereinswesen, S. 29–30. 66 JUDSON, Pieter. Habsburg, S. 447–448.

1.4 Deutsch-tschechische Ausgleichspolitik 

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betraten und die Regierung des sog. „Eisernen Rings der Rechten“ bildeten. Unter dem Eindruck der Tätigkeit des konservativen Kabinetts Taaffe, der durch die sog. „Stremayr’schen Sprachverordnungen“ von 1880 die obligatorische Zweisprachigkeit im äußeren Dienstverkehr beschloss, die Wahlrechtsreform67 und die Teilung der Karls-Universität68 von 1882 durchführte, verlangten die Deutschliberalen nunmehr eine Verwaltungsreform, die das Königreich Böhmen in zwei geschlossene Verwaltungsgebiete teilen sollte.69 Aus Sorge vor der sich weiter zuspitzenden jungtschechischen Agitation, die infolge der sog. „Brosamenaffäre“ gegen die alttschechische Führung um F. L. Rieger gerichtet war, ergriff nach dem Erfolg der Jungtschechen in der Landtagswahl von 1889 die Regierung Taaffe die Ausgleichsinitiative.70 Diese sollte besonders die Problematik der seit dem Gesetzentwurf Jan Kvíčalas (Lex Kvíčala) 1884, der den Schulbesuch von der Sprachkenntnis abhängig machte, heftig diskutierten Minoritätsschulen lösen.71 Im Rahmen der sog. „Wiener Punktationen“, die zwischen den Alttschechen und der Wiener Regierung verhandelt wurden, wurde 1890 ein beachtlicher Konsens in verschiedenen Gebieten des Sprachenrechts erreicht.72 Im Bereich des nationalen Minoritätsschulwesens ging es im Wesentlichen um die Errichtung von zwei nationalen Sektionen im Landesschulrat und die Abände67 Die Wahlreform brachte die Herabsenkung des Zensus von 10 auf 5 Gulden für wahlberechtigte Männer. 68 Dazu vgl. SEIBT, Ferdinand (Hrsg.). Die Teilung der Prager Universität 1882 und die intellektuelle Desintegration in den böhmischen Ländern: Vorträge der Tagung des Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 26. bis 28. November 1982. München: 1984. 69 HASLINGER, Peter. Nation und Territorium, S. 124. 70 Die „Brosamen-Affäre“ war der Höhepunkt der Diskreditierungskampagne der Jungtschechen gegen Rieger, die bereits mit dessen Aussage über die Notwendigkeit des Deutschen für gebildete tschechische Schichten begann. Anlass zur heftigen Kritik war nun der Ausspruch Riegers, bei der Durchsetzung der eigenen Politik auch die Brosamen unter dem Tisch sammeln zu wollen. Vgl. URBAN, Otto. Die tschechische Gesellschaft. S. 546, 565, 559. 71 STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 175. 72 Die Punktationen sahen u. a. Folgendes vor: 1) nationale Teilung des Landesschulrates, 2) Modifizierung des Minoritätsschulwesens, 3) nationale Teilung der Landwirtschaftsbehörde, 4) Revision der Handels- und Gewerbekammerstruktur und deren Wahlordnungen (Herauslösung der tschechischen Gebiete aus der Kammer in Reichenberg (Liberec) und Gründung einer neuen Kammer in Königgrätz (Hradec Králové), 5) Berücksichtigung der Sprachgrenze bei Kreisund Bezirksgerichten, 6) Reorganisation des Obersten Landesgerichts in Hinsicht auf die Zweisprachigkeit der Richter, 7) bedingte Zweisprachigkeit auf Bezirksgerichten, 8) Revision der Stremayr‘schen Sprachverordnung für die neu festgelegte Gerichtsbezirke, 9) Regelung der Amtssprache bei Selbstverwaltungsbehörden, 11) Revision der Wahlordnung für die Landtagswahl (z. B. nationale Kurien). Vgl. KOLMER, Gustav. Parlament und Verfassung in Österreich. Vierter Band, 1885–1891. Wien: 1907, S. 399–408.

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rung des böhmischen Schulerrichtungsgesetzes, so dass Finanzmittel für die Schulerrichtung vom Land immer zur Verfügung gestellt werden, wenn gesetzliche Bedingungen erfüllt sind und von den Eltern der entsprechenden Nationalität beantragt werden. Ebenso wurde die Binnenwanderung berücksichtigt und für die Eltern schulpflichtiger Kinder wurde der Ortsaufenthalt auf zwei Jahre festgesetzt. Obwohl diese Forderungen (nicht nur) im Schulwesen wichtige Konzessionen für die tschechische Seite bedeutete, sahen sich die Verhandlungen einer massiven Kampagne der Jungtschechen ausgesetzt, die von diesen Gesprächen ausgeschlossen waren. Das wiederum trug zum Scheitern der Verhandlungen und der politischen Schwächung der Alttschechen bei.73 Beflügelt durch den Wahlsieg von 1891 erfuhr die jungtschechische Partei eine Radikalisierung, die auf den sog. „Omladina-Prozess“74 hinauslief und eine Diskreditierung der Partei bewirkte. Das richtungsbestimmende Ruder in der „Freisinnigen Nationalpartei“ übernahmen schrittweise die gemäßigteren „Realisten“ mit Josef Kaizl oder Tomáš Masaryk, was dank der gemäßigten „Etappenpolitik“ eine Annäherung an die seit 1895 bestehenden Regierung Badeni und die Rückkehr zum Verhandlungstisch über die böhmische Frage ermöglichte.75 Badeni verfolgte dabei die allgemeine Schwächung der liberalen nationalistischen Parteien und auf der anderen Seite die Stärkung neuer Volksparteien wie der Christlichsozialen oder Agrariern, was durch die Einführung einer 5. allgemeinen Kurie in der Wahlrechtsreform von 1896 ermöglicht werden sollte. Im Rahmen der am 5. April 1897 erlassenen „Badenischen Sprachverordnungen“ sollten die bestehenden „Stremayr’schen Sprachverordnungen“ auch auf den inneren Dienstverkehr erweitert werden, was von Beamten jedoch dementsprechende Sprachkompetenzen verlangt hätte. Diese Verordnungen stießen auf einen starken Widerstand der deutschen Abgeordneten, die im Reichsrat zur Obstruktion übergingen, was in eine tiefe Krise (sog. „Badeni-Krise“) sowohl im Parlament als auch in der Öffentlichkeit führte, und was schließlich den Sturz der Regierung Badeni zur Folge hatte.76 Die Demonstrationen, die durch die Badeni-Krise ausgelöst wurden, betrafen alle Gebiete mit tschechischen Minderheiten, inkl. Niederösterreich.77 Die Revision der „Badenischen Sprachverordnungen“ durch die „Gautsch’schen Sprachverordnungen“ von 1898 ent73 STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 175. 74 Der Omladina-Prozess fand 1894 statt. Die Angeklagten wurden der Anhängerschaft einer nicht nachgewiesenen Konspirationsgruppe „Omladina“ bezichtigt. 75 URBAN, Otto. Die tschechische Gesellschaft, S. 657. 76 KŘEN, Jan. Dvě století střední Evropy. Praha: 2005, S. 286–293. 77 In jener Zeit wurde auch der Druck auf die Einführung des Deutschen als Unterrichtssprache in Niederösterreich „für alle Zeiten“ gesteigert. Der Landesgesetzentwurf bekannt als „Lex Kolisko“ wurde zwischen 1868–1912 im niederösterreichischen Landtag wiederholt einge-

1.4 Deutsch-tschechische Ausgleichspolitik 

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hielt die Abstufung des sprachlichen Gebrauchs je nach dem sprachlichen Charakter des Verwaltungsbezirks (deutsch-, tschechisch- und gemischtsprachig) und somit die Forderung nach Aufhebung der allgemeinen Zweisprachigkeit der Beamten. Diese Bestimmungen wurden durch das sog. „Thun’sche Sprachengesetz“ näher herausgearbeitet, nach gescheiterten politischen Verhandlungen mit beiden Seiten und der deutschen Obstruktion im Reichsrat wurden sie jedoch wieder einmal zum Scheitern verurteilt.78 Rückblickend auf die vergangene schwere Krise und auf den erfolglosen Versuch der neuen Regierung Thun-Hohenstein eine parlamentarische Basis zustandezubringen, wurden von der nächsten Regierung Clary-Aldringen alle Sprachverordnungen sofort aufgehoben, was wiederum zu tschechischen Unruhen ebenso wie zur Erstarrung der Positionen und Vertiefung der Gegensätze führte. Dies zeigt sich auch am sog. „Pfingstprogramm“ deutscher oppositioneller Parteien von 1899, das die für die tschechische Seite und die Regierung inakzeptablen Forderungen als Grundlage für weitere Ausgleichsversuche verbriefte. Hier wurde eindeutig auf dem Deutschen als Vermittlungssprache und als innerer Amtssprache beharrt, wobei die äußere Amtssprache sich an dem sprachlichen Charakter des konkreten Gebietes orientieren sollte. Des Weiteren wurde die nationale Abgrenzung nach Kreisen (mit eigenen Kreisämtern und -vertretungen) und auch im Schulwesen verlangt, d. h. jede der Nationalitäten würde für sein „eigenes“ Schulwesen sorgen, was sich prinzipiell aber auch im Hinblick auf die niedrige Steuerkraft der Tschechen bereits bei den Wiener Punktationen als schwer durchsetzbar zeigte und zwangshaft auf die Ablehnung durch tschechische Abgeordnete stieß.79 Unter dem Eindruck der politischen Wirbel vor der Jahrhundertwende waren die Regierungskreise wie auch der Kaiser immer mehr der weiteren Demokratisierung des Wahlrechts zugeneigt, um den Nationalismus zu schwächen, was schließlich 1907 zur offiziellen Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts führte.80 Doch die hohen Erwartungen auf eine Lösung des nationalen Problems wurden nicht erfüllt. Die deutschen Parteien bestanden weiterhin auf ihrem „Pfingstprogramm“ von 1899 und in den eingebrachten Gesetzesanträgen forderten sie eine umfangreiche Teilung in nationale Kurien mit Vetorecht und eine territoriale Teilung der Verwaltungsbezirke. Demgegenüber eingebrachte tschechische Gesetzesanträge beinhalteten zwar auch die Einführung der natiobracht, erhielt jedoch schließlich nicht die kaiserliche Sanktion. Vgl. BURGER, Hannelore. Sprachenrecht, S. 167–173. 78 KŘEN, Jan. Dvě století střední Evropy, S. 286–293. 79 HOENSCH, Jörg K. Geschichte Böhmens: Von der slavischen Landnahme bis zur Gegenwart. München: 1997, S. 395. 80 JUDSON, Pieter. Habsburg, S. 472–480.

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nalen Kurien, die Übernahme des Schulwesens durch die Nationalitäten wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass die Schulen für alle Steuerzahler da seien und daher vom Landesfonds subventioniert werden sollten. Nach dem Scheitern der „Ausgleichskonferenz in Permanenz“ des Ministeriums Beck von 1908 wurde von deutscher Seite vorgeschlagen, ein Subkomitee für Minoritätsschulfragen beim Landesschulrat einzurichten, das alle diesbezüglichen Fragen vor der Plenardebatte beraten sollte. Aus Angst vor einer eventuellen deutschen Mehrheit im Subkomitee und der Verzögerung der tschechischen Minoritätsschulanträge, wurde dieser Vorschlag jedoch als „Todeskammer des tschechischen Minoritätsschulwesens“ (Abg. Josef Anýž) abgelehnt.81 Auch weiteren Ausgleichskonferenzen in den letzten Vorkriegsjahren war kein greifbarer Erfolg beschieden. Durch die folgenden Obstruktionen der Deutschen im Böhmischen Landtag kam es mittels der sog. „Annen-Patente“ vom 26.7.1913 zur Auflösung des Böhmischen Landtags und zur Einsetzung der technokratischen Landesverwaltungskommission, wodurch alle Teilregelungen der Sprachenfrage auf Landesebene außer Kraft gesetzt wurden.82 Die empörte tschechische Politik suchte demzufolge Obstruktionsmittel auf dem Boden des Wiener Reichsrats, was den Ministerpräsident Karl Stürkgh zur Vertagung der Parlamentssitzung vom 16.3.1914 auf unbestimmte Zeit bewog.83 Die Frage des Minoritätsschulwesens war in dieser Zeit längst ein integraler und kaum isoliert zu behandelnder Punkt der meisten Ausgleichswerke und an ihnen hingen weitere legislative Änderungen, die auch den problematischen Verfassungsgrundsatz des sog. „Sprachenzwangsverbotes“ betrafen.84 Die Tendenz diesen zu umgehen oder wenigstens abzumildern, zeigt sich bereits an der vom Ministerium für Kultus und Unterricht 1905 erlassenen neuen Schul- und Unterrichtsordnung für allgemeine Volksschulen und Bürgerschulen, die die Verantwortung für die Einführung einer zweiten Landessprache bei einigen Frei- oder Wahlgegenständen den die Schule erhaltenden Kräften anvertraute.85 In Mähren, wo es im Unterschied zu Böhmen 1905 auf Landesebene gelang, einen national-politischen Ausgleich zwischen Deutschen und Tschechen auszuverhandeln, wurde aufgrund des Schulausgleichsgesetzes, bekannt als „Lex

81 VÚMŠ, Nr. 4/1908, S. 105. 82 BURGER, Hannelore. Sprachenrecht, S. 203. 83 URBAN, Otto. Die tschechische Gesellschaft, S. 806. 84 Beilage des Briefes vom böhmischen Statthalter Franz Thun an Ministerpräsident Karl Stürgkh vom 6.10.1913. NA Praha, Presidium ministerské rady, Korrepondenz 1913, Nr. 15, Kart. 16. 85 BURGER, Hannelore. Sprachenrecht, S. 209.

1.4 Deutsch-tschechische Ausgleichspolitik 

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Perek“,86 das tschechischerseits verbreitete Herausreklamieren der Schulkinder aus der Schule aufgrund der neu geschaffenen Zugehörigkeit zu einer nationalen Kurie legitimisiert.87 Laut der „Lex Perek „[durften] in der Volksschule in der Regel nur Kinder aufgenommen werden, welche der Unterrichtssprache mächtig sind“, wobei die Formel „in der Regel“ für einige Unklarheit sorgte.88 Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde das Parlament durch die autoritäre Regierung Stürgkh ganz ausgeschaltet. Am 25.7.1914 wurde die Vertagung der Reichsratssitzung besiegelt und die Landtage wurden für geschlossen erklärt. Die Eingriffe in die verfassungmäßige Ordnung betrafen auch die Beschränkung der Rede- und Versammlungsfreiheit, was auch mit einer strengen Zensur und Bestrafungen für hochverräterisches Verhalten einherging. Nachdem am 21.10.1916 Stürgkh durch ein Attentat des Sozialdemokraten Friedrich Adler89 zu Tode kam und am 21. 11. desselben Jahres auch Kaiser Franz Joseph I. starb, konnte die tschechische Politik, die Österreich offiziell loyal gegenüberstand, wieder einmal Hoffnungen auf staatsrechtliche Veränderungen hegen. Zwar kehrte Cisleithanien durch die Eröffnung des Wiener Reichsrates am 17.5.1917 zum Parlamentarismus zurück, unter dem Eindruck der Russischen Revolution hielt sich die Regierung allerdings mit notwendigen Verfassungsänderungen etwas zurück. Die Oktoberrevolution stellte jedoch für die tschechische Emanzipation einen wichtigen Impuls dar und die tschechische Politik distanzierte sich im Rahmen der „Drei-Königs-Deklaration“ vom Anfang 1918 von der österreichischen Politik etwa bei den Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk mit Russland.90 Gewiss wurde der Zerfall des Imperiums 1918 nicht allein durch den alten Nationalitätenstreit verursacht,91 doch wurde das Kriegsende antizipiert als Chance für die Durchsetzung der erwarteten Verfassungs- und Verwaltungsreformen nach der jeweiligen national-politischen Vorstellung.

86 Der Mährische Ausgleich besteht aus vier Landesgesetzen vom 27.11.1905 (LGBl Nr. 1–4/ 1906) und umfasste Bereiche der behördlichen Geschäftssprache, des Schulwesens und der nationalen Kurien im mährischen Landtag. BURGER, Hannelore. Sprachenrecht, S. 213–214. 87 BURGER, Hannelore. Sprachenrecht, S. 225. 88 ZAHRA, Tara. Kidnapped Souls, S. 15 89 Beachtenswert ist im Zusammenhang mit den Schulvereinen die Tatsache, dass der Attentäter Friedrich Adler Sohn einer der führenden Persönlichkeiten des DSV, Viktor Adler, war. 90 URBAN, Otto. Die tschechische Gesellschaft, S. 842–900. 91 JUDSON, Pieter. „Where our commonality is necessary …“: Rethinking the End of the Habsburg Monarchy. In: Austrian History Yearbook, Nr. 48/2017, S. 6.

2 Das institutionelle Umfeld der nationalen Schularbeit Da eine enge vereinsbezogene Perspektive auf die nationalen Schutz- und Schulvereine in Hinsicht auf ihre breit angelegte Tätigkeit zu kurz greifen würde, soll zuerst das ganze institutionelle Gefüge staatlicher und nicht staatlicher Akteure gezeigt werden, von dem die Entwicklung im Minoritätsschulwesen auch bestimmt war. Es seien deshalb im Folgenden diejenigen Institutionen vorgestellt, die am Prozess der Errichtung von Minoritätsschulen beteiligt und somit in der Tätigkeit der nationalen Schulvereine reflektiert wurden. Neben den staatlichen Verwaltungsorganen handelte es sich insbesondere um die erst kürzlich geschaffenen Institutionen der autonomen Behörden (Gemeinden), der Schulaufsicht und der höchsten Gerichtshöfe, denen die wichtigsten Kompetenzen im Bereich des Schulwesens eingeräumt wurden.

2.1 Autonome Behörden Der liberale „Zeitgeist“ fand durch die Märzverfassung von 1849 seinen Weg auch ins Gemeindewesen. Die Patrimonialherrschaft wurde durch autonome Selbstverwaltung ersetzt, der weitreichende Kompetenzen zuerkannt wurden. Zu diesen gehörte etwa die Wahl der Gemeindevertreter, selbstständige Verwaltung und die Öffentlichkeit der Gemeindeverhandlungen. Während 1849 vom Innenminister Franz Graf von Stadion, einem der Väter der Märzverfassung, „das Prinzip der Gemeindefreiheit als Grundveste des freien Staates“ anerkannt wurde, brachten die neoabsolutistischen Gemeindegesetze der Folgezeit eine Abkehr von den liberalen Grundsätzen der Märzverfassung. Dazu gehörten die Silvesterpatente von 1851 und das 1859 durch das kaiserliche Patent erlassene Bach’sche Gemeindegesetz, die weitreichende Konzessionen an den Adel enthielten. So durften z. B. die adeligen Gutsgebiete aus dem Gemeindegebiet ausscheiden und eine zweite Ortsverwaltung bilden. Erst infolge der innenpolitischen Veränderungen nach 1859 setzten sich die die Gemeindeorgane betreffenden Grundzüge der Märzverfassung wieder durch. Nachdem bereits am 20.10.1860 Gemeindewahlen ausgeschrieben und am 29.3.1861 die Gemeindeverhandlungen öffentlich gemacht wurden, wurde in Ausführung des Februarpatents vom 26.2.1861 am 5.3.1862 das sog. „Reichsgemeindegesetz“ erlassen. Als Zugeständnis an den Adel wurde die Entscheidungskompetenz über die

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Selbstverwaltung noch den Landtagen anvertraut.1 Die neuen Kompetenzen der Länder und der Selbstverwaltungsorgane brachten jedenfalls eine schnelle nationalliberale Übernahme vieler Gemeindestuben und, weil seit 1861 das Schulwesen in die Kompetenzen des Landes und der Selbstverwaltungsorgane fiel, auch der Schulen.2 Bei Gemeindewahlen wurden die männlichen stimmberechtigten Steuerzahler je nach Höhe ihrer Abgaben in zwei oder drei Kurien aufgeteilt. Zwar hatte jede dieser Kurien die gleiche Mitgliederzahl, doch richtete sich die Untergrenze für die Höhe der abgeführten Steuern nach Gesamtsteuereinnahmen der Gemeinde, was vor allem in großen Städten viele Wähler von der Gemeindewahl ausschloss. Die Teilnahme an der Gemeindewahl, die unberührt von der Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts 1907 war, blieb in der Zeit vor dem Großen Krieg exklusiver als die Teilnahme an der Reichsratswahl.3 Gleich in den Anfängen der neuen Selbstverwaltung begann der national-gefärbte Kampf um die Postenbesetzung in den Gemeindevertretungen. Während dieser vor allem in ländlichen Gemeinden an der Sprachgrenze bis nach 1918 andauerte, hat er sich im Falle der größeren Städte im mehrheitlich tschechischsprachigen Siedlungsbereich Böhmens bereits in den 1860er-Jahren erledigt, indem deutsche Gemeindeverteter in den überwiegend tschechischsprachigen Gebieten von den tschechischen abgelöst wurden.4 Die auf dem Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden beruhenden Kompetenzen wurden in vielen Fällen vonseiten der Gemeinden zur Einschränkung der Minoritätssprache benutzt, und damit gerieten sie des Öfteren in Konflikt mit dem verfassungsmäßig garantierten Gleichberechtigungsprinzip. Das brachte jede Menge verwaltungsrechtliche Streitfälle vor dem Reichsgericht oder vor dem Verwaltungsgerichtshof in Wien mit sich.5 Die Maßnahmen der Gemeinden waren im Prinzip gegen jedwedes Zeichen der sichtbaren Präsenz der nationalen Minorität im Ort gerichtet. Nicht nur die Verhinderung der nationalen Agitation der Minderheit und der Versuche um ihre institutionalisierte Form, (etwa 1 OGRIS, Werner – OLECHOWSKI, Thomas (Hrsg.). Elemente europäischer Rechtskultur: rechtshistorische Aufsätze aus den Jahren 1961–2003. Wien: 2003, S. 684–692. 2 HLAVAČKA, Milan. Zlatý věk české samosprávy: Samospráva a její vliv na hospodářský, sociální a intelektuální rozvoj Čech 1862–1913. Praha: 2006, S. 90. 3 JUDSON, Pieter. Habsburg, S. 437–438. 4 Bei Prag war dies bereits 1861 der Fall, Pilsen (Plzeň) kam als letzte 1868 dazu. Die einzige Ausnahme unter den böhmischen Städten stellte die Stadt Budweis (České Budějovice) dar, die bis 1918 einen deutschen Bürgermeister hatte. Vgl. KOŘALKA, Jiří – KOŘALKOVÁ, Květa (Hrsg.). Tschechen im Habsburgerreich und in Europa 1815–1914: Sozialgeschichtliche Zusammenhänge der neuzeitlichen Nationsbildung und der Nationalitätenfrage in den böhmischen Ländern. Wien: 1991, S. 96. 5 STOURZH, Gerald. Gleichberechtigung, S. 120.

2.1 Autonome Behörden 

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ein Schulgebäude oder Vereinshaus), sondern auch anderssprachige Inschriften, Aufschrifttafeln oder sogar Grabinschriften waren vielen Gemeinden ein Dorn im Auge, die den „nationalen Ortscharakter“ zu bedrohen schienen.6 Die Verhandlungssprache in Gemeindeausschüssen wurden zu einem internen Konfliktthema. Die Versuche, die „Mehrheitssprache“ als Verhandlungssprache festzusetzen, verstießen gegen die grundsätzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Kompatibilität des Selbstbestimmungsrechtes der Gemeinden und des im Art. 19. der Staatsverfassung verankerten Gleichberechtigungsprinzips. Getroffen wurde diese Entscheidung für den Fall Budweis (Budějovice), wo in einem mehrheitlich deutschen Gemeindeausschuss 1881 die deutsche Sprache als Verhandlungssprache verankert wurde. Dagegen rekurrierten die tschechischen Mitglieder zunächst erfolgreich, und nach einer Beschwerde der Stadtgemeinde kam der Verwaltungsgerichtshof zu dem Beschluss, dass das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden lediglich im Rahmen der verfassungsgesetzlichen Grenzen und somit auch des Gleichberechtgungsprinzips im Art. 19 der Staatsgrundgesetze möglich ist, der durch den Gemeindebeschluss verletzt würde.7 Einen Einfluss auf die minoritätsfreundliche Auslegung der Gesetze hatte das Kriterium der „Landesüblichkeit“, denn seit der Festlegung des Reichsgerichtes von 1880 wurden als landesüblich auch solche Sprachen bezeichnet, die nur vereinzelt in Bezirken oder Orten des Landes „im täglichen Umgange“ gesprochen wurden.8 Die enge Zusammenarbeit der Gemeinden mit den nationalen Schutzvereinen zeigte sich nicht nur in den Minoritätsschulangelegenheiten, sondern auch bei Gemeindewahlen, Volkszählungen usw. Diese enge agendamäßige und auch personelle Verflechtung der Tätigkeit der Gemeinderäte und der Schutzvereine zeigt sich darin, dass Geimeindevertreter oder gar Bürgermeister der 6 Versuche um Entfernung von Grabinschriften wurden z. B. in Dux (Duchcov), Klostergrab (Hrob) oder Harrachsdorf (Harrachov) unternommen. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Kart. Böhmen und Mähren, Fasz. Harrachsdorf – STOURZH, Gerald. Gleichberechtigung, S. 115. 7 Zu den Diskussionen und dieser Entscheidung, die im Verhältnis 3:2 im Senat des Verwaltungsgerichtshofes entschieden wurde, vgl. STOURZH, Gerald. Gleichberechtigung, S. 107–108. 8 BRIX, Emil. Die Umgangssprachen in Altösterreich zwischen Agitation und Assimilation: die Sprachenstatistik in den zisleithanischen Volkszählungen, 1880 bis 1910. Wien: 1982, S. 61. Dem Selbstbestimmungsrecht der Gemeinde wurde nur ausnahmsweise Vorrang gegeben, dies betraf neben dem Prager Straßentafelstreit auch den im slowenischen Laibach (Ljubljana). Vgl. STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 112. Zur Regelung der Verhandlungssprache in mährischen Gemeinden dienten die relativ klaren Bestimmungen des Mährischen Ausgleichs von 1905, wo die Gemeinden zwar das Recht hatten, ihre Verhandlungssprache frei zu wählen, aber dazu verpflichtet wurden, schriftliche Angaben in der Verhandlung in einer anderen Landessprache zu machen und bei 20 % Sprachminderheitsanteil diese in dieser Sprache auch zu erledigen. Vgl. STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 122.

36  2 Das institutionelle Umfeld der nationalen Schularbeit

„national-bedrohten“ Orte immer mehr an Veranstaltungen der Schutzvereine teilnahmen oder selbst Mitglieder bzw. Funktionäre dieser Vereine waren.9 Kořalka hebt auch die Rolle der (tschechischen) Bezirks- und Gemeindesekretäre hervor, die bedeutenden Aktivisten der tschechischen Nationalbewegung gezählt haben sollen.10 Vielen aus nationaler Sicht hochverdienten Schutzvereinsaktivisten wurden von Gemeinden auch Ehrenbürgerschaften verliehen.11 Je nach Bedarf und Möglichkeiten unterstützten die Gemeinden „ihre“ Schutzvereine auch finanziell, wobei sich besonders die Städte Wien und Prag hervortaten. Bis auf eine Unterbrechung der Unterstützung des DSV durch den Wiener Stadtrat während der Lueger-Ära erfreuten sich die Schutzvereinsaktivitäten im Schulwesen tatkräftiger Hilfe.12 Das Geld sollte ja den national bedrohten Gemeinden zukommen, die deshalb auch selbst Anträge an die Schutzvereine mit der Bitte um finanzielle Hilfe stellten. Zum Gefühl der nationalen Bedrohung hätte es vor allem durch neue Besitzverschiebungen und Schulagitation der Gegenseite leicht kommen können. Die unsicheren Gemeinden wandten sich an die nationalen Schutzvereine mit der Bitte um Hilfe. Das in nationaler Hinsicht verunsicherte Gemeindeamt Raudnig (Roudníky) sah sich veranlasst, sich mit Bitte um Hilfe an den DSV zu wenden, was folgendermaßen begründet wurde: Der im Gemeindegebiet von Raudnig liegende Maria-Antonia-Schacht, früher Eigentum des Grafen Sylva Taroucca, ging in den Besitz der „Živnostenska banka“ über. Einige deutsche Beamte wurden bereits gekündigt. […] Der Raudniger Maierhof, Besitz des oben genannten Grafen, wurde […] an einen Tschechen aus Welwarn verpachtet. […] Die Agitation für eine tschechische Schule hat bereits […] eingesetzt. Die hiesige Ortsgruppe der „Jednota severočeská“ beschäftigt sich schon mit Bauplänen und der Bestellung von Baumaterialien. […] Die Gemeinde Raudnig sah sich aus nationalen Gründen genötigt, das

9 Um ein paar Beispiele zu nennen, waren dies der Fall des Prager Bürgermeisters Baxa, der an Jahresversammlungen des Tschechischen Böhmerwaldbundes [Národní jednota pošumavská] teilnahm. Vgl. Národní listy, Nr. 275 vom 7.10.1913, S. 2. Dass Vereinsfunktionäre die lokale mit der zentralen Ebene verknüpften zeigt etwa das Beispiel des Bürgermeisters von Brüx (Most) Josef Herold, der neben seinem Landtags- und Reichsratsmandat auch den Vorsitz beim Bund der Deutschen in Böhmen innehatte. Österreichisches biographisches Lexikon (ÖBL). Bd. 2. Wien: 1959, S. 289. 10 KOŘALKA, Jiří. Die Tschechen im Habsburgerreich, S. 97. 11 So wurde z. B. durch die Gemeinde Prachatitz (Prachatice) der Stellvertreter des Obmannes des Bundes der Deutschen in Böhmen, Anton Kiesslich, zum Ehrenbürger von Prachatitz ernannt. Die Vertreter der tschechischen Minderheit in Prachatitz haben mithilfe der tschechischen Schutzvereine dagegen eine Beschwerde erhoben. Artikel „Opětná volba čestných měšťanů“ [Erneute Wahl der tschechischen Ehrenbürger]. In: Šumavské proudy, Nr. 42 vom 19.10.1913, S. 4. 12 VÚMŠ, Nr. 11–12/1909, S. 212; Der Getreue Eckart, Nr. 6/1913, S. 202.

2.1 Autonome Behörden 

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Gasthaus zum Eiskeller aufzukaufen, da dieses in den Besitz der tschechischnationalen Separatisten überzugeben drohte.13

Aus diesem und ähnlichen Gründen wandten sich zahlreiche Gemeinden Cisleithaniens an die Schutzvereine überwiegend mit Bitten um finanzielle Hilfe. Da gesetzmäßig den Gemeinden die Pflicht oblag, die öffentlichen Minoritätsschulen zu finanzieren und zu unterhalten, arbeiteten sie auch mit anderen Gemeinden in der Umgebung an der sprachlichen Homogenisierung der Schulbezirke durch Ein- oder Ausschulung ihrer Gemeindegebiete zusammen.14 Auf diese Art und Weise war etwa die deutsche Gemeinde Zuckmantel (Cukmantl, Pozorka) durch das Scheitern eines tschechischen Antrags zur Erbauung einer Minoritätsschule, an dem sie in Zusammenarbeit mit den Schutzvereinen mitwirkte,15 dazu gezwungen, die umliegenden Gemeinden, die bereits über eine tschechische öffentliche Volksschule verfügten, mit der Bitte um Aufnahme der tschechischen Kinder anzusprechen. Die Gemeinden vermochten es auch, die erwünschten Ausschulungen durch neue Grenzziehungen zu bewirken, um sich von der anderssprachigen Umgebung loszulösen.16 Waren diese Ausgemeindungen erfolgreich, bedeutete es auch eine Änderung der Schulgemeindegrenzen, von denen der Schulbesuch abhing. Durch die Gemeindeteilung hätte den Schulkindern der Besuch einer Minoritätsschule eventuell verwehrt werden können. Es lässt sich klar feststellen, dass die nationale Schutzarbeit bei der Besetzung bzw. Erhaltung „nationaler Posten“ stets ein aktives Vorgehen der Gemeinden und deren enge Zusammenarbeit mit den Schutzvereinen voraussetzte.17 Wo dies nicht möglich war, waren die Schutzvereine lediglich auf Kontakte mit Minoritätsvertretern angewiesen, zu welchen z. B. Lehrer, Geistliche oder lokale Aktivisten, die eine nationale Schule forderten, gehörten. Die altneuen 13 Brief des Gemeindeamtes Raudnig (Roudníky) und der dortigen DSV-Ortsgruppe an den DSV vom 19.2.1911. In: ÖStA/AVA, KB, Unterricht, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 13, Fasz. Raudnig oder für eine ähnliche Fassung vgl. Brief der Gemeinde Raatsch (Radeč) an den DSV vom 10.5.1910. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 13, Fasz. Raatsch. 14 Ausschulungsprozesse betrafen etwa die deutschen Gemeinden bei Schüttenhofen (Sušice) oder bei Chotieschau (Chotěšov). NA Praha, Menšinové museum, Kart. 36. Für weitere Beispiele die undatierte Forderung der Eltern von Sitzkreis (Čížkrajice) an den Landesschulrat zur Ausschulung aus der tschechischen Schulgemeinde Slabsch (Slavče) und Einschulung in die deutsche Gemeinde Neudorf (Kondrač) und Errichtung einer Expositur. Archiv der ÖLM Wien. Kart. Böhmen, Fasz. Sitzkreis. 15 Abschrift der kommissionellen Verhandlung zur Errichtung einer tschechischen Minoritätsschule in Zuckmantel (Cukmantl, Pozorka). NA Praha, Nachlass František Cajthaml-Liberté, Kart. 7. 16 Vorschlag zur Ausgemeindung der Gemeinde Kummerpursch (Konobrže) von der Gemeinde Kopist (Kopisty). Vgl. Brüxer Volkszeitung, Nr. 98 vom 8.12.1911, S. 6. 17 HASLINGER, Peter. Schutzvereine in Ostmitteleuropa, S. 143.

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Kompetenzen der Gemeindeämter ermöglichten nicht nur die Durchsetzung einer nationalen oder sprachlich-orientierten Politik direkt vor Ort, sondern wurden zum wesentlichen Faktor der nationalen Ausgleichspolitik. Befreiung der Gemeinde von der Finanzierung des Minoritätsschulwesens und dessen Unterordnung unter den Landesfonds wurden zu einem von der tschechischen Politik im Landtag wiederholt eingebrachten Gesetzentwurf.18

2.2 Schulaufsichtsorgane Zu wichtigen Akteuren im Schulwesen gehörten die Schulaufsichtsorgane, die durch die Kirchengesetze vom 25.5.1868 (Maigesetze) vom Einfluss der katholischen Kirche auf das Unterrichts- und Erziehungswesen, der sich bis dahin auf das Konkordat von 1855 stützte, unabhängig wurden. Dadurch wurde die Schulafsicht dem Staate untergeordnet, es wurde ein neues Schulaufsichtssystem eingeführt, das sich aus Orts-, Bezirks- und Landesschulräten zusammensetzte, mit der zentralen obersten Aufsicht beim Ministerium für Kultus und Unterricht.19 Durch das Reichsvolksschulgesetz (1869) und die Schulerrichtungsgesetze für einzelne Kronländer (für Böhmen 1870 bzw. 1873) wurden die Kompetenzen dieser Organe weiter präzisiert. Sie blieben ausschließlich für den Bereich des Volks- und Mittelschulwesens zuständig, das Hochschulwesen unterstand direkt dem Unterrichtsministerium. Zu den wichtigsten Aufgaben des Landesschulrates als oberster Landesschulbehörde mit der Zuständigkeit für das jeweilige Kronland, dessen Vorsitz vom Statthalter geführt wurde, gehörte die Überwachung der unterstellten Schulaufsichtsorgane, die Bestätigung der Schuldirektoren, Begutachtung von Lehrplänen und Entscheidungen über Beschwerden gegen Verfügungen und Entscheidungen der Bezirksschulräte. Einsprüche gegen Entscheidung des Landesschulrates konnten beim Ministerium für Kultus und Unterricht eingebracht werden.20 Gemeinsame Plenarsitzungen des seit 1890/1891 infolge der Wiener Punktationen national getrennten Landesschulrates, in denen über die Errichtung von Minoritätsschulen entschieden wurde, gelangten in eine gewisse Abhängigkeit von den aktuellen Geschehnissen rund um den nationalen Ausgleich. Dies zeigt das Verhalten des Statthalters, der, sobald es um die Bewilli-

18 Beilage des Briefes des böhmischen Statthalters Franz Thun an Ministerpräsident Karl Stürgkh vom 6.10.1913. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Korrepondenz 1913, Nr. 15, Kart. 16. 19 §§ 9, 10 des Gesetzes vom 25. Mai 1868. RGBl. Nr. 48/1868. 20 Landesgesetz für Böhmen vom 24.2.1873. LGBl. Nr. 16/1873.

2.2 Schulaufsichtsorgane



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gung umstrittener Schulen ging, sich bemühte, kontroverse Fälle (wie z. B. Zwodau/Zvodava/Svatava) zu vertagen, um die mögliche Finalisierung des Ausgleichs nicht in Gefahr zu bringen.21 Die Bezirksschulräte waren zuständig für alle öffentlichen Volksschulen oder Volksschulen mit Öffentlichkeitsrecht22 im jeweiligen Schulbezirk. Seine Aufgaben waren, im Rahmen des zuständigen Schulbezirkes die neuen Anordnungen zu vollziehen und die örtlichen Verhandlungen zur Errichtung einer Minoritätsschule einzuleiten. In einigen größeren Städten wie Prag übernahmen sie auch die Rolle des Ortsschulrates.23 Die Verantwortung des für jede einzelne Schulgemeinde zuständigen Ortsschulrates war es, alle Verwaltungs- und Betriebsangelegenheiten bezüglich der hiesigen Volksschule zu erledigen. Seine Kompetenzen waren beschränkt und im Wesentlichen auf die Ausführung der Anordnungen der oberen Schulaufsichtsorgane angewiesen. Eine Beeinflussung des Unterrichts war jedoch nicht gestattet.24 Mitglieder der Schulaufsichtsorgane waren Vertreter der Schulen und der Lehrer sowie Vertreter der Religionsgemeinschaften, im Falle der Ortsschulräte handelte es sich auch um gewählte Gemeindevertreter.25 Wegen der Unterordnung unter das Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien, betrachtete die tschechische Politik die neuen Schulgesetze als zu zentralistisch.26 Die Gemeinde Prag z. B. weigerte sich zunächst, ihre Mitglieder in die neuen Organe der Schulaufsicht zu entsenden. Auch dem sollte durch das Schulaufsichtsgesetz vom 24.2.1873 abgeholfen werden, das die nationale Trennung der Ortsschulräte vorsah.27 Gerade die Wahl in die Ortsschulräte und deren Zusammensetzung wurde bald zu einem Konfliktpunkt, sofern diese aus Mitgliedern zusammengesetzt waren, die potenziell der anderen Nationalität angehörten. Wenn Beschwerden (etwa seitens der nationalen Schutzvereine)

21 Brief des böhmischen Statthalters Franz Thun an Ministerpräsident Karl Stürgkh vom 19.11.1912. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 5. 22 Schulen mit Öffentlichkeitsrecht waren diejenigen Privatschulen, die die Anforderungen an eine öffentliche Schule erfüllten und deshalb Anrecht auf eine Subvention seitens des Staates (Mittelschulen) oder des Landes (Volksschulen) hatten. 23 MORAVEC, František V. Česká politika obecnoškolská [Tschechische Volksschulpolitik]. In: AUERHAN, Jan [u. a.]. Česká politika. Díl pátý, Kulturní, zvláště školské úkoly české politiky. Praha: 1913, S. 249–250. 24 MORAVEC, František V. Česká politika obecnoškolská In: AUERHAN, Jan [u. a.]. Česká politika, S. 249–250. 25 BURGER, Hannelore. Sprachenrecht, S. 40–41. 26 MORAVEC. František V. Česká politika obecnoškolská. In: AUERHAN, Jan [u. a.]. Česká politika, S. 255. 27 STÖHR, Zweisprachigkeit in Böhmen, S. 204.

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über die Ortschulratswahl eingingen,28 wurde vom Landesschulrat angeordnet, durch den Bezirksschulrat in einer protokollarischen Einvernahme bei den umstrittenen Ortsschulratsmitgliedern die Nationalität amtlich feststellen zu lassen. Die Struktur der Schulaufsichtsorgane zeigt, dass das Schulwesen zwar zu den Landeskompetenzen gehörte, aber durch die oberste Instanz – das Ministerium für Kultus und Unterricht – ihren Schwerpunkt in Wien hatte. Die unterschiedliche und problematische Stellung der einzelnen Schulaufsichtsorgane wie auch deren Befugnisse wurden zum Gegenstand von Gesetzesentwürfen im Rahmen der deutsch-tschechischen Ausgleichsverhandlungen und darüber hinaus. Der Gesetzentwurf Jaromír Čelakovskýs (ÚMŠ-Obmann) von 1911 sah z. B. auch die nationale Teilung der Bezirksschulräte vor.29 Die Struktur der Schulaufsichtsorgane, d. h. der national getrennten Orts- und Landesschulräte und der gemeinsamen Bezirksschulräte mit jeweils einer quasiautonomen Position, trug wesentlich zur Inkompatibilität der Interessen in der Hierarchie der Schulaufsicht, der Praxis von Einsprüchen und Beschwerden gegen die Entscheidungen der obenstehenden Organe bei.

2.3 Staatliche Verwaltungsorgane Die nationalen Streitigkeiten durchdrangen die höchsten Stellen des Staates, was selbst nationale Politiker als „die höchste Gefahr für das Staatsganze“30 darstellten, weil kaum ein Verwaltungsbereich in Cisleithanien existierte, der mit Sprachenfragen nichts zu tun hatte. Die Statthalterei, der Landesausschuss, Bezirkshauptmannschaften, die Wiener Regierung (vor allem das Ministerium für Kultus und Unterricht) sowie auch die obersten Gerichte trugen die Verantwortung für die Entscheidungen bezüglich der Handhabung der deutsch-tschechischen Sprachenkonflikte. So überrascht es nicht, dass man sich mit Beschwerden auch direkt an den Monarchen, Kaiser Franz Joseph I., wandte und bei ihm wegen angeblicher nationaler Ungerechtigkeiten Audienz erbat.31

28 Bereits vor der Gründung der wichtigsten Schutzvereine waren es andere nationale Vereine wie etwa die tschechische Beseda, die die Rolle des Beschwerdeführers gegen die Ortsschulratswahlen auf sich nahmen. Vgl. z. B. Budweiser Kreisblatt, Nr. 15 vom 19.2.1879, S. 3. 29 BĚLEHRÁDEK, František. Školství menšinové a Ústřední Matice Školská. In: AUERHAN, Jan [u. a.]. Česká politika, S. 385. 30 Zit. nach dem deutschliberalen Politiker und dem Schöpfer der österreichischen Grundrechte Eduard Sturm. In: BURGER, Hannelore. Sprachenrecht, S. 249. 31 Audienzansuchen vom 14.7.1907. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354.

2.3 Staatliche Verwaltungsorgane 

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Durch das Scheitern der Sprachenverordnungen Badenis von 1897 waren die Wiener Zentralbehörden von der Absenz einer allgemeinen Regelung der äußeren Amtssprache stark betroffen, so dass Eingaben in verschiedenen landesüblichen Sprachen angenommen wurden, ihre Erledigung jedoch in der Verhandlungssprache der Behörden erfolgte, die dem Sitz in Wien entsprechend die deutsche war. Bei den für die einzelnen Kronländer zuständigen Ministerien (Landsmannminister) wurde jedoch der jeweiligen nichtdeutschen Sprache ein „weiter Spielraum eingeräumt“.32 Anders als die autonomen Gemeinden oder die Schulaufsichtsräte trugen die Staatsorgane der Habsburgermonarchie die volle Verantwortung für die Einhaltung der Gesetze, weshalb sie nicht selten auch zum Hauptobjekt der Beschwerden wurden. Diese Beschwerden wegen sprachlicher Diskriminierung betrafen bei weitem nicht nur die für das Schulwesen zuständigen Behörden, sondern auch z. B. die Eisenbahnverwaltung,33 Zoll-, Post-, Berg- oder Finanzämter. So wurde vom Reichsgericht z. B. eine Beschwerde gegen das Postamt, das die Annahme von privat gedruckten rein tschechischgeschriebenen Postkarten ablehnte, zugunsten der sprachlichen Gleichberechtigung entschieden.34 Bereits ab 1849 wurden Bezirkshauptmannschaften als politische Verwaltungseinheiten errichtet, die über den autonomen Gemeinden stehen, was später im Gesetz von 1868 näher definiert wurde. In Landesangelegenheiten war die übergeordnete Instanz der Landesausschuss, in gesamtstaatlichen Fragen der Statthalter (Landeschef). In den Geschäftsbereich der Bezirkshauptmannschaften wie auch des Statthalters gehörten vor allem die Agenden der Ministerien des Innern, für Kultus und Unterricht, des Ackerbaus und der öffentlichen Sicherheit auf Landes- bzw. Bezirksebene.35 Die Bezirksbehörden sowie auch der Statthalter waren wesentlich in die Nationalitätenstreite eingebunden, zumal die Bezirkshauptmänner den Vorsitz im Bezirks- und der Statthalter im Landesschulrat führte. Der Bezirkshauptmann in Krumau (Český Krumlov) etwa ließ 1909 das Programm einer deutschen Nationalkundgebung ändern, das er als inkompatibel mit dem österreichischen Patriotismus betrachtete und deshalb als Bedrohung der öffentlichen Sicherheit ansah.36 Die Bezirksbehörden waren auch im Stande, in die Autonomie der Gemeinden einzugreifen. Das belegt der Fall Aussig (Ústí nad Labem), wo die dortige Gemeinde in einem Erlass 32 STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 139. 33 Zum Thema Nationalitätenproblem im Bereich Eisenbahnverwaltung vgl. MECHTLER, Paul. Streiflichter auf das Nationalitätenproblem in österreichischen Eisenbahnen. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Nr. 15/1962. 34 KOŘALKA, Jiří. Tschechen im Habsburgerreich, S. 132. 35 Gesetz vom 19.5.1868. RGBl. 44/1868. 36 Deutsche Böhmerwald-Zeitung, Nr. 21 vom 21.5.1909, S. 176.

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zum Boykott aller tschechischen Geschäfte aufrief, was der zuständige Bezirkshauptmann mit der Begründung, es hätte sich um einen Aufruf zu Feindseligkeiten gegen andere Nationalitäten gehandelt, aufhob. Auf Beschwerde der Gemeinde wurde die Richtigkeit des Vorgangs der Bezirkshauptmannschaft vom Reichsgericht bestätigt.37 Weder die deutschen noch die tschechischen nationalen Kreise gaben sich mit dem zwischen den beiden Seiten lavierenden Vorgehen der Staatsorgane zufrieden. Die Position des Staates wurde dadurch erschwert, dass sowohl strikte Neutralität als auch eventuelle Nachgiebigkeit gegenüber einer der Partei zum Gegenstand heftiger Kritik in der nationalgesinnten Presse wurden. Während die gespannten Beziehungen auf der lokalen Ebene z. B. mit den Bezirkshauptmannschaften und den Schulaufsichtsorganen um die Jahrhundertwende herum längst auf der Tagesordnung standen, wandte sich die Kritik nun immer häufiger gegen die Regierungsminister und den böhmischen Statthalter Franz Thun, der auch entscheidend an den politischen nationalen Ausgleichsverhandlungen beteiligt war. In seiner Agenda konzentrierten sich alle problematischen Fragen des Ausgleichs, die von der Minoritätsschulfrage, über die Erhöhung der Lehrergehälter, der Landesordnung bis hin zur Frage der sprachlichen Anwendung bei staatlichen und autonomen Behörden reichten.38 Als 1908 auf der Prager Schützeninsel (Střelecký ostrov) eine Demonstration tschechischer nationaler Parteien und Schutzvereine gegen „kulturloses Vorgehen des Staates“ stattfand, ernteten die größte Kritik vor allem der Unterrichtsminister für die angebliche Nichtbeachtung der Beschwerden der Minoritäten und der böhmische Statthalter für seine Zustimmung, eine Sondersektion im Rahmen des Landesschulrates zu eröffnen.39

2.4 Die obersten Gerichte Der Rechtsprechungsprozess spielte eine wichtige Rolle im deutsch-tschechischen Nationalitätenkonflikt, bestimmte dessen Grenzen und seine Erkenntnisse (Gerichtsentscheide) stellten in vielen Fällen die einzige Grundlage für die Lösung lokaler nationaler Auseinandersetzungen dar. Die obersten Gerichte vertraten somit die fehlenden Ausgleichsgesetze. Diese kamen zwar 1905 in

37 STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 132–137. 38 Sitzungsprotokoll des erweiterten Vorstandes des Deutschen Landtagsverbandes vom 29.7.1913. SOA Litoměřice, Nachlass Rudolf Lodgman von Auen, Inv.-Nr. 42, Kart. 1. 39 Bericht der Prager Polizeidirektion an das Statthaltereipräsidium vom 5.8.1908. NA Praha, Menšinové muzeum, Inv.-Nr. 650, Kart. 15.

2.4 Die obersten Gerichte 

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Mähren, 1910 in der Bukowina und 1914 in Galizien zustande, für Böhmen kam weder auf zentraler noch auf lokaler Ebene ein ähnlicher nationaler Ausgleich zustande, obwohl es etwa mit Budweis (Budějovice) einen überzeugenden lokalen Versuch gab.40 Trotz der Tatsache, dass diese angestrebten Ausgleichswerke auf einer weitreichenden nationalen Teilung des öffentlichen Lebens basierten, mussten die Gerichte im Habsburgerreich bis 1918 die Definition von „Nationalität“ bestimmen und somit die bestehenden Gesetze ad hoc klären und präzisieren. Dies betraf auch die wichtigsten aus dem Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes hervorgehenden Fragen, die die Diskrepanz zwischen Individualrecht und Kollektivrecht der Nationalitäten, zwischen dem umstrittenen Personal- und Teritorialprinzip oder die praktische Anwendbarkeit der nationalen Rechte überhaupt betrafen. Durch den Gedanken des nationalen Proporzes wurde jedoch das nationale Bekenntnis zum unentbehrlichen Organisationsprinzip der nationalen Organe. Da eine legislative Umsetzung des Verfassungsgrundsatzes nur auf Landesebene erfolgte und sehr zögernd vor sich ging, wurde es Aufgabe der Judikatur, diese richtungsweisende Aufgabe für ganz Cisleithanien zu übernehmen.41 Die Organe der Judikatur gehörten zu weiteren erst kürzlich enstandenen Institutionen: Erst 1869 wurde das Reichsgericht und 1876 der Verwaltungsgerichtshof gegründet. Bereits im Jahre 1877 wurde das Gerichtsentscheid des Verwaltungsgerichtshofs für die Fälle Žižkow (Žižkov) und Prag-Neustadt (PrahaNové Město) erlassen, das den Anfang einer „langen Tradition rechtlicher Kämpfe […] über das Recht der Identitätsbestimmung der Kinder“ markierte.42 In beiden Fällen handelte es sich um tschechischsprachige Gemeinden, die sich weigerten, der Anordnung des Bezirksschulrates zu folgen und eine neue deutsche Schule zu errichten. In diesen Fällen erkannte der Verwaltungsgerichtshof den Eltern das Recht auf freie Schulwahl zu. Laut Gerichtsentscheid im Rahmen eines ähnlichen Falles in Brünn (Brno) wurde für eine Reklamierung der Kinder aus deutschen Schulen die Zahl der schulpflichtigen Kinder, die in der jeweiligen Sprache unterrichtet werden sollten, entscheidend.43 Aber auch hier wurde bald weniger die Umgangssprache als die Nationalität zum Kriterium, die ähnlich wie bei der Wahl in die Schulaufsichtsorgane feststellbar sein sollte. Seit

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Ausführlich dazu KING, Jeremy. Budweisers into Czechs and Germans, S. 137–147. BRIX, Emil. Umgangssprachen in Altösterreich, S. 36–37. ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 36. STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 167–170.

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dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes von 188144 wurde zuerst die sog. „Volkszugehörigkeit“ (sprich Nationalität) als Voraussetzung für die Wahl und seit 1884 auch für den Antrag auf die Errichtung einer nationalen Minoritätsschule behandelt. Über die Nationalität sollte in diesen Fällen aber immer noch aufgrund eines persönlichen Bekentnisses entschieden werden.45 Die Entscheidungen der Gerichtshöfe entsprachen somit eher dem sog. Personalitätsprinzip/Bekenntnisprinzip, was im Unterschied zum Territorialitätsprinzip auf konkretem Territorium keine zweisprachige Gleichberechtigung vorsah. Während deshalb das Personalitätsprinzip eher der tschechischen Nationalpolitik zugute kam, das ohnedies in der Form von nationalen Kurien im Rahmen des Mährischen Ausgleichs von 1905 Gesetzeskraft erlangte, wurde es von den Deutschen in Böhmen abgelehnt. Diese pochten auf das Territorialitätsprinzip, wodurch ein „geschlossener deutscher Sprachraum“ in Böhmen gesetzlich in Schutz genommen werden sollte. Beide Ansätze, auf die sich die Gerichtsbarkeit stützen konnte, brachten große Komplikationen bei ihrer Umsetzung mit sich. Während sich beim Territorialitätsprinzip eine genaue national-territoriale Abgrenzung kaum vollziehen ließ, waren beim Personalitätsprinzip hingegen insbesondere die fraglichen Nationalbekenntnisse bei Wahlen in die national getrennten Organe problematisch. Das zeigte sich vor allem bei den Wahlen für die in Böhmen seit 1873 national getrennten Ortsschulräte, wo das nationale Bekenntnis eines Ortsschulratskandidaten unglaubwürdig erscheinen und von der Gegenseite als national-politische Infiltrierung gedeutet werden konnte. Bei der Feststellung der nationalen Zugehörigkeit oszillierten die Gerichte zwischen den objektiven und subjektiven Kriterien. Zunächst waren sie zwar dem subjektiven Bekenntnisprinzip zugeneigt, doch wurde allmählich immer öfter dazu gegriffen, objektive Merkmale für die Bestimmung der Nationalitätszugehörigkeit wie Ergebnisse der Sprachenerhebungen heranzuziehen.46 Hinsichtlich der Errichtung von Minoritätsschulen entwickelte der Verwaltungsgerichtshof ein besonderes Prozedere, in dem es bei Berechnungen für die erforderliche Zahl der ansässigen schulpflichtigen Kinder vor allem darum ging, die Begriffe „schulpflichtig“ und „wohnhaft“ zu präzisieren. Danach durften in die Durchschnittsberechnung nur diejenigen Schulkinder einbezogen werden, die an einem vom Verwaltungsgerichtshof bestimmten Stichtag schulpflichtig wa-

44 Mehr zu diesem Beschluss In: KLADIWA, Pavel: Etnická klasifikace a institucionální zakotvení národnosti v Československu (1918–1938). In: Moderní dějiny: časopis pro dějiny 19. a 20. století. Praha: 2014, S. 21–22. 45 STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 170–172. 46 BRIX, Emil. Die Umgangssprachen in Altösterreich, S. 46.

2.4 Die obersten Gerichte 

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ren. Nicht einbezogen wurden Kinder, die außerhalb des Schulbezirkes ihren Wohnsitz hatten.47 Während sich anfänglich das früher entstandene Reichsgericht mit bedeutenden Fragen des Nationalitätenkonflikts beschäftigte, war es spätestens seit 1905 vor allem der Verwaltungsgerichtshof, der über 200 sprachen- und nationalitätenrechtliche Beschwerden (davon 1/3 im Schulwesen) entschied und somit am deutlichsten in den Nationalitätenkonflikt eingriff.48 Die rechtliche Ausgangsposition der zerstrittenen Parteien auf lokaler Ebene bestimmte das Reichsgericht 1882, als die in der Staatsverfassung verankerten nationalen Rechte sowohl den freiwillig zusammengesetzten Vereinen als auch den Körperschaften ohne freiwillige Mitgliedschaft, d. h. u. a. den Gemeinden, zugesprochen wurden.49 Die Verhinderung des „Kinderfangs“ und die schulische Autonomie, die durch die Gesetzbestimmungen des sog. „Mährischen Ausgleichs“ von 1905 in Mähren durchgesetzt wurden, konnten die nationale Konfrontation kaum stoppen und brachten neue Probleme mit sich, die sich vor allem auf die genaue Bestimmung der Nationalität bezogen, die es für die national geteilten Schulaufsichtsorgane ebenso wie für die Wahlkörper gab. Das Entscheidungsrecht über die Nationalität aufgrund „objektiver Charakteristiken“ oblag den Lokalbehörden. Das vom Verfassungsgerichtshof anfangs bevorzugte Prinzip des nationalen Selbstbekenntnisses passte sich an die Bestimmungen des Mährischen Ausgleichs schließlich an, und bei Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wurde immer mehr vom bisher anerkannten Selbstbekenntnisprinzip abgewichen. Es setzte sich die Tendenz zur „Objektivisierung“ der Nationalität aufgrund der Abstammung, Ausbildung, Umgangssprachen, Vereinsmitgliedschaften, politischen Tätigkeit sowie des Schulbesuchs der Kinder und ähnlicher Kategorien, die bei Streitfällen einer Verifizierung unterzogen werden können, durch. Die national geteilten Schulaufsichtsorgane wurden als eigenständige Rechtspersönlichkeiten anerkannt. Ihnen wurde nicht nur das Recht

47 Überprüfung der Einwendungen der Gemeinden betreffend die Kategorien Schulpflicht und Wohnsitz der Antragsteller wurden im Rahmen von kommissionellen Untersuchungen überprüft. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Fasz. Kommern, Krczemusch, Weisskirchlitz, Rannay. 48 Vgl. die Gerichtsentscheide über die sprachliche Gleichberechtigung des Reichsgerichtes in Fällen Unter-Themenau/Poštorná 1877 (Niederösterreich) und Vrbnik 1888 (Kroatien), wo nach Art. 19. des Staatsgrundgesetzes die unmittelbare Anwendbarkeit den Gemeinden zugesprochen wurde, wonach Gemeinden Träger der politischen Rechte sind und somit die Beschwerdelegitimation besitzen. Dazu kam es trotz lebhafter interner Diskussionen im Rahmen des Reichsgerichts. Vgl. STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 12, 68–73. 49 STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 195.

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auf die Reklamierung der Kinder aus der Schule zuerkannt, sie wurden vom Verwaltungsgerichtshof auch als „Organe nationaler Lokalverbände [betrachtet], die berufen sind, den Rechtsanspruch ihres Volksstammes in der Richtung zur Geltung zu bringen, dass die nach dem Gesetze den Schulen dieses Volksstammes zugehörigen Kinder diesem nicht entzogen werden.“50 Die umstrittene Bestimmung der Nationalität nach sog. objektiven Merkmalen brachte eine Unzahl von Reklamierungen und Beschwerden, die der Verwaltungsgerichtshof „überwiegend minderheitsfreundlich“ entschied.51 Die „Lex Perek“ trug nur teilweise, wenn überhaupt, zur Beruhigung der nationalen Streitigkeiten in Mähren bei, denn die offizielle Ermöglichung des Herausreklamierens der Kinder wie auch die Bestrafung der Eltern, die ihre Kinder in fremdsprachige Schulen schickten, zog eine verstärkte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit an sich.52 In einer Beschwerde beim Landesschulrat beschwerte sich der Brünner Grünzeughändler Franz Lehár über die Möglichkeit des Herausreklamierens aufgrund objektiver Nationalitätenbestimmung (Zugehörigkeit zur tschechischen Wahlkurie) durch den tschechischen Ortsschulrat folgendermaßen: Ich bestreite, dass ich der tschechischen Nation angehöre, ich denke und fühle deutsch [und werde] für die nächsten Wahlen meine Einschreibung in den deutschen Kataster veranlassen […], ich wurde bei der Verhandlung vom Obmann des tschechischen Ortsschulrates beeinflusst – ich bin zwar tschechischer Abstammung, aber deutscher Nation, […] im tschechischen Kataster war ich wegen dem Druck der Agitatoren. Die Zugehörigkeit zu Nation und Vereinen geschieht nicht aus nationalem Empfinden, sondern aus Furcht vor den Folgen des Boykotts, dem man ansonst ausgesetzt wäre. Das habe ich als Grünzeughändler wiederholt empfunden.53

Erst durch das Gerichtsentscheid des Verwaltungsgerichtshofs von 1911 wurde die Gültigkeit der „Lex Perek“ auf öffentliche Schulen in Mähren begrenzt, wodurch Privatschulen ausgenommen blieben, die trotz des Widerstandes der tschechischen Ortsschulräte weiterhin Kinder, die der Unterrichtssprache nicht mächtig waren, aufnehmen durften.54

50 BURGER, Hannelore. Sprachenrecht, S. 189–198. 51 STOURZH, Gerald. Gleichberechtigung, S. 172–176. 52 KYOGOKU, Toshiaki. Národní agitace a obecní školství na Moravě na přelomu 19. a 20. století. In: Místo národních jazyků ve výchově, školství a vědě v habsburské monarchii 1867–1918. Tagungsband. Praha: 2003, S. 572. 53 Brief des Franz Lehár an den Landesschulrat in Brünn und den Verwaltungsgerichtshof in Wien vom 11.5.1912. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren 15, Fasz. Hohenstadt. 54 ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 41.

3 Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská und Deutscher Schulverein: organisatorische Entwicklung 3.1 Entstehungsgeschichte Als „Wiege“ der modernen nationalen Schutzarbeit im Habsburgerreich der liberalen Ära gilt Südtirol. Bereits 1867 wurde in Innsbruck das sog. „Komitee zur Unterstützung der deutschen Schulen in Welschtirol und an der Sprachgrenze“ (seit 1876 „Deutsche Schulgesellschaft“) von Ignaz Zingerle zur Unterstützung der deutschen Schulen in gemischtsprachigen Gebieten Südtirols gegründet.1 Im selben Jahre entstand in Wien auch der geistige Vorgänger des späteren DSV, der von Josef Kopp2 geleitete Wiener „Deutsche Verein“, bei dem unter dem Eindruck des politischen Verlustes der Deutschliberalen auf Initiative Max Mengers am 20.12.1879 ein Ausschuss zur Stabilisierung des deutschen Elements in Cisleithanien konstituiert wurde. Dieser Ausschuss erlangte mit seinen Mitgliedern Dr. Karl Eckel, Prof. Karl Julius Schröer, Prof. Heinrich Freidjung, Prof. Otto Steinwender, Robert Zimmermann, Dr. Viktor Adler und Engelbert Pernerstorfer einen eindeutig akademischen Charakter, der sich durch direkte Einbindung der Wiener Studentenverbindungen (insbesondere Arminia) bestätigte.3 Unmittelbarer Anlass zur Gründung des DSV war jedoch erst die Schrift des Frankfurter Arztes Hans August Lotz „Aus den Bergen an der deutschen Sprachgrenze in Südtirol“, die 1880 über die Sammlungen des Pfarrers der Südtiroler Gemeinde Proveis, Franz Xaver Mitterer, zur Errichtung von mehreren deutschsprachigen Schulen4 in der „[von der] Verwelschungsgefahr bedroht[en] Gemeinde Proveis“ berichtet und auf Pernerstorfer offenbar einen tiefen Eindruck gemacht hatte. Pernerstorfer sah sich veranlasst, Mitterers Tätigkeit auf „die ganze Sprachgrenze auf das ganze Volkstum“ zu erweitern.5 Diese Idee 1 FRÄNKEL, Ludwig. Mitterer, Franz Xaver. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Nr. 52/1906, S. 418–421. https://www.deutsche-biographie.de/pnd117064017.html (30.10.2020). 2 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 37; Josef Kopp war Jurist, Landtagsund Reichsratsabgeordneter. Er stand deutschen Fortschrittskreisen nahe. Vgl. Kopp, Josef. In: ÖBL 1815–1950. Band 4, Wien: 1969, S. 118–119. 3 NEUMANN, Karl. Zehn Jahre Deutscher Arbeit. Gedenkschrift zum zehnjährigen Bestande des Deutschen Schulvereines in Wien. Wien: 1890, S. 6. 4 Es kam zur Gründung einer Fachschule für Spitzenklöppel, einer Haushaltungsschule, einer Kirche und einer Volksschule in Proveis. 5 BARTA, Erwin – BELL, Karl. Geschichte der Schutzarbeit am deutschen Volkstum. Dresden: 1930, S. 12–13. https://doi.org/10.1515/9783110723397-004

48  3 Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská

stellte er am 13.5.1880 bei einer Versammlung des deutschen studentischen Lesevereins im Kellergeschoss des Grand Hotels am Kärntnerring in Wien vor, was als Geburtsstunde des DSV gilt. Noch am gleichen Abend wurde aus den ca. 40 Anwesenden der für die Ausarbeitung des Gründungsaufrufs und des Satzungsentwurfs zuständige vorbereitende Ausschuss gebildet, der sich gänzlich aus Universitätsprofessoren und Studenten zusammensetzte. Dabei handelte es sich u. a um Prof. Otto Steinwender (Obmann), Prof. Karl Günter, Dr. Viktor von Kraus, Dr. Viktor Adler und Engelbert Pernerstorfer, wobei mit der Ausnahme von Karl Günther alle Ausschussmitglieder aus dem burschenschaftlichen Milieu stammten. Die DSV-Gründungsversammlung fand am 2.7.1880 im Festsaal der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien statt. 6 Die bereits bestehenden Vereinsstrukturen der liberalen Ära wussten die Vereinsfunktionäre des DSV sofort zu nutzen. So konnte beim Ausbau des DSV etwa in Prag auf die Tätigkeit des „Deutschen Casinos“ zurückgegriffen werden, das bereits in den 1870er-Jahren deutsche Schulen und Kindergärten in Prag unterstützte.7 Dieses Geschehen in Wien scheint vorerst von der tschechischen Seite ignoriert worden zu sein, was von der ÚMŠ selbst im Nachhinein als „unverständlich“8 beklagt wurde, zumal als der Anstoß zur Gründung der ÚMŠ nicht etwa aus der Mitte der tschechischliberalen Politik gegeben wurde, sondern erst auf Anregung einiger tschechischer Lehrer (Václav Vaněk), Journalisten (Václav Nedvídek) und sogar eines zunächst anonymen Artikels des Eisenbahninspektors Adolf Zahrádka, der in der Zeitung „Pokrok“ abgedruckt wurde. Die Gründungsidee kam von dem 1879 gegründeten Tschechischen Zentrallehrerverein (Ústřední spolek učitelských jednot) mit den Lehrern Václav Kredba, Josef Král und Alois Frumar, die den vorbereitenden Ausschuss zur Gründung eines tschechischen Schulvereins beriefen.9 Der ersten Versammlung am 24.10.1880 im Sitz des Prager Künstlerischen Vereins (Umělecká Beseda), wo auch der Satzungsentwurf vorgestellt wurde, wohnten alt- wie jungtschechische Politiker, wie Dr. Josef Herold, Dr. Jan Městecký, Josef Kořán bei, ebenso Vertreter der Lehrer, wie Josef Král, Václav Kredba, Adolf Frumar und F. A. Šubert, und der Presse, wie Josef Anýž (České 6 NEUMANN, Karl. Zehn Jahre Deutscher Arbeit, S. 7–12. 7 COHEN, Gary B. Politics of Ethnic Survival, S. 119–120. 8 BĚLEHRÁDEK, František. Od Riegra k Masarykovi. In: Padesát let Ústřední Matice Školské: 1880–1938. Pamětní list vydaný na oslavu půlstoleté činnosti Ústřední Matice Školské v Praze [Fünfzig Jahre der Ústřední Matice Školská 1880–1938: Ein Gedenkbuch anlässlich der Feier der 50 Jahre des Bestandes der ÚMŠ]. Praha: 1931, S. 9. 9 BĚLEHRÁDEK, František. Od Riegra k Masarykovi. In: Padesát let Ústřední Matice Školské, S. 9.

3.1 Entstehungsgeschichte



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Noviny), Josef Barák (Národní listy) und Alois Kalenda (Čech) bei. Schließlich gelang es – nach anfänglicher gesundheitsbedingter Absage – auch den alttschechischen Parteiführer František Ladislav Rieger als Vorsitzenden für den vorbereitenden Ausschuss des neuen Vereins zu gewinnen. Rieger bekleidete diese Funktion bis zu seinem politischen Abgang nach dem Misserfolg der Wiener Punktationen von 1891. Unter dem Vorsitz des Landtagsabgeordneten Josef Kořáns trat am 7.12.1880 der vorbereitende Ausschuss zusammen, um den Gründungsaufruf vorzubereiten.10 Im Falle der ÚMŠ handelte es sich um die sofortige Anknüpfung der Kontakte mit den bereits bestehenden tschechischen lokalen Schulvereinen, wobei die ersten in den 1870er-Jahren in Mähren entstanden, weshalb gerade Mähren immer wieder als „Wiege der tschechischen Schutzarbeit“11 bezeichnet wurde. In der Zeit der Gründung der ÚMŠ existierte bereits seit 1872 der Komensky-Verein in Wien12 und lokale Schulvereine („Matice“ genannt) in Proßnitz (Prostějov) und Olmütz (Olomouc); in Budweis (České Budějovice) seit 1873; in Brünn (Brno) seit 1879; in Troppau (Opava), Leitmeritz (Litoměřice) und Znaim (Znojmo) seit 1880, wobei die letzteren zwei sich bald nach der Gründung der ÚMŠ in ÚMŠ-Ortsgruppen verwandelten. Die meisten lokalen Schulvereine behielten ihre Eigenständigkeit in der jeweiligen Stadt. Bald kamen allerdings noch weitere lokale Organisationen hinzu, die oft auf die Unterstützung konkreter Realschulen oder Gymnasien ausgerichtet waren, dazu gehörten vor allem die städtischen tschechischen Schulvereine in Hodonín (Göding) 1893, Místek (Mistek) 1894, Hohenstadt (Zábřeh) 1895, Mährisch Ostrau (Ostrava) 1896, Wischau (Vyškov) 1898 und Mährisch Aussee (Úsov) 1898. Alle wurden von der ÚMŠ regelmäßig subventioniert.13 Eine ähnliche Rolle spielten für den DSV lokale Schulerhaltungsvereine. Der wichtigste Schulerhaltungsverein konstituierte sich in Prag 1896 aus bereits bestehenden DSV-Ortsgruppen und übernahm die Erhaltung der DSV-Volksschulen in den Prager Vororten Lieben (Libeň), Holleschowitz (Holešovice) und Werschowitz (Vršovice).14

10 VÚMŠ, Nr. 17/1901, S. 12–13; BĚLEHRÁDEK, František. Od Riegra k Masarykovi. In: Padesát let Ústřední Matice Školské, S. 9; KNEIDL, František. Dr. Lad. Rieger. In: Padesát let Ústřední Matice Školské, S. 11. 11 BĚLEHRÁDEK, František. Školství menšinové a Ústřední Matice Školská. In: AUERHAHN, Jan [u. a.]. Česká politika, S. 394–395. 12 Der Komenský-Verein hat seinen Vorgänger im „Komitee zur Errichtung der tschechischen Industrieschule“ von 1868. Zur Entstehungsgeschichte des Vereins vgl. VALEŠ, Vlasta. Der Schulverein Komenský. 150 Jahre Tschechisches Schulwesen in Wien. Wien: 2020. 13 DVOŘÁK, Jan. Ústřední Matice Školská. In: Čechové a jejich práce obranná: soubor článků o obranných Jednotách a korporacích. Praha: 1912, S. 22. 14 Montagsblatt aus Böhmen, Nr. 50 vom 14.12.1896, S. 5.

50  3 Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská

Beide Schulvereine profitierten jedenfalls von der erfolgreichen Geschichte des bürgerlichen Vereinswesens der Vorjahre, die in gewisser Hinsicht durch die Gründung der nationalen Schutzvereine ihren Abschluss fand.15 Obwohl durch die parlamentarische Politik angetrieben, gingen die Schulvereinsgründungen jedoch weder im deutschen noch im tschechischen Fall auf eine Initiative der parlamentarischen Politiker zurück. Bei den „Vereins-Vätern“ handelte es sich eher um die erst ins öffentliche Leben aufsteigende junge „RevolutionsGeneration“ der um 1848 Geborenen, deren Karrieren mit den Errungenschaften der liberalen Ära eng verbunden waren, wobei Studenten und junge Akademiker überwogen. Die Schulvereine sahen ihren Zweck darin, besonders dort, wo die Errichtung einer deutschen [bzw. tschechischen] Schule auf öffentliche Kosten nicht erreicht werden konnte, die Bestrebungen der Bevölkerung zur Erlangung und Erhaltung deutscher [bzw. tschechischer] Schulanstalten zu fördern.16 Beim näheren Blick auf die Satzungen, die beim DSV am 7.4.1880 und bei der ÚMŠ am 15.11.1880 genehmigt wurden, tritt die von Anfang an propagierte bewusst reaktive Position der ÚMŠ gegenüber dem DSV deutlich zutage. Auf die Satzung des DSV antwortete die ÚMŠ mit einer Art Gegensatzung, die sich nur in Einzelheiten vom Vorbild unterschied. So sollte z. B. laut Auflösungsparagraf in den Satzungen des DSV im Falle der Vereinsauflösung die Übernahme des Vereinsvermögens durch den Akademischen Senat der Universität Wien vorgenommen werden.17 Gerade daran ist die etwas unterschiedliche gesellschaftliche Verankerung beider Vereine ersichtlich, da die ÚMŠ für den genannten Fall die Übernahme des Vereinsvermögens durch den Zentrallehrerverein oder den Schriftstellerverein Svatobor vorsah.18 Diese kleine Nuance zeigt die besondere anfängliche Verflechtung des DSV mit dem akademischen Milieu – ein Prozess, der sich im Falle der ÚMŠ erst mit der Gründung der selbstständigen tschechischen Universität in Prag im Jahre 1882 deutlicher anzubahnen begann. Die strategische Reaktivität der ÚMŠ zeigt sich nochmals deutlich beim Vergleich der beiden Gründungsaufrufe. Den ersten Worten des DSV-Gründungsaufrufs vom Mai 1880: „Tausende und Tausende von Kindern deutscher Eltern an unseren Sprachgrenzen und in Gebieten von gemischsprachiger Bevölkerung wachsen ohne deutsche Schule auf und gehen so dem deutschen Volke verlo15 JAWORSKI, Rudolf. Nationale Botschaften im Postkartenformat. In: HASLINGER, Peter. Schutzvereine in Ostmitteleuropa, S. 142. 16 § 1 der Satzungen des DSV. Archiv der ÖLM Wien. – § 1 der Satzungen der ÚMŠ. NA Praha, Inv.-Nr. 707, Kart. 59. 17 WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein 1880–1905. Eine Gedenkschrift, im Auftrage der Vereinsleitung verfasst von ihrem Mitgliede. Wien: 1905, S. 27. 18 Satzungen der ÚMŠ. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 707, kart. 59.

3.1 Entstehungsgeschichte



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ren,“19 wurden nämlich im Aufruf der ÚMŠ vom 18.12.1880 fast die gleichen Worte gegenübergestellt: „Tausende und Tausende Kinder unserer Nation entbehren den Schulunterricht in der Muttersprache, Tausende und Tausende Kinder sind zum Besuch einer deutschen Schule gezwungen, weil vor Ort keine tschechische Schule vorhanden ist.“20 In beiden Gründungsaufrufen wird emotional die gefühlte Entnationalisierungsgefahr hervorgehoben. Diese wird im DSV-Aufruf wie folgt dargestellt: In vielen Gemeinden wehren sich noch die deutschen Minoritäten, aber ohne hinreichende eigene Geldmittel, verlassen und preisgegeben von ihren eigenen Stammesgenossen sind sie gezwungen, den hoffnungslosen Kampf aufzugeben, ihre Kinder die Sprache der Mutter vergessen und sie zu Slawen oder Welschen werden zu lassen.21

Die ÚMŠ hingegen bedient sich an dieser Stelle einer viel konkreteren gegen die angebliche Germanisierungsgefahr ausgerichtete und zugleich auch etwas suggestiveren Sprache: Die tschechischen Kinder, die die deutschen Schulen besuchen, bleiben in ihrer Aus- und Sittenbildung zurück […]. Wenn sie dann doch verstehen, wo sie mit deutscher Sprache hingeführt werden, verlieren sie den Respekt und Ansehen gegenüber dem eigenen nationalen Blut, gegenüber dem Volkstamm, dem sie entwuchsen, wie auch gegenüber den eigenen Eltern, die sie missachten lernen, ja sich für diese schämen und sie verleugnen. Und so, anstatt zur Zierde eigener Eltern und der eigenen Nation zu werden, werden sie zu deren Schmach und Schande. […] Die tschechischen Kinder, die deutsch erzogen sind, werden dann zu den erbittertsten Hetzern und Störern eines friedlichen Umgangs zwischen Tschechen und ihren deutschen Landsleuten.22

Wohl auch wegen des anfänglichen Zögerns bei der Gründung der ÚMŠ und des nicht ganz klar identifizierbaren Urhebers des Vereinsgründungsgedanken konnte von Anfang an behauptet werden, die ÚMŠ sei „vom tschechischen Volke ausgebaut“ worden.23 Diese Selbstdarstellung steht allerdings in einem starken Widerspruch zu jener des DSV, der mit gewissem Stolz nicht nur auf seine akademischen Vereinsgründer, sondern auch an die prominenten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich dem DSV-Aufruf mit ihrer Unterschrift angeschlossen hatten, zu erinnern wusste. Darunter befanden sich nämlich

19 Marburger Zeitung, Nr. 78 vom 30.6.1880. S. 1. 20 BĚLEHRÁDEK, František. Od Riegra k Masarykovi. In: Padesát let Ústřední Matice Školské, S. 9. 21 Artikel Deutscher Schulverein. Marburger Zeitung vom 30.6.1880. Nr. 78, S. 1. 22 BĚLEHRÁDEK, František. Od Riegra k Masarykovi. In: Padesát let Ústřední Matice Školské, S. 9. [Übersetzt von Mikuláš Zvánovec]. 23 VÚMŠ, Nr. 4–12/1906, S. 131.

52  3 Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská

nicht nur Reichsrats-, und Landtagsabgeordnete oder Bürgermeister, sondern auch Professoren, Rektoren wie Ernst Mach (Prag) und Karl Blodig (Graz) sowie bedeutende Persönlichkeiten des kulturellen Lebens, vertreten durch den Schriftsteller und ehemaligen Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung Heinrich Laube, den Dichter Robert Hamerling oder den Komponisten Johannes Brahms.24

3.2 Organisationsstruktur Bei der Gründungsversammlung des DSV am 2.7.1880 im Festsaal der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien wurde satzungsgemäß der 25-gliedrige Vereinsausschuss gewählt. Die Stelle des Obmannes kam dem niederösterreichischen Landtagsabgeordneten Moritz Weitlof zu, der diese Funktion bis zu seinem Tod 1905 ausübte.25 Den engeren 7-gliedrigen geschäftsführenden Ausschuss bildeten Viktor von Kraus (Obmann-Stellvertreter), Engelbert Pernerstorfer, Serafin Bondy (beide Schriftführer), Viktor Adler, Otto Steinwender und Rudolf Maresch (Zahlmeister).26 Zu wichtigen Mitgliedern des erweiterten Ausschusses gehörten Akademiker wie Prof. Karl Günther, Viktor Schwarz, Mitglieder der Studentenverbindungen wie Alois Hellmann, Robert Wittmann und auch Landtags- und Reichsratsabgeordnete wie Ernst Bareuther, Max Menger, Josef Alfred Heilsberg oder Theodor Freiherr von Plenker.27 Mit den wachsenden Mitgliederzahlen wurde bald eine neue Satzungsänderung erforderlich, die nach dem Beispiel großer auf Ortsgruppen und Lokalverbänden beruhenden Vereine, wie des Gustav-Adolf-Vereins oder des Alpenvereins, auf Initiative Pernerstorfes 1881 verwirklicht wurde. Somit musste jedes DSV-Mitglied einer Ortsgruppe angehören, die sich bei Mindestzahl von 20 Mitgliedern konstituieren konnte. Bei der Entstehung der Ortsgruppen spielte die DSV-Leitung eine erhebliche Rolle, als sie die neu zu errichtenden Ortsgruppen mit Mitgliederverzeichnissen, Mustersatzungen und detaillierten Instruktionen versorgte. Die Ortsgruppen verfügten über eine formelle Selbstständigkeit, doch unterstanden sie der Wiener Zentralleitung, die auch dazu befugt war, für die Ortsgruppen „erforderliche Schritte namens der Ortsgruppe zur Erhaltung der

24 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 47–49. BARTA, Erwin – BELL, Karl. Die Schutzarbeit, S. 18. 25 Zur Übersicht der Vereinsobmänner beider Schulvereine vgl. Beilage 4. 26 NEUMANN, Karl. Zehn Jahre Deutscher Arbeit, S. 11–12. 27 BARTA, Erwin – BELL, Karl. Die Schutzarbeit, S. 16.

3.2 Organisationsstruktur 

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Bescheinigung durchzuführen“.28 Die Aufgaben des Ortsgruppenvorstands bestanden vor allem im Einsammeln der Mitgliedschaftsanträge und im Kontakt mit der Wiener Vereinsleitung. Die Ortsgruppen wählten je einen Vertreter auf 50 Mitglieder in das höchste Organ, die Hauptversammlung. Weitere Änderungen betrafen auch die Wahl des Obmannes und des engeren Vorstandes mit zwei Obmann-Stellvertretern, zwei Schriftführern und zwei Zahlmeistern, die nicht mehr durch die Hauptversammlung, sondern aus der Mitte der Vereinsleitung zu wählen waren. Ein Drittel der Vereinsleitung schied alljährlich aus und wurde durch die Hauptversammlung, die sich alljährlich festlich zusammensetzte, erneuert.29 Auch der Auflösungsparagraf erfuhr Veränderungen, indem das Vereinsvermögen nicht mehr dem akademischen Senat der Universität Wien, sondern der Gemeinde Wien zur Verwendung im Sinne des Vereinszwecks zufallen sollte. Der neu gewählte Ausschuss, der sich seit dem 25.2.1881 aus Moritz Weitlof (Obmann), Viktor von Kraus (Obmann-Stellvertreter), Engelbert Pernerstorfer, Eduard Wolffhardt (beide Schriftführer), Julius Eckel, Rudolf Maresch (beide Zahlmeister), Otto Steinwender, Karl Eckel und Viktor Adler zusammensetzte, bereitete die Weisungen und vor allem die neuen Mustersatzungen für die Ortsgruppen vor. Diese konnten nach der Genehmigung der Satzungsänderung vom 17.3.1881 vom Innenministerium gleich distribuiert werden, sodass die Errichtung von Ortsgruppen so bald wie möglich erfolgen konnte. Die ersten DSV-Ortsgruppen konstituierten sich in Pilsen (2.4.1881) und Wiener Neustadt (9.4.1881).30 Einige Wiener Ortsgruppen entstanden direkt aus dem akademisch-burschenschaftlichen Milieu, was selbst die Namen einiger DSV-Ortsgruppen wie z. B. „Germania“ oder „Arminia“ verraten.31 Da die Ortsgruppenbildung im Deutschen Reich nach dem Vereinsgesetz untersagt war, wurde am 15.8.1881 in Berlin als Partnerverein der Allgemeine Deutsche Schulverein gegründet, der in Anlehnung an den Wiener DSV seine Aufgabe vor allem in der Unterstützung deutscher Schulen außerhalb des Tätigkeitsbereiches des DSV, d. h. vor allem in Ungarn und Siebenbürgen sah.32 Die

28 Drucksorten betreffend die Ortsgruppen und Vereinsmittheilungen. Archiv der ÖLM Wien [eine lose aufbewahrte Veröffentlichung, 1881]. 29 Zur Übersicht über die Orte, an welchen die Hauptversammlungen beider Schulvereine stattfanden, vgl. Beilage 1. 30 NEUMANN, Karl. Zehn Jahre Deutscher Arbeit, S. 18–19. 31 Außer „Germania“ und „Arminia“, die von den gleichnamigen Studentenverbindungen getragen wurden, handelte es sich etwa auch um studentische Ortsgruppen wie „Deutsche Hochschulen Wien“, oder „Verein deutscher Studenten aus Nordmähren“, usw. ÖStA/AdR, BKA-I, Sign. XIV 178, Kart. 12, Kart. 16, Kart. 26 und Kart. 89. 32 Mitteilungen des Allg. deutschen Schulvereins in: Evangelisches Monatsblatt für die deutsche Schule, Nr. 5/1885, S. 309.

54  3 Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská

organisatorische Tätigkeit des DSV blieb also ausschließlich auf das Gebiet Cisleithaniens beschränkt. Die Teilung der Arbeit nach Ländergebieten durch die Vorstandmitglieder blieb beim DSV ein wichtiges organisatorisches Prinzip, wobei sich eine allmählich engere Gebietsfokussierung beobachten lässt. Während zunächst Viktor von Kraus für ganz Böhmen, Alexander Eger für ganz Mähren, Otto Steinwender für ganz Tirol sowie Kärnten, Krain und Küstenland, Eduard Wolffhardt für die Steiermark und Rudolf Maresch für Galizien, Schlesien und Triest zuständig waren, wurde bald in vielen Regionen, vor allem in den böhmischen Ländern eine konkretere Einteilung als erforderlich betrachtet. So wurde Böhmen in ein nördliches Arbeitsgebiet mit Prag (Viktor von Kraus), ein nordöstliches (Karl Eckel) und ein südliches (zuerst Rainer von Reinöhl, später Dr. Gustav Groß) aufgeteilt. Mähren wurde in ein nördliches (Engelbert Pernerstorfer) und ein südliches (Robert Schindler) Arbeitsgebiet aufgeteilt.33 Die organisatorische Ausgestaltung des DSV diente als Vorbild für die ÚMŠ und bestand aus der Hauptversammlung, dem engeren und erweiterten Vorstand und einem Schiedsgericht zur Lösung von Streitfällen. Die Arbeit der ÚMŠ-Vorstandsmitglieder konnte noch effektiver als beim DSV werden, da der Vorstand die zuständigen Referenten den einzelnen Bezirken in Böhmen, Mähren und Schlesien zuordnen konnte.34 Darüber hinaus wurde der Vorstand in vier fachliche Sektionen: die statistische, die Schulsektion, die Finanzsektion und die Sektion für Mähren-Schlesien aufgeteilt, in der bedingt durch die höhere sprachliche Vermischung dieser Regione ein größerer Arbeitsaufwand erwartet wurde. Der Vereinsvorstand zählte ebenso wie beim DSV 25 Mitglieder, wobei bei der Versammlung am 27.11.1880 zum Obmann F. L. Rieger gewählt wurde. Den engeren Vorstand bildeten Josef Král (1. Obmann-Stellvertreter), Dr. Jan Janda (2. Obmann-Stellvertreter), Jan Černý (Geschäftsführer), Adolf Stýblo (Schatzmeister), Jan Podlipný, Ferdinand Hoffmann (beide Buchhalter) und Josef Malý (Schriftführer). Dem erweiterten Vorstand gehörten weiterhin vor allem Lehrer und Journalisten wie Josef Barák, Adolf Frumar, Alois Kalenda, Václav Kredba, Adolf Srb u. a. an. Vertreter der parlamentarischen Politiker stellten lediglich Jan Černý und Josef Kořán dar.35 Eine Satzungsänderung, die die Bildung von Ortsgruppen ermöglichte, wurde von der ÚMŠ ebenfalls übernommen und vom Innenministerium am 4.1.1882 genehmigt,36 wobei die ersten noch in

33 NEUMANN, Karl. Zehn Jahre Deutscher Arbeit, S. 25. 34 ŠPIRITOVÁ, Alexandra. Ústřední Matice Školská, S. 182. 35 První výroční zpráva ÚMŠ za školní rok 1880–1881. Praha: 1881, S. 1–4. 36 Diese Satzungsänderung enthielt unter anderem auch die Erweiterung der Tätigkeit auf das Mittelschulwesen. Satzungen der ÚMŠ vom 4.1.1882. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 707, Kart. 59.

3.2 Organisationsstruktur 

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demselben Jahr gegründeten Ortsgruppen der ÚMŠ die in Karolinenthal (Karlín), Smichow (Smíchov), Jungbunzlau (Mladá Boleslav), Jermer (Jaroměř), Raudnitz (Roudnice nad Labem) und Pilsen (Plzeň) waren.37 Zur nächsten Satzungsänderung der ÚMŠ kam es am 4.9.1888.38 Es wurden hierbei zwar einige weitere Anpassungsschritte an den DSV gemacht wie z. B. die Festlegung der inneren Amtssprache oder das Prinzip des Ausscheidens eines Drittels der Vorstandsmitglieder, die von der Hauptversammlung zu wählen waren. Auch wurde der Auflösungsparagraf an das deutsche Vorbild angepasst, wonach die ÚMŠ die Übernahme des Vereinsvermögens im Auflösungsfall der Gemeinde Prag anvertraute.39 Seit der Hauptversammlung in Graz 1884 waren mögliche Satzungsänderungen des DSV eng mit dem vereinsinternen Konflikt um den Arierparagrafen verknüpft, was die Vereinsleitung zur Schaffung von organisatorischen Zwischenstufen zur Sicherstellung des Einflusses der Vereinsleitung auf die antisemitisch agierenden Ortsgruppen veranlasste. Als Mittler sollten nunmehr nicht nur die traditionellen Vertrauensmänner-Ausschüsse40 dienen, sondern neuerlich auch die Ortsgruppentage, die mit dem Zweck eingeführt wurden, „die schon matt gewordene Bewegung für den Verein wieder in frischen Fluß zu bringen“.41 Während der 1884 im schlesischen Freiwaldau (Frývaldov/Jeseník) abgehaltene erste DSV-Ortsgruppentag noch den Charakter eines losen Zusammentreffens einiger lokaler Ortsgruppen hatte, sollte bald die Organisation der Ortsgruppentage von der Vereinsleitung übernommen und in planmäßiger und geordneter Art und Weise durchgeführt werden.42 Erst nach dem Ausscheiden der Alldeutschen um Georg Schönerer aus dem DSV und der Gründung des konkurrierenden antisemitischen „Schulvereins für Deutsche“ im Jahre 1886 konnte ausgehend von Ortsgruppentagen an eine satzungsmäßige Organisationsreform in der Form der Einführung von Gauverbänden gedacht werden. Die Gauen sollten insbesondere in den Regionen mit der höchsten Ortsgruppendichte gegründet werden. Zu unmittelbaren Aufgaben des Gauverbandes bzw. der Gauleitung an der Spitze gehörten die Errichtung und Erhaltung von Ortsgruppen sowie Berichterstattung und Agitationstätigkeit.43 Vom DSV wurden zwar ebenfalls einige Bezirksverbände gegründet, es waren jedoch Gauen, die zu einem wesentli37 DVOŘÁK, Jan. Ústřední Matice Školská. In: Čechové a jejich práce obranná, S. 20. 38 Von der Statthalterei am 4.9.1888 genehmigt, vom Inneministerium jedoch erst am 9.5.1890. VÚMŠ, Nr. 12/1901. S. 15. 39 Satzungen der ÚMŠ vom 4.9.1888. NA, ÚMŠ, Inv.-Nr. 707, kart. 59. 40 Bericht des Vertrauensmänner-Ausschusses Bodenbach. Bodenbach: 1894, S. 3. 41 NEUMANN, Karl. Zehn Jahre Deutscher Arbeit, S. 41. 42 NEUMANN, Karl. Zehn Jahre Deutscher Arbeit, S. 42. 43 WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, S. 17–18.

56  3 Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská

chen organisationellen Bindeglied werden sollten. Der erste Gauverband des DSV entstand 1893 in Aussig (Ústí n. L.), der aber erst 1895 seine Tätigkeit als Gau I aufnehmen konnte, als die neue Satzungsänderung bestätigt wurde. Weitere Gauverbände folgten im selben Jahr in Saaz (Žatec) und Reichenberg (Liberec). Insgesamt hatte der DSV vor 1918 über 35 Gauverbände, ca. die Hälfte davon (17) in den böhmischen Ländern, errichtet.44 Auch in diesem Fall sollte die Einführung der Gauen von der ÚMŠ nachgeahmt werden. Da jedoch diese Möglichkeit offiziell der eigenen Entscheidung der Ortsgruppen überlassen wurde, bekundeten nur drei ÚMŠ-Ortsgruppen ihr Interesse. Die Gründung von Gauverbänden kam bei der ÚMŠ also schließlich mangels Interesses nicht zustande.45 Weitere Satzungsveränderungen sowohl beim DSV (1897) wie bei der ÚMŠ (1890, 1905, 1915) betrafen nur Einzelheiten und verliefen unabhängig voneinander. So ließ die ÚMŠ z. B. 1905 die Amtszeit des Vereinsobmannes auf drei Jahre beschränken und den Vorstand auf 45 Mitglieder erweitern.46 Der DSV beantragte hingegen aus Gründen der anwachsenden Konflikte mit Christlichsozialen, die im Wiener Rathaus saßen, eine Abänderung des Auflösungsparagrafen, nach der im Auflösungsfall das Vereinsvermögen nicht zwingend der Gemeinde Wien zufallen musste, sondern die Vereinsleitung soll über die dem Vereinszweck entsprechenden Verwendung des Vermögens frei entscheiden können.47 Aus der Entwicklung der Satzungsänderungen ist ersichtlich, dass seit den 1890er-Jahren die ÚMŠ sich zu einem selbstbewussten und aktiven Akteur zu verwandeln vermochte, was auch Daten zur Ortsgruppendichte bestätigen. Der Zeitraum 1880–1897 brachte zunächst dem DSV wesentlich höhere Mitgliedschaften, so z. B. hatte er im Jahre 1883 99 735 Mitglieder, die in ca. 976 Ortsgruppen organisiert waren, die ÚMŠ hingegen kam nur 22 574 Mitglieder in 181 Ortsgruppen. Nach 1897 ist jedoch dem steten Wachstum der ÚMŠ-Mitgliedschaften ein Rückgang in Mitgliedschaften im DSV gegenüberzustellen. Zur Jahrhundertwende hatte der DSV 447 Ortsgruppen in den böhmischen Ländern,48 die ÚMŠ im Jahre 1901 bereits 391.49 Die Zahl der Ortsgruppen (Männerwie Frauenortsgruppen) wuchs bis 1914 stets an und spiegelt den markanten Unterschied im geografischen Umfang der jeweiligen Vereinstätigkeit wider. Der DSV hatte 1914 bereits 2 600 Ortsgruppen in ganz Cisleithanien, bei der

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BARTA, Erwin – BELL, Karl. Geschichte der Schutzarbeit, S. 22. VÚMŠ, Nr. 4/1897, S. 45. LUKEŠOVÁ, Eva. Ústřední Matice Školská, S. 35. WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, S. 27. WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, S. 72. Zprávy o dvacetileté činnosti ÚMŠ v Praze. Praha: 1901, S. 82–85.

3.3 Finanzierung der Schulvereine



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ÚMŠ handelte es sich hingegen um ca. 700.50 Erst in der Zeit nach 1918 lässt sich ein Rückgang bei der ÚMŠ verfolgen, der DKV als Nachfolgeverein des DSV wuchs dagegen beträchtlich weiter und erreichte bis 1933 die Zahl von 3 163 Ortsgruppen in der ČSR.51

3.3 Finanzierung der Schulvereine „Gestern war der Lehrer von mein’ Schani bei mir und hat m’r wie an’ kranken Roß zug’red’t, i soll dem deutschen Schulverein in der Maximilianstraße Nr. 10 beitreten! ’s kostert bloß an’ Gulden jährlich – sagt er – und ’s hängt unser nazinale [sic] Existenz davon ab! […] Das deutsche Bewußtsein soll g’weckt werd’n! sagt dem Schani sein Lehrer! Zu was brauchen m’r denn a deutsches Bewußstsein? Mir san gute Oesterreicher und damit basta! Zum nazinalen [sic] Spektakelmachen – wie die Behm‘ und Polaken – sein mir net z’brauchen! Da san mir Wiener viel z’gmütlich dazu!“52 Die nationalen Schulvereine wurden zu durchaus selbstständigen und unabhängigen Wirtschaftssubjekten, die die aufgebrachten Finanzmittel nicht nur direkt für die jeweiligen Schulbedürfnisse (Schulerrichtung und -ausstattung, Lehrergehälter, Stipendien usw.) benutzten, sondern diese auch zur weiteren Verzinsung in Fonds anlegten und dank des Kapitals auch unternehmerische Tätigkeiten entwickelten. Deshalb wurden Einnahmen und Ausgaben für das kommende Jahr sorgfältig geplant und im Rahmen eines Jahresvoranschlages in der jeweiligen Rechnungsübersicht vorgestellt. Der Umgang mit dem Kapital der Schulvereine bezog sich vor allem auf die Investitionen in Wertpapiere oder Schuldverschreibungen auf den Einkauf von Immobilien, von deren Mieten die Vereine profitierten. Da es sich um Privatvereine handelte, musste deren Tätigkeit überwiegend direkt aus den Taschen der Privatpersonen bezahlt werden. Dies sollte vor allem anhand von Sammlungen durchgeführt werden, für deren Durchführung die Ortsgruppen sorgten. Beide Schulvereine waren im Wesentlichen auf Spenden und Legate angewiesen, versuchten diese unbeständigen Geldzuflüsse deshalb durch Mitgliederbeiträge, Schriften- und Warenverkauf möglichst zu stabilisieren.

50 Tätigkeitsbericht des DSV für das Jahr 1914 – VÚMŠ, Nr. 1–3/1914, S. 14–15. 51 Tätigkeitsbericht des DKV über das Jahr 1933, S. 15. – Zur Übersicht über die Mitgliederund Ortsgruppenentwicklung vgl. Beilage 3. 52 Figaro, Nr. 29 vom 17.7.1880, S. 114.

58  3 Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská

Vor allem die ersten zwei Rechnungsjahrzehnte deuten auf größere Unterschiede in der Geldgebarung in Wien und in Prag hin. Das hing vor allem mit der Schaffung von Reserven zusammen. Der DSV betrachtete die fehlenden Reserven der ÚMŠ sogar als Grund für die nur oberflächliche finanzielle Stärke der ÚMŠ. Bei der DSV-Hauptversammlung in Wien 1895 sah sich der DSV-Zahlmeister Rudolf Maresch sogar veranlasst, den immer wieder kleiner werdenden finanziellen Vorsprung des DSV vor der ÚMŠ mit der fehlenden finanziellen Deckung bei der ÚMŠ zu rechtfertigen. Maresch verwies dabei zutreffend darauf, dass die ÚMŠ über eine nur mangelhafte finanzielle Deckung verfügte: Wir müssen alljährlich einen Betrag zur Sicherung der Pensionsansprüche unserer Lehrer zurücklegen, wir müssen unseren Gründerfonds intakt halten und wir müssen die Zusagen von Unterstützungen, welche am Ende des Jahres noch nicht bar bezahlt wurden, buchmäßig decken. Bei der Matice ist davon keine Spur. Ein unantastbares Stammkapital, gleich unserem Gründerfonde […] existiert überhaupt nicht, für eine etwaige Liquidation ist also keinerlei Deckung vorhanden. Zur Sicherung der Pensionsansprüche […] hat die Matice lediglich einen Abfertigungsfonds […]. Auch eine Deckung für zugesicherte Bewilligungen […] existiert nicht, obwohl es gewiss keinem Zweifel unterliegt, dass bei der Matice auch solche bindende Zusagen bestehen. Wenn daher die Matice mit Ende 1894 bilanzmäßig ein reines Vermögen von fl. 280 604.96 (gegenüber unserem von fl. 485 901.11) aufwies, so dürfte dabei wohl einige Illusion vorhanden sein, da eben einerseits eingegangene Verpflichtungen nicht gedeckt sind, während wieder anderseits unter den Aktiven sich Posten befinden, denen wir bei unserer Gebarung keinen Vermögenswert zumessen, so [z. B.] die Vorräte an verkäuflichen Drucksorten und Vereinsdruckschriften […].53

Die ÚMŠ hat nicht ernsthaft versucht, diese Vorwürfe zu bestreiten und diese Mängel sogar später anerkannt. Sie versuchte jedoch ohne Erfolg, die Pensionsansprüche der Vereinslehrer durch eine Petition beim Landesfonds anzumelden.54 Ihrer mangelnden Finanzdeckung war sich die ÚMŠ durchaus bewusst, ist jedoch erst in ihrer „Konjunkturphase“ nach 1897 zur Beseitigung dieser Defizite geschritten. So weisen die Rechnungsberichte der ÚMŠ seit 1900 eine „Reserve für die Schulerrichtungen“ auf, zur Gründung eines wirklichen Schulbaufonds, über den der DSV seit 1888 verfügte,55 kam es jedoch nie. 1902 wurde der Gründerfonds und erst 1909 auch der Pensionsfonds errichtet, der den Namen des damaligen ÚMŠ-Vereinsobmanns František Kneidl erhielt.56 Noch im Jahre 1908 hatte die ÚMŠ Liquiditätsprobleme, als sie ein Darlehen von den Prager 53 Bericht von Rudolf Maresch über die Geldgebarung des DSV im Jahre 1894. In: Hauptversammlung 1895 in Wien, Archiv der ÖLM Wien. 54 VÚMŠ, Nr. 8/1891, S. 155. 55 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 147. 56 Zprávy o dvacetileté činnosti ÚMŠ v Praze a výroční zprávy matiční za rok 1900. Praha: 1901, S. 99. – VÚMŠ, Nr. 1–2/1909, S. 20 – VÚMŠ, Nr. 3/1902, S. 48.

3.3 Finanzierung der Schulvereine 

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Ortsgruppen annehmen musste, um für die Auszahlung der Vereinslehrergehälter sorgen zu können.57

3.3.1 Mitgliedsbeiträge Die Basis der Finanzierung der Vereinstätigkeit bildeten die Jahresbeiträge, zu deren Bezahlung jedes einzelne Vereinsmitglied mit Ausnahme der Ehrenmitglieder verpflichtet war. Die Schulvereine kannten verschiedene Arten von Mitgliedschaften je nach der festgesetzten Höhe des Jahresbeitrags. Der Ertrag der Jahresbeiträge bildete das sog. Stammvermögen, das vom DSV von Anfang in den sog. „Gründerfonds“ eingelegt wurde, die ÚMŠ errichtete einen solchen Fonds, wie bereits erwähnt, erst im Jahre 1902.58 Die Höhe der Jahresbeiträge wurde beim DSV bewusst sehr niedrig gehalten, es handelte sich nur um einen Florin (fl.) (Österreichischer Gulden) jährlich, der als sog. „Pflichtgulden“ propagiert wurde. Bei den Gründungsmitgliedern bedurfte es einer einmaligen Zahlung in der Höhe von 20 fl. Durch diesen bewusst niedrig gehaltenen Satz sollte der DSV breiten Massen zugänglich gemacht werden.59 Die DSV-Leitung lehnte auch in den Folgejahren etwaige Vorschläge für eine Erhöhung des Jahresbeitrags entschieden ab mit der Begründung, die Schere zwischen den städtischen Schichten und dem Landvolk sollte nicht auseinanderklaffen.60 Auch die ÚMŠ verlangte von ihren Mitgliedern einen Jahresbeitrag in Höhe von 1 fl.,61 darüber hinaus existierten jedoch noch weitere drei Mitgliedschaftskategorien: wirkliche Mitgliedschaft (einmalige Zahlung von 100 fl. oder 20 fl. in fünf nacheinanderfolgenden Jahren), tätige Mitgliedschaft (regelmäßige Zahlung von 10 fl. jährlich) und ordentliche (regelmäßige Zahlung von 5 fl. jährlich).62 Zu den hierarchisch wichtigsten Mitgliederkategorien, also die der Gründungs- und der wirklichen Mitglieder, gehörten die wohlhabende Stadtbevölkerung, Vereine und Gemeindevertretungen, aber auch viele Tischgesellschaften. Es war üblich, in Gasthäusern von den Gästen Geld für die Vereinszwecke ein57 Čech, Nr. 148 vom 31.5.1908, S. 4. 58 WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, S. 10 und 21; BĚLEHRÁDEK, František: Školství menšinové a Ústřední Matice Školská. In: AUERHAHN, Jan [u. a.]. Česká politika. Díl pátý, Kulturní, zvláště školské úkoly české politiky. Praha: 1913, S. 409. 59 BARTA, Erwin – BELL, Karl. Geschichte der Schutzarbeit, S. 17; Neue Freie Presse, Nr. 9641 vom 30.6.1891, S. 2. 60 Vgl. Mitteilungen des Deutschen Schulvereins, MDSV, Nr. 27/1880, S. 29. 61 Nach der Währungsreform von 1892 zwei Kronen. 62 VÚMŠ, Nr. 12/1895, S. 170.

60  3 Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská

zusammeln. Stammgäste der bekannten Prager Lokale wie „U Fleků“ oder „U Glaubiců“ waren als tatsächliche Vereinsmitglieder in dieser Hinsicht keine Ausnahme.63 Zu eingetragenen Mitgliedern der Schulvereine gehörten auch Stadt- bzw. Gemeinderäte, insbesondere in Prag und Wien, die gewissermaßen als Paten des jeweiligen Schulvereins wahrgenommen wurden. Während der Stadtrat in Prag die Tätigkeit der ÚMŠ mit großem Interesse förderte und Sammlungen zu deren Gunsten mitveranstaltete oder unterstützte,64 verweigerte die Wiener Gemeinde nach Erlangung der christlichsozialen Mehrheit im Wiener Rathaus seit 1897 fast ein Jahrzehnt lang die Zahlung des Jahresbeitrags an den DSV.65

3.3.2 Spenden und Legate Zu weiteren bedeutenden Einnahmen, von denen die Schulaktivitäten, insbesondere der Bau von Schulen und deren Unterstüzung, finanziert wurden, gehörten verschiedenste Spenden und Erbschaften, die unabhängig von der Mitgliedschaft den Schulvereinen zuflossen. Handelte es sich um einen höheren Betrag, konnten diese Beiträge auch in Fonds eingelegt oder gleich in neue Fonds umgewandelt werden, so z. B. im Falle der großzügigen Erbschaft von Josef Kandrt (1903) in Höhe von 200 000 Kronen (K) an die ÚMŠ. Mit dem Geld wurde ein gleichnamiger Fonds errichtet, um diese Finanzmittel weiter verzinsen zu lassen.66 Wenn es der Erblasser nicht ausdrücklich untersagt hatte, konnten bei Bedarf so hohe Erbschaften auch direkt verwendet werden. So nutzte die ÚMŠ 1897 eine der größten ihr zugekommenen Erbschaften – die des Polizeikommissars Bedřich Schnell in Höhe von mehr als 200 000 K – zur unmittelbaren Deckung notwendiger Ausgaben, wodurch die als schwierig geschilderte Finanzsituation des Vereins sofort saniert werden konnte.67 Neben Erbschaften flossen den Vereinen auch beträchtliche Spenden von Privatperso63 Sedmá výroční zpráva ÚMŠ za sedmý správní rok od 1. října 1886 do 30. září 1887. Praha: 1888, S. 13. 64 Als Beispiel sei etwa die Einnahme des sog. „Brückengeldes“ in Prag zu Gunsten der ÚMŠ genannt. Vgl. Čech, Nr. 148 vom 31.5.1908, S. 4. 65 WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, S. 27. 66 BĚLEHRÁDEK, František. Školství menšinové a Ústřední Matice Školská. In: AUERHAHN, Jan. Česká politika, S. 409. 67 Zlatá Praha. Nr. 28/1897, S. 334. Einen merkwürdigen Aspekt dieser Erbschaft stellt der Gerichtsprozess zwischen der ÚMŠ und der Finanzprokuratur dar, wo es sich um Erbrechte Schnells gegenüber seinem früher verstorbenen Cousin Anton Berger handelte, der nach einem in Schnells Wohnung gefundenen Kodizill den Anspruch des Letzteren und nach dessen Tode somit den Anspruch der ÚMŠ auf Bergers Vermögen legitimieren sollte. Der Klage der ÚMŠ

3.3 Finanzierung der Schulvereine 

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nen, Vereinen sowie Gemeindevertretungen zu. So freute sich der DSV z. B. über eine Spende des ehemaligen Landtagsabgeordneten und Gutsbesitzers in Nieder-Bludowitz bei Teschen (Dolní Bludovice u Těšína), Moritz Rohrmann, die sich auf 300 000 K belief. Diese konnte jedoch auf Wunsch des Verstorbenen nicht direkt verwendet werden, sondern sollte ausschließlich als Kapital zur Verzinsung dienen.68 Spenden aus dem Ausland wurden auch zum festen Bestandteil der jährlichen Rechnungsberichte der Vereine. So widmete etwa der ehemalige österreichische Konsul in den USA František Korbel der ÚMŠ 50 000 K, aus denen der sog. „Familie-Korbel-Fonds“ entstand. Von Spenden der amerikanischen Tschechen konnte auch die komplette Errichtung einer tschechischen Minoritätsschule in Liquitz (Libkovice) erfolgen.69 Aus dem Ausland, also vor allem aus Russland und den USA, flossen der ÚMŠ regelmäßige Spenden zu. Aus den Jahresberichten ergibt sich sich jedoch, dass ihre Höhe in den „besseren“ Jahren nur kaum die Einzahlungen einiger schwächerer städtischer ÚMŠ-Ortsgruppen (wie z. B. Brünn/Brno) zu übertreffen vermochte. Auch der DSV erfreute sich einer finanziellen Hilfe aus dem Ausland, namentlich vor allem vom Berliner Allgemeinen Deutschen Schulverein, seit 1908 umbenannt in Verein für das Deutschtum im Ausland (ADSV/VDA). Obwohl dieser seinen Schwerpunkt in der Unterstützung deutschsprachiger Schulen in Transleithanien erblickte, unterstützte er auch den DSV finanziell. Genaue Zahlen über die Finanzhilfe des ADSV/VDA für den DSV sind den Jahresberichten des DSV leider nicht zu entnehmen, da die Auslandsbeiträge in dieselbe Kategorie mit direkten Zahlungen zusammenflossen. Bei der Hauptversammlung des DSV im Jahre 1895 in Wien konnte z. B. dem anwesenden ADSV/VDA-Vertreter für eine Sonderunterstützung in der Höhe von 20 000 Reichsmark (RM) gedankt werden.70 Zwar wurde die Höhe dieser Zahlungen an den Wiener DSV in den Folgejahren kaum übertroffen und bewegte sich im Durchschnitt bei nur 3 000 RM jährlich, dafür aber flossen beträchtliche Unterstützungen für konkrete Schulzwecke den einzelnen Gauverbänden des DSV zu.71 Darüber hinaus gingen auch vermehrt Spenden ein von verschiedenen reichsdeutschen Vereinen (z. B. Bund der Deutschösterreicher, gegen die Finanzprokuratur wurde gerichtsmäßig nicht stattgegeben und das Kodizill wurde zum Falsum erklärt. Vgl. Národní listy, Nr. 113 vom 25.4.1901, S. 4.; VÚMŠ, Nr. 12/1901, S. 231. 68 Mährisches Tagblatt, Nr. 72 vom 27.3.1908, S. 4. Weitere wichtige Spenden und Erbschaften für den DSV vgl. BARTA – BELL. Geschichte der Schutzarbeit, S. 28. 69 BĚLEHRÁDEK, František. Školství menšinové a Ústřední Matice Školská. In: AUERHAHN, Jan [u. a.]. Česká politika. Díl pátý, Kulturní, zvláště školské úkoly české politiky, S. 410. 70 Archiv der ÖLM Wien. Hauptversammlung des DSV 1895, S. 1. 71 Rechenschaftsbericht der Leitung des westböhmischen Schulvereinsgaus für das Jahr 1904. Mies: 1905, S. 37.

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Turnvereine, Gesangsvereine), studentischen Korporationen oder auch von Gemeindevertretungen aus dem Deutschen Reich.72 Diese bis 1914 anwachsenden Spenden bewertete die ÚMŠ zwar als äußerst negativ und unfair, trotzdem musste sie sich zu einer stärkeren materiellen Position bekennen: Wenn wir bedenken, dass Matice 152 Schulinstitutionen im Bereich der böhmischen Krone hat, während der Schulverein nur 145 (7 weniger) in ganz Österreich [hat], […] sind wir der Meinung, dass der mächtige Schulverein, der auf jede erdenkliche Weise vom Deutschtum aus dem In- und Ausland unterstützt wird, hinter den Ergebnissen unserer fleißigen und ehrlichen Arbeit zurückbleibt.73

Wegen des Charakters der Jahresberichte beider Schulvereine lässt sich der prozentuale Anteil der Spenden und Legate an den Gesamteinnahmen nicht festlegen, dennoch kann eine steigende Tendenz beobachtet werden. Wohlhabende bürgerliche Familien, Beamte, Politiker, Schriftsteller, Juristen, Notare usw. betrachteten eine Spende oder Erbschaft an den „eigenen“ Schulverein immer mehr als eine selbstverständliche „nationale Pflicht“, die mit der Verantwortung für die Ausübung einer öffentlich exponierten Arbeit zusammenhing, wofür sie in der jeweiligen nationalen Presse dementsprechend gepriesen wurden.74

3.3.3 Sammlungen und Veranstaltungen Die Ortsgruppen der Schulvereine führten nicht nur die Mitgliedsbeiträge ab, sondern es wurde erwartet, dass sie durch Sammlungen bei Konzerten, Theateraufführungen, Vereinsfesten, -bällen usw. Erträgnisse aufbringen. Dabei haben sich insbesondere die städtischen Ortsgruppen in den eher sprachlich-homogenen Gebieten hervorgetan. Die ungleiche Finanzkraft der Ortsgruppen zeigt einen deutlichen finanziellen, sozialen und schließlich auch nationalen Gegensatz im Verhältnis des Zentrums zur Peripherie, bzw. der Stadt zum Land. Ortsgruppen in Wien und Prag waren wie die Städte selbst in symbolischer Weise von Anfang an unumstrittene Zentren beider Schulbewegungen mit den mit Abstand höchsten finanziellen Beiträgen. Das imaginäre sprachlich-homogene „nationale Hinterland“ formte sich im Laufe der Zeit in den wachsenden Städten und Kleinstädten in sprachlich homogenen Gebieten. Das finanzielle Hauptgewicht stellten beim DSV ein72 Wochenberichte des DSV vom Zeitraum 1911–1914. 73 VÚMŠ, Nr. 9/1912, S. 126. [Übersetzt von Mikuláš Zvánovec] 74 Z. B. Lidové noviny, Nr. 108 vom 13.5.1897, S. 2.

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deutig die Hauptstadt Wien, die Steiermark und das Gebiet Nordwestböhmens dar, wozu nicht nur die inoffizielle deutsche Hauptstadt Böhmens – Reichenberg (Liberec) gehörte, sondern auch viele weitere Kleinstädte des unteren Elbtals wie Aussig (Ústí n. L.), Teplitz (Teplice), Tetschen (Děčín) und Bodenbach (Podmokly), später auch Saaz (Žatec), Warnsdorf (Varnsdorf) und Gablonz (Jablonec). Die Leistungsstärke Prags war in dieser Hinsicht nicht unbedeutend.75 Etwa im Jahre 1907 war diese der Gesamtstärke aller DSV-Ortsgruppen des ganzen Egerlandes (Chebsko) und des deutschsprachigen Böhmerwaldes gleichzustellen.76 Das überwiegend tschechischsprachige Prag war sonst eindeutig die Domäne der Ortsgruppen der ÚMŠ im Sinne der aufgebrachten Finanzmittel und bezog sehr stark auch die unmittelbare Umgebung des späteren Groß-Prag wie Königliche Weinberge (Královské Vinohrady), Karolinenthal (Karlín) und Smichow (Smíchov) mit ein. Neben Prag hatte die ÚMŠ ihre stärksten Ortsgruppen in Pilsen (Plzeň) wie auch in den Kleinstädten der eher sprachlich homogenen tschechischen Gebiete des oberen Elbtals wie etwa Kolin (Kolín), Königgrätz (Hradec Králové), Pardubitz (Pardubice), Jungbunzlau (Mladá Boleslav) usw. 1901 waren es bereits mehr als 30 tschechische Kleinstädte, darunter etwa Kuttenberg (Kutná Hora), Jermer (Jaroměř), Königinhof (Dvůr Králové), Melnik (Mělník), Laun (Louny) und Schlan (Slaný), die mehr als 2 000 K pro Jahr aufbringen konnten. Von den mährischen Ortsgruppen der ÚMŠ engagierten sich am meisten die in Littau (Litovel) und Proßnitz (Prostějov). Obwohl die ÚMŠ die Wiege ihrer eigenen nationalen Schutzarbeit in Mähren sah, flossen der ÚMŠ aus der mehrheitlich deutschsprachigen Landesmetropole Brünn (Brno) kaum Beiträge zu, zumal das tschechische Schulwesen in der mährischen Metropole vom lokalen tschechischen Brünner Schulverein (Matice Brněnská, gegr. 1877) versorgt wurde.77 Die einzelnen Schulvereinsortsgruppen boten in den Orten ihrer Tätigkeit eine breite Palette an Kulturveranstaltungen an, die jedoch als bedeutende Einnahmequelle vor allem von der Ungunst des Wetters beeinträchtigt werden konnten, was freilich ein Faktor war, den man besonders bei den großen Festlichkeiten im Freien gar nicht unterschätzen durfte. So klagte z. B. der TeplitzSchönauer Anzeiger über das verregnete Schulvereinsfest im Wiener Prater mit erbitterten Worten:

75 WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, Tab. Nr. 8; Leistungsuasweis der Ortsgruppen des DSV über die Jahre 1906, 1907 und 1908, S. 5–49. Archiv der ÖLM Wien. 76 Leistungsausweis der Ortsgruppen des DSV über die Jahre 1906, 1907 und 1908, S. 5–49. Archiv der ÖLM Wien. 77 Jahresberichte der ÚMŠ für den Zeitraum 1880–1914.

64  3 Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská

Die offenkundige Abneigung der Wettermacher, die sich in dem gerade zu Beginn des heurigen Schulvereinsfestes eingetretenen Witterungsumschlag geltend machte, läßt keinen Zweifel darüber bestehen, daß die Freunde des Deutschtums auch aus dem Rate der Wettermächte verdrängt werden.78

Es waren gerade der Wiener Prater und auf der anderen Seite der Prager Messeplatz,79 wo die sog. „Nationalfeiern“ veranstaltet wurden, die auch von den Gemeinden Wien bzw. Prag als Schirmherren getragen wurden. Der Zweischneidigkeit des üppigen Kulturangebotes waren sich beide Schulvereine sehr wohl bewusst, so behaupteten etwa die Prager ÚMŠ-Vertreter bereits im Jahre 1889: „Prag ist von den Feierlichkeiten für längere Zeit gesättigt und die Einwohner brauchen spezielle Reizmittel, um sich für eine nächste Feierlichkeit aufzuwärmen.“80 Doch waren die Schulvereine von den Einnahmen aus den sprachlich homogenen Städten gewissermaßen abhängig. Veranstaltungen in den ländlichen Orten der Sprachgrenze, wo auch der Tätigkeitsschwerpunkt lag, wurden mit viel größerem Aufwand organisiert. Da bei solchen Veranstaltungen Widerstand von den fremdnationalen Gemeindevertretungen erwartet werden konnte, wurden diese Veranstaltungen oft in Zusammenarbeit mit den wirtschaftlichen Schutzvereinen organisiert. Großer Wert wurde auf die Einführung von „neuen Traditionen“81 bzw. die nationale Umdeutung alter Traditionen, die womöglich die Spender fester an den Verein ziehen sollten, gelegt. In diesem Sinne sollten die Sammlungen ritualisiert werden, was sich in jeder Menge von Sammlungen etwa am Kindertag, Nikolaustag, Muttertag oder bei Faschings-, Mai- und Sonnwendfeiern, um nur einige Beispiele zu nennen, ausdrückt. 1912 verkündete der DSV selbstbewusst seine Absicht, den Gründungstag des DSV (13. Mai), als Nationalfeiertag etablieren zu wollen.82 An den Bekenntnissen zu denjenigen Festlichkeiten und Gedenktagen, die für das Deutsche Reich von Bedeutung waren, zeigt sich die offene Bewunderung des DSV gegenüber dem deutschen Nationalstaat. So vergaß der DSV z. B. nicht die „Übergabe von Paris“, die „Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches“ oder den Tag der berühmten Bismarck-Rede „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt“ als Gedenktage aufzulisten.83 Dies belegen auch 78 Artikel „Ein verregnetes Praterfest“. Teplitz-Schönauer Anzeiger, Nr. 110 vom 16.9.1907, S. 3. 79 Vgl. ein ÚMŠ-Werbeplakat aus dem Jahre 1913 in Beilage 13. 80 VÚMŠ, Nr. 8/1889, S. 205. 81 Vgl. das Konzept „Invention of tradition“. Vgl. HOBSBAWM, E. J. – RANGER, T. O. (Hrsg.). The invention of tradition. New York: 1983. 82 Wochenbericht des DSV, Folge 11 vom 14.3.1912, S. 3a. 83 Der Getreue Eckart, Nr. 1/ 1903, S. 16 – Der Getreue Eckart, Nr. 2/1903, S. 32.

3.3 Finanzierung der Schulvereine



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Kundgebungen anlässlich des Bismarck-Geburtstages, als dem ehemaligen deutschen Reichskanzler vom DSV folgendermaßen gratuliert wurde: In dem Kampfe, den mit uns mehr als hunderttausend deutsche Männer und Frauen für die Erhaltung der Muttersprache längs der mannigfach verschlungenen Sprachgrenze täglich führen, stählt und stärkt uns neben dem nationalen Pflichtbewusstsein der Ausblick zu Euer Durchlaucht, als dem verkörperten Gedanken nationaler Größe und Einheit. So wird Eurer Durchlaucht erhabenes Beispiel für uns zur Stütze bei unserem schweren nationalen Wirken.84

Der DSV selbst organisierte jedoch keine Bismarck-Feier. Die Organisation solcher Veranstaltungen, die auch von Vertretern aus dem Deutschen Reich besucht wurden, wurde anderen deutschnationalen Vereinen überlassen, wohl auch im Hinblick auf das zu erwartende Misstrauen der Staatsorgane. Der DSV beteiligte sich jedoch führend an Festivitäten, die zu Ehren Friedrich Schillers veranstalten wurden, insbesondere 1909 anlässlich des 150. Geburtstages des Dichterfürsten organisierte er ein Festprogramm, dessen Ertrag ausschließlich dem DSV zugute kam.85 Zur Tradition wurden die gegenseitigen Besuche bei den Veranstaltungen des Berliner Partnervereins ADSV/VDA. So konnte auch etwa der Erlös des Winterfestes des ADSV/VDA im schlesischen Breslau von 1913 unter beide Partnervereine aufgeteilt werden. Um möglichst viele Mittel in kurzer Zeit einzusammeln, wurde später zu großen Sammlungsaktionen für nationale Schulzwecke geschritten. Die erste große Sammlungsaktion wurde vom DSV ausgerufen, nachdem im April 1909 ein Aufruf des steirischen Dichters Peter Rosegger zu einer 2 000-Kronen-Spende nach dem Motto „Zweitausend Kronen gleich zwei Millionen“ im Neuen Wiener Tagblatt erschien.86 Der Ertrag der als „Rosegger-Schulsammlung“ bekannten Sammlungsaktion sollte gemäß dem Wunsch des dem DSV-nahestehenden Initiators zum Bau deutscher Schulen an der Sprachgrenze dienen. Alle DSV-Schulen, die aus den Mitteln dieser Sammlung errichtet werden konnten, erhielten den Namen „Peter-Rosegger-Schule“.87 Die zehn Monate der „Rosegger-Sammlung“ wurden noch im Nachhinein vom DSV als eine „Zeit der Begeisterung“ dargestellt, da es gelang, an die drei Millio84 MDSV, Nr. 54/1895, S. 1. 85 Deutsche Böhmerwaldzeitung, Nr. 44 vom 29.10.1909, S. 389. 86 Neues Wiener Tagblatt, Nr. 114 vom 25.4.1909, S. 1–2. 87 GROß, Gustav. Die Rosegger-Schulsammlung. In: Grenzland, Nr. 3/1928, S. 92–9; POZORNY, Reinhard. Deutsche Schutzarbeit im Sudetenland: Die Tätigkeit des Deutschen Kulturverbandes 1918–1938. Wien: 1974, S. 6. Rosegger-Schulen waren z. B. in Autschowa (Ohučov), Sittna (Sytno), Stich (Vstiš), Mantau (Mantov), Harrachsdorf-Neuwelt (Harrachov-Nový Svět) und Chotieschau (Chotěšov). Vgl. České slovo vom 12.1.1913 – Für das Bild der Schule in Harrachsdorf-Neuwelt (Harrachov-Nový Svět) vgl. Beilage 10.

66  3 Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská

nen Kronen einzusammeln, die für „Grenzfestungen eingesetzt [wurden]“.88 Von dieser Aktion ließ sich auch die ÚMŠ inspirieren, und noch im selben Jahr am Tage des Hl. Wenzel (28. 9.) wurde die „St.-Wenzels-Millionen-Sammlung“ (Svatováclavská milionová sbírka) ausgerufen, an die nach Erreichung der Summe die Sammlung einer zweiten Million anknüpfte.89 Die höchsten Beiträge bei diesen Sammlungsaktionen kamen von Industriellen, vom Adel und von Gemeinde- und Stadtvertretungen. Der Stadtrat in Prag spendete im Rahmen der „St.-Wenzels-Millionen-Sammlung“ der ÚMŠ 10 000 K, der Stadtrat in Wien beteiligte sich an der „Rosegger-Sammlung“ mit 20 000 K.90 Anderen großen Sammlungsaktionen, die andere als schulische Zwecke zum Förderungsziel hatten, standen die Schulvereine oft passiv gegenüber, was auch an der reservierten Haltung der ÚMŠ gegenüber der Sammlung für das abgebrannte tschechische Nationaltheater Anfang der 1880er-Jahre klar zum Ausdruck kam, als die ÚMŠ die Wichtigkeit des tschechischen Schulwesens durch die Theatersammlung nicht überschattet sehen wollte.91 Zu den wichtigsten Sammlungen mit lokalem Charakter gehörten die sich gegen 1910 vom Deutschen Reich ins Habsburgerreich verbreitenden „Blumentage“. Diese oft anlässlich bedeutender Jahrestage (z. B. Kaisergeburtstag) stattfindenden und zu wohltätigen Zwecken bestimmten Sammlungen sollten von den Schutzvereinen auch zu nationalen Zwecken genutzt werden. Die ersten Blumentage wurden 1911 vom DSV in Wien und Olmütz veranstaltet, Blumentage der ÚMŠ ließen nicht lange auf sich warten und gesellten sich zu den bereits existierenden lokalen Sammlungen wie der Oster- oder Weihnachtssammlung. 92 Sowohl große, als auch kleinere Sammlungsaktionen wurden von der Gegenseite sehr genau verfolgt und über die Höhe der Erträge wurde in der Presse genau berichtet. Ein typisches Beispiel der vielen Pressekommentare zu den Sammlungsergebnissen ist etwa die Nachricht der Zeitung Národní Politika zu Sammlungen im Brüxer Kohlenrevier: Die Deutschen in Brüx veranstalteten am Sonntag […] einen Blumentag zu Gunsten der deutschen Kampforganisationen und erhielten für Blumen 377 K. In der Nachbargemeinde

88 BARTA, Erwin – BELL, Karl. Die Geschichte der Schutzarbeit, S. 30. – Deutsche Böhmerwaldzeitung, Nr. 10 vom 4.3.1910, S 1. 89 VÚMŠ, Nr. 11–12/1909, S. 214–216. 90 Deutsche Böhmerwaldzeitung, Nr. 10 vom 4.3.1910, S 1. 91 VÚMŠ, Nr. 6–7/1903, S. 159. Dies widerlegt die Annahme Špiritovás, die ÚMŠ kämpfte für die Rettung des Nationaltheaters auf Kosten ihrer schulischen Interessen. Vgl. ŠPIRITOVÁ, Alexandra. K dějinám Ústřední Matice Školské. In: KODEDOVÁ, Oldřiška, (Hrsg.). Učitelé v práci a v boji: sborník vzpomínek a studií 1848–1918. Praha: 1971, S. 76. 92 Mährisches Tagblatt, Nr. 106 vom 10.5.1911, S. 4. – VÚMŠ, Nr. 1/1912, S. 24.

3.3 Finanzierung der Schulvereine 

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Tschausch haben die Tschechen zu Gunsten unserer Schutzvereine einen Blumentag organisiert, wobei Blumen für 158 K verkauft wurden.93

Die vielen Sammlungsaktivitäten machten auch eine praktische Zusammenarbeit mit anderen Schutzvereinen erforderlich, die seit 1900 von der Dachorganisation Tschechischer Nationalrat [Národní rada česká, NRČ] koordiniert werden sollten. Um die zerstreute Sammlungstätigkeit verschiedener Schutzvereine und deren Ortsgruppen effektiver zu gestalten, entwarf sie 1903 einen einheitlichen sog. „Nationalstempel“ für Urkunden, Legitimations-, Eintrittskarten usw., der die bestehenden verschiedenen Vereinsstempel ablösen und eine Art nationale Steuer einführen sollte, der den tschechischen nationalen Schutzvereinen eine stabile Finanzierung ermöglichen sollte. In Reaktion darauf wurde von der 1903 gegründeten Gegenorganisation Deutscher Volksrat für Böhmen das sog. „Deutsche Volksratsiegel“ eingeführt, an dem sich der DSV wie auch weitere deutsche Schutzvereine beteiligten.94 Beim NRČ scheiterte dieser Plan jedoch schließlich an den Streitigkeiten mit der ÚMŠ wegen der Umverteilung des Ertrags, da die ÚMŠ, die sich ihrer herausragenden Position im Rahmen der tschechischen nationalen Schutzarbeit bewusst war, eine zu hohe (35–50 %ige) Beteiligung am gesamten Reinertrag des Nationalstempels verlangte.95 Die Zusammenarbeit mit dem NRČ sollte jedoch von den Streitigkeiten um den Nationalstempel nicht belastet werden. So wurde eine große Sammlungsaktion organisiert, deren Zweck es war, mit dem Rosegger-Fonds des DSV Schritt zu halten. Der NRČ rief 1913 als Schirmherr aller relevanten nationalen Schutzvereine (ÚMŠ, Komenský, Národní jednoty, Sokol usw.) die sog. „Gesamtnationale Sammlung“ (všenárodní sbírka) aus, die wie in jener Zeit üblich, in Form einer Haussammlung von Tür zu Tür durchgeführt wurde.96

3.3.4 Verkauf von Schriften und Vereinsgegenständen Zu weiteren Einnahmen der Schulvereine gehörte die Publikation der Vereinszeitschriften. Der DSV gab seit 1881 die „Mitteilungen des Deutschen Schulvereins“ heraus, die 1903 vom „Getreuen Eckart“ abgelöst wurden.97 Die ÚMŠ gab 93 Národní Politika, Nr. 166 vom 19.6.1913, S. 2. [Übersetzt von Mikuláš Zvánovec] 94 Deutsche Böhmerwaldzeitung, Nr. 31 vom 4.8.1905, S. 242. 95 HASLINGER, Peter. Nation und Territorium, S. 198. – LUKEŠOVÁ, Eva. Ústřední Matice Školská, S. 81–88. 96 Aufruf des Tschechischen Nationalrats zur Gesamtnationalen Sammlung vom 23.5.1913. NA Praha, Menšinové Museum, Kart. 14. 97 WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, S. 14.

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ihre Vereinszeitschrift unter dem Namen „Věstník Ústřední Matice Školské“ ab 1885 heraus, die unter dem gleichen Titel bis 1938 erschien. Auf die erste Ausgabe des Deutschen Schulvereinskalenders 1884 folgte ein Jahr später ein ÚMŠVereinskalender, wobei sich beide in den kommenden Jahren großer Popularität erfreuen konnten. Ähnlich ging es mit weiteren Verkaufsartikeln, die die Finanzmittel für die Erfüllung des Vereinszwecks steigern sollten und womöglich als „nationale“ Produkte angeboten wurden. Eine besondere Rolle kam hier den Ansichtskarten zu, wo durch Hinweise auf Schulen und nicht zuletzt auch die verwendete Sprache die umstrittenen Orte national kodiert wurden. Nicht zu kurz kamen auch Telegrammzettel und Visitenkarten. Die ÚMŠ profitierte sehr vom Verkauf nationalfarbiger Visitenkarten (sog. „národní obětiny“), die verschiedene Formen hatten und vielseitig verwendet werden konnten.98 So gab es z. B. farbige Karten zur Herstellung von Kränzen, die an die Gräber der verstorbenen „Nationalgrößen“ gelegt wurden.99 Die ÚMŠ verkaufte auch eigene Rechnungszettel, die in Restaurants oder auch bei Ärzten als Rezeptblankette Anwendung fanden.100 Ziemlich ertragsstark waren auch Streichhölzer, die als nationalfarbige „Matiční zápalky“ bzw. „Schulvereinszünder“ in den den Schulvereinen nahestehenden Fabriken hergestellt wurden. Die Lizenz zur Herstellung der ÚMŠZünder101 hatte die Streichhölzerfabrik von Vojtěch Scheinost in Schüttenhofen (Sušice), der DSV ließ seine Zünder zuerst bei der Firma Niederle und Haschka im mährischen Müglitz (Mohelnice), seit 1900 jedoch in der Fabrik Pojatzi & Co. im steierischen Deutschlandsberg herstellen.102 Während die ÚMŠ ihre Zufriedenheit mit dem hohen Gewinn aus dem Verkauf der Vereinszünder pries,103 sah die deutsche Seite ein, dass der eigene Ertrag „noch immer weit hinter den Erträgnissen, welche die slawischen Vereine aus ihren Zündern beziehen, zurücksteht“.104 Das breite Spektrum der Verkaufsprodukte, die sich die Schulvereine herstellen ließen, reichte somit von praktischen Gegenständen des täglichen Gebrauchs wie Briefmarken, Seifen,105 Zahnpasta, Zigarrenspitzen, Zigarettenpa-

98 Vgl. die Gestalt der Opferkarte und der Opferkartenwerbung der ÚMŠ in Beilage 14. 99 VÚMŠ, Nr. 1–2/1909, S. 46. 100 Der Getreue Eckart, Nr. 12/1909, S. 267. 101 Vgl. Bild in Beilage 20. 102 Deutsche Böhmerwaldzeitung, Nr. 50 vom 14.12.1900, Jg. 22, S. 399. 103 VÚMŠ, Nr. 1–4/1911, S. 11. 104 Deutsche Böhmerwaldzeitung, Nr. 32 vom 10.8.1906, S. 252. 105 Vgl. Bild einer DSV-Seife in Beilage 18.

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pier, Knöpfe, Tinten und Kaffeeprodukte (vor allem Zichorienkaffee)106 bis hin zu Gegenständen, die als Ehren- und Identifikationssymbol dienten, wie z. B. Abzeichen, Broschen, Mitgliederdiplome, Gedenkmünzen und -ringe.107 Jede Menge von Vereinsschriften ergänzten Liederbücher, die ÚMŠ bot etwa auch unbeschriftete Familienchronik-Bücher an, die als ein geeignetes Hochzeitsgeschenk angepriesen wurden. Der DSV bot interessanterweise auch Bilder des verstorbenen ehemaligen DSV-Obmannes Moritz Weitlof zum Verkauf an.108 1913 blickte der DSV auch auf einen erfolgreichen Verkauf des Kinderbrettspiels „Marschall Vorwärts“ zurück.109

3.3.5 Subventionen Außer den oben genannten Einnahmen, die vor allem von Einzelpersonen, Vereinen und Gemeindevertretungen kamen, hatten die Schulvereine auch Anspruch auf eine Landessubvention und im Falle der Erhaltung einer Mittelschule, wie z. B. eines Gymnasiums, einer Realschule oder einer Fortbildungsschule auch auf staatliche Subventionen. Darüber hinaus verfügten die Schulvereine über weitere Begünstigungen durch gewisse Steuererleichterungen und waren etwa von der Stempel- oder Erwerbssteuer befreit.110 Im Falle des DSV sind auch Fahrpreisermäßigungen von Seiten der Staatsbahn wie auch weiterer Privatbahnen (Bustěhrader-, Teplitz-Aussiger-Bahn usw.) für die registrierten Gäste der alljährlichen Hauptversammlungen nachweisbar.111 Über die Höhe der Landessubventionen für die Schulvereine entschied der Landesausschuss, der die Ersparnisse, die die Tätigkeit der Schulvereine für das Land bedeuteten, vergüten wollte. Die Subventionen des Böhmischen Landtags richteten sich seit 1890, als infolge der Wiener Punktationen der Landesschulrat national geteilt wurde, an konkrete Vereinsvolksschulen mit Öffentlichkeitsrecht. Diese Subventionen brachten je nach Zahl der zu erhaltenden Vereinsschulen entsprechende Einnahmen, vor allem der ÚMŠ, wobei sich diese zur Jahrhundertwende relativ stabil um die 12 000 fl. bewegten.112 Freilich blieb die 106 BARTA, Erwin – BELL, Karl. Die Geschichte der Schutzarbeit am deutschen Volkstum, S. 29. – VÚMŠ Nr. 10/1894, S. 154. – Der Getreue Eckart, Nr. 12/1909, S. 267. 107 Schulvereinskalender für das Jahr 1910, S. 182–183. 108 VÚMŠ, Nr. 5–12/1910, S. 199; Der Getreue Eckart, Nr. 1/1903, S. 16. 109 Wochenbericht des Deutschen Schulvereins, Folge 51 vom 11.12.1913, S. 1. 110 Zuschrift der Finanzverwaltung in Prag vom 14.1.1899 oder Zuschrift des Finanzdirektoriums in Prag vom 14.8.1905, NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 716, Kart. 60. 111 Hauptversammlung des DSV in Wien 1913. Archiv der ÖLM Wien. 112 Jahresberichte der ÚMŠ für die Jahre 1890–1914.

70  3 Die nationalen Schulvereine Ústřední Matice Školská

beschlossene Höhe der vom Böhmischen Landtag gewährten Subventionen nicht ohne Kontroversen, da diese für den DSV schließlich deutlich niedriger ausfielen. So beklagte sich z. B. der dem DSV nahestehende Abgeordnete Anton Pergelt über die Aufteilung der Subventionen unter den zwei wichtigsten Schulvereinen in Böhmen: Die Schulen der „Ústřední matice školská“ erhalten eine Subvention von 12 980 fl., die Schulen des deutschen Schulvereines 3 115 fl., das ist genau der vierte Theil. Auf ein Viertel sind wir Deutsche in Böhmen, wie ich bereits angedeutet habe, weder der Kopfzahl, noch der Steuerleistung nach herabgesunken. Ich muss auf das entschiedenste dagegen protestieren, dass aus unseren Steuergeldern die Kampfschulen der „Ústřední matice školská“ dotiert werden.113

Problemen mit der Zuteilung von Subventionen sah sich der DSV jedoch nicht nur in Prag ausgesetzt, sondern auch im niederösterreichischen Landtag in Wien belief sich in jener Zeit die Landessubvention auf nicht mehr als 3 000 fl., wobei sich bei deren Erteilung der DSV-Obmann und zugleich Landtagsabgeordnete Moritz Weitlof scharfen Angriffen seiner christlichsozialen und antisemitischen Landtagskollegen ausgesetzt sah. Diese bedingten demonstrativ ihre Zustimmung zur Gewährung der Landessubvention damit, dass der DSV aufhört, israelitische Schulen zu unterstützen. Während im Jahre 1882 dem DSV noch eine einmalige einstimmig beschlossene Subvention in der Höhe von 20 000 fl. vom niederösterreichischen Landtag zuteil wurde, musste er im Zuge des Antisemitismusstreites (vgl. Kap. 4.1.1) später für viel kleinere Summen auf dem Boden des Landesparlaments heftig kämpfen.114

3.3.6 Entwicklung der Vereinsfinanzen 1880–1918 Wie sich aus der vergleichenden Analyse der Rechnungsübersichten beider Schulvereine ergibt, ist die Finanzentwicklung von politischen Meilensteinen beeinflusst und dementsprechend in fünf Phasen zu periodisieren: 1880–1897, 1897–1907, 1907–1914, 1914–1918 und schließlich 1919–1938. Dabei lassen sich sehr direkte Einflüsse des Geschehens auf der zentralpolitischen Ebene rund um den Böhmischen Ausgleich wie freilich auch der Erste Weltkrieg erkennen. Die anfänglich dominante Position des DSV, der in der Zeit seiner Gründung im Jahre 1880 alle Kräfte des noch relativ kompakten altliberalen deutschen Lagers 113 Stenographisches Protokoll, 24. Sitzung der 1. Session des Böhmischen Landtags vom 13.2.1896, Legislaturperiode 1895–1901. http://www.psp.cz/eknih/1895skc/1/stenprot/ 024schuz/s024009.htm. (30.10.2020). 114 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 77.

3.3 Finanzierung der Schulvereine



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hinter sich vereinigen konnte, wurde von den kommenden Spaltungsprozessen und den Auseinandersetzungen schwer erschüttert, was sich auf eine relative Stagnation der Einnahmen auswirkte. Die Gründung der ÚMŠ hingegen machte den Eindruck einer schnellen Improvisation, mit dem Ziel, dem DSV möglichst schnell ein gleichwertiges Pendant zu schaffen. Anfängliche finanzielle Schwierigkeiten waren auch durch die Beteiligung der tschechischen Liberalen an der Regierung Taaffe gegeben, die zunächst als wirksames Mittel zur Durchsetzung eigener nationalen Forderungen gesehen werden konnte. Während noch die Wiener Punktationen von 1890, die etwa die Teilung des Landesschulrats und den Rücktritt des Obmanns Rieger mit sich brachten, nur einen mäßigen Einfluss auf die Rechnungsübersichten der Schulvereine hatten, brachte die kommende Badeni-Krise von 1897 einen entscheidenden Meilenstein in den Gesamteinnahmen der Schulvereine, als es zu einem schnellen finanziellen Aufstieg der ÚMŠ kam. Damals übertrafen die Einnahmen der ÚMŠ zum ersten Mal die des DSV und zwar um über 70 000 K (allerdings ohne Einbeziehung der bedeutenden Erbschaft Bedřich Schnells vom selben Jahre). Allein auf die Unruhen infolge der Badeni-Krise lassen sich die Ursachen für diesen Wendepunkt gewiss nicht reduzieren. Vielmehr handelte es sich um die quantitative Auswirkung der Badenischen Wahlreform von 1896, die eine politische Umschichtung und Einbindung breiter Massen in das öffentliche Leben ermöglichte, die sich mit ihrer neuen Entscheidungskompetenz durch die anhaltende nationale Mobilisierung beider Seiten für die nationale Sache gewinnen ließen. Die zweite Phase 1897–1907 ist somit durch einen leichten finanziellen Vorsprung der ÚMŠ in absoluten Zahlen gekennzeichnet. Während das Jahr 1897 dem DSV Kürzungen für seine Schulen brachte, scheint das Scheitern der Badeni’schen Sprachverordnungen und die aufsteigende Bewegung für ein allgemeines Männerwahlrecht, das schließlich 1907 verwirklicht wurde, die Tätigkeit der ÚMŠ in einem besonderen Maße zu begünstigen. Bereits 1903 nahm die ÚMŠ 575 459 K für 331 Ortsgruppen ein. An den DSV, dessen Ortsgruppenzahl inzwischen auf 850 schrumpfte und in den böhmischen Ländern sich auf 461 belief, wurden von seinen Ortsgruppen nur 430 710 K abgeführt. Im Jahre 1906 – ein Jahr vor der Wahlreform – erlangte die ÚMŠ den markantesten Vorsprung vor dem DSV, als dem Jahresertrag des DSV von 501 818 K der Erlös ÚMŠ in Höhe von 784 238 K gegenübergestellt werden konnte. Die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der ÚMŠ ermöglichte eine teilweise Beseitigung der anfänglichen Mängel in der Finanzdeckung. Zu einer Konsolidation der ÚMŠ-Finanzen in dieser Phase kommt es im Hinblick auf die enorme Ausdehnung ihrer Tätigkeit in jenen Jahren nur in einem beschränkten Maße. Vom steigenden Selbstbewusstsein der ÚMŠ zeugt auch die Tatsache, dass sie in ihrer Konjunk-

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turphase mehrere Darlehen aufnahm, um die eingetretenen Geldschwierigkeiten zu überwinden.115 Zwischen 1907 und 1914 glich sich die Finanzstärke beider Schulvereine allmählich an, und vor dem Hintergrund der aussichtslos geführten politischen Ausgleichsverhandlungen und der Zentralisierung der nationalen Schutzarbeit wurden große Sammlungsaktionen ausgerufen. Der „Rosegger-Sammlung“ des DSV von 1909 folgte die schon erwähnte „St.-Wenzels-Millionen-Sammlung“ (Svatováclavská milionová sbírka) der ÚMŠ vom selben Jahre. Diese Aktionen brachten zwar den DSV wieder ins Spiel, trotzdem hinkte er nach wie vor der Dynamik der ÚMŠ hinterher, so dass die Einnahmen mit nahezu 1 500 000 K im ersten Kriegsjahr 1914 ihren Höhepunkt erreichten.116 Die untenstehende auf dem Vergleich der Finanzentwicklung beider Vereine basierende Grafik zeigt deutlich, dass die ÚMŠ bei weitem nicht in einer schwachen Stellung gegenüber dem DSV stand. Lassen wir die absoluten Zahlen beiseite, stellen wir im Hinblick auf die Unterschiede in der Mitgliederstärke fest, dass die Finanzkraft der ÚMŠ bereits in der ersten Phase beachtlich war. Während 1883 dem DSV im genannten Rechnungsjahr insgesamt 420 000 fl. zuflossen, vermochte die ÚMŠ fast 300 000 fl. aufzubringen, was umgerechnet auf den Stand der Mitgliedschaften einen drei mal so hohen Ertrag pro Mitglied ausmachte.117 Die Kriegsjahre 1914–1918 brachten einen Rückgang an Mitgliederzahlen und Einkommen für beide Schulvereine. Die ursprüngliche Sammlungstätigkeit wurde eingestellt und erzwungenermaßen durch Sammlungen für Wohlfahrtspflege und Kriegsfürsorge ersetzt. Ihre Finanzierung geriet in eine stärkere Abhängigkeit von Spenden und Legaten. Anders als die ÚMŠ warb der DSV für den Ankauf staatlicher Kriegsanleihen.118 In der letzten Phase, die sich mit der Zeit der Existenz der ersten Tschechoslowakischen Republik deckt, kam es zunächst zu einem enormen Anstieg der Finanzkraft der ÚMŠ, die nach der ersten Dekade mehr als doppelt so viel Beiträge wie der DSV-Nachfolgeverein DKV erhielt, mit einem Höchststand von 18 457 629 K im Jahre 1934. Dies änderte sich markant durch die andauernde Weltwirtschaftskrise, als die Finanzen der ÚMŠ rapide schrumpften und deren Finanzkstärke auf das Niveau des DSV sanken. Vor dem Zweiten Weltkrieg wa115 Der Getreue Eckart, Nr. 12/1906, S. 269. 116 Padesát let Ústřední Matice Školské, S. 56. – Rechnungsübersichten des DSV für die Jahre 1880–1914. 117 Während der DSV 4,2 fl. pro Mitglied einnahm, waren es 13,3 fl. im Falle der ÚMŠ. Vgl. NEUMANN, Karl. Zehn Jahre Deutscher Arbeit, S. 51–53; Třetí výroční zpráva ÚMŠ za třetí správní rok od 1. října 1882 do konce září 1883. Praha: 1883, S. 22. 118 Vgl. Kap. 5.1.

3.3 Finanzierung der Schulvereine 

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ren somit, genauso wie vor dem Ersten Weltkrieg, die finanziellen Kräfte ausgeglichen. Zur Gesamtübersicht über die Entwicklungstendenzen in den Gesamteinnahmen der Schulvereine in der Zeit von 1880 bis 1914 vgl. Grafik 1, die auf den Daten der Beilage 2 basiert.

4 Unpolitische Vereinspolitik? Mit den Wurzeln im (bildungs)bürgerlichen bzw. akademischen Milieu war es für die beiden Schulvereine wichtig, auch andere Bevölkerungsgruppen anzusprechen, zumal die sich anbahnenden Wahlreformen neue Herausforderungen in dieser Hinsicht bedeuteten. Nicht nur um des Gelingens der nationalen Sache willen, aber auch um dem kontinuierlich wachsenden Bedarf an Finanzmittel für alle geplanten Vorhaben decken zu können, war eine ideologische oder zumindest finanzielle Einbindung breiter Massen von höchster Priorität. Von Anfang an bildete die enge Verbindung mit der parlamentarischen Politik, die enge Anlehnung an die aktuelle und kontroverse Sprachenproblematik und auch die (gewollte oder ungewollte) Einbindung der Presse in die Agitationstätigkeit der Schulvereine eine feste Grundlage für die Schulvereinstätigkeit. Im Folgenden soll der Zugang der Vereine zur Parlamentspolitik und die Anbindung an die drei politischen Lager (Liberale, Christlichsoziale und Sozialisten) näher beleuchtet werden. Der Vorwurf, die „unpolitischen“ Schutzvereine seien Instrumente bestimmter politischer (vor allem liberaler) Kräfte, ist fast so alt wie diese Vereine selbst und zumal im Falle der nationalen Schulvereine scheint dieser Vorwurf auf den ersten Blick sehr angebracht zu sein. Die aus heutiger Sicht unglaubwürdige Trennung zwischen Politischem und Nationalem bot den Schulvereinen sehr breite Tätigkeitsfelder im Bereich der Durchsetzung nationaler Interessen, dessen Grenzen zur Partei- oder Parlamentspolitik jedoch sehr durchlässig und trotz ostentativer Versuche kaum die gegenseitige Interdependenz leugnen konnten. Die Problemfrage, inwiefern sich der jeweilige Schulverein schon nicht mehr innerhalb der genehmigten Vereinssatzungen betätigte, war sehr schwer zu bestimmen, und der Verdacht einer politischen Betätigung gegen den DSV sollte 1885 im Rahmen der sog. „Ländergutachten“ untersucht werden, diese erbrachten jedoch keinen Nachweis für die Überschreitung des satzungsmäßigen Vereinszwecks. Ebenso wurde die unter dem nationalen Deckmantel versteckte politische Betätigung der einzelnen Ortsgruppen toleriert, obwohl z. B. die DSVOrtsgruppe Maffersdorf (Vratislavice n./Nisou) durch Begrüßung des Manifests deutscher Abgeordeten vom 4.7.18811 oder durch ihre Stellungnahme gegen die zu der Zeit im Parlament behandelte Herabsetzung der Schulpflicht eine ausge1 Dieses Manifest wurde von deutschen Abgeordenten infolge der Ausschreitungen zwischen den deutschen und tschechischen Studenten bekannt als Schlacht bei Kuchelbad (Chuchle) erlassen und hatte den Charakter eines Aufrufs gegen den „Vorstoß der tschechischen Politik“. Vgl. STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 118. https://doi.org/10.1515/9783110723397-005

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sprochen politische Erklärungen abgab. Auch im Hinblick auf die Präsenz deutschliberaler Politiker im DSV-Vorstand oder auf die Stellungnahmen sprachpolitischen Charakters scheint für den heutigen Beobachter das Selbstverständis von einem „unparteiischen“ oder gar „unpolitischen“ Charakter dieser Vereine sehr oberflächlich. Wie bereits Monika Streitmann für den DSV überzeugend aufgezeigt hat, bewegten sich die Äußerungen der Vereinsvertreter zwischen Distanz zu den „Vorgängen der politischen Welt“ (Viktor von Kraus, 1881) über die Infragestellung der an politische Betätigung grenzenden Vereinsaktivitäten: „Was gehört denn nicht ins politisches Gebiet?“ (Pernerstorfer, 1884) bis hin zum Eingeständnis einer gewissen patriotisch motivierten politischen Betätigung: „Was man in Österreich für das Deutschthum thut, thut man für die Monarchie!“ (Kopp, 1881).2 Trotz aller Mühe, sich von parteipolitischen Angelegenheiten zu distanzieren, sorgten die Widersprüche auch vereinsintern für Kontroversen, als etwa das Argument der Entpolitisierung des Vereinsvorstands von den antisemitisch gesinnten DSV-Ortsgruppen in der Auseinandersetzung mit der Vereinsleitung um den Arierparagrafen ausgenutzt wurde.3 Die Unterschiede zwischen den individuellen Auffassungen davon, was noch nationalen und was schon politischen Zwecken dient, zeigt der überraschende Abgang Pernerstorfers aus dem DSV nach der DSV-Hauptversammlung in Teplitz-Schönau von 1911, die sich gegen die Errichtung einer italienischen Fakultät an der Wiener Universität aussprach. Darin sah Pernerstorfer eine Überschreitung der politischen Fernhaltung und „einen offiziellen politischen Akt“, der gegen die Grundsätze des DSV verstoße.4 Bei den Hauptversammlungen des DSV wurden zwar meistens politische Äußerungen gemieden, doch ließen sich es einige DSV-Redner nicht nehmen, innen- wie auch außenpolitische Äußerungen abzugeben, was am Ausschnitt der Rede des Obmanns der DSV-Ortsgruppe Graz im Rahmen des sich an die Hauptversammlung des DSV in Leoben im Jahre 1903 anschließenden Festkommers belegt werden kann: Seitdem nach einer jammervollen Jahrhunderte alten Zersplitterung, Uneinigkeit und Preisgebung an die Fremden durch die eiserne Faust eines Titanen die deutsche Reichseinheit geschmiedet worden ist, […] ist die Stellung der Deutschen in Österreich eine wesentlich andere. […] Unsere Aufgabe und unsere Verantwortung ist eine größere geworden, weil wir nicht bloß den durch deutsche Arbeit und deutsche Geisteskraft geschaffenen Kulturboden erhalten müssen, sondern weil wir auch der eigentlich stützende Pfeiler

2 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 113–120. 3 Zum Thema Antisemitismus vgl. Kap. 4.1.1. 4 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 124–125.

4 Unpolitische Vereinspolitik?



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der Bundesgenossenschaft und Waffenbrüderlichkeit zwischen dem Deutschen Reiche und dem Donaureiche sein müssen. 5

Der Redner sah sich dabei nicht nur zur Bewertung der außen-, sondern auch der innenpolitischen Lage der Deutschen im Habsburgerreich veranlasst, in der er etwa Ultramontanismus und Weltbürgertum zu den „größten Feinden“ erklärte.6 Zu weiteren Aktivitäten des DSV, die als Überschreitung der Grenze eines „unpolitischen“ Vereins gewertet werden könnten, gehörte die vom DSV mitorganisierte Unterschriftensammlung für die Gesetzwerdung der sog. „Lex Kolisko“, die Deutsch als ausschließliche Unterrichtssprache für die Schulen Niederösterreichs forderte.7 Die Vereinszeitschriften zögerten nicht, die politisch brisante und in jener Zeit höchst aktuelle Ausgleichsfrage der sog. nationalen Abgrenzung, die von der deutschliberalen Politik verlangt wurde, äußerst politisch zu diskutieren: Soll etwa der […] Art. XIX des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 aufgehoben oder abgeändert werden? Wer wird ihn abändern, wer die Abänderung durchführen? Und mit welchen Mitteln? Wird in dem darob entbrennenden Kampfe nicht der Staat in Trümmer zerfallen? Wieviele Tschechen, Polen, etc. hat die Hauptstadt Wien, deren Verwaltung stets in den Händen der Deutschen war und noch ist, in den letzten 20 Jahren germanisiert?“8

Damit zeigt sich, dass die als Abstinenz beim Kommentieren der Alltagspolitik aufgefasste politische Zurückhaltung die Tatsache nicht verschleiern konnte, dass sich hier der DSV durchaus auf dem wohl wichtigsten politischem Boden jener Zeit bewegte. Die ÚMŠ scheint sich hingegen die unparteiische und unpolitische Rolle etwas effektiver angeeignet zu haben, so dass sich in den Schriften aus der Vereinsprovenienz weder die Bezweiflung der „unpolitischen“ Ausrichtung des Vereins noch exponierte Äußerungen zu aktuellen Angelegenheiten in der Innen- oder Außenpolitik finden lassen. Die ÚMŠ wusste auch regelmäßig ihren unparteiischen Charakter hervorzuheben, was für sie bedeutete, dass die Vertreter der tschechischen Politik in den Organen der ÚMŠ seit deren Entstehung eine proportionelle Vertretung finden sollten.9 Etwaige Berichte über die Politik 5 Der Getreue Eckart, Nr. 7/1903, S. 106 6 Der Getreue Eckart, Nr. 7/1903, S. 106 7 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 126. 8 Der Getreue Eckart, Nr. 4/1904, S. 1. 9 DVOŘÁK, Jan. Ústřední Matice Školská. In: Čechové a jejich práce obranná: soubor článků o obranných Jednotách a korporacích, S. 19.

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beschränkten sich in der Regel auf die Verhandlungen über die Errichtung von Minoritätsschulen oder über die Erteilung von Subventionen, einschließlich der Weitergabe von entsprechenden Interpellationen.10 Zwar findet sich 1885 im ersten ÚMŠ-Vereinskalender die Bemerkung, dass die Ursachen der Verbindung der Deutschen im Deutschen Reich und der in Österreich darin bestünden, „dass Bismarck es verlangte, dass Österreich seinen Schwerpunkt im Osten sucht und Deutschland die Aussicht auf die gesegneten österreichischen Länder bis zur Adria [gönnt],11 jedoch waren solche Erklärungen im Unterschied zum DSV weit seltener anzutreffen. Viel mehr finden sich logische inhaltliche Bezugspunkte auf die Ausgleichsverhandlungen, so z. B. als der ÚMŠ-Vereinsobmann F. L. Rieger 1890 vom Verhandlungstisch in Wien nach Prag zur ÚMŠHauptversammlung zurückkehrte, bei der er von den zu erwartenden Änderungen schwärmte, die die Wiener Punktationen für den Bereich Minoritätsschulwesen bringen sollten und die auch für die ÚMŠ „gewiss sehr günstig“ seien.12 Ähnlich wie beim DSV unterschieden sich die Vorstellungen der Vereinsfunktionäre darüber, wo die Grenzen der satzungsmäßigen Vereinstätigkeit liegen. Als 1895 der Nachfolger Riegers in der Obmannfunktion, Jaromír Čelakovský, dem ÚMŠ-Vereinsvorstand seinen Rücktritt aus dem Grunde angeboten hatte, er sei für die jungtschechische Partei in den Reichsrat gewählt und deshalb nicht imstande, unparteiisch zu wirken, lehnte der Vorstand diesen Rücktritt ab und milderte die diesbezüglichen Sorgen des Vereinsobmanns, der sein Mandat schließlich bis 1901 behalten sollte.13 Die Unglaubwürdigkeit der unpolitischen Betätigung der Schulvereine sei insbesondere im Hinblick auf die Funktionen der Landtags- und Reichsratsabgeordeten in den Schulvereinen begründet. Es waren die Abgeordneten von liberalen Parteien, mit deren Interessen sich die Schulvereinsarbeit deckte und die sich aktiv auf dem Parlamentsboden für die Belange der Schulvereine einsetzten, etwa in Form von Interventionen an entsprechenden Stellen, wie etwa durch Interpellationen an die zuständigen Politiker (vor allem den Minister für Kultur und Unterricht, Statthalter usw.), wozu oft eine entsprechende Versorgung mit Material seitens der Schulvereine unentbehrlich scheint. Aus den Fe10 Als Beispiel vgl. die Wiedergabe der Interpellation der Abgeordneten Professor Dr. Drtina, Hofrat Professor Dr. Jar. Čelakovský, Dr. Ant. Hajn, Franz Chaloupka und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Minister für Kultus und Unterricht, betreffend die Errichtung einer böhmischen Schule in Seestadtl. Stenographisches Protokoll, 98. Sitzung der 18. Session des Hauses der Abgeordneten des Reichsrats vom 1.7.1908, Legislaturperiode 1907–1911. https://alex. onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=spa&datum=0018&page=7857&size=45. (30.10.2020) 11 VÚMŠ, Nr. 12/1901, S. 9. 12 VÚMŠ, Nr. 2/1890, S. 2. 13 VÚMŠ, Nr. 11/1895, S. 158–159.

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dern der Schulvereinsmitglieder und -funktionäre stammten auch maßgebliche Entwürfe zum Minoritätsschulwesen, die jedoch nie Gesetz wurden. Erwähnenswert ist etwa der Minoritätsschulgesetzesantrag des ÚMŠ-Obmanns Jaromír Čelakovský von 1896, der die Prozedur der Schulerrichtung regeln sollte. Er wurde zwar in Abwesenheit deutscher Abgeordneten im Böhmischen Landtag 1899 angenommen, erhielt jedoch nie die kaiserliche Sanktion.14 Wie bereits im Kap. 1.4 gezeigt wurde, bestand die Gegensätzlichkeit der Entwürfe insbesondere in der tschechischen Forderung nach der Übernahme des Schulwesens durch das Land bzw. den Bezirk, während die deutschen Entwürfe eindeutig auf dem Prinzip der nationalen Selbstzahlung beharrten.15 Mit Ausnahme von František Kneidl (ÚMŠ) waren alle Obmänner der untersuchten Schulvereine vor 1918, d. h. Moritz Weitlof, Gustav Groß (DSV), František Ladislav Rieger, Jaromír Čelakovský und Jindřich Metelka (ÚMŠ), Landtags- und Reichstagsabgeordnete, wobei ihre Mandate sich im Wesentlichen mit der Obmannszeit deckten.16 Im Wiener Reichsrat traten ebenso Gründungsmitglieder der Schulvereine und deren Vorgänger zusammen, wie etwa Klemens Bachofen von Echt, Hieronymus Roth, Karl Panowsky, Karl Urban (Deutsches Casino), Viktor Adler, Engelbert Pernerstorfer, Otto Steinwender, Ernst Bareuther (DSV), Karel Adámek, Josef Herold (ÚMŠ) und Josef Koudela (Matice Brněnská).17 Dortselbst vertreten waren natürlich auch Ausschussmitglieder der Schulvereine wie Adolf Promber, Viktor von Kraus (DSV), Karel Stanislav Sokol, Jiljí Vratislav Jahn (ÚMŠ) wie auch lokale Vereinsfunktionäre, vor allem Obmänner der Schulvereinsortsgruppen wie Johann Husak (DSV, Teplitz/Teplice), Gustav Nowak (DSV, Böhmisch Kamnitz/Česká Kamenice), Karl Pohnert (DSV, Brüx/Most), Robert Primavesi (DSV, Olmütz/Olomouc), František Lukavský, Josef Čipera (beide ÚMŠ, Pilsen/Plzeň), Josef Říha (ÚMŠ, Kuttenberg/Kutná Hora) und Hynek Lang (ÚMŠ, Tabor/Tábor).18 Funktionäre der Partnervereine fanden sich im zentralen Parlament ebenso zahlreich vertreten. Von den wirtschaftlichen nationalen Schutzvereinen handelte es sich vor allem um Funktionäre des 14 STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 176. 15 BĚLEHRÁDEK, František. Školství menšinové a Ústřední Matice Školská. In: AUERHAN, Jan. Česká politika, S. 384–385. 16 Vgl. die Liste der Vereinsobmänner in Beilage 4. 17 Vgl. ADLGASSER, Franz. Die Mitglieder der österreichischen Zentralparlamente 1848–1918: Konstituierender Reichstag 1848–1849: Reichsrat 1861–1918. Ein biographisches Lexikon. 2 Bde. Wien: 2014. (Bachofen von Echt, S. 36; Roth, S. 1041; Panowsky, S. 887; Urban, S. 1328; Adler, S. 12; Pernerstorfer, S. 902; Steinwender, S. 1215; Bareuther, S. 44; Adámek, S. 11; Herold, 450; Koudela, S. 619). 18 ADLGASSER, Franz. Die Mitglieder. (Promber, S. 974; Kraus, S. 632; K. S. Sokol, S. 1176; J. V. Jahn, S. 515; Husak, S. 500; Nowak, S. 859; Pohnert, S. 942; Primavesi, S. 970; Lukavský, S. 740; Čipera, S. 155; Lang, S. 674).

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Bundes der Deutschen in Böhmen wie z. B.: Hans Knirsch, Josef Herold, Viktor Michl, Rafael Pacher, Heinrich Prade oder Franz Jesser (als Wanderlehrer) und der tschechischen NJP: Josef Krofta, Vilém Kurz, Antonín Hubka, Václav Prunar (ebenso ÚMŠ-Mitglied), Antonín Steidl und Jan Sedlák. Mit Vertetern weiterer Schutzvereine wie Franz Taschek (DBB), Karl Röhling (Bund der Deutschen Westböhmens), Zdenko Schücker (Bund der Deutschen im Egerkreis), Emil Müller (DTV), Emanuel Engel (NRČ), Václav Šamánek (NJS), Antonín Kalina (Sokol) findet an der Jahrhundertwende die breite Schutzvereinslandschaft in Böhmen im Reichsrat sogar ihre getreue und, was wenigstens die größten Schutzvereine anbelangt, vollständige Vertretung. Zu Reichstagsabgeordneten zählten jedoch freilich auch Bürgermeister, Journalisten und Vertreter der deutschen und tschechischen Bezirke, darunter etwa Karel Adámek (Svaz českých okresů v Království českém) und Rudolf Lodgmann von Auen (Zentralstelle der deutschen Bezirke in Böhmen), die ebenso an den Minoritätsschulfragen wie auch allgemein an den deutsch-tschechischen Ausgleichsfragen beteiligt waren.19 Darüber hinaus entstammten den Schulvereinen auch einige Landsmannminister (Minister ohne Portefeuille), die seit 1879 bzw. seit 1891 den tschechischen bzw. den deutschen Bevölkerungsteil Cisleithaniens in den Wiener Zentralregierungen informell zu repräsentieren hatten. Die tschechischen Landsmannminister Bedřich Pacák (1906–1907) und Jan Žáček (1908–1909) waren ehemalige ÚMŠ-Vorstandsmitglieder,20 mit den Landsmannministern Heinrich Prade (1906–1907, 1908)21 und Gustav Schreiner (1908–1910) waren auch langjährige DSV-Mitglieder in der Regierung vertreten, wobei Schreiner selbst an der Entstehung des DSV beteiligt war. Von beiden Seiten wurden auch Kontakte zu den nationalen Dachverbänden wie dem Deutschen Volksrat für Böhmen und dem tschechischen Nationalrat [Národní rada česká, NRČ] unterhalten, die ihre Tätigkeit als Ergänzung der parlamentarischen Politik wahrnahmen und sich selbstbewusst als beratendes Organ in die Ausgleichsverhandlungen einmischten, zumal einige ihre Funktionäre wiederum Mandate im Reichsrat bekleideten (z. B. Hans Knirsch für den Volksrat oder Emanuel Engel für den NRČ).22 Die Interventionen des Volksrats beinhalteten beispielsweise eine massive Kampagne gegen den böhmischen 19 ADLGASSER, Franz. Die Mitglieder. (Knirsch, S. 593; Herold, S. 451; Michl, S. 797; Pacher, S. 881; Prade, S. 964, Jesser, S. 530; Krofta, S. 640; Kurz, S. 663; Hubka, S. 494; Prunar, S. 977; Steidl, S. 1211; Sedlák, S. 1130; Taschek, S. 1273; Röhling, S. 1028; Schücker, S. 1114; Müller, S. 822; Engel, S. 262; Šamánek, S. 1065; Kalina, S. 545; Adámek, S. 11; Lodgmann von Auen, S. 724). 20 VÚMŠ, Nr. 8–9/1901, S. 149. 21 STREITMANN, Monika, Der Deutsche Schulverein, S. 153. 22 ADLGASSER, Franz. Die Mitglieder. (Engel, S. 262; Knirsch, S. 593).

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Statthalter Franz Thun, nicht zuletzt wegen einiger tschechischer Minoritätsschulen23 und der Bildung eines Zweiteilungsausschusses, der die Durchführung der national-territorialen Teilung vorbereitete. Als vom Deutschen Volksrat für Böhmen 1911 nach Leitmeritz (Litoměřice) eine Vertrauensmännerversammlung gegen die Ausgleichsverhandlungen unter Franz Thun einberufen wurde, sah dies der böhmische Statthalter als „bedauerlich“ an, bezweifelte den Mut der deutschen Landtagsabgeordneten, sich gegen diese mächtige nationale Schutzorganisation zu stellen und drückte die Hoffnung aus, dass „weite Kreise der deutschen Bevölkerung über die Bevormundung durch den Volksrat schon recht ungehalten sind“.24 Der tschechische Nationalrat, der ähnlich wie der Deutsche Volksrat im engen Kontakt mit Gemeindevertretungen und deren Organisationen (z. B. Poradní sbor českých okresních výborů v Království českém, Zentralstelle der deutschen Bezirke Böhmens usw.) stand, scheint auch im Hinblick darauf, dass das langjährige ÚMŠ-Vorstandsmitglied Jan Podlipný zum NRČ-Obmann avancierte, in diesem Vergleich etwas enger an den „eigenen“ Schulverein angebunden zu sein. Mit Podlipný, der außerdem bis 1905 Obmann des Turnvereins Sokol war, hatte die ÚMŠ zumindest während seiner NRČ-Obmannschaft 1909–1914 eine direkte Verbindung zur parlamentarischen Politik, war über diese gut informiert und somit auch imstande bei den Ausgleichsverhandlungen beratend einzuwirken.25 Zu einer sichtbaren Einbindung der Parlamentarier in die Probleme der Minoritätsschulen vor Ort kam es auf der tschechischen Seite in Folge der Ausrufung eines allgemeinen Schulstreiks im Jahre 1908, der nicht nur alle zuständigen Schutzvereine, sondern auch tschechische politische Parteien aller Schattierungen vereinen konnte und wo den Parlamentsabgeordneten eine entscheidende Rolle als Stütze dieser Bewegung, an der die ÚMŠ maßgeblich beteiligt war, zukam. Diese auf die Errichtung tschechischer Minoritätsschulen in überwiegend deutschen Gemeinden Nordböhmens ausgerichtete Initiative brachte vor allem eine Annäherung der jungtschechischen mit den 1907 erst in den Reichsrat eingetretenen tschechischen sozialdemokratischen Abgeordneten. Nachdem nämlich im November 1908 das lokale ad hoc errichtete sog. „Zentrale Schulkomitee“ mit dem Sitz in Dux (Duchcov) zu einem allgemeinen

23 Rundbrief des Deutschen Volksrats für Böhmen vom 7.3.1911. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 14. 24 Brief des böhmischen Statthalters Franz Thun an Ministerpräsident Karl Stürgkh vom 11.3.1911. NA Praha, Presidium ministerské rady, Kart. 14. 25 Ersuchen Jan Podlipnýs bei Karl Stürgkh um die Zusendung der Unterlagen zu den aktuellen Ausgleichsverhandlungen. NA Praha, Presidium ministerské rady, Korrespondenz 1914, Nr. 67, Kart. 17.

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Schulstreik zur Beseitigung der Unzulänglichkeiten26 des tschechischen Minoritätsschulwesens aufforderte, bildeten die Landtags- und Reichsratsabgeordneten in Prag das sog. „Minoritätsschulhilfskomitee“ (Pomocný školský menšinový komitét) unter dem Vorsitz des jungtschechischen Landtagsabgeordneten Josef Anýž, dessen Mitglieder auch an den in Prag von den nationalen Schutzvereinen (u. a. der ÚMŠ) organisierten Demonstrationen teilnahmen. Einigen Abgeordneten wurden vom Komitee Referentenfunktionen zuteil, wodurch ein direkter Kontakt zwischen den Schulkonflikten vor Ort und dem parlamentarischen Boden hergestellt werden konnte. Gewiss nicht ganz uninteressant ist auch die Tatsache, dass der spätere tschechoslowakische Präsident Tomáš Garrigue Masaryk dabei die Rolle des Referenten für die Orte Dux (Duchcov) und Bruch (Lom) erhielt. Als solcher nahm er an den sog. „Elternkonferenzen“ teil, wobei die größte davon unter Anwesenheit tschechischer Politiker und Schutzvereine inkl. der ÚMŠ in Bruch (Lom) am 10.5.1908 tagte.27 Da es der Zweck des allgemeinen Schulstreiks war, die Wiener Regierung auf den Widerstand der deutschen Gemeindevertretungen gegen die tschechischen Minoritätsschulen aufmerksam zu machen und die abgegebenen Beschwerden zügig zu erledigen, erfüllten die Abgeordneten ihre Rolle, indem sie die Wiener Regierung vermehrt interpellierten, und zwar etwa bezüglich „der brutalen Verfolgung der tschechischen Arbeiter in Schönpriesen (Krásné Březno) in Böhmen, die die Errichtung einer tschechischen Volksschule fordern“ oder bezüglich „der an den Eltern böhmischer Kinder verübten Gewalttätigkeiten“,28 um nur ein paar Beispiele zu erwähnen. Die Teilnahme der Parlamentspolitiker an diesem Geschehen brachte immer mehr Probleme mit dem Gesetz. Das Innenministerium evidierte 1909 etwa folgende Übergriffe einiger böhmischer Reichsrats- und Landtagsabgeordneter: „Mitorganisation von Demonstrationen“ (Abg. Choc und Klofáč), „Widersetzlichkeit gegen die Gendarmerie“ (Abg. Prokop) oder etwa „Anführung zur Entfernung tschechischer Aufschrifttafeln“ (Abg. Grössl).29

26 Diese wurden vor allem in der Unterbringung tschechischer Schulen in baulich schlechten Gebäuden durch die deutschen Gemeinden gesehen. 27 CAJTHAML-LIBERTÉ, František. Dějiny útisku českého školství v podkrušnohoří [Geschichte der Unterdrückung des tschechischen Schulwesens im Erzgebirge] (undat. Manuskript), S. 56–62. NA Praha, Nachlass František Cajthaml-Liberté, Kart. 7. 28 Interpellation der Abgeordneten Němec, Hybeš, Winter und Genossen an Seine Exzellenz den Minister des Innern und an Seine Exzellen den Herrn Minister für Kultus und Unterricht, betr. die an den Eltern böhmischer Kinder verübten Gewalttätigkeiten. Eingebracht in der 6. Sitzung des Hauses des Abgeordneten des Reichsrats am 2.7.1907. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 46. 29 Einsichtsakt des Ministerium des Innern betreffend die Strafverfolgung mehrer böhmischer Reichsrats-und Landtagsabgeordneter. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 58.

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Wie auch immer die zeitgenössische Wahrnehmung des Nationalen als etwas Un- oder Überpolitischem gerechtfertigt sein mochte, scheinen die Proklamationen der Schulvereine unpolitisch sein zu wollen, eher nur deshalb abgelegt worden zu sein, um dem Vereinsgesetz von 1867 gerecht zu werden und die Vereinsexistenz nicht in Gefahr zu bringen. Beide Schulvereine unterhielten offene parlamentspolitische Kontakte, die sie zur Durchsetzung ihrer Interessen brauchten und diese auch nutzten. Die sehr enge Verbindung zeigt insbesondere die Persönlichkeit des DSV-Obmanns Gustav Groß jr., der ebenfalls Obmann der Deutschen Fortschrittspartei und seit 1911 auch der Reichsratsfraktion Deutscher Nationalverband war.30

4.1 Nationalliberale Parteien Wegen der langen Zeitspanne von den liberalen Revolutionen 1848/1849 bis zur Gründung der zentralen Schulvereine Ende des 19. Jahrhunderts konnte es nicht zu einer allgemeinen Einbindung der ehemaligen liberalen Vorkämpfer der Revolutionszeit kommen. Die Vereine wurden eher durch den Aufstieg der jungen politischen Generation geprägt. Eine Ausnahme stellt die Person František Ladislav Riegers dar, der als ehemaliger Abgeordneter des verfassungsgebenden Kremsierer Reichsrats und Schwiegervater František Palackýs, als wichtigster Kämpfer für das böhmische Staatsrecht galt und eine gewisse Kontinuität mit 1848/1849 symbolisierte. Deshalb wurde ihm bereits 1880 die Obmannschaft in der ÚMŠ angeboten, die er trotz anfänglichen Zögerns annahm und bis zu seinem politischen Abgang im Jahre 1891 ausübte.31 Eine direkte Einbindung eines „altverdienten Vorkämpfers“ als Haupt des Vereins vermochte der DSV zwar nicht herzustellen, trotzdem lassen sich auch in diesem Falle Kontinuitäten finden, wie vor allem im Falle des ehemaligen Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung Gustav Robert Groß, der 1880 an der Gründung des DSV teilnahm, Mitglied dessen Schiedsgerichts wurde, und der Ende der 1890-er Jahre in seinem Sohn Gustav Groß (jr.), dem späteren DSV-Obmann, seinen Nachfolger hatte. Eine gewisse Kontinutät zur 1848er-Generation darf dem Deutschen Verein um Josef Kopp nicht abgesprochen werden. Josef Kopp, selbst ehemaliges Mitglied der revolutionären Akademischen Legion, gründete bereits 1867

30 HÖBELT, Lothar. „Stehen oder fallen?“ Österreichische Politik im Ersten Weltkrieg. Wien/ Köln/Weimar: 2015, S. 93. 31 BĚLEHRÁDEK, František. Od Riegra k Masarykovi. In: Padesát let Ústřední Matice Školské, S. 11–18.

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den sog. „Deutschen Verein“, der bereits in den 1870er-Jahren zu einem bedeutenden Sammelpunkt deutschliberaler Kräfte in Wien wurde.32 Der DSV gab zu, dass „die Beherrschung des ganzen politischen Lebens durch die Liberalen dazu beigetragen [hat], dass die Schutzarbeit sich in der ersten Zeit überwiegend auf liberale Elemente stützte“.33 Und obwohl eher von „jungen Radikalen“34 initiiert, fühlte sich der DSV dem liberalen Erbe eng verbunden und verfügte über rege Kontakte mit hochrangigen Politikern und Regierungsvertretern der Verfassungsära. Der ehemalige Handelsminister des Bürgerministeriums, Ignaz von Plener, fand in seiner Ansprache an die DSV-Hauptversammlung 1892 Lobesworte für den DSV als einen Ersatz für den seit mehr als zwölf Jahren nicht vorhandenen Regierungseinfluss der Deutschliberalen und als Beweis, dass „die Befähigung zur öffentlichen Tätigkeit dem deutschen Volke nicht abgesprochen“ werden könne.35 Begrüßungsadressen und Sympathiebekundungen für den DSV von anderen wichtigen Protagonisten der liberalen Ära wie etwa Eduard Herbst, Franz Schmeykal, Johann von Chlumecký und Karl Auersperg leiteten in der Regel die alljährlichen DSV-Hauptversammlungen der Anfangsjahre ein.36 In die Vereinsleitung wurden somit liberale Abgeordnete gewählt, die entweder einen Bezug zu den böhmischen Ländern und/ oder eine besondere Nähe zu den studentischen Verbindungen aufwiesen. So wurde z. B. der ehemalige für den Wahlkreis Eger (Cheb) in den Reichsrat gewählte Abgeordnete Ernst Bareuther, der enge Beziehungen zu der Prager Burschenschaft Teutonia und der Wiener Universitätssängerschaft Ghibbellinia unterhielt,37 zum langjährigen Mitglied der DSV-Vereinsleitung, bzw. nach 1889 dessen Schiedsgerichts. Mit Adolf Promber (Silesia Wien), Eduard Sturm (Arminia Brünn) und Max Menger waren auch deutschliberale Reichsratsabgeordnete für Mähren bzw. Schlesien in der Vereinsleitung vertreten.38 Zu den Haupleitungsmitgliedern des DSV gehörten neben Bareuther, Promber und Menger in den frühen 1880er-Jahren mehrere Vertreter der sich 1879 gebildeten Vereinigten Deutschen Linke wie Gustav Groß (jr.), Karl Hoffer, Robert von Walterskirchen, Adolf Weisenburg, Karl Rechbauer, Josef Heilsberg und Armand von

32 STREITMANN, Monika, Der Deutsche Schulverein, S. 141–145. 33 BARTA, Erwin – BELL, Karl. Geschichte der Schutzarbeit, S. 17. 34 Begriff nach JUDSON, Pieter. Exclusive Revolutionaries: Liberal Politics, Social Experience, and National Identity in the Austrian Empire, 1848–1914. Ann Arbor: 1996, S. 208. 35 Zit. nach STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 148. 36 MDSV, Nr. 27/1888, S. 2; MDSV, Nr. 23/1887, S. 2; MDSV, Nr. 32/1889, S. 2. 37 LÖNNECKER, Harald. Von „Ghibbellinien geht, Germania kommt“ bis „Volk will zu Volk“. In: Jahrbuch für sudetendeutsche Museen und Archive 1995–2001, München: 2001, S. 44. 38 NEUMANN, Karl. Zehn Jahre Deutscher Arbeit, S. 50; MDSV, Nr. 61/1900, S. 11–12.

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Dumreicher, auf dessen Initiative vom Jahre 1888 die Gründung eines eigenen DSV-Schulbaufonds zurückgeht.39 Im Unterschied zum DSV nahm die ÚMŠ 1880 ihre Tätigkeit auf, ohne nahmhafte Parlamentarier oder Regierungspolitiker um sich versammeln zu können, wodurch sie sich von der vergangenen deutschliberalen Ära klar abgrenzen konnte. Einige tschechische Abgeordneten standen am Anfang der Initiative zur Gründung der ÚMŠ sogar ziemlich skeptisch gegenüber, da sie ihre Hoffnung eher auf den Eintritt in den Reichsrat und die Regierung Taaffe 1879 richteten.40 Die Einbindung tschechischliberaler Reichsratsabgeordneter war durch die Politik der passiven Resistenz zwar seit der Wahlperiode von 1879 möglich, doch blieb sehr bescheiden. Etwaige Proponenten der sich seit 1874 gegen die alttschechische Parteiführung in der Nationalpartei formierenden jungtschechischen Opposition mit den Brüdern Grégr und Alois Pravoslav Trojan, die die passive Resistenz mit ihrem Parlamentseintritt teilweise durchbrachen, hielten sich von der Gründung der ÚMŠ, wohl auch wegen Unstimmigkeiten mit dem ÚMŠ-Obmann Rieger, fern. Von beschränkten politischen Kontakten der Gründungszeit der ÚMŠ zeugt die Zusammensetzung des ersten Ausschusses, wo nur drei bis dahin aktive Politiker anzutreffen waren. Neben dem Vereinsobmann František Ladislav Rieger handelte es sich um Jan Černý (Geschäftsführer) und Josef Kořán (Ausschussmitglied). Ihre jungtschechischen parlamentarischen Kollegen wurden bald danach miteinbezogen, ihre Zahl sollte aber zunächst die Zahl der alttschechischen Politiker nicht übertreffen. Noch der Entstehungsphase zuzurechnen wären die jungtschechischen Landtagsabgeordneten Jan Městecký und Josef Herold sowie vor allem der Reichsratsabgeordnete Jaromír Čelakovský, mit dem die ÚMŠ nach dem Ausscheiden Riegers 1891 einen jungtschechischen Obmann erhielt und damit den Veränderungen in der tschechischen Parlamentspolitik gerecht werden konnte.41 Die unglaubwürdige, doch aber funktionierende „unpolitische“ Politik der nationalen Schulvereine war inhaltlich und personell sehr eng an die jeweilige nationalliberale Politik angelehnt, wobei sich auch gewisse Kontinuitäten zu den Revolutionsbewegungen von 1848/1849 beobachten lassen. Während allerdings 1880 der DSV in sich die vergangene deutschliberale Ära verkörperte, stand die ÚMŠ für die mit dem politischen Umbruch des Jahres 1879 verbundenen antizentralistischen Veränderungen. Obwohl der DSV überwiegend von jungen Studenten errichtet wurde, umgab er sich zunächst mit den deutschlibe39 JUDSON, Pieter. Exclusive revolutionaries, S. 208–209; STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 134–149. 40 SRB, Adolf. Z půl století. II. / vzpomínky Adolfa Srba. Praha: 1916, S. 42. 41 Padesát let Ústřední Matice Školské, S. 138.

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ralen „Verlierern“ von 1879, wodurch der Vorstand wie auch die Anhängerschaft des DSV deutlich heterogener wurden, was ein erhöhtes Risiko von Spaltungen vor allem zwischen den Jung- und Altliberalen mit sich brachte.

4.1.1 Auswirkung der Spaltungsprozesse im jeweiligen nationalliberalen Lager auf die Schulvereine Der DSV spielte eine zentrale Rolle bei der programmatischen Begründung der „jungliberalen“ deutschnationalen Politik, die aus der Feder der Gründerväter des DSV stammte. Der Kreis um Engelbert Pernerstorfer, Heinrich Friedjung, Otto Steinwender, Viktor von Kraus, Serafin Bondi, Viktor Adler und auch Georg Schönerer (der 1880–1881 Mitglied des DSV-Aufsichtsrates war) konstituierte den sog. „Deutschnationalen Verein“, der mit dem sog. „Linzer Programm“ vom 1.9.1882 für das Manifest des Deutschnationalismus verantwortlich war.42 Dieses Programm enthielt Forderungen nach Majorisierung des Deutschen, was etwa eine wirtschaftliche Entflechtung Ungarns, der Bukowina und Galiziens beinhaltete, wie auch Stärkung des deutschen Charakters durch eine Annäherung ans Deutsche Reich. Der wesentliche Unterschied zu den Altliberalen bestand in der Einbeziehung von sozialreformerischen und Demokratisierungselementen (Erweiterung des Wahlrechts), die vor allem von den späteren Sozialdemokraten Viktor Adler und Engelbert Pernerstorfer eingebracht wurden.43 Bereits ein Jahr danach, 1883, kam es jedoch im Rahmen des „Deutschnationalen Vereins“ zum Bruch zwischen Pernerstorfer und Schönerer, der vor allem in ihrem jeweiligen Verhältnis zu den Altliberalen, zum Deutschen Reich und zum Antisemitismus bestand.44 Als nach den verlustreichen Wahlen von 1885 die „Vereinigte Linke“ in den altdeutschen „Deutschösterreichischen Klub“ und den sich am Linzer Programm orientierten „Deutschen Klub“ zerfiel, musste sich gerade letzterer mit der Frage des Antisemitismus auseinandersetzen. Das endete mit dem Abgang der antisemitisch-orientierten Gruppierung um Otto Steinwender und Ernst Bareuther aus dem „Deutschen Klub“ (jedoch nicht aus dem DSV!). Beide legten dann 1887 mit der „Deutschnationalen Vereinigung“ den Grundstein für die 1896 begründete „Deutsche Volkspartei“.45 42 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 14. 43 KOŘALKA, Jiří. Georg Ritter von Schönerer und die Alldeutsche Bewegung. In: HAHN, Hans Henning (Hrsg.). Hundert Jahre Sudetendeutsche Geschichte: Eine völkische Bewegung in drei Staaten. Frankfurt/M.: 2007, S. 67–68. 44 PULZER, Peter G. J. Die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867 bis 1914. Göttingen: 2004. 45 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 16–17.

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Bereits 1882 kritisierte das damalige DSV-Aufsichtsratmitglied Georg Schönerer die Unterstützung von „Judenschulen“ seitens des DSV und spätestens seit 1885 forderte er, DSV-Ortsgruppen „judenrein“ zu machen, womit er auf entschiedene Gegnerschaft der Vereinsleitung unter Moritz Weitlof stieß. Der unmittelbare Auslöser dieses tiefen inneren Konflikts zwischen der Vereinsleitung und den antisemitischen Ortsgruppen war die Auflösung der Wiener akademischen Ortsgruppe des DSV im Jahre 1885, die in einem Beschluss den sog. „Arierparagrafen“ einführte. Darin sah die Vereinsleitung einen Verstoß gegen § 5 der Vereinssatzung und forderte deshalb die Ortsgruppe zur Rücknahme des Beschlusses auf. Als diese aber daran festhielt, ging sie zu deren satzungsmäßiger Auflösung über.46 Dies führte in den antisemitischen Kreisen zu einer Empörung, die sich gegen die gesamte DSV-Vereinsleitung richtete und zur Abspaltung der radikalen „Schönererianer“ vom DSV, wie aus der Schrift zur abgewiesenen Berufung zum DSV-Schiedsgericht hervorgeht: Freilich wunderten wir uns nicht, dass die Vereinsleitung absichtlich oder unabsichtlich so viele Sünden begangen hatte, wussten und wissen wir ja doch, dass das Judentum gerade die einflussreichsten Persönlichkeiten in der Centrale beherrscht. Der Herr des Schulvereines ist Reichsrats-Abgeordneter eines Bezirkes, welcher vollständig verjudet ist, ein Mitglied der Centrale, Beamter eines Landes-Institutes, das ganz in den Händen der Juden liegt, ein zweites selbst ein Jude, ein drittes hat eine Jüdin zur Frau, ein viertes ist unzertrennlicher Genosse eines jüdischen Doktors usw.47

Infolge dieser Auseinandersetzung, im Rahmen derer noch weitere besonders in Wien tätige Gruppen aufgelöst wurden, traten die radikal antisemitischen Kreise des DSV in den von Schönerer 1886 begründeten kurzlebigen antisemitischen „Schulverein für Deutsche“ über, der nach seinem dreijährigen Bestand behördlich aufgelöst wurde.48 Durch die Gründung des „Katholischen Schulvereins“ im selben Jahr vollzogen auch die antisemitischen Christlichsozialen infolge dieser Kontroversen ihren endgültigen Bruch mit dem DSV. Die öffentliche Kritik der Schönererianer, die sich im Kern mit der der deutschen christlichsozialen Kreise deckte, war ganz konkret auf die Subventionen

46 WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, S. 24. 47 Auflösung der Wiener Akademischen Ortsgruppe des DSV. [Gedruckte Verteidigungsschrift zum Schiedsgericht vom Ausschuss der Wiener Akademischen Ortsgruppe des DSV] Wien: 1886, S. 12. 48 ADLGASSER, Franz. Die Mitglieder der österreichischen Zentralparlamente 1848–1918: Konstituierender Reichstag 1848–1849: Reichsrat 1861–1918. Ein biographisches Lexikon. 2 Bde. Wien: 2014.

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des DSV für die Schulen in Neubidschow (Nový Bydžov),49 Prerau (Přerov) und Austerlitz (Slavkov) gerichtet.50 Trotzdem bestand der DSV darauf, die sich überwiegend in tschechischsprachigen Gebieten Böhmens und Mährens befindlichen Schulen der israelitischen Kultusgemeinde weiterhin zu subventionieren, wozu etwa noch die israelitische Schule in Jitschin (Jičín), Hermannstädtel (Heřmanův Městec) und Polna (Polná) gehörten.51 Unter dem Druck dieser Kontroversen sah sich der Obmannstellvertreter der DSV, Viktor von Kraus, bei der Hauptversammlung in Wien 1887 gezwungen, die Vorwürfe der „Judenfreundlichkeit“ zu entkräften und die weitere Subventionierung israelitischer Schulen nur dann ermöglichen zu wollen, wenn diese „nationale Stützpunkte“ bilden.52 Es ist bezeichnend, dass diese Förderungen aus den Tätigkeitsberichten nunmehr verschwanden, so waren noch 1888 die Zuwendungen für „eine auch von christlichen Kindern besuchte[n] israel.[itischen] Cultusschule“53 ausgewiesen, bis schließlich nur noch Orte und nicht mehr die Zahlungsempfänger in der Vereinszeitschrift aufgelistet wurden.54 Davon, dass diese Subventionen an israelitische Schulen jedoch weiterhin und sogar noch während des Ersten Weltkrieges ausgezahlt wurden, zeugt eine Bittschrift der israelitischen Kultusgemeinde in Gaya (Kyjov), die sich über die kriegsbedingten Kürzungen der Subventionen vom DSV beschwerte: Durch die gegenwärtigen, mehr als 4 Jahre anhaltenden Kriegsereignisse haben aber unsere materiellen Verhältnisse noch eine derartige weitere missliche Lage angenommen, dass unsere Gemeinde bei aller Opferwilligkeit und aller deutschnationaler Gesinnung nicht in der Lage wäre, unsere einzige hiesige deutsche Bildungsstätte für unsere Kinder zu erhalten, wenn ihr nicht eine ergiebige materielle Unterstützung von Auswärts zuteil wird.55

Diese gewisse Schirmherrschaft des DSV über das jüdische Schulwesen zeigt, dass sich die DSV-Leitung mit seiner Orientierung auf Umgangssprache ihren ehemals altliberalen Charakter behalten konnte, was sie bereits in den 1880erJahren von der radikalen deutschen Studentenschaft entfernte.56 49 Gegen die Subventionierung der Schule in Neubidschow (Nový Bydžov) waren nicht nur radikale Schönererianer, sondern auch gemäßigte Deutschnationale wie Otto Steinwender. Vgl. STREITMANN, Monika, Der Deutsche Schulverein, S. 151. 50 Linzer Volksblatt, Nr. 114 vom 20.5.1883, S. 1; Auflösung der Wiener Akademischen Ortsgruppe des DSV. Wien, 1886, S. 11. 51 MDSV, Nr. 23/1887, S. 22; VÚMŠ, Nr. 1/1890, S. 11. 52 WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, S. 25. 53 MDSV, Nr. 23/1887, S. 22. 54 z. B. Der Getreue Eckart, Nr. 7–8/1909, S. 323. 55 Brief der israelitischen Kultusgemeinde in Gaya an die DSV-Hauptleitung vom 28.5.1918. Archiv der ÖLM Wien. Kart. Mähren, Fasz. Gaya. 56 Auflösung der Wiener Akademischen Ortsgruppe des DSV. Wien: 1886, S. 11

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Die Tätigkeit des Vereins war somit mindestens von 1885 bis 1899 durch den Streit um den „Arierparagrafen“ schwer belastet, wobei dieser nicht nur zwischen der Vereinsleitung und den Ortsgruppen, sondern auch zwischen den Anhängern der Vereinigten Deutschen Linke und den der Deutschen Volkspartei um Otto Steinwender Nahestehenden ausgetragen wurde. Die DSV-Ortsgruppen stellten regelmäßig Anträge für eine Satzungsänderung (insbesondere der §§ 5, 11 und 13), die die Kompetenzen der Ortsgruppen bei der Aufnahme neuer Mitglieder stärken sollte. Erst bei der Hauptversammlung in Troppau (Opava) 1899 kam es zu einer Einigung über den Wortlaut der Satzungsänderung: „Jedes Mitglied hat das Recht, nach seiner Wahl einer Ortsgruppe anzugehören, doch ist die Zuweisung zu einer Ortsgruppe von der Zustimmung ihres Vorstandes abhängig.“57 An diesem sog. „Friedensschluss zu Troppau“58 ist klar ersichtlich, dass die DSV-Hauptleitung, deren Position schwer erschüttert wurde, ihre Haltung aufgab, um diese Auseinandersetzung endlich zu beenden. Die DSV-Leitung war stets bemüht, Spaltungsprozessen nicht nur im liberalen Lager, sondern auch allgemein unter der deutschsprachigen Bevölkerung Cisleithaniens entgegenzuwirken und später war sie um die Integrierung der ausgeschlossenen Radikalen bemüht, um die Position des DSV wieder zu verbessern. Die These Streitmanns vom DSV als einem „Hort des Antisemitismus“59 übersieht die Tatsache, dass die Mehrheit der DSV-Leitung antisemitische Tendenzen in den Ortsgruppen ablehnte. Diese „judenfreundliche“ Haltung der Vereinsleitung war allerdings der Grund für den Austritt der Schönererianer und für die Gründung des antisemitischen Schulvereins für Deutsche (1886). Der „Friedensschluss“ innerhalb des DSV deckt sich trotzdem vollständig mit den Einigungstendenzen auf der politischen Ebene, wo sich bereits nach dem Sturz Badenis die sog. „Deutsche Gemeinbürgschaft“ konstituierte – ein Zweckbündnis mehrerer deutschnationaler und deutschliberaler Parteien (Deutsche Volkspartei, Verfassungstreuer Großgrundbesitz, Deutsche Fortschrittspartei, Christlichsoziale usw.), die 1899 gemeinsam an der Formulierung des „Deutschen Pfingstprogramms“ beteiligt waren, mit dem Hauptziel, gemeinsam auf die Abschaffung der Sprachverordnungen hinzuwirken.60 Der Vereinsvorstand der ÚMŠ war in seinen Anfängen, im Vergleich zum DSV, etwas weniger mit der aktuellen Parlamentspolitik verbunden, was auch an der Zusammensetzung der Vereinsvorstände in den Jahren 1880–1891 er-

57 § 11 der Satzung des DSV von 1899. Satzungen des DSV. Archiv der ÖLM Wien. 58 WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, S. 26. 59 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 87. 60 WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, S. 25–27; HÖBELT, Lothar. Kornblume und Kaiseradler, S. 17–18.

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sichtlich ist, wobei nur sechs Ausschussmitglieder in jenem Zeitraum ein parlamentarisches Mandat bekleideten. Die proklamierte gleichmäßige Verteilung der Vorstands- und Ausschussmandate kann gerade dadurch verzerrt werden, dass die ÚMŠ-Ausschussmitglieder überwiegend Lehrer, Journalisten und Beamten ohne eine sichtbare politische Affilliation waren. Der Charakter wurde, zumindest in ihren Anfängen, deshalb wesentlich von Vertretern der Lehrerorganisationen geprägt, die einen bedeutenden Anteil an der Gründung der ÚMŠ hatten und eine wichtige Substanz der ÚMŠ bildeten. Die Zustimmung beider tschechischer Parteien zur Novelle des Reichsvolksschulgesetzes von 1883 hätte einen potenziellen Konfliktpunkt im Verhältnis der Lehrerorganisationen zum „Tschechischen Klub“ bedeuten können, doch stellten sich die Lehrer hinter das Vorgehen der tschechischen Politik, obwohl sie den „konservativen Schulerleichterungen“ in Form der Herabsenkung der vorgeschriebenen achtjährigen Schulpflicht überhaupt wenig zugeneigt waren.61 Zwar war dieses Thema kaum imstande, die junge Existenz der ÚMŠ ernsthaft zu gefährden, doch scheint es der Auslöser für weitere Auseinandersetzungen ihrer Mitglieder zu sein, die sich jedoch innerhalb der tschechischen Zentrallehrerorganisation abspielten und eher indirekt den politischen Konflikt zwischen Alt- und Jungtschechen erkennen lassen. Dieser wurde zwischen zwei „ÚMŠ-Gründervätern“ ausgetragen – dem eher jungtschechisch gesinnten Josef Král und dem eher alttschechisch gesinnten Václav Kredba. Josef Král, der stellvertretender Obmann der ÚMŠ und Obmann des tschechischen Zentrallehrerverbandes für Böhmen (Zemský ústřední spolek jednot učitelských) war, beschuldigte das ÚMŠ-Ausschussmitglied Jan Lepař der Bestechlichkeit und stellte sich deshalb gegen seine Kandidatur zum Landesschulinspektor. Lepař, der ein enger Vertrauter Kredbas war, wehrte sich gegen diese Anschuldigungen und griff Král aus eher konservativen Positionen an. Zwar stellten sich schließlich die erhobenen Beschuldigungen als wahr heraus und Lepař wurde später deswegen vom Prager Bezirksschulrat abberufen, Král erhielt jedoch den Stempel eines Denunzianten, was ihn schließlich zum Rücktritt von der Stelle des stellvertretenden Vereinsobmanns bewog.62 Doch blieb er ÚMŠ-Mitglied ebenso wie Obmann des tschechischen Zentrallehrerverbandes und begründete das Presseorgan „Učitelské noviny“, um das sich progressive Lehrer versammelten. Diese gerieten bald in Konflikt mit den alttschechischen Kreisen in der Frage des politischen Aktivismus der Lehrerschaft, als Václav Kredba, selbst ein Anhänger Riegers und enger Vertrauter Lepařs, die Lehrer zur politischen Zurückhaltung aufrief, inso61 Posel z Budče, Nr. 12 vom 21.3.1888, S. 225. 62 ŠPIRITOVÁ, Alexandra. Případ učitele Josefa Krále. In: Paginae historiae, Nr. 8/2000, S. 62–65.

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fern es sich nicht ausdrücklich um Fragen des Schulwesens handele. Dabei sollten seine Anhänger seinem neu gegründeten Lehrerverband beitreten. Dies stieß auf eine heftige Reaktion der jungtschechischen Zeitung „Národní listy“ gegen Kredba und den von ihm geleiteten Prager Lehrerverein „Budeč pražská“ wie auch befreundeter alttschechischer Presseorgane wie „Posel z Budče“ oder „Pokrok“, wobei diesem Kreis reaktionärer Konservatismus oder gar Klerikalismus vorgeworfen wurde.63 In der unmittelbaren Folgezeit kam es zwar dazu, dass einige den Alttschechen nahestehende Mitglieder den Vereinsausschuss (nicht jedoch die ÚMŠ) verließen, wozu neben Kredba auch sein Kollege von der „Pokrok“-Redaktion Josef L. Turnovský und auch der alttschechische Landtagsabgeordnete Josef Kořán gehörten.64 Damit scheint sich das Potential für einen tiefer greifenden Konflikt in der ÚMŠ erschöpft und die Position der Alttschechen in der ÚMŠ zu Gunsten des jungtschechischen Flügels geschwächt zu haben, was allerdings die Entwicklung im tschechischen Zentrallehrerverband kopiert.65 Obwohl diese Konflikte von der Presse als schwerwiegend dargestellt wurden, hatten sie auf das Funktionieren der ÚMŠ keinen wesentlichen Einfluss und wurden durch die ÚMŠ offiziell ignoriert, sodass in den Vereinsperiodika für den relevanten Zeitraum keine einzige diesbezügliche Bemerkung erscheint, eher im Gegenteil: Es wurde immer der politisch indifferente Charakter der ÚMŠ hervorgehoben.66 Als dann das Scheitern der alttschechischen Politik mit Rieger an der Spitze infolge der Wiener Punktationen um 1890/1891 kam, zeigte sich ein eher kontinuierlicher Übergang zur jungtschechischen Vereinsleitung. Als Rieger unter dem Eindruck des politischen Verlustes nach der Reichsratswahl von 1891 dem ÚMŠ-Ausschuss seinen Rücktritt von der Obmannstelle ankündigte und seinen engen alttschechischen Vertrauten Tomáš Černý als Nachfolger empfahl, verhandelte der Ausschuss über diese Empfehlung nicht einmal und wählte im Sinne der tschechischen parteipolitischen Entwicklung den inzwischen sehr populären jungtschechischen Abgeordneten Jaromír Čelakovský zum neuen ÚMŠ-Obmann.67 Dass die Frage des Antisemitismus im tschechischen nationalen Lager überhaupt keine Rolle spielte, wäre bereits im Hinblick auf die sog. „Hilsneriade“ der Jahre 1899–1901 eine Fehleinschätzung. Im Gegenteil sorgte diese Affäre, als Leopold Hilsner eines rituellen Mordes an der neunzehnjährigen Anežka Hrůzová bezichtigt wurde, für eine enorme Auseinandersetzung innerhalb der

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Národní listy, Nr. 80 vom 20.3.1884, S. 2; Národní listy, Nr. 290 vom 22.10.1885, S. 3. Padesát let Ústřední Matice Školské, S. 136–140. Česká škola, Nr. 18 vom 2.5.1913, S. 281. VÚMŠ, Nr. 1/1891, S. 2. KNEIDL, František. Dr. Fr. Lad. Rieger In: Padesát let Ústřední Matice Školské, S. 14–16.

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tschechischen Politik, die beinahe den Konflikten zwischen Alt- und Jungtschechen und dem bekannten tschechischen „Handschriftenstreit“ gleichzustellen wäre. Die dem französischen Dreyfuss-Prozess nicht ganz unähnliche Situation, wo die antisemitisch begründeten Anklagen die Oberhand zu haben schienen, brachte neue Trennlinien, als sich Tomáš Masaryk, derzeit Universitätsprofessor und Begründer der neuen „Realistischen Partei“, entschieden gegen den Vorwurf eines rituellen Mordes stellte. Für die ÚMŠ galten die Juden in Hinsicht auf ihre Deutschsprachigkeit als aus der tschechischen Nationalgemeinschaft von vornherein ausgeschlossen, was für die Mehrheit der in den böhmischen Ländern ansässigen Juden galt. Die ÚMŠ stand personell Kreisen nahe, die sich während der Hilsneriade als radikale Antisemiten hervortaten. Dazu gehörten etwa die Abgeordneten und ÚMŠ-Mitglieder Karel Adámek und Karel Baxa, wobei der Letztere sich sogar als Anwalt der Familie Anežka Hrůzovás im HilsnerProzess engagierte.68 Die verschwindende Beteiligung der Juden, die sprachlich und kulturell traditionell eher im deutschsprachigen Milieu angesiedelt waren,69 am tschechischen Schutzvereinswesen brachte eine latente, erst im Zusammenhang mit der „Hilsner-Affäre“ offener werdende antisemitische Haltung kultureller wie wirtschaftlicher Prägung, verbarg in sich jedoch kein Konflikt-, geschweige denn Spaltungspotential für die ÚMŠ. Eher im Gegenteil: Die ÚMŠ war sich dieser Kontroversen wohl bewusst und verstand diese auch in ihrem „Schulkampf“ zu nutzen, wobei mit Antisemitismus als mit einem Bestandteil allgemeiner antideutscher Topoi umgegangen wurde und es wurde immer wieder die angebliche Abhängigkeit der Deutschen von den Juden hervorgehoben.70 Als Beispiel des instrumentalisierten antisemitischen und für den DSV provokativen Standpunktes der ÚMŠ sei illustrativ die Auseinandersetzung zwischen dem deutschen Fortschrittler Anton Pergelt und dem Jungtschechen Karel Adámek (ÚMŠ-Mitglied) im Böhmischen Landtag wiedergegeben: (Adámek): „Sind Juden Deutsche oder nicht? Darüber hat bereits der Landesschulrat entschieden […], und zwar in dem Fall, als es um die Verwandlung einer deutsch-jüdischen Konfessionsschule in Hermannstädtel in die öffentliche deutsche Schule ging. Diesmal handelte es sich darum, ob in Hermannstädtel Deutsche sind oder nicht. Bei der Entscheidung über den Rekurs, der in dieser Ursache eingebracht wurde, der darin bestand, dass in Hermannstädtel keine Deutschen sind, entschied der Landesschulrat, dass die Juden

68 FRANKL, Michal. „Emancipace od židů“: český antisemitismus na konci 19. století. Praha: 2007, S. 304. 69 ČAPKOVÁ, Kateřina – KIEVAL, Hillel J. (Hrsg.). Zwischen Prag und Nikolsburg: Jüdisches Leben in den böhmischen Ländern. Göttingen: 2020. 70 ZAFFI, Davide – ZAORAL, Roman. Ethnic Policy in School Associations, S. 62.

4.1 Nationalliberale Parteien



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zu den Deutschen gezählt werden müssen, um dort eine öffentliche deutsche Schule zu errichten.“ (Pergelt): „Jüdische Schulen sind keine deutschen!“ (Adámek): Das sollten sie nicht sagen, meine Herren. Wenn es keine Juden in Prag gäbe, dann würden Sie hier auf ein Zehntel herabsinken. Bitte, tun Sie das nicht, das ist für Sie eine sehr gefährliche Sache […]. Sie werden von den Juden gestützt, Casino, Turnverein, und ohne Juden wären Sie fertig. Diese unverfälschten Deutsche machen Sie hier nicht. Sie müssen sich an den Juden halten, das ist Ihre Rettung!“71

Das argumentatorische Junktim zwischen „deutsch“ und „jüdisch“ fand auch auf der lokalen Ebene, etwa in der Presse oder in den Einwendungen der Gemeinderäte, Anwendung, was der langjährige rechtliche Kampf der tschechischen Gemeindevertretung Schüttenhofens (Sušice) gegen die Existenz einer „deutsch-jüdischen“ Schule im Ort bezeugt.72 Hierin zeigen sich die unterschiedlichen Auswirkungen der politischen Spaltungsprozesse und des aufkommenden Antisemitismus. Es zeigt sich, dass das, was für den DSV eine enorme Last, innere Spaltungen und Schwächung der eigenen Position bedeutete, die ÚMŠ dank ihres deutlich homogeneren Charakters ohne bemerkenswerte Verluste überstand. Die durchaus existenten tschechisch-jüdischen Vereine (z. B. Národní jednota česko-židovská), die sich die Gunst der ÚMŠ wünschten und deren Tätigkeit sie auch finanziell unterstützten, wurden von der ÚMŠ im besten Fall geduldet, um den Übergang jüdischer Studenten in tschechische Schulen zu bewirken, von Vertretern des tschechischen Schutzvereinssektors wurden jedoch diese Tendenzen abgelehnt und nicht selten als „nationaler Betrug“ bezeichnet.73 Die bedeutende jüdische Partizipation am deutschen nationalliberalen Schutzvereinswesen wurde immer von der DSV-Leitung verteidigt, woraus die ÚMŠ den Schluss zog, dass ein Junktim zwischen „deutsch“ und „jüdisch“ besteht.74 Der Konflikt zwischen den Altund Jungtschechen im tschechisch-liberalen Lager vermochte es bei weitem nicht, die in die hohe Politik damals noch nicht so fest eingebundene ÚMŠ zu gefährden, womit die „Übergabe“ der Vereinsleitung an die Jungtschechen im 71 Stenographisches Protokoll, 1. Sitzung der 24. Session des Böhmischen Landtags vom 13.2.1896, Legislaturperiode 1895–1901. http://www.psp.cz/eknih/1895skc/1/stenprot/ 024schuz/s024010.htm (30.10.2020). [Übersetzt einschl. des Ortsnamens Heřmanův Městec von Mikuláš Zvánovec]. 72 Für eine ausführliche Beschreibung zum Fall Schüttenhofen (Sušice) vgl. HEINRICH, Josef. Geschichte der deutschen Volksschule in Schüttenhofen, (Manuskript, 1.2.1911). Archiv der ÖLM Wien, Kart. Böhmen, Fasz. Schüttenhofen. 73 Vgl. Ausdruck von Jan Klecanda in FRANKL, Michal. „Emancipace od židů“: český antisemitismus na konci 19. století. Praha: 2007, S. 104; Českožidovské listy, Nr. 23 z 1.12.1899, S. 4. 74 COHEN, Gary B. Politics of Ethnic Survival, S. 58–65.

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Jahre 1891 als allgemein verständlich auch für die Verlierer (Rieger) galt und im Unterschied zum DSV reibungslos vonstatten ging.

4.2 Sozialdemokratische Parteien Der soziale Umschichtungsprozess am Ende des 19. Jahrhunderts schuf die Bedingungen für die Erfassung der Gesamtheit der Bevölkerung mit integralen Nationalismen, die sich der Füllung der sozialen Gegensätze mit nationalem Inhalt bedienten. Aus dieser Perspektive konnte die österreichische Sozialdemokratie vor einer der brisantesten politischen Frage jener Zeit nicht auf Dauer die Augen verschließen, obwohl ihre Gründung von 1878 auf der Ignorierung der nationalen Gegensätze beruhte. Doch wurde der internationalistischen Richtung der Arbeiterbewegung bereits seit den 1880er-Jahren durch das „nationale Prestigebedürfnis“ der tschechischen Sozialdemokraten ein föderalistischer Gegensatz gegenübergestellt.75 Dieser vertiefte sich in der Zeit der Badeni-Krise und fand mit der Bewegung für das allgemeine Wahlrecht eine endgültige Sezession der tschechischen Sozialdemokraten von ihrer Mutterpartei. Doch wie effektiv waren die nationalen Schutzvereine dabei, eine Verbindung zu der am raschesten aufsteigenden Bewegung jener Zeit herzustellen? Auf den Umstand, dass sich beide Schutzvereinsbewegungen einen sozialreformerischen Charakter gaben, wurde in der jüngsten Historiografie bereits hingewiesen. Vor allem Tara Zahra zeigte überzeugend die Prozesse, nicht nur nationaler sondern auch sozialer Differenzierung, die zur Schaffung zweier national getrennter Sozialwelten beitrugen, wobei vonseiten der Schutzvereine wohl nicht ganz zu Unrecht argumentiert wurde, Tschechen und Deutsche hätten unterschiedliche soziale Bedürfnisse.76 Die Schulvereine standen zwar mittendrin in diesen Prozessen, doch blieb ihre direkte Einbindung in die Gründungen neuer sozialer Einrichtungen (z. B. Waisenhäuser) im Vergleich zu den wirtschaftlichen Schutzvereinen zunächst eher gering und beschränkte sich auf etwaige soziale Dienste ausschließlich im schulischen Bereich (Weihnachtsbescherungen, Suppenanstalten usw.). Während Engelbert Pernerstorfer, Viktor Adler, Karl Lueger und Georg Schönerer noch Anfang der 1880er-Jahre gemeinsam an der Wiege des DSV 75 MOMMSEN, Hans. Die Sozialdemokratie und die Nationalitätenfrage im habsburgischen Vielvölkerstaat. Das Ringen um die supranationale Integration der zisleithanischen Arbeiterbewegung (1867–1907). Wien: 1963, S. 181. Zum Thema vgl. auch die neuere Publikation von BENEŠ, Jakub S. Workers and nationalism: Czech and German Social Democracy in Habsburg Austria, 1890–1918. Oxford: 2017. 76 ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 78.

4.2 Sozialdemokratische Parteien 

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ebenso wie des Linzer Programms und des Deutschnationalen Vereins standen, haben sie sich bald infolge der Spaltungsprozesse im deutschliberalen Lager voneinander getrennt und sich sozialdemokratisch (Pernerstorfer, Adler), christlichsozial (Lueger) wie auch deutschnational-antisemitisch (Schönerer) profiliert. Infolge der Auseinandersetzung mit den Antisemiten bildete sich um Adler und Pernerstorfer im DSV der sog. „Pernerstorfer-Kreis“, der mehrere bedeutende Persönlichkeiten jüdischer Herkunft vom DSV (Heinrich Friedjung) und dem kulturellen Bereich (z. B. Gustav Mahler, Siegfried Lipiner, Hugo Wolf usw.) um sich versammelte und den Weg zur Sozialdemokratie einschlug. Mit dem ebenso jüdischstämmigen Viktor Adler gehörte sogar ein künftiger Begründer der deutsch-österreichischen Sozialdemokratie zu den „Gründervätern“ des DSV, der laut seinen Worten „beim näheren Einblick in die nationalen Verhältnisse den Einfluss des ökonomischen Moments auch hier erst [zu] würdigen“ lernte.77 Auf dem Boden des sozialdemokratischen Brünner Nationalitätenprogramms von 189978 stehend, sahen sich Pernerstorfer und Adler befugt, sozialdemokratische Standpunkte für den Bereich Schulwesen zu formulieren. Hier trafen sie jedoch auf die internationalistische Parteispitze um Karl Renner, Josef Seliger und Otto Bauer, die bestrebt waren, die „klassische“ Auffassung von den Minoritätsschulen umzudeuten und diese eher auf Assimilierung auszurichten, was in einem Artikel Seligers aus dem Jahre 1911 klar zum Ausdruck kommt: Daher und weil wir das Recht der tschechischen Eltern, ihre Kinder in ihrer Sprache erziehen zu lassen, anerkennen, sind wir gegen jede Politik, die ihnen mit Gewalt oder List dieses Recht nehmen will. Aber ebenso sind wir gegen jede Politik, die mit Gewalt oder List oder sonstigen künstlichen Mitteln die Anpassung der in das deutsche Sprachgebiet eingewanderten tschechischen Arbeiter oder ihrer Nachkommen an die neue Lebensgemeinschaft verhindert.79

Da bereits diese Auffassung die Existenz der nationalen Schutz- bzw. Schulvereine überflüssig oder gar unerwünscht macht, geriet der Flügel um Adler und Pernerstorfer, dem u. a. auch Dominik Löw und Otto Glöckel angehörten, nicht selten in einen Widerspruch zu dieser Linie. Deshalb wurde z. B. Pernerstorfer 77 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 176–179. 78 Dieses Programm basierte auf drei Grundsätzen: 1. Österreich in einen demokratischen Nationalitäten-Bundesstaat umgestalten. 2. Anstelle der Kronländer sollten national abgegrenzte Verwaltungskörper eingesetzt werden, für deren Gesetzgebung die nach einem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht gewählten „Nationalkammern“, sorgen würden. 3. Volle Autonomie der national-einheitlichen Verbände. Vgl. BERCHTOLD, Klaus (Hrsg.). Österreichische Parteiprogramme 1868–1966. Wien: 1967, S. 144. 79 SELIGER, Josef. Die Minoritätenfrage. In: Der Kampf, Nr. 4. vom 1.1.1911.

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wegen seiner Begrüßungsadresse an die DSV-Hauptversammlung oder seiner Teilnahme an der „Rosegger-Sammlung“ kritisiert, wobei dieser Konflikt Pernerstorfer zum Austritt aus dem DSV bewogen haben mag.80 Mit Renner u. a. im Widerspruch stand auch der Gesetzentwurf Viktor Adlers aus dem Jahre 1910, der eine staatliche Unterstützung an die für die Minoritätsschulen zuständigen Vereine und Gemeinden in der Höhe von drei Millionen Kronen vorsah. Dieser Entwurf stieß zwar auf eine prinzipielle Zustimmung der tschechischen Abgeordneten, für diese war jedoch etwa die Berechnung des Nationalitätenschlüssels für die Subventionen aufgrund der statistischen Erhebungen zur Umgangsprache nicht hinnehmbar, und der Antrag wurde durch den Abgeordneten und ehemaligen ÚMŠ-Obmann Čelakovský für den Tschechischen Klub abgelehnt.81 Der DSV sah sich im Zusammenhang mit der Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts verstärkt der Frage ausgesetzt, wie er die Arbeiterschaft in den DSV integrieren könne. Gleich bei der DSV-Hauptversammlung 1907 in Mährisch Trübau (Moravská Třebová) wurde auf Initiative der DSV-Ortsgruppe Prachatitz (Prachatice) die Errichtung von besonderen Arbeiter-Ortsgruppen eingeführt, auf die sich eine Teilzahlung des Mitgliedsbeitrags (eine Krone) bezog. Bei dieser Versammlung kam das als trüb empfundene Verhältnis zwischen dem DSV und der deutsch-österreichischen Sozialdemokratie zum Ausdruck, als August Wotawa in seiner Rede die fehlende Begrüßung an die DSV-Hauptversammlung von Seiten der deutschen sozialdemokratischen Fraktion im Parlament beanstandete: Die tschechischen Sozialdemokraten haben bekanntlich Begrüßungsschreiben zur Hauptversammlung ihres Schulvereines geschickt. Die deutschen Sozialdemokraten hätten das auch tun können umso eher, als sie ja wie alle anderen deutschen Abgeordneten Einladungen erhalten hatten.82

Bald sah sich der DSV gezwungen, sich gegen die sozialdemokratischen Vorwürfe des nationalen Chauvinismus im Schulkampf zu verteidigen, die oft in Übereinstimmung mit den tschechischen Vorwürfen waren. Dabei bedauerte der DSV, „dass die deutschen Sozialdemokraten den Tschechen auf diesen

80 Pernerstorfer begründete seinen Austritt offiziell mit seiner Ablehnung gegen den DSV-Beschluss gegen die Errichtung der italienischen Universität in Innsbruck. Vgl. STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 183–185. 81 Čelakovský erwähnte dabei u. a. auch die Verweigerung der Zustimmung der Sozialdemokraten zu den tschechischen Gesetzentwürfen jener Zeit, wie z. B. der des Abg. Staněk. Český učitel, Nr. 45–46/1909/1910, S. 605–606. 82 Der Getreue Eckart, Nr. 7–8/1907, S. 173–174.

4.2 Sozialdemokratische Parteien



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Leim gehen“.83 Diese rhetorische Figur zeigt, dass der DSV die deutschen Sozialdemokraten nach 1907 eher „im tschechischen Lager“ angesiedelt sah, obwohl er sich ihre Kooperation gewünscht hätte und um die Einbindung der Arbeiter stets (jedoch ohne greifbaren Erfolg) bestrebt war. Jene Annahme wurde auch dadurch verstärkt, dass die deutsche Sozialdemokratie sich tatsächlich gegen die Maßnahmen der deutschen Gemeinden gegen Gesuche tschechischer Arbeitereltern um eine tschechische Minoritätsschule stellte, wie dies etwa 1909 bei der sozialdemokratischen Versammlung in Prasseditz (Prasetice, Prosetice) der Fall war.84 Wohl aus dem internationalistischen Standpunkt sah sich die deutsch-österreichische Sozialdemokratie veranlasst, sich eher auf die Seite der tschechischen Arbeiter, vor allem in Nordböhmen, bei der Durchsetzung ihrer Interessen gegen die deutschen Gemeinden und Betriebe zu stellen.85 Doch blieb ihre Meinung kritisch gegenüber beiden Bewegungen, denn sie betrachtete „diese groteske Überbewertung der nationalen Minderheiten durch die bürgerlichen Nationalisten“ als eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einem nationalen Ausgleich. Dessen müssen sich auch unsere tschechischen Genossen endlich bewusst werden, dass in dem Maß, als die Tschechen die Wertung dieser Minderheiten für das gesamte Nationsleben künstlich steigern und demgemäß immer größere politische Kräfte auf die Erhaltung und nationale Fortentwicklung dieser Minoritäten, selbst der kleinsten im entlegensten deutschen Gebirgsdorf, konzentrieren, in den Augen der Deutschen die Gefahr wächst, die sie in den Minoritäten für das Deutschtum sehen.86

Dabei ist es ersichtlich, dass diese Haltung die deutsche Sozialdemokratie vom DSV weit entfernte, auf der anderen Seite aber auch eine engere Kooperation mit den tschechischen Genossen erschwerte. Durch die Akzentuierung der Minderheitenfrage durch die tschechische Sozialdemokratie, wie es Seliger beanstandete, geht bereits ihre Nähe zu den Belangen der ÚMŠ hervor. Die Interessen der ÚMŠ und der tschechischen Sozialdemokratie deckten sich etwa in der Unterstützung der Demokratisierung des Wahlrechts wie in der Verteidigung tschechischer Arbeiterinteressen in Nordböhmen. Der Wahlerfolg der Sozialdemokraten 1907 scheint die ÚMŠ zur Ausrufung eines allgemeinen Schulstreiks bestärkt zu haben. Das zum Zweck der Organisation des Schulstreiks berufene „Hilfskomitee“ mit dem Sitz in Dux (Duchcov) setzte sich bereits aus Vertretern der tschechischen Schutzvereine 83 Kampf ums Deutschtum, Nr. 2 vom 1.5.1911, S. 24 84 Právo Lidu, Nr. 275 vom 5.10.1909, S. 3. 85 CAJTHAML-LIBERTÉ, František. Dějiny útisku českého školství v Podkrušnohoří. NA Praha, Nachlass František Cajthaml-Liberté, Kart. 7. 86 SELIGER, Josef. Die Minoritätenfrage. In: Der Kampf, Nr. 4. vom 1.1.1911.

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wie auch der Sozialdemokraten zusammen, und als 1908 in Prag vom NRČ eine große Demonstration zugunsten tschechischer Minderheiten in Nordböhmen einberufen wurde, traten die gemeinsamen Interessen offen zutage, obwohl es offiziell um getrennte Versammlungen ging. Die ÚMŠ unterstützte bei der Prager Demonstration die Erweiterung des allgemeinen Männerwahlrechts „für alle Selbstverwaltungsorgane […].“87 Dieselben Forderungen stellten dabei auch die Sozialdemokraten, die während ihres Protestmarsches u. a. Banner mit folgendem Wortlaut trugen: „Ein tschechisches Kind gehört in eine tschechische Schule“ oder „Die Feinde der tschechischen Minderheiten sind Feinde des allgemeinen Wahlrechts“.88 Auch infolge dieser Erfahrungen befürwortete 1912 das langjährige ÚMŠ-Vorstandsmitglied und Prager Bürgermeister Přemysl Šámal beim NRČ-Obmann Jan Podlipný die Einbeziehung der Sozialdemokratie in die vom NRČ organisierten Beratungen zu den deutsch-tschechischen Ausgleichsverhandlungen mit der Anerkennung, die tschechische Sozialdemokratie sei „im Minderheitenkampf ein gleichwertiger und gleichberechtiger Akteur, der uns bei den Schulerrichtungen stets treu zur Seite steht und durch ihre geprüfte Organisation und Disziplin zum Sieg verhilft“.89 Die sozialdemokratischen Parteien bewahrten sich in Bezug auf die Schulvereine ihre Autonomie und weigerten sich, etwa im Rahmen des Deutschen Volksrates für Böhmen oder des Tschechischen Nationalrates in eine bürgerliche Initiative integriert zu werden.90 Doch während die deutschen Sozialdemokraten dem DSV eher resistent gegenüberstanden, wurde im Laufe der Wahlrechtsbewegung eine engere Zusammenarbeit der tschechischen Sozialdemokratie mit den tschechischen Schutzvereinsstrukturen eingeleitet und vertieft. Ihre Interessen decken sich insbesonderene bezüglich der tschechischen Arbeiter in Nordböhmen.

4.2.1 Frauenemanzipationsfrage Im Jahre 1892 meldete das tschechische Presseblatt der Sozialdemokraten „Rovnosť“: „Wer Gegner der Sozialdemokratie ist, der ist auch Gegner der Frauen87 VÚMŠ, Nr. 7/1908, S. 213 oder VÚMŠ, Nr. 8–10/1908, S. 232. 88 VÚMŠ, Nr. 7/1908, S. 210. 89 Brief von Přemysl Šámal an Jan Podlipný vom 20.7.1912. NA Praha, Národní rada česká, Inv.-Nr. 67a, Kart. 11. [Übersetzt von Mikuláš Zvánovec] 90 HLAVAČKA, Milan. Der Nationalstempel: Die Selbstfinanzierung der Nation am Rande der Gesetzlichkeit. In: HLAVAČKA, Milan – POKORNÁ, Magdaléna – PAVLÍČEK, Tomáš W. (Hrsg.). Collective and Individual Patronage and the Culture of Public Donation in Civil Society in the 19th and 20th Centuries in Central Europe. Prague: 2010, S. 248–250, 252.

4.2 Sozialdemokratische Parteien 

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emanzipation.“91 Doch wie war der Bezug der nationalen Schulvereine zur Frauenfrage, dem Ausbau des Mädchenschulwesens und ihrer Einbindung ins national-politische Geschehen, und bildete etwa dieses Thema einen theoretischen ideologischen Berührungspunkt mit der Sozialdemokratie? Abgesehen von den bereits bestehenden privaten Frauenbildungsanstalten, Klosterpensionaten usw. wurden die bald nach 1848/1849 neu errichteten höheren Mädchenrealschulen und -gymnasien (seit 1901/1902 Lyzeen) zum Ausdruck der liberalen Frauenemanzipation. Zu den ersten in Böhmen gehörten die tschechischen Mädchenschulen in Pisek/Písek (1860) und in Prag (1863), wobei die erste deutschsprachige höhere Mädchenschule (sog. Töchterschule) in Böhmen erst 1874 in Prag errichtet wurde. Die stürmische Entwicklung des Vereinswesens brachte eine stärkere Berücksichtigung der Frauen im gesellschaftlichen Leben, als Vereins-Frauengruppen (Frauenortsgruppen) und selbstständige Frauenvereine entstanden. Dabei handelte es sich vor allem um wohltätige, kirchliche und auf den sozialen Bereich orientierte Aktivitäten (z. B. GustavAdolf-Verein). Vor allem auf tschechischer Seite dienten die Wohltätigkeitsaktivitäten der Frauen zur Ehre ihrer in der parlamentarischen Politik engagierten Männer. So war etwa die Ehefrau des Obmanns der tschechischen Nationalpartei Marie Riegerová (die zugleich Tochter des tschechischen Revolutionsführers František Palacký war) die Begründerin des St.-Ludmila-Frauenvereins. Fürs Engagement in philantropisch oder sozial ausgerichteteten Frauenvereinen waren auch etwa Otýlie Heroldová – die Ehefrau von Josef Herold – und Libuše Bráfová als Ehefrau von Albín Bráf bekannt.92 Dies war jedoch kein Prager Phänomen, sondern war ebenso auch für die Provinzstädte typisch. Die Frau des Landtagsabgeordneten August Zátka, der Anteil am nicht verwirklichten sog. „Budweiser Ausgleich“ hatte, Jana Zátková (geb. Klavíková) war Vorsitzende des örtlichen tschechischen Frauenvereins Ludmila in Budweis (České Budějovice). Auch in der ÚMŠ wurden Ehefrauen hochranginger Politiker und ÚMŠFunktionäre tätig. Die erste Obfrau der ÚMŠ-Frauenortsgruppe Königliche Weinberge (Prag), Anna Podlipná, Obfrau des Frauenvereins Domácnost, war die Ehefrau des Prager Bürgermeisters und ÚMŠ-Vorstandsmitglieds Jan Podlipný.93 Die von den Schulvereinen gebilligten Emanzipationstendenzen bedeuteten keine vollkommene Gleichberechtigung der Frauen, sondern es wurde damit vor allem der Zweck einer engeren Einbindung in die nationale Gemeinschaft im Rahmen einer von den Männern getrennten und doch eher traditionalistisch 91 Rovnosť, Nr. 4, vom 24.2.1892, S. 1. 92 VÚMŠ, Nr. 4–12/1906, S. 169. 93 VÚMŠ, Nr. 11/1894, S. 162; BAHENSKÁ, Marie. Počátky emancipace žen v Čechách, S. 56.

100  4 Unpolitische Vereinspolitik?

auf den Haushalt orientierten Frauenwelt verfolgt.94 Anschaulich äußerte sich der ÚMŠ-Obmann F. L. Rieger, dass glücklich verheiratete Frauen sich in keiner Weise um die Emanzipation kümmern.95 Die Überzeugung, der Platz der Frau sei zu Hause, zeigt sich aber auch in Äußerungen von Schulvereinsvertreterinnen: „Fragen der Freiheit kämpfen die Männer allein aus; sie liegen dem Weib fern. Wenn aber der Gegner die höchsten nationalen Güter bedroht, wenn er das heilige Vermächtnis der Ahnen, die Muttersprache [bedroht], dann ist auch das Mutterherz betroffen.“96 Dass der Platz einer gebildeten und national denkenden Frau nach wie vor zu Hause bleiben soll, zeigt selbst die Rede der Obfrau der DSV-Frauenortsgruppe Haselbach (Lísková) Therese Ziegler, bei der DSV-Hauptversammlung 1883: „Der Hauptwirkungskreis der Frau müssen aber das Haus und die Familie bleiben, wo sie große Erfolge erzielen könne, wenn sie den Töchtern mit gutem Beispiel vorangehe und die Söhne zu tüchtigen deutschen Männern erziehe.“97 Gerade aus dem Grund, dass die Rolle der Frauen als unentbehrlich bei der Kindererziehung wahrgenommen wurde, wurde ihre Einbindung in die Schutzvereinsbewegung von eminentem Interesse. Zu den wichtigsten Aufgaben der Frauenortsgruppen der Schulvereine gehörte das Organisieren von Suppenanstalten, Kinderbescherungen, Konzerten, Tanzkränzchen,98 Sammlungen, Basaren usw. Zwar wurden gleich seit 1880 in beiden Schulvereinen Frauen aufgenommen, die organisatorische Institutionalisierung der Frauenpartizipation in der Form von Frauenortsgruppen ebenso wie das passive Wahlrecht für Frauen für die Wahl in den Vereinsvorstand ließen jedoch noch ein paar Jahre auf sich warten. Die erste DSV-Frauenortsgruppe entstand 1883 in Graz,99 die erste ÚMŠFrauenortsgruppe erst 1885 in Königlichen Weinbergen (Královské Vinohrady).100 Gemessen an den nur lückenhaft vorhandenen Zahlen der Frauenortsgruppen scheint es dem DSV ein wenig besser gelungen zu sein, die Frauenpartizipation zu fördern. In Böhmen hatte er bereits 1908 insgesamt 50 Frauenortsgruppen101 – eine Zahl also, die die ÚMŠ erst 1913 erreichen konnte.102 94 JUDSON, Pieter. Die unpolitische Bürgerin im politisierenden Verein: Zu einigen Paradoxa des bürgerlichen Weltbildes im 19. Jahrhundert. In: BRUCKMÜLLER, Ernst – STEKL, Hannes (Hrsg.). „Durch Arbeit, Besitz, Wissen und Gerechtigkeit“. Wien: 1992, S. 342. 95 BAHENSKÁ, Marie. Počátky emancipace žen v Čechách, S. 22. 96 Schulvereinskalender für das Jahr 1884, S. 6–7. 97 MDSV, Nr. 7/1883, S. 24. 98 Vgl. die Einladung zu einem DSV-Tanzkränzchen in Beilage 19. 99 NEUMANN, Karl. Zehn Jahre Deutscher Arbeit, S. 30. 100 VÚMŠ, Nr. 3/1885, S. 2. 101 Deutsche Böhmerwaldzeitung, Nr. 22 vom 29.5.1908, S. 172. 102 VÚMŠ, Nr. 6/1913, S. 63.

4.2 Sozialdemokratische Parteien



101

Der Ausbau des Mädchenschulwesens blieb in der Zeit vor 1918 im Schatten anderer Prioritäten und somit blieben die Initiativen zur Reform des höheren Mädchenschulwesens eher außerhalb des Interesses der zentralen Schulvereine und wurden überwiegend von anderen Vereinen, überwiegend den Frauenbildungsvereinen und seltener von den örtlichen Schulvereinen getragen.103 Die untersuchten Schulvereine unterstützten die höheren Mädchenschulen finanziell, selbst erhielten sie jedoch vor 1918 jeweils nur eine Mädchenfortbildungsschule, der DSV seit 1883 eine in Pilsen (Plzeň), die ÚMŠ erst seit 1911 eine in Prachatitz (Prachatice). Vor allem die ÚMŠ wurde für die Passivität in diesem Bereich kritisiert, was mit beschränkter Belastbarkeit des Schulvereins begründet wurde.104 1908 beschwerte sich bezeichnenderweise der Reformer des tschechischen höheren Mädchenschulwesens Oktavian Wagner in der tschechischen Frauenzeitung „Ženský svět“, wie wenig Beachtung die ÚMŠ den Schulinteressen der Frauen widmet, obwohl, wie Wagner behauptete, die Rolle der Frau für das nationale Leben sehr bedeutend sei, denn „unaufgeklärte, indifferente Mütter [würden] national gleichgültige Menschen großziehen – und jeder national gleichgültiger Mensch im […] bedrohten Gebiet ist ein neuer Nagel in den Sarg der heiligen nationalen Sache.“105 Auch trotzdem wagten es weder die höheren Mädchenschulen noch die Vertreterinnen der emanzipierten tschechischen Frauen, die genau abgegrenzte Position der Frauen in Frage zu stellen.106 Verschiedene Frauenvereine in Böhmen, wie z. B. die tschechischen Frauenbildungsvereine Vesna (1871), Minerva (1890) und der Deutsche Bildungsverein Frauenfortschritt (1893) strebten danach, durch die Errichtungen der höheren Mädchenschulen, den Frauen überhaupt erst einmal eine höhere Bildung zu ermöglichen. Die Rolle dieser Anstalten und auch der Frauenbildungsvereine war somit eine die Tätigkeit der Schulvereine ergänzende, wobei diese Vereine in einigen Fällen auch Subventionen bei den Schulvereinen beantragten.107 Ziel dieser Bestrebungen war es jedoch bei weitem nicht, eine völlige Gleichberechtigung von Frau und Mann im öffentlichen Leben zu erreichen, sondern die Frauen für nationale Zwecke erst einmal „nutzbar zu machen“.108 Die pragmatische Auffassung der ÚMŠ wurde folgendermaßen begründet:

103 VÚMŠ, Nr. 12/1902, S. 275. 104 Ženské listy, Nr. 10/1887, S. 172. 105 Ženský svět, Nr. 3 vom 5.2.1908, S. 1 [Übersetzt von Mikuláš Zvánovec] 106 BAHENSKÁ, Marie. Počátky emancipace žen v Čechách, S. 50. 107 VÚMŠ, Nr. 8–9/1901, S. 150. 108 LUFT, Robert. Die deutsche liberale Volksbildung in Böhmen im 19. und 20. Jahrhundert. In: Germanoslavica. Zeitschrift für germano-slawische Studien. Nr. 2/1995, S. 233

102  4 Unpolitische Vereinspolitik?

Der gebildete Mann braucht zwar eine mehr gebildete Frau, damit sie ihn verstehen, verfolgen und unterstützen kann, aber dafür kann er bei ihr die allseitigen Kompetenzen zur Haushaltsführung nicht entbehren, weil die Mehrheit der Berufe, die gebildete Männer ausüben, nicht so toll ausgedacht sind, dass es den Frauen nicht nötig wäre, den ganzen Haushalt mit eigener Hand zu verwalten und sich insbesondere mit der wichtigsten Tätigkeit im Haushalt – kochen – zu beschäftigen. Ist das Mädchen an den Haushalt erst nach dem Besuch einer höheren Mädchenschule gebunden, ist es schon zu spät und die natürliche Zeit, als es sich an seinen natürlichen Beruf klammern kann, ist vorbei, denn während sich mehrere Jahre nur mit fachlichen Gegenständen beschäftigend, lernte es die Hausarbeiten zu unterschätzen.109

Diese Auffassung scheint im Einklang oder zumindest nicht im Konflikt mit der Auffassung der Bildungsvereine oder der -anstalten selbst zu sein, was an deren Unterstützung für die ÚMŠ gezeigt werden kann. Die höheren Mädchenschulen unterstützten die beiden Schulvereine finanziell und in einigen Fällen waren sie auch deren Mitglieder.110 Die Frage der Rolle der Frau wurde von beiden Schulvereinen ähnlich gehandhabt und die etwas stärkere Einbindung der Frauen in die Tätigkeit des DSV ist nur von einer bedingten Aussagekraft. Frauen sollten nur insofern gebildet werden, um die Bedeutung der nationalen Arbeit begreifen und daran auch teilnehmen zu können. Eine Frauenemanzipation über diesen Rahmen hinaus – etwa nach sozialdemokratischem Vorbild – galt in den Schulvereinskreisen als unerwünscht. Die Frauenarbeit für die nationalen Zwecke wurde hoch geschätzt und die Frauen wurden für ihre Verdienste etwa als „unsere opferbereiten Damen“111 oder gar als „kostbarste Perle [des Volkes]“112 gelobt. Obwohl die Frauenemanzipationsfrage ein theoretisches Bindeglied zwischen den Schulvereinen und der Sozialdemokratie hätte bilden können, führten die unterschiedlichen Vorstellungen über die Grenzen dieses Prozesses eher zur Herausbildung eines konzeptuellen Konkurrenzverhältnisses.113 Die liberale Frauenemanzipation zielte somit weder bei der ÚMŠ noch beim DSV auf eine volle Gleichberechtigung von Mann und Frau im gesellschaftlichen Leben ab und war eher an der Umsetzung eines national-bewussten „Mutterseins“ interessiert.

109 110 Vgl. 111 112 113

VÚMŠ, Nr. 11/1893, S. 167. [Übersetzt von Mikuláš Zvánovec] Z. B. die tschechische höhere Mädchenschule in Prag war als Institution Mitglied der ÚMŠ. VÚMŠ, Nr. 8–9/1911, S. 150. VÚMŠ, Nr. 7/1889, S. 195. [Übersetzt von Mikuláš Zvánovec] MDSV, Nr. 27/1888, S. 28. Rovnosť, Nr. 196/1919 vom 18.7.1919, S. 1.

4.3 Konservative und Christlichsoziale



103

4.3 Konservative und Christlichsoziale „Würde der eifrigste Seelenhirt Jesus, wenn er gegenwärtig noch auf Erden wandelte, seinen Aposteln zurufen: Die tschechischen und wälschen Kinder nur lasset zu mir kommen, die deutschen treibt hinweg!“114 Durch die Säkularisierung des Schulwesens durch die liberale Gesetzgebung in den späten 1860er Jahren musste sich die sog. „neue Schule“115 mit Kritik des konservativen Lagers auseinandersetzen. Die Säkularisierung stärkte bei den Konservativen den Druck auf „Rechristianisierung“, die auch mittels moderner Formen (Medien, Vereine) erreicht werden sollte.116 Es scheint so, als ob insbesondere der DSV zur Zeit der politischen Auseinandersetzung um die Schulnovelle von 1883 (Schulbesuchserleichterungen) zum besonderen Objekt der Kritik des deutschen Klerus in Cisleithanien wurde. Der Linzer Bischof Franz Josef Rudigier sah sich sogar veranlasst, offen gegen den DSV aufzutreten. Das „Linzer Volksblatt“ fuhr diese Kampagne fort, indem der DSV der Verbindung mit den Sozialisten und sogar Karl Marx beschuldigt wurde.117 Sehr wahrscheinlich gingen aus diesen Kreisen auch einige gefälschte Schreiben, die angeblich Karl Marx an den DSV adressiert hatte, die in der „Deutschen Zeitung“ im Mai 1883 abgedruckt wurden, in denen Marx die Einladung, beim Ausbau des DSV mitzuwirken, positiv erwidert haben soll.118 Der DSV war anfangs sehr bemüht, sich nicht antiklerikal zu geben, die konservative Kritik zu lindern und die Vorwürfe der Irreligiosität, der Illoyalität, des Revolutionarismus usw. abzuwehren, was die propagandistische Broschüre „Über den Deutschen Schulverein von einem katholischen Priester“ anschaulich zeigt. Hierin sollte die Tätigkeit des DSV den „kalt und teilnahmslos und leider sogar feindselig gegenüberstehenden“119 katholischen Priestern in den Alpenländern nähergebracht und auf die enge Verbindung der Gegenseite mit der katholischen Kirche hingewiesen werden:

114 Über den Deutschen Schulverein von einem katholischen Priester. Wien: 1885, S. 9. 115 Zur Wahrnehmung der schulischen Säkularisiereung im konservativen Lager vgl. SCHÖNBORN, Friedrich. Wirkungen der Neuschule. Prag: 1880. 116 URBANITSCH, Peter. Das Schulwesen in Cisleithanien. In: OSTERKAMP, Jana. Kooperatives Imperium: politische Zusammenarbeit in der späten Habsburgermonarchie: Vorträge der gemeinsamen Tagung des Collegium Carolinum und des Masarykův ústav AV ČR in Bad Wiessee vom 10.-13. November 2016. Göttingen: 2018, S. 108. 117 Linzer Volksblatt, Nr. 94 vom 25.4.1883, S. 1–2. 118 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 84–86. 119 Über den Deutschen Schulverein von einem katholischen Priester. Wien: 1885, S. 15.

104  4 Unpolitische Vereinspolitik?

Kein böhmischer Oberhirt, kein einziger tschechischer Priester, kein einziger tschechischer Laie, ob hoch oder niedrig gestellt, tritt weder in Wort noch in Schrift gegen diesen Verein auf, der doch dieselben Ziele wie der Deutsche Schulverein verfolgt; im Gegentheile, der tschechische Klerus, welcher durchaus glaubensfest und glaubenstreu der Kirche anhängt, geht seinem Volke mit dem schönsten Beispiele betreffs des Vereines voran, mit diesem verbunden fördert er das Gedeihen und die Ausbreitung desselben auf jede mögliche Weise.120

Diese kleine Broschüre, die als naiver Versuch zur Annäherung zwischen dem DSV und der katholischen Kirche gewertet werden kann, wurde von den katholischen Kreisen sofort als Fälschung abgelehnt. Darüber hinaus stellte die konservative Presse eine Klammer zwischen dem DSV und den Freimaurern her, was ein Vorwurf war, der sich vor allem auf die konkrete Zusammenarbeit einiger DSV-Funktionäre wie z. B. Engelbert Pernerstorfer und Otto Glöckel mit dem Verein „Freie Schule“ stützte.121 Ein schwerwiegendes Problem für die Konservativen hing allerdings auch mit der Frauenemanzipation zusammen.122 Die Kampagne der Konservativen gegen den DSV hatte sich nach der Durchführung der Schulnovellen zwar etwas gemildert, doch konnte die gemeinsame Beziehung auch im Hinblick auf die immer stärker widerhallende Frage des Antisemitismus kaum verbessert werden. Dabei versuchte er seine bestehenden Kontakte zu Geistlichen hervorzuheben, wie zu Kurat Mitterer im Südtiroler Proveis oder dem Stadtdechanten Weber in Hohenelbe (Vrchlabí). Der DSV versuchte die konservativen Vorwürfe auch mit Hinweisen darauf zu entkräften, dass er den Religionsunterricht an verschiedenen Schulen unterstütze, wobei diese Unterstützung unter anderem darin bestanden haben soll, den katholischen Religionsunterricht für die israelitischen Schulen zu organisieren.123 Die unterschiedlichen ideologischen Ausgangspunkte ermöglichten es dem DSV nicht, auf die Interessen der katholischen Konservativen näher einzugehen und gegenüber diesen etwas glaubwürdiger zu agieren. Das führte auf beiden Seiten zur Verzweiflung, wie etwa das konservative Blatt „Das Vaterland“ erklärte: „Wäre der deutsche Schulverein nur etwas katholisch, dann müßten wir ihn mit Freude begrüßen und wir wüßten auch denselben ausgiebig zu unterstützen.“124 Aus diesem Grund wurde 1886 der „Katholische Deutsche Schulverein“ in Wien gegründet. Mit dem rasanten Aufstieg der Christlichsozialen Partei Karl Luegers wuchs dem DSV ein Gegner, der seine existenzielle Legitimierung immer wieder in Fra120 121 122 123 124

Über den Deutschen Schulverein von einem katholischen Priester, S. 12. STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 169. Salzburger Chronik für Stadt und Land, Nr. 134 vom 13.6.1886, S. 1–2. WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, S. 22. Das Vaterland, Nr. 198 vom 19.7.1886, S. 3.

4.3 Konservative und Christlichsoziale 

105

ge stellte. Zu großen Auseinandersetzungen kam es im niederösterreichischen Landtag, wo Abgeordnete wie Moritz Weitlof (DSV-Obmann) die Tätigkeit des DSV vor den antisemitisch eingestellten Abgeordneten verteidigten. Letztere verlangten nämlich, dass die Erteilung der Landessubvention an den DSV davon abhängig gemacht werde, dass der DSV aufhöre, israelitische Schulen zu unterstützen. Außerdem lobbyierten sie für den katholischen Konkurrenzverein: [Abg. Schneider:] Wenn man dem Deutschen Schulverein, der sich die Aufgabe gestellt zu haben scheint, Judeninteressen zu wahren, eine Subvention gibt, sollte man glauben, daß auch ein Verein, der sich die Aufgabe gestellt hat, die Interessen der christlichen Bevölkerung zu schützen, auch eine Subvention bekommt. Dies ist jedoch nicht der Fall.125

Zur Jahrhundertwende eskalierte der Konflikt und betraf vor allem das Verhältnis des DSV zur Gemeinde Wien, die 1897 von den Christlichsozialen beherrscht wurde, die bereits 1898 dem DSV „berechtigtes Misstrauen“126 entgegenbrachte und beschloss, in Zukunft dem DSV keine finanzielle Unterstützung mehr zu gewähren. Nach dem Verlust der Unterstützung durch die Stadt Wien ging der DSV zu einer offen antiklerikalen Rhetorik über.127 Doch flaute diese Gegnerschaft um das Jahr 1905 allmählich ab, was nicht nur mit der Veränderung der politischen Lage der deutschen Parteien nach der Badeni-Krise und dem Deutschen Pfingstprogramm von 1899, sondern auch mit dem Tod des DSV-Obmanns Moritz Weitlof im Jahre 1905 zusammenhing, der wegen seinen jüdischen Wurzeln ein besonderes Objekt antisemitischer Anfeindungen gewesen war. Während der Obmannschaft seines Nachfolgers Gustav Groß jr. lässt sich eine Annäherung des DSV an die Christlichsozialen beobachten. Dass mit diesem Jahr eine neue Ära der gemeinsamen Beziehungen eingeleitet wurde, drückte sich auch darin aus, dass die Gemeinde Wien im Jahre 1905 eine Subvention an den DSV in der Höhe von 4 000 K bewilligte und sich an den folgenden Sammlungen des DSV beteiligte, einschließlich der RoseggerSammlung von 1909. Christlichsoziale schickten in dieser Zeit sogar Begrüßungsschreiben an die DSV-Hauptversammlungen. Als Höhepunkt dieser Annäherung kann die unmittelbare Vorkriegszeit betrachtet werden, als etwa 1913 die DSV-Hauptversammlung im Wiener Rathaus direkt vom christlichsozialen Wiener Bürgermeister Richard Weiskirchner begrüßt wurde. Ein Jahr später 125 Rede des Abgeordneten Robert Schneider. 19. Sitzung der 2. Session des niederösterreichischen Landtags vom 15.3.1892, S. 462. [online] http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex? aid=ltn&datum=0007&page=803&size=27 (30.10.2020). 126 Tagesbote aus Mähren und Schlesien, Nr. 474 vom 11.10.1901, S. 1. 127 Rede des Vereinsobmanns Moritz Weitlofs in: MDSV, Nr. 63/1902, S. 2 oder Rede des Obmannes der Ortsgruppe Graz Schlosser in: Der Getreue Eckart, Nr. 7/1903, S. 106–107.

106  4 Unpolitische Vereinspolitik?

wurde sogar der christlichsoziale Abgeordnete Karl Heinrich Ohrfandl in die Vereinsleitung gewählt. Die Gemeinde Wien stellte in dieser Zeit auch ein Grundstück zum Bau des „Schulvereinshauses“128 zur Verfügung.129 Der Vergleich der Beziehungen der ÚMŠ mit den böhmischen und mährischen Konservativen und später Christlichsozialen ist freilich vor dem Hintergrund des Engagements der tschechischen liberalen Politik in der konservativen Regierung Taaffe, wo sie dem sog. „Eisernen Ring“ angehörte, zu betrachten. Die Zustimmung über die Reichsvolksschulgesetznovelle von 1883 fiel dem Tschechischen Klub zwar schwer, wurde aber trotz Vorbehalte im Interesse der Wahrung des rechten Regierungsbündnisses, von dem auch die Durchsetzung staatsrechtlicher Forderungen erwartet wurde, durchgesetzt. Die antiklerikale Kampagne gegen die Novelle in der jungtschechischen Presse blieb somit ohne Erfolg.130 Nach dem Fall der Alttschechen, die sich als verlässliche Bündnispartner des konservativen Großgrundbesitzes gaben, wurden antiklerikale Stimmen im jungtschechischen Presseorgan „Národní listy“ zwar lauter, doch mit minimalem Konfliktpotenzial für die ÚMŠ. Die Tatsache, dass wichtigste Vertreter historischer böhmischer Adelsfamilien wie Schwarzenberg, Czernin, Harrach u. a. die Interessen der tschechisch-liberalen Politik verteidigten, gab dem tschechischen Nationalismus anfangs eine konservative Schattierung.131 Ähnlich wie die deutschen Christlichsozialen profilierten sich ihre tschechischen Kollegen strikt antisozialistisch, antisemitisch, kritisierten des Öfteren die „jüdisch-deutschen“ Schulen.132 Während der Badeni-Krise äußerten Erstere sogar ihre Freude darüber, die Jungtschechen im antisemitischen Lager „willkommen heißen zu dürfen“.133 Im Unterschied zu den deutschen Klerikalen verteidigten sie die Rolle der ÚMŠ, indem sie ihre gewöhnliche Rhetorik übernahmen und diese um den christlichsozialen Standpunkt ergänzten: Bei uns hat die ÚMŠ aber eine andere Seite als der DSV, nämlich nicht nur, dass sie die Muttersprache der Kinder, sondern damit auch ihren Glauben, verteidigt, weil die tschechischen Kinder in den deutschen Konversionsschulen [im Orig. „přelejvárnách“] seelisch verwüsten, weil sie die religiösen Ausführungen nicht verstehen, und vermehren somit die Reihen der Sozialisten.134 128 Zum Bau des Schulvereinshauses vgl. BARTA, Erwin – BELL, Karl. Geschichte der Schutzarbeit, S. 26–27. 129 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 173–176. 130 URBAN, Otto. Die Tschechische Gesellschaft, S. 539–540. 131 AGNEW, Hugh LeCaine. Noble Natio and Modern Nation: The Czech Case. In: Austrian History Yearbook, Nr. 23/2009, S. 70. 132 Katolické listy, Nr. 15/1897 vom 15.1.1897, S. 5. 133 Katolické listy, Nr. 78/1897 vom 19.3.1897, S. 1. [Übersetzt von Mikuláš Zvánovec] 134 Katolické Listy, Nr. 19 vom 19.1.1897, S. 2. [Übersetzt von Mikuláš Zvánovec]

4.3 Konservative und Christlichsoziale



107

Die tschechischen katholischen Parteien wussten auch immer die Rolle des tschechischen Klerus für die ÚMŠ hervorzuheben,135 und die Sammlungen der ÚMŠ zu unterstützen.136 Wohl auch deswegen hielten sie sich von einem Konflikt mit der ÚMŠ und deren Vertretern im Parlament zurück, obwohl es unter der Oberfläche vor allem nach 1907 zu brodeln begann, zwar nicht direkt im Verhältnis zur ÚMŠ, sondern vor allem gab es Reibereien mit den radikal-demokratischen Lehrervertretern. Der Antiklerikalismus der Lehrervertreter trat vor allem nach der Gründung des katholischen St.-Wenzels-Schulvereins [Svatováclavská matice školská] 1910 in Prag zur Förderung konfessioneller Schulen sehr stark zutage: Klerikalismus ist der schlimmste Feind der Aufklärung und des Fortschritts, er scheint insbesondere bei kleinen, gefährdeten Völkern am schädlichsten zu sein. Unsere Klerikalen griffen durch die Gründung des St.-Wenzels-Schulvereins heimtückisch die ÚMŠ an […] und führen unser Volk nach Wien.137

Von der Auseinandersetzung mit den Antiklerikalen sah sich jedoch die katholische Presse nicht sehr beunruhigt und bemühte sich zu erklären, dass beide Schulvereine unentbehrlich sind, – die ÚMŠ für die Nationalität und der St.Wenzels-Schulverein für die Religiosität, wobei letzterer im Unterschied zur ÚMŠ vor allem in sprachlich homogenen Regionen seine Anstalten zu errichten hatte.138 Um die Vorwürfe zu entkräftigen, wurde auf die enge Verbindung der katholischen Parteien mit der ÚMŠ hingewiesen: „Laut Jahresberichten der ÚMŠ über die Ortsgruppen waren in den ÚMŠ-Ortsgruppen 12 Geistliche Obmänner, 10 Geschäftsführer, 19 Schatzmeister und 54 Ausschussmitglieder.“139 Außerdem waren Geistliche bis 1919 auch Mitglieder des zentralen Vereinsvorstands, als mit Jan Flum das langjährige, aber letzte Vorstandsmitglied mit dem Beruf eines Geistlichen starb.140 Wie aus den obigen Schilderungen ersichtlich ist, hatten beide Schulvereine ein enormes Interesse an der Einbeziehung der konservativen bzw. klerikalen politischen Kräfte in die Schutzvereinsbewegung. Die Beziehungen des DSV zur katholischen Kirche waren von Anfang durch große ideologische Unterschiede belastet und hingen maßgeblich von der Antisemitismusfrage, die als 135 Katolické Listy, Nr. 26 vom 26.1.1897, S. 5. 136 Čech, Nr. 259 vom 22.9.1907, S. 4. 137 Český učitel, Nr. 39/1911–1912, S. 575. 138 Der St.-Wenzels-Schulverein hatte bis 1914 vier Anstalten errichtet: St.-Wenzels-Pensionat in Prag-Bubentsch (Bubeneč), Internat Johanneum in Prag, die Lehrerbildungsanstalt in Prag und das Juvenat in Kauth (Kout na Šumavě). Vgl. Čech, Nr. 94 vom 11.4.1914, S. 5. 139 Čech, Nr. 316, vom 17.11.1910, S. 4. 140 Padesát let Ústřední Matice Školské, S. 136–140.

108  4 Unpolitische Vereinspolitik?

Instrument im Kampf gegen Liberalismus im Allgemeinen benutzt wurde, ab. Auf der anderen Seite blieben die tschechischen katholischen politischen Kräfte die ganze Zeit eine relativ stabile Stütze der ÚMŠ. Erst in den letzten Vorkriegsjahren wuden die Forderungen nach einem radikaleren Bruch der ÚMŠ mit der Kirche und nach der Abschaffung des Religionsunterrichts lauter, sie bleiben aber trotzdem marginal.141Antisemitische Proklamierungen aus dem Milieu der ÚMŠ waren keine Ausnahme und man wusste die Kontroversen im deutschnationalen Lager um die Antisemitismusfrage im nationalen Kampf zu nutzen. Demgegenüber gilt der DSV als Verein, an dessen Leitung nahmhafte Persönlichkeiten jüdischer Abstammung beteiligt waren, der bis 1918 Ansprechspartner für jüdische Kultusgemeinden in schulischen Angelegenheiten blieb und der einem beträchtlichen antisemitischen Druck (gewiss nicht ohne Verluste) standhielt.

4.3.1 Religion in Diensten der Nation Die Liberalisierungs- und Säkularisierungsprozesse im Schulwesen der 1860erund 1870er-Jahre, als durch die Maigesetze der Kirche die Schulaufsicht endgültig entzogen wurde, waren gegen die Stellung der katholischen Kirche in Cisleithanien als traditionelle Stütze der Staatsmacht gerichtet. Ihre Position wurde zwar seit den josephinischen Aufklärungsreformen allmählich schwächer, doch wurde der Einfluss der katholischen Kirche auf das Schulwesen in der „neoabsolutistischen“ Ära gefestigt, um gleich nach 1867 als Residuum der alten Zeit abgeschafft oder zumindest möglichst beschränkt zu werden. Oft wird in der modernen Geschichtsschreibung der Aspekt hervorgehoben, dass die moderne Nationswerdung religiöse Deutungsmuster und Symbolik benutzte, die an die neuen säkularen nationalen Werte und Institutionen angepasst werden sollten.142 Die Umdeutung der religiösen Sprache im nationalen Sinne zeigt sich in den zahlreichen Proklamationen der Schulvereine, die die Verteidigung der vermeintlichen Interessen der Nation als eine höchst heilige Pflicht des Volkes darstellen. Connelly bringt diese Tendenz bei den Schulvereinen zusammengefasst auf den Punkt: „They called themselves nationally consecrated, shared priestly personalities with the urge to preach to others, guard what was holy, broadcast revelation and redeem souls.“143 141 CAJTHAML-LIBERTÉ, František. Dějiny útisku českého školství v Podkrušnohoří (undat. Manuskript) NA Praha, Nachlass František Cajthaml-Liberté, Kart. 78. 142 RAK, Jiří. Národy místo Boha. In: KAISEROVÁ, Kristína – VESELÝ, Martin. Národ místo Boha v 19. a 1. pol. 20. století. Ústí nad Labem: 2005, S. 10–11. 143 CONNELLY, John. From Peoples into Nations: A History of Eastern Europe. Princeton: 2020, S. 104.

4.3 Konservative und Christlichsoziale 

109

Die Kirche blieb trotz der säkularen Reformen auch nach 1867 unumstritten ein bedeutender Akteur vor Ort mit einem entsprechenden Einfluss auf die Bevölkerung. Dessen waren sich die nationalen Schutzvereine durchaus bewusst und suchten diese Tatsache zu eigenem Nutzen zu gewinnen. Das besondere Interesse an der Sprachenfrage in der Kirche zwang die Vereine, sich mit der benutzten Sprache der Matrikenführung und bei Gottesdiensten, Andachten usw. zu beschäftigen. Die tatsächliche oder vermeintliche Nichteinhaltung der sprachlichen Gleichberechtigung in der Kirche wurde insbesondere durch die ÚMŠ-nahen Abgeordneten auch auf dem Boden des Reichsrats kritisiert. So etwa interpellierte Josef Herold den Minister des Innern und den Minister für Kultus für Unterricht betreffend die Verweigerung böhmischer (tschechischer) Eintragungen in die Matrikel seitens des Pfarramtes in Tschausch (Čouš).144 Die Schulvereine waren bereits deshalb an den Pfarrerernennungen interessiert, weil Mitgliedern religiöser Gemeinschaften Virilstimmen in den Schulaufsichtsorganen zukamen und aus dieser Sicht war auch das Gedeihen der örtlichen Schule vom Virilisten abhängig. Dennoch wurde die Haupttätigkeit in kirchlich-sprachlichen Angelegenheiten wieder einmal Agenda der wirtschaftlichen Schutzvereine. Diese galten oftmals als Beschwerdeführer, sie versuchten aber auch zu verhandeln, wovon der Fall Kaplitz (Kaplice) zeugt, als der Tschechische Böhmerwaldbund [Národní jednota pošumavská] in Kaplitz (Kaplice) der hiesigen Dechanei eine größere Spende für die Einführung des tschechischsprachigen Gottesdienstes anbot.145 Der Pfarrer war potenziell ein bedeutsamer Partner für die Schulvereine und an seinem Engagement schieden sich freilich wieder die nationalen Geister, als seine Position als Nationalkämpfer gedeutet wurde. Die bereits geschilderte enge Einbindung der tschechischen Geistlichkeit in die Angelegenheiten der ÚMŠ zeigte sich des Öfteren bei Protestversammlungen gegen die Obstruktionen deutscher Gemeinden gegen die tschechische Schule.146 Als etwa die Ankunft des späteren Prager Erzbischofs František Kordač in Reichenberg (Liberec) tschechischerseits als „neuer Impuls für die Entwicklung der örtlichen tschechi144 Interpellation des Abg. Herold und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Minister des Innern und an Seine Exzellenz den Minister für Kultus für Unterricht. Eingebracht in der 6. Sitzung (18. Session) des Abgeordnetenhauses des Wiener Reichsrats am 2.7.1907. https:// alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=spa&datum=0018&page=1490&size=45 (30.10.2020). 145 Dazu SMETANOVÁ, Jaroslava. Ochranné spolky, jejich vznik, struktura a vývoj do 20. let 20. století na příkladu Národní jednoty pro jihozápadní Moravu a Národní jednoty pošumavské. [unveröff. Disseratation an der Phil. Fak. der Masaryk-Universität Brünn/Brno, 2014], S. 127. 146 Fall Rudolfstadt bei Budweis (Rudolfov u Českých Budějovic). In: Südböhmische Volkszeitung, Nr. 33, S. 2.; Fall Neu-Rohozna (Rohozná u Poličky). In: Deutsche Böhmerwaldzeitung, Nr. 48 vom 1.12.1894, S. 396.

110  4 Unpolitische Vereinspolitik?

schen Minderheit“ geschätzt wurde, bekam er von der deutschnationalen „Reichenberger Zeitung“ a priori die Bezeichnung „Hetzkaplan“.147 Die Pfarrer sorgten vor Ort auch für den offiziellen Festakt zur Einweihung eines von dem jeweiligen Schulverein neu errichteten Schulgebäudes.148 Durch die Einbettung der nationalen Anliegen in den religiösen Rahmen konnte nicht nur den Säkularisierungsvorwürfen entgegengetreten, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen werden, für die die allerhöchste Bedeutung des Schulgebäudes zur Schau gestellt werden konnte.149 Unter dem Eindruck einer „Überflutung deutscher Gebiete mit tschechischer Geistlichkeit“150 wurde durch die nationale Presse immer wieder auf „diese national-agitatorische Tätigkeit tschechischer Priester in deutschen Pfarrgemeinden [hingewiesen], „[denn] tatsächlich sind alle tschechischen Priester im deutschen Böhmerwalde (einige wenige mögen vielleicht ausgenommen sein) Pioniere des Tschechenthums und deren Pfarrhöfe nichts anderes als tschechische Sprachinseln mitten in deutschen Städten und Dörfern.“151 Besonders kritisiert wurde in diesem Sinne die Beteiligung vermutlich national agierender Geistlichkeit an den Orts- bzw. Bezirksschulräten. Zahlreiche Beschwerden über das Engagement tschechischer Pfarrer in Sprach- und Nationalfragen gingen deshalb auch beim DSV ein. So soll z. B. der Katechet der tschechischen Schule in Schüttenhofen (Sušice) am Tag des Hl. Wenzel in der Schulmesse eine Predigt über den heiligen Wenzel gehalten haben, worin er unter anderem beiläufig folgendes gesagt haben soll: „Kinder, ihr müsset ebenso gut national werden wie der heilige Wenzel es war, und ihr Eltern, ihr müsset eure Kinder ebensogut national tschechisch [erziehen] wie der Heilige Wenzel erzogen wurde.“152 Ein besonderer Fall, in den auch die Schulvereine eingeweiht wurden, war das erfolglose Bemühen in Solislau (Sulislav), eine selbstständige tschechische Pfarrei im Ort153 zu errichten, was die DSV-

147 Im Nachhinein wurde das Wirken Kordačs in mancher Hinsicht auch deutscherseits positiv wahrgenommen. Vgl. MAREK, Pavel. Arcibiskup pražský prof. dr. František Kordač. Olomouc: 2005, S. 44–45. 148 Vgl. eine Einladung zur Einweihung einer ÚMŠ-Schule in Beilage 15. 149 RANDÁK, Jan. Nacionalizace a sekularizace náboženských symbolů a metafor ve druhé polovině 19. století. In: FASORA, Lukáš – HANUŠ, Jiří – MALÍŘ, Jiří. Sekularizace venkovského prostoru v 19. století. Brno: 2009, S. 115–123. 150 FIEDLER, Rudolf. Böhmen und der Deutsche Schulverein, S. 8. 151 Budweiser Kreisblatt, Nr. 93 vom 22.11.1903, S. 3. 152 HEINRICH, Josef. Geschichte der deutschen Volksschule in Schüttenhofen, (Manuskript, 1.2.1911). Archiv der ÖLM Wien, Kart. Böhmen, Fasz. Schüttenhofen. 153 Die Errichtung einer selbstständigen tschechischen Pfarre in Solislau (Sulislav) kam schließlich nicht mehr zustande.

4.3 Konservative und Christlichsoziale



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Ortsgruppe Solislau der DSV-Leitung in Wien ausführlich schilderte, um deren Unterstützung für Gegenmaßnahmen zu bekommen: Schon seit zwei Jahrzehnten bildet zum Beispiel die Solislauer Kirche, für welche die Stadtgemeinde Mies das Patronatsamt bildet, ein stetes Kampfobjekt, da die Solislauer eine eigene Pfarrei in Solislau errichten wollen. Sie erhoffen, mit derselben einen tschechischen Kampfpfarrer zu bekommen, der die ganze Gegend durch seinen Einfluß tschechisieren könnte. Es wurde Geld für die Errichtung der Pfarrei gesammelt […] und die Pilsner Stadtgemeinde hat das Protektorat über diese Sammlung übernommen, weil sie später das Patronatsamt der Kirche will.154

Diese Schilderungen belegen eine offensichtliche Ähnlichkeit der Handhabung der kirchlich-sprachlichen Differenzierung mit der Auseinandersetzung um die Schulen. Die Forderungen nach der Einführung tschechischsprachiger Gottesdienste und eine sprachliche Abschottung mit besonderer Rücksicht auf die Schulkinder, sodass etwa Schulmessen nunmehr getrennt besucht werden sollten, stieß in Böhmen auf keine prinzipielle Ablehnung der katholischen Kirche. So regelte z. B. im südböhmischen Thurmplandles (Věžovatá Pláně) das Budweiser bischöfliche Konsistorium die Verhältnisse so, „dass Montag, Mittwoch und Freitag bei der Schulmesse deutsch, Dienstag und Sonntag böhmisch gebetet und gesungen wird[.]“155 Beide Schulvereine hatten von Anfang an den Anspruch, die Kirche für den eigenen nationalen Bedarf auf lokaler Ebene möglichst effektiv zu nutzen. National bewusste Pfarrer, die die örtliche Kirchensprache prägen konnten, waren neben dem Lehrer von eminenter Bedeutung. Zwar hatten die nationalen Schutzvereine keinen Einfluss auf die Pfarrerversetzungen, sie waren sich jedoch der nationalen Bedeutung dieser Verschiebungen bewusst, zumal im Unterschied zur Schule der Pfarrer ein theoretisch weit größeres Wirkungsgebiet hatte, wobei in vielen umstrittenen Orten der ländlichen Sprachgrenze zwar zwei nationale Schulen bestanden, doch aber in der Regel nur eine (katholische) Kirche. Die allmähliche Durchsetzung des Tschechischen in den Matriken und bei Gottesdiensten sowie Versetzungen tschechischer Pfarrer in mehrheitlich deutschsprachige Gebiete brachten im nationalen Schulkampf die katholische Kirche wiederum eher auf die tschechische Seite des nationalen Kampfes und sorgten wiederum für eine weitere Entfernung vom DSV, der sich von „sla-

154 Brief der DSV-Ortsgruppe Mies (Stříbro) an die DSV-Hauptleitung in Wien vom Mai 1913. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, Deutscher Schulverein, Böhmen und Mähren, Kart. 13, Fasz. Solislau. 155 Brief der Statthalterei in Böhmen an das Ministerium für Kultus und Unterricht vom 25.8.1909. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 58.

112  4 Unpolitische Vereinspolitik?

wischer Unersättlichkeit und klerikaler Herrschsucht“ umgeben sah.156 Der deshalb verbreitete Eindruck, „dass die Deutsch-Klerikalen ihr Volk verrathen und sich an die Seite der Slaven stellen“, führte dazu, dass die „Los-von-Rom-Bewegung“ zum Programm der Alldeutschen Schönerers wurde157 und auch allgemein unter den Deutschnationalen Beachtung fand.158 Während in den Anfängen einerseits die Zusammenarbeit des DSV mit katholischen Kreisen nahezu ausgeschlossen war, hatte die ÚMŠ wichtige Unterstützer seitens der katholischen Geistlichkeit wie auch von Seiten des konservativen Lagers.

156 MDSV, Nr. 62/1901, S. 28. 157 Vgl. Abschrift des Programmaufrufs der Alldeutschen von 1898. In: KAISEROVÁ, Kristina. Konfesní myšlení českých Němců v 19. a počátkem 20. století. Úvaly u Prahy: 2003, S. 82. 158 VRBA, Rudolf. Oesterreichs Bedränger. Die Los-von-Rom-Bewegung: Studien über politische, religiöse und sociale Zustände der Gegenwart. Prag: 1903, S. 229.

5 Nationale Schulvereine und der Staat Zwei konkurrierende nationale Bewegungen in einem sich als anational definierenden Staat zwangen letzteren in die Rolle eines unabhängingen Arbiters, dessen Neutralität den beiden Bewegungen jedoch stets ein Dorn im Auge war. Sie waren zwar bestrebt, dem Staat ihre Loyalität zu bekunden, wovon sie sich die Stärkung des jeweils Nationalen auf Staatsebene erhofften, auf der anderen Seite wurden sie regelmäßig von ihrem nationalen Gegner unpatriotischen oder staatsverräterischen Verhaltens beschuldigt. Beim DSV waren diese Vorwürfe auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit dem Berliner Allgemeinen Deutschen Schulverein nicht leicht zu übersehen, da ersterer oft als Vertreter reichsdeutscher Interessen angesehen wurde – ein Vorwurf also, der aus der habsburgischen Perspektive als sehr konkrete und reale Gefahr gewertet werden konnte. Der problematische großdeutsche Charakter einiger Aktivitäten des DSV war vor allem im ersten Jahrzehnt der Existenz des DSV ein ernstzunehmender Grund für die Staatsorgane und den Wiener Hof, den DSV in Schranken zu halten, wobei auf Initiative des Kaisers Franz Josef I. am 5.3.1885 vom Ministerrat der Anlass zu den von der Regierung durchgeführten Ländergutachten über alle nationalen Schulvereine (inkl. der ÚMŠ) gegeben wurde. Diese im Wesentlichen auf Meldungen über Konflikte mit der öffentlichen Verwaltung bei Hauptversammlungen oder Festlichkeiten und die Agitationstätigkeit basierenden Meldungen bestätigten jedoch bei keinem der untersuchten Vereine die Überschreitung der satzungsmäßigen Vereinszwecke.1 Der DSV beklagte sich wiederholt über die Entfernung der schwarz-rot-goldenen Flagge von seinen Schulhäusern durch die Bezirkshauptmannschaften und wehrte sich mit Rekursen und Beschwerden dagegen.2 Eine entsprechende Resonanz kam der Flaggenbeseitigung auch im Reichsrat zu, wo sich 1888 Viktor Ruß3 im Reichsrat über die ungleiche Behandlung der deutschen und tschechischen nationalen Flaggen beschwerte: „Wenn das Schwarz-rot-gold eines historischen, das heißt gewesenen Staates Bedenken errege, so müßte auch gegen Farben, welche etwa einen Zukunftsstaat andeuten sollen und rot-weißblau sind (Heiterkeit), in derselben Weise vorgegangen werden.“4 Dabei führte auch die Ausgestaltung der DSV-Veranstaltungen mit schwarz-rot-goldenen Flaggen, bei denen in der Regel großdeutsche Lieder wie die „Wacht am 1 STREITMANN, Monika. Der Deutsche Schulverein, S. 80–81. 2 Der Getreue Eckart, Nr. 10/1907, S. 257. 3 Viktor Wilhelm Ruß war Mitbegründer der „Lesehalle deutscher Studenten“ in Prag, Böhmischer Landtags-, Reichsratsabgeordneter und später Herrenhausmitglied. Vgl. ÖBL 1815–1950, Bd. 9. Wien: 1987), S. 334. 4 Budweiser Kreisblatt, Nr. 96 vom 1.12.1888, S. 2. https://doi.org/10.1515/9783110723397-006

114  5 Nationale Schulvereine und der Staat

Rhein“5 angestimmt wurden, zur Interventionen der Staatsorgane gegen den DSV unter dem Verdacht, unerwünschte nationale Leidenschaften zu wecken. 1909 wurde vom Bezirkshauptmann in Krumau (Český Krumlov) beispielsweise ein Programmpunkt in einer Veranstaltung der örtlichen DSV-Frauenortsgruppe mit dem Namen „Huldigung des DSV“, bei der „Schulkinder einer den DSV darstellenden weiblichen Figur ihre Huldigung darbringen [sollten]“, gestrichen, und zwar aus dem Grund, dass „die fragliche Huldigungs-Szene das österreichische patriotische Empfinden verletzen könnte“.6 Gegen die Entscheidung des Krumauer Bezirkshauptmannes Karl Stepan wurde vom DSV Rekurs erhoben und in dieser Angelegenheit wurde vom DSV-Obmann Groß der Minister des Innern interpelliert.7 Um ähnliche Kontroversen zu meiden, wurde die Teilnahme der Soldaten, der Regimentskapellen und vor allem der österreichischen Offiziere an den Veranstaltungen des DSV, in Folge aber auch der ÚMŠ, offiziell untersagt.8 Nicht zuletzt sorgten für diesen illoyalen Eindruck des DSV zunächst die radikalen „Alldeutschen“ um Georg Schönerer, mit denen der DSV zwar 1886 den entscheidenden Bruch machte, doch unterhielt er später Kontakte zum 1891 in Berlin gegründeten Alldeutschen Verband, wobei sich diese Kontakte besonders während des Ersten Weltkrieges intensivierten.9 Das Ausscheiden Schönerers scheint jedenfalls das Ansehen des DSV gerettet zu haben und bewirkte eine nunmehr etwas tolerantere Haltung der Staatsorgane. Dies zeigte sich in symbolischer Weise in der Bergrüßungsrede des Salzburger Landeshauptmanns Graf Sigmund Thun bei der DSV-Hauptversammlung in Salzburg 1886, als er bewusst an die patriotische Pflicht den DSV erinnerte: Mögen die Bestrebungen des Vereines stets von dem warmen und werktätigen Interesse für die Schule und von der Liebe zu unserem österreichischen Vaterland erfüllt sein, […]

5 So z. B. bei der DSV-Hauptversammlung 1888 in Brünn (Brno). Vgl. MDSV, Nr. 27/1888, S. 29. 6 Art. „Ein deutscher Bezirkshauptmann gegen den Deutschen Schulverein“. In: Pilsner Tagblatt, Nr. 96 vom 6.4.1909, S. 1. 7 Interpellation der Abg. Dr. Gustav Groß, Dr. Nitsche und Genossen an den Minister des Innern, betr. das von der Bezirkshauptmannschaft Krumau erlassene Verbot einer Huldigung für den Deutschen Schulverein. Eingebracht in der 18. Sitzung (19. Session) der Legislaturperiode 1907–1911 des Hauses der Abgeordenten des Reichsrats am 7.5.1909. https://alex.onb.ac.at/cgicontent/alex?aid=spa&datum=0019&page=1339&size=45 (30.10.2020). 8 So z. B. betraf das Verbot der Bezirkshauptmannschaft Budweis die Teilnahme der Militäroffiziere an den Sommerfesten des DSV und der ÚMŠ in Budweis (České Budějovice). Vgl. Jihočeské listy, Nr. 12/1906 vom 17.10.1906, S. 1. 9 Korrespondenz mit dem Alldeutschen Verband. ÖStA/HHStA Wien. Nachlass Gustav Groß, Kart. 4.

5 Nationale Schulvereine und der Staat



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dann kann es nicht fehlen, daß sich der Verein, wie um die Jugend, so auch um den Staat und dessen Culturaufgaben wesentliche und dankenswerte Verdienste erwirbt. […].10

Obwohl sich der DSV auf dem Boden des Staates sehen wollte, konnten seine in den Staat gelegten Hoffnungen langfristig nicht erfüllt werden. Jaworski bezeichnet dies als Illusion, nationale Interessen durch einen anationalen Staat erreichen zu wollen.11 Auf der anderen Seite wurde die tschechische Schulagitation am häufigsten destruktiver sozialistischer oder sogar anarchistischer Tendenzen bezichtigt. So argumentierte der Anwalt, der die deutsche Gemeinde Teplitz-Schönau (Teplice-Šanov) vorm Gericht gegen die Erteilung des Öffentlichkeitsrechtes für die dortige tschechische Minoritätsschule mit der Behauptung vertrat, die tschechische Schule sei eine Gefahr für den Staat: Es ist zweifelhaft, ob in den tschechischen Schulen der gleiche österreichische Patriotismus gefördert wird wie in den deutschen. Deshalb würde kein Patriot eine solche Schule unterstützen. Wir wollen keine Brutstätte sozialistischer Agitation. Die Petenten gehören zur niedrigsten Proletariatsebene.12

Diese Behauptungen, die tschechischen Schulen stünden unter sozialistischem Einfluss, etablierten sich auch in der zentralen Politik, als beispielsweise der deutsche Landsmannminister und DSV-Mitglied Gustav Schreiner in einem Brief an das Ministerratspräsidium „den sozialistischen und anarchistischen Charakter der [tschechischen] Minoritätsschul-Agitation“ betonte.13 Diese Argumente verloren jedoch im Zuge der Demokratisierungsprozesse insbesondere zwischen 1897 und 1907 allmählich ihre Kraft und gaben auch keinen besonderen Anlass zur behördlichen Einschränkung der ÚMŠ, die über die gewöhnlichen provisorischen und allgemein gültigen Beschränkungen etwa während des Ausnahmezustands in Prag 1893–1895, hinausgingen.14 Eventuelle Bedenken der Staatsorgane über „panslawistische“ Kontakte scheinen im Falle der ÚMŠ vor 1914 ebensowenig in konkrete Maßnahmen gegen die ÚMŠ umgesetzt worden zu sein, sie waren eher auf andere tschechische Vereine (wie vor allem 10 MDSV, Nr. 19/1886, S. 3. Damit sei die fälschliche Information, es habe sich um die Begrüßung durch den böhmischen Statthalter Franz Thun gehandelt, korrigiert. Vgl. ŠPIRITOVÁ, Alexandra. Ústřední Matice Školská, S. 183. 11 JAWORSKI, Rudolf. Vorposten oder Minderheit, S. 32. 12 Cajthaml-Liberté, František. Škola v Teplicích-Šanově, (undat. Manuskript), S. 2, NA Praha, Nachlass František Cajthaml-Liberté, Kart. 7. [Übersetzung von Mikuláš Zvánovec] 13 Einsichtsakt des Ministeriums für Kultus und Unterricht betreffend die tschechischen Minoritätsschulen vom 5.9.1910, NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Sign. 1910, Kart. 58. 14 VÚMŠ, Nr. 4/1892, S. 95.

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die tschechischen Sokol-Turner)15 bezogen. Entfernungen rot-weiß-blauer Fahnen mit panslawischer Trikolore scheint die ÚMŠ auch nur indirekt betroffen zu haben.16 Die Benutzung dieser Farben war zwar unter den tschechischen Schutzverereinen sehr verbreitet und von der ÚMŠ wurden sie z. B. auf den Sammelbüchsen und Verkaufsgegenständen angebracht, sie bediente sich jedoch im Unterschied zum DSV auch der Landesfarben Böhmens (Rot-Weiß),17 gegen deren Benutzung der Staat nichts einzuwenden hatte. Interventionen der Bezirkshauptmannschaften gegen Veranstaltungen mit einem stark agitatorischen Charakter, wozu etwa die Aufführungen des auf dem Konflikt zwischen der die tschechische Schulerrichtung fordernden tschechischen Minderheit und der Widerstand leistenden deutschen Gemeinde beruhenden Theaterspiels mit dem Titel „Für die böhmische Schule“ gehörten. Die Aufführungen des Stücks wurden z. B. in Kundratitz (Kundratice) und Stezer (Stěžery) durch die Bezirkshauptmannschaft in Starkenbach (Jilemnice) bzw. Königgrätz (Hradec Králové) verboten.18 Obwohl der Name der ÚMŠ in diesem Spiel mehrmals ausdrücklich vorkommt, war für die Organisation der der ÚMŠ nahestehende tschechische Zentrallehrerverband für Böhmen verantwortlich und die ÚMŠ trug somit keine direkte Verantwortung für die damit verbundenen Kontroversen.19 Misst man die Positionen der beiden nationalen Schulvereine am Verhältnis zu den sich als strikt anational definierenden österreichischen Staatsorganen, 15 Zu den Verboten der Sokol-Turnfeste vor 1918 vgl. KUKAŇ, Václav. Sokol a jeho činnost menšinová. Praha: 1922, S. 71–73. 16 Zu Beschwerden über die panslawistische Trikolore vgl. Budweiser Kreisblatt, Nr. 65 vom 15.8.1906, S. 3. 17 Der starke Bezug auf die heraldischen Landesfarben Böhmens zeigen etwa die Rezitationen des Gedichtes Jan Nerudas „Moje barva červená a bílá“ [Meine Farbe Rot und Weiß] bei den ÚMŠ-Hauptversammlungen. Vgl. VÚMŠ, Nr. 12/1886, S. 388. 18 Interpellation des Abgeordneten Lisý und Genossen an den Minister des Innern, betreffend das Verbot der Theathervorstellung „Für die böhmische Schule“ seitens der Bezirkshauptmannschaft in Starkenbach (Jilemnice). Eingebracht in der 98. Sitzung der 18. Session des Hauses der Abgeordneten des Reichsrats vom 1.7.1908, Legislaturperiode 1907–1911. https://alex. onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=spa&datum=0018&page=7857&size=45 (30.10.2020); Interpellation des Abg. Srdínko und Genossen an den Minister des Innern in Angelegenheit des Verbotes der Theathervorstellung „Pro českou školu“ seitens der k. k. Bezirkshaupmannschaft in Königgrätz (Hradec Králové). Eingebracht in der 9. Sitzung der 18. Session des Hauses der Abgeordneten des Reichsrats vom 5.7.1907, Legislaturperiode 1907–1911. https://alex.onb.ac. at/cgi-content/alex?aid=spa&datum=0018&page=1868&size=45 (30.10.2020). 19 Der Grund der Verbote lag sicherlich nicht nur an der Schilderung der Schulverhältnisse in einer extremen Weise, sondern wohl auch an der Einbindung des Bezirkshauptmannes in das Spiel. Vgl. HUBÁLEK, Karel. Pro Českou školu. Obraz ze života české menšiny o třech jednáních, Praha: 1905, S. 73–74.

5 Nationale Schulvereine und der Staat



117

kann man die jeweils eigenen spezifischen Optionen und Grenzen beider Bewegungen klar verfolgen. Die Wahrnehmung des DSV als einer außenpolitischen Bedrohung ließ zwar nach dem Bruch mit Schönerer etwas nach, doch blieben auch später die Staatsorgane, und insbesondere die Bezirkshauptmannschaften, gegenüber dem DSV äußerst skeptisch. Im Falle der ÚMŠ scheinen die Vorwürfe einer sozialistischen Agitation eher harmlos und gewissermaßen auch grundlos zu sein, da die ÚMŠ auch außerhalb der „Arbeitergebiete“ tätig war und von ihrer Zusammensetzung her alles andere als ein sozialistischer oder anarchistischer Verein sein konnte. Auch deshalb scheinen die Einschränkungen der Staatsorgane wie etwa die Entfernungen von schwarz-rot-goldenen Symbolen den DSV direkter zu betreffen, als es im Falle der ÚMŠ war. In diesem Sinne blieben auch die regelmäßigen Kontakte mit dem ADSV/VDA für den DSV ein Verhängnis. DSV-Wanderlehrer bereisten Städte im Deutschen Reich und schilderten in ihren Vorträgen die „Lage des Deutschtums“ im Habsburgerreich.20 Auf der anderen Seite in Cisleithanien gab es kontroverse Empfänge reichsdeutscher Gäste in „national bedrohten“ Orten der Sprachgrenze. Diese wurden von den deutschen Gemeinde- und Vereinsvertretern in Empfang genommen, haben Vorträge gehalten und besichtigten Schulen und Kindergärten. Besichtigungen öffentlicher Schulen durch Ausländer ohne schulbehördliche Bewilligung wurden schließlich wegen dieser problematischen Besuchen aufgrund des Erlasses des Ministeriums für Kultus und Unterricht seit 1910 untersagt und dem Landessschulrat vorbehalten.21 Jedenfalls war die österreichische Staatsmacht weit davon entfernt, sich hinter eine der zerstrittenen Parteien zu stellen, und auch individuelle Vorlieben der einzelnen Amtsträger für die eine oder andere nationale Seite scheinen hier keine wesentliche Rolle gespielt zu haben. Der anationale Charakter des österreichischen Staates musste jedoch zwangsweise die in den Staat gelegten Erwartungen der Schulvereine enttäuschen.22 Zwar blieb die ÚMŠ von den Interventionen der Bezirkshauptmannschaften nicht ganz unberührt, doch stellten

20 Sekr aktiv war in dieser Hinsicht der DSV-Wanderlehrer Karl Sonnenberg. Vgl. Deutsche Böhmerwaldzeitung, Nr. 22 vom 29.5.1908, S. 172. 21 Zuschrift der ÚMŠ an das Ministerium für Kultus und Unterricht über die Reise von 7 Personen aus dem Deutschen Reich nach Braunbusch (Prapořiště) vom 21.5.1910. NA Praha, Ministerstvo kultu a vyučování Vídeň, ÚMŠ, Kart. 35. 22 Interpellation der Abgeordneten Professor Dr. Drtina, Hofrat Professor Dr. Jar. Čelakovský, Dr. Ant. Hajn, Franz Chaloupka und Genossen an Seine Exzellenz den Herrn Minister für Kultus und Unterricht, betreffend die Errichtung einer böhmischen Schule in Seestadtl. Stenographisches Protokoll, 98. Sitzung der 18. Session des Hauses der Abgeordneten des Reichsrats vom 1.7.1908, Legislaturperiode 1907–1911. https://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=spa&datum=0018&page=7857&size=45 (30.10.2020)

118  5 Nationale Schulvereine und der Staat

ihre Existenz und ihr Einfluss, zumal in der Agitation der ÚMŠ keine Spur von irredentistischem Panslawismus gefunden werden konnte, keine ernste Gefahr für den Staat vor 1914 dar. Auch was die verwendeten Farben anbelangt, als der DSV die schwarz-rot-goldenen Farben direkt in sein Wappen aufnahm, hatte die ÚMŠ mit der gleichzeitigen Benutzung von Rot-Weiß und Rot-Weiß-Blau einen größeren Spielraum gegenüber den Staatsbehörden.

5.1 Der Große Krieg Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde die größte Blütezeit aller nationalen Schutzvereine in Cisleithanien beendet. Durch den Krieg rückten Schulfragen wie auch allgemeine Fragen des deutsch-tschechischen nationalen Ausgleichs in den Hintergrund, und auch die Schulvereine sahen sich nun genötigt, ihre Tätigkeit vor allem auf die kriegsbedingte Wohlfahrtspflege zu lenken. Der Kriegslage Österreich-Ungarns entsprechend musste auch die nationale Agitation höheren Interessen der staatlichen Einheit im Krieg weichen. Die gewöhnlichen Sammlungen für Schulzwecke wurden deshalb etwas reduziert und durch Sammlungen für die Waisen-, Veteranen- oder Kriegsfürsorge oder für das Rote Kreuz ergänzt. Auch deshalb konnten Sammlungen direkt im Feld für die Zwecke der Schulvereine erfolgen.23 Tara Zahra beschrieb im Detail die Prozesse der Aneignung sozialer Dienste durch die sich immer mehr in die Position staatstragender Akteure drängenden nationalen Schutzvereine, die durch ihre Tätigkeit das Potenzial einer sozialen Revolution in die nationalen Revolutionen teilweise zu verwandeln vermochten, was eine enorme Ausbreitung des jeweiligen nationalen Einflusses auf die Bevölkerung vor Ort ermöglichte. Die Sozialprogramme der Schutzvereinsstrukturen gelangten während des Krieges in ein Konkurrenzverhältnis zum Staat, was sich etwa an der Abneigung der Schutzvereine gegenüber dem 1917 gegründeten Ministerium für soziale Fürsorge zeigt, das auf der von den Schutzvereinen bereits geschaffenen Infrastruktur aufbaute und von dieser in der Tat abhängig war.24 Die Kriegserklärung von 1914 brachte somit für die Schulvereine eine Reihe neuer Herausforderungen. Neben dem Rückgang der Mitgliederzahlen und Einnahmen sahen sie sich auch der Konfiskation der Schulgebäude für militärische Zwecke (auch Schulschließungen oder -beschränkungen) und dem Einrücken aktiver Mitglieder und Lehrer ins Militär ausgesetzt.

23 Der Getreue Eckart, Nr. 6/1918, S. 148, 223. 24 ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 81–103.

5.1 Der Große Krieg



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Der DSV und die ÚMŠ waren sich in der Tat auch darin einig, dass durch den Krieg eine endgültige Lösung des nationalen Konfliktes eintreten wird, und nach einem herbeigesehnten Sieg die bis dahin unerfüllten nationalen Forderungen endlich ihre Verwirklichung finden. Abgesehen von den kriegsbedingten Beschränkungen der Vereinstätigkeit schien insbesondere die Annäherung Österreich-Ungarns ans Deutsche Reich die Vorstellungen des DSV zu begünstigen. Der Krieg an der Seite des Deutschen Reiches stärkte den DSV ebenso wie auch die Versuche der Umdeutung der Waffenbrüderschaft in eine Volksgemeinschaft, wobei der DSV maßgeblich daran interessiert war, die Wahrnehmung des Krieges in diesem Sinne zu beeinflussen. Somit bot der Krieg die einzige Chance, wirtschaftliches, politisches und nationales Interesse in einer gemeinsamen Zielrichtung aufzuheben und somit eine gesamtdeutsche Identität zu erlangen.25 Vom Beginn des Krieges an waren die Persönlichkeiten um den DSV wie Gustav Groß jr., der zugleich Obmann des parlamentarischen Deutschen Nationalverbandes war, in die Verhandlungen über Reformpläne für die nationale Umgestaltung Cisleithaniens eingebunden. Diese Pläne für die Nachkriegszeit basierten auf dem schon traditionell geforderten Teilungsprinzip, aber auch auf einer engeren Bindung ans Deutsche Reich. In einem Brief Groß’ an „ergebene Freunde“ stellte der DSV-Obmann seine zwei wichtigsten Grundsätze einer Neuregelung der Verhältnisse vor. Zu den Prioritäten gehörte die Stärkung und Institutionalisierung der Beziehungen zum Deutschen Reich bei gleichzeitiger Wahrung der österreichischen Souveränität etwa in Form der Einführung eines erweiterten Bundesrats für beide Reiche und die Verankerung des Deutschen als Staatssprache.26 Zusammengefasst wurden diese Programmpunkte 1916 in der „Osterbegehrschrift“ des Deutschen Nationalverbandes.27 Begünstigt durch die neuen Verhältnisse verwandelte sich die Agitation des DSV umgehend in eine glühende Kriegspropaganda. Dies blieb freilich nicht ohne Einfluss auf die Vereinszeitschriften „Der getreue Eckart“ und die seit 1911 herausgegebenen „Wochenberichte des DSV“. Außerdem gründete der DSV zu diesen Zwecken auch noch eine neue Propaganda-Zeitschrift, „Der Große Krieg“, in der während der ganzen Kriegszeit überwiegend kriegerische Gedichte, Erzählungen, Marschlieder und Aufforderungen zur Zeichnung von Kriegsanleihen veröffentlicht wurden. Aufrufe zum Durchhalten und die Ermahnung, den DSV in der Kriegszeit nicht zu vergessen, waren der wichtigste Inhalt dieser

25 JAWORSKI, Rudolf. Vorposten oder Minderheit, S. 36. 26 Brief von Gustav Groß an Mitglieder des Deutschen Nationalverbandes vom 23.8.1914. ÖStA/HHStA Wien, Nachlass Gustav Groß, Kart. 4. 27 BROUCEK, Peter. Karl I. (IV.): der politische Weg des letzten Herrschers der Donaumonarchie. Wien: 1997, S. 175.

120  5 Nationale Schulvereine und der Staat

Meldungen. Die bisher verkauften Vereinsprodukte wie Ansichtskarten und Briefmarken bzw. an die neuen Verhältnisse angepasste Kriegskarten und Kriegsbriefmarken wurden weiterhin feilgeboten.28 Dazu kamen noch etwa die Kriegsliederbücher, verschiedene Bildnisse bedeutender Persönlichkeiten (wie z. B. von Bismarck, Goethe und Schiller) oder etwa als farbige Steinzeichnungen konzipierte Gedenkblätter für gefallene Soldaten.29 Von weiteren Verkaufsgegenständen des DSV seien noch genannt: Jahrbüchlein für die deutsche Jugend, Kunst-Wandbilder „Deutsch sein“ und „Friedensgebet“, Sammelmappen z. B. für Feldpostkarten und Vereinszeitschriften sowie Zigarettenhülsen. Zu einem besonders interessanten Verkaufsprodukt des DSV gehörte ein Standbild des Deutschen Michels – einer traditionellen Personifizierung angeblich typischer deutscher Eigenschaften, der trotz dessen früheren eher leicht pejorativen Versinnbildlichungen als dicker schläfriger Mann mit Schlafmütze zu einem erwachten muskulösen Krieger wurde, der als „eine wahrhaft bewundernswerte Verkörperung vornehmen deutschen Machtbewusstseins und brutalen englischen Machthungers“ verkauft wurde und je nach Wunsch mit der Aufschrift „Gott strafe England“ versehen werden konnte.30 Während der Kriegsbeginn als „fleeting moment of empowerment“31 für die deutschen Nationalisten bezeichnet werden kann, scheint bei der ÚMŠ diese aufrichtige Kriegsbegeisterung keine Nachahmung gefunden zu haben. Im Gegenteil, die ÚMŠ zog sich vom öffentlichen Leben deutlich zurück und beschränkte die Herausgabe ihrer Druckschriften. Bereits mit der Kriegserklärung wurde die Herausgabe der Vereinszeitschrift eingestellt. Argumentiert wurde dabei mit finanziellen Schwierigkeiten. In der Nachkriegszeit wurde jedoch diese Maßnahme damit begründet, dass man einerseits den Krieg nicht verherrlichen und sich nicht an der deutschen Weltherrschaft beteiligen wollte und andererseits auch einen Konflikt mit der Staatsmacht vermeiden wollte.32 Das Angebot an Verkaufsprodukten musste auch deshalb maßgeblich beschränkt werden, da „einigen [Verkaufsgegenständen] im Krieg eine andere Bedeutung zuteil werden könnte, als diesen eigentlich zustand“33 und die ÚMŠ hat schließlich keine speziellen kriegsbezogenen Verkaufsgegenstände distribuiert. Einige Verkaufsprodukte, wie z. B. Ansichtskarten und nationale Opferkarten, die etwa die rot-weiß-blaue (slawische) Trikolore enthielten, wurden von den Behörden

28 29 30 31 32 33

Der Große Krieg, Nr. 1/1914, S. 24. Der Große Krieg, Nr. 6/1915, S. 21. Der Große Krieg, Nr. 11/1916, S. 23. ZAHRA, Tara, Kidnapped souls, S. 104. VÚMŠ, Nr. 1/1922, S. 1. Národní listy, Nr. 188 vom 9.7.1916, S. 1.

5.1 Der Große Krieg 

121

konfisiziert und mussten durch neue ersetzt werden.34 Die Einstellung der ursprünglichen Sammlungen wurde 1916 vor allem durch eine „Millionen-Sammelaktion“ der Zeitung „Národní listy“ für die ÚMŠ oder etwa eine Subvention der Zeitung „Národní Politika“ ersetzt, von denen die beschränkte Tätigkeit der ÚMŠ bezahlt wurde.35 1917 wurde sogar an die Zusammenlegung mit dem Komenský-Verein in Wien gedacht, um den Zustand des tschechischen Schulvereinswesen zu verbessern.36 Trotzdem verhielt sich die ÚMŠ gegenüber dem Staat möglichst loyal und stellte ähnlich wie der DSV z. B. die eigenen Schulgebäude zur eventuellen militärischen Verwendung zur Verfügung.37 Der Wettbewerb um die Gunst des Staates, den die Schulvereine lange Zeit vor 1914 miteinander ausgetragen hatten, schien im Augenblick zugunsten der deutschen Seite entschieden zu sein. Der plötzliche Loyalitätsgewinn des DSV bedeutete in der Folge einen raschen Loyalitätsverlust der ÚMŠ. Die sich zurückhaltende tschechische Seite wurde immer mehr zum Objekt von Verdächtigungen und Beschuldigungen. Dass dies jedoch keine Folge offener antistaatlicher Tätigkeit oder Äußerungen der tschechischen Seite war, belegen auch Historiker, die sogar vom Mythos der tschechischen Opposition gegenüber dem Staat sprechen, der vor allem gerade durch die durch den Krieg geschaffenen neuen Rahmenbedingungen von den deutschen Nationalisten kreiert wurde und sich auf das Misstrauen des Staates gegenüber den tschechischen Organisationen auswirkte.38 Auch wenn 1916 die ÚMŠ an einen wirtschaftlichen Abgrund gelangte,39 behielt sie ihre national-politische Bedeutung vor allem dank der Einbindung in die Aktivitäten der am 19.11.1916 gebildeten tschechischen politischen Organisationen, nämlich des parlamentarischen Tschechischen Verbands [Český svaz] und des Tschechischen Nationalausschusses [Český národní výbor]. So beteiligte sich die ÚMŠ etwa am „Aufruf an die tschechischen Mütter“ von 1917, in dem die vom Tschechischen Verband bereits bei seinem Gründungsmanifest hervorgehobene Forderung nach der Unteilbarkeit der historischen Länder der Böhmischen Krone einen besonderen Akzent fand.40

34 Národní listy, Nr. 51 vom 20.2.1916, S. 4. 35 NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 690. Kart. 60. Niederschrift von der Hauptversammlung der ÚMŠ 1920, S. 1. 36 VALEŠ, Vlasta. Der Schulverein Komenský, S. 38. 37 Zuschrift des Bezirksschulrates in Brüx (Most) an die ÚMŠ vom 28.08.1914. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 716, Kart. 90. 38 Z. B. ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 84–85. 39 ŠPIRITOVÁ, Alexandra, Ústřední Matice Školská, S. 187. 40 NA Praha, ÚMŠ, Dokument Ústřední Matice Školská, Inv.-Nr. 701–711, Kart. 59.

122  5 Nationale Schulvereine und der Staat

ÚMŠ-Vertreter fanden sich auch unter den tschechischen Landtags- und Reichsratsabgeordneten, die im Rahmen der sog. „Drei-Königs-Deklaration“ 1918 gegen die Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk auftraten und eine Autonomie für die Tschechen und Slowaken im Rahmen Österreich-Ungarns verlangten.41 Der DSV stand hingegen den deutschen Initiativen zur Errichtung selbstständiger deutscher Provinzen (Deutschböhmen, Sudetenland, Böhmerwaldgau, Deutschsüdmähren) nahe, die von den aus den Partnervereinen hervorgegangenen Persönlichkeiten wie z. B. Rudolf Lodgmann von Auen (Zentralstelle der deutschen Bezirke Böhmens), Raphael Pacher (Bund der Deutschen in Böhmen) und Gustav Peters (Deutscher Volksrat für Böhmen) geführt wurden. Die vorgesehene Regierungsverordnung über die Kreiseinteilung im Rahmen der Verwaltungs- bzw. Verfassungsreform zu Ende des Ersten Weltkrieges lehnten beide Vereine ab, da sie vor allem den Verlust der Minderheiten zugunsten der fremdnationalen Mehrheit nicht akzeptieren konnten.42

41 URBAN, Otto. Die tschechische Gesellschaft, S. 842–900. 42 Der Getreue Eckart, Nr. 6/1918, S. 131; Neue Freie Presse, Nr. 19401 vom 30.8.1918, S. 6.

6 Nationale Schutzarbeit vor Ort Die konkrete Schulvereinstätigkeit, die zur Kodierung der Orte und Landschaften mit nationalen Geschichten beitragen wollte,1 bestand nicht nur aus Schulerrichtungsanträgen und deren Vorbereitung, sondern es handelte sich dabei viel mehr um eine breit angelegte Arbeit, die all jene Angelegenheiten miteinbezog, die zur Erfüllung der legislativ gegebenen Bedingungen bezüglich des Minoritätsschulwesens hätten beitragen können. Diese Tätigkeit war stets mit einem enormen agitatorischen, organisatorischen sowie bürokratischen Aufwand verbunden. Während konkrete Schulkämpfe als Kern der Auseinandersetzung im Schulwesen anzusehen sind, ist es der wirtschaftliche Bereich, d. h. die finanzielle und wirtschaftliche Sicherung durch die konationale Umgebung, der die unentbehrliche Vorstufe für alle Minderheitsaktivitäten darstellt. Begleitet wurde der zähe Kampf um die Schulkinder von verschiedensten Veranstaltungen mit „volksbildendem“ Charakter, die einerseits die Rolle der nationalen „Aufklärung“ und andererseits die als Machtdemonstration gedient hatten oder zumindest so empfunden wurden. Die Erfüllung des Vereinszweckes hing von weiteren Tätigkeitsbereichen ab, die von der Volkszählungsstatistik über die Werbung und Agitation für die Schule und bei Wahlen bis hin zu Konfliktsituationen mit Herausreklamationen, Demonstrationen, Schulstreiks und weiteren radikalen Lösungen reichte.

6.1 Volkszählungen als Basis für Schulerrichtungen Statistische Erhebungen, die vor allem die Feststellung der Zahl der Einwohner und deren Besitzes zum Ziel hatten, sind weit davon entfernt, eine Erfindung des 19. Jahrhunderts zu sein, denn konskriptorische Evidenzen verschiedener Art reichen weit ins Altertum zurück. Die unmittelbaren Vorgänger der modernen Volkszählungen im Habsburgerreich sind in den seit 1754 durchgeführten regelmäßigen behördlichen Konskriptionen zu sehen. Doch erfuhren diese Konskriptionen nach 1848 eine schrittweise Modernisierung, wobei nach dem Gesetz vom 29.3.1869 seit 1880 die Volkszählungen nach den vom belgischen Statistiker Lambert Quetelet erstellten modernen Prinzipien unter Einbeziehung detaillierter Erhebungskategorien wie etwa der Kenntnis des Lesens und Schrei1 JUDSON, Pieter. Versuche um 1900, die nationale Sprachgrenze sichtbar zu machen. In: CSÁKY, Moritz – STACHEL, Peter (Hrsg.). Die Verortung von Gedächtnis. Wien: 2001, S. 168– 169. https://doi.org/10.1515/9783110723397-007

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bens oder der „Umgangssprache“ durchgeführt werden konnten. Gerade Letzteres, wie noch im Folgenden zu zeigen sein wird, wurde zu einer sehr umstrittenen Erhebungskategorie, die sich durch die Absenz einer rechtlichen Definition und durch die Unklarheit des Verhältnisses zwischen „Umgangssprache“ und „Nationalität“ auszeichnete. Des Weiteren ignorierte das Gesetz gänzlich den zu der Zeit noch weit verbreiteten Bilingualismus, so dass die Eintragung von mehr als nur einer Umgangssprache nicht möglich war.2 Auf das problematische Junktim zwischen Umgangssprache und Nationalität sowie darauf, dass die Umgangssprache vielmehr Sache des sozialen Kontextes ist, wiesen konstruktivistische Historiker hin und zeigten daran die problematischen Aspekte des sog. „nation-building“.3 Jedenfalls basierte auf dieser Konstruktion bereits bei den ersten Sprachenerhebungen 1880 und 1890 die Idee des kollektiven Nationalvermögens, bekannt als „nationaler Besitzstand“, den es im jeweiligen nationalen Territorium zu beschützen, und falls er einmal bereits verloren wurde, wiederzugewinnen galt. Bei praktischer Durchführung der Volkszählungen tritt wieder einmal die wichtige Rolle der Gemeinden hervor. Die Gemeindeämter waren für die Bestellung der Zählungskommissare zuständig, die nach der Bewilligung deren Ernennung durch die Bezirkshauptmannschaft die Volkszählung persönlich von Haus zu Haus vorzunehmen hatten und deshalb potentiellen Einfluss auf die Eintragung in die Liste nehmen konnten. Sollte es aus verschiedensten Gründen zur Ernennung des Kommissars nicht kommen, oblag die Ernennung der Bezirkshauptmannschaft ebenso wie die gesamte Aufsicht über die Durchführung der Zählung. Deshalb wurde die Wahl des Zählungskommissars oft zu einer lokalen Kontroverse.4 Z. B. in Bergreichenstein (Kašperské Hory), wo zum Zählungskommissar ein bereits wegen nationaler Übergriffe vorbestrafter Stadtbeamter bestellt wurde, wurde erst auf Eingreifen des Abgeordneten Antonín Hubka die Ernennung von der Bezirkshauptmannschaft aufgehoben. Ähnliches wurde im Falle des Zählungskommissars in Krotiv (Krotějov) versucht, wo die Ernennung des dortigen Lehrers Zierhut zum Zählungskommissar auf Beschwerde der tschechischen Seite von der Bezirkshauptmannschaft aufgehoben wurde. Auf den Rekurs der Gemeinde zur Statthalterei ist jedoch Zierhut erneut 2 JUDSON, Pieter. Guardians of the Nation, S. 27; KING, Jeremy. Nationalization of East Central Europe. In: BUCUR, Maria – WINGFIELD, Nancy M. (Hrsg.). Staging the Past: The Politics of Commemoration in Habsburg Central Europe, 1848 to the Present. West Lafayette: 2001, S. 128. 3 Z. B. JUDSON, Pieter. “Not another square foot.” German Liberalism and the Rhetoric of National Ownership in Nineteenth-Century Austria. In: Austrian History Yearbook, Nr. 26/1995, S. 91. 4 Für ausführliche Details zum Thema Volkszählungen vgl. KLADIWA, Pavel [u. a.]. Národnostní statistika v českých zemích 1880–1930: Mechanismy, problémy a důsledky národnostní klasifikace. I. Teil. Ostrava: 2016, S. 73–108.

6.1 Volkszählungen als Basis für Schulerrichtungen



125

zum Zählkommissar ernannt worden.5 Deshalb wurde die Tätigkeit der Gemeinden und der Bezirksbehörden von den nationalen Schutzvereinen aufmerksam verfolgt, die sich vor jeder Volkzählung in die Vorbereitungen vor allem dort einmischten, wo der Verdacht bestand, der Zählungsvorgang könnte inkorrekt oder für die eine oder die andere nationale Partei zu Unrecht begünstigend bzw. benachteiligend ausfallen. Konkret betätigte sich hier insbesondere der Deutsche Volksrat für Böhmen und der Tschechische Nationalrat (NRČ) und zwar mittels Einflussnahme durch umfangreiche Korrespondenz, Flugblätter und Rundschreiben an die Gemeindeämter, aber auch an die Arbeitgeber.6 Bei der Volkszählung 1910 nutzte der Deutsche Volksrat für Böhmen aktiv seine lokalen Zweigstellen (die sog. Ortsräte), um deutsche Gemeindeverwaltungen zur verantwortungsvollen Übernahme aller Zählungsgeschäfte zu bringen, so dass die Gemeinde ihre Verantwortlichkeit durch eine etwaige Ablehnung der Mitarbeit „einem dem Deutschtum nicht immer holden k. k. Amtsorgane, dessen Arbeit schliesslich aus dem Gemeindesäckel schwer bezahlt werden muss, [nicht überlässt]“.7 Mit dem Zweck, den eventuellen unerwünschten Richtigstellungen der Volkszählungsergebnisse durch die Staatsorgane standhalten zu können, instruierte der Volksrat die Gemeinderäte zur Ausfertigung und sofortigen Rücksendung von Abschriften der ausgefüllten Formulare an den Volksrat ebenso wie zur Durchführung einer Probezählung bei „nichtdeutschen und unverlässlichen Familien, um sich über deren Verhältnisse noch vor der eigentlichen Volkszählung zu orientieren“.8 Letztere Maßnahme soll deutscherseits auch dazu dienen, rechtzeitig vor der Volkszählung auf diejenigen „Tschechen, die sich doch meist in einer von den Deutschen wirtschaftliche [sic!] abhängigen Stellung befinden, in zweckentsprechender Weise einwirken zu können und auf diesem Wege ein übermässiges Anwachsen der tschechischen Kopfzahl im ge-

5 BAŠTA, Antonín. Z jihočeského boje sčítacího. In: Pošumaví, Nr. 2 vom 28.1.1911. S. 15–16. 6 Die Aufdeckung dieser vertraulichen Anweisungen der Gemeinden wurde entsprechend von der Gegenseite ausgenutzt und als Beweis der Zählungsbeeinflussung präsentiert. So z. B. gelangen 1910 Zirkulare des Deutschen Volksrates für Böhmen in die Hände des Tschechischen Nationalrates [Národní rada česká]. BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 259, 275, 308. 7 Weisungen des Ortsrates Komotau (Chomutov) des Deutschen Volksrates für Böhmen an alle Bürgermeister und Gemeindeämter des politischen Bezirks Komotau (Chomutov) vom 7.11.1910. Archiv města Ervěnice. SOkA Chomutov se sídlem v Kadani. Inv.-Nr. 446 Spolky, Kart. 87. Anbei wurde gleich ein Rekurs-Muster gegen die eventuelle behördliche Bestellung eines Zählkommissars geschickt. 8 Weisungen des Ortsrates Komotau (Chomutov) des Deutschen Volksrates für Böhmen an alle Bürgermeister und Gemeindeämter des politischen Bezirks Komotau (Chomutov) vom 7.11.1910. Archiv města Ervěnice. SOkA Chomutov se sídlem v Kadani. Inv.-Nr. 446 Spolky, Kart. 87.

126  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

schlossenen deutschen Sprachgebiete […] hintanzuhalten.“9 Potentielle fremdnationale Agitatoren waren aufzulisten und samt Angaben über Arbeitgeber an den Volksrat weiterzuleiten.10 Um „ein sorgfältiges, im nationalen Sinne günstiges Zählungsergebnis zu erzielen“, hatten die Gemeinden diesen Weisungen zufolge pro 500 Einwohner je einen Zählkommissar zu ernennen. Dies galt jedoch nicht für gemischtsprachige Ortschaften, wo eine höhere Zahl der Zählkommissare vom Volksrat verlangt wurde.11 Zu Zählungskommissaren sollten national verlässliche Menschen werden, die über „vollstes Verständnis für die Tragweite der Volkszählung in nationaler Beziehung“ verfügten, deren Rekrutieren vor allem aus der örtlichen Lehrerschaft vorausgesetzt wurde.12 Die ernannten Zählungskommissare wurden vor der Volkszählung im Rahmen einer Versammlung umfangreich instruiert, erhielten auch eine nähere Anweisung zum konkreten Zählungsvorgang, und in Einzelfällen und auf Anfrage der Gemeinde wurde ihnen sogar eine speziell geschulte „Hilfskraft“ zur Verfügung gestellt.13 Schwieriger für die nationalen Schutzvereine war die Arbeit in denjenigen Orten, wo die Gemeinde keinen konationalen Verbündeten darstellte und wo jedwede Aktivität gänzlich von gleichgesinnten Aktivisten vor Ort abhing. Der NRČ führte ebenfalls private Volkszählungen durch, mit diesen konnte er aber viel weniger als der Volksrat direkt die Gemeinderäte beauftragen, deshalb wur9 Brief des Ortsrates Komotau des Deutschen Volksrates für Böhmen an das Bürgermeisteramt Seestadtl (Ervěnice) vom 3.5.1910. Archiv města Ervěnice, SOkA Chomutov se sídlem v Kadani. Inv.-Nr. 446 Spolky, Kart. 87. 10 Brief des Ortsrates Komotau des Deutschen Volksrates für Böhmen an das Bürgermeisteramt Seestadtl (Ervěnice) vom 3.5.1910. Archiv města Ervěnice. SOkA Chomutov se sídlem v Kadani. Inv.-Nr. 446 Spolky, Kart. 87. 11 Weisungen des Ortsrates Komotau des Deutschen Volksrates für Böhmen an alle Bürgermeister und Gemeindeämter des politischen Bezirks Komotau vom 7.11.1910. Archiv Města Ervěnice, SOkA Chomutov se sídlem v Kadani. Inv.-Nr. 446 Spolky, Kart. 87. 12 Außer den Lehrern wurden sonst auch Stadtbeamte, Polizisten oder Bürgermeister zu Zählungskommissaren ernannt. Vgl. BAŠTA, Antonín. Z jihočeského boje sčítacího. In: Pošumaví, Nr. 2 vom 28.1.1911, S. 15–16. Wegen der oft offenkundigen nationalen Haltung der zu Zählungskommissaren ernannten Lehrpersonen und den damit verbundenen Kontroversen wurde auf Anfrage der böhmischen Statthalterei vor der Volkszählung von 1900 vom Innenministerium die Ernennung von Lehrern zu Zählkommissaren in national umstrittenen Gebieten offiziell verboten. Diese Maßnahme wurde jedoch vor der nächsten Volkszählung von 1910 wieder aufgehoben. Vgl. BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 270. 13 So instruierte der Deutsche Volksrat für Böhmen die Bevölkerung im Gebiet von Dux (Duchcov) und Bilin (Bílina), beim Spracheneintrag ausdrücklich nur „deutsch“ zu schreiben. So hieß es: „Jede andere Eintragung als nur deutsch kommt nationalem Verrate gleich.“ Flugschrift an die Bevölkerung vor der Volkszählung 1910. Abgedruckt in BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 306.

6.1 Volkszählungen als Basis für Schulerrichtungen



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de eine dem NRČ nahestehende Sonderkommission ernannt, die mithilfe der lokalen Vertrauensmänner die Privatzählung durchzuführen hatte.14 Die vielen mit der Zählung mehr oder weniger zusammenhängenden „national wichtigen“ Aspekte wurde gerade auf andere Vereine wie den Tschechischen Nationalrat und den Deutschen Volksrat für Böhmen übertragen, wodurch die großen und etablierten deutschen und tschechischen Vereine von der Verantwortung unbelastet blieben. So sorgte etwa die „Deutschböhmische Städtekanzlei“ für eine Anweisung an die Gemeinden im Gerichtsbezirk Brüx (Most), dass sie die tschechischen Ortsnamen in den Erhebungsbögen für die auf den Volkszählungsdaten beruhenden amtlichen Gemeindelexika durchstreichen und als unbekannt und allgemein ungebräuchlich bezeichnen sollten.15 Jedenfalls vermochten es die nationalen Schutzvereine, trotz des massiven organisatorischen Aufwandes, diese konkreten Schritte in der Vorbereitung und Durchführung der Zählung nicht direkt unter ihrem jeweiligen Namen zu betreiben, wodurch die Gefahr einer eventuellen behördlichen Auflösung wegen Nichtbefolgung der Vereinsstatuten erfolgreich vermieden wurde. Die Schulvereine, obwohl sie bei Volkszählungen etwas in den Hintergrund rückten, waren an den Volkzählungen höchst interessiert, denn gerade die Volkszählungsergebnisse gaben Anlass zu neuen Berechnungen zur Errichtung neuer Minoritätsschulen. Sie bildeten die wichtigste Grundlage für die Rechtfertigung und eventuelle Erweiterung bestehender Minoritätsschulforderungen und nicht zuletzt konnten sie stets als Grundlage in die deutsch-tschechischen Ausgleichsverhandlungen bezüglich des nationalen Schulwesens einbezogen werden.16 Im Nachhinein gelangten etliche offizielle Beschwerden an die Behörden und an die Statthalterei wegen unzulässiger Tätigkeit der Gemeinden (meist wegen nationaler Einflussnahme verschiedener Art), der Staatsbehörden17 (meist 14 Rundbrief des Tschechischen Nationalrates vom 15.2.1910. NA Praha, Menšinové museum, Inv.-Nr. 650, Kart. 15. 15 Rundschreiben der Deutschböhmischen Städtekanzlei vom 28.9.1909. Archiv města Ervěnice, SOkA Chomutov se sídlem v Kadani, Inv.-Nr. 446 Spolky, Kart. 87. 16 Durch entsprechende Volkszählungsergebnisse legitimierte z. B. der jungtschechische Politiker und ÚMŠ-Ausschussmitglied Josef Anýž in einem Interpellationsentwurf die Forderungen einer tschechischen Minoritätsschulerrichtung in Seestadtl (Ervěnice). NA Praha, ÚMŠ, Inv.Nr. 783, Kart. 354, Fasz. Ervěnice. Zur Bedeutung der Volkszählungen für die Minoritätsschulforderungen vgl. auch z. B. CORNWALL, Mark. The Struggle on the Czech-German Language Border. In: The English Historical Review, Nr. 109/1994, S. 919. 17 Beschwerden gegen Behörden betrafen z. B. die Verweigerung der Einsichtnahme in Zählungsbögen und wurden zu dieser Zeit vor allem von der tschechischen Seite erhoben. Die Behörden begründeten dies damit, dass die Einsicht in die Zählungsoperate zu agitatorischen Zwecken ausgenutzt werden könnten. Im „Interesse der Erhaltung des nationalen Friedens“ wurde das Gesuch des Reichsratsabgeordneten Antonín Hubka zurückgewiesen. Im Vergleich

128  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

wegen mangelnder Kontrolle), und vor allem wegen der Zählungskommissare bei der Zählung (bewusste Einflussnahmen auf die Zählungsergebnisse).18 Beschwerden gegen die Durchführung der Volkszählung wurden vor allem durch die tschechischen Abgeordneten im Böhmischen Landtag und im Wiener Reichsrat eingebracht. Die Kritik betraf vor allem die Einsprachigkeit der Zählungsbögen,19 den Umgang der Zählungskommissare mit wirtschaftlich abhängigen tschechischen Minderheiten, die Druckausübung (v. a. Kündigungsdrohungen) oder willkürliche Fälschung der Zählungseinträge.20 Ähnliche Vorwürfe finden sich aber auch in jenen größeren Städten, wo das Selbstzählungsprinzip zur Anwendung kam, als die Umgangssprache nach dem Oberhaupt der Familie als „Haushaltsvorstand“ bestimmt wurde.21 Angefochten wurde auch die angebliche Erstellung von Verzeichnissen derjenigen tschechischen Einwohner, die sich zur tschechischen Umgangssprache bekannten – der sog. „Schwarzen Listen“, die die Grundlage für den wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Boykott bildeten und somit die sozialen Unterschiede in den Dienst einer nationalen Diskriminierung stellten.22 Wie bereits erwähnt, hatten die Kämpfe um den nationalen Raum durch die Volkszählungsstatistik zwischen den deutschen und tschechischen nationalen Schutzvereinen, wie auch allen weiteren beteiligten Akteuren, ihren Kern in der dazu wurde trotz schweren Widerstandes des Prager Stadtamtes die Einsicht dem Prager Statistiker Heinrich Rauchberg gestattet. Vgl. BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 291–297.; RAUCHBERG, Heinrich. Der nationale Besitzstand in Böhmen. Leipzig: 1905. 18 Theoretisch war es nach § 30 der Volkszählungsschrift möglich, aus Gründen der nationalen Beeinflussung der Volkszählungen ein Strafverfahren einzuleiten. BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 311. 19 Hier z. B. der Fall Zwug (Zbůch) bei Staab (Stod), wo die nur in deutscher Sprache geführte und eingetragene Zählung tschechischerseits als nichtig erklärt wurde. [Undat. Dokument über die Durchführung der Volkszählung]. NA Praha, Menšinové museum, Inv.-Nr. 650, Kart. 36. 20 Hier betrafen die strittigen Fälle sehr oft die „wirtschaftlich abhängigen“ tschechischen Minderheiten. So sollen z. B. in mehreren Ortschaften im Bezirk Bischofteinitz (Horšovský Týn) alle tschechischen Knechte zur deutschen Umgangsprache angemeldet worden sein, ähnliches soll auch etwa der Lehrer Wenisch in Losau (Lažany) im Bezirk Mies (Stříbro) versucht haben, dieser Versuch soll jedoch in eine Schlägerei gemündet sein. BAŠTA, A. Z jihočeského boje sčítacího. In: Pošumaví, Nr. 2 vom 28.1.1911, S. 15–16. 21 HASLINGER, Peter. Nation und Territorium, S. 142–143. Korrekturen waren nur auf Anfrage eines volljährigen Familienmitglieds möglich. Im Falle des Arbeitsgebers war dies nicht möglich, trotzdem wurden Zählkommissare durch den Deutschen Volksrat für Böhmen angewiesen, die Umgangssprache der Arbeiter und des Dienstpersonals in direkter Anwesenheit des Arbeitgebers zu erheben. Rundschreiben des Bezirksrates Dux-Bilin (Duchcov-Bílina) des Deutschen Volksrates für Böhmen an die Gemeindeämter. Abgedruckt in: BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 273, 304. 22 BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 262, 303.

6.1 Volkszählungen als Basis für Schulerrichtungen



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unterschiedlichen Auffassung dessen, was den eigentlichen Gegenstand der Sprachenerhebung im Rahmen der Volkszählung bildet bzw. bilden sollte. Die deutsche nationale Seite bestand auf dem Begriff „Umgangssprache“, da sie sich davon auch angesichts der wirtschaftlichen Abhängigkeit der tschechischen Minderheiten23 (vor allem des Dienstpersonals, der Arbeiterschaft in Industriebetrieben usw.) und der bei der tschechischsprachigen Bevölkerung allgemein verbreiteten Zweisprachigkeit größere „Erfolge“ bei der angestrebten nationalen Homogenisierung des „geschlossenen deutschen Sprachraums“ erhoffte.24 Von der tschechischen Seite dagegen wurden stets Versuche unternommen, anstelle der „Umgangssprache“ das Bekenntnis25 zur eigenen „Mutterprache“ öffentlich durchzusetzen und ein nationales Selbstbewusstsein einzupflanzen, wodurch auch die Unabhängigkeit der Minderheiten von den deutschen Arbeitgebern gefördert wurde.26 Die tschechische Sichtweise wurde teilweise durch die Erlässe der böhmischen Statthalterei unterstützt, indem sie vor der Zählung im Jahre 1900 eine Anweisung erließ, wonach u. a. Dienstboten die volle „Bekenntnisfreiheit“ genießen sollten. Bei Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmung war es nach wie vor möglich von Amts wegen Korrekturen durchzuführen.27 23 Brief des Ortsrates Komotau des Deutschen Volksrates für Böhmen an das Bürgermeisteramt Seestadtl (Ervěnice) vom 3.5.1910. Archiv města Ervěnice, SOkA Chomutov se sídlem v Kadani, Inv.-Nr. 446 Spolky, Kart. 87. 24 Die deutschen Schutzvereine konnten die Ambition kaum verhehlen, bilinguale Regionen mit deutscher Mehrheit unter der Ägide der deutschen Umgangssprache zu „vereinigen“. JUDSON, Pieter. „Not Another Square Foot!“. German Liberalism and the Rhetoric of National Ownership in Nineteenth-Century Austria. In: Austrian History Yearbook, Nr. 26/1995, S. 92. Dementsprechend gingen einige Gemeinden im „geschlossenen deutschen Sprachraum“ gegen diejenigen Gemeindebewohner vor, die sich zur böhmischen Umgangssprache bekannten. Brief des Bürgermeisteramtes in Brüx (Most) an Karl Čechak, der dazu aufgefordert wurde, seine „falsche“ Angabe im Erhebungsbogen zu korrigieren. Vgl. BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 287. 25 In der Wahrnehmung der Volkszählung als eines Nationalbekenntnisses waren sich die beiden nationalen Gegenseiten einig. KOŘALKA, Jiří. Die Tschechen im Habsburgerreich, S. 127 26 Zur tschechischen Vorstellung, es sei nicht die Umgangs-, sondern die Muttersprache, die zu erheben sei vgl. z. B. CAJTHAML-LIBERTÉ, František. Dějiny útisku českého školství v Podkrušnohoří. (Undat. Manuskript). NA Praha, Nachlass František Cajthaml-Liberté, Kart. 7. Das wurde deutscherseits widerlegt und für die Umgangssprache plädiert. Vgl. z. B. Rundschreiben der Deutschböhmischen Städtekanzlei an die deutschen Stadtämter vom 28.9.1909. Archiv města Ervěnice, SOkA Chomutov se sídlem v Kadani, Inv.-Nr. 446 Spolky, Kart. 87. 27 Brix bewertet diese Maßnahme als ein typisches Ergebnis der Reaktivität der österreichischen Nationalitätenpolitik. Unmittelbarer Anlass für diesen Erlass war die Beschwerde des Reichsratsabgeordneten Karel Baxa bezüglich der Druckausübung des Bürgermeisteramtes in Bodenbach (Podmokly) auf mehrere Staatsbedienstete nach der Volkszählung, ihre Einträge in der Kategorie Umgangssprache zu korrigieren. BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 270–274.

130  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

Alle statistischen Abhandlungen, die im Zeitraum 1880–1910 sowohl die amtlichen wie auch die privaten Volkszählungen zu interpretieren versuchten, waren sich darin einig, dass in den verflossenen Jahrzehnten eine allmähliche Erstarkung des tschechischen Elements vonstatten gegangen war.28 Solche zusammengefassten Formen der Volkszählungsergebnisse mit Erklärungen erweckten zwangsweise den Eindruck, dass die „nationale Lage“ eng vom Bevölkerungswachstum, den demografischen Veränderungen sowie den wirtschaftlichen Differenzen zwischen den einzelnen Regionen ebenso wie von der Migration der Arbeiter abhänge. Es zeigte sich jedoch ein hohes Maß der Verzerrung dieser Daten durch die immer stärker werdende nationale Agitation bei Volkszählungen.29 Das wirtschaftliche und soziale Gefälle zwischen den deutschsprachigen und tschechischsprachigen Gebieten hatte den Gegensatz zwischen den nationalen Aktivisten beider Völker sicherlich verschärft, aber die umstrittenen Gebiete der sog. „Sprachgrenze“, wo zwar die zwei Sprachgruppen aufeinanderstießen, doch aber in einem festeren sozialen Gefüge koexistierten, waren grundsätzlich nicht am meisten von dieser Differenz betroffen. Zu nationalen Konfliktherden wurden nämlich vor allem jene Einwanderungsgebiete (allen voran sei hier das Brüxer Kohlenrevier erwähnt), wo durch den wirtschaftlichen Aufstieg, aber auch die Abwanderung der dortigen Bevölkerung, viele niedrigere Posten von den Neuankömmlingen neu zu besetzen waren.30 Die Migration der tschechischen Bevölkerung in die mehrheitlich deutschsprachigen Gemeinden wurde von den deutschen Schutzvereinen längst nicht mehr als ein natürlicher Prozess, sondern viel mehr als Zustrom derer dargestellt, die zum Zwecke nationaler Agitation in deutsche Gebiete mit nationalen Mitteln verpflanzt wur-

28 Dies vgl. mit den tatsächlichen statistischen Erhebungen von 1880, 1890, 1900 und 1910, wo mit der Ausnahme von 1910 der prozentuale Anteil der deutschen und der tschechischen Bevölkerung fast gleich blieb oder sogar infolge der nationalen Agitation wider die tatsächliche Bevölkerungsbewegung leichte Zunahmen dem deutschen Bevölkerungsanteil zuschrieb. BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 261, 269. Zu den wichtigsten auf der amtlichen Volkszählung beruhenden statistischen Abhandlungen gehören vor allem: RAUCHBERG, Heinrich. Der nationale Besitzstand in Böhmen. Leipzig: 1905; OBERSCHALL, Albin. Der politische Besitzstand der Deutschen in den Sudetenländern. Eger: 1922; HUBKA, Antonín. Naše menšiny a smíšené kraje na českém jihu. Praha: 1900; BOHÁČ, Antonín. Boj o české menšiny v zemích českých v posledních dvou letech. Praha: 1909. Von den privat durchgeführten Studien vgl. z. B. ŠUBRT, Jeroným; HOŠEK, Vladislav. Národnostní mapa severozápadních Čech dle skutečných poměrů. Most: 1908. 29 Das betrifft etwa die Volkszählung von 1910. BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 261. 30 JAWORSKI, Rudolf. Vorposten oder Minderheit, S. 31.

6.2 Propaganda und Reklamationen



131

den.31 Die tschechische Seite hingegen war stets darum bemüht zu zeigen, dass es innerhalb der böhmischen Länder keinen „geschlossenen deutschen Sprachraum“ gibt, und ihre Landtags- und Reichsratsabgeordneten plädierten oft für die Erhebung der Nationalität bzw. der Muttersprache statt der Umgangssprache, wovon des Öfteren das Zustandekommen eines gerechten deutsch-tschechischen Ausgleichs abhängig gemacht wurde, was sich z. B. bei der Haltung der tschechischen Politiker gegenüber den Wiener Punktationen zeigen sollte.32 Aus den Volkszählungsergebnissen abgeleitete Statistiken waren auf zentraler, provinzieller sowie lokaler Ebene von großer Bedeutung: In der Zentralpolitik wurden die Ergebnisse der Volkszählung für Vorschläge zum neuen nationalen Ausgleich und zur Schaffung neuer Verwaltungszonen (deutsche, tschechische, gemischte Zone) herangezogen, die durch die Gautsch’schen Sprachenverordnungen von 1898 klar zum Ausdruck gebracht wurden.33 Es zeigte sich, dass die Schulvereine, obwohl sie ein enormes Interesse an der Volkszählung hatten, die praktische Arbeit den wirtschaftlichen Partnervereinen und Dachverbänden, wie dem Deutschem Volksrat für Böhmen und dem Tschechischen Nationalrat, überließen, die imstande waren, einen hohen Einfluss vor allem auf die autonomen Behörden, aber auch auf Arbeitgeber auszuüben. Trotz der Verzerrungen und sehr beschränkter Aussagekraft der erhobenen Daten über die Nationalität der Bevölkerung blieben diese, vor dem Hintergrund der erfolglos geführten deutsch-tschechischen Ausgleichsverhandlungen, die wichtigste Grundlage für die Neugestaltung der böhmischen Länder aufgrund des abgeleiteten Nationalitätenschlüssels.

6.2 Propaganda und Reklamationen Bestandteil der gesamten Schulerrichtungs- und Schulerhaltungsaktivitäten war es, die neuen Schulen mit genügend schulpflichtigen Schülern zu füllen, was mittels Herausreklamierung der Schulkinder aus den bisher besuchten Schulen erreicht werden sollte. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg waren es 31 LANGER, Eduard. Das Recht der tschechischen Minoritätsschulen in Böhmen. Eine Denkschrift. Prag: 1896, S. 5. 32 Es wurden seitens der tschechischen Abgeordneten auch entsprechende Anträge im Wiener Reichsrat eingebracht. Nach der Volkszählung 1910 wurden bereits so viele tschechische Beschwerden eingebracht, dass am 20.1.1911 ein Antrag zur Annullierung der gesamten Volkszählung von tschechischen Abgeordneten im Reichsrat eingebracht wurde. Vgl. Interpellationen der tschechischen Landtagsabgeordneten über Volkszählungen im Zeitraum 1880–1910. Zusammengefasst in: BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 254–317. 33 BRIX, Emil. Die Umgangssprachen, S. 41.

132  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

vor allem tschechische Kinder, die von der ÚMŠ aus den deutschen Schulen herausreklamiert wurden. Die Bedeutung des nationalen Schulwesens mag jedoch nicht immer für die Eltern ein klarer und verständlicher Grund gewesen sein, warum sie ihre Kinder in eine andere Schule als bislang einschreiben sollten. Deswegen musste eine breite Palette überzeugender, schlagkräftiger, anziehender wie auch drohender Argumente entwickelt werden, mit denen die erwünschte Reklamation der Schulkinder bewirkt werden konnte. In diesem Trend sah die deutsche nationale Schutzvereinsseite jedenfalls den Versuch, „die bestehende deutsche Volksschule zu schädigen und zu untergraben.“34 Auch hier zeigt sich wieder der Widerspruch zwischen dem tschechischerseits forcierten Nationalitätsbegriff und dem damit zusammenhängenden Anspruch auf nationale Exklusivität und dem deutschen Bestreben, die Umgangssprache zu bewahren und den bisherigen Status quo beizubehalten, wo sprachliche Assimilierung der tschechischen Minderheiten wenigstens in deutsch-geführten Gemeinden erwartet und verlangt wurde. Dieser Dissens beeinflusste natürlich die Argumente, die bei der Agitation und Werbung für die nationale Schule benutzt wurden, wobei die Argumentationspflicht bei den Reklamierungen vor allem auf der Seite tschechischer Schutzvereine, Gemeinden und Ortschulräte lag.35 In den meisten Broschüren vergaß man nicht darauf hinzuweisen, dass der Spruch „České dítě patří do české školy“36 [Das tschechische Kind gehört in eine tschechische Schule] vom „Lehrer der Nationen“, Jan Ámos Komenský, stammt37 oder etwa, dass Josef Jungmann sich über seine Jugendzeit auf einer deutschen Schule beschwert haben soll.38 Die häufigsten Argumente der tschechischen Seite zum Reklamieren der Kinder aus deutschen Schulen lassen sich in zwei Gruppen wie folgt aufteilen: 1. Qualitätsvoller Unterricht kann es nur in der eigenen Muttersprache geben, Unterricht in einer Fremdsprache, wo die Kinder den Lehrer nicht verste-

34 Offenes Wort an die Bewohner von Prachatitz, denen die Schulbildung ihrer Kinder und der Geldsäckel der Stadt am Herzen liegt. [Aufruf der Orstgruppe des Deutschen Böhmerwaldbundes Prachatitz an die Stadtbevölkerung vom September 1884]. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 417, Fasz. Prachatice. 35 JAWORSKI, Rudolf. Vorposten oder Minderheit, S. 23. 36 So hieß auch die 1900 vom NRČ in Gang gesetzte Kampagne tschechischer Vereine und Parteien. Vgl. ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 19. 37 Rundschreiben des Tschechischen Zentralschulkomitees [Ústřední školský komitét] an die Eltern in Nordböhmen. NA Praha, Národní rada česká, Kart. 104. 38 Nicht abgesandte, vorausgefüllte, mahnende Schreiben vom tschechischen „Nationalausschuss“ in Žižkow (Žižkov) an tschechische Eltern, die ihre Kinder in die deutsche Schule schicken. [undat.] NA Praha, Menšinové museum, Inv.-Nr. 52, Kart. 14.

6.2 Propaganda und Reklamationen 

2.

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hen, verursacht Störungen der intellektuellen Entwicklung, seelische Verkrüppelung,39 emotionale Störungen, Verwüstung, Kriminalität usw.40 Entfremdung der Kinder den Eltern und vor allem der eigenen Nation,41 denn sie werden „[…] entweder Renegaten, […] oder unfähige Menschen, gegen die jeder nationale oder soziale Kampf eine Leichtigkeit ist“.42

Hinzu kamen noch Argumente eher ergänzenden Charakters, dass etwa die deutschen Lehrer die tschechischen Kinder nicht mögen würden u. a.43 Auch eine entsprechende emotional wirkende Verkoppelung der Pflicht zum Unterricht in der Muttersprache mit Moral und Elternliebe war oft anzutreffen, nach dem Motto: „Wenn Sie Ihre Kinder wirklich lieben, erlauben Sie ihnen den Unterricht in ihrer Muttersprache!“44 An Mütter wurde stark appelliert, dass sie sich die Mutterschaft gar nicht verdienen, wenn man die Muttersprache im Unterricht nicht fördert.45 Diese Kampagnen entsprangen der allgemeinen und von der liberalen Gesetzgebung bestärkten Tendenz zur praktischen Beseitigung des als obsolet betrachteten Bilingualismus, der für die Herausbildung einer festen nationalen Position als hemmend angesehen wurde. Solche Kampagnen wurden in der Presse geführt, die Schutzvereine veranstalteten zu diesem Thema auch Vortragsreihen und gaben Broschüren heraus. Insbesondere aus der Zusammenarbeit der ÚMŠ mit dem Tschechischen Böhmerwaldbund [Národní jednota pošumavská] gingen viele Vorträge hervor, die an der „Sprachgrenze“

39 Dem Argument der „seelischen Verkrüppelung“ usw. wurde deutscherseits widersprochen. Vgl. Bericht der Budweiser Zeitung: „Es ist ja herzbewegend rührend, wenn mit recht viel falschem Pathos und recht wenig Bescheidenheit für jedes tschechische Kind der Unterricht in seiner Muttersprache verlangt und in graußigen Bildern die geistige Verkrüppelng der tschechischen Kinder durch deutschen Unterricht ausgemalt wird. Merkwürdig! Da müssen ja recht viele der führenden Tschechen geistige Krüppeln sein!“ Artikel „Tschechische Schulagitation in deutschem Gebiet“ in: Budweiser Zeitung, Nr. 21 vom 20.3.1914, S. 7. 40 Propagandabroschüren „České dítě do české školy“ [Tschechisches Kind in eine tschechische Schule]. NA Praha, Menšinové museum, Kart. 31.; Artikel „Českým rodičům“ [An tschechische Eltern]. In: Pošumaví, Nr. 17–18 vom 6.9.1913, S. 149; ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 23–27. 41 Vgl. z. B. Aufruf des Tschechischen Nationalrates [Národní rada česká] an das tschechische Volk. In: Národní listy, Nr. 252 vom 14.9.1913. S. 2. 42 Abschrift des ÚMŠ-Rundschreibens an tschechische Eltern in Dux (Duchcov) vom 19.7.1913. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 8, Fasz. Dux. 43 Rundschreiben des Tschechischen Zentralschulkomitees [Ústřední školský komitét] an die Eltern in Nordböhmen. NA Praha, Národní rada česká, Kart. 104. 44 ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 23. 45 Aufruf an die tschechischen Eltern in Krumau vom August 1897. In: NA Praha, Menšinové museum, Kart. 25.

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stattfanden und die der dortigen Bevölkerung die Wichtigkeit der Erziehung in der Muttersprache in einer tschechischen Schule näherbringen sollten.46 Die umfassendste Agitationstätigkeit des DSV und seiner Wanderlehrer zielte im Gegenteil darauf ab, tschechische Schulerrichtungen zu verhindern. Erwähnenswert ist vor allem der aus Linz stammende erfahrene Redner Karl Pochlatko, zu dessen Agenda es gehörte, seinen Zuhörern die Wichtigkeit des nationalen Selbstbewusstseins und des DSV zu vermitteln.47 Exponierte DSVWanderlehrer wie Karl Pochlatko oder Karl Sonnenberg widmeten sich nicht nur ihrer Vortragstätigkeit, mit Ihrer Präsenz vor Ort sollten auch die DSV-Ortsgruppen und Gemeinden beraten und für die Belange des DSV aufgemuntert werden. Die Reklamationsversuche stießen natürlich nicht selten auf Unwillen der Schulleiter, der Gemeinden, der Ortsschulräte, aber auch der Eltern, sie wurden jedoch als gerechtfertigt betrachtet, zumal sie durch den Mährischen Ausgleich von 1905 indirekt legitimisiert wurden. Gerade in Mähren mehrten sich Fälle, wo die Eltern sich einer Entscheidung des zuständigen Organs unterzuordnen hatten und dabei das Recht auf die freie Schulwahl verloren. So beschwerte sich Josef Skrott aus Rudolfsthal bei Hohenstadt (Rudolfov u Zábřeha) beim Ministerium für Kultus und Unterricht, dass vom tschechischen Ortsschulrat eine Prüfung seines die deutsche Schule besuchenden Sohnes angeordnet wurde, ob derselbe für die tschechische Schule geeignet wäre, folgendermaßen: Der tschechische Ortsschulrat hat sich […] um die Verhältnisse an deutschen Schulen überhaupt nicht zu kümmern, da durch die nationalen Ausgleichsgesetze in Mähren die Entwicklung jeder Schule von den Einflüssen der anderen Nation vollständig befreit sein muss. Der tschechische Ortschulrat hat sich aber auch ganz im Allgmeinen um die Art und Weise, wie ich mein Kind erziehen will in keiner Art zu kümmern. Es fehlt ihm jedes Recht und jede Legitimation, sich in die Erziehung meines Kindes hereinzumischen. Es kann nicht sein, dass der Bezirksschulrat ohne Prüfung des Sachverhaltes beim Ortsschulrat eine Prüfung meines Kindes anordnet.48

Der erboste Vater verwies weiterhin auf die Mährischen Ausgleichsgesetze, die, wie auch Tara Zahra überzeugend zeigt, in der Tat die Reklamationen der Kin-

46 Z. B. die Vortragstätigkeit der Národní jednota pošumavská in Potfohre (Potvorov). NA Praha, Menšinové museum, Kart. 31, Fasz. Manětín. Solchen Vorträgen wurde in einigen Fällen eine große Mobilisierungsfunktion für die dortige Bevölkerung zugeschrieben. Vgl. ZACH, V. Ervěnice 1907. Zápas o českou školu na území zněmčeném, S. 9–11. 47 Z. B. Prager Tagblatt, Nr. 230 vom 21.8.1907, S. 7 oder Pilsner Tagblatt, Nr. 108 vom 20.4.1910, S. 5. 48 Brief von Josef Skrott an das Ministerium für Kultus und Unterricht vom 24.1.1912. ÖStA/ AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 9, Fasz. Hohenstadt.

6.2 Propaganda und Reklamationen



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der unterstützten. Aufgrund der sog. „Lex Perek“ konnten Kinder, bei denen es zu beweisen gelang, dass sie der jeweiligen Unterrichtssprache nicht mächtig waren, von der anderen Nation beansprucht werden. Ebenso zeugt dieses Schreiben davon, dass die zu reklamierenden Schulkinder sprachliche Prüfungen abzulegen hatten, um zu zeigen, dass sie für die eine oder andere Schule sprachlich ausgestattet seien. Ebenso war die Feststellung der Nationalität der Eltern, etwa mithilfe eines Fragebogens, Voraussetzung für eine erfolgreiche Reklamation. Nach 1905 war es aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes über die Grenzen Mährens hinaus möglich, die Nationalität aufgrund objektiver Merkmale zu bestimmen, wie Herkunft, Sprache, Vereinstätigkeit, Ausbildung, Kenntnis von Volksliedern oder Heimatkunde.49 Dass diese Bestimmung bei weitem nicht dem objektiven Stand der Dinge entsprechen konnte, beweist eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof von Franz Lehár aus Brünn (Brno), dessen Tochter aufgrund seiner Wahlkataster- und Vereinszugehörigkeit von der tschechischen Seite reklamiert wurde: „Die Zugehörigkeit zu Nation und Vereinen geschieht nicht aus nationalem Empfinden, sondern aus Furcht vor den Folgen des Boykotts, dem man ansonst ausgesetzt wäre. Das habe ich als Grünzeughändler wiederholt empfunden.“50 Wirtschaftlich oder sozial motivierte Nationalzuschreibungen wurden zum Phänomen der schulischen Auseinandersetzung, mit dem die Akteure umzugehen wussten. Die Reklamationsanfragen gingen vor allem von Ortschulräten, Gemeinden oder auch Schulleitungen aus, und die Schulvereine wurden in der Regel nur in die rechtlich komplizierten Fälle eingeweiht.51 Von Gemeinden hingegen wurden in dieser Phase Beschwerden erhoben oder es wurde auch finanzieller oder materieller Anreiz bzw. Druck angewandt, der die Eltern zur Reklamation bewegen oder sie davon abhalten sollte. Zu den „Überzeugungsmitteln“ gehörten Drohungen und Lockungen jeder Art. Als Illustration kann die Situation in Prachatitz (Prachatice) in den 1880er-Jahren dienen, wo die tschechische Minoritätsschule unter Druck des Gemeindeamtes, des DSV und des Deutschen Böhmerwaldbundes geriet, als den Eltern, deren Kinder die tschechische Minoritätsschule besuchten, mit Kündigungen aus Arbeit und Wohnung, Kürzungen der Sozialleistungen und Zutrittsverbot in den Gemeindewald gedroht wurde.52 Es

49 ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 39–44. 50 Beschwerde Franz Lehárs beim Verwaltungsgerichtshof vom 11.5.1912. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 9, Fasz. Hohenstadt. 51 Verschiedene Beschwerden wegen Reklamationen der Kinder in Mähren. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 9, Fasz. Hohenstadt. 52 Brief des Schulleiters der tschechischen Volksschule in Prachatitz (Prachatice) an die ÚMŠ vom 17.9.1884. NA Praha, ÚMŠ, Kart. 418, Fasz. Prachatice.

136  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

war deshalb ein wichtiger Bestandteil der nationalen Schutzarbeit, die Eltern vor den potenziellen Auswirkungen solcher Drohungen zu schützen.

6.3 Errichtung von öffentlichen Schulanstalten Auch bei Erfüllung des Hauptzweckes des DSV und der ÚMŠ würde eine enge vereinsbezogene Perspektive viel zu kurz greifen, denn im komplexen Schulerrichtungsprozess muss das ganze Spektrum von Akteuren berücksichtigt werden, allen voran die Gemeinden, denen durch die ihr zuteilgewordenen Befugnisse und Pflichten die eine wichtige Rolle bei Schulerrichtungen als Träger von öffentlichen Schulen zukam. Die Gemeinden standen der Errichtung von Minoritätsschulen in der Regel ablehnend gegenüber, vor allem aus zwei Gründen. Erstens ging es um die Frage der als unnötig angesehenen finanziellen Last53 und zweitens um das Gefühl der nationalen Schwächungs- und Bedrohungsgefahr. Aus diesen meist akzentuierten Gründen „sträubten sich die von der nationalen Mehrheit beherrschten Gemeinden […] mit allen erdenklichen Mitteln gegen [fremdnationale Schulerrichtungen] […]“.54 Auch deshalb war es für die nationalen Minderheiten notwendig, nachzuweisen, dass die gesetzlich vorgeschriebene Zahl der schulpflichtigen Kinder für die Eröffnung einer Minoritätsschule im Ort vorhanden war. Ungeachtet dessen, ob im Ort bereits eine private Minoritätsschule vorhanden war, erforderte die Errichtung einer öffentlichen Minoritätsschule gesetzmäßig das Einreichen einer von den Eltern der schulpflichtigen Kinder unterschriebenen Petition mit dem entsprechenden Ersuchen. Dieses war beim Bezirks- und Landesschulrat einzureichen und hatte das Bekenntnis der Eltern zu der entsprechenden Nationalität zu enthalten. Deshalb waren die Ortsgruppen der Schulvereine und auch andere lokale nationale Aktivisten bereits an den Vorarbeiten dieser Petitionsaktionen beteiligt, indem sie vor allem Schülerverzeichnisse erstellten, die über die Rechtmäßigkeit des Begehrens im Vorfeld Auskunft geben sollten. Diese Verzeichnisse überraschen mit ihrer Komplexizität bezüglich der Sprachenfrage, wo durchaus detailliert den möglichen Interpretationen der Kategorie „Nationalität“ nachgegangen wird. So untersuchte die DSV-Ortsgruppe Krumpach bei Hohenstadt (Krompachy u Zábřeha) bei den möglichen Petenten für eine deutsche öffentliche Schule nicht nur die Um53 „Das Risiko, durch diese Schulerrichtungen die finanzielle Existenz so mancher Gemeinde [zu] bedrohen“, sah auch der Statthalter von Böhmen, Alfred von Kraus, ein. Vgl. BURGER, Hannelore. Sprachenrecht, S. 93. 54 STOURZH, Gerald. Gleichberechtigung, S. 167.

6.3 Errichtung von öffentlichen Schulanstalten 

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gangssprache, sondern auch etwa die „Haussprache“, soziale Verhältnisse und die „Gesinnung“, wobei die letzte Kategorie auch das Verhalten der Bevölkerung bei Wahlen und deren Teilnahme an Veranstaltungen einschloss.55 Wenigstens eine kleine Präsenz lokaler Aktivisten scheint die allererste Voraussetzung für die Einleitung des Schulerrichtungsprozesses gewesen zu sein. Nachdem die Petition mit Unterschriften der Eltern und dem Namensverzeichnis der schulpflichtigen Kinder beim Bezirks- oder direkt beim Landesschulrat eingereicht worden war, entschied zuerst der Landesschulrat über die Rechtmäßigkeit des Begehrens und erteilte wegen genauer Untersuchung der Bedürfnisse dem zuständigen Bezirksschulrat eine Anweisung zur Durchführung einer Lokalerhebung, um festzustellen, ob die Petition gerechtfertigt ist.56 Ergebnis dieser Erhebung, die als „protokollarische Einvernahme“ bekannt war, war ein vom Bezirksschulrat nach der Vorladung der betreffenden Eltern zu verfassendes Verzeichnis mit Angaben zu Namen, Staatsangehörigkeit, Geburtsdaten, Aufenthaltsdauer und vor allem zum Alter und Schulpflicht der Kinder57 und zur Nationalität (nicht jedoch der Umgangssprache!) der Eltern.58 Es handelte sich um eine nicht öffentliche Erhebung, und die Präsenz anderer Subjekte dabei – etwa der nationalen Schutzvereine – war nicht gestattet. Auch für die Vertreter der Gemeinde oder des Ortsschulrates war eine direkte Teilnahme seit dem Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichtshofes von 1890 nicht mehr möglich.59 Trotzdem verlangten die Gemeinden weiterhin ihre Teilnahme wenigstens in Form einer Einsichtnahme in das Einvernahmeprotokoll mindestens acht Tage vor der kommissionellen Verhandlung, die die Grundlage für die Entscheidung des Landesschulrates bilden sollte. Aus strategischen Gründen verlangten die Gemeinden möglichst viel Zeit zwischen der protokollarischen Einvernahme und der kommissionellen Verhandlung, worin jedoch die Vertreter der Minderheiten eine potenzielle Verzögerung oder Bedrohung der In55 Fragebogen für Schulen von 1912. Archiv der ÖLM Wien, Kart. Mähren, Fasz. Krumpach. 56 Z. B. beschwerten sich in der kommissionellen Verhandlung die Vertreter des Ortsschulrates und der Gemeinde Rannay (Raná) über die Nichteinhaltung der gegebenen Frist bis zur Erledigung der offiziellen Beschwerde der Gemeinde. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 13, Fasz. Rannay. Die Eltern der betreffenden Nationalität, die das Ersuchen nicht unterzeichnet hatten, konnten nicht berücksichtigt werden. Vgl. LUKEŠOVÁ, Eva. Ústřední Matice Školská, S. 22. 57 Ausgeschlossen wurden Kinder, die am ersten Schultag (in der Regel am 15. September) bereits das sechste Lebensjahr, aber am Tage der kommissionellen Verhandlung noch nicht das vierzehnte Lebensjahr überschritten hatten. Vgl. § 21 des Reichsvolksschulgesetzes, RGBl. Nr. 62 vom 20. Mai 1869, S. 280. http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=rgb&datum=1869&page=319&size=45 (30.10.2020). 58 STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 174. 59 LANGER, Eduard. Das Recht der tschechischen Minoritätsschulen, S. 18.

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itiative sahen und ihrerseits auf einem möglichst schnellen Prozess bestanden.60 Nach der protokollarischen Einvernahme, die eher einen vorbereitenden Charakter hatte, wurden die Antragsteller vom örtlichen Bezirksschulrat zu einer kommissionellen Verhandlung eingeladen, was eine Bedingung für die Eintragung der nötigen Namen in das offizielle Gesuch war. Gegenstand dieser Verhandlung war es wiederum, die Angaben der betreffenden Eltern vor allem zu Nationalität, Schulpflicht und Alter der Kinder sicherzustellen und festzustellen, ob diese in der Schulgemeinde wohnhaft sind. Wie zahlreiche Beispiele beweisen, enthielten solche Petitionen nicht selten Unterschriften derer, die die gesetzlichen Bedingungen für die Schulerrichtung nicht erfüllten.61 Auch deshalb war gerade die Einwendungsarbeit und die damit verbundene Vorbereitung auf die kommissionellen Verhandlungen aus der Sicht der Gemeinde enorm wichtig, und gerade während dieser Vorbereitungszeit traten sie mit den nationalen Schutzvereinen in Verbindung.62 Diese Einwendungen konnten hier von Gemeinde- und Ortsschulratsvertretern erhoben werden.63 Die sich auf die tatsächliche oder vermeintliche Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen beziehenden Einwendungen der Gemeinden gegen eine Schule mit „fremder“ Unterrichtssprache waren nicht selten zur Folge, dass die betroffenen Kinder aus dem Verzeichnis ausgeschlossen wurden. Die häufigsten Argumente deutscher Gemeinden zur Zurückweisung der Forderungen tschechischer Eltern während der Anhörungen der Kommission bezogen sich nicht nur auf die Geltendmachung gesetzlicher Anforderungen, sondern auch auf die niedrige soziale Stellung der Antragsteller, deren Fluktuation und die Schulagitation. Sie versuchten, ihre Opposition zu stärken, indem sie die Nationalität der Antragsteller auf der Grundlage der neuesten Ergebnisse der Volkszählung infrage stellten. Im Protokoll über die Errichtung einer tschechischen Minoritätsschule in Mariaschein (Bohosudov) in Nordböhmen ist beispielsweise Folgendes vermerkt: „Die Nationalität wurde nicht zuverlässig bestimmt – Anton 60 Pamětní spis o nedostatcích českého školství menšinového v král. Českém. [Eine Denkschrift über die Mängel im tschechischen Minoritätsschulwesen im Königreich Böhmen. Hrsg. von Národní Jednota Severočeská am 1.9.1908. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 58. oder LUKEŠOVÁ, Eva. Ústřední Matice Školská, S. 23. 61 Interpellation der Abgeordneten Alwin Hanich, Dr. Eisenkolb und Genossen an Seine Excellenz den Herrn Unterrichtsminister, betr. die Fälschung von Schülerverzeichnissen in der tschechischen Schule in Dux (Duchcov) vom 8.4.1902. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 75. 62 Diese Kontakte der Gemeinden mit den Schutzvereinen wurden von der Gegenseite kritisiert, vgl. z. B. Einladung des Gemeindeamtes Mariaschein (Bohosudov) zu einer Besprechung an den zuständigen Ortsrat des Deutschen Volksrats für Böhmen vom 23.5.1910. NA Praha, Nachlass František Cajthaml-Liberté, Kart. 7. 63 LANGER, Eduard. Das Recht der tschechischen Minoritätsschulen, S. 32–33, 46.

6.3 Errichtung von öffentlichen Schulanstalten



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Bergmann zum Beispiel ist ein notorischer Deutscher, was leicht bewiesen werden kann.“64 So befassten sich die Teilnehmer an den Anhörungen der Kommission häufig damit, die persönlichen Daten der Petenten zu verteidigen oder zu hinterfragen und ihre eigenen Interpretationen fehlender oder unzulänglicher Vorschriften zu entwickeln, wie dies bei einer Anhörung der Kommission zu einer tschechischen Minoritätsschule in Seestadtl (Ervěnice) der Fall war. Hierin erklärte Bürgermeister Fritsch, dass Artikel 19 der Verfassung von 1867 „das Recht für öffentliche Schulen mit ihrer Unterrichtssprache ausschließlich einem geschlossenen Volksstamme zuerkennt, [und] eine Minderheit ein solches Recht nicht fordern kann“.65 Die Argumente und Einwendungen der Gemeinden im Rahmen der kommissionellen Verhandlungen gegen die Minoritätsschulerrichtung lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Alter des Kindes: Das Kind hat am Tage des Schuljahresbeginns (gewöhnlich 15. September) das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet oder hat vor dem Tage der kommissionellen Verhandlung das 14. Lebensjahr bereits vollendet. 2. Tauglichkeit des Kindes zum Schulbesuch: besucht bereits eine höhere Anstalt, eine Bürgerschule, ein Gymnasium oder ist geistig oder physisch untauglich geworden (stumm, blind, tuberkulös, epileptisch oder an ansteckenden Krankheiten leidend). 3. Aufenthalt der Eltern und des Kindes außerhalb der Gemeinde: Dies betraf den Umzug der Familie oder einen langfristigen Aufenthalt der Familie oder des Kindes außerhalb der Schulgemeinde.66 Hier argumentierten insbesondere die Gemeinden des Brüxer Kohlenreviers, die Schule wäre nur für Kinder der fluktuierenden Arbeiterschicht oder für Eisenbahnangestelltenkinder und dergleichen gebaut worden.67 Kinder fremder Staatsangehöriger waren ohne Weiteres auszuschließen.

64 Protokoll von der kommissionellen Verhandlung über die Errichtung einer öffentlichen Volksschule mit der böhmischen Unterrichtssprache in Mariaschein (Bohosudov) vom 30.9.1909, NA Praha, Nachlass František Cajthaml-Liberté, Inv.-Nr. 609, Kart. 7. 65 Protokoll von der kommissionellen Verhandlung über die Errichtung einer öffentlichen Volksschule mit der böhmischen Unterrichtssprache in Seestadtl (Ervěnice) vom 10.5.1907, NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. 66 Diese drei oben erwähnten Argumente wurden als Beschwerde-Gegenstände bspw. von folgenden Gemeinden benutzt: Seestadtl (Ervěnice), vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.4.1909, NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354., oder Rannay (Raná u Loun) vgl. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 13, Fasz. Rannay. 67 Dieses Argument wurde als einer der Beschwerde-Gegenstände von der Gemeinde Bodenbach (Podmokly) benutzt. Vgl. ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 36; STOURZH, Gerald. Die Gleichberechtigung, S. 173.

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6. 7. 8.

Nationalität der Eltern: Der gesetzliche Vertreter erklärte, er gehöre nicht der tschechischen Nationalität an. Argumente der Gemeinden waren hier etwa, die Eltern seien nicht tschechischer Nationalität, denn sie haben sich zu deutscher Umgangsprache bei der letzten Volkszählung bekannt.68 Rücktrittsgesuch: Es wurden die Unterschriften der Eltern auf dem Gesuch schriftlich bei der Bezirkshauptmannschaft widerrufen, oder es wurde eine solche Erklärung vom gesetzlichen Vertreter bei der protokollarischen Einvernahme oder bei der kommissionellen Verhandlung abgegeben. Fehlerhaftigkeit der Angaben: v. a. Nationalität und Geburtsdatum des Kindes. Falsifizierte Angaben: v. a. Unterschriften.69 Nichtteilnahme der Eltern oder unlegitimierte Teilnahme anderer Personen: z. B. falsifizierte Vollmacht beim Bevollmächtigten, fehlendes gerichtliches Dekret des Vormunds bei verwaisten Kindern.

Die Kommission wurde von Beamten der zuständigen Bezirkshauptmannschaft (Bezirksschulrat) geleitet und bestand insgesamt aus einem oder zwei Bezirksschulinspektoren (deutsch und tschechisch), dem Ortsschulrat, den Vertretern der Gemeinde und den Eltern oder den Bevollmächtigten der betroffenen Kinder. Weil die Teilnahme von anderen Interessierten im Prinzip zulässig war, kam es häufig dazu, dass Schutzvereine und Minderheitsaktivisten teilnahmen, wogegen jedoch oft die Gemeindevertreter Proteste erhoben.70 Auch die Vertreter der Minderheiten fühlten sich durch die Anwesenheit nationaler Aktivisten der Gegenseite benachteiligt, konnten sich jedoch in Fällen, als diese im Namen der Gemeinde oder des Ortsschulrates auftraten, nicht wehren. So beschwerte sich z. B. die tschechische Seite darüber, dass an der kommissionellen Verhandlung über die Schule in Mariaschein (Bohosudov) 1909 im Namen des Orts-

68 Dieses Argument wurde als einer der Beschwerde-Gegenstände von der Gemeinde Seestadtl (Ervěnice) benutzt. Vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.4.1909, NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. 69 Dieses Argument wurde als einer der Beschwerde-Gegenstände von der Gemeinde Rannay (Raná) benutzt. Vgl. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 13, Fasz. Rannay. 70 LANGER, Eduard. Das Recht der tschechischen Minoritätsschulen, S. 33. An der kommissionellen Verhandlung in Rannay (Raná) nahmen z. B. auch Vertreter der Lehrerschaft und der ÚMŠ-Obmann František Bělohrádek teil. Vgl. Protokoll von der kommissionellen Verhandlung in Rannay (Raná) vom 21.8.1911. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 13, Fasz. Rannay.

6.3 Errichtung von öffentlichen Schulanstalten



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schulrates der DSV-Wanderlehrer Karl Pochlatko teilnahm,71 deutscherseits wurde beispielsweise in Brüx (Most) Einspruch gegen die Anwesenheit der vom Bezirksschulrat eingeladenen missliebigen tschechischen nationalen Aktivisten erhoben.72 Alle Einwendungen der Gemeinde und des zuständigen Ortsschulrates wurden in einem Protokoll niedergeschrieben, das beim Landesschulrat einzureichen war, wobei dieses Protokoll als Grundlage für seine Entscheidung über die Schulerrichtung diente. Gelang es der Gemeinde und den Schutzvereinen nicht, durch Einwendungen und Beschwerden die Schulerrichtung zu vereiteln oder wenigstens zu verzögern, erhielten sie vom Ministerium für Kultus und Unterricht eine gesetzmäßige Aufforderung zur Errichtung und somit zur Bestreitung der Kosten für eine neue Schule, gegen die die zuständige Gemeinde noch eine Beschwerde bei der obersten Instanz, dem Verwaltungsgerichtshof, erheben konnte.73 Wie bei den Beschwerden der Gemeinden gegen die Entscheidung des Landesschulrats wandte man sich an die Statthalterei. Beschwerden gegen Entscheidungen des Landesschulrats hatten zumeist eine aufschiebende Wirkung.74 Diese komplizierte Prozedur der Errichtung einer Minoritätschule spielte sich erst ein, nachdem die nationalen Schulvereine 1880 gegründet wurden. Noch in den 1870er-Jahren wurden einige Minoritätsschulen nur aufgrund der Petition genehmigt, wie z. B. 1878 die deutsche Schule in Kladno.75 Die Schulvereine prägten somit den Schulerrichtungsprozess und nahmen auf sich die

71 Protokoll der komissionellen Verhandlung über die Errichtung einer böhmischen öffentlichen Schule in Mariaschein (Bohosudov) vom 30.9.1909. NA Praha, Nachlass František Cajthaml-Liberté, Kart. 7. Karl Pochlatko nahm an mehreren kommissionellen Verhandlungen teil, außer Mariaschein (Bohosudov) war dies in Weißkirchlitz (Novosedlice), Zuckmantel (Cukmantl, Pozorka), Janegg (Jeníkov u Duchcova), Lihn (Líně u Plzně), Zwug (Zbůch), usw. Er galt als Experte des DSV für „Hinanthaltung der tschechischen Minoritätsschulen“. Vgl. FIEDLER, Rudolf. Böhmen und der Deutsche Schulverein, S. 9. Weitere Orte, wo es Pochlatko gelang, die Eröffnung einer tschechischen Schule zu stoppen, waren Predlitz (Předlice) und Gibacht (Pozorka). Vgl. DOLEŽAL, Jan. Z bojů o českou školu v Podkrušnohoří. Liberec: 1964, S. 17. 72 Artikel „Eine merkwürdige Kommission“. In: Brüxer Volkszeitung, Nr. 98 vom 8.12.1911, S. 3. 73 BURGER, Hannelore. Das Sprachenrecht, S. 123–126. Beispiel: Rudolfstadt (Rudolfov). In: Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 7.12.1912. Archiv der ÖLM Wien, Kart. Böhmen, Fasz. Rudolfstadt. 74 Protokoll des Gemeindeamtes Rannay (Raná) vom 23.11.1911. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 13, Fasz. Rannay. 75 BĚLEHRÁDEK, František. Školství menšinové a Ústřední Matice Školská. In: AUERHAN, Jan [u. a.]. Česká politika, S. 344–345.

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Rolle des rechtlichen, finanziellen und ideologischen Beistands für die gemischtsprachige Orte.

6.4 Erhaltung von öffentlichen Schulanstalten Die rechtmäßige Anordnung des Landesschulrates zur Errichtung einer öffentlichen Minoritätsschule bzw. zur Erteilung des Öffentlichkeitsrechtes für eine Vereinsschule bedeutete für die zuständige Gemeinde, dass zuerst geeignete Räumlichkeiten für diese Zwecke beschaffen werden mussten, die den baulichen und hygienischen Anforderungen des Reichsvolksschulgesetzes von 1869 entsprechen würden. Laut § 63 des Gesetzes musste „jede Schule die erforderlichen, den Bedürfnissen des Unterrichts und der Gesundheitspflege entsprechend eingerichteten Schullokalitäten besitzen.“76 Näheres bestimmten die Schulerrichtungsgesetze für die einzelnen Kronländer nach 1870 (d. h. z. B. 0,6 m² pro Kind, höchstens 80 Schüler im Schulzimmer usw.).77 Die Errichtung und Erhaltung der Schule war nicht nur die Aufgabe der Gemeinde,78 sondern auch des Ortsschulrates, zu dessen Pflichten etwa die Sicherung der geeigneten Räumlichkeiten oder die alljährliche Kontrolle des Schulbesuchs gehörten. Von den Schutzvereinen wurde von der Gemeinde, aber vor allem vom Ortsschulrat, eine strenge Kontroll- und Evidenztätigkeit verlangt, z. B. bei Schülereinschreibungen, da es nicht auszuschließen war, dass auch nach der kommissionellen Verhandlung noch weitere Faktoren auftreten, die die Einschreibung ungeeigneter Schulkinder zeigen würden. Auch nach der Errichtung stießen die öffentlichen Minoritätsschulen auf Probleme, die vor allem mit deren stiefmütterlichen Behandlung durch ihre Träger (Gemeinden) zusammenhingen. Die Gemeinden begründeten ihre Beschwerden mit der Unmöglichkeit der Finanzierung der Schule oder der Bereitstellung von geeigneten Schulräumlichkeiten.79 Der zuständige Schulverein war auch deshalb stets imstande, sich an der Errichtung und Erhaltung der Schulen finanziell zu beteiligen, inso76 § 63 des Reichsvolksschulgesetzes. RGBl. Nr. 62/1869. http://alex.onb.ac.at/cgi-content/ alex?aid=rgb&datum=1869&page=319&size=45 (30.10.2020). 77 § 14 LGBl. Nr. 22/1870. Novelliert am 24.2.1873. LGBl. Nr. 16/1873. 78 Nach § 2 des novellierten Schulerrichtungsgesetzes war die Gemeinde für die Bereitstellung geeigneter Räumlichkeiten und die Erhaltung des Schulgebäudes vollkommen verantwortlich, inkl. Heizung, Miete, Beleuchtung, Reinigung, Beschaffung der Räume für den Schulleiter, usw. Vgl. LGBl. Nr. 16/1873. 79 Schreiben des Ortschulrates in Seestadtl (Ervěnice) an den Bezirksschulrat in Komotau (Chomutov) vom 2.2.1914. Archiv Města Ervěnice. SOkA Chomutov se sídlem v Kadani. Inv.Nr. 422, Školní záležitosti (německá místní školní rada), Kart. 65.

6.4 Erhaltung von öffentlichen Schulanstalten 

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fern es sich um die erwünschte Unterrichtssprache handelte. In solchen Fällen wurde vom Schulverein der Gemeinde ein Schuldschein über ein unverzinsliches Darlehen ausgestellt, das die Gemeinde nur dann zur Zurückzahlung verpflichtete, wenn die Unterrichtssprache an der Schule nicht mehr die ursprüngliche sein sollte.80 Nicht selten investierten deshalb die Schulvereine auch in die Einrichtung und Ausstattung von öffentlichen Minoritätsschulen, die baulichen Instandsetzungen verlangten sie jedoch gesetzmäßig von der Gemeinde.81 Was nötige Reparaturen anbelangt, diese erfolgten nicht selten erst nach einem langwierigen rechtlichen Hin und Her, nachdem die nationalen Schulvereine es vermochten, die Gemeinden zur Durchführung gewisser Sanierungsarbeiten zu zwingen. Aus der zeitgenössischen Presse ergibt sich der Eindruck, dass es sich in dieser Hinsicht vor allem um tschechische Schulen handelte. So beschwerte man sich etwa über den gesetzwidrigen Zustand der tschechischen Minoritätsschule in Bilin (Bílina), die teilweise in einem schmutzigen Wirtschaftsgebäude, teilweise in einer alten brandgefährdeten Scheune untergebracht gewesen sein soll. Obendrein soll noch der Unterricht von Drescharbeiten gestört worden sein. Der Vorwurf wurde von der Gemeinde Bilin (Bílina) jedoch zurückgewiesen, die sich in ihrer Verzweiflung an den DSV wandte: „So lange die Schule Privatanstalt war, waren die Lokale geeignet. Als öffentliche Schule nicht mehr, obwohl die Lokale behördlich als tauglich anerkannt worden waren. Es giengen [sic!] die Hetzereien los, die Behörden wurden bombardiert, Erlass wegen Adaptierungen kam über Erlass.“82 Der Zustand weiterer tschechischer Schulen, etwa der in Teplitz-Schönau (Teplice-Šanov) oder Brüx (Most) wurden als „Mistbeet aller ansteckenden Krankheiten“83 kritisiert, die tschechische Minoritätsschule in Krumau (Český Krumlov) wurde als „Kuhstall“84 bezeichnet. Auch von deutscher Seite kamen solche Beschwerden, wenn auch nicht so häufig. So wurden in einer Interpellation im Böhmischen Landtag Verhältnisse an der deutschen öffentlichen Minoritätsschule in Königinhof (Dvůr Králové) geschildert, die in einem „ehedem ganz verrufenen Gasthause“ untergebracht war.85 80 Schuldschein der Gemeinde Altbuch-Döberney (Starobucké Debrné) vom 2.8.1905. ÖStA, AVA, Unterricht, KB, Deutscher Schulverein, Böhmen und Mähren, Kart. 8. 81 Wegen der Untätigkeit der Gemeinde übernahm z. B. die ÚMŠ die Ausstattung der Schule in Trnowan (Trnovany). Vgl. Pamětní spis o nedostatcích českého školství menšinového v král. Českém. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 58. 82 ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 8, Fasz. Bilin. 83 CAJTHAML-LIBERTÉ, František. Dějiny útisku českého školství v Podkrušnohoří. (Undat. Manuskript). In: NA Praha, Nachlass František Cajthaml-Liberté, Kart. 7. 84 Deutsche Böhmerwaldzeitung, Nr. 7 vom 12.2.1909, S. 54 85 LANGER, Eduard. Das Recht der tschechischen Minoritätsschulen, S. 55.

144  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

Die Schulvereine beteiligten sich jedenfalls finanziell am Erhalt und Betrieb der öffentlichen Minoritätsschulen. Die Schulvereine sorgten mittels finanzieller Unterstützung, Zuschüssen, Stipendien usw. dafür, dass die neu geöffneten und oft „hart erkämpften“ Schulen nicht etwa wegen sinkender Schülerzahl wieder geschlossen werden mussten. Sie waren am Fortbestand dieser Schulen interessiert und waren bereit diese vor den feindlich gesinnten Gemeinden zu verteidigen. Um das Risiko der Schließung einer öffentlichen Schule zu vermeiden, suchten die Schulvereine nach Möglichkeiten, wie man neue für die nationalen Minoritätsschule geeignete Schulkinder in die Schulgemeinde bringen könnte. Dabei wurde zu schulpflichtigen Waisenkindern gegriffen, die in diese bedrohten Orte angesiedelt werden sollten. 1898 werden von den Schutzvereinen erste „Waisenausschüsse“ errichtet, wobei es anfangs vor allem darum ging, Waisenkinder in Familien an der Sprachgrenze zu schicken. Da jedoch von vielen Familien nicht die erwartete nationale Verpflichtung an den Tag gelegt wurde, lässt sich bald ein starker Zuwachs von eigenen Vereinswaisenhäusern und -kolonien beobachten.86 Diese Einrichtungen waren direkt im Besitz der Schutzvereine, vor allem der wirtschaftlichen Schutzvereine, wie vor allem des Nordböhmischen Nationalvereins (NJS) und des Bundes der Deutschen in Böhmen.87 Die zeitgenössische Presse kritisierte diese Ausnutzung von Waisenkindern und beschäftigte sich auch mit kleinsten Einzelfällen der Versetzungen von Waisenkindern. So brachte z. B. „Český denník“ die Nachricht, dass der Schüler Václav Kas, obwohl er die Schule Kladrau (Kladruby) hätte besuchen können, auf Kosten des Bundes der Deutschen in Böhmen auf den Bauernhof von Martin Ziegler in die Sprachgrenzgemeinde Sytna (Sytno) versetzt wurde.88 Dabei stieß man offenbar viel zu oft auf nationale Indifferenz der aufnehmenden Familien, was die Schutzvereine und vor allem die neu gegründeten nationalen Waisenorganisationen verbessern sollte.89 Dass Waisenkinder einen bedeutenden Faktor bei Auseinandersetzungen um die Schulerrichtungen darstellten, zeigt anschaulich 86 BALCAROVÁ, Jitka. „Všichni za jednoho, jeden za všechny“, S. 329; HASLINGER, Peter. Schutzvereine in Ostmitteleuropa, S. 15; ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 49–78. 87 Hier war besonders der Bund der Deutschen in Böhmen tätig, der mehrere Waisenheime und Kinderkollonien besaß, darunter auch die älteste einem Schutzverein gehörende Waisenkolonie in Trebnitz (Třebenice). Insgesamt übertraf die Zahl der von den deutschen Schutzvereinen erhaltenen Waisenheime und Kolonien in Böhmen die tschechischen deutlich. Während sich die tschechischen Schutzvereine um 573 Waisenkinder kümmerten, ging es am Vorabend des Ersten Weltkrieges um 1 367 auf der deutschen Seite. Vgl. ZAHRA, Tara. From Christmas Gifts to Orphans Pensions. In: HASLINGER, Peter. Schutzvereine in Ostmitteleuropa, S. 195. 88 Český denník, Nr. 283 vom 15.10.1913, S. 3 89 ZAHRA, Tara. From Christmas Gifts to Orphans Pensions. In: HASLINGER, Peter. Schutzvereine in Ostmitteleuropa, S. 198.

6.5 Errichtung von privaten Schulanstalten



145

der Fall der tschechischen Schule in Prachatitz (Prachatice), wo dank der Präsenz der Prager Waisenkinder der Anspruch der Erweiterung der tschechischen Schule legitimiert werden konnte.90 Nach einem langwierigen Schulkampf zwischen der deutschen Gemeinde und den tschechischen Schutzvereinen kam es zu einem Abkommen, in dem sich die Gemeinde verpflichtete, keinen Widerstand mehr gegen die tschechische Parallelklasse zu leisten, dafür mussten aber die Prager tschechischen Waisenkinder Prachatitz wieder verlassen.91 Die Unterstützungen der Schulvereine für die öffentlichen Schulen waren vielfältig und geschahen mit dem Zweck, die Schüler an die entsprechende Schule zu binden mit der Sorge, die nationale Gegenseite könnte besser ausgestattete Schulen anbieten. Man ging dabei ganz offen von der Käuflichkeit der Sprachgrenzbevölkerung aus. Die Gewährung dieser Unterstützungen geschah in der Regel auf Ansuchen der konkreten Schulanstalt (Kindergarten, Volks-, Bürger- oder Fortbildungsschulen) und reichten von Stipendien für Schüler und Zuschüssen für Lehrer über das Organisieren von Suppenanstalten oder Weihnachtsbescherungen bis hin zur Beschaffung von Lern- und Lehrmitteln, Turngeräten, Schulgärten oder Musikinstrumenten.92

6.5 Errichtung von privaten Schulanstalten Entsprach das Ansuchen mit der Petiton für eine öffentliche Schule schließlich nicht den gesetzlichen Anforderungen, wurden entweder die Petitionsversuche wiederholt oder es wurde dazu geschritten, eine private Vereinsanstalt aus eigenen Mitteln der Schutzvereine zu errichten. Weil aber die Errichtung und vor allem eine langfristige Erhaltung der Privatschulen eine dauerhafte finanzielle Last für die Schulvereine darstellte, war deren prioritäres Ziel, das Öffentlichkeitsrecht für diese Privatschulen möglichst bald zu erlangen und sie waren deshalb vor allem an denjenigen Schulerrichtungen orientiert, wo die Chance einer baldigen Erlangung vom Öffentlichkeitsrecht hoch war.93 Solche Vereinsschulen waren meist einklassig. 90 SPURNÝ, Ladislav. O životě a utrpení české menšiny v Prachaticích. NA Praha, Menšinové museum, Inv.-Nr. 61, Kart. 35. 91 Pošumaví, Nr. 2 vom 20.02.1907, S. 23. Ein weiteres Beispiel der Schulerweiterung dank des Zuzugs von Waisenkindern war Trebnitz (Třebenice). Vgl. Leitmeritzer Zeitung, Nr. 1/1911 vom 4.1.1911, S. 6. 92 WOTAWA, August. Der Deutsche Schulverein, S. 32. 93 Bis 1905 haben 9 deutsche private Schulvereinsschulen in Böhmen, 6 in Mähren und 2 in Schlesien das Öffentlichkeitsrecht bekommen. Auf der Seite der ÚMŠ ging es um 31 Schulen in Böhmen, 3 in Mähren und 1 in Schlesien. Vgl. Jubilejní výroční zpráva ÚMŠ v Praze za 25 roků

146  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

Privatschulen wurden zwar in der Regel vor allem von den Schulvereinen errichtet, es kommen aber auch zahlreiche Fälle vor, wo es zu Schulerrichtungen auch unter der Ägide anderer Schutzvereine kam. Es waren häufig die wirtschaftlich agierenden Bünde der Deutschen und die tschechischen Národní jednoty, die als Mitträger oder auch alleinige Träger der Privatschulen auftraten, vereinzelt sind aber auch andere nationale Vereine als Träger von Privatschulen nachzuweisen, so wurde z. B. die tschechische Minoritätsschule im südböhmischen Thurmplandles (Věžovatá Pláně) aufgrund einer öffentlichen Sammlung des tschechischen Brauchtumsvereins „Baráčníci“ errichtet.94 Die Voraussetzung für die Errichtung einer privaten Schulanstalt war freilich ein geeignetes Gebäude, das der Schulverein oder einer der Partnervereine in seinem Besitz hatte. Weil die Errichtung einer privaten Minoritätsschule sich an keiner gesetzlichen Grundlage, wie etwa dem Reichsvolksschulgesetz halten musste, wurde anders vorgegangen und die Errichtung einer Privatschule konnte von der Schulbehörde ohne kommissionelle Verhandlung bewilligt werden. Diese Schulen standen nicht unter der Aufsicht der Ortsschulräte. Für die Errichtung einer privaten nationalen Minoritätsschule galten folgende Voraussetzungen: erstens musste eine solche über einen Schulleiter und weitere Lehrer mit gesetzlicher Lehrbefähigung verfügen, zweitens sollten diese ein „sittliches Verhalten“ aufweisen, drittens musste der Lehrplan den Anforderungen in einer öffentlichen Schule entsprechen und schließlich viertens mussten die Schulgebäude derart eingerichtet sein, dass keine gesundheitlichen Nachteile für die Kinder entstehen. Dies war das alleinige „Arsenal“ der Gemeinden gegen die Errichtung einer Schulvereinsschule, d. h. vor allem Beschwerden wegen schlechter baulicher oder hygienischer Bedingungen der Privatschulen und wegen „sittlichen Verhaltens“ (oft politische Agitation) ihrer Lehrer.95 Die Schulvereine erachteten es deshalb als sehr wichtig, dass die errichteten Privatschulen in einem einwandfreien baulichen und hygienischen Zustand waren,96 was zu dem Trend beitrug, dass Privatschulen in repräsentativen, modernen und allen Anforderungen entčinnosti spolkové od r. 1880 do r. 1905, S. 24. Ansuchen um das Öffentlichkeitsrecht waren entweder bei der Bezirksbehörde oder beim Landesschulrat einzureichen. Die Praxis der tschechischen Gesuchsteller im Gerichtsbezirk Budweis (Č. Budějovice), wo die Gesuche direkt dem Landesschulrat vorgelegt wurden, wurden zum Gegenstand der Kritik der Deutschliberalen im Wiener Reichsrat. Vgl. Interpellationsentwurf des Abg. Bendel und Genossen an Seine Exzellenz Herrn Minister für Kultus und Unterricht vom März 1904. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 75. 94 VONDRÁČEK, Karel. Padesát let Národní jednoty pošumavské: 1884–1934. Praha: 1934, S. 175. 95 ŠAFRÁNEK, Jan. Školy české – obraz jejich vývoje a osudů, S. 383. 96 So ließ sich z. B. die ÚMŠ mittels verteilter Fragebögen an die ÚMŠ-Schulen über ihren baulichen Zustand informieren. Vgl. Český denník, Nr. 272 vom 4.10.1913, S. 3.

6.6 Erhaltung von privaten Schulanstalten



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sprechenden Gebäuden untergebracht wurden, die nicht selten für diese Zwecke erst überhaupt erbaut wurden. Demgegenüber stand die Qualität der öffentlichen Minoritätsschulgebäude, die oft eine unterdurchschnittliche war.97 1913 besaß der DSV 51 Privatschulen (44 davon mit Öffentlichkeitsrecht) in ganz Cisleithanien, die ÚMŠ besaß hingegen 84 Privatschulen (62 mit Öffentlichkeitsrecht), nur in den böhmischen Ländern. Vor allem dank der „RoseggerSammlung“ konnte der DSV kurz vor dem Weltkrieg die Anzahl seiner Privatvolksschulen in den böhmischen Ländern – insbesondere in Schlesien – etwas erhöhen. Während der DSV bis 1913 es vermochte, 24 Privatschulen in die öffentliche Verwaltung zu übergeben, handelte es sich um 34 bei der ÚMŠ. Nur bei der Kategorie der Kindergärten konnte sich der DSV gegenüber der ÚMŠ einen Vorrang behalten; 1913 besaß er 113, während die ÚMŠ nur 76. Mit Rücksicht auf die unterschiedliche geografische Ausbreitung zeigen diese Zahlen einen zahlenmäßigen Vorsprung der ÚMŠ für den territorialen Bereich der böhmischen Länder.98

6.6 Erhaltung von privaten Schulanstalten Obwohl Privatschulen nationaler Schutzvereine als ein nicht hinreichender Ersatz für staatliche Schulen betrachtet wurden,99 hatten diese für die Schulvereine eindeutig den Vorteil, vom potenziellen Unwillen der Gemeindevertretungen und Schulaufsichtsorganen unabhängiger zu sein. Das bedeutete auch, dass auf dem Gebiet einer Schulgemeinde in der Tat mehrere Schulvereinsschulen errichtet werden konnten. So kam es nicht selten vor, dass auch ganz kleine Gemeinden ohne eigene Schule, die jedoch in einem national umstrittenen Gebiet lagen, gleich zwei Privatschulen – eine von der ÚMŠ und eine vom DSV erhielten, was davon zeugt, dass Schulvereinsschulen nicht nur in Konkurrenz zu öffentlichen Schulen standen. Wie bereits angedeutet, konnten die Gemeinden den Betrieb einer privaten Minoritätsschule nur aus Gründen rechtswidriger Bedingungen infrage stellen, deshalb versuchten die Schulvereine diese immer in einem einwandfreien baulichen und hygienischen Zustand zu halten und verfolgten mit besonderer Aufmerksamkeit, wo notwendige Sanierungsarbeiten durchzuführen waren. Alljährlich informierten sich die Schulvereine gleich nach der Einschreibung über die Schülerzahlen wie auch über den baulichen Zustand des Schulgebäudes 97 JUDSON, Pieter. Guardians of the Nation, S. 80. 98 Zur Übersicht über die Schulanstalten beider Schulvereine vgl. Beilagen 5–8. 99 STOURZH, Gerald. Gleichberechtigung, S. 168–174.

148  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

und vor 1918 kam es trotzdem hie und da dazu, dass die Schließung einer Privatschule von der Gemeinde erfolgreich erreicht werden konnte. Die Gemeinden versuchten durch die Kontrolle des baulichen Zustandes, des Schulbesuchs usw. das von den Schulvereinen angestrebte Öffentlichkeitsrecht für die jeweilige Minoritätsschule oder gegen diese gleich mit Schulsperren vorzugehen. Als z. B. im Juli 1913 die ÚMŠ-Schule in Hohenelbe (Vrchlabí) baubehördlich gesperrt wurde, wurde als Antwort bereits im September 1913 die DSV-Schule im nahe gelegenen Benecko (Benetzko) gesperrt.100 Diese Vergeltungstat inspirierte den DSV zu einer Gegenmaßnahme in Harrachsdorf (Harrachov), um die Oberhand in der Auseinandersetzung zu gewinnen: Um nun die Tschechen zu zwingen, unsere Schule [in Benetzko] in Ruhe zu lassen[,] glauben wir[,] dass es unbedingt nötig sein wird, eine tschechische Schule zu sperren. Wir haben uns daher an die Gemeinde Harrachsdorf gewannt[!], und ist dieselbe bereit[,] die dortige tschech. Schule zu schliessen[,] wenn wir ihr alle dazu nötigen Behelfe zur Verfügung stellen. Durch die Schliessung dieser Schule würden wir auch den so schlau besonnenen Plan der Tschechen, ein Junktim zwischen Hohenelbe und Benetzko ernstlich zu schaffen, durchkreutzen [sic].101

Im Prager Vorort Werschowitz (Vršovice) sah der DSV durch baulich begründete Obstruktionen des tschechischen Gemeindeamtes Werschowitz (Vršovice) und des Bezirksausschusses in Königlichen Weinbergen (Královské Vinohrady) die Tätigkeit der dortigen Schulvereinsschule langfristig behindert. Die Nichtbeseitigung des baubehördlich nicht bewilligten Hofflügels bot hier bereits 1897 den Anlass zu einer öffentlichen Demolierung desselben durch die örtliche tschechische Bevölkerung.102 Gegen diese Maßnahmen hat sich freilich direkt der DSV als Träger dieser Schulen mit Rekursen gewehrt.103 Wenn die Gemeinde die rechtmäßige Anordnung zur Errichtung einer öffentlichen Minoritätsschule bekam, musste das nicht unbedingt das Ende für 100 Protokoll der Kommission über den baulichen Zustand des Hauses Nr. 83, in dem die deutsche Privatschule untergebracht ist, angeordnet durch das Gemeinde-, wie auch das Bauamt in Benetzko (Benecko) auf den heutigen Tag nach § 125 Bauordnung vom 2.9.1913. Archiv der ÖLM Wien. Kart. Böhmen, Fasz. Benetzko; Artikel „Sperrung einer deutschen Schulvereinsschule“. In: Teplitz-Schönauer Anzeiger, Nr. 151 vom 23.9.1913, S. 3. 101 Brief des Bezirksverbands Hohenelbe (Vrchlabí) des DSV an die DSV-Leitung vom 16.9.1913. Archiv der ÖLM Wien, Fasz. Benetzko. 102 SPINDLER, Josef. Die deutsche Schulvereinsschule in Werschowitz, S. 13–20. Für weitere Beispiele der Angriffe und Demolierungen der Schulgebäude wie z. B. in Röscha (Řeřichy), Benetzko (Benecko) und Stickau (Štikov) vgl. JUDSON, Pieter. Guardians, S. 55–63. 103 Brief der DSV-Hauptleitung an den Bezirksausschuss in Starkenbach (Jilemnice) vom 16.9.1913. In: Archiv der ÖLM Wien. Kart. Böhmen, Fasz. Benetzko; SPINDLER, Josef. Die deutsche Schulvereinsschule in Werschowitz, S. 20.

6.6 Erhaltung von privaten Schulanstalten



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die Privatschule und deren finanzielle Unterstützung bedeuten. Die Gemeinde mit dem Ortsschulrat, die die Pflicht für die Bereitstellung der Räumlichkeiten hatten, waren in der Regel nicht gewillt, die angeordnete öffentliche Schule in der bestehenden privaten Minoritätsschule unterzubringen. So war es theoretisch auch möglich, dass eine öffentliche und eine private Minoritätsschule nebeneinander bestanden. In solchen Fällen diente die aufgelöste Privatschule Kindern aus der Umgebung. Es war jedoch keine Seltenheit, dass eine mehrklassige Privatschule auch öffentliche Klassen beherbergte. In solchem Fall unterstand die öffentliche Schule der Leitung der privaten Schulanstalt.104 Nicht selten kam es dazu, dass die Schulvereine die sich in ihrem Besitz befindlichen Bauplätze oder fertige Privatschulen ganz oder zum Teil kostenlos den Gemeinden anboten. Diese attraktiven Angebote enthielten eine kostenlose Vermietung des privaten Schulgebäudes und zwar unter der wichtigen Bedingung der Beibehaltung der bisherigen Unterrichtssprache. Sollte einmal die Gemeinde an der Schule eine andere Unterrichtssprache einführen oder sollte sie anderweitig zweckentfremdet werden, müsste die Gemeinde entsprechende Mietzahlungen an den Eigentümer zurückerstatten.105 Solche Angebote konnten freilich nur bei konationalen gleichgesinnten Gemeinden funktionieren, denn die eventuelle Annahme dieses Antrags bedeutete nicht nur eine schnelle Eröffnung der öffentlichen Schule, sondern garantierte teilweise auch eine gewisse personelle Kontinuität mit der bisherigen Vereinsschule, was in sich die Möglichkeit barg, das für den jeweiligen Schulverein verlässliche Lehrerkontingent vor Ort aufrechtzuerhalten.106 Auch wenn das oft für die Gemeinden bedeutete, dass sie zwei öffentliche Schulen finanzieren mussten,107 ließen sie sich auf die Angebote der fremdnationalen Schutzvereine in der Regel nicht ein. Das beweist anschaulich der Fall der Gemeinde Schwaz (Světec), wo die ÚMŠ die deutsche Gemeinde zur Übernahme eines im Besitz der ÚMŠ befindlichen zentral gelegenen Bauplatzes für die zu errichtende tschechische Schule bewegen wollte. Die Gemeinde und der Ortsschulrat fanden jedoch einen anderen Bauplatz am Rande des Ortes und das lukrative Angebot wurde abgelehnt, „weil [die Gemeinde und der Ortsschulrat] selber in der Lage sind, für normale Kosten des Schulbaues aufzukommen und auch aufkommen wollen und sich vom tschechi-

104 LANGER, Eduard. Das Recht der tschechischen Minoritätsschulen, S. 63–65. 105 SLÁMOVÁ, Kateřina. Osudy matičních škol a jejích učitelů. Ústřední matice školská v jižních Čechách (1880–1918). [Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Phil. Fak. der Karls-Universität Prag, 2015), S. 55. 106 LANGER, Eduard. Das Recht der tschechischen Minoritätsschulen, S. 63–65. 107 So wurde z. B. aus diesen Gründen die Gemeinde Payreschau (Boršov) von der ÚMŠ unterstützt. SLÁMOVÁ, Kateřina. Osudy matičních škol a jejich učitelů. S. 52.

150  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

schen Schulvereine schon aus nationalem Stolze, […] nichts schenken lassen wollen“.108 Immer mehr drängte sich auch die Wichtigkeit eigener Kindergärten ins Zentrum des Interesses, wo die Kinder auf den Besuch der jeweiligen nationalen Volkschule vorbereitet werden sollten. Die Schutzvereine kontrollierten durchgehend die nationale Effektivität der Erhaltung dieser konkreten Kindergärten, indem diese etwa an der Beantwortung folgender Fragen gemessen wurde: Wurden durch den Bestand des deutschen Kindergartens deutsche Kinder von dem Besuche eines nichtdeutschen Kindergartens und später einer nichtdeutschen Schule abgehalten? Wieviele im abgelaufenen Jahre? Treten sämtliche Kinder nach Absolvierung des Kindergartens in die deutsche Ortsschule ein? Wird durch den Bestand des deutschen Kindergartens die Frequenz der deutschen Volksschule gehoben? Auf wieviele deutsche und wieviele tschechische Kinder erstreckte sich dieser Gewinn im abgelaufenen Jahre? Halten die Eltern der den deutschen Kindergarten besuchenden Kinder zur deutschen Sache? Wieviele Kindergartenzöglinge gehören Eltern an, welche infolge ihres Berufes als Taglöhner, Fabriksarbeiter usw., die nicht in der Lage waren, sie tagsüber zu betreuen?109

Der Kindergarten erfüllte somit den Zweck einer Sicherstellung und Kontrolle der Zahl der später in die konkrete Schule einzuschreibenden Schulkinder, wodurch die sprachliche Ausstattung des Kindes und nicht zuletzt auch der potenzielle Opportunismus der Eltern bei den Schuleinschreibungen überwunden werden konnten.110 Nach der Jahrhundertwende erlebten die Vereinskindergärten ihre Hochphase.111

6.7 Maßnahmen gegen den Widerstand der Gemeinde Die Bandbreite der Versuche, mit denen die Gemeinden die Bestrebungen der Minderheiten, eine öffentliche Minoritätsschule im Gemeindegebiet errichten zu lassen, zu vereiteln trachteten, ist von zahlreichen kontroversen Fällen gekennzeichnet. Denen mangelte es nicht an zentralpolitischer Brisanz und dank des

108 Protokoll der kommissionellen Verhandlung zum Zwecke der Begutachtung des von der „Ústřední Matice Školská“ dem k. k. Landesschulrate als Baustelle für die böhmische Volksschule in Schwaz (Světec) bezeichneten Platzes. In: ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 14, Fasz. Schwaz. 109 Fragebogen an die Kindergärten. Geschickt an die Leitung des DSV-Kindergartens in Autschowa (Ohučov) [undat.]. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 8, Fasz. Autschowa. 110 HASLINGER, Peter. Schutzvereine in Ostmitteleuropa, S. 14. 111 Vgl. Beilagen 6 und 8.

6.7 Maßnahmen gegen den Widerstand der Gemeinde



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reichen Kontaktnetzes der Schulvereine fanden sie schnell ihren Weg auch in den Böhmischen Landtag und den Wiener Reichsrat. In Streitfällen griffen die Gemeinden dazu, gegen aktive nationale Aktivisten ebenso wie gegen Bewohner, die eine Petition für die Minoritätsschule unterschrieben oder sich bei der Volkszählung zur Sprache der Minorität bekannt hatten, mit Kündigungen aus Arbeit oder Wohnung vorzugehen. Es waren dabei eindeutig die stark von der Migration der tschechischsprachigen Arbeiterbevölkerung betroffenen Gemeinden mit deutscher Verwaltung, wo die Konzentration dieser Fälle weit dichter war und wo man sich solch ein Vorgehen der Gemeinden gegen die „undankbaren Neukömmlinge“ am einfachsten erlauben konnte. Die Verteilung der festgestellten Kündigungsfälle, die im Zusammenhang mit Volkszählungen oder Schulerrichtungen standen, zeigt die Überrepräsentierung der industriellen Gemeinden Nordwestböhmens (z. B. Seestadtl/Ervěnice,112 Brüx/Most, Zwodau/Zvodava, Tschausch/Čouš, Kommern/Komořany, Bilin/Bílina, Obrnitz/Obrnice, Weisskirchlitz/Novosedlice, Triebschitz/Třebušice usw.). Obwohl auf den Zusammenhang jedweder Kündigungsaktion von Mietern oder Angestellten mit den Minderheitsbestrebungen vor Ort von den Vertretern der Minorität sofort demonstrativ hingewiesen wurde und dieser, sobald in den nationalen Rahmen gesetzt, ein entsprechendes Echo in der nationalen Presse fand, bedienten sich die Gemeinden womöglich anderer Argumente für die Kündigung. Dies wurde durch die Gegenseite als Verdeckungstaktik wahrgenommen, um sich zur tatsächlichen Motivation nicht offen bekennen zu müssen. Ein solches Bekenntnis war schließlich strafbar, da leicht der Verdacht des Verstoßes gegen den verfassungmäßigen Gleichberechtigungsgrundsatz entstehen konnte. Die Staatsorgane mussten sich deshalb mit der Berechtigung der Kündigungsgründe einzelner Vermieter beschäftigen. So wurde beispielsweise die Kündigung mehrerer Eltern aus ihren Wohnungen in Zwodau (Zvodava, Svatava), die das Gesuch für eine öffentliche Schule mit böhmischer Unterrichtssprache unterschrieben hatten, vom hiesigen Bürgermeisteramt mit „unsitlichem Verhalten“ begründet.113 So begegnete die Statthalterei in Prag sonderbaren Nachrichten von der Bezirkshauptmannschaft in Teplitz (Teplice), dass etwa in Prasseditz (Prasetice, Prosetice) Antonín Říha die Wohnung gekündigt wurde, weil „dessen Sohn ungezogen und bösartig war und [der Vermieter und 112 Vgl. Ansichtskarte der ÚMŠ, die die gekündigten Eltern versinnbildlichen soll, in Beilage 12. 113 Abschrift des Kündigungsbescheids des Bürgermeisteramtes in Zwodau (Zvodava) vom 6.8.1919. In: CAJTHAML-LIBERTÉ, František. Dějiny útisku českého školství v Podkrušnohoří (undat. Manuskript). NA Praha, Nachlass František Cajthaml-Liberté, Kart. 7.

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zugleich Ortsvorsteher] befürchtete, die übrigen Mietparteien im Hause zu verlieren, da dieselben ihm mit der Kündigung drohten, falls der Junge im Hause bliebe“. In demselben Bericht erfährt man weiter, dass der Kutscher Josef Stočes in Weisskirchlitz (Novosedlice) vom Verwalter „wegen Faulheit und arrogantem Benehmen“ entlassen wurde, oder dass „der […] Müllergehilfe Franz Havlin [von der Hausbesitzerin] nach ihrer Angabe aus dem Grunde gekündigt [wurde], weil er ihr häufig den Zins schuldig blieb und seine Frau sehr unerträglich und klatschsüchtig war.“114 Als „Právo Lidu“ der in Weisskirchlitz (Novosedlice) abgehaltenen Konferenz des Hausbesitzerverbandes vorwarf, wegen tschechischer Schulaktionen Kündigungsabsichten zu verfolgen,115 wurde von offiziellen Stellen auch aus anderen Orten auf die Unzuverlässigkeit einiger fluktuierender tschechischer Mieter hingewiesen. Die Teplitzer Bezirkshauptmannschaft dementierte die Unterstellung folgendermaßen: [Die Konferenz soll] den Zweck verfolgen, in Angelegenheit der Hauszinssteuer ein einheitliches Vorgehen zu erzielen und sollen schlechte Mietsparteien, welche ihre Wohnungen wegen Nichtbezahlung des Mietzinses oft wechseln oder unsauber und unverträglich sind, durch die Hausbesitzer dem Bezirksverbande namhaft gemacht werden[.] […] [Es kommt nämlich oft vor], dass solche Parteien […] in einem Orte des Bezirkes delogiert und im nächsten oder zweitnächsten Orte ohne Schwierigkeiten wieder in Miete genommen werden, wo sie einen Monat die Miete ordnungsmäßig bezahlen, die weiteren Monate aber unter allerlei Vorwänden diese schuldig bleiben, bis sich der Hauseigentümer genötigt sieht, sie neuerlich delogieren zu lassen. Da solche Parteien sich im hiesigen Bezirke von Jahr zu Jahr mehr ansiedeln, soll eben durch die Gründung von Bezirksverbänden […] Abhilfe geschaffen werden.116

Das von der tschechisch-nationalen Presse erzeugte Junktim zwischen den Kündigungsfällen und den Schulerrichtungsanträgen wurde vielfach durch Berichte der Bezirkshauptmannschaften als auch verfügbare Polizeiberichte korrigiert oder bestritten. Im Lichte dieser Berichte, die oft mit den Aussagen der Gemeinden oder Vermieter übereinstimmten, erschienen die tschechischen Beschwerden oft als unbegründet oder wenigstens übertrieben. So etwa im Fall Zwodau (Zvodava/Svatava) sah sich der Bezirkshauptmann in Falkenau (Falknov/Sokolov) Raimund Krautschick genötigt zu erklären, dass Entlassungen in den Montan- und Industrialwerken (vorm. David Starck) ohne Rücksicht auf die Na-

114 Brief der Bezirkshauptmannschaft in Teplitz (Teplice) an das Statthalterei-Präsidium in Prag vom 16.12.1909. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 58. 115 Artikel „Organisace severočeských majitelů domů proti českým rodičům“ [Hausbesitzerverein gegen tschechische Eltern]. In: Právo lidu, Nr. 343 vom 13.12.1909. 116 Brief der Bezirkshauptmannschaft in Teplitz (Teplice) an das Statthaltereipräsidium in Prag vom 17.2.1910. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 58.

6.7 Maßnahmen gegen den Widerstand der Gemeinde



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tionalität vonstatten gingen.117 In Kommern (Komořany) wurde der vom „České Slovo“118 behauptete direkte Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Errichtung einer öffentlichen Schule mit böhmischer Unterrichtssprache vom dortigen Wachtmeister, Adolf Ballák, widerlegt, indem er versuchte, die Vorwürfe folgendermaßen zu entkräften: […] einzelne Hausbesitzer, welche gleichzeitig der Gemeindevertretung angehören, [haben] im Monate November 1909 mehrere Parteien aus eigener Initiative, so zum Beispiel wegen aussichtloser Einbringung des Mietzinses etc. [gekündigt], ohne dass dieselben sich für die Errichtung einer tschechischen Schule gezeichnet hätten. […] Im Laufe dieses Monats sind nur 3 tschechische Parteien, von welchen eine der tschechischen Schulpartei angehört, gekündigt worden[.]119

Der Korrespondenz des Wachtmeisters Ballák mit der Hauptmannschaft lässt sich entnehmen, dass er die Schilderungen in der nationalen Presse für übertrieben hält und dass er eine allgemeine Kündigungsaktion der Hausbesitzer gegen die um die tschechische Schule gesuchenden Eltern prinzipiell ablehnt. Auf der anderen Seite sucht er nach Ursachen der Kontroversen. Dabei gibt er z. B. zu, dass einer der Vermieter sich in dem Sinne äußerte, dass tatsächlich die Unterschrift des Mieters auf dem Antrag zum Kündigungsgrund wurde.120 Ballák zeigte sich auch darum bemüht, sachlich die Ursachen der Kontroversen aufzuklären, was etwa folgendes Beispiel beweist: Es ist zwar in Kommern das Gerücht allgemein verbreitet, [dass] der Gemeindesekretär Karl Trenka von dem deutschen Hausbesitzervereine in Kommern eine bedeutende Belohnung versprochen erhalten [habe], falls es ihm gelinge, die böhmische Schule zu verhindern, doch konnte hierüber, wie auch über das, dass er die deutschen Hausbesitzer hetze und deren Kündigungsbeschlüsse überwache, nichts Positives erhoben werden.121

Neben vielen solchen Meldungen gibt es jedoch auch Dokumente, die die nationalen und mit der nationalen Schule zusammenhängenden Kündigungsgründe 117 Brief der Bezirkshauptmannschaft in Falkenau (Falknov/Sokolov) an das Statthaltereipräsidium in Prag vom 2.10.1909 und vom 22.2.1910. NA Praha, Ministerstvo kultu a vyučování, ÚMŠ, Kart. 30. 118 Zu den Ereignissen in Kommern (Komořany) vgl. České Slovo, Nr. 288 vom 11.12.1909, S. 5. Hierin wird behauptet, alle gekündigten Mieter wären Gesuchsteller um die tchechische Schule. 119 Brief des Wachtmeisters in Kommern (Komořany) an die Bezirkshauptmannschaft in Brüx (Most) vom 20.12.1909. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 58. 120 Brief des Wachtmeisters in Kommern (Komořany) an die Bezirkshauptmannschaft in Brüx (Most) vom 16.2.1910. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 58. 121 Brief des Wachtmeisters in Kommern (Komořany) an die Bezirkshauptmannschaft in Brüx (Most) vom 16.2.1910. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 58.

154  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

beweisen. Diese sollten allerdings gegen aktivste tschechische Agitatoren gerichtet sein. In einem Brief an die Statthalterei hat die Bezirkshauptmannschaft in Teplitz (Teplice) den Einwirkungsversuch auf die tschechischen Mieter seitens der deutschen Schutzvereine geschildert: Der Deutsche Volksrat für Böhmen in Teplitz [soll] zwar versucht haben, die Hausbesitzer [in Teplitz] zu veranlassen, die bei ihnen wohnhaften Mietparteien zu bewegen, ihre Kinder in die deutschen Schulen zu schicken, doch soll diese Tätigkeit des Deutschen Volksrates ohne Erfolg geblieben sein und konnte durch die gepflogenen Erhebungen nichts Sachdienliches in Erfahrung gebracht werden.122

Während aus der Analyse der vielen Berichte aus der Provenienz der Behörden keine direkten Beweise hervorgehen, kann aus dem vereinzelt erhaltenen Material der Schutzvereine nachgewiesen werden, dass Kündigungsaktionen tatsächlich von ihnen zentral gesteuert wurden. Dies geht jedoch allein aus dem einzigen erhaltenen relevanten Dokumente hervor, in dem der DSV dem Deutschen Volksrat für Böhmen Geld für den Zweck der Kündigung tschechischer nationaler Aktivisten zusichert: Für die Abwehrarbeit im Bezirke Dux haben wir vorläufig den Betrag von K 500.– bewilligt. Der Betrag ist in erster Linie für die Ausmietung tschechischer Agitatoren bestimmt. […] Sobald Sie einen Betrag für die Ausmietung benötigen, werden wir Ihnen nach genauer Angabe des Wohnhauses und der Partei und Höhe des Betrages das Geld flüssig machen.123

Zu einem weiteren wichtigen Instrument im Kampf gegen die Gemeinden für die Durchsetzung der schulischen Interessen wurden Demonstrationen, die den Widerstand der Gemeinden dadurch brechen sollten, dass der Staat auf das Verhalten der Gemeinden aufmerksam würde. Der Anlass war die Untätigkeit der Gemeinde bei der Übernahme der Verantwortung für die öffentliche Minoritätsschule und sehr oft auch der bauliche oder hygienische Zustand der Schulgebäude, für die ebenso die Gemeinden zuständig waren. Der schlechte Zustand einiger tschechischer Minoritätsschulen in Nordböhmen, z. B. in Dux (Duchcov), Bruch (Lom), Hostomitz (Hostomice nad Bílinou), Ladowitz (Ledvice), Kopist (Kopisty)124 gab 1908 den Anlass zu einer Demonstration zu Gunsten der 122 Brief der Bezirkshauptmannschaft in Teplitz (Teplice) an das Statthalterei-Präsidium in Prag vom 16.12.1909. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 58. 123 Brief des DSV an das Sekretariat des Bezirks-, und Ortsrats Dux (Duchcov) des Deutschen Volksrates für Böhmen vom 7. 8. [ohne Jahresangabe, ca. 1910]. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 8, Fasz. Dux. 124 Pamětní spis o nedostatcích českého školství menšinového v král. Českém. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 58.

6.7 Maßnahmen gegen den Widerstand der Gemeinde



155

tschechischen Minderheiten in Nordböhmen, die in Prag 1908 stattfand und in einen allgemeinen Schulstreik in verschiedenen Orten mit tschechischen Minoritätsschulen in Nordböhmen überwuchs.125 Ein Fallbeispiel aus dem nordböhmischen Seestadtl (Ervěnice), das einer der Anlässe für den allgemeinen Schulstreik darstellte, zeigt anschaulich die Strategie der ÚMŠ zur Brechung des Widerstandes der deutschen Stadtgemeinde. Mit dem Anfang des neuen Schuljahres 1907/1908 schickten die streikenden tschechischen Eltern mehr als 100 schulpflichtige Kinder nicht mehr in die bestehende deutsche Schule. Auf die Mahnungen des Bezirksschulrates in Komotau (Chomutov) wurde keine Rücksicht genommen, und die Eltern mussten sich dafür mit fünf (nach dem abgelehnten Rekurs der ÚMŠ erhöht auf zehn) Kronen Strafgeld oder 24 Stunden Gefängnis verantworten.126 Gegen diese von der Bezirkshauptmannschaft auferlegten Strafe wurde eine Beschwerde beim Landesschulrat erhoben.127 Zwar wurde nach insgesamt 8 Monaten seit der Petition und mehr als einem Monat seit Beginn des Schulstreikes die Errichtung einer einklassigen tschechischen Volksschule in Seestadtl (Ervěnice) durch den Landessschulrat bewilligt, aber die tatsächliche Errichtung der Schule musste man auch noch wegen des sofortigen Rekurses der Stadtgemeinde gegen diesen Erlass abwarten. Um die streikenden Eltern vor Strafen zu schützen, musste durch die ÚMŠ und die NJS Hausunterricht für die Seestadtler Kinder organisiert und bezahlt werden.128 Zwar wurde dadurch die Gefahr der offiziellen Bestrafung der Eltern für den Schulstreik unmöglich gemacht, bald zeigten sich aber große Mängel dieses Hausunterrichtes. Anfang des Jahres 1908 gab es 108 schulpflichtige tschechische Kinder, die von einem Hauslehrer individuell unterrichtet wurden, denn ein kollektiver Hausunterricht war gesetzlich nicht möglich.129 Wegen der großen Mängel dieses Unterrichtes forderten die Vertreter der Eltern 125 Bericht der Prager Polizeidirektion an das Statthaltereipräsidium vom 5.8.1908. NA Praha, Menšinové muzeum, Inv.-Nr. 650, Kart. 15. 126 Shrnutí ervěnických událostí [undat.]. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. 127 Brief der Eltern in Seestadtl (Ervěnice) an die ÚMŠ vom 8.1.1908. NA Praha, ÚMŠ, Inv.Nr. 783, Kart. 354 128 Zunächst wurde der Hausunterricht vom Nordböhmischen Nationalverein [Národní jednota severočeská] getragen, später wurde er von der ÚMŠ übernommen. Brief an das Schulkomitee vom 30.12.1907; Brief der ÚMŠ an Vertreter der Eltern. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. Der Partnerverein NJS investierte dabei Geld in den Ankauf des Restaurants „Austria“ in Seestadtl (Ervěnice), um es als Zentrum der Tschechen in der Stadt zu sichern, und verpflichtete sich auch, die Ausgaben für die rechtliche Vertretung der Seestadtler Eltern zu übernehmen. Vgl. Brief des NJS-Ausschusses an die ÚMŠ vom 21.1.1908. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. 129 Brief der Elternvertreter an die ÚMŠ vom 30.1.1908. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354, Fasz. Ervěnice.

156  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

sehr bald von der ÚMŠ die Anstellung einer zusätzlichen Lehrkraft. Auch der Hauslehrer Antonín Kafka beklagte sich über den Umstand, dass es 14 Tage dauerte, bis alle Kinder vom Hauslehrer besucht wurden, ebenso wie über die 8-stündige Arbeit und den Mangel an Hilfsmittel und schloss sich der Forderung nach einem zweiten Hauslehrer an.130 Nur kurz vor dem Erlass des Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 3.3.1908, durch den der Rekurs der Stadtgemeinde Seestadtl (Ervěnice) gegen die Errichtung einer tschechischen Schule abgewiesen wurde, nahmen einige Familien nicht länger am Schulstreik teil und begannen ihre Kinder wieder in die deutsche Schule zu schicken, was die Gegenseite als ein Bruch der tschechischen Einigkeit kommentierte.131 Die tschechische Seite sah sich von der deutschen Abteilung des Landesschulrates geschädigt, dem die Angelegenheit anvertraut worden war. Der hätte sich um die Vorbereitungsarbeiten und die Wahl des neuen tschechischen Ortschulrates kümmern sollen, erteilte aber stattdessen weiterhin Strafen für die streikenden Eltern.132 Zwischen der Stadtgemeinde und den tschechischen Schutzvereinen wurden keine direkten Verhandlungen geführt, sondern mit Abgeordneten, Ministern (wie auch mit dem Landsmann-Minister) und dem Statthalter,133 die es vermöchten, gegen die abgegebene Beschwerde der Stadtgemeinde beim Verwaltungsgerichtshof einzuschreiten und die sofortige Errichtung der tschechischen Schule zu ermöglichen. Da diese Beschwerde schließlich keine verzögernde Wirkung haben konnte, oblag es der Stadtgemeinde bereits nach der Abweisung des Rekurses, ungeachtet der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, eine tschechische Schule zu errichten.134 Trotzdem aber waren die Bezirkshauptmannschaft und der Bezirksschulrat der Ansicht, die Stadtgemeinde zur Errichtung der tschechischen Schule nicht zwingen zu können, weshalb die Wahl des tschechischen Ortsschulrates nicht erfolgte.135 In dieser Phase wurde großer Einfluss auf maßgebliche Stellen in Prag und Wien ausgeübt, von den Eltern wurden Beschwerden verfasst und weder die Strafgelder bezahlt noch 130 Brief des Hauslehrers Antonín Kafka na die ÚMŠ vom 28.2.1908. NA Praha, ÚMŠ, Inv.Nr. 783, Kart. 354, Fasz. Ervěnice. 131 Brüxer Zeitung, Nr. 37 vom 27.3.1908, S. 7. 132 Strafe für 60 Eltern für die Nichtentsendung ihrer Kinder in die Schule vom 14.4.1908. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354, Fasz. Ervěnice. 133 Da mit dem Bau der Schule immer noch nicht begonnen wurde, sahen sich die Eltern dazu veranlasst, bei der Statthalterei um Hilfe zu ersuchen. Bericht über die Deputation der Seestadtler Eltern bei der Statthalterei vom 7.5.1908. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354, Fasz. Ervěnice. 134 Shrnutí ervěnických událostí [undat.]. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354, Fasz. Ervěnice. 135 Shrnutí ervěnických událostí [undat.]. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354, Fasz. Ervěnice.

6.8 Immobilientätigkeit



157

die Haft angetreten, sondern es galt, bis zum Ende zu beharren, was die Inhaftierung durch die Gendarmen bedeutete.136 Das endgültige Ergebnis brachte am 24.6.1909 die Bekanntgabe des Befundes des Verwaltungsgerichtshofs, der die Beschwerde der Stadtgemeinde und des Ortsschulrates vom 17.4.1909 als unbegründet abwies. Die Schüler, die im Privatunterricht (Hausunterricht) waren, mussten sich im zweiten Jahr des Schulstreiks einer Prüfung unterziehen. Zwar erhob die ÚMŠ offiziellen Einspruch gegen diese Prüfung, dieser wurde jedoch vom Landesschulrat am 7.7.1909 abgewiesen. Zum nächsten Schuljahrsanfang wurde der neuen Schule von der Stadtgemeinde zwar ein Schulraum zur Verfügung gestellt, dieser war jedoch bei der Anzahl von 131 eingeschriebenen Kindern ungenügend. Die Stadtgemeinde vermochte es noch, unter Berufung auf den 3-jährigen Durchschnitt, die Erweiterung der Schule bis Mai 1910 zu verhindern. Am 23.6.1910 wurden auf Drängen der ÚMŠ die Strafen der Eltern vom Unterrichtsministerium offiziell aufgehoben.137 Die vielfältigen Druckmethoden – bzw. „Abwehrmaßnahmen“ im damaligen Sprachgebrauch – beinhalteten nicht nur Problemlösungen auf rechtlichem Wege (Rekurse, Beschwerden usw.), sondern auch eine Art Bestrafungs-, Vergeltungs- oder Abschreckungsmethoden, wodurch ein Zeichen der Stärke der Gemeinde der nationalen Minderheit gegenüber gesetzt werden sollte. An der unterschiedlichen Art der Anwendung von Druckmethoden, z. B. Kündigungen, zeigt sich jedoch sehr auffällig die regionale Ausprägung und Differenz in der Stellung zwischen den tschechischen besitzlosen und sozial schwachen Minderheiten, vor allem im mehrheitlich „deutsch-verwalteten“ Nordwestböhmen, und den wohlhabenden gut situierten deutschen Minderheiten in „tschechischverwalteten“ Stadtgebieten. Das Durchhalten der tschechischen Vertreter in den Schulstreiks zeigt anschaulich, dass zwar die potenzielle Gunst des Staates für tschechische Minderheiten stets vorhanden war, jedoch von den Vertretern der deutschen Gemeinden, Politik und Vereine blockiert wurde.

6.8 Immobilientätigkeit Die durch die Volkszählungen festgestellten Bevölkerungszahlen dienten zwar als Basis für die eventuellen Schuleinschreibungen, in denjenigen Orten jedoch, in denen die erforderliche Schülerzahl nicht erreicht werden konnte oder dort, 136 Brief der NJS-Ortsgruppe an die ÚMŠ vom 29.4.1908. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. 137 Brief der Lehrer Kubíček und Dostrašil an die ÚMŠ vom 20.7.1908. NA Praha, ÚMŠ, Inv.Nr. 783, Kart. 354, Fasz. Ervěnice.

158  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

wo die Gemeinde gegen die Schulerrichtung Widerstand leistete, sollte die Minderheit vor Ort durch den Ankauf von Immobilien gestärkt werden. Dies war ein wichtiger Faktor insbesondere dort, wo die Eltern der Schulkinder in Mietwohnungen wohnten und somit dem potenziellen Risiko einer möglichen Kündigung durch die Vermieter oder durch die Gemeinde ausgesetzt waren. Dies entspricht auch ganz der Logik des „nationalen Besitzstandes“, sorgfältig und mit regem Interesse alle Besitzverschiebungen in national umstrittenen Gebieten zu beobachten und gegebenenfalls dort einzugreifen, wo der nationale Gegner vor allem durch planmäßige Immobilienankäufe seine Präsenz im Ort zu stärken drohte. Die Aufgabe des aktiven Eingreifens bei Immobilienverschiebungen zu nationalem Gunsten erfüllten größtenteils die wirtschaftlichen Schutzvereine wie z. B. der Bund der Deutschen in Böhmen oder der Nordböhmische Nationalverein [Národní jednota severočeská, NJS]. Nach 1900 bzw. 1903 taten dies auch der Tschechische Nationalrat [Národní rada česká, NRČ] und der Deutsche Volksrat für Böhmen, zu deren Zielen die Überwachung der Besitzverschiebungen und eine eventuelle Aufstellung von Mitteln zum Zweck des Abkaufs der Liegenschaften gehörten.138 Das enorme Interesse für den Immobilienmarkt zeigt sich deutlich an der Teilnahme der Schutzvereine an Versteigerungen. An größeren Investitionen waren stets mehrere Schutzvereine beteiligt, in der Regel kooperierten dabei die Schulvereine mit den wirtschaftlichen Schutzvereinen und es wurden Dienstleistungen der die nationalen Zwecke unterstützenden Finanzanstalten (z. B. Kreditanstalt der Deutschen oder Živnostenská banka) genutzt.139 Zum Immobilienankauf durch die Schutzvereine kam es speziell dort, wo dieser durch die konationalen Gemeinden nicht durchgeführt werden konnte, wobei stets die Übernahme des Besitzes durch diese Gemeinden bevorzugt und unterstützt wurde. So konnte etwa das Bürgermeisteramt in Arnau (Hostinné) der DSV-Ortsgruppenleitung bekannt geben, dass es ihm gelungen war, eine national bedrohte Liegenschaft zu erwerben. Im Hinblick auf die zu diesem Abkauf von der DSV-Hauptleitung bereits zugesicherte finanzielle Unterstützung fragte das Bürgermeisteramt nochmal nach:

138 Z. B. Rechenschaftsbericht für 1911/1912 des Ortsrates Dux-Bilin (Duchcov-Bílina) des Deutschen Volksrates für Böhmen. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 8, Fasz. Dux. 139 Z. B. Fall der sog. „Valenta-Häuser“ in Seestadtl (Ervěnice) vgl. Shrnutí ervěnických událostí (undat.). NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. Weitere Beispiele des Engegements der Schutzvereine bei Versteigerungen lassen sich etwa für Raatsch (Radeč) belegen, wo es um eine große Mühle mit Bauplätzen ging. Vgl. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 13, Fasz. Raatsch.

6.8 Immobilientätigkeit 

159

Die geehrte Hauptleitung des deutschen Schulvereines in Wien [hat] den Beschluss gefaßt, der Stadtgemeinde Arnau im Falle der Erwerbung der George Steffan’schen Liegenschaften in Arnau aus nationalen Gründen, einen Betrag bis zu 1000 K jährlich durch drei Jahre zur Deckung der notwendigen Zinsenzahlungen zu leisten, für den Fall, daß auch der Bund der Deutschen in Böhmen die gleiche Verpflichtung übernimmt. Nachdem der Bund der Deutschen in Böhmen zu obigem Zwecke eine Leistung bis zu 2000 K jährlich durch 5 Jahre übernommen hat, so erlaubt sich die Stadtgemeinde Arnau von dieser anerkennenswerten Zusicherung Gebrauch zu machen und für das erste Rechnungsjahr 1912 den Betrag in der bewilligten Höhe von 1000 K mit der höfflichsten Bitte anzusprechen, denselben nach Überprüfung der beiligenden Abrechnung bei der geehrten Hauptleitung in Wien zur Auszahlung an das Bürgermeisteramt befürworten zu wollen.140

Dieses Schreiben zeigt nicht nur ganz klar die sehr wichtige Rolle des DSV als Beistand für die Gemeinden in Fragen der Wahrung des „nationalen Besitzstandes“, sondern auch die Tatsache, dass eine Subvention von der Zusammenarbeit mit einem wirtschaftlichen Schutzverein abhängig gemacht wurde, wodurch natürlich die Effektivität der Investition gesteigert wurde. Das überwiegend deutschsprachige Arnau (Hostinné) gehörte schließlich nicht zu den Orten, denen der DSV seine höchste Aufmerksamkeit widmen sollte, schon aus dem Grund, dass es dort bis 1918 keine eingebrachten tschechischen Minoritätsschulgesuche gab.141 Die nationale Presse beschäftigte sich auch mit den kleinlichsten Veränderungen auf dem Immobilienmarkt in national umstrittenen Gebieten. Auch hier wurde freilich mit der gewöhnlichen Dramatik stets vom nationalen Gewinn und Verlust berichtet, gleichzeitig wiesen diese Nachrichten oft auf die Bedeutung der Liegenschaften für nationale Zwecke hin und prangerten die nationale Indifferenz oder gar den „nationalen Verrat“ derer an, die es zu verantworten hatten, dass der Besitz an den nationalen Gegner gelangte. Dabei kam wiederum die größte Brisanz den sich vermehrenden Immobilienankäufen tschechischer Schutzvereine in Orten mit deutschsprachiger Gemeindevertretung zu, wie unter anderen die Stadt Seestadtl (Ervěnice), wo unmittelbar nach dem Scheitern der Errichtung einer öffentlichen tschechischen Schule, die Vertreter der Eltern und der lokalen Schutzvereine dortselbst eine private ÚMŠ-Schule forderten. Nun ging es darum, ein geeignetes Gebäude dafür zu finden, wobei schon längst eine große Chance im Ankauf des Besitzes der Familie Valenta ins Auge gefasst wurde, wo eventuell nicht nur die Privatschule der ÚMŠ, sondern auch die von Entlassungen bedrohten tschechischen Familien untergebracht 140 Brief des Bürgermeisteramtes Arnau (Hostinné) an die örtliche DSV-Ortsgruppenleitung vom 19.5.1913. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 8, Fasz. Arnau. 141 Die tschechische Schule in Arnau (Hostinné) wurde erst 1926 geöffnet. Vgl. Padesát let Ústřední Matice Školské, Tab. II.

160  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

werden könnten.142 Der Ankauf des Besitzes des verschuldeten Valenta wurde jedoch zeitweise durch den von der deutschen Gemeinde eingereichten Zwangsverwaltungsantrag erschwert.143 Valenta, der im direkten Kontakt mit der ÚMŠ stand,144 wurde aus der Sicht der Schutzvereinsvertreter keineswegs als nationalbewusster Aktivist geschildert, eher als ein Opportunist, der sich von der Zusammenarbeit mit der tschechischen Seite eine mögliche Lösung seiner prekären finanziellen Lage versprach. Valenta verpflichtete sich, notfalls bei sich bis zu 80 Tschechen unterzubringen,145 drohte aber gleichzeitig, bei Nichtgewährung eines Kredits die Häuser an die Deutschen zu verkaufen.146 Der Nordböhmische Nationalverein [Národní jednota severočeská], der Turnverein Sokol und der Verein Májoslav in Seestadtl (Ervěnice) forderten wiederum von der ÚMŠ bereits am 25.3.1907 den Bau einer Privatschule147 und drängten auf eine Lösung der Frage des von der Zwangsversteigerung bedrohten Besitzes der Familie Valenta. Bald wurden deshalb auf beiden Schutzvereinsseiten Spendenaktionen organisiert, die den Erwerb der Valenta-Häuser ermöglichen sollten. Dass auch diese Aktion nationalen Zwecken diente, stand außer Zweifel: Die Tschechen wissen gar wohl, dass sie den Kampf um das deutsche Seestadtl gewonnen haben, wenn es ihnen gelingt, durch den Ankauf dieser acht Häuser den Streitbaren und Kampflustigsten in ihren Reihen – und nur gegen diese richten sich die Abwehrmaßregeln der Deutschen – eine gesicherte Wohnstatt zu schaffen.148

Schließlich gelang es tatsächlich, in der zwangsweisen Versteigerung den Ankauf dieser Realitäten durchzuführen, die am 26.6.1907 in den Besitz der ÚMŠ und des NJS übergingen und mit einem Kredit aus der bürgerlichen Sparkasse in Laun (Louny) gedeckt waren.149 Die Vermutung, die gekauften Valenta-Häuser sollten in erster Linie zur Unterbringung von tschechischen Nationalaktivisten und Agitatoren dienen, konnte bald bestätigt werden, als einige tschechi142 Brief der NJS-Ortsgruppe an die ÚMŠ vom 14.2.1907. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. 143 Brief der NJS-Ortsgruppe an den Anwalt Stejskal in Dux (Duchcov) vom 7.2.1907. Na Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. 144 Brief der ÚMŠ an Valenta vom 29.4.1907. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. 145 Brief der NJS-Ortsgruppe an die ÚMŠ vom 14.2.1907. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. 146 Brief des ÚMŠ-Konzipienten vom 9.4.1907. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. 147 Antrag des Sokol, des NJS und des Vereins Májoslav bei der ÚMŠ zur Errichtung einer Privatschule vom 25.3.1907. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. 148 Brüxer Zeitung, Nr. 31 vom 17.4.1907, S. 2. 149 Krediterteilung der ÚMŠ von der bürgerlichen Sparkasse in Laun (Louny) vom 18.6.1907. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354.

6.8 Immobilientätigkeit 

161

sche Familien mit der Begründung gekündigt wurden, es gebe einen anderen Verwendungszweck.150 Aus dieser Sicht scheinen Meldungen der deutschnationalen Brüxer Volkszeitung, wie „Tschechische Parteien der Walenta-Häuser wurden in den letzten Tagen bewogen, in die umliegenden Orte zu ziehen, um Platz für die Hetzer zu schaffen“, als einigermaßen begründet.151 Dies impliziert wiederum, dass jeder neue Besitzverkauf Misstrauen erweckte und mit nationalen Kontexten erfüllt wurde. Da die An- und Abkäufe von Immobilien durch die nationale Gegenseite äußerst unerwünscht waren, umso mehr wenn es um den Verkauf von Staatsbesitz ging,152 mobilisierten die Schutzvereine ihre Kräfte, um diese Transaktionen zu verhindern oder sich dergestalt zu beteiligen, dass diese zum eigenen nationalen Gunsten ausfallen. Dabei setzten sie oft ihre Mittelsmänner ein, und die betreffende Liegenschaft wurde unter dem Namen eines bevollmächtigten „zuverlässigen Parteigenossen“ gekauft, ohne die unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.153 Prinzipiell gesehen waren Schulvereine vor allem an Immobilien, die für Schulzwecke genutzt werden könnten, interessiert,154 doch waren es vielerorts auch Häuser und Wohnungen für die Eltern schulpflichtiger Kinder, die in die tschechische Minoritätsschule eingeschrieben werden sollten. Die wirtschaftlichen Schutzvereine waren hingegen primär an Immobilien im Bereich Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft interessiert, doch lässt sich zwischen diesen zwei Tätigkeitsbereichen keine klare Grenze ziehen. So arbeiteten die wirtschaftlichen Schutzvereine mit den Schulvereinen bei Immobilienankäufen oft Hand in Hand. Andererseits unterstützten die Schulvereine nicht selten die Erwerbsaktivitäten der wirtschaftlichen Schutzvereine, was etwa an der Unterstützung des vom Bund der Deutschen in Böhmen getragenen St. Margaretenbades bei Prachatitz (Lázně sv. Markéty u Prachatic) vom DSV zu sehen ist.155 Durch die Aktivität der Schutzvereine und Gemeinden wurde allmählich jedweder Besitzverschiebung misstrauisch begegnet. Der Staat als Eigentümer

150 Kündigung der Familie Trejbal aus einer Wohnung, die der NJS und der ÚMŠ gehörte, vom 29.1.1908. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 783, Kart. 354. 151 Brüxer Volkszeitung, Nr. 31 vom 17.4.1907, S. 6. 152 Protest der deutschen Gemeinden gegen den geplanten Verkauf der staatlichen Schächte an die tschechische Seite. [undat.] NA Praha, Národní rada česká, Kart. 104. 153 Die Einsetzung der Mittelsmänner galt auch für Schulen, etwa im Fall Werschowitz (Vršovice). Vgl. SPINDLER. Die deutsche Schulvereinsschule in Werschowitz, S. 4. 154 ADÁMIKOVÁ, Martina. České menšinové školství na Sokolovsku a Chebsku ve 20. a 30. letech 20. stol. [Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Phil. Fak. der Univerzita Pardubice. 2010], S. 47. 155 Šumavské proudy, Nr. 2 vom 12.1.1913, S. 4.

162  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

spielte dabei eine unberechenbare Rolle, da man bei ihm nicht die Garantie hatte, dass sein Besitz später nicht in die Hände der nationalen Gegenseite kommen würde.156 Freilich entfachte diese Tendenz, sich auch mit größeren Geldsummen für den Ankauf „zu opfern“, bei den Bewohnern der betroffenen Gemeinden eine erhöhte Spekulationslust, wobei sich in der Presse sogar Fälle finden lassen, wo die Besitzeigentümer sich einen Brief mit Angebot von den Schutzvereinen ausdachten, um damit die Gemeinde unter Druck zu setzen und eine entsprechende Überbietung zu bewirken.157 Der Bedarf, möglichst effizient bei solchen Immobilientätigkeiten vorzugehen, führte die wirtschaftlich-orientierten Schutzvereine (d. h. sowohl bei den tschechischen Národní jednoty als auch den Bünden der Deutschen) zu Gründungen von „Bodenfonds“, die die Ankaufsaktivitäten finanzieren sollten, was nicht selten als „Kolonisierungstätigkeit“ gedeutet wurde.158

6.9 Einflussnahme auf Wahlen Angesichts der strategischen Wichtigkeit der Gemeinden ebenso wie der örtlichen Schulaufsichtsorgane im Schulkampf kann es kaum überraschen, dass die Schutzvereine den Gemeinde- und Ortsschulratswahlen starke Aufmerksamkeit widmeten.159 Zwar überließen der DSV und die ÚMŠ dabei wiederum das Feld für die Agitation allmählich den regional agierenden wirtschaftlichen Bünden und nationalen Dachorganisationen wie dem NRČ (1900) oder dem Deutschen Volksrat für Böhmen (1903), doch war ihre Position im Hintergrund wiederum eine sehr wichtige.160 Bei Gemeindewahlen wurden Aufrufe an die Wähler mit dem Zweck erlassen, diese zu informieren und zu instruieren.161 Schließlich wa156 Vgl. Fall Kopist (Kopisty). Národní politika, Nr. 201 vom 24.7.1914, S. 5. 157 Národní Politika, Nr. 182 vom 5.7.1914, S. 4–5 158 KUBŮ, Eduard. Wirtschaftsnationalismus in Parteiprogrammen. In: POGÁNY, Ágnes – KUBŮ, Eduard – KOFMAN, Jan. Für eine nationale Wirtschaft: Ungarn, die Tschechoslowakei und Polen vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg. Berlin: 2006, S. 82; oder BIEDERMAN, Jan. Pozemkový fond Národní jednoty pošumavské – nástroj „záchrany“ českého majetku. In: HÁJEK, Jan – JANČÍK, Drahomír – KUBŮ, Eduard (Hrsg.). O hospodářskou národní državu. Acta universitatis Carolinae – Philosophica et historica 1–2005. Studia Historica LIX. Praha: 2009, S. 237–246. 159 Gemeinde-, und Landtagswahlen waren von der Einführung des allgemeinen Wahlrechts in den Reichsrat von 1907 unberührt und basierten bis 1918/1919 auf Kurienwahlrecht mit fünf Wählerklassen je nach Steuerleistung. 160 HASLINGER, Peter. Schutzvereine in Ostmitteleuropa, S. 143. 161 Aufruf des Deutschen Ortsrats in Pilsen an die deutschen Gemeindewähler. Pilsner Tagblatt, Nr. 343 vom 12.12.1912, S. 1.

6.9 Einflussnahme auf Wahlen



163

ren viele Vereinsfunktionäre Gemeindevertreter oder auch Bürgermeister.162 Durch diese Bindung sollte ein eventueller Aufstieg der nationalen Minderheit mit dementsprechend defensiver Rhetorik wie Praxis verhindert werden.163 Der Schilderung des Schriftstellers und ÚMŠ-Lehrers Eduard Štorch kann entnommen werden, dass der eventuelle Sieg bei Gemeindewahlen als die Ergreifung der „Herrschaft“ betrachtet wurde:164 Ein großer Durchbruch in die deutsche Herrschaft wurden die Gemeindewahlen in Kopist im Herbst 1902; hier gewannen die Tschechen dank den tschechischen Organisationen im III. Wahlkörper mit 228 Stimmern gegen 196 deutsche Stimmen trotz der Versuche der Deutschen, dies hintanzuhalten. Dieser tschechische Sieg erschreckte die Deutschen sehr und sie rufen jetzt alle ihre Kräfte zu den Waffen, um die Attacke der Tschechen abzuwehren. Heuer sind Wahlen in Maltheuern und in Wiese, nächstes Jahr in Tschausch und in all diesen Gemeinden hoffen die Tschechen, die deutsche Herrschaft zu brechen. Wer wagt dann noch von einem rein deutschen Raum zu sprechen?165

Häufigste Maßnahmen, die zur „Verteidigung“ der bestehenden (deutschen) Gemeindeämter vor solchen „Angriffen“ ergriffen wurden, zielten auf ein günstiges Wahlergebnis ab durch Wahlkreisschiebung166, Ausgemeindungen, Gemeindeteilungen167 oder andere Parzellierungsversuche der Wahlkörper, die die Projektion der wachsenden Minderheit in die Wahl verhindern sollte. Dass die Methoden der Gemeinden in Zusammenarbeit mit den Schutzvereinen sehr

162 So war etwa der Bürgermeister von Brüx (Most) zugleich Obmann des Bundes der Deutschen in Böhmen. Vgl. Artikel „Die Bundesortsgruppen Brüx im Jahre 1912“. In: Brüxer Volkszeitung, Nr. 14 vom 18.2.1913, S. 1. Die enge Verbindung des Schutzvereins-, und Gemeindewesens dokumentiert auch die Verleihung der Ehrenbürgerschaften an die Schutzvereinsaktivisten. Vgl. Šumavské proudy, Nr. 42 vom 19.10.1913, S. 4–5. 163 Der Deutsche Volksrat für Böhmen sah sich insbesondere zur „Sicherung deutscher Gemeindevertretungen in einzelnen besonders bedrohten Gemeinden“ berufen und setzte sich dies zu einem seiner Ziele. Vgl. Rechenschaftsbericht der Arbeitsstelle des Deutschen Volksrates für Böhmen für die Bezirke Dux-Bilin für 1911/1912. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 8, Fasz. Dux. 164 Dies stellte bereits Pieter Judson fest. JUDSON, Pieter. Guardians of the Nation, S. 56. 165 ŠTORCH, Eduard. Na Mostecku. In: České menšiny na Podkrušnohorsku. Praha: 1903, S. 20–21. [Übersetzt von Mikuláš Zvánovec] 166 Dies war ein Phänomen, über das sich auch Emanuel Rádl in der Zeit nach 1918 beschwerte. Vgl. RÁDL, Emanuel. Válka Čechů s Němci. Praha: 1928, S. 249. 167 Vorschläge zur Teilung der Gemeinden Kopist (Kopisty) und Kummerpursch (Konobrže) vgl. Brüxer Volkszeitung, Nr. 98 vom 8.12.1911, S. 6; zur Eingliederung der Gemeinden Malesitz (Malesice) und Kottiken (Chotíkov) vom Gerichtsbezirk Tuschkau Stadt (Město Touškov) zum Gerichtsbezirk Pilsen vgl. Český denník, Nr. 55 vom 7.3.1914, S. 3; zur Errichtung des „rein deutschen“ Gerichtsbezirkes Neumark (Všeruby) und der Expositur der Bezirkshauptmannschaft in Neuern (Nýrsko) vgl. Šumavan, Nr. 15 vom 12.4.1913, S. 5.

164  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

durchdacht waren, zeigt das Beispiel aus Solislau (Sulislav), wo sich der sog. „Deutsche Aussschuss zur Errichtung einer deutschen Volksschule in Solislau“ gezwungen sah, dem DSV seine Besorgnis über die berechnende Parzellierungstaktik der tschechischen Gemeindevertretung in Solislau (Sulislav) zu übermitteln: Im ersten Wahlkörper hat man einen Teil der tschechischen Ehrenbürger verschwinden lassen. […] Als das Verschwinden perfekt war, fand man, daß aus dem zweiten Wahlkörper ein Teil der Wähler in den ersten Wahlkörper vorrücken müsse. Man verringerte nun die Zahl der deutschen Wähler im zweiten Wahlkörper, welche denselben bis dorthin unumschränkt beherrschten, machte einen Teil derselben im ersten Wahlkörper unschädlich und in den zweiten Wahlkörper schob man an ihre Stelle tschechische Besitzer nach, wodurch der zweite Wahlkörper ebenfalls tschechisch gemacht war. Im dritten Wahlkörper müssen tschechische Parzellierstimmen aus Pilsen ihre Schuldigkeit tun. Als die Tschechen das erste Feld parzellierten und damit 90 neue Wähler fabriziert hatten, wollte man dies durch die Schaffung von 120 deutschen Parzellierstimmen wettmachen; doch die Tschechen parzellierten darauf wieder, und da man das endlose dieser Machination einsah, folgte man ihnen nicht mehr nach.168

Parzellierungen der Stimmen wie auch des Bodens wurden somit zum Bestandteil der Gemeindewahlen in national umstrittenen Gebieten.169 Eine besondere Aufmerksamkeit widmeten die Schulvereine den Ortsschulratswahlen, deren national-loyale Zusammensetzung als eine Vorbedingung für das Gedeihen des nationalen Schulwesens vor Ort betrachtet wurde. Es wurde der Rücktritt derjenigen gewählten Mitglieder des Ortsschulrates verlangt, die als Mitglieder der anderen Nation oder als „Renegaten“ bezeichnet wurden. Der Bezirksschulrat konnte hier eingreifen und die Wahl überprüfen bzw. aufheben.170 Die Gefahr der Teilnahme nicht verlässlicher Ortsschulratsmitglieder bestand vor allem darin, dass der Ortsschulrat Einschreibungen in die private Minoritätsschule verhinderte,171 dass er für die baulichen oder hygienischen An-

168 Brief des Ausschusses zur Errichtung der deutschen Schule in Solislau (Sulislav) an die DSV-Leitung vom Mai 1913. In: ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 13, Fasz. Solislau. 169 Für weitere Beispiele vgl: CAJTHAML-LIBERTÉ, František. Obrazy z českého severu (Manuskript). NA Praha, Nachlass František Cajthaml-Liberté, Kart. 7. 170 Dies passierte z. B. im südböhmischen Julienhain (Hranice), wo die von der Gemeinde gewählten Mitglieder des deutschen Ortsschulrates durch den Bezirksschulrat in Kaplitz (Kaplice) nicht bestätigt wurden. Dagegen brachte die Gemeinde Rekurs ein. Dies ging bis zum Verwaltungsgerichtshof, der schließlich die umstrittene Wahl der Gemeinde bestätigte. Vgl. Budweiser Zeitung, Nr. 8 vom 8.11.1912, S. 3–4 171 DUDOVÁ, Miluše. České menšinové školství v Bílině a okolí (1918–1938), [Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Phil. Fak. der Karls-Universität Prag, 2006], S. 32.

6.9 Einflussnahme auf Wahlen



165

forderungen nicht sorgte oder dass er Lehrern und Kindern Zuschüsse verweigerte.172 Der Konflikt drehte sich aber vor allem um die Nationalität des gewählten Ortsschulratsmitglieds und wieder einmal oszillierte er zwischen dem individuellen Bekenntnis und der Nationalitätsbestimmung aufgrund „objektiver“ Merkmale. So reichte als Grund für die Abberufung eines gewählten Ortsschulratsmitglieds die Tatsache, dass dieses bei der letzten Volkszählung eine andere Sprache als seine Umgangssprache angegeben hatte oder sich nicht genug national verhielt. In die Verhandlung über die Nationalität eines einzelnen Ortschulratsmitglieds wurde auch der Schulbesuch seiner Kinder, die Vereinstätigkeit sowie politische Affinität bei Wahlen einbezogen. Die Gemeinden, die diese Wahl vollzogen, beharrten meist auf ihrer Entscheidung, von der sie sich zumindest eine bessere Kontrolle über die Minoritätsschule im Ort versprachen und brachten gegen die Beschwerden der Schutzvereine oder die Beschlüsse der Bezirksschulräte Rekurse ein. Dabei tritt der große Spielraum bei der Bestimmung der Nationalität deutlich zutage. Während etwa die tschechischen Schutzvereine in Prachatitz (Prachatice) die Wahl in den böhmischen (tschechischen) Ortsschulrat wegen fraglicher objektiver Bestimmung der Nationalität der Mitglieder anfochten,173 opponierte die nordböhmische tschechische Gemeinde Trebnitz (Třebenice) gegen die Beschwerde der deutschen Schutzvereine wegen der Wahl tschechischer Mitglieder in den deutschen Ortsschulrat mit der Begründung, die Bestimmung der Nationalität erfolge nur auf Basis eines freiwilligen Bekenntnisses.174 Diese Widersprüchlichkeit zeigt, dass je nach Situation auch unterschiedliche Interpretationsmuster desselben Rechtsproblems angewandt wurden; und nicht selten musste die Gültigkeit der Ortschulratswahl schließlich der Verwaltungsgerichtshof entscheiden,175 weshalb in den Diensten der Schutzvereine auch viele Anwälte arbeiteten.176 Bei Ortsschulrats172 Pamětní spis o nedostatcích českého školství menšinového v král. Českém. NA Praha, Presidium ministerské rady Vídeň, Kart. 58. 173 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof über die Ortsschulratswahl in Prachatitz (Prachatice) von 1900. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 784, Kart. 418, Fasz. Prachatice. 174 Rekurs des Gemeindeamtes Trebnitz (Třebenice) zum Landesschulrat wegen Nichtigkeit der Beschwerde gegen die Wahl des deutschen Ortsschulrates in Trebnitz (Třebenice) vom 8.6.1914. NA Praha, ÚMŠ. Inv.-Nr. 483, Kart. 445, Fasz. Třebenice. 175 Zum Fall Karolinenthal (Karlín) vgl. Artikel „Können Tschechen deutsche Ortsschulräte sein?“. In: Handwerker vom 6.12.1907; zu Schüttenhofen (Sušice) vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.10.1903. Archiv der ÖLM Wien. Kart. Böhmen, Fasz. Schüttenhofen; zu Julienhain (Hranice u) vgl. Budweiser Zeitung, Nr. 8 vom 8.11.1912, S. 3–4. 176 Auf der Seite der ÚMŠ machte sich Dr. Stejskal aus Dux (Duchcov) besonders bemerkbar. Vgl. Brief der ÚMŠ an den Rechtsanwalt Stejskal vom 22.2.1907. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 483, Kart. 354. Für den DSV engagierte sich Ludwig Krieg (Prag), der nach 1918 zum Mitbegründer

166  6 Nationale Schutzarbeit vor Ort

wahlen wiesen die Schulvereine die Gemeinden auch in der Hinsicht an, welche Mitglieder in die Ortschulräte zu wählen sind. So z. B. empfahl die ÚMŠ dem Gemeindeamt Trebnitz (Třebenice), die Wahl des exponierten deutschen „Nationalkämpfers“, des Vorsitzenden des Deutschen Volksrates für Böhmen Josef Wenzel Titta177, in den deutschen Ortsschulrat infrage zu stellen, mit der merkwürdigen Begründung, Titta sei ein „Renegat“, wodurch die Konstituierung des deutschen Ortsschulrates wenigstens hätte verzögert werden können.178 Und die ÚMŠ war auch an dieser Stelle der eigentliche Verfasser von Beschwerden und Rekursen, die im Namen der Gemeinde eingebracht wurden.179 Zwar im Hintergrund stehende, trotzdem aber die Wirbel um die Ortsschulratswahlen entfachende Schutzvereine haben selbst das von den Gemeinden verlangt, was sie bei ihren Gegnern heftigst kritisierten – nämlich, dass die Gemeinden in die Ortschulräte opferbereite „Konationale“ schicken, die sich für Mitglieder der anderen Nationalität ausgeben würden.180

des Nachfolgevereins DKV wurde. Vgl. Brief von Ludwig Krieg an die DSV-Leitung vom 12.3.1921. Archiv der ÖLM Wien. Kart. Mähren, Fasz. Adlerdörfel. 177 Josef Wenzel Titta [*24.1.1863 in Prosmik bei Leitmeritz (Prosmyky u Litoměřic), † 10.8.1923 in Brüx (Most)] war Arzt und deutscher nationaler „Vorkämpfer“, der sich vom Vorsitzenden der deutschliberalen Partei Franz Schmeykal dazu bewegen ließ, sich an der bedrohten Sprachgrenze niederzulassen, um dort national zu wirken. Er war in Trebnitz (Třebenice) als Arzt und Vorsitzender des Deutschen Volksrats für Böhmen tätig. Zu Titta vgl. SCHMIED, Erich. J. W. Titta und der Deutsche Volksrat für Böhmen. In: Bohemia, Bd. 26, Nr. 2/1985, S. 309–330. 178 Brief des Sekretärs der ÚMŠ an das Gemeindeamt Trebnitz (Třebenice) vom 12.11.1912. NA Praha, ÚMŠ. Inv.-Nr. 483, Kart. 445, Fasz. Třebenice. 179 Z. B. Brief des Sekretärs der ÚMŠ an das Gemeindeamt Trebnitz (Třebenice) vom 5.6.1913. NA Praha, ÚMŠ. Inv.-Nr. 483, Kart. 445, Fasz. Třebenice. 180 Brief des Sekretärs der ÚMŠ an das Gemeindamt Trebnitz (Třebenice) vom 5.12.1911. NA Praha, ÚMŠ. Inv.-Nr. 483, Kart. 445, Fasz. Třebenice.

7 Epilog: Durchsetzung der tschechischen Schulvereinsagenda im tschechoslowakischen Nationalstaat Nach der Niederlage der Zentralmächte und der Errichtung der selbstständigen Tschechoslowakei projizierte sich der Bedarf nach der Beseitigung der Probleme mit der Resistenz der deutschen Gemeinden gegen die tschechischen Minoritätsschulen ebenso wie derjenigen mit der Volkszählung in die neue Legislatur des Staates. Beide strittigen Prozedere gingen voll in die Kompetenz des Staates über, und es wurde nicht mehr die „Umgangssprache“, sondern die im Sinne des Personalprinzips aufgrund objektiver Merkmale festzustellende „Nationalität“ für die Schulberechnungen und Volkszählungen angewandt, was sich in einem zahlenmäßigen Anstieg des tschechischen Elements ausdrückte. Die Einführung einer „jüdischen Nationalität“ in den Volkszählungen kann zu Recht als ein Versuch des Staates gewertet werden, die deutschsprachige Bevölkerung zahlenmäßig zu schwächen.1 Dieses Kapitel soll deshalb eine über das Jahr 1918 hinausgehende Perspektive leisten, die zeigt, inwiefern der Tschechoslowakische Nationalstaat die Erfahrungen und Forderungen der ÚMŠ handhabte und in die neue Gesetzgebung und in Reformen integrierte. Die im Zeitraum 1919–1923 herausgebrachten Schulgesetze waren auf die Stärkung der staatlichen Organe im Schulwesen ausgerichtet und sollten sowohl den lokalen Behörden als auch den Kirchen ihren Einfluss gänzlich entziehen. Richtungsweisend waren dabei drei Gesetze: 1. Das Gesetz Nr. 189/1920 vom 3. April 1920 über nationale Schulen und private Unterrichts- und Erziehungsanstalten, bekannt als „Minoritätsschulgesetz“ oder „Lex Metelka“. 2. Das Gesetz Nr. 292/1920 vom 9. April 1920 betreffend die Schulverwaltung. 3. Das kleine Schulgesetz Nr. 226/1922 vom 13. Juli 1922. Dieses Gesetzeswerk hatte die Verstaatlichung des ganzen Minoritätsschulwesens zur Folge und damit wesentliche Änderungen der Prozedur der Minoritätsschulerrichtung. Das Minoritätsschulwesen wurde im Einklang mit den Forderungen der ÚMŠ2 gänzlich dem Staat bzw. dem Unterrichtsministerium unterstellt, was auch die staatlichen Ausgaben für das Schulwesen erhöhte; von 1920

1 ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 113–125. 2 Čtyřicátá výroční zpráva ÚMŠ v Praze za 40. správní rok od 1. ledna do 31. prosince 1920, Praha: 1921, S. 5. https://doi.org/10.1515/9783110723397-008

168  7 Epilog

bis 1937 um das Fünffache.3 Das Gesetz betreffend die Schulverwaltung sorgte für die Entmachtung der Schulaufsichtsorgane und die Übernahme von deren Kompetenzen durch das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur [ministerstvo školství a národní osvěty]. Alle bisherigen Ortsschulräte wurden aufgelöst und an ihre Stelle traten die sog. Ortsschulausschüsse – bereits ohne Virilisten. Für die Minoritätsschulen wurden spezielle Minoritätsschulausschüsse gebildet, die lediglich aus den Vertretern der Schule und der Eltern bestanden. Die Nichtdurchsetzung des nach 1918 geplanten Gaugesetzes, nach dem neue Gau-Schulaufsichtsorgane eingeführt werden sollten, führte zu dem Umstand, dass Landesschulräte weiterhin existierten und technisch nach den Schulaufsichtsgesetzen aus der Zeit vor 1918 fungierten. Die neuen Schulgesetze wurden deshalb schließlich nur für die Ortsschul- und Bezirksschulausschüsse richtungsweisend.4 Laut § 5 des sog. „Minoritätsschulgesetzes“ wurde die erforderliche Schülerzahl für eine Minoritätsschulerrichtung relativiert, da „[a]us gewichtigen Gründen das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur ausnahmsweise anordnen [kann], daß öffentliche allgemeine Volksschulen […] auch für eine kleinere als die in den angeführten Paragraphen festgesetzte Schülerzahl errichtet und eröffnet werden.“5 Somit konnte eine Minoritätsschule auch bei Nichterfüllung gesetzlicher Bedingungen errichtet werden und laut § 9 des Minoritätsschulgesetzes war es neuerdings auch möglich, die Schule auf Entscheidung des Landesschulrates aufzulassen. Auch Privatschulen gerieten in Gefahr, als sie unter staatliche Aufsicht gestellt wurden, und das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur berechtigt war, das Öffentlichkeitsrecht aus gewichtigen Gründen zu entziehen. Laut Klage deutscher Abgeordneter vor dem Völkerbund im Jahre 1922 sollen bis Ende 1920 bereits 144 deutsche Schulen und 1 036 deutsche Klassen aufgelassen worden sein.6 Der DSV sah sich deshalb Konfiszierungen seines Vermögens ausgesetzt, wobei er Beschwerden gegen offizielle Ankündigungen etwa folgenden Wortlauts erhob: Aufgrund der Ermächtigung der politischen Landesverwaltung in Prag vom 26.8.1919 zur Konfiszierung der Wohnungen im Sinne der Verordnung vom 22.1.1919 Nr. 38 gestattet 3 1920 handelte es sich um 203 Mio. und im Jahre 1937 um 998 Mio. K. Vgl. TRAPL, Miloš. České menšinové školství v letech 1918–1938. In: ŠRAJEROVÁ, Olga (Hrsg.). České národní aktivity v pohraničních oblastech první Československé republiky. Olomouc: 2003, S. 111. 4 KÁDNER, Otakar. Vývoj a dnešní soustava školství. Praha: 1931, S. 17–19. 5 REICH, Andreas. Das tschechoslowakische Bildungswesen vor dem Hintergrund des deutsch-tschechischen Nationalitätenproblems. In: Bohemia: Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder Nr. 1/1995, S. 22. 6 Deutsche Parlamentarier an den Völkerbund: Eine Ergänzung der im Sommer 1922 dem Völkerbund überreichten Denkschrift deutscher Parlamentarier. Prag: 1923, S. 80–81.

7 Epilog



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sich das unterschriebene Stadtamt darauf hinzuweisen, dass die Wohnung in Ihrem Schulgebäude in Leimgruben [Hlinoviště], […] ab dem 15. 9. konfisziert wird.7

Rekurse und Beschwerden ebenso wie versuchte Schulstreiks blieben für den DSV zunächst erfolglos, obwohl bald die Gesetzwidrigkeiten der ersten Jahre nach der Staatsgründung verbessert wurden. So entschied 1923 das Verwaltungsgericht in Prag, dass Konfiszierungen und Zwangsmieten bei denjenigen Schulgebäuden zu stoppen seien, wo bereits die Errichtung einer Vereinsschule offiziell in die Wege geleitet wurde. Das betraf vor allem den Besitz des DSV bzw. seines Nachfolgevereins in der Tschechoslowakei (ČSR).8 Den plötzlichen Einflussverlust des DSV in den böhmischen Ländern drückt illustrativ ein Schreiben des DSV an den Oberlehrer einer aufgelassenen öffentlichen deutschen Schule in Röscha (Řeřichy) von 1919 aus: Mit Rücksicht auf die Auflassung der öffentlichen Schulexposituren in Röscha und Watzlaw sind wir bereit, für diese beiden Orte in unserem Schulgebäude in Röscha wieder eine deutsche Privatvolksschule zu errichten. Da dem Deutschen Schulverein in Wien die Errichtung der Schule nicht bewilligt wird, so ersuchen wir Sie, um die Bewilligung der Privatvolksschule bei der Schulbehörde einzureichen. Die Eingabe, sowie das Organisationsstatut legen wir zur Fertigung bei.9

Schließlich wurde dem DSV nach Vereinsgesetz von 186710 als einem Auslandsverein mit Sitz in Wien die Ausübung seiner Tätigkeit in der ČSR untersagt, und somit bedeuteten die neuen Rahmenbedingungen das endgültige Ende seiner Tätigkeit in den böhmischen Ländern. Künftig engagierte er sich nur noch auf dem Staatsgebiet der Republik Österreich und fusionierte mit dem Berliner Verein für das Deutschtum im Ausland und dem Verein Südmark in Graz an. In der ČSR wurde der DSV von einem Nachfolgeverein ersetzt – dem Deutschen Kulturverband (DKV) mit Sitz in Prag.11 Der DKV ging aus der DSV-Geschäftsstelle in Reichenberg (Liberec) hervor, die sich im Rahmen des ehemaligen DSV-Gauverbandes Reichenberg (Liberec) konstituiert hatte und die not7 Schreiben des Stadtamtes Weisswasser (Bělá pod Bezdězem) an den DSV vom 11.9.1919. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 10, Fasz. Leimgruben. 8 Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Nr. 9674 vom 2.6.1923. In: BOHUSLAV, Josef Václav (Hrsg.). Sbírka nálezů Nejvyššího správního soudu ve věcech administrativních. Nr. 12–26/ 1924–1925, S. 1258. 9 Brief des DSV an den Oberleher in Röscha (Řeřichy) Wilhelm Oertl vom 7.11.1919. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 13, Fasz. Röscha. 10 Ein neues Vereinsgesetz für die ČSR wurde zwar verhandelt, trat jedoch bis 1938 nicht in Kraft. 11 Schreiben des DSV an die DSV-Ortsgruppen vom 10.8.1919. ÖStA/AVA, Unterricht, KB, DSV, Böhmen und Mähren, Kart. 13.

170  7 Epilog

wendigen Schritte zur Errichtung eines Nachfolgevereins für die ČSR und die Übernahme der Anstalten vom DSV vorbereitete. Diese löste sich bis 1920 auf, und es wurde die neue Prager Stelle des DKV unter der Obmannschaft von Rudolf Funke12 konstituiert, die auf dem Gebiet der ČSR (also auch in der Slowakei und der Karpatoukraine) tätig wurde.13 Die Entmachtung der deutschen Gemeinden und Schutzvereine im Bereich des Schulwesens rief ein starkes Bedürfnis danach hervor, ein kollektives Vorgehen der deutschen Gemeinden zu fördern. Das zeigt sich vor allem an der Entstehung und Funktion des aus der „Zentralstelle der deutschen Verwaltungsbezirke in Böhmen“ 1913 hervorgegangenen „Verbandes der deutschen Selbstverwaltungskörper“ mit dem Sitz in Teplitz-Schönau (Teplice-Šanov), der die Vertretung der deutschen Gemeinden gegenüber dem Staat ähnlich wie früher der DSV erfüllte und für die Gemeinden Rekurse in Minderheits- oder Sprachangelegenheiten ausarbeitete.14 Rekurse und Beschwerden betrafen wieder einmal die etwaige fragliche Zusammensetzung der Ortsschulräte,15 Umgemeindungen, Umgehung des schulbehördlichen Instanzenzuges oder etwa die Versuche, deutsche Schulen zugunsten der tschechischen zu entvölkern. Unmittelbar nach 1918 hatte der DSV/DKV den Verlust von 11 Vereinsvolksschulen, 3 öffentlichen ehemaligen Vereinsvolksschulen und 21 Kindergärten zu beklagen, die gesperrt oder für tschechische Schulzwecke beschlagnahmt wurden.16 Auf der anderen Seite lässt sich eine allgemeine Integration der mit der ÚMŠ verbundenen Persönlichkeiten in staatliche Organe beobachten, indem etwa ÚMŠ-Funktionäre an den Verhandlungen zu neuen Schulgesetzen – nach eigenen Worten – „eifrig teilnahmen“. Der langjährige ÚMŠ-Obmann Jindřich Metelka z. B. avancierte überdies zum Präsidenten des Landesschulrates.17 Weitere ÚMŠ-Funktionäre bekamen z. B. Stellen im Landesschulrat (František Bělehrádek) oder im Landesausschuss (Jan Hocke). Der langjährige ÚMŠ-Sekretär Jan Dvořák wurde Leiter des Minderheitsausschusses im Ministerium für Unter-

12 Dr. Rudolf Funke (*20.1.1867 – † 11.5.1935) war Facharzt und Sohn des deutschliberalen Landtags- und Reichsratsabgeordneten und Bürgermeisters von Leitmeritz (Litoměřice), Alois Funke. Vgl. Deutschmährische Heimatblätter, Nr. 5–6/1935, S. 192. 13 Festschrift zur Pfingsttagung des Deutschen Kulturverbandes. Aussig: 1930, S. 20. 14 Rundschreiben des Ausschusses der vereinigten deutschen Ortsschulräte in Haida (Bor) vom 14.6.1921. Archiv města Ervěnice, SOkA Chomutov se sídlem v Kadani. Inv.-Nr. 422, Kart. 65. 15 Erklärung der Gemeinde Seestadtl (Ervěnice) vom 31.3.1921. Archiv města Ervěnice, SOkA Chomutov se sídlem v Kadani. Inv.-Nr. 422, Kart. 65. 16 Wochenbericht des Deutschen Schulvereins, Fg. 25 vom 9.8.1920, S. 5–6. 17 Čtyřicátá výroční zpráva ÚMŠ v Praze za 40. správní rok od 1. ledna do 31. prosince 1920, Praha: 1921, S. 5.

7 Epilog



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richt und Volkskultur.18 Die Vorstellungen und Wünsche der ÚMŠ bezüglich der Minoritätsschulproblematik fanden somit ihren Weg in die Schulgesetzgebung und wurden – wenigstens aus der Sicht der deutschen Gegenseite – „im überreichen Maße befriedigt“.19 So wurde z. B. 1922 im Rahmen des sog. „kleinen Schulgesetzes“ die vor 1918 problematische Steigerung der erforderlichen Schülerzahl durch Unterbringung von Waisenkindern zum Thema, als diese nicht mehr in die Berechnung der erforderlichen Schülerzahl einbezogen werden durften.20 Die Verstaatlichung des Minoritätsschulwesens brachte insgesamt eine enorme Vereinfachung der Errichtung einer öffentlichen Minoritätsschule, als dafür die Prozedur von einer Petition über protokollarische Einvernahme bis hin zu den kontroversen kommissionellen Verhandlungen nicht mehr nötig war. Auf der anderen Seite riefen diese Umstände, als die Agenda der ÚMŠ vom Staat übernommen wurde, zwangsweise die Frage hervor, ob der neue Staat die ÚMŠ überhaupt noch brauche.21 Die enge Verbindung der ÚMŠ mit der tschechoslowakischen Republik ähnelte der Stellung des DSV in der österreichischen Republik, der sogar seine frühere Täitkgeit als eine Art Vorbereitung des „Seelengarten[s] von Deutschösterreich“ verstand.22 Die allgemein problematische Legitimierung nationaler Schutzvereine in Nationalstaaten, d. h. der ÚMŠ in der Tschechoslowakei und des DSV in Österreich, brachte zunächst sinkende Mitgliederzahlen und Einnahmen wie auch Diskussionen über die eigene Existenzberechtigung, in welchen die Zweifel bewusst und regelmäßig in einer nahezu ritualisierten Form bekämpft wurden. In der Tschechoslowakei suchte die ÚMŠ deshalb nach neuen Tätigkeitsfeldern, was von der deutschen Seite als Übergang zur nationalen Offensive wahrgenommen wurde, die zur gänzlichen Eroberung der deutschsprachigen Gebiete der ČSR führen sollte.23 In diesem Sinne wurden auch die Satzungen der ÚMŠ modifiziert, nach denen die ÚMŠ nunmehr die Aufgabe verfolgte, „alle Schulen und Schulanstalten, Kindergärten, Ausbildungs- und Erziehungskurse, Waisenheime, Konvikte, Suppenanstalten, Bibliotheken und Leseanstalten zu unterhalten und überhaupt durch Bildung und Er-

18 ŘEHÁČEK, Karel. Ústřední Matice Školská. In: Paginae historiae, 15/2007, S. 99. 19 Der Getreue Eckart, Nr. 5–6/1919, S. 142. 20 Deutsche Parlamentarier an den Völkerbund, S. 78. 21 Čtyřicátá výroční zpráva ÚMŠ v Praze za 40. správní rok od 1. ledna do 31. prosince 1920, Praha: 1921, S. 8; Sedmačtyřicátá výroční zpráva Ústřední Matice Školské v Praze za 47. správní rok 1927. Praha: 1928, S. 17. 22 Der Getreue Eckart, Nr. 5–6/1919, S. 87. 23 MÜLLER, Michael G. – PETRI, Rolf (Hrsg.). Die Nationalisierung von Grenzen: Zur Konstruktion nationaler Identität in sprachlich gemischten Grenzregionen. Marburg: 2002, S. 186–187.

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ziehung die Kenntnisse der tschechischen Hochsprache zu verbreiten“.24 Im Unterschied zu den Satzungen aus der Zeit vor 1918 mied die neue Satzung die Widmung dieser Tätigkeiten den „tschechischen Kindern“, wodurch die Aufnahme deutscher Kinder in tschechische Schulen ermöglicht wurde.25 Dagegen protestierte der DKV in den Jahren nach 1918 regelmäßig.26 Von der Agenda der Schulvereine sollte durch die „Lex Metelka“ theoretisch ihre wichtigste Aufgabe der Errichtung und Erhaltung von Volksschulen für nationale Minoritäten völlig verschwinden. In der Tat hatte die ÚMŠ Ende der 1930er-Jahre 28 und der DKV 34 Privatvolksschulen in der ČSR.27 Staatliche Minoritätsschulen wurden meist mit der tschechischen Unterrichtssprache errichtet. Der verschwindenden Zahl deutscher staatlicher Minoritätsschulen konnte bis 1 453 staatliche tschechische Minoritätsschulen im Jahre 1937 gegenübergestellt werden.28 Da die Sicherung des tschechischen Volksschulwesens als vom Staat garantiert gelten konnte, konnte sich die ÚMŠ stärker auf Kindergärten und Fortbildungsschulen konzentrieren. Durch den Ausbau der Kindergärten, der in den 1930er-Jahren bereits als Haupttätigkeit der ÚMŠ betrachtet wurde,29 sollte die erforderliche Schulkinderzahl für die staatlichen Minoritätsschulen gesichert werden. Diejenigen Kindergärten, die von den kooperierenden Schutzvereinen unterhalten wurden, wurden durch die ÚMŠ allmählich übernommen, um diese bis 1928 an den Staat zu übergeben.30 Zum Realgymnasium in Orlau (Orlová) und der Mädchenfortbildungsschule in Prachatitz (Prachatitce) aus der Zeit vor 1918 kamen weitere Akademien, Fortbildungsschulen und Gymnasien hinzu, die in Kooperation der ÚMŠ mit dem Staat erbaut werden konnten.31 Im verstärkten Maße wurden auch Volksbibliotheken errichtet und unterstützt, wozu der bereits vor 1914 existierende sog. „J.-V.-Rychtařík-Fonds“ genutzt wurde.32 Die ÚMŠ, im Schutzvereinsdachverband „Svaz národních jednot a matic“ führend beteiligt war, richtete in den „Aufbaujahren“ der ČSR regelmäßig Lobesworte an den Staat und den Präsidenten Tomáš Garrigue Masaryk wie auch 24 Satzungen der ÚMŠ von 1922. NA Praha, ÚMŠ, Kart. 59. 25 ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S. 124–126. 26 Der Getreue Eckart, Nr. 3/1919, S. 49; Der Getreue Eckart, Nr. 7–8/1919, S. 140. 27 Padesátásedmá výroční zpráva ÚMŠ v Praze za 57. správní rok od 1. ledna do 31. prosince 1937, S. 43–44; Neues Tagblatt für Schlesien und Nordmähren, Nr. 209 vom 8.9.1936, S. 5. 28 Neues Tagblatt für Schlesien und Nordmähren, Nr. 203 vom 30.8.1938, S. 7. 29 Politický kalendář občanský a adresář zemí koruny České na rok 1935, Nr. 1/1935, S. 213. 30 Šestačtyřicátá výroční zpráva ÚMŠ v Praze za 46. správní rok od 1. ledna do 31. prosince 1926, Praha: 1927, S. 12–47. – Sedmačtyřicátá výroční zpráva ÚMŠ v Praze za 47. správní rok od 1. ledna do 31. prosince 1927. Praha: 1928, S. 13–14. 31 Sedmačtyřicátá výroční zpráva ÚMŠ v Praze za 47. správní rok, S. 12. Vgl. die Beilage 5 dieser Arbeit. 32 NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 716, Kart. 90.

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an die tschechischen Legionen im Sinne der Loyalität und Dankbarkeit für die Verwirklichung der Ideen der ÚMŠ.33 Der DSV und sein Nachfolger DKV wurden durch die Kriegserfahrung, die separatistischen Versuche nach 1918 und schließlich auch durch die angenommene Verbindung zu deutschen negativistischen Parteien (vor allem der Deutschnationalen Partei, DNP) als „Vorhut Großdeutschlands“34 wahrgenommen, was das Festhalten am tschechischen Opfernarrativ, auch im „eigenen Staat unterdrückt zu werden“, ermöglichte.35 Festgehalten wurde ebenso an den dramatischen Schilderungen der schlechten Schulverhältnisse und Unterstützung der Elternresolutionen für die Verbesserung des Zustandes der tschechischen Schulen, die jedoch von der deutschen Perspektive im Hinblick auf die oft beklagten staatlich getragenen „tschechischen Schulpaläste“36, die oft nur für eine „Handvoll“37 tschechischer Kinder gebaut wurden, eher unglaubwürdig erschienen. Im Senat der tschechoslowakischen Nationalversammlung beklagte sich bei der Budgetdebatte von 1927 etwa der Senator Hans Hartl (DNP) über „die agressive nationalistische Tendenz in der mit steigender Heftigkeit betriebenen Durchsetzung des deutschen Sprachgebietes mit čechischen Minoritätsschulen, die keinem kulturellen Bedürfnisse entspringen, sondern nur die Čechisierung deutscher Gemeinden vorbereiten sollen“.38 Die nationalstaatliche Demokratie der neuen Republik entsprach zwar dem demokratischen Selbstverständnis der tschechischen Nationalbewegung, doch kam es vielmals zur Kritik der ungenügenden Interventionsmöglichkeiten des Staates, mit denen das Bedürfnis der eigenen weiteren Tätigkeit untermauert wurde: Der Staat sichert vor allen Dingen Wirtschaftsinteressen, und zwar nicht nur der tschechoslowakischen Nation, sondern auch der nationalen Minderheiten, insbesondere der deut-

33 Čtyřicátá výroční zpráva ÚMŠ v Praze za 40. správní rok od 1. ledna do 31. prosince 1920. Praha: 1921, S. 5. 34 Čtyřicátá výroční zpráva ÚMŠ v Praze za 40. správní rok od 1. ledna do 31. prosince 1920. Praha: 1921, S. 5. 35 ZAHRA, Tara. Kidnapped souls, S.107. 36 Wir stehen zum Kulturverband. Festschrift zur 12. Hauptversammlung des DKV in Znaim. Znaim: 1931, S. 31. 37 WISKEMANN, Elizabeth. Czechs and Germans: A Study of the Struggle in the Historic Provinces of Bohemia and Moravia. London: 1938, S. 208. 38 Stenographisches Protokoll, 155. Sitzung der 6. Session des Senats der tschechoslowakischen Nationalversammlung vom 15.11.1928., Legislaturperiode 1925–1929. Rede des Senatoren Hans Hartl bei der Budgetdebatte. https://www.senat.cz/informace/z_historie/tisky/2vo/stena/ 155schuz/prilohy/priloh04.htm (30.10.2020).

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schen Minderheit und das alles unter Kontrolle der Vertrauensmänner der nationalen Minderheiten in der Regierung.39

Die Rechte der deutschen Minderheit wurden als zu weitgehend betrachtet und es wurde auf die Gefahr hingewiesen, dass diese Rechte zur Zerstörung des Staates missbraucht werden könnten. Dem wollte die ÚMŠ mit ihrem Festhalten am staatlichen Zentralismus entgegenwirken.40 Als die größte Gefahr wurde in dieser Hinsicht die Opposition der deutschen Parteien und Schutzvereine wahrgenommen, was an der strikten Ablehnung des sog. „Gaugesetzes“ seitens der ÚMŠ-Vertreter ersichtlich ist, denn das neu zu schaffende Gausystem hätte nämlich in einigen Gebieten der ČSR (z. B. Gau Böhmisch Leipa/Česká Lípa und Gau Karlsbad/Karlovy Vary) die politische Dominanz des deutschen Elements in den geplanten Gauschulräten im Schulwesen zur Folge gehabt, was wiederum die tschechischen Minderheiten den „deutschen oder gemischten Gauschulräten ausliefern würde“.41 Im Jahre 1924 wurde die ÚMŠ vom Staat beauftragt, ein Bauprogramm für staatliche Minoritätsschulen zu verwirklichen, darunter auch solche Schulen, die anlässlich des 10. Jahrestages der ČSR im Jahre 1928 feierlich als „Jubiläumsschulen“ eröffnet wurden.42 Die Eröffnung einer neuen staatlichen Minori39 Šestačtyřicátá výroční zpráva ÚMŠ v Praze za 46. správní rok od 1. ledna do 31. prosince 1926. Praha: 1927, S. 9. 40 VÚMŠ, Nr. 1–6/1929, S. 12. 41 VÚMŠ, Nr. 1/1924, S. 3. 42 Es handelte sich um folgende staatliche Minoritätsschulen. In Böhmen waren es Bowitz (Babice), Bohnau (Banín), Bukowitz bei Schreibendorf (Bukovice u Písařova), Deschna bei Neuhaus (Deštná u Jindřichova Hradce), Deutsch Gabel (Německé Jablonné), Eidlitz (Udlice), Frankstadt an der Mährischen Grenzbahn (Frankštát/Nový Malín), Friedenau (Frýdnava), Großgallein (Velké Skaliny), Hainspach (Haňšpach/Lipová), Hohenfurt (Vyšší Brod), Höflein (Hevlín), Hollschowitz (Holašovice), Holtschitz (Holešice), Gastorf (Hoštka), Chotieschau (Chotěšov), Kaunowa (Kounov), Krotiv (Krotějov), Kwietenau (Květinov), Kuniowitz (Kunějovice), Landskron (Lanškroun), Liebshausen (Libčeves), Libotschan (Libočany), Lischnitz (Lišnice), Metzling (Meclov), Neuern (Nýrsko), Orlowitz (Orlovice), Ottau (Zátoň), Podersanka (Podbořánky), Radowesitz (Radovesice), Rokytnice (Rokitnitz), Priesen (Březno), Schurtz bei Königinhof (Žírec u Dvora Králové), Smertschna (Smrčná), Soborten (Sobědruhy), Stritschitz (Strýčice), Strobnitz (Horní Stropnice), Stuben (Hůrka), Tachau (Tachov), Teplitz-Schönau (Teplice-Šanov), Tuchorschitz (Tuchořice), Unter-Sekerzan (Dolní Sekyřany), Weißensulz (Bělá nad Radbuzou), Willomitz (Vilémov), Zuckmantl (Cukmantl/Pozorka) in Böhmen. In Mähren ging es um Altschallersdorf (Starý Šaldorf), Augezd (Újezd u Uničova), Lodenitz (Loděnice), Luschitz (Lužice u Šternberka), Maxdorf (Dvorska), Kučerov (Kutscherau), Mährisch Schildberg (Šilperk), Saitz (Zaječí), Schnobolin (Slavonín), Selsen (Želivsko), Schönwald (Šumvald/Šumná), Schützendorf (Slavoňov), Schaffa (Šafov), Schönau (Šanov nad Jevišovkou), Schweine bei Lexen (Svinov u Líšnice), Söhle (Žilina), Weska (Véska), Zuckerhandl (Suchohrdly). In Schlesien waren es Bistritz (Bystřice nad Olší), Karvinná-York (Karwin-York), Nieder-Bludowitz (Dolní

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tätsschule hatte einen national-demonstrativen Charakter, wie es verschiedenerorts dokumentiert ist. So haben sich bei der feierlichen Eröffnung des neuen Schulhauses für die staatliche tschechische Minoritätsschule in Nýrsko (Neuern) nicht nur Schutzvereinsaktivisten aus nah und fern einschließlich SokolTurnern oder Legionären, sondern auch hochrangige Politiker, Bürgermeister, Abgeordnete und Senatoren (der langjährige ÚMŠ-Mitarbeiter Antonín Hubka z. B. hielt dabei die Festrede) eingefunden. Die in der Regel ganztägigen Veranstaltungen enthielten einen Festmarsch mit musikalischer Begleitung (oft waren es die Fanfare von der Oper Libuše und die Staatshymne). Regional unterschiedlich wurde nach 1918 der Bedarf nach dem Akt der offiziellen Einweihung der neuen Schule durch einen Geistlichen als einem wichtigen gesellschaftlichen Ereignis.43 Das verstaatlichte Minoritätsschulwesen entschärfte einerseits tatsächlich etwas die alten Auseinandersetzungen und reduzierte die Lasten für die ÚMŠ in ihrem wichtigsten Arbeitsfeld, andererseits wirkte diese Bindung an den Staat eher hemmend für die ursprüngliche Tätigkeit. Deshalb kam es zu einer bemerkbaren Umorientierung der ÚMŠ von Volksschulen auf Kindergärten, Bürger- und Fortbildungsschulen wie auch zum Ausbau anderer Unterstützungformen (z. B. Erstattung der Fahrscheine für Schüler, Stipendien usw.).44 Trotzdem oder gerade deshalb zeichnete sich die Rhetorik der ÚMŠ durch einen gewissen nostalgisch-bilanzierenden Grundton aus, indem vor allem Erfolge der Vorkriegszeit hervorgehoben wurden.45 Ebenso wie im Falle der ÚMŠ wurden die neuen Satzungen des DKV eher vage formuliert und sollten nunmehr „das ganze Feld kultureller Betätigung“46 umschließen. Der DKV übernahm unentgeltlich die Anstalten wie auch die DSV-Ortsgruppen, wobei für den Aufbau der neuen Organisation auch Geldmittel aus Erbschaften verwendet wurden. Der DKV, der sich offiziell am 2.11.1919 im Deutschen Haus in Prag konstituierte, behielt die Stellung des DSV als mitgliederstärkste deutsche Organisation in der ČSR bis in die 1930er-Jahre. Im Bludovice), Jaseni (Jasení), Lonkau (Louky nad Olší), Mistrowitz (Mistřovice), Nawsy (Návsí), Niedeck (Nýdek), Obersuchau (Horní Suchá), Písek u Jablunkova (Pisek), Sowinietz (Sovinec), Wendrin (Vendryně), Zawada (Závada). Vgl. ŘEHÁČEK, Karel. Ústřední Matice Školská. In: Paginae historiae, Nr. 15/2007, S. 101. 43 VÚMŠ, Nr. 1–6/1929, S. 131. Aus den Schulchroniken ergibt sich, dass die festliche Schuleinweihung nach 1918 nur auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern stattfand. Vgl. z. B. Chronik der Volksschule in Teschowitz (Těšovice): https://digi.ceskearchivy.cz/312754/155/1857/1491/ 35/0 (30.10.2020) 44 Verzeichnis der von der ÚMŠ erteilten Zuschüsse als Fahrgeld für die Grenzler-Schüler. NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 690, Kart. 62. 45 ŘEHÁČEK, Karel. Ústřední Matice Školská. In: Paginae historiae, Nr. 15/2007, S. 114. 46 Sudetendeutsches Jahrbuch, Nr. 1/1936, S. 124.

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dann folgenden sog. „sudetendeutschen Einigungsprozess“ wurde die führende Rolle von dem von Konrad Henlein geleiteten Deutschen Turnverband (DTV) und anschließend durch die 1933 gegründete Partei Sudetendeutsche Heimatfront (SHF) (seit 1935 Sudetendeutsche Partei – SdP) übernommen. Der DKV war derjenige nationale Schutzverein, der in diesem Einigungsprozess der 1930er-Jahre am längsten seine Autonomie bewahren konnte, was wohl an der Zusammensetzung der DKV-Leitung um den Verbandsobmann Rudolf Funke lag. Zu DKV-Funktionären gehörten etwa die Agrarier Franz Spina, Franz Hodina und der „Eiserne Rektor“ der Prager Deutschen Universität, August Naegle47, insgesamt also Vertreter der älteren politischen Generation. In der Verbandsleitung waren ältere Hochschulprofessoren stark vertreten, es handelte sich z. B. um Rudolf Spitaler, August Gessner, Eduard Winter, Anton Gebert, Herbert Cysarz und Otto Ernst.48 Die gemäßigte DKV-Leitung konnte somit im Laufe der 1920er-Jahre eine eher aktivistische Haltung gegenüber der ČSR einnehmen, was sehr gut die dem Geiste des deutschen politischen Aktivismus entsprechenden Auftritte Franz Spinas, des damaligen Ministers für öffentliche Arbeiten für den Bund der Landwirte (BdL), bei den DKV-Hauptversammlungen zeigten.49 Bei der Hauptversammlung 1927 in Zwittau (Svitavy) erörterte er das Selbstverständnis des DKV folgendermaßen: Niemand kann und darf uns die Sympathien für unser großes Muttervolk verbieten und es verbietet sie auch niemand. Eben weil wir unsere Pflicht gegen den Staat erfüllen, der unsere deutsche Heimat eingeschlossen hält, dürfen wir frei und offen hinüberschauen und brauchen nicht zu schielen. Dadurch schaffen wir Sudetendeutschen ein großes Vorurteil aus der Welt und stellen die Brücke her zu dem deutschen Nachbarstaate.50

Die ziemlich aktivistische Haltung unterstützte auch die enge Zusammenarbeit des DKV mit den dem BdL nahestehenden landwirtschaftlichen Verbänden.51 Nach ca. zehn Jahren des Bestehens des DKV zeigten sich dessen Vertreter in ihren Proklamationen mit der Entwicklung des deutschen Schulwesens im 47 Naegle war bis 1918 Mitglied der Christlichsozialen, nach 1918 wechselte er zur Deutschnationalen Partei (DNP). Auch als DKV-Funktionär stand er der katholischen Kirche nahe. JATSCH, Josef (Hrsg.). Deutscher Klerus und Deutscher Kulturverband. Die Mitglieder der Hauptleitung des Deutschen Kulturverbandes, die Universitätsprofessoren Josef Jatsch und August Naegle, haben im Verbandsblatte der deutschen katholischen Geistlichkeit nachstehenden Aufruf veröffentlicht. Prag: 1927, S. 1–4. 48 Neues Tagblatt für Schlesien und Nordmähren, Nr. 75/1934 vom 23.5.1934, S. 4. 49 Die Zeitung Přítomnost hebt auch die „delikate Stellung“ Franz Spinas als erster tschechoslowakischer Minister bei der DKV-Hauptversammlung 1927 in Zwittau (Svitavy) hervor. Vgl. Přítomnost, Nr. 26 vom 7.7.1927, S. 407. 50 Prager Tagblatt, Nr. 134 vom 7.6.1927, S. 5. 51 POZORNY, Reinhard. Deutsche Schutzarbeit im Sudetenland, S. 39.

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tschechoslowakischen Staat sogar öffentlich zufrieden. Bei der DKV-Hauptversammlung 1930 in Aussig (Ústí n. L.) wurde optimistisch darüber berichtet, dass dank der eigenen Tätigkeit „fast kein deutsches Kind eine fremdsprachige Schule besuchen [muss]“, wodurch die Fehler der Nachkriegszeit wiedergutgemacht wurden, was zu dem überraschend optimistischen Ausruf „Wir haben’s geschafft“ führte.52 Der DKV setzte sich zwar am Anfang mit aus seiner Sicht eher schleppend behandelten Bewilligungsgesuchen um deutsche Schulen auseinander, konnte aber auf eine stete Mitgliederzunahme wie auch einige positive Interventionen seitens des Ministeriums für Unterricht und Volkskultur wie auch des Verwaltungsgerichtes zugunsten der deutschen Schulen zurückblicken.53 Auch bei ihm kam es zwangsweise zur Umorientierung auf die Kindergärten, deren Bewilligungsgesuche anfangs auf weniger Widerstand als bei den Volksschulen stoßen, da diese der deutschen Sektion des Landesschulrats unterlagen.54 Seit 1926, als deutsche aktivistische Parteien in die ČSR-Regierung eintraten, konnte sich der DKV als einziger deutscher Schutzverein in der ČSR auf staatliche Subventionen in der Höhe von 750 000 K jährlich verlassen.55 Auch die Anschuldigungen der ÚMŠ, die noch am Anfang der 1930er-Jahre ganze 2 500 000 K an staatlichen Subventionen einkassieren konnte,56 gegenüber dem DKV wegen „subversiver Tätigkeit“57 ließen etwas nach. Die Einnahmen wuchsen stetig an und beiden Schulvereinen flossen beachtliche, jedoch unterschiedlich hohe Subventionen zu. Dieses Ungleichgewicht wurde für den DKV durch die immer stärker steigenden Zuwendungen des Vereins für das Deutschtum im Ausland (ehemals Allgemeiner Deutscher Schulverein) in Berlin ausgeglichen.58 Hinter der Zusammenarbeit versteckte sich der latente Revisionsanspruch der Nach52 Festschrift der DKV-Versammlung Aussig. Aussig: 1930, S. 25. 53 Sudetendeutsches Jahrbuch, Nr. 1/1938, S. 403. 54 DKV-Jahresabrechnung 1928, S. 11. 55 POZORNY, Reinhard. Deutsche Schutzarbeit im Sudetenland, S. 48. 56 Zuschrift des Ministeriums für Schulwesen und Volkskultur, NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 748– 753, Kart. 247. Die Höhe dieser Subventionen schien der ÚMŠ trotzdem zu niedrig. Brief von František Bělehrádek an das Präsidium des Ministeriums für Unterricht und Volkskultur vom 23.12.1924, NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 748–753, Kart. 247. 57 VÚMŠ, Nr. 1/1925, S. 23. 58 BALCAROVÁ, Jitka. „Jeden za všechny, všichni za jednoho“, S. 168. Die finanziellen Kontakte des DKV und des VDA sind bisher nicht genauer erforscht und bedürfen einer tiefgreifenden Untersuchung. Die Unterstützung der Sudetendeutschen Partei vom VDA ist hingegen detailliert belegt. Vgl. KUČERA, Jaroslav. Between Wilhelmstraße and Thunovská. Financial Support from the Reich for the Sudeten-German Party, 1935–1938. In: PREČAN, Vilém – KVAČEK, Robert – PATON, Derek (Hrsg.). The Prague Yearbook of Contemporary History 1998. Prague: 1999, S. 19–38.

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kriegssituation: „Dieses Kriegsende ist eine harte Schule. Was jetzt geschieht, kann von Dauer nicht sein und dann wird das Gute und Rechte siegreich werden.“59 Vor dem Kontext der politischen Ereignisse der 1920er- und vor allem der 1930er-Jahre, als es zur Ausprägung radikaler politischer Strömungen kam, scheinen sowohl die ÚMŠ als auch der DKV personell überaltert gewesen zu sein (Generation der um die 1870er- und 1880er-Jahre Geborenen), was im Hinblick auf die Aktivität der Jugendorganisationen und anderer deutscher Schutzvereine den Eindruck eines Stillstandes hervorrief, was vom DKV bereut wurde: Der Kulturverband hat vielmehr erwartet, daß auch die Jugend die Notwendigkeit einer alle Kreise der Bevölkerung umfassenden kulturellen Organisation erkennen werde. Mit Bedauern sieht aber der Kulturverband, daß die Jugend seiner Arbeit noch ferne steht, obwohl gerade die Kulturverbandsidee die weittragendste volksgestaltende Idee ist.60

Schließlich war der DKV der einzige deutsche Schutzverein in der ČSR, der keine eigene Jugendorganisation errichtete. Deshalb wurde dieses Thema bei der DKV-Hauptverammlung in Mies 1927 ernsthaft angesprochen, um endlich „mehr Klarheit zwischen dem Kulturverband und der Jugendbewegung zu schaffen“.61 Die DKV-Leitung stand auch deshalb nicht im Mittelpunkt des Einigungsprozess unter der Führung der Mitglieder des Deutschen Turnverbandes und später der Sudetendeutschen Heimatfront (seit 1935 Sudetendeutsche Partei) um Konrad Henlein. Der DKV wurde erst 1937 im Rahmen des Bundes der Deutschen von Henleins SdP eingebunden, doch nicht sofort gleichgeschaltet.62 Kaum kann jedoch deshalb die Rede davon sein, dass der DKV Henleins Bewegung offen kritisierte oder gegen diese aktiv vorging. Viele DKV-Vertreter kandidierten für die SdP in der Parlamentswahl von 1935. Der ältere Charakter des DKV zeigt sich daran, dass während es im jüngeren Abgeordnetenklub eher Mitglieder anderer Vereine wie des BdD und des DTV waren, besetzten die DKVFunktionäre und Mitglieder die Senatorenmandate im Parlament. In die Hauptleitung der SHF/SdP gelangten jedoch einige jüngere Mitarbeiter des DKV, dazu gehörten Franz Karmasin (DKV-Funktionär in Pressburg/Bratislava) und Friedrich Bürger (DKV-Wanderlehrer und Leiter der Berliner VDA-Verbindungsstelle).63

59 60 61 62 63 für

Der Getreue Eckart, Nr. 3/1919, S. 37 Pilsner Tagblatt, Nr. 307 vom 9.11.1926, S. 2. Pilsner Tagblatt, Nr. 307 vom 9.11.1926, S. 2. BALCAROVÁ, Jitka. „Jeden za všechny a všichni za jednoho“, S. 203. ZVÁNOVEC, Mikuláš. Die SdP im Parlament. [Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Fak. Sozialwissenschaften der Karls-Universität Prag, 2014], S. 47.

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Fragen des deutschen Schulwesens in der ČSR wurden Ende der 1930er-Jahre erneut zum Verhandlungsobjekt zwischen der Regierung und den Vertretern der deutschen Parteien, inkl. der Vertreter der sog. „Jungaktivisten“, die in den Verhandlungen auf die nicht erledigten Schulanträge hinwiesen und einen stärkeren Einsatz des Staates für das deutsche Schulwesen forderten.64

64 Zu den sog. „Jungaktivisten“ zählten vor allem Wenzel Jaksch (Sozialdemokrat), Hans Schütz (Christlichsozial) und Gustav Hacker (Agrarier), die durch die Verhandlungen mit der ČSR-Regierung ein Gegenpol zum Druck der Sudetendeutschen Partei auf die Regierung bildeten. Vgl. Neues Tagblatt für Schlesien und Nordmähren, Nr. 291 vom 15.12.1936, S. 4.

Zusammenfassung und Schlussbetrachtung Die nationalen Schutz- und Schulvereine sind die Ausdrucksform der wichtigsten gesellschaftpolitischen Ereignisse des 19. Jahrhunderts sowie des tiefgreifenden Konflikts um den sprachlichen Charakter Cisleithaniens – einerseits der Angst um künftigen Verlust der Stellung des Deutschen, andererseits des Selbstbewusstseins, das mit dem Aufstieg des exklusiv Tschechischen in den böhmischen Ländern verbunden war. Nationale Schulvereine spielten dabei eine wichtige Rolle nicht nur für den enormen Ausbau des nationalen Schulwesens, sondern sie verkörperten in äußerst greifbarer Weise die Schattierungen des jeweiligen und von den politischen Rahmenbedigungen geprägten Nationalgedankens, der beide Nationalismen langfristig prägte und deren Bezug zur Demokratie formte. Aufgrund der durchgeführten Analyse sollen schlussfolgernd auf die in der Einleitung aufgestellten Fragenkomplexe eingegangen werden. Parlamentarische Ebene: Infolge der innenpolitischen Veränderungen nach 1866/1867 kam es in Österreich zur schrittweisen Etablierung der nationalen Schutzvereine nicht nur als bloße Ausdrucksform gegensätzlicher Positionen zwischen der deutschen und der tschechischen Politik in den böhmischen Ländern, sondern auch als ein logischer Bestandteil der liberalen Konstitution des Staates, dessen Gesetzgebung von der Beteiligung der Bürger an öffentlichen Angelegenheiten ausging. Gesetzgebung und Institutionen der liberalen Ära schufen einerseits eine öffentliche Arena für die national-politischen Auseinandersetzungen, andererseits förderte jedoch das in der Verfassung verankerte Sprachenzwangsverbot die „entweder-oder“- bzw. „wir versus sie“-Wahrnehmung der Sprachenfrage und eine weitgehende nationale Differenzierung. Da unter Vereinsfunktionären viele Landtags- und Reichsratsabgeordnete waren, wurden die im Parlament eingebrachten Entwürfe zur Regelung des Minoritätsschulwesens – wenn sie nicht sowieso direkt aus der Feder eines Vereinsfunktionärs stammten, ganz im Interesse des jeweiligen Schulvereins verfasst. Die Einstellung der Schulvereine zu einem politischen Ausgleich zwischen Deutschen und Tschechen in Böhmen zeichnete sich noch weit mehr als die parlamentarische Politik durch fehlende Konsensbereitschaft gegenüber dem Gegner aus. Sie waren vielmehr auf eine volle Durchsetzung der von jeder Seite auf parlamentarischem Boden erhobenen politischen Forderungen orientiert. Die kompromisslose lobbyistische „Vereinspolitik“ zeigte sich am deutlichsten in den letzten Vorkriegsjahren durch den Einfluss, welchen der Deutsche Volksrat für Böhmen auf das vom Statthalter Franz Thun vorbereitete Ausgleichswerk hatte. Die Vertreter der deutschen und tschechischen Schul- und

https://doi.org/10.1515/9783110723397-009

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auch anderer nationaler Schutzvereine verhandelten nur miteinander, wenn sie als Abgeordnete in die Ausgleichsverhandlungen involviert waren. Bereits per definitionem konnten Schulvereine keine Entscheidungsträger werden, doch wollten sie den relevanten politischen Entscheidungen in Sprachenfragen den Weg bereiten und unterhielten engste Kontakte mit relevanten Entscheidungsträgern. Die untersuchten Schulvereine entwickelten sich in enger Anlehnung an die deutsch-tschechischen Ausgleichsverhandlungen sowie andere Sprachregelungen in Böhmen (Sprachverordnungen) und arbeiteten deshalb im Wesentlichen darauf hin, dass die etwaige Endregelung der Minoritätsschulfrage zu ihrem Gunsten ausfällt. Außerparlamentarische Ebene und institutionelle Einbettung: Nicht nur die durchaus starke Abhängigkeit von der aktuellen Politik, sondern auch das institutionelle Gefüge der autonomen und staatlichen Behörden und die Vereinsnetzwerke bildeten den Rahmen für die konkrete nationale Schutzarbeit im Schulwesen. Eine besondere Rolle nahmen dabei die autonomen Behörden (Gemeinden) ein, die mit ihren Kompetenzen als Träger der öffentlichen Schulen auf die Hilfe der nationalen Schulvereine angewiesen waren. Die enge Kooperation mit bzw. Einflussnahme auf die Gemeinden bildete das A und O für die Durchsetzung der schulischen Vereinsinteressen vor Ort. Für die Entscheidung über die Errichtung einer nationalen Minoritätsschule entwickelte sich durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs im Laufe der 1880er-Jahre ein besonderes Prozedere, in welches autonome Behörden (Gemeinden), Schulaufsichtsorgane (Orts-, Bezirks- und Landesschulräte), staatliche Behörden (Ministerium für Kultus und Unterricht) eingebunden waren. Die Rolle der nationalen Schulvereine bestand vor allem darin, die autonomen Behörden zu beraten und ihnen als rechtlicher Beistand zur Verfügung zu stehen, was ihnen eine gewisse Rolle im Hintergrund gab. Das institutionelle Gefüge Cisleithaniens war an sich nicht allein imstande, Durchsetzung deutscher oder tschechischer nationaler Vereinszwecke zu begünstigen, doch kamen die Demokratisierungsprozesse jener Epoche doch eher der ÚMŠ-Seite zugute, was sich auch an den minderheitsfreundlichen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs zeigen lässt. Organisatorische Entwicklung: Die auffällige Ähnlichkeit der Organisationsstrukturen beider Schulvereine liegt im bewussten „Kopieren“ der DSV-Satzungen durch die ÚMŠ, die in ihrer Reaktivität ein gewisses Maß an Spontaneität im Organisationsaufbau und Finanzierung nicht leugnen konnte. Durch Mitgliederbeiträge, Spenden, Legate sowie eigene wirtschaftliche Tätigkeit (Verkaufsgegenstände) wurden beide Schulvereine zu selbstständigen Wirtschaftssubjekten. Ihre Existenz hing schließlich überwiegend von der Gunst der Bewohner in den nationalen Zentren wie Prag und Wien ab, die Ziel von regelmäßigen Kampagnen, Vorträgen, Sammlungsaktionen und Veranstaltungen der Vereine wur-

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den. Es waren Privatpersonen, Gemeinden und Vereine, die den Kern der nationalen Schutzarbeit im Schulwesen, d. h. Schulerrichtungen und -unterstützungen wie auch Veranstaltungen und Vorträge an der nationalen Sprachgrenze, finanzierten. Die wirtschaftliche Existenz und Dynamik der Schulbewegungen war völlig vom Erstarken der nationalen Gemeinschaft abhängig, was der Stärkung ihrer Präsenz im Alltag breiter Bevölkerungsschichten bedurfte. Obwohl der DSV mit seinem weitaus größeren Tätigkeitsbereich über fast doppelt so viele Ortsgruppen wie die ÚMŠ verfügte, wurde er seit 1897 von dieser in der Finanzkraft überholt. Diese besondere Dynamik der ÚMŠ zwischen 1897 und 1907, als sie ihren weit größeren Konkurrenzverein wirtschaftlich überholte, wurde nicht allein durch die nationale Mobilisierung und die Auswirkungen der Badeni-Krise verursacht, sondern auch durch die Dynamik des fortschreitenden Demokratisierungsprozesses und der Wahlrechtsbewegung zwischen den beiden Wahlreformen von 1896 und 1907. Auch angesichts der unterschiedlichen Konstellationen in den jeweiligen national-politischen Lagern war es die ÚMŠ, die eher imstande war, die proklamierte überparteiliche Position zu erfüllen. Erst nach der Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts gelang es dem DSV, sich breiteren Massen zu öffnen und beide Vereine erreichten in den letzten Vorkriegsjahren eine vergleichbare Finanzkraft. Politische Positionierung und Kontaktnetzwerke: Der Zweifel an der proklamierten unpolitischen Tätigkeit der Schulvereine war im Hinblick auf die Forschungsergebnisse von Anfang ihrer Existenz an gerechtfertigt. Funktionäre der Schulvereine waren vor allem Landtags- und Reichsratsabgeordnete, Bürgermeister, Lehrer sowie Hochschulprofessoren, Studenten, Journalisten, Beamte und Anwälte, die bereits personell für eine Durchflechtung der Vereinsstruktur mit allen politischen Ebenen sorgten. Durch die Stellung der Schulvereine als Machtfaktor und Vermittler zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen Bürger und Parlament sowie zwischen Gemeinde und Staat hatten die nationalen Schutzvereinsstrukturen im Allgemeinen entscheidenden Einfluss auf die Formierung des ethnisch differenzierten gesellschaftlichen Lebens, das schließlich fürs Fortbestehen der einzelnen Schutzvereine unentbehrlich war. Die politischen Rahmenbedingungen beeinflussten die ganze Formierung beider Nationalbewegungen, die Ideologien der Schulvereine deckten sich durchaus mit der der nationalliberalen Parteien und kopierten deren innerparteiliche Entwicklung. Die „nationale Ideologie“ der ÚMŠ stimmte zuerst mit der alt- und später jungtschechischen Politik überein, griff jedoch den DSV eher von konservativen sowie antisemitischen Positionen an. Der DSV, der als eine Art akademisch-politischer „Honorationsverband“ entstand, behielt bis 1914 sein altliberales Antlitz aus der Gründungszeit. Als Verein, der auch jüdische (weil deutschsprachige) Schulen unterstützte und schließlich auch viele jüdi-

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sche Funktionäre hatte, gab er sich trotz des Drucks seiner eigenen Ortsgruppen auf die Einführung des Arierparagrafen vor dem Ersten Weltkrieg nicht offen antisemitisch. Die aufsteigende antiliberale christlichsoziale Politik agierte deshalb im Wesentlichen gegen den DSV, der als Verkörperung des Liberalismus wahrgenommen wurde, nicht aber gegen die ÚMŠ, was wiederum auf die einstige strategische Partnerschaft der tschechischen Liberalen mit den Konservativen zurückzuführen ist. Die konservative Einfärbung der tschechischen Liberalen wie auch der ÚMŠ zeigte sich an den ihnen nahestehenden tschechischen katholischen Pfarrern, wie auch an der Verteidigung des Staatsrechts, am Bezug zum Antisemitismus und in einem eher sehr beschränkten Maße auch bei der Frage der Frauenemanzipation. Es waren vor allem die fortschreitenden Wahlreformen und der Demokratisierungsprozess, der im deutschliberalen Lager und im DSV durch politische Etablierung sozialer Massenbewegungen Krisen und Spaltungen verursachten. Im Vergleich zum DSV konnte die ÚMŠ im Rahmen der Wahlrechtsbewegung beide sozialen Massenbewegungen weitaus effektiver an sich binden. Während der dem Deutschliberalismus entgegenstehende Charakter der ÚMŠ die Verbindung mit den Christlichsozialen ermöglichte, war es der Akzent auf die tschechischen Minoritäten unter Bergarbeiterfamilien in Nordböhmen, die die Sozialdemokratie an die ÚMŠ mit dem Zweck ihres Schutzes vor dem „deutschen Kapital“ band. Auch die Schulstreiks sowie Ausmietungen tschechischer Eltern in deutschen Gemeinden weisen auf das weit verbreitete Junktim zwischen „tschechisch“ und „sozialistisch“ oder gar „anarchistisch“ hin und belegen die bemerkenswerte sowie günstige Lage, in der sich die ÚMŠ zur Jahrhundertwende befand. Der DSV befand sich hingegen trotz der Sozialdemokraten Adler und Pernerstorfer im DSV-Vorstand im Widerspruch zu der eher internationalistischen Ausrichtung der deutschen Sozialdemokraten und konnte auch kaum auf eine Beruhigung der Verhältnisse zu den Christlichsozialen hoffen. Diese Beziehungen waren zumindest bis 1910 unter Lueger als christlichsozialem Parteiobmann und Bürgermeister von Wien wegen der Antisemitismusfrage schwer belastet. Konkrete Schutzarbeit vor Ort: Im Rahmen der jeweiligen Schutzvereinsstruktur waren für die Errichtung nationaler Schulen komplexe Aktivitäten unentbehrlich: Volkszählungen, Propaganda und Reklamationen, Schulerrichtungen, -erhaltungen und -unterstützungen, Immobilientätigkeit, Einflussnahme auf Wahlen in Gemeindeämter und Ortsschulräte sowie sonstige spezifische Aktivitäten, die darauf abzielten, den Widerstand der Gemeinde gegen die Schulerrichtung zu brechen. Da die Gemeinde befugt war, gegen Errichtung, Erhaltung oder Erweiterung öffentlicher wie auch privater Schulanstalten mit rechtlichen Mitteln vorzugehen, war eine dem Verein wohlgesonnene Zusammensetzung der Gemeindeämter und der Ortsschulräte für die nationalen Schul-

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vereine die wichtigste Voraussetzung für eine ungestörte Entwicklung der Minoritätsschule Schule. Einige für die Schulerrichtung wichtige Bereiche (z. B. Volkszählungen, Waisenpflege usw.) wurden den wirtschaftlichen Partnervereinen oder nationalen Schirmorganisationen anvertraut. So blieb das nationale Schulwesen die Domäne der nationalen Schulvereine, obwohl die Grenzen zwischen den Einflusssphären einzelner Schutzvereine sehr fließend waren und es in vielerlei Hinsicht (vor allem aber bei der Immobilientätigkeit) ein gemeinsames Vorgehen verlangte. Die Aktivitäten des DSV, der ÚMŠ und deren Partnervereinen entsprachen völlig den politischen Verhandlungsgegenständen um den nationalen Ausgleich in Böhmen und hatten insbesondere in den Fragen der Minoritätsschulen, der Nationalitätsbestimmung und der Verwaltungsreformen ihren Schwerpunkt. Der DSV vertrat im Sinne der deutschen Ausgleichsforderungen die Auffassung, dass Nationalität eine territoriale und aufgrund objektiver Merkmale feststellbare Kategorie sei. Im schulischen Bereich bestand der DSV auf dem Prinzip der Selbstzahlung (jede Nation zahlt ihre Schulen) und war durchaus an der Verwaltungsteilung und territorialer Abgrenzung des deutschsprachigen Gebiets gegenüber den anwachsenden tschechischen Minderheiten interessiert. Die ÚMŠ setzte sich im Rahmen der Loslösung des Tschechischen vom Deutschen auf dem ganzen historischen Territorium der böhmischen Länder viel stärker für die Propagation der Muttersprache und des persönlichen Bekenntnisses zur Nationalität ein, forderte die Reklamation tschechischer Schüler aus deutschen Schulen und die Übernahme des Minoritätsschulwesens durch das Land. In dieser Hinsicht stützte sich der DSV in Böhmen vor allem auf autonome Behörden, während die ÚMŠ einen starken Bezug auf das Land Böhmen pflegte, dessen Landtag seit 1883 ja über eine tschechische Mehrheit verfügte. Stellung der Schulvereine im Staat: Trotz beiderseitiger Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Staat ist ein hohes Maß an Misstrauen gegenüber den Staatsorganen zu beobachten, das die Vorgehensweise der Staatsorgane in Angelegenheiten von eventueller nationaler Bedeutung infrage stellte. Als problematisch zeigten sich vor allem außenpolitische Äußerungen des DSV, durch die seine Orientierung am Vorbild des Deutschen Reiches zutage trat, weshalb seine Agitation von den österreichischen Behörden mit Argwohn beobachtet wurde, da diese prinzipiell imstande war, die Grundlagen Österreich-Ungarns infrage zu stellen. Da die ÚMŠ in Böhmen für wesentlich mehr Schulanstalten als der DSV sorgte, konnte sie mehr von Landessubventionen Gebrauch machen. Gerade am Beispiel der Subventionen, der Behandlung beider Vereine durch die Behörden wie auch der Erkenntnisse der Judikatur zeichnet sich ein Bild ab, nach dem der Staat im Allgemeinen der tschechischen nationalen Schutzarbeit eher zugeneigt war als der seines deutschen Pendants. Der tschechischen

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Schulexpansion standen allein die deutschen nationalen Vereine, Politiker und Gemeinden gegenüber. Das konkrete Fallbeispiel aus Seestadtl (Ervěnice) bestätigte die formal günstigere Ausgangsposition der tschechischen Schutzarbeit vor Ort, auch wenn sie sich gegen starken Widerstand der Gemeinde durchsetzen musste. Aus dieser Perspektive war die ÚMŠ bei weitem nicht etwa dem DSV unterlegen und hat nicht unter der Ungunst des Staates („Völkerkerker“) gelitten. Die einschneidende Zäsur im böhmischen Schulkampf brachte nicht erst das Jahr 1918, sondern bereits das Kriegsregime Stürgkhs nach 1914, als sich der DSV durch das Kriegsbündnis mit dem Deutschen Reich die Stärkung des deutschen Charakters der Monarchie versprach und dementsprechende Pläne für die Nachkriegsordnung vorbereitete. Die neuen Verhältnisse verursachten einen Rückzug der ÚMŠ von der Bühne, als sich jedoch die Niederlage der Zentralmächte im Krieg abzeichnete, sprang sie sofort ein, um sich ebenso aktiv an der Mitgestaltung der neuen Verhältnisse und im Endeffekt an den Gesetzen für die neue Republik zu beteiligen. Der Erste Weltkrieg und das Kriegsregime hatten eine Rückkehr zum nationalen Verhandlungstisch unmöglich gemacht und von beiden Seiten wurde der Kriegsausgang als möglichst einseitige Durchsetzung eigener Forderungen antizipiert. Die langjährigen Forderungen der ÚMŠ-Kreise nach Verstaatlichung der Minoritätsschulen („Lex Metelka“) und der Beseitigung der langwierigen Schulerrichtungsprozedur und des Widerstandes der autonomen Gemeinden wurden durch die Gesetze des tschechoslowakischen Staates ohne Weiteres umgesetzt. Die Übertragung der Kompetenzen in Minoritätsschulangelegenheiten von der lokalen Ebene komplett auf den Staat sowie die Einführung der Kategorie Nationalität in die Volksszählungsstatistik ging ganz im Sinne der ÚMŠ vonstatten. Als „nationaler Aktivist“ in einem Nationalstaat, dessen enge Verbindung sich anschaulich an der Beteiligung der ÚMŠ am staatlichen Schulbauprogramm zeigte, verlor jedoch die ÚMŠ mit der Übergabe ihres geistigen wie auch materiellen Vermögens an den Staat teilweise ihre Existenzberechtigung. Aus diesem Grund war die weitere Ausdehnung ihrer Tätigkeit über das bisherige „Schulkampffeld“ – die Sprachgrenze, eine Frage von essentieller Bedeutung. Die „alten“ Schulvereine verloren in der ČSR unverkennbar ihre politische Bedeutung sowie ursprüngliche Mobilisierungskraft und mussten anderen wachsenden Vereinen weichen. Anders als vor 1918 bzw. 1914 und anders als die Jugendbewegungen stand jedoch der DKV als Nachfolgeverein des DSV dem sudetendeutschen Aktivismus und infolgedessen auch dem Staat viel näher. Die einseitig protschechische Regelung der Schulverhältnisse in der ČSR, Schulschließungen wie auch angewandter Druck bei Schuleinschreibungen und Reklamierungen wurden zwar kritisiert, und die Brisanz des Themas war in Anbetracht der Erweiterung tschechischer Nationalisierungsmöglichkeiten nach wie

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vor vorhanden, wurden jedoch – zumindest nicht vor 1933 – vom DKV nicht als Anlass für antistaatliche Propaganda genutzt. Das durch diese Studie produzierte Bild der „national activists“ als einer Kategorie der Realisatoren der von der zentralen Politik ausgehenden strukturellen Veränderungen, zeigt ihre enge Anlehnung an die aktuellen politischen Entwicklungen sowie ihr umfangreiches Engagement in der Durchsetzung des ethnischen Nationalismus als neuer Organisationsstruktur auf der institutionellen Ebene. Die Arbeit zeigt überdies, dass die Nationalisierungstätigkeit der nationalen Schutzvereine sich nicht nur auf das Engagement von nationalen Aktivisten reduzieren lässt, sondern viel mehr auf einem beträchtlichen Kontaktnetzwerk von der untersten Ebene über die zentrale Politik bis hin zum Ausland reichte und auf der engen Einbeziehung staatlicher wie lokaler Behörden beruhte. Der jeweilige nationale Gedanke der Schulvereine entsprach völlig dem der liberalen Politik und wurde von einigen Teilen der Bevölkerung gar nicht wahrgenommen oder wurde im Zuge des Demokratisierungsprozesses später mit anderen Inhalten gefüllt. Das gesellschaftspolitische Zusammenspiel und das übermäßige Anwachsen der Schutzvereinsstrukturen zeigt jedoch ihre steigende Bedeutung, die prinzipiell nicht auf den Erfolg der benutzten Nationalisierungsmethoden der einen oder anderen Vereinsseite, sondern in erster Linie auf die allmähliche Einbindung breiter Massen in die politischen Entscheidungsprozesse zurückzuführen ist. An den Ergebnissen der Analyse der nationalen Schulvereine ist ersichtlich, dass es sich in ihrem Fall bei weitem nicht um marginale Randgruppen handelte, sondern sie standen mitten in den zentral-politischen und gesellschaftlichen Prozessen als essentielle Knotenpunkte der sich verdichtenden machtpolitischen Netzwerke. Einer spiegelhaften oder homogenen Auffassung von „national activists“ verschiedener Volksgruppen, die durch die Akzente der jüngsten Historiografie auf nationaler Indifferenz entstehen kann, konnte ein facetten- und nuancenreiches Bild von nationalen Vereinsaktivitäten deutscher und tschechischer Nationalbewegungen in Böhmen gegenübergestellt werden. Es konnte auch gezeigt werden, wie sich die getrennten Welten der nationalen Geschichten ergänzten und wie deren Erzeugung voneinander abhängig war. Nationale Schulvereine waren zwar durchaus ähnlich in ihren Zielen und Erwartungen, doch änderten sich zwischen 1880 und 1918 ihre Möglichkeiten, diese Ziele zu erreichen, rasch. Die Unterschiedlichkeit der nationalen Schutzvereinsstrukturen zeigt auch klar die Einflüsse auf die unterschiedliche Ausprägung der entstehenden nationalen Identitäten. Nationale Mobilisierungsstrategien des jeweiligen „nation-building-Prozesses“ konnten nur im Rahmen wirtschaftlicher, sozialer sowie politischer Möglichkeiten wirksam werden, wobei diese Aspekte im Zuge des Demo-

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kratisierungsprozesses mehrheitlich die tschechische Nationalbewegung im besagten Schulkampf begünstigten. Aus der durchgeführten Analyse geht nicht nur die bessere Position der ÚMŠ gegenüber dem Staat hervor, sondern auch die Tatsache, dass die ÚMŠ in Cisleithanien wirtschaftlich stärker, sozial glaubwürdiger und politisch durchaus integrativer als ihr deutsches Pendant wirkte. Obwohl die Arbeit dem Wettkampf zerstrittener Nationalisierungsakteure gewidmet ist, konnte sie schließlich zeigen, dass gerade bei den aktiv an der Erzeugung und Implementierung des gegensätzlichen national-politischen Programmes beteiligten gesellschaftspolitischen Subjekten, eine übergreifende Perspektive unentbehrlich ist, wenn es darum geht, die Kontexte, Handlungen und Reaktionen der Akteure zu verstehen. Die vereinsbezogene komparative Analyse der Organisationen, Ideologien und Arbeitsmethoden der beiden nationalen Schulvereine als größter Vereinsvertreter der jeweiligen Nationalbewegungen in den böhmischen Ländern ermöglicht einen Blick über die nationalen Narrative hinaus, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts tief einprägten und die die Entwicklung des Nationalitätenkampfes stets nur von einer Seite des Konflikts präsentierten. Mit diesem Beitrag möge deshalb der Raum zwischen oder sogar über den verwurzelten deutschen und tschechischen Nationalnarrativen etwas weiter geöffnet werden, um eine gemeinsame und ausgeglichene Perspektive auf den zeitspezifischen politischen und identitätsstiftenden Modernisierungsprozess in Cisleithanien zu ermöglichen.

Quellen- und Literaturverzeichnis Archivbestände Archiv der Österreichischen Landsmannschaft, Wien Karton Böhmen Karton Mähren Karton Vereinsgeschichte Nachlass Gustav Groß jr. Bildarchiv Lose aufbewahrte Materialien

Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Sudetendeutsches Archiv Bestand Heimatberichte Bestand Varia Nachlass Franz Jesser Nachlass Wenzel Jaksch

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Österreichisches Staatsarchiv, Wien Allgemeines Verwaltungsarchiv Bestand Deutscher Schulverein Bestand Ministerratspräsidium Haus-, Hof- und Staatsarchiv Nachlass František Cajthaml-Liberté Archiv der Republik Bestand Deutscher Schulverein

SOkA Chomutov se sídlem v Kadani [Staatskreisarchiv Komotau mit Sitz in Kaaden] Archiv města Ervěnice [Stadtarchiv Seestadtl]

SOA Třeboň [Tschechisches staatliches Gebietsarchiv Wittingau] Bestand Národní jednota pošumavská Praha [Tschechischer Böhmerwaldbund Prag] https://doi.org/10.1515/9783110723397-010

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Zeitgenössische Zeitungen und Zeitschriften

Český denník Český učitel Deutsche Böhmerwald-Zeitung Deutschmährische Heimatblätter Der getreue Eckart Der Große Krieg Der Kampf Evangelisches Monatsblatt für die deutsche Schule Figaro Grenzland Handwerker Jihočeské Listy Kalender des Deutschen Schulvereins Kampf ums Deutschtum Katolické listy Marburger Zeitung Mährisches Tagblatt Montagsblatt aus Böhmen Motangsrevue aus Böhmen Mitteilungen des Deutschen Schulvereins Lidové noviny Linzer Volksblatt Národní Listy Národní Politika Naše Snahy Neue Freie Presse Neues Tagblatt für Schlesien und Nordmähren Neues Wiener Tagblatt Niederösterreichischer Grenzbote Pilsner Tagblatt Prager Tagblatt Právo lidu: časopis hájící zájmy dělníků, maloživnostníků a rolníků Přítomnost Posel z Budče Pošumaví Rovnosť Salzburger Chronik für Stadt und Land Šumavan Šumavské Proudy Tagesbote aus Mähren und Schlesien Teplitz-Schönauer Anzeiger Venkov Vaterland Věstník Ústřední Matice Školské Wochenbericht des Deutschen Schulvereins Zlatá Praha Znaimer Tagblatt



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Beilagen Beilage 1: Haupversammlungen der Schulvereine 1880–1938 Jahr

DSV (seit 1918 DKV)

ÚMŠ

1880

Wien

Prag

1881

Wien

Prag

1882

Wien

Prag

1883

Linz

Prag

1884

Graz

Prag

1885

Teplitz-Schönau (Teplice-Šanov)

Prag

1886

Salzburg

Prag

1887

Wien

Prag

1888

Brünn (Brno)

Prag

1889

Karlsbad

Prag

1890

Linz

Prag

1891

Klagenfurt

Prag

1892

Wien

Prag

1893

Teplitz-Schönau (Teplice-Šanov)

Prag

1894

Olmütz (Olomouc)

Prag

1895

Wien

Prag

1896

Brünn (Brno)

Prag

1897

Wien

Prag

1898

Karlsbad (Karlovy Vary)

Prag

1899

Troppau (Opava)

Prag

1900

Graz

Prag

1901

Brünn (Brno)

Prag

1902

Trautenau-Johannisbad (Jánské Lázně)

Prag

1903

Leoben

Prag

1904

Marienbad (Mariánské Lázně)

Prag

1905

Linz

Prag

1906

Reichenberg (Liberec)

Prag

1907

Mährisch Schönberg (Šumperk)

Prag

1908

Klagenfurt

Prag

1909

Linz

Prag

1910

Graz

Prag

https://doi.org/10.1515/9783110723397-011

202  Beilagen

Jahr

DSV (seit 1918 DKV)

ÚMŠ

1911

Teplitz-Schönau (Teplice-Šanov)

Prag

1912

Wels

Prag

1913

Wien

Prag

1914

Freiwaldau-Gräfenberg (Lázně Jeseník)

Prag

1915

Wien

Prag

1916

Wien

Prag

1917

Wien

Prag

1918

Wien

Prag

1919

Krems a. D.

Prag

1920

Leitmeritz (Litoměřice)

Prag

1921

Troppau (Opava)

Prag

1922

Mährisch Schönberg (Šumperk)

Prag

1923

Reichenberg (Liberec)

Prag

1924

Teplitz-Schönau (Teplice-Šanov)

Prag

1925

Iglau (Jihlava)

Prag

1926

Mies (Stříbro)

Prag

1927

Zwittau (Svitavy)

Prag

1928

Elbogen (Loket)

Prag

1929

Jägerndorf (Krnov)

Prag

1930

Aussig (Ústí nad Labem)

Prag

1931

Znaim (Znojmo)

Prag

1932

Saaz (Žatec)

Prag

1933

Böhmisch Leipa (Česká Lípa)

Prag

1934

Brünn (Brno)

Prag

1935

Karlsbad (Karlovy Vary)

Prag

1936

Trautenau (Trutnov)

Prag

1937

Zuckmantel (Pozorka)

Prag

1938

Böhmisch Krumau (Český Krumlov)

Prag

Quellen: Jahresberichte [výroční zprávy] ÚMŠ, DSV und DKV 1880–1938.

Beilagen 

Beilage 2: Einnahmen der Schulvereine 1880–1940 (Angaben zum Vorjahr) Jahr

DSV (seit 1918 DKV)

ÚMŠ

1881

117 589,50

139 549,94

1882

208 423,98

176 108,42

1883

420 462,62

375 489,32

1884

505 766,40

421 857,98

1885

553 874,54

299 588,68

1886

584 356,42

413 393,20

1887

591 115,66

404 910,58

1888

599 120,20

479 604,84

1889

605 700,94

314 506,14

1890

537 267,80

340 901,68

1891

526 356,38

301 817,48

1892

513 771,80

348 418,04

1893

569 094,48

428 293,28

1894

554 855,42

445 299,42

1895

494 602,50

500 322,46

1896

485 407,64

412 795,90

1897

409 690,48

454 547,40

1898

406 862,50

478 307,34

1899

444 751,68

571 565,54

1900

428 985,50

516 163,19

1901

422 436,79

551 198,95

1902

435 356,59

576 958,77

1903

461 450,61

575 459,81

1904

435 857,54

614 088,49

1905

701 757,88

1906

501 818,25

716 250,50

1907

636 473,35

784 238,80

1909

920 824,91

1 402 219,25

1910

1 104 731,97

1 298 062,18

1911

1 120 317,64

1 007 837,55

1912

1 415 246,97

1 134 841,95

1913

1 417 014,64

1 113 454,49

1908

1914

778 342,69

203

204  Beilagen

Jahr

DSV (seit 1918 DKV)

1915

1 175 685,43

1916

1 200 228,75

1917

ÚMŠ 8300.53,49 925 775,89 1 400 000

1918

2 473 454,56

1919

1 678 434

4 480 486,85

1920

2 589 000

4 232 854,07

1921

3 928 000

3 729 713,31

1922

4 079 194,23

5 880 368,73

1923

3 926 000

6 906 058,49

1924

4 238 792

9 994 002,01

1925

4 517 000

11 837 214,87

1926

5 046 000

13 160 222,34

1927

6 728 000

14 752 713,93

1928

7 650 000

15 851 827,61

1929

8 124 170,52

18 619 557,89

1930

7 613 000

14 306 476,55

1931

8 295 193

16 944 869

1932

7 508 666

16 944 196

1933

7 129 000

16 061 304 18 457 629,25

1934

7 300 000

1935

7 800 000

1936

8 577 565

1937

8 490 776 9 142 270 10 056 006

Beilagen

Graphik 1

Graphik 2 Quelle: Jahresberichte [výroční zprávy] ÚMŠ, DSV und DKV 1880–1938.



205

206  Beilagen

Beilage 3: Ortsgruppen und Mitgliedschaftsentwicklung

Jahr

DSV (seit 1918 DKV)

ÚMŠ

Mitglieder

Mitglieder

Ortsgruppen

1880 1881

Ortsgruppen

6 721 38 826

271

10 365

1882

15 106

1883

22 574

181

1884 1885

A

1886

107 835

980

N

1887

103 119

979

G

1888

99 735

976

A

1889 1890

B 89 373

932

1891

E N

1892

286

1893

Ü

1894 1895

B 76 855

786

1896

E R

1897

280

1898

M

1899

I

1900

73 003

751

1901

343

T G

1902 1903

264

L 74 450

845

I

391

1904

E

1905

D

331

S

396

Z

402

1906

100 000

1000

1907 1908

1138

1909 1910

A H

935 000

2 300

L

1911

E

1912

N

Beilagen 

Jahr

DSV (seit 1918 DKV)

ÚMŠ

Mitglieder

Ortsgruppen

Mitglieder

200 000

2 600

N

1913 1914

Ortsgruppen 695

1915

I

1916

C

1917

H

1918

T

1919

346

1920

150 000

1 013

V

1921

200 000

1 245

E

1922

215 000

1 466

R

1923

231 000

1 657

Ö

1924

245 000

1 820

F

1925

262 000

1 996

F

1926

270 000

2 130

E

1927

280 000

2 266

N

1928

295 000

2 444

T

1929

315 000

2 749

L

1930

355 000

1 845

I

655

281

1931

399 000

2 925

C

250

1932

450 000

3 045

H

256

1933

470 000

3 163

T

127

1934 1935

251 450 000

1936 1937

530 000

3 295

268

3 220

248

3 295

244

Quelle: Jahresberichte [výroční zprávy] ÚMŠ, DSV und DKV 1880–1938.

207

208  Beilagen

Beilage 4: Vereinsobmänner und Vereinskanzleien DSV (nach 1918 DKV)

ÚMŠ

Moritz Weitlof (1880–1905)

F. L. Rieger (1880–1891)

Viktor von Kraus (1905–1905)

Jaromír Čelakovský (1891–1901)

Gustav Groß jr. (1905–1918)

František Kneidl (1901–1912)

Rudolf Funke (1918–1926)

Jindřich Metelka (1912–1921)

Karl Staudt (1923–1924)

Vincenc Dewetter (1921–1933)

Rudolf Funke (1924–1926)

Jan Kapras (1933–1944)

Rudolf Spitaler (1926–1930) August Gessner (1930–1938)

Vereinskanzleien DSV (nach 1918 DKV)

ÚMŠ

Kanzlei des Deutschen Lesevereins, Mahlerstraße 10, Wien (1880)

Redaktion der Zeitschrift „Pokrok“, Prag (1880–1883)

Kanzlei des Deutschen Klubs, Schubertring, Wien (1880)

Palackého tř. 5/II., Prag (1883–1892)

Maximilianstraße 10 (1880–1903)

Ferdinandova tř. 9/I, Prag (1892–1899)

Bräunerstraße 9 (1903–1909)

Spálená 24/II, Prag (1899–1905)

Linke Wienzeile 4 (1912–1916)

Martinská 4, Prag (1908–1910)

Schulvereinshaus, Fuhrmannsgasse 18A, Wien (1916–1918, dann bis zur Auflösung 1938 Sitz des DSV bzw. DSV-Südmark) in der Republik Österreich

Husova 3, Prag (1910–1948)

Geschäftsstelle Reichenberg (bis 1.1.1920) Karlova 12, Prag (1920–1930) Šimáčkova 14, Prag (1930–1939)

Beilagen



209

Beilage 5: Alphabetische Liste der vom DSV (nach 1918 vom DKV) in den böhmischen Ländern errichteten Privatschulen* * Die Tabelle enthält als Vereinsanstalten gegründete private Schulen. In der Liste werden staatliche Schulen wie auch andere Einrichtungen der Schulvereine (z. B. Tagesheimstätten), Anstalten anderer Privatvereine und die zahlreichen Schulunterstützungen nicht berücksichtigt. Die Abkürzung „öff.“ steht für die Übernahme der Vereinsschule durch die Gemeinde bzw. durch den Staat nach 1918. Wenn nicht anders angegeben, wurden alle Minoritätsschulen des DSV/DKV 1945 gesperrt. Land

Ort

Bestandsangaben

1. Böhmen:

Autschowa/Ohůčov

1911, (seit 1912 öff.)

2.

Benetzko/Benecko

1886, 1913 vorübergehend gesperrt, 1919 gesperrt, 1923 wiedergeöffnet, anschl. gesperrt und 1925 wiedergeöffnet

3.

Böhmisch Schumburg/Český Šumburk

1886, (seit 1897 öffentlich), 1919 gesperrt

4.

Böhmisch Trübau/České Třebová

1885, 1919 gesperrt

5.

Bösching bei Liebenau/Bezděčín

1882, (seit 1884 öff.)

6.

Braunbusch/Prapořiště

1907

7.

Chwalkahof/Chvalkov

1925

8.

Deslawen/Zdeslav

1925

9.

Drislawitz bei Prachatitz/Drslavice

1881, 1919 gesperrt

10.

Eisenbrod/Železný Brod

1883 (gegr. in Zusammenarbeit mit der Firma Liebig), seit 1893 allein von der Firma Liebig erhalten

11.

Großhof/Krousov

1909, (seit 1912 öff.)

12.

Großgallein/Velké Skaliny

1883, (seit 1891 öff.)

13.

Hammergrund/Hamry

1911, 1921 gesperrt

14.

Harrachsdorf-Neuwelt/ Harrachov-Nový svět

1910, 1916 wegen Krieges gesperrt, 1919 gesperrt

15.

Iserthal/Řeky

1881 gegr. in Zusammenarbeit mit der Firma J. Schmidt

16.

Jaberlich/Javorník

1921

17.

Jablonetz/Jablonec nad Jizerou

1884 gegr. in Zusammenarbeit mir der Firma Linke und Stumpe, (seit 1899 öff.)

18.

Jaronin/Jaronín

1938

210  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

19.

Josefstadt/Josefov

1881, (seit 1891 öff.)

20.

Kabschowitz/Chabičovice

1910

21.

Kleinbösig/Bezdědice

1926

22.

Komorau/Komárov

1912

23.

Königgrätz/Hradec Králové

1884, (öff.)

24.

Königinhof-Podhart/ Dvůr Králové-Podharť

1884, (seit 1894 öff.)

25.

Kwitschowitz/Kvíčovice

1939

26.

Leimgruben/Hlinoviště

1904, 1918 gesperrt

27.

Milleschitz/Milíčovice

1937

28.

Miltschitz-Albrechtsried/Milčice-Albrechtice

1933

29.

Muckenbrunn/Mukubruny

1910, (öff. seit 1912 als Expositur von Stecken/Štoky)

30.

Nedarsch/Nedaříž

1926

31.

Neudorf/Nová Ves u Dobřan

1905, 1919 gesperrt

32.

Oberschlag/Milešice

1934

33.

Pattersdorf/Bartoušov

1932

34.

Peterswald (Albertschacht)/ Petrovice I (Šachta Albert)

1908

35.

Peterswald II (Eugenschacht)/ Petrovice II (Šachta Evžen)

1910

36.

Philippsberg/Filipov

1928

37.

Pilsen/Plzeň (Mädchen-Fortbildungsschule)

1881

38.

Pilsen-PragerVorstadt/ Plzeň-Pražské předměstí

1884 (öff.)

39.

Podoli bei Prachatitz/Podolí u Prachatic

1881, 1889 aufgelassen

40.

Prachatitz/Prachatice (Realgymnasium)

1919

41.

Prag-Holleschowitz/Praha-Holešovice

1882 (öff.)

42.

Prag-Lieben/Praha-Libeň

1883 (öff.)

43.

Prag-Werschowitz/Praha-Vršovice

1884 (öff.)

44.

Prschibram/Příbram (Mädchenfortbildungsschule)

1881, 1887 aufgelassen

Beilagen 

211

Land

Ort

Bestandsangaben

45.

Putzlitz bei Stankau/Puclice u Staňkova

1889, 1896 aufgelassen

46.

Rabus/Raveň

1908, (seit 1915 öff. als Expositur Kaplitz/Kaplice), 1919 gesperrt und als DKV-Schule wiedergeöffnet

47.

Röscha/Řeřichy

1885, (seit 1914 öff. als Expositur von Groß Chmeleschen/Velká Chmelištná), 1919 gesperrt und als DKV-Schule wiedergeöffnet

48.

Ruttenschlag/Hrutkov

1927

49.

Schimsdorf/Šimonovice

1921, später zur Expositur

50.

Schwarzbach/Tušť

1939

51.

Sehndorf bei Pardubitz/Moravanský

1882, 1898 einem Lokalverein überg.

52.

Sehrlenz/Ždírec u Pohledu

1911, (seit 1914 öff.)

53.

Senftenberg/Žamberk

1885, 1896 aufgelassen

54.

Schreibendorf/ Písařov

1920

55.

Siebojed/Hřibojedy

1928

56.

Silberberg/Stříbrné Hory

1927

57.

Silwarleut/Silvárov

1911, (später öff.), 1919 als Expositur Liebtal/Libotov 1919 gesperrt)

58.

Sittna/Sytno

1908

59.

Sitzkreis/Čižkrajice

1909

60.

Trschemoschna/Třemošná

1884, unterstützt von der Firma David Starck, (seit 1898 öff.)

61.

Türnau/Trnávka

1905, (seit 1913 öff.), 1919 gesperrt, wiedereröffnet und neuerlich gesperrt

62.

Untergroschum/Dolní Chrášťany

1927

63.

Watzlaw/Václavy

1883, (seit 1889 öff. als Expositur von Groß Chmeleschen/Velká Chmelištná)

64.

Wranova/Vranov

1882, (seit 1894 öff.)

65.

Zeberhirsch/Dřevohryzy

1927

66. Mähren

Altstadt bei Mährisch Trübau/ Staré Město u Moravské Třebové

1881

67.

Altenberg/Staré Hory

1924

68.

Butschowitz/Bučovice

1881, aufgelassen

69.

Eisenberg an der March/ Ruda nad Moravou

1889, (seit 1901 daneben eine öff. Schule), 1904 aufg.

70.

Frauendorf/Flandorf (Panenská)

1922

212  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

71.

Freiberg/Příbor

1882, (seit 1896 öff.)

72.

Gewitsch/Jevíčko

1909, 1919 gesperrt

73.

Kolloredo-Schmole/Zvole u Zábřeha

1884 (seit 1887 öff.)

74.

Königsfeld/Královo Pole

1883, (seit 1891 öff.)

75.

Krumpach/Krompach

1912, 1919 gesperrt

76.

Mährisch Budwitz/ Moravské Budějovice

1883, 1897 aufgelassen

77.

Nennowitz/Ivanovice

1887

78.

Paulowitz/Pavlovice

1883, (seit 1887 öff.)

79.

Pawlow-Lechowitz bei Hohenstadt/ Pavlov-Lechovice u Zábřeha

1889

80.

Philippstal-Nemühle/Filipov-Nemile

1913, 1919 gesperrt

81.

Sehrlenz/Ždírec u Pohledu

1911

82.

Schreibendorf/Písařov

1884, (seit 1893 öff.)

83.

Schwanenberg bei Wachtl/Labutice

1900 (seit 1907 öff.)

84.

Türnau/Trnávka

1905

85.

Wranowa/Vranová

1892, (seit 1894 öffentlich)

86. Schlesien

Dittersdorf/Dětřichov

1906

87.

Freiberg/Příbor

1882, (seit 1896 öffentlich)

88.

Glomnitz/Hlavnice

1909

89.

Jaktar/Jaktař (mährische Enklave)

1911, 1919 gesperrt und wiedereröffnet

90.

Jarkowitz-Wlastowitz/ Jarkovice-Vlastovice

1886 in Jarkowitz, (seit 1891 öff. in Wlastowitz)

91.

Kolloredo-Schmole/Kolloredov-Zvole 1884, (seit 1885 öff.)

92.

Königsberg/Klimkovice

1883

93.

Komorau/Komárov

1912, 1919 gesperrt

94.

Konskau/Konská

1912, (öff. seit 1915)

95.

Matzdorf/Matějovice

1909

96.

Michalkowitz/Michalkovice

1896, (öff. seit 1899) 1910

97.

Mittel Ernsdorf/Střední Javoří

98.

Mosty bei Jablunkau/Mosty u Jablun- 1916 kova

99.

Muckenbrunn/Studénka

1910 (seit 1912 öff. als Expositur Stecken/Štoky)

100.

Oppahof-Stettin/Dvořisko-Štítina

1909, 1919 gesperrt

101.

Orlau/Orlová

1911

Beilagen 

213

Land

Ort

Bestandsangaben

102.

Peterswald I-Albrechtschacht/ Petříkov I-Šachta Albert

1908

103.

Peterswald II.-Eugenschacht/ Petříkov II-Šachta Evžen

1910, 1919 gesperrt

104.

Rattimau/Vratimov

1908, 1919 gesperrt

105.

Reichwaldau/Rychvald

1912

106.

Schönichl/Šunychl

1913, 1916 wegen Krieges gesperrt

107.

Strzeczon/Střečon

1908, (öff. seit ca. 1914)

108.

Troppau-Ratiborer Vorstadt/ Opava-Ratibořské předměstí

1881

109.

Zimrowitz/Žimrovice

1913

214  Beilagen

Beilage 6: Alphabetische Liste der vom DSV (nach 1918 vom DKV) in den böhmischen Ländern errichteten Kindergärten* * Die Tabelle enthält als Vereinsanstalten gegründete private Kindergärten. In der Liste werden staatliche Anstalten wie auch andere Einrichtungen der Schulvereine (z. B. Tagesheimstätten), Anstalten anderer Privatvereine und die zahlreichen Schulunterstützungen nicht berücksichtigt. Die Abkürzung „öff.“ steht für die Übernahme der Vereinsschule durch die Gemeinde bzw. durch den Staat nach 1918. Wenn nicht anders angegeben, wurden alle Kindergärten des DSV/DKV 1945 gesperrt. Land

Ort

Bestandsangaben

1. Böhmen

Bergreichenstein/Kašperské Hory

1886, (1893 von der Gemeinde übern.)

2.

Bischofteinitz/Horšovský Tyn

1902, (durch den DSV von einem Privatverein übern., 1912 aufg.)

3.

Blattnitz/Blatnice u Nýřan

1883

4.

Blisowa/Blížejov

1900

5.

Bodenbach/Podmokly

1884 (gegr. in Zusammenarbeit mit der Gemeinde, 1893 von der Gemeinde übern.)

6.

Böhmisch Trübau/Česká Třebová

1902, 1919 gesperrt

7.

Brod

1914

8.

Bruch/Lom

1926

9.

Chotieschau/Chotěšov

1909

10.

Czalositz/Žalhostice

1920

11.

Deutsch-Beneschau/ Německý Benešov

1888 gegr. in Zusammenarbeit mit der Gemeinde, 1896 aufgelassen

12.

Deutsch-Schützendorf/Německý Šicndorf

1907, 1919 gesperrt

13.

Dürnfellern/Suché Vrbné u Č. Budějovic

1913

14.

Eichicht/Doubí

1914

15.

Eisenbrod/Železný Brod

1884 gegr. in Zusammenarbeit mit der Firma Liebig

16.

Frauenthal/Pohled

1882

17.

Friedrichsdorf/Bedřichov

1911

18.

Friedrichsdorf/Bedřichovice

1909

19.

Grünthal/Zelený Důl

1912

Beilagen



215

Land

Ort

Bestandsangaben

20.

Harrachsdorf-Neuwelt/ Harrachov-Nový Svět

1909

21.

Hermannshütte/Heřmanova Huť

1909

22.

Hilbetten/Hylváty

1889, 1896 augelassen, 1904 wiedererrichtet

23.

Hodowitz/Staré Hodějovice

1932

24.

Holleischen/Holýšov

1904

25.

Honositz/Honezovice

1901

26.

Iserthal/Řeky

1882 gegr. in Zusammenarbeit mit der Firma J. Schmidt

27.

Jablonetz/Jablonec nad Jizerou

1889

28.

Josefstadt/Josefov

1883

29.

Kaplitz/Kaplice

1884 gegr. in Zusammenarbeit mit der Gemeinde, (1934 öff.)

30.

Kaunowa/Kounov

1914

31.

Ketten/Chotyně

1921

32.

Kladno/Kladno

1912

33.

Kolleschowitz/Kolešovice

1885 gegr. in Zusammenarbeit mit der Gemeinde

34.

Königgrätz/Hradec Králové

1884

35.

Königinhof/ Dvůr Králové nad Labem

1885

36.

Königsfeld/Královo Pole

1884

37.

Kosolup/Kozolupy

1907

38.

Kostenblatt/Kostomlaty pod Milešovkou

1926

39.

Kriegern/Kryry

1887, 1893 aufgelassen

40.

Krumau/Český Krumlov

1883 gegr. in Zusammenarbeit mit der Gemeinde

41.

Kottiken/Chotíkov

1906

42.

Langenbruck/Dlouhé mosty

1909

43.

Liebenau/Hodkovice nad Mohelkou

1911

44.

Liebshausen/Libčeves

1932

45.

Liqitz/Libkovice

1926

216  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

46.

Lititz/Litice u Plzně

1905

47.

Malesitz/Malesice

1907

48.

Maltheuern/Záluží

1913

49.

Manetin/Manětín

1883

50.

Mantau/Mantov

1911

51.

Modlan/Modlany

1921

52.

Neubistritz/Nová Bystřice

1886

53.

Neudorf b. Weißwasser/ Vrchbělá u Bělé pod Bezdězem

1912

54.

Nieder-Hanichen/Dolní Hanychov

1909

55.

Nürschan/Nýřany

1875

56.

Oberdorf bei Komotau/ Horní Ves u Chomutova

1885

57.

Oberdorf bei Komotau 2/ Horní Ves u Chomutova 2

1913

58.

Ober-Johnsdorf/Horní Třešňovec

1907

59.

Ober-Rosenthal/Horní Růžodol

1907, 1934 wiedergeöffnet

60.

Pilsen I-Wewerkagasse/ Plzeň I-Veverkova ul.

1884, 1896 aufgelassen

61.

Pilsen II-Husgasse/ Plzeň II-Husova ul.

1908

62.

Prag-Holleschowitz/Praha-Holešovice

1882, 1897 dem Prager Schulerhaltungsverein überg.

63.

Prag-Lieben/Praha-Libeň

1882, 1897 dem Prager Schulerhaltungsverein überg.

64.

Prag-Werschowitz/ Praha-Vršovice

1884, 1897 dem Prager Schulerhaltungsverein überg.

65.

Prachatitz/Prachatice

1884 gegr. mit Unterstützung der Gemeinde

66.

Prasseditz/Prasetice (Prosetice)

1908

67.

Probstau/Proboštov

1909

68.

Prödlitz/Předlice

1913

69.

Prosmik/Prosmyky

1912

70.

Prschibram/Příbram

1882

71.

Przichowitz/Příchovice

1909

72.

Pyhanken/Běhánky

1912

73.

Raatsch/Radeč

1912

74.

Raudnig/Roudníky

1903

Beilagen 

217

Land

Ort

Bestandsangaben

75.

Rokitnitz/Rokytnice v Orl. horách

1884 gegr. in Zusammenarbeit mit der Gemeinde

76.

Rosenthal I/Růžodol I

1909

77.

Rudolfstadt/Rudolfov

1883

78.

Sablat/Záblatí

1912

79.

Senftenberg/Žamberk

1886

80.

Schellenken/Želénky

1908

81.

Schönbrunn/Studánka

1909

82.

Semil/Semily

1883 gegr. in Zusammenarbeit mit der Firma J. Schmidt

83.

Silwarleut/Sylvárov

1912, 1919 gesperrt und 1927 als Expositur Königinhof/ Dvůr Králové wiedergeöffnet

84.

Sobrusan/Zabrušany

1926

85.

Stecken/Štoky

1888

86.

Stefansruh/Příchovice

1909

87.

Steinaujezd/Kamenný újezd

1887

88.

Stich/Vstiš

1904

89.

Suchental/Suchdol nad Lužnicí

1907

90.

Theresienstadt/Terezín

1882, seit 1891 teilen sich DSV und die Gemeinde die Kosten, 1919 gesperrt

91.

Trschemoschna/Třemošná

1894, mit Unterstützung der Firma David Starck

92.

Tischau/Mstišov

1910

93.

Triebschitz/Třebušice

1932

94.

Unter-Schönbrunn/Dolní Jedlová

1909

95.

Vierhöf b. Budweis/ Čtyři Dvory u Č. Budějovic

1912, 1919 gesperrt

96.

Vollmau/Folmava

1929

97.

Weißkirchlitz/Novosedlice

1912, (übern. von der Gemeinde)

98.

Winterberg/Vimperk

1883

99.

Wistritz/Bystřice

1909

100.

Wscherau/Všeruby

1933

101.

Zuckmantel bei Dauba/ Cukmantl (Pozorka)

1910

102.

Zwug/Zbůch

1905

103. Mähren

Althart/Staré Hobzí

1928

218  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

104.

Baumöhl/Podmolí

1910

105.

Eisenberg a. d. March/ Ruda nad Moravou

1886

106.

Frainersdorf/Vranovská Ves

1909

107.

Freiberg/Příbor

1886

108.

Gewitsch/Jevíčko

1907

109.

Goldenstein/Kolštejn (Branná)

192?

110.

Holzmühl/Dřevěné Mlýny

1907

111.

Honositz/Honosice

1912

112.

Hulwaken/Hulváky

1911

113.

Kolloredo/Kolloredov

1911

114.

Königsfeld/Královo Pole

1884

115.

Kremsier/Kroměříž

1883, 1897 einem Privatverein überg.

116.

Leipnik/Lipník nad Bečvou

1883, 1897 einem Privatverein überg.

117.

Littau/Litovel

1900

118.

Lodenitz/Loděnice

1928

119.

Lundenburg/Břeclav

1882, 1887 vom DSV übern., sämtliche Kosten wuden von der Gemeinde rückerstattet

120.

Mährisch Weißkirchen/Hranice

1910

121.

Maxdorf/Maxov

1929

122.

Mißlitz I/Miroslav I

1909

123.

Mißlitz II/Miroslav II

1913

124.

Mistek/Místek

1911

125.

Mödritz/Modřice

1917, (seit 1934 öff.)

126.

Morbes/Moravany

1927

127.

Mürau/Mírov

1912

128.

Nennowitz/Brněnské Ivanovice

1887

129.

Neu-Czernowitz/Nové Černovice

1917

130.

Nikles/Raškov

1912, 1919 gesperrt und im neuen Haus wiedergeöffnet

131.

Ober-Gerspitz/Horní Heršpice

1917, 1919 gesperrt

132.

Priesenitz/Přízřenice

1914

133.

Priwoz (Oderfurt)/Přívoz

1886, 1894 von der Gemeinde übern.

134.

Rudolfstal/Rudolfov

1909, 1919 gesperrt

135.

Runarz/Runářov

1909, 1919 gesperrt und im neuen Haus wiedergeöffnet

Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

136.

Selletitz/Želetice

1909, 1919 gesperrt

137.

Schattau/Šatov

1907

138.

Schröffelsdorf/Šreflová (Zálesí)

1910

139.

Skalitz/Skalice u Znojma

1909, 1919 gesperrt

140.

Stannern/Stonařov

1908

141.

Stefanau/Štěpánov

1908

142.

Schwanenberg/Labutice

1900

143.

Swojetin/Svojetín

144.

Tschechen/Čechyně

1908

145.

Türnau/Trnávka

1906, 1919 gesperrt

146.

Ungarisch-Hradisch/ Uherské Hradiště

1884, 1919 gesperrt

147.

Unter-Gerspitz/Dolní Heršpice

1908

148.

Unter-Themenau/ Poštorná (bis 1920 Niederösterreich)

1909, 1919 gesperrt

149.

Wallachisch-Meseritsch/ Valašské Meziříčí

1885, 1919 gesperrt

150.

Weißkirchen/Bílý Kostelec

1910

151.

Wrbitz/Vrbice u Stříbra

1888

152.

Wischau/Vyškov

1882, 1919 gesperrt

153.

Woikowitz/Vojkovice

1908



219

154. Schlesien Freistadt I/Fryštát I (Karviná)

1886, 1893 aufgelassen, 1908 wiedererrichtet

155.

Freistadt II (Niedervorstadt)/ Fryštát II (Dolní předměstí)

1912

156.

Friedek I/Frýdek II

1883, 1897 von der Gemeinde übern.,

157.

Friedek II/Frýdek II

1908, 1919 gesperrt

158.

Friedek-Niedervorstadt/ Frýdek-Dolní Předměstí)

1912

159.

Friedek-Rohrmanngasse/ Frýdek-Rohrmannova ul.

1908

160.

Glomnitz/Hlavnice

1908

161.

Grätz-Podoli / Podolí u Hradce nad Moravicí

1927

162.

Jablunkau/Jablunkov

1908

163.

Jaktar/Jaktař (mährische Enklave)

1910, 1919 gesperrt

164.

Katharein I/Kateřinky I

1907, 1919 gesperrt

220  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

165.

Katharein II (Am Pastwisko)/ Kateřinky II (na pastvisku)

1912

166.

Konskau/Konská

1911

167.

Kreuzendrof/Holasovice

1912, 1919 gesperrt

168.

Meltsch/Melč

1928

169.

Priwoz (Oderfurt)/Přívoz

von der Gemeinde vor 1914 übernommen

170.

Ratkau/Radkov

1927

171.

Schönbrunn/Jedlová

1910 oder 1912

172.

Strzeczon/Skřečoň

1909

173.

Strochowitz/Skrochovice

1928

174.

Troppau-Ratiborer Vorstadt/ Opava-Ratibořské Předměstí

1883

175.

Wawrowitz/Vávrovice

1911, 1919 gesperrt

176.

Wirbitz/Vrbice

1908, 1919 gesperrt

177.

Wlastowitz/Vlaštovičky

1909, 1919 gesperrt

Beilagen 

221

Beilage 7: Alphabetische Liste der von der ÚMŠ in den böhmischen Ländern errichteten Privatschulen* * Die Tabelle enthält als Vereinsanstalten gegründete private Schulen. In der Liste werden staatliche Schulen wie auch andere Einrichtungen der Schulvereine (z. B. Tagesheimstätten), Anstalten anderer Privatvereine und die zahlreichen Schulunterstützungen nicht berücksichtigt. Die Abkürzung „öff.“ steht für die Übernahme der Vereinsschule durch die Gemeinde bzw. durch den Staat nach 1918. Die Schulen der ÚMŠ wurden in den Abtretungsgebieten von 1938 gesperrt. Land

Ort

Bestandsangaben

1. Böhmen

Adlerdörfel/Orličky

1903 (seit 1919 öff.)

2.

Aich/Doubí

1935 (seit 1935 öff.)

3.

Aussig/ Ústí nad Labem (Gewerbefortbildungsschule)

1920

4.

Aussig/Ústí nad Labem 1928 (Fachsschule für Metallverarbeitung)

5.

Aussig/Ústí nad Labem (Textil-Gewerbeschule für Mädchen)

6.

Aussig/Ústí nad Labem (Handelsfort- 1924 bildungsschule)

7.

Aussig/Ústí nad Labem, (Fachschule für Lebensmittel)

1930

8.

Aussig/Ústí nad Labem (Friseurfachsschule)

1932

1930

9.

Aurim/Velký Uhřínov

1935 (seit 1936 öff.)

10.

Berlau/Brloh (Gewerbefortbildungsschule)

1927

11.

Böhmisch Bernschlag/Peršlák

1912 (seit 1919 öff.)

12.

Böhmisch Fellern/České Vrbné

1911 (seit 1918 öff.)

13.

Böhmisch Krumau/Český Krumlov

1882 (seit 1886 öff.)

14.

Böhmisch Krumau/Český Krumlov (Mädchenfortbildungsschule)

1929 (seit 1930 öff.)

15.

Böhmisch Krumau/Český Krumlov (Realgymnasium)

1935, seit 1937 öff.

16.

Böhmisch Kubitzen/Česká Kubice

1882 (seit 1888 öff.)

17.

Böhmisch Leipa/ Česká Lípa (Gewerbefortbildungsschule)

1921

222  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

18.

Böhmisch Skalitz/ Česká Skalice (Mädchenfortbildungsschule)

1943 von der Gemeinde übern

19.

Bodenbach/Podmokly

1893, (seit 1919 öff.)

20.

Bösching/Bezděčín

1881, (seit 1884 öff.)

21.

Bilin/Bílina

1889, (seit 1898 öff.)

22.

Bilin/Bílina (Lehrerbildungsanstalt)

1937

23.

Bilin/Bílina (Gewerbefortbildungsschule)

1921

24.

Blisowa/Blížejov

1895 (seit 1919 öff.)

25.

Berlau/Brloh (Gewerbeschule)

1941

26.

Braunau/Broumoc (Gewerbefortbildungsschule)

1929

27.

Brünnlitz Brněnec/

1910 (seit 1919 öff.)

28.

Bruch/Lom u Mostu (Gewerbefortbil- 1937 dungsschule)

29.

Bruck am Hammer/Brod nad Tichou

1934

30.

Braunau/Broumov (Mädchenfortbildungsschule)

1930 (seit 1931 öff.)

31.

Braunbusch/Prapořiště

1890 (seit 1919 öff.)

32.

Břežánky/Kleinpriesen

1897 als Expositur von Bilin (seit 1906 öff.)

33.

Brüx/Most

1882 (seit 1890 öff.), bis 1897 als Privatschule für die Umgebung

34.

Brüx/Most (Gewerbefortbildungsschule)

1894

35.

Brüx/Most (Handelsfortbildungsschule)

1919

36.

Brüx/Most (Friseurfachsschule)

1925

37.

Brüx/Most (Mädchenfortbildungsschule)

1920

38.

Butovice/Botenwald

1912 (seit 1919 öff.)

39.

Chotieschau/Chotěšov

1919 (seit 1919 öff.)

40.

Deutsch Gießhübel/Vyskytná Německá

1903–1908 als Expositur Lukau (Lukov)

41.

Deutsch Schützendorf/Německý Šicndorf

1892 (seit 1919 öff.)

42.

Diakowa/Děkovka

1934 (seit 1935 öff.)

Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

43.

Dobrzan/Dobřany

1884 (seit 1897 öff.)

44.

Drahnitz/Drahonice

45.

Dubenetz/Dubenec

1883 (seit 1919 öff.)

46.

Dux/Duchcov

1882 (seit 1885 öff.)

47.

Dux/Duchcov (Gewerbefortbildungsschule)

1919

48.

Dux/Duchcov (Fachschule für Metall- 1926 verarbeitung)

49.

Dux/Duchcov (Mädchenfortbildungsschule)

1926

50.

Dux/Duchcov (Friseurfachschule)

1932

51.

Dux/Duchcov (Handelsschule)

1925

52.

Eger/Cheb (Realgymnasium)

1935

53.

Falkenau/Falknov (Sokolov) (Gewerbefortbildungsschule)

1928

54.

Frauental/Pohled

1889, (seit 1912 öff.)

55.

Friedberg/Frymburk

1937,

56.

Friedrichsdorf/Bedřichov u Jihlavy

1913, (seit 1919 öff.)

57.

Gablonz a. d. Neiße/Jablonec n. Nisou

1889, (seit 1919 öff.)

58.

Gablonz a. d. Neiße/ Jablonec n. Nisou (Gewerbefortbildungsschule)

1920

59.

Gablonz a. d. Neiße/ Jablonec n. Nisou (Mädchenfortbildungsschule)

1925

60.

Gesen/Jesení

1919, (seit 1920 öff.)

61.

Gitschin/Jičín (Mädchenfortbildungsschule + Familienschule)

1943 von der Gemeinde übern.

62.

Gratzen/Nové Hrady (Gewerbefortbil- 1931 dungsschule)

63.

Großhof/Krousov

1909, (seit 1914 öff.)

64.

Groß Tschochau/Řehlovice

1934

65.

Haida/Bor

1919, (seit 1919 öff.)

66.

Haida/Bor (Gewerbefortbildungsschule)

1926

67.

Hammern/Hamry

1930, (öff.)

68.

Hareth/Hořany

1919 (seit 1919 öff.)



223

224  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

69.

Harrachsdorf-Neuwelt/ Harrachov-Nový Svět

1910 (seit 1919 öff.)

70.

Harrachsdorf-Neuwelt/ Harrachov-Nový Svět (Gewerbefortbildungsschule)

1930

71.

Hohenelbe/Vrchlabí

1911–1912 gesperrt, 1913 geöffnet, (seit 1919 öff.)

72.

Hohenelbe/Vrchlabí (Gewerbefortbil- 1921 dungsschule)

73.

Honositz/Honezovice

1893 (seit 1919 öff.)

74.

Hostomitz/Hostomice

1892 (seit 1919 öff.)

75.

Hostomitz/Hostomice (Gewerbefortbildungsschule)

1921

76.

Hradek/Hrádek u Rokycan

1935 (seit 1936 öff.)

77.

Hruschau/Hrušov

1907 (seit 1917 öff.)

78.

Jermer/Jaroměř (Mädchenfortbildungsschule und Familienschule)

1943 von der Gemeinde übern.

79.

Julienhain/Hranice u Nových Hradů

1902 (seit 1919 öff.)

80.

Kaitz/Kyjice

1934

81.

Karbitz/Chabařovice (Gewerbefortbildungsschule)

1922

82.

Karlsbad/Karlovy Vary

1919 (seit 1919 öff.)

83.

Karlsbad/Karlovy Vary (Gewerbefortbildungsschule)

1924

84.

Kaunowa/Kounov

1884 (seit 1919 öff.)

85.

Kolleschowitz/Kolešovice

1888 (seit 1919 öff.)

86.

Kommern/Komořany/

1919 (seit 1919 öff.)

87.

Komotau/Chomutov (Gewerbefortbil- 1926 dungsschule)

88.

Komotau/Chomutov (Realgymnasium)

1935, seit 1937 öff.

89.

Kopist/Kopisty

1894 (seit 1902 öff.)

90.

Kosten/Košťany

1892, 1907 öff., Vereinsschule bleibt für die Umgebung, seit 1919 öff.

91.

Kreibitz/Chřibská

1921

92.

Krumau/ Český Krumlov (Gewerbefortbildungsschule)

1883

Beilagen 

225

Land

Ort

Bestandsangaben

93.

Krumau/Český Krumlov (Handelsschule)

1930

94.

Kuniowitz/Kunějovice

1918 (seit 1919 öff.)

95.

Kottiken/Chotíkov

1911 (seit 1919 öff.)

96.

Kumrowitz/Komárov

1911 (seit 1919 öff.)

97.

Ladowitz/Ledvice

1896, (1897 öff.), 1897 gesperrt, 1898 als öff. wiedergeöffnet

98.

Landskron/Lanškroun

1919 (seit 1919 öff.)

99.

Landskron/Lanškroun (Gewerbefortbildungsschule)

1929

100.

Landskron/Lanškroun (Forstwirtschaftschule)

1936

101.

Lang-Ugezd/Jenišův Újezd

1919 (seit 1919 öff.)

102.

Laun/Louny (Handelsschule)

1939 von der Gemeinde übern.

103.

Laun-Zittolieb/Louny-Citoliby (Mädchenfortbildungsschule + Familienschule)

1943 von der Gemeinde übern.

104.

Leitmeritz/Litoměřice

1880 vom lokalen Schulverein gegründet, 1884 von der ÚMŠ übern., 1885– 1890 zwei öff. Klassen, dann wieder privat, 1912 öff.

105.

Leitmeritz/Litoměřice (Gewerbefortbildungsschule)

1920

106.

Leitomischl/Litomyšl (Allgemeine Berufsschule)

1943

107.

Leskay/Leská

1929

108.

Lhota/Lhota u Jesenice

1934

109.

Liquitz/Libkovice

1909 (seit 1919 öff.)

110.

Liboch/Liběchov

1892 (seit 1919 öff.)

111.

Liboch/Liběchov (Gewerbefortbildungsschule)

1927

112.

Libochowitz/Libochovice (Mädchenfortbildungsschule)

1943 von der Gemeinde übern

113.

Liebenau/Hodkovice nad Mohelkou

1890 (seit 1919 öff.)

114.

Liebenau/Hodkovice (Forstwirtschaftschule)

1923

115.

Liebowies/Libovice

1935, (seit 1936 öff.)

116.

Lihn/Líně u Plzně

1912, (seit 1919 öff.), 1943 von der Gemeindeübern.

226  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

117.

Linsdorf/Těchonín

1904, (seit 1919 öff.)

118.

Lititz/Litice u Plzně

1909, (seit 1919 öff.)

119.

Lobositz/Lovosice

1902, (seit 1919 öff.), 1943 von der Gemeinde übern.

120.

Lobositz/Lovosice (Mädchenfortbildungsschule)

1921

121.

Lomnitz an der Popelka/Lomnice nad 1943 von der Gemeinde übern Popelkou (Mädchenfortbildungsschule + Familienschule)

122.

Luck/Luka

1937

123.

Lukau/Hlávkov

1892, (1919 öff.)

124.

Mader/Modrava

1934

125.

Malesitz/Malesice

1896, (seit 1919 öff.) 1895, (seit 1907 öff.)

126.

Maltheuern/Záluží

127.

Maltheuern/Záluží (Bergfachsschule) 1919

128.

Manetin/Manětín (Mädchenfortbildungsschule und Familienschule)

1943 von der Gemeinde übern.

129.

Marienbad/Mariánské Lázně

1919, (seit 1919 öff.)

130.

Marienbad/ Mariánské Lázně (Mädchenfortbildungsschule)

1928, (seit 1930 öff.)

131.

Michelob/Měcholupy (Volkswirtschaftsschule)

1924

132.

Müllerle/Mlýneček u Domažlic

1890–1892 als Winterexpositur der Schule Pelechen/Pelechy

133.

Netschemitz/Nečemice

1935, (seit 1935 öff.)

134.

Neuhaus/Jindřichův Hradec/ (Mädchenfortbildungsschule)

1943 von der Gemeinde übern.

135.

Neudorf (Kösslersdorf)-Nová Ves (Najdorf)

1890, (seit 1912 öff.)

136.

Neudorf/Valteřice

1935, (seit 1936 öff.)

137.

Neumark/Všeruby (Volkswirtschaftsschule)

1929

138.

Neundorf/Nová Ves u Liberce

1936

139.

Neustadtl/Stráž u Tachova

1937

140.

Nieder-Georgenthal/Dolní Jiřetín

1909, (seit 1912 öff.)

141.

Nieder-Emaus/Nemojov Dolní

1885, (seit 1919 öff.)

142.

Niemes/Mimoň (Gewerbefortbildungsschule)

1921

Beilagen 

227

Land

Ort

Bestandsangaben

143.

Nürschan/Nýřany

1882, (seit 1885 öff.), bis 1889 als Privatschule für die Umgebung

144.

Ober-Leutensdorf/ 1920 Horní Litvínov (Gewerbefortbildungsschule)

145.

Ober-Leutensdorf/ Horní Litvínov (Friseurfachschule)

1932

146.

Ober-Johndorf/ Horní Třešňovec

1912–1918 gesperrt, (seit 1919 öff.)

147.

Oberplan/Horní Planá

1931, (seit 1933 öff.)

148.

Obrnitz/Obrnice

1910, (seit 1919 öff.)

149.

Osegg/Osek u Duchcova

1883, (seit 1889 öff.)

150.

Osegg/Osek u Duchcova (Bergfachsschule)

1920

151.

Payreschau/Boršov n. Vlt.

1888 gemeinsam mit dem lokalen Schulverein für Budweis Matice Budějovická, (seit 1897 öff.)

152.

Pelechen/Pelechy

1885, (seit 1921 öff.)

153.

Pelíkovice/Pelkowitz

1935, (seit 1936 öff.)

154.

Ploschkowitz/Ploškovice

1919, (seit 1919 öff.)

155.

Podersam/Podbořany (Realgymnasium)

1937

156.

Podseditz/Podsedice

1895, (seit 1919 öff.)

157.

Polepp/Polepy (Gewerbefortbildungsschule)

1928

158.

Postelberg/Postoloprty

1884, (seit 1919 öff.)

159.

Prachatitz/Prachatice

1881, (seit 1885 öff.)

160.

Prachatitz/Prachatice (Mädchenfortbildungsschule und Božena-Němcová-Internat)

1911, (seit 1914 öff.)

161.

Prachatitz/Prachatice (Forstwirtschaftsschule)

1921

162.

Praseditz/Prasetice

1904, (seit 1919 öff.)

163.

Protiwitz/Protivec

1932, (seit 1934 öff.)

164.

Předlice/Predlitz

1912 Hausunterricht, 1914–1919 gesperrt, 1919 geöffnet. (seit 1919 öff.)

165.

Pyhanken/Běhánky

1901 als Expositur (seit 1919 öff.)

166.

Raudnitz a. d. Elbe/Roudnice nad La- 1940 nach Libochowitz verlegt, bem (Mädchenfortbildungsschule + Internat ist geblieben Internat „Dewetterov“)

228  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

167.

Raudnitz a. d. Elbe/Roudnice n. L. (Handelsschule)

1939 von der Gemeinde übern.

168.

Rannay/Raná u Loun

1893, (seit 1919 öff.)

169.

Reckerberg/Popelná

1935, (seit 1936 öff.)

170.

Reichenberg/Liberec

1881, (seit 1918 öff.)

171.

Reichenberg/Liberec (Mädchenfortbildungsschule)

1921, (seit 1933 öff.)

172.

Reichenberg/Liberec (Gewerbefortbildungsschule)

1887

173.

Reichenberg/Liberec (Fachschule für Holz- und Metallverarbeitung)

1924

174.

Reichenberg/Liberec (Handelsfortbil- 1922 dungsschule)

175.

Reiditz/Rejdice

176.

Riegerschlag/Lodhéřov

177.

Rokitnitz im Adlergeb./Rokytnice v Orl. Horách

1906, (seit 1919 öff.)

178.

Rokitnitz im Adlergeb./Rokytnice v Orl. Horách (Gewerbefortbildungsschule)

1930

1889, (seit 1919 öff.)

179.

Röscha/Řeřichy

1882, (seit 1919 öff.)

180.

Rothmühl/Česká Radiměř

1937,

181.

Rumburg/Rumburk (Realgymnasium) 1936

182.

Rudolfstadt/Rudolfov

1882, (seit 1919 öff.)

183.

Saaz/Žatec

1884, (seit 1919 öff.)

184.

Saaz/Žatec (Gewerbefortbildungsschule)

1921

185.

Seibendorf/Cibotín

1894, (seit 1896 öff.)

186.

Sellnitz/Želenice

1925

187.

Schurz/Žireč

1895, (seit 1919 öff.)

188.

Schönpriesen/Krásné Březno

1896, (seit 1919 öff.)

189.

Schediwy bei Rowney/Rovenské Šediviny

1896, (seit 1897 öff. Expositur von Rowney (Rovný)

190.

Schekarschen/Všekary

1885, (seit 1919 öff.)

191.

Schwaz/Světec

1903 als Expositur Hostomitz (1910 öff.)

192.

Sobrusan/Zabrušany

1919, (seit 1919 öff.)

Beilagen 

229

Land

Ort

Bestandsangaben

193.

Solislau/Sulislav

1882, (seit 1885 öff.)

194.

Staab/Stod

1919, (seit 1919 öff.)

195.

Staab/Stod

1923

196.

Stecken/Štoky (Gewerbefortbildungsschule)

1927

197.

St. Katharina/Svatá Kateřina u Nýrska

1934, (seit 1935 öff.)

198.

St. Katharinaberg/Hora Svaté Kateřiny

1932, (seit 1933 öff.)

199.

Stritschitz/Strýčice (Forstwirtschaftsschule)

1928

200.

Teplice-Šanov/Teplitz-Schönau (Han- 1922 delsakademie und -schule)

201.

Teplitz-Schönau/Teplice-Šanov

1883, 1897 1 öff. Klasse, 1898 3 öff. Klassen, dann bis 1904 als Privatschule für die Umgebung, 1904 aufgelassen und ersetzt durch die Schule in Prasseditz (Prasetice)

202.

Teplitz-Schönau/Teplice-Šanov (Textil-Gewerbeschule)

1921

203.

Teplitz-Schönau/Teplice-Šanov (Gewerbefortbildungsschule)

1920

204.

Teplitz-Schönau/Teplice-Šanov (Lebensmittel-Fachschule)

1922

205.

Teplitz-Schönau/Teplice-Šanov (Friseurfachschule)

1930

206.

Teplitz-Schönau/Teplice-Šanov (Fachschule für Metallverarbeitung)

1925

207.

Termeshof/Termesivy (Gewerbeschule)

1942

208.

Tetschen/Děčín (Realgymnasium)

1934

209.

Tetschen/Děčín (Mädchenfortbildungsschule)

1936, (seit 1937 öff.)

210.

Theresienstadt/Terezín

1883, (seit 1895 öff.) bis 1896 als Privatkindergarten, 1919 gesperrt

211.

Theresienstadt/Terezín (Gewerbeschule)

1939

212.

Theusing/Toužim

1935, (seit 1936 öff.)

213.

Tiss-Neuhof/Tis u Blatna-Nový Dvůr

1887, 1893 aufgelassen

214.

Thurmplandles/Věžovatá Pláně

1905, (seit 1916 öff.)

230  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

215.

Trautenau/Trutnov (Mädchenfortbildungsschule)

1929, (seit 1932 öff.)

216.

Trautenau/Trutnov

1882, (seit 1895 öff.)

217.

Trautenau/Trutnov (Gewerbefortbildungsschule)

1921

218.

Třebenice/Trebnitz (Gewerbefortbildungsschule)

1908

219.

Triebitz/Třebovice

220.

Triebschitz/Třebušice

1898, (1919 öff.)

221.

Trnowan/Trnovany

1892, (seit 1919 öff.)

222.

Tuschkau/Touškov (Gewerbefortbildungsschule)

1926

223.

Turn/Trnovany

224.

Turnov/Turnau (Handelsakademie und -schule)

1939 von der Gemeinde übern

225.

Überbergen/Přehořov

1898, (seit 1919 öff.)

226.

Unter-Hahn/ Dolní Hán (Háj u Duchcova)

1890, 1892 aufgelassen

227.

Unterleutensdorf/Dolní Litvínov

1909, (seit 1920 öff.)

228.

Unter-Sekerzan/Sekyřany Dolní

1890, (seit 1919 öff.)

229.

Unter-Tannwald/Dolní Tanvald

1921

230.

Warnsdorf/Varnsdorf (Gewerbefortbildungsschule)

1922

231.

Wegstädtl/Štětí (Gewerbefortbildungsschule)

1920

232.

1943 von der Gemeinde übern. Weißwasser/ Bělá pod Bezdězem (Mädchenfortbildungsschule)

233.

Weigensdorf/Vykmanov

234.

Welleschin/Velešín (Landwirtschaftliche Schule)

1936

235.

Widach/Vidochov

1933, (seit 1934 öff.)

236.

Wiese/Louka u Litvínova

1913, (seit 1919 öff.), 1943 von der Gemeinde übern.

237.

Winterberg/Vimperk

1919

238.

Winterberg/Vimperk (Gewerbefortbil- 1936, (seit 1937 öff.) dungsschule)

239.

Weißkirchlitz/Novosedlice

1911, (seit 1919 öff.)

Beilagen 

Land

Ort

Bestandsangaben

240.

Wodnian/Vodňany (Mädchenfortbildungsschule + Familienschule)

1943 von der Gemeinde übern.

241.

Wolin/Volyně (Handelsschule)

1939 von der Gemeinde übern.

242.

Wranowa/Vranov

1939 von der Gemeinde übern, 1882, 1897 aufgelassen

243. Mähren

Alt Traubendorf/Starý Hrozenkov (Gewerbeschule)

1941

244.

Auspitz/Hustopeče

1919, (seit 1919 öff.)

231

245.

Fußdorf/Rantířov

1909, (seit 1919 öff.)

246.

Frauendorf/Flandorf (Panenská)

1913, (seit 1918 öff.)

247.

Groß Ullersdorf/Velké Losiny

1934

248.

Iglau/Jihlava/ (Handelsschule)

1882, (seit 1890 öff.) 1940 nach Triesch/Třešť, 1941 nach Namiest/ Náměšť n. Osl. verlegt, 1943 gesperrt

249.

Iglau/Jihlava

1882, (seit 1890 öff.)

250.

Iglau/Jihlava (Handelsakademie)

1940 nach Polná/ Polna, 1941 nach Náměšť n. Osl./Namiest verlegt, 1943 gesperrt

251.

Janauschendorf/Janoušov

1896, (seit 1903 öff.)

252.

Klantendrof/Kujavy

1934, (seit 1934 öff.)

253.

Kromau/Moravský Krumlov

1887, (seit 1919 öff.)

254.

Krönau/Křenov

1935, (seit 1936 öff.)

255.

Littau/Litovel

1882, (seit 1889 öff.)

256.

Mährisch Aussee/Úsov

1908, (seit 1919 öff.)

257.

Mährisch Aussee/Úsov (Gewerbefort- 1922 bilungsschule)

258.

Mährisch Neustadt/Uničov (Handelsschule)

1922

259.

Mährisch Schildberg/Šilperk (Štíty)

1908, (seit 1919 öff.)

260.

1921 Mährisch Schönberg/ Šumperk (Gewerbefortbildungsschule)

261.

Mährisch Schönberg/ Šumperk (Fachschule für Metallverarbeitung)

1932

232  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

262.

Müglitz/Mohelnice (Gewerbefortbildungsschule)

1919

263.

Nebotein/Hněvotín

1901, (1918 öff.)

264.

Neutitschein/ Nový Jičín (Mädchenfortbildungsschule)

1929, (seit 1930 öff.)

265.

Neutitschein /Nový Jičín

1906, (seit 1919 öff.)

266.

Nikolsburg/Mikulov (Realgymnasium)

1936

267.

Ohrensdorf/Střítež nad Ludinou (Ge- 1941 werbeschule)

268.

Olmütz-Neugasse/Olomouc-Nová ulice

1903, (seit 1908 öff.)

269.

Paulowitz/Pavlovice u Olomouce

1907, (seit 1912 öff.)

270.

Schöllschitz/Želešice

271.

Selletitz/Želetice

272.

Sperbersdorf/Hradečná

273.

Tschechen/Čechyně

274.

Tschernowitz/Černovice u Brna

1907, (seit 1919 öff.)

275.

Tschihak/Čihák u Žamberka

1936, (seit 1937 öff.)

276.

Ungersdorf/Velký Uhřínov

1882, (seit 1885 öff.)

277.

Unter-Radisch/Radíkov Dolní

1906, (seit 1919 öff.)

278.

Urwitz/Vnorovice

1936, (seit 1937 öff.)

279.

Wallachisch Meseritsch/Valašské Meziříčí (Mädchenfortbildungsschule)

1943 von der Gemeinde übern.

280.

Wirbitz/Vrbice

1910, (seit 1919 öff.)

281.

Znaim/Znojmo

1881, (seit 1908 öff.)

282.

Zwittau/Svitavy (Handelsschule)

1936, (seit 1937 öff.)

1908, 1910 von der ÚMŠ übern., (seit 1915 öff.)

283. Schlesien Dobischwald/Dobešov

1935, (seit 1935 öff.), 1938 gesperrt

284.

Frýdek/Fridek

1899, von der ÚMŠ übern. 1899 (seit 1919 öff.)

285.

Jaktar/Jaktař (Bürgerschule)

1910, (seit 1912 öff.)

286.

Jablunkov/Jablunkau (Realgymnasium)

1936, 1937 öff.

Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

287.

Jablunkov/Jablunkau (Gewerbefortbildungsschule)

1933

288.

Jägerndorf/Krnov (Realgymnasium)

1937

289.

Karviná/Karwin

1908, (seit 1920 öff.)

290.

Karviná/Karwin (Textil-Fachschule)

1921



233

291.

Klein Kuntschitz/Kunčičky

1898, (seit 1902 öff.)

292.

Kreuzberg/Kružberk

1936, (seit 1936 öff.)

293.

Kreuzendorf/Holasovice

1919 gesperrt

294.

Neustift/Novosady

1907, (seit 1912 öff

295.

Oderberg/Bohumín

1911, (seit 1919 öff.)

296.

Ober-Toschonowitz/Tošanovice

1909, (seit 1919 öff.)

297.

Reichwaldau-Alpinschacht/ Rychvald-Alpinka

1912, (seit 1917 öff.)

298.

Reichwaldau-Unterwald/ Rychvald-Podlesí

1903, 1904 von der ÚMŠ übern., (seit 1917 öff.)

299.

Reichwaldau-Kirche/ Rychvald-U Kostela/

1911, (1914 öff.)

300.

Rothen-Kreuz/Kříž Červený

1909, (seit 1918 öff.)

301.

Troppau/Opava/

1883, vom lokalen Schulverein gegr., 1885 von der ÚMŠ übern. (seit 1919 öff.)

302.

Tyrn/Děrné

303.

Wagstadt/Bílovec (Gewerbefortbildungsschule)

1921

304.

Witkowitz/Vítkovice

1894, (seit 1897 öff.)

305.

Wollowetz/Volovec (Dolní Domaslavice)

1907, (seit 1919 öff.)

Quelle: NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 712, Kart. 62 a 63, LUKEŠOVÁ, Eva. Ústřední matice školská. [Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Phil. Fak. der Karls-Universität in Prag, 2013], VÚMŠ, Jahresberichte ÚMŠ 1880–1938, ŘEHÁČEK Karel. Ústřední Matice Školská, S. 97–130.

234  Beilagen

Beilage 8: Alphabetische Liste der von der ÚMŠ in den böhmischen Ländern errichteten Kindergärten* * Die Tabelle enthält als Vereinsanstalten gegründete private Kindergärten. In der Liste werden staatliche Anstalten wie auch andere Einrichtungen der Schulvereine (z. B. Tagesheimstätten), Anstalten anderer Privatvereine und die zahlreichen Schulunterstützungen nicht berücksichtigt. Die Abkürzung „öff.“ steht für die Übernahme der Vereinsschule durch die Gemeinde bzw. durch den Staat nach 1918. Die Kindergärten der ÚMŠ wurden in den Abtretungsgebieten von 1938 gesperrt. Land

Ort

Bestandsangaben

1. Böhmen

Adlerdörfel/Orličky

1928 (1930 öff.)

2.

Arnau/Hostinné

1926, (1929 öff.)

3.

Altenberg/Staré Hory (Jihlava)

1922 (1928 öff.)

4.

Altsattel/Staré Sedlo

1932

5.

Altstadt/Staré Město pod Landštejnem

1926 (1930 öff.)

6.

Arbesau/Varvažov (Telnice)

1926, (1929 öff.)

7.

Asch/Aš

1926

8.

Autschowa/Ohůčov

1937, 1939 nach Stankau/Staňkov verlegt

9.

Auscha/Úštěk

1924, (1929 öff.)

10.

Aussig/Ústí n. L.

1921, 1922 aufgelassen

11.

Bensen/Benešov nad Ploučnicí

1937

12.

Bergersdorf/Kamenná

1933, 1939 nach Pollerskirchen/ Úsobí verlegt

13.

Besdiek bei Saaz/Bezděkov u Žatce

1931

14.

Bauschowitz/Bohušovice nad Ohří

1940, 1943 gesperrt

15.

Böhmisch Aicha/Český Dub

1923

16.

Böhmisch Fellern/České Vrbné

1927 (1928 statl.)

17.

Böhmisch Leipa I/Česká Lípa I

1925

18.

Böhmisch Leipa II/Česká Lípa II

1934

19.

Böhmisch Leipa III/Česká Lípa III

1934

20.

Bilin/Bílina

1896 (1919 öff.)

21.

Bienendorf/Včelná

1940, 1942 gesperrt

Beilagen 

Land

Ort

Bestandsangaben

22.

Bischofteinitz/Horšův Týn (Horšovský Týn)

1926 (1929 stattl.)

23.

Blatnitz/Blatnice u Stříbra

1926

24.

Blisowa/Blížejov

1897, 1907 aufgelassen

25.

Bodenbach/Podmokly

1893, 1896–1923 gesperrt

26.

Bösching/Bezděčín

1928, (1928 öff.)

27.

Braunau/Broumov

1924 (1928 öff.)

28.

Braunbusch/Prapořiště

1907, 1914 aufgelassen

29.

Briesen/Břežánky

1906, (1906–1919 gesperrt)

30.

Brünnlitz/Brněnec

1921

31.

Brüsau/Březová nad Svitavou

1926 (1930 öff.)

32.

Bruch/Lom

1897, 1914–1922 gesperrt, 1923 geöffnet

33.

Brüx I/Most I

1882, 1921 öff.

34.

Brüx II/Most II

1927

35.

Chodau/Chodov

1927

36.

Chotieschau/Chotěšov

1925

37.

Chwalkowitz/Chvalkovice

1930

38.

Deutsch Gabel/Německé Jablonné

1930

39.

Diakowa/Děkovka

1934

40.

Dobrzan I/Dobřany I

1884, (1930 öff.)

41.

Dobrzan II/Dobřany II

1930

42.

Dörfl/Vesec u Liberce

1926, (1929 öff.)

43.

Drahenz/Drahonice u Lubence

1936

44.

Dreihöf/Oldřichovice

1931

45.

Dremtschitz/Dremčice

1943 gesperrt

46.

Drinow/Dřínov

1927 (1928 öff.)

47.

Drschke/Držkov

1943 gesperrt

48.

Dürnfellern/Suché Vrbné

1913, 1914 aufgelassen

49.

Dux/Duchcov

1883 (1919 öff.)

50.

Eger/Cheb

1923 (1928 öff.)

51.

Falkenau/Falknov (Sokolov)

1926

52.

Fichtenbach/Fuchsova Huť

1924 (1928 öff.)

53.

Fischern bei Karlsbad/Rybáře u Karlových Varů

1924

54.

Flöhau/Blšany

1927 (1929 öff.)

235

236  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

55.

Franzendorf/Františkov

1922, (1928 öff.)

56.

Franzensbad/Františkovy Lázně

1927, (1928 öff.)

57.

Friedenau/Frýdnava

1928, 1940 gesperrt)

58.

Friedland/Frýdlant

1925

59.

Friedstein/Frýdštejn

1943 gesperrt

60.

Gablonz a. d. Neiße/Jablonec nad Ni- 1912, (1914–1922 sou gesperrt, dann wiedergeöffnet)

61.

Gesen/Jesení

1926, (1928 öff.)

62.

Gießhübel im Adlergebirge I/ Olešnice v Orl. Horách I

1925, (1928 öff.)

63.

Gießhübel im Adlergebirge II/ Olešnice v Orl. Horách II

1931

64.

Gojau/Kájov

1927 (1929 öff.)

65.

Gradlitz/Choustníkovo Hradiště

1925 (1928 öff.)

66.

Gratzen/Nové Hrady

1920, 1922 von der ÚMŠ übern. (1929 öff.)

67.

Graupen/Krupka

1926

68.

Großdorf/Velká Ves u Bromouva

1930

69.

Groß Tschochau/Řehlovice

1931

70.

Grottau/Hrádek nad Nisou

1923

71.

Grulich/Králíky

1925 (1930 öff.)

72.

Grünthal/Grüntal (Zelené Údolí)

1924

73.

Grünlas/Loučky

1930

74.

Haida/Bor

1920 (1928 öff.)

75.

Halbstadt/Meziměstí

1927 (1929 öff.)

76.

Harrachsdorf-Neuwelt/HarrachovNový Svět

1911, 1915–1924 gesperrt, 1925 geöffnet, (1929 öff.)

77.

Hareth/Hořany

1921

78.

Hainspach/Haňšpach (Lipová)

1927

79.

Haselbach/Haselbach (Lísková)

1927 (1928 öff.)

80.

Hertine/Rtyně

1928

81.

Hesselsdorf/Hošťka

1925 (1928 öff.)

82.

Hilbetten/Hylváty

1925 (1930 öff.)

83.

Hillemühl/Hillův mlýn

1931

84.

Hirschberg am See/Doksy

1927

85.

Hluboka/Hluboká u Žihle

1931

Beilagen 

Land

Ort

Bestandsangaben

86.

Hochlibin/Vysoká Libyně

1927, (1929 öff.)

87.

Hodowitz/Staré Hodějovice

1926, (1928 öff.)

88.

Hohenelbe/Vrchlabí

1921, (1929 öff.)

89.

Hohenfurt/Vyšší Brod

1926, (1929 öff.)

90.

Holeischen/Holýšov

1919

91.

Hostau/Hostouň

1926

92.

Hostomitz/Hostomice nad Bílinou

1894

93.

Hummeln/Homole

1943 gesperrt

94.

Hrobschitz/Hrobčice

1926

95.

Hruschau/Hrušov

1910

96.

Hühnerwasser/Kuřívody

1935

97.

Hüttendorf/Zálesní Lhota

1932

98.

Illemnik/Jilemník

1941 gesperrt

99.

Janegg/Jeníkov

1927, (1928 öff.)

100.

Jenschowitz/Jenišovice

1943 gesperrt

101.

Jentschitz/Jenčice

1922, (1928 öff.)

102.

Jeschnitz/Jesenice u Rakovníka

1936

103.

Joachimsthal/Jáchymov

1926, (1928 öff.)

104.

Julienhain/Hranice u Nových Hradů

1885, 1908 von der Gemeinde übern.

105.

Kaaden/Kadaň

1927, (1928 öff.)

106.

Kaplitz/Kaplice

1927, (1928 öff.)

107.

Karlsbad/Karlovy Vary

1922, (1929 öff.)

108.

Ketten/Chotyně

1926, (1928 öff.)

109.

Kleinpriesen/Malé Březno

1931

110.

Klostergrab/Hrob

1891

111.

Kladruby/Kladrau

1925, (1929 öff.)

112.

Kladruby u Teplic/Kladrob

1923

113.

Klein Aurim/Malý Uhřínov

1937

114.

Klein Augezd/Malý Újezd (Újezdeček)

1924

115.

Klein Tschernosek/Malé Žernoseky

1929, (1928 öff.)

116.

Kochowitz bei Dauba/Kochovice

1931

117.

Kolešovice/Kolleschowitz

1888, (1915–1926 gesperrt), 1927 neu geöffnet

118.

Komotau/Chomutov

1926, (1928 öff.)

237

238  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

119.

Komořany/Kommern

1923, (1926 öff.)

120.

Kopist/Kopisty

1894

121.

Kosten/Košťany

1893, (1920 öff.)

122.

Kosterzitz/Kostřice

1931

123.

Kottiken/Chotíkov

1919, (1928 öff.)

124.

Kratzau/Chrastava

1923

125.

Kreschitz/Křešice

1925, (1928 öff.)

126.

Kriegern/Kryry

1926

127.

Krumau I/Český Krumlov I

1882, (1929 öff.)

128.

Krumau II/Český Krumlov II

1931

129.

Kuniowitz/Kunějovice

1926

130.

Königseck/Kunžak

1940, 1940 gesperrt

131.

Landskron/Lanškroun

1923, (1928 öff.)

132.

Langenau/Skalice u České Lípy

1924

133.

Leitmeritz/Litoměřice

1880, 1884 von der ÚMŠ, 1921 von der Gemeinde

134.

Liboch/Liběchov

1892, (1928 öff.)

135.

Libotschan/Libočany

1926

136.

Liebenau/Hodkovice

1890, (1914–1918 gesperrt)

137.

Lihn/Líně u Plzně

1919, 1943 gesperrt

138.

Lindau/Lipětín

1925

139.

Linden/Lipanovice

1930

140.

Linsdorf/Těchonín

1928, (1930 öff.)

141.

Lippenz/Lipenec u Žatce

1926, (1928 öff.)

142.

Lipptitz/Liptice

1932

143.

Lititz/Litice

1914

144.

Litmitz/Lipnice

1934

145.

Liquitz/Libkovice

1911, (1929 öff.), 1914–1918 gesperrt

146.

Lobositz/Lovosice

1908, (1920 öff.)

147.

Lossin/Losiná

1931

148.

Luditz/Žlutice

1927

149.

Luschitz/Lužice

1927, (1929 öff.)

150.

Malesitz/Malesice

1919

151.

Maltheuern/Záluží

1927

152.

Manetin/Manětín

1926, 1943 gesperrt

Beilagen 

Land

Ort

Bestandsangaben

153.

Marienbad/Lázně Mariánské

1924, (1928 öff.)

154.

Markt Eisenstein/Železná Ruda

1925, (1928 öff.)

155.

Markt Eisenstein-Elisenthal/Železná Ruda-Alžbětín

1925

156.

Meierhöfen bei Karlsbad/Dvory u Karlových Varů

1934

157.

Metzling/Meclov

1925, (1928 öff.)

158.

Mies/Stříbro

1924, (1928 öff.)

159.

Michelob/Měcholupy

1925, (1928 öff.)

160.

Modlan/Modlany

1922

161.

Morchenstern/Smržovka

1925, (1928 öff.)

162.

Nabsel/Bzí

1943, gesperrt

163.

Natschung/Načetín

1931

164.

Neubistrittz/Nová Bystřice

1926, (1928 öff.)

165.

Neuern/Nýrsko

1928, (1928 öff.)

166.

Neudorf bei Mies/Nová Ves u Stříbra 1918

167.

Neudorf a. d. Biela/Nové Sedlo nad Bílinou

1927, (1929 öff.)

168.

Neugarten/Zahrádky

1925

169.

Neumark/Všeruby

1927, (1929 öff.)

170.

Neusattel/Sedlo Nové

1925, (1928 öff.)

171.

Neuklitschau-Stitowsky/Nový Klíčov- 1931, 1943 gesperrt Štítovky

172.

Nestemitz/Neštěmice

1925

173.

Netschemitz/Nečemice

1936

174.

Niemes/Mimoň

1924

175.

Nieder-Einsiedel/Poustevna Dolní

1927

176.

Nischkau/Nížkov

1943 gesperrt

177.

Nürschan/Nýřany

1881

178.

Nuserau/Nuzerov

1933

179.

Oberdorf/Horní Ves

1927, (1928 öff.)

180.

Oberhaid/Dvořiště Horní

1926, (1928 öff.)

181.

Ober-Leutensdorf Horní Litvínov

1923

182.

Oberrosenthal I/Horní Růžodol I

1908, 1915–1919 gesperrt (1928 öff.)

183.

Oberrosenthal II/Horní Růžodol II

1935

184.

Ober-Tannwald/Horní Tanvald

1920

239

240  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

185.

Obrnitz/Obrnice

1923, (1929 öff.)

186.

Olschan/Olšany

1930

187.

Osegg/Osek

1889, (1920 von der Gemeinde übern.)

188.

Patokrey/Patokryje

1930

189.

Payreschau/Boršov

1940 gesperrt

190.

Petrowitz bei Stecken/Petrovice u Štoků

1935, 1939 gesperrt

191.

Pladen/Blatno u Jesenice

1931

192.

Pleschnitz/Plešnice

1927, (1929 öff.)

193.

Plös/Pleš

1931

194.

Pößwitz/Pesvice

1927, (1929 öff.)

195.

Podseditz/Podsedice

1924, (1929 öff.)

196.

Podersam/Podbořany

1926, (1929 öff.)

197.

Podersanka(Podbořánky

1930

198.

Podieschin/Poděšín

1943 gesperrt

199.

Podol bei Münchengrätz/Podolí

1943 gesperrt

200.

Pohlen bei Krumau/Spolí u Č. Krumlova

1934

201.

Polepp/Polepy u Litoměřic

1927, (1928 öff.)

202.

Pollerskirchen/Úsobí

1939, 1940 gesperrt

203.

Postelberg/Postoloprty

1883, (1915–1920 gesperrt)

204.

Potscheplitz/Počeplice

1933

205.

Prachatitz/Prachatice

1881 (1928 öff.)

206.

Prasseditz/Prasetice (Prosetice)

1906, (1915–1922 gesperrt), (1929 öff.)

207.

Predlitz/Předlice

1920, (1929 öff.)

208.

Prennet/Prenet (Spálenec)

1937

209.

Probstau/Proboštov

1909

210.

Prohn/Braňany

1922

211.

Priethal/Přídolí

1937

212.

Pyhanken/Běhánky

1903

213.

Raudnig/Roudníky

1925

214.

Reichenberg I/Liberec II

1881, 1915–1919 gesperrt

215.

Reichenberg II/Liberec II

1936

216.

Reitschowes/Radíčeves

1934

Beilagen 

Land

Ort

Bestandsangaben

217.

Robschitz/Robčice

1932

218.

Rochlitz/Rochlice

1884, 1885–1922 gesperrt, (1929 öff.)

219.

Rochlowa/Rochlov

1933

220.

Röhrsdorf/Svor

1926

221.

Rokytnitz im Adlergeb./Rokytnice v Orl. Horách

1921, (1930 öff.)

222.

Ronsberg/Poběžovice

1927, (1929 öff.)

223.

Rosenberg/Rožmberk n. Vlt

1933

224.

Rossbach/Hranice

1936

241

225.

Rottenschachen/Rapšach

1926, (1929 öff.)

226.

Rudolfstadt/Rudolfov

1883, 1943 gesperrt

227.

Rumburg/Rumburk

1925

228.

Sassadel/Zásada

1943 gesperrt

229.

Saaz/Žatec

1883, (1929 öff.)

230.

Schamers/Číměř

1926, (1929 öff.)

231.

Schatzlar/Žacléř

1924, (1929 öff.)

232.

Scheles/Žihle

1924, (1928 öff.)

233.

Schelten/Šelty

1927, (1929 öff.)

234.

Schidowitz/Židovice

1931

235.

Schlackenwerth/Ostrov

1926

236.

Schlowitz/Šlovice

1936

237.

Schönfeld/Tuchomyšl

1925

238.

Schönhof/Dvůr Krásný

1927, (1928 öff.)

239.

Schönpriesen/Březno Krásné

1898, (1915–1916 u. 1919–1921 gesperrt), 1929 öff.)

240.

Schreckenstein/Střekov

1925, (1929 öff.)

241.

Schumburg-Gistey/Šumburk (Krásná)-Jistebsko

1926

242.

Schüttenitz/Žitenice

1925, (1929 öff.)

243.

Schweinitz/Trhové Sviny

1940 gesperrt

244.

Seestadtl/Ervěnice

1913, (1914–1924 gesperrt), (1930 öff.)

245.

Seewiesen/Zejbiš (Javorná)

1926, (1928 öff.)

246.

Selowitz/Selibice

1931

247.

Sedschitz/Sedčice

1930

248.

Silberberg/Orlovice

1927, (1928 öff.)

242  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

249.

Sittna/Sytno

1931

250.

Sitzkreis/Čížkrajice

1934, 1943 gesperrt

251.

Slemeno/Slemeno

1940, 1940 gesperrt

252.

Soborten/Sobědruhy

1928

253.

Sonnenberg/Suniperk (Výsluní)

1932

254.

Solislau/Sulislav

1924, (1929 öff.)

255.

Staab/Stod

1919

256.

Stankau/Staňkov

1943, gesperrt

257.

Stecken I/Štoky I

1926, 1943 gesperrt

258.

Stecken II/Štoky II

1937, 1943 gesperrt

259.

Steinkirchen/Kamenný Újezd u Nýrs- 1924 ka

260.

Steinschönau/Kamenický Šenov

1926, (1929 öff.)

261.

Sterkowitz/Strkovice

1931

262.

Stich/Vstiš

1927, (1929 öff.)

263.

Strodenitz/Rožnov

1927, (1928 öff.)

264.

Stritschitz/Strýčice (Volks- und Bürgerschule)

1930

265.

Stürbitz/Štrbice

1930

266.

Swojetin/Svojetín

1925

267.

Teplitz-Schönau/Teplice-Šanov

1882, 1915–1926 gesperrt, (1929 öff.)

268.

Theresienstadt/Terezín

1882, 1920 von der Gemeinde übern.

269.

Tischau/Mstišov

1926, (1929 öff.)

270.

Trautenau/Trutnov

1883 (1928 öff.)

271.

Trebnitz/Třebenice

1888, 1943 gesperrt

272.

Trieblitz/Třebívlice

1943 gesperrt

273.

Trmitz/Trmice

1926, (1929 öff.)

274.

Trnowan/Trnovany

1926, (1928 öff.)

275.

Trupschitz/Strupčice

1926, (1928 öff.)

276.

Tschausch/Souš (Čouš)

1895, (1924 von der Gemeinde übern.)

277.

Tschachrau/Čachrov

1943 gesperrt

278.

Tschemin/Čeminy

1925

279.

Tschischkowitz/Čížkovice

1926, (1929 öff.)

280.

Tschkin/Čkyně

1940 gesperrt

281.

Tschöppern/Čepirohy

1924

282.

Tuchorschitz/Tuchořice

1927

Beilagen



Land

Ort

Bestandsangaben

283.

Turn I/Trnovany I

1893, 1915–1918 gesperrt, 1939 gesperrt

284.

Turn II/Trnovany II

1932

285.

Tuschkau/Touškov

1920

286.

Udwitz/Otvice

1934

287.

Ullersdorf/Oldřichov

1931

288.

Unter-Leutensdorf/Dolní Litvínov

1925

289.

Unter-Sandau/Dolní Žandov

1932

290.

Unter-Sekerzan/Dolní Sekyřany

1927

291.

Unter-Tannwald/Tanvald Dolní

1923

292.

Unterwielands/Velenice České I

1926, (1929 öff.)

293.

Unterwielands/Velenice České II

1926, (1929 öff.)

294.

Warnsdorf/Varnsdorf

1927

295.

Wegstädtl I/Štětí I

1919 (1923 öff.)

296.

Wegstädtl II/Štětí II

1923

297.

Wellemin/Velemín

1927 (1929 öff.)

298.

Weichseln/Vyšný

1934

299.

Weißkirchlitz/Novosedlice

1911 (1928 öff.)

300.

Weiß Tremeschna/Bílá Třemešná

1940 gesperrt

301.

Wickwitz/Vojkovice

1931

302.

Widim/Vidim

1934

303.

Wiklitz/Vyklice

1924 (1929 öff.)

304.

Willomitz/Vilémov

1927 (1928 öff.)

305.

Winterberg/Vimperk

1910 (1928 öff.)

306.

Wintersgrün/Vintířov

1931

307.

Witkowitz/Vítkovice

1894, (1919 öff.)

243

308.

Wistritz/Bystřice u Dubí

1926 (1928 öff.)

309.

Wölmsdorf/Vilémov

1931

310.

Wteln/Vtelno

1926

311.

Zieditz /Citice

1925

312.

Zwodau/Svatava (Zvodava)

1927

313.

Zwug I/Zbůch I

1919

314.

Zwug I/Zbůch I

1932

315.

Zuckmantl/Cukmantl (Pozorka)

1909, (1914–1921 gesperrt), 1922 neu geöffnet

316. Mähren

Alt Hart/Hobzí Staré

1927 (1928 öff.)

244  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

317.

Altschallersdorf/Starý Šaldorf

1920, 1926 von der ÚMŠ übern., (1928 öff.)

318.

Augezd/Újezd u Uničova

1927, (1930 öff.)

319.

Auspitz/Hustopeče

1911, 1926 von der ÚMŠ übern.

320.

Aussee/Úsov

1919, 1926 von der ÚMŠ übern., (1928 öff.)

321.

Baumöhl/Podmolí

1919, 1926 von der ÚMŠ übern. (1928 öff.)

322.

Bisenz/Bzenec

1889, 1896 von der Gemeinde übern.

323.

Blauda/Bludov

1908, 1924 von der ÚMŠ übernommen, 1939 gesperrt

324.

Böhmisch Märzdorf/Český Bohdíkov

1910, 1939 gesperrt

325.

Böhmisch Rudoletz/Český Rudolec

1927, (1928 öff.)

326.

Brno/Brünn

1881, 1885 von der Matice Brněnská übern.

327.

Brüsau/Březová nad Svitavou

1926 (1930 öff.)

328.

Deutsch Seelowitz/Židlochovice

1894, 1900 von der ÚMŠ übern., 1927 von der Gemeinde übern.

329.

Deutsch Brodek/Brodek

1926 (1928 öff.)

330.

Dittersdorf/Větřkovice

1925, 1927 von der ÚMŠ übern.

331.

Eisgrub/Lednice

1920, 1926 von der ÚMŠ übern., (1928 öff.)

332.

Engelswald/Mošnov

1934

333.

Feldsberg/Valtice

1923 (1928 öff.)

334.

Frain a. d. Thaya/Vranov n. Dyjí

1922, 1926 von der ÚMŠ, (1928 öff.)

335.

Frainersdorf/Ves Vranovská

1922, 1926 von der ÚMŠ übern., (1928 öff.)

336.

Frankstadt an der Mährischen Grenz- 1926 (1928 öff.) bahn/Frankštát (Nový Malín)

337.

Friedrichsdorf/Bedřichov u Jihlavy

1913 (1929 öff.)

338.

Friedrichshütten/Nová Huť

1931

339.

Fröllersdorf/Frélichov (Jevišovka)

1925, 1926 von der ÚMŠ übernommen

340.

Fulnek/Fulnek

1923, 1926 von der ÚMŠ übern. (1928 öff.)

341.

Gaya/Kyjov

1885, (1898 öff.)

342.

Gießhübl-Nimlau/Kyselov-Nemilany

1921, 1926 von der ÚMŠ übern., (1929 öff.)

Beilagen 

245

Land

Ort

Bestandsangaben

343.

Gewitsch/Jevíčko

1933, 1943 gesperrt

344.

Göding/Hodonín

1883, (1924 öff.)

345.

Guttenfeld/Dobré Pole

1919 augelöst, 1927 (1928 öff.)

346.

Grusbach/Hrušovany nad Jevišovkou 1919 von einem lokalen Schulverein gegründet, 1926 von der ÚMŠ übern. (1928 öff.)

347.

Hannsdorf/Hanušovice

1922, 1926 von der ÚMŠ übern. (1928 öff.)

348.

Heinrichswald/Jindřichov

1943 gesperrt

349.

Helenenthal/Helenín

1920, 1926 von der ÚMŠ übern., (1929 öff.)

350.

Hermitz/Heřmanice

1931

351.

Herrenried/Panská Lhota

1943 gesperrt

352.

Hobitschau/Hlubočany

1923, 1926 von der ÚMŠ übern., (1928 öff.)

353.

Hohenstadt/Zábřeh

1884, (1919 öff.)

354.

Hosterlitz/Hostice

1933, 1939 gesperrt

355.

Hruschowan bei Leitmeritz/Hrušovany u Litoměřic

1931

356.

Iglau/Jihlava

1884, (1919 öff.)

357.

Königlosen/Králová

1926 (1927 öff.)

358.

Königsgrund/Králec

1934

359.

Kremsier/Kroměříž

1882, 1887 von der Gemeindeübern.

360.

Kromau/Moravský Krumlov

1892, 1919 gesperrt

361.

Leipnik/Lipník nad Bečvou

1882, (1927 öff.)

362.

Lhota bei Jeschnitz/Lhota u Jesenice

1935

363.

Littau/Litovel

1882, (1900 öff.)

364.

Lobnig/Lomnice u Rýmařova

1936

365.

Lodenitz/Loděnice

1926, (1928 öff.)

366.

Lundenburg/Břeclav

1882, 1922 von der Gemeinde übern.

367.

Manerov/Mannersdorf

1931, 1943 gesperrt

368.

Mährisch Neustadt/Uničov

1919, 1926 von der ÚMŠ übern.

369.

Mährisch Trübau/Moravská Třebová

1924, 1926 von der ÚMŠ übern., (1928 öff.)

370.

Mährisch Rotwasser/Červená Voda

1919, 1926 von der ÚMŠ übern. (1928 öff.)

371.

Mährisch Schildberg/Šilperk (Štíty)

1926 (1930 öff.)

246  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

372.

Mährisch Sternberg/Šternberk

1920, 1926 von der ÚMŠ übern., (1929 öff.)

373.

Marienthal-Hombok/ Mariánské Údo- 1919, 1926 von der ÚMŠ übernommen, lí -Hlubočky (1929 öff.)

374.

Maxdorf/Dvorská

1926, 1928 von der ÚMŠ übern. (1929 öff.)

375.

Mettilowitz/Metylovice

1940 gesperrt

376.

Mißlitz/Miroslav

1919, 1926 von der ÚMŠ (1928 öff.)

377.

Mistek/Místek

1910

378.

Mödritz/Modřice

1921, 1928 von der ÚMŠ übern. (1928 öff.)

379.

Modes/Matějovec

1930

380.

Müglitz/Mohelnice

1919, 1926 von der ÚMŠ übern., (1929 öff.)

381.

Nebotein/Hněvotín

1912, 1926 von der ÚMŠ übern., (1928 öff.)

382.

Neutitschein/Jičín Nový

1908

383.

Nikolsburg/Mikulov

1921, 1926 von der ÚMŠ übern. (1928 öff.)

384.

Nikles/Raškov

1931

385.

Nirklowitz/Mrsklesy

1919, 1926 von der ÚMŠ übern.

386.

Neustift/Novosady (Olomouc)

1910 (1920 von der Gemeinde übern.)

387.

Neudorf bei Mies/ Nová Ves u Stříbra 1918, 1943 gesperrt

388.

Ober-Ullischen/Olešná Horní

1926 (1928 öff.)

389.

Ober-Themenau/Ves Nová Charvátská

1919, 1926 von der ÚMŠ

390.

Olomouc/Olmütz

1882, 1907 vom lokalen Schulverein übern.

391.

Olmütz-Neugasse/Olomouc-Nová ulice

1908 (1914 von der Gemeindeübern.)

392.

Partschendorf/Bartošovice

1927

393.

Passek bei Sternberg/Paseka u Šternberka

1937

394.

Paulowitz/Pavlovičky

1907, (1919 öff.)

395.

Rabenau/Hrabenov

1931

396.

Reitendorf/Rapotín

1925 (1928 öff.)

397.

Rom/Kladky

1926 (1927 öff.)

398.

Saitz/Zaječí

1926, (1928 öff.)

Beilagen 

247

Land

Ort

Bestandsangaben

399.

Schaffa/Šafov

1925, 1926 von der ÚMŠ übernommen, (1928 öff.)

400.

Schattau/Šatov

1920, 1926 von der ÚMŠ übern., (1928 öff.)

401.

Schönbrunn/Studénky

1909, 1939 gesperrt

402.

Schönwald/Šumvald (Šumná)

1921, 1926 von der ÚMŠ übern., (1929 öff.)

403.

Schröffelsdorf/Šreflová (Zálesí)

1920, (1926 öff.)

404.

Selletitz/Želetice

1924, 1926 von der ÚMŠ übernommen

405.

Selsen/Želivsko

1928, (1930 öff.)

406.

Sobiechleb/Soběchleby

1923, (1929 öff.)

407.

Senftleben/Ženklava

1924, 1926 von der ÚMŠ übern., (1929 öff.)

408.

Skalitz/Skalice u Znojma

1924

409.

Söhle/Žilina

1920, 1926 von der ÚMŠ übern.

410.

Sponau/Spálov

1910, 1914 aufgelassen

411.

Stannern/Stonařov

1921, 1926 von der ÚMŠ (1928 öff.)

412.

Stay/Stáj

1943 gesperrt

413.

Stefansdorf/Horní Štěpánov

1933, 1943 gesperrt

414.

Tschechen/Čechyně

1926, (1928 öff.)

415.

Türnau/Trnávka

1907, (1930 öff.)

416.

Unter-Langendorf/Dolní Dlouhá Loučka

1927, (1928 öff.)

417.

Unter-Tannowitz/Dolní Dunajovice

1930

418.

Urspitz/Cvrčovice

1923, (1928 öff.)

419.

Vöttau/Bítov

1943, gesperrt

420.

Walterschlag/Valtínov

1943, gesperrt

421.

Weikersdorf/Vikýřovice

1924, (1928 öff.)

422.

Weseka bei Dollein)/Véska u Dolan

1927, (1929 öff.)

423.

Woikowitz/Wojkovice

1920, 1926 von der ÚMŠ übern., (1928 öff.)

424.

Wolframs/Kostelec

1931, 1942 gesperrt

425.

Zauchtl/Suchdol n. Odrou

1921, 1926 von der ÚMŠ übern.

248  Beilagen

Land

Ort

Bestandsangaben

426.

Zlabings/Slavonice

1923, 1926 von der ÚMŠ übern., (1928 öff.)

427.

Znaim/Znojmo

1882, 1914 von einem Lokalverein übern.

428.

Zuckerhandl/Suchohrdly

1923 (1929 öff.)

429.

Zwittau/Svitavy

1921, 1926 von der ÚMŠ übern., (1930 öff.)

430. Schlesien

Benischau/ Dolní Benešov u Hlučína

1922, 1927 von der ÚMŠ übern.

431.

Berghof/Životické Hory

1933

432.

Bohutschowitz/Bohučovice

1931

433.

Botenwald/Butovice

1922, 1926 von der ÚMŠ übern., (1929 öff.)

434.

Freudenthal/Bruntál

1924, 1927 von der ÚMŠ übern., (1928 öff.)

435.

Deutsch Krawarn/Kravaře

1921, 1927 von der ÚMŠ übern.

436.

Freiwaldau/Frývaldov (Jeseník)

1927

437.

Fridek/Frýdek

1902, 1914 gesperrt)

438.

Glomnitz/Hlavnice

1918, 1927 von der ÚMŠ übern.

439.

Jägerndorf/Krnov

1924, 1927 von der ÚMŠ übern., (1928 öff.)

440.

Jaktar/Jaktař

1912, (1915–1925 gesperrt), 1927 neu geöffnet

441.

Jauernig/Javorník

1927 (1928 öff.)

442.

Katharein/Kateřinky (Opava)

1884, 1919 von der Gemeinde übern

443.

Kauthen/Kouty (Kravaře)

1924

444.

Klein Hoschütz/Hoštice Malé

1921, 1927 von der ÚMŠ (1930 öff.)

445.

Klein Kunschitz/Malé Kunčice (Kunčičky)

1899, 1905 von der Gemeindeübern.

446.

Klebesch/Chlebičov

1930

447.

Klimkovice/Königsberg in Schlesien

1885, 1883 von der Gemeinde übern.

448.

Kreuzendorf/Holasovice

1919, 1927 von der ÚMŠ übern.

449.

Leitersdorf/Litultovice

1929

Beilagen 

249

Land

Ort

Bestandsangaben

450.

Ölhütten/Lhota u Litultovic

1931

451.

Lodenitz bei Kreuzendorf/Loděnice u 1919, 1927 von der Holasovic ÚMŠ übern.

452.

Markersdorf/Leskovec (Březová)

1926, 1927 von der ÚMŠ übern.

453.

Mladecko/Mladetzko

1934

454.

Muglinau/Muglinov

1930, 1943 gesperrt

455.

Neplachowitz/Neplachovice

1913, 1914 aufgelassen

456.

Odersch/Oldřišov

1926, 1927 von der ÚMŠ übern.

457.

Odrau/Odry

1923, 1927 von der ÚMŠ übern. (1928 öff.)

458.

Podol bei Grätz/Podolí u Hradce nad Moravicí

1907–1914, nach 1918 öff., 1927 von der ÚMŠ wieder übern.

459.

Priwoz (Oderfurt)/Přívoz

1905, 1919 von der Gemeinde übern.

460.

Reichwaldau-Unterwald/RychvaldPodlesí

1913, (1915–1918 gesperrt), 1922 aufgelassen

461.

Reichwaldau-Kirche/Rychvald-U Kos- 1913, (1915–1918 tela gesperrt), 1922 aufgelassen

462.

Reichwaldau-Beim Wenzel/Rychvald- 1913, U Václava (1915–1918 gesperrt)

463.

Schreibersdorf/Hněvošice

1930

464.

Stettin/Štítina

1910, 1914 aufgelassen

465.

Troppau I/Opava I

1882, 1920 von der Gemeindeübern.

466.

Troppau I/Opava I

1921, 1927 von der ÚMŠ übern.

467.

Wagstadt/Bílovec

1920, (1928 öff.)

468.

Wawrowitz/Vávrovice

1922

469.

Weißwasser/Bílá Voda

1926, (1928 öff.)

470.

Weidenau/Vidnava

1927, (1928 öff.)

471.

Zimrowitz/Žimrovice

1923

Quelle: NA Praha, ÚMŠ, Inv.-Nr. 712, Kart. 62 a 63, LUKEŠOVÁ, Eva. Ústřední matice školská. [Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Phil. Fak. der Karls-Universität in Prag, 2013], VÚMŠ, Jahresberichte ÚMŠ 1880–1938, ŘEHÁČEK Karel. Ústřední Matice Školská, S. 97–130.

250  Beilagen

Beilage 9: Schulvereinsgedichte Jaroslav Vrchlický – Poslání (1885)1 […] Ó, růžemi lán vlasti zkvete holý, jen stavte, stavte, stavte české školy, však přeneste v jejich zdi též otců símě, skráň vždycky přímou, neskloněné týmě a pevnou ruku byť i mozolitou v zlu nepoddajnou, ku práci jen hbitou, a víru v dobrou, kterou svět se drží nad zmatku, zmaru, nedohlednou strží jen zázrakem! To dáte-li svým dětem, vlast celá vzplane jediným velkým květem, v kterého vůni vám též srdce zmládne, v kterého vůni každý okov spadne a rovnost, volnost, síla blaho vzpučí a ráj, o kterém staré báje zvučí, se vrátí přec: – Té doby apoštoly pak budou všecky děti české školy.

Beda – Die Roseggerspende (1910)2 Der Dichter ging von Haus zu Haus, Ein Greis, ein nimmermüder, Und bettelte vom Morgengrau’n Bis in die Nacht, tagein, tagaus, Für die bedrängten Brüder, Die an der Grenze Schulen bau’n. Doch als er schritt durchs Deutsche Reich, Verschloß man ihm die Türen: Kaum fünfzig öffneten die Hand … Und an der Grenze Streich um Streich Sieht man den Todfeind führen Und tiefer dringen in das Land … Aufs neue zieht von Haus zu Haus Der Dichter in getreuer Hingabe an den heil’gen Streit. O Deutschland, wetz‘ die Scharte aus: Es steht für Dich im Feuer Der Bruder, der um Hilfe schreit. 1 Padesát let Ústřední Matice Školské. S. 58. 2 Der Getreue Eckart, Jg. 8, Nr. 2/1910, S. 64.

Beilagen



251

Eliška Krásnohorská – O dalším poslání Ústřední Matice Školské (1922)3 „Jest veliké to dílo lásky vřelé, jež vykonáno rukou Matiččinou, však není dokonáno, není celé – vždyť ejhle – dosud české děti hynou v tmách cizoty, a jest jich na tisíce.“

Johann Peter – Zehn Minuten für die deutsche Schule (1930)4 […] Zehn Minuten für die deutsche Schule! Das soll auf sudetendeutscher Erden allgemeines deutsches Brauchtum werden! Wo auch immer Freudenbecher klingen, deutsche Paare sich im Reichen schlingen, halte ein die Luft nur zehn Minuten, daß die Spenden reich zusammen fluten, gern geopfert dem Kulturverband, der die Schule schirmt im Heimatland.

3 „Es ist ein großes Werk der warmen Liebe, das mit der Hand von Matice geleistet wurde. Doch ist es noch nicht alles, denn, schau, bis heute sterben tschechische Kinder im Finsternis des Fremden – und es sind Tausende.“ VÚMŠ, 1/1922, S. 28. [Übersetzt von Mikuláš Zvánovec] 4 Festschrift zur Pfingsttagung des Deutschen Kulturverbandes. Aussig: 1930. S. 16.

252  Beilagen

Beilage 10: Schulvereinsgebäude

DSV-Schule Benetzko (Benecko)

DSV-Schule Drislawitz (Drslavice)

Beilagen 

DSV-Rosegger-Schule Harrachsdorf-Neuwelt (Harrachov-Nový Svět)

ÚMŠ-Vereinsschule Bösching (Bezděčín)

253

254  Beilagen

ÚMŠ-Vereinsschule Klostergrab (Hrob)

Vereinschule und Lehrerbildungsanstalt des lokalen tschechischen Schulvereins in Budweis (České Budějovice)

Beilagen 

255

Von der ÚMŠ im Auftrag des Staates Minoritätsschule in Ottau (Zátoň)

Quellen: Privatarch. des Verfassers, Bildarchiv der ÖLM Wien, Školy Ústřední Matice Školské, NA Praha, ÚMŠ, Kart. 611.

256  Beilagen

Beilage 11: Ehemalige DSV-Schule (Bild 1) und staatliche durch die ÚMŠ erbaute staatliche Jubiläumsschule Großgallein/Velké Skaliny (Bild 2), Jahr 2020

Ehemalige DSV-Schule Grossgallein (Velké Skaliny)

Von der ÚMŠ im Auftrag des Staates gebaute Jubiläumsschule Grossgallein (Velké Skaliny) Autor: Mikuláš Zvánovec

Beilagen



257

Beilage 12: ÚMŠ-Ansichtskarte Seestadtl (Ervěnice) und DSV-Ansichtskarte Werschowitz (Vršovice)

Quelle: NA Praha, ÚMŠ, Kt. 354

Quelle: Privatarchiv Mikuláš Zvánovec

258  Beilagen

Beilage 13: Werbeplakat zur ÚMŠ-Feier in Prag 1913

Quelle: NA Praha, Bestand Menšinové muzeum, inv. č. 61, Kt. 15.

Beilagen 

259

Beilage 14: ÚMŠ-Visitenkarten (Opferkarten) „Národní obětina“ und Werbung

Quelle: NA Praha, Bestand Menšinové muzeum, inv. č. 61, Kt. 25.

Quelle: VÚMŠ, 1–4/1911, s. 1b.

260  Beilagen

Beilage 15: Einladung zur Einweihung der ÚMŠ-Schule Julienhain (Hranice u Nových Hradů) 1902

Beilagen

Quelle: NA Praha, Bestand Menšinové muzeum, inv. č. 61, Kt. 35.



261

262  Beilagen

Beilage 16: Erinnerung an die DSV-Hauptversammlung in Wien 1913

Quelle: Hauptversammlungen des DSV, Archiv der ÖLM Wien

Beilagen 

Beilage 17: Sammelbüchse des DSV

Gegenstand wird aufbewahrt im Archiv der ÖLM Wien.

263

264  Beilagen

Beilage 18: DSV-Seife

Aufbewahrt im Archiv der ÖLM Wien.

Beilagen 

Beilage 19: Einladung zum DSV-Tanzkränzchen

Quelle: Ortsgruppenfeste 1898–99, Archiv der ÖLM Wien.

265

266  Beilagen

Beilage 20: ÚMŠ-Zünder

Quelle: Privatarchiv des Verfassers

Beilagen

Beilage 21: Werbeplakat DSV von 1910

Quelle: Sammlung des Collegium Bohemicum in Aussig (Ústí nad Labem)



267

268  Beilagen

Beilage 22: Häufigkeit der zweisprachigen Schulkinder in Böhmen (1900)

Quelle: RAUCHBERG, Heinrich. Der nationale Besitzstand in Böhmen. Leipzig: 1905, Karte 37.

Beilagen 

269

Beilage 23: Bilanz der inneren Wanderbewegung in Böhmen (1891–1900)

Quelle: RAUCHBERG, Heinrich. Der nationale Besitzstand in Böhmen. Leipzig: 1905, Karte 8.

270  Beilagen

Beilage 24: Verschiebungen im Zahlenverhältnis der deutschen und der tschechischen Umgangssprache in Böhmen (1900 im Unterschied zu 1891)

Quelle: RAUCHBERG, Heinrich. Der nationale Besitzstand in Böhmen. Leipzig: 1905, Karte 2.

Beilagen 

271

Beilage 25: Die Sprachgrenze in Südböhmen im Jahre 1900

Quelle: Sprachenkarte von Böhmen In: RAUCHBERG, Heinrich. Der nationale Besitzstand in Böhmen. Leipzig: 1905. Die ganze Karte steht unter https://www.degruyter.com/books/ 9783110723342 zum Download bereit.

272  Beilagen

Beilage 26: Die Sprachgrenze in Nordböhmen im Jahre 1900

Quelle: Sprachenkarte von Böhmen In: RAUCHBERG, Heinrich. Der nationale Besitzstand in Böhmen. Leipzig: 1905. Die ganze Karte steht unter https://www.degruyter.com/books/ 9783110723342 zum Download bereit.

Beilagen 

273

Beilage 27: Verschiebungen im Zahlenverhältnis der deutschen und der tschechischen Umgangssprache in Böhmen 1891-1900

Quelle: RAUCHBERG, Heinrich. Der nationale Besitzstand in Böhmen. Leipzig: 1905, Karte 2.

Namensregister A Adámek, Karel 79, 80, 92, 93 Adler, Viktor 31, 47, 48, 52, 53, 79, 86, 94, 95, 96, 184 Adler, Friedrich 31 Anýž, Josef 30, 48, 82, 127 Auersperg, Adolf von 84 Auersperg, Karl von 26 B Bachofen von Echt, Klemens 79 Ballák, Adolf 153 Barák, Josef 49, 54 Bareuther, Ernst 52, 79, 84, 86 Badeni, Kazimir von 28, 89 Baxa, Karel 36, 92, 129 Bauer, Otto 95 Beck, Max Wladimir von 30 Bělehrádek, František 170 Beust, Friedrich Ferdinand von 26 Bismarck, Otto von 78, 120 Blodig, Karl 52 Bondy, Serafin 52 Bráf, Albín 99 Bráfová, Libuše 99 Brahms, Johannes 52 C Clary-Aldringen, Manfred von 29 Čelakovský, Jaromír 40, 78,79, 85, 91, 96, 117 Chlumecký, Johann 84 Choc, Václav 82 Cysarz, Herbert 176 Čipera, Josef 79 Čechak, Karl 129 Černý, Jan 54, 85 Černý, Tomáš 91 D Dreyfuss, Alfred 92 Drtina Prokop 78, 117 Dumreicher Armand 85 Dvořák Jan 170 E https://doi.org/10.1515/9783110723397-012

Eckel, Julius 53 Eckel, Karl 47, 53, 54 Engel, Emanuel 80 Ernst, Otto 176 F Fichte, Johann Gottlieb 13 Flum, Jan 107 Friedjung, Heinrich 86, 95 Frumar, Adolf 48, 54 Funke, Rudolf 170, 176 G Gebert, Anton 176 Gessner, August 176 Glöckel, Otto 95, 104 Goethe, Johann Wolfgang 120 Groß, Gustav 20, 54, 79, 83, 84, 105, 114, 119 Groß, Gustav Robert 83 Grössl, Wenzel 82 Günther, Karl 48, 52 H Habsburg, Josef II. 13 Habsburg, Maria Theresia 13 Hamerling, Robert 52 Hanich, Alwin 138 Hartl, Hans 173 Heilsberg, Josef Alfred 52, 84 Hellmann, Alois 52 Henlein, Konrad 176, 178 Herbst, Eduard 84 Herder, Johann Gottfried 13 Herold, Josef (Brüx/Most) 36, 80 Herold, Josef (Prag) 48, 79, 85, 99, 109 Heroldová, Otýlie 99 Hilsner, Leopold 91, 92 Hodina, Franz 176 Hoffer, Karl 84 Hohenwarth, Karl Siegmund von 26 Hrůzová, Anežka 91, 92 Hubka, Antonín 84, 127, 175 Husak, Johann 79

276  Namensregister

J Jahn, Jiljí Vratislav 79 Jahn, Friedrich Ludwig 16 Jesser, Franz 80 Jungmann, Josef 132 K Kafka, Antonín 156 Kalenda, Alois 49, 54 Kalina, Antonín 80 Kas, Václav 144 Kiesslich, Anton 36 Klofáč, Václav 82 Knirsch, Hans 80 Kořán, Josef 48, 49, 54, 85, 91 Komenský, Jan Ámos 132 Kopp, Josef 76, 83, 47 Korbel, František 61 Kordač, František 109, 110 Koudela, Josef 79 Král, Josef 48, 54, 90 Kraus, Alfred von 136 Kraus, Viktor von 48, 52, 53, 54, 76, 79, 86, 88 Kredba, Václav 48, 54, 90, 91 Krieg, Ludwig 165, 166 Krautschick, Raimund 152 Krofta, Josef 80 Kurz, Vilém 80 L Lang, Hynek 79 Laube, Heinrich 52 Lehár, Franz 46, 135 Lepař, Jan 90 Lipiner, Siegfried 95 Lodgmann von Auen, Rudolf 80, 122 Löw, Dominik 95 Lotz, Hans August 169 Lueger, Karl 36, 94, 95, 104 Lukavský, František 79 M Mahler, Gustav 95 Mach, Ernst 52 Masaryk, Tomáš 28, 82, 92, 172 Maresch, Rudolf 52, 53, 54, 58 Marx, Karl 103

Menger, Max 47, 52, 84 Městecký, Jan 48, 85 Metelka, Jindřich 79, 170 Michl, Viktor 80 Mitterer, Franz Xaver 47, 104 Müller, Emil 80 N Naegle, August 176 Nedvídek, Václav 48 Nowak, Gustav 79 O Oertl, Wilhelm 169 Ohrfandl, Karl Heinrich 106 P Pacher, Rafael 80, 122 Pochlatko, Karl 134, 141 Palacký, František 17, 83, 99 Panowsky, Karl 79 Peters, Gustav 122 Pergelt, Anton 70, 92, 93 Pernerstorfer, Engelbert 47, 48, 52, 53, 54, 76, 79, 86, 94, 95, 96, 104, 184 Podlipná, Anna 99 Podlipný, Jan 54, 81, 98, 99 Pohnert, Karl 79 Plenker, Theodor 52 Prade, Heinrich 80 Primavesi, Robert 79 Prokop, Josef 82 Promber, Adolf 79, 84 Prunar, Václav 80 Q Quetelet, Lambert Adolphe 98 R Rauchberg, Heinrich 128 Rechbauer, Karl 84 Reinöhl, Rainer 54 Renner, Karl 95, 96 Rieger, F.L. 27, 49, 54, 71, 78, 79, 83, 85, 90, 91, 94, 99, 100 Riegerová, Marie 99 Röhling, Karl 80 Rosegger, Peter 65

Namenregister

Roth, Hieronymus 79 Rudigier, Franz Josef 103 Ruß, Viktor 113 Říha, Anton 151 Říha, Josef 79 S Schiller, Friedrich 65, 120 Schindler, Robert 54 Schlosser, Alois 105 Schmeykal, Franz 84, 166 Schnell, Bedřich 60, 71 Schönerer, Georg von 55, 86, 87, 88, 94, 95, 114, 117 Schröer, Julius 47 Schücker, Zdenko 80 Schwarz, Viktor 52 Sedlák, Jan 80 Seliger, Josef 95, 97 Skrott, Josef 134 Sokol, Karel Stanislav 79 Sonnenberg, Karl 117, 134 Stadion, Franz Seraph von 33 Steinwender, Otto 47, 48, 52, 53, 54, 79, 86, 88, 89 Stočes, Josef 152 Spina, Franz 176 Spitaler, Rudolf 176 Stepan, Karl 114 Stürgkh, Karl 31, 38, 39, 81, 186 Steidl, Antonín 80 Stejskal, Rudolf 160, 165 Sturm, Eduard 40, 84 Šámal, Přemysl 98



277

Šamánek, Václav 80 Šubert, František Adolf 48 T Taaffe, Eduard von 27, 71, 85, 106 Taschek, Franz 80 Titta, Josef Wenzel 166 Thun-Hohenstein, Franz 55, 86, 87, 88, 94, 95, 114, 117 Thun-Hohenstein, Siegmund von 114 Turnovský, Josef L. 91 U Urban, Karl 79 V Vaněk, Václav 48 W Wagner, Oktavián 101 Walterskirchen, Robert 84 Weber, Wenzel 22 Weisenburg, Adolf 84 Weitlof, Moritz 52, 53, 69, 70, 79, 87, 105 Winter, Eduard 176 Wittmann, Robert 52 Wolf, Hugo 95 Wolffhardt, Eduard 53, 54 Z Zahrádka, Adolf 48 Zátka, August 99 Zátková, Jana 99 Ziegler, Martin 144 Ziegler, Therese 100 Zingerle, Ignaz 47 Zimmermann, Robert 47

Ortsregister A Adlerdörfel (Orličky) 166 Arnau (Hostinné) 158, 159 Aussig (Ústí nad Labem) 41, 56, 63, 177 Austerlitz (Slavkov u Brna) 88 Autschowa (Ohučov) 65, 150 B Benetzko (Benecko) 148, 252 Bergreichenstein (Kašperské Hory) 124 Bilin (Bílina) 126, 143, 151 Bischofteinitz (Horšův Týn, Horšovský Týn) 128 Bodenbach (Podmokly) 55, 63, 129, 139 Böhmisch Leipa (Česká Lípa) 174 Bohnau (Banín) 174 Bowitz (Babice u Netolic) 174 Braunbusch (Prapořiště) 117 Brünn (Brno) 19, 20, 43, 46, 49, 61, 63, 84, 114, 135 Bruch (Lom) 82, 154 Brüx (Most) 19, 36, 66, 79, 121, 127, 129, 141, 143, 151, 163, 166 C Chotieschau (Chotěšov) 37, 65, 174 D Deutschlandsberg 68 Dux (Duchcov) 35, 81, 82, 97, 126, 128, 133, 138, 154, 160, 165 E Eger (Cheb) 19, 84 F Freiwaldau (Frývadlov, Jeseník) 55 Friedenau (Frýdnava) 174 G Gablonz/Neiße (Jablonec nad Nisou) 63 Gastorf (Hošťka) 174 Gaya (Kyjov) 88 Gibacht (Pozorka) 141 Göding (Hodonín) 49

https://doi.org/10.1515/9783110723397-013

Graz (Štýrský Hradec) 52, 55, 76, 100, 105, 169 Großgallein (Velké Skaliny) 174, 256 H Haida (Bor, Nový Bor) 170 Harrachsdorf (Harrachov) 35, 148 Harrachsdorf-Neuwelt (Harrachov-Nový Svět) 65, 253 Hermannshütte (Heřmanova Huť) 15 Hermannstädtel (Heřmanův Městec) 88, 93 Hohenelbe (Vrchlabí) 104, 148 Hohenstadt (Zábřeh) 46, 49, 134, 135, 136 Hollschowitz (Holašovice) 174 Hostomitz (Hostomice) 154 I Iglau (Jihlava) 19 J Janegg (Jeníkov u Duchcova) 141 Jena 16 Jermer (Jaroměř) 55, 63 Jitschin (Jičín) 88 Julienhain (Hranice u Nových Hradů) 164, 165, 260 Jungbunzlau (Mladá Boleslav) 55, 63 K Kaplitz (Kaplice) 109, 164 Karlsbad (Karlovy Vary) 174 Karolinenthal (Karlín) 55, 63, 165 Karwin-York (Karviná-York) 174 Kauth (Kouty na Šumavě) 107 Kladrau (Kladruby u Stříbra) 144 Klostergrab (Hrob) 35, 254 Kolin (Kolín) 63 Kommern (Komořany) 47, 151, 153 Königliche Weinberge (Královské Vinohrady) 63, 99, 100, 148 Kondratsch (Kondrač) 37 Königinhof (Dvůr Králové) 63, 143 Königgrätz (Hradec Králové) 27, 63, 116 Kopist (Kopisty) 37, 154, 162, 163 Kottiken (Chotíkov) 167 Krczemusch (Křemýž) 45

280  Ortsregister

Krotiv (Krotějov) 124, 174 Krumau (Český Krumlov) 41, 114, 133, 143 Krumpach bei Hohenstadt (Krumpach u Zábřeha) 136 Kuchelbad (Chuchle) 75 Kundratitz (Kundratice) 116 Kummerpursch (Konobrže) 37, 163, Kuttenberg (Kutná Hora) 63, 79 Kutscherau (Kučerov) 174 Kwietenau (Květinov) 174 L Ladowitz (Ledvice) 154 Laun (Louny) 63, 160 Laibach (Ljubljana, Lublaň) 35 Leimgruben (Hlinoviště) 169 Leitmeritz (Litoměřice) 49, 81, 170 Leoben (Lubno) 76 Liquitz (Libkovice) 61 Lihn (Líně u Plzně) 141 Littau (Litovel) 63 Losau (Lažany) 128 M Maffersdorf (Vratislavice nad Nisou) 75 Maltheuern (Záluží) 163 Mährisch Aussee (Úsov) 49 Mährisch Ostrau (Moravská Ostrava) 49 Mährisch Trübau (Moravská Třebová) 96 Malesitz (Malesice) 163 Mantau (Mantov) 65 Manetin (Manětín) 134 Mariaschein (Bohosudov) 138, 140 Melnik (Mělník) 63 Metzling (Meclov) 174 Mies (Stříbro) 15, 111, 128, 178 Mistek (Místek) 49 Müglitz (Mohelnice) 68 N Neubidschow (Nový Bydžov) 88 Neu-Rohozna (Nová Rohozná) 109 Neumark (Všeruby) 163 Nieder-Bludowitz (Dolní Bludovice) 61, 174 O Obrnitz (Obrnice) 151 Olmütz (Olomouc) 17, 19, 49, 66, 79

Orlau (Orlová) 172 Orlovice (Orlowitz) 174 P Pardubitz (Pardubice) 63 Pilsen (Plzeň) 19, 34, 53, 55, 63, 79, 101, 162, 163, 164 Pisek (Písek) 99 Pisek, Piosek (Písek u Jablunkova) 175 Piwana (Pňovany) 15 Polna (Polná u Jihlavy) 88 Potfohre (Potvorov) 134 Prag (Praha) 98, 99, 101, 107, 115, 128, 145, 148, 151, 155, 156, 168, 169, 170, 175, 182 Prag-Bubentsch (Praha-Bubeneč) [eingemeindet nach Prag 1922] 107 Prag-Holleschowitz (Praha-Holešovice) [eingemeindet nach Prag 1884] 49 Prag-Lieben (Praha-Libeň) [eingemeindet nach Prag 1901] 49 Prag-Werschowitz (Praha-Vršovice) [eingemeindet nach Prag 1922] 49 Prag-Žižkow (Praha-Žižkov) [eingemeindet nach Prag 1922] 43, 132 Predlitz (Předlice) 141 Prerau (Přerov) 88 Prachatitz (Prachatice) 36, 96, 101, 132, 135, 145, 161, 165, 172, Prachatitz-St. Margaretenbad (PrachaticeLázně sv. Markéty) 161 Prasseditz (Prasetice, Prosetice) 97, 151 Proßnitz (Prostějov) 49, 63, Proveis (it. Proves) 47, 104 Pschiwosten (Přívozec u Blížejova) 14 R Raatsch (Radeč) 37, 158 Raudnitz (Roudnice nad Labem) 55 Rannay (Raná u Loun) 45, 137, 139, 140, 141 Raudnig (Roudníky) 36, 37 Reichenberg (Liberec) 27, 56, 63, 109, 169 Rokitnitz (Rokytnice v Orlických horách) 174 Röscha (Řeřichy) 148, 169 Rudolfstadt (Rudolfov u Českých Budějovic) 109, 141 Rudolfsthal (Rudolfov u Zábřeha) 134

Ortsregister 

S Saaz (Žatec) 56, 63 Schüttenhofen (Sušice) 7, 37, 68, 93, 110, 165 Schlan (Slaný) 63 Schönpriesen (Krásné Březno) 82 Schwaz (Světec) 149, 150 Seestadtl (Ervěnice) 7, 78, 117, 126, 127, 129, 139, 140, 142, 151, 155, 156, 158, 159, 160, 170, 186, 257 Sittna (Sytno) 15, 65 Sitzkreis (Čížkrajice) 37 Slabsch (Slavče) 37 Smichow (Smíchov) 22, 55, 63 Soborten (Sobědruhy) 174 Solislau (Sulislav) 15, 110, 111, 164 Starkenbach (Jilemnice) 116, 148 Stezer (Štěžery) 116 Staab (Stod) 128 Stich (Vstiš) 65 Stickau (Štikov) 148 Stritschitz (Strýčice) 174 T Tachau (Tachov) 174 Teplitz-Schönau (Teplice-Šanov) 19, 76, 115, 143, 170, 174 Tetschen (Děčín) 63 Thurmplandles (Věžovatá Pláně) 146 Trautenau (Trutnov) 19 Trebnitz (Třebenice) 20, 144, 145, 165, 166

281

Triebschitz (Třebušice) 151 Trnowan (Trnovany) 143 Troppau (Opava) 19, 49, 89 Tschausch (Souš) 67, 109, 151, 63 Tuschkau Stadt (Město Touškov) 163 U Unter-Themenau (Poštorná) 45 V Vrbnik 45 W Warnsdorf (Varnsdorf) 63 Weisskirchlitz (Novosedlice) 45, 151, 152 Wien (Vídeň) 2, 5, 6, 7, 15, 17, 20, 21, 34, 36, 39, 40, 41, 47, 48, 49, 50, 52, 53, 56, 57, 58, 60, 61, 62, 63, 64, 66, 70, 77, 78, 84, 87, 88, 104, 105, 106, 107, 111, 121, 128, 131, 156, 159, 169, 182, 184 Wiener Neustadt (Vídeňské Nové Město) 53 Wischau (Vyškov) 49 Wranowa (Vranov u Stříbra) 15 Wrbitz (Vrbice u Stříbra) 15 Z Znaim (Znojmo) 19, 49 Zuckmantl (Cukmantl) 174 Zwittau (Svitavy) 176 Zwodau (Zvodava, Svatava) 39, 151, 152 Zwug (Zbůch) 128, 141