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German Pages 288 [289] Year 2014
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 303 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Paulina Ptak
Der Europäische Vollstreckungstitel und das rechtliche Gehör des Schuldners Eine Analyse der EuVTVO anhand der deutschen und polnischen Anpassungsvorschriften
Mohr Siebeck
Paulina Ptak, geboren 1982, Studium der Rechtswissenschaften in Krakau; Promotion in Heidelberg; 2010–2013 Juristin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
e-ISBN PDF 978-3-16-153056-2 ISBN 978-3-16-153022-7 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Meinen Eltern, meiner Schwester und meinem Bruder
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist während meiner Zeit als Doktorandin am Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg entstanden. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Thomas Pfeiffer, danke ich herzlich für die Anregung zu diesem Thema sowie für seine Förderung vielfältiger Art, die mir die Fertigstellung meiner Doktorarbeit ermöglicht hat. Herrn Prof. Dr. Burkhard Hess gilt mein Dank für die Verfassung des Zweitgutachtens. Die Promotion erfolgte im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs „Systemtransformation und Wirtschaftsintegration im zusammenwachsenden Europa“ der Universitäten Heidelberg, Mainz und Krakau. Ich bedanke mich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die mich durch ein Promotionsstipendium gefördert hat. Danken möchte ich vor allem Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christian-Peter Müller-Graff als Sprecher des Graduiertenkollegs sowie den Kollegleitern. Der Graduiertenakademie der Universität Heidelberg danke ich für das Abschlussstipendium, das eine wichtige Unterstützung in der letzten Phase meiner Promotion war. Zu Dank verpflichtet bin ich des Weiteren Herrn Prof. Dr. Karol Weitz aus Warschau für anregende Diskussionen, seine Hinweise und Anmerkungen zu den polnischen Anpassungsvorschriften zur Europäischen Vollstreckungstitelverordnung sowie der Rechtsanwendung in Polen. Dem Mohr Siebeck Verlag und den Herausgebern danke ich vielmals für die Aufnahme in die Schriftenreihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“. Besonders herzlicher Dank gebührt meinen Eltern sowie meinen Geschwistern Agata und Michał, denen ich diese Arbeit widme. Ihre uneingeschränkte persönliche Unterstützung hat die Anfertigung der vorliegenden Arbeit erst ermöglicht. Mein größter Dank gilt jedoch meinem Verlobten, Nils Wiese. Ohne seine stets liebevolle Unterstützung, sein Verständnis und seine Geduld hätte die vorliegende Arbeit in dieser Form nicht entstehen können. München, im Dezember 2013
Paulina Ptak
Inhaltsübersicht Vorwort ................................................................................................. VII Inhaltsverzeichnis ................................................................................... XI Abkürzungsverzeichnis .......................................................................... XX
Kapitel 1: Grundlagen ......................................................................... 1 A. Einführung .......................................................................................... 1 B. Die EuVTVO und ihre Bedeutung für das Gemeinschaftsanerkennungsrecht ....................................................... 7 C. Anwendungsbereich der EuVTVO und erfasste Titel ......................... 19 D. Das Recht auf rechtliches Gehör im Anerkennungs- und Vollstreckungsrecht in der EU .......................................................... 36 E. Zwischenergebnis zu Kapitel 1............................................................ 54
Kapitel 2: Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren .............................................. 57 A. Funktionen und Rechtsnatur des Bestätigungsverfahrens .................. 57 B. Der Verlauf des Bestätigungsverfahrens ........................................... 57 C. Das Bestätigungsverfahren nach der EuVTVO in Deutschland und in Polen ............................................................................................ 60 D. Andere Arten der Bestätigung nach der EuVTVO .............................. 65 E. Voraussetzungen für die Bestätigung ................................................ 66 F. Zwischenergebnis zu Kapitel 2 ........................................................ 179
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Inhaltsübersicht
Kapitel 3: Die Rechtsbehelfe des Schuldners gegen den EuVT und die Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Verfahrenseinleitung ......................................... 185 A. Die Bedeutung der Rechtsbehelfe zur Korrektur einer Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Verfahrenseinleitung im Hinblick auf den Schuldnerschutz.................................................................. 185 B. Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung als EuVT ............................... 187 C. Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der EuVTVO ......................................................................................... 194 D. Zwischenergebnis zu Kapitel 3 ........................................................ 208
Kapitel 4: Die unzureichende Gewährleistung des Rechts des Vollstreckungsschuldners auf rechtliches Gehör in den Regelungen der EuVTVO: Kritische Würdigung .................................................... 210 A. Die unzureichende Gewährleistung des Rechts des Vollstreckungsschuldners auf rechtliches Gehör in der EuVTVO .... 210 B. Die Nichterfüllung der Garantien der EMRK in der EuVTVO ......... 217 C. Die Standards des Grundrechtschutzes in der EuVTVO und das Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten ............................................. 222 D. Rechtsmechanismen des Gemeinschaftsrechts bei Verletzung des Gemeinschaftsrechts auf rechtliches Gehör..................................... 228 E. Lösungsvorschläge de lege ferenda ................................................. 230 F. Gesamtergebnis .............................................................................. 237
Literaturverzeichnis .............................................................................. 243 Sachregister .......................................................................................... 263
Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................. VII Inhaltsübersicht ....................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis .......................................................................... XX
Kapitel 1: Grundlagen ......................................................................... 1 A. Einführung .......................................................................................... 1 I. II. III. IV.
Fragestellung und Problemaufriss ....................................................... 1 Relevanz der Untersuchung ................................................................ 4 Grenzen der Untersuchung .................................................................. 6 Gang der Untersuchung ...................................................................... 7
B. Die EuVTVO und ihre Bedeutung für das Gemeinschaftsanerkennungsrecht ....................................................... 7 I.
Ursprung des Europäischen Vollstreckungstitels ................................. 7 1. Geschichtliche Entwicklung des europäischen Anerkennungsrechts (Systemwechsel) ............................................ 7 a) Vom EuGVÜ zum Europäischen Vollstreckungstitel.................. 7 b) Kennzeichen des Systemwechsels in der EuVTVO .................... 9 2. Entstehung der EuVTVO .............................................................. 11 a) Politischer Hintergrund ............................................................ 11 b) Kompetenzgrundlage ............................................................... 12 c) Rechtsetzungsverfahren ........................................................... 12 III. Der Zweck der Einführung des Europäischen Vollstreckungstitels .... 13 IV. Methoden der Auslegung der EuVTVO ............................................ 17 V. Anpassung des deutschen und des polnischen Rechts an die Regelungen der EuVTVO ................................................................. 19 C. Anwendungsbereich der EuVTVO und erfasste Titel ......................... 19 I.
Sachlicher Anwendungsbereich ........................................................ 19
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Inhaltsverzeichnis
II. Erfasste Titel .................................................................................... 20 1. Unbestrittene Forderungen nach der EuVTVO.............................. 21 2. Unbestrittene Forderungen nach deutschem und polnischem Recht ............................................................................................ 22 a) Anerkennung durch den Schuldner (Art. 3 Abs. 1 lit. a EuVTVO) .................................................. 22 b) Passiv unbestrittene Forderungen (Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO) .................................................. 25 aa) Die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO im deutschen Recht ................................................................. 26 bb) Die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO im polnischen Recht ................................................................ 28 c) Nicht mehr bestrittene Forderungen (Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO) .................................................. 30 d) Öffentliche Urkunden (Art. 3 Abs. 1 lit. d EuVTVO) ............... 33 e) Entscheidungen nach Anfechtung (Art. 3 Abs. 2 EuVTVO) ..... 34 III. Räumlicher Anwendungsbereich der EuVTVO ................................. 35 IV. Zeitlicher Anwendungsbereich der EuVTVO .................................... 35 D. Das Recht auf rechtliches Gehör im Anerkennungs- und Vollstreckungsrecht in der EU .......................................................... 36 I. Rechtliches Gehör – allgemeine Bedeutung und Funktion ................. 36 II. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör im Unionsrecht ...................... 37 1. Grundlagen im Primärrecht (Art. 6 EUV) ..................................... 37 2. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union.................... 38 3. Rechtserkenntnisquellen für das Unionsrecht ................................ 39 a) Art. 6 Abs. 1 EMRK ................................................................ 39 b) Rechtliches Gehör im Recht der Mitgliedstaaten am Beispiel Deutschlands und Polens .......................................................... 42 aa) Überblick ........................................................................... 42 bb) Der Inhalt des Rechts auf rechtliches Gehör und seine Garantien im deutschen Recht ............................................ 43 cc) Das Recht auf rechtliches Gehör und seine Garantien im polnischen Recht ................................................................ 45 3. Das rechtliche Gehör in der Rechtsprechung des EuGH ................ 47 4. Grundrechtsbeschränkung im Unionsrecht .................................... 48 IV. Die rechtlichen Mechanismen zur Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör im Anerkennungsrecht .......................................... 49 1. Die Rechtsprechung des EuGH ..................................................... 49 2. Die Anforderungen der EMRK an die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs im Anerkennungsrecht: Die EMRK als ungeschriebenes Anerkennungsverbot? ........................................ 50
Inhaltsverzeichnis
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3. Die Prüfung des rechtlichen Gehörs bei der Vollstreckbarerklärung ................................................................. 52 E. Zwischenergebnis zu Kapitel 1............................................................ 54
Kapitel 2: Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren .............................................. 57 A. Funktionen und Rechtsnatur des Bestätigungsverfahrens .................. 57 B. Der Verlauf des Bestätigungsverfahrens ........................................... 57 I. Überblick .......................................................................................... 57 II. Das für die Bestätigung zuständige Organ – Vorgaben der EuVTVO .......................................................................................... 58 C. Das Bestätigungsverfahren nach der EuVTVO in Deutschland und in Polen ................................................................................................ 60 I. Die Bestätigung deutscher Titel als EuVT ......................................... 60 II. Die Bestätigung polnischer Titel als EuVT ....................................... 62 D. Andere Arten der Bestätigung nach der EuVTVO .............................. 65 I.
Die Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit (Art. 6 Abs. 2 EuVTVO) ................................................................... 65 II. Die Ersatzbestätigung (Art. 6 Abs. 3 EuVTVO) ................................ 65 E. Voraussetzungen für die Bestätigung ................................................ 66 I.
Überblick .......................................................................................... 66 1. Vollstreckbarkeit .......................................................................... 66 2. Zuständigkeitsvoraussetzungen .................................................... 67 3. Mindeststandards .......................................................................... 68 II. Vorschriften über Mindeststandards .................................................. 68 1. Mindeststandards für die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ................................................................................. 70 a) Regelungen über die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Ausgangsverfahren (Zustellungsrecht) ........... 70 aa) Bedeutung der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks für die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs in der Verfahrenseinleitung .................................... 70 bb) Das verfahrenseinleitende Schriftstück............................... 72
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Inhaltsverzeichnis
cc) Internationale Zustellung im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten .................................................................. 77 (1) Überblick ...................................................................... 77 (2) Die EuZVO: Bedeutung für den EuVT ......................... 78 (3) Die einzelnen Zustellungsmethoden nach der EuZVO .. 80 (a) Behördliche Zustellung (Art. 12 f. EuZVO) ............. 82 (b) Zustellung durch Postdienste (Art. 14 EuZVO) ....... 83 (c) Die unmittelbare Zustellung (Art. 15 EuZVO) ......... 84 (d) Der Rechtsschutz im Falle der Säumnis nach der EuZVO .................................................................... 85 (aa) Die Aussetzung des Verfahrens (Art. 19 Abs. 1 EuZVO) ................................... 85 (bb) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Art. 19 Abs. 4 EuZVO) ................................... 87 dd) Die Vorschriften des Zustellungsrechts in Deutschland und Polen ........................................................................... 89 (1) Die Zustellung nach deutschem Recht .......................... 89 (a) Die Anwendung der EuZVO in Deutschland ........... 89 (b) Die Inlandszustellung .............................................. 90 (c) Die Auslandszustellung ........................................... 93 (2) Die Zustellung nach polnischem Recht ......................... 94 (a) Die Inlandszustellung .............................................. 94 (b) Die Auslandszustellung in Polen und die Anwendung der EuZVO ......................................... 99 b) Die Kontrolle der ordnungsgemäßen Zustellung vor Verleihung der Vollstreckbarkeit ........................................... 101 aa) Die Überprüfung der Zustellung bei der Vollstreckbarerklärung: Konzept und Bedeutung ............. 101 (1) Versagungsgründe im autonomen Vollstreckbarerklärungsverfahren nach deutschem und polnischem Recht ................................................. 102 (a) Deutsches Recht (§§ 723 Abs. 2, 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) ........................................... 103 (b) Polnisches Recht (Art. 1150 poln. ZVGB i.V.m. Art. 1146 § 1 Pkt. 3 poln. ZVGB) .......................... 105 (2) Das Vollstreckbarerklärungsverfahren im Unionsrecht ................................................................ 107 (a) Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/Art. 27 Nr. 2 LugÜ .............. 107 (b) Art. 34 Nr. 2 EuGVVO ......................................... 109 bb) Überprüfung des Zustellungsablaufs nach den Mindeststandards der EuVTVO ....................................... 111 (1) Überblick .................................................................... 111
Inhaltsverzeichnis
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(2) Zustellung mit Nachweis des Empfangs (Art. 13 Abs. 1 EuVTVO) ........................................... 112 (a) Überblick .............................................................. 112 (b) Art. 13 Abs. 1 lit. a EuVTVO ................................ 113 (c) Art. 13 Abs. 1 lit. b EuVTVO ................................ 114 (d) Art. 13 Abs. 1 lit. c EuVTVO ................................ 115 (e) Art. 13 Abs. 1 lit. d EuVTVO ................................ 116 (3) Zustellung ohne Nachweis des Empfangs durch den Schuldner (Art. 14 EuVTVO) ..................................... 117 (a) Überblick .............................................................. 117 (b) Art. 14 Abs. 1 lit. a EuVTVO ................................ 118 (c) Art. 14 Abs. 1 lit. b EuVTVO ................................ 120 (d) Art. 14 Abs. 1 lit. c EuVTVO ................................ 122 (e) Art. 14 Abs. 1 lit. d EuVTVO ................................ 124 (f) Art. 14 Abs. 1 lit. e EuVTVO ................................ 126 (g) Art. 14 Abs. 1 lit. f EuVTVO ................................ 127 (h) Art. 14 Abs. 3 EuVTVO ........................................ 129 (i) Art. 14 Abs. 2 EuVTVO ........................................ 130 (4) Zustellung an einen Vertreter des Schuldners (Art. 15 EuVTVO) ...................................................... 131 (5) Die fiktive Zustellung und der EuVT .......................... 132 (6) Die Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ........................... 133 (7) Die Ladung zum Gerichtstermin ................................. 135 2. Die Belehrung des Beklagten ...................................................... 136 a) Überblick ............................................................................... 136 b) Die Überprüfungsmaßstäbe im Anerkennungsrecht (Gründe zur Versagung der Vollstreckbarerklärung) ............................ 137 aa) Das autonome Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsrecht Deutschlands und Polens .... 137 (1) Deutsches Recht ......................................................... 137 (2) Polnisches Recht ......................................................... 137 bb) Das Gemeinschaftsanerkennungsrecht: EuGVÜ/LugÜ und EuGVVO ........................................... 137 c) Die Mindeststandards der EuVTVO ....................................... 138 aa) Die Belehrung des Beklagten über die Forderung (Art. 16 EuVTVO) ........................................................... 138 bb) Die Belehrung des Beklagten über die Verfahrensschritte zum Bestreiten der Forderung (Art. 17 EuVTVO) ............ 139 d) Anpassungsvorschriften in Deutschland und Polen ................. 141 aa) Deutsches Recht............................................................... 141 bb) Polnisches Recht .............................................................. 142
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Inhaltsverzeichnis
3. Das Verständnis der Sprache des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ............................................................................... 146 a) Überblick ............................................................................... 146 b) Die Bedeutung der sprachlichen Fassung der Klageschrift für die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beklagten ..... 147 c) Gewährleistungen in der EuVTVO ......................................... 149 d) Die Überprüfung der sprachlichen Verständlichkeit der Klageschrift in den Vorschriften des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsrechts ................................................ 150 aa) Das nationale Vollstreckbarerklärungsrecht ..................... 150 (1) Das deutsche Recht ..................................................... 150 (2) Das polnische Recht ................................................... 150 bb) Das EuGVÜ und die EuGVVO ........................................ 150 e) Die Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit der Klageschrift in den Vorschriften des Zustellungsrechts .......... 152 aa) Die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR ............... 152 bb) Gewährleistungen der EuZVO: Das Annahmeverweigerungsrecht des Adressaten nach der EuZVO............ 153 (1) Grundkonzept ............................................................. 153 (2) Die fehlende Übersetzung und die Heilung von Zustellungsfehlern ...................................................... 157 (3) Die Sprache des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ............................................................... 158 (a) Zustellung an natürliche Personen ......................... 159 (b) Zustellung an Unternehmen................................... 160 (aa) Anwendbarkeit ............................................... 160 (bb) Objektive Kriterien ......................................... 161 (cc) Subjektive Kriterien: individuelle Sprachkenntnisse ............................................ 161 (dd) Die durch Parteivereinbarung festgelegte Sprache und das Annahmeverweigerungsrecht – die Sprachvereinbarungen ............................ 162 (4) Nachweis .................................................................... 164 (5) Das Niveau der Sprachkenntnisse des Empfängers ..... 165 (6) Qualität und Umfang der Übersetzung ........................ 165 (7) Die Annahmeverweigerung und das Datum der Zustellung (Art. 9 EuZVO) ......................................... 168 cc) Das Sprachproblem in den Vorschriften des deutschen und polnischen Rechts ..................................................... 169 (1) Deutsches Recht ......................................................... 169 (2) Polnisches Recht ......................................................... 170 dd) Zusammenfassung............................................................ 170
Inhaltsverzeichnis
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4. Überprüfung in Ausnahmefällen ................................................. 171 a) Die Vorgaben der EuVTVO (Art. 19 EuVTVO) ..................... 171 b) Deutsches Recht ..................................................................... 173 c) Polnisches Recht .................................................................... 174 5. Die Heilung von Verletzungen der Mindestvorschriften ............. 175 a) Voraussetzungen der Heilung (Art. 18 EuVTVO) .................. 175 b) Deutsches Recht ..................................................................... 177 c) Polnisches Recht .................................................................... 178 F. Zwischenergebnis zu Kapitel 2 ........................................................ 179
Kapitel 3: Die Rechtsbehelfe des Schuldners gegen den EuVT und die Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Verfahrenseinleitung ......................................... 185 A. Die Bedeutung der Rechtsbehelfe zur Korrektur einer Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Verfahrenseinleitung im Hinblick auf den Schuldnerschutz.................................................................. 185 B. Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung als EuVT ............................... 187 I. Überblick ........................................................................................ 187 II. Berichtigung ................................................................................... 188 1. Berichtigung in Deutschland....................................................... 189 2. Berichtigung in Polen ................................................................. 189 III. Widerruf ......................................................................................... 189 1. Widerruf in Deutschland............................................................. 191 2. Widerruf in Polen ....................................................................... 192 IV. Fazit ............................................................................................... 193 C. Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der EuVTVO ......................................................................................... 194 I.
Das Vollstreckungsverfahren aus einem EuVT gemäß der EuVTVO ........................................................................................ 194 II. Rechtschutz nach der EuVTVO ...................................................... 195 1. Überblick ................................................................................... 195 2. Die Verweigerung der Vollstreckung (Art. 21 EuVTVO) ........... 196 3. Vereinbarung mit Drittländern (Art. 22 EuVTVO) ..................... 197 4. Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung (Art. 23 EuVTVO) ..................................................................... 197
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Inhaltsverzeichnis
III. Rechtsschutz im Zwangsvollstreckungsverfahren nach deutschem und polnischem Recht ..................................................................... 199 1. Deutsches Recht ......................................................................... 199 a) Zwangsvollstreckung aus einem EuVT nach deutschem Recht ..................................................................................... 199 b) Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren aus dem EuVT nach deutschem Recht.................................................. 200 2. Polnisches Recht ........................................................................ 202 a) Zwangsvollstreckungsverfahren aus einem EuVT nach polnischem Recht ................................................................... 202 b) Die polnische Vollstreckungsklausel für ausländische EuVT ..................................................................................... 202 c) Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren aus einem EuVT nach polnischem Recht ................................................ 206 D. Zwischenergebnis zu Kapitel 3 ........................................................ 208
Kapitel 4: Die unzureichende Gewährleistung des Rechts des Vollstreckungsschuldners auf rechtliches Gehör in den Regelungen der EuVTVO: Kritische Würdigung .................................................... 210 A. Die unzureichende Gewährleistung des Rechts des Vollstreckungsschuldners auf rechtliches Gehör in der EuVTVO .... 210 I.
Begründung im Zusammenhang mit der Struktur des Bestätigungsverfahrens ................................................................... 210 II. Die Gleichwertigkeit der Rechtsschutzstandards in den Mitgliedstaaten – das Vertrauensprinzip ......................................... 211 1. Das Grundkonzept ...................................................................... 211 2. Kritik der Lehre .......................................................................... 212 3. Stellungnahme ............................................................................ 214 III. Mängel der Mindeststandards in der EuVTVO ................................ 216 IV. Fazit ............................................................................................... 216 B. Die Nichterfüllung der Garantien der EMRK in der EuVTVO ......... 217 I. Die Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK ........................................ 217 II. Die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für konventionswidrige Vollzugsrechtsakte des Unionsrechts .............................................. 218 III. Die Rechtsmittel des Einzelnen bei einer Verletzung der EMRK .... 221
Inhaltsverzeichnis
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C. Die Standards des Grundrechtschutzes in der EuVTVO und das Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten ............................................. 222 I. Überblick ........................................................................................ 222 II. Deutsches Recht und die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung: Voraussetzung der Rechtsstaatlichkeit ................. 222 III. Solange-Rechtsprechung ................................................................. 224 1. Überblick ................................................................................... 224 2. Die Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG zur Frage der Zulässigkeit nationaler Rechtsmittel gegen das Gemeinschaftsrecht .................................................................... 224 3. Die Anwendbarkeit auf den EuVT .............................................. 225 D. Rechtsmechanismen des Gemeinschaftsrechts bei Verletzung des Gemeinschaftsrechts auf rechtliches Gehör..................................... 228 I. Das Vorabentscheidungsverfahren .................................................. 228 II. Nichtigkeitsklage ............................................................................ 229 E. Lösungsvorschläge de lege ferenda ................................................. 230 I.
Änderungsvorschläge zur EuVTVO ................................................ 230 1. Überblick ................................................................................... 230 2. Die Regelung der Zuständigkeit des bestätigenden Organs in der EuVTVO .............................................................................. 230 3. Mindeststandards für die Rechtzeitigkeit der Zustellung und die Belehrung ............................................................................. 230 4. Mindeststandards für die sprachliche Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks........................................... 231 5. Änderung der Vorschriften über die Zustellung .......................... 231 6. Zuständigkeit für den Widerruf der Bestätigung ......................... 232 II. Ein einheitliches Zustellungsrecht ................................................... 232 III. Zusätzliche Kontrollmechanismen .................................................. 233 1. Die Kontrolle des rechtlichen Gehörs vor der Durchführung der Zwangsvollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat........... 233 2. Zusätzliche Kontrollmechanismen auf internationaler Ebene ...... 235 IV. Der Passeport Judiciaire Européen................................................. 236 F. Gesamtergebnis .............................................................................. 237
Literaturverzeichnis .............................................................................. 243 Sachregister .......................................................................................... 263
Abkürzungsverzeichnis ABl. AcP AG Appl. AEUV BauR BC BGB BGBl. BGHZ BRAK-Mitt. BT-Drucks. BVerfGE Clunet CML Rev. D. DNotZ DRiZ DVBl. Dz. U. ebd. EGMR EGV ELR EMRK EP EPS ERPL EuGHE EuGRZ EuLF EuR EuBagatellVO
EuGVÜ EuGVVO
Amtsblatt Archiv für die civilistische Praxis Amtsgericht Application Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Baurecht Bilanzbuchhalter und Controller Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Bundestags-Drucksache Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Journal de droit international (Clunet) Common Market Law Rewiev Recueil Dalloz Deutsche Notarzeitung Deutsche Richterzeitung Deutsches Verwaltungsblatt Dziennik Ustaw ebenda Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Law Review Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Edukacja Prawnicza Europejski Przegląd Sądowy European Review of Private Law EuGH-Entscheidung Europäische Grundrechte-Zeitschrift The European Legal Forum Europarecht Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
Abkürzungsverzeichnis EuMahnVO
EUV EuVT EuVTVO
EuZVO
EuZW EWiR EWS FamRZ FoVo FS FuR GP GG GPR InVO IPRax JbJZRWiss JBl. JR Jura JurBüro JuS JZ Kap. KOM KPP LG MittBayNot MMR MoP m. sp. Änd. m. w. N. NJ NJW NJW-RR NotBZ NStZ NVwZ ÖJZ OG OGH OLG OTK
XXI
Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens Vertrag zur Gründung der Europäischen Union Europäischer Vollstreckungstitel Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Forderung und Vollstreckung Festschrift Familie und Recht Gazeta Prawna Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Insolvenz und Vollstreckung Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrecht Jahrbuch der Gesellschaft Junger Zivilrechtswissenschaftler Juristische Blätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Büro Juristische Schulung Juristen-Zeitung Kapitel Dokument der Europäischen Kommission Kwartalnik Prawa Prywatnego Landgericht Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Multimedia und Recht Monitor Prawniczy mit späteren Änderungen mit weiteren Nachweisen Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Österreichische Juristenzeitung Oberster Gerichtshof Polens Oberster Gerichtshof für Osterreich Oberlandesgericht Orzecznictwo Trybunału Konstytucyjnego
XXII OSA OSNC OSNCP OSPiKA poln. ZVGB Pos. PPH Pr. i P. UE ProzRB PS RabelsZ Rev.crit.DIP Riv.Dir.Int. RIW Rpfleger RPflG VerwArch Vol. WiRO WM ZAP ZaöRV ZEuP ZGS ZIP ZPO ZZP ZZP Int.
Abkürzungsverzeichnis Orzecznictwo Sądów Apelacyjnych Orzecznictwo Izby Cywilnej Sądu Najwyższego Orzecznictwo Sądu Najwyższego Izby Cywilnej, Pracy i Ubezpieczeń Społecznych Orzecznictwo Sądów Polskich i Komisji Arbitrażowych polnisches Zivilverfahrensgesetzbuch Pozycja Przegląd Prawa Handlowego Prawo i Podatki Unii Europejskiej Prozessrechtsberater Przegląd Sądowy Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revue critique de droit international privé Rivista di Diritto Internazionale Recht der Internationalen Wirtschaft Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Das Verwaltungsarchiv Volume Wirtschaft und Recht in Osteuropa Wertpapiermitteilungen Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für gesamte Schuldrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Zivilprozessrecht Zeitschrift für Zivilprozessrecht International
Kapitel 1
Grundlagen A. Einführung A. Einführung
I. Fragestellung und Problemaufriss Die zügige Durchsetzung zivilrechtlicher Forderungen im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr innerhalb der Europäischen Union ist für einen funktionierenden Binnenmarkt unabdingbar. Um sie zu gewährleisten, ist eine binnenmarktweite Verkehrsfähigkeit mitgliedstaatlicher Gerichtsentscheidungen notwendig. Als Meilenstein auf dem Weg zur EU-weiten Urteilsfreizügigkeit erweist sich die EuVTVO.1 Die Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Vollstreckungstitel innerhalb der Europäischen Union dienen der Idee der Schaffung von Urteilsfreizügigkeit und damit letztlich auch der Binnenmarktentwicklung.2 Auch die EuVTVO hat das Ziel, den grenzüberschreitenden Forderungseinzug zu beschleunigen und zu vereinfachen. Sie führt in das bisherige System des europäischen Anerkennungs- und Vollstreckungsrechts tiefgreifende Änderungen ein,3 indem sie bei der grenzüberschreitenden Vollstreckung unbestrittener Geldforderungen nicht mehr die Durchführung des besonderen Exequaturverfahrens im Vollstreckungsstaat verlangt. Das in der Verordnung vorgesehene Bestätigungsverfahren, in welchem ein Titel die Vollstreckbarkeit für das ganze europäische Ausland erlangt, findet nun im 1 Verordnung (EG) Nr. 805/2004 vom 21. April 2004, ABl. Nr. L 143 vom 30.4.2004, S. 15, ber. ABl. L 050 vom 23.2.08 S. 71. In der vorliegenden Arbeit als EuVTVO bezeichnet. 2 EuGH, Urteil v. 16.2.2006, Rs. C-3/05, Verdoliva ./. Van der Hoeven BV, Slg. 2006, I-1579, Rn. 27; EuGH, Urteil v. 17.6.1999, Rs. C-260/97, Unibank ./. Christensen, Slg. 1999, I-3715, Rn. 14. Siehe auch Leible, in: Müller-Graff (Hrsg.), Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, 55, 64; Hess, JZ 1998, 1021 ff.; ders., IPRax 2006, 348, 359. 3 Mit dem Inkrafttreten der EuVTVO hat „eine neue Ära in Europa begonnen.“ So Mankowski, FS Kropholler, 2008, 829, 829. Als einen revolutionären Schritt sehen die EuVTVO u. a. auch Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 13; Kohler, in: Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 153; Stadler, IPRax 2004, 2, 5; als „Auftakt zu einer kopernikanischen Wende“ Staffenreuther/Kruis, FAZ vom 4. August 2004, S. 19 sowie Kaczmarek, EP 2006, Nr. 11 (83), S. 3 (poln.: „przewrót kopernikański w procesie cywilnym”).
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1. Kapitel: Grundlagen
Ursprungsmitgliedstaat statt. Die bisher vorhandene Überprüfungskompetenz im Rahmen des Exequaturverfahrens wurde vollständig in den Ursprungsmitgliedstaat verlagert. Die Rechtsbehelfe, die dem Schutz des Schuldners dienen, sind prinzipiell lediglich im Ursprungsmitgliedstaat statthaft. Die in der EuVTVO vorgesehenen Neuheiten münden in eine Verkürzung des Schuldnerschutzes. Gleichzeitig wurde der Justizgewährungsanspruch des Gläubigers, der über den Titel verfügt, erheblich gestärkt. Die Einführung des Europäischen Vollstreckungstitels (EuVT)4 dient der Stärkung seiner Rechtsposition.5 Die vorliegende Arbeit zielt auf die Beantwortung der Frage, ob die Regelungen der EuVTVO das Prozessgrundrecht des Schuldners auf rechtliches Gehör bei der Verfahrenseinleitung gewährleisten. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt darauf, die Wirksamkeit der Kontrolle des rechtlichen Gehörs im Bestätigungsverfahren zu bewerten, welches dann stattfindet, wenn der Vollstreckungsschuldner die Forderung im Ursprungsmitgliedstaat passiv nicht bestritten hat.6 In den Anwendungsbereich der EuVTVO fallen auch in den Mitgliedstaaten erlassene Versäumnisurteile, die ohne Beteiligung des beklagten Schuldners am Verfahren erlassen werden. Die Vollstreckung aus derartigen Urteilen erscheint nur dann unbedenklich, wenn sichergestellt ist, dass seine Nichteinlassung auf das Verfahren nicht daraus folgt, dass er von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren nicht benachrichtigt wurde und dadurch seine Verteidigungsrechte vor Gericht nicht ausüben konnte. Andernfalls kann es zur Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör kommen. Das Recht auf rechtliches Gehör ist in der EMRK verankert (Art. 6 Abs. 1 EMRK).7 Es gehört zudem zu den Grundrechten in der Europäischen Union, die in der Charta der Grundrechte geregelt werden. Dadurch wird das Recht auf rechtliches Gehör im Unionsrecht primärrechtlich festgeschrieben und entsprechend geschützt. Auch in den meisten Mitgliedstaaten wird das Recht auf rechtliches Gehör als Justizgrundrecht in der jeweiligen Verfassung garantiert. In den Regelwerken, die die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen betreffen, ist die Sicherung des rechtlichen Gehörs ebenfalls unabdingbar. Traditionell setzt die Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör – insbesondere in vielen nationalen Rechtsordnungen – voraus, dass überprüft wird, ob der Vollstreckungsschuldner, der sich im Ursprungsmitgliedstaat auf das Ausgangsverfahren nicht eingelassen hat, die Möglichkeit der Verteidigung vor Gericht hatte. Vor allem wird über4
Poln.: europejski tytuł egzekucyjny. Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1541. 6 Unter den Begriff der „passiv unbestrittenen Forderungen“ fallen Forderungen nach Art. 3 Abs. 1 lit. b und c EuVTVO. Vgl. hierzu im Einzelnen Kapitel 1. C. II. 7 Siehe Kapitel 1. D. 3. a). 5
A. Einführung
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prüft, ob der Schuldner über das gegen ihn eingeleitete Verfahren wirksam informiert wurde. Diese Überprüfung findet im Rahmen der Zulassung zur Auslandsvollstreckung statt. Auf dem gleichen Konzept beruhen die Regelungen des internationalen Rechts und des Unionsrechts über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Vollstreckungstitel. Die EuVTVO verzichtet völlig auf eine Überprüfung im Vollstreckungsstaat. Ergeht in einem Verfahren eine gerichtliche Entscheidung ohne die Beteiligung des Schuldners und soll diese in einem anderen Staat vollstreckt werden, so kann auf eine Überprüfung des Verfahrens nur dann verzichtet werden, wenn hinreichende Gewähr dafür besteht, dass die Verteidigungsrechte des Schuldners im Ursprungsstaat beachtet wurden.8 Die Prämisse der Wahrung des rechtlichen Gehörs des Vollstreckungsschuldners, der sich im Ursprungsmitgliedstaat auf das Verfahren nicht eingelassen hat, ist als Grundlage der Regelungen der EuVTVO anzusehen.9 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist der Frage nachzugehen, ob diese Regelungen die Erfüllung dieser Prämisse in der rechtlichen Praxis tatsächlich ermöglichen. Für die kritische Auseinandersetzung mit den Regelungen der EuVTVO ist der Rückgriff auf die Verordnungsvorschriften und Beispiele aus der Rechtspraxis der Mitgliedstaaten notwendig. Exemplarisch sollen für die Untersuchung die Vorschriften des deutschen und des polnischen Rechts sowie Fälle aus der zivilrechtlichen Praxis beider Mitgliedstaaten dargestellt werden. Die Vorschriften des deutschen und des polnischen Rechts werden in dieser Arbeit herangezogen, da sowohl Deutschland als auch Polen zu der kleinen Gruppe von Mitgliedstaaten gehören, die eigene Durchführungsvorschriften zur EuVTVO erlassen haben.10 Die Zusammenstellung der Vorschriften beider Staaten ermöglicht außerdem eine Bewertung der These, dass die Zivilrechtspflege in allen Mitgliedstaaten der EU gleichwertig ist. Der Vergleich von deutschem und polnischem Recht ist eine Herausforderung: Beide Rechtsordnungen weisen zahlreiche strukturelle und konzeptionelle Unterschiede im Bereich des Zivilprozessrechts auf. Dies beruht vor allem auf der unterschiedlichen geschichtlichen Entwicklung beider Staaten und den verschiedenen Traditionen, die sie geprägt haben. In beiden Staaten gilt das Unionsrecht als autonomes, direkt anwendbares und gegenüber dem nationalen Recht höherrangiges Recht. Die praktische Anwendung des Unionsrechts erfolgt in beiden Ländern allerdings unter8
Erwägungsgrund Nr. 10 der EuVTVO. Vgl. auch Pfeiffer, FS Jayme, 2004, 675, 682: Die Abschaffung der zweitstaatlichen Kontrolle sei dann grundrechtskonform, wenn im Erststaat ein effektiver und fairer Rechtsschutz garantiert wird. 9 Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 24. November 2000, ABl. EG 2001, C 12/14. 10 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 228; Weitz, Europejski tytuł egzekucyjny, S. 50.
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1. Kapitel: Grundlagen
schiedlich. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass das Unionsrecht in Deutschland bereits sehr viel länger gilt als in Polen; sowohl die nationalen Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung haben schon aus diesem Grund einen anderen Bezug zum Unionsrecht. Die Abschnitte der Arbeit, welche sich der Darstellung des polnischen Zivilverfahrensrechts widmen, sind auch aus der deutschen Perspektive von Bedeutung. Dies gilt schon allein deshalb, weil der Wirtschaftsverkehr zwischen Deutschland und Polen in den letzten Jahrzehnten erheblich an Bedeutung gewonnen hat.11 II. Relevanz der Untersuchung Das europäische Zivilprozessrecht12 erfährt zurzeit eine besonders rasche Entwicklung.13 Ein Wendepunkt, der diesen Prozess ermöglicht hat, war die Vergemeinschaftung des Internationalen Zivilprozessrechts durch den Amsterdamer Vertrag,14 in welchem die insoweit notwendige Kompetenzgrundlage für die europäischen Institutionen geschaffen wurde.15 Seitdem sind zahlreiche Rechtsakte ergangen, welche Teilbereiche des Europäischen Zivilprozessrechts normieren.16 Auch die Bedürfnisse der Praxis erzwingen diese rechtsetzende Tätigkeit der europäischen Institutionen. Die Bemühungen des europäischen Gesetzgebers haben die Schaffung eines europäischen Justizraums zum Ziel,17 in dem sich die Idee der wirksamen Durchsetzung der Bürgerrechte verwirklichen soll.18 Als Teilprojekt des europäischen Jus-
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Schliche, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, Einl. Zum Begriff des Europäischen Zivilprozessrechts siehe Linke, IZPR, Rn. 2a. Zur Geschichte der europäischen Zusammenarbeit in Zivilsachen siehe Pirrung, ZEuP 1999, 834, 835 ff.; Müller-Graff/Kainer, DRiZ 2000, 350 ff. Siehe auch Hess, JZ 1998, 1021 ff., wo der Autor einen neuen Verfahrenstyp zwischen nationalem und internationalem Zivilprozessrecht benennt: den „Binnenmarktprozess“. 13 Vgl. z. B. Frattini, ZEuP 2006, 225, 226; Stadler, RIW 2004, 801, 802; dies., IPRax 2004, 2, 3. 14 Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 5. 15 Vgl. Hess, IPRax 2006, 348, 350 f.; Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 645 f.; Frattini, ZEuP 2006, 225, 231 f.; Leible/Staudinger, EuLF 2000/2001, 225 ff. 16 Diese Entwicklung führt zur Abkoppelung des europäischen vom internationalen Rechtsverkehr, siehe Hess, FS Jayme, 2004, 339, 341; ders., JZ 1998, 1021 ff.; Junker, FS Sonnenberger, 2004, 417, 431 sowie zur Regionalisierung des grenzüberschreitenden Prozesses: Mansel, in: Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im Europäischen Kollisionsrecht, S. 1, 14 f.; Ferrand, FS Sonnenberger, 2004, 791, 818; Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 1. 17 Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 646 f.; Nagel/Gottwald, IZPR, § 12, Rn. 2; Frattini, ZEuP 2006, 225, 229; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 26. 18 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 24. 12
A. Einführung
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tizraums ist die Schaffung eines Europäischen Vollstreckungsraums geplant.19 Einen Durchbruch im Prozess der Entwicklung des Europäischen Zivilprozessrechts bewirkte die Einführung der Regelungen, die zum ersten Mal einheitliche Zivilverfahren auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts normieren. Vor kurzem sind zwei Verordnungen in Kraft getreten, die ebenfalls derartige Neuerungen vorsehen: die EuMahnVO20 und die EuBagatellVO.21 An vielen Stellen der vorliegenden Arbeit bietet sich die Möglichkeit, an diese Regelungen anzuknüpfen.22 Die Regelungen der EuVTVO sind nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers teilweise auch hinsichtlich der neuesten Verordnungen anwendbar. Die frühzeitige Bewertung der EuVTVO im Hinblick auf die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs spielt auch deswegen eine wichtige Rolle, weil die EuVTVO vom europäischen Gesetzgeber als ein erster Schritt23 zur geplanten Abschaffung aller Arten von Zwischenverfahren angesehen wird, in deren Rahmen die Kontrolle der Justizgrundrechte des Schuldners stattfindet.24 Die Idee der Aufhebung des Exequaturs soll auf andere, kompliziertere Fälle und weitere – auch streitige – Forderungen ausgedehnt werden, wobei die Rechtsmechanismen zum Schutz der Prozessgrundrechte des Schuldners dem Konzept der EuVTVO ähneln sollen. Die Ergebnisse der Untersuchung haben zudem große Bedeutung für die Praxis. Die Entwicklung der europäischen Integration führt dazu, dass grenzüberschreitende Sachverhalte in der zivilgerichtlichen Praxis25 immer häufiger
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Mit dem Inkrafttreten der EuVTVO wurde ein entscheidender Schritt zum politisch gewollten einheitlichen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts getan, siehe Mankowski, FS Kropholler, 2008, 829, 830; Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1541; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 24. 20 Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. EU 2006 L 399/1. In der vorliegenden Arbeit als die EuMahnVO bezeichnet. 21 Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, ABl. EU 2007 L 199. Das europäische Verfahren über geringfügige Forderungen, das durch die Verordnung eingeführt wurde, wird als Europäisches Bagatellverfahren bezeichnet. 22 Zusammen mit der EuVTVO werden sie im Europäischen Zivilprozessrecht als Rechtsakte der „zweiten Generation“ bezeichnet. So Hess, IPRax 2006, 348, 350. 23 Die EuVTVO wird als Pilotprojekt betrachtet, siehe Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 33; Stein, EuZW 2004, 679, 679. 24 „Mit der Einführung des Europäischen Vollstreckungstitels hat das europäische Zivilprozessrecht einen „Quantensprung“ gemacht; ein erster Schritt für einen einheitlichen Justizraum ist getan“, Nagel/Gottwald, IZPR, Vorwort, V. 25 Zivilprozesse mit Auslandsbezug. Zu den Auslandsprozessen in der ZPO siehe Hess, JZ 1998, 1021, 1022.
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1. Kapitel: Grundlagen
vorkommen.26 Immer mehr titulierte Forderungen werden auf dem Vollstreckungsweg im Ausland eingezogen. Die praktische Relevanz der EuVTVO ist aufgrund der weiten Festsetzung ihres Anwendungsbereichs groß. Ca. 90 % aller Urteile der mitgliedstaatlichen Gerichte, die im Ausland vollstreckt werden können, können als EuVT bestätigt werden.27 Für die künftige Entwicklung des europäischen Zivilprozessrechts ist die Auseinandersetzung mit der Behauptung, dass die Rechtspflegestandards in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleichwertig sind, von besonderer Bedeutung. Der Verordnungsgeber geht davon aus, dass aufgrund der Standards der zivilrechtlichen Rechtspflege die Justizgrundrechte des Schuldners in allen Mitgliedstaaten gleichwertig gewährleistet sind. Ein Argument für die Gleichwertigkeit der Standards in allen Mitgliedstaaten sei die Tatsache, dass sie alle zugleich Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sind.28 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sind daher die rechtspolitischen Hintergründe der Regelung zu bewerten. Die Ergebnisse der Untersuchung dienen vor allem der Bestimmung der Rechtslage, die sich für Personen ergibt, die durch die Entwicklung des europäischen Zivilprozessrechts in ihren Grundrechten betroffen sind. Die endgültige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der EuVTVO obliegt allerdings dem EuGH, der über die entsprechenden Kompetenzen verfügt, um die Standards des Schuldnerschutzes und die Gewährleistung der Grundrechte durch die EuVTVO an den von ihm entwickelten und an Art. 6 EUV orientierten Maßstäben zu messen.29 III. Grenzen der Untersuchung Die Untersuchung konzentriert sich ausschließlich auf Entscheidungen, die passiv unbestrittene Forderungen betreffen. Denn die Kontrollmechanismen der EuVTVO, die der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs dienen, beziehen sich nur auf die Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen, die ohne Teilnahme des Schuldners am Verfahren erlassen wurden. Die mit Verbraucherverträgen verbundenen Besonderheiten sind im Hinblick auf den Umfang der Untersuchung außer Betracht zu lassen. Auch sollen mit Kostenentscheidungen verbundene Vollstreckungsfragen nicht erörtert 26 Graf v. Bernstorff, RIW 2007, 88. Auf der anderen Seite ist die Anzahl der grenzüberschreitenden Verfahren in Europa eher gering. Die Zahl der grenzüberschreitenden Zivilrechtsprozesse in Europa beträgt ein bis drei Prozent aller Prozesse in den Mitgliedstaaten. Hess/Pfeiffer/Schlosser, Report on the Application of Regulation Brussels I in 25 Member States (2007), Rn. 40 ff. 27 Harast, MoP 2007, 1069, 1069–1070. 28 Siehe insb. Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 418. 29 Für die Kontrolle der einzelnen nationalstaatlichen Urteile hat er keine Kompetenzen, siehe Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl EG-VollstrTitelVO Rn. 41.
B. Die EuVTVO und ihre Bedeutung für das Gemeinschaftsanerkennungsrecht
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werden, da die in diesem Zusammenhang zusätzlich auftretenden Probleme den Rahmen dieser Untersuchung deutlich überschreiten würden. IV. Gang der Untersuchung Ausgehend von der Fragestellung gliedert sich die Arbeit in vier Kapitel. Im ersten Kapitel werden die Grundfragen des Unionsanerkennungsrechts, die rechtlichen Eckpfeiler der EuVTVO sowie die Herleitung des Unionsgrundrechts auf rechtliches Gehör unter Heranziehung der Leitentscheidungen des EuGH erörtert. Das zweite Kapitel widmet sich der Darstellung und Bewertung der Überprüfungsmechanismen im Bestätigungsverfahren hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit den Standards der effektiven Gewährleistung des rechtlichen Gehörs im Unionsrecht. Im dritten Kapitel sind die dem Schuldner gegen die Bestätigung zustehenden Rechtsbehelfe (Art. 10 Abs. 1 EuVTVO) sowie die Rechtsbehelfe gegen den Titel im Zwangsvollstreckungsverfahren vor dem Hintergrund ihrer rechtlichen Relevanz für die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs zu analysieren. Das vierte Kapitel der vorliegenden Arbeit enthält vor allem eine allgemeine Bewertung und eine Analyse der Übereinstimmung der Regelungen der EuVTVO mit den Grundrechtsschutzstandards der EMRK. Außerdem werden hier etwaige, den Betroffenen zustehende Rechtsbehelfe erörtert sowie Vorschläge de lege ferenda insbesondere für die neue Ausgestaltung der Vorschriften der EuVTVO über die Mindeststandards dargestellt.
B. Die EuVTVO und ihre Bedeutung für das Gemeinschaftsanerkennungsrecht B. Die EuVTVO und ihre Bedeutung für das Gemeinschaftsanerkennungsrecht
I. Ursprung des Europäischen Vollstreckungstitels 1. Geschichtliche Entwicklung des europäischen Anerkennungsrechts (Systemwechsel) a) Vom EuGVÜ zum Europäischen Vollstreckungstitel Die EuVTVO ist das Ergebnis einer schrittweisen Entwicklung der Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Vollstreckungstitel auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts.30 30
Im Rahmen der Untersuchung sind mit den Rechtsakten aus dem Bereich des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsrechts nur solche gemeint, die auf Zivil- und Handelssachen anwendbar sind.
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1. Kapitel: Grundlagen
Der erste Rechtsakt, der neben den vereinheitlichten Zuständigkeitsregeln auch die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen aus den damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften regelte, war das EuGVÜ.31 Das EuGVÜ, das in Form eines völkerrechtlichen Übereinkommens erlassen wurde,32 erleichterte die EG-weite Freizügigkeit von Entscheidungen erheblich.33 Durch das Lugano-Übereinkommen wurden ihre Regelungen auf die Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) ausgedehnt.34 Nach der Schaffung der primärrechtlichen Kompetenzgrundlage für die Tätigkeit im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen wurde das Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren in der EuGVVO35 geregelt.36 Die Verordnung zielte darauf ab, das Vollstreckbarerklärungsverfahren zu beschleunigen37 und zu erleichtern.38 Die EuGVVO wurde als Übergangsstufe zur vollständigen Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens bezeichnet.39 Den tatsächlichen Systembruch bewirkte jedoch erst die EuVTVO, indem sie das Exequatur als Vorbedingung für die Vollstreckung aus einem anderen Mitgliedstaat abschaffte.40 Die Verordnung (EG) 31 Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968, BGBl. 1972 II, 774. Das EuGVÜ ist eine sog. convention double. Siehe beispielsweise Weitz, Przedmiotowy zakres zastosowania konwencji lugańskiej, KPP 2000, Nr. 2, 427 ff.; Schack, IZVR, Rn. 79; Gressot-Leger, Clunet 130 (2003), 767, 770; Voegele, Full Faith and Credit – Die Anerkennung zivilrechtlicher Entscheidungen zwischen USamerikanischen Bundesstaaten, S. 89; Pfeiffer, FS Jayme, 2004, 675, 675. 32 Siehe beispielsweise Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 644; diese Meinung ist allerdings nicht unumstritten. Nach Ansicht mancher Autoren ist das EuGVÜ ein Rechtsakt des sekundären Gemeinschaftsrechts. Siehe insbesondere Schlosser, NJW 1975, 2132, 2133. 33 U. a. Wagner, IPRax 2002, 75, 77; Hau, GPR, 2004, 94. 34 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Einl. Rn. 14; Kropholler/von Hein, EuZPR, EuGVO Einl. Rn. 10 ff. 35 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000, ABl. EG vom 16.1.2001, L 12, 1. 36 Siehe u. a. Leisle, Dependenzen auf dem Weg vom EuGVÜ, über die EuGVVO zur EuZPO, S. 16 ff.; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Vorbem. EuGVVO Rn. 1. 37 Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 642. 38 Wagner, IPRax 2002, 75, 82. 39 Schubert-Panecka, Die Europäisierung des internationalen Zivilverfahrensrechts in Polen, S. 21. 40 Stadler, IPRax 2004, 2, 5; Kohler, in: Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 147 ff., 153; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 2; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 50; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 5 EGVollstrTitelVO Rn. 1; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 228; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 263.
B. Die EuVTVO und ihre Bedeutung für das Gemeinschaftsanerkennungsrecht
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Nr. 805/2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen wurde am 21.4.2004 erlassen und am 30.4.2004 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.41 Sie trat am 21.1.2005 in Kraft.42 Die Regelungen über das Vollstreckbarerklärungsverfahren wurden durch die EuVTVO jedoch weder verdrängt noch aufgehoben. Insbesondere hat die EuGVVO ihre praktische Bedeutung nach der Einführung des EuVT nicht verloren.43 Nach Art. 27 EuVTVO wird es dem Gläubiger ermöglicht, zwischen den Vorschriften der EuGVVO und der EuVTVO zu wählen.44 Eine Vollstreckbarerklärung auf der Grundlage der EuGVVO scheidet allerdings aus, wenn bereits eine Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel vorliegt.45 Zuletzt wurde das Gemeinschaftsanerkennungsrecht durch zwei Verordnungen ergänzt, die noch einen Schritt weiter gehen, indem sie zum ersten Mal ein einheitliches europäisches Zivilverfahren einführen: Der Erlass der EuMahnVO und EuBagatellVO bedeutet eine echte Harmonisierung im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen.46 b) Kennzeichen des Systemwechsels in der EuVTVO Der durch die EuVTVO im Wege der Aufhebung des Exequaturs47 bewirkte Systemwechsel48 ist grundsätzlich durch zwei Elemente gekennzeichnet: zum Nach Meinung Mansels ist der Systemwechsel unter drei verschiedenen Aspekten zu verstehen: als Wechsel der Handlungsform (S. 1 f), als Prinzipienwechsel (S. 10 ff.) und als Systemwechsel bezüglich der Europäisierung, Regionalisierung und Globalisierung (S. 14 und 15). 41 Zum Rechtsetzungsverfahren siehe Gerling, Gleichstellung, S. 38–39. 42 Die meisten Vorschriften gelten allerdings seit dem 21.10.2005. Siehe dazu Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1543. 43 Mankowski, FS Kropholler, 2008, 829, 833. 44 Erwägungsgrund Nr. 20 der EuVTVO; Amtliche Begründung zu KOM (2002) 159 endg., S. 5; Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament vom 9. Februar 2004, KOM (2004) 90 endg., 2002/0090 (COD), S. 12; siehe Wagner, IPRax 2005, 189, 199 45 BGH, Beschluss vom 4.2.2010 – IX ZB 57/09; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl EG-VollstrTitelVO Rn. 52. 46 Die EuGVVO, die EuVTVO und die EuMahnVO ergänzen einander, ein System zur Beitreibung unbestrittener Forderungen schaffend, das die Regelungen zur Zuständigkeit, zum Verfahren und letztendlich zur Vollstreckung umfasst, siehe Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 48, mit der Berufung auf Hess, FS Geimer, 2002, 339, 355– 356 und Schollermeyer, IPRax 2002, 478, 482. 47 Schon vorher war das Exequaturverfahren zwecks der Anerkennung und Vollstreckung in einigen Rechtsakten der allgemeinen Regel zuwider abgeschafft worden, insbesondere gemäß Art. 244 und 256 EGV, Art. IV Abs. 2 Moskauer Übereinkommen vom 26. Mai 1972 (Dz. U. 1974, Nr. 7, Pos. 37) sowie Art. 54 Abs. 1 Washingtoner Übereinkommen (sog. ICSID-Übereinkommen). Diese Beispiele haben Ausnahmecharakter und
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1. Kapitel: Grundlagen
einen durch die Kompetenzverschiebung im Ursprungsmitgliedstaat,49 zum anderen durch die Änderung der Überprüfungsmaßstäbe im Rahmen der Verleihung der Vollstreckbarkeit, darunter auch solcher, die sich auf die Kontrolle des rechtlichen Gehörs im Ausgangsverfahren beziehen. Dogmatisch bedeutet der Systemwechsel, dass nicht mehr der Vollstreckbarerklärungsbeschluss des Gerichts im Vollstreckungsstaat, sondern schon der im Ursprungsmitgliedstaat erlassene Titel selbst der Vollstreckungstitel ist.50 Die Voraussetzung der Verleihung der Vollstreckbarkeit zur Schaffung eines inländischen Vollstreckungstitels fällt nach den Regelungen der EuVTVO nicht weg. Sie wurde aber prinzipiell in den Ursprungsstaat verlagert.51 Es kommt damit zur Zentralisierung des Verfahrens im Ursprungsmitgliedstaat.52 Die Überprüfungskompetenzen wurden folglich verschoben.53 Ein weiteres Grundelement des Systemwechsels ist die Umgestaltung der Überprüfungsmechanismen im Rahmen der Zulassung zur Auslandsvollstreckung. Das Gericht im Ursprungsstaat überprüft prinzipiell die Einhaltung der in der EuVTVO abschließend bestimmten zivilprozessrechtlichen Mindeststandards zur Sicherung des rechtlichen Gehörs des Schuldners, der die Forderung passiv nicht bestritten hat.54 Der Systemwechsel wurde mit der Berufung auf das Vertrauensprinzip begründet: Gegenseitiges Vertrauen in die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten soll es rechtfertigen, dass auf jegliche Art von Zwischenverfahren im Vollstreckungsstaat zu verzichten ist.55 Die Prüfung der Voraussetzungen für die Bestätigung als EuVT findet nun lediglich im Ursprungsmitgelten nur in geringem Umfang. Siehe Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 181. 48 „Die zunehmende Freizügigkeit von Urteilen innerhalb der Europäischen Union folgt auf den ersten Blick einer klaren Entwicklungslinie vom EuGVÜ über die EuGVO bis zur Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen“; Stadler, IPRax 2004, 2, 5. 49 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 256 f. 50 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 28 und die oben in Fn. 40 aufgeführte Literatur. 51 Geimer, FS Beys, 2003, 489, 493; Gerling, Gleichstellung, S. 127; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 52. 52 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 256. 53 Die EuVTVO beruht auf dem Herkunftslandprinzip, siehe Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 19 ff.; Hess, IPRax 2004, 493; ders., JZ 2001, 573, 582; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 165; Hüßtege, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union, 113, 115. 54 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 28; Luckey, ZGS 2005, 420, 423. 55 Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 3, Rn. 26.
B. Die EuVTVO und ihre Bedeutung für das Gemeinschaftsanerkennungsrecht
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gliedstaat statt. Eine Nachprüfung im Vollstreckungsstaat soll nicht mehr nötig sein.56 Aus der Perspektive des klassischen Völkerrechts stellt dieser Systemwechsel einen quasi-revolutionären Vorgang dar. Allerdings lassen sich aus dem Völkerrecht keine Vorgaben für die Abschaffung des Exequaturverfahrens und den Wegfall der Anerkennungshindernisse bei der Einführung des EuVT herleiten.57 Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben durch die Ratifikation des Vertrags von Amsterdam die Kompetenz zur Einführung eines EuVT auf die Europäische Gemeinschaft übertragen. Sie sind damit eine völkervertragliche Bindung hinsichtlich der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen eingegangen. Aus Gründen des Völkergewohnheitsrechtes waren sie hierzu nicht verpflichtet.58 2. Entstehung der EuVTVO a) Politischer Hintergrund Die in der EuVTVO zum Ausdruck kommenden rechtspolitischen Gedanken wurden hauptsächlich auf dem Sondergipfeltreffen des Europäischen Rates am 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere formuliert.59 Die damals verfassten Beschlüsse gehen davon aus, dass die Abschaffung des Exequaturverfahrens im Gemeinschaftsrecht in der Zukunft notwendig ist und die Einführung des Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen den ersten wichtigen Schritt hierzu darstellt.60 Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen innerhalb der EU-Mitgliedstaaten wurde als ein Eckpfeiler der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen bezeichnet. Daher seien die bislang notwendigen Zwischenverfahren im Gemeinschaftsvollstreckungsrecht grundsätzlich aufzuheben.61 Die Diskussion über die in Tampere formulierten politischen Ziele wurde in der Folgezeit weitergeführt. Die rechtlichen Vorgaben zur Verwirklichung dieser Ideen wurden in später erarbeiteten politischen Programmen formuliert, insbesondere im „Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Han56
Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einf EG-VollstrTitelVO, Rn 15. Geimer, IPRax 2002, 69, 71; ders., IZPR, Rn. 3178. 58 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 54. 59 In Auszügen abgedruckt in NJW 2000, 1925; Wagner, IPRax 2002, 75. Dazu auch Wagner, IPRax 2005, 66; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 30; Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 646; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 2, Rn. 34 ff. 60 Erwägungsgrund Nr. 3, 4 und 8 der EuVTVO. 61 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 30 und 31; Wagner, IPRax 2002, 75; Eichele, BRAK-Mitt. 2003, 53. 57
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1. Kapitel: Grundlagen
delssachen“62 vom 30. November 2000,63 in dem die Marschroute zur Durchführung der Tampere-Beschlüsse festgelegt wurde.64 Laut diesen Vorgaben soll die Pflicht zur Durchführung des Exequaturs zur Vollstreckung von Entscheidungen aus den Mitgliedstaaten der EU stufenweise65 für den gesamten Anwendungsbereich der EuGVVO aufgehoben werden. Die Abschaffung des Exequaturverfahrens für unbestrittene Forderungen gehöre zu den Prioritäten der Gemeinschaft.66 b) Kompetenzgrundlage Die EuVTVO wurde auf der Grundlage von Art. 61 lit. c i.V.m. Art. 67 Abs. 5 2. Spiegelstrich EGV erlassen, die nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon67 Art. 81 (1) AEUV68 entsprechen. Sie wurde im Mitentscheidungsverfahren (gem. Art. 251 EGV) verabschiedet. Zur Auslegung der EuVTVO ist der EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV zuständig (ex-Art. 234 EGV).69 c) Rechtsetzungsverfahren Der erste Entwurf der EuVTVO wurde am 18. April 2002 von der Kommission vorgelegt und an den Rat und das Europäische Parlament übermittelt.70 Er stieß in manchen Punkten auf den Widerstand des Europäischen Parlaments. Am 11. Dezember 2002 nahm der Europäische Wirtschafts- und Sozialaus-
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Siehe Kohler, in: Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel in europäischen Anerkennungsrecht, 147, 154. 63 Dokument des Rates der EU Nr. 13648/00 JUSTCIV130, ABl. EG vom 15.1.2001, C 12, 1; abgedruckt in IPRax 2001, 163–169. Siehe auch Kohler, FamRZ 2002, 709. 64 Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 646. 65 Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Fn. 63), IPRax 2001, 163, 166 f.; Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 647. Insgesamt wurden drei Stufen vorgesehen. Siehe u. a. auch Stein, WiRO 2003, 289, 294; Wagner, NJW 2004, 1835, 1837 f.; Kohler, FamRZ 2002, 709, 710; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 32. 66 Wagner, IPRax 2002, 75, 76; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 31. 67 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007, Abl. Nr. C 306 vom 17. Dezember 2007. 68 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. Nr. C 115 S. 47, Celex-Nr. 1 1957 E. Zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndBeschl. 2011/199/EU vom 25.3.2011 (ABl. Nr. L 91 S. 1). 69 Siehe Kapitel 4. D. I. 70 Zum Rechtsetzungsverfahren siehe Gerling, Gleichstellung, S. 38–39.
B. Die EuVTVO und ihre Bedeutung für das Gemeinschaftsanerkennungsrecht
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schuss dazu Stellung.71 Kritisiert wurde u. a.72 die Tatsache, dass keine hinreichenden Druckmittel bestünden, um die Mitgliedstaaten zur Anpassung ihrer Vorschriften an die Mindestvorschriften der Verordnung zu zwingen.73 Nach der Billigung des Kommissionsvorschlages am 8. April 2003 behielt sich das Parlament noch einige Änderungen vor, welche alsdann durch die Kommission74 teilweise abgelehnt und teilweise angenommen wurden.75 Am 30. März 2004 billigte das Parlament den gemeinsamen Standpunkt76 ohne Abänderungen.77 Die Verordnung wurde am 21. April 2004 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. III. Der Zweck der Einführung des Europäischen Vollstreckungstitels Das Ziel der EuVTVO ist in ihrem Art. 1 klar ausgedrückt: Sie führt das Institut des EuVT ein, um den freien Verkehr von Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden in allen Mitgliedstaaten zu ermögli-
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EWAS/2002/1348, ABl. EG C/2003/85/1; Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 11./12.12.2002, ABl. EG 2003, Nr. C 85, S. 1. 72 Das Vorhaben zur Beschleunigung des Verfahrens durch die Aufhebung des Exequaturs wurde dann sehr positiv beurteilt. Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 53. 73 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 53 Fn. 232; siehe auch Stadler, IPRax 2004, 2, 4, Fn. 20: „Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat es in seiner Stellungnahme sogar ausdrücklich als einen Schwachpunkt der Verordnung kritisiert, dass die Anpassung der Zustellungsvorschriften nur auf freiwilliger Basis erfolgen wird. Stellungnahme ABl. EG 2003/C 85, 1 ff., Einleitung und sub. 5.2.“ 74 KOM (2003) 341 endg., ABl. EG C/2004/76/22. 75 Nach der anschließenden Diskussion im Rat wurde am 6. Februar 2004 ein gemeinsamer Standpunkt erarbeitet. Am 9. Februar 2004 erging eine „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Art. 251 Abs. 2 Unterabsatz 2 EG betreffend dieses gemeinsamen Standpunkts des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen“. Dok.16041/1/2003 REV 1 – C5-0067/2004 – 2002/0090 (COD). 76 Der Gemeinsame Standpunkt wurde nicht einstimmig angenommen, da die Niederlande dagegen votierten, siehe Stein, IPRax 2004, 181, 182; Bach, Die grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 185. 77 A 5-187/2004. Die Diskussion, die während des Verabschiedungsverfahrens zwischen der Kommission und dem Parlament stattfand, bezog sich u. a. auf Fragen der Zulässigkeit und der Ausgestaltung der Rechtsmittel des Schuldners. Die Vorbehalte des Parlaments betrafen vor allem die Regelung des Bestätigungsverfahrens. Die zentrale Forderung des Europäischen Parlaments war die Zulassung eines Rechtsbehelfs gegen die Bestätigung einer nationalen Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel im Ursprungsstaat. Die Rechte und die Schutzmöglichkeiten des Schuldners gehörten zu den streitigen Punkten. Siehe Stadler, RIW 2004, 802.
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1. Kapitel: Grundlagen
chen.78 Sie soll eine erhebliche Beschleunigung79 und Vereinfachung des grenzüberschreitenden Einzugs unbestrittener Forderungen in Zivil- und Handelssachen bewirken. Das bisher notwendige Vollstreckbarerklärungsverfahren erwies sich oft nicht nur als langwierig,80 sondern auch als anfällig für richterliche Fehler im prozessualen Bereich.81 Es kann daher nicht verwundern, dass Gläubiger das mit einem langwierigen Auslandsvollstreckungsverfahren verbundene Risiko oft nicht einzugehen bereit waren. Die Möglichkeit der einfachen, zügigen und kostengünstigen Forderungsbeitreibung hat insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) große Bedeutung.82 Ihre aktive Teilnahme am Handelsverkehr ist für die Binnenmarktentwicklung unabdingbar.83 Komplizierte und langandauernde Verfahren sowie hohe Gerichtskosten bei der Forderungsdurchsetzung können sie davon abhalten, sich auf internationale Rechtsgeschäfte einzulassen.84 Im Endeffekt führt das Vollstreckungsrisiko beim grenzüberschreitenden Forderungseinzug zu einer Beeinträchtigung der
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Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1541. Der Begriff „Beschleunigung “ kann zwei verschiedene Bedeutungen haben. Er kann in einem weiteren und in einem engeren Sinne verstanden werden. Die „Beschleunigung im weiteren Sinne” bezieht sich auf das außergewöhnlich schnelle Tempo, in welchem die europäischen Institutionen Rechtsakte auf dem Gebiet des Europäischen Zivilprozesses erarbeiten und erlassen, während die „Beschleunigung im engeren Sinne” das Verfahren selbst betrifft. Die Regelungen sollen nämlich dazu führen, das Verfahren „in seinen grenzüberschreitenden Berührungspunkten zu beschleunigen und insbesondere dem Gläubiger einen schnellen Vollstreckungszugriff ohne Behinderung durch Staatengrenzen“ zu ermöglichen, Stadler, RIW 2004, 801, 802. 80 In vielen Staaten soll das Exequaturverfahren zeitaufwendig sein. Wagner, IPRax 2002, 75. In Deutschland ist dies aber nicht der Fall. Es dauert lediglich drei Tage, bis das Exequatur abgeschlossen wird; Hess/Hub, IPRax 2003, 93 ff. 81 Hüßtege, Der Europäische Vollstreckungstitel, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union, 113, 115; ders., FS Jayme, 2004, 371, 371; Stadler, IPRax 2004, 2, 7. 82 Beltz, D. 2005, 2707, 2711; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 19; Hondius, in: Liber Amicorum Bernd Stauder, 2006, 131 ff. 83 Müller-Graff/Kainer, DRiZ 2000, 350, 351. Zur Bedeutung des EuGVÜ für das Binnenmarktprinzip siehe auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 349 Fn. 1. 84 So Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 660. Siehe auch Wolf, in: Grunsky u. a (Hrsg.), Wege zu einem europäischen Zivilprozeßrecht, 33, 65; Beltz, D. 2005, 2707, 2711; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 19; Hondius, in: Liber Amicorum Bernd Stauder, 2006, 131 ff. 79
B. Die EuVTVO und ihre Bedeutung für das Gemeinschaftsanerkennungsrecht
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Waren- und Dienstleistungsfreiheit.85 Dies widerspricht jedoch der Idee einer schnellen und wirksamen Binnenmarktentwicklung.86 Die Regelungen der EuVTVO können sich auf die Zahlungsmoral der Schuldner auswirken. Diese können nicht mehr darauf vertrauen, dass ihre Gläubiger auf die Zwangsvollstreckung schon aus Kosten- und Zeitgründen verzichten. Ohne das bisher notwendige Exequaturverfahren im Zweitstaat kann der Gläubiger nun beim zuständigen Gericht die Bestätigung eines von ihm erlangten Titels beantragen.87 Mit dem bestätigten Titel kann er sodann in allen anderen Mitgliedstaaten das Zwangsvollstreckungsverfahren betreiben, ohne in jedem Staat einen gesonderten Antrag stellen zu müssen.88 Die EuVTVO hat jedoch nicht nur die Vereinfachung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten zum Ziel, sondern auch die Stärkung der Grundfreiheiten.89 In Anlehnung an andere Gemeinschaftspolitiken soll neben dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen ein „freier Urteilsverkehr“ zwischen den Mitgliedstaaten geschaffen werden.90 Die Urteilsfreizügigkeit91 ergänzt die anderen europäischen Grundfreiheiten.92 Sie kann gleichsam als weitere Grundfreiheit angesehen werden.93 85 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 20; Hess, JZ 1998, 1021, 1023; Schollmeyer, IPRax 2002, 478, 478; Pérez-Ragone, Europäisches Mahnverfahren, S. 6 f. 86 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 58. 87 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 27. 88 Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 33. 89 Gerling, Gleichstellung, S. 37; Hüßtege, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union, 113, 115; ders., FS Jayme, 2004, 371; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 20; Ehricke, IPRax 1999, 311, 312; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 349, 762; Prütting, FS Baumgärtel, 1990, 457, 461. 90 Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 648; Gerling, Gleichstellung, S. 251. 91 Die Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels, der die Anerkennungshindernisse im Ganzen abschafft, stellt die uneingeschränkte Verwirklichung der Urteilsfreizügigkeit dar. Er ist Teil eines einheitlichen europäischen Rechtsraums, der weiter zusammenwächst und den Binnenmarkt als einheitlichen Wirtschaftsraum flankiert, siehe Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 58. „Die fortschreitende Harmonisierung der Privat- und Verfahrensrechte muss zur Aufhebung der Zweitkontrolle im Anerkennungsstaat führen. Wirkliche Urteilsfreizügigkeit ist erst hergestellt, wenn alle Urteile im Europäischen Gerichtsraum frei, d. h. ohne vorgängige Anerkennung im Vollstreckungsstaat zirkulieren“; Hess, IPRax 2001, 389, 391. 92 Mit der Frage des Verhältnisses zwischen den Marktfreiheiten und der Urteilsfreizügigkeit hat sich der EuGH, Urteil v. 10.2.1994, Rs. C-398/92, Mund & Fester ./. Hartrex Internationaal Transport, Slg. 1994, S. I-37 ff. Rn. 12, befasst; Hess, IPRax 2001, 301, 302. Im Schrifttum wurde außerdem bemerkt, dass die Freizügigkeit der Entscheidungen kein neues Konzept sei, sondern das Grundprinzip, worauf sich schon das EuGVÜ stützt; Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 8 mit Berufung auf
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1. Kapitel: Grundlagen
Die EuVTVO will darüber hinaus die Grundrechte fördern und die Grundsätze berücksichtigen, welche die Charta der Grundrechte der EU94 anerkennt.95 Besondere Bedeutung hat dabei die Gewährleistung des Rechts auf ein faires Verfahren, welches in Art. 47 Charta der Grundrechte der EU festgeschrieben ist. Die EuVTVO zielt nicht unmittelbar auf die Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften. Dies gilt etwa für das Zustellungsrecht. Zwar enthält die EuVTVO präzise und ausführliche Vorschriften über die Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken. Allerdings spielt in diesem Zusammenhang die EuZVO96die wichtigste Rolle, indem sie bezüglich der Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten harmonisierte Regeln vorsieht.97 Auch die Harmonisierung des Vollstreckungsverfahrens ist vom Regelungsbereich der EuVTVO nicht bezweckt.98 Das Vollstreckungsverfahren ist nach wie vor prinzipiell in den Vorschriften der Vollstreckungsstaaten geregelt.99 Es unterliegt dem Recht des Vollstreckungsstaates, da die Zwangsvoll-
den Jenard-Bericht – Erstes Kapitel/Vorbemerkungen, ABl. EG Nr. C 298/24.11.1986, S. 29 ff.; Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament: „Wege zu einer effizienteren Erwirkung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in der Europäischen Union“, ABl. EG Nr. C 33/31.1.1998, S. 3, 4 Rn. 1; EuGH, Urteil v. 28.3.2000, Rs. C-7/98, Krombach ./. Bamberski, Slg. 2000, S. I-1935 ff. Rn. 19; EuGH, Urteil v. 11.5.2000, C-38/98 – Regie nationale des usines Renault SA ./. Mexicar SpA und Orazio Formento, Slg. 2000, S. I-2973, Rn. 20; Gottwald, IPRax 1991, 285, 286; Jayme, in: Jayme (Hrsg.), Ein internationales Zivilverfahrensrecht für Gesamteuropa, 3, 6. 93 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 58. 94 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. C 83 vom 30.3.2010, S. 389–403. 95 Erwägungsgrund Nr. 11 der EuVTVO. 96 Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil-und Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aushebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 13. November 2007 (ABl. EU 2007 L 324, S.79). 97 Der BGH hat kürzlich klargestellt, dass die EuVTVO die Zustellungsvorschriften der EuZVO sowie des nationalen Rechts unberührt lässt, siehe BGH NJW 2010, 1001, 1002. 98 Yessiou-Faltsi, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union, 213, 227; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 29 EG-VollstrTitelVO Rn. 1; Boschiero, Riv. Dir. Int. 2003, 394, 423; Bittmann, IPRax 2008, 445, 445; Okońska, Europejski tytuł egzekucyjny – Polska jako państwo wykonania, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego 2007, 149, 151. 99 Amtliche Begründung zu KOM (2002)159 endg., 15; Gerling, Gleichstellung, S. 37.
B. Die EuVTVO und ihre Bedeutung für das Gemeinschaftsanerkennungsrecht
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streckung mit der Ausübung staatlicher Gewalt zusammenhängt.100 Die EuVTVO bewirkt allerdings eine indirekte Rechtsangleichung.101 Sie verwirklicht damit eine Mindestharmonisierung.102 Die erfolgreiche Realisierung aller Ziele der EuVTVO hängt in hohem Maße auch von den Mitgliedstaaten ab, da diese die Durchführungsvorschriften zur Verordnung erlassen.103 IV. Methoden der Auslegung der EuVTVO Die von der EuVTVO verwendeten Begriffe sind prinzipiell autonom auszulegen.104 Eine Auslegung dieser Begriffe nach den Regeln des im Ursprungsoder Vollstreckungsmitgliedstaat geltenden nationalen Rechts könnte zur Behinderung der Titelfreizügigkeit in der Europäischen Union führen.105 Hinsichtlich der EuVTVO kommen alle Auslegungsmethoden des Unionsrechts in Betracht.106 Die größte Bedeutung kommt der funktionellen, systematischen107 und rechtsvergleichenden (historischen) Auslegung zu.108 Die grammatikalische Auslegung hat nur geringe Bedeutung. Zu berücksichtigen sind die Zielsetzung der Verordnung sowie allgemeine Rechtsgrundsätze, die vielen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen gemeinsam sind.109 100 EuGH (vor allem zu Art. 22 Nr. 5 EuGVVO), Urteil v. 4.2.1988, Rs. 145/86, Hoffman ./. Krieg, Slg. 1988, S. 645 ff., Rn. 27; EuGH, Urteil v. 2.7.1985, Rs. 148/84, Deutsche Genossenschaftsbank ./. Brasserie du Pecheur, Slg. 1985, 1981 ff., Rn. 18; Gottwald, IPRax 1991, 285, 288; Koch, in: Schlosser (Hrsg.), Materielles Recht und Prozessrecht, S. 171, 205; Schack, IZVR, Rn. 959; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 22 Rn. 24; Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 31. 101 Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 454. 102 Zur Frage der Teilharmonisierung im europäischen Prozessrecht siehe beispielsweise Hess, IPRax 2000, 370, 374. 103 Hess/Bittmann, IPRax 2007, 277, 277. 104 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl EG-VollstrTitelVO Rn. 36 ff.; Okońska, Europejski tytuł egzekucyjny – Polska jako państwo wykonania, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego 2007, 149, 152; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 4, Rn. 44 ff. 105 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl EG-VollstrTitelVO Rn. 36; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 391. 106 Weitz, Europejski tytuł egzekucyjny, S. 52. 107 Zur Bedeutung der systematischen Auslegung im Europäischen Zivilprozessrecht, Hess, IPRax 2006, 348, 355. 108 Zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts siehe beispielsweise Gebauer in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4, Fn. 4 ff. 109 EuGH, Urteil v. 21.4.1993, Rs. C-172/91 Sonntag ./. Waidmann, Rn. 18, EuGHE 1993 I 1990 = IPRax 1994, 37. Dazu Hess, IPRax 1994, 10 ff.; EuGH, Urteil v. 14.10.1976, Rs. 29/76 LTU Lufttransportunternehmen GmbH & Co KG ./. Eurocontrol Rn. 3, EuGHE 1976, 1541 = NJW 1977, 489; EuGH, Urteil v. 15.5.2003, Rs. C-266/01 Préservatrice foncière TIARD SA ./. Staat der Niederlande, Rn. 20, EuGHE 2003 I 4881
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1. Kapitel: Grundlagen
Die Vorschriften des nationalen Rechts, darunter vor allem diejenigen zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts, sind so auszulegen, dass eine möglichst hohe Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gewährleistet wird.110 Die Auslegung soll den Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers bzw. den Zweck eines Gemeinschaftsrechtsakts bestmöglich widerspiegeln.111 Die bereits vorab bestimmte Auslegung mancher Begriffe der EuGVVO kann sich auch bezüglich der Auslegung der EuVTVO als hilfreich erweisen.112 Wichtige Aussagen zur Auslegung des Gemeinschaftszivilprozessrechts hat der EuGH im Urteil Leffler113 getroffen: Dazu gehören der Grundsatz des effet utile114 und der Grundsatz der Äquivalenz des Gemeinschaftsrechts.115 Nach dem Grundsatz des effet utile sind nationale Vorschriften, welche die Normen des europäischen Zivilprozessrechts umsetzen, so auszugestalten, dass sie den Zielsetzungen der europäischen Rechtsakte entsprechen.116 Der Grundsatz der Äquivalenz des Gemeinschaftsrechts besagt, dass eine Schlechterstellung der im Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechtspositionen im nationalen Verfahrensrecht unzulässig ist.117 Die Auslegung der Verordnung muss außerdem im Einklang mit höherrangigem Europarecht stehen.118
= IPRax 2003, 528; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl EG-VollstrTitelVO Rn. 36. 110 Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 4, Fn. 8 ff. 111 Ernst, EPS 2008, Nr. 5, 35, 39–40. 112 Wagner, IPRax 2005, 189, 191; Gebauer, NJ 2006, 103; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 390; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 43; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 54. Nicht nur die Rechtsprechung sondern auch und vor allem die über das EuGVÜ und EuGVVO erlassenen Berichte können bei der Auslegung der EuVTVO helfen. Siehe Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 54 mit Verweis auf die Berichte: Bericht Jenard, Abl. EG 1979, Nr. C, S. 1, BTDrucks. 6/1973, S. 52; Bericht Schlosser, Abl. EG 1979, Nr. C 59, S. 71, BTDrucks. 10/61, S. 31; Bericht Karameus, Abl. EG 1986, Nr. C 289; Bericht Almeida Cruz/Desantes Real/Jenard, Abl. EG 1990, Nr. C 189, S. 35, BT-Drucks. 12/5841, S. 30; zum Lugano-Übereinkommen: Bericht Jenard/Möller, ABl. EG 1990, Nr. C 189, S. 57, BT-Drucks. 12/6838, S. 54. 113 EuGH, Urteil v. 8.11.2005, Rs. C-443/03, Götz Leffler ./. Berlin Chemie AG, Slg. 2005 I-9611, Rn. 45, 50. 114 Von diesem Grundsatz ist auch in weiteren Urteilen des EuGH die Rede, insbesondere im Urteil v. 14.12.1995, Rs. C-312/93, Peterbroeck ./. Belgien, Slg. 1995 I-4599. 115 Hess, IPRax 2008, 25, 27. 116 Hess, IPRax 2008, 25, 27. 117 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 206. 118 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl EG-VollstrTitelVO Rn. 36.
C. Anwendungsbereich der EuVTVO und erfasste Titel
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V. Anpassung des deutschen und des polnischen Rechts an die Regelungen der EuVTVO Nach Inkrafttreten der EuVTVO wurden sowohl in Deutschland als auch in Polen Durchführungsgesetze zur Anpassung des nationalen Rechts an die verfahrensrechtlichen Mindeststandards der EuVTVO erlassen.119 Das deutsche EuVTVO-Durchführungsgesetz vom 5. Dezember 2005120 hat in die ZPO einerseits Regelungen über die Bestätigung deutscher Titel als EuVT eingeführt. Andererseits traf es Bestimmungen zum Zwangsvollstreckungsverfahren von Titeln, die in anderen Mitgliedstaaten bestätigt worden sind. Das polnische EuVTVO-Durchführungsgesetz121 wurde am 17. Februar 2006 erlassen und trat am 6. Mai 2006 in Kraft.122 Damit sind in Polen erstmalig gesetzliche Vorschriften zur Umsetzung der Bestimmungen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ergangen. Das polnische Gesetz wurde erst sehr spät nach dem Inkrafttreten der EuVTVO erlassen; dies verursachte in der Praxis zahlreiche Probleme.123 Umstritten war die Gestaltung des Verfahrens zur Bestätigung als EuVT.124 Insbesondere war nicht klar, in welcher Form Prozessentscheidungen über die Bestätigung als EuVT ergehen müssen. Die Zusammensetzung sowie der Umfang der Aufgaben und Pflichten der hierfür zuständigen Organe waren gesetzlich nicht geregelt.
C. Anwendungsbereich der EuVTVO und erfasste Titel C. Anwendungsbereich der EuVTVO und erfasste Titel
I. Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich der EuVTVO erstreckt sich gemäß Art. 2 EuVTVO auf Zivil- und Handelssachen,125 wodurch er mit dem sachlichen Anwendungsbereich der EuGVVO übereinstimmt.126 119
Weitz, Europejski tytuł egzekucyjny, S. 50. BGBl. I, S. 3202. 121 Ustawa z dnia 17 lutego 2006 r. o zmianie ustawy – Kodeks postepowania cywilnego, Dz. U. 2006, Nr. 66, Pos. 466. 122 Schubert-Panecka, Die Europäisierung des internationalen Zivilverfahrensrechts in Polen, S. 48. 123 Taborowski, IPRax 2007, 250, 251, der sogar von einem Versäumnis des polnischen Gesetzgebers beim Erlass entsprechender nationaler Vorschriften spricht. 124 Poln: Zaświadczenie europejskiego tytułu egzekucyjnego. Siehe dazu Taborowski, IPRax 2007, 250, 251 Fn. 5. 125 Zöller/Geimer, ZPO, Art. 1 EuGVVO Rn. 20; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 390. 126 BGH NJW 2010, 1883, 1884; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.3.2010- I-24 W 17/10, 24 W 17/10, Rpfleger 2010, 604, OLG Stuttgart NJW-RR 2007, 1583, 1584; Pfeif120
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1. Kapitel: Grundlagen
II. Erfasste Titel Im Rahmen des materiellen Anwendungsbereichs werden durch die EuVTVO gerichtliche Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche sowie öffentliche Urkunden erfasst.127 Der Begriff der gerichtlichen Entscheidung ist weit auszulegen, wobei auch ein Rückgriff auf die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 32 EuGVVO möglich ist.128 Entscheidungen, die im einstweiligen Rechtsschutz ergangen sind und hinsichtlich derer der Schuldner nicht angehört wurde, können nicht als EuVT bestätigt werden.129 Der Inhalt der Entscheidung muss eine unbestrittene und fällige Geldforderung sein.130 Den Begriff der Forderung definiert Art. 4 Nr. 2 EuVTVO131 als ziffernmäßig bestimmte Geldforderung.132 Forderungen, die nicht bestimmt sondern nur bestimmbar sind, werden davon nicht erfasst.133 Auf die Währung der Forderung kommt es nicht an.134 Die Fälligkeit der Forderung bestimmt sich nach der lex fori. Dies soll dem Schutz des Schuldners dienen.135
fer, BauR 2005, 1541, 1543; Coester-Waltjen, FS Beys, 2003, 183, 184; Wagner, IPRax 2005, 189, 191; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 43; ders., GPR 2003/04, 286, 287; Zöller/Geimer, ZPO, Anh II, EG-VO Europ Vollstreckungstitel, Art. 2 Rn. 1; Röthel/Sparmann, WM 2006, 2285, 2285. 127 Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1543-1544; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 8. 128 EuGH, Urteil v. 21.5.1980, Rs. C-125/79 Denilauler ./. Couchet Frères, Slg. 1980, 1553, Rn. 8. 129 OLG Stuttgart, NJW-RR 2007, 1583, 1584; Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU, § 5 Rn. 14. 130 Wagner, NJW 2005, 1157, 1158; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 51; ders., GPR 2003/4, 286, 287; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 4 EuVTVO Rn. 5; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 59, Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 8. 131 Hüßtege, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der Justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union, 113, 120–121. 132 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 59; Wagner, IPRax, 2005, 189, 190; Zöller/Geimer, ZPO, Anh II, EG-VO Europ Vollstreckungstitel, Art. 4 Rn. 2. 133 OLG München, Beschl. vom 30.4.2007, 6 W 687/07; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 4 EuVTVO Rn. 4; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 35. 134 Franzmann, MittBayNot 2005, 470, 472. Bezüglich des polnischen Rechts hat das Oberste Gericht beschlossen, dass eine Forderung in einer anderen Währung (als polnische Złoty) ebenfalls als Geldforderung zu betrachten ist. Siehe OG, Beschl. v. 28.4.1998, II CKN 712/97. 135 Gerling, Gleichstellung, S. 73; Amtliche Begründung der Kommission, KOM (2003) 341 endg., S. 3.
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1. Unbestrittene Forderungen nach der EuVTVO Die EuVTVO regelt verschiedene Kategorien von unbestrittenen Forderungen: aktiv unbestrittene Forderungen (Art. 3 lit. a und d EuVTVO), passiv unbestrittene Forderungen (Art. 3 lit. b EuVTVO) und nicht mehr bestrittene Forderungen (Art. 3 lit. c EuVTVO).136 Welcher Gruppe einzelne Forderungen zuzuordnen sind, hängt größtenteils von den mitgliedstaatlichen Regelungen ab: Trotz des Prinzips der autonomen Auslegung des Gemeinschaftsrechts verweist die EuVTVO für die Qualifikation der Forderungen auf die Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates.137 Aktiv unbestritten ist eine Forderung, wenn der Schuldner (1) sie im gerichtlichen Verfahren ausdrücklich anerkennt, (2) einem gerichtlich gebilligten oder einem im Laufe eines Verfahrens gerichtlich geschlossenen Vergleich zustimmt oder (3) die Forderung ausdrücklich in einer öffentlichen Urkunde anerkennt. Dann ist anzunehmen, dass der Schuldner durch sein aktives Verhalten ausreichend deutlich gemacht hat, dass er sich nicht verteidigen will.138 Im Falle passiv unbestrittener Forderungen und nicht mehr bestrittener Forderungen ist im fehlenden Widerspruch des Schuldners im gesamten gerichtlichen Verfahren oder in seiner Säumnis zugleich die Erklärung zu sehen, dass er die Forderung nicht mehr bestreiten will.139 Es geht um Situationen, in denen der Schuldner (1) der Forderung im gerichtlichen Verfahren nach den maßgeblichen Verfahrensvorschriften des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats
136 Diese Unterscheidung findet sich beispielsweise bei Hering, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 60. Dies ist jedoch nicht die einzige Unterteilung, welche im Schrifttum vorgeschlagen wird. Einige Autoren vertreten auch die Ansicht, dass die hier geregelten Forderungen in zwei Gruppen zu unterteilen sind: solche Forderungen, denen der Schuldner ausdrücklich zugestimmt hat, und solche, denen er unter Beachtung der maßgeblichen Verfahrensvorschriften nicht widersprochen hat. So beispielsweise Rellermeyer: „Typisch für die zweite Kategorie (der unbestrittenen Forderungen) ist, dass der Schuldner eine Aufforderung des Gerichts, zu der Forderung Stellung zu nehmen, außer Acht gelassen hat, und deshalb anzunehmen ist, dass er keine Einwände gegen die Forderung geltend macht (...). Hat der Schuldner der Forderung während des gesamten gerichtlichen Verfahrens nach den maßgeblichen Verfahrensvorschriften des Ursprungsmitgliedstaates zu keiner Zeit widersprochen, so ist von einer unbestrittenen Forderung auszugehen.“ Rpfleger 2005, 389, 393; ähnlich Beltz, D. 2005, S. 2702. 137 Siehe dazu Giebel, IPRax 2011, 529, 531; Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1544; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 229; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 3 EuVTVO Rn. 7. 138 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 90. 139 Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393.
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entweder zu keiner Zeit widersprochen hat140 oder (2) zu einer Gerichtsverhandlung über die Forderung nicht erschienen ist oder nicht vertreten wurde, nachdem er zuvor der Forderung vor dem Gericht widersprochen hatte und sofern ein solches Verhalten nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates als stillschweigendes Zugeständnis der Forderung oder des vom Gläubiger behaupteten Sachverhalts anzusehen ist.141 Im letztgenannten Fall handelt es sich um eine nicht mehr bestrittene Forderung. Die Erstreckung der EuVTVO auf passiv unbestrittene Forderungen und nicht mehr bestrittene Forderungen gibt ihr eine enorme praktische Bedeutung.142 Sie verleiht ihr aber auch große Brisanz.143 Die Ursachen der fehlenden Reaktion des Schuldners können gerade bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten vielfältig sein. Bei einer fehlenden positiven Aussage des Schuldners ist allein nach seinem Verhalten zu beurteilen, ob er die Forderung bestreiten will oder nicht.144 Die Verordnung beruht auf einer fiktiven Annahme, dass der Schuldner bewusst auf die Verteidigung verzichtet. Die Tatsache, dass der Schuldner vor Gericht nicht erscheint, muss allerdings nicht immer bedeuten, dass er entschieden hat, die Verteidigung seiner Rechte vor dem Gericht zu unterlassen. Die Abwesenheit des Schuldners könnte auch aus Unkenntnis über das eingeleitete Verfahren resultieren.145 Deshalb ist es notwendig sicherzustellen, dass der Schuldner rechtzeitig über die Einleitung des Verfahrens informiert wurde, so dass er die Möglichkeit hatte, sich zu verteidigen.146 2. Unbestrittene Forderungen nach deutschem und polnischem Recht a) Anerkennung durch den Schuldner (Art. 3 Abs. 1 lit. a EuVTVO) Unter dem Begriff der Anerkennung der Forderung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a EuVTVO ist eine Prozesshandlung des Beklagten zu verstehen,
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Durch die Schaffung der EuVTVO und insbesondere wegen der Einbeziehung von Versäumnisurteilen in den Anwendungsbereich der Verordnung gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO ist auch die Einführung eines einheitlichen Mahnverfahrens innerhalb der Europäischen Gemeinschaft dringend notwendig geworden: Gerling, Gleichstellung, S. 37. 141 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 66, die sich auf Rauscher, GPR 2004, 286, 288 beruft. 142 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 21; Mankowski, FS Kropholler, 2008, 829, 833. 143 Hess, NJW 2002, 2417, 2425. 144 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rn. 18. 145 „Nichtbeteiligung und Schweigen im Erststaat heißen eben nicht Zustimmung“: Mankowski, RIW 2004, 587, 588. 146 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rn. 18.
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die annehmen lässt, dass er die Forderung akzeptiert.147 Diese Auslegung folgt aus dem Verordnungsziel sowie aus den sonstigen Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 EuVTVO. Im deutschen Recht148 sind unter Art. 3 Abs. 1 lit. a EuVTVO vor allem das Anerkenntnisurteil nach § 307 ZPO149 und Prozessvergleiche150 einzuordnen. Unter die Prozessvergleiche fallen unter anderem der durch gerichtlichen Beschluss festgestellte Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO151 sowie Vergleiche, die im Prozesskostenhilfeverfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO oder im selbstständigen Beweisverfahren zustande gekommen sind.152 Nicht eindeutig ist, ob Anwaltsvergleiche (§ 796a ZPO) ebenfalls dem Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 lit. a EuVTVO unterfallen.153 Da es an der Beteiligung eines Gerichts fehlt, ist das auszuschließen. Allerdings können solche Vergleiche als öffentliche Urkunde im Sinne von Art. 25 der EuVTVO bestätigt werden. Im polnischen Recht sind als Entscheidungen, die aktiv unbestrittene Forderungen zum Gegenstand haben, sowohl Anerkennungsurteile154 (z. B. Art. 213 § 2, Art. 333 § 1 Nr. 2 poln. ZVGB), als auch vor Gericht (Art. 233 poln. ZVGB) oder in einer Güterverhandlung vor Einreichung der Klage geschlossene Vergleiche (Art. 184 ff. poln. ZVGB),155 die vor einem Mediator geschlossen und von einem Gericht bestätigt wurden (Art. 18312-15 poln. ZVGB), anzusehen.156 Ein weiteres Beispiel ist ein Vergleich, der in Bezug auf Arbeitnehmeransprüche vor dem Schiedsausschuss (Art. 251 bis 253 poln.
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Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 143. 148 Zu den nach deutschem Recht möglichen Vollstreckungstiteln siehe z. B. Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, Vorbem. IV § 704 Rn. 14; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 10, S. 145 ff. 149 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 36. 150 Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 456. Zum Rechtsinstitut des Prozessvergleichs siehe insb. Frische, Verfahrenswirkungen und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, S. 7 f. 151 Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 392. 152 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 36; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 73; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393. Siehe auch Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rn. 14-15. 153 Siehe die Darstellung der verschiedenen Argumente bei Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 36–37. Der Autor kommt zum Ergebnis, dass der Anwaltsvergleich sowie arbeitsrechtliche Vergleiche nach § 107 ArbGG oder § 11 Abs. 2 ArbGG als Vergleiche im Sinne von Art. 24 EuVTVO zu betrachten sind und als EuVTVO bestätigt werden können. 154 Poln.: wyroki z uznania. 155 Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 143. 156 Taborowski, IPRax 2007, 250, 251.
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1. Kapitel: Grundlagen
ArbGB)157 geschlossen wurde.158 Zur Vollstreckung eines solchen Vergleichs ist es notwendig, dass das Gericht eine Vollstreckungsklausel erteilt.159 Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch solche Vergleiche erfasst sind, die vor einer Vermögenskommission, die nach Art. 63 Abs. 4 des Gesetzes über das Verhältnis zwischen dem Staat und der Katholischen Kirche in der Republik Polen vom 17. Mai 1989160 tätig ist, abgeschlossen wurden. Gemäß Art. 65 Abs. 5 Nr. 3 dieses Gesetzes kann sich aus einem solchen Vergleich eine Schadenersatzpflicht ergeben.161 Ebenso kann als EuVT ein Verteilungsplan eines Haftungsbegrenzungsfonds für Seeansprüche, der in Art. 347 Abs. 1 des Seerechtsgesetzbuchs vom 18. September 2001 geregelt ist, bestätigt werden.162 Zweifel können dann entstehen, wenn der Beklagte den Klageanspruch im Prozess zunächst anerkennt, dieses Anerkenntnis jedoch später widerruft. Der Widerruf erfolgt nach polnischem Recht durch einseitige Erklärung des Beklagten gegenüber dem Gericht.163 Dabei kommt es darauf an, ob der Widerruf vor oder nach Erlass des Urteils durch das Gericht erster Instanz erhoben wird. Wird der Anspruch widerrufen, bevor das Urteil ergeht, ist die Forderung nicht unbestritten.164 Gibt der Schuldner die Erklärung über den Widerruf dagegen nach dem Erlass des Urteils ab, so ist der Widerruf nur ausnahmsweise wirksam.165 Der Widerruf führt auch nicht automatisch zur Aus-
157 Das Gesetz vom 26.6.1974 – Arbeitsgesetzbuch, Dz. U. 1998, Nr. 21, Pos. 94 m. sp. Änd. 158 Siehe auch Okońska, Rejent 2007, Nr. 2 (190), 90, 102–103; Arkuszewska, PPH 2006, Nr. 6, 41, 42. 159 Dann überprüft das Gericht, ob der Vergleich mit dem Recht und den Prinzipien der öffentlichen Ordnung übereinstimmt. Dies kann als gerichtliche Bestätigung des Vergleichs betrachtet werden – Art. 255 § 2 ArbGB. Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 143; Arkuszewska, PPH 2006, Nr. 6, 41, 42. 160 Dz. U. Nr. 29, Pos. 154 m. sp. Änd. 161 Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 143. 162 Dz. U. 2001, Nr. 138, Pos. 1545 m. sp. Änd. Dazu Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 143. 163 Appellationsgericht Łódź, Urteil v. 30.11.1995, I Acr 576/95, OSA 1995, Nr. 11– 12, Pos. 73 nach Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.),Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 143. 164 Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.),Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 144. 165 Siehe Urteil des Appellationsgerichts Łódź vom 30.11.1995, I Acr 576/95, OSA 1995, Nr. 11–12, Pos. 73 nach Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 144. Nach Ansicht des Gerichts kann der Widerruf des Anerkenntnisses nach dem Erlass eines Urteils nicht nur
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setzung der Vollstreckung. Das Urteil kann daher als EuVT bestätigt werden.166 Ein gerichtlicher Beschluss über die Vollstreckbarkeit eines vor einem Schiedsgericht geschlossenen Vergleichs oder eines von einem Schiedsgericht erlassenen Urteils kann aufgrund von Art. 2 Abs. 2 lit. a EuVTVO nicht als EuVT bestätigt werden.167 b) Passiv unbestrittene Forderungen (Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO) Angesichts der verschiedenen Voraussetzungen, die hinsichtlich der Unbestrittenheit einer Forderung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO vorliegen müssen, ist vor allem168 zwischen dem germanischen System, das beispielsweise in Deutschland, Österreich und der Schweiz vorherrscht, und dem romanischen System, das in Spanien, Italien, Frankreich und Portugal bekannt ist, zu unterscheiden. Das germanische System sieht vor, dass ein Mahnbescheid ergehen kann, ohne dass der Gläubiger den behaupteten Sachverhalt beweisen muss. Im romanischen System ist der Gläubiger dagegen verpflichtet, vorher ein Beweismittel vorzulegen (document justificatif).169 Das germanische System ist folglich für den Gläubiger günstiger, da es geringere Anforderungen stellt.170 Aufgrund von Systemunterschieden dürfen für den Schuldner allerdings keine benachteiligenden Wirkungen entstehen.171 Für die Annahme des Bestreitens einer Forderung durch den Schuldner ist ein formeller Widerspruch notwendig, d. h. ein formwirksames Vorbringen,172 das nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates verfahrensrechtlich beachtlich ist. Die lex fori entscheidet darüber, in welcher Weise der Widerspruch prozessual zu erfolgen hat.173 Insbesondere regelt das maßgebliche Recht, ob von der Entscheidung des Beklagten abhängig sein. Lediglich objektive Gründe, wie beispielsweise ein Irrtum oder psychischer Zwang, können den Widerruf begründen. 166 Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 144. 167 EuGH, Urteil v. 25.7.1991, Rs. C-190/89 Marc Rich ./. Societa Italiana Impianti, ECR 1999, S. I-3855; Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 144. 168 Gerling, Gleichstellung, S. 237; Tarzia, ZEuP 1996, 231, 234 f. 169 Gerling, Gleichstellung, S. 237. 170 Im Schrifttum wird behauptet, dass kaum eine andere Rechtsordnung dem Gläubiger so wenig abverlangt wie die deutsche; Gerling, Gleichstellung, S. 237 nach Schollmeyer, IPRax 2002, 478, 481. 171 Gerling, Gleichstellung, S. 237. 172 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 65. 173 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rn. 21; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 56; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 64.
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ein verspäteter Widerspruch wirksam ist.174 Über die materielle Begründetheit des Widerspruchs entscheidet die lex causae.175 Der Widerspruch ist nur im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens beachtlich.176 Im bloßen Bestreiten der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ohne Einlassung zur Sache ist kein Widerspruch im Sinne der EuVTVO zu sehen.177 Andererseits genügt schon die hilfsweise auf Klageabweisung gerichtete Einlassung zur Sache, um die Forderung als wirksam bestritten anzusehen.178 Die Verteidigung mit der eigenen Zahlungsunfähigkeit sollte nach einer Regelung im Kommissionsvorschlag zur EuVTVO aus dem Jahre 2002179 keinen Widerspruch darstellen. Die Regelung wurde jedoch im Laufe des Rechtssetzungsverfahrens gestrichen.180 Daher kann auch die Verteidigung mit der eigenen Zahlungsunfähigkeit die Bestätigung verhindern.181 Das Recht des jeweiligen Ursprungsmitgliedstaates entscheidet, ob diese Einwendung auch zur Unbegründetheit der Klage führt. So kann etwa nach dem deutschen Recht wirtschaftliches Unvermögen unter bestimmten Voraussetzungen eine materiellrechtliche Einwendung darstellen (§§ 275 II, 313 BGB). Ob das Berufen auf die eigene Zahlungsunfähigkeit ein Bestreiten der Forderung darstellt, hängt mithin davon ab, was der Schuldner im Einzelfall konkret zu seiner Verteidigung geltend macht. aa) Die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO im deutschen Recht Titel, die nach deutschem Recht unter Art. 3 Abs. 1 lit. b und lit. c EuVTVO fallen, stellen den größten Anteil von Entscheidungen dar, die als EuVT bestätigt werden können. In der zivilrechtlichen Praxis werden sie am häufigsten
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Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 3 EuVTVO, Rn. 7. Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 57. 176 Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 56; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rn. 22. 177 Giebel, IPRax 2011, 529, 531; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 3 EGVollstrTitelVO Rn. 22; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 3 EuVTVO Rn. 5; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 64; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 55. 178 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rn. 23. 179 KOM (2002) 159 endg., 22. 180 KOM (2004) 90, 4. 181 So auch Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 65; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393. 175
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erlassen.182 Nach deutschem Recht werden von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO vor allem Versäumnisurteile183 und Vollstreckungsbescheide (§ 699 ZPO) umfasst.184 Bei der Einordnung der deutschen Versäumnisurteile in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 EuVTVO muss zwischen Versäumnisurteilen im schriftlichen Vorverfahren und Versäumnisurteilen, die in der mündlichen Verhandlung erlassen werden, unterschieden werden.185 Entscheidend ist hierbei, in welchem Verfahrensstadium der Schuldner säumig war: Beim ersten Termin ist Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO einschlägig. Wenn es sich aber um die Säumnis des Schuldners bei einem späteren Verhandlungstermin handelt, kann Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO anwendbar sein.186 Nach § 331 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 276 Abs. 1 ZPO wird ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlassen, wenn er es im schriftlichen Vorverfahren unterlässt, seine Verteidigungsbereitschaft innerhalb der Notfrist von zwei Wochen anzuzeigen.187 Erscheint der Schuldner zu keinem Zeitpunkt zur mündlichen Verhandlung bzw. verhandelt er trotz seines Erscheinens nicht (§ 338 ZPO) oder ist er im Verfahren mit Anwaltszwang nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten,188 so ergeht gemäß § 331 Abs. 1 und 3 ZPO ein Versäumnisurteil über eine unbestrittene Forderung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO. Der säumige Schuldner darf dann allerdings Einspruch erheben, wodurch der Prozess in die Lage zurückversetzt wird, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand (§ 342 ZPO).189 Auch das Urteil, das gemäß § 341 ZPO gefällt wird, wenn ein Einspruch gegen ein Versäumnisurteil als unzulässig verworfen wurde, kann eine 182
Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 61; Hess, NJW 2002, 2417, 2425; Gebauer, NJ 2006, 103, 104; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 37. 183 Hüßtege, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, S. 113, 121; ders., FS Jayme, 2004, 371, 373; Rauscher, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 54. 184 Hök, ZAP 2005, 159, 161; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 64; Hüßtege, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, 113, 121. 185 Zum Teil wird behauptet, dass das Versäumnisurteil ohne jede Differenzierung dem Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO unterfällt. Kritisch dazu Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 63. 186 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 62 f. 187 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 62; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 331, Rn. 15; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, Vorbem. § 331, Rn. 9. 188 BGHZ 63, 94; BGH NJW 1976, 196. 189 Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 342, Rn. 2.
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unbestrittene Forderung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO darstellen.190 Von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO werden außerdem die nach deutschem Recht ergangenen Vollstreckungsbescheide erfasst. Der Schuldner, der den Antrag gestellt hat, kann nach Zustellung eines Mahnbescheids binnen einer bestimmten Frist gegen den geltend gemachten Anspruch Widerspruch erheben (§ 694 ZPO). Tut es dies fristgemäß, wird auf Antrag des Gläubigers zum Urteilsverfahren übergegangen (§§ 696, 697 ZPO). Wird kein Widerspruch erhoben, so erlässt das Gericht auf Antrag einen Vollstreckungsbescheid (§ 699 ZPO). Dadurch wird die Forderung zu keiner Zeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO bestritten.191 Gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist es ausgeschlossen, dass gegen die nicht erschienene Partei ein Versäumnisurteil oder eine Entscheidung nach Lage der Akten ergeht, wenn sie nicht ordnungsgemäß, insbesondere nicht rechtzeitig, geladen wurde. Nach deutschem Recht ist ein verspäteter Widerspruch für die prozessrechtliche Lage des Beklagten ohne Bedeutung. In diesem Fall ergeht allerdings ein Vollstreckungsbescheid, welcher gemäß § 700 Abs. 3 ZPO einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleichstellt wird. Der verspätete Widerspruch ist dann als Einspruch zu betrachten (§ 694 Abs. 2 ZPO).192 bb) Die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO im polnischen Recht Unbestrittene Forderungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO sind im polnischen Recht insbesondere das Versäumnisurteil, der Zahlungsbefehl in einem Mahnverfahren, in dem der Schuldner keinen Widerspruch erhoben hat, und der Zahlungsbefehl in einem Befehlsverfahren, in dem der Schuldner keinen Einspruch erhoben hat.193 Ein Versäumnisurteil wird dann erlassen, wenn der Schuldner vor Gericht nicht erscheint oder trotz Anwesenheit nicht an der Verhandlung teilnimmt (Art. 339 § 1 poln. ZVGB). Dann gelten die Behauptungen des Klägers, die in der Klageschrift oder in den weiteren Prozessschriftsätzen, die dem Beklagten vor der mündlichen Verhandlung zugestellt wurden, vorgebracht werden. Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Vorbringen keine begründeten Zweifel in
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Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 38. Hüßtege, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, S. 133, 121. 192 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 64, Fn. 311. 193 Frey, Pr. i P. UE 2005, Nr. 12, S. 6; Okońska, Rejent 2007, Nr. 2, S. 90; Radwan, EPS 2007, Nr. 11, S. 17. 191
C. Anwendungsbereich der EuVTVO und erfasste Titel
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Bezug auf die Übereinstimmung mit der tatsächlichen Sachlage erweckt (Art. 339 § 2 poln. ZVGB).194 Die Abwesenheit des Beklagten führt nicht zum Erlass eines Versäumnisurteils, wenn dieser zuvor einen Antrag auf Durchführung der Verhandlung in seiner Abwesenheit gestellt hat oder wenn er in der Sache bereits die notwendigen mündlichen oder schriftlichen Erklärungen abgegeben hat (Art. 340 poln. ZVGB). Wenn bis zum Verhandlungstag kein Nachweis über die Zustellung zugegangen ist, kann das Gericht binnen der zwei darauf folgenden Wochen in einer nichtöffentlichen Sitzung ein Versäumnisurteil erlassen, wenn es in dieser Zeit den Zustellungsnachweis erhalten hat. Vom Zeitpunkt der Unterzeichnung des Urteilsspruchs an ist das Gericht an dieses Urteil gebunden (Art. 341 poln. ZVGB). Nach Art. 342 poln. ZVGB ist das Versäumnisurteil vom Gericht zu begründen, wenn die Klage abgewiesen wurde und der Kläger binnen einer Woche die Begründung des Urteils beantragt. Die Wochenfrist beginnt mit der Zustellung. Die Begründung ist außerdem dann auszustellen, wenn der Kläger, der den Antrag nicht gestellt hat, Berufung eingelegt hat. Versäumnisurteile sind von Amts wegen beiden Parteien zuzustellen. Beide Parteien sind über die ihnen zustehenden Rechtsmittel zu belehren (Art. 343 poln. ZVGB). Wenn sich erst nach Erlass des Versäumnisurteils ergibt, dass der Beklagte im Augenblick der Einreichung der Klageschrift nicht prozess- oder parteifähig war oder ein Organ gehandelt hat, das zu seiner Vertretung nicht befugt war, hebt das Gericht das Versäumnisurteil von Amts wegen auf und erlässt einen entsprechenden Beschluss (Art. 3431 poln. ZVGB). Der Beklagte, gegen den ein Versäumnisurteil ergangen ist, kann innerhalb einer Woche vom Tag der Zustellung an Einspruch gegen das Versäumnisurteil einlegen (Art. 344 § 1 poln. ZVGB). Für die Überprüfung des Einspruchs ist das Gericht zuständig, welches das Versäumnisurteil erlassen hat. Gemäß Art. 344 § 2 poln. ZVGB muss der Beklagte im Schriftsatz, der den Einspruch enthält, alle Einwendungen gegen den Klageantrag sowie die notwendigen Tatsachen und Beweise vorbringen. Ein Einspruch, der nach Ablauf der Frist eingelegt wurde, wird vom Gericht in einer nichtöffentlichen Sitzung von Amts wegen verworfen, falls die Mängel des Einspruchs von der Partei binnen der vom Vorsitzenden festgesetzten Frist nicht behoben wurden (Art. 344 § 3 poln. ZVGB). Geht der Einspruch dagegen ordnungsgemäß ein, so ordnet der Vorsitzende dessen Zustel194 Siehe Art. 230 poln. ZVGB: Falls eine der Parteien keine Erklärung in Bezug auf die Tatsachenbehauptungen der Gegenpartei abgibt, so kann das Gericht diese Tatsachen unter Würdigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung als zugestanden ansehen. Siehe dazu beispielsweise OG, Beschl. vom 27.5.1971, II CR 122/71, nicht veröffentlicht, sowie Appellationsgericht Rzeszów in der Begründung des Urteils vom 9.1.1998, I Aca 345/97, OSA 1998/11-12, S. 53. Nach Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 19.
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1. Kapitel: Grundlagen
lung an den Kläger an. Gleichzeitig beraumt er einen Verhandlungstermin an. Auf Antrag des Beklagten setzt das Gericht die sofortige Vollstreckbarkeit des Versäumnisurteils aus. Nach erneuter Entscheidung in der Sache erlässt das Gericht ein Urteil, in welchem das Versäumnisurteil entweder aufrechterhalten oder aufgehoben und über den Klageantrag entschieden wird. Zudem besteht die Möglichkeit, dass das Gericht die Klage verwirft oder das Verfahren einstellt (Art. 347 poln. ZVGB). Darüber hinaus ist unter bestimmten Voraussetzungen die Appellation, also ein ordentliches Rechtsmittel gegen das Versäumnisurteil, statthaft. Die Appellation ist bei dem Gericht, welches das angefochtene Urteil erlassen hat, binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils samt Begründung einzulegen (Art. 369 poln. ZVGB). Wenn daraufhin vor dem Gericht zweiter Instanz eine Verhandlung stattfindet und eine der Parteien nicht erscheint, so ist das dann erlassene Urteil kein Versäumnisurteil (Art. 376 poln. ZVGB). Nach dem poln. ZVGB muss für den Erlass eines Versäumnisurteils nachgewiesen werden, dass die Ladung dem Beklagten ordnungsgemäß zugestellt wurde. Wie auch alle anderen Titel, müssen Versäumnisurteile mit einer Vollstreckungsklausel versehen werden. Das Gericht, welches das Urteil erlassen hat, erklärt es von Amts wegen für sofort vollstreckbar,195 indem es eine Vollstreckungsklausel erteilt (Art. 333 § 1 Nr. 3 poln. ZVGB). Die sofortige Vollstreckbarkeit gilt ab dem Zeitpunkt der Verkündung des Urteils oder des Beschlusses, der für vollstreckbar erklärt wurde. Wurde das Urteil bzw. der Beschluss nicht verkündet, gilt die sofortige Vollstreckbarkeit ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Urteilsspruchs (Art. 336 poln. ZVGB). Das Gericht kann die sofortige Vollstreckbarkeit von einer entsprechenden Sicherheitsleistung durch den Kläger abhängig machen (Art. 334 § 1 poln. ZVGB). Allerdings wird die sofortige Vollstreckbarkeit nicht erklärt, wenn infolge der Vollstreckung ein unersetzlicher Schaden für den Schuldner entstehen könnte (Art. 335 § 1 S. 1 poln. ZVGB). Ein Versäumnisurteil kann auch in einem Sonderverfahren über Wirtschaftssachen ergehen. Der Beklagte muss dafür binnen zwei Wochen ab dem Tage der Zustellung des Zahlungsbefehls eine Klageerwiderung einreichen (Art. 47914 poln. ZVGB).196 c) Nicht mehr bestrittene Forderungen (Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO) Bleibt der Beklagte, nachdem er zunächst im Prozess die geltend gemachte Forderung substantiiert bestritten hat,197 im Verlauf der weiteren gerichtlichen 195
Poln: rygor natychmiastowej wykonalności. Taborowski, IPRax 2007, 250, 252; Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 146. 197 Rauscher, GPR 2004, 286, 288. 196
C. Anwendungsbereich der EuVTVO und erfasste Titel
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Verhandlungen säumig,198 so kommt der Fall einer nicht mehr bestrittenen Forderung in Betracht.199 Die maßgebliche lex fori muss dabei dem Nichtbestreiten eine Zugeständnisfunktion beimessen. Nach deutschem Recht können die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO vorliegen, wenn der Schuldner gegen das Versäumnisurteil gemäß § 345 ZPO Einspruch eingelegt hat.200 Der Schuldner widerspricht zunächst der Forderung, bleibt aber den darauf folgenden Gerichtsverhandlungen fern.201 Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner nach einer rechtzeitigen Anzeige seiner Verteidigungsabsicht im schriftlichen Vorverfahren im späteren Hauptverfahren säumig ist oder wenn der Schuldner nach einer prozessual wirksamen Verteidigung im ersten Termin einem späteren Termin der Verhandlung fernbleibt.202 Außerdem unterfallen Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO auch Versäumnisurteile, die dann ergangen sind, wenn der Schuldner der Forderung zuvor – etwa im Mahnverfahren – widersprochen hatte.203 Legt der Schuldner gegen den Mahnbescheid Widerspruch ein, erscheint aber dann nicht zum gerichtlichen Verhandlungstermin, so ist die Forderung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO nicht mehr bestritten. Ergeht nach dem streitigen Verfahren ein Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers gemäß § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO als zugestanden anzusehen.204 Im Unterschied zum polnischen Recht ist die Säumnis in diesen Fällen als stillschweigendes Zugeständnis des vom Gläubiger behaupteten Sachverhalts anzusehen.205
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Die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der einzelnen Absätze des Art. 3 EuVTVO hängt im deutschen Recht von dem Verfahrensstadium ab, in welchem der Schuldner säumig war. Im Einzelfall ist zu untersuchen, ob es um ein Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren oder aufgrund mündlicher Verhandlung geht und in welchem Verfahrensstadium der Schuldner säumig war. So Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 63. 199 Gebauer, NJ 2006, 103, 104: „Hintergrund dieser Regelung ist, dass es dem Gläubiger, der bereits den Weg der Vollstreckung nach der EuVTVO beschritten und eine Bestätigung als EuVT erwirkt hat, nach dessen Anfechtung durch den Schuldner nicht zugemutet werden soll, nunmehr das Vollstreckungsverfahren von vorne zu beginnen und ein Exequaturverfahren nach der EuGVO anzustreben.“ 200 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 3 EuVTVO, Rn. 9. 201 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 38. 202 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 38. 203 Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 58; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393; Gebauer, NJ 2006, 103, 104; Jennissen, InVo 2006, 218, 222. 204 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 3 EuVTVO, Rn. 9. 205 Stein, IPRax 2004, 181, 187 f.; ders., EuZW 2004, 679; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 66.
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1. Kapitel: Grundlagen
Nicht erfasst von dieser Norm sind aufrechterhaltende Versäumnisurteile, die nach der streitigen Verhandlung über einen Einspruch ergehen.206 Bestreitet der Schuldner die klägerische Forderung in erster Instanz in der Sache, ist aber als Berufungskläger in der Berufungsverhandlung säumig und unterliegt allein wegen dieses Nichterscheinens (gem. § 539 Abs. 1 ZPO), so liegt kein Fall des Nichtbestreitens im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO vor.207 Hinsichtlich der Urteile, die im Falle der anschließenden Säumnis des Berufungsklägers in der Berufung gefällt werden, gilt die von Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO vorausgesetzte Zugeständnisfiktion nicht.208 Das Urteil nach § 539 Abs. 2 ZPO hat einen anderen Charakter, weil diese Vorschrift die Säumnis des Berufungsbeklagten als Zugeständnis des vom Berufungskläger vorgetragenen Sachverhalts bewertet. Es liegt daher ein Fall des Nichtbestreitens vor.209 Auch die Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 331a ZPO stellt keine Entscheidung über eine unbestrittene Forderung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO dar. Auch hier beruht die Entscheidung des Gerichts nicht auf einer Zugeständnisfiktion.210 Im polnischen Recht findet Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO keine Anwendung.211 Gemäß Art. 340 poln. ZVGB kann nämlich trotz der Abwesenheit des Schuldners kein Versäumnisurteil ergehen, wenn der Schuldner die Forderung vorher mündlich oder schriftlich bestritten hat. Durch eine einmalige Handlung oder eine kurzfristige Aktivität des Beklagten im Verfahren ist der Erlass eines Versäumnisurteils ausgeschlossen. Im deutschen Schrifttum wird die Ansicht vertreten, dass Versäumnisurteile im polnischen Recht kontradiktorischen Entscheidungen gleichstehen.212 Diese Sichtweise verkennt jedoch, dass das Wesen des Versäumnisurteils auf der fehlenden Aktivität auf Seiten des Beklagten beruht. Ein Versäumnisurteil wird – wenn alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen – erlassen, weil der Beklagte nicht vor Gericht erscheint. Entscheidungen, die ohne Beteiligung des Beklagten erlassen werden, 206
Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen,
S. 67. 207
Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 3 EuVTVO, Rn. 9. Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rn. 40; Wagner, IPRax 2005, 189, 193; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 38. 209 Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU, § 5 Rn. 20; Jennissen, InVo 2006, 218, 223. 210 Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 60; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 68; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rn. 39. A. A. Hök, ZAP 2005, 159, 166. 211 Taborowski, IPRax 2007, 251, 252; Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 147. 212 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 56. 208
C. Anwendungsbereich der EuVTVO und erfasste Titel
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können als unbestrittene Urteile im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO bestätigt werden. Der Ausschluss von in Polen erlassenen Versäumnisurteilen aus dem Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO bedeutet nicht, dass nach polnischem Recht Versäumnisurteile kontradiktorischen Urteilen gleichstehen. Dogmatisch weisen beide Titelarten wesentliche Unterschiede auf. d) Öffentliche Urkunden (Art. 3 Abs. 1 lit. d EuVTVO) In den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 lit. d EuVTVO fallen in Deutschland vor allem notarielle Urkunden nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Im polnischen Recht kommen notarielle Rechtsakte, in welchen sich der Schuldner bezüglich einer bestimmten Geldforderung der Vollstreckung unterwirft (Art. 777 § 1 Nr. 4 bis 6 poln. ZVGB), in Betracht. Umstritten ist, ob auch sog. Bankvollstreckungstitel,213 die aufgrund des Gesetzes über das Bankrecht vom 28.8.1997214 erlassen werden, in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 lit. d EuVTVO fallen.215 Einige Stimmen halten dies für ausgeschlossen: Ein Vollstreckungstitel dieser Art enthalte keine Erklärung des Schuldners, dass er die Forderung in einer bestimmten Höhe anerkenne.216 Nach zutreffender Ansicht aber kann auch der Bankvollstreckungstitel ein Vollstreckungstitel im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. d EuVTVO sein. Denn gemäß Art. 97 poln. BankG ist für die Ausstellung des Bankvollstreckungstitels die Zustimmung des Schuldners für eine etwaige Zwangsvollstreckung unabdingbar.217 Den notwendigen Inhalt der Erklärung des Schuldners regelt Art. 97 Abs. 2 poln. BankG. In dem vom Schuldner zu unterzeichnenden Dokument ist u. a. der Höchstbetrag anzugeben, bis zu dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden kann. Die Zustimmung des Schuldners bezieht sich auf die Zwangsvollstreckung aus einer bestimmten Forderung. Daher kann die Zustimmung des Schuldners in einem Bankvoll213 Zu den Bankvollstreckungstiteln im polnischen Recht siehe beispielsweise Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 152 f. 214 Vereinheitlichte Fassung in Dz. U. 2003, Nr. 60, Pos. 535 m. sp. Änd. Hier als poln. BankG bezeichnet. 215 In der polnischen Rechtssprache wurde der Begriff „Europäischer Exekutionstitel“ – Europejski Tytuł Egzekucyjny dla roszczeń bezspornych – eingeführt, was im Hinblick auf das Zwangsvollstreckungsrecht nicht ganz unproblematisch klingt. Man unterscheidet nämlich zwischen einem Vollstreckungstitel (tytuł wykonawczy) und einem „Exekutionstitel“ (tytuł egzekucyjny). Tytul wykonawczy entspricht der deutschen vollstreckbaren Ausfertigung, die weiterhin nach dem Versehen mit einer Vollstreckungsklausel (§ 724 ZPO) zu einem Exekutionstitel wird. 216 Okońska, Rejent 2007, Nr. 2 (190), 90, 103. Siehe auch Szpunar, Rejent 2000, Nr. 12, 96–97. So auch Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 145. 217 Poln: oświadczenie o poddaniu się egzekucji.
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1. Kapitel: Grundlagen
streckungstitel als Anerkenntnis im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit d EuVTVO betrachtet werden. Zu beachten ist allerdings, dass für die Ausstellung eines Bankvollstreckungstitels der Bank entweder eine Geldforderung oder eine Herausgabeforderung bezüglich einer gepfändeten Sache zustehen muss. Nur die Bankvollstreckungstitel der erstgenannten Art können als EuVT bestätigt werden.218 e) Entscheidungen nach Anfechtung (Art. 3 Abs. 2 EuVTVO) Nach Art. 3 Abs. 2 EuVTVO gilt die Verordnung auch für Entscheidungen, die nach Anfechtung von bereits als EuVT bestätigten Titeln ergangen sind.219 Diese Vorschrift erweitert den Anwendungsbereich der EuVTVO auch auf bestrittene Forderungen, die in einem streitigen Verfahren festgestellt wurden.220 Art. 3 Abs. 2 EuVTVO findet jedoch keine Anwendung auf Entscheidungen, die auf einer Anfechtung vor Bestätigung eines Urteils als EuVT beruhen.221 Im deutschen Recht kommen als Fälle des Art. 3 Abs. 2 EuVTVO insbesondere Urteile in Betracht, die im Verfahren nach einem durch den Schuldner eingelegten Einspruch gegen ein Versäumnisurteil gefällt werden. Diese Urteile sind eigentlich streitige Urteile.222 Im polnischen Recht ist Art. 3 Abs. 2 EuVTVO dann anwendbar, wenn Einspruch gegen ein Versäumnisurteil, das als EuVT bestätigt wurde, eingelegt und nach der Appellation ein neues Urteil erlassen wird.223 Gemäß Art. 6 Abs. 3 EuVTVO ist dann eine neue Bestätigung notwendig. Dies betrifft auch Entscheidungen des polnischen Obersten Gerichtes.224 Für den Schuldner hat diese Regelung zur Folge, dass er der Vollstreckung aufgrund eines EuVT nicht dadurch entgehen kann, dass er den 218
So auch Kaczmarek, EP 2006, 3, 5. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Anh. § 1086, Art. 3 EuVTVO Rn. 2; Wagner, NJW 2005, 1157, 1158; ders., IPRax 2005, 189, 193; Bittmann, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 28 Rn. 28; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393. 220 Jennissen, InVo 2006, 218, 223; Mankowsky, RIW 2004, 587; Stadler, IPRax 2004, 2, 4; Wagner, IPRax 2005, 189, 193; ders., NJW 2005, 1157, 1158; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Anh. § 1086, Art. 3 EuVTVO Rn. 2; Bittmann, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 28, Rn. 28. 221 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 3 EuVTVO, Rn. 14. 222 Coester-Waltjen, Jura 2005, 394. 223 Erhebt der Schuldner Einspruch, so kann das Versäumnisurteil entweder aufgehoben oder aufrechterhalten werden. Wird es aufrechterhalten, so ist dieses Urteil – nicht aber die Entscheidung über seine Aufrechterhaltung – ein Vollstreckungstitel. Siehe Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.),Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 148. 224 Das poln. Oberste Gericht wird im Rahmen der weiteren Untersuchung als OG bezeichnet. 219
C. Anwendungsbereich der EuVTVO und erfasste Titel
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Rechtsstreit über die zunächst unbestrittene Forderung in ein streitiges Verfahren überleitet.225 Aus Sicht des Schuldners kann die Erstreckung des Anwendungsbereichs der EuVTVO auf die Rechtsbehelfsentscheidungen nach Art. 3 Abs. 2 EuVTVO problematisch sein, da oft Forderungen, die in der Tat nicht unbestritten sind, von der Verordnung als unbestritten betrachtet werden, und zwar mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Art. 3 Abs. 2 EuVTVO verstärkt somit die rechtliche Position des Gläubigers. III. Räumlicher Anwendungsbereich der EuVTVO Den räumlich-territorialen Anwendungsbereich der Verordnung bestimmt Art. 2 Abs. 3 EuVTVO. Die EuVTVO gilt danach in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks.226 Alle Mitgliedstaaten können Vollstreckungsmitgliedstaaten im Sinne von Art. 4 EuVTVO sein.227 IV. Zeitlicher Anwendungsbereich der EuVTVO Die EuVTVO bezieht sich auf Entscheidungen, die seit ihrem Inkrafttreten am 21.10.2005 ergangen sind, und auf gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden (Art. 26 EuVTVO), die seitdem geschlossen bzw. ausgestellt wurden.228
225
Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen,
S. 81. 226
Dänemark beteiligt sich an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nicht. Die Rechtslage Dänemarks regelt das Abkommen vom 19.10.2005 über die Anwendung der EuGVVO in der Beziehungen der übrigen Mitgliedstaaten zu Dänemark sowie das Abkommen vom 19.10.2005 über die Anwendung der Zustellungsverordnung Nr. 1348/2000; ABl. EG Nr. L 94/70 vom 4.4.2007. Beide Rechtsakte sind am 1.7.2007 in Kraft getreten. Sie wurden in ABl. EG Nr. L 299/61 vom 16.11.2005 und ABl. EG L 300/53 vom 17.11.2005, veröffentlicht: IPRax 2005, 485 f. und IPRax 2006, 543; Nielsen, IPRax 2007, 506 ff.; Duintjer Tebbens, in: Rett og toleranse (FS Helge Thue), 2007, S. 449 ff.; Jayme/Kohler, IPRax 2007, 493, 499; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 56 und die dazu in Fn. 256 angeführte Literatur. 227 Nach Art. 4 Nr. 5 EuVTVO ist "Vollstreckungsmitgliedstaat" der Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung der/des als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidung, gerichtlichen Vergleichs oder öffentlichen Urkunde betrieben wird. 228 Gebauer, NJ 2006, 103; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 57.
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1. Kapitel: Grundlagen
D. Das Recht auf rechtliches Gehör im Anerkennungs- und Vollstreckungsrecht in der EU D. Das Recht auf rechtliches Gehör im Anerkennungsrecht in der EU
I. Rechtliches Gehör – allgemeine Bedeutung und Funktion In der Verfassungslehre hat das Recht auf rechtliches Gehör im Verfahren einerseits den Charakter eines subjektiven öffentlichen Grundrechts,229 welches in den Rechtsvorschriften zu gewährleisten ist. Das Recht auf rechtliches Gehör der Prozessparteien bedeutet im Allgemeinen, dass diese vor Gericht anzuhören sind, bevor eine Entscheidung über ihre Rechte und Pflichten fällt.230 Dies gewährleistet, dass die erlassene Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ist, die darauf beruhen, dass die Parteien keine Kenntnis vom Verfahren haben, weshalb sie sich am Verfahren nicht beteiligen können und ihr Sachvortrag nicht berücksichtigt werden kann.231 Zugleich ist die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs unverzichtbares Element eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens.232 Sie sichert Waffengleichheit233 und dient der Befolgung des Prinzips audiatur et altera pars. Dies bezieht sich auf alle Arten von Verfahren, unabhängig davon, ob sie nationalen oder internationalen Charakter aufweisen. Das rechtliche Gehör ist ferner auf der Ebene des Völkerrechts verankert.234 Aus den Regeln des allgemeinen Völkerrechts lässt sich ein völker229 „Das Recht beider Parteien auf Gehör im Prozess war seit jeher bekannt und anerkannt als ein Gebot der Gerechtigkeit, der Richtigkeit der Entscheidung dienendes Prinzip.” Siehe Schwarz, Gewährung und Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, S. 10. 230 BVerfGE 86, 133, 144; Frank, Das verfahrenseinleitende Schriftstück, S. 59. 231 Marx, Der verfahrensrechtliche ordre public bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in Deutschland, S. 108. 232 Siehe bezüglich der Rolle des Art. 103 Abs. 1 GG für den Zivilprozess Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 243. 233 Zur Frage des Zusammenspiels zwischen diesen verschiedenen Prinzipien siehe beispielsweise Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, S. 5: „Der Anspruch auf rechtliches Gehör berührt sich in vielfacher Hinsicht mit anderen Verfahrens- und Verfassungsgrundsätzen. Es sind dies insbesondere der Beibringungsgrundsatz, der Justizgewährungsanspruch, der allgemeine Gleichheitssatz, das Recht auf ein faires Verfahren und die materiellen Grundrechte.“ Siehe auch Miehsler/Vogler, in: Golsong u. a., (Hrsg.) Internationaler Kommentar zur EMRK, Art. 6 Rn. 366; Minelli, Faires Verfahren im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der EMRK, in: DACH Europäische Anwaltsvereinigung e. V., Das faire Verfahren nach Art. 6 EMRK (28. Tagung der DACH in Bregenz vom 15. bis 17. Mai 2003), S. 29, 49; Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 324. 234 Auf der Ebene des Völkerrechts lassen sich noch andere Grundlagen des Rechts auf rechtliches Gehör finden, wie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) mit Beschwerderecht vor dem Ausschuss für Menschenrechte der UN in Genf, der im Wesentlichen denselben Menschenrechtsschutz wie die EMRK gewährt. Text auf . Zur rechtlichen Grundlage dieses Rechts: Matt, Europäische Verfahrensgrundrechte in Strafverfahren, in: DACH
D. Das Recht auf rechtliches Gehör im Anerkennungsrecht in der EU
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rechtlicher Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs des Beklagten ableiten, was eine Kehrseite seiner Gerichtspflichtigkeit im Inland darstellt.235 II. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör im Unionsrecht 1. Grundlagen im Primärrecht (Art. 6 EUV) Die Europäische Union achtet die Grundrechte236 und ist an sie bei allen ihren Tätigkeiten gebunden.237 Das Gebot der Achtung der Menschenrechte ist im Primärrecht verankert. Art. 6 EUV238 errichtet ein dreisäuliges System des Grundrechtsschutzes in der EU.239 Gemäß Art. 6 Abs. 1 erkennt die Union die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 niedergelegt sind. Zudem sind die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts (Art. 6 Abs. 3 EUV). Die letztgenannte Vorschrift normiert die Rechtserkenntnisquellen, die der EuGH bei der Feststellung der Geltung der Unionsgrundrechte in Betracht zieht.240 Der EuGH greift in seiner schon seit den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelten Rechtsprechung insbesondere auf die Vorgaben der EMRK zur Frage des Menschenrechtsschutzes241 und auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten zurück. Aus dieser Grundrechte-Rechtsprechung lässt sich eine gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsdogmatik ableiten.242
Europäische Anwaltsvereinigung e. V., Das faire Verfahren nach Art. 6 EMRK (28. Tagung der DACH in Bregenz vom 15. bis 17. Mai 2003), S. 15, 17. 235 Geimer, IZPR, Rn. 2088. 236 Zur Entwicklung des Grundrechtsschutzes siehe z. B. Mancini, CML Rev. 1989, 595, 606 ff. 237 Beispielsweise v. Bogdandy, JZ 2001, 157 ff.; Jacobs, ELR 26 (2001), 331 ff.; Ehlers, Jura 2002, 468 ff. 238 Geändert durch den Vertrag von Lissabon. 239 Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 51-54,Vorb. Rn. 12. 240 Zur Frage der Rechtsquellen der Gemeinschaftsgrundrechte in Art. 6 EUV siehe insbesondere EuGH, Urteil v. 28.3.2000, Rs. C-7/98, Krombach ./. Bamberski, NJW 2000, 1853 = EuGRZ 2000, 160, 161, Rn. 27; EuGH, Urteil v. 15.12.1995, Rs. C-115/93, Bosman, Slg. I-04921, Rn. 8. Siehe auch Matscher, IPRax 2001, 428, 428. 241 Stolz, JuS 2002, 541, 543. 242 Vedder, in: Bottke/Möllers/Schmidt (Hrsg.), Recht in Europa, 315, 319–320.
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1. Kapitel: Grundlagen
2. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wurde die Charta der Grundrechte der Europäischen Union rechtsverbindlich.243 Während die Union zuvor aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Achtung der Grundrechte verpflichtet war, vereint nunmehr die Charta in einem einzigen, kohärenten und rechtsverbindlichen Instrument die für die Organe und Einrichtungen der EU bindenden Grundrechte.244 Durch die Einführung der Charta der Grundrechte wurde dem Mangel eines geschriebenen verbindlichen Grundrechtekatalogs abgeholfen.245 Die Achtung der Justizgrundrechte innerhalb der Europäischen Union ist in den Art. 47 ff. der Charta der Grundrechte normiert,246 auf welche sich auch die Präambel der EuVTVO beruft.247
243 Beispielsweise Wolffgang, in: Lenz/Borchard (Hrsg.), EU-Verträge, Anm. zu Art. 6 Rn. 1 ff. 244 Polen hat – neben dem Vereinigten Königreich – die Grundrechtecharta mit gewissen Sonderregelungen angenommen: So bestimmt Art. 1 des Protokolls Nr. 30 zum Vertrag von Lissabon „Über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Polen und das Vereinigte Königreich“: „(1) Die Charta bewirkt keine Ausweitung der Befugnis des Gerichtshofs der Europäischen Union oder eines Gerichts Polens oder des Vereinigten Königreichs zu der Feststellung, dass die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die Verwaltungspraxis oder -maßnahmen Polens oder des Vereinigten Königreichs nicht mit den durch die Charta bekräftigten Grundrechten, Freiheiten und Grundsätzen im Einklang stehen. (2) Insbesondere – und um jeden Zweifel auszuräumen – werden mit Titel IV der Charta keine für Polen oder das Vereinigte Königreich geltenden einklagbaren Rechte geschaffen, soweit Polen bzw. das Vereinigte Königreich solche Rechte nicht in seinem nationalen Recht vorgesehen hat.“ Allerdings bleibt die Grundrechtecharta ohne jede Einschränkung Prüfungsmaßstab für unionale Maßnahmen, insbesondere Verordnungen und Richtlinien. Siehe Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 51-54, Vorb., Rn. 17. 245 Die Charta wird vom EuGH als Rechtserkenntnisquelle herangezogen, siehe EuGH, T-233, Kogyo ./. Kommission, 2003 II 2553, Rn. 194; EuG, T-211/02, Signal/Kommission, 2002 II 3781, Rn. 37; Raucher/Leible, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 34 Brüssel I-VO Rn. 11. 246 Martiny, FS Sonnenberger 2004, 523, 536–537; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 4, Rn. 13. 247 Diese Frage regelt Kapitel VI über die justiziellen Rechte, auch das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht. Art. 47 lautet: „Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht: Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.
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3. Rechtserkenntnisquellen für das Unionsrecht Trotz der Einführung des verbindlichen Grundrechtskatalogs verliert die Rechtsprechung des EuGH bezüglich der Bestimmung der Grundrechte als allgemeine Grundsätze des Unionsrechts nicht seine Bedeutung. Nach wie vor beruht die Rechtsprechung des EuGH auf zwei Rechtserkenntnisquellen: Einerseits stützt sie sich auf die EMRK und andererseits auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten. Es ist daher denkbar, dass der EuGH die Grundrechtecharta, gestützt auf diese beiden Rechtserkenntnisquellen, um weitere Grundrechte ergänzt. a) Art. 6 Abs. 1 EMRK Die EMRK spielt für die Geltung der Menschenrechte in Europa und die Entwicklung des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes eine herausragende Rolle.248 Sie wird daher oftmals als „Magna Charta“ des Europäischen Prozessrechts bezeichnet.249 Die Frage des gegenseitigen Verhältnisses beider Grundrechtsordnungen und der Grundrechte-Rechtsprechung des EuGH und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zueinander gehört zu den umstrittensten Fragen in der wissenschaftlicher Diskussion der letzten Jahrzehnte. Zurzeit ist die Europäische Union noch nicht als Vertragspartei an die EMRK gebunden.250 Die bestehenden Pläne der EU zum Beitritt zur EMRK und zur Übernahme der Rechtsprechung ihrer Organe als bindendes und gegenüber dem Gemeinschaftsrecht höherrangiges Recht sollen aber in nächster Zukunft durchgeführt werden. Alle Mitgliedstaaten der EU sind gleichzeitig Mitgliedstaaten der EMRK.251 In Deutschland gilt die EMRK seit ihrem Inkrafttreten am 3.9.1953.252 Sie hat formell den Rang eines einfachen Gesetzes253 (Art. 59 Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.” 248 Generell sind durch die EMRK die Freiheitsrechte geschützt, die sich in verschiedene Gruppen gliedern lassen: status negativus/liberatis (Abwehr- und Freiheitsrechte), status positivus (Leistungsrechte), status activus (staatsbürgerliche Rechte) und status processualis (Verfahrensgarantien). Das Recht auf rechtliches Gehör gehört der letztgenannten Gruppe an. Siehe Föhlisch, Der gemeineuropäische ordre public, S. 47. 249 Schubert-Panecka, Die Europäisierung des internationalen Zivilverfahrensrechts in Polen, S. 18. Siehe auch Krüger/Polakiewicz, EuGRZ 2001, 92, 94. 250 Alber/Widmaier, EuGRZ 2000, 497, 504; Callewaert, EuGRZ 2003, 198, 202; Matscher, IPRax 2001, 428, 429. 251 Siehe Adolphsen, in: Renzikowski (Hrsg.), Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, S. 39, 43. 252 Die Konvention trat nach der Hinterlegung der 10. Ratifikationsurkunde in Kraft (Art. 66 Abs. 2 EMRK). Für die Bundesrepublik Deutschland (einschließlich Westberlin) wurde die EMRK durch das Gesetz vom 7.8.1952 mit Gesetzeskraft veröffentlicht. Das
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Abs. 2 GG) und spielt vor allem als Hilfe bei der Auslegung des Grundgesetzes eine wichtige Rolle.254 In Polen wurde die EMRK am 26.11.1991 vom Präsidenten unterzeichnet und am 19.1.1993 ratifiziert.255 Der im Verhältnis zum einfachen Recht vorrangige Status der EMRK ist in Polen in den Verfassungsvorschriften verankert.256 In seiner Grundrechte-Rechtsprechung greift der EuGH jeweils auf konkrete Normen der EMRK zurück. Geht es um Fragen des Rechts auf rechtliches Gehör, so bezieht sich der EuGH auf Art. 6 Abs. 1 EMRK,257 in dem einheitliche Standards des Zivilrechtsschutzes in Europa festgelegt sind.258 Art. 6 Abs. 1 EMRK wird in der Rechtsprechung des EuGH als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts herangezogen,259 wodurch die in dieser Vorschrift verbürgten Rechte in diesem Sinne zum Grundrechtsstandard der Union gehören.260 Art. 6 Abs. 1 EMRK besagt, dass jedermann vor Gericht insbesondere das Recht auf rechtliches Gehör zusteht.261 Diese Vorschrift garantiert262 einerGesetz, das am 22.8.1952 verkündet wurde, trat am 23.8.1952 in Kraft. Pieck, Der Anspruch auf ein rechtstaatliches Gerichtsverfahren, S. 3. 253 Blomeyer, Zivilprozeßrecht – Erkenntnisverfahren, § 22, S. 93; Herzog, DÖV 1959, 44 ff. Verschiedene Meinungen dazu stellt Ellger, RabelsZ 63 (1999), 625, 631 dar. 254 BVerwGE 52, 313, 334; BVerfG, EuGRZ 1987, 203, 206. 255 Dz. U. 1993, Nr. 61, Pos. 61, S. 284 und Dz. U. 1998, Nr. 147, Pos. 962. 256 Streinz, Europarecht, Rn. 57 f. 257 Hess, FS Jayme, 2004, 339, 348 ff.; Schubert-Panecka, Die Europäisierung des internationalen Zivilverfahrensrechts in Polen, S. 138; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 118: „Wichtige Ausprägung des right to a fair hearing gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK ist der Anspruch auf rechtliches Gehör. In der Rechtsprechung des EGMR und der EKMR wird der Anspruch auf rechtliches Gehör in die Nähe des Grundsatzes der Waffengleichheit im Prozess gerückt und oftmals nur auf diesen Grundsatz abgestellt, auch wenn es sich eigentlich um einen Fall der Verletzung des rechtlichen Gehörs handelt.“ 258 Beispielsweise Pache, EuGRZ 2001, 601; Adolphsen, in: Renzikowski (Hrsg.), Die EMRK im Privat-, Straf- und öffentlichen Recht, 39, 39. Über den Ursprung des in der EMRK enthaltenen Anspruchs auf rechtliches Gehör siehe insbesondere Vollkommer, FS Bruns, 1980, 195, 208 ff. 259 Hess, IPRax 2008, 400, 401; EuGH, Urteil v. 14.12.2006, Rs. C-283/05, ASML Netherlands BV ./. Semiconductor Industry Services GmbH (SEMIS), Slg. 2006 I-12041. 260 Pauly, EuR 1998, 242, 242. Die besondere Rolle von Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde auch im Krombach-Urteil betont; siehe dazu Beys, ZZP, 109 (1996), 29, 34. 261 Van Dijk/van Hoof, S. 428 ff.; Baur, AcP 153, 399, 399; Guradze, Menschenrechte, S. 196; Schlosser, FS Matscher, 1993, 387 f. Zum Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 EMRK siehe auch Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren, S. 285 f. 262 Der Frage nach dem Inhalt von Art. 6 Abs. 1 EMRK, insbesondere den hier verbürgten Ansprüchen, wurde sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Lehre viel Aufmerksamkeit gewidmet. Welchen Grundsatz Art. 6 Abs. 1 EMRK definiert, ist nicht ganz unumstritten; siehe die Darstellung der verschiedenen Meinungen in der Lehre bei
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seits rechtliches Gehör, andererseits enthält sie die Garantien des Justizgewährungsanspruchs im Hinblick auf das Zivilverfahrensrecht.263 Das rechtliche Gehör bildet den Kern des Grundsatzes des fairen Verfahrens im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK.264 Personen, die von der Wirkung von Entscheidungen oder Feststellungen in ihrer Rechtssphäre betroffen sind, müssen in einem „Vor-“ oder „Hauptverfahren“, in welchem die Entscheidung erlassen wird, rechtliches Gehör erhalten.265 Der EGMR geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass die Form der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs von der jeweiligen Phase des Zivilverfahrens abhängt. Erstens setzt die Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör eine rechtzeitige und ordentliche (wirksame) Ladung bzw. Benachrichtigung des Beklagten über das Verfahren voraus,266 so dass er in ausreichendem Maße Kenntnis vom Verfahren erlangt und sich vor Gericht verteidigen kann.267 Einer im Ausland wohnhaften Partei ist eine effektive Rechtsverteidigung dadurch zu ermöglichen, dass die Einlassungsfrist und andere Fristen entsprechend verlängert werden. Damit soll einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu einer sich im Inland aufhaltenden Partei begegnet werden.268 Zudem müssen die Parteien während des Prozesses die Möglichkeit haben, sich vor Gericht zu äußern.269 Letztlich muss das entPieck, Der Anspruch auf ein rechtstaatliches Gerichtsverfahren, S. 9 f. Siehe auch EGMR, Urteil v. 13.5.1980, Serie A, Nr. 37, § 33, Artico ./. Italien und v. 12.12.1992, Serie A, Nr. 245 C, § 28, T. ./. Italien. 263 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 15; Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren, S. 289 f. 264 Grabenwarter/Pabel, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, 2006, Kap. 14, Rn. 4; Pieck, Der Anspruch auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren, S. 62 ff. 265 Matscher, FS Beys, 2003, 1001. 266 Siehe beispielsweise EGMR, Urteil v. 16.12.1992, Hennings, Series A Nr. 251-A Rn. 26; EKMR, Urteil v. 7.12.1994, Rs. 22543/93; Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK, Art. 6, Rn. 72. 267 „Ein Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zeigt, dass die Möglichkeit der Kenntnisnahme und der Verteidigung ausreichend sein muss, um das rechtliche Gehör des Beklagten zu gewährleisten. (…) Dieses Verständnis des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei der Verfahrenseinleitung betrifft alle drei zeitlichen Stufen des rechtlichen Gehörs (...). Die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom verfahrenseinleitenden Schriftstück wahrt das Recht des Beklagten auf Information über das Verfahren. Die Möglichkeit der Verteidigung gewährt dem Beklagten ein Recht auf Äußerung zu dem Verfahren und auf Berücksichtigung dieser Äußerung.“ Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 185. 268 Hess, FS Jayme, 2004, 339, 348 f.; Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 18. 269 EuGH, Urteil v. 29.10.1980, verb. Rs. 209 bis 215 und 218/78, van Landewyk, Slg. 1980, 3125, Rn. 18; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 118. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst nach Art. 6 Abs. 1 EMRK grundsätzlich nicht das Recht auf
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scheidende Gericht die Aussagen der Parteien bei Erlass des Urteils berücksichtigen. Aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens gem. Art. 6 Abs. 1 EMRK ergibt sich ebenfalls das Recht auf eine effiziente Vollstreckung.270 Der EGMR hat dies in der Hornsby-Entscheidung festgestellt.271 Das rechtliche Gehör steht daher in einem Spannungsverhältnis zum Prinzip der effizienten Vollstreckung, weshalb die Lösung konkreter Auslegungsfragen eine vielfache Abwägung dieser zwei Werte erfordert. b) Rechtliches Gehör im Recht der Mitgliedstaaten am Beispiel Deutschlands und Polens aa) Überblick Neben der EMRK bezieht der EuGH bei der Feststellung des Inhalts von Gemeinschaftsgrundrechten die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ein. Die mitgliedstaalichen Vorbilder werden durch den EuGH jedoch nicht einfach nur übernommen. In seiner Rechtsprechung zur Entwicklung der allgemeinen ungeschriebenen Rechtsgrundsätze mit primärrechlichem Rang fragt der EuGH vielmehr, welche konkrete Ausgestaltung der betreffenden rechtsstaatlichen Garantie den Spezifika der Gemeinschaft am angemessensten erscheint.272 Die Ergebnisse, zu denen der EuGH aufgrund des Rückgriffs auf den nationalen Grundrechtsbestand kommt, sind im Lichte ihrer Vereinbarkeit mit der Struktur und den Zielen des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen.273 Das Grundrecht des Einzelnen auf rechtliches Gehör im Zivilverfahren ist allen nationalen, mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bekannt. Das Prinzip der Wahrung des rechtlichen Gehörs vor Gericht gehört zu den fundamentalen und den Rechtsordnungen der europäischen Staaten gemeinsamen Verfahrensgrundregeln.274 persönliche Anhörung; eine mündliche Verhandlung ist auch nicht zwingend erforderlich, um den Anspruch auf rechtliches Gehör zu wahren. 270 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 15; Hess, FS Jayme, 2004, 344; Fogt/Schack, IPRax 2005, 123; Geimer, FS Vollkommer, 2006, 385, 387. 271 EGMR, Urteil v. 19.3.1997, Rs. 18357/91, Hornsby ./. Staat von Griechenland, Rn. 40, ÖJZ 1998, 236 f.; Kodek, in: Andenas/Hess/Oberhammer (Hrsg.), Enforcement Agency Practice in Europe, S. 303. 272 Scheuing, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, § 6 Rn. 26. 273 Vedder, in: Bottke/Möllers/Schmidt (Hrsg.), Recht in Europa, 315, 319–320. 274 EuGH, Urteil v. 29.6.1994, Rs. 288/92, Custom Made Commercial ./. Stawa Metallbau, Slg. 1994 I, S. 2913, NJW 1995, 183; EuGH, Urteil v. 24.10.1996, Rs. C-32/95, Kommission ./. Lisrestal, Slg. 1996 I, S. 5373, Rn. 21; Ciszewski, in: Ere-
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bb) Der Inhalt des Rechts auf rechtliches Gehör und seine Garantien im deutschen Recht Der Grundsatz der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs gehört zu den Grundprinzipien der deutschen Rechtsordnung.275 Die wichtigste Rechtsquelle des Grundrechts auf rechtliches Gehör ist im deutschen Recht Art. 103 Abs. 1 GG, der jedermann einen Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht gibt. Die Prozessparteien können sich unmittelbar auf Art. 103 Abs. 1 GG berufen und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör auf diese Norm stützen.276 Die Vorschrift enthält einerseits ein subjektives Grundrecht277 („ein prozessuales Urrecht“ des Menschen). Andererseits enthält sie ein objektivrechtliches Verfahrensprinzip,278 das konstitutive Bedeutung für rechtsstaatliche Verfahren im Sinne des Grundgesetzes hat.279 Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes ist deshalb eine weitere Grundlage des Rechts auf rechtliches Gehörs im deutschen Recht.280 Auch das deutsche BVerfG281 bezeichnet in seiner Rechtsprechung das Recht auf rechtliches Gehör als „Prozessgrundrecht“282 bzw. grundrechtsgleiches Recht.283 Dadurch, dass das deutsche Grundgesetz als staatliche Verfassung neben den Grundrechten, zu denen auch die Verfahrensgarantien zählen, objektives Verfassungsrecht enthält, decken sich die Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK ciński/Ciszewski (Hrsg.), Kodeks postepowania cywilnego, Komentarz, Art. 1146, Rn. 15. 275 BGH, 19.9.1977, NJW 1978, 1114, 1115; BGH, 4.6.1992, BGHZ 118, 312, 321; BGH, 29.6.2000, JZ 2000, 1067 f.; Roth, IPRax 1989, 14, 17; Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 62 Fn. 389; Zöller/Geimer, ZPO, § 328, Rn. 155; Raucher/Leibe, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 34 Brüssel I-VO Rn. 14. 276 Pieck, Der Anspruch auf ein rechtstaatliches Gerichtsverfahren, S. 81. 277 Pieck, Der Anspruch auf ein rechtstaatliches Gerichtsverfahren, S. 80. 278 Das rechtliche Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG stellt sich als ein objektiver Verfahrensgrundsatz dar, der der Richtigkeit und Gerechtigkeit der Entscheidung dient und daher im Rechtsstaatprinzip wurzelt: Schwarz, Gewährung und Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, S. 12. 279 BVerfGE 55, 1, 6; BVerfG, NJW 2003, 1924, 1926; Schnabl, Die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO, S. 3. 280 Allgemein dazu BVerfGE 1, 347 und 429; 9, 98; 84, 188, 190; Föhlisch, Der gemeineuropäische ordre public, S. 68. Zum Teil begründet man den Anspruch des Einzelnen auf rechtliches Gehör mit dem Recht auf Achtung der Menschenwürde. Siehe beispielsweise Arndt, NJW 1959, 6, 6; Mauder, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, S. 5; Waldner, Aktuelle Probleme des rechtlichen Gehörs im Zivilprozess, S. 22 281 Eine Zusammenfassung der Rechtsprechung des BVerfG findet sich in BVerfGE 78, 123. 282 BVerfGE 61, 14, 17. 283 Die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 103 Abs. 1 GG ist sehr umfassend, siehe z. B. BVerfGE 9, 89 ff.; 53, 219, 222; 55, 1, 5 f.; 58, 535, 356; 60, 120, 122; 247, 249, 250, 252; 61, 14,17; 7, 275, 279; 7, 53, 58; BVerfG, NJW 2003, 1924, 1927; BVerfG, Beschl. vom 29.11.2005 – 1 BVR 1542/05.
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und des Art. 103 Abs. 1 GG nicht völlig.284 Die EMRK besteht ausschließlich aus dem Grundrechtekatalog. Es gibt allerdings ein Zusammenspiel zwischen den Regelungen der EMRK und den nationalen Rechtsordnungen285 in dem Sinne, dass die EMRK die staatlichen Verfassungen unmittelbar ergänzt und zur Weiterentwicklung von Verfahrensrechten beiträgt. Die EMRK stellt ein eigenständiges Netz von verfahrensrechtlichen Prinzipien auf,286 die das gemeineuropäische (gemeinschaftliche) Rechtsstaatlichkeitsprinzip widerspiegeln.287 Auch die deutsche höchstinstanzliche Rechtsprechung288 geht von drei Stufen der Durchsetzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Verfahren aus.289 Dies entspricht auch der deutschen Grundrechtsdogmatik zum Anspruch auf rechtliches Gehör.290 Das rechtliche Gehör beinhaltet, dass die Parteien die Möglichkeit haben, sich umfassend über den Verfahrensablauf und den Rechtsstand zu informieren. In dem Recht der Parteien auf Information liegt der Kern des rechtlichen Gehörs.291 Aus der Garantie des rechtlichen Gehörs lassen sich die Hinweis- und Informationspflichten des Gerichts und ein korrespondierendes Recht auf Information der Verfahrensbeteiligten ablei-
284 Pieck, Der Anspruch auf ein rechtstaatliches Gerichtsverfahren, S. 10. Nach der Meinung des Autors gehört das rechtliche Gehör zu den hier gewährten Garantien. Diese Vorschrift enthält jedoch mehr als eine Garantie des rechtlichen Gehörs, wie sie in Art. 103 Abs. 1 GG ihren Ausdruck findet. 285 Hess, FS Jayme, 2004, 989, 991. 286 Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 112. 287 Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 112; Beys, ZZP 109 (1996), 29, 46; Matscher, FS Henckel, 1995, 593, 595; Wolf, FS Söller, 2000, 1279, 1295–1296. 288 BVerfGE 69, 145, 148; 67, 39, 41; 60, 1, 5. 289 In der Lehre spricht man von den drei Verwirklichungsstufen des rechtlichen Gehörs, siehe Schnabl, Die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO, S. 5; oder von den drei Bestandteilen des rechtlichen Gehörs, Polep/Rensen, Gehörsrüge, S. 34. 290 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 103 Rn. 11–29; Schmidt-Assmann, in: Maunz/Düring (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 103 Rn. 69–101. Becker weist darauf hin, dass sich nach Meinung von Wagner der Anspruch auf rechtliches Gehör tatsächlich in zwei Elemente aufspalten lässt, die aufeinander bezogen sind. Erstens muss der Beklagte die Möglichkeit der Kenntnisnahme von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück gehabt haben. Weiterhin muss er die Möglichkeit haben, auf das verfahrenseinleitende Schriftstück reagieren zu können. Eine ähnliche Darstellung findet sich bei Schack, FS Geimer, 2002, 931, 935, der von den Elementen „Benachrichtigung, Einlassungsfrist und Übersetzung” spricht. 291 BVerfGE 49, 325, 328; 50, 280, 284; 55, 95, 99; 15, 214, 218; 70, 180, 189; 101, 106, 129; 67, 90, 96; 74, 1, 5; 86, 133, 145; 50, 287, 289; 81, 97, 106; BVerfG, NJW 1999, 207, 207; BVerfG, NJW 2004, 1371, 1372; BVerfGE 89, 28, 35; siehe auch Vollkommer, FS Schumann, 2001, 507, 518; Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, Rn. 28 ff.
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ten. Im diesem Zusammenhang sind bestimmte Anforderungen an die gesetzlichen Vorschriften zur Ladung und Zustellung aufzustellen.292 Darüber hinaus müssen sie sich zu jedem Vorbringen äußern können und auch angehört werden.293 Die dritte Stufe besteht im Recht auf Berücksichtigung des Geäußerten durch den Richter.294 Wenn die Voraussetzungen der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nicht auf allen drei Stufen vorliegen, führt dies zu einem Eingriff in das grundrechtsgleiche Recht des Art. 103 Abs. 1 GG.295 Der Mindeststandard hinsichtlich des rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG gilt für den Gesetzgeber.296 Die Vorschriften des einfachen Rechts, wie insbesondere der ZPO, konkretisieren dieses Recht.297 Die rechtsstaatliche Ausgestaltung des Verfahrensrechts wird durch Rechte auf beiden Normstufen gewährleistet.298 Der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs dienen vor allem die Äußerungs- und die Ladungsfristen (§ 217 ZPO).299 cc) Das Recht auf rechtliches Gehör und seine Garantien im polnischen Recht Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist vor allem in Art. 45 der polnischen Verfassung verbürgt. Diese Vorschrift gibt jedem das Recht auf eine gerechte und öffentliche Verhandlung der Sache ohne unbegründete Verzögerung vor einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht.300 Nach dem 292
BVerfGE 67, 208, 211; BVerfG, NJW 1995, 2095; BVerfG, NJW 1995, 2095,
2096.
293
Beispielsweise BVerfGE 55, 95, 98; 62, 392, 396; 84, 188, 190; BVerfG, NJW 1988, 2361; BGH, NJW 1991, 2824, 2825 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 82, Rn. 9; Vollkommer, FS Schumann, 2001, 507, 518 unter Berufung auf die Rechtsprechung (Fn. 43): BVerfG 28, 378, 384; 54, 86, 91; 69, 126, 140; 69, 145, 148; 60, 175, 210; 64, 135, 143; 86, 133, 144 f.; 89, 28, 35; 98, 218, 263; 101, 106, 129; Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, S. 28. 294 Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, S. 211 (Zusammenfassung und Hinweise für die Verfassungsbeschwerde); BVerfGE 98, 218, 263; 96, 205, 216; 83, 24, 35. 295 Schnabl, Die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO, S. 5. 296 Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, S. 193. 297 In der ZPO sprechen die §§ 91a Abs. 2 S. 2, 118 Abs. 1 S. 1, 136 Abs. 2, 137 Abs. 4, 138, 139, 225 Abs. 2, 283, 360 S. 4, 387 Abs. 1, 616 Abs. 1, 630, 813a Abs. 5, 844 Abs. 1, 850b Abs. 2, 851b Abs. 2, 891, 1034 Abs. 1, 1044 Abs. 2 Nr. 4, 1045 Abs. 2 ZPO von Anhörung, rechtlichem Gehör oder der Gelegenheit zur Stellungnahme oder setzen diese voraus. Siehe noch BVerfGE 6, 19, 20; 7, 95; 8, 253; 9, 256; 11, 218, 220; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 82, Rn. 1 ff. 298 Grabenwarter/Pabel, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, 2006, Kap. 14 Rn. 10–11. 299 Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, S. 44. 300 Prozessual gesehen ergänzt diese Regelung Art. 1146 § 1 Nr. 3 poln. ZVGB, nach dem die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung dann ausgeschlossen ist, wenn der Partei (...) die Verteidigungsmöglichkeit (możość obrony), und im Falle fehlender
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1. Kapitel: Grundlagen
Wortlaut dieser Vorschrift steht dem Einzelnen ein „Recht auf Zugang zu einem Gericht“301 und ein generelles Verteidigungsrecht vor Gericht zu.302 Das polnische ZVGB kennt keinen allgemein formulierten Anspruch auf rechtliches Gehör.303 Es enthält allerdings einzelne Bestimmungen, die den Parteien einen Anspruch auf rechtliches Gehör als Eckpfeiler eines rechtsstaatlichen Verfahrens garantieren.304 In der Gerichtspraxis wird den Verfahrensbeteiligten aus Gründen der Fairness rechtliches Gehör in allen entscheidungserheblichen Fragen gewährt. Die Prüfung, ob die gesetzlichen Vorschriften mit den verfassungsrechtlichen Normen übereinstimmen, obliegt dem polnischen Verfassungsgerichtshof.305 In seiner Rechtsprechung überwacht er insbesondere, ob die einzelnen Bestimmungen des polnischen ZVGB die Prozessgrundrechte der Verfassung in hinreichendem Maße gewährleisten. So hat der polnische Verfassungsgerichtshof z. B. entschieden, dass Art. 3984 § 1 Pkt. 3 poln. ZVGB und Art. 3986 §§ 2, 3 i.V.m. Art. 3984 § 1 Pkt. 3 poln. ZVGB das rechtliche Gehör im Sinne von Art. 45 der polnischen Verfassung verletzen.306 Hauptsächlich wurde dies damit begründet, dass die in den einschlägigen Vorschriften bestimmten Fristen für die Einreichung der Kassationsklage den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht werden. So verletzt ein Beschluss, in welchem der Vorsitzende Richter einen unvollständigen Schriftsatz und daher die Kassationsklage zurückweist, ohne die Partei über die Möglichkeit der Vervollständigung zu belehren, das Recht auf rechtliches Gehör. Die neueste Rechtsprechung liefert zudem Beispiele, in welchen der polnische Verfassungsgerichtshof die Übereinstimmung des polnischen ZVGB mit Art. 45 Abs. 1 der polnischen Verfassung bejaht hat.307
Prozessfähigkeit die ordnungsgemäße Vertretung (należyte przedstawicielstwo) genommen wurde. Siehe Schubert-Panecka, Die Europäisierung des internationalen Zivilverfahrensrechts in Polen, S. 138. 301 Poln.: prawo do sądu. 302 Der Rechtsbegriff „das rechtliche Gehör“ lässt sich ins Polnische als „prawo do bycia wysłuchanym przez sąd“, also ein Recht vom Gericht gehört zu werden, übersetzen. Nach Kilian: rechtliches Gehör: wysłuchanie przed sądem; Anspruch auf rechtliches Gehör: prawo wysłuchania przed sądem, S. 252. 303 Peters, in: Grunsky (Hrsg.), Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 101, 109. 304 Peters, in: Grunsky (Hrsg.), Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 101, 109. 305 Poln.: Trybunał Konstytucyjny. Die Urteile des Verfassungsgerichtshofs haben allgemeine Geltungskraft. 306 Urteil vom 1.7.2008, SK 40/07, OTK-A 2008/6/101, Dz. U. RP 2008/120. 307 Beispielsweise Urteil vom 19.2.2008, P 49/06, OTK-A 2008/1/5, Dz. U. RP 2008/38. In diesem Urteil hat der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit von Art. 477 14 § 2 poln. ZVGB im Lichte der polnischen Verfassung sowie Art. 6 EMRK bejaht.
D. Das Recht auf rechtliches Gehör im Anerkennungsrecht in der EU
47
3. Das rechtliche Gehör in der Rechtsprechung des EuGH Nach der Rechtsprechung des EuGH gehört das Recht auf rechtliches Gehör zu den elementaren Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts.308 Der EuGH309 unterscheidet verschiedene Stufen der Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör im gerichtlichen Verfahren, je nachdem, um welche Phase des Verfahrens es sich handelt. In der Phase der Verfahrenseinleitung bzw. im Vorverfahren hat der Beklagte den Anspruch, über das gegen ihn eingeleitete Verfahren informiert zu werden, so dass er sich entscheiden kann, ob er sich auf das Verfahren einlässt, um sich zu verteidigen.310 In der nächsten Phase steht den Parteien das Recht zu, sich vor Gericht zu den relevanten Tatsachen und Rechtsfragen zu äußern.311 Schließlich manifestiert sich der Anspruch auf rechtliches Gehör im Recht auf Berücksichtigung des Vortrags der Parteien durch das Gericht. Bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung sind die Aussagen der Parteien zu berücksichtigen.312 Die ersten zwei Stufen stellen bestimmte Anforderungen an die Gewährung des rechtlichen Gehörs im Verfahren auf. Die letzte Stufe betrifft den Inhalt der Entscheidung.313
308 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 115; siehe die Rechtsprechung in Fn. 371. Siehe auch Scheuing, in: Schulze/Zuleeg (Hrsg.), Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, § 6 Rn. 43. 309 Zu Inhalt und Bedeutung des rechtlichen Gehörs im Verfahren, siehe EuGH, Urteil v. 21.9.1989, Rs. 46/87 und 227/88, Hoechst, Slg. 1989, 2859, Rn. 15 f.; EuGH, Urteil v. 27.6.1991, Rs. C-49/88, Al-Jubail Fertilizer, Slg. ark1991, I-3187 Rn. 15; EuGH, Urteil v. 18.10.1989, Rs. 374/87, Orkem, Slg. 1989, 3283, Rn. 32 f.; EuGH, Urteil v. 21.11.1991, Rs. C-269/90, Technische Universität München, Slg. 1991, I-5469; EuGH, Urteil v. 12.2.1992, verb. Rs. C-48/90 und C-66/90, Niederlande ./. Kommission, Slg. 1992, I-565, Rn. 45; EuGH, Urteil v. 12.12.2002, Rs. C-395/00, Cipriani, Slg. 2002, I-11877, Rn. 51. 310 Sog. Orientierungsrechte. 311 EuGH, Urteil v. 23.10.1974, Rs. 17/74, Transocean Marine Paint, Slg. 1974, 1063, Rn. 15; EuGH, Urteil v. 14.2.1990, Rs. C-301/87, Frankreich ./. Kommission, Slg. 1990, I-307, Rn. 29; EuGH, Urteil v. 12.2.1992, verb. Rs. C-48/90 und C-66/90, Niederlande ./. Kommission, Slg. 1992, I-565, Rn. 46. 312 EuGH, Urteil v. 29.10.1980, verb. Rs. 209 bis 215 und 218/78, van Landewyk, Slg. 1980, 3125, Rn. 66. So auch Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 117. 313 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 117.
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1. Kapitel: Grundlagen
4. Grundrechtsbeschränkung im Unionsrecht Das Grundrecht des rechtlichen Gehörs ist nicht unbegrenzt gewährleistet.314 Sowohl auf der Ebene des Unionsrechts als auch auf der Ebene des nationalen Rechts ist die Beschränkung des rechtlichen Gehörs unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Die Rechtsprechung stellt die Voraussetzung des Gesetzesvorbehalts auf.315 Zudem müssen ein dem Gemeinwohl dienendes, legitimes Ziel der Gemeinschaft316 und die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung317 gegeben sein. Das letztgenannte Element hat den Charakter einer Schranken-Schranke.318 Die Einschränkung von Gemeinschaftsgrundrechten muss im öffentlichen Interesse liegen.319 Eine Einschränkung der Unionsgrundrechte muss den Anforderungen des Art. 52 Abs.1 der Charta der Grundrechte der EU genügen. Danach muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt der Grundrechte und Freiheiten achten. Zudem muss dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung getragen werden: Einschränkungen sind nur dann zulässig, wenn sie 314
Zur Frage der Begrenzung des Prinzips siehe übereinstimmend v. Winterfeld, NJW 1961, 849, 850; Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, S. 170; Mauder, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, S. 6. 315 EuGH, Urteil v. 21.9.1989, Rs. 46/87, Hoechst, Slg. 1989, I-2859. 316 EuGH, Urteil v. 14.5.1974, Nold, Slg. 1974, S. 491, Rn. 14; EuGH, Urteil v. 13.12.1979, Rs. 44/79, Hauer, Slg. 1979, 3727, Rn. 23 = H/S/V (Fn. 2), S. 422; EuGH, Urteil v. 17.12.1970, Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125, Rn. 4; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 97; Vedder, in: Bottke/Möllers/Schmidt (Hrsg.), Recht in Europa, 315, 319–320. 317 EuGH, Urteil v. 13.12.1979, Rs. 44/79, Hauer, Slg. 1979, 3727, Rn. 23 ff. = H/S/V (Fn. 2), S. 422; Vedder, in: Bottke/Möllers/Schmidt (Hrsg.), Recht in Europa, 315, 319– 320. 318 Ein Eingriff kann als grundrechtskonform angesehen werden, wenn die Maßnahmen „zur Erreichung der zulässigerweise mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sind. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Verfügung stehen, die am wenigsten belastende zu wählen, ferner müssen die auferlegten Belastungen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (EuGH, Urteil v. 15.12.2005, Rs. C-86/03, Griechenland ./. KOM, Rn. 87; Rs. C-212/03, KOM ./. Frankreich, Slg. 2005, I-4213, Rn. 43; EuGH, Urteil v. 21.4.2005, Rs. C-140/03, KOM ./. Griechenland, Slg. 2005, I-4213, Rn. 34; EuGH, Urteil v. 10.3.2005, Rs. C-96/03, Tempelman und van Schaijk, Slg. 2005, I-1985, Rn. 47; EuGH, Urteil v. 11.7.1989, Rs. 265/87, Schräder, Slg. 1989, 2237, Rn. 21)“; Vedder, in: Bottke/Möllers/Schmidt (Hrsg.), Recht in Europa, 315, 319–320. 319 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 97; EuGH, Urteil v. 13.12.1979, Rs. 44/79, Hauer, Slg. 1979, 3727, Rn. 32: Öffentliches Interesse ist hier im Sinne eines dem allgemeinen Wohl der Gemeinschaft dienenden Zieles zu verstehen.
D. Das Recht auf rechtliches Gehör im Anerkennungsrecht in der EU
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notwendig sind. Einschränkungen der Unionsgrundrechte setzen außerdem voraus, dass der Wesensgehalt des Grundrechts nicht angetastet wird.320 Auch die EMRK lässt den Eingriff in Grundrechte zu. Hinsichtlich der Justizgrundrechte sind dabei bestimmte Besonderheiten zu berücksichtigen.321 IV. Die rechtlichen Mechanismen zur Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör im Anerkennungsrecht Der autonome Charakter der Unionsgrundrechte und deren Verankerung im Primärrecht rechtfertigen, dass an die Grundrechtsgewährleistung bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen andere Voraussetzungen geknüpft werden als im nationalen Recht oder in bilateralen Staatsverträgen.322 1. Die Rechtsprechung des EuGH Aus der Rechtsprechung des EuGH bezüglich des Vollstreckbarerklärungsrechts ergibt sich, dass zum Zweck der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Vollstreckungsschuldners bestimmte Rechtsmechanismen im Vollstreckbarerklärungsverfahren unabdingbar sind. Nach der Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ unterfallen Entscheidungen, die bewusst ohne vorherige Anhörung des Gegners getroffen worden sind, nicht dem Anwendungsbereich des EuGVÜ und dürfen nicht für vollstreckbar erklärt werden.323 Andererseits geht der EuGH davon aus, dass die Gerichte des Anerkennungsstaates zur Anerkennung von Entscheidungen verpflichtet sind, wenn diese nach einer Anhörung des Gegners ergangen sind oder die Anhörung nachgeholt wurde.324 Die Gewährung des rechtlichen Gehörs setzt zudem voraus, dass der Betroffene ausreichend Zeit hatte, sich auf seine Stellungnahme vorzubereiten.325
320 EuGH, Urteil v. 13.12.1979, Rs. 44/79, Hauer, Slg. 1979, 3727, Rn. 23; EuGH, Urteil v. 13.7.1989, Rs. 5/88, Wachauf ./. Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft, Slg. 1989, 2609, Rn. 18; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 97. 321 Grabenwarter/Marauhn, in: Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, 2006, Kap. 7, Rn. 162 ff. 322 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 56. 323 Siehe EuGH Rs. C-125/79, Denilauer ./. Couchet Frères, vom 21. Mai 1980, Slg. 1980, 1553. 324 Düsseldorf, RIW 85, 493; Hamm, FamRZ 93, 213. 325 Scheuing, in: Schulze/Zuleeg (Hrsg.), Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, § 6 Rn. 43.
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1. Kapitel: Grundlagen
2. Die Anforderungen der EMRK an die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs im Anerkennungsrecht: Die EMRK als ungeschriebenes Anerkennungsverbot? Art. 6 Abs. 1 EMRK verbietet die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, die im Erkenntnisverfahren unter Verletzung von Verfahrensgarantien zustande gekommen sind.326 Die in der Konvention niedergelegte Werteordnung der demokratischen Rechtsstaaten Europas muss auch gegenüber ausländischen Entscheidungen – vor allem wenn diese aus Drittstaaten stammen – durchgesetzt werden.327 Die fair trial-Garantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass ausländische Judikate anerkannt und durchgesetzt werden, die auf einem unfairen Verfahren beruhen oder von parteiischen Richtern erlassen worden sind. Die in Art. 6 Abs. 1 EMRK niedergelegten Garantien, insbesondere die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, sind mithin im Anerkennungsstadium zu beachten und zu wahren. Sie begründen auf die Rüge der Partei hin zu beachtende Anerkennungshindernisse.328 Der EGMR hat in seiner Rechtsprechung festgestellt, dass die Vollstreckung fremder Hoheitsakte ohne vorherige gerichtliche Kontrolle hinsichtlich einer möglichen Verletzung grundlegender Rechte des Schuldners im Ausgangsverfahren nicht erfolgen darf.329 Der EGMR geht jedoch davon aus, dass die Kontrolle im Rahmen des Exequaturverfahrens keine unabdingbare Voraussetzung der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs im Anerkennungsrecht ist, sobald alle betroffenen Staaten der EMRK beigetreten sind. Ein Mitgliedstaat muss den Titel daher überprüfen, wenn der Staat des Ausgangsverfahrens selbst kein Mitglied der EMRK ist.330 Daraus folgt, dass der Anerkennung ohne weitere Prüfung dann keine Bedenken entgegenstehen, wenn der betreffende Staat ein Mitglied der EMRK ist. Das trifft auf alle Mitgliedstaaten der EU und somit auf alle von der Verordnung betroffenen Staaten zu.331 326 Adolphsen, in: Renzikowski (Hrsg.), Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, S. 39, 71 f.; Matscher, IPRax 2001, 428, 435; ders., ZZP 103 (1990), 294, 319; Geimer, FS Beys, 2003, 391, 398. 327 Geimer, IPRax 2006, 298, 299. 328 Geimer, IPRax 2006, 298, 299. 329 EGMR, Urteil v. 20.10.2001, 30 882/96, Rec. 2001-VIII, § 44, Pelegrini ./. Italien; Windof/Zemmrich, JuS 2007, 803, 805. 330 Windof/Zemmrich, JuS 2007, 803, 807 mit Berufung auf EGMR, Urteil v. 21.10.2001, 30 882/96, Pellegrini ./. Italien; EGMR, Urteil v. 21.6.1992, 12747/87; Drozd u Janousek ./. Frankreich, EuGRZ 1992, 129. 331 In Bezug auf das Strafrecht hat der EGMR darauf bestanden, dass zur Gewährung effektiven rechtlichen Gehörs nach Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 EMRK auch die Zustellung der Gründe eines Strafurteils gehört. Nur so kann ein Angeklagter sein Rechtsmittel zweckdienlich und damit in wirksamer Weise einlegen. Auf Zivilurteile, bei denen es regelmäßig genügt, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen,
D. Das Recht auf rechtliches Gehör im Anerkennungsrecht in der EU
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Fraglich ist, welche Auswirkungen die EMRK auf die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen hat,332 insbesondere welche Anerkennungsverbote und -gebote333 sich aus ihr ergeben. Unklar ist, ob die EMRK als zusätzliches Anerkennungsverbot in Betracht kommen kann.334 Außerdem ist klärungsbedürftig, ob die Konvention Vorgaben für die Ausgestaltung des Verfahrens zur Anerkennung und Vollstreckung enthält.335 Sollte die EMRK als solche (Art. 6 Abs. 1 EMRK) ein Anerkennungsverbot bzw. Vollstreckbarerklärungsverbot enthalten, so müsste im Falle der Auslandsvollstreckung das zuständige Organ des jeweiligen Mitgliedstaates überprüfen, ob die EMRK bei Erlass des Titels im Ursprungsstaat verletzt wurde. Dies müsste entweder vor der Entscheidung zur Frage der Vollstreckbarkeit des ausländischen Titels oder vor der Durchführung der Auslandsvollstreckung im Vollstreckungsstaat geschehen. Also wäre in jedem Fall die Überprüfung der Übereinstimmung des Verfahrens, in dem die Entscheidung erging, mit den Vorgaben der EMRK notwendig. Zu den vom Erstrichter zu beachtenden grundlegenden Verfahrensgrundsätzen würden auch die Verfahrensgarantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK gehören, darunter das Gebot der Gewährung des rechtlichen Gehörs.336 Das Anerkennungsverbot der EMRK käme also dann zum Tragen, wenn durch die Anerkennung eine konventionswidrige Situation verursacht würde oder wenn das Urteil in einem gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoßenden Verfahren zustande käme. Die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung wäre dann unzulässig.337 Meines Erachtens lässt sich oben dargestellte Ansicht aber nicht vertreten. Die Annahme, dass die EMRK ein zusätzliches, ungeschriebenes Anerkennungsverbot enthält, dessen Voraussetzungen von Amts wegen entweder vor der Entscheidung über die Vollstreckbarkeit oder vor der Zwangsvollstreum sich anschließend mit einem Rechtsanwalt über die weitere Vorgehensweise zu beraten, muss dies nicht zwingend übertragen werden; so Windof/Zemmrich, JuS 2007, 803, 806. 332 Allgemein geht es darum, wie der EMRK im Rahmen der Anerkennung Rechnung zu tragen ist, Martiny, FS Sonnenberger, 2004, 523, 536–537. 333 Auf die Behandlung der Frage der Anerkennungsgebote aufgrund der EMRK ist im Hinblick auf das Thema der vorliegenden Arbeit zu verzichten. Siehe dazu Matscher, FS Schwind, 1993, 71, 82. Zur Pflicht der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, die sich aus dem Gebot des Zugangs zu einem Gericht ableiten lässt, siehe auch Adolphsen, in: Renzikowski (Hrsg.), Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, S. 39, 71 f. 334 In der Lehre wurde die EMRK als eine Verbotsschranke für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen vorgeschlagen: Geimer, IPRax 2006, 298, 298. 335 Matscher, FS Schwind, 1993, 71, 81. 336 Matscher, FS Schwind, 1993, 71, 83. 337 Geimer, IZPR, Rn. 2772; ders., IPRax 1992, Fn. 13; Matscher, FS Neumayer, 1986, 477; ders.; IPRax 1992, 335; ders., ZZP 103 (1990), 294, 316.
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1. Kapitel: Grundlagen
ckung im Ausland zu prüfen sind, ist im Hinblick darauf, dass die Europäische Union noch nicht an die EMRK gebunden ist, ausgeschlossen. Die Prüfung vor der Vollstreckung beinhaltet die Gefahr der révision au fond. Eine solche Prüfung vor der Vollstreckbarerklärung ist ebenso unzulässig. Hierbei ist im Ergebnis der Ansicht des EGMR zuzustimmen. Seiner Begründung kann allerdings nicht gefolgt werden. Allein die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten der EU gleichzeitig Vertragspartner der EMRK sind, reicht für sich noch nicht aus, um davon auszugehen, dass die Standards der Rechtspflege in allen Staaten ähnlich und daher alle Überprüfungsformen entbehrlich sind. Die Rechtsprechung der Organe der EMRK gewährt dem Einzelnen zudem nur beschränkten Schutz: Die Vollstreckung ihrer Entscheidungen kann in der Praxis nur selten mit Erfolg durchgeführt werden. Weiterhin kann es nicht Sinn der Anerkennungsprüfung sein, den Erststaat zur Einhaltung der Menschenrechte zu zwingen. Es geht lediglich um die Abwehr und Verhinderung einer Fortsetzung der Menschenrechtsverletzung im Zweitstaat.338 Zudem steht auch bei inländischen Verfahren bei einem möglichen Verstoß gegen die EMRK kein zusätzlicher vollstreckungsrechtlicher Rechtsbehelf zur Verfügung.339 Die EMRK geht auch nicht generell dem Gemeinschaftsrecht vor. Auch die Ausstellung der Bestätigung als EuVT kann nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass sich das Organ im Ursprungsmitgliedstaat auf die Verletzung der EMRK beruft. Die Gründe der Nichtbestätigung werden in der EuVTVO aufgelistet. Auch können sich die Organe im Vollstreckungsstaat nicht auf die EMRK berufen, um das Zwangsvollstreckungsverfahren zu verhindern. Im Falle der EuVTVO handelt es sich um direkt anwendbares Gemeinschaftsrecht, das Vorrang vor der EMRK hat. Diese Situation wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn die Europäische Union ebenfalls an die EMRK gebunden wäre. 3. Die Prüfung des rechtlichen Gehörs bei der Vollstreckbarerklärung In den Rechtsvorschriften über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen bestehen die Gewährleistungsmechanismen in der Prüfung des rechtlichen Gehörs im Ausgangsverfahren. Um in diesem Rechtsgebiet das Recht auf rechtliches Gehör zu sichern, ist ein zusätzlicher Verfahrensschritt vorgesehen, in welchem geprüft wird, ob dem Vollstreckungsschuldner in dem Verfahren, in welchem die zu vollstreckende Entscheidung ergangen ist, Verteidigungsrechte gewährt wurden. Die Gründe, aus denen Prüfungsmechanismen im Rahmen der Anerkennung eingeführt werden, sind im internationalen Recht andere als im nationa338 339
Martiny, FS Sonnenberger, 2004, 523, 536–537. Martiny, FS Sonnenberger, 2004, 523, 536–537.
D. Das Recht auf rechtliches Gehör im Anerkennungsrecht in der EU
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len Recht. Einzelne Staaten wollen vor allem Rechtssubjekte vor grundrechtsverletzenden Eingriffen in deren Vermögen aufgrund von ausländischen Vollstreckungstiteln schützen. Die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung vertrat in Bezug auf das nationale Vollstreckbarerklärungsrecht in den 1980er Jahren die Meinung, dass die Durchführung von Maßnahmen zur Vollstreckung aus einem ausländischen Titel ohne vorherige Kontrolle ausgeschlossen sei.340 Ein Verzicht auf die Kontrolle verletze Art. 19 Abs. 4 GG.341 Die Kontrollzuständigkeit wurde unter Berufung auf das Souveränitätsprinzip begründet. In den Vorschriften des internationalen Rechts und des Gemeinschaftsrechts entfällt diese Begründungsmöglichkeit indes. Die Kontrolle nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wurde als notwendig angesehen,342 weil Ziel dieses Rechtsakts neben der Schaffung von Urteilsfreizügigkeit auch der Beklagtenschutz sei.343 Der EuGH vertritt in seiner Rechtsprechung die Ansicht, dass im Wege der Einführung des EuGVÜ die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen gesichert, vereinfacht und beschleunigt wird. Dieses Ziel dürfe aber nicht dadurch erreicht werden, dass es in irgendeiner Weise zur Beeinträchtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör komme.344 Die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung, die mit einer Grundrechtsverletzung (insbesondere der Verfahrensgrundrechte des Vollstreckungsschuldners) einhergeht, erstrecke den Grundrechtsverstoß auch auf den Vollstreckungsstaat.345 Der Anspruch des Vollstreckungsschuldners auf einen fairen Prozess sei insbesondere dann verletzt, wenn er im Urteilsverfahren nicht angehört wird, der Grundsatz der Waffengleichheit verletzt wird oder er sich mangels Kenntnis der Klage überhaupt nicht verteidigen kann. In der Begründung seines Urteils
340
Windof/ Zemmrich, JuS 2007, 803, 803. BVerfGE 63, 343, 376 = NJW 1983, 2757. 342 Siehe Frank, Das verfahrenseinleitende Schriftstück, S. 201.: „Wenn das EuGVÜ im Grundsatz von einem einheitlichen Vollstreckungsraum ausgeht, in dem das Vollstreckungsgericht Vertrauen in das ordnungsgemäße Urteilsverfahren auch ausländischer Gerichte haben darf, müßte besonders begründet werden, warum in grenzüberschreitenden Fällen noch die zusätzliche Prüfung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ hinzukommen muss.“ 343 Braun, Der Beklagtenschutz nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, Einf., S. 23. 344 EuGH, Urteil v. 3.7.1990, Rs. 305/88, EuZW 1990, 352, 354; EuGH, Urteil v. 11.6.1985, Rs. 49/84, Dabaecker, Slg. 1985, 1792 Rn. 10; EuGH, Urteil v. 15.7.1982, Rs. C-305/88, Lancray, Slg. 1990, I-2725 Rn. 21; EuGH, Urteil v. 28.3.2000, Rs. C-7/98, Krombach, Slg. 2000, I-1971 Rn. 43; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 101; Fahl, Die Stellung des Gläubigers und des Schuldners bei der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nach dem EuGVÜ, S. 68. 345 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 60. 341
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1. Kapitel: Grundlagen
vom 14.12.2006346 stellte der EuGH fest, dass Art. 34 Nr. 2 EuGVVO im Lichte der Ziele und der Systematik dieser Verordnung auszulegen sei. Bei ihrer Auslegung sei das Ziel der Gewährleistung des freien Verkehrs der Entscheidungen aus den Mitgliedstaaten in Zivil- und Handelssachen zu berücksichtigen. Dieses Ziel dürfe aber nicht, wie der Gerichtshof noch zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ entschieden hatte, dadurch erreicht werden, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wird.347 Eine effektive und beschleunigte europaweite Vollstreckung von Urteilen und anderen Titeln im Interesse des Gläubigers setzt auf der anderen Seite voraus, dass der Schuldner eine faire Chance hat, sich gegen die Klage zu verteidigen.348 Die Anerkennungshindernisse sichern den effektiven Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners im Stadium der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung.349 In der EuVTVO wurden die Kontrollmechanismen im Bestätigungsverfahren beibehalten. Die Begründung dafür gleicht derjenigen, die bezüglich der bereits erlassenen Rechtsakte gegeben wurde. Die Kontrolle der Erfüllung von Mindeststandards wurde vor allem deshalb als notwendig angesehen, weil zwischen den Mitgliedstaaten weiterhin erhebliche Unterschiede,350 insbesondere im Bereich des Zivilprozessrechts,351 bestehen.352
E. Zwischenergebnis zu Kapitel 1 E. Zwischenergebnis zu Kapitel 1
Die EuVTVO ist ein Ergebnis der Entwicklung der europäischen Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Vollstreckungstitel. Seit der Einführung des ersten Rechtsaktes – des EuGVÜ – wurden die einschlägigen Vorschriften im Namen der Beschleunigung und Vereinfachung des Forderungseinzugs im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten schrittweise geändert. Aufgrund der Aufhebung des Exequaturverfahrens und 346
EuGH, Urteil v. 14.12.2006, Rs. C-283/ 05, . Vgl. u. a. EuGH, Urteil v. 11.6.1985, Rs. 49/84, Debaecker und Plouvier, Slg. 1985, 1779, Rn. 10; EuGH, Urteil v. 13.10.2005, Rs. C-522/03, Scania Finance France, Slg. 2005, I-8639, Rn. 15; EuGH, Urteil v. 16.2.2006, Rs. C-3/05, Verdoliva, Slg. 2006, I-1579, Rn. 26. 348 So Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 51. 349 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 60. 350 Beltz, D. 2005, 2707. 351 „Von einem vereinheitlichten Zivilverfahrensrecht ist die EU noch weit entfernt“, Wagner, IPRax 2002, 75, 81. 352 Erwägungsgrund Nr. 13 der EuVTVO; Hüßtege, FS Jayme, 2004, 371, 378; ders., in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union, 113, 128, 137 f. 347
E. Zwischenergebnis zu Kapitel 1
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der Verschiebung der Kompetenzen zur Ausstellung der Vollstreckbarkeitserklärung in den Ursprungsstaat bewirkt die EuVTVO einen Systemwechsel, der auch durch eine Änderung der Ausgestaltung der Überprüfungsvorschriften gekennzeichnet ist. Der nächste revolutionäre Schritt im Prozess der Entwicklung des Europäischen Zivilprozessrechts war der Erlass der EuMahnVO und der EuBagatellVO, da diese einheitliche europäische Verfahren einführen. Die Feststellung des Anwendungsbereichs von Art. 3 Abs. 1 EuVTVO und insbesondere die Definition der unbestrittenen Forderungen nach Art. 3 Abs. 1 lit. b und c EuVTVO sind im Hinblick auf die Gewährleistung des Schuldnerschutzes nur dann unproblematisch, wenn die Sicherheit besteht, dass die Tatsache, dass der Schuldner vor Gericht nicht erscheint um die Forderung zu bestreiten, nicht dadurch verursacht wurde, dass der Schuldner keine Möglichkeit hatte, vom Verfahren Kenntnis zu erlangen. Aus der Sicht des Schuldners kann die Erstreckung des Anwendungsbereichs der EuVTVO auf die Rechtsbehelfsentscheidungen nach Art. 3 Abs. 2 EuVTVO problematisch sein, da oft Forderungen, die tatsächlich nicht unbestritten sind, von der Verordnung als unbestritten betrachtet werden, und zwar mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Die Erläuterung der relevanten deutschen und polnischen Vorschriften zeigt, dass auf Ebene des nationalen Rechts wesentliche Unterschiede bestehen können. Dies gilt vorliegend insbesondere im Hinblick auf Versäumnisurteile und Vollstreckungsbescheide. Die Garantie des Rechts auf rechtliches Gehör ergibt sich im Unionsrecht in erster Linie aus der Grundrechtecharta der EU. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH gehört der Anspruch auf rechtliches Gehör zu den fundamentalen Grundsätzen der EU. Die europäischen Institutionen sind daher bei allen ihren Tätigkeiten an das Grundrecht auf rechtliches Gehör gebunden. Die Gründe für die Notwendigkeit der Einführung von Kontrollmechanismen im Rahmen der Anerkennung ausländischer Entscheidungen sind unterschiedlicher Natur. Ausschlaggebend ist insoweit, ob es sich um nationales oder internationales Recht handelt. Im Falle des nationalen Rechts lässt sich die Einführung von Kontrollmechanismen mit dem Souveränitätsprinzip begründen. Auf der Ebene des internationalen Rechts bzw. des Unionsrechts muss dies anders begründet werden. Im Unionsrecht ist der Gesetzgeber primärrechtlich an die Unionsgrundrechte gebunden. Die Beschränkung der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Vollstreckungsschuldners ist in gewissem Maße notwendig. Um die Grenzen der zulässigen Beschränkung zu bestimmen, sind die Anforderungen an die Gewährleistung der Unionsgrundrechte einzubeziehen. Auch wenn in der EuVTVO dieses Recht begrenzt wird, ist der Eingriff in den Wesensgehalt des Grundrechts nicht zulässig. Daher ist die Einführung von Rechtsmecha-
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1. Kapitel: Grundlagen
nismen, die die wirksame Kontrolle des rechtlichen Gehörs in Bezug auf bestimmte Kategorien von Schuldnern sichern, unabdingbar.
Kapitel 2
Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren A. Funktionen und Rechtsnatur des Bestätigungsverfahrens A. Funktionen und Rechtsnatur des Bestätigungsverfahrens
Sowohl die nationalen Klauselerteilungsverfahren, das Exequaturverfahren im nationalen sowie internationalen Recht als auch die Bestätigung als EuVT haben prinzipiell das gleiche Ziel: die Verleihung der Vollstreckbarkeit. Die Bestätigung als EuVT und die nationalen Klauselerteilungsverfahren sind jedoch hinsichtlich ihrer Qualität nicht gleichwertig. Abgesehen davon, dass es im nationalen Verfahren zur Verleihung der Vollstreckbarkeit nur für das Gebiet eines Staates kommt, liegt ein weiterer Unterschied darin, dass in rein inländischen Verfahren eine Kontrolle des rechtlichen Gehörs des Beklagten nicht stattfindet.1 Das Bestätigungsverfahren übernimmt dagegen bestimmte Funktionen des von der EuVTVO nicht mehr vorgesehenen Exequaturverfahrens.2 Aus diesem Grund wird das Bestätigungsverfahren auch als ein „qualifiziertes Klauselerteilungsverfahren“ bezeichnet.3 Die Ausstellung der Bestätigung nach der EuVTVO ist keine gerichtliche Entscheidung. Dies lässt sich schon aus dem Wortlaut der EuVTVO schließen: Art. 4 Nr. 1 EuVTVO differenziert zwischen den Begriffen der Entscheidung und der Bestätigung.4
B. Der Verlauf des Bestätigungsverfahrens B. Der Verlauf des Bestätigungsverfahrens
I. Überblick Die EuVTVO selbst enthält nur wenige Vorgaben zum Verlauf des Verfahrens. Viele Fragen müssen daher die Mitgliedstaaten selbst regeln.5 1
Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 101. Hüßtege, FS Jayme, 2004, 371, 384; ders., in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union, 113, 116; Gerling, Gleichstellung, S. 77. 3 Hess/Bittmann, IPRax 2007, 277, 279. 4 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 97. 5 Luckey, ZGS 2005, 420, 423. 2
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Gemäß EuVTVO hat der Gläubiger, der im Erkenntnisverfahren obsiegt und dem eine unbestrittene Forderung im Sinne der EuVTVO zusteht, das Recht, jederzeit einen Antrag auf Bestätigung der ergangenen Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat zu stellen.6 Die Bestätigung als EuVT wird jeweils anhand eines der in der EuVTVO vorgesehenen Bestätigungsformulare ausgestellt.7 Das Verfahren ist einseitig, der Beklagte wird nicht angehört. Grundsätzlich kann der Vollstreckungsschuldner gegen die Bestätigung auch keinen Rechtsbehelf einlegen (Art. 10 Abs. 4 EuVTVO).8 Nur die in Art. 10 EuVTVO vorgesehenen Möglichkeiten der Berichtigung und des Widerrufs stehen ihm ausnahmsweise zur Verfügung. II. Das für die Bestätigung zuständige Organ – Vorgaben der EuVTVO Das Bestätigungsverfahren findet immer im Ursprungsmitgliedstaat statt, in dem der zu bestätigende Titel erlassen wurde. Dadurch, dass im Bestätigungsverfahren bestimmte Elemente des Erkenntnisverfahrens zu überprüfen sind, ist es nicht ohne Bedeutung, in welchem Verhältnis das die Bestätigung ausstellende Organ und das den Titel erlassende Organ stehen. Der Antrag auf Erteilung der Bestätigung als EuVT ist gemäß Art. 6 Abs. 1 EuVTVO an das Ursprungsgericht zu stellen.9 Das nationale Recht der Mitgliedstaaten regelt, welche Stelle insoweit zuständig ist.10 In diesem Rahmen entscheiden sie zum einen, wer für die Bestätigung funktional zuständig ist, d. h. ob die Bestätigung von einem Richter auszustellen ist oder auch von einem Justizbeamten11 ausgestellt werden kann. Zum anderen muss normiert werden, ob das den Titel erlassende Organ auch für seine Bestätigung zuständig ist.12 Die Mitgliedstaaten haben die funktionelle Zuständigkeit unterschiedlich geregelt. So ist für die Ausstellung der Bestätigung in Deutschland
6
Luckey, ProzRB 2005, 242, 244. „Die Bestätigung muss eine übersichtliche, standardisierte Zusammenfassung aller Tatsachen enthalten, welche die Entscheidung inhaltlich konkretisieren und individualisieren und für die Vollstreckung unabdingbar sind“; Gerling, Gleichstellung, S. 77. 8 Der Prozess der Entstehung und Entwicklung dieser Vorschrift wird ausführlich dargestellt bei Gerling, Gleichstellung, S. 119–120. 9 Für gerichtliche Vergleiche wurde die Frage der Zuständigkeit in Art. 24 EuVTVO, für öffentliche Urkunden in Art. 25 EuVTVO geregelt. Zu den öffentlichen Urkunden siehe Franzmann, MittBayNot 2004, 404 ff. 10 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 91. 11 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 95. 12 Die Kommission soll es in Kauf genommen haben, dass die Zuweisung der Zuständigkeit für die Bestätigung an die Gerichte im Ursprungsmitgliedstaat in der Praxis zu einer Überlastung der Gerichte führen kann; Jayme/Kohler, IPRax 2002, 461, 465. 7
B. Der Verlauf des Bestätigungsverfahrens
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der Rechtspfleger zuständig.13 In Polen ist die Bestätigung dagegen immer Aufgabe des Richters. Die Sicherung der effektiven Kontrolle zur Gewährleistung der Grundrechte des Schuldners ist, angesichts des Zwecks der Verordnung, von vorrangiger Bedeutung.14 Nur dann, wenn die Einhaltung der Mindeststandards möglichst objektiv überprüft werden kann, können die Kontrollmechanismen ihre Wirkungen entfalten.15 Dies erscheint problematisch, wenn für die Kontrolle derselbe Richter bzw. dasselbe Organ zuständig ist, das auch die Ausgangsentscheidung erlassen hat.16 Die Wirksamkeit der Kontrolle wird daher im Schrifttum vielfach in Frage gestellt.17 Auf der Grundlage empirischer Untersuchungen wird angenommen, dass der mit der Sache vorbefasste Richter – auch im Bereich des Prozessrechts – eine fehlerhafte Rechtsanwendung, die eine der Parteien in ihren Verfahrensgrundrechten verletzt, regelmäßig bestätige.18 Das von manchen Staaten, die eine doppelte Zuständigkeit desselben Richters bzw. desselben Organs vorsehen, ins Feld geführte Argument, dass dieser bzw. dieses bereits mit der Sache vertraut sei, was der Verfahrenseffizienz diene, vermag daher nicht zu überzeugen. Um das Risiko einer tatsächlich nicht wirksamen Kontrolle zu vermeiden oder zumindest zu verringern und gleichzeitig dem Prinzip der Beschleunigung Rechnung zu tragen, sollte man aus rechtspolitischer Sicht in Betracht ziehen, die Aufgabe der Bestätigung einem anderen Richter bzw. demselben Gericht in der gleichen Instanz, aber in anderer Besetzung zuzuweisen.19
13
Wie insbesondere beim deutschen Mahnverfahren, Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rn. 14. 14 Die Frage der Zuständigkeit im Bestätigungsverfahren wurde in der Literatur schon während des Rechtssetzungsverfahrens diskutiert. Siehe beispielsweise Stadler, IPRax 2004, 2, 7; dies., RIW 2004, 801, 805; Stein, IPRax 2004, 181, 189; Rauscher, GPR 2004, 286, 288; Hüßtege, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsache in der Europäischen Union, 113, 135. 15 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 104. 16 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 105; Stadler, IPRax 2004, 2, 7; Taborowski, IPRax 2007, 250, 253; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 118. 17 Vgl. insbesondere: Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 72; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 118; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 95; Stadler, IPRax, 2004, 801, 805; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 43; Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1545. 18 Schnabl, Die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO, S. 211, Fn. 55. Diese Überlegungen betreffen aber die Rüge, die sich auf eine Verletzung des materiellen Rechts stützt. 19 Für die Zuständigkeit eines anderen Spruchkörpers im Urteilsgericht Stein, IPRax 2004, 181, 189.
60
2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
C. Das Bestätigungsverfahren nach der EuVTVO in Deutschland und in Polen C. Das Bestätigungsverfahren nach der EuVTVO in Deutschland und in Polen
I. Die Bestätigung deutscher Titel als EuVT Gemäß § 1079 ZPO sind für die Bestätigung deutscher Vollstreckungstitel die Gerichte, Behörden oder Notare zuständig, die den Titel erlassen haben. § 20 Nr. 11 Rechtspflegergesetz (RPflG) bestimmt darüber hinaus, dass für die Bestätigung von gerichtlichen Entscheidungen sowie Vergleichen der Rechtspfleger20 des Ursprungsgerichts zuständig ist.21 Die Zuweisung der Zuständigkeit an den Rechtspfleger wird mit Praktikabilitätserwägungen begründet.22 Insbesondere ist der Rechtspfleger für Vollstreckungsbescheide, die den größten Anteil der als EuVT zu bestätigenden Titel darstellen, aber auch für die dem Titel zugrundeliegende Entscheidung zuständig.23 Ein zusätzliches Argument für die Zuweisung der Kompetenz an den Rechtspfleger ist, dass dieses Organ auch die nationale Vollstreckungsklausel erteilt.24 Im empirisch häufigsten Fall einer Bestätigung als EuVT – dem Vollstreckungsbescheid im Mahnverfahren – kommt es daher nach deutschem Recht zur personellen Identität des Organs, das den zu bestätigenden Titel erlässt und das ihn als EuVT bestätigt. Im Schrifttum wurde die Zuweisung der Zuständigkeit für die Bestätigung als EuVT an den Rechtspfleger kritisiert. Im Vordergrund dieser Kritik wurde die Frage nach dem rechtlichen Charakter der Bestätigung gestellt. Einerseits wird die Auffassung vertreten, die Bestätigung als EuVT entspreche funktional einer vollstreckbaren Ausfertigung deutscher Endurteile gemäß den §§ 724 ff. ZPO und dem Vollstreckungsurteil gemäß § 722 Abs. 1 ZPO bzw. der Vollstreckbarerklärung nach dem Gemeinschaftsrecht i.V.m. den Regelungen des AVAG bei ausländischen Entscheidungen.25 Die Bestätigung stelle ein amtliches Zeugnis aus, dass der Anspruch vollstreckbar ist.26 Andererseits wird vertreten, das Bestätigungsverfahren entspreche qualitativ nicht der Vollstreckbarerklärung nach den Art. 38 ff. EuGVVO, sondern sei eher mit der Überprüfung der Anerkennungsversagungsgründe aus Art. 34 f. EuGVVO vergleichbar,27 die das Oberlandesgericht im Beschwerdeverfahren 20
Habscheid, FS Geimer, 2002, 277, 279. Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 459; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 397. Kritisch über die Zuständigkeit des Rechtspflegers Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 102. 22 Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 459; Wagner, IPRax 2005, 401, 403. 23 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 187. 24 Habscheid, FS Geimer, 2002, 277, 279. 25 Gerling, Gleichstellung, S. 78. 26 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 91. 27 Oberhammer, JBl. 2006, 477, 496. 21
C. Das Bestätigungsverfahren nach der EuVTVO in Deutschland und in Polen
61
nach Art. 43 EuGVVO vornimmt.28 Vor diesem Hintergrund wurde die Zuweisung der Zuständigkeit für die Bestätigung als EuVT an den Rechtspfleger kritisiert. Unverständlich sei vor allem, warum die Prüfung nach der EuVTVO dem Rechtspfleger obliegt, während die Kontrolle nach der EuGVVO zu den Kompetenzen des Vorsitzenden Richters am Landgericht gehört. Die Prüfung nach der EuVTVO sei substantiell viel anspruchsvoller als die Vollstreckbarerklärung nach der EuGVVO.29 Teilt man die Meinung, das Bestätigungsverfahren nach § 1079 ZPO, Art. 9 und 5 ff. EuVTVO sei ein „qualifiziertes Klauselerteilungsverfahren“, das einen anderen Charakter als das Verfahren nach den §§ 724 ff. ZPO habe, so erscheint die Verteilung der Kompetenzen bei der Umsetzung der EuVTVO durch den deutschen Gesetzgeber inkonsequent.30 Dem ist zuzustimmen. Im Hinblick auf das Ziel der Wirksamkeit einer Kontrolle des rechtlichen Gehörs ist die Zuweisung der Zuständigkeit im Bestätigungsverfahren an höher qualifizierte Organe wünschenswert. Es wäre mithin vorzugswürdig, wenn nicht der Rechtspfleger, sondern der Richter zuständig wäre. Die Überprüfung im Bestätigungsverfahren ist auch deswegen anspruchsvoll, weil das bestätigende Organ in der Regel seine eigenen Handlungen im Ausgangsverfahren nach den Mindestvoraussetzungen bewerten muss. Die Tatsache, dass sogar im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens für die Überprüfung des rechtlichen Gehörs des Schuldners, der sich im Erststaat nicht auf das Verfahren eingelassen hat, der Richter, nicht aber der Rechtspfleger zuständig ist, ist ein triftiges Argument, das die These über die Notwendigkeit der richterlichen Kontrolle der Mindestvoraussetzungen der EuVTVO bekräftigt. Nach § 1082 Abs. 1 S. 1 ZPO ist eine Anhörung des Schuldners nicht erforderlich. Im Verfahren vor dem Rechtspfleger besteht für den Gläubiger kein Anwaltszwang (§ 13 RPflG). Die Bestätigung ist dem Schuldner von Amts wegen zuzustellen.31 Umstritten ist, ob im Bestätigungsverfahren auch die nationalen Vollstreckungsvoraussetzungen zu prüfen sind. Die herrschende Meinung im Schrifttum bejaht dies.32 Das Bestätigungsverfahren übernehme dann die Funktion der Vollstreckungsklausel. Dagegen spricht aber, dass für eine solche Über28
Das Bestätigungsverfahren nach §§ 1079 f. ZPO, Art. 9 EuVTVO ist einseitig. Das Verfahren nach § 1081 ZPO, Art. 10 EuVTVO ist zweiseitig ausgestaltet, §§ 1081 Abs. 3, 319 ZPO. 29 Hess/Bittmann, IPRax 2007, 277, 279. 30 Hess/Bittmann, IPRax 2007, 277, 279. 31 Wagner, IPRax 2005, 401, 403; Jennisen, InVo 2006, 263, 267; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 120 ff. 32 Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 399; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 123 f.; Riedel, Europäischer Vollstreckungstitel, S. 10; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 6 EG-VollstrTitelVO Rn. 14.
62
2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
prüfung kein Hinweis in der EuVTVO zu finden ist. Die Bestätigung erfolgt in Deutschland, ohne dass eine Vollstreckungsklausel zu erteilen ist. Dadurch wird der Grundsatz des effet utile gefördert.33 Die Prüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen nach deutschem Recht würde bedeuten, dass für deutsche Titel höhere Anforderungen an die Bestätigung gelten als nach der EuVTVO selbst. Ein wichtiges Argument gegen die Überprüfung ist zudem die Tatsache, dass die Kriterien der Prüfung im Rahmen des Bestätigungsverfahrens in der Verordnung abschließend festgelegt sind. Andere, zusätzliche Kriterien können nicht in Frage kommen.34 II. Die Bestätigung polnischer Titel als EuVT Die Vorschriften über das Bestätigungsverfahren wurden als Art. 7951-5 in das poln. ZVGB eingefügt. Sie befinden sich im Teil über das Zwangsvollstreckungsverfahren, weil die Bestätigung nicht mehr zum Erkenntnisverfahren gehört. Sie dient vielmehr dem künftigen Zwangsvollstreckungsverfahren.35 Im ersten Titel des poln. ZVGB wurde ein Abschnitt II a mit den Art. 7951 bis 7955 poln. ZVGB über die „Bescheinigung des Europäischen Vollstreckungstitels“36 eingefügt. Danach „erlässt das inländische Gericht auf Antrag des Gläubigers37 eine Bescheinigung des EuVT, sofern der Vollstreckungstitel in Form einer Gerichtsentscheidung38 oder eines Vergleichs,39 der vor Gericht geschlossen oder gerichtlich bestätigt wurde, die in den besonderen Vorschriften festgelegten Voraussetzungen erfüllt“ (Art. 7951 § 1 poln. ZVGB). Nach polnischem Recht ist die Bestätigung ebenso wie die Ausstellung der nationalen Vollstreckungsklausel eine richterliche Aufgabe.40 Die Bestätigung des Urteils wird vom Einzelrichter des Rayonsgerichts41 erlassen (Art. 7952 poln. ZVGB). Die Sitzung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.42 Das 33 So auch Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 113. 34 Die Zulassung einer solchen Prüfung würde zu einem Systembruch führen, siehe Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 113. Die Qualifizierung des Bestätigungsverfahrens als „qualifiziertes Klauselerteilungsverfahren“ führt dazu, dass es nicht dem Verfahren nach §§ 724 ff. ZPO entspricht. 35 Arkuszewska, PPH 2006, Nr. 6, 41, 42. 36 Poln.: Zaświadczenie europejskiego tytułu egzekucyjnego. Der Begriff lässt sich wortgetreu als „Bescheinigung des EuVT” übersetzen. In diesem Zusammenhang besteht kein Unterschied zwischen der Bescheinigung und Bestätigung als EuVT. 37 Miczek, Pr. i P. UE, 2006, Nr. 9, 48, 49. 38 Poln.: orzeczenie sądu. 39 Poln.: ugoda sądowa. 40 Ebenso in den Niederlanden, siehe Sujecki, IPRax 2006, 525, 527. 41 Poln.: sędzia jednoosobowy sądu rejonowego. Gemäß Art. 782 § 1 poln. ZVGB wurde dies auch bezüglich der Ausfertigung inländischer Vollstreckungsklauseln vorgesehen. 42 Miczek, Pr. i P. UE, Nr. 2006, 48, 49.
C. Das Bestätigungsverfahren nach der EuVTVO in Deutschland und in Polen
63
Bezirksgericht kann die Bestätigung ebenfalls ausstellen, je nachdem, welches Gericht das Urteil in der ersten Instanz erlassen hat. Findet Art. 6 Abs. 3 EuVTVO Anwendung, kann die Bestätigung ausnahmsweise vom Berufungsgericht vorgenommen werden.43 Dies betrifft Situationen, in denen die Entscheidung infolge der Erhebung eines Rechtsbehelfs abgeändert wurde. In der Praxis kann dieser Fall nur nach einem Berufungsverfahren, das nach Erhebung eines Rechtsbehelfs des Klägers stattfindet, eintreten. Wird die Bestätigung nach Art. 6 Abs. 3 EuVTVO ausgestellt, so sind die allgemeinen Regeln über die Zuständigkeit bei der Bestätigung (Art. 7951 poln. ZVGB) anzuwenden.44 Die Vorschriften des polnischen Rechts über die Bestätigung nationaler Entscheidungen regeln nicht, wer für die Bestätigung funktional zuständig ist. Der Kreis der zuständigen Personen wurde nicht ausdrücklich begrenzt. Aus praktischen Gründen wird wahrscheinlich derjenige Richter, der auch die Entscheidung selbst erlassen hat, die Bestätigung als EuVT ausstellen. Dies birgt die Gefahr, dass die Voraussetzungen des Art. 6 EuVTVO von derselben Person geprüft werden und dadurch die Wirksamkeit der Kontrolle in Frage gestellt wird.45 Das ist etwa der Fall, wenn ein Gläubiger nach Maßgabe des polnischen Zivilverfahrensrechts den Erlass eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren beantragt (Art. 4841 § 2 poln. ZVGB). Ein solcher Antrag ist in einer Klageschrift zu stellen. Den auf den Antrag hin erlassenen Zahlungsbefehl hat das Gericht dem Schuldner mit der Klageschrift nach den allgemeinen Regeln des poln. ZVGB zuzustellen. Legt der Schuldner innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Zustellung keinen Widerspruch ein, entfaltet der Zahlungsbefehl die Wirkung eines endgültigen Urteils und kann als EuVT bestätigt werden. Die Bestätigung (Bescheinigung) stellt jedoch gem. Art. 7951 poln. ZVGB dasselbe Gericht aus. Dabei hat es zu prüfen, ob die selbst durchgeführte Zustellung der Klageschrift den Anforderungen der Mindeststandards entsprach. Diese Zuständigkeitsregelung bewirkt eine Gefährdung des Rechts auf rechtliches Gehör. Nach Art. 7951 poln. ZVGB ist für die Bestätigung die Vollstreckbarkeit des Titels notwendig.46 Es handelt sich dabei um eine Vollstreckbarkeit in formeller Hinsicht.47
43
Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 17. Arkuszewska, PPH 2006, Nr. 6, 41, 42, Fn. 12. 45 Taborowski, IPRax 2007, 251, 253. 46 Im Schrifttum wurde diesbezüglich die Frage gestellt, ob die Vollstreckbarkeit eine generelle Eigenschaft der Entscheidung sein soll oder ob es sich eher um die Möglichkeit der Vollstreckung in einem bestimmten Mitgliedstaat handelt. Siehe Taborowski, IPRax 2007, 251, 252, Fn. 23. 44
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Dem Schuldner ist eine Abschrift des Beschlusses über die Ausstellung der Bestätigung zuzustellen. Eine Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten kommt nicht in Frage.48 Eine solche kann nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Erkenntnisverfahrens erfolgen. Im Zwangsvollstreckungsverfahren ist auch die Zustellung an den Zustellungspfleger oder durch Einlegung in die Akten nicht mehr möglich.49 Wird indes ein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, so ist ihm der Beschluss zuzustellen (Art. 91 § 2 poln. ZVGB). Art. 795 1-2 poln. ZVGB ist für den Erlass der Bestätigung über die Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckbarkeit von Titeln, für die ein EuVT erlassen wurde, entsprechend anzuwenden (Art. 7955 § 1 poln. ZVGB i. V. mit Art. 23 und Art. 10 EuVTVO). Auf Antrag des Schuldners, der binnen eines Monats nach der Zustellung des Beschlusses über den EuVT zu stellen ist (Art. 7954§ 2 poln. ZVGB),50 kann der EuVT aufgehoben werden. Sofern der Schuldner dafür nicht das Formular zu den Verweigerungsgründen verwendet, muss der Antrag die Voraussetzungen der Art. 125 f. poln. ZVGB erfüllen und die den Antrag begründenden Umstände benennen (Art. 7954 § 3 poln. ZVGB). Vor der Entscheidung über die Aufhebung des EuVT ist der Gläubiger anzuhören (Art. 7954 § 4 poln. ZVGB).51 Eine Verweigerung der Bestätigung ergeht in Form eines gerichtlichen Beschlusses. Sie ist nur dem Gläubiger zuzustellen (Art. 7953 § 1 poln. ZVGB). Ab dem Tag der Zustellung kann dieser innerhalb einer Woche Beschwerde einlegen (Art. 7953 § 2 poln. ZVGB).52 Erlässt das Gericht der zweiten Instanz nach Prüfung der durch den Gläubiger eingelegten Beschwerde einen Beschluss, so ist dieser endgültig. Eine Kassationsklage ist ausgeschlossen (Art. 7674 § 2 poln. ZVGB). Ähnlich wie im deutschen Recht taucht in Bezug auf das Bestätigungsverfahren nach dem polnischen Recht die Frage auf, ob auch die Voraussetzungen des polnischen Klauselerteilungsverfahrens bei der Bestätigung als EuVT zu überprüfen sind. Dies ist zu verneinen, da die beiden Verfahrensarten getrennt geregelt sind und zwei voneinander verschiedene Verfahrensarten dar47
Weitz, Europejski tytuł egzekucyjny, S. 141 ff; Taborowski, IPRax 2007, 251, 252, Fn. 23, der sich auf das Urteil des EuGH, Rs. C-267/97, Coursier beruft, jedoch vorbehaltlich der Unterschiede in der Ausgangslage des Sachverhaltes. 48 Miczek, Pr. i P. UE 2006, Nr. 9, 48, 50. 49 Miczek, Pr. i P. UE 2006, 48, 50. 50 Die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs gegen die Vollstreckungsklausel beginnt nach Art. 795 § 2 poln. ZVGB am Tage der Zustellung der Mitteilung über die Einleitung der Zwangsvollstreckung an den Schuldner. Siehe Miczek, Pr. i P. UE 2006, 48, 50. Der Beschluss über die Ausstellung der Vollstreckungsklausel wird dem Schuldner nicht zugestellt. 51 Gemäß Art. 760 § 2 poln. ZVBG kann er die Erklärungen schriftlich abgeben. 52 Die Frist ergibt sich aus den allgemeinen Regeln des poln. ZVGB (Art. 394).
D. Andere Arten der Bestätigung nach der EuVTVO
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stellen. Die Überprüfung in den Mitgliedstaaten kann zudem nicht über die Vorgaben der Mindeststandards der EuVTVO, die einen geschlossenen Katalog darstellen, hinausgehen.
D. Andere Arten der Bestätigung nach der EuVTVO D. Andere Arten der Bestätigung nach der EuVTVO
I. Die Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit (Art. 6 Abs. 2 EuVTVO) Ist eine als EuVT bestätigte Entscheidung nicht mehr vollstreckbar oder wurde ihre Vollstreckbarkeit ausgesetzt bzw. eingeschränkt, so hat der Beklagte das Recht, einen Antrag auf Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit bzw. auf Beschränkung der Vollstreckbarkeit zu stellen (Art. 6 Abs. 2 EuVTVO). Zuständig ist das Organ, das den Titel und seine Bestätigung erlassen hat.53 II. Die Ersatzbestätigung (Art. 6 Abs. 3 EuVTVO) Die Regelung des Art. 6 Abs. 3 EuVTVO über die Ersatzbestätigung ist im Hinblick auf die Gewährleistung der Prozessgrundrechte des Schuldners ebenfalls nicht unproblematisch. Eine Ersatzbestätigung kann ausgestellt werden, wenn eine Entscheidung, die als EuVT bestätigt worden ist, angefochten wurde und die Entscheidung über die Anfechtung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist.54 Dabei tauchen bezüglich der Qualifizierung des Begriffes der unbestrittenen Forderung dieselben Fragen auf wie in Bezug auf Art. 3 Abs. 2 EuVTVO. Die Geldforderung, auf welche sich das Urteil in dieser Situation bezieht, ist in einem solchen Fall nicht mehr unbestritten.55 Trotzdem wird eine Bestätigung als EuVT ausgestellt. Die Zulässigkeit der Bestätigung einer in der Tat streitigen Forderung als unbestrittene Forderung, die eine Zwangsvollstreckung des EuVT ermöglicht, ist im Hinblick auf den Schuldnerschutz zweifelhaft.
53
„Dass die im Ursprungsstaat entstandenen Beschränkungen der Vollstreckbarkeit ungeachtet einer bereits erfolgten Bestätigung als EuVT auch die Auslandsvollstreckung betreffen, ergibt sich bereits aus dem in Art. 11 EuVTVO niedergelegten Grundsatz, dass eine Entscheidung im Ausland nicht leichter vollstreckbar sein kann als im Ursprungsmitgliedstaat“: Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuVTVO, Rn. 16–17. Siehe auch: Stein, EuZW 2004, 682. 54 Gerling, Gleichstellung, S. 82. 55 Siehe noch den Erwägungsgrund Nr. 7 zur EuVTVO.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
E. Voraussetzungen für die Bestätigung E. Voraussetzungen für die Bestätigung
I. Überblick Die EuVTVO regelt abschließend, welche Voraussetzungen für die Bestätigung einer Entscheidung vorliegen müssen. Während einige dieser Voraussetzungen den Titel oder die ihm zugrundeliegende Forderung betreffen, beziehen sich andere auf das nationale Verfahren, in welchem der Titel ergangen ist.56 1. Vollstreckbarkeit Die erste materielle Voraussetzung57 für die Bestätigung als EuVT ist gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a EuVTVO die Vollstreckbarkeit58 der zu bestätigenden Entscheidung,59 die nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zu beurteilen ist.60 Nach den meisten Rechtsordnungen genügt schon die vorläufige Vollstreckbarkeit des Titels.61 Die Vollstreckbarkeit der Entscheidung bedeutet, dass der Gläubiger von den zuständigen staatlichen Organen die Verwirklichung des in der Entscheidung enthaltenen Leistungsbefehls verlangen kann.62 Es geht um die abstrakte Vollstreckbarkeit63 und die Vollstreckbarkeit im formellen Sinne.64 Der EuGH65 vertritt die Meinung, dass für die Feststellung der Vollstreckbarkeit einer Entscheidung für das Ausland prinzipiell ihr Inhalt ent56
Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU, § 5 Rn. 11. Im Schrifttum unterscheidet man zwischen den sachlich-materiellen Voraussetzungen in Bezug auf den zu bestätigenden Titel bzw. die Forderung und den Voraussetzungen, die sich auf das Ausgangsverfahren beziehen. Siehe Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU, § 5 Rn. 11. 58 Für den Gläubiger können dadurch Nachteile entstehen, dass die einzelnen Mitgliedstaaten verschiedene Konzeptionen im Hinblick auf die Vollstreckbarkeit der in ihrem Hoheitsgebiet erlassenen Entscheidungen vorsehen; siehe Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 57. 59 Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 48. 60 Gerling, Gleichstellung, S. 79. 61 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 57. Auch in Deutschland ist die vorläufige Vollstreckbarkeit ausreichend. 62 Siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 149, Rn. 1. 63 Zur EuGVVO siehe Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 38 Brüssel IVO Rn. 11 f. 64 Beispielsweise EuGH, Urteil v. 29.4.1999, Rs. C-267/97, Eric Coursier ./. Fortis Bank und Martine Bellami, verheiratete Coursier, Slg. 1999, I 2543, 2571. 65 EuGH, ebd. So auch Weitz, Konwencja z Lugano. Wykonalność zagranicznych orzeczeń przed sądami polskimi, S. 95. 57
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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scheidend ist.66 Das Organ, das die Bestätigung auszustellen hat, hat demnach zu entscheiden, ob die Entscheidung aufgrund ihres Inhalts vollstreckbar ist.67 Auch im polnischen Rechts entscheidet der Inhalt der Entscheidung über deren Vollstreckbarkeit. Der Titel muss eine Forderung betreffen, die vollstreckbar ist, das heißt, von den zuständigen staatlichen Organen im Wege der Zwangsvollstreckung eingezogen werden kann.68 Die Rechtskraft69 des Titels ist nicht erforderlich,70 weshalb die Belange des individuellen Schuldnerschutzes tangiert sein können.71 Das Interesse des Schuldners ist allerdings in angemessener Weise gewahrt.72 So wurde die Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung vorgesehen (Art. 23 EuVTVO), wenn der Schuldner gegen die Entscheidung einen Rechtsbehelf eingelegt hat. Dann findet Art. 6 Abs. 2 EuVTVO Anwendung. 2. Zuständigkeitsvoraussetzungen Für die Bestätigung als EuVT ist weiterhin erforderlich, dass die Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit nach den jeweils einschlägigen Vorschriften der EuGVVO eingehalten wurden (Art. 6 Abs. 1 lit. b EuVTVO).73 Dies betrifft die Regelungen der Zuständigkeit in Versicherungssachen und Verbrauchersachen sowie Fälle der ausschließlichen Zuständigkeit.74
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Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 38 Brüssel I-VO Rn. 14. Nicht vollstreckbar wären dann z. B. Feststellungs-und Gestaltungsurteile. 68 Okońska, Rejent 2007, Nr. 2 (190), 90, 105–106; Miączyński, Skuteczność orzeczeń w postępowaniu cywilnym, S. 28–29. 69 Es geht hier um die formelle Rechtskraft. Dazu siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 150, Rn. 1 ff. 70 Dies wurde erst nach einer Diskussion der Gemeinschaftsinstitutionen festgestellt. Noch bezüglich der Fassung der EuVTVO vom 11. Juni 2003 (KOM (2003) 341 endg.) wurde vorgeschlagen, dass die Rechtskraft der zu vollstreckenden Entscheidung erforderlich sein solle. 71 Schuschke/Walker/Jennisen, ZPO, EuVTVO, Art. 6, Rn. 3. 72 „Der Verzicht auf dieses Erfordernis ist darin begründet, dass Situationen vermieden werden sollen, in denen der Schuldner kostengünstig Widerspruch einlegt, um einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen zu verhindern, und dann im weiterem Verfahren nicht reagiert,“ siehe Gerling, Gleichstellung, S. 81. 73 Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1545; Frey, Pr. i P. UE, Nr. 2005, 6, 8. Darüber hinaus sieht die EuVTVO zusätzliche materielle Voraussetzungen für die Bestätigung des Urteils gegen Verbraucher vor; siehe Frey, ebd., S. 9. 74 Gerling, Gleichstellung, S. 84; Hüßtege, FS Jayme, 2004, 371, 377 f.; Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU, § 5 Rn. 23 f., S. 116. 67
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
3. Mindeststandards Die nächste unabdingbare Voraussetzung für die Bestätigung75 unbestrittener Urteile, die dem Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 lit. b und c EuVTVO76 unterfallen, ist die Überprüfung der in der EuVTVO vorgegebenen Mindeststandards.77 Erst dann, wenn diese im Ausgangsverfahren eingehalten wurden, kann ein nationaler Titel den Status des europäischen Titels erlangen.78 II. Vorschriften über Mindeststandards Die Überprüfung der Mindeststandards bildet den Kernpunkt des Bestätigungsverfahrens.79 Der Verordnungsgeber geht davon aus, dass das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör gewährleistet ist, wenn die vorgesehenen Mindestvorschriften im Ausgangsverfahren des Ursprungsmitgliedstaats eingehalten werden. Aus diesem Grunde kann auf eine weitergehende Überprüfung der Gewährleistung von Verteidigungsrechten des Schuldners verzichtet werden.80 Die Mindestvorschriften sichern ab, dass der Beklagte im gerichtlichen Verfahren über das gegen ihn eingeleitete Verfahren benachrichtigt wird, so dass er effektive Vorbereitungen zu seiner Verteidigung treffen kann.81 Sie beziehen sich im Einzelnen82 auf die Zustel-
75 Die hier vorgesehenen Regelungen gelten zugleich für die Ersatzbestätigung nach Art. 6 Abs. 3 EuVTVO, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Rechtsbehelf die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. b oder c EuVTVO erfüllt werden. 76 „Geschützt werden soll nur der Schuldner, dessen Schweigen im nationalen Prozessrecht der Mitgliedstaaten als Anerkenntnis der Forderung gewertet werden könnte.“ So Gerling, Gleichstellung, S. 95. Diese Idee entspricht dem Grundgedanken des EuGVÜ und der EuGVVO. Im Falle der Säumnis muss sichergestellt werden, dass dem Schuldner tatsächlich rechtliches Gehör gewährt wurde. Siehe Coester-Waltjen, FS Beys, 2003, 183, 187; Raucher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 11 EG-VollstrTitelVO Rn. 1; Kohler, in: Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht, 63, 72. 77 Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1545; Luckey, ZGS 2005, 420, 423. 78 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl EG-VollstrTitelVO Rn. 10-11. 79 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 58. 80 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 51, 89; Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1545; Linke, IZPR, Rn. 333; Geimer, FS Vollkommer, 2006, 385, 403; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 11 EG-VollstrTitelVO Rn. 1; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 102. 81 Zöller/Geimer, ZPO, Anh II, EG-VO EuropVollstreckungstitel, Art. 12 Rn. 1; Wagner, IPRax 2005, 189, 194. Allerdings ist hier auch von der Sicherung der rechtzeitigen Information über das Verfahren die Rede. Nach der im Rahmen der vorliegenden Arbeit vertretenen Meinung beziehen sich die Mindestvorschriften nicht auf die Voraussetzung der Rechtzeitigkeit. Diese Frage wird im Detail weiter zu untersuchen sein, siehe Kapitel 2. E. II. 1. b) bb) (6).
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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lung der verfahrenseinleitenden Schriftstücke (Art. 14 und 15 EuVTVO), die Ladung zur Gerichtsverhandlung und auf den Inhalt der Benachrichtigung – sowohl hinsichtlich der Forderung (Art. 16 EuVTVO) als auch der Verfahrensschritte, die zum Zweck des Bestreitens der Forderung notwendig sind (Art. 17 EuVTVO). Darüber hinaus gehört zu den für die Bestätigung unabdingbaren Mindeststandards nach Art. 19 EuVTVO die Überprüfung von Ausnahmefällen. Die Vorschriften über die Mindeststandards der EuVTVO sind Beurteilungsregeln,83 die nur für das Organ verbindlich sind, das die Bestätigung ausstellt, nicht aber für dasjenige, das den Titel selbst erlässt.84 Die Kontrolle der Mindeststandards der EuVTVO bezieht sich jeweils auf die Umstände des Einzelfalls.85 Es geht daher nicht um die Bewertung der einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts im Bestätigungsverfahren. Ob die Vorschriften eines Mitgliedstaats die Mindestvoraussetzungen erfüllen, ist allerdings nicht ohne Bedeutung. Trägt das nationale Recht den Mindeststandards Rechnung, so kann zunächst begründeterweise davon ausgegangen werden, dass auch im Einzelfall diese Voraussetzungen in der Praxis eingehalten wurden. Zweitens wird das für die Bestätigung zuständige Organ vorrangig diese nationalen Rechtsvorschriften anwenden, wenn es überprüft, ob die Anforderungen der EuVTVO erfüllt wurden. Tatsächlich beurteilt es somit die Ordnungsmäßigkeit des Ausgangsverfahrens im Lichte der Vorschriften des nationalen Rechts. So wird das zur Bestätigung zuständige Organ etwa bei der Bewertung, ob die Zustellung im Einzelfall den Mindeststandards der EuVTVO entsprach, auf die einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts zurückgreifen, die die Zustellung regeln.86
82
Siehe Crifò, Cross-Border Enforcement of Debts in the European Union. Default Judgments, Summary Judgments and Orders for Payment, S. 72 ff. 83 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 90; Kohler, in: Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht, 63, 72; Crifò, Cross-Border Enforcement of Debts in the European Union. Default Judgments, Summary Judgments and Orders for Payment, S. 73; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 12 EG-VollstrTitelVO Rn. 4. 84 „Die Geltung der im Bestätigungsverfahren zu beachtenden Mindestanforderungen ist für den Erlass des Titels in der EuVTVO nicht angeordnet. Das kann – namentlich bei der Zustellung – dazu führen, dass über die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel anhand anderer Vorschriften zu entscheiden ist, als sie dem Erlass zugrunde lagen – was dem Ausgangsgericht schwerer als jedem anderen Gericht fallen wird.“ Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1545. Siehe auch Okońska, Rejent 2007, Nr. 2, 90. 85 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 222; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 114. 86 Coester-Waltjen, FS Beys, 2003, 183, 189; Stadler, RIW 2004, 801, 805; Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 158.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
1. Mindeststandards für die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks Um beurteilen zu können, ob und inwieweit durch die Regelungen der EuVTVO das Recht auf rechtliches Gehör in ausreichendem Maße gewährleistet wird, müssen die Vorschriften über die Zustellung auf zwei Ebenen berücksichtigt werden: Zum einen sind diejenigen Vorschriften zu erörtern, die unmittelbar das Zustellungsverfahren in den einzelnen Mitgliedstaaten regeln. Zum anderen sind die Mindeststandardvorschriften zu untersuchen, die im Rahmen des Bestätigungsverfahrens den Kontrollmaßstab hinsichtlich des Zustellungsverfahrens bilden. Wird das rechtliche Gehör durch die Vorschriften über die Zustellung nicht hinreichend garantiert, hängt dessen Gewährleistung entscheidend von der Ausgestaltung der Mindeststandards ab. Das Recht des Schuldners auf rechtliches Gehör wird durch die EuVTVO verletzt, wenn durch die Kontrollmechanismen im Bestätigungsverfahren nicht ausgeschlossen wird, dass die Bestätigung einer im Hinblick auf die Zustellung mangelhaften Entscheidung erfolgen kann. a) Regelungen über die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Ausgangsverfahren (Zustellungsrecht) Die Mindeststandards der EuVTVO beziehen sich sowohl auf die rein nationale als auch auf die internationale Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Vor diesem Hintergrund sind sowohl die einschlägigen Vorschriften über die grenzüberschreitende Zustellung als auch die Vorschriften zur nationalen Zustellung zu berücksichtigen. aa) Bedeutung der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks für die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs in der Verfahrenseinleitung Die gerichtliche Zustellung besteht grundsätzlich in der Übergabe des betreffenden Schriftstücks.87 Im internationalen Rechtsverkehr unterscheidet man zwischen formlosen und förmlichen Zustellungen.88 Die förmliche Zustellung des Schriftstücks erfolgt mit der Übersetzung und einer formlosen Übergabe des übersetzten Schriftstücks bei Annahmebereitschaft des Adressaten.89 Formlos wird dem Schuldner das zuzustellende Schriftstück durch einfache Übergabe zugestellt. Der Zustellungsempfänger entscheidet
87
Schwarz, Gewährung und Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, S. 64. Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 29. 89 Hess, IPRax 2008, 400, 402, Fn. 22. 88
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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dabei selbst, ob er das Schriftstück annimmt oder nicht. Die Ausübung von Zwang ist insoweit nicht möglich.90 Im deutschen Recht definiert sich die Zustellung als Bekanntgabe eines Schriftstücks an eine Person in einer gesetzlich bestimmten Form.91 Die Zustellung ist grundsätzlich ein staatlicher Hoheitsakt.92 Bei der Zustellung wird in der Regel auch eine Zustellungsurkunde ausgefertigt (§ 182 ZPO); die Beurkundung als solche ist allerdings kein Bestandteil der Zustellung.93 Das polnische Recht definiert den Begriff der Zustellung zwar nicht ausdrücklich. Die Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks ist jedoch ebenfalls als hoheitlicher Akt anzusehen. Zustellungsmängel, durch welche dem Zustellungsadressaten die Gelegenheit zur Stellungnahme genommen wird,94 indizieren Verletzungen des rechtlichen Gehörs.95 Der effektiven Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Empfänger kommt besondere Bedeutung zu, wenn dieser im Verfahren säumig ist. Erstens müssen dann die einschlägigen Vorschriften Rechtsmechanismen vorsehen, die das rechtliche Gehör des Empfängers eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks gewährleisten. Zweitens müssen diese Vorschriften im konkreten Fall eingehalten werden. Zur wirksamen Gewährleistung des rechtlichen Gehörs ist zudem notwendig, dass die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt.96
90 Bei der formlosen Zustellung finden die Vorschriften der ZPO über die Zustellung keine Anwendung. Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 29. 91 Nach dem alten deutschen Zustellungsrecht war die Beurkundung noch Voraussetzung der Zustellung. Siehe Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 25. Prinzipiell besteht sie in der Übergabe eines Schriftstückes an einen Empfänger (§ 166 Abs. 1 ZPO): Nagel/Gottwald, IZPR, § 7 Rn. 3. 92 So auch in Deutschland. Siehe BVerfGE 63, 372; 91, 335, 339; BVerfG, IPRax, 2004, 64; BGHZ 58, 177, 179 = NJW 1972, 1004; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, S. 162; Denkschrift zum HZÜ, BT-Drucks. 8/217, S. 46; Stürner, FS Nagel, 1987, 453 f.; Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 70; Schmitz, Fiktive Auslandszustellung, S. 121. Anders als das common law, kennt das deutsche Recht keine Zustellung durch Private, Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, § 12. 6. 93 Nagel/Gottwald, IZPR, § 7 Rn. 3; Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 25. 94 BVerfG, NJW 1988, 817; BayVerfGHE 26, 127, 133 und NJW 1982, 2660; Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, S. 13. 95 EuGH, Urteil v. 3.7.1990, Rs. 305/88, EuZW 1990, 352, 353; Rauscher, IPRax 1991, 155, 157; Fahl, Die Stellung des Gläubigers und des Schuldners bei der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, S. 63. 96 Wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde, darf kein Versäumnisurteil erlassen werden, da die Klage nicht rechtshängig geworden ist. Siehe Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 335 Rn. 4, nach Sharma, Die Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, Grundrechtsschutz bei der
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Primärer Zweck der Zustellung des verfahrenseinleitenden gerichtlichen Schriftstücks ist die rechtzeitige und effektive Information des Adressaten, der dadurch entsprechende Schritte zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs vornehmen kann, unabhängig von der jeweiligen Parteistellung.97 Die wirksame Durchführung der Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks liegt allerdings im Interesse beider Prozessparteien.98 Dem Kläger gewährleistet die Zustellung des gerichtlichen Schriftstücks seinen Justizgewährungsanspruch.99 Außer der Sicherung der Kenntnisnahme eines Schriftstücks durch den Empfänger – also der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs100 – dient sie dem Absender als Garantie, dass er den Nachweis der Zustellung erhält.101 Das Zustellungsrecht ist daher durch die notwendige Abwägung der Interessen beider Prozessparteien gekennzeichnet.102 bb) Das verfahrenseinleitende Schriftstück In den Rechtsakten des Unionsrechts ist die Bedeutung des Begriffs des verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Wege der autonomen Auslegung
Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 26 Fn. 43. 97 Hess, NJW 2001, 15. 98 Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, S. 22. 99 Wilfinger, Das Gebot effektiven Rechtsschutzes in Grundgesetz und Europäischer Menschenrechtskonvention, Konkretisierungsansätze zur Beschleunigung gerichtlicher Verfahren, S. 8 ff. 100 Schack, FS Geimer, 2002, 931, 935; BVerfG NJW 88, 2361; BVerfGE 37, 93, 97; von Münch/Kunig-Kunig, Art. 103 Rn. 15; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 178 und 179; Hess, NJW 2001, 15, 16. 101 Adolphsen, in: Renzikowski (Hrsg.), Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, 39, 63. 102 „Die Zustellung bzw. Übermittlung von gerichtlichen Schriftstücken steht im Spannungsverhältnis von Justizgewährung, Beklagtenschutz und Prozessökonomie. Diese prozessualen Grundsätze müssen in ein ausgeglichenes Verhältnis zueinander gebracht werden, damit die Regelung der Zustellung nicht zu unverhältnismäßigen Einschnitten in den Beklagtenschutz führt und eine zügige Durchführung des Prozesses gewährleistet ist. Auf der anderen Seite darf der Beklagtenschutz nicht derart weit reichen, dass das Verfahren für den Kläger undurchführbar und diesem damit der Zugang zu den Gerichten verwehrt wird. Um diesem in der EuZVO genannten Zweck gerecht zu werden, hat der europäische Gesetzgeber im Hinblick auf die Sprachanforderungen an das zuzustellende gerichtliche Schriftstück zu vereinfachen, so dass eine Beschleunigung und Kostensenkung erzielt werden kann.“ Sujecki, ZEuP 2007, 353, 359. Siehe auch Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 21, der von der „Ausbalancierungsrolle des Zustellungsrechts“ spricht.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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festzustellen.103 Diesbezüglich gelten die gleichen Auslegungsregeln wie hinsichtlich der Vorschriften des EuGVÜ104 und der EuGVVO. Gemäß Art. 26 Abs. 2 und 34 Nr. 2 EuGVVO geht es um jedes Schriftstück, dessen Zustellung den Beklagen in die Lage versetzt, seine Rechte zu verteidigen.105 Der Adressat wird mit der Zustellung erstmalig offiziell über die Rechtssache in Kenntnis gesetzt.106 Die Informationen im Schriftstück sollen es ihm ermöglichen, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen, ob er sich auf das Verfahren einlässt oder nicht.107 Die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks schafft außerdem ein Prozessverhältnis zwischen den Parteien. Sobald das Prozessverhältnis besteht, ist es Aufgabe des Beklagten, sich mit der Klage zu befassen. Nach der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks kann von einer Prozessführungslast des Beklagten gesprochen werden.108 In seiner Rechtsprechung stellt der EuGH inhaltliche Anforderungen an das verfahrenseinleitende Schriftstück auf.109 Er unterscheidet dabei zwischen zwei Arten von Angaben, die sich in jedem verfahrenseinleitenden 103
Zur Frage des verfahrenseinleitenden Schriftstücks siehe beispielsweise OLG Koblenz, 10.6.1991, RIW 1991, 667, 668 = IPRspr. 1991, Nr. 207; EuGH, Urteil v. 13.7.1995, Rs. C 474/93, Hengst Import BV ./. Anna Maria Campese, Slg. 1995, I 2113 = EuZW 1995, 803 = EWS 1995, 308; EuGH, Urteil v. 16.6.1981, Rs. 166/80, Denilauer ./. S.N.C Couchêt Frères, Slg. 1980, S. 1553 ff., 1605, Nr. 7 der Gründe. Weiterhin Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, S. 45; Martiny, in: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, III/2, 1984, Kap. II, Rn. 365; Geimer, IZPR, Rn. 2927; Jayme/Kohler, IPRax 1995, 349; Kruis, IPRax, 2001, 53. 104 In Bezug auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ siehe z. B. EuGH, Urteil v. 16.6.1981, Rs. 166/8, Klomps ./. Michel, Slg. 1981, 1593, 1605 f., Rn. 9. 105 EuGH, Urteil v. 21.4.1993, Rs. C-171/9, Sonntag ./. Waidmann, EuGHE 1993, I 1963, Rn. 39; EuGH, Urteil v. 13.7.1995, Rs. C-474/93, Hengst Import BV ./. Anna Maria Campese, Slg. 1995, I 2113 = EuZW 1995, 803 = EWS 1995, 308, Rn. 19; OLG Koblenz, IPRax 1992, 36; OLG München, RIW 1995, 1027; von Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 83; Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 34 Brüssel IVO Rn. 28; Hess, IPRax 2008, 400, 402; Linke, RIW 1986, 41; Hüßtege, IPRax 2000, 290; Haas, IPRax 2001, 198. 106 OLG Köln, Beschl. vom 28.6.2004, 16 W 32/03, OLGR Köln 2004, 338; EuGH, Urteil v. 21.4.1993, Rs. C-171/9, Sonntag ./. Waidmann, EuGHE 1993, I 1963, Rn. 39; Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 83. 107 EuGH, Urteil v. 13.7.1995, Rs. C-474/93, Hengst Import BV ./. Anna Maria Campese, Slg. 1995, I 2113 = EuZW 1995, 803 = EWS 1995, 308; BGHZ 141, 296; OLG Saarbrücken, OLGR 2001, 474; Geimer/Schütze, EuZVR A 1. Art. 34 EuGVVO, Rn. 116 ff.; Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 83. 108 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 20. 109 Der EuGH hat sich außerdem zur Frage der notwendigen Übersetzung von Anlagen der Klageschrift geäußert, allerdings im Zusammenhang mit der EuZVO, siehe EuGH, Urteil v. 8.11.2005, Rs. C-443/03, Götz Leffler ./. Berlin Chemie AG, Slg. 2005 I9611, Rn 45 ff. = IPRax 2006, 151. Siehe dazu im Kapitel 2. E. II. 3. bb) (6).
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Schriftstück befinden sollen. Einige der Bestandteile des Schriftstücks sind Kernelemente, während andere lediglich Beweisfunktion haben. Die notwendigen Angaben, die in jedem verfahrenseinleitenden Schriftstück enthalten sein müssen, sind der Gegenstand und der Grund des Klageantrags sowie die Aufforderung, sich vor Gericht einzulassen. Das zuzustellende Schriftstück muss jeweils die wesentlichen Klagegründe enthalten, so dass sich der Beklagte entscheiden kann, ob er sich auf das Verfahren einlassen will, um seine Rechte zu verteidigen. Eine Ladungsbenachrichtigung reicht daher nicht aus: Aufgrund einer solchen Zustellung kann der Beklagte den Anspruch nicht hinreichend individualisieren.110 Zudem soll das verfahrenseinleitende Schriftstück eine Belehrung über den zulässigen Rechtsbehelf enthalten.111 Das Prozessrecht des Urteilsstaates entscheidet, welches Schriftstück als das verfahrenseinleitende Schriftstück zuzustellen ist. Sowohl die polnische Rechtsprechung als auch das polnische Schrifttum sehen die erste Phase des Verfahrens, welche die Aufnahme aller den Prozess einleitenden Handlungen durch das Gericht umfasst, als Verfahrenseinleitung an. Darüber hinaus sind in diesen Bereich prozessuale Handlungen einzuordnen, die einem neuen Verfahren im Rahmen des Prozesses dienen, z. B. aufgrund einer Widerklage. Im polnischen Recht ist die Phase der Verfahrenseinleitung von der Phase der Prozesseinleitung zu unterscheiden. Der Begriff des Verfahrens112 hat eine umfassendere Bedeutung als der Begriff des Prozesses. Erster bezieht sich auf den Prozess und andere Verfahrensarten. Eine Prozesseinleitung durch das Gericht findet erst dann statt, wenn feststeht, dass das dem Gericht übersandte Schreiben, in welchem die Prozesseinleitung und Entscheidung in einer Zivilsache beantragt werden, alle im poln. ZVGB aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Im deutschen Recht ist das verfahrenseinleitende Schriftstück die Klageschrift (§ 253 ZPO). Als verfahrenseinleitendes Schriftstück ist aber auch der Mahnbescheid (§ 692 ZPO) anzusehen, weil auch dieser es dem Gläubiger ermöglicht, eine vollstreckbare Entscheidung zu erwirken, wenn
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Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 122. Hess, IPRax 2008, 400, 402. 112 Gegenstand der Regelungen des poln. ZVGB ist das Zivilverfahren. Nach Art. 1 sind hier die Gerichtsverfahren in Zivilsachen geregelt. Im Prinzip verhandelt das Gericht Rechtssachen im Prozessverfahren, es sei denn das Gesetz bestimmt etwa anderes. In den gesetzlich vorgesehenen Fällen entscheidet das Gericht nach den Vorschriften über Sonderverfahren (Art. 13 § 1 poln. ZVGB). Nach Art. 13 § 2 poln. ZVGB werden die Vorschriften über das Prozessverfahren prinzipiell auch auf andere Verfahrensarten entsprechen angewendet. 111
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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der Schuldner untätig bleibt.113 Ebenso ist der Schriftsatz, mit dem der Beklagte seinen Regressanspruch gegen einen Mitbeklagten geltend macht, als verfahrenseinleitendes Schriftstück zu betrachten.114 Für Annexentscheidungen, bei welchen kein gesonderter Schriftsatz notwendig ist, gilt dies dagegen nicht, da sie im Anschluss an das Hauptsacheverfahren ergehen. Für die Anerkennung der Entscheidung genügt es, wenn die Hauptentscheidung anerkennungsfähig ist. Ein Beispiel für eine Annexentscheidung ist das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO. 115 Streitig ist, wie Schriftsätze zu qualifizieren sind, die im Adhäsionsverfahren zuzustellen sind.116 Es wird vertreten, dass die Zustellung der Strafklage genüge, wenn daraus für den Beklagten auch der Umfang des in einem Adhäsionsverfahren geltend gemachten zivilrechtlichen Anspruchs vorhersehbar ist. Allein die Einleitung des Adhäsionsverfahrens müsse dem Beklagten mitgeteilt werden.117 Nach der Gegenansicht sei es bei Adhäsionsklagen unabdingbar, dem Beklagten zusätzlich einen Schriftsatz zuzustellen, aus dem die gegen ihn erhobenen zivilrechtlichen Ansprüche ersichtlich werden. Allein die Zustellung der Strafklage reiche dagegen nicht aus.118 Dem ist zuzustimmen. Für die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Vollstreckungsschuldners spielt auch die Form eine wichtige Rolle, in der ihm die Informationen mitgeteilt werden. Es ist nicht ohne Bedeutung, ob dem Beklagten ein Schriftstück mit den Informationen über das gegen ihn eingeleitete Zivilverfahren, oder aber mehrere Schriftsätze, die sich auf verschiedene Verfahren beziehen, zugestellt werden. Wenn ihm gleichzeitig verschiedene verfahrenseinleitende Schriftstücke zugestellt werden, von denen nur einige zivilrechtliche Ansprüche betreffen, kann er diejenigen, die für seine Verteidigung vor dem Zivilgericht relevant sind, nicht in jedem Fall eindeutig erkennen. Daher sollen die Informationen, die das Zivilverfahren betreffen, dem Beklagten im Falle des Adhäsionsprozesses in einem zusätzlichen gerichtlichen Schriftstück zugestellt werden. Dieser Schriftsatz kann dann als verfahrenseinleitendes Schriftstück im Sinne der EuVTVO betrachtet werden.
113 EuGH, Urteil v. 16.6.1981, Rs. 166/80, Klomps ./. Michel, Slg. 1981, 1593; Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 120. Siehe auch Braun, Der Beklagtenschutz nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, S. 63 ff., der darauf hinweist, dass der Mahnbescheid im deutschen Zivilprozess ebenfalls als ein solches Schriftstück betrachtet werden kann (S. 66 und die in Fn. 17 angeführte Literatur). 114 OLG München, RIW 1995, 1027. 115 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 121. 116 Zur Bedeutung des Adhäsionsverfahrens, siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 10 Rn. 3 ff. 117 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 34 EuGVVO, Rn. 30. 118 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 121.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Streitig ist zudem, ob auch Schriftstücke, welche eine Klageänderung oder Klageerweiterung enthalten, die Voraussetzungen des Anerkennungsrechts erfüllen müssen.119 Der BGH geht in Bezug auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ davon aus, dass bei der Anerkennung nur die wirksame Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks relevant ist. Die fehlerhafte Zustellung späterer Schriftsätze habe für Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ keine Bedeutung mehr.120 Teilweise wird aber vertreten, dass auch die Zustellung der Änderung oder Erweiterung der Klageschrift als Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks zu betrachten sei.121 Sie seien dem Schuldner daher unter Einhaltung der Mindestanforderungen zuzustellen, damit eine Bestätigung als EuVT erfolgen kann.122 Diese Auffassung stärkt die rechtliche Position des Schuldners. Daher sind auch Schriftsätze zur Änderung oder Erweiterung der Klage als verfahrenseinleitende Schriftstücke im Sinne der EuVTVO zu betrachten. Nach polnischem Recht ist das verfahrenseinleitende Schriftstück vor allem die Klageschrift.123 Die Bestandteile jeder Klageschrift im Zivilprozessverfahren regelt vor allem Art. 187 i.V.m. Art. 126 poln. ZVGB. Das Schriftstück unterliegt nach seinem Eingang bei Gericht der Kontrolle des Vorsitzenden. Dieser muss feststellen, ob (1) die formellen Voraussetzungen aus Art. 126 und 187 poln. ZVGB vorliegen und (2) weitere Bedingungen, wie etwa die Zulässigkeit des Gerichtswegs, erfüllt sind. Die letztgenannten Voraussetzungen überprüft allerdings nicht nur der Vorsitzende Richter, sondern der gesamte Spruchkörper. Das Wesen der Klageschrift besteht nach der Rechtsprechung des OG darin, dass die interessierte Partei einen Antrag auf Prozesseinleitung zum Zweck der Entscheidung in einer Zivilsache im Sinne von Art. 1 poln. ZVGB stellt. Kernstück ist hier der Anspruch, der aus dem Bereich des Zivilrechts stammen muss.124 Das OG betont, dass ein Schreiben, aus welchem sich ohne Zweifel ergibt, dass die Partei keine Entscheidung in einer Zivilsache fordert, oder das darauf abzielt, den Gegner, eine andere Person oder Institution lächerlich zu machen oder zu erniedrigen, den Anforderungen nicht genügt.125 Die Zustellung der Klageschrift hat die Folgen, dass (1) im Laufe des Verfahrens zwischen denselben Parteien kein neues Verfahren über den119
So in Bezug auf Art. 34 Nr. 2 EuGVVO sowie § 328 Nr. 2 ZPO Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 123. 120 BGH, IPRax 1987, 236; BGH, IPRax 1992, 33. 121 Stürner, JZ 1992, 334; Hess, IPRax 1994, 10, 16; Grunsky, IPRax 1987, 219; Stadler, in: Canaris (Hrsg.), 50 Jahre BGH, B. III, S. 645, 672; Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 125 f. 122 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 16 EG-VollstrTitelVO Rn. 7. 123 Poln.: pozew. 124 OG, Beschl. v. 20.4.1970, III CZP 4/70, OSNC 1970, Nr. 9, Pos. 146. 125 OG, Beschl. v. 20.4.1970, III CZP 4/70, OSNC 1970, Nr. 9, Pos. 146.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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selben Anspruch eingeleitet werden kann (Art. 192 Pkt. 1 poln. ZVGB) und (2) der Beklagte gegen den Kläger Widerklage erheben kann (Art. 192 Pkt. 2 poln. ZVGB). Letztendlich führt die Zustellung dazu, dass die Veräußerung des streitbefangenen Gegenstandes im Laufe des Verfahrens keinen Einfluss auf den weiteren Prozessverlauf hat. Jedoch kann der Erwerber des streitbefangenen Gegenstandes anstelle des Veräußerers in den Prozess eintreten, wenn die Gegenpartei damit einverstanden ist (Art. 192 Pkt. 3 poln. ZVGB). Nach der Zustellung ist eine Änderung der Klage nur dann zulässig, wenn diese keinen Einfluss auf die Zuständigkeit des Gerichts hat (Art. 193 § 1 poln. ZVGB). cc) Internationale Zustellung im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (1) Überblick Die internationale Zustellung weist bestimmte Besonderheiten auf. Sie ist zeit- und kostenaufwändiger als die nationale Zustellung.126 Außerdem ist ihre Fehleranfälligkeit größer. Im Hinblick auf die Gewährleistung der Prozessgrundrechte des Schuldners sind die Sachverhalte, in welchen eine grenzüberschreitende Zustellung stattgefunden hat, komplizierter.127 Fälle, in denen es aufgrund der Nichteinhaltung von Rechtsvorschriften über die internationale Zustellung zur Verletzung der Grundrechte des Beklagten gekommen ist, sind keine Seltenheit.128 Bestimmte zusätzliche Risiken, die im internationalen zivilprozessualen Rechtsverkehr entstehen, treten auch im Rahmen der internationalen Zustellung auf. Dies betrifft auch die Zustellung im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Aus dem menschenrechtlichen Standard des Völkerrechts129 ergeben sich bestimmte Anforderungen an die internationale Zustellung.130 Eine
126
Siehe beispielsweise Linke, in: Gottwald (Hrsg.), Grundfragen der Gerichtsverfassung, 95, 97; Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 5 ff. 127 „Die Befassung mit Fehlern im Rahmen der grenzüberschreitenden Zustellung, die dazu führen können, dass ein Schuldner unverschuldet keine Kenntnis von der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens erhielt, war in der Vergangenheit eines der Hauptprobleme im Rahmen des Vollstreckbarkeitsverfahrens.“ Siehe Jennisen, InVo 2006, 263, 264. 128 OLG Saarbrücken, IPRax 1995, 35 ff.; EuGH, Urteil v. 3.7.1990, Rs. C-305/88, Lancray ./. Peters, Slg. 1990, I-2725. Dazu siehe auch Rauscher, IPRax 1991, 155, 159; Scharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, S. 21, Fn. 16 129 Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, S. 106, Fn. 5. 130 Nach Sharma sind diese Anforderungen vor allem in den Regelungen der Art. 6 EMRK, Art. 12 EG, Art. 27 Nr. 2 und Art. 20 Abs. 3 EuGVÜ/Art. 34 Nr. 2 und Art. 26 VO 44/01/EG, Art. 19 EG enthalten. Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, S. 106.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
besondere Rolle spielt dabei Art. 6 Abs. 1 EMRK. 131 Bei der internationalen Zustellung sind zudem verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten, die aus dem Gebot folgen, den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren.132 In zahlreichen Rechtsordnungen sind verschiedene Formen einer fiktiven Zustellung für die Auslandszustellung vorgesehen,133 da sie den Rechtsverkehr in der Praxis erheblich erleichtern und beschleunigen. Wenn der Beklagte unauffindbar ist und die Zustellung deshalb nicht erfolgen kann, wird sie fingiert, wodurch der Gläubiger seinen Justizgewährungsanspruch durchsetzen kann.134 Ein Beispiel für die fiktive Zustellung ist die öffentliche Zustellung gemäß § 185 ZPO oder die Zustellung durch Aushang im Gerichtsgebäude nach Art. 145 poln. ZVGB. 135 Im Hinblick auf den Schutz der Grundrechte des Schuldners bestehen bei dieser Art der Zustellung allerdings Bedenken, da der Beklagte regelmäßig keine Kenntnis von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren erlangt.136 Die EuVTVO schließt jegliche Formen der fiktiven Zustellung im Ursprungsmitgliedstaat für die Bestätigung als EuVT aus. (2) Die EuZVO: Bedeutung für den EuVT Die Effektivität ausländischer Prozesse hängt in hohem Maße von der Wirksamkeit der Übermittlung gerichtlicher Schriftstücke ab. Daher spielen die Regelungen über die Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union137 für die Entwicklung des Binnenmarkts eine große Rolle. Die Urteilsfreizügigkeit innerhalb des Binnenmarkts kann in der Praxis sogar an der Zustellung scheitern.138 131
Art. 6 Abs. 1 EMRK verlangt die effektive Gewährleistung des rechtlichen Gehörs. Bezüglich der Zustellung muss daher die Wirksamkeit des Zustellungsprozesses gewährleistet werden. Die Rspr. betont die hohe Bedeutung der EMRK für das Zustellungsrecht: EuGH, ASML ./. SEMIS, EuZW 2007, 156. 132 Pfeiffer, in: Gilles (Hrsg.), Transnationales Prozessrecht, Deutsche Landesberichte zur Weltkonferenz für Prozessrecht in Taormina, 78, 79. 133 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 22. 134 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 23. 135 Ein anderes Beispiel ist das französische Institut der remise au parquet. Dazu Wiehe, Zustellungen, Zustellungsmängel und Urteilsanerkennung, S. 164; Gerling, Gleichstellung, S. 97; Fleischhauer, Inlandszustellung an Ausländer, S. 185; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 218–219; Bajons, FS Schütze, 1999, 49, 55; Wagner, IPRax 2005, 189, 195. 136 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 23. 137 Für Dänemark ist die EuZVO aufgrund des abgeschlossenen Abkommens anzuwenden, das die EG mit Dänemark einging: Abl. EU L 300/53. Das Abkommen ist am 1.7.2007 in Kraft getreten. 138 Hess, NJW 2001, 15, 17.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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Die EuZVO139 führt nicht zur vollständigen Regelung eines einheitlichen internationalen Zustellungsrechts innerhalb der Europäischen Union. Bereits vor der Einführung des EuVT wurde im Schrifttum geltend gemacht, dass ein („echtes“) Zustellungsrecht auf der Ebene der Europäischen Union notwendige Voraussetzung für die Aufhebung des Exequaturs sei.140 Trotz des Inkrafttretens der EuVTVO wurde diese Voraussetzung bisher nicht erfüllt, insbesondere weil die EuZVO viele Fragen ungeregelt lässt.141 Die Fassung, welche die EuZVO zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der EuVTVO142 aufwies, wurde in vielerlei Hinsicht stark kritisiert,143 insbesondere aufgrund zahlreicher Regelungslücken. Die neue Fassung der EuZVO soll die Mängel der vorherigen Fassung beseitigen.144 Die Revisi139
Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates, ABl. EG Nr. L 324. Die neue EuZVO trat am 13.11.2008 in Kraft. Nur Art. 23 EuZVO gilt bereits seit dem 13.8.2008. 140 Hess, Rev. crit. DIP 92 (2003), 215, 236–237; ders., JZ 2001, 273, 581. 141 Ein einheitliches europäisches Zustellungsrecht sieht die EuBagatellVO vor. 142 „Die vorgesehenen Maßnahmen genügen vielleicht für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Rahmen der EuGVO und der EuEheVO, nicht aber für die Durchsetzung des Prinzips der vorbehaltslosen gegenseitigen Anerkennung und die Schaffung von Europäischen Vollstreckungstiteln“, so Georganti, Die Zukunft des ordrepublic, S. 157 unter Berufung auf Hess, JZ 2001, 573, 577; Wagner, IPRax 2002, 75, 94. 143 Hess, NJW 2002, 2417, 2424; Lindacher, ZZP (2001), 185, 193; Gottwald, FS Schütze, 1999, 225 ff.; Stadler, IPRax 2001, 514, 521; Hess, NJW 2001, 15, 19 f. 144 Die Kommission sah in der Begründung des Vorschlages zur Änderung der EuZVO folgende Punkte als problematisch an: die Nichteinhaltung der Fristen, die in der Verordnung vorgesehen sind. Durchschnittlich dauert es ein bis drei Monate, bis ein verfahrenseinleitendes Schriftstück dem Adressaten im Ausland zugestellt wird. In manchen Fällen dauert es sogar bis zu sechs Monaten. Weiterhin sind die Nichtanwendung der durch die Verordnung zur Verfügung gestellten Standardformulare sowie die mangelnde Unterrichtung des Empfängers über sein Annahmeverweigerungsrecht problematisch. Außerdem sind die erheblichen Kosten und der Mangel an Transparenz der Verfahrenskosten in bestimmten Staaten (bis zu 150 Euro) und letztlich eine unzureichende Schulung des für die Durchführung der Verordnung zuständigen Personals unbefriedigend. Siehe Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (KOM (2005) 0146-C60306/2005-2005/0056 (CNS)). Als Ziele der Änderung der EuZVO gab die Kommission in der Begründung an: die Beschleunigung der Zustellung durch die Verpflichtung der Empfangsstelle, ein Schriftstück binnen eines Monats nach seinem Eingang zuzustellen; Erstellung eines neuen mehrsprachigen Formulars, in dem der Empfänger über sein Recht, die Annahme des Schriftstücks zu verweigern, unterrichtet wird. Dabei wurde auch eine einheitliche Frist von einer Woche vorgeschlagen, innerhalb welcher der Empfänger die Annahme des
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
on der EuZVO hatte insbesondere die Beschleunigung der Auslandszustellung und eine damit verbundene Verfahrensbeschleunigung zum Ziel.145 Die EuVTVO lässt die Anwendung der EuZVO unberührt (Art. 28 EuVTVO). Die Regelungen über die Zustellung weisen in beiden Verordnungen einen unterschiedlichen Charakter auf. Mindeststandards im Sinne der EuVTVO stellen lediglich einen Maßstab für die Bewertung des Anerkenntnisverfahrens dar, in welchem der zu vollstreckende Titel ergangen ist. Sie sind keine Befolgungsregeln, die sich auf den Verlauf der Zustellung beziehen.146 Die Einhaltung der Mindeststandards im Einzelfall muss nicht unbedingt bedeuten, dass auch die Zustellung nach der EuZVO ordnungsgemäß war. Umgekehrt genügt eine Zustellung eines Schriftstücks, die der EuZVO entspricht, nicht immer, um die Mindeststandards für die Bestätigung eines Titels als EuVT zu erfüllen. Der letzte Akt der Zustellung wird in der EuZVO nicht geregelt.147 (3) Die einzelnen Zustellungsmethoden nach der EuZVO Die ausländische Zustellung zwischen den Mitgliedstaaten kann nur in den von der EuZVO geregelten Formen erfolgen.148 Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass die Regelung der Zustellungsmethoden durch die EuZVO abschließenden Charakter hat.149 Dies bedeutet, dass Mitgliedstaaten aufgrund der EuZVO gezwungen sind, an im Ausland ansässige Beklagte eine Auslandszustellung nach der EuZVO durchzuführen.150 Die Anordnung einer fiktiven Inlandszustellung anstelle der Auslandszustellung ist demzufolge unzulässig.151 Nach Art. 1 Abs. 1 EuZVO ist die Verordnung für Zustellungen in Zivil- und Handelssachen anwendbar. Ihre Anwendung beschränkt sich auf die Auslandszustellung, die als die Übermittlung von Schriftstücken von
Schriftstücks verweigern kann, indem er es zurückschickt. Außerdem wurden die Gründe für das Annahmeverweigerungsrechts geändert. 145 Siehe Sujecki, GPR 2005, 193. 146 Wagner, IPRax 2005, 189, 195; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 12 EuVTVO Rn. 7. 147 So insbesondere Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 86; Coester-Waltjen, FS Beys, 2003, 183, 189. Eine kritische Meinung dazu vertritt Taborowski, IPRax 2007, 250, 256. 148 Siehe Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 24. 149 So in Bezug auf das HZÜ: EuGH, Urteil v. 13.10.2005, Rs. C-522/03, Scania Finance France SA ./. Rockinger, Slg. 2005, I 8639, 8652, 8657, Rn. 26. In der Lehre ist man sich darüber allerdings nicht einig. Siehe die Darstellung der Meinungen in: Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 24 ff. 150 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 24 ff. 151 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 24 ff.
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einem Mitgliedstaat152 in einen anderen zum Zwecke der Zustellung definiert wurde.153 Die Anwendbarkeit der EuZVO setzt voraus, dass die Anschrift des Empfängers bekannt ist (Art. 1 Abs. 2 EuZVO).154 Wann eine Zustellung im Ausland erfolgen muss, entscheiden die Mitgliedstaaten.155 Eine Bewertung der Zustellungsformen der EuZVO verlangt im Hinblick auf die Erfüllung der Mindeststandards der EuVTVO ihre detaillierte Darstellung. Eine pauschale Bewertung ist nicht möglich.156 Innerhalb der in der EuZVO normierten fünf verschiedenen Zustellungsformen besteht keine Hierarchie.157 Dies bestätigte auch der EuGH.158 Von großer praktischer Bedeutung sind insoweit die Zustellung durch Postdienste, die Übermittlung zwischen den Gerichten bzw. Behörden und die unmittelbare Zustellung.159 Die EuZVO enthält eine sehr detaillierte Regelung der Zustellung im Wege der Gerichts- bzw. Behördenkooperation. Die unmittelbare Zustellung und die postalische Zustellung sind nur knapp geregelt.160
152
Als Mitgliedstaaten sind alle Mitgliedstaaten der EU außer Dänemark gemeint: Art. 1 Abs. 3 EuZVO. 153 Erwägungsgrund Nr. 8 der EuVTVO schließt die Anwendbarkeit der Verordnung für die Zustellung eines Schriftstücks an den Bevollmächtigten einer Partei in dem Mitgliedstaat aus, in dem das Verfahren anhängig ist, unabhängig davon, wo die Partei ihren Wohnsitz hat 154 Für den Fall, dass die Anschrift des Zustellungsempfängers unbekannt ist, wird zudem die Anwendbarkeit der EuZVO durch Art. 1 Abs. 2 EuZVO ausdrücklich ausgeschlossen. 155 Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU, § 8 Rn. 11. 156 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 86. 157 Diese Frage gewinnt besonders dann an Bedeutung, wenn es zu einer kumulativen Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks kommt und nicht klar ist, welche von diesen Zustellungen in einem bestimmten Fall entscheidend ist. 158 „(1) Die EuZustVO ist dahin auszulegen, dass sie keine Rangordnung zwischen der in ihren Art. 4 bis 11 vorgesehenen Art der Übermittlung und Zustellung aufstellt und dass ein gerichtliches Schriftstück daher auf einem dieser beiden Wege oder kumulativ auf beiden zugestellt werden kann. (2) Die EuZustVO ist wie folgt auszulegen: Werden eine in den Art. 4 bis 11 vorgesehene Art der Übermittlung und Zustellung und eine in Art. 14 vorgesehene Art kumulativ bewirkt, so ist für den Beginn einer Verfahrensfrist, die an die erfolgte Zustellung anknüpft, gegenüber dem Empfänger auf den Zeitpunkt der ersten wirksam bewirkten Zustellung abzustellen.“ EuGH, Urteil v. 9.2.2006, Rs. C473/04, Plumex ./. Young Sports NV. Dazu auch Heiderhoff, IPRax 2007, 293 ff.; Telkamp, GPR 2006, 145 ff.; Sujecki, EuZW 2007, 44 ff. 159 Unter den hier vorgesehenen Zustellungsmethoden kommt in der Praxis des Rechtsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten der behördlichen und der postalischen Zustellung sowie der Direktzustellung im Parteibetrieb die größte Bedeutung zu. Siehe Sujecki, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 30, Rn. 5. 160 Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU, § 8 Rn. 4.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Die Vorschriften der EuZVO regeln die Übermittlung, den Empfang und die Zustellung des zuzustellenden Schriftstücks. An der Übermittlung sind die nach Art. 2 EuZVO benannten Übermittlungs- und Empfangsstellen in den betroffenen Staaten beteiligt. Für die Durchführung der Zustellung ist eine weitere Empfangsstelle im Zustellungsstaat zuständig. Art. 4 ff. EuZVO regeln den Ablauf der Zustellung und die Übermittlung von Schriftstücken im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten. Die Übermittlung der Schriftstücke erfolgt unmittelbar und ist so schnell wie möglich durchzuführen (Art. 4 Abs. 1 EuZVO). Die Übermittlung von Schriftstücken zwischen den Übermittlungs- und Empfangsstellen erfolgt auf jedem geeigneten Übermittlungsweg, sofern das empfangene Dokument mit dem versandten Dokument inhaltlich genau übereinstimmt und alle Angaben, die im Dokument enthalten sind, mühelos lesbar sind (Art. 4 Abs. 2 EuZVO). Die Empfangsstelle bewirkt oder veranlasst die Zustellung an den Adressaten im Zustellungsstaat. Anwendbar ist dafür entweder das Recht des Empfangsmitgliedstaates oder das von der Übermittlungsstelle gewünschte besondere Verfahren, sofern dieses Verfahren mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaates vereinbar ist (Art. 7 EuZVO). Diese Vorschrift enthält eine Kollisionsnorm, die auf dem Grundgedanken beruht, dass grundsätzlich nach dem Recht des ersuchten Staates zuzustellen ist,161 sofern keine besondere Form gewünscht ist, die ihrerseits wiederum mit dem Recht des ersuchten Staates vereinbar sein muss.162 Nach Art. 7 Abs. 2 EuZVO unternimmt die Empfangsstelle alle erforderlichen Schritte, um die Zustellung des Schriftstücks so rasch wie möglich, in jedem Fall binnen eines Monats nach Eingang des Schriftstücks, auszuführen. Neben der Zustellung durch die Empfangsstelle sind auch andere Arten der Übermittlung und Zustellung gerichtlicher Schriftstücke vorgesehen (Art. 12 ff. EuZVO), insbesondere die Übermittlung auf konsularischem oder diplomatischem Weg (Art. 12 f. EuZVO), die Zustellung durch Postdienste (Art. 14 EuZVO) sowie die unmittelbare Zustellung (Art. 15 EuZVO). (a) Behördliche Zustellung (Art. 12 f. EuZVO) Gemäß Art. 12 EuZVO hat jeder Staat in Ausnahmefällen die Möglichkeit, gerichtliche Schriftstücke in einem anderen Mitgliedstaat zum Zweck der Zustellung auf konsularischem oder diplomatischem Weg zu übermitteln. Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Staat haben, können Schriftstücke unmittelbar durch die konsularischen oder diplomatischen 161
So auch die Generalanwältin Stix-Hackl im Schlussantrag zu EuGH, Rs. C-443/03, Leffler ./. Berlin Chemie AG, Rn. 101; Kondring, IPRax 2007, 138, 139, Fn. 19. 162 Kondring, IPRax 2007, 138, 139.
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Vertretungen zugestellt werden. Die Ausübung von Zwang ist dabei ausgeschlossen (Art. 13 EuZVO). Jeder Staat kann erklären, dass er diese Zustellungsart in seinem Hoheitsgebiet nicht zulässt, vorbehaltlich der Fälle, in denen die Zustellung an einen Staatsangehörigen des Übermittlungsmitgliedstaates erfolgen soll. Die internationale Zustellung im Wege der diplomatischen Zustellung ist in der Praxis umständlich und kostenaufwändig.163 Diese Zustellung unterliegt, anders als die Zustellung im Wege der Rechtshilfe oder auf dem Postwege, dem Recht des Ursprungsstaates.164 Diese Zustellungsmethode ist kritisiert worden.165 So wurde auf die damit verbundenen Unklarheiten verwiesen. Insbesondere sei nicht eindeutig, ob auf diese Weise die Zustellung auch an juristische Personen erfolgen kann.166 Die Verordnung regle zudem nicht, auf welche Weise die zuständige zentrale Behörde oder das Konsulat das Schriftstück zustellen sollen. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Zustellung nach Art. 15 EuZVO. M. E. ist diese Vorschrift sowohl auf natürliche als auch auf juristische Personen anwendbar. Die Zulässigkeit der Zustellung nur an natürliche Personen würde eine unberechtigte Beschränkung der Anwendbarkeit dieser Norm bedeuten. Sowohl in Deutschland als auch in Polen ist die Zustellung auf diese Weise kraft des von beiden Staaten erklärten Vorbehalts nur an Staatsangehörige des Ursprungsstaates zulässig.167 (b) Zustellung durch Postdienste (Art. 14 EuZVO) Die EuZVO sieht vor, dass gerichtliche Schriftstücke an Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, unmittelbar durch Postdienste per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigen Beleg zugestellt werden können.168 Die Einführung des Begriffs des „Postdienstes“ anstelle des Begriffs der „Post“ in der neuen Fassung der EuZVO ist von großer Bedeutung. Darunter sind sowohl die von privaten als auch von öffentlichen Betreibern angebotenen Dienstleistungen zu verstehen, unabhängig davon, ob sie einer Universaldienstverpflichtung unterliegen.169 163 Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe im Zivilprozess, S. 76; Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 31. 164 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 441. 165 Hess, NJW 2001, 19; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 12 EuZVO, Rn. 1. 166 Bejahend Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-ZustellVO Rn. 2; verneinend Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 77. 167 Siehe Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-ZustellVO Rn. 3 ff. 168 Erwägungsgrund Nr. 17 EuZVO. 169 KOM (2005) 305, S. 6; Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 105.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Die unmittelbare postalische Zustellung kann im Hinblick auf das rechtliche Gehör des Beklagten problematisch sein. Zweifel bestehen insbesondere, ob die direkte Zustellung durch die Post hinreichende Sicherheit dafür garantiert, dass der Empfänger das zugestellte Schriftstück tatsächlich bekommen hat. So wurde etwa in der Rechtsprechung bei der postalischen Direktzustellung die Verletzung des rechtlichen Gehörs in einem Fall festgestellt, als ein verfahrenseinleitendes Schriftstück an einer anderen Adresse an eine andere Person übergeben wurde.170 Art. 14 EuZVO normiert nicht, wer der Empfänger der Zustellung sein kann. Es wäre wünschenswert, in Art. 14 ff. EuZVO ausdrücklich den Kreis der Empfangspersonen zu begrenzen,171 da dieser in den einzelnen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen unterschiedlich geregelt ist. Insbesondere das polnische Recht bestimmt diesen Personenkreis nicht. Diese Frage gewinnt auch deswegen besondere Bedeutung, weil Art. 14 Abs. 1 lit. a und b EuVTVO auch den Kreis der Empfangsbevollmächtigten nicht definieren.172 Nicht alle Arten der postalischen Zustellung können für die Bestätigung als EuVT in Frage kommen. Insbesondere stellt die Zustellung durch Aufgabe zur Post eine Form der fiktiven Zustellung dar und erfüllt daher nicht die Voraussetzungen für die Bestätigung als EuVT. Mit Aufgabe des Schriftstücks ist die Zustellung abgeschlossen, wodurch die Bekanntgabe an den Zustellungsadressaten im Ausland nicht mehr Bestandteil der Zustellung ist. Es handelt sich somit um eine rein inländische Zustellung. (c) Die unmittelbare Zustellung (Art. 15 EuZVO) Eine direkte Zustellung des gerichtlichen Schriftstücks gemäß Art.15 EuZVO kann durch Amtspersonen wie den Postboten oder sonstige Beamte im Zustellungsstaat erfolgen. In diesem Fall wird die Zustellung durch eine an einem gerichtlichen Verfahren beteiligte Person bewirkt. Diese Zustellungsform ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die die Zustellung betreibende Stelle, also das Gericht im Falle der Amtszustellung oder die Partei selbst, direkt an einen ausländischen Gerichtsvollzieher wendet und ihn mit der Zustellung vor Ort beauftragt, ohne die Gerichte bzw. Behörden des Ursprungs- oder Empfangsmitgliedstaats dazwischen zu schalten.173 Voraussetzung für diese Zustellungsform ist, dass der Staat die di-
170 Corte die Cassazione, 13.1.1998, n. 206, Foro italiano 1998, I, 1509. Siehe Adolphsen, in: Renzikowski (Hrsg.), Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, 39, 66. Siehe auch Miczek, Pr. i P. UE 2006, Nr. 3, 10. 171 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 440. 172 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 440. 173 Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU, § 8 Rn. 21.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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rekte Zustellung auf seinem Territorium zulässt.174 Die Zustellungsform des Art. 15 EuZVO spielt eine wichtige Rolle,175 da sie aufgrund der nationalen Durchführungsregelungen die grenzüberschreitende Zustellung im Europäischen Justizraum effektuiert.176 Auch im Falle der direkten Zustellung nach Art. 15 EuZVO wäre die Bestimmung des Kreises der Personen, die als Empfänger der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks in Frage kommen, wünschenswert gewesen. (d) Der Rechtsschutz im Falle der Säumnis nach der EuZVO (aa) Die Aussetzung des Verfahrens (Art. 19 Abs. 1 EuZVO) Art. 19 EuZVO schützt den Schuldner, der sich, nachdem ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nach der EuZVO zugestellt wurde, nicht auf das Verfahren eingelassen hat.177 Schon das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 (HZÜ)178 enthält Vorschriften zum Schutz des säumigen Schuldners im Falle der ausländischen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Art. 15 f. HZÜ und die dazu ergangene Rechtsprechung und die in der Literatur vertretenen Ansichten spielen auch hinsichtlich der EuZVO eine wichtige Rolle.179 Art. 19 EuZVO soll verhindern, dass ein Versäumnisurteil ergeht, falls es bei der Zustellung der Klageschrift zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten gekommen ist.180 Art. 19 Abs. 1 EuZVO macht den Erlass eines Versäumnisurteils davon abhängig, dass die internationale Zustellung der Klageschrift und die Ladung ordnungsgemäß und rechtzei174
Die Mitgliedstaaten sind aber nicht berechtigt, ihren Gerichten und Behörden zu untersagen, die unmittelbare Zustellung im Ausland zu bewirken, Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU, § 8 Rn. 21. 175 In der Lehre sowie in der Rechtsprechung ist die Abgrenzung zwischen der Zustellung nach Art. 14 und Art. 15 EuZVO nicht immer klar. Siehe OLGR Köln 2004, 82 = IPRax 2004, 521; LG Trier, NJW-RR 2003, 287 = IPRax 2004, 249 ff.; Rauscher/ Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art 14 EG-ZustellVO Rn. 4. 176 Hess, IPRax, 2008, 477, 477. 177 Die einzelnen Staaten können gegen die Anwendung dieser Vorschrift einen Vorbehalt erklären. Polen gehört zu den wenigen Staaten, die keinen Vorbehalt gegen diese Vorschrift erklärt haben. 178 BGBl. 1977 II, 1453 (JH Nr. 211); Deutsches AusfG vom 22.12.1977, §§ 1–6, BGBl. 1977, I 3105 (JH Nr. 212a). 179 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 185. 180 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 192–193.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
tig181 erfolgt sind. Im Hinblick auf die Möglichkeit, das verfahrenseinleitende Schriftstück zur Kenntnis zu nehmen, wird der Beklagte durch Art. 19 Abs. 1 lit. a EuZVO wie bei einem Inlandsprozess behandelt.182 Nach dieser Vorschrift hat das Gericht das Verfahren aussetzen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück nach den Vorschriften der EuZVO zu übermitteln war und der Beklagte sich auf das Verfahren nach der Zustellung nicht eingelassen hat. Die Aussetzung dauert so lange an, bis festgestellt wird, dass das Schriftstück in einem Verfahren zugestellt wurde, welches das Recht des Empfangsmitgliedstaats für die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt (Art. 19 Abs. 1 lit. a EuZVO). Alternativ kann die Aussetzung so lange andauern, bis festgestellt wird, dass das Schriftstück tatsächlich entweder dem Beklagten persönlich ausgehändigt oder nach einem anderen in der EuZVO vorgesehenen Verfahren in dessen Wohnung zugestellt worden ist. Gemäß Art. 19 Abs. 2 EuZVO können sich die Mitgliedstaaten vorbehalten, dass ihre Gerichte den Rechtsstreit ungeachtet des Art. 19 Abs. 1 EuZVO entscheiden können, wenn zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sind.183 Eine Bescheinigung über die Zustellung, die Aushändigung oder die Abgabe muss dann nicht vorliegen und das Verfahren kann auch ohne die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 1 EuZVO fortgesetzt werden. Allerdings muss das Schriftstück dazu nach einem in der EuZVO vorgesehenen Verfahren übermittelt werden (Art. 19 Abs. 2 lit. a EuZVO) und es muss seit der Absendung des Schriftstücks eine Frist verstrichen sein, die das Gericht nach den Umständen des Falles für angemessen erachtet, jedoch mindestens sechs Monate (Art. 19 Abs. 2 lit. b EuZVO). In Bezug auf das HZÜ hat der EuGH entschieden, dass die Verpflichtung des Gerichts des Vollstreckungsstaates zur Prüfung der rechtzeitigen 181
Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit deckt sich die Regelung in Art. 19 Abs. 1 EuZVO mit der Überprüfung, die nach Art. 34 Nr. 2 EuGVVO durch das Gericht des Vollstreckungsstaats im Exequaturverfahren erfolgt. Insoweit entsteht für den Schuldner kein Rechtsschutzdefizit, wenn die Kontrolle im Exequaturverfahren abgeschafft wird und Art. 19 Abs. 1 EuZVO durch das Gericht des Urteilsstaats auch angewendet wird, siehe: Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 187. 182 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 187. 183 In dieser Regelung hat der Anspruch des Klägers auf effektiven Rechtsschutz Vorrang gegenüber dem Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör. Der Erlass eines Versäumnisurteils ist auch dann zulässig, wenn nicht nachweisbar ist, dass der Beklagte tatsächlich die Möglichkeit hatte, die Klageschrift zur Kenntnis zu nehmen und sich gegen die Klage zu verteidigen. Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, S. 152; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 189–190.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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Zustellung selbst dann bestehe, wenn die ordnungsgemäße Zustellung vom Gericht des Urteilsstaates festgestellt worden ist. Der Zweitrichter sei daher nicht an die Feststellungen des Erstrichters gebunden.184 Die Regelungen der EuVTVO und der EuZVO stehen nicht immer vollständig miteinander in Einklang. Zu Spannungen kann es insbesondere bei der Anwendung des Art. 19 Abs. 2 EuZVO kommen.185 Ein nach dieser Norm ergangenes Urteil kann nicht als EuVT bestätigt werden, weil die Mindeststandards der Zustellung nicht eingehalten worden sind.186 (bb) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Art. 19 Abs. 4 EuZVO) Art. 19 Abs. 4 EuZVO sieht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor. Es handelt sich dabei um einen autonomen Rechtsbehelf, der dem Schutz des Beklagten dient, falls dieser sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, nachdem ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück zum Zweck der Zustellung nach einer von der EuZVO vorgesehenen Art und Weise zu übermitteln war. Die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellt die ultima ratio dar, um das rechtliche Gehör des Beklagten zu schützen.187 Sie kommt erst dann in Betracht, wenn bereits ein Versäumnisurteil ergangen ist und das rechtliche Gehör des Beklagten auch bei der Zustellung des Versäumnisurteils verletzt wurde. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist damit eine Ausnahme im Rahmen des Versäumnisverfahrens.188 Das Gericht kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligen, wenn der Beklagte ohne sein Verschulden nicht rechtzeitig Kenntnis von dem Schriftstück und der Entscheidung derart erlangt hat, dass er sich hätte verteidigen können (Art. 19 Abs. 4 lit. a EuZVO). Das rechtliche Gehör des Beklagten muss bei der Zustellung der Klage und bei der Zustellung des Versäumnisurteils also in doppelter Weise verletzt worden sein. Art. 19 Abs. 4 EuZVO gewährleistet daher dem Beklagten auf einer anderen Ebene Schutz als Art. 19 Abs. 1 und 2 EuZVO.189 Darüber hinaus darf 184
EuGH, Urteil v. 16.6.1981, EuGHE 1981, 1593, Klomps ./. Michel = IPRax 1982, 14; Nagel/Gottwald, IZPR, § 7 Rn. 108. 185 Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Einl. EG-ZustellVO Rn. 18. 186 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 88; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 28 EG-VollstrTitelVO Rn. 5. 187 Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, S. 131; Kondring, Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, S. 158. 188 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 192–193. 189 Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, S. 159 spricht von einer anderen „Stoßrichtung“ des Art. 16 HZÜ im Vergleich zu Art. 15 HZÜ.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
die Verteidigung des Beklagten nicht von vornherein aussichtslos erscheinen (Art. 19 Abs. 4 lit. b EuZVO). Aus der Bestimmung des Art. 19 Abs. 4 EuZVO ergibt sich, dass die Regelungen der EuVTVO und der EuZVO horizontal nicht aufeinander abgestimmt sind.190 Die Regelung der EuZVO über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entspricht der Regelung des Art. 19 EuVTVO nur teilweise, da die Voraussetzungen der EuZVO restriktiver sind als die der EuVTVO.191 Gemäß Art. 19 Abs. 4 EuZVO kann der Schuldner Wiedereinsetzung beantragen, wenn er das zuzustellende Schriftstück ohne sein Verschulden nicht so rechtzeitig erhalten hat, dass er sich verteidigen konnte. Im Unterschied zu Art. 19 Abs. 1 lit. b EuVTVO wurden hier Fälle der höheren Gewalt nicht berücksichtigt. Außerdem ist die Wiedereinsetzung nach Art. 19 Abs. 4 EuZVO nur dann möglich, wenn die Verteidigung nicht bereits im Voraus aussichtslos ist. Sie liegt also im Ermessen des Gerichts.192 Es wurde zudem bezweifelt, ob die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein wirksames Mittel zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beklagten bei seiner Säumnis im Falle einer internationalen Zustellung gemäß der EuZVO ist. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit der nachträglichen Erhebung von Rechtsbehelfen einer Sicherung des rechtlichen Gehörs in der Einlassungsphase gleichwertig ist. In einem grenzüberschreitenden Prozess wahrt die Möglichkeit des Beklagten, mit Rechtsbehelfen gegen ein Versäumnisurteil vorgehen zu können, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht in ausreichender Weise, wenn sein rechtliches Gehör bereits bei der Zustellung der Klageschrift verletzt wurde.193 Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Beklagten nach Erlass eines Versäumnisurteils sind den Rechtsschutzmöglichkeiten bei Prozessbeginn nicht gleichwertig. Durch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in vorigen Stand nach Art. 19 Abs. 4 EuZVO wird zwar das rechtliche Gehör des Beklagten geschützt, da ihm eine Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet wird, die ihm nach dem Prozessrecht des Urteilsstaats unter Umständen nicht zusteht. Der Schutz des Beklagten ist aber im Hinblick auf seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht weitreichend genug. 194 Auf diese Überlegungen wird zurückzukommen sein, wenn es um die Bewertung der Rechtsbehelfe
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Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 88. Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 88. 192 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 88. 193 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 192–193. 194 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 192–193. 191
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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gegen die Bestätigung sowie gegen die Zwangsvollstreckung aus dem EuVT geht.195 dd) Die Vorschriften des Zustellungsrechts in Deutschland und Polen (1) Die Zustellung nach deutschem Recht (a) Die Anwendung der EuZVO in Deutschland In Deutschland wurde die EuZVO (in ihrer ersten Fassung) durch das Durchführungsgesetz vom 9. Juli 2002196 ergänzt.197 Zur Anpassung an die geänderte Fassung der EuZVO wurden auch in die ZPO Änderungen eingeführt.198 Die Zustellung nach Art. 13 EuZVO, also Zustellung durch diplomatische oder konsularische Vertretungen, ist in Deutschland nur dann zulässig, wenn der Adressat des zuzustellenden Schriftstücks Staatsangehöriger des Übermittlungsstaates ist (§ 1067 ZPO).199 Zustellungen durch die Post (Art. 14 EuZVO) müssen sowohl aus als auch nach Deutschland per Einschreiben mit Rückschein erfolgen.200 Das Unterzeichnen des Rückscheins ist eine Voraussetzung für die Aushändigung des zuzustellenden Schriftstücks. Wird die Zustellung durch die Post auf diese Weise durchgeführt, wird das rechtliche Gehör des Beklagten in ausreichender Weise geschützt.201 Nach § 1068 Abs. 1 S. 2 ZPO ist der Rückschein der ausländischen Post als Nachweis der Zustellung zu betrachten, obwohl dieser im Unterschied zu einer Zustellungsbescheinigung eines inländischen Gerichtsvollziehers keine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 ZPO ist.202 Jedes Gericht ist befugt, als Übermittlungs- und Empfangsstelle im Sinne der EuZVO Zustellungsersuchen ins Ausland zu richten bzw. entgegenzunehmen, § 1069 Abs. 1 ZPO.203 Für Zustellungen in Deutschland ist als deutsche Empfangsstelle im Sinne von Art. 2 Abs. 2 EuZVO dasjenige 195
Siehe Kapitel 3. BGBl I 2001, 1536. 197 Hess, NJW 2002, 417, 417. 198 Das Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung vom 30.10.2008, BGBl. I 2008, 2122. 199 Dazu siehe Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, EuZustVO, § 1067, Rn. 1. 200 Die BRD hat für Zustellungen nach Deutschland als Versandform Einschreiben per Rückschein bestimmt, Geimer, IZPR, Rn. 2178 a. 201 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 209–210. 202 In der Praxis kann dies bedeuten, dass bei der Zustellung mittels Einschreiben kein Nachweis vorliegt, dass der Schuldner das Schriftstück tatsächlich bekommen hat. Außerdem liegt auch kein Nachweis seines Inhalts vor, Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU, § 8 Rn. 19. 203 Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU, § 8 Rn. 17. 196
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Schriftstück zugestellt werden soll (§ 1069 Abs. 2 ZPO). Der Gerichtsvollzieher ist somit keine zuständige Übermittlungsstelle.204 Mit dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften zur Anpassung des deutschen Rechts an die geänderten Regelungen der EuZVO wurden die §§ 1070 f. ZPO aufgehoben. Danach gilt im deutschen Recht nicht mehr das Verbot der Parteizustellung. (b) Die Inlandszustellung Nach der Rechtsprechung des BVerfG205 soll die ordnungsgemäße Erfüllung der Zustellungsvorschriften gewährleisten, dass der Adressat Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück bekommt und seine Rechtsverteidigung darauf einrichten kann. Insoweit dienen sie der Verwirklichung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs.206 Die Inlandszustellung bestimmt sich in Deutschland nach §§ 166–195 ZPO. Die deutsche ZPO unterscheidet zwischen der Zustellung von Amts wegen (§§ 166 ff. ZPO)207 und der Zustellung auf Betreiben der Parteien (§§ 191 ff. ZPO), je nachdem, ob die Zustellung vom Gericht oder von der Partei veranlasst wird.208 Die Zustellung wird durch spezialisierte Beamte durchgeführt, insbesondere durch Gerichtsvollzieher oder Postbeamte (§§ 166, 193 ZPO).209 Die zustellende Amtsperson stellt die Zustellungsurkunde aus, die die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde hat.210 Die Beurkundung ist jedoch kein konstitutiver Teil der Zustellung und dient nur als Nachweis.211 In der Regel ist das zuzustellende Schriftstück an die Partei selbst gerichtet. Wenn der Betroffene prozessunfähig ist, ist das Schriftstück an seinen gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Die Zustellung an die prozessunfähige Person ist unwirksam (§ 179 Abs. 1 ZPO). Im Falle der Zustellung an Behörden und juristische Personen erfolgt die Zustellung an das zur Vertretung berufene Organ („Leiter“).212 Bei aus mehreren Mitgliedern 204
Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, EuZustVO, § 1069, Rn. 1. BVerfG, NJW 1988, 2361. 206 Fahl, Die Stellung des Gläubigers und des Schuldners bei der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nach dem EuGVÜ, S. 62–63. 207 Zöller/Stöber, ZPO, § 166, Rn. 3. 208 Roseberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 72 Rn. 10 ff. 209 Siehe Hess, NJW 2001, 15, 16. 210 Dazu siehe Grashof, FS Merz, 1992, 133 ff. 211 Zöller/Stöber, ZPO, § 166, Rn. 1. 212 Leiter ist eine Person, die wegen ihrer Stellung zum Handeln für die Person, Personengesellschaft oder Behörde berufen ist. Durch diese Berufung kann sie die Person, Personengesellschaft oder Behörde repräsentieren. Siehe Zöller/Stöber, ZPO, § 170, Rn. 4. 205
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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bestehenden Organen erfolgt sie an eines der Mitglieder (§ 170 Abs. 2, 3 ZPO).213 Außerdem kann die Zustellung an jeden rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter erfolgen (§ 171 ZPO). Der Zustellungsadressat kann darüber hinaus ein Zustellungsbevollmächtigter sein (§ 184 Abs. 1 S. 1 ZPO). Wenn das Verfahren bereits anhängig ist, darf nur an den Prozessbevollmächtigten, nicht aber an die Partei zugestellt werden (§ 172 1 ZPO).214 Sowohl bei der Zustellung vom Amts wegen, als auch bei der Zustellung auf Betreiben der Parteien kann das Schriftstück dem Adressaten an jedem Ort übergeben werden, an dem er angetroffen wird (§ 177 ZPO).215 Wird der Zustellungsadressat nicht angetroffen,216 kann eine Ersatzzustellung in Frage kommen.217 Über ihre Durchführung entscheidet die zustellende Person. Wird der Adressat in der Wohnung218 nicht angetroffen, so ist die Zustellung an einen erwachsenen Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftige Person oder an einen Mitbewohner des Adressaten möglich (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Im letzten Fall muss die Person auch erwachsen sein.219 Die Ersatzzustellung an Prozessgegner des Adressaten ist unwirksam (§ 178 Abs. 2 ZPO). Die Zustellung kann ersatzweise auch an jede in den Geschäftsräumen beschäftige Person erfolgen,220 wenn die Geschäftsräume dem Adressaten gehören. Dann ist nicht nur der Benachrichtigungszettel über die Niederlegung bei der Post, sondern die Sendung selbst auszuhändigen. Das deutsche Recht lässt außerdem die Zustellung durch Aushändigung an der Amtsstelle (d. h. in den Gerichtsräumen) zu, die sowohl an den Adressaten selbst, als auch an seinen Vertreter erfolgen kann (§ 173 ZPO). Als Nachweis dieser Zustellung dient der Vermerk auf dem Schriftstück sowie in den Akten. Die Zustellung an den Vertreter auf diese Weise hat die gleiche Bedeutung wie die Zustellung nach § 171 ZPO.221 An die in § 174 Abs. 1 ZPO exemplarisch aufgezählten Personen kann die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis erfolgen. Das Gesetz geht da213
BGH, NJW 1984, 57. BGH, NJW 1987, 440; BGH, WM 2002, 512, 513. 215 Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 177, Rn. 1. 216 Antreffen setzt eine tatsächliche Begegnung des Zustellers mit dem Zustellungsadressaten voraus. Es liegt auch dann vor, wenn die Begegnung trotz Anwesenheit abgelehnt wird. Siehe Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 178, Rn. 5. 217 Ersatzzustellungen sind in der Praxis sehr häufig: Etwa 70 % der Zustellungen erfolgen auf dem Weg der Ersatzzustellung. Siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 73, Rn. 15. 218 Dazu siehe z. B. OLG Köln, RIW 1989, 814; BGH, NJW 1988, 713. 219 Nicht unbedingt volljährig. Dazu siehe BGH, NJW 1981, 1613. 220 Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 178, Rn. 15 ff. 221 Zöller/Stöber, ZPO, § 173, Rn. 3. 214
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von aus, dass bestimmte Personen wegen ihres Berufes besonders zuverlässig sind.222 Diese Form der Zustellung kann auch elektronische Dokumente betreffen (§ 174 Abs. 3 ZPO), wobei das zu übermittelnde Dokument mit einer elektronischen Signatur zu versehen ist. Das Empfangsbekenntnis, das in schriftlicher oder auch elektronischer Form abgefasst werden kann, dient als Nachweis der Zustellung. 223 Für diese Zustellungsform ist das Empfangsbekenntnis unverzichtbar.224 Es ist mit Datum225 und Unterschrift zu versehen und an das Gericht zurückzusenden (§ 174 Abs. 4 ZPO).226 Eine eigenständige Form der Zustellung ist außerdem die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein (§ 175 ZPO). Sie ist nur für die Zustellung vom Amts wegen anwendbar. Die Zustellung ist dann ausgeführt, wenn das zuzustellende Schriftstück an den Adressaten, Bevollmächtigten oder Familienangehörigen bzw. in der Wohnung oder im Geschäft regelmäßig Beschäftigten übergeben wird.227 Der Rückschein ist der Nachweis der Zustellung. Er hat den Charakter einer privaten Urkunde228 und ersetzt die Zustellungsurkunde gemäß § 182 ZPO. Wenn der Empfänger die Annahme verweigert, aber die Verweigerung unberechtigt ist, ist das Schriftstück in der Wohnung oder in dem Geschäftsraum zurückzulassen (§ 179 ZPO). Aus dieser Vorschrift kann allerdings kein Recht auf Annahmeverweigerung hergeleitet werden.229 Eine weitere Form der Ersatzzustellung ist die Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten des Adressaten (§ 180 ZPO). Sie kommt dann in Frage, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht durchführbar ist. Mit der Einlegung gilt die Zustellung des Schriftstücks als ausgeführt.230 Wenn einer Ersatzzustellung nicht durchführbar ist, kann die Zustellung durch Niederlegung beim Amtsgericht des Zustellungsbezirks (§ 181 Abs. 1 S. 1 ZPO) oder bei der von der Post dafür bestimmten Stelle231 (§ 181 Abs. 1 S. ZPO) erfolgen.232 Erforderlich ist dabei die schriftliche
222
Zum Zustellungsdatum siehe BGH, NJW 2007, 600. Siehe Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 174, Rn. 8. 224 BGH, NJW 1994, 2295 (für § 212 a. F). 225 BGH, NJW 1994, 526 (für § 198 a. F). 226 Das Empfangsbekenntnis ersetzt die Zustellungsurkunde. Siehe Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 174, Rn. 6. 227 Siehe Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 175, Rn. 4. 228 Schmidt, IPRax 2004, 13, 19. 229 Siehe Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 179, Rn. 3. 230 Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 180, Rn. 5. 231 Siehe BGH, NJW 2001, 832. 232 Siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 73, Rn 26 ff. 223
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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Mitteilung über die Niederlegung.233 Die Abgabe der Mitteilung entscheidet über den Zeitpunkt der Zustellung.234 Eine wichtige Rolle in der Praxis, insbesondere aufgrund ihrer Beweisfunktion,235 spielt die Zustellungsurkunde. Gemäß § 182 ZPO ist die Urkunde auf einem Formular auszufertigen. Die notwendigen Elemente der Urkunde regelt § 182 Abs. 2 ZPO. Die Urkunde selbst ist allerdings nicht Teil der Zustellung.236 Prinzipiell sind die Vorschriften über die Amtszustellung auf die Zustellung auf Betreiben der Parteien entsprechend anzuwenden (§ 191 ZPO). Das Zustellungsorgan ist in diesem Fall der Gerichtsvollzieher.237 Wenn beide Parteien durch Anwälte vertreten sind, kann das zuzustellende Schriftstück gegen schriftliches Empfangsbekenntnis von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden (§ 195 ZPO). Die Vorschrift findet jedoch auf die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks keine Anwendung. 238 Auch das deutsche Recht sieht Rechtsmittel vor, die dem Beklagten für den Fall einer mangelhaften Zustellung zustehen. So hat der Beklagte insbesondere das Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er nicht rechtzeitig Kenntnis vom Verfahren erlangt hat und ein Versäumnisurteil erlassen wurde. Wenn aufgrund der Verletzung des Zustellungsrechts ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten ergeht, sind seine Verteidigungsrechte beeinträchtigt.239 (c) Die Auslandszustellung Die deutschen Vorschriften zur Frage der internationalen Zustellung finden dann Anwendung, wenn die EuZVO nicht in Betracht kommt. Insbesondere ist dies dann der Fall, wenn die Anschrift des Empfängers im Zustellungsstaat nicht bekannt ist. Die Rahmenbedingungen der Auslandszustellung regelt § 183 ZPO. Diese Vorschrift wurde zur Anpassung der deutschen Vorschriften an die neue Fassung der EuZVO geändert.240 Demnach erfolgt die ausländische Zustellung vor allem nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen. Falls die unmittelbare postalische Zustellung vorzunehmen ist, erfolgt die Zustellung durch Einschreiben mit Rück233
Dazu BVerfG, NJW 1988, 837. BGH, NJW-RR 2006, 563. 235 Dazu siehe BGH, NJW 2006, 151. 236 Siehe Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 182, Rn. 2. 237 Siehe Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 79, Rn. 12. 238 Siehe Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, § 79, Rn. 12. 239 Nach dem deutschen Recht stehen ihm dann bestimmte Rechtsmittel zu, wie z. B. der Einspruch gegen das Versäumnisurteil. 240 Durch das Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung, vom 30.10.2008, BGBl. I 2008, 2122. 234
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schein. Der Rückschein ist in diesem Fall der Beweis der Zustellung (§ 183 Abs. 4 S. 1 ZPO). Zulässig ist außerdem die Zustellung auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts unmittelbar durch die Behörden des fremden Staates (§ 183 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. ZPO). Wenn die Zustellung auf diese Weise nicht durchführbar ist, insbesondere wenn keine völkerrechtlichen Vereinbarungen bestehen, ist durch die zuständige diplomatische oder konsularische Vertretung des Bundes oder eine andere Behörde zuzustellen. Als Nachweis der Zustellung dient das von der ersuchten Behörde erstellte Zeugnis (§ 183 Abs. 4 S. 2 ZPO). In der Regel erfolgen internationale Zustellungen in Deutschland im Wege der innerstaatlichen sowie internationalen Rechtshilfe.241 Die erste Art der Rechtshilfe regeln §§ 156 f. GVG, während die Definition der zweiten in § 2 Abs. 1 ZRHO enthalten ist.242 (2) Die Zustellung nach polnischem Recht (a) Die Inlandszustellung Die Zustellung der gerichtlichen Schriftstücke im Zivilverfahren unterliegt nach dem polnischen Recht den Vorschriften der Art. 131 bis 147 poln. ZVGB. Die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke an den Beklagten ist prinzipiell ein Hoheitsakt und hat öffentlich-rechtlichen Charakter.243 Die im poln. ZVGB geregelten Zustellungsmethoden gliedern sich in zwei Gruppen: Die eigentlichen Zustellungsmethoden (Art. 133 und Art. 135 poln. ZVGB) und die Ersatzzustellungen (Art. 138 f. poln. ZVGB). Alle anderen Zustellungsmethoden sind unzulässig und führen zur Unwirksamkeit der Zustellung.244 Generell bewirkt das Gericht die Zustellungen durch die Post,245 den Gerichtsvollzieher, den Gerichtsboten oder durch den Gerichtszustellungsdienst (Art. 131 § 1 poln. ZVGB).
241
Die bundeseinheitliche Rechtshilfeverordnung in Zivilsachen. Siehe Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 27. 242 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 26. 243 Lapierre, in: Jodłowski (Hrsg.), Postępowanie cywilne, S. 289. 244 Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 20. 245 Das Verfahren der postalischen Zustellung regelt eine Rechtsverordnung des Justizministers im Einvernehmen mit dem Minister für Post und Kommunikation (PostZVO): Rozporządzenie Ministra Sprawiedliwości z dnia 17 czerwca 1999 r. w sprawie szczegółowego trybu doręczania pism sądowych przez pocztę w postępowaniu cywilnym, Dz. U. 1999, Pos. 62, Nr. 697. Nach der PostZVO ist ein Prozessschriftsatz durch Einschreiben mit Rückschein zuzustellen (§ 2 Abs. 1 PostZVO), was auf dem Umschlag zu vermerken ist. Der Rückschein ist ein ausgefülltes Formular, das als Anhang zusammen mit dem Brief zuzustellen ist (§ 2 Abs. 3 PostZVO).
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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Die Ordnungsmäßigkeit der Zustellungen hat große Bedeutung; sie entscheidet über die Rechtmäßigkeit des Zivilverfahrens. Insbesondere garantiert sie die Waffengleichheit beider Parteien.246 Daher haben die Vorschriften über die Zustellung obligatorischen Charakter: Die Parteien haben keine Möglichkeit, selbst die Art und Weise der Zustellung zu bestimmen.247 Kann eine der Prozessparteien aufgrund der Zustellung ihre Verteidigungsrechte nicht ausüben, so führt dies zur Nichtigkeit des Verfahrens (Art. 379 § 5 poln. ZVGB). Die Zustellung an eine natürliche Person erfolgt an sie persönlich bzw. an ihren gesetzlichen Vertreter, falls sie prozessunfähig ist (Art. 133 § 1 poln. ZVGB). Sind Prozessschriftsätze oder Entscheidungen an eine juristische Person248 zuzustellen, so muss die Zustellung an das Organ, das zur Vertretung vor Gericht berufen ist oder zu Händen eines Angestellten, der zur Annahme von Schriftstücken berechtigt ist, 249 erfolgen (Art. 133 § 2 poln. ZVGB).250 Wurde im Verfahren ein Prozessbevollmächtigter oder ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so sind Schriftstücke diesem zuzustellen (Art. 133 § 3 poln. ZVGB).251 Im weiteren Prozessverlauf können sich Anwälte und Rechtsberater Schriftsätze gegenseitig unmittelbar zustellen (Art. 132 § 1 poln. ZVGB). Notwendig ist dann eine Empfangsbestätigung und die Angabe des Datums. Nach Art. 132 § 2 poln. ZVGB können Schriftstücke auch in der Geschäftsstelle des Gerichts direkt durch Aushändigung zugestellt werden. Diese Möglichkeit dient der Beschleunigung des Verfahrens.252 246
OG, Beschl. v. 9.3.2000, II CKN 39/00, OSNC 2000, Nr. 9, Pos. 166. OG, Beschl. v. 8.9.1993, III CRN 30/93; OSNC 1994, Nr. 7–8, Pos. 160; OG, 29.8.1995, I PRN 39/95, Prokuratura i Prawo 1995, Nr. 11, Pos. 40. 248 Und entsprechend an eine Organisation ohne Rechtspersönlichkeit. 249 Diese Person kann nicht Kunde der Gesellschaft sein. OG, Beschl. v. 5.10.1994, III ARN 54/94, OSNAPUS 1994, Nr. 12, Pos. 187. 250 Nach Ansicht des OG ist die Erteilung einer solchen Befugnis an einen Mitarbeiter in jeder Form ohne Beschränkung zulässig. Falls der Prozessschriftsatz an eine GmbH adressiert wurde, die keinen Prozessbevollmächtigten hat, so ist anzunehmen, dass die Empfangsbestätigung durch einen ihrer Mitarbeiter am Sitz der GmbH wirksam ist. Dies gilt nicht, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Mitarbeiter keine Ermächtigung zur Annahme von Schriftsätzen hat: OG, Beschl. v. 5.8.1999, II CKN 509/99, OSNC 2000, Nr. 2, Pos. 42. 251 Hat die Partei im Prozess einen Bevollmächtigten bestellt und stellt sie dennoch einen Antrag auf Zustellung einer Entscheidung an sich selbst, so ist die direkt an die Partei erfolgende Zustellung rechtlich wirksam und verstößt nicht gegen Art. 133 § 2 poln. ZVGB. Eine Zustellung an den Prozessbevollmächtigten kommt dann nicht in Betracht. OG, Beschl. v. 29.1.1968, I CZ 124/67, OSNC 1968, Nr. 10, Pos. 170. 252 Auch in Bezug auf das Verfahren in Wirtschaftssachen normiert die Sondervorschrift des Art. 4799 § 1 poln. ZVGB, dass im Verlauf der Rechtssache die durch einen Anwalt oder Rechtsberater vertretene Partei verpflichtet ist, Abschriften oder Prozessschriftsätze samt Anlagen direkt der Gegenpartei zuzustellen. Die Parteien haben einem 247
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Prozessschriftsätze, die an Unternehmen oder an die Gesellschafter von Handelsgesellschaften, die aufgrund besonderer Vorschriften ins Gerichtsregister eingetragen wurden, gerichtet sind, müssen an die im Register angegebene Anschrift253 zugestellt werden. Dies gilt nicht, wenn eine andere Zustellungsanschrift angegeben wurde. Wurde die letzte eingetragene Anschrift gelöscht, weil sie mit der tatsächlichen Rechtslage nicht mehr übereinstimmte, und kein Antrag auf die Eintragung einer neuen Anschrift gestellt, so gilt die gelöschte (und der Wirklichkeit nicht mehr entsprechende) Anschrift als die im Register angegebene Anschrift (Art. 133 § 2a poln. ZVGB). An dieser Stelle lässt das Gesetz mithin eine Fiktion zu. Nach Art. 135 poln. ZVGB ist das Schriftstück in der Wohnung, bei der Arbeitsstelle oder an dem Ort zuzustellen, an dem der Empfänger angetroffen wird. 254 Jede Form der Zustellung, die keine persönliche Zustellung an den Adressaten ist, stellt eine Ersatzzustellung dar. Wurde der Empfänger nicht zu Hause angetroffen, so ist das Dokument einem erwachsenen Hausbewohner, dem Hausverwalter, dem Hausmeister oder dem Ortsvorsteher zuzustellen (Art. 138 § 1 poln. ZVGB). Dies setzt einerseits voraus, dass diese Personen keine Prozesspartei in derselben Rechtssache sind. Zudem müssen sie die Weiterleitung des Schriftstücks an den Adressaten übernommen haben. Wurde der Empfänger am Ort seiner Beschäftigung nicht angetroffen, kann das Schriftstück an eine Person zugestellt werden, die dort zum Empfang der Schriftstücke berechtigt ist (Art. 138 § 2 poln. ZVGB). Prozessschriftsatz, der beim Gericht eingereicht wird, den Beweis der Zustellung einer Abschrift des Schriftsatzes an die andere Partei oder den Beweis seiner Versendung per eingeschriebenen Brief beizufügen. Diese Vorschrift findet keine Anwendung im Bereich der Widerklage, der Berufung, einer Beschwerde oder eines Einspruchs gegen das Versäumnisurteil, des Einspruch gegen einen Zahlungsbescheid, gegen einen Antrag auf die Klagesicherung und der Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens. In diesen Fällen ist die Partei verpflichtet, die Abschriften für die Gegenpartei beim Gericht einzureichen (Art. 4799 § 2 poln. ZVGB). 253 Die Prozessparteien sind verpflichtet, alle Adressänderungen dem Gericht mitzuteilen (Art. 136 § 1 poln. ZVGB). Versäumen sie diese Pflicht, verbleibt das Schriftstück in den Sachakten und die Zustellung gilt als erfolgt, es sein denn, die neue Anschrift ist dem Gericht bekannt. Bei der ersten Zustellung hat das Gericht die Parteien über diese Pflicht zu belehren (Art. 136 § 2 S. 2 poln. ZVGB). Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens. 254 Das OG geht davon aus, dass nach Art. 135 poln. ZVGB ein gerichtliches Schriftstück in erster Linie in der Wohnung des Adressaten zuzustellen ist. Erst wenn dies mit Schwierigkeiten verbunden ist, sei die Zustellung am Beschäftigungsort durchzuführen. Das Gericht entscheide, wo das Schriftstück zuzustellen ist, indem es die Zustellungsadresse auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstückes vermerkt. Das OG stellt weiter fest, dass die zustellende Person nicht verpflichtet ist, den Ort zu suchen, an dem der Adressat beschäftigt ist, falls dieser sich nicht an der vom Gericht anzugebenden Adresse befindet: OG, Beschl. v. 27.1.1998, III CKN 620/97, OSNC 1998/9/146.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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Sowohl im Falle der persönlichen Zustellung als auch bei der Ersatzzustellung255 gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Empfangsbestätigung unterschrieben wurde.256 Der Rückschein, der im Falle der postalischen Zustellung ausgestellt wird, hat den Charakter einer amtlichen Urkunde im Sinne von Art. 244 poln. ZVGB.257 Das poln. ZVGB vermutet die Richtigkeit amtlicher Urkunden. Behauptet eine Person, dass die Zustellung an einem anderen Tag erfolgte, trägt sie hierfür die Beweislast (Art. 252 poln. ZVGB258).259 Der Beweis bedeutet die Widerlegung der Vermutung. Eine bloße Erklärung der Partei genügt insoweit nicht.260 Ist die Zustellung weder persönlich noch in Form der Ersatzzustellung durchführbar, ist das Schriftstück bei der Post261 oder, wenn es nicht per Post zugestellt wurde, beim Gemeindeamt niederzulegen. Der Empfänger ist über die Niederlegung zu benachrichtigen. Die Mitteilung ist entweder an seiner Tür oder im Briefkasten zu belassen (Art. 139 § 1 poln. ZVGB). 262 Im Falle der Unmöglichkeit der Zustellung gemäß Art. 139 255
Der Empfänger ist bei der Ersatzzustellung verpflichtet, den Empfang des Schriftstücks zu bestätigen. Er muss das Datum der Zustellung angeben und die Bestätigung unterschreiben (Art. 142 § 1 poln. ZVGB). Verweigert der Empfänger die Unterzeichnung der Empfangsbestätigung oder die Datumsangabe, so wird von der zustellenden Person vermerkt, aus welchen Gründen der Empfänger dies verweigert (Art. 142 § 1 S. 2 poln. ZVGB). Gemäß Art. 142 § 2 poln. ZVGB vermerkt die zustellende Person auf der Empfangsbestätigung, auf welche Weise die Zustellung erfolgt ist. Sie gibt den Tag der Zustellung an und versieht diesen Vermerk mit der eigenen Unterschrift. 256 OG, Beschl. v. 12.3.1999, I CKN 1379/98, OSNC 1999, Nr. 10, Pos. 176 (in der Begründung). 257 Art. 244 § 1 poln. ZVGB: Amtliche Urkunden, die in der vorgeschriebenen Form durch die dazu berufenen staatlichen Organe innerhalb ihres Tätigkeitsbereichs angefertigt wurden, bilden den Beweis dafür, was in ihnen amtlich bescheinigt worden ist. 258 Art. 252 poln. ZVGB: Eine Partei, die die Echtheit einer amtlichen Urkunde bestreitet oder behauptet, dass die in dieser Urkunde enthaltenen Erklärungen des Organs, von welchem diese Urkunde stammt, unwahr sind, muss diese Umstände beweisen. 259 OG, Beschl. v. 30.4.1998, III CZ 51/98, OSNC 1998, Nr. 11, Pos. 189. 260 OG, Beschl. v. 18.9.1969, II CR 308/69, OSN 1970, Nr. 7–8, Pos. 130; OG, Beschl. v. 30.4.1998, III CZ 51/98, OSNC 1998, Nr. 11, Pos. 189. 261 Siehe die Verordnung des Infrastrukturministers vom 9. Januar 2004 über die Bedingungen der allgemeinen Postdienstleistungen. Dz. U. 2004, Nr. 5, Pos. 34 m. sp. Änd. Diese allgemein geltende Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstqualität (ABl. EU L 15 von 1998, S. 14, geändert durch die Richtlinie 2002/39/EG vom 10. Juni 2002, ABl. EU L 176 von 2002, S. 21). Diese Richtlinie wurde in allen Mitgliedstaaten in das nationale Recht umgesetzt. 262 Eine Grundvoraussetzung des Art. 139 poln. ZVGB ist, dass der Empfänger an der Adresse, die nach Art. 126 § 2 poln. ZVGB angegeben wurde, tatsächlich wohnt. Siehe
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poln. ZVGB hinterlässt der Postbote die Benachrichtigung über die Möglichkeit zur Abholung der Sendung bei einer dazu bestimmten Poststelle. Die Abholung ist binnen sieben Tagen, beginnend mit dem Tag der Hinterlassung der Benachrichtigung, möglich (§ 9 Abs. 1 Pkt. 1 PostZVO).263 Holt der Adressat die Sendung nicht ab, so stellt die Post erneut eine Benachrichtigung aus, um den Adressaten darüber zu informieren, dass die Sendung binnen sieben Tagen, beginnend mit dem der Ausstellung der Benachrichtigung folgenden Tag, abholbar ist.264 Art. 138 und Art. 139 § 1 poln. ZVGB enthalten eine Vermutung, dass das gerichtliche Schriftstück zu Händen des Adressaten abgegeben wurde und die Zustellung ordnungsgemäß war. Als Datum der Zustellung gilt dann der Tag des Ablaufs der Frist nach Art. 138 § 1 poln. ZVGB.265 Die Vermutung kann durch den Adressaten widerlegt werden, indem er beweist, dass er das Schriftstück nicht erhalten hat, weil die Person, die es angenommen hat, oder das entsprechende Amt es ihm nicht übergegeben hat.266 Das polnische Recht sieht ebenfalls bestimmte Formen der fiktiven Zustellung vor. Art. 143 poln. ZVGB regelt die Zustellung an einen Zustellungspfleger. Ist der Aufenthaltsort einer Person unbekannt, können gerichtliche Schriftstücke an einen vom Gericht bestellten Pfleger (Zustellungsbevollmächtigten) zugestellt werden (Art. 143 poln. ZVGB). Hier OG, Beschl. v. 22.3.1995, II CRN 4/95, nicht veröff., OG, Beschl. v. 28.10.1997, I CKN 270/97, nicht veröffentlicht. Aus der Rechtsprechung ergibt sich außerdem, dass von einer Unmöglichkeit der Zustellung im Sinne von Art. 139 poln. ZVGB erst dann die Rede sein kann, wenn auch eine Ersatzzustellung unmöglich war. Waren also erwachsene Mitbewohner des Adressaten anwesend, an die hätte zugestellt werden können, so sind die Voraussetzungen von Art. 139 ZVGB nicht erfüllt: OG, Beschl. v. 20.12.2000, I PKN 713/00, OSNP 2002, Nr. 16, Pos. 386. 263 Außerdem ist der Postbote verpflichtet, auf dem Rückschein zu vermerken, dass es nicht zur Zustellung gekommen ist. Auf der Sendung muss er das Datum angeben und unterschreiben (§ 9 Abs. 1 Pkt. 2 PostZVO). Auch in diesem Fall hinterlässt er die Sendung bei der entsprechenden Poststelle, die die Annahme bestätigt, indem von einem Angestellten das Datum und dessen persönliche Daten vermerkt werden. 264 Der polnische Verfassungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 17.9.2002, SK 35/01, OTK-A 2002, Nr. 5, Pos. 60), beschlossen, dass die Vorschrift, die vorsah, dass die Benachrichtigung des Adressaten nur einmal erfolgt und die Sendungen bei der Post lediglich sieben Tage aufzubewahren sind, gegen Art. 2 i.V.m. Art. 45 der polnischen Verfassung verstößt. Dadurch wird nämlich das Recht auf den Zugang zum Gericht (das rechtliche Gehör) verletzt. Das Urteil entfaltet erst ab 31.3.2003 Wirkungen. Die Zustellungen, die vor diesem Datum erfolgten, verstoßen daher gegen die Menschenrechte. Wegen dieser Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichtshofes wurden die Vorschriften über die Zustellung entsprechend geändert. 265 OG, Beschl. v. 10.5.1971, III CZP 10/71, OSNCP 1971, Nr. 11, Pos. 187. 266 OG, Beschl. v. 4.10.1970, I PZ 53/70, OSNC 1971, Nr. 6, Pos. 100.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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fingiert das Gesetz wiederum die Zustellung. Mit der Zustellung an den Zustellungspfleger ist die Zustellung rechtwirksam, es sei denn, das Gericht macht die Wirksamkeit der Zustellung vom Ablauf bestimmter Fristen abhängig. Wird trotz eines Antrags und des Vorliegens der anderen Voraussetzungen der Art. 143 f. poln. ZVGB für die abwesende Partei kein Pfleger berufen, so ist das Verfahren nichtig, weil die beantragende Partei ihre Rechte nicht ausüben kann (Art. 379 Pkt. 5 poln. ZVGB). Art. 145 poln. ZVGB lässt die Zustellung im Wege eines Aushangs im Gerichtsgebäude zu. Diese Form der Zustellung ist dann zulässig, wenn eine Partei abwesend ist und die Notwendigkeit der Bestellung eines Zustellungspflegers nicht gegeben ist. Die Zustellung ist in diesem Fall nach Ablauf eines Monats wirksam.267 Das Schriftstück kann ausnahmsweise auch durch Hinterlegung in den Akten zugestellt werden. Dies ist in drei Fällen zulässig:268 (1) Wenn der Empfänger seiner Verpflichtung zur Adressangabe nicht nachgekommen ist (Art. 136 § 1 f. poln. ZVGB), (2) wenn kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt worden ist (Art. 135 § 2 poln. ZGVB) und (3) wenn die Zustellung an eine juristische Person, eine Organisation oder eine der Registrierungspflicht unterliegende natürliche Person nicht erfolgen kann, weil die Adressänderung nicht gemeldet worden ist (Art. 139 § 3 poln. ZVGB).269 (b) Die Auslandszustellung in Polen und die Anwendung der EuZVO Das OG stellte in seiner Rechtsprechung fest, dass die Zustellung eines Schriftsatzes, der von einem ausländischen Gericht stammt, in Polen nur dann wirksam ist, wenn sie den Art. 133 ff. poln. ZVGB entsprechend durchgeführt wurde oder wenn die Partei den Empfang des Schriftstücks bestätigt hat.270
267 Stellt sich heraus, dass die Bestellung des Zustellungspflegers oder dir Zustellung durch einen Aushang unbegründet war, ordnet das Gericht die Zustellung auf die gebotene Weise an. Es kann die Bestellung des Zustellungspflegers oder den Aushang im Gerichtsgebäude auch auf Antrag der daran interessierten Partei aufheben (Art. 147 poln. ZVGB). 268 Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 20. 269 Handelt es sich um die Zustellung an eine registerpflichtige juristische Person und ist sie deshalb unmöglich, weil eine Adressänderung nicht angemeldet wurde, so ist das Schriftstück in den gerichtlichen Akten zu hinterlegen, es sei denn, dass dem Gericht die neue Anschrift bekannt ist. Die juristische Person ist bei der ersten Eintragung oder der Ankündigung des Beschlusses über die Eintragung darüber zu belehren, welche Folgen die Nichtoffenbarung einer Adressänderung haben kann (Art. 139 § 4 poln. ZVGB). 270 OG, Beschl. v. 9.3.2000, II CKN 39/00, OSNC 2000, Nr. 9, Pos. 166. Der Beschluss betraf die Zustellung zwischen Polen und den USA. Im Sachverhalt hat die Beklagte den Scheidungsantrag des Klägers nicht erhalten, wodurch sie ihre Rechte vor dem
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Die Zustellung des internationalen Zivilprozessrechts unterliegt den besonderen Vorschriften der Art. 1132 bis 11355 poln. ZVGB. Diese Vorschriften regeln die Rechtshilfe und die Auslandszustellung. Nach Art. 11355 poln. ZVGB271 ist eine im Ausland wohnhafte Partei, die keinen Bevollmächtigten in Polen bestellt hat, verpflichtet, einen Zustellungsbevollmächtigten in Polen anzugeben. Unterlässt sie dies, so werden Prozessschriftsätze für sie in der Prozessakte hinterlegt. Sie gelten damit als zugestellt (Art. 11355 § 2 poln. ZVGB). Die Partei ist darüber zu belehren.272 Bestellt der Schuldner trotz der Belehrung keinen Bevollmächtigten, so kann ein gegen ihn erlassenes Versäumnisurteil als EuVT bestätigt werden.273 Eine ausländische Zustellung, die unter Beteiligung ausländischer Organe durchgeführt wird, erweist sich oft als problematisch.274 Die polnische Rechtsprechung zu den Vorschriften des poln. ZVGB über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung kommt häufig zu dem Ergebnis, dass eine ausländische Zustellung ungenügend war, um die Prozessrechte des Empfängers zu gewährleisten, obwohl sie den einschlägigen ausländischen Vorschriften entsprach.275 So stellte das OG fest, dass eine Auslandszustellung in Polen nur dann wirksam ist, wenn sie den polnischen Vorschriften entspricht und wenn die Partei bestätigt, dass sie das Schriftstück bekommen hat.276 Im Unterschied zu Deutschland wurden in das polnische ZVGB keine Sondervorschriften eingeführt, die der Durchführung der EuZVO dienen. ausländischen Gericht nicht ausüben konnte. Die Anerkennung war im Lichte von Art. 1146 § 1 Pkt. 3 poln. ZVGB nicht zulässig. 271 Diese Vorschrift findet nur dann Anwendung, wenn die entsprechenden höherrangigen Regelungen, insbesondere die EuZVO, keine Anwendung finden. 272 Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 165. 273 Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.),Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 165. 274 Einige praktische Probleme, die bei einer ausländischen Zustellung auftreten können, zeigt ein Beschl. des OG vom 10.3.2006, IV CK 287/05. In diesem Fall hatte das Rayonsgericht die Zustellung durch die Post und dann durch ein polnisches Gericht durchgeführt. Bei der Vollstreckbarerklärung hatte es danach selbst Schwierigkeiten, festzustellen, ob die Zustellung dem polnischen Recht entsprach. Deswegen wurde der Kassationsklage stattgegeben. Umso problematischer scheint der Fall sein, wenn das Gericht eine Zustellung, die in einem anderen Staat erfolgte, bewerten muss. Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 162. 275 Siehe beispielweise OG, Beschl. v. 20.12.1977, IV CR 491/77, OSN, wyd. Prokuratury Generalnej 1978, Nr. 6, Pos. 35; OG, Beschl. v. 9.1.1980, IV CR 478/79, OSNCP 1980, Nr. 12, Pos. 233. 276 OG, Beschl. v. 9.3.2000, II CKN 39/00, OSNC 2000, Nr. 9, Pos. 166.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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Als Empfangsstellen im Sinne der EuZVO sind in Polen die Rayonsgerichte zuständig.277 b) Die Kontrolle der ordnungsgemäßen Zustellung vor Verleihung der Vollstreckbarkeit Die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks selbst erfolgt nach den vorstehend dargestellten Regeln. Das jeweilige Anerkennungsrecht bestimmt sodann den Prüfungsmaßstab für die Frage der Ordnungsgemäßheit der Zustellung im Einzelfall. Diesem Zweck dienen auch die Mindeststandards der EuVTVO über die Zustellung. Durch die mit der EuVTVO erfolgte Systemänderung im europäischen Anerkennungsrecht kommt nunmehr den Mindestvorschriften für die Bestätigung als EuVT die gleiche Funktion wie den bisherigen Versagungsgründen der Vollstreckbarerklärung zu. So entsprechen die Mindestvorschriften der Art. 13 und 14 EuVTVO funktionell den bisherigen Versagungsgründe der Vollstreckbarerklärung wegen fehlerhafter Zustellung. Die Untersuchung der unterschiedlichen Überprüfungsmaßstäbe im Vollstreckbarerklärungsrecht erklärt zum einen die schrittweise Entwicklung der Mechanismen zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs hin zu den jetzigen Mindeststandards der EuVTVO. Zum anderen ermöglicht sie die Bewertung, ob und inwieweit das Recht auf rechtliches Gehör durch die Mindestvorschriften der EuVTVO über die Zustellung hinreichend gewährleistet wird. aa) Die Überprüfung der Zustellung bei der Vollstreckbarerklärung: Konzept und Bedeutung Die Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten im Stadium der Verfahrenseinleitung stellt im Falle der Vollstreckung eines ausländischen Versäumnisurteils ein klassisches Anerkennungshindernis des europäischen Zivilverfahrensrechts dar.278 Falls der Beklagte die Klageschrift im Ausland oder auch im Inland nicht erhalten hat und ein gegen ihn erlassenes Versäumnisurteil anerkannt oder vollstreckt werden soll, ist sein Einwand, dass ihm kein rechtliches Gehör gewährt wurde und die Entscheidung daher nicht anerkannt werden dürfe, berechtigt.279 Aufgrund des Anerkennungshindernisses muss das zuständige Organ des Vollstreckungs277 IV CK 287/05, nicht veröffentlicht. Siehe Handbuch der Empfangsstellen auf der Internetseite . 278 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 178 und 179. 279 Gottwald, FS Schumann, 2001, 149, 149.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
mitgliedstaates selbständig anhand der Kriterien des Vollstreckbarerklärungsrechts feststellen, ob dem Beklagten rechtliches Gehör gewährt wurde.280 Dadurch kann die Anerkennung bzw. Vollstreckung eines Versäumnisurteils im Ausland versagt werden.281 Der Überprüfung des rechtlichen Gehörs vor der ausländischen Vollstreckung kommt in der Praxis große Bedeutung zu.282 Dem Einwand des Vollstreckungsschuldners, die Klageschrift sei ihm nicht bzw. nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, so dass er über das gegen ihn eingeleitete Verfahren nicht hinreichend informiert worden sei, begegnet man in der Praxis häufig. 283 Die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs bei der Verfahrenseinleitung ist die fehleranfälligste Anforderung, die an eine grenzüberschreitend zu vollstreckende Entscheidung gestellt wird.284 Prinzipiell können in der Verfahrenseinleitung drei Fehlerquellen auftreten, welche die Verletzung des rechtlichen Gehörs herbeiführen: Sprachprobleme, zu knapp bemessene Einlassungsfristen und Zustellungsfiktionen.285 (1) Versagungsgründe im autonomen Vollstreckbarerklärungsverfahren nach deutschem und polnischem Recht In manchen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen sind die Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in den Vorschriften des Zivilprozessrechts unter den Fragen des internationa-
280 EuGH, Urteil v. 16.6.1981, Klomps ./. Michel, Slg. 1981, S. 1593, 1605, Rn. 9; Geimer, in: Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung, Bd. I/1, S. 1064. 281 Stürner, FS Baur, 1992, 1, 19; Stadler, RIW 2004, 801, 806; dies., IPRax, 2004, 2, 6; dies., in: Canaris (Hrsg.), FS 50 Jahre BGH, Bd. III, S. 645, 666; Stein, IPRax 2004, 181, 188; ders., EuZW 2004, 679, 680; Wagner, IPRax 2002,75, 94; Hess, NJW 2001, 15, 17. Solche Fälle werden solange vorkommen, bis alle Staaten der Welt ein einheitliches Rechtspflegegebiet bilden: Gottwald, FS Schumann, 2001, 149, 149. 282 Sowohl aufgrund der internationalen als auch der nationalen Vorschriften ist dieser Versagungsgrund für eine Vollstreckbarerklärung von großer Bedeutung für die Praxis. Siehe dazu Beispiele aus der polnischen Praxis: OG, Beschl. v. 9.3.2000, II CKN 39/00, OSNC 2000, Heft 9, Pos. 166; OG, Beschl. v. 7.5.1980, IV CR 116/80, OSNC 1980, Heft 11, Pos. 220. Siehe auch Okońska, Rejent 2007, Nr. 2 (190), 90, 100. 283 Aus der neuesten Praxis siehe z. B. BGH, IPRax 2011, 265; BGH, IPRax 2008, 530; Roth, IPRax 2006, 466 ff. Zur Frage der praktischen Bedeutung des Anerkennungsversagungsgrundes siehe Stadler, RIW 2004, 801, 806; Stein, EuZW 2004, 679, 680; Micklitz/Rott, EuZW 2002, 15, 17; McGuire, Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung, S. 176. 284 Hess, NJW 2000, 23, 26; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 288. 285 McGuire, Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung, S. 176; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 288.
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len Zivilprozessrechts geregelt.286 Auch in Deutschland287 und in Polen288 gehören die Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Titel zum internationalen Zivilprozessrecht. (a) Deutsches Recht (§§ 723 Abs. 2, 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) Die Voraussetzungen der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Vollstreckungsschuldners in der Phase der Einlassung auf das Ursprungsverfahren enthält im deutschen Recht § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Danach ist die Anerkennung eines ausländischen Urteils ausgeschlossen, wenn dem Beklagten, der sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat,289 das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß 290 oder nicht so rechtzeitig291 zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte.292 Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.293 Der Beklagte muss sich außerdem im Verfahren darauf berufen. Tut er das, hat der Kläger zu beweisen, dass die Zustellung ordnungsgemäß und rechtzeitig erfolgte.294 Das in dieser Vorschrift genannte Schriftstück soll den Beklagten über die Einleitung des Verfahrens in Kenntnis setzen. 295 Es handelt sich um das erste gerichtliche Schriftstück des Verfahrens. Ladungen und andere Schriftstücke späterer Verfahrensstadien sind von § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht erfasst.296 Auch die Klageänderung oder -erweiterung gehören nicht zum Anwendungsbereich dieser Vorschrift.297 Die Zustellung des verfah286
Zum Begriff „Internationales Zivilprozessrecht“ siehe z. B. Geimer, IZPR, Rn. 102 ff.; Nagel/Gottwald, IZPR, § 1 Rn. 2 ff.; Walter, FS Lücke, 1997, 47; Linke, IZPR, Rn. 1 ff. 287 Siehe z. B. Nagel/Gottwald, IZPR, § 1 Rn. 6; Linke, IZPR, Rn. 11 ff. 288 Bezüglich des polnischen Rechts siehe Erecinski/Ciszewski, Międzynarodowe postępowanie cywilne, S. 300 ff. 289 Jedes über die bloße Passivität hinausgehende Verhalten des Schuldners kann im Prinzip als Einlassung betrachtet werden. Kropholler, IPR, § 60 IV. 3; Schack, IZVR, Rn. 843. 290 Zu den Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit siehe BGH, NJW 1997, 2051. Die Ordnungsmäßigkeit beurteilt sich grundsätzlich nach dem Recht des Ursprungsstaates. 291 Die Rechtzeitigkeit beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Siehe zur Rechtzeitigkeit der Zustellung, BGHZ 141, 286, 296; OLG Köln, IPRax 2000, 528, 529. 292 Riedel, Grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung, Rn. 371. 293 OLG München, 17.11.1994, 6 U 2499/94, OLGR München 1995, 191. 294 OLG Karlsruhe, 30.3.2007, 14 U 118/06, OLGR Karlsruhe 2007, 529. 295 OLG Koblenz, IPRspr 1991, Nr. 207; BayObLG, FamRZ 2000, 1170; Musielak/Stadler, ZPO, § 328, Rn. 14. 296 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 19. 297 BGH, NJW 1990, 2201, 2202; BGH, IPRax 1987, 236, 237; A. A. z. B. Stadler, in: Canaris (Hrsg.), FS 50 Jahre BGH, Bd. III 645, 671 f.; Frank, Das verfahrenseinleitende Schriftstück, S. 198 ff.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
renseinleitenden Schriftstücks ist ordnungsgemäß, wenn sie der lex fori des Urteilsstaats einschließlich der von ihm abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge entsprach.298 Um sich auf diesen Vollstreckbarerklärungsversagungsgrund berufen zu können, ist der Beklagte nicht verpflichtet, einen Rechtsbehelf zu erheben, nachdem er von der ausländischen Entscheidung Kenntnis erlangt.299 Die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf gegen ein bereits für vollstreckbar erklärtes Versäumnisurteil einzulegen, sei einer Verteidigung vor Erlass der Entscheidung nicht gleichwertig.300 Der Zeitpunkt, zu dem sich der Beklagte verteidigen können müsse, sei der Moment der Verfahrenseinleitung.301 Die Voraussetzung der Rechtzeitigkeit beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls.302 Den Anforderungen des § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO genügt es nicht, wenn sich ein vom ausländischen Gericht ohne Mitwirkung des Beklagten bestellter Vertreter auf das Verfahren eingelassen hat.303 Nicht nur die Art und Weise der Zustellung, sondern auch die Angaben im verfahrenseinleitenden Schriftstück dienen der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beklagten.304 Sie sollen es ihm ermöglichen, sachgerecht zu entscheiden, ob er sich auf das Verfahren einlässt oder nicht.305 Von diesem Vollstreckbarerklärungsversagungsgrund ist der ordrepublic-Vorbehalt abzugrenzen (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO versagt die Anerkennung, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das sich mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich nicht vereinbaren lässt, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Prinzipien des Grundrechtsschutzes in Deutschland nicht im Einklang steht. Verfahrensverstöße, bei denen die Voraussetzungen des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vorliegen, kommen in Betracht, wenn die Entscheidung in einem Verfahren erlassen wurde, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts so weit abweicht, dass es nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einer geordneten, rechtsstaatlichen Weise ergangen angesehen werden kann.306 Nach der Ansicht des BGH ist zur Konkretisierung des verfahrensrechtlichen ordre public insbesondere auf die Grundsätze abzu-
298
BayObLG, FamRZ 2000, 1170 f. BGH, NJW 1993, 598. 300 EuGH, IPRax 1991, 177, 178; EuGH, IPRax 1993, 394, 395; BGH, NJW 1993, 2688, 2689; BGH, NJW, 1991, 641, 642; BGHZ 120, 305, 312, 316 = NJW 1993, 598. 301 Musielak/Stadler, ZPO, § 328, Rn. 16. 302 Riedel, Grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung, Rn. 379. 303 OLG Hamm, NJW-RR 1996, 773, 774; Musielak/Stadler, ZPO, § 328, Rn. 14. 304 Riedel, Grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung, Rn. 371. 305 BGH, 29.4.1999-IX ZR 263/97. 306 BGHZ 118, 312, 321 = NJW 1992, 3096, 3098; Stürner, RabelsZ 71 (2007), 597, 621; Kropholler, IPR, § 60 IV.2., S. 649. 299
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stellen, die Art. 103 Abs. 1 GG schützt.307 Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public aufgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt z. B. vor, wenn im ausländischen Erstprozess zwischen der Ladung und dem Urteil nur vier Tage liegen.308 Dann ist die Rechtzeitigkeit der Zustellung nicht mehr gewährleistet. Verletzungen des Grundrechts auf rechtliches Gehör, die in weiteren Phasen des Verfahrens auftreten, sind ebenfalls als Verletzungen des ordre-public-Prinzips zu betrachten. Die Anerkennungshindernisse des § 328 ZPO sind von Amts wegen zu prüfen, wenn der Inhalt einer ausländischen Entscheidung in einem inländischen Prozess als Vorfrage relevant ist.309 (b) Polnisches Recht (Art. 1150 poln. ZVGB i.V.m. Art. 1146 § 1 Pkt. 3 poln. ZVGB) Das polnische ZVGB regelt die Vollstreckbarkeit von ausländischen Entscheidungen und gerichtlichen Vergleichen, die vor ausländischen Gerichten abgeschlossen wurden, in Titel II des dritten Buches von Teil IV des poln. ZVGB. Gemäß Art. 1150 poln. ZVGB sind Vollstreckungstitel gerichtliche Entscheidungen in Zivilsachen, die vollstreckungsfähig sind. Sie werden in Polen für vollstreckbar erklärt wenn sie im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind310 sowie die Voraussetzungen von Art. 1146 § 1 und § 2 poln. ZVGB vorliegen. Die letztgenannten Vorschriften betreffen die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Polen. Art. 1146 § 1 poln. ZVGB sieht unter anderem vor, dass ausländische Entscheidungen nur anerkannt werden können, wenn dem Beklagten, der sich nicht zur Sache nicht eingelassen, das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsmäßig und rechtszeitig zugestellt wurde.311 Die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung erfolgt durch Erteilung einer Vollstreckungsklausel auf Antrag des Gläubigers (Art. 1151 § 1 poln. ZVGB). Darüber entscheidet nach Art. 11511 § 1 poln. ZVGB das Bezirksgericht des Wohnsitzes oder des Sitzes des Schuldners. Beim Fehlen eines solchen Gerichts ist das Bezirksgericht zuständig, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll. Handelt es sich um die Vollstreckbarerklärung eines Urteils in der Sache, zu der 307 BGHZ 118, 312, 321 = NJW 1992, 3096; BGH, NJW 1997, 2051, 2052; BGH, NJW-RR 2002, 1151. Siehe auch Föhlisch, Der gemeineuropäische ordre public, S. 68. 308 Riedel, Grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung, Rn. 388. Zur Verletzung des ordre public siehe auch BGH, NJW 1999, 3198, 3201 = ZZP 112 (1999); Musielak/Stadler, ZPO, § 328, Rn. 26. 309 Stürner, RabelsZ 71 (2007), 597, 621; Hass, IPRax 2001, 195 ff. 310 Dazu u. a. OG, Beschl. v. 6.6.1977, OSNCP 1978, Nr. 3, Pos. 51; OG, Beschl. v. 28.5.1987, II CZ 61/87, OSNCP 1988, Nr. 11, Pos. 162. 311 Siehe z. B. OG, Beschl. v. 9.1.1980, IV CR 478/79, OSNC 1980, Nr. 12, Pos. 233.
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sich der Beklagte im Ursprungsstaat nicht eingelassen hat, ist eine Bescheinigung beizufügen, aus der sich ergibt, dass die Ladung dem Beklagten ordnungsgemäß zugestellt wurde (Art. 1151 § 2 i.V.m. Art. 1147 poln. ZVGB). Art. 11533 poln. ZVGB schließt die Anwendung der Art. 1150 bis 1153 poln. ZVGB auf den EuVT aus. Auch für die Vollstreckbarerklärung von europäischen Zahlungsbefehlen oder Titeln, die im Rahmen des europäischen Bagatellverfahrens ergehen, ist ihre Anwendung ausgeschlossen (Art. 11536 und Art. 11539 poln. ZVGB). Ähnlich wie das deutsche Recht regelt das polnische ZVGB einen Anerkennungsversagungsgrund,312 der sich auf die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks an einen Beklagten bezieht, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat. Die Zustellung muss ordnungsmäßig und rechtzeitig erfolgen, um dem Beklagten die Verteidigung zu ermöglichen (Art. 1146 § 1 Pkt. 3 poln. ZVGB). Das polnische Recht sieht zudem vor, dass die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung nicht gewährt wird, wenn eine Partei im Laufe des Verfahrens keine Verteidigungsmöglichkeit hatte (Art. 1146 § 1 Pkt. 4 poln. ZVGB). Der vom Gesetz verwendete Begriff der Verteidigungsmöglichkeiten ist weit auszulegen. Eine wichtige Rolle spielt die Rechtsprechung. Die Zustellung einer fremdsprachigen Abschrift der Klage 313 und Ladung an einen Empfänger, der seinen Wohnort in Polen hat, aber die Sprache dieser Schriftstücke nicht versteht, kann ihm die Möglichkeit der Verteidigung nehmen.314 In der Rechtsprechung hat sich die Frage gestellt, ob für die Annahme, dass sich eine Partei vor Gericht hinreichend verteidigen konnte, die Zustellung der Klageschrift notwendig ist oder ob es genügt, wenn die Partei auf anderem Wege Kenntnis vom Verfahren erlangt hat. Zum Teil wurde vertreten, dass bereits die Zustellung der Ladung, die entsprechend frühzeitig vor der Verhandlung erfolgte, die Verteidigungsrechte einer Partei garantiert.315 Nach der herrschenden Meinung reicht eine solche Zustellung
312
Art. 1146 § 1 Pkt. 3 poln. ZVGB: Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist ausgeschlossen, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsmäßig oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. 313 Die Vorschriften des poln. ZVGB regeln außerdem die hier relevanten Fragen, z. B. die Zustellung im Rahmen der Rechtshilfe und die Übersetzungen im internationalen Zivilprozessrechtsverkehr. 314 OG, Beschl. v. 21.2.1979, I CR 29/79, GP 1979, Nr. 17; Schubert-Panecka, Die Europäisierung des internationalen Zivilverfahrensrechts in Polen, S. 139. 315 OG, Beschl. v. 26.11.1981, IV CR 422/81, OSNCP 1982, Nr. 5–6, Pos. 85.
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allerdings nicht aus. Zusätzlich wird verlangt, dass der Partei eine Abschrift der Klage zugestellt wird.316 Das OG hat festgestellt, dass die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine tatsächliche Verteidigungsmöglichkeit des Beklagten verlangt, d. h. dass ihm die Klageschrift zugestellt wird und er somit Kenntnis von der Argumentation der Gegenpartei erlangen kann. Auf anderem Wege erhaltene Informationen oder die bloße Benachrichtigung des Schuldners im Wege der Ladung reichen dagegen nicht aus.317 Nach Ansicht des Wojewodschaftsgerichts Warschau ist die Verteidigungsmöglichkeit des Beklagten nicht gewährleistet, wenn ihm ein verfahrenseinleitendes Schriftstück in einer Sprache zugestellt wird, die er nicht kennt.318 Sofern der Empfänger das zugestellte Schriftstück ohne Übersetzung ins Polnische annimmt, ist auch die Zustellung in einer Fremdsprache genügend, wenn es sich um eine im Inland bekannte UN-Sprache handelt, für die in zumutbarer Weise ein Übersetzer gefunden werden kann.319 Sowohl die polnische Rechtsprechung als auch das polnische Schrifttum gehen davon aus, dass die Überprüfung der Frage, ob eine in Polen wohnhafte Partei ihre Rechte vor einem ausländischen Gericht verteidigen konnte, sowohl nach dem ausländischen Verfahrensrecht (lex fori iudicis) als auch den allgemeinen Prinzipien des polnischen Prozessrechts (lex fori delibationis) zu bewerten ist.320 (2) Das Vollstreckbarerklärungsverfahren im Unionsrecht (a) Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/Art. 27 Nr. 2 LugÜ Das Gericht im Vollstreckbarerklärungsverfahren hat zu überprüfen, ob dem Beklagten, der sich im Urteilsstaat nicht auf das Erkenntnisverfahren321 eingelassen hat,322 die Klageschrift ordnungsgemäß323 und324 recht-
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OG, Beschl. v. 7.5.1980, IV CR 116/OSNCP 1980, Nr. 11, Pos. 220, 25.11.1998, II CKN 70/98. 317 OG, Beschl. v. 25.11.1998, II CKN 70/98 (nicht veröffentlicht). Ähnlich OG, Beschl. v. 9.1.1980, IV CR 478/79, OSNCP 1980, Nr. 12, Pos. 233; OG, Beschl. v. 7.5.1980, IV CR 116/80, OSNCP 1980, Nr. 11, Pos. 220. 318 Wojewodschaftsgericht Warschau, 30.10.1975, II Co 727/75, OSPiKA 1978, Nr. 78, Pos. 146 mit Anm. von Ciszewski. 319 Schubert-Panecka, Die Europäisierung des internationalen Zivilverfahrensrechts in Polen, S. 139. 320 OG, Beschl. v. 6.2.1975, II CR 174/79, OSNCP 1980, Nr. 1, Pos. 11; OG, Beschl. v. 5.12.1979, I CR 174/79, OSNCP 1980, Nr. 5, Pos. 100. 321 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 38. 322 Stein, WiRO 2003, 289, 290.
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zeitig zugestellt worden ist, so dass er sich verteidigen konnte.325 In der Praxis hat sich die Bewertung der Maßstäbe „ordnungsgemäß“ 326 und „rechtzeitig“ als problematisch erwiesen.327 Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ, der die Voraussetzungen der Zustellung im Ausgangsverfahren regelt, hat als Versagungsgrund für die Vollstreckbarerklärung große praktische Bedeutung. Dafür spricht insbesondere die große Anzahl der bisher zu dieser Vorschrift erlassenen Entscheidungen.328 Die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks329 muss nach dem einschlägigen Recht des Ursprungsstaates ordnungsgemäß erfolgt sein.330 Das Gebot in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ, die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung zu überprüfen, hat zur Folge, dass (1) sich das Exequaturgericht mit ihm unbekannten ausländischen Zustellungsnormen zu befassen hat und (2) kleinste Fehler dazu führen können, dass ein rechtkräftiges ausländisches Versäumnisurteil für den Gläubiger wirtschaftlich wertlos wird. Nach Ansicht des EuGH ist ein Zustellungsfehler etwa dann beachtlich, wenn der Schuldner es aufgrund dieses Fehlers unterlassen hatte, einen ihm möglichen Rechtsbehelf gegen das Versäumnisurteil einzulegen.331
323 Hierbei finden das innerstaatliche Recht des Urteilsstaats und die internationalen Abkommen über die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke Anwendung. Siehe etwa Scholtz, Das Problem der autonomen Auslegung des EuGVÜ, S. 69. 324 A. A. Schack, IZVR, Rn. 845. 325 EuGH, Urteil v. 21.5.1980, Rs. 125/79, Denilauler ./. Couchet Freres, Slg. 1980 II, 1553, Rn. 18; Schulze, IPRax 1999, 342, 346; „Wenn die Gegenpartei im Verfahren des Urteilsstaates nicht geladen wurde oder wenn die Vollstreckung der Entscheidung ohne vorherige Zustellung an die Partei erfolgt ist, ist die Entscheidung vom Anwendungsbereich der Art. 27 ff. EuGVÜ prinzipiell ausgeschlossen.“ Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 37. 326 Zur Auslegung des Begriffs der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung siehe EuGH, EuZW 1990, 352. 327 Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 655. 328 Hess, JZ 1998, 1021, 1029; EuGH, Urteil v. 16.6.1981, Rs. 166/80, Klomps, Slg. 1981, 1593.7 und 9; EuGH, Urteil v. 11.6.1985, Rs. 49/84, Debaecker, Slg. 1985, 1792 Rn. 11 f.; EuGH, Urteil v. 15.7.1982, Rs. C-305/88, Lancray, Slg. 1990, I-2725 Rn. 28; EuGH, Urteil v. 21.4.1993, Rs. C-172/91, Sonntag, Slg. 1993, Rn. 38 (Wahrung der Verteidigungsrechte des Beklagten). Siehe auch Schubert-Panecka, Die Europäisierung des internationalen Zivilverfahrensrechts in Polen, S. 138; Wagner, IPRax 2002, 75, 94. 329 Es kommen im Verfahren keine anderen gerichtlichen Schriftstücke außer dem ersten Schriftstück in Betracht. Auch die Ladungen oder die Schriftstücke zur Ergänzung oder Änderung der Klageschrift sind durch diese Vorschrift nicht erfasst. Siehe Bach, grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 126, Fn. 217. 330 Fahl, Die Stellung des Gläubigers und des Schuldners bei der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nach dem EuGVÜ, S. 63. 331 Jennisen, InVo 2006, 263, 264 m. w. N. in der Fn. 71.
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Die rechtzeitige Information des Beklagten über ein anhängiges ausländisches Verfahren ist für die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beklagten unabdingbar.332 Die Rechtzeitigkeit richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.333 Überprüfung und Bewertung der Rechtzeitigkeit dienen als Korrektiv, um die Vollstreckung auch dann versagen zu können, wenn sie ordnungsgemäß verlaufen ist, das rechtliche Gehör des Beklagten aber dennoch nicht gewährleistet war. 334 Aufgrund der Voraussetzung der Rechtzeitigkeit kann das Gericht im Vollstreckungsstaat zu dem Schluss kommen, dass die Zustellung nach der legis fori zwar ordnungsgemäß verlaufen ist, die Rechtzeitigkeit aus Sicht des Vollstreckungsmitgliedstaates aber nicht in ausreichendem Maße gewährleistet wurde.335 (b) Art. 34 Nr. 2 EuGVVO Vor dem Hintergrund der heftigen Kritik an Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ336 wurden die Vollstreckbarerklärungsversagungsgründe in der EuGVVO umformuliert. Der Schutz des säumigen Beklagten wurde in zweifacher Hinsicht eingeschränkt.337 Zugleich wurde der Justizgewährungsanspruch des Klägers verstärkt.338 Die Abschwächung des Rechtsschutzes des Vollstreckungsschuldners besteht zum einen darin, dass die Voraussetzung der ordnungsgemäßen Zustellung durch die Voraussetzung der Verteidigungsmöglichkeit ersetzt wurde. Zum anderen muss der Schuldner die Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat erschöpfen, bevor er Rechtsschutz aufgrund des Anerkennungsversagungsgrundes erlangen kann. Die Anerkennung scheitert sogar bei einer Beschränkung der Verteidigungsrechte des Beklagten im Erkenntnisverfahren dann nicht mehr, wenn der Beklagte es unterlassen hat, gegen die Versäumnisentscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.339 332
Braun, Der Beklagtenschutz nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, Einf., S. 23. Schack, IZVR, Rn. 850; Kodek, in: Czernich/Tiefenthale/Kodek, EuGVO, Art. 34 EuGVVO, Rn. 27. 334 Um die Anerkennung zu verhindern, müssen beide Voraussetzungen nicht unbedingt kumulativ vorliegen. Schack, IZVR, Rn. 850. 335 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 295. 336 McGuire, Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung, S. 177. 337 Kohler in: Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, 147, 152; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 47; Wagner, IPRax 2002, 75, 82. Siehe auch Crifò, Cross-Border Enforcement of Debts in the European Union, Default Judgmets, Summary Judgments and Orders for Payment, S. 14. 338 OLG Köln, IPRax 2004, 115, 117; dazu: Geimer, IPRax 2004, 97, 98. 339 Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 34 Brüssel I-VO Rn. 39; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rn. 214; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel 333
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Im Vollstreckbarerklärungsverfahren ist weiterhin zu überprüfen, ob die Zustellung im Ausgangsverfahren rechtzeitig erfolgte, so dass der Beklagte seine Verteidigung vorbereiten konnte. Rechtzeitig ist die Zustellung dann, wenn dem Beklagten ausreichend viel Zeit verblieb, den Erlass eines Versäumnisurteils zu verhindern.340 Dabei sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Notwendigkeit der Beschaffung einer Übersetzung. Die Einhaltung der nationalen Ladungsfristen ist dagegen nicht entscheidend. Das Organ, das im Vollstreckbarerklärungsverfahren entscheidet, ist an die Feststellungen des Erstgerichts nicht gebunden.341 Die Art und Weise der Zustellung muss dem Beklagten seine Verteidigung auch im konkreten Fall ermöglichen.342 Anders als im EuGVÜ/LugÜ ist die tatsächliche Möglichkeit der Verteidigung entscheidend, nicht jedoch die ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks.343 Die Erfüllung der Voraussetzungen der maßgeblichen Rechtsordnung hat lediglich Indizwirkung dafür, dass die Art und Weise der Zustellung dem Beklagten hinreichende Verteidigungsmöglichkeiten eröffnet hat.344 Diese Formulierung des Vollstreckbarerklärungsversagungsgrundes entspricht dem Sinn und Zweck dieser Norm,345 die auf die tatsächliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beklagten abstellt.346 Im Unterschied zum EuGVÜ setzt die Überprüfung der Anerkennungsversagungsgründe einen Antrag des Schuldners voraus.347 Das Anerkennungsgericht handelt folglich nicht mehr von Amts wegen.348
für unbestrittene Forderungen, S. 47 und 48. A. A. EuGH, Urteil v. 12.11.1992, Rs. C123/91, Minalmet ./. Brandeis, Slg. 1992 I, 5661. 340 Schack, IZVR, Rn. 850. 341 EuGH, Urteil v. 15.7.1982, Rs. 228/81, Pendy ./. Pluspunkt, EuGHE 1982, 2723, Rn. 13; Schack, IZVR, Rn. 850. 342 Die Voraussetzungen der Ordnungsmäßigkeit und Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks wurden in der Literatur als übertriebene Förmlichkeiten angesehen. Siehe Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 34 Brüssel IVO Rn. 23. 343 EuGH, Urteil v. 14.12.2006, Rs. C-283/05, ASML Netherlands ./. SEMIS. Siehe außerdem Wagner, IPRax 2002, 75, 82; Geimer, IPRax 2002, 69, 72. 344 Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 34 Brüssel I-VO Rn. 31. 345 Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 658. 346 Rauscher/Leible, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 34 Brüssel I-VO Rn. 30. 347 Hinsichtlich der Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 34 Nr. 2 EuGVVO werden in der Praxis häufig drei Hauptfehlerquellen genannt: 1) mangelhafte tatsächliche Kenntnisnahme (insbesondere wegen fiktiver Zustellungen); 2) nichtrechtzeitige Kenntnisnahme (insbesondere wegen einer zu kurzen Einlassungsfrist) und 3) mangelhafte inhaltliche Kenntnisnahme (wegen sprachlicher Unverständlichkeit des Inhalts des Schriftstücks). Siehe Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 427. 348 Siehe dazu Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 41 Brüssel I-VO Rn. 5; Riedel, Grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung, Rn. 245.
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Neuralgische Punkte der Bewertung, ob der Beklagte die Möglichkeit hatte, sich zu verteidigen, sind die Notwendigkeit der Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks und die Länge der Einlassungsfrist im Ursprungsverfahren.349 Zum Teil wird vertreten, Art. 34 Nr. 2 EuGVVO stelle einen autonomen Mindeststandard für die Zustellung auf.350 Die Zustellung müsse hinreichende Verteidigungsmöglichkeiten gewährleisten. Allerdings müsse der Zustellungsakt im Einzelfall im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung bewertet werden. Diese Vorschrift enthält jedoch keine Mindestvorgaben. Sie führt vielmehr eine Generalklausel ein, die es dem zuständigen Organ ermöglicht, selbst zu bewerten, ob der Prozess der Zustellung dem Schuldner eine hinreichende Verteidigung garantiert hat. In dieser Hinsicht unterscheidet sich diese Regelung von der EuVTVO, in der die Überprüfung nicht anhand einer Generalklausel, sondern anhand detaillierter und erschöpfend aufgezählter Mindestvorschriften erfolgt. Die Vorschriften des EuGVÜ sowie der EuGVVO verlangen keinen Nachweis, dass der Beklagte vom verfahrenseinleitenden Schriftstück hinreichend informiert wurde (Art. 26 Abs. 2 i.V.m. Art. 46 ff. LugÜ; Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 53 ff. EuGVVO). Dies stellt einen Unterschied zum polnischen autonomen Recht dar (Art. 1147 § 2 i.V.m. Art. 1146 § 1 Nr. 3 poln. ZVGB). Das polnische Recht verlangt, dass dem Antrag auf Anerkennung ein Nachweis beizufügen ist, dass die Ladung dem säumigen Schuldner ordnungsgemäß zugestellt worden ist.351 bb) Überprüfung des Zustellungsablaufs nach den Mindeststandards der EuVTVO (1) Überblick Die Zustellungsregeln sind als Kernstück der EuVTVO anzusehen.352 Hauptziel und Grundgedanke der Mindeststandards der Zustellung nach der EuVTVO ist die Garantie eines fairen Verfahrens, insbesondere die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Schuldners.353 Schon der Erwägungsgrund Nr. 12 der EuVTVO stellt fest, dass die Mindestvorschriften in der EuVTVO „festgelegt werden, um sicherzustellen, dass der Schuldner so rechtzeitig und in einer Weise über das gegen ihn eingeleitete 349
Schack, IZVR, Rn. 845. Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 171. 351 Art. 1147 § 2 poln. ZVGB, der sich auf die Anerkennung bezieht, findet aufauch die Vollstreckbarerklärung Anwendung (Art. 1151§ 2 poln. ZVGB). 352 Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 25. 353 Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1545; Gundlach, Europäische Prozessrechtsangleichung, S. 173; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl EG-VollstrTitelVO Rn. 47. 350
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Verfahren, die Notwendigkeit seiner aktiven Teilnahme am Verfahren, wenn er die Forderung bestreiten will, und über die Folgen seiner Nichtteilnahme unterrichtet wird.“ Die Aufzählung der Zustellungsmethoden im Rahmen der Mindeststandards der EuVTVO (Art. 13 bis 15 EuVTVO) hat abschließenden Charakter.354 Die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks in einer anderen Form genügt den Anforderungen der Mindeststandards nicht und schließt die Bestätigung als EuVT aus.355 Alle in den Art. 13 und 14 EuVTVO benannten Zustellungsmethoden sind gleichwertig. Ebenso besteht zwischen den in Art. 13 und 14 EuVTVO vorgesehenen Varianten keine Hierarchie.356 Vergleicht man die Mindeststandards der EuVTVO mit den Vorschriften über die Vollstreckbarerklärung, lässt sich feststellen, dass die Förmlichkeitsprüfung, die das EuGVÜ charakterisiert hatte und später in der EuGVVO aufgehoben wurde, im Bestätigungsverfahren wieder geregelt wird. Dies kann man als einen gewissen Rückschritt im Vergleich mit der EuGVVO ansehen.357 Die Formulierung der Mindeststandards führt dazu, dass die Flexibilität, die bei der Bewertung der Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners im Ursprungsstaat gemäß der Generalklausel des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO ermöglicht wurde, nicht mehr vorhanden ist.358 Allerdings lässt sich diese Änderung mit der in der EuVTVO geregelten Kompetenzverschiebung begründen. Das Abstellen auf die „Selbstkontrolle“ in der EuVTVO erzwingt die Einführung einer Überprüfung nach formalisierten Kriterien.359 (2) Zustellung mit Nachweis des Empfangs (Art. 13 Abs. 1 EuVTVO) (a) Überblick Die in Art. 13 Abs. 1 EuVTVO geregelten Zustellungsarten werden vom europäischen Verordnungsgeber als solche betrachtet, die mit Sicherheit 354 Bittmann, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 28, Rn. 105; Rauscher, GPR 2004, 286, 290; ders., Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 121; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 2. 355 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 2. 356 Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 105, 121; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 100; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 395; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 105. A. A. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, Ahn., § 1086, Art. 6 EuVTVO Rn. 1. 357 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 296. 358 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 296. 359 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 296.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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garantieren, dass der Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück im Ausgangsverfahren erhält. Entspricht die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Ausgangsverfahren den Voraussetzungen des Art. 13 EuVTVO, wurde insoweit das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör gewährleistet.360 Art. 13 EuVTVO regelt vier Arten der persönlichen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Bei den ersten beiden Zustellungsformen kommt es zur persönlichen Übergabe des Zustellungsdokuments an den Schuldner, die dritte Zustellungsart betrifft die postalische Zustellung und die vierte die elektronische Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. (b) Art. 13 Abs. 1 lit. a EuVTVO Art. 13 Abs. 1 lit. a EuVTVO regelt die persönliche Zustellung, bei welcher der Schuldner das zuzustellende Schriftstück annimmt und eine Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet. Seine Unterschrift ist eine unabdingbare Voraussetzung: Die Quittierung des Empfangs eines Einschreibens entspricht dem nicht.361 Eine Rücksendung der Bestätigung ist nicht erforderlich. Die Zustellung ist durch eine zuständige Person durchzuführen. Aus der EuVTVO ergibt sich nur, dass die zustellende Person eine zuständige Amtsperson sein muss. Der nationale Gesetzgeber regelt jeweils, welche Personen hierbei in Frage kommen. Im Bestätigungsverfahren ist zu überprüfen, ob die Person, die die Zustellung durchgeführt hat, nach dem maßgeblichen nationalen Recht zuständig war. Die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks wird von der EuVTVO als Hoheitsakt betrachtet.362 Die Zustellung durch einen Postdienst, insbesondere mittels eines Übergabe-Einschreibens, bei der keine Amtsperson tätig wird, ist daher nicht möglich.363 Sowohl im deutschen als auch im polnischen Recht ist dieser Mindeststandard erfüllt. Im deutschen Recht entspricht § 174 Abs. 1 ZPO den Anforderungen des Art. 13 Abs. 1 lit. a EuVTVO,364 im polnischen Recht Art. 133 § 1 und Art. 142 § 1 poln. ZVGB.
360
Frey, Pr. I P. UE 2005, 6, 7. Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 6. 362 Geimer, IZPR, Rn. 2075. 363 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 6. 364 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 91; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 13 EuVTVO Rn. 4; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 110; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 61. 361
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
(c) Art. 13 Abs. 1 lit. b EuVTVO Art. 13 Abs. 1 lit. b EuVTVO regelt eine persönliche Zustellung mit Protokollierung, bei welcher eine zuständige Person angibt, ob der Empfänger das verfahrenseinleitende Schriftstück angenommen365 oder die Annahme verweigert hat und ob die Annahmeverweigerung unberechtigt war.366 Dabei ist das Datum der Annahme bzw. der Annahmeverweigerung anzugeben. Auch in diesem Fall ist die zustellende Person entweder eine Amtsperson oder jede Person, die im Zustellungsmitgliedstaat befugt ist, Zustellungen durchzuführen oder zu bescheinigen.367 Entscheidend sind die Vorschriften der jeweiligen lex fori. Die EuVTVO bestimmt nicht, welche Gründe zur Annahmeverweigerung berechtigen,368 wodurch diese Frage den einschlägigen Vorschriften des Zustellungsrechts unterliegt. Falls die EuZVO im Einzelfall Anwendung findet, dürfte die Annahmeverweigerung aus den in Art. 8 EuZVO vorgesehenen Gründen berechtigt sein.369 Mit Art. 13 Abs. 1 lit. b EuVTVO hat der Gesetzgeber in den Katalog des Art. 13 EuVTVO – Zustellung mit Empfangsnachweis durch den Schuldner – eine Zustellungsart „hineingemogelt“, die in Wirklichkeit nicht zu einem solchen Nachweis führt. Nach dieser Vorschrift genügt für die persönliche Zustellung, dass die zustellende Person ein Dokument unterzeichnet, in dem anzugeben ist, dass der Schuldner das Schriftstück erhalten oder dessen Annahme verweigert hat. Es handelt sich daher nicht um eine Zustellung, sondern einen bloßen Zustellungsversuch.370 Art. 13 Abs. 1 lit. b EuVTVO enthält keine Vorgaben zu der Frage, wie mit dem zuzustellenden Schriftstück umzugehen ist, wenn der Empfänger sein Recht auf Annahmeverweigerung ausübt.371 Das Zurücklassen am Ort der versuchten Zustellung ist nicht Voraussetzung der wirksamen Zustellung nach Art. 13 Abs. 1 lit. b EuVTVO.372 Der persönlichen Zustellung gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. b Alt. 1 EuVTVO entspricht im deutschen Recht die Zustellung durch Zustellungsauftrag 365
Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 9. Deswegen ist die Situation des Art. 8 EuZVO zum Anwendungsbereich von lit. a zu zählen, weil die dort vorgesehene Annahmeverweigerung berechtigt ist. 367 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 9. 368 Stadler, RIW 2004, 801, 806; Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 104 f. 369 Wenn der Schuldner die Annahme des Schriftstücks nach Art. 8 Abs. 2 EuZVO verweigern durfte, ist die Annahmeverweigerung nach der EuVTVO auch nicht unberechtigt. 370 Stadler, RIW 2004, 801, 806. 371 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 61. 372 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 11. 366
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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nach den §§ 176 ff. ZPO.373 Die zustellende Amtsperson hat im zu unterzeichnenden Dokument anzugeben, zu welchem Zeitpunkt der Schuldner das Schriftstück erhalten hat.374 Das deutsche Gesetz normiert allerdings keine Annahmeverweigerungsgründe.375 § 179 ZPO regelt, wie mit einem Schriftstück, das durch den Empfänger nicht angenommen wurde, umzugehen ist.376 Das Schriftstück ist dann in der Wohnung bzw. im Geschäftsraum zurückzulassen. Ist dies nicht möglich, so ist es zurückzusenden. Im polnischen Recht sind die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 lit. b EuVTVO in Art. 142 § 1 S. 2 poln. ZVGB umgesetzt.377 (d) Art. 13 Abs. 1 lit. c EuVTVO Art. 13 Abs. 1 lit. c EuVTVO regelt die postalische Zustellung, bei welcher der Schuldner die Empfangsbestätigung zu unterzeichnen und mit dem Datum zu versehen hat. Anschließend muss er das Schriftstück zurücksenden. Ein Einwurf-Einschreiben ist daher nicht ausreichend, weil es an der Unterzeichnung einer Empfangsbestätigung fehlt. Ebenso wenig ausreichend ist ein Übergabe-Einschreiben, da es trotz der Quittierung des Erhalts nicht zur Zurücksendung der Bestätigung kommt. Ausreichend ist jedoch ein Einschreiben mit Rückschein.378 Dieser Zustellungsmethode genügt im deutschen Recht die Zustellung nach § 175 ZPO.379 Im polnischen Recht entspricht diesem Mindeststandard Art. 131 § 1 poln. ZVGB. Diese Vorschrift verweist auf die Sondervorschriften der Verordnung380 des polnischen Infrastrukturministers, in der die Durchführung der postalischen Zustellung im Einzelnen geregelt ist.381
373
Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 61. Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 92; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 13 EuVTVO Rn. 4; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 92; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 61. 375 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 93; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 13; Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1546. 376 Stadler, RIW 2004, 801, 806. 377 Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 20. 378 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 13. 379 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 13 EuVTVO Rn. 7; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 13; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 113. 380 Im polnischen Recht sind Verordnungen Rechtsakte, die Durchführungsvorschriften zu den Gesetzen enthalten. 381 Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 20. 374
116
2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
(e) Art. 13 Abs. 1 lit. d EuVTVO Die EuVTVO lässt die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks auf elektronischem Weg zu. Auch bei dieser Art der persönlichen Zustellung ist es unabdingbar, dass der Schuldner selbst die Empfangsbestätigung unterzeichnet und zurückschickt. Im elektronischen Rechtsverkehr, insbesondere bei den Vorschriften, die den Schutz des Adressaten zum Ziel haben, kommt nur die qualifizierte Signatur in Betracht. Die EuVTVO stellt diese Voraussetzung allerdings nicht auf. Das Institut der elektronischen Signatur regeln in allen Mitgliedstaaten die Vorschriften, die die Richtlinie 1999/93/EG382 umsetzen.383 In Polen wurde das Sondergesetz über die elektronische Signatur erlassen.384 Bestimmte Regelungen wurden außerdem in das poln. ZVGB eingeführt. Weder das deutsche385 noch das polnische386 Recht kennen die elektronische Zustellung von verfahrenseinleitenden Schriftstücken per E-Mail oder Fax. Bei den elektronischen Dokumenten muss sichergestellt sein, dass (1) das Dokument tatsächlich von einer bestimmten Person stammt und (2) das Dokument vor Eingriffen anderer geschützt ist. Es muss gewährleistet sein, dass das elektronische Dokument im gleichen Zustand beim Empfänger ankommt, wie es durch den Absender verschickt wurde. Die Verschlüsselung des elektronischen Dokuments ist unabdingbar.387 Art. 13 Abs. 1 lit. d EuVTVO erwähnt als Beispiele die Zustellung per Fax oder E-Mail. Zusätzlich muss sichergestellt sein, dass die Dokumente mit einer elektronischen Signatur388 oder einer anderen gleichwertigen Form der elektronischen Unterschrift gesichert werden. Nur dadurch kann garantiert werden, dass die Empfangsbestätigung tatsächlich vom Schuldner stammt. Es ist 382 Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.12.1999 über gemeinschaftsrechtliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. EG v. 19.1.2000, Nr. L 13, S. 12. 383 Nach Art. 5 Abs. 1 der RL sind sog. qualifizierte elektronische Signaturen unter bestimmten Voraussetzungen den handschriftlichen Unterschriften gleichgestellt. Im deutschen Recht befindet sich die wichtigste bürgerlich-rechtliche Regelung der Frage der elektronischen Unterschrift in § 126a BGB. 384 Ustawa z 18 września 2001 r. o podpisie elektronicznym, Dz. U. 2001, Nr. 130, Pos. 1450. 385 Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 114; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 13 EuVTVO, Rn. 7. 386 Man kann hier lediglich auf die Regelung des Art. 472 poln. ZVGB hinweisen. Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 20. 387 Siehe Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren, S. 283 und die dort angegebene Literatur. 388 Zur Frage der Sicherheit der elektronischen Signaturen siehe insbesondere Rüßmann, Herausforderung Informationsgesellschaft, S. 211 ff.; Fischer-Dieskau, MMR 2003, 701 ff.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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davon auszugehen, dass die Mindeststandards auf diese Weise auszulegen sind. Art. 13 Abs. 1 lit. d EuVTVO regelt nicht, in welcher Form die Bestätigung des Empfangs erfolgen muss und wie diese zu verschicken ist. Deshalb sind alle Formen denkbar, darunter auch eine postalische Bestätigung des Empfangs der elektronischen Zustellung. Unklar ist, ob insoweit die elektronische Zurücksendung genügt.389 Da die EuVTVO keine Beschränkung vorsieht, ist dies zu bejahen. Eine E-Mail-Nachricht ist mit einer (qualifizierten) elektronischen Signatur zu unterschreiben.390 Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Vorschriften des deutschen Rechts gestützt: § 174 ZPO regelt die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis. Danach ist auch die elektronische Form zulässig ist, wenn zusätzliche Voraussetzungen vorliegen, insbesondere die elektronische Signatur. Das polnische Recht sieht bestimmte Situationen vor, in welchen die Klageschrift zwingend auf elektronischen Informationsträgern einzureichen ist (Art. 1871 poln. ZVGB). In diesen Fällen ist dies die einzig zulässige Form der Klageerhebung. Die Anwendung neuer Technologien bei der Zustellung ist zu begrüßen.391 Allerdings können bei der elektronischen Zustellung zahlreiche Fragen bezüglich der Sicherheit entstehen, da die elektronische Kommunikation im Rechtsverkehr immer noch neu und von der Entwicklung der technologischen Medien abhängig ist. (3) Zustellung ohne Nachweis des Empfangs durch den Schuldner (Art. 14 EuVTVO) (a) Überblick Entspricht die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks einer der in Art. 14 EuVTVO geregelten Methoden, so ist allerdings nicht völlig sicher, dass das rechtliche Gehör des Beklagten in der Einlassungsphase des Verfahrens gewährleistet wurde.392 Bei diesen Arten der Zustellung gelangt das Schriftstück zwar in den Machtbereich des Schuldners, es besteht aber keine Gewissheit, dass er es tatsächlich empfangen hat.393 Der 389
Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 15. Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 15. 391 Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 259 ff.; Gottwald, FS Schütze, 1999, S. 231. 392 Zöller/Geimer, ZPO, Anh II, EG-VO Europ Vollstreckungstitel, Art. 19, Rn. 1. 393 Die Zustellungsformen des Art. 14 EuVTVO bieten nur ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Zustellung. Es besteht das Risiko, dass der Empfänger das Schriftstück nicht bekommt, so Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 27 mit Hinweis auf Art. 14 Abs. 1 lit. e und lit. f EuVTVO. Siehe auch Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 3. 390
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Schuldner erhält das Schriftstück zwar nicht persönlich. Es ist aber in seinen Herrschaftsbereich gelangt, so dass es ihm obliegt, dafür zu sorgen, dass er das Schriftstück erhält. Falls dies nicht der Fall ist, findet Art. 19 Abs. 1 lit. a EuVTVO Anwendung.394 Vorausgesetzt wird aber, dass der Schuldner ohne sein Verschulden keine Kenntnis von dem Schriftstück hatte.395 Das Schriftstück kann dem Schuldner gemäß Art. 14 EuVTVO nur dann zugestellt werden, wenn seine Adresse im Zeitpunkt der Bestätigung bekannt ist.396 Die persönliche Zustellung an eine andere Person als den Schuldner selbst ist gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. a und b EuVTVO nur dann hinnehmbar, wenn diese Person das betreffende Schriftstück tatsächlich entgegengenommen hat.397 Bei der Zustellung an andere Personen kommt eine Annahmeverweigerung mit Zustellungswirkung nicht in Betracht. Solche Personen müssen das Schriftstück annehmen.398 (b) Art. 14 Abs. 1 lit. a EuVTVO Art. 14 Abs. 1 lit. a EuVTVO regelt die persönliche Zustellung an die Privatanschrift des Schuldners oder an eine in derselben Wohnung lebende Person. Unter der Privatanschrift399 im Sinne dieser Vorschrift ist die postalische Adresse des Empfängers zu verstehen, d. h. der Ort, an dem er den tatsächlichen Mittelpunkt seines Lebens400 bzw. seiner Geschäftsinteressen hat. Bei juristischen Personen ist der satzungsmäßige Sitz entscheidend.401 Dieser Begriff unterliegt einer autonomen Auslegung.402 Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist grundsätzlich die Zustellung an die Hauptwohnung des Schuldners notwendig. Unzureichend ist daher die Zustellung an eine Ferienwohnung, es sei denn der Schuldner wohnt dort tatsächlich.403 Nach der EuVTVO muss die Person, die das Schriftstück empfängt, zusammen mit dem Schuldner in der Wohnung leben oder dort beschäftigt sein. Sie kann minderjährig und geschäftsunfähig sein. Im ersten Verordnungsvorschlag der Kommission zur EuVTVO war noch vorgesehen, dass die Person, die das Schriftstück empfängt, erwachsen sein muss.404 Zur 394
Zöller/Geimer, ZPO, Anh II, EG-VO Europ Vollstreckungstitel, Art. 14 Rn. 1. Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 2. 396 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 6. 397 Erwägungsgrund Nr. 15 der EuVTVO. 398 Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 106. 399 Dieser Begriff ist autonom auszulegen. 400 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 21; Kropholler/von Hein, Art. 14 EuVTVO Rn. 8. 401 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 4. 402 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 228. 403 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 228. 404 KOM (2002) 159 endg., 25. 395
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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Beschleunigung des Verfahrens wurde diese Voraussetzung später aufgegeben.405 Die Kommission geht davon aus, dass der Verzicht auf den Begriff „erwachsen“ lediglich zur Vereinfachung führen soll.406 Diese Regelung bewirkt eine Gefahr der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn sie schließt nach ihrem Wortlaut die Bestätigung als EuVT auch in solchen Konstellationen nicht aus, in denen der Schuldner das zuzustellende Schriftstück nicht erhält, weil die Person, die mit ihm zusammen wohnt oder bei ihm beschäftigt ist, unfähig war, die Bedeutung des empfangenen Schriftstücks zu verstehen und dieses an den Schuldner rechtzeitig weiterzugeben. Dies ist etwa vorstellbar, wenn die Zustellung an ein minderjähriges Kind oder ein erwachsenes, aber psychisch behindertes Familienmitglied erfolgt. Auch muss sich die Person, an die die Zustellung erfolgt, nicht dazu verpflichten, das Schriftstück an den Schuldner weiterzugeben. Selbst wenn ein 10-jähriges Kind das zuzustellende Schriftstück entgegennimmt und vergisst, es an seinen Vater weiterzugeben, gilt die Zustellung nach wortlautgetreuer Auslegung des Art. 14 Abs. 1 lit. a EuVTVO als ordnungsgemäß erfolgt. Die Mindestvoraussetzungen über die Zustellung wären erfüllt und es könnte die Bestätigung als EuVT ausgestellt werden. Das rechtliche Gehör des Schuldners würde durch die Vorschriften der EuVTVO verletzt. Im Zuge einer Novellierung der EuVTVO sollte der offene Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 lit. a EuVTVO daher dringend beschränkt werden. De lege lata bietet sich eine korrigierende Auslegung an. In der heutigen Praxis könnte die Vorschrift so ausgelegt werden, dass die das Schriftstück empfangende Person jedenfalls erwachsen oder zumindest zum Empfang des Schriftstücks geeignet sein soll.407 Im Hinblick auf das Ziel der EuVTVO, Ersatzzustellungen zuzulassen, die eine hohe Gewähr für die Kenntnisnahmemöglichkeit des Schuldners bieten, ist die Eignung der mit dem Schuldner zusammen lebenden Person zur Weitergabe des Schriftstücks an den Empfänger in die Auslegung dieser Vorschrift einzubeziehen. Daher sollten z. B. das Alter sowie eine gewisse Verständnisfähigkeit berücksichtigt werden.408 Bei einer Zustellung an eine minderjährige oder sonst nicht geschäftsfähige Person wäre die nach Art. 14 Abs. 3 lit. b EuVTVO mögliche Empfangsbestätigung im Hinblick auf den Schutz des Schuldners 405
Gerling, Gleichstellung, S. 101. KOM (2004) 90 endg., 10. 407 Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 106; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 123. Nach Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 14 EuVTVO, Rn. 8 soll diese Person mindestens 14 Jahre alt sein. Nach Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 228 liegt die Grenze bei 12 Jahren. 408 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel, S. 96. 406
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
unzureichend.409 Es stellt sich dann aber die Frage, ob diese korrigierende Auslegung in der Praxis genügt, um den Schuldner zu schützen. Die Einschätzung der Eignung der Person zur Weitergabe obläge dann lediglich der zustellenden Person. Die Einführung einer Altersgrenze würde weit mehr Sicherheit für das rechtliche Gehör des Schuldners garantieren.410 Die EuVTVO regelt nicht, ob eine Zustellung in der Privatwohnung auf Klagen im Zusammenhang mit dem privaten Bereich des Schuldners beschränkt ist, oder ob auch eine Zustellung von Klagen, die andere Bereiche betreffen, zulässig ist.411 Die EuVTVO enthält keine derartigen Beschränkungen. In der Praxis ist die Zustellung aller Klagen an die Privatadresse des Schuldners üblich. Da die EuVTVO diese Frage nicht beantwortet, ist sie in den einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu präzisieren. Im deutschen Recht entspricht § 178 ZPO der Regelung des Art. 14 Abs. 1 lit a EuVTVO. Gemäß § 178 ZPO muss die Empfangsperson volljährig sein. Die deutsche Regelung geht also über die Mindestanforderungen der EuVTVO hinaus, wobei sie ihrem Zweck völlig entspricht.412 In Polen enthält Art. 138 § 1 poln. ZVGB die einschlägige Regelung.413 Die Vorschriften des poln. ZVGB verlangen nicht, dass die Erklärung der Person, die den Prozessschriftsatz annimmt, um ihn danach dem Adressaten zu überreichen, in irgendeiner Form dokumentiert wird.414 Die Zustellung eines Prozessschriftsatzes an einen erwachsenen Mitbewohner des Adressaten ohne die Angabe seines Namens auf der Empfangsbestätigung stellt eine Verletzung der Zustellungsvorschriften dar. Sie ist allerdings unbeachtlich, wenn der Postbote den Prozessschriftsatz tatsächlich zugestellt hat.415 (c) Art. 14 Abs. 1 lit. b EuVTVO Ist der Schuldner eine juristische Person oder ein Selbstständiger, so kann die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks in den Geschäfts409
Gerling, Gleichstellung, S. 102; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 12. 410 Fraglich ist, ob die Bestätigung aus dem Grund scheitern kann, dass bei der Zustellung verlangt wird, dass die Person volljährig sein soll. Fraglich ist zudem, ob sich der Schuldner bei der schon erlassenen Bestätigung als EuVT darauf berufen kann, dass sie zu Unrecht erlassen wurde, weil die Mindestvoraussetzungen über die Zustellung nicht vorlagen. Im Hinblick auf die Regelung der Verordnung scheint dieser Einwurf unbeachtlich. 411 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 228. 412 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 62. 413 Weitz, Europejski tytuł egzekucyjny, S. 193 ff. 414 OG, Beschl. v. 15.9.2004, III CZ 64/04, OSNC 2005, Nr. 7–8, Pos. 142. 415 OG, Beschl. v. 20.12.2000, I PKN 713/00, OSNP, Nr. 16, Pos. 386. In dem Sachverhalt wurde nicht vermerkt, auf welche Weise die Zustellung erfolgte.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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räumen des Schuldners an eine Person erfolgen, die vom Schuldner beschäftigt wird. Selbstständige im Sinne der Vorschrift können Gewerbebetreibende, Unternehmer oder auch Freiberufler sein.416 Die EuVTVO stellt keine ausdrücklichen Voraussetzungen für die Art der Beschäftigung beim Schuldner auf. Der Kreis derjenigen Personen, die das Schriftstück für das Unternehmen empfangen dürfen, wurde nicht festgelegt. Empfänger kann daher grundsätzlich jeder Mitarbeiter sein, so beispielsweise auch ein Arbeiter in der Produktion eines großen Industrieunternehmens. Dabei besteht vor allem die Gefahr, dass der Mitarbeiter das entgegengenommene Schriftstück zu spät an die im jeweiligen Unternehmen zuständigen Personen weiterleitet, um die zur Verteidigung notwendigen Schritte zu unternehmen. Nicht bestimmt wurde auch, an welchem Ort oder in welchen Räumen das Schriftstück zugestellt werden kann. Das birgt die Gefahr, dass die Zustellung an einem Ort erfolgt, an dem die im jeweiligen Unternehmen zuständigen Personen nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen können, insbesondere wenn der Zustellungsort vom Verwaltungssitz des Unternehmens weit entfernt ist. In diesen Fällen gilt die Zustellung nach dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 lit. b EuVTVO als ordnungsgemäß erfolgt. Da dem Schuldner dann allerdings kein rechtliches Gehör gewährt wurde, werden seine Rechte durch die EuVTVO verletzt. Dies ist besonders beachtlich, da die Zustellung nach Art. 14 Abs. 1 lit. b EuVTVO in der Praxis eine ganz erhebliche Bedeutung hat. Denn der EuVT soll vor allem als Instrument im Rechtsverkehr zwischen kleinen und mittleren Unternehmen dienen. Die mangelhafte Ausgestaltung dieser Mindeststandards bewirkt deshalb eine ernsthafte Gefährdung des rechtlichen Gehörs. Im polnischen Recht wurde der Kreis der empfangsberechtigten Personen wesentlich eingeschränkt. Gemäß Art. 133 § 2 poln. ZVGB417 kann die Zustellung an dasjenige Organ der juristischen Person erfolgen, das für ihre Vertretung vor Gericht zuständig ist.418 Darüber hinaus ist die Zustellung wirksam, wenn das zuzustellende Schriftstück von einem Mitarbeiter empfangen wird, der für den Empfang von Korrespondenz im Unternehmen zuständig ist. Der Kreis der zuständigen Personen ist somit im polnischen Recht im Vergleich zum deutschen Recht enger bestimmt: Nach dem
416 Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 106; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 124. 417 Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 20. 418 Siehe dazu Weitz, Europejski tytuł egzekucyjny, S. 194–195.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
deutschen Gesetz kann die Zustellung in Geschäftsräumen an eine dort beschäftigte Person erfolgen (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).419 Im Hinblick auf das Ziel der Mindestvorschriften der EuVTVO wäre es wünschenswert, den Begriff der beschäftigten Person im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. b EuVTVO möglichst eng zu interpretieren. Insbesondere könnte bei größeren Unternehmen ein enger Bezug zu der zuständigen Stelle des Unternehmens gefordert werden, weil nicht jeder Arbeitnehmer als tauglicher Empfangsvertreter angesehen werden kann.420 De lege ferenda wäre es deshalb aus der Sicht des Schuldnerschutzes nötig, entsprechende Anforderungen an beschäftigte Personen in der EuVTVO zu normieren. Als Beispiel könnten hier sowohl das deutsche als auch das polnische Recht herangezogen werden, die beide eine enge Beschränkung des Empfängerkreises für diese Art der Zustellung kennen. Es bestehen bei dieser Zustellungsvariante keine Gründe für die Beschränkung der Zustellung auf bestimmte Arten von Klagen.421 Erklärungsbedürftig ist indes der Begriff der Geschäftsräume des Schuldners. Bei großen Unternehmen sollen nur die Räume in Betracht kommen, in denen die Verwaltung des Unternehmens ansässig ist. Daher würde beispielsweise die Zustellung in entfernt gelegene Lagerhallen nicht ausreichen.422 (d) Art. 14 Abs. 1 lit. c EuVTVO Art. 14 Abs. 1 lit. c EuVTVO regelt Mindestvorschriften für die postalische Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks, bei der keine Empfangsbestätigung ausgestellt wurde. Die Zustellung erfolgt durch die Hinterlegung im Briefkasten des Schuldners. Vorausgesetzt ist lediglich, dass der Briefkasten dem Schuldner gehört. Art. 14 Abs. 1 lit. c EuVTVO verlangt weder eine Eignung noch die Sicherheit des Briefkastens.423 Die Bestätigung als EuVT wird daher auch in solchen Fällen nicht ausgeschlossen, in denen das Schriftstück in einen Briefkasten eingeworfen wird, der nicht hinreichend sicher gewährleistet, dass der Schuldner das Schriftstück tatsächlich erhält. Aus diesem Grund birgt die Regelung ein hohes Risiko der Verletzung des rechtlichen Gehörs des Schuldners. Nicht ausgeschlossen ist etwa, dass 419
Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 124; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 14 EuVTVO Rn. 12; Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1546. 420 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 229. 421 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 229; Rauscher, Der Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 124. 422 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 229. 423 Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1546.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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sich der Briefkasten in einem schlechten Zustand befindet, beispielsweise nicht verschlossen oder aufgebrochen ist.424 Auch kann es sich um einen Briefkasten in einem Mehrfamilienhaus handeln, der innen keine abgeschlossenen Unterteilungen, sondern frei zugängliche Fächer enthält. In einem derartigen Mehrfamilienhaus besteht daher keine Garantie, dass nur der Schuldner Zugang zu seinem Fach hat. Die dort eingeworfene Post ist vielmehr für alle Hausbewohner frei zugänglich.425 Wird der Briefkasten gegen den Zugriff anderer nicht entsprechend gesichert, kann es zum Diebstahl des Schriftstücks kommen.426 Dann erhält der Schuldner keine Informationen über das Verfahren. Der Schuldner trägt jedoch das Risiko dafür, dass das Schriftstück aus dem Briefkasten abhandenkommt.427 Unter der Regelung des Art. 14 Abs. 1 lit. c EuVTVO ist es daher möglich, dass der Schuldner das zuzustellende Schriftstück tatsächlich nicht erhält, dass aber gleichwohl die für die Zustellung geltenden Mindestvoraussetzungen für die Bestätigung als EuVT erfüllt werden. Art. 14 Abs. 1 lit. c EuVTVO lässt es ausreichen, dass das Schriftstück in den Briefkasten des Schuldners eingeworfen wird, wenn dieser seine Anschrift im Ursprungsstaat hat. Ein besonderer Nachweis ist in diesem Fall nicht erforderlich. Hat der Gläubiger nicht die richtige Adresse des Schuldners im Ursprungsstaat, so greift Art. 19 Abs. 1 lit. a EuVTVO ein. Für diesen Fall muss der Ursprungsstaat einen gesonderten Rechtsbehelf vorsehen.428 Im deutschen Recht entspricht dieser Vorschrift § 180 ZPO (Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten).429 Die Gewährleistungen des deutschen Rechts gehen wiederum über die der EuVTVO hinaus, da zusätzlich verlangt wird, dass der Briefkasten zu der Wohnung oder den Geschäftsräumen gehört und in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. In der EuVTVO ist im Unterschied zu § 180 ZPO weder die Nähe des Briefkastens zu den Räumlichkeiten des Schuldners noch die sichere Aufbewahrung durch die Post vorausgesetzt.430 Die deutsche Vorschrift verlangt zudem, dass der Zusteller das Datum der Zu-
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So in Bezug auf die deutsche Regelung LG Darmstadt NStZ 2005, 164. Stadler, RIW 2004, 801, 806. 426 Gerling, Gleichstellung, S. 103. 427 Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 107; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 125; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 14 EuVTVO Rn. 17. 428 Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1546. 429 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 62. 430 Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 107. 425
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
stellung auf dem Umschlag des Dokuments vermerkt.431 Im polnischen Recht ist die Ersatzzustellung dieser Art nicht geregelt.432 Im Schrifttum ist Art. 14 Abs. 1 lit. c EuVTVO auf Kritik gestoßen. Er lasse sich weder mit der systematischen Stellung der Vorschrift noch mit dem Ziel der Mindeststandardgewährleistung verbinden.433 Ohne die Voraussetzung der Sicherheit des Briefkastens kann diese Vorschrift ihre Garantiefunktion für das rechtliche Gehör des Schuldners nicht erfüllen. Der ursprüngliche Kommissionsvorschlag der Verordnung bestimmte noch, dass der Briefkasten „für die sichere Aufbewahrung von Post geeignet sein“ müsse. Im geänderten Vorschlag wurde diese Einschränkung gestrichen.434 Diese Änderung widerspricht dem Ziel der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs durch die Mindestvorschriften der EuVTVO. Sie lässt sich meines Erachtens auch nicht durch den Verweis auf etwaige praktische Schwierigkeiten rechtfertigen. Denn die Frage, ob ein Briefkasten zur sicheren Aufbewahrung der Post geeignet ist – oder beispielsweise überquillt oder aufgebrochen ist – wird der Zusteller im konkreten Einzelfall hinreichend zuverlässig beurteilen können. De lege lata scheint eine korrigierende Auslegung der Voraussetzungen für die Hinterlegung im Briefkasten des Schuldners im Hinblick auf seinen Schutz notwendig. Dabei erscheinen die nach der deutschen gesetzlichen Regelung sowie Rechtsprechung geltenden Anforderungen als angemessen. Da diese Art der Zustellung von großer praktischer Bedeutung ist und Art. 14 Abs. 1 c EuVTVO zugleich lückenhaft formuliert wurde, wäre es wünschenswert, dass der Verordnungsgeber entsprechende zusätzliche Voraussetzungen in die EuVTVO aufnimmt. (e) Art. 14 Abs. 1 lit. d EuVTVO Nach Art. 14 Abs. 1 lit. d EuVTVO kann das Schriftstück durch Hinterlegung beim Postamt oder der zuständigen Behörde mit entsprechender schriftlicher Benachrichtigung im Briefkasten des Schuldners zugestellt werden, sofern in der schriftlichen Benachrichtigung das Schriftstück eindeutig als gerichtliches Schriftstück bezeichnet wird oder darauf hingewiesen wird, dass die Zustellung durch die Benachrichtigung als erfolgt gilt und damit Fristen zu laufen beginnen. In diesem Fall lässt der Verord431
Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 62. Siehe dazu OG, Beschl. v. 13.9.2001, IV CZ 105/01, Prokuratura i Prawo 2002, Nr. 4, S. 44; Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 20. 433 Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 107: „Es kann nicht unterschiedlich bewertet werden, ob eine dritte Person die Annahme verweigert oder ob eine dritte Person das Schriftstück aus dem Briefkasten entfernt. In beiden Fällen kann das Schriftstück nicht als zugestellt gelten.“ 434 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 229. 432
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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nungsgeber eine fiktive Zustellung genügen. Das zuzustellende Schriftstück wird beim Postamt hinterlegt, der Schuldner erfährt lediglich von der Hinterlegung durch eine Benachrichtigung in seinem Briefkasten. Bei dieser Form der Zustellung ist der Schuldner über das Verfahren durch die in seinem Briefkasten hinterlassene Benachrichtigung informiert. Die Wirksamkeit dieser Belehrung wirft die gleichen Fragen auf wie Art. 14 Abs. 1 lit. c EuVTVO. Die Zustellung gilt mit der Benachrichtigung des Schuldners als erfolgt. Daher macht es für den Schuldner keinen Unterschied, ob er von dem Schriftstück oder von der Benachrichtigung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erhält. Deswegen sind im Falle des Art. 14 Abs. 1 lit. d EuVTVO die Schuldnerinteressen unverhältnismäßig beeinträchtigt.435 Auch diese Vorschrift war in der ersten Fassung des Verordnungsentwurfs anders formuliert, im Laufe des Rechtssetzungsverfahrens wurde sie zu Ungunsten des Schuldners geändert.436 Bezüglich der gegenwärtigen Fassung der EuVTVO ist nicht klar, ob beide Voraussetzungen – die richtige Bezeichnung sowie der Hinweis auf die erfolgte Zustellung und den Fristbeginn – kumulativ vorliegen müssen, wie dies zuvor verlangt worden war, oder ob es genügt, dass der Schuldner benachrichtigt wird.437 Eine kumulative Auslegung ist mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht ohne weiteres zu vereinbaren, wäre jedoch für den Schuldner günstiger.438 Die alternative Auslegung, derzufolge der Schuldner nicht zwingend davon benachrichtigt werden muss, dass die Zustellung als erfolgt gilt, führt allerdings zu einer Gefährdung seines rechtlichen Gehörs. Wird nämlich der Schuldner nicht darüber belehrt, dass die Einlassungsfrist bereits begonnen hat, ist er möglicherweise nicht mehr in der Lage, sich rechtzeitig zu verteidigen. Sein Recht auf rechtliches Gehör wäre dann verletzt. Den Anforderungen von Art. 14 Abs. 1 lit. d EuVTVO dürfte im deutschen Recht § 181 Abs. 1 Nr. 2 ZPO entsprechen. Im Unterschied zur europäischen Regelung fehlt es an der Voraussetzung der eindeutigen Bezeichnung des Schriftstücksinhalts und an einem Hinweis auf die Rechts435
Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 106. KOM (2002) 159 endg., 25. 437 Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 108. 438 Es wurde vertreten, dass Art. 14 Abs. 1 lit. d EuVTVO („Das Schriftstück muss als gerichtliches bezeichnet werden oder es ist darauf hinzuweisen, dass die Zustellung durch die Benachrichtigung als erfolgt gilt und die Fristen zu laufen beginnen.“) so zu verstehen ist, dass das Wort „oder“ in der Tat „und“ bedeutet. Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 62, Fn. 271. Für eine solche korrigierende Auslegung spricht sich Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 126 aus. Als zusätzliches Argument wird angeführt, dass eine gerichtliche Frist bedeutsamer ist als eine sonstige Frist. A. A. Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 108. 436
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
folgen. Eine Zustellung nach Art. 14 Abs. 1 lit. d EuVTVO könnte dann in Deutschland nicht erfolgen.439 Auch im polnischen Recht gibt es keine Vorschriften, die den Voraussetzungen dieser Norm genau entsprechen.440 Eine Zustellung durch Hinterlegung beim Postamt mit entsprechender schriftlicher Benachrichtigung im Briefkasten des Schuldners fand im Fall Hennings441 statt, der vom EGMR entschieden wurde. Es handelte sich dabei um die Zustellung eines Strafbefehls. Der Strafbefehl wurde beim Postamt hinterlegt und die Benachrichtigung in den Briefkasten des Beschwerdeführers eingeworfen. Der Beschwerdeführer behauptete aber, dass er den Briefkasten nicht habe öffnen können, weil er den Schlüssel nicht gehabt habe. Den Schlüssel habe seine Frau gehabt, die zu dieser Zeit verreist gewesen sei. Der Beschwerdeführer hatte auch eine Benachrichtigung von der Staatanwaltschaft erhalten, in der er darauf hingewiesen wurde, dass gegen ihn ein Strafverfahren durchgeführt werde, sollte er nicht reagieren. Der EGMR sah in diesem Fall keine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK, da der Beschwerdeführer es versäumt hatte, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um an seine Post zu gelangen.442 (f) Art. 14 Abs. 1 lit. e EuVTVO Art. 14 Abs. 1 lit. e EuVTVO betrifft die postalische Zustellung ohne Nachweis des Empfangs. Sie ist dann zulässig, wenn der Schuldner seine Anschrift im Ursprungsmitgliedstaat hat. Die Zustellung ohne Nachweiserfordernis ist daher nur bei der reinen Inlandszustellung zulässig.443 Einzige Voraussetzung ist, dass der Schuldner seine Anschrift im Ursprungsmitgliedstaat hat.444 Notwendig ist hingegen nicht, dass er dort auch tatsächlich wohnt oder sich gewöhnlich dort aufhält. Als Anschrift ist die Adresse der Hauptwohnung des Schuldners relevant.445 Eine Zweit- oder Ferienwohnung genügt nicht.446 Bei der Feststellung der Anschrift des Schuldners stützt sich das Gericht auf die Angaben des Gläubigers. Eine besondere Gefahr entsteht bei Ver-
439 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 62; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 20; Hüßtege, in: Gottwald (Hrsg.) Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, 113, 128. 440 Weitz, Europejski tytuł egzekucyjny, S. 202. 441 EGMR, Hennings v. Germany, Appl. No. 12139/86, Comm Rep 30.5.91 442 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 18. 443 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 21. 444 Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 26. 445 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 231; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 14 EuVTVO, Rn. 22. 446 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 231.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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säumnisurteilen,447 weil im Versäumnisverfahren das Gericht nicht nachprüfen kann, ob der Gläubiger die Anschrift des Schuldners im Forumsstaat nur erfunden hat oder ob sie auf Angaben des Schuldners zurückgeht und daher verlässlich ist.448 Zum Teil wird vertreten, dass in diesem Fall kein Risiko bestehe, weil das Gericht die Anschrift überprüfen könne, indem es auf die entsprechenden Register zugreift.449 Dem ist allerdings nicht zuzustimmen. So gibt es zwar beispielsweise in Polen die sogenannten Bürgerregister. Diese Register sind jedoch lückenhaft, da in Polen bislang keine Anmeldepflicht besteht. Sowohl das deutsche450 als auch das polnische451 Recht sehen neben der Anschrift des Schuldners weitere Anforderungen an die schriftliche postalische Zustellung vor. Beide gehen über die Mindeststandards der EuVTVO hinaus. Werden sie im Einzelfall nicht eingehalten, so kann dennoch eine Bestätigung als EuVT ergehen. (g) Art. 14 Abs. 1 lit. f EuVTVO Das verfahrenseinleitende Schriftstück kann gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. f EuVTVO auch elektronisch zugestellt werden, wenn dabei eine automatische Sendebestätigung erstellt wird. Dies gilt nur, wenn sich der Schuldner vorab ausdrücklich mit dieser Art der Zustellung einverstanden erklärt hat. Im Schrifttum setzt man sich mit der Frage der automatisch erstellten Sendebestätigung auseinander.452 Die EuVTVO sieht keine besonderen Anforderungen an ihre Form vor.453 Die Bestätigung wird automatisch erstellt, d. h. aufgrund einer Programmierung ohne Rücksicht auf den jeweiligen Übermittlungsfall. Das kann auch der Sendebericht eines Faxgerätes sein, soweit er die Empfangsmeldung des Adressaten-Faxes protokolliert.454 Im Falle der Zustellung per E-Mail genügt die Bestätigung, die der versendende Server aufgrund der vom Empfangsserver erstellten Meldung über die erfolgreiche Übergabe zwischen den Servern aufzeichnet.455 Ebenso ausreichend ist eine halbautomatische Bestätigung durch eine automatisch abgefragte, vom Adressaten freigegebene Zugangsbestätigung, 447 Es ist nicht klar, wie das Gericht im Falle des Versäumnisurteils nachprüfen soll, ob diese Anschrift tatsächlich vorliegt. Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 26; Stadler, RIW 2004, 801, 806. 448 Stadler, RIW 2004, 801, 806. 449 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 434. 450 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 63. 451 Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 20. 452 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 24. 453 Stadler, RIW 2004, 801, 806. 454 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 24. 455 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 24.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
obwohl diese mangels Unterschrift nicht als „Empfangsbestätigung“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 lit. d EuVTVO betrachtet werden kann. Voraussetzung ist, dass ein automatisches Übergabeprotokoll nachweist, dass das Schriftstück in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist.456 Nicht verlangt wird dagegen die Bestätigung des tatsächlichen Empfangs des Schriftstücks.457 Trotz der Sendebestätigung besteht keine Gewissheit, dass der Empfänger das Schriftstück tatsächlich erhalten hat.458 Das Risiko des Verlustes trägt der Schuldner. Relevant ist hier der Zeitpunkt, in dem eine elektronische Nachricht den Machtbereich des Versenders verlassen hat. Die Behauptung, die Nachricht sei nach diesem Zeitpunkt fehlgegangen, ist daher unbeachtlich.459 Zweifel bestehen an der Anforderung, dass der Schuldner für diese Zustellungsform vorher sein ausdrückliches Einverständnis erklärt haben muss. Dieses kann auch generellen Charakter haben und muss sich nicht auf den konkreten Prozess beziehen.460 Nicht ausreichend für das Einverständnis ist eine Abrede, dass innerhalb der Vertragsbeziehung die Kommunikation per E-Mail abzuwickeln ist.461 Fraglich ist, ob eine solche Zustimmungserklärung auch in AGB erteilt werden kann.462 Die EuVTVO enthält keine Hinweise dazu, so dass anzunehmen ist, dass eine nationale Kontrolle zulässig ist. Außerdem hängt die Zulässigkeit der Kontrolle davon ab, ob die lex fori als das für prozessuale Vereinbarungen maßgebliche Recht eine solche Kontrolle vorsieht und ob diese eingreift.463 Nach dem deutschen AGB-Recht könnte eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB vorliegen.464 In den Vorschriften des polnischen Rechts könnte die Kontrolle einer unzu-
456
Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 24. Wie z. B. die Lesebestätigung eines Schriftstücks. So Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 232. 458 Es ist zum Beispiel denkbar, dass E-Mails wegen eines Spam-Filters ausgesondert werden; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 434 Fn. 51. 459 Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 109. 460 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 14 EuVTVO, Rn. 25. 461 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 231. 462 Eine konkrete Form des Einverständnisses wird nicht verlangt; es muss nur vor der elektronischen Zustellung abgegeben werden. Zulässig ist auch die Erteilung dieses Einverständnisses in AGB. Wenn aber der Verwender in den AGB allein das Einverständnis der anderen Partei vorsieht, so kommt es zu einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB, Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EGVollstrTitelVO Rn. 25. Siehe auch Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1546. 463 Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1546–1547. 464 Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1546–1547. 457
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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lässigen Klausel in Verbraucherverträgen in Frage kommen (Art. 384 ff ZGB). 465 Weder den deutschen466 noch den polnischen Vorschriften467 ist die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks in dieser Form bekannt. Allerdings ist es, wie bereits oben ausgeführt, denkbar, dass es zu einer Zustellung kommt, die diesen Voraussetzungen entspricht, und eine Bestätigung als EuVT ergeht. (h) Art. 14 Abs. 3 EuVTVO Bei zwei Arten der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks regelt die EuVTVO die Form der Zustellungsbescheinigung. Bei der Zustellung nach Art. 14 Abs. 1 lit. a bis d EuVTVO kann die Bescheinigung als ein Schriftstück ausgefertigt werden, das von der zuständigen Person, die die Zustellung vorgenommen hat, zu unterzeichnen ist (Art. 14 Abs. 3 lit. a EuVTVO). Die Bescheinigung muss Angaben über die Form der Zustellung und das Zustellungsdatum enthalten. Außerdem sind, falls das zuzustellende Schriftstück einer anderen Person als dem Schuldner zugestellt wurde, der Name der Person und ihr Verhältnis zum Schuldner anzugeben.468 Statt der Zustellungsbescheinigung kann eine Empfangsbestätigung durch die Person, der das Schriftstück zugestellt wurde, ausgestellt werden. Diese Bestätigung reicht für die Erfüllung der Mindeststandards allerdings nur bei der Zustellung nach Art. 14 Abs. 1 lit. a oder lit. b EuVTVO aus. Bei der Zustellung auf eine der in Art. 14 EuVTVO geregelten Art und Weise ist die Bescheinigung über den Zustellungsempfang auszustellen. Die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 lit. a EuVTVO erfüllt die Zustellungsurkunde nach § 182 Abs. 2 ZPO.469 Zwar verlangt sie nicht, dass das Verhältnis zwischen dem Empfänger und dem Adressaten angegeben wird, in der Praxis wird jedoch bei der Ersatzzustellung das Verhältnis, das die Befugnis zur Annahme des zuzustellenden Schriftstücks begründet, angegeben.470 465 Die Vertiefung dieser Frage ist aber im Hinblick auf den begrenzten Rahmen der Untersuchung nicht möglich. 466 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 63. 467 Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 20. 468 Dieses unabdingbare Element der Bescheinigung, die im Lichte von Art. 14 EuVTVO für die Erfüllung der Mindeststandards unabdingbar ist, ist in den Vorschriften des polnischen Rechts nicht erfüllt. Die Bescheinigung über die Zustellung an eine andere Person als den Adressaten selbst, die in Polen ausgestellt wird, genügt den Mindestvorschriften von Art. 14 EuVTVO nicht. 469 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 28. 470 Siehe Zöller/Stöber ZPO, § 182 Rn. 8.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
In Polen hingegen wird nicht angegeben, in welchem Verhältnis der Annehmende zum Adressaten steht. Deshalb lässt sich argumentieren, dass die Mindeststandards des Art. 14 Abs. 1 lit. a–d EuVTVO im polnischen Recht nicht erfüllt sind und eine Bestätigung dieser Art dort nicht zulässig ist. Die Vorschriften der EuVTVO über die Mindestregeln enthalten kein Erfordernis, die Empfangsbestätigung an das Gericht zurückzuleiten. Dies ist auf ein redaktionelles Versehen zurückzuführen.471 (i) Art. 14 Abs. 2 EuVTVO Nach Art. 14 Abs. 2 EuVTVO ist eine Zustellung gemäß Art. 14 Abs. 1 EuVTVO unzulässig, wenn die Anschrift des Schuldners nicht mit Sicherheit ermittelt werden kann. Das Erfordernis der sicheren Kenntnis der Empfängeradresse nach Art. 14 Abs. 2 EuVTVO ist kritisiert worden.472 Zwar führt die grammatikalische Auslegung der Vorschrift zu dem Ergebnis, dass jede Zustellung an eine Adresse, die nach Ansicht des Gerichts nicht sicher die richtige Adresse des Beklagten ist,473 im Sinne der EuVTVO unwirksam ist.474 Demnach wäre das Gericht verpflichtet, zusätzliche Schritte zu unternehmen, um die Adresse des Empfängers mit Sicherheit zu bestimmen. Alternativ müsste der Beklagte jeweils verpflichtet werden, seine Adresse nachweisbar anzugeben.475 Aus diesen Gründen ist es notwendig, Art. 14 Abs. 2 EuVTVO so auszulegen, dass keine absolut sichere Kenntnis des Gerichts hinsichtlich der Empfängeradresse verlangt wird. Ausreichend ist vielmehr, dass keine offensichtlichen Indizien dafür sprechen, dass die dem Gericht bekannte Adresse des Empfängers unrichtig ist.476 Aus praktischen Gründen kann es nicht darauf ankommen, ob die zustellende Person die Anschrift des Adressaten subjektiv mit Sicherheit kannte. Relevant ist vielmehr, ob die Adresse tatsächlich fehlerhaft ermittelt wurde.477 Stellt das Gericht an die vom Gläubiger angegebene Anschrift ohne weitere Überprüfung zu, sind die Voraussetzungen der Mindeststandards dennoch erfüllt, wenn sich im Bestätigungsverfahren mit Sicherheit ergibt, 471
Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 233. Arciszewski, Radca Prawny 2006, Nr. 1, 31, 32; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 129. 473 Die Adresse wird aufgrund der Erklärung des Beklagten und bestimmter objektiver Fakten festgestellt, wie z. B. der Adresse, unter welcher der Empfänger angemeldet ist. So Arciszewski, Radca Prawny 2006, Nr. 1, 31, 33. 474 Arciszewski, Radca Prawny 2006, Nr. 1, 31, 33. 475 Arciszewski, Radca Prawny 2006, Nr. 1, 31, 33. 476 Arciszewski, Radca Prawny 2006, Nr. 1, 31, 33; Weitz, Europejski tytuł egzekucyjny, S. 211. 477 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 232. 472
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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dass diese Anschrift tatsächlich die Anschrift des Schuldners war. Erfolgte die Zustellung indes an eine Anschrift, die zwar nach dem Erkenntnisgrad des Ursprungsgerichts der Zustellungsanschrift entsprach, sich jedoch im Zeitpunkt der Bestätigung als unrichtig herausstellt, so ist die Bestätigung zu versagen.478 Insbesondere wenn es sich beim Empfänger um Gesellschaften oder andere juristische Personen handelt, die in ein Register eingetragen werden, ist die Feststellung der Anschrift nicht immer unproblematisch. So kann das nationale Recht es zulassen, dass die Zustellung an die im Register vermerkte Adresse selbst dann wirksam ist, wenn sich der Empfänger tatsächlich gar nicht am Ort der Adresse aufhält. Ein Beispiel dafür liefert Art. 133 § 2a poln. ZVGB.479 Ist die Anschrift unbekannt, kommt eine Kombination von fiktiver Zustellung nach nationalem Recht und elektronischer Zustellung nach Art. 13 Abs. 1 lit. d EuVTVO in Betracht. Die Kenntnis einer postalischen Anschrift wird dabei nicht vorausgesetzt.480 Erfolgt die Zustellung elektronisch, ist unter dem Begriff der „Anschrift“ die Internetadresse bzw. eine Faxnummer des Empfängers zu verstehen. (4) Zustellung an einen Vertreter des Schuldners (Art. 15 EuVTVO) Gemäß Art. 15 der EuVTVO ist die Zustellung an einen Vertreter des Schuldners ohne Beschränkungen zulässig und wirksam. Für die Zustellung an den Vertreter stehen die Formen des Art. 13 oder Art. 14 EuVTVO offen481 Die Anschrift des Vertreters tritt an die Stelle der Schuldneranschrift. Die EuVTVO definiert den Begriff des „Vertreters“ nicht.482 Dadurch ist dieser Begriff im Hinblick auf die Ziele der Mindestvorschriften der EuVTVO autonom auszulegen. Irrelevant ist deshalb, ob eine solche Zustellung an den Vertreter nach den Zustellungsvorschriften der lex fori zulässig ist. Das entspricht wiederum dem Prinzip der EuVTVO, autonome Mindestvoraussetzungen einzuführen und nicht auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nach der lex fori abzustellen.483 Es ist daher nicht ausge-
478
Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 8. Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 164. 480 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 14 EG-VollstrTitelVO Rn. 9. 481 Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1545. 482 Siehe dazu Crifò, Cross-Border Enforcement of Debts in the European Union. Default Judgments, Summary Judgments and Orders for Payment, S. 82. 483 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa. S. 233, Fn. 215. 479
132
2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
schlossen, dass eine Zustellung an den Vertreter nach der lex fori unwirksam ist, für die Bestätigung als EuVT indes genügt.484 Im Hinblick auf den Wortlaut von Erwägungsgrund Nr. 16 der EuVTVO kann die Zustellung an einen gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person oder einer geschäftsunfähigen natürlichen Person sowie an einen gewillkürten Vertreter des Schuldners erfolgen.485 Auch ein Prozessvertreter kann Vertreter im Sinne der Vorschrift sein.486 Als Zustellung im Sinne des Art. 15 EuVTVO kommt auch die Zustellung an einen Mandanten im Wege der Ersatzzustellung an seinen Prozessbevollmächtigten unter dessen Kanzleianschrift in Betracht.487 Eine entsprechende Vorschrift des polnischen Rechts ist Art. 133 § 3 poln. ZVGB. Im deutschen Recht ist die Zustellung an einen Vertreter in den §§ 170–172 ZPO geregelt. (5) Die fiktive Zustellung und der EuVT Erfolgt die Zustellung der Klageschrift im Ursprungsstaat in Form einer fiktiven Zustellung, ist die Bestätigung eines daraufhin ergangenen Versäumnisurteils als EuVT unzulässig.488 Fiktive Zustellungen tragen zur Beschleunigung des internationalen Rechtsverkehrs bei,489 mit Blick auf den Schutz der Grundrechte des Beklagten sind sie jedoch äußerst problematisch.490 Dass die Bestätigung als EuVT im Falle einer fiktiven Zustellungsmethode ausgeschlossen wird, ist daher zu begrüßen.491 Dies stellt 484
Die Bestätigung als EuVT ist ebenfalls dann zulässig, wenn die Zustellung an einen lege causae wirksam bestellten Vertreter erfolgte, obwohl im Lichte der lex fori in einem bestimmten Fall keine Vertretung gestattet worden ist. Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 15 EG-VollstrTitelVO Rn. 3; Heringer, der europäische Vollstreckungstitel, S. 100. 485 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 15 EG-VollstrTitelVO Rn. 1. 486 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 15 EG-VollstrTitelVO Rn. 1. 487 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 15 EG-VollstrTitelVO Rn. 5. 488 Erwägungsgrund Nr. 13 der EuVTVO. Durch den Ausschluss der fiktiven Zustellung sollen insbesondere Fehlerquellen ausgeschaltet werden. Jennisen, InVo 2006, 263, 264, 265. 489 Siehe Kapitel 2. E. II. 1. a) cc) (1). 490 Die Ziele der Beschleunigung und Vereinfachung des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs dürfen aber nicht dadurch erreicht werden, dass die Verteidigungsrechte der Beklagten in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden, EuGH, Urteil v. 14.12.2006, Rs. C-283/05, ASML Netherlands BV ./. Semiconductor Industry Services GmbH (SEMIS), Slg. 2006, I-12041, Rn. 24. Die Entscheidung wurde zur EuGVVO erlassen. Zur rechtsaktübergreifenden Auslegung siehe insbesondere Hess, IPRax 2006, 348, 355 ff.; McGuire, ecolex 2008, 100, 101 ff. 491 Das Verbot der öffentlichen Zustellung stellt die wichtigste Einschränkung der zulässigen Zustellungsformen dar. So noch im Bezug auf den Kommissionsvorschlag der EuVTVO Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 42.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
133
einen Fortschritt im Vergleich zu den Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärungsversagungsgründe nach der Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ sowie Art. 34 Nr. 2 EuGVVO dar. Die Bestätigung eines Versäumnisurteils, das in einem Verfahren erging, in welchem dem Beklagten die Klageschrift im Wege einer fiktiven Zustellung zugestellt wurde, wäre im Hinblick auf die Schuldnerrechte mit einem hohen Risiko verbunden. Fraglich ist allerdings, ob tatsächlich ausgeschlossen ist, dass nach einer fiktiven Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks die Bestätigung als EuVT ausgestellt wird. Schon ein Blick auf Art. 14 Abs. 1 lit. d EuVTVO zeigt eine mögliche Durchbrechung dieser Regel, da er die Zustellung durch Hinterlegung beim Postamt oder bei einer Behörde regelt. Der Verordnungseber ist nicht konsequent. Die Zulässigkeit einer fiktiven Zustellung birgt bereits die unmittelbare Gefahr einer Verletzung des Rechts des Empfängers auf rechtliches Gehör in der EuVTVO. Auch die Zulässigkeit der Annahmeverweigerung nach Art. 13 Abs. 1 lit. b EuVTVO, welche die gleichen Folgen wie eine Zustellung hat, scheint die Regel über die Unzulässigkeit der fiktiven Zustellung zu ignorieren. (6) Die Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks Die Gewährleistung einer effektiven Verteidigung vor Gericht setzt voraus, dass der Schuldner genug Zeit hatte, sich auf das Verfahren einzulassen.492 Die Mindestvoraussetzungen der Zustellung beziehen sich allerdings nicht auf die Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks.493 Die EuVTVO lässt keinen Raum für eine autonome Bestimmung des Begriffes der Rechtzeitigkeit nach den jeweiligen Umständen. Die Gewährleistung der Rechtzeitigkeit unterliegt daher der lex fori.494 Entgegen dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag495 wurde darauf verzichtet, eine autonome Einlassungsfrist zu normieren, weil nach Auffassung des Rates darauf vertraut werden kann, dass das Recht der Mitgliedstaaten ausreichende Fristen für die Vorbereitung der Verteidigung nach Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks oder einer La492
Hess, NJW 2002, 2417, 2425. Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 292; Crifò, Cross-Border Enforcement of Debts in the European Union. Default Judgments, Summary Judgments and Orders for Payment, S. 81. 494 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 3; Rauscher, GPR 2003/04, 286. 495 Art. 15 des Entwurfs sah eine Frist von 14 Tagen bei einem Wohnsitz des Schuldners im Ursprungsmitgliedstaat und 28 Tagen bei einem Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat vor. 493
134
2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
dung vorsieht.496 Im Laufe des Rechtsetzungsverfahrens wurde die entsprechende Klausel des ursprünglichen Kommissionsvorschlags gestrichen. Dies spricht dafür, dass der Inhalt der Klausel nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers nicht (mehr) gelten soll.497 Ein Rückgriff auf die Rechtsprechung des EuGH zur Rechtzeitigkeit im Rahmen des EuGVÜ/EuGVVO ist nicht möglich, es soll kein zusätzlicher Mindeststandard eingeführt werden. Dies ist schon mit Blick auf die abschließende Liste der Mindeststandards ausgeschlossen.498 Die Tatsache, dass die Verordnung im Rahmen der Mindeststandards für die Zustellung keine Anforderungen in Bezug auf die Rechtzeitigkeit aufstellt, bedeutet meines Erachtens ein erhebliches Risiko einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör. Es sind zahlreiche unterschiedliche Fallkonstellationen vorstellbar, in denen der Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück tatsächlich zu spät erhält. Beispielhaft kann an die Konstellation einer Ersatzzustellung an einen Mitarbeiter eines Unternehmens gedacht werden, der das empfangene Schriftstück zu spät an die im jeweiligen Unternehmen verantwortlichen Personen weitergibt, so dass eine Verteidigung vor Gericht nicht mehr möglich ist. So gilt etwa im Mahnverfahren nach dem polnischen Zivilverfahrensrecht, dass der Zahlungsbefehl die Wirkung eines endgültigen Urteils entfaltet – und sodann als EuVT bestätigt werden kann –, wenn der Schuldner nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Zahlungsbefehls Widerspruch eingelegt hat (Art. 502 § 2 poln. ZVGB). Selbst wenn in einem solchen Fall die Voraussetzungen des Zustellungsrechts erfüllt werden, kommt es zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das Organ, das die Bestätigung ausstellt, überprüft nicht, ob der Adressat zu seiner Rechtsverteidigung ausreichend Zeit hatte. Für die Sicherstellung des rechtlichen Gehörs ist jedoch die Überprüfung der Rechtzeitigkeit unabdingbar. Daher ist die Regelungslücke der EuVTVO rechtsverletzend. Angesichts der umfangreichen und abschließenden Regelung der Mindestvorschriften in der EuVTVO erscheint der gleichzeitige Verzicht auf die Voraussetzung der Rechtzeitigkeit der Zustellung, die ein konstitutives Element des rechtlichen Gehörs des Schuldners ist, wenig konsequent. Auch der Vergleich mit den Vorschriften des EuGVÜ und der EuGVVO zeigt, dass die Regelung der Rechtzeitigkeit in der EuVTVO eine Veränderung zum Nachteil des Beklagten bedeutet. Der Vollstreckbarerklärungsversagungsgrund des EuGVÜ und der EuGVVO betrachtet die Voraussetzung der rechtzeitigen Zustellung als unabdingbares Element der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs. Überdies lässt sich das Vertrauen des 496
Jennisen, InVo 2006, 263, 265. KOM (2002) 159 endg., Art. 17 lit. e. 498 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rn. 5, Fn. 7. 497
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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Gemeinschaftsgesetzgebers auf die Gewährleistung der rechtzeitigen Zustellung in den nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten nur schwer begründen. Eine umfangreiche rechtsvergleichende Analyse der Zustellungsvorschriften aller Mitgliedstaaten würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung überschreiten. Die pauschale Annahme aber, dass alle Mitgliedstaaten die rechtzeitige Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks in einem solchem Maße garantieren, dass in jedem Fall die Einhaltung der Standards des Unionsgrundrechts auf rechtliches Gehör gewährleistet sind, erscheint nicht gerechtfertigt zu sein. (7) Die Ladung zum Gerichtstermin Sowohl Art. 13 als auch 14 EuVTVO beziehen sich auf die Form der Ladung des Schuldners zum Gerichtstermin. Die dort geregelten Mindestvoraussetzungen erstrecken sich nicht nur auf Ladungen während des Verfahrens. Nach ihrem Sinn und Zweck muss auch die Zustellung von Schriftstücken, die die Klage ändern oder erweitern, den Mindestvoraussetzungen entsprechen. Erreicht wird dies, indem entweder diese Art von Schriftstücken unter den Begriff des verfahrenseinleiteden Schriftstücks subsumiert wird oder mittels analoger Anwendung der Mindestvorschriften auf diese Schriftstücke.499 Die Mindeststandards bezüglich der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, die Art. 13 Abs. 1 EuVTVO regelt, gelten ebenso für die Ladung zu einem Gerichtstermin (Art. 13 Abs. 2 EuVTVO). Alternativ kann die Ladung mündlich in einer vorausgehenden Verhandlung über dieselbe Forderung erfolgen. Die Ladung ist im Protokoll festzuhalten. Die mündliche Ladung setzt voraus, dass der Schuldner schon an der ersten Verhandlung teilgenommen hat. Daher kann sie bei unbestrittenen Forderungen gem. Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO, nicht aber gem. Art. 3 Abs. 1 lit. b EuVTVO erfolgen. Auch alle Zustellungsmethoden des Art. 14 EuVTVO beziehen sich auf die Ladung zum Gerichtstermin. Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass die Bestätigung als EuVT unzulässig ist, wenn zwar die Zustellung der Klageschrift im Ausgangsverfahren den Anforderungen der EuVTVO entsprach, die Ladung aber informell war.500 Im zugrundeliegenden Sachverhalt erfolgte die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. c EuVTVO im Wege der Ersatzzustellung durch Hinterlegung im Briefkasten des Schuldners. Die Zustellung der Ladung erfolgte durch einfache Aufgabe zur Post ohne Bescheinigung. Art. 14 Abs. 1 lit. e EuVTVO sieht eine solche Zustellung nur dann vor, wenn der Schuldner seine Anschrift 499 500
Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 234. OLG Stuttgart, FoVO 2008, 124.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
im Ursprungsmitgliedstaat hat. Diese Voraussetzung lag im betroffenen Fall allerdings nicht vor.501 2. Die Belehrung des Beklagten a) Überblick Die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beklagten hängt nicht nur vom Ablauf des Zustellungsprozesses ab, sondern auch vom Inhalt der Informationen, die dem Beklagten mitzuteilen sind. Die Mindeststandards der EuVTVO beziehen sich daher nicht nur auf die Art und Weise der Zustellung, sondern auch auf den Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, das dem Beklagten im Ausgangsverfahren zuzustellen ist. Die EuVTVO stellt Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Belehrung des Beklagten über die Forderung und die Verfahrensschritte auf, die von ihm vorzunehmen sind, damit er die Forderung vor Gericht bestreiten kann. Die EuVTVO regelt nicht, wer zu belehren ist. So kommen neben dem Beklagten selbst noch andere Personen, z. B. sein Vertreter, in Betracht. Der EuGH stellte fest, dass die Zustellung an den Rechtsanwalt des Beklagten,502 der sich selbst nicht auf das Verfahren eingelassen hat, nicht als wirksame Zustellung und Benachrichtigung über das Verfahren zu betrachten ist.503 Aus den Vorschriften der EuVTVO ergibt sich auch nicht, wer für die Belehrung zuständig ist: das zuständige Gericht oder vielleicht der Gläubiger.504 Diese Frage taucht im Hinblick auf die Regelung des Art. 17 EuVTVO auf, weil nach dieser Vorschrift die Belehrung bei der Zustellung auch in mündlicher Form zulässig ist. Die Unterrichtung nach Art. 16 EuVTVO muss zwingend im verfahrenseinleitenden Schriftstück enthalten sein. Im Hinblick auf Sinn und Zweck der Mindestvorschriften ist die Belehrung – ähnlich wie die Zustellung – immer als Hoheitsakt zu betrachten. Nur eine amtliche Belehrung ist daher zur Sicherung der Prozessgrund501 Auch die Heilung nach Art. 18 EuVTVO kam nicht in Frage, weil die Voraussetzung der Zustellung der Entscheidung unter Einhaltung der Erfordernisse nach Art. 13 und Art. 14 EuVTVO nicht erfüllt wurde. Das Versäumnisurteil wurde ihm nämlich – genauso wie die Ladung zum Gerichtstermin – auf dem einfachen Postweg durch Aufgabe zur Post zugestellt. Auch liegen im Sachverhalt die Voraussetzungen der Heilung nach Art. 18 Abs. 2 EuVTVO nicht vor. 502 Es ist aber bedeutend, dass er vom Beklagten im Verfahren nicht bevollmächtigt war. 503 EuGH, Urteil v. 10.10.1996, Rs. C-78/95, Hendrikmann, Feyen ./. Magenta Druck, ECR [1996] I-04943; Weitz, in: Wróbel (Hrsg.), Stosowanie prawa Uni Europejskiej przez sądy, S. 580. 504 Stadler, IPRax 2004, 2, 19; Georganti, Die Zukunft des ordre public, S. 29; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 136.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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rechte des Beklagten ausreichend. Die Belehrung durch den Gläubiger ist deswegen ausgeschlossen. b) Die Überprüfungsmaßstäbe im Anerkennungsrecht (Gründe zur Versagung der Vollstreckbarerklärung) aa) Das autonome Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsrecht Deutschlands und Polens (1) Deutsches Recht Die Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der ZPO stellen keine Voraussetzungen in Bezug auf den Inhalt des Schriftstücks auf. Dennoch lässt sich aus dem Sinn und Zweck dieser Regelungen schließen, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück alle Informationen enthalten muss, die den Schuldner über die Elemente des Rechtsstreits in Kenntnis setzen.505 Daher muss das verfahrenseinleitende Schriftstück den Anforderungen von § 253 Abs. 2 ZPO nicht vollständig entsprechen. Insbesondere ist eine genaue Bezifferung des Klageantrags nicht unbedingt notwendig.506 Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor, erhält der Schuldner die zur Gewährleistung seines rechtlichen Gehörs notwendigen Informationen. (2) Polnisches Recht Das polnische Recht verlangt, dass für die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung dem Schuldner Verteidigungsmöglichkeiten gewährt werden müssen. Sowohl die Art und Weise der Zustellung (Zustellungsverlauf) als auch die Informationen, die dem Schuldner zu übermitteln sind, müssen dem Schuldner die Ausübung seiner Verteidigungsrechte ermöglichen. bb) Das Gemeinschaftsanerkennungsrecht: EuGVÜ/LugÜ und EuGVVO Weder das EuGVÜ noch die EuGVVO beziehen sich auf die Überprüfung der Belehrung des Schuldners bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Ausgangsverfahren. Die Überprüfung der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ soll sicherstellen, dass der Beklagte sich im Verfahren verteidigen kann. Gegen einen Anspruch effektiv zur Wehr setzen kann sich allerdings nur ein Beklagter, der weiß, worum es in dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren geht. Das verfahrenseinleitende Schriftstück muss deswegen ausreichende 505 506
Hess, IPRax 1994, 10, 16; Stürner, JZ 1992, 325, 333. Siehe z. B. BGHZ 141, 286, 295 f.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Angaben über den Klagegegenstand enthalten, was sich schon aus der Funktion der Verfahrenseinleitung im innerstaatlichen Prozessrecht ergibt.507 Die Identifizierung des geltend gemachten Anspruchs bei der Verfahrenseinleitung dient nicht nur der eindeutigen Feststellbarkeit der Rechtshängigkeit, sondern ermöglicht auch eine frühzeitige Verteidigung.508 Für eine Urteilsanerkennung gemäß dem EuGVÜ ist ein Mindestmaß an Informationen über den geltend gemachten Anspruch erforderlich.509 Die bloße Ladung zu einem Gerichtstermin ohne Angaben zum Klagegegenstand reicht für eine sinnvolle Verteidigung i.S.v. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht aus.510 Das Gleiche gilt bezüglich der Voraussetzungen des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO. c) Die Mindeststandards der EuVTVO aa) Die Belehrung des Beklagten über die Forderung (Art. 16 EuVTVO) Ein Urteil über eine unbestrittene Forderung, das die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. b oder c EuVTVO erfüllt, darf nur dann als EuVT bestätigt werden, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück die Angaben über den Namen und die Anschrift beider Parteien (Art. 16 lit. a EuVTVO) sowie die Höhe der Forderung (Art. 16 lit. b EuVTVO) enthält. Die Höhe der Forderung muss beziffert sein. Die Bezifferung bezieht sich auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung.511 Werden Zinsen gefordert, muss zudem der Zinssatz und der Zeitraum, für den Zinsen verlangt werden, angegeben werden. Dies gilt nicht, wenn nach den Rechtsvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats ein gesetzlicher Zinssatz automatisch auf die Hauptforderung angerechnet wird (Art. 16 lit. c EuVTVO). Auch ist die Bezeichnung des Forderungsgrundes (Art. 16 lit. d EuVTVO) notwendig. Für die Bezeichnung des Forderungsgrundes im Sinne von Art. 16 lit. d EuVTVO reicht die „Bezeichnung des Anspruchs“ im deutschen Mahnantrag nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aus.512 Die Informationen, die dem Beklagten zu geben sind, stellen einen abschließenden Katalog dar, der durch das nationale Recht nicht erweitert werden kann.513 Wird das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Beklag507
EuGH, Urteil v. 21.4.1993, Rs. C-172/91, Sonntag ./. Waidmann, Slg. 1993 I 1963, 1990, 2000, Rn. 39; Frank, Das verfahrenseinleitende Schriftstück, S. 196 f. Siehe auch Stürner, JZ 1992, 325, 333; Hess, IPRax 1994, 10, 16. 508 BVerfGE 67, 208, 211. 509 Frank, Das verfahrenseinleitende Schriftstück, S. 196–197. 510 Frank, Das verfahrenseinleitende Schriftstück, S. 197. 511 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 16 EG-VollstrTitelVO Rn. 7. 512 Hüßtege, FS Jayme, 2004, 371, 380. 513 Wenn nach der jeweiligen lex fori bestimmte Angaben in der Klageschrift fehlen, hindert dies die Bestätigung nach Art. 6 EuVTVO nicht. Dann sind die nach lex fori vor-
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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ten mit allen notwendigen Angaben entsprechend (insbesondere frühzeitig) zugestellt, liegen die Voraussetzungen einer zur Gewährung des rechtlichen Gehörs hinreichenden Belehrung vor.514 Nicht geregelt ist in der EuVTVO, in welcher Sprache die Belehrung des Schuldners zu erfolgen hat.515 Dies ist ein Mangel, der zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs führen kann. Denn die Belehrung entspräche den Mindeststandards selbst dann, wenn sie auf einer für den Schuldner nicht verständlichen Sprache erfolgen würde. Eine Möglichkeit diese Lücke zu füllen, könnte die Verweisung auf die EuZVO sein (Art. 28 EuVTVO), welche den Schuldner berechtigt die Zustellung zu verweigern, wenn sie nicht in einer der in Art. 8 EuZVO erfassten Sprachen abgefasst ist.516 bb) Die Belehrung des Beklagten über die Verfahrensschritte zum Bestreiten der Forderung (Art. 17 EuVTVO) Die Belehrung gemäß Art. 17 EuVTVO kann im verfahrenseinleitenden Schriftstück bzw. in der Ladung zur Gerichtsverhandlung und in einem zusammen mit dem Schriftstück oder mit der Ladung zugestellten Schriftstück erfolgen. Eine mündliche Belehrung ist daher unzureichend.517 Art. 17 EuVTVO unterscheidet sich von Art. 16 EuVTVO durch die Möglichkeit der Belehrung des Beklagten in der Ladung. Obwohl die Belehrung alternativ im verfahrenseinleitenden Schriftstück oder in der Ladung erfolgen kann, muss vor allem die Effizienz der Belehrung garantiert werden.518 Gemäß Art. 17 lit. a EuVTVO ist dem Schuldner insbesondere mitzuteilen, welche Fristen vorgesehen sind, um die Forderung schriftlich zu begesehenen Rechtsbehelfe gegen den Titel selbst zu erheben. Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 16 EG-VollstrTitelVO Rn. 4 f. 514 Die Voraussetzungen der Mindeststandards über die Belehrung, insbesondere gemäß Art. 16 EuVTVO enthalten keine hohen Anforderungen an die Belehrung, so: Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 63. 515 Zur Problematik der fehlenden Sprachregelung Im Einzelnen siehe Kapitel 2. E. II. 3. 516 Georganti, Die Zukunft des ordre public, S. 29; Coester-Waltjen, FS Beys, 2003, 183, 190; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 137; Stadler, IPRax 2004, 2, 10. 517 Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 136. Die Vorschriften des poln. Zivilprozessrechts sehen aber vor, dass die Ladung auch in schriftlicher Form erfolgen kann. Dann wäre es noch notwendig, dem Schuldner die anzugebenden Informationen zusätzlich zuzustellen. 518 Z. B. wäre die Belehrung über eine Verteidigungsfrist in einer späteren Ladung nicht mehr effizient, wenn die Verteidigungsfrist schon von dem Tage der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks zu laufen beginnt. Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 17 EG-VollstrTitelVO Rn. 2.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
streiten bzw. wann er vor Gericht erscheinen muss, um die Forderung bestreiten zu können. Außerdem sind ihm die Bezeichnung und die Anschrift der Stelle, an die seine Erwiderung einzureichen ist bzw. vor der er zu erscheinen hat, sowie die Information darüber, ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben ist (Art. 17 lit. a EuVTVO), mitzuteilen. Der Schuldner muss auch über die Konsequenzen des Nichtbestreitens der Forderung bzw. des Nichterscheinens vor Gericht belehrt werden. Dazu gehört insbesondere der Hinweis auf die Möglichkeiten einer Entscheidung oder ihrer Vollstreckung. Art. 17 lit. b EuVTVO sieht außerdem eine Belehrung des Beklagten über die Verpflichtung zum Kostenersatz vor. Die Mindeststandards der EuVTVO verlangen keine Belehrung des Beklagten über die ihm zustehenden Rechtsbehelfe. Der Standard und die Ausführlichkeit der Rechtsbehelfsbelehrung hängen vom Recht des Ursprungsstaates ab.519 Art. 17 EuVTVO setzt auch nicht voraus, dass der Beklagte darüber zu informieren ist, dass das Nichtbestreiten der Forderung oder sein Nichterscheinen vor Gericht zur Bestätigung des Urteils als EuVT führen kann.520 Streitig ist daher, ob auch diese Belehrung notwendig ist.521 Teilweise wird vertreten, dass eine solche Belehrung zu weit ginge. 522 Die EuVTVO regle nur die Mindeststandards in Bezug auf das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat und erfasse nicht die Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat.523 Ein weiteres Argument liefere insoweit der Wortlaut der EuVTVO, der keine Belehrungspflicht dieser Art normiert. Außerdem falle die Belehrung des Schuldners, auf welcher Grundlage eine Entscheidung ergangen ist, in keine der Kategorien des Art. 17 EuVTVO.524 Andererseits scheine es im Hinblick auf die Zielsetzung der EuVTVO notwendig, den Schuldner umfassend zu belehren.525 Art. 17 EuVTVO ziele darauf ab, eine effektive Unterrichtung des Schuldners zu ermögli519
Gerling, Gleichstellung, S. 114. Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 28. 521 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 64; Coester-Waltjen, Jura 2005, 394, 396. 522 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 65, der die Ansicht vertritt, dass eine Unterrichtung des Schuldners darüber, auf welcher Grundlage die Entscheidung ergehen kann, gegenüber der Mitteilung, dass bei Nichtbestreiten der Forderung ein für den Schuldner negatives Urteil ergeht, keinen zusätzlichen Warneffekt enthält. 523 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 17 EG-VollstrTitelVO Rn. 10; Gebauer, NJ 2006, 103, 105; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 64. 524 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 65. 525 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 17 EG-VollstrTitelVO Rn. 9; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 143. 520
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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chen.526 Daher sei er darüber zu informieren, dass der Gläubiger aufgrund des EuVT auf ausländisches Schuldnervermögen zugreifen kann. Insbesondere sei die bloße Belehrung über ein inländisches Vollstreckungsverfahren im Ursprungsmitgliedstaat im Falle eines grenzüberschreitenden Sachverhalts nicht ausreichend. M. E. kann die Belehrung über die eventuelle Möglichkeit der Bestätigung einer gerichtlichen Entscheidung als EuVT nicht als obligatorisch angesehen werden. Die Belehrung hat die Gewährleistung der Verteidigungsrechte des Beklagten in der Einlassungsphase zum Ziel. Auch die Kontrolle im Rahmen des Bestätigungsverfahrens bezieht sich auf die Gewährleistungen in dieser ersten Etappe des Ausgangsverfahrens. Es geht nicht um die Belehrung über alle künftigen Konsequenzen des Vorgehens des Schuldners vor Gericht, sondern um eine Belehrung zur Ermöglichung der Ausübung von Verteidigungsrechten. Die Forderung, dass der Beklagte auch über die künftige Möglichkeit der Ausstellung eines EuVT in amtlicher Form unterrichtet werden müsste, geht daher zu weit. Auch hier fehlt es an der Bestimmung, in welcher Sprache die Belehrung erfolgen kann. Bereits diese Lücke bedeutet eine Gefahr der Verletzung des rechtlichen Gehörs des Schuldners.527 d) Anpassungsvorschriften in Deutschland und Polen aa) Deutsches Recht Im deutschen Recht regeln § 253 Abs. 2 und 3 ZPO den Inhalt der Klageschrift. Diese Vorschrift entspricht den Anforderungen des Art. 16 EuVTVO.528 Die Klageschrift muss nach § 253 Abs. 2 und 3 ZPO bestimmte Informationen enthalten, insbesondere die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts, eine bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Klageschrift soll außerdem die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes enthalten, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht, sowie eine Äußerung darüber, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der deutsche Gesetzgeber hat durch die Änderung und Ergänzung einiger Vorschriften den Standard der ZPO an Art. 17 EuVTVO angepasst.
526
Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 17 EG-VollstrTitelVO Rn. 9; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 143. 527 Siehe zur Sprachproblematik im Einzelnen Kapitel 2. E. II. 3. 528 Röthel/Sparmann, WM 2006, 2285, 2288; Hüßtege, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Europa, 113, 129.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
§ 215 Abs. 1 ZPO529 regelt, dass in jeder Ladung auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach den §§ 330 bis 331a ZPO einschließlich der kostenund vollstreckungsrechtlichen Konsequenzen hinzuweisen ist. Um Art. 17 lit. b EuVTVO gerecht zu werden, wurde in § 276 Abs. 2 S. 2 ZPO normiert, dass die Belehrung über die Folgen eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 ZPO auch die Kosten und die Vollstreckung umfassen muss.530 Den Mindestanforderungen des Art. 17 Abs. 1 lit. a EuVTVO entspricht § 499 ZPO, wonach der Beklagte im amtsgerichtlichen Parteiprozess mit der Zustellung der Klageschrift oder des Protokolls über die Klage 531 darüber zu belehren ist, dass eine Anwaltsvertretung nicht vorgeschrieben ist.532 Im Arbeitsgerichtsverfahren ist zudem § 11 Abs. 1 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) relevant. Danach hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich selbst zu vertreten oder sich durch einen Verbandsvertreter vertreten zu lassen.533 Eine solche Belehrung wird allerdings nach der EuVTVO nicht verlangt.534 bb) Polnisches Recht Die notwendigen Bestandteile der Klageschrift normieren vor allem Art. 187 i.V.m. Art. 126 § 1 und Art. 206 poln. ZVGB. Zur Anpassung an die EuVTVO wurden die Vorschriften teilweise geändert.535 Art. 125 poln. ZVGB definiert den Begriff der Prozessschriftsätze. Er umfasst die Anträge und die Erklärungen der Parteien, die außerhalb der mündlichen Verhandlung einzureichen sind (Art. 125 § 1 poln. ZVGB). Bestimmt eine Sondervorschrift dies, so werden die Prozessschriftsätze auf amtlichen Vordrucken oder auf elektronischen Datenträgern eingereicht (Art. 125 § 2 poln. ZVGB). Die zulässigen Formen der amtlichen Vordru-
529
Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 64; Röthel/Sparmann, WM 2006, 2285, 2288; Wagner, IPRax 2005, 401, 409. 530 Gerling, Gleichstellung, S. 110. 531 § 489 ZPO. 532 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 63; Wagner, IPRax 2005, 401, 409; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 16 EuVTVO Rn. 4. 533 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 63 f. 534 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 64. 535 Weitz, Europejski tytuł egzekucyjny, S. 227; Taborowski, IPRax 2007, 250, 254: „Diese Regelung, die nunmehr für alle, nicht nur für die Verfahren gilt, die in den Anwendungsbereich der EuVTVO fallen, kann zu einer erhöhten Sensibilisierung der Beklagten beitragen.“
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
143
cke oder anderer, auch elektronischer Formulare sind in einer Rechtsverordnung des Justizministers geregelt.536 Nach Art. 126 § 1 poln. ZVGB muss jeder Prozessschriftsatz folgende Bestandteile enthalten: − die Bezeichnung des Gerichts, den Vor- und Familiennamen der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und Bevollmächtigen; − die Bezeichnung der Art des Schriftsatzes; − den Inhalt des Antrags oder der Erklärung sowie die Beweismittel zur Stützung der angeführten Umstände; − die Unterschrift der Partei oder ihres gesetzlichen Vertreters oder Bevollmächtigen; − die Auflistung der Anlagen. Ist der Schriftsatz der erste Schriftsatz in der Rechtssache, so muss er darüber hinaus die Bezeichnung des Wohnortes oder des Sitzes der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und Bevollmächtigten sowie des Streitgegenstandes enthalten. Die darauf folgenden Schriftsätze müssen das Aktenzeichen enthalten (Art. 126 § 2 poln. ZVGB). Wird das Schriftstück von einem Bevollmächtigten eingereicht, muss dem Schriftstück auch die Vollmacht beigefügt werden (Art. 126 § 3 poln. ZVGB). Ist die Partei schreibunfähig, kann das Schriftstück von einer von dieser Person bevollmächtigen Person unterschrieben werden. Dabei sind die Gründe dafür anzugeben, weshalb die Partei das Schriftstück selbst nicht unterschreiben konnte (Art. 126 § 3 poln. ZVGB). Gemäß Art. 1261 § 1 poln. ZVGB muss in jedem Schriftsatz der Streitwert angegeben werden, wenn sich danach die Zuständigkeit des Gerichts, die Kosten oder die Zulässigkeit der Rechtsbehelfseinlegung bestimmen und wenn es sich in der Sache nicht um einen bestimmten Geldbetrag handelt. Nach Art. 1261 § 3 poln. ZVGB ist der Streitwert in Polnischen Zloty anzugeben. Wurde in der Klageschrift keine Anschrift des Schuldners angegeben, aber eine amtliche Bescheinigung beigefügt, dass der Schuldner in den Registern des Bürgeramtes nicht verzeichnet ist, so stellt die fehlende Angabe der Anschrift keinen Mangel im Sinne von Art. 130 poln. ZVGB dar.537 Mit der Bescheinigung wird glaubhaft gemacht, dass der Aufenthaltsort des Beklagten unbekannt ist, wodurch die Bestellung eines Pflegers gemäß Art. 143 und 144 ff. poln. ZVGB möglich wird.
536 Die Verordnung zur Feststellung der Muster und der Art und Weise der Zustellung der amtlichen Vordrucke der Prozessschriftsätze an die Parteien im Gerichtsverfahren, Dz. U. 2002, Nr. 80, Pos. 728. 537 OG, Beschl. v. 26.4.1979, II CZ 44/79, OSNC 1979, Nr. 11, Pos. 224.
144
2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Das OG538 hat festgestellt, dass die Verpflichtung zur Bezeichnung des Wohnorts oder des Sitzes der Partei nach Art. 126 § 2 poln. ZVGB in Bezug auf Unternehmen, die aufgrund einer Sondervorschrift in einem Register eingetragen sind, bedeutet, dass die im Register vermerkte Adresse anzugeben ist (Art. 133 § 2a poln. ZVGB). Das Gericht ging der Frage nach, ob das Urteil an die Anschrift der Niederlassung einer juristischen Person zuzustellen war, da diese Adresse im Register eingetragen war. Die Niederlassung war jedoch nicht für die Annahme von Zustellungen, die an die juristische Person adressiert wurden, zuständig. Im Register war die Adresse der Niederlassung mit der Anmerkung eingetragen, dass sie die Adresse der Niederlassung, nicht aber der juristischen Person sei. Das OG hat die Zustellung daher als unwirksam betrachtet, weil das Versäumnisurteil an die Adresse der Niederlassung, nicht aber an die der juristischen Person erfolgte. Die Hauptfrage war danach, ob die Zustellung eines Versäumnisurteils an die Niederlassung einer juristischen Person wirksam ist. In einem anderen Urteil hat das OG bestätigt, dass bei Aktiengesellschaften unter der Adresse im Sinne von Art. 133 § 2a poln. ZVGB die Adresse zu verstehen ist, an der sich der Sitz einer Aktiengesellschaft, nicht aber der Sitz ihrer Niederlassung befindet.539 Große praktische Bedeutung haben Art. 130 ff. poln. ZVGB. Nach Art. 130 § 1 poln. ZVGB fordert der Vorsitzende die Partei auf, den Schriftsatz binnen einer Woche unter Androhung der Rücksendung des Schriftsatzes zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn das jeweilige Verfahren wegen Nichterfüllung der für den Prozessschriftsatz geltenden Formerfordernisse nicht ordnungsgemäß in Gang gesetzt werden kann. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist sendet der Vorsitzende (bzw. der Rechtspfleger, Art. 1305 poln. ZVGB) das Schriftstück zurück. Dessen vorherige Einreichung entfaltet dann keine Wirkungen (Art. 130 § 2 poln. ZVGB). Ergänzt oder berichtigt die Partei den Schriftsatz fristgemäß, so entfaltet das Schriftstück vom Zeitpunkt seiner Einreichung an rechtliche Wirkungen (Art. 130 § 3 poln. ZVGB). Wurde das Schriftstück von einer Person eingereicht, die ihren Wohnort oder Sitz im Ausland und im Inland keinen Vertreter hat, so bestimmt der Vorsitzende eine Frist zur Berichtigung von mindestens einem Monat (Art. 130 § 11 poln. ZVGB). Eine unrichtige Bezeichnung des eingereichten Prozessschriftsatzes steht allerdings der Aufnahme des jeweiligen Verfahrens nicht entgegen. Wird der Prozessschriftsatz von einem professionellen Vertreter der Partei, d. h. einem Rechtsanwalt, Rechtsberater oder Patentanwalt ohne Entrichtung der Gerichtsgebühren eingereicht, so sendet der Vorsitzende gemäß Art. 1301 poln. ZVGB den Schriftsatz zurück. Es muss sich dabei 538 539
OG, Beschl. v 14.2.2000 III CKN 1152/99, OSNC 2000, Nr. 7–8, Pos. 149. OG, Beschl. v. 11.1.2006, III CZP 119/05, OSNC 2006, Nr. 12, Pos. 198.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
145
um feststehende Gebühren oder solche handeln, die sich prozentual aus dem Streitwert bestimmen lassen (Art. 1302 § 1 poln. ZVGB). Wird binnen einer Woche nach der Zustellung des Schriftstücks die Gebühr entrichtet, so entfaltet das Schriftstück vom Zeitpunkt seiner Einreichung an rechtliche Wirkungen (Art. 1302 § 2 poln. ZVGB).540 Art. 1302 § 4 S. 1 poln. ZVGB, der das Gleiche für Unternehmen vorsah, und zwar unabhängig davon, ob sie im Verfahren professionell vertreten werden, wurde vor kurzem als verfassungswidrig erklärt.541 Das poln. ZVGB sieht für die Klageschrift bestimmte zusätzliche Bestandteile vor. Diese müssen in allen Klageschriften neben den allgemeinen, in allen gerichtlichen Schriftstücken enthaltenen Elementen vorhanden sein. Die notwendigen Bestandteile der Klageschrift regelt Art. 187 poln. ZVGB. Danach muss die Klageschrift außer den Elementen des Art. 126 poln. ZVGB einen bestimmten Klageantrag enthalten. In Rechtssachen über Vermögensrechte ist auch die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes notwendig, es sei denn, in der Sache handelt es sich um einen bestimmten Geldbetrag (Art. 187 Abs. 1 § 1 Pkt. 1 poln. ZVGB). Außerdem sind die Tatsachen anzuführen, die den Klageantrag und die Zuständigkeit begründen (Art. 187 Abs. 1 § 1 Pkt. 2 poln. ZVGB). Weiterhin sieht die Vorschrift nicht obligatorische Elemente der Klageschrift vor. Eine Klageschrift kann Anträge auf Klagesicherung, die Verleihung der sofortigen Vollstreckbarkeit und die Durchführung der Verhandlung in Anwesenheit des Klägers enthalten. Auch die Anträge, die der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung dienen, insbesondere die Ladung der Zeugen und Sachverständigen, die Einnahme des Augenscheins, die Auflage an den Beklagten, eine sich in seinem Besitz befindende Urkunde zur mündlichen Verhandlung mitzubringen, sowie die Aufforderung zur Beibringung von Beweisen in der mündlichen Verhandlung, können enthalten sein. Beachtenswert ist die Regelung des Art. 1871 poln. ZVGB, der bestimmt, in welchen Situationen die Klageschrift obligatorisch auf einem Vordruck zu erheben ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Kläger Dienstleister oder Verkäufer ist und Ansprüche geltend macht, die die folgenden, in der Vorschrift aufgezählten Fragen betreffen: die Erbringung von Postund Kommunikationsdienstleistungen; die Beförderung von Personen und Gepäck im Massenverkehr; die Lieferung von Gas, Strom und Heizöl, Wasser sowie Heizenergie und die Abfallbeseitigung. Sieht eine Sonder-
540 Siehe allerdings den polnischen Verfassungsgerichtshof, 20.12.2007, Dz. U. 2007, Nr. 247, Pos. 1845. 541 Siehe Urteil des polnischen Verfassungsgerichtshofs, 26.6.2008, Dz. U. 2008, Nr. 122, Pos. 796.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
vorschrift dies vor, so ist die Erhebung der Klageschrift auf elektronischen Datenträgern notwendig (Art. 1872 poln. ZVGB). Zur Anpassung an die Mindestvoraussetzungen über die Belehrung des Schuldners gemäß Art. 17 EuVTVO wurde Art. 206 poln. ZVGB novelliert. Die frühere Fassung der Vorschrift bezog sich nur auf die Anberaumung der mündlichen Verhandlung und regelte die Zustellung von Klageschriften im Verfahren vor den Gerichten erster Instanz.542 Art. 206 poln. ZVGB normiert in der geltenden Fassung, dass zusammen mit der Klage und der Ladung der Beklagte zu informieren ist543: − über Prozesshandlungen, die er vornehmen kann oder soll, wenn er den Anspruch ganz oder zum Teil nicht anerkennt, insbesondere über die Möglichkeit oder Pflicht, auf die Klage zu erwidern, oder Anträge, Stellungnahmen und Beweise während der Verhandlung544 vorzulegen; − über die Folgen seiner Passivität in Form eines Versäumnisurteils (eingeschlossen der Bedingungen seiner Vollstreckbarkeit) oder der Belastung mit den Prozesskosten; − über die Berechtigung des Beklagten, einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen, und das Fehlen eines Anwaltszwangs. In Bezug auf Versäumnisurteile (Art. 343 poln. ZVGB) sowie Zahlungsbefehle (Art. 502 poln. ZVGB) sind besondere Belehrungspflichten vorgesehen. Der Beklagte ist in diesem Fall darüber zu belehren, dass er innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung des Zahlungsbefehls die Forderung mit allen Kosten zu begleichen hat oder Einspruch einlegen muss. Mit der Klageschrift wird auch eine Belehrung über die Art und Weise der Erhebung des Einspruchs zugestellt. Nach dem Eingang der Klageschrift beim zuständigen Gericht hat dieses zu prüfen, ob die Klageschrift die formellen Voraussetzungen des poln. ZVGB erfüllt. Es ordnet daraufhin die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten an. Im Bestätigungsverfahren müssen die Voraussetzungen hinsichtlich der in der Klageschrift notwendigen Angaben erfüllt sein. Falls festgestellt wird, dass die Voraussetzungen der Mindeststandards nicht vorliegen, ist die Bestätigung zu verweigern (Art. 7953 § 1 poln. ZVGB).545 3. Das Verständnis der Sprache des verfahrenseinleitenden Schriftstücks a) Überblick Bei der grenzüberschreitenden Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken innerhalb der Europäischen Union tritt unvermeidbar das Problem der 542
Taborowski, IPRax 2007, 250, 251. Schubert-Panecka, Die Europäisierung des Zivilverfahrensrechts in Polen, S. 48 f. 544 Eingeschlossen Frist- und Formerfordernisse hierfür. 545 Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 21. 543
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
147
sprachlichen Fassung und insbesondere der Notwendigkeit von Übersetzungen auf.546 Die Sprachbarrieren547 sind eines der Haupthindernisse für die Entwicklung des Integrationsprozesses im Bereich des Verfahrensrechts.548 Die Regelungen über die Erforderlichkeit einer Übersetzung spielen deswegen eine besonders wichtige Rolle. 549 Der Beitritt der neuen Mitgliedstaaten in den Jahren 2004 und 2007 hat die praktischen Probleme, die mit der Sprachenvielfalt in Europa verbunden sind, noch verschärft. b) Die Bedeutung der sprachlichen Fassung der Klageschrift für die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beklagten Die sprachliche Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ist zur Sicherstellung des rechtlichen Gehörs des Schuldners bei der Einlassung auf das Verfahren unabdingbar. Versteht der Adressat die im Schriftstück verwendete Sprache nicht, ist die Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks notwendige Voraussetzung für die Gewährleistung rechtlichen Gehörs. Die mangelnde Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks steht der effektiven Verteidigung des Beklagten im Wege.550 Sofern er die Klageschrift sprachlich nicht versteht, kann der Beklagte säumig werden.551 Der Zustellungsstaat muss daher alle ihm zustehenden Mittel nutzen, damit der Adressat das Schriftstück in einer ihm verständlichen Sprache erhält.552 Auch für die wirksame Unterrichtung des Beklagten über das gegen ihn eingeleitete Verfahren ist die sprachliche Verständlichkeit unabdingbar.553 546
Dazu Stadler, in: van den Grinten/Mijknecht/van der Velden (Hrsg.), Practical Obstacles in Cross Border Litigation, S. 11; Rösler/Siepmann, NJW 2006, 475. 547 Das Problem der richtigen Sprachregelung im Falle der Auslandszustellung wird ausführlich dargestellt bei Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 201. 548 Stadler, IPRax 2001, 514, 515. Zur Sprachvielfalt auch Basedow, JuS 2004, 89, 91; Ryng, How to deal with language problems in cross-border litigation in civil matters?, S. 5 ff.; Sujecki, EuZW 2007, 649. Zur Bedeutung der Sprachregelungen für die Entwicklung der europäischen Integration siehe Bansch, Sprachvorgaben in Binnenmarkt, 2004. 549 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 182. 550 Sujecki, ZEuP 2007, 353, 359; Schütze, RIW 2006, 352. 551 „Das Äußerungsrecht der Partei kann auch dadurch beeinträchtigt werden, daß sie sich deswegen nicht effektiv am Verfahren beteiligen kann, weil sie die Sprache, in der das Gericht verhandelt, nicht versteht. Das rechtliche Gehör fordert, daß niemandem aus diesem Grund ein Nachteil entstehen darf.“ Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, S. 56 m. w. N. 552 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 12. 553 Die Mindeststandards der Belehrung nach Art. 16 und 17 EuVTVO bedürfen einer entsprechenden Sprachregelung, sonst können sie ihre Wirkungen nicht entfalten. Stadler, RIW 2004, 801, 807.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Die Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit der Klageschrift kann in verschiedenen Formen geschehen. Zum einen ist die Einführung einer Übersetzungspflicht beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen denkbar. Wenn eine in der Regel ausländische Partei der Gerichtssprache nicht mächtig ist, müssen Schriftsätze übersetzt554 oder ein Dolmetscher bestellt werden.555 Nimmt man an, dass die Übersetzung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks in bestimmten Fällen obligatorisch ist, so entstehen zusätzliche Fragen, insbesondere wer zur Erstellung der Übersetzung verpflichtet ist und welche Fristen insoweit gelten. Muss der Beklagte zunächst das verfahrenseinleitende Schriftstücks übersetzen lassen, damit er die Möglichkeit hat, sich über ihren Inhalt zu informieren, wirkt sich dies auch auf die Einlassungsfrist aus.556 Die Notwendigkeit der vorherigen Übersetzung darf nicht dazu führen, dass in der für die Übersetzung erforderlichen Zeit bereits eine Verteidigungsfrist abläuft und ein Versäumnisurteil ergeht. Ein anderer denkbarer Rechtsmechanismus wäre es, dem Empfänger das Recht auf Verweigerung der Annahme des zugestellten Schriftstücks zu gewähren. Diese Methode zur Sicherstellung der sprachlichen Verständlichkeit wurde in der EuZVO und der EuBagatellVO eingeführt. Falls der Empfänger die Sprache nicht versteht, kann er die Annahme des Schriftstücks verweigern und es zurückschicken.557 Wird dieser Mechanismus zur Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit genutzt, so sind zusätzliche Fragen zu regeln, insbesondere nach welchen Kriterien zu bewerten ist, ob der Empfänger die Sprache versteht, und welche Folgen die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts hat.558
554 Wenn der Schuldner die Sprache des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht versteht, ist die Übersetzung notwendig, da er ohne die Übersetzung keine Möglichkeit hat, den Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks zur Kenntnis zu nehmen. Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 201–202. 555 EuGH, Urteil v. 8.11.2005, Rs. C-443/03, Götz Leffler ./. Berlin Chemie AG, Slg. 2005, I-9611, Rn. 40 = IPRax 2006, 151; Schlussanträge GA Stix-Hackl in Leffler, Rn. 23 ff., 34; Hess, IPRax 2008, 400, 400. Siehe auch Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 182: „Die Regelungen über die Notwendigkeit einer Übersetzung schützen das rechtliche Gehör des Beklagten.“ 556 Geimer, IZPR, Rn. 2926; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, S. 72. 557 Die Übersetzungspflichten nach der EuZVO kann man mit denen nach den Vorschriften des nationalen Rechts vergleichen. Fraglich ist, ob das Prozessrecht Deutschlands und Polens gewährleistet, dass der Beklagte die Klageschrift in einer ihm verständlichen Sprache zugestellt bekommt. 558 Dazu siehe Kapitel 2. E. 3. e) bb).
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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c) Gewährleistungen in der EuVTVO Die Sprachregelung der EuVTVO gehört zu den am meisten kritisierten Punkten.559 Die EuVTVO enthält keine Gewährleistungen hinsichtlich der sprachlichen Verständlichkeit des zuzustellenden verfahrenseinleitenden Schriftstücks, insbesondere keine Mindestvoraussetzungen im Bestätigungsverfahren, die sich auf das sprachliche Verständnis des verfahrenseinleitenden Schriftstücks beziehen. Fraglich ist daher zunächst, ob die Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit des Inhalts der verfahrenseinleitenden Klageschrift überhaupt zu den Mindeststandards der EuVTVO gehört. Man kann argumentieren, dass der Verordnungsgeber diese Frage bewusst nicht geregelt hat, da er sie nicht zu den Elementen der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs zählt.560 Andererseits könnte der europäische Gesetzgeber auch angenommen haben, dass sich in den sonstigen Regelungswerken ausreichende Mechanismen befinden, insbesondere in den einschlägigen Bestimmungen des Zustellungsrechts.561 Die Sprachproblematik darf allerdings im Rahmen der Bestätigung nicht außer Acht bleiben.562 Die Sicherung der sprachlichen Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ist ein konstitutives Element der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs und der Verzicht auf seine Überprüfung im Bestätigungsverfahren führt zur Unvollständigkeit der Regelung der Mindeststandards.563 Deshalb ist anzunehmen, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass die bereits geltenden Zustellungsvorschriften ausreichende Gewährleistungen vorsehen, so dass eine Überprüfung im Rahmen des Bestätigungsverfahrens entbehrlich ist. Diese Regelungsmethode ist auch der mit der EuVTVO vorgenommenen Systemänderung im Vergleich zu den bisherigen Regelwerken des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsrechts geschuldet. Um festzustellen, ob die Regelungsmethode der EuVTVO im Hinblick auf den Schuldnerschutz annehmbar ist, ist zu untersuchen, ob die bisher geltenden Vorschriften weitergehende Anforderungen an die sprachliche Verständlichkeit als Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung stellen, und inwieweit die sprachliche Verständlichkeit des verfah559 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 184; Hess, NJW 2002, 2417, 2426; Stadler, RIW 2004, 801, 807 f. 560 Das gleiche gilt für die Voraussetzung der Gewährleistung der Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. 561 Diese Frage stellt sich analog zu der Frage nach der Regelung der Mindeststandards über die Rechtzeitigkeit der Zustellung in der EuVTVO. 562 So auch Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 137; Stadler, IPRax 2004, 2, 10. 563 In diesem Zusammenhang stellen sich dieselben Fragen wie in Bezug auf den Verzicht auf eine ausdrückliche Regelung der Anforderungen an die rechtzeitige Zustellung der Klageschrift.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
renseinleitenden Schriftstücks durch die EuZVO sowie die einschlägigen Zustellungsvorschriften auf nationaler Ebene sichergestellt wird. Insoweit hängt die Bewertung der Regelungen über die Mindeststandards wiederum von der Beurteilung des Zustellungsrechts ab. d) Die Überprüfung der sprachlichen Verständlichkeit der Klageschrift in den Vorschriften des Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsrechts aa) Das nationale Vollstreckbarerklärungsrecht (1) Das deutsche Recht § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, stellt keine Anforderungen an die sprachliche Fassung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks und verlangt nicht die Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Für die Vollstreckbarerklärung ist aber eine ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks notwendig.564 Diese Vorschrift verweist somit auf diejenigen Vorschriften, die die Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit bei der Zustellung im Inland vorsehen. Die Sprache, in der das verfahrenseinleitende Schriftstück zuzustellen ist, regelt die lex fori des Ursprungsmitgliedstaates. Die Sicherstellung des wirksamen Verständnisses hängt damit von den einschlägigen Regelungen der lex fori ab. (2) Das polnische Recht Das polnische Vollstreckbarerklärungsrecht setzt für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen eine ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks voraus, wenn der Beklagte sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat. Daher kann man davon ausgehen, dass auch die Sicherstellung der sprachlichen Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Ausgangsverfahren notwendig ist. bb) Das EuGVÜ und die EuGVVO Weder die Vorschriften über das Exequaturverfahren im EuGVÜ noch in der EuGVVO beziehen sich ausdrücklich auf die Überprüfung der sprachlichen Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Ausgangsverfahren. Allerdings setzen sie voraus, dass die Zustellung im Ausgangsverfahren ordnungsgemäß erfolgt ist (Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ) bzw. dass der Schuldner hinreichende Verteidigungsmöglichkeiten hatte (Art. 34 Nr. 2 EuGVVO). Die Gewährleistung der sprachlichen Verständ564
Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 27.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
151
lichkeit ist für die Ordnungsmäßigkeit565 und die Gewährung von Verteidigungsmöglichkeiten unabdingbar.566 In Bezug auf Art. 34 Nr. 2 EuGVVO wird behauptet, dass trotz faktischer Übermittlung der Klage die hier notwendige Verteidigungsmöglichkeit entfällt, wenn die Klage in einer nicht verständlichen Fremdsprache und ohne Übersetzung zugeht.567 Der Schuldner hat bei fehlender Übersetzung keine Verteidigungsmöglichkeiten, wenn er den Inhalt der Klage nicht versteht. Die Rechtsprechung teilt diese Meinung.568 Zusammenfassend ist festzustellen, dass das EuGVÜ und die EuGVVO die sprachliche Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks gewährleisten. Zwar enthalten sie keine Vorschriften über die Kontrolle der sprachlichen Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Eine solche Überprüfung ist allerdings geboten; dies lässt sich im Wege der teleologischen Auslegung der Vorschriften des Anerkennungsrechts feststellen. Die Annahmeverweigerungsvorschriften in den Verordnungen haben den Charakter einer Generalklausel. Die Auslegung der Voraussetzungen der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung und der Gewährleistung der Verteidigung nach dem Sinn und Zweck dieser Normen lässt annehmen, dass die Verständlichkeit des Inhalts des Schriftstücks und der Belehrung auch für die Ausstellung des Exequaturs unabdingbar ist. Diese Fragen unterliegen daher der Überprüfung im Rahmen des Exequaturverfahrens. Zwar gehört die Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks zu den Vorschriften des Zustellungsrechts. Während des Exequaturverfahrens wird sie aber in gleicher Weise wie die übrigen Voraussetzungen überprüft, die der Sicherung des rechtlichen Gehörs des säumigen Beklagten im Erkenntnisverfahren dienen.
565
Vorausgesetzt, dass das maßgebliche Recht das sprachliche Verständnis des Schuldners garantiert. 566 Vertreten wurde auch, dass die sprachliche Fassung als Merkmal des Begriffs des verfahrenseinleitenden Schriftstücks zu betrachten ist. Danach soll die Voraussetzung, dass die Sprache des verfahrenseinleitenden Schriftstücks verstanden wird, überhaupt nicht im Zusammenhang mit der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung bewertet werden: Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 30. 567 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 201–202; Nagel/Gottwald, IZPR, § 7 Rn. 53. 568 OLG Celle, IPRax 2005, 450.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
e) Die Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit der Klageschrift in den Vorschriften des Zustellungsrechts aa) Die EMRK und die Rechtsprechung des EGMR Art. 6 Abs. 1 EMRK bezieht sich nicht auf die Frage der sprachlichen Verständlichkeit der gerichtlichen Schriftstücke im Zivilverfahren.569 Internationale Abkommen und Übereinkommen, die keine Übersetzungspflicht vorsehen, lösen daher im Lichte der EMRK prinzipiell keine Zweifel aus.570 Auch haben sich die Organe der EMRK in ihrer Rechtsprechung mit dieser Frage kaum befasst.571 Nur einige Teilfragen wurden geklärt. Die EMRK regelt die Übersetzungspflicht ausdrücklich nur für den Strafprozess.572 Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK normiert, dass „ein Recht des Angeklagten auf eine unverzügliche Verständlichkeit in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung (...) gewährleistet wird“. Im Strafverfahren ist nach Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks eine Übersetzung in jedem Fall erforderlich, wenn der Empfänger die Sprache nicht versteht, in welcher das Schriftstück abgefasst ist.573 Nach der Rechtsprechung des EGMR sind die Anforderungen an ein Zivilverfahren mit denjenigen, die in einem Strafverfahren bestehen, nicht vollständig vergleichbar. In seiner Rechtsprechung stellt der EGMR an Strafsachen höhere Anforderungen als an zivilrechtliche Streitigkeiten.574 Bei der Organisation und Durchführung von Zivilverfahren kommt den Staaten insbesondere ein größerer Ermessensspielraum zu als im Strafverfahren. 575 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass weder die Vorschriften der EMRK noch der EGMR in seiner Rechtsprechung die Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit einer Klageschrift durch den Empfänger verlangen. Im Hinblick auf den Anspruch des Beklagten auf die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach Art. 6 Abs. 1 EMRK ist die Zustel569
In der Lehre wurde diskutiert, ob aus der EMRK eine Übersetzungspflicht für Zivilsachen hergeleitet werden kann. Siehe Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 19. Siehe auch Schmidt, IPRax 2004, 19. 570 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 19. 571 Matscher, IPRax 1999, 274, 275. 572 Siehe dazu z. B. EGMR, Urteil v. 19.12.1989, Brozicek, Series A, Vol. 167, S. 18, Rn. 38 ff. 573 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 202–203. 574 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 19. 575 EGMR, Urteil v. 27.10.1993, Dombo Beheer, Series A, Nr. 274 Rn. 32; EGMR, Urteil v. 23.10.1996, Levages Prestations Services, Reports of Judgments and Decisions 1996, 1530, Rn. 46; EGMR, Urteil v. 23.10.1996, Ankerl, Reports of Judgments and Decisions 1996, 1553 Rn. 38.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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lung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks in der Sprache, die der Beklagte versteht, unabdingbar.576 bb) Gewährleistungen der EuZVO: Das Annahmeverweigerungsrecht des Adressaten nach der EuZVO (1) Grundkonzept Die Übersetzung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ist nach der EuZVO nicht obligatorisch,577 selbst wenn der Schuldner die Sprache des Schriftstücks nicht versteht.578 Art. 8 EuZVO579 sieht eine andere Lösung vor, indem dem Empfänger unter bestimmten Voraussetzungen ein Annahmeverweigerungsrecht zugestanden wird.580 Die Voraussetzungen des Annahmeverweigerungsrechts gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZVO garantieren dem Beklagten, dass er vom Inhalt einer zugestellten Klageschrift Kenntnis nehmen kann. Sie entsprechen den dargelegten Anforderungen des rechtlichen Gehörs an eine Übersetzung der Klageschrift.581 Die Pflicht zur Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke entsteht erst ex nunc durch die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts durch den Zustellungsadressaten. Bis zur Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts ist die Zustellung wegen der bis dahin nicht bestehenden Übersetzungsverpflichtung wirksam und kann Rechtswirkungen entfalten.582 Sie 576
Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 20. Siehe die Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl, EuGH, Urteil v. 8.11.2005, Rs. C-443/03, Leffler ./. Berlin Chemie, Slg. 2005, I-9629, Rn. 67. 578 Schütze, RIW 2006, 352. In der Lehre wird behauptet, dass die Regelungen der EuZVO in Bezug auf die Übersetzungserfordernisse liberalisiert wurden. Nagel/Gottwald, IZPR, § 7 Rn. 53. 579 Dieser Vorschrift wurde in der Rechtsprechung sowie im Schrifttum viel Aufmerksamkeit gewidmet. Vgl. EuGH, Urteil v. 8.11.2005, Rs. C-443/03, Leffler ./. Berlin Chemie, Slg. 2005, I-1947 = EuZW 2006, 22 = NJW 2006, 491; OLG Celle, IPRax 2005, 450 mit Anm. Roth, IPRax 2005, 438 f.; OLG Düsseldorf, IPRax 2006, 270 f. mit Anm. Rösler/Siepmann, IPRax 2006, 236. Diese Urteile beziehen sich noch auf Art. 8 Abs. 1 EuZVO a. f. Viele von ihnen hatten großen Einfluss auf die Neuformulierung dieser Vorschrift. Siehe v. a. Stadler, IPRax 2001, 514, 517; Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 187; Sujecki, ZEuP 2007, 353, 359. 580 Generalanwältin Stix-Hackl, Schlussanträge zum Urteil Leffler ./. Berlin Chemie AG in der Rs. C-443/03, Rn. 67. Eine ähnliche Regelung sieht die EuBagatellVO vor, siehe Sujecki, EuZW 2007, 649; Brokamp, Das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, S. 64. 581 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 209. 582 Das Fehlen der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung kann dann nicht eingewendet werden. OLG Celle, IPRax 2005, 450, 451; Becker, Grundrechtsschutz bei Anerkennung 577
154
2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
wird nicht rückwirkend unwirksam oder fehlerhaft. Dabei gehen bereits eingetretene Rechtswirkungen des begonnenen Zustellungsverfahrens nicht verloren. Es liegt auch kein Zustellungsmangel im eigentlichen Sinne vor.583 Aus diesem Grund handelt es sich bei einer Annahmeverweigerung um einen Fall der Nachholung der Übersetzung. Es werden nur solche Schriftstücke zurückgereicht, „um deren Übersetzung ersucht“ wird.584 Der Empfänger kann sofort bei der Zustellung gegenüber der das Schriftstück zustellenden Person von seinem Annahmeverweigerungsrecht Gebrauch machen oder das zugestellte Schriftstück innerhalb einer Woche zurückschicken. Er kann nicht verpflichtet werden, die Übersetzung des Schriftstücks selbst zu besorgen.585 Dem Empfänger muss die Möglichkeit eingeräumt werden, bei der Verweigerung der Annahme gleichzeitig zu erklären, dass er die Klageschrift nicht verstehe. 586 Eine wichtige Voraussetzung der Anwendung dieser Vorschrift ist die Belehrung des Beklagten über das ihm zustehende Annahmeverweigerungsrecht durch die Empfangsstelle.587 Die Empfangsstelle informiert den Empfänger, dass er die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks bei der Zustellung verweigern oder das Schriftstück der Empfangsstelle binnen einer Woche zurücksenden darf, wenn das Schriftstück nicht in einer Sprache abgefasst ist, die der Empfänger versteht, und dem Dokument keine Übersetzung beigefügt ist. Die Belehrung muss in schriftlicher Form erfolgen.588 Art. 8 Abs. 1 EuZVO findet auf alle in der EuZVO vorgesehenen Arten der Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken Anwendung. Bezüglich der und Vollstreckung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 209; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 29. 583 Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl zum Urteil Leffler ./. Berlin Chemie AG in der Rs. C-443/03, Rn. 67, Fn. 38. Siehe aber Stadler, IPRax 2006, 116, 120, Fn. 67. 584 EuGH, Urteil v. 8.1.2005, Rs. C-443/03, Leffler ./. Berlin Chemie AG, IPRax 2006, 151 Rn. 40, ebenso Generalanwältin Stix-Hackl in den Schlussanträgen, Rn. 71. 585 „Nach Art. 8 Abs. 2 EuZVO muss der Übermittlungsstaat erst dann eine Übersetzung beibringen, wenn der Beklagte die Annahme der Klageschrift ohne eine Übersetzung verweigert und ihm ein Annahmeverweigerungsrecht gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZVO zusteht. Die Klageschrift ist zum Zeitpunkt der Anforderung der Übersetzung bereits an die zuständige Stelle im Empfangsstaat übermittelt.“ Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 188. 586 Stadler, IPRax 2001, 514, 518. 587 Sujecki, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 30, Rn. 101; Ciszewski, Doręczanie dokumentów sądowych i pozasądowych w sprawach cywilnych i handlowych w Państwach UE. Komentarz, Art. 8, Anm. 3 ff., Fn. 11. 588 Eine Pflicht zur schriftlichen Belehrung des Empfängers über sein Annahmeverweigerungsrecht wurde eingeführt, da dem Bericht der Kommission zufolge dem Empfänger bisher nicht immer mitgeteilt wird, dass er die Annahme des Schriftstücks verweigern darf.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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postalischen Zustellung verlangt die Rechtsprechung zum Teil, dass im Zweifel eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks beizufügen ist.589 Aus der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung folgt, dass der Absender die Übersetzung beifügen sollte, um eine Verweigerung der Annahme des Schriftstückes zu verhindern.590 Teilweise wird in der Rechtsprechung auch die Ansicht vertreten, dass die Beifügung der Übersetzung nur dann nicht notwendig ist, wenn die Sprachkenntnisse des Empfängers offensichtlich hinreichend sind. Dies begründet für den Gläubiger zusätzliche Verpflichtungen. Allerdings ist es auch nicht wahrscheinlich, dass ein Schuldner, der tatsächlich über hinreichende (Fremd-)Sprachenkenntnisse verfügt, die Annahme der Zustellung stets schon „aus Prinzip“ verweigern wird, da die Annahmeverweigerung für ihn ebenfalls bestimmte negative Konsequenzen hat.591 Dagegen lässt sich aber vorbringen, dass die EuZVO vor allem auf die Beschleunigung des Verfahrens abzielt. Die Erstellung einer Übersetzung ist außerdem nicht immer gerechtfertigt.592 Im Lichte der Verordnung ist eine Übersetzung nur unter den Voraussetzungen von Art. 8 EuZVO zu erstellen, nicht aber zwingend in jedem Fall. Danach ist die Übersetzung nur dann notwendig, wenn der Schuldner die Annahme des Schriftstücks verweigert. Im Schrifttum wurden weitere, von der Methode der EuZVO abweichende Lösungen des Sprachproblems entwickelt. So wurde vorgeschlagen, dass es bei der Entscheidung darüber, von wem die Übersetzung zu erstellen ist, entscheidend auf das Kriterium der Zumutbarkeit ankommen solle. Der Schuldner soll nicht in jedem Fall verpflichtet sein, die Übersetzung selbst zu beschaffen, sondern nur dann, wenn es ihm zumutbar ist.593 Es sind demnach diejenigen Fallkonstellationen zu ermitteln, in denen dem Beklagten zugemutet werden kann, sich selbst eine Übersetzung der Klageschrift zu beschaffen.594 Muss der Beklagte selbst eine Übersetzung der Klageschrift beschaffen, wirkt sich dies auch auf die Frist aus, die er zur Vorbereitung einer wirksamen Verteidigung gegen die Klage benötigt.595 Ist die Frist zu kurz bemessen, um eine Übersetzung zu beschaffen, hat der Beklagte keine Möglichkeit, sich gegen die Klage zu wehren. Um das 589
OLG Düsseldorf, IPRax 2006, 270 ff.; Rösler/Siepmann, IPRax 2006, 236 ff. Sujecki, GPR 2005, 193, 197; Stadler, IPRax 2001, 514, 518. 591 Siehe hierzu nachfolgend: (7). 592 Diese Meinung vertritt auch der EuGH in seiner Rechtsprechung, siehe Rösler/Siepmann, IPRax 2006, 236, 237. 593 Matscher, IPRax 1999, 274, 275. 594 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 205. 595 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 208. 590
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
rechtliche Gehör des Schuldners zu wahren, muss bei der Länge der Verteidigungsfrist die Zeit berücksichtigt werden, die unter normalen Umständen zur Beschaffung einer Übersetzung der Klageschrift erforderlich ist.596 Es muss zudem berücksichtigt werden, dass der Beklagte neben der Notwendigkeit einer Übersetzung der Klageschrift auch weitere Hürden überwinden muss, die im Zusammenhang mit einem im Ausland geführten Prozess bestehen: Der Beklagte wird mit dem ausländischen Verfahrensrecht und oftmals mit dem ausländischen materiellen Recht konfrontiert. Aus der Rechtsprechung zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ergibt sich, dass die Überprüfung der Rechtzeitigkeit der Zustellung vielfach zu einem Anerkennungshindernis führt, wenn sich der Schuldner erst eine Übersetzung beschaffen muss, damit er das verfahrenseinleitende Schriftstück verstehen kann.597 Die Zumutbarkeit der Beschaffung der Übersetzung wäre jedenfalls zu bejahen, wenn das Schriftstück in der Sprache des Wohnsitzes des Schuldners verfasst ist. Der Schuldner kann seinen Wohnort selbst wählen und übernimmt das Risiko, Gerichtsverfahren in der Sprache dieses Staates ausgesetzt zu werden.598 Einem Ausländer wäre die Beschaffung der Übersetzung aus der Sprache seines Heimatstaates zumutbar. Die hier in Betracht zu ziehenden Kriterien geben allerdings keine Sicherheit, dass die Notwendigkeit der Beschaffung einer Übersetzung durch den Schuldner nicht zu weit geht.599 Eine alternative Lösung des Problems der Übersetzungsverpflichtung ist die Aufteilung der Übersetzungslast zwischen den beiden Parteien.600 Danach muss der Schuldner die Informationen über die Tatsache der Verfahrenseinleitung, den Streitgegenstand sowie die Verteidigung in einer ihm verständlichen Sprache erhalten.601 Insofern ist der Gläubiger zur Übersetzung verpflichtet. Im Übrigen ist es Sache des Schuldners, das Schriftstück übersetzen zu lassen. Ein weiterer Vorschlag ist die Einrichtung zentraler Übersetzungsdienste in allen Mitgliedstaaten, die die Übersetzung des verfahrenseinleitenden
596
Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 208. 597 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 208. 598 Siehe Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, S. 242; Fleischhauer, Inlandszustellung an Ausländer, S. 231 f.; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 455. 599 Kritisch dazu Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 455. 600 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 456. 601 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 456 f.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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Schriftstücks in alle Amtssprachen der EU durchführen könnten.602 Wegen der erheblichen Kosten ist diese Lösung allerdings wohl undurchführbar. M. E. stellt das in der EuZVO vorgesehene Konzept des Annahmeverweigerungsrechts des Adressaten unter bestimmten Voraussetzungen eine angemessene Lösung des Sprachproblems dar, die einen Ausgleich zwischen den Interessen beider Parteien garantiert. Allerdings wirft die geltende Regelung der EuZVO allzu viele Fragen auf, so dass es zweifelhaft erscheint, ob sie das rechtliche Gehör des Vollstreckungsschuldners im Falle der Vollstreckung aus einem EuVT gewährleisten kann. (2) Die fehlende Übersetzung und die Heilung von Zustellungsfehlern Fraglich ist, ob die fehlende Übersetzung eines Schriftstücks im Falle der internationalen Zustellung als fehlerhafte Zustellung qualifiziert werden kann.603 Nach der EuZVO unterliegt die Frage der Heilung von Zustellungsfehlern dem Recht des ersuchten Staates.604 Die meisten Staaten lassen die Heilung von Zustellungsfehlern zu.605 Die Heilung setzt die Einhaltung bestimmter Fristen voraus. Nationale Gerichte haben diese Fristen selbst zu bestimmen.606 Auch die EuZVO lässt die Heilung von Zustellungsfehlern in Bezug auf die Vorschriften des internationalen Rechts zu (Art. 19 EuZVO). Hier beschränkt sich die Heilung auf Durchführungsfehler.607 Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung mehrmals zu der Frage der Heilung einer fehlerhaften Zustellung wegen der fehlenden Übersetzung 602
Die Vorschläge von Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 490 ff. 603 In der Lehre wurden typische Fehler, die bei der internationalen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks auftreten können, benannt. Das sind: 1) Inlandszustellungen statt erforderlicher Auslandszustellung (dazu auch OLG Köln, IPRax 1991, 114); 2) falscher Übermittlungsweg (dazu EuGH, Minalmet ./. Brandeis, Slg. 1992, I 5661; OLG Karlsruhe, RIW 1986; BGHZ, 120, 305; OLG Köln, IPRax 1997, 259); 3) ein Durchführungsfehler seitens der ersuchten Behörde (OLG Jena, IPRax 2002, 298); 4) die fehlende Übersetzung. Siehe Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, S. 75 ff.; Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 36. Siehe auch Linke, Die Probleme der internationalen Zustellung, S. 155 f., der noch drei weitere Fallgruppen benennt: 1) nicht rechtzeitige Zustellung; 2) unerledigte Zustellung; 3) fiktive Auslandszustellung. 604 Hess, NJW 2002, 2417, 2424; Roth, IPRax 1997, 407, 408; de Lind van Wijngaarden-Maack, IPRax 2004, 212, 215; Stadler, IPRax 2001; dies., IPRax 2006, 116, 121; Stürner, JZ 1992, 325, 332; Rauscher, IPRax 1991, 155,159; ders., JR 1993, 413, 414; Kondring, IPRax 2007, 138, 141. 605 Zur Frage des maßgeblichen Rechts für die Heilung von Zustellungsfehlern siehe z. B. Kondring, IPRax 2007, 138, 143. 606 Siehe, Sujecki, ZEuP 2007, 353, 363. 607 Kondring, IPRax 2007, 138, 141.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Stellung genommen.608 In der Entscheidung Leffler setzte sich der EuGH mit der Frage auseinander, ob die nachträgliche Übersetzung im Falle einer Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, die gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZVO erfolgte, als Heilung der fehlerhaften Zustellung zu betrachten ist.609 Hat der Adressat sein Annahmeverweigerungsrecht ausgeübt, so sei die Zustellung zu wiederholen. Da das Schriftstück in eine bestimmte Sprache übersetzt und dem Beklagten nochmals zugestellt wird, werde die erste Zustellung ohne Übersetzung geheilt.610 Zweifelt der Kläger an der Wirksamkeit des ersten Zustellungsversuchs aufgrund der fehlenden Übersetzung, so kann er die Zustellung wiederholen, indem er die Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks hinzufügt und dem Adressaten nochmals zuschickt. Falls der Beklagte das verfahrenseinleitende Schriftstück selbst übersetzen lässt, verliert er den Schutz, der ihm durch die Versagung der Anerkennung gewährleistet wird. Der Anerkennungsversagungsgrund kommt dann nicht mehr in Betracht.611 Nach dieser Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Leffler wurde Art. 8 Abs. 3 EuZVO umformuliert.612 Diese Rechtsprechung macht deutlich, dass der EuGH ein wichtiges Ziel verfolgt: die Effektuierung der grenzüberschreitenden Zustellung im europäischen Justizraum und die Erleichterung des Zugangs des Klägers zum Gericht.613 (3) Die Sprache des verfahrenseinleitenden Schriftstücks Gemäß Art. 8 EuZVO ist das zuzustellende Dokument entweder in einer am Zustellungsort gesprochenen Sprache oder in einer sonstigen Sprache, die der Empfänger versteht, zu verfassen.614 Die Zustellung in einer anderen Sprache ermöglicht ihm die Annahme des Schriftstücks zu verweigern. Fraglich ist, nach welchen Kriterien zu bestimmen ist, in welcher Sprache 608 Insbesondere EuGH, Urteil v. 8.11.2005, Rs. C-443/03, Leffler ./. Berlin Chemie AG, Slg. 2005, I-9611 = IPRax 2006, 151; EuGH, Urteil v. 8.5.2008, Rs. C-14/07, Ingenieurbüro Michael Weiss & Partner GbR ./. IHK Berlin = IPRax 2008, 419. 609 Siehe dazu noch OLG Düsseldorf, 15.7.2005, II-3 UF 285/04, IPRax 2006, 270 ff. Dazu auch Rösler/Siepmann, IPRax 2006, 236 ff. 610 Diese Meinung wurde auch in der Literatur vertreten, siehe z. B. Stadler, IPRax 2006, 116, 122 ff.; Rauscher, Anmerkung zur Entscheidung des EuGH, Urteil v. 8.11.2005, Rs. C-443/03, Leffler ./. Berlin Chemie AG, JZ 2006, 248, 251; Rösler/Siepmann, NJW 2006, 475, 476. 611 So auch Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 150. 612 Zur Neufassung der EuZVO siehe Sujecki, ZEuP 2007, 353, 366. Siehe auch Hess, IPRax 2008, 400, 403. 613 Hess, IPRax 2008, 400, 403; Mankowski, CML Rev. 43 (2006), 1689, 1696 ff. 614 Sujecki, NJW 2008, 1628, 1629; Hess, IPRax 2008, 400.
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das verfahrenseinleitende Schriftstück zu verfassen ist, damit die Zustellung erfolgreich ist. (a) Zustellung an natürliche Personen Art. 8 Abs. 1 lit. a EuZVO stellt auf ein individualisiertes Kriterium des Verständnisses ab.615 Das Verständnis des Inhalts eines Schriftstücks bzw. die Sprachkenntnisse des Beklagten sind schwer zu überprüfen und zu beweisen. Die Feststellungsmethode ist insoweit unklar.616 Der Empfänger trifft die Entscheidung, ob er das Schriftstück annimmt oder die Annahme verweigert. So muss auf seine Angabe dazu, ob er die Sprache versteht, in der die Klageschrift abgefasst ist, vertraut werden.617 Ob die Annahmeverweigerung nach Art. 8 EuZVO berechtigt war, kann nur das Gericht im Erkenntnisverfahren entscheiden.618 Objektive Kriterien, wie z. B. die Staatsangehörigkeit, der Wohnort oder die Kommunikationssprache (zwischen den beteiligten Personen), können die Überzeugung des Klägers von den sprachlichen Kenntnissen des Beklagten begründen. Diesen objektiven Elementen kommt bei der Bestimmung der Sprachkenntnisse lediglich Indizwirkung zu. So kann etwa nach Geimer ein in Berlin wohnender Franzose, der die deutsche Sprache nicht beherrscht, die Annahme des Schriftstücks nicht verweigern, indem er behauptet, dass er die Sprache nicht verstehe, wenn die Klageschrift auf Französisch geschrieben wurde. Er kann dann eine Übersetzung ins Deutsche nicht verlangen.619 Hält sich der Empfänger z. B. als Student für längere Zeit in einem Mitgliedstaat auf, kann man annehmen, dass er die Sprache versteht.620 Diese Kriterien können sich aber in Einzelfällen als unzureichend herausstellen. So kann es etwa dazu kommen, dass Kinder 615
In der vorherigen Fassung der EuZVO war die Annahmeverweigerung nämlich auch dann zulässig, wenn das zuzustellende Schriftstück in einer anderen Sprache als der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder, wenn es im Empfangsmitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, abgefasst war. Die Änderung soll beiden Parteien dienen. Bisher war der Gläubiger nämlich gezwungen, wenn der Schuldner der Sprache des Übermittlungsstaates nicht mächtig war, das Schriftstück in die Sprache des Empfangsstaates zu übersetzen. Dies konnte für den Schuldner ebenfalls nachteilige Wirkung haben, falls er die Sprache des Empfangsstaates nicht beherrscht. Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 449. 616 Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 187; Rahlf/Gottschalk, EWS 2004, 303, 307; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 108 f. 617 Kritisch zu diesem Punkt Stadler, in: Canaris (Hrsg.), FS 50 Jahre BGH, B. III, 645, 669. 618 Demendecki, EPS 2007, Nr. 10, S. 4. 619 Geimer, IZPR, Rn. 2925. 620 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 80.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
von Einwanderern in Deutschland die Muttersprache ihrer Eltern nicht beherrschen, obwohl sie deren Staatsangehörigkeit besitzen.621 In solchen Fällen liegt die Beweislast beim Beklagten. Er muss dann beweisen, dass er die Sprache nicht versteht.622 Bedenklich wäre allerdings die pauschale Regel, dass für die Zustellung an natürliche Personen stets diejenige Sprache geeignet wäre, in der das Geschäft abgeschlossen wurde, aus dem der Rechtsstreit entstanden ist.623 Beispielsweise wäre eine Zustellung einer Klage an eine Privatperson auf Italienisch nicht zulässig, falls diese lediglich als Tourist ein Hotelzimmer in italienischer Sprache gebucht hat, ohne tatsächlich Kenntnisse dieser Sprache zu haben.624 In der Praxis kann es oft vorkommen, dass dem Absender die Sprachkenntnisse des Adressaten bekannt sind. Eine falsche Einschätzung lässt sich allerdings nicht ausschließen. Oft sind aber bei der Anfertigung der Korrespondenz zwischen den Parteien auch Dritte zwischengeschaltet,625 insbesondere da sich die Kontrahenten im internationalen Rechtsverkehr oftmals nicht persönlich kennen und nur in elektronischer Form korrespondieren. (b) Zustellung an Unternehmen (aa) Anwendbarkeit Die Anwendung der Regelungen über das Annahmeverweigerungsrecht wirft zahlreiche Zweifel in Bezug auf die Zustellung an juristische Personen auf. Vorgeschlagen wird daher zum Teil, die Vorschriften über das Annahmeverweigerungsrecht auf juristische Personen nicht anzuwenden.626 Dies lässt sich allerdings nicht annehmen, da es dazu führen würde, dass Art. 8 EuZVO erheblich an praktischer Relevanz verliert. Ebenso wie bei natürlichen Personen ist das Annahmeverweigerungsrecht nur dann begründet, wenn eine juristische Person die Sprache des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht versteht (Art. 8 Abs. 1 lit. a EuZVO) oder wenn keine Übersetzung in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats beigefügt wurde. Schwierigkeiten können in der Praxis bei der Einschätzung auftreten, ob eine juristische Person das verfahrenseinleitende Schriftstück versteht. Unklar ist zudem, welches Sprachkennt621
Stadler, IPRax 2001, 514, 518, Fn. 48. Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 83 ff. 623 Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 8 EG-ZustellVO Rn. 15. 624 Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 8 EG-ZustellVO Rn. 15. 625 Ciszewski, Doręczanie dokumentów w sprawach sądowych i poza sądowych w sprawach cywilnych i handlowych w państawch UE, Art. 8 Anm. 15 Fn. 11. 626 Ciszewski, Doręczanie dokumentów w sprawach sądowych i poza sądowych w sprawach cywilnych i handlowych w państwach UE, Art. 8 Anm. 13. 622
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nisniveau von juristischen Personen nach Art. 8 Abs. 1 EuZVO verlangt werden kann.627 (bb) Objektive Kriterien Bei Zustellungen an juristische Personen ist es notwendig, andere und zugleich exaktere Kriterien als bei Zustellungen an natürliche Personen festzulegen.628 Im Schrifttum wird betont, dass objektive Kriterien maßgebend sein sollten. Es könne jedenfalls nicht auf die individuelle Sprachkenntnis oder -unkenntnis eines bestimmten Geschäftsführers ankommen.629 Zum Teil wird im Schrifttum angenommen, dass die Sprache des statuarischen oder des tatsächlichen Sitzortes der juristischen Person entscheidend sei.630 Für die Beurteilung der Sprachkenntnisse einer Gesellschaft könne die Sprache ihres Sitzes relevant sei.631 Der dabei auftretende Nachteil besteht allerdings darin, dass der Absender danach nicht von zusätzlichen Sprachkenntnissen des Empfängers profitieren kann.632 Als eine mögliche Lösung bietet sich das Kriterium der Sprache an, in der das Unternehmen seine Geschäfte tatsächlich und regelmäßig abwickelt. Als Zustellungssprache wäre dann diese Sprache relevant. Zum Teil wird auch vertreten, dass bei international tätigen Handelsunternehmen angenommen werden kann, dass sie die englische Sprache verstehen.633 Die Annahme, wonach im Rechtsverkehr zwischen Unternehmen Englisch als lingua franca zu betrachten ist und auch die im gerichtlichen Verkehr in englischer Sprache abgefassten Schriftstücke von Unternehmen immer verstanden werden, geht zu weit. (cc) Subjektive Kriterien: individuelle Sprachkenntnisse Im Schrifttum schlägt man aber auch vor, bei der Bewertung die Sprachkenntnisse von Mitarbeitern einer juristischen Person in Betracht zu zie627 628
15.
Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 81. Siehe Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 8 EG-ZustellVO Rn. 10,
629 Siehe dazu Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 8 EG-ZustellVO Rn. 10. 630 Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 187; Bajons, FS Schütze, 1999, 49, 79; Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 81. Auf objektive Kriterien abstellend Sujecki, EuZW 2007, 363, 365; Stadler, IPRax 2001, 514, 518; Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 8 EG-ZustellVO Rn. 10. 631 Sujecki, ZEuP 2007, 353, 359; Stadler, IPRax 2001, 514, 518 Fn. 49; Bajons, FS Schütze, 1999, 49, 73. 632 Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 8 EG-ZustellVO Rn. 12. 633 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 8 EuZVO Rn. 2. Kritisch dazu Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 82.
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hen. So könnten die Kenntnisse der zuständigen Organe der juristischen Person ausschlaggebend sein.634 Andererseits könnte man es als ausreichend betrachten, wenn zumindest eine natürliche Person, die einem Organ der juristischen Person angehört, die Sprache versteht.635 Diese Lösung ist allerdings zweifelhaft, insbesondere wenn es sich um ein Organ mit mehreren Mitgliedern handelt, wie z. B. den Vorstand einer Aktiengesellschaft.636 Unklar ist, ob dann auf die Kenntnisse eines Mitglieds – insbesondere des für bestimmte Angelegenheiten zuständigen – oder vielmehr auf die Kenntnisse aller Mitglieder abzustellen wäre. 637 Teilweise ist auch vorgeschlagen worden, danach zu entscheiden, ob das Schriftstück nach einer vernünftigen und redlichen Arbeitsorganisation in die Hände eines leitenden Angestellten gelangen wird, der die verwendete Sprache beherrscht.638 Je mehr man auf individuelle Sprachkenntnisse abstellt, desto schwieriger ist die Überprüfung der sprachlichen Fähigkeiten des Unternehmens, das Empfänger der Zustellung ist.639 (dd) Die durch Parteivereinbarung festgelegte Sprache und das Annahmeverweigerungsrecht – die Sprachvereinbarungen Fraglich ist weiterhin, ob der Beklagte kraft Parteiautonomie auf den Schutz verzichten kann, den ihm die EuZVO gewährt.640 Dann wäre sein Annahmeverweigerungsrecht ausgeschlossen.641 Es ist zu erwägen, ob die Berufung des Empfängers auf sein Annahmeverweigerungsrecht in solchen Fällen rechtsmissbräuchlich ist.642 Die Sprachvereinbarung hat im kommerziellen Geschäftsverkehr zwischen den Parteien hohe Bedeutung.643 In der Praxis vereinbaren die Parteien oft, welche Sprache als Vertrags- und Geschäftssprache im Rechts634
Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rn. 169 a. Frąckowiak, in: Safjan (Hrsg.), System Prawa Prywatnego, Tom I, Prawo cywilne – część ogólna, S. 1040. 636 Schütze, RIW 2006, 352, 353. 637 Sujecki, EuZW 2007, 363, 365. 638 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 81; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 8 EuZVO Rn. 2. 639 Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 8 EG-ZustellVO Rn. 13. 640 Dazu BGH, EuZW 2007, 187 ff. (Vorlage an den EuGH); Sujecki, EuZW 2007, 363, 365 f.: „Zu diesen [objektiven] Kriterien [bei der Feststellung der Sprachkenntnisse einer juristischen Person] gehört u. a. die zwischen den Verfahrensbeteiligen vertraglich vereinbarte Vertrags- bzw. Korrespondenzsprache.“ 641 Dies wurde in der Lehre bisher kaum diskutiert. Siehe Hess, IPRax 2008, 400, 403. 642 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 82. 643 Die Unterscheidung zwischen kommerziellem und nicht-kommerziellem Geschäftsverkehr im Hinblick auf die Vereinbarung der Sprachklausel ist der deutschen Lehre bekannt. Siehe Hess, IPRax 2008, 400, 403. 635
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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verkehr zwischen ihnen gelten soll. Grundsätzlich ist nach einer solchen Sprachwahl sämtliche Korrespondenz zwischen den Parteien in der vereinbarten Sprache abzuwickeln. Die Sprachklausel ergänzt die Gerichtsstandvereinbarungen (Art. 23 EuGVVO) und Rechtswahlklauseln des Hauptvertrages.644 Das Vertragsstatut entscheidet, ob eine Vertragsklausel dieser Art zulässig ist, insbesondere ob die Sprachvereinbarung in AGB enthalten sein kann. An dieser Stelle ist an die EuGH-Entscheidung im Fall Weiss zu erinnern. Der EuGH645 geht davon aus, dass der Empfänger die Annahme der Anlagen zu einem Klageschriftsatz, nicht unter Berufung auf Art. 8 Abs. 1 EuZVO verweigern darf, wenn er in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit einen Vertrag abschließt und darin vereinbart, dass der Schriftverkehr in dieser Sprache geführt wird und die übermittelten Anlagen sowohl diesen Schriftverkehr betreffen, als auch in der vereinbarten Sprache verfasst sind. Der EuGH stellt jedoch fest, dass die Vereinbarung keine Vermutung der sprachlichen Verständlichkeit begründet. Die Feststellung der Sprachkenntnisse erfordere eine individuelle Prüfung sämtlicher Anhaltspunkte, die der Antragsteller darlegen müsse. Die Sprachvereinbarung bedeutet keinen Verzicht auf das Rügerecht: Die Sprachklausel beseitigt die Widerspruchsbefugnis nicht. Zur Sicherung einer grenzüberschreitenden geschäftlichen Kommunikation zwischen Parteien muss es möglich sein, eine Geschäftssprache zu vereinbaren.646 M. E. liegt in einer solchen Vereinbarung in der Regel zugleich der Verzicht auf das Annahmeverweigerungsrecht aus Art. 8 EuZVO.647 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Annahmeverweigerungsrecht gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. a EuZVO auch juristischen Personen zusteht. Bei der Bewertung von Sprachkenntnissen einer juristischen Person scheint die Berücksichtigung objektiver Kriterien eine vorzugswürdige Lösung zu sein. In erste Linie entscheidend sein soll, in welcher Sprache das Unternehmen seine Geschäfte abwickelt. Möglich ist auch, dass die juristische Person entscheidet, welche Sprachen als die von ihr verstandenen Sprachen gelten. Dies könnte insbesondere in ihrer Satzung festgestellt werden. Dann müssten die berechtigten Personen die Annahme des verfahrenseinleitenden Schriftstücks verweigern, wenn es nicht in einer der festgelegten Sprachen abgefasst wäre. 644
Hess, IPRax 2008, 400, 401. EuGH, Urteil v. 8.5.2008, Rs. C-14/07, Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR ./. IHK Berlin, IPRax 2008, 419 ff., Nr. 23, Beteiligte: Nicholas Grimshaw & Partners Ltd – Schlussanträge der Generalanwältin Vercia Trsteniak vom 29.11.2007. 646 Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 8 EG-ZustellVO Rn. 4. 647 So auch Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 8 EG-ZustellVO Rn. 4. 645
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Wie die Praxis mit diesem Problem umgehen soll, ist bisher ungeklärt. Die präzise Regelung dieser Fragen hat auch für Art. 13 Abs. 1 lit. b EuVTVO große Bedeutung. Derzeit verursacht sie jedoch eine gewisse Unsicherheit und stellt eine zusätzliche Fehlerquelle dar.648 Nach Art. 13 Abs. 1 lit. b Alt. 2 EuVTVO hat das Gericht, das für die Bestätigung zuständig ist, zu bewerten, ob die Annahmeverweigerung der Zustellung berechtigt war. Verweigert der Beklagte die Annahme der Zustellung nach Art. 8 Abs. 1 EuZVO, kann es dazu kommen, dass das Organ, das über die Bestätigung entscheidet (das Gericht, das die Begründetheit der Ausübung der Annahmeverweigerung des Empfängers überprüft), zu dem Schluss kommt, dass dem Beklagten doch kein Annahmeverweigerungsrecht zusteht.649 Diese Gefahr ist für den im Ausland wohnhaften Beklagten im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union um die neuen Mitgliedstaaten wegen der Sprachenvielfalt größer geworden. 650Die Verordnung bestimmt allerdings nicht, wie die Bewertung vorzunehmen ist und das zuständige Gericht kann im Rahmen der Überprüfung – etwa gemäß Art. 19 EuZVO651 oder im Bestätigungsverfahren – nicht die sprachlichen Fähigkeiten des Adressaten einschätzen. (4) Nachweis Im Streitfall spielt die Frage der Beweise eine entscheidende Rolle. Der Gläubiger muss beweisen, dass die Mindestanforderungen eingehalten wurden. Wurde dem verfahrenseinleitenden Schriftstück keine Übersetzung beigefügt, hat der Gläubiger zu beweisen, dass der Schuldner die Sprache des Schriftstücks verstanden hat.652 Art. 8 Abs. 1 EuZVO regelt nicht, bei wem die Beweislast dafür liegt, dass der Empfänger die Sprache des zuzustellenden Schriftstücks versteht. Unklar bleibt zudem, wie die
648
Stadler, RIW 2004, 801, 806. Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 185. 650 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 185. 651 Fraglich ist, ob nach Art. 19 Abs. 1 EuZVO die Überprüfung der sprachlichen Verständlichkeit vor dem Erlass eines Versäumnisurteils notwendig ist. Diese Vorschrift regelt nicht ausdrücklich, wann der Klageschrift eine Übersetzung beigefügt werden oder ob die Kontrolle ihres sprachlichen Verständnisses stattfinden muss. Vertreten wird insoweit, dass die Überprüfung der sprachlichen Verständlichkeit vor Erlass eines Versäumnisurteils nach Art. 19 Abs. 1 EuZVO unabdingbar ist. Diese Auffassung begründet man damit, dass sich die Überprüfung der Form einer Zustellung auf die Modalitäten der Zustellung bezieht, das heißt auch auf die Notwendigkeit der Übersetzung. Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 188. 652 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 430. 649
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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vorhandenen Sprachkenntnisse des Beklagten im Rahmen von Art. 8 Abs. 1 lit. b EuZVO nachgewiesen werden können.653 Zum Teil wird angenommen, die Beweislast für das Fehlen der Sprachkenntnisse trage der Zustellungsadressat, da der Mangel an Sprachkenntnissen nur ein Annahmeverweigerungsrecht begründet.654 Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Da der Kläger die Beweislast für das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Bestätigung trägt, obliegt es ihm auch, das Bestehen der erforderlichen Sprachkenntnisse darzulegen und zu beweisen.655 (5) Das Niveau der Sprachkenntnisse des Empfängers Es ist nicht geklärt, ob alltägliche Sprachkenntnisse ausreichen, um annehmen zu können, dass der Schuldner das Schriftstück im Sinne der Vorschrift versteht, oder ob er auch die juristischen Begriffe kennen muss.656 Art. 8 EuZVO ist immer nach seinem Sinn und Zweck auszulegen. Die Verständlichkeit der Sprache hat zum Ziel, dass der Empfänger aufgrund des Schriftstücks seine Verteidigungsrechte wirksam ausüben kann. Ihm müssen daher solche Elemente erklärt werden, die für die Aufnahme der Verteidigung notwendig sind. Eventuell vorkommende juristische Begriffe muss er daher auch soweit verstehen, dass er seine Verteidigung vornehmen kann.657 (6) Qualität und Umfang der Übersetzung Die Abgrenzung einer schlechten, grammatikalisch sehr eigenwilligen und schwer verständlichen Übersetzung von einer sinnentstellenden Übersetzung kann in einigen Fällen schwierig sein.658 Es kann vorkommen, dass sich der Inhalt des Schriftstücks in der Originalfassung und der Übersetzung voneinander unterscheidet.659 Die Übersetzung kann unverständlich sein. Teilweise wird angenommen, dass die Qualität der Übersetzung ausreichend sei, wenn der Empfänger den Inhalt des zugestellten Schriftstücks 653
Schack, FS Geimer, 2002, 931, 944. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 8 EuZVO Rn. 1. 655 So auch Rauscher/Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 8 EG-ZustellVO Rn. 32. Für die Beweislast des Klägers auch Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 83; Schmidt, IPRax 2004, 19. 656 Stadler, IPRax 2001, 514, 517; Rahlf/Gottschalk, EWS 2004, 303, 306 ff.; Sujecki, ZEuP 2007, 353, 360; ders., GPR 2005, 193, 197; Schütze, RIW 2006, 352, 353. 657 Die Sprachkenntnisse des Empfängers sollen ihm ermöglichen, die Sprache offizieller Dokumente zu verstehen. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Art. 8 EuZVO, Rn. 1. 658 Wilske/Krapfl, IPRax 2006, 10, 13. 659 Solche Fälle sollen allerdings von der EuZVO ausgeschlossen werden, so Art. 4 Abs. 2 EuZVO. 654
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
erkennen und sachgerecht darauf reagieren kann. Unabhängig davon, ob die Unverständlichkeit660 bereits im Ursprungstext angelegt ist, ist der Empfänger schutzwürdig. In der Rechtsprechung tauchte die Frage bezüglich des HZÜ661 und des deutsch-türkischen Abkommens auf. Es wurde festgestellt, dass es darauf ankomme, ob die Übersetzung einen Sinn ergebe und somit den Empfänger in die Lage versetze, das Ziel des zuzustellenden Schriftstücks zu erkennen und im Verfahren sachgerecht darauf zu reagieren. Er muss erkennen können, was für seine Verteidigung notwendig ist. Die EuZVO stellt keine Anforderungen an die Qualität der Übersetzung. Sie bestimmt insbesondere nicht, ob der Übersetzer, der das verfahrenseinleitende Schriftstück übersetzt, besonders qualifiziert sein muss. Die mit der Qualität der Übersetzung verbundene Verantwortung, insbesondere für fehlerhafte oder unvollständige Übersetzungen, ist eng mit der Frage verknüpft, wem die Beschaffung der Übersetzung obliegt. Bezüglich der EuGVVO wird angenommen, dass Übersetzungsfehler zu Lasten des Klägers gehen. Die Zustellung sei als Zustellung ohne Übersetzung zu betrachten.662 Eine falsche Übersetzung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bzw. der Ladung in den wesentlichen, den Kern der dem Beklagten zu übermittelnden Informationen betreffenden Punkten, führt zu einer unzulässigen Einschränkung und Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten. Um den Rechten des Beklagten hinreichend Rechnung zu tragen, muss das verfahrenseinleitende Schriftstück vollständig und richtig (sinngemäß) übersetzt werden. Anders ist es bei weiteren Schriftstücken, wie etwa bei Ladungen, bei denen auf die vollständige Übersetzung verzichtet werden kann. Hier ist es aber notwendig, dass erhebliche Informationen, wie beispielsweise das Datum und der Ort der Verhandlung, entsprechend übersetzt werden.663
660 „Im Ergebnis kommt es daher lediglich auf die Verständlichkeit der deutschen Übersetzung an, ohne dass die ersuchte Behörde den fremdsprachigen Ursprungstext selbstständig prüfen oder die deutsche Übersetzung inhaltlich mit dem fremdsprachigen Ursprungstext vergleichen müsste. Wenn die Übersetzung so wenig verständlich ist, dass sie ihren wesentlichen Informationszweck nicht mehr erfüllt, ist unerheblich, ob schon der fremdsprachige Ursprungstext unter diesem Mangel leidet.“ Wilske/Krapfl, IPRax 2006, 10, 13. 661 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 84. 662 Schütze, RIW 2006, 352, 354. Siehe auch Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 149, der sich mit dem Urteil des BGH zur Frage der Übersetzungsfehler in der Klageschrift in Bezug auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ auseinandersetzt, IPRax 2002, 395 f. 663 Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 87.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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Die Vorschriften der Verordnung geben keine Antwort auf die Frage, ob nur das Schriftstück selbst oder auch seine Anlagen dem Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 1 EuZVO unterliegen. In der bereits angesprochenen EuGH-Entscheidung Weiss und Partner GbR ./. IHK Berlin setzte sich der EuGH mit diesen Fragen auseinander.664 Im Falle der Zustellung eines Schriftstücks samt Anlagen besteht ein Annahmeverweigerungsrecht des Empfängers nach Art. 8 Abs. 1 EuZVO auch dann, wenn lediglich die Anlagen des zuzustellenden Schriftstücks nicht in der Sprache des Empfangsmitgliedstaats oder einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats abgefasst sind, die der Empfänger versteht.665 Aus dieser Entscheidung folgt, dass das zuzustellende Schriftstück und alle Unterlagen, die mit ihm zuzustellen sind, insbesondere alle Anlagen, genauso wie das gerichtliche Schriftstück zu übersetzen und zuzustellen sind. Auch der BGH musste zu dem notwendigen Umfang der Übersetzung Stellung nehmen. Das Gericht ging der Frage nach, ob nur die Klageschrift oder auch die Anlagen zu übersetzen sind, so dass auch bei mangelnder Übersetzung der Anlagen ein Annahmeverweigerungsrecht gegeben wäre.666 Der BGH geht davon aus, dass die Zustellung sowohl bei fehlender Übersetzung der Klageschrift als auch bei fehlender Übersetzung der Anlagen unwirksam ist.667 Beide Elemente seien gleich zu behandeln.668 Die EuGH-Rechtsprechung zur Frage der sprachlichen Verständlichkeit des zuzustellenden Schriftstücks im Anerkennungsrecht lässt eine gewisse Entwicklungslinie erkennen. In Bezug auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wurde zwecks der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs für den Beklagten die Übersetzung des gesamten verfahrenseinleitenden Schriftstücks verlangt.669 In der Weiss-Entscheidung, in der eine Vollstreckbarerklärung aufgrund von Art. 34 Nr. 2 EuGVVO in Frage kam, stellte der EuGH fest,
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IPRax 2008, 419. „Art. 8 Abs. 1 EuZVO ist dahin auszulegen, dass sich der Empfänger eines zugestellten Schriftstücks jedenfalls nicht auf diese Vorschrift berufen kann, um die Annahme eines Schriftstücks zu verweigern, das nicht in der Sprache des Empfangsmitgliedstaates oder des Übermittlungsstaates abgefasst ist, die der Empfänger versteht, wenn er in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit einen Vertrag geschlossen und darin vereinbart hat, dass der Schriftverkehr in der Sprache des Übermittlungsmitgliedstaates geführt wird, und die Anlagen sowohl diesen Schriftverkehr betreffen, als auch in der vereinbarten Sprache abgefasst sind.“ 666 BGH, EWZ 2007, 187 ff. 667 „Wird die Klageschrift ohne die in Bezug genommenen Anlagen zugestellt, entspricht die Zustellung nicht den gesetzlichen Anforderungen und ist damit grundsätzlich unwirksam.“ BGH, EWZ 2007, 187 ff. 668 Sujecki, EuZW 2007, 363, 364. 669 EuGH, Urteil v. 3.7.1990, Rs. C-305/88, Lancray ./. Peters, Slg. 1990, 2725, Rn. 21 = IPRax 1999, 177. 665
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
dass nur die Kernelemente der Klageschrift übersetzt werden müssen, um das rechtliche Gehör des Beklagten zu gewährleisten.670 (7) Die Annahmeverweigerung und das Datum der Zustellung (Art. 9 EuZVO) Generell bestimmen sich die Wirksamkeit und das Datum der Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaates. Art. 9 Abs. 1 EuZVO regelt,671 dass unbeschadet des Art. 8 EuZVO für das Datum der erfolgten Zustellung eines Schriftstücks das Recht des Empfangsmitgliedstaats maßgeblich ist. Wenn jedoch nach dem Recht eines Mitgliedstaats das Schriftstück innerhalb einer Frist zuzustellen ist, ist im Verhältnis zum Antragssteller als Datum der Zustellung der Tag maßgeblich, der sich aus dem Recht dieses Mitgliedstaats ergibt. Die Absätze 1 und 2 gelten auch für die Übermittlung und Zustellung gerichtlicher Schriftstücke nach Abschnitt 2 der EuZVO. Art. 8 Abs. 3 EuZVO regelt die Frage des Datums im Falle der Annahmeverweigerung durch den Empfänger. Das Datum der Zustellung des Schriftstücks ist dann das Datum, an dem die Zustellung des Dokuments zusammen mit der Übersetzung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats erfolgt. Muss jedoch nach dem Recht eines Mitgliedstaats ein Schriftstück innerhalb einer bestimmten Frist zugestellt werden, so ist im Verhältnis zum Antragsteller als Datum der Zustellung der nach Art. 9 Abs. 2 EuZVO ermittelte Tag maßgeblich, an dem das erste Schriftstück zugestellt worden ist. Die Rechtsprechung des EuGH hatte auf die Regelungen der EuZVO zur Frage des Datums der Zustellung erheblichen Einfluss. Vor allem im Fall Leffler672 stellte der EuGH fest,673 dass im Falle der doppelten Zustellung, in dem die erste Zustellung ohne, die zweite aber mit der (notwendigen) Übersetzung erfolgte, der Fristenlauf durch die erste Zustellung ausgelöst wird.674 Diesen Gedanken spiegelt nun Art. 8 Abs. 3 EuZVO wider. Für den Schuldner stellt dies keine günstige Lösung dar. Im Fall zweier ordnungsgemäßer Zustellungen wäre es für ihn günstiger, den Beginn des Fristenlaufs auf die zweite Zustellung zu beziehen, insbesondere wenn er Einspruch gegen ein Versäumnisurteil erheben will.
670
Siehe dazu Hess, IPRax 2008, 400, 402. Stadler, IPRax 2001, 514, 518 f. 672 In der Lehre wurde jedoch die Frage aufgeworfen, ob die doppelte Zustellung überhaupt von der EuZVO erfasst sei. Siehe Heiderhoff, IPRax 2007, 293, 294. 673 EuGH, Urteil v. 8.11.2005, Rs. C-443/03, Leffler ./. Berlin Chemie AG. Anm. von Rauscher, JZ 2006, 249, 251. Dazu auch Stadler, IPRax 2006, 116; Rösler/Siepmann, NJW 2006, 475; Vogl, JurBüro 2006, 60; kritisch Schütze, RIW 2006, 35. 674 EuGH, Slg. 2005, 9611 = IPRax 2006, 151 m. Anm. von Stadler, S. 116. 671
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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Nach dem BGH besteht kein „unvermeidbarer oder zumindest entschuldbarer Rechtsirrtum über den Fristbeginn“, 675 wenn das gerichtliche Schriftstück zweimal ordnungsgemäß zugestellt wurde. cc) Das Sprachproblem in den Vorschriften des deutschen und polnischen Rechts Auch in den nationalen Vorschriften, die sich auf die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks beziehen, ist eine Lösung für das Sprachproblem im Hinblick auf die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Schuldners vorgesehen. Die Übersetzungserfordernisse sind in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. Manche verlangen keine vollständige Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks.676 (1) Deutsches Recht Art. 103 Abs. 1 GG erfordert nicht ausdrücklich, dass einer ausländischen Partei Schriftstücke im Zivilprozess in einer ihr verständlichen Sprache bzw. mit einer Übersetzung zu übermitteln sind. Allerdings kann man aus dem in Art. 103 GG verankerten Gebot der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Übersetzungsverpflichtung in Bezug auf das verfahrenseinleitende Schriftstück herleiten. Das Gericht hat dafür zu sorgen, dass mangelnde Deutschkenntnisse nicht zu einer Verkürzung des Anspruchs einer Partei auf rechtliches Gehör führen. Erforderlichenfalls ist dem Prozessbeteiligten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.677 Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Zustellung eines Schriftstücks, dem keine Übersetzung beigefügt wurde, unwirksam sein, muss es aber nicht.678 Es besteht aber keine generelle Verpflichtung zur Beschaffung einer Übersetzung, insbesondere dann nicht, wenn objektive Kriterien, z. B. die Staatsangehörigkeit, oder subjektive Kriterien, wie das tatsächliche Verständnis der Sprache durch den Empfänger, erfüllt sind. Das OLG Frankfurt stellte fest, dass eine Übersetzung keine Vorbedingung, sondern nachholbar ist, wenn eine englischsprachige Beschwerde formund fristgerecht ist.679 Versäumt ein Verfahrensbeteiligter infolge unzureichender Sprachkenntnisse eine Frist, so kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
675
BGH, NJW-RR 2006, 563. Hess, IPRax 2008, 400, 402. 677 So für Strafverfahren, BVerfG, NJW 1991, 2208, nach: Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO, S. 20, Fn. 80. 678 BGH, 29.4.1999-IX, ZR 263/97, IPRax 2001, 230 = NJW 1999, 3189. 679 13.3.1979, NJW 1980, 1173. 676
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
verlangt werden.680 Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass der ausländischen Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, falls sie wegen fehlender Sprachkenntnisse keine sachgerechten Schritte unternimmt.681 Dies sei jedoch ausgeschlossen, wenn dem Ausländer bekannt ist, dass er einen Schriftsatz in deutscher Sprache einreichen muss, er ihn dem Gericht aber dennoch in seiner Muttersprache zuleitet.682 (2) Polnisches Recht Das polnische Zivilprozessrecht enthält keine allgemeine Regelung über die Gewährleistungen der sprachlichen Verständlichkeit der Klageschrift, die dem Beklagten im Zivilprozess zuzustellen ist. Lediglich die Vorschriften des internationalen Zivilprozessrechts (IV. Buch des poln. ZVGB) beziehen sich teilweise auf die Frage der Sicherung des Verständnisses der Sprache durch ausländische Parteien. In bestimmten Fällen erscheint es dem Schuldner zumutbar, die ihm zugestellte Klageschrift übersetzen zu lassen. Verfügt er über gewisse Sprachkenntnisse, beherrscht die Sprache der lex fori aber nicht in ausreichendem Maße, kann er sich nicht auf die Verletzung seiner Verteidigungsrechte berufen. Konnte sich der Beklagte im Verfahren nicht verteidigen, weil ihm die Klage in einer Sprache zugestellt wurde, die er nicht versteht, kann dies sogar zur Nichtigkeit des Prozesses führen. Dies setzt voraus, dass es der Partei nicht zumutbar war, die Übersetzung selbst zu besorgen. Für den Beschluss über die Nichtigkeit des Prozesses ist ein Antrag der betroffenen Partei notwendig. dd) Zusammenfassung Da die Mindestvorschriften der EuVTVO die Sprachfrage nicht regeln, besteht eine Lücke, die das rechtliche Gehör des Schuldners gefährdet. Die bloße Verweisung auf die Regelungen des Zustellungsrechts erweist sich als unzureichend. Die Analyse des Zustellungsrechts zeigt, dass die geltenden Vorschriften, insbesondere die EuZVO, zahlreiche Fragen ungeklärt lassen. Das Rechtsinstitut der Annahmeverweigerung zur Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit der Klageschrift in der EuZVO ist nicht bei allen Zustellungsarten ein wirksames Mittel. Es wird nicht immer sichergestellt, dass der Schuldner die Sprache des Schriftstücks versteht. Möglich ist daher, dass die sprachliche Verständlichkeit für den Schuldner 680
BVerfGE 40, 95, 100 = NJW 1975, 1597; Nagel/Gottwald, IZPR, § 4, Rn. 131. Nagel/Gottwald, IZPR, § 4, Rn. 136; Ingerl, Sprachrisiko, S. 276 ff. 682 Nagel/Gottwald, IZPR, § 4, Rn. 131; BVerwG, NJW 1990, 3103. 681
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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nicht gewährleistet wird und die Einlassungsfristen versäumt werden und ein Urteil gegen den Schuldner ergeht. Auch wenn der Gläubiger die Bestätigung als EuVT beantragt, wird weder die sprachliche Verständlichkeit noch die Rechtzeitigkeit der Zustellung überprüft. 4. Überprüfung in Ausnahmefällen a) Die Vorgaben der EuVTVO (Art. 19 EuVTVO) Art. 19 EuVTVO stellt weitere verfahrensrechtliche Mindeststandards im Ausgangsverfahren auf. Er ergänzt die Art. 13 bis 18 EuVTVO.683 Im Bestätigungsverfahren ist jeweils zu überprüfen, ob sich die von Art. 19 Abs. 1 EuVTVO genannten Risiken in einem bestimmten Fall verwirklicht haben.684 Art. 19 EuVTVO dient dem Schutz des Schuldners, wenn trotz der Übereinstimmung mit den Mindeststandards der EuVTVO das Recht eines Mitgliedstaates im Einzelfall Defizite im Schuldnerschutz aufweist.685 Ähnlich wie im Fall der sonstigen Mindestvorschriften sind die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet, die Voraussetzungen des Art. 19 EuVTVO in ihre Rechtsordnung einzuführen. Es besteht nur ein indirekter Druck.686 Der Rechtsbehelf soll eine uneingeschränkte Überprüfung der Entscheidung ermöglichen.687 Eine nur in begrenztem Umfang erfolgende Überprüfung reicht nicht aus. Die Vorschrift beruht auf dem Grundgedanken, dass trotz Einhaltung der Mindeststandards Fälle denkbar sind, in denen der Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück, das ihm zuzustellen ist, nicht rechtzeitig bekommt, so dass er sich nicht verteidigen konnte. Gemäß Art. 19 Abs. 1 lit. a EuVTVO muss das Recht des Ursprungsmitgliedstaates einen Rechtsbehelf für den Fall vorsehen, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück bzw. die Ladung zu einer Gerichtsverhandlung in einer der von Art. 14 EuVTVO geregelten Formen zugestellt wurde (Art. 19 Abs. 1 lit. a i) EuVTVO), sofern die Zustellung ohne Verschulden des Schuldners nicht so rechtzeitig war, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung hätte treffen können (Art. 19 Abs. 1 lit. a ii) EuVTVO). 688 Ein Verschulden des Schuldners kann z. B. dann vorliegen, wenn er fahrlässig seine Post nicht 683
In der Lehre wurde dies „Notbremse“ genannt, da diese Regelung das Risiko der Verletzung der Schuldnerrechte erheblich mildert. Siehe Jennisen, InVo 2006, 263, 266 und 267. 684 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 19 EG-VollstrTitelVO Rn. 4. 685 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art 19 EG-VollstrTitelVO Rn. 2. 686 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 18 EuVTVO, Rn. 1–2. 687 Stellungnahme der Kommission, KOM (2004) endg., 4 unter 3.1, so auch Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 161; Wagner, IPRax 2005, 189, 195. 688 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 19 EG-VollstrTitelVO Rn. 8 f.
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kontrolliert.689 Der Rechtsbehelf gemäß Art. 19 Abs. 1 lit. a EuVTVO wird nur dann gewährt, wenn die Elemente des Art. 19 Abs. 1 lit. a i) und ii) EuVTVO kumulativ vorliegen.690 Ein Rechtsbehelf dieser Art ist im Ursprungsmitgliedstaat ebenfalls notwendig, wenn der Schuldner aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden der Forderung nicht widersprechen konnte (Art. 19 Abs. 1 lit. b EuVTVO). Insoweit differenziert die EuVTVO nicht zwischen den Zustellungsarten im Ausgangsverfahren. Zusätzlich verlangt Art. 19 Abs. 1 lit. a und b EuVTVO, dass der Schuldner unverzüglich tätig wird. Die Vorschrift führt die zusätzliche Voraussetzung der Rechtzeitigkeit ein. Die Zustellung an eine andere Person als den Beklagten (Art. 14 EuVTVO) muss so frühzeitig erfolgen, dass der Schuldner noch die Möglichkeit hat, sich vor Gericht zu verteidigen. So wird vertreten, dass es bei der Zustellung in einer der Formen des Art. 14 EuVTVO um eine mögliche verspätete Kenntniserlangung durch den Schuldner geht.691 Art. 19 EuVTVO setzt nicht voraus, dass der Schuldner konkret von einem der dort geregelten Ausnahmefälle betroffen ist, weil ihm kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der Entscheidung zusteht. Entscheidend ist vielmehr das Fehlen einer abstrakten Möglichkeit.692 Den Mitgliedstaaten wurde nach Art. 19 Abs. 2 EuVTVO bei der Ausgestaltung der Rechtsmittel ein Spielraum zugestanden, so dass sie günstigere Rechtslösungen als die des Art. 19 EuVTVO einführen können.693 Unklar ist, was in Fällen geschieht, in denen der Schuldner bei einer Zustellung in einer der nach Art. 13 EuVTVO vorgesehenen Formen vom Verfahren nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt, d. h. wenn er das zuzustellende Schriftstück zwar persönlich, aber nicht rechtzeitig bekommt. Im Schrifttum wurde vorgeschlagen, Art. 19 Abs. 1 lit. a EuVTVO auf einen solchen Fall analog anzuwenden bzw. den Fall unter Art. 19 Abs. 1 lit. b EuVTVO zu subsumieren.694 Der Ausnahmecharakter der Norm schließt allerdings ihre analoge Anwendung aus. Die Anwendung von Art. 19
689
Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 19 EG-VollstrTitelVO Rn. 9. Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 19 EG-VollstrTitelVO Rn.8. 691 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 19 EuVTVO Rn. 7; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 159. 692 Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 156. 693 Wagner, IPRax 2005, 189, 195. 694 Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 159. 690
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Abs. 1 lit. b EuVTVO bietet eine mögliche Lösung. Wünschenswert wäre allerdings die redaktionelle Korrektur von Art. 13 EuVTVO.695 b) Deutsches Recht Als Rechtsbehelfe kommen im deutschen Recht der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil gemäß § 338 ZPO sowie der Einspruch gegen den Mahnbescheid gemäß § 700 ZPO i.V.m. § 338 ZPO in Betracht. Der Einspruch ist durch Einreichung einer Einspruchsschrift beim Prozessgericht zu erheben. Die Notfrist für seine Erhebung beträgt zwei Wochen und beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil bzw. einen Vollstreckungsbescheid ist nicht von fehlendem Verschulden abhängig.696 Ebenfalls ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO möglich.697 Ist der Einspruch zulässig, so wird der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand. Für die Zulässigkeit des Einspruchs kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen der Schuldner der Forderung nicht widersprochen hat bzw. in der Gerichtsverhandlung nicht erschienen ist. Hat der Schuldner einen zulässigen Einspruch eingelegt und ist er in der daraufhin anberaumten Gerichtsverhandlung erneut säumig, so steht ihm ein weiterer Einspruch gegen das Versäumnisurteil, durch das sein Einspruch verworfen wird, nicht zu (§ 345 ZPO). In beschränktem Umfang hat er jedoch die Möglichkeit, Berufung einzulegen. Nach § 514 Abs. 2 ZPO kann die Berufung auf die Behauptung gestützt werden, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorlag. Auf die allgemeinen Zulässigkeitsschranken für die Berufung (§ 511 Abs. 2 ZPO) kommt es nicht an. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift beim Berufungsgericht eingelegt. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Da es sich um eine Notfrist handelt, besteht auch hier die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO, wenn der Schuldner die Berufungsfrist schuldlos versäumt hat.698 Art. 19 EuVTVO bezieht sich nicht nur auf die Fälle der Versäumnis von Fristen zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft oder Einlassungs695
Gerling, Gleichstellung, S. 113; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 19 EuVTVO
Rn. 6. 696
Gerling, Gleichstellung, S. 113; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 19 EuVTVO
Rn. 4. 697
Jennisen, InVo 2006, 263, 266 und 267; Gerling, Gleichstellung, S. 113; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 19 EuVTVO Rn. 4. 698 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 19 EuVTVO Rn. 4.
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
fristen, sondern auch auf die unverschuldete Terminversäumnis nach vorherigem Bestreiten gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO. In diesen Fällen findet § 233 ZPO keine Anwendung, da es sich nicht um eine vom Gesetz vorgesehene, vom Schuldner versäumte Frist handelt.699 Erlässt das Gericht kein Versäumnisurteil, obwohl der Schuldner in der mündlichen Verhandlung säumig war, so trifft es auf Antrag des Gläubigers eine Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a Abs. 2 ZPO). Diese ist mit der Berufung anfechtbar. Die Berufung ist gemäß § 511 ZPO zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 511 Abs. 4 ZPO) im Urteil zugelassen hat.700 Die Klage gemäß § 826 BGB kommt dagegen als Rechtsbehelf nicht in Frage, da diese zur Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteils führt, was von Art. 19 EuVTVO nicht beabsichtigt ist.701 c) Polnisches Recht Entsprechende Belehrungspflichten für Versäumnisurteile sowie für Zahlungsbefehle, die im Urkundenprozess bzw. im Mahnverfahren erlassen werden, sah das polnische Recht schon vor dem Inkrafttreten des EuVTVO-Durchführungsgesetzes vor. Der Rechtsbehelf, der eine umfassende702 Kontrolle im Verfahren ermöglicht, ist die Appellation (Art. 367 ff poln. ZVGB). Sie ermöglicht die Revision des zuvor in der ersten Instanz durchgeführten Verfahrens. Außerdem kommt das Verfahren zum Zweck der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den Art. 168 bis 172 poln. ZVGB in Betracht.703 Der Schuldner muss dann die Umstände, die den Antrag begründen, glaubhaft machen (Art. 169 § 2 poln. ZVGB). Die schriftliche Erklärung des Schuldners ist binnen einer Woche ab dem Tag, an dem Ursache der Fristversäumnis wegfällt, einzureichen, und die jeweilige Prozesshandlung ist mit Stellung des Antrages vorzunehmen.704
699
Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 67. . 701 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 68. 702 Im Appellationsverfahren können auch Tatsachen überprüft werden, die den Parteien während des erstinstanzlichen Verfahrens nicht bekannt waren. 703 Dies ermöglicht Art. 30 Abs. 1 EuVTVO. 704 Taborowski, IPRax 2007, 250, 255. 700
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
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5. Die Heilung von Verletzungen der Mindestvorschriften a) Voraussetzungen der Heilung (Art. 18 EuVTVO) Art. 18 EuVTVO regelt die Voraussetzungen für die Bestätigung in Fällen, in denen das Ausgangsverfahren im Ursprungsmitgliedstaat den in den Art. 13 bis 17 EuVTVO normierten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nicht genügte. Art. 18 EuVTVO beruht auf dem Grundgedanken, dass die Nichteinhaltung der Mindestvorschriften die Bestätigung nicht ausschließt, wenn deren Zweck erreicht worden ist, d. h. die Verteidigungsrechte des Schuldners ausreichend gewährleistet worden sind.705 Die Möglichkeit der Heilung bewirkt eine erhebliche Relativierung der Mindeststandards.706 Der Anwendungsbereich des Art. 18 EuVTVO umfasst zwei Konstellationen, die eine gewisse Parallelität zur Regelung des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aufweisen.707 Die erste Voraussetzung des Art. 18 Abs. 1 EuVTVO betrifft die Zustellung der Entscheidung im Ausgangsverfahren. Sie muss den Anforderungen des Art. 13 EuVTVO bzw. 14 EuVTVO entsprechen, wobei die Zustellung an einen Vertreter gemäß Art. 15 EuVTVO genügt.708 Zweitens wird vorausgesetzt, dass dem Schuldner ein Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaat zusteht, der ihm eine uneingeschränkte Überprüfung einer Entscheidung ermöglicht.709 Es wird dabei nicht verlangt, dass der Rechtsbehelf besonders auf den Fall der Säumnis zugeschnitten wurde; er muss jedenfalls eine sachliche Überprüfung ermöglichen.710 Über den Rechtsbehelf ist der Schuldner zu belehren. Die entsprechenden Informationen erhält er entweder in oder zusammen mit der Entscheidung. Sie muss insbesondere die Bezeichnung und die Anschrift der Stelle, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist, angeben und gegebenenfalls die Frist zur Erhebung des Rechtsbehelfs enthalten. Dritte Voraussetzung für die Heilung ist die Versäumung der Frist für die Erhebung des Rechtsbehelfs durch den Schuldner. Dem steht es gleich, wenn der Schuldner den Rechtsbehelf 705
Zöller/Geimer, ZPO, Anh II, EG-VO Europ Vollstreckungstitel, Art. 18 Rn. 1. Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 18 EG-VollstrTitelVO Rn. 2. 707 Ein Vorbild für diese Vorschrift war Art. 34 Nr. 2 EuGVVO. Vgl. Amtl. Begründung des Kommissionsvorschlags, KOM (2002) 159 endg. 13 zu Art. 19. Die Formulierung des Art. 18 EuVTVO geht über die „uneingeschränkte Überprüfung“ aus Art. 34 Abs. 2 EuGVVO hinaus, da die letztgenannte Vorschrift vom „Rechtsbehelf“ spricht. Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 29; Rauscher, GPR 2004, 286, 291; ders., Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 148. 708 Obwohl die Vorschrift dies nicht erwähnt: Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 18 EG-VollstrTitelVO Rn. 5. 709 Dies ist eine zentrale Voraussetzung der Heilung gemäß Art. 18 Abs. 1 EuVTVO. Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 18 EG-VollstrTitelVO Rn. 5. 710 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 18 EG-VollstrTitelVO Rn. 5. 706
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
nicht nach den Anforderungen der lex fori eingelegt hat. Solange die Frist für die Rechtsbehelfseinlegung noch nicht abgelaufen ist, kann aber von einer Säumnis des Beklagten keine Rede sein, wodurch auch die Bestätigung als EuVT aufgrund von Art. 18 EuVTVO nicht möglich ist.711 Als Rechtsbehelf im Sinne von Art. 18 Abs. 1 EuVTVO ist auch der Antrag des Schuldners auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu betrachten. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die maßgebliche lex fori die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags und die Einlegung des versäumten Rechtsbehelfs zur selben Zeit verlangt oder nicht.712 Gemäß Art. 18 Abs. 2 EuVTVO ist die Heilung von Verstößen gegen die Mindestvorschriften über die Zustellung möglich, wenn das Verhalten des Schuldners im gerichtlichen Verfahren beweist, dass er das zuzustellende Schriftstück rechtzeitig bekommen hat, um sich verteidigen zu können.713 Die Zustellungsmängel sollen die Bestätigung nicht verhindern, wenn dem Beklagten die ihm zuzustellende Urkunde bekannt war. Seine Verteidigungsrechte sind dann nicht beeinträchtigt.714 Im Unterschied zu Art. 18 Abs. 1 EuVTVO bezieht sich Art. 18 Abs. 2 EuVTVO nur auf die verfahrensrechtlichen Mindeststandards für die Zustellung (nach Art. 13 und 14 EuVTVO), nicht aber auf die Belehrung. Die Mindeststandards betreffen nach dem Wortlaut von Art. 18 Abs. 2 EuVTVO das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat. Dadurch beziehen sie sich auf die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, nicht aber der Entscheidung selbst. Dies stellt einen Unterschied zu Art. 18 Abs. 1 EuVTVO dar. Die Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 2 EuVTVO sind im Vergleich zu Art. 13 EuVTVO strenger, da es nicht genügt, dass die Schriftstücke in den Machtbereich des Schuldners gelangt sind. Der Schuldner muss das Schriftstück persönlich und rechtzeitig bekommen.715 Die Zustellung in einer der Formen des Art. 14 EuVTVO, bei denen der Schuldner das Schriftstück nachweislich nicht persönlich bekommen hat, reicht nicht aus.716 Es genügt auch nicht, wenn nur der Prozessbevollmächtigte das Schriftstück erhält.
711
Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 150. 712 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 18 EG-VollstrTitelVO Rn. 8. 713 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 18 EuVTVO Rn. 3. 714 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 18 EG-VollstrTitelVO Rn. 16. 715 Eigentlich wurde hier der tatsächliche Erhalt des Schriftstücks vorausgesetzt, und zwar unabhängig davon, ob der Schuldner das Schriftstück im Wege der Zustellung erhalten hatte oder es ihm auf anderem Wege übergeben wurde. So Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 241. 716 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 18 EG-VollstrTitelVO Rn. 15.
E. Voraussetzungen für die Bestätigung
177
Die in beiden Absätzen des Art. 18 EuVTVO festgelegten Voraussetzungen der Heilung müssen jeweils kumulativ vorliegen.717 Diese Vorschrift bewirkt eine Gefahr der Verletzung des rechtlichen Gehörs des Schuldners, da sie die Bestätigung als EuVT selbst dann ermöglicht, wenn die Mindestvoraussetzungen für die Zustellung der Klageschrift sowie für die Belehrung des Schuldners nicht erfüllt wurden, d.h. also auch dann, wenn das rechtliche Gehör des Schuldners in der Phase der Einlassung auf das Verfahren nicht gewahrt wurde. b) Deutsches Recht Die Voraussetzungen des Art. 18 EuVTVO sind in den Vorschriften des deutschen Rechts gewahrt. Gemäß § 338 ZPO ist gegen ein Versäumnisurteil der Rechtsbehelf in Form des Einspruchs einzulegen.718 Nach dem Erlass einer Säumnisentscheidung ist die Heilung möglich, wenn der Schuldner frühzeitig vor einem Verhandlungstermin schriftlich auf die Klagegründe eingeht, im Termin aber säumig bleibt. 719 Der Einspruch gemäß § 342 ZPO versetzt den Prozess in den Stand vor Eintritt der Säumnis. Mit der Zustellung des Versäumnisurteils ist der Schuldner über das Recht des Einspruchs zu belehren.720 Außer der Belehrung über den Einspruch sind ihm auch Informationen über das für den Einspruch zuständige Gericht sowie über die einzuhaltende Form und Frist zu erteilen. Im Anwaltsprozess ist dem Schuldner darüber hinaus mitzuteilen, dass Anwaltszwang besteht.721 Gegen ein Versäumnisurteil steht dem Schuldner auch das Recht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu (§ 233 ZPO), wenn er unverschuldet eine Frist versäumt hat. Dann sind die Einwände des Schuldners rechtzeitig vorgebracht und die Forderung hat den Charakter einer bestrittenen Forderung.722 Im Hinblick auf den Zweck des Art. 18 EuVTVO wird angenommen, dass auch die Belehrung des Schuldners über dieses Rechtsmittel notwendig sei: Er sei darüber zu belehren, dass er bei unverschuldeter Fristversäumung gegen die Entscheidung vorgehen kann.723 717
Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 18 EG-VollstrTitelVO Rn. 2. Rellermeyer, Rpfleger 2005, 383, 396. 719 Jennisen, InVo 2006, 263, 266. 720 Jennisen, InVo 2006, 263, 266. 721 Wagner, IPRax 2005, 401, 409; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 66. 722 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 66; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 233 Rn. 1. 723 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 67. Eine solche Belehrungspflicht besteht ebenfalls gemäß Art. 34 Nr. 2 EuGVVO. Die Belehrungspflicht des Art. 18 EuVTVO lehnt sich an diese Vorschrift an. 718
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
Diese Vorschrift dient der Sicherstellung, dass der Schuldner auf die Möglichkeiten hingewiesen wird, sich gegen die Forderung zu wehren. Hinsichtlich des Mahnbescheides sieht § 692 Abs. 1 ZPO vor, dass stets auf die Möglichkeit des Einspruchs hinzuweisen ist.724 Streitig ist, ob die Einführung der Belehrungspflicht nur in Bezug auf die Versäumnisurteile berechtigt ist.725 Aufgrund der Regelungen der EuVTVO ist es aber nicht notwendig, die Belehrungspflicht auszudehnen. Sie gilt nur in Bezug auf Urteile, die von Art. 3 Abs. 1 lit. b und c EuVTVO umfasst sind. c) Polnisches Recht Nach dem polnischen Recht ist die Heilung gemäß Art. 18 EuVTVO auch zulässig, da die erforderlichen Voraussetzungen ebenfalls erfüllt sind.726 Allerdings enthält das poln. ZVGB keine Vorschriften über die Belehrung entsprechend Art. 18 EuVTVO. Eine Belehrung wird nur in einzelnen Tatbeständen vorausgesetzt. Es wird jedoch vertreten, dass in allen Fällen, in denen ein Urteil ergeht, das als EuVT bestätigt werden kann, die Belehrung des Schuldners erforderlich sei. Insbesondere sei sie bei Erlass eines Säumnisurteils unabdingbar (Art. 343 poln. ZVGB). 727 Außerdem ist die ausreichende Belehrung, die den Voraussetzungen des Art. 18 EuVTVO entspricht, in den Vorschriften über Mahnbescheide, die im Urkundenprozess (Art. 491 poln. ZVGB)728 oder im Mahnverfahren (Art. 502 poln. ZVGB) ergehen können, unabdingbar. 729 Als Rechtsbehelf, der die Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 1 EuVTVO erfüllt, ist die Appellation730 anzusehen. Nach dem poln. ZVGB wird das Urteil dem Beklagten grundsätzlich nicht zugestellt. Nur ausnahmsweise bei Erlass eines Versäumnisurteils (Art. 343 poln. ZVGB) und wenn der Schuldner bei Verkündigung des Urteils wegen Freiheitsentzugs nicht an724
Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 66. Für die Erstreckung der Hinweispflicht auf die Rechtsbehelfe gegen andere Urteile siehe insbesondere Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 459. 726 Dies bezieht sich eigentlich auf die Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 1 EuVTVO, da die Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 2 EuVTVO vom Einzelfall abhängig sind: Radwan, EPS 2007, Nr. 11, 17, 21. 727 Weitz, in: Wróbel (Hrsg.), Wykonywanie prawa Unii Europejskiej przez sądy, S. 635. 728 Beispielsweise ergibt sich gemäß Art. 502 poln. ZVGB aus dem Mahnbescheid für den Schuldner das Gebot, binnen zwei Wochen ab dem Tage der Zustellung des Mahnbescheids den Anspruch zusammen mit sämtlichen Kosten zu begleichen oder bei Gericht Einspruch einzulegen. Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 166. 729 Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 166, Fn. 1. 730 Poln: apelacja. 725
F. Zwischenergebnis zu Kapitel 2
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wesend sein konnte (Art. 327 § 2 poln. ZVGB), muss das Urteil dem Schuldner zugestellt werden. Auch die Mahnbescheide sind kraft Gesetzes zuzustellen. Das poln. ZVGB sieht ebenfalls die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor. Dieses Rechtsmittel kann auch als Rechtsbehelf im Sinne von Art. 18 EuVTVO betrachtet werden.
F. Zwischenergebnis zu Kapitel 2 F. Zwischenergebnis zu Kapitel 2
1. Die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beklagten in der EuVTVO hängt von der Wirksamkeit ihrer Überprüfungsmechanismen ab. Die formellen Elemente des Bestätigungsverfahrens, wie beispielsweise die Zuständigkeit des bestätigenden Organs oder die Bestimmung der Fristen, entscheiden in hohem Maße über die Effektivität der Überprüfung des rechtlichen Gehörs des Vollstreckungsschuldners. Die Regelung der Frage, welches Organ für die Bestätigung nach der EuVTVO zuständig ist, ist negativ zu bewerten. Dadurch, dass die Mitgliedstaaten weitestgehend selbst entscheiden, bestehen wesentliche Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsordnungen, insbesondere bezüglich der Frage, ob das Gericht oder ein Justizbeamter die Bestätigung ausstellt. Für die Gewährleistung einer wirksamen Kontrolle des rechtlichen Gehörs im Ausgangsverfahren scheint es notwendig, das Gericht und nicht nur einen Justizbeamten für zuständig zu erklären. In manchen Mitgliedstaaten ist für die Bestätigung eines Titels als EuVT das Organ zuständig, das auch schon den Titel selbst erlassen hat. Im Ergebnis überprüft damit das bestätigende Organ im Rahmen des Bestätigungsverfahrens seine eigenen Handlungen in einer früheren Verfahrensphase. Dies stellt die Wirksamkeit der Überprüfung in Frage und führt zu einer erheblichen Reduzierung der Gewährleistung des Schuldnerschutzes. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, wer innerhalb des Organs für die Bestätigung zuständig ist und ob es sich dabei um denselben Spruchkörper des Gerichts handelt, der den Titel erlassen hat. Bei der Bestätigung durch einen anderen Spruchkörper ist das Risiko einer nicht objektiv getroffenen Entscheidung und bestimmter Verfahrensfehler geringer, als wenn das den Titel erlassende und das den Titel bestätigende Organ identisch sind. 2. Die Analyse der einschlägigen Vorschriften des Zustellungsrechts, d. h. der EuZVO und der Bestimmungen des nationalen Zustellungsrechts am Beispiel Deutschlands und Polens, zeigt, dass nicht in jedem Fall garantiert ist, dass bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks das rechtliche Gehör des Beklagten gewährleistet wird. In der Praxis kann es zur Verletzung dieses Rechts selbst dann kommen, wenn alle Voraussetzungen des Zustellungsrechts eingehalten wurden und die Zustel-
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
lung ordnungsgemäß erfolgte. Zwar sehen die Vorschriften des Zustellungsrechts, sowohl die EuZVO als auch das nationale Recht, Rechtsmechanismen vor, die den Vollstreckungsschuldner schützen sollen, wenn er sich aufgrund einer fehlerhaften Zustellung (und der daraus folgenden Unmöglichkeit der Ausübung seiner Verteidigungsrechte vor Gericht) nicht auf das Verfahren einlassen konnte. Insbesondere regelt die EuZVO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Möglichkeit der Erhebung dieses Rechtsbehelfs kann allerdings nicht die unzureichende Gewährleistung des rechtlichen Gehörs in der Einlassungsphase kompensieren. 3. In den Vorschriften über die Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen wurde als Rechtsmechanismus zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des säumigen Beklagten die Versagung der Vollstreckbarerklärung vorgesehen. Das zuständige Organ überprüft, ob die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Ursprungsmitgliedstaat die jeweils geltenden Voraussetzungen erfüllt. Dabei sind die Voraussetzungen in den Vorschriften über das Vollstreckbarerklärungsverfahren in den verschiedenen Regelwerken unterschiedlich geregelt: Das EuGVÜ setzt eine ordnungsgemäße Zustellung voraus. Außerdem muss die Zustellung rechtzeitig erfolgen. Nach Art. 34 Nr. 2 EuGVVO ist eher die tatsächliche Möglichkeit der Ausübung der Verteidigungsrechte im Ausgangsverfahren Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung eines Titels, der in einem Verfahren erlassen wurde, auf welches der Beklagte sich nicht eingelassen hat. Die Rechtzeitigkeit der Zustellung ist ebenfalls notwendig. Die in der Verordnung geregelten Kriterien der Überprüfung haben den Charakter einer Generalklausel. Betrachtet man die Entwicklung des Gemeinschaftanerkennungsrechts, lässt sich feststellen, dass der Versagungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs aufgrund eines sich fortentwickelnden gegenseitigen Vertrauens in die Rechtspflege immer weiter zurückgedrängt wird. Dieser Versagungsgrund kann daher als Spiegel der europäischen Integration betrachtet werden.731 Ähnlich wurde der Anerkennungsversagungsgrund im deutschen und polnischen Recht formuliert. Im Exequaturverfahren ist zu überprüfen, ob der Vollstreckungsschuldner, der sich nicht auf das Erkenntnisverfahren eingelassen hat, die Möglichkeit hatte, sich zu verteidigen. 4. Die EuVTVO verzichtet nicht auf die Überprüfung des rechtlichen Gehörs des Schuldners. Die Struktur der Kontrollmechanismen wurde aber abgeändert. In den Vorschriften der EuVTVO kommt es zur Wiederaufnahme der Förmlichkeitsprüfung, die eher das EuGVÜ als die EuGVVO charakterisiert. Die Formulierung der Mindeststandards führt dazu, dass die Flexibilität, die bei der Bewertung von Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners im Ursprungsstaat nach der Generalklausel des Art. 34 731
So auch Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 294.
F. Zwischenergebnis zu Kapitel 2
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Nr. 2 EuGVVO ermöglicht wurde, nicht mehr vorhanden ist. Allerdings lässt sich diese Änderung mit der in der EuVTVO geregelten Kompetenzverschiebung begründen. Im Bestätigungsverfahren überprüft das zuständige Organ des Ursprungsmitgliedstaates, ob die Zustellung sowie die Belehrung bei der Einlassung auf das Erkenntnisverfahren die Mindestvoraussetzungen erfüllen. Bei allen Arten der Zustellung gemäß Art. 13 Abs. 1 EuVTVO sind unabdingbare Voraussetzungen der Zustellung (1) die persönliche Annahme durch den Schuldner (bzw. die Annahmeverweigerung, Art. 13 Abs. 1 lit. b Alt. 2 EuVTVO); (2) die Unterschrift des Schuldners (handschriftlich bzw. mit elektronischer Signatur) und (3) die Angabe des Datums (der Zustellung bzw. der Annahmeverweigerung). Alle in Art. 13 Abs. 1 EuVTVO vorgesehenen Zustellungsmethoden sind gleichwertig. Die Gleichstellung der traditionellen mit der elektronischen Zustellung entspricht den neuesten Tendenzen im europäischen Recht, welches Dokumente in Papierform, die traditionell verifiziert werden, den elektronischen Informationsträgern gleichstellt. Ein Teil der Zustellung, welchem konstitutive Bedeutung zukommt, ist die Empfangsbestätigung. Der Schuldner muss sie als Zustellungsadressat selbst zurückschicken. Kein obligatorisches Element der Zustellung ist hingegen die Datierung der Empfangsbestätigung. Schon die Präambel der EuVTVO erläutert, dass bei Anwendung des Art. 13 EuVTVO sichergestellt ist, dass der Empfänger das zuzustellende Schriftstück bekommen hat, während die Zustellungsformen des Art. 14 EuVTVO nur ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Zustellung bieten. Es besteht das Risiko, dass der Empfänger das Schriftstück nicht erhält. Die Untersuchung der Mindeststandards der EuVTVO über die Zustellung belegt, dass die Fehleranfälligkeit der EuVTVO-Zustellungsvorschriften hoch ist. Die Überprüfung des Zustellungsprozesses nach deren Kriterien garantiert nicht, dass in Fällen unzureichender Gewährleistung des rechtlichen Gehörs im Erkenntnisverfahren die Bestätigung als EuVT scheitert. Die Zustellungsmethoden des Art. 14 EuVTVO werfen viele Zweifel auf. Die Mindeststandards der postalischen Zustellung sind so ausgestaltet, dass keine Garantie dafür besteht, dass der Empfänger das verfahrenseinleitende Schriftstück tatsächlich erhält. Gefahren ergeben sich etwa daraus, dass keinerlei Anforderungen hinsichtlich der Geeignetheit und Sicherheit eines Briefkastens bestimmt sind. Es lässt sich nicht ausschließen, dass der Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht erhält, weil eine dritte Person Zugang zu dem Schriftstück hatte. Auch der Kreis der Personen, die mit dem Schuldner zusammen wohnen oder in seiner Wohnung beschäftigt sind und daher für den Schuldner Verfahrensschriftstücke empfangen können, wurde nicht begrenzt. Erforder-
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lich wäre vor allem eine Beschränkung durch Aufnahme einer Altersgrenze oder andere Kriterien der Geschäftsfähigkeit. Außerdem löst die Zulässigkeit der elektronischen Zustellung Bedenken aus. Dokumente in Form von E-Mail oder Fax gewähren nicht immer die Sicherheit, dass der Empfänger das Schriftstück bekommen hat. Außerdem ist der Mindeststandard gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. d EuVTVO, d. h. die Hinterlegung des zuzustellenden Schriftstücks beim Postamt oder bei der Behörde, für die Gewährung des rechtlichen Gehörs des Beklagten unzureichend und steht im Widerspruch zum Ausschluss aller Formen der fiktiven Zustellung in der EuVTVO. Die zweite Gruppe der Zustellungsmethoden (Art. 14 Abs. 1 EuVTVO) ist für die Bestätigung dann ausreichend, wenn in der Rechtsordnung des Ursprungsmitgliedstaates Rechtsmittel vorgesehen sind, die es dem Schuldner ermöglichen, eine vollständige Überprüfung der Entscheidung zu verlangen. Art. 19 EuVTVO kann allerdings das Risiko, das mit der unzureichenden Regelung des Art. 14 EuVTVO verbunden ist, nicht aufheben. Ein großer Mangel der Gewährleistungen des rechtlichen Gehörs in der EuVTVO ist der Verzicht auf Mindestvoraussetzungen in Bezug auf die Einlassungsfristen (Voraussetzung der Rechtzeitigkeit) und die Übertragung des Regelungsauftrages an die einzelnen Mitgliedstaaten. Die Mindestvorschriften der EuVTVO sind im deutschen und im polnischen Recht zum Teil erfüllt. An bestimmten Stellen bestehen jedoch Zweifel oder sogar offensichtliche Dissonanzen zwischen den Regelungen der Zustellungsart auf beiden Ebenen. Die Vorschriften des deutschen Rechts über die Zustellung (§§ 166 ff. ZPO) erfüllen die Mindestvoraussetzungen der EuVTVO, abgesehen vom Sonderfall der öffentlichen Zustellung nach den §§ 185 ff. ZPO.732 Für die meisten der in Art. 13 und 14 EuVTVO geregelten Mindeststandards lassen sich entsprechende Regelungen im deutschen Recht finden. Im polnischen Recht sind die Voraussetzungen der EuVTVO über die Zustellung nur teilweise erfüllt. Gewisse Formen der Zustellung sind für die Bestätigung unzulässig, wie etwa die Zustellung an den Zustellungspfleger (Zustellungsbevollmächtigten), der für die Zustellung an die abwesende Prozesspartei durch das Gericht bestellt wurde. Die Bestätigung kann allerdings dennoch ergehen. Dies kann zur Verletzung der Schuldnerrechte führen. In Polen muss außerdem das Verhältnis der Person, die im Falle der Ersatzzustellung das verfahrenseinleitende Schriftstück im Namen des Adressaten angenommen hat, zu dem Adressaten nicht angegeben wurde. Da732
Stein, IPRax 2004, 181, 204; Wagner, IPRax 2005, 189, 195.
F. Zwischenergebnis zu Kapitel 2
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her kann man argumentieren, dass die Mindestvoraussetzungen von Art. 14 EuVTVO in Polen nicht erfüllt sind. 5. Die Voraussetzungen der Mindeststandards der EuVTVO, insbesondere gemäß Art. 16 EuVTVO, enthalten keine hohen Anforderungen an die Belehrung. Im Hinblick auf das Ziel des Beklagtenschutzes wäre es wünschenswert, bestimmte standardisierte Formulare über den Inhalt der Belehrungen in der EuVTVO vorzusehen. Der Standard und die Ausführlichkeit der Rechtsbehelfsbelehrung hängen (noch) vom Recht des Ursprungsstaates ab. Insbesondere fehlt es an einer entsprechenden Belehrungspflicht hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer Bestätigung der gerichtlichen Entscheidung als EuVT. 6. Die EuVTVO enthält keine Anforderungen an die Sprache dieses Schriftstücks, insbesondere keine verfahrensrechtlichen Mindeststandards, die sich auf die Verständlichkeit der Sprache des verfahrenseinleitenden Schriftstücks beziehen. Auch fehlt in der Verordnung die Regelung der Sprache bei der Belehrung. Die Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ist allerdings ein wichtiges Element der Garantie des rechtlichen Gehörs des Beklagten. Aus den völkerrechtlichen Vorschriften, insbesondere aus der EMRK, ergibt sich, dass die Ausübung der Verteidigungsrechte das Verständnis der Sprache des Schriftstücks voraussetzt. Für die wirksame Gewährleistung des rechtlichen Gehörs ist es unabdingbar. Die EuVTVO schweigt zu dieser Frage völlig, wodurch sie den einschlägigen Vorschriften des Zustellungsrechts unterliegt. Die Analyse der EuZVO und der Vorschriften des nationalen Rechts zeigt, dass diese Regelungen nicht immer ausreichende Garantien des Verständnisses der Sprache normieren. Eine denkbare Lösung des Sprachproblems könnte das Recht auf Annahmeverweigerung sein. Hinsichtlich der Regelungen der EuZVO bleiben viele Fragen ungeklärt, die für die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Schuldners bedeutend sind. Es fehlt insbesondere an der Bestimmung, welche Kriterien darüber entscheiden, ob eine juristische Person die Sprache des verfahrenseinleitenden Schriftstücks versteht oder das Recht hat, die Annahme dieses Schriftstücks zu verweigern. Die Form der Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts löst ebenfalls Zweifel aus. Dass die EuZVO auf das subjektive Kriterium des tatsächlichen Sprachverständnisses abstellt, ist allerdings zu begrüßen. Dadurch ist nicht in jedem Fall eine Übersetzung des Schriftstücks notwendig. Dies hängt vielmehr davon ab, ob der Beklagte sie benötigt, um den Inhalt der Klageschrift zu verstehen. Ein erheblicher Nachteil der Berufung auf sein Annahmeverweigerungsrecht besteht darin, dass gemäß Art. 8 Abs. 3 EuZVO schon die erste Zustellung Fristen im Verfahren auslöst. Verweigert der Beklagte die Annahme der Zustellung nach Art. 8 Abs. 1 EuZVO, kann es dazu kommen, dass das Organ, das
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2. Kapitel: Das Recht auf rechtliches Gehör im Bestätigungsverfahren
über die Bestätigung entscheidet (das Gericht, das die Begründetheit der Annahmeverweigerung des Empfängers überprüft), zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Beklagten doch kein Annahmeverweigerungsrecht zustand. Diese Gefahr ist für den im Ausland wohnhaften Beklagten im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union um die neuen Mitgliedstaaten wegen der Sprachenvielfalt größer geworden. Nach den Regelungen der EuVTVO ist das tatsächliche sprachliche Verständnis des Schuldners in geringerem Maße gewährleistet als nach den Vorschriften des Vollstreckbarerklärungsrechts (EuGVÜ, EuGVVO). Zwar enthalten die Regelungen über das Vollstreckbarerklärungsverfahren keine Vorgaben für die Überprüfung des sprachlichen Verständnisses eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Ausgangsverfahren. Im Wege der teleologischen Auslegung wurde aber festgestellt, dass ohne Verständnis des Inhalts eines Schriftstücks durch den Beklagten die Anerkennung im Erststaat ausgeschlossen ist. Diese Auslegung ist deswegen möglich, weil in der EuGVVO eine allgemeine Vorschrift über die Verteidigungsmöglichkeiten zu finden ist. Im Unterschied dazu enthält die EuVTVO eine abschließende Auflistung der Voraussetzungen, die für die Bestätigung vorliegen müssen. Die Überprüfung der Gewährleistung des sprachlichen Verständnisses wurde hierbei nicht berücksichtigt. De lege ferenda ist es wünschenswert, Mindestvoraussetzungen für die Gewährleistung des sprachlichen Verständnisses des zuzustellenden Schriftstücks in die EuVTVO selbst einzuführen. 7. Die Schutzfunktion der Mindestvoraussetzungen wird durch die Einführung des Art. 18 EuVTVO erheblich abgeschwächt. Die Heilung kann dazu führen, dass Versäumnisurteile als EuVT bestätigt werden können, die in einem Verfahren ergehen, in dem das rechtliche Gehör des Schuldners nicht gewährleistet wurde. Aus der obigen Untersuchung ergibt sich, dass die Beschränkung der Gemeinschaftsgrundrechte nicht zur Beeinträchtigung des Rechts auf rechtliches Gehör führen kann. Art. 18 EuVTVO bedeutet, dass das Minimum der unverzichtbaren Garantien in bestimmten Fällen nicht besteht.
Kapitel 3
Die Rechtsbehelfe des Schuldners gegen den EuVT und die Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Verfahrenseinleitung A. Die Bedeutung der Rechtsbehelfe zur Korrektur einer Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Verfahrenseinleitung im Hinblick auf den Schuldnerschutz A. Bedeutung der Rechtsbehelfe bei Verletzung des rechtlichen Gehörs
Im Hinblick auf den Schutz des säumigen Beklagten, dem im Stadium der Einlassung auf das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat kein rechtliches Gehör gewährt wurde, stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Gewährung nachträglichen Rechtsschutzes im Rechtsbehelfsverfahren zukommt.1 Die Europäische Kommission ist der Ansicht, dass der Verlust der Schutzmöglichkeiten des Schuldners im Vollstreckungsstaat dadurch ausgeglichen werde, dass er die zu vollstreckende Entscheidung mit einem Rechtsmittel angreifen könne.2 Diese These wirft allerdings Zweifel auf. Insbesondere hat der EuGH bereits in Bezug auf das Vollstreckbarerklärungsverfahren festgestellt, dass rechtliche Mechanismen, die der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs dienen, für den Schutz der Prozessgrundrechte des Schuldners nicht in beiden Phasen des Verfahrens gleichwertig seien.3 Die rechtliche Möglichkeit, einen Rechtsbehelf gegen eine bereits ergangene Versäumnisentscheidung einzulegen, sei qualitativ mit der Möglichkeit, sich vor Erlass der Entscheidung zu verteidigen, nicht vergleichbar.4 Die Rechtsbehelfe könnten daher die mangelhaften Kontrollmechanismen in der Einlassungsphase des Verfahrens nicht kompensieren. 1
Siehe auch Schwarz, Gewährung und Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, S. 79. „Kommt die Entscheidung unter Versagung des rechtlichen Gehörs zustande, so kann die betroffene Partei diesen Mangel grundsätzlich mit Rechtsmittel geltend machen. In dieser Sanktionierung besteht ein Zusammenhang der Rechtsmittel mit dem Gehörgrundsatz.“ 2 Siehe dazu auch Stunz, Vertrauen in fremde Gerichtsverfahren, S. 198. 3 EuGH, Urteil v.12.11.1992, Rs. C-123/91, Minalmet GmbH ./. Brandeis Ltd., Slg. 1992, I-5661, Rn. 19. 4 EuGH, Urteil v. 12.11.1992, Rs. C-123/91, Minalmet GmbH ./. Brandeis Ltd., Slg. 1992, I 5661, 5697; EuGH, Urteil v. 10.10.1996, Rs. C-78/95, Hendrikmann und Feyen ./. Magenta Druck. & Verlag GmbH, Slg. 1996, 4923, 4960, 4967; Gottwald, FS
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3. Kapitel: Die Rechtsbehelfe des Schuldners
Die fehlende Gleichwertigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten nach Klagezustellung einerseits und nach Erlass eines Versäumnisurteils andererseits ist auch eine Frage der effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten. Effektiver ist für den Beklagten der Rechtsschutz im Stadium der Verfahrenseinleitung vor Erlass eines Versäumnisurteils. Aufgrund dieser Überlegungen ist bereits die Regelung in Art. 34 Nr. 2 EuGVVO nicht mit dem Anspruch des Schuldners auf rechtliches Gehör vereinbar.5 In diesem Zusammenhang darf zwar nicht außer Acht gelassen werden, dass in bestimmten Fallkonstellationen die Gewährung nachträglichen Gehörs für den Schuldner eine angemessene Lösung darstellen kann. So regelt das deutsche Recht Situationen, in denen dem Schuldner ausnahmsweise kein rechtliches Gehör gewährt wird. Dies ist etwa im Zwangsvollstreckungsverfahren bei der Forderungspfändung (§ 843 ZPO) der Fall. Der Schuldner soll überrascht werden, damit das Vollstreckungsziel erreicht werden kann. Diese Regelung steht im Einklang mit dem Grundgesetz, da der Schuldner nachträglich rechtliches Gehör erlangen kann.6 Auch im einstweiligen Verfügungsverfahren (§§ 935 ff. ZPO) kann ein Überraschungseffekt notwendig sein, um den Erfolg zu erreichen.7 Die Beschränkung auf die nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs steht allerdings nicht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Regelungen der EuVTVO. Denn bei der grenzüberscheitenden Vollstreckung aus einem EuVT soll nicht ein Überraschungseffekt gegenüber dem säumigen Beklagten erzielt werden: Die EuVTVO regelt keine Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.8 Zwar schafft die EuVTVO rechtliche Instrumente, die dem Interesse des Gläubigers im internationalen Forderungseinzug dienen sollen. Die EuVTVO geht jedoch von der Konstellation aus, dass der Schuldner, nachdem und obwohl er die ausreichende Möglichkeit Schumann, 2001, 149, 157, der sich auf Stadler, Die Revision des Brüssel und des Lugano-Übereinkommens, in: Gottwald (Hrsg.), Revision des EuGVÜ, S. 37, 51 beruft. 5 Stadler, in: Gottwald (Hrsg.), Revision des EuGVÜ, 37, 51; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 200 f. 6 BVerfG NJW 1981, 2111. 7 OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 1206. 8 Zur Bedeutung der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs bei der Vollstreckbarerklärung der Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes siehe EuGH Rs. C-125/79, Denilauer ./. Couchet Frères, vom 21. Mai 1980, Slg. 1980, 1553. Der EuGH stellte fest, dass sich die Anerkennung eines ausländischen Titels lediglich auf solche Entscheidungen beschränkt, die in einem kontradiktorischen Verfahren ergangen sind. Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, die ohne Anhörung des Schuldners erlassen worden sind, gehörten dazu nicht. Der Überraschungseffekt, der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wichtig ist, wird vom EuGH gegenüber dem rechtlichen Gehör des Schuldners als nachrangig eingestuft. So nach Dilger, Die Regelungen zur Internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, S. 219, Fn. 366.
B. Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung als EuVT
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rechtlichen Gehörs hatte, bewusst auf ein Bestreiten der Forderung verzichtet hat. Die Mindestvorschriften der EuVTVO sind im Hinblick auf eine effektive Gewährleistung des Rechtsschutzes des Schuldners auszulegen. Die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Funktion und Bedeutung des nachträglichen rechtlichen Gehörs für den Schuldner lässt zudem erkennen, dass es stets auf die Ausgestaltung der konkreten Rechtsbehelfe ankommt. Ausgehend von diesen Überlegungen sind die von der EuVTVO vorgesehenen Rechtbehelfe gegen einen EuVT darzustellen. Zum einen sind die Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung inländischer Titel als EuVT zu analysieren, zum anderen die Rechtsbehelfe, die im Zwangsvollstreckungsverfahren aus einem EuVT im Inland zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund ist ihre Bedeutung für die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Schuldners zu bewerten.
B. Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung als EuVT B. Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung als EuVT
I. Überblick Die Verordnung lässt lediglich die Erhebung von zwei Rechtsbehelfen gegen die Bestätigung zu: den Antrage auf Berichtigung und den Antrag auf Widerruf der Bestätigung9 (Art. 10 Abs. 1 EuVTVO). Beide Rechtsbehelfe entfalten keine aufschiebende Wirkung.10 Im Vollstreckungsstaat sind Rechtsbehelfe gegen den Titel selbst sowie gegen die Bestätigung ausgeschlossen.11 Gemäß Art. 10 Abs. 1 lit. b und c EuVTVO ist der Antrag auf Berichtigung oder Widerruf an das Ursprungsgericht zu stellen. Die Zuweisung der Zuständigkeit an die staatlichen Organe wurde den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen. Die funktionelle Zuständigkeit für die Überprüfung der Voraussetzungen des Widerrufs in den Mitgliedstaaten kann nach den nationalen Vorschriften bei einem Richter oder bei einem Justizbeamten liegen. In vielen Staaten ist der Justizbeamte des Ursprungsgerichts zuständig. Dabei bestehen die gleichen Bedenken wie bei der Regelung der Zuständigkeit für die Bestätigung.12 9 Coester-Waltjen, FS Ansay, 2006, 47, 56; Zum Prozess der Entstehung und Entwicklung dieser Vorschrift ausführlich Gerling, Gleichstellung, S. 119 f. 10 Aus der einmal als EuVT bestätigten Entscheidung kann solange uneingeschränkt vollstreckt werden, bis dem Antrag auf Widerruf stattgegeben wird. Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 270 f. 11 Coester-Waltjen, FS Ansay, 2006, 47, 56. 12 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 130.
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3. Kapitel: Die Rechtsbehelfe des Schuldners
Unklar ist, ob die Berichtigungs- und Widerrufsverfahren kontradiktorischen Charakter haben sollen.13 In dieser Hinsicht ist zwischen dem Berichtigungs- und dem Widerrufsverfahren zu unterscheiden. Bezieht sich der Antrag auf Rechtsfragen im Widerrufsverfahren, so sollte ein kontradiktorisches Verfahren vorgesehen werden. Da die Berichtigung hingegen eher eine Formalität darstellt und im Berichtigungsverfahren keine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Bestätigung als EuVT stattfindet, muss nicht zwingend beiden Parteien rechtliches Gehör im Berichtigungsverfahren gewährt werden.14 Art. 10 Abs. 4 EuVTVO unterbindet jeden Rechtsschutz, der über Abs. 1 hinausgeht.15 Argumente gegen die Notwendigkeit von Rechtsbehelfen gegen den EuVT wurden von der Kommission in der Begründung des Verordnungsentwurfs vorgebracht.16 Eines dieser Argumente ist, dass die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf einzulegen, zur Wahrung der Verteidigungsrechte nicht unverzichtbar sei, da nicht das Hauptverfahren selbst betroffen sei. Das Verfahren, in dem die zugrunde liegende Entscheidung bestätigt werde, betreffe nur die Erweiterung der Vollstreckbarkeit einer bereits erlassenen Entscheidung über das Hoheitsgebiet des Ursprungsmitgliedstaates hinaus.17 Der Vorschlag des Parlaments, Gläubiger und Schuldner gegen die ablehnende bzw. stattgebende Entscheidung über die Bestätigung als EuVT ein Rechtsmittel einzuräumen, wurde mit dem Verweis auf die Schnelligkeit und Effizienz der grenzüberschreitenden Vollstreckung abgelehnt.18 II. Berichtigung Die Berichtigung der Bestätigung als EuVT kann beantragt werden, wenn Bestätigung und Titel aufgrund eines materiellen Fehlers voneinander abweichen (Art. 10 Abs. 1 lit. a EuVTVO). Dies kann vor allem durch die fehlerhafte Übertragung der Angaben aus dem Urteil in die Bestätigung
13 Für das kontradiktorische Verfahren könnte man ein Argument aus der Rechtsprechung heranziehen. Das OLG Wien hat entschieden, dass der Rekurs gegen eine Ablehnung der Ausstellung eines EuVT zweiseitig ausgestaltet werden muss. Siehe OLG Wien, Beschl. vom 14.6.2007, 1 R 85/07p, Rn. 1.3. 14 Allerdings ist dabei ein Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Berichtigung oder Widerruf nicht ausgeschlossen. Vgl. Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 137. 15 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art 10 EG-VollstrTitelVO Rn. 1 f. 16 Amtl. Begründung von KOM (2003) 341, S. 4. 17 Amtl. Begründung von KOM (2003) 341, S. 4; Gerling, Gleichstellung, S. 120. 18 Amtl. Begründung von KOM (2003) 341, S. 4; Gerling, Gleichstellung, S. 120.
B. Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung als EuVT
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verursacht werden.19 Es gelten dann die allgemeinen Bestimmungen über die Berichtigung von Entscheidungen im Zivilverfahren.20 1. Berichtigung in Deutschland In Deutschland ist für die Berichtigung das Gericht zuständig, welches die Bestätigung ausgestellt hat (§ 1081 Abs. 1 ZPO). Die funktionale Zuständigkeit liegt beim Rechtspfleger (§ 20 Nr. 11 RPflG).21 Gegen die ablehnende Entscheidung des Rechtspflegers über die Berichtigung ist die Rechtspflegererinnerung statthaft (§ 11 Abs. 2 RPflG). Gegen die stattgebende Entscheidung des Rechtspflegers über die Berichtigung kann der Gläubiger die sofortige Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG erheben.22 2. Berichtigung in Polen Für die Berichtigung23 ist das Gericht zuständig, das die Bestätigung ausgestellt hat. Die Berichtigung ergeht in Form eines Beschlusses entweder von Amts wegen oder aufgrund des Antrags einer der Parteien.24 Das polnische Recht enthält keine speziellen Vorschriften zum Berichtigungsverfahren, weshalb die allgemeinen Regeln über die von Amts wegen vorzunehmender Berichtigung von Urteilen (Art. 350 poln. ZVGB i.V.m. Art. 361 poln. ZVGB) Anwendung finden.25 Gegen den Beschluss über die Berichtigung ist nach den allgemeinen Regeln des poln. ZVGB die Beschwerde statthaft.26 Das Gesetz legt für die Antragsstellung keine Frist fest. III. Widerruf Das Widerrufsverfahren ist zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des säumigen Beklagten durch die EuVTVO besonders wichtig, da mittels dieses Rechtsbehelfs auch Verletzungen der Mindeststandards im Ausgangsverfahren gerügt werden können. Im Ergebnis kann eine bereits erlassene 19 Wagner, IPRax 2005, 401, 403; Riedel, Europäischer Vollstreckungstitel, S. 25; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 164. 20 Miczek, Pr. I P. UE 2006, Nr. 9, 48. 21 Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, S. 140; Jennissen, InVo 2006, 263, 268; Franzmann, MittBayNot 2005, 470, 473. 22 Siehe Jennissen, InVO 2006, 263, 268; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 124. 23 Poln.: sprostowanie. 24 Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 168. 25 Die Möglichkeit der Verweisung wurde in Art. 30 Abs. 1 lit. a EuVTVO vorgesehen. 26 Siehe insbesondere Art. 394 § 1 Nr. 8 poln. ZVGB.
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3. Kapitel: Die Rechtsbehelfe des Schuldners
Bestätigung aufgehoben werden. Falls die Voraussetzungen der Bestätigung „eindeutig“27 nicht erfüllt sind und trotzdem eine Bestätigung ausgestellt wurde,28 hat der Vollstreckungsschuldner das Recht, den Widerruf der Bestätigung zu beantragen. Diese Formulierung ist unklar; als „missglückt“29 ist sie im Schrifttum auf Kritik gestoßen.30 Der Begriff des eindeutigen Fehlers bezieht sich auf das Bestätigungsverfahren31 und ist deshalb als Maßstab für das Bestätigungsverfahren zu beachten.32 Denkbare Tatbestände, die einen Widerruf begründen können, sind insbesondere die Tatsache, dass die EuVTVO nicht anwendbar war, die verfahrensrechtlichen Mindestvorschriften über die Zustellung oder die Belehrung des Schuldners bei Säumnisentscheidungen verletzt wurden, die zugrunde liegende Forderung gemäß Art. 3 EuVTVO nicht unbestritten war33 oder das Gericht im Erkenntnisverfahren nicht zuständig war.34 Da vor allem Fehler in Bezug auf die Voraussetzungen des Kapitels III der EuVTVO in Frage kommen,35 umfasst das Widerrufsverfahren die Prüfung aller in der EuVTVO vorgesehenen Bestätigungsvoraussetzungen.36 Die Tatbestandsmerkmale des Art. 10 Abs. 1 lit. b EuVTVO sind eng gefasst. Das kann dazu führen, dass anhand dieser Angriffsmöglichkeit dem Schuldner kein effektiver Rechtsschutz zusteht.37 Nicht jede Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Einlassungsphase rechtfertigt einen Widerruf. So sind beispielsweise im Fall der Zustellung durch Hinterlegung beim Postamt die Mindeststandards nach Art. 14 Abs. 1 lit. d EuVTVO erfüllt, wenn dem Schuldner eine schriftliche Benachrich27
Dazu siehe Bach, GrenzüberschreitendeVollstreckung in Europa, S. 192 f. Nach einer Meinung ist die Voraussetzung der zu Unrecht erlassenen Bestätigung ohne Relevanz, in dem Sinne, dass der Widerruf bei sämtlichen fehlerhaften Bestätigungen zulässig ist. Stein, EuZW 2004, 679, 691; ders., IPRax 2004, 181, 190; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rn. 17; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 10 EuVTVO, Rn. 7. 29 Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1548. 30 Siehe beispielsweise Okońska, Rejent 2007, Nr. 2 (190), 90, 114; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 169. 31 Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 168. 32 Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1549. 33 OGH, IPRax 2008, 440 f.; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 187; Mosser, ecolex, 2005, 758, 760. 34 Gerling, Gleichstellung, S. 122; Stein, IPRax 2004, 181, 190. 35 OGH, IPRax 2008, 440 f.; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 187; Mosser, ecolex, 2005, 758, 760; Gerling, Gleichstellung, S. 121. 36 Riedel, Europäischer Vollstreckungstitel, S. 25; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rn. 17; Stein, EuZW 2004, 679, 681; ders., IPRax 2004, 181, 190. 37 Gerling, Gleichstellung, S. 122; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 165. 28
B. Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung als EuVT
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tigung im Briefkasten hinterlassen wurde, dass es sich um ein gerichtliches Schriftstück handelt. Gleichwohl kann sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt sein, wenn etwa die Klageschrift in einer Fremdsprache verfasst wurde, die der Schuldner nicht versteht. Für den Widerruf hängt es dann vom Ermessen des zuständigen Organs ab, ob die Bestätigung in einer solchen Situation als eindeutig zu Unrecht erlassen beurteilt wird. Problematisch ist dabei die Regelung der Zuständigkeit, weil wiederum dasjenige Organ, das die Bestätigung ausgestellt hat, auch für den möglichen Widerruf zuständig sein kann. 1. Widerruf in Deutschland In Deutschland wurde von einem Devolutiveffekt im Rahmen des Widerrufsverfahrens abgesehen. Für den Widerruf der Bestätigung einer gerichtlichen Entscheidung ist das Organ zuständig, das sie erlassen hat (Bestätigungsgericht).38 Funktional ist der Rechtspfleger zuständig (§ 20 Nr. 11 RPflG). Der Antrag auf Widerruf ist binnen eines Monats bzw. binnen zwei Monaten im Falle der ausländischen Zustellung39 zu stellen.40 Die Frist läuft ab dem Tage der Zustellung der Bestätigung (§ 1081 Abs. 2 ZPO), kann aber nicht vor der Zustellung des Titels beginnen. Da Art. 10 EuVTVO keine Fristenregelung enthält, stellt sich die Frage, ob diese nationale Festlegung der Fristen gemeinschaftrechtskonform ist.41 Dies ist umstritten.42 Die Beschränkung der Erhebbarkeit dieses Rechtsbehelfs trägt zwar zur Rechtsicherheit bei. Sie bewirkt aber auch eine Verkürzung des Schuldnerschutzes. Dadurch ist von der Unzulässigkeit dieser Regelung auszugehen. Im Antrag auf Widerruf sind die Gründe anzugeben,43 aus welchen sich ergibt, dass die Bestätigung eindeutig zu Unrecht erteilt wurde (§ 1081 Abs. 2 S. 4 ZPO).44 Sowohl auf die Berichtigung als auch auf den Widerruf ist § 319 Abs. 3 ZPO entsprechend anzuwenden,45 wodurch gegen die Ablehnung der Be38
Leible/Freitag, Die Forderungsbeitreibung in der EU, § 5 Rn. 33; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 194. 39 Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 460. 40 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rn. 23. 41 Leible/Freitag, Die Forderungsbeitreibung in der EU, § 5 Rn. 34. 42 Bejahend Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 10 EuVTVO Rn. 16. Kritisch Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 453; Stadler, IPRax 2004, 2, 10; Leible/Freitag, Die Forderungsbeitreibung in der EU, § 5 Rn. 34; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rn. 5 ff., 37 ff. 43 Dazu König, in: König/Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich, 113, 115. 44 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rn. 23.
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3. Kapitel: Die Rechtsbehelfe des Schuldners
richtigung oder des Widerrufs durch den Rechtspfleger die befristete Erinnerung statthaft ist (§ 319 Abs. 3 Alt. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 2 RPflG).46 Wird der Berichtigung oder dem Widerruf stattgegeben (§ 319 Abs. 3 Alt. 2 ZPO), kann auch die sofortige Beschwerde erhoben werden.47 2. Widerruf in Polen Nach dem polnischen Recht kann der Schuldner48 ebenfalls innerhalb eines Monats ab dem Tage der Zustellung des Beschlusses über die Ausstellung der Bestätigung einen Antrag auf Widerruf49 stellen (Art. 7954§§ 1 f. poln. ZVGB). 50 Diese Frist entspricht der deutschen Regelung; es bestehen daher auch die gleichen, zuvor beschriebenen Bedenken. Ein erst nach Fristablauf eingegangener Antrag wäre vom Gericht zurückzuweisen.51 Zuständig für den Widerrufsantrag ist das Gericht, das die Bestätigung ausgestellt hat.52 Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Entscheidung wieder von demselben Richter getroffen wird. Vor dem Erlass des Beschlusses über den Widerruf ist der Gläubiger vom Gericht anzuhören (Art. 7954 §§ 1 f. poln. ZVGB). Der Antrag auf Widerruf ähnelt dem polnischen Institut des Anspruchs auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit eines Vollstreckungstitels (Art. 840 poln. ZVGB).53 Wurde der Widerrufsantrag54 nicht anhand des entsprechenden Formulars gestellt, muss er die im poln. ZVGB festgelegten Voraussetzungen für ein gerichtliches Schriftstück erfüllen und die Umstände darlegen, die den 45 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 123; Gebauer, NJ 2006, 103, 106; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 400. § 319 Abs. 3 ZPO ist für die beiden Institute anwendbar, weil Art. 10 EuVTVO nicht hinreichend klar zwischen Berichtigung und Widerruf unterscheidet. 46 OLG Zweibrücken Rpfleger 2009, 222; OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.8.2009-3 W 483/09, IPRax 2011, 393. 47 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rn. 28. 48 Der Gläubiger ist dazu nicht berechtigt. Siehe Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/ Wróbel (Hrsg.), Współpraca w sprawach cywilnych i karnych, 133, 169. 49 Poln.: cofnięcie. 50 Das deutsche und das polnische Recht regeln diese Frage in gleicher Weise. 51 Miczek, Pr. I P. UE 2006, Nr. 9, 48, 52. 52 Diese Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit ist auf Kritik gestoßen. Aufgrund des polnischen Rechts untersucht dasselbe Gericht in der Tat dreimal die Umstände der gleichen Sache: zuerst beim Erlass eines Urteils, dann um das Urteil zu bestätigen und endlich um zu überprüfen, ob der Widerruf der Bestätigung begründet ist. Siehe Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca w sprawach cywilnych i karnych, 133, 169 Fn. 1. 53 Arciszewski, Radca Prawny 2006, Nr. 1, 31, 40. 54 Zum Teil wird der Widerruf als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand angesehen. Er diene der Überprüfung, ob die Bestätigung nicht zu Unrecht erlassen worden ist. Okońska, Rejent 2007, Nr. 2 (190), S. 90, 115.
B. Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung als EuVT
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Antrag begründen (Art. 7954 § 3 poln. ZVGB). Das Gericht kann den Widerrufsantrag unter Ausschluss der Öffentlichkeit überprüfen, da es sich um eine gerichtliche Handlung im Rahmen der Zwangsvollstreckung handelt.55 Im Widerrufsverfahren ist der Gläubiger nur dann zu hören, wenn ein stattgebender Beschluss über den Widerruf der Bestätigung ergeht, Art. 7954 § 4 poln. ZVGB. Die Anhörung ist entbehrlich, wenn der Widerrufsantrag abzulehnen ist.56 Gemäß Art. 7954 § 5 poln. ZVGB sind beide Parteien berechtigt, gegen den Gerichtsbeschluss über den Widerrufsantrag Beschwerde einzulegen. Der erneute Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über den Widerruf bzw. die Berichtigung ist devolutiv ausgestaltet. Der Schuldner bekommt dadurch die Möglichkeit, seine Rechte zu verteidigen. 57 IV. Fazit Die in Art. 10 EuVTVO geregelten Rechtsbehelfe spielen für die Wahrung der Schuldnerrechte im Hinblick auf die Regelungen der EuVTVO eine wichtige Rolle. Hätte der Schuldner kein Recht, einen Antrag auf Berichtigung bzw. Widerruf zu stellen, könnte das Vollstreckungsorgan verpflichtet werden, eine offensichtlich fehlerhafte Bestätigung zu vollstrecken.58 Die Bestätigung kann nämlich nur scheinbar richtig und offensichtlich fehlerhaft sein und trotzdem zur Vollstreckung im europäischen Ausland zugelassen werden.59 Das Verbot aller Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung im Vollstreckungsstaat verdient eine negative Bewertung.60 Aufgrund der Regelungen der EuVTVO ist die Fehleranfälligkeit der Entscheidung über die Bestätigung groß.61 55 Nach Art. 766 poln. ZVGB verhandelt das Gericht in einer öffentlichen Verhandlung nur dann, wenn eine öffentliche Verhandlung gesetzlich geboten ist oder wenn auch andere Personen vor Gericht zu erhören sind. Siehe Miczek, Pr. i P. UE 2006, Nr. 9, 48, 53. 56 Miczek, Pr. i P. UE 2006, Nr. 9, 48, 53. 57 Taborowski, IPRax 2007, 250, 253. 58 Gerling, Gleichstellung, S. 120. 59 Gerling, Gleichstellung, S. 120; Coester-Waltjen, FS Beys, 2003, 183, 187. 60 Gerling, Gleichstellung, S. 124 f., die der Ansicht ist, dass die Einführung von Art. 21 Abs. 2 und Art. 5 EuVTVO Anlass für Bedenken gegen den ganzen Rechtsakt gibt. 61 Nach Ansicht Gerlings besteht „bei der Ausstellung eines EuVT aufgrund der komplizierten Anforderungen insbesondere des Kapitels III, welches kein gemeinsames prozessuales Recht bildet, und wegen der parallelen Anwendbarkeit mehrerer europäischer Verordnungen (EuGVVO, EuZVO) eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Fehlentscheidung als bei der Ausstellung eines inländischen VT. Bereits die Bestätigung eines EuVT bringt aufgrund der aufwändigen Bearbeitung diverser mehrsprachiger Formulare die Gefahr von Flüchtigkeitsfehlern, Missverständnissen (…) oder fehlenden Kenntnissen
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3. Kapitel: Die Rechtsbehelfe des Schuldners
Der Ausschluss der Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung als EuVT geht daher zu weit. Eine zusätzliche Kontrolle des rechtlichen Gehörs des Schuldners im Falle der passiv unbestrittenen und nicht mehr bestrittenen Forderungen ist im Hinblick auf die Gewährleistung seiner Grundrechte notwendig. Die Kontrolle könnte auch infolge des vom Schuldner erhobenen Rechtsbehelfs erfolgen. Zur Verstärkung seines Rechtsschutzes wäre auch wünschenswert, ihm die Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung im Vollstreckungsstaat einzuräumen.
C. Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der EuVTVO C. Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der EuVTVO
I. Das Vollstreckungsverfahren aus einem EuVT gemäß der EuVTVO Die Rolle der Zwangsvollstreckung als der letzten Phase des Zivilverfahrens darf nicht unterschätzt werden, denn erst diese Phase führt zur Verwirklichung des Zieles der Verordnung, dem Gläubiger eine effektive Vollstreckung zu ermöglichen.62 Die Harmonisierung des Vollstreckungsverfahrens ist indes kein Ziel der EuVTVO; nur das Bestätigungsverfahren und damit das Erkenntnisverfahren können durch die Regelungen der EuVTVO harmonisiert werden.63 Obwohl ein EuVT aufgrund der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts erlassen wird, ist er mit den Mitteln des nationalen Zwangsvollstreckungsrechts – gemäß dem lex-fori-Prinzip64 – wie ein inländischer Vollstreckungstitel durchzusetzen.65 Der lex fori unterliegen ebenfalls die Rechtsbehelfe des Schuldners.66 Dadurch kommt der völkerrechtliche Territorialitätsgrundsatz zum Ausdruck, wonach jeder
im internationalen Prozessrecht. Wenn ein und derselbe Richter (dasselbe Organ) den Titel und seine Bestätigung erstellt, wird dieser seine eigenen Fehler in den meisten Fällen nicht erkennen. So wird dem Schuldner eine Korrektur bzw. eine zweite Meinung verwehrt, was gerade im Hinblick auf die fehlende Rechtsbehelfsmöglichkeit kritisch zu beurteilen ist. Siehe Gerling, Gleichstellung, S. 119. 62 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 144; ders., IPRax 2008, 445, 445; Oberhammer, JBl. 2006, 477, 484, 505. 63 Yessiou-Faltsi, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union, 213, 227; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 29 EG-VollstrTitelVO Rn. 1; Boschiero, Riv. Dir. Int. 2003, 394, 423; Bittmann, IPRax 2008, 445, 445. 64 Harast, MoP 2007, Nr. 19, 1069, 1070. 65 Gerling, Gleichstellung, S. 53. 66 Tsikrikas, ZZPInt 11 (2006), 51, 63; Gerling, Gleichstellung, S. 125.
C. Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der EuVTVO
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Staat Zwangsmaßnahmen nur innerhalb seines Territoriums anordnen und durchsetzen darf.67 Nur ausnahmsweise regelt die EuVTVO Fragen, die zum Vollstreckungsverfahren gehören, wie insbesondere die Verweigerung der Vollstreckung wegen einer schon erlassenen Entscheidung (Art. 21 EuVTVO). Außerdem kann das Vollstreckungsverfahren in den in Art. 23 EuVTVO geregelten Fällen ausgesetzt oder beschränkt werden, wenn im Ursprungsmitgliedstaat ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt wurde.68 Die Institute der Beschränkung oder Aussetzung der Vollstreckung spielen dann eine wichtige Rolle, wenn die Einlegung eines Rechtsbehelfs im Ursprungsmitgliedstaat keinen Einfluss auf die Vollstreckbarkeit der Entscheidung hat.69 II. Rechtschutz nach der EuVTVO 1. Überblick Der Schuldner hat während der Zwangsvollstreckung genau wie im Falle eines Erstprozesses, der gegen ihn gerichtet ist, Verteidigungsmöglichkeiten.70 Sowohl im Erkenntnis- als auch im Zwangsvollstreckungsverfahren hat er Möglichkeiten, die ihm zustehenden Einwendungen geltend zu machen.71 Diese Verteidigungsmöglichkeiten verzögern die Vollstreckung der Entscheidung.72 In der EuVTVO selbst sind drei Konstellationen geregelt, in denen eine als EuVT bestätigte Entscheidung im Vollstreckungsstaat nicht vollstreckt werden muss: das Vorliegen einer entgegenstehenden Entscheidung (Art. 21 EuVTVO), ein entgegenstehendes Übereinkommen mit Drittstaaten (Art. 22 EuVTVO) sowie die Einlegung eines Rechtsbehelfs im Ursprungsmitgliedstaat (Art. 23 EuVTVO).73 Weder die Entscheidung noch die Bestätigung als EuVT im Vollstreckungsstaat selbst dürfen in der Sache nachgeprüft werden (Art. 21 Abs. 2 EuVTVO). Auf diese Weise wird ausgeschlossen, dass der Schuldner im Vollstreckungsstaat Rechtsbehelfe 67
Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 12; Nagel/Gottwald, IZPR, § 17 Rn. 3; Geimer, IZPR, Rn. 3179. 68 Die Überprüfung nach Art. 19 EuVTVO wird auch als ein solcher Rechtsbehelf betrachtet, genauso wie die Berichtigung oder der Widerruf einer Bestätigung als EuVT gemäß Art. 10 EuVTVO. Siehe Geroganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 32. 69 Geroganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 32; Wagner, IPRax 2005, 189, 198; Stein, EuZW 2004, 679, 682. 70 Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1159. 71 Allgemein zur Zulässigkeit und Rolle der Rechtsbehelfe im Vollstreckungsstaat Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, S. 2. 72 Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 201 ff. 73 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 198.
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3. Kapitel: Die Rechtsbehelfe des Schuldners
gegen die zugrundeliegende Entscheidung bzw. die ausgestellte Bestätigung erheben kann. Ausgenommen von diesem Verbot sind lediglich Rechtsbehelfe, die nicht mit der Überprüfung der Entscheidung „in der Sache selbst“ einhergehen.74 Die Vollstreckungsrechtsbehelfe, die im Verfahrensrecht der einzelnen Mitgliedstaaten geregelt sind, gliedern sich prinzipiell in drei Gruppen: (1) Rechtsbehelfe, die sich gegen die Durchführung der Zwangsvollstreckung sowie die Einhaltung der Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsorgan richten; (2) Rechtsbehelfe, die auf Einwände gegen den Titel selbst gestützt werden und (3) Rechtsbehelfe, die Dritten zustehen, falls die Zwangsvollstreckung ihre Rechte beeinträchtigt.75 Die Rechtsbehelfe der ersten und dritten Gruppe sind im Lichte der EuVTVO unproblematisch. Sie betreffen nicht den Titel selbst. Zweifel entstehen nur im Falle von Rechtsbehelfen der zweiten Gruppe. Im Hinblick auf Art. 21 Abs. 2 EuVTVO können Einwände, die materiellrechtlichen Charakter haben, lediglich im Ursprungsmitgliedsstaat erhoben werden.76 Rechtsbehelfe, welche die materielle Kontrolle der Entscheidung ermöglichen, sind jedenfalls unzulässig.77 2. Die Verweigerung der Vollstreckung (Art. 21 EuVTVO) Art. 21 EuVTVO regelt die Verweigerung der Zwangsvollstreckung im Vollstreckungsmitgliedsstaat.78 Diese Vorschrift drückt das Prinzip ne bis in idem aus. Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag des Schuldners die Durchführung der Vollstreckung verweigern, wenn eine frühere Entscheidung zwischen denselben Parteien zum gleichen Streitgegenstand im Vollstreckungsstaat bereits ergangen ist bzw. die Voraussetzungen für die dortige Anerkennung erfüllt sind und die Unvereinbarkeit im gerichtlichen Verfahren des Ursprungsmitgliedstaats geltend gemacht worden ist oder nicht geltend gemacht werden konnte (Art. 21 Abs. 1 EuVTVO, § 1084 ZPO). Eine Nachprüfung der Entscheidung selbst bzw. der Bestätigung als EuVT im Vollstreckungsmitgliedstaat ist dann nicht zulässig (Art. 21 Abs. 2 ZPO). Über den Antrag auf Beschränkung oder Aussetzung der Zwangsvollstreckung gemäß Art. 23 EuVTVO entscheidet in Deutschland das Amts-
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Gerling, Gleichstellung, S. 125. Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 194. 76 Gerling, Gleichstellung, S. 125. 77 Gerling, Gleichstellung, S. 153; Harast, MoP 2007, Nr. 19, 1069, 1076. 78 In der Lehre geht man davon aus, dass diese Vorschrift eine Rolle als Ersatz für die nicht mehr vorhandene ordre-public-Kontrolle spielen kann. Stürner, RabelsZ 71 (2007), 597, 634. 75
C. Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der EuVTVO
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gericht als Vollstreckungsgericht (§ 1084 Abs. 1 S. 1 ZPO).79 Der Antrag nach Art. 21 EuVTVO ist in Polen in Form der Vollstreckungsabwehrklage zu stellen (Art. 8403 poln. ZVGB).80 Für die Einschränkung der Vollstreckbarkeit im Ausland ist in Polen Art. 8201 § 1 poln. ZVGB anwendbar. 3. Vereinbarung mit Drittländern (Art. 22 EuVTVO) Zur Vollstreckung aus einem EuVT kommt es dann nicht, wenn sie einer bestimmten völkerrechtlichen Vereinbarung mit einem Drittstaat widerspräche, nach welchem die Urteile gegen Beklagte jenes Drittstaates nicht vollstreckt werden, sofern die internationale Zuständigkeit des Ursprungsgerichts auf einer der exorbitanten Zuständigkeitsvorschriften beruht, die in Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ genannt sind.81 4. Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung (Art. 23 EuVTVO) Liegen die Voraussetzungen des Art. 23 EuVTVO vor, kann das Gericht auf Antrag des Schuldners entscheiden wie es weiter vorgeht. Die zuständige Stelle des Vollstreckungsmitgliedstaats hat ein eigenes Ermessen. Das Gericht kann weiter vollstrecken oder aber die Vollstreckung auf Sicherungsmaßnahmen beschränken, die Vollstreckung von der Leistung einer Sicherheit durch den Vollstreckungsgläubiger abhängig machen oder die Vollstreckung aussetzen. Die Aussetzung ist nur unter außergewöhnlichen Umständen zulässig. Art. 23 EuVTVO betrifft zwei Gruppen von Rechtsbehelfen, die der Schuldner im Ursprungsmitgliedstaat erheben kann.82 Dies sind einerseits Rechtsbehelfe, die sich gegen die Entscheidung wenden, die als EuVT bestätigt wurde, andererseits Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung des Titels als EuVT. In den einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten wurde die Frage, ob Entscheidungen über die Aussetzung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung angefochten werden können, unterschiedlich geregelt.83 Die Rechtsbehelfe der erstgenannten Art müssen – anders als im Falle der EuGVVO – nicht unbedingt den Charakter gewöhnlicher Rechtsbehelfe haben. Deswegen kommen hier auch außerordentliche Rechtsbe-
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Riedel, Grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung, Rn. 640 ff. Taborowski, IPRax 2007, 251, 245; Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 174 f. 81 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 199. 82 Harast, MoP 2007, Nr. 20, 1123, 1125. 83 Harast, MoP 2007, Nr. 20, 1129. 80
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3. Kapitel: Die Rechtsbehelfe des Schuldners
helfe in Frage, die im Ursprungsmitgliedstaat zur Aufhebung der Entscheidung führen können.84 Mangels Einschränkung in den Rechtsvorschriften dürfte die Beschwerde zum EGMR als Rechtsbehelf in Frage kommen.85 Die Aussetzung bietet jedoch keine Alternative zur Überprüfung im Vollstreckungsstaat, weil der EGMR dem Schuldner nicht den gleichen Grundrechtsschutz gewährt, der ihm im Vollstreckungsstaat zugutekäme, und weil die Rechtsfolge der Aussetzung nicht mit einem Rechtsbehelf gegen die Entscheidung in der Sache vergleichbar ist. Sie beseitigt nicht die Rechtskraft der Entscheidung.86 Auch im polnischen Schrifttum wird zum Teil vertreten, dass die Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK nicht als Rechtsbehelf gegen die als EuVT bestätigte Entscheidung im Sinne von Art. 23 EuVTVO zu betrachten sei. Art. 23 EuVTVO beziehe sich vielmehr auf die nationalen und die in der EuVTVO geregelten Rechtsbehelfe. 87 Die in Art. 23 EuVTVO gemeinten Anträge sind gemäß Art. 8202 poln. ZVGB vor Gericht zu stellen. Nicht immer lässt sich eindeutig feststellen, welchen Charakter die Rechtsbehelfe im Hinblick auf die Frage der Aussetzung im Verfahren haben.88 Insbesondere ist nicht eindeutig, wie das Rechtsmittel aus Art. 168 poln. ZVGB (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) zu beurteilen ist. Nach der EuGVVO ist dieses als außerordentliches Rechtsmittel anzusehen.89 Wird es eingereicht, findet ein Sonderverfahren statt.90 Ein Rechtsmittel dieser Art ist auch die Beschwerde gegen die Verletzung des Rechts auf Entscheidung in der Sache im Falle schuldhafter Säumnis.91 Diese Beschwerde ist schon im Laufe des Verfahrens zu erheben. Es ist indes nicht möglich, dass die Bestätigung der Entscheidung als EuVT zu diesem Zeitpunkt schon existiert.92 Sie kann daher nicht als 84 Harast, MoP 2007, Nr. 20, 1123, 1125; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 200. 85 So auch Rauscher, GPR 2003/04, 286, 292; McGuire, ecolex 2006, 83. A. A. z. B. Wagner, IPRax 2005, 189, 198; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuVTVO Rn. 4; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 201; Okońska, Europejski tytuł egzekucyjny – Polska jako państwo wykonania, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego 2007, 149, 169. 86 Gerling, Gleichstellung, S. 129. 87 Harast, MoP 2007, Nr. 20, 1126. 88 Zu den polnischen Rechtsbehelfen siehe auch Okońska, Europejski tytuł egzekucyjny – Polska jako państwo wykonania, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego 2007, 149, 169. 89 Ereciński/Ciszewski, Międzynarodowe postępowanie cywilne, S. 336 f. 90 Harast, MoP 2007, Nr. 20, 1123, 1125 f., die sich auf Krakowiak, Przegląd Prawa Egzekucyjnego 2005, Nr. 1–6, S. 26 beruft. 91 Harast, MoP 2007, Nr. 20, 1126. Siehe auch Góra-Błaszczykowska, MoP 2005, Nr. 11, 534–538. 92 Harast, MoP 2007, Nr. 20, 1126.
C. Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der EuVTVO
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Rechtsbehelf im Sinne der EuVTVO in Betracht kommen.93 Die Verfassungsbeschwerde des polnischen Rechts ist kein Rechtsmittel im hier beschriebenen Sinne.94 Diese Meinung hat sich in der polnischen Lehre unter Berufung auf die deutsche Rechtsprechung und Literatur etabliert.95 III. Rechtsschutz im Zwangsvollstreckungsverfahren nach deutschem und polnischem Recht 1. Deutsches Recht a) Zwangsvollstreckung aus einem EuVT nach deutschem Recht Bei der Umsetzung der EuVTVO ins deutsche Recht wurden die allgemeinen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung teilweise geändert, teilweise ergänzt.96 Sofern die EuVTVO es nicht anders vorschreibt, gelten für die Vollstreckung im Inland im Übrigen die allgemeinen deutschen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung.97 Die Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung, die als EuVT bestätigt worden ist, unterliegt den §§ 1082 ZPO i.V.m. Art. 20 Abs. 2 EuVTVO.98 Nationales Zwangsvollstreckungsrecht darf den Wertungen der Verordnung nicht widersprechen.99 Titel, die in anderen Mitgliedstaaten als EuVT bestätigt worden sind, sind im Inland zu vollstrecken, ohne dass es einer Vollstreckungsklausel bedarf (§ 1082 ZPO).100 Die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach den §§ 724, 725 ZPO ist entbehrlich, da die Bestätigung der ausländischen Entscheidung als EuVT und die hierüber gemäß Art. 9 EuVTVO auszustellende Bestätigung die Funktion der vollstreckbaren Ausfertigung übernimmt (Wirkungsverleihung).101 Die Bestätigung ersetzt daher die Vollstreckungsklausel.102 Der Gläubiger hat dem Vollstreckungsorgan in Deutschland eine Ausfertigung der Entscheidung und die Bestätigung als EuVT vorzulegen. Der Bestätigung ist ihre Übersetzung ins Deutsche bei-
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Harast, MoP 2007, Nr. 20, 1126. Okońska, Europejski tytuł egzekucyjny – Polska jako państwo wykonania, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego 2007, 149–169. 95 Harast, MoP 2007, Nr. 20, 1126. 96 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 145; Geimer, IZPR, Rn. 3196. 97 Wagner, IPRax 2005, 404; Gerling, Gleichstellung, S. 79. 98 Einige praktische Probleme bespricht Strasser, Rpfleger 2007, 249–251. 99 Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 32. 100 Wagner, IPRax 2005, 404; Gerling, Gleichstellung, S. 79. 101 Gerling, Gleichstellung, S. 78; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 145. 102 Schuschke/Walker/Jennisen, ZPO, § 1082 Rn. 1. 94
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3. Kapitel: Die Rechtsbehelfe des Schuldners
zufügen.103 Der Gerichtsvollzieher ist auch im Falle der Vollstreckung aus dem EuVT prinzipiell zuständiges Vollstreckungsorgan, soweit das Gesetz diese Aufgabe nicht einem anderen Organ überträgt (§ 753 Abs. 1 ZPO). 104 b) Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren aus dem EuVT nach deutschem Recht Die Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der ZPO sollen dem Schuldner einen effektiven Rechtsschutz gegen beeinträchtigende, rechtswidrige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen garantieren.105 Sie teilen sich in zwei Gruppen: (1) Rechtsbehelfe, mit denen formelle Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung und gegen die Durchführung des Zwangsvollstreckungsverfahrens erhoben werden und (2) Rechtsbehelfe, mit welchen materielle Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit der Entscheidung geltend gemacht werden.106 Die materielle Kontrolle des Titels selbst ist ausgeschlossen. Bei der Zwangsvollstreckung aus einem EuVT ist die Möglichkeit des Schuldners, Rechtsmittel zu erheben, sehr beschränkt. Auf die Frage der Zulässigkeit und Wirkungen der Vollstreckungsgegenklage wird im Folgenden noch einzugehen sein. § 1085 ZPO regelt die Einstellung des Verfahrens im Falle der Zwangsvollstreckung aus einem EuVT in Deutschland.107 Die Klage auf Abänderung des ausländischen Ersturteils ist auf die Fälle beschränkt, in denen die deutschen Gerichte international zuständig sind. Daher kann dies im Falle des EuVT in Deutschland nicht in Frage kommen. Die Erinnerung nach § 732 ZPO und die Klage wegen Unzulässigkeit der Klauselerteilung gemäß § 768 ZPO sind aufgrund von § 1081 ZPO i.V.m. Art. 10 Abs. 4 EuVTVO nicht anwendbar.108 Der Rechtsbehelf der Erinnerung gegen die Vollstreckung eines EuVT ist in Deutschland zwar möglich.109 Die Voll103 Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 401. Zur Erforderlichkeit der Übersetzung siehe OGH, JBl. 2007, 735, 738; Franzmann, MittBayNot 2005, 470, 474; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rn. 177; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 460. 104 Zu den zuständigen Organen in der Vollstreckung siehe Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 146 und die dort zitierte Literatur. 105 Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1159; Zembrzuski, Pal. 2006, Nr. 910, 29. 106 Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 162. Georganti weist auch darauf hin, dass bei diesen zwei Gruppen auch die Zuständigkeit des Gerichts unterschiedlich geregelt wird, da im ersten Fall das Vollstreckungsgericht, im zweiten Fall das Prozessgericht zuständig ist. 107 Schuschke/Walker/Jennissen, ZPO, § 1085 Rn. 1 ff. 108 Gerling, Gleichstellung, S. 144 f. 109 Gerling, Gleichstellung, S. 145; Wagner, IPRax 2005, 401, 405.
C. Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der EuVTVO
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streckungserinnerung betrifft aber nur formelle Mängel. Mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO ist eine Überprüfung der Entscheidung in der Sache nicht möglich.110 Weiterhin ist die Drittwiderspruchsklage gegen den Titel, der als EuVT bestätigt wurde, nicht zulässig.111 Die EuVTVO schließt die Vollstreckungsabwehrklage nicht aus, ihre Zulässigkeit ist aber immer noch umstritten. Einige Autoren vertreten die Auffassung, dass die Möglichkeit der Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage im nationalen Recht gegen die Regelung des Art. 21 EuVTVO verstößt.112 Die herrschende Meinung betrachtet sie allerdings als zulässig.113 Die im deutschen Recht vorgesehene Möglichkeit, Vollstreckungsabwehrklage gegen den EuVT zu erheben, verstoße nicht gegen Art. 21 Abs. 2 EuVTVO, weil sie gemäß Art. 20 Abs. 1 EuVTVO dem von der Verordnung nicht geregelten Vollstreckungsrecht angehört.114 Dieser Meinung hat sich auch der deutsche Gesetzgeber angeschlossen. Die Vollstreckungsabwehrklage gegen den EuVT regelt § 1086 Abs. 1 ZPO.115 Die Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Vollstreckung aus einem EuVT setzt die Vollstreckung in Deutschland und die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte voraus.116 Der Schuldner kann damit in Deutschland nicht präkludierte materielle Einwendungen erheben,117 insbesondere solche, für die ordentliche und außerordentliche Rechtsbehel-
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Gerling, Gleichstellung, S. 155. Gerling, Gleichstellung, S. 146. 112 Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 461; Hök, ZAP 2005, 159, 176; Riedel, Europäischer Vollstreckungstitel, S. 31; Halfmeier, IPRax 2007, 381, 386 f.; Frische, Verfahrenswirkung und Rechtskraft gerichtlicher Vergleiche, S. 213 f.; Hess, IPRax 2004, 493, 494. Siehe auch Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 10, Rn. 24 ff. 113 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 20 EG-VollstrTitelVO Rn. 36; Wagner, NJW 2005, 1157, 1160; Hüßtege, FS Jayme, 2004, 371, 384; Coester-Waltjen, Jura 2005, 394, 397. Zum polnischen Recht Okońska, Europejski tytuł egzekucyjny – Polska jako państwo wykonania, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego 2007, 149, 174. 114 Gerling, Gleichstellung, S. 154. 115 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 20 EuVTVO, Rn. 13; Gerling, Gleichstellung, S. 154 Fn. 513; Geimer, IZPR, Rn. 3198; Zöller/Geimer, ZPO, § 1086, Rn. 1. 116 Siehe Gerling, Gleichstellung, S. 154. Zum Teil wird diese Vorschrift als Regelung der örtlichen Zuständigkeit – am Sitz des Schuldners oder eventuell am Vollstreckungsort – betrachtet. Die internationale Zuständigkeit regelt in diesem Fall Art. 22 Nr. 5 EuGVVO, siehe: Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 20 EuVTVO, Rn. 12; Musielak/Lackman, ZPO, § 1086, Rn. 1; Zöller/Geimer, ZPO, § 1086, Rn. 3. Nach der Gegenansicht lässt § 1086 Abs. 1 ZPO keine materiellen Einwendungen im Vollstreckungsstaat zu, wodurch diese Vorschrift keine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Vollstreckungsgegenklage begründen kann. Im Ergebnis sei diese Vorschrift wirkungslos. Halfmeier, IPRax 2007, 381, 387. 117 Gerling, Gleichstellung, S. 155. 111
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3. Kapitel: Die Rechtsbehelfe des Schuldners
fe ausgeschlossen sind und die erst nach dem Erlass des Titels entstanden sind.118 2. Polnisches Recht a) Zwangsvollstreckungsverfahren aus einem EuVT nach polnischem Recht Die Regelungen über das Zwangsvollstreckungsverfahren119 aus einem EuVT befinden sich hauptsächlich im Dritten Titel des poln. ZVGB über die „Vollstreckbarkeit von Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, von Vergleichen, die von solchen Gerichten geschlossen oder durch diese bestätigt wurden sowie von öffentlichen Urkunden, die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erstellt worden sind und denen dort ein Europäischer Vollstreckungstitel erteilt wurde.“120 Das EuVTVO-Durchführungsgesetz hat in das poln. ZVGB zwei neue Vorschriften eingeführt. Die bisher vorgesehenen Vollstreckungsregeln wurden vereinfacht,121 beispielsweise entscheiden über die Vollstreckbarkeit drei Berufsrichter in einer mündlichen Verhandlung.122 Die Vorschriften über die Vollstreckung ausländischer Titel, die als EuVT bestätigt worden sind, wurden an verschiedenen Stellen in das Gesetz eingefügt. Art. 11532 poln. ZVGB wurde in die Regelungen des IZPR (Vierter Teil des poln. ZVGB) eingefügt. Zudem wurde ein neuer Titel III aufgenommen.123 b) Die polnische Vollstreckungsklausel für ausländische EuVT In manchen europäischen Rechtsordnungen wurde ein nationales Verfahren zur Erteilung der Vollstreckungsklausel oder anderer Vollstreckungszulassung vorgesehen.124 Ein solches Verfahren kann allerdings nicht als 118
Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 175. Den Begriff erläutert Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 7. 120 „Wykonalność orzeczeń sądów państw członkowskich Unii Europejskiej, ugód zawartych przed takimi sądami lub zatwierdzonych przez takie sądy oraz dokumentów urzędowych sporządzonych w tych państwach, opatrzonych zaświadczeniem europejskiego tytułu egzekucyjnego.” 121 Grundlage der Zwangsvollstreckung ist im polnischen Recht prinzipiell der aus dem vollstreckbaren Titel und der Vollstreckungsklausel bestehende Vollziehungstitel. Siehe Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 2 122 Schubert-Panecka, Die Europäisierung des Zivilverfahrensrechts in Polen, S. 49 f. 123 Taborowski, IPRax 2007, 250, 251, Fn. 9. 124 Beispielsweise bedarf es der Vollstreckungsklausel für die inländische Zwangsvollstreckung aus einem ausländischen EuVT in Italien. Harast, MoP 2007, Nr. 19, 1069, 1070 f. Siehe auch Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 155 f. (zu Österreich S. 159). 119
C. Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der EuVTVO
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Ersatz des Vollstreckbarerklärungsverfahrens angesehen werden.125 Regelungen dieser Art sind auch dem polnischen Recht bekannt. Der Vollstreckungstitel, der in Polen die Grundlage der Zwangsvollstreckung bilden kann, entsteht auch im Fall eines ausländischen EuVT erst mit der Erteilung der Vollstreckungsklausel nach polnischem Recht. Nach Art. 11531 und 11532 poln. ZVGB sind Entscheidungen von Gerichten der EUMitgliedstaaten, Vergleiche, die von solchen Gerichten geschlossen oder durch diese bestätigt wurden, sowie öffentliche Urkunden, die in den EUMitgliedstaaten erstellt worden sind und dort durch einen EuVT bestätigt wurden, Vollstreckungstitel und werden in Polen nach Erteilung der Vollstreckungsklausel vollstreckt. Die Vollstreckungsklausel für diese Titel wird durch das Rayonsgericht, das nach den Art. 27 bis 30 poln. ZVGB zuständig ist, und wenn dieses nicht feststellbar ist, durch das Rayonsgericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung einzuleiten ist, erteilt (Art. 11542 poln. ZVGB). Gegen die Vollstreckungsklausel ist die Beschwerde statthaft. Das Zwangsvollstreckungsverfahren wird in Polen grundsätzlich auf Antrag des Gläubigers eingeleitet126 (Art. 796 poln. ZVGB), wobei der Vollziehungstitel beizufügen ist (Art. 797 S. 2 poln. ZVGB). Das Vollstreckungsorgan127 vollstreckt auf Grundlage des sog. Vollziehungstitels. Die Überprüfung des Bestehens oder der Durchsetzbarkeit des Titels ist unzulässig.128 Nach Art. 776 poln. ZVGB besteht der Vollziehungstitel, der nach Art. 776 poln. ZVGB grundsätzlich die Grundlage der Zwangsvollstreckung129 bildet, aus zwei Elementen: dem vollstreckbaren Titel und der Vollstreckungsklausel.130 Gemäß Art. 783 § 3 poln. ZVGB ist die Vollstreckungsklausel ein Teil des Vollstreckungstitels. Das polnische Gesetz enthält keine Definition des Begriffs der Vollstreckungsklausel. In der Literatur wird sie als ein vom Gericht erlassener Akt bezeichnet, der bestätigt, dass der Titel zur Zwangsvollstreckung berechtigt. Die Klausel bestimmt den Umfang der Zwangsvollstreckung.131 Die Klausel an sich stellt keinen Rechtsakt dar, sondern beruht auf einem Rechtsakt in Form eines Ge125
Okońska, Rejent 2007, Nr. 2 (190), 90, 118. Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 12. 127 Für die Durchführung der Zwangsvollstreckung sind prinzipiell die Gerichtsvollzieher zuständig (Art. 758 poln. ZVGB) und nur ausnahmsweise die Rayonsgerichte als Vollstreckungsgerichte. 128 Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 13. 129 Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 31 f. 130 Zur Frage der Titel, die für die Vollstreckung keiner Vollstreckungsklausel bedürfen, siehe Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 228 ff. 131 Marciniak, Podstawa egzekucji, S. 125. 126
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3. Kapitel: Die Rechtsbehelfe des Schuldners
richtsbeschlusses. Sie ist als ein aufgrund eines Gerichtsbeschlusses auf dem vollstreckbaren Titel angebrachter Vermerk zu betrachten.132 Erfüllt der Antrag auf die Erteilung der Klausel alle Formalitäten, so beraumt der Vorsitzende einen Sitzungstermin zur Prüfung der Voraussetzungen der Klauselerteilung an. Das Gericht prüft, ob der Antrag zulässig und begründet ist.133 Über die Klauselerteilung entscheidet ein Einzelrichter (Art. 782 S. 1 poln. ZVGB). Das Gericht entscheidet über die Klausel in Form eines Beschlusses (Art. 766 S. 2 poln. ZVGB). 134 Der Beschluss muss den Parteien nicht zugestellt werden. Ausnahmsweise erlässt das Gericht die Klausel von Amts wegen.135 Die Sitzung ist nicht-öffentlich (Art. 766 S. 1 poln. ZVGB) und erfolgt prinzipiell ohne Anhörung.136 Die Zulässigkeit der Anhörung liegt außer in den im Gesetz normierten Fällen allerdings im Ermessen des Richters. Die Überprüfung des Gerichts bezieht sich zuerst auf die allgemeinen Prozessvoraussetzungen. Das Gericht prüft die polnische Gerichtsbarkeit, den Rechtsweg, die Zuständigkeit des Gerichts und die Parteifähigkeit. Zu überprüfen ist weiter, ob eine Zwangsvollstreckung aus dem Titel gegen den Antragsgegner zugunsten des Antragstellers in Betracht kommt.137 Nach Art. 7811 poln. ZVGB hat das Gericht den Antrag auf Klauselerteilung unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Tagen zu überprüfen. Die Frist hat den Charakter einer Instruktionsfrist, weshalb die Fristversäumung keine Folgen nach sich zieht. In der Praxis wird sie meistens nicht eingehalten.138 Das Klauselerteilungsverfahren verläuft oft allzu langwierig. Daraus ergeben sich erhebliche Verzögerungen bei der Durchsetzung von Forderungen im Wege der gerichtlichen Zwangsvollstreckung.139 Eine nationale Vollstreckungsklausel wirkt innerhalb des betroffenen Staates. Im Falle des EuVT bewirkt die Bestätigung als EuVT, dass der Titel die Vollstreckbarkeit auch für alle anderen Mitgliedstaaten erlangt. Dass für die Zwangsvollstreckung in Polen eine Vollstreckungsklausel notwendig ist, führt zu vielen Fragen.140 Prinzipiell geht es darum, ob die Einführung der polnischen Vollstreckungsklausel mit der EuVTVO in Ein132
Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 261. Wengerek, in: Jodłowski (Hrsg.), 335 ff., 367 ff. 134 Poln: postanowienie o nadaniu klauzuli wykonalności. 135 Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 354. 136 Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 282. 137 Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 283. 138 „Wie kaum anders zu erwarten, wird diese Frist tatsächlich so gut wie nie eingehalten.“ Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 344. 139 Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 368. 140 Siehe insbesondere Weitz, in: Wróbel (Hrsg.), Stosowanie prawa Unii Europejskiej przez sądy, 637–640; Arkuszewska, PPH 2006, Nr. 2, 41, 45. 133
C. Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der EuVTVO
205
klang steht.141 Die Verordnung zielt nämlich darauf ab, alle Zwischenmaßnahmen, die zuvor zum Zwecke der Zwangsvollstreckung im europäischen Ausland notwendig waren, aufzuheben, um einen beschleunigten und kostengünstigeren Forderungseinzug zu ermöglichen.142 Die teleologische Auslegung der EuVTVO ergibt, dass alle nationalen Regelungen, die zusätzliche Schritte zum Zweck der Vollstreckung aus einem ausländischen EuVT vorsehen, gemeinschaftsrechtswidrig sind. Dies dürfte auch für das im polnischen Recht vorgesehene zusätzliche Klauselerteilungsverfahren gelten. M. E. sollte das polnische nationale Verfahren zur Erteilung der Vollstreckungsklausel für einen im Ausland ergangenen EuVT abgeschafft werden. Der Gemeinschaftsgesetzgeber führte das Institut des EuVT ein, um die schnelle und günstige Zwangsvollstreckung innerhalb der EU zu ermöglichen. Alle zusätzlichen Verfahrensschritte laufen diesem Ziel zuwider. Zwar erfolgt die Erteilung der Vollstreckungsklausel fast automatisch. Allerdings sind aus der neuesten Praxis Fälle bekannt, in denen es sogar bis zu zwei Monaten dauert, bis die Klausel ergeht. Für den ausländischen Gläubiger bedeutet dies ein unbegründetes Hindernis. Auch im Hinblick auf den Schutz der Grundrechte des Vollstreckungsschuldners ist das polnische Vollstreckungsklauselerteilungsverfahren ohne Bedeutung. Die Vorschriften über die Notwendigkeit der Vollstreckungsklausel für die Zwangsvollstreckung aus Titeln, die in den einheitlichen europäischen Verfahren ergingen, sind ebenfalls als eine gegen die Zielsetzung des Gemeinschaftsrechts verstoßende Regelung zu bewerten. Das Klauselerteilungsverfahren sollte in diesen Fällen aufgehoben werden.143
141
Das nationale Verfahren, das der Gläubiger vor Beginn der Zwangsvollstreckung durchlaufen muss, stellt in der Tat nur eine Formalie dar und erfolgt fast automatisch. Der Vollstreckungstitel unterliegt keiner Kontrolle materieller Art. Nachdem der Gläubiger den Antrag gestellt hat, stellt das Gericht die Vollstreckungsklausel aus. Die Überprüfung im Rahmen des polnischen Klauselerteilungsverfahrens bezieht sich nur auf die formellen Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit eines Titels. 142 Zum Teil wird vertreten, dass das Exekutionsbewilligungsverfahren nach österreichischem Recht ebenfalls gegen die EuVTVO verstoße. Siehe Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 160. 143 Ein zusätzliches Argument gegen die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel ist, dass sich Art. 20 Abs. 2 EuVTVO, der regelt, welche Dokumente der Gläubiger dem vollstreckenden Organ vorlegen muss, auf eine Ausfertigung der Entscheidung, die Ausfertigung der Bestätigung als EuVT und gegebenenfalls die Übersetzung der Bestätigung bezieht. Die Vollstreckungsklausel wird dabei nicht erwähnt, siehe Okońska, Europejski Tytył Egzekucyjny – Polska jako państwo wykonania, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 2007, 149, 155.
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3. Kapitel: Die Rechtsbehelfe des Schuldners
c) Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren aus einem EuVT nach polnischem Recht Im polnischen Zwangsvollstreckungsverfahren sind als gewöhnliche Rechtsbehelfe die Beschwerde gegen den gerichtlichen Beschluss (Art. 7674 poln. ZVGB) und vier andere Rechtsbehelfe, die besonderen Charakter haben, vorgesehen: die Erinnerung gegen Maßnahmen des Gerichtsvollziehers144 (Art. 767 poln. ZVGB), die Vollstreckungsabwehrklage (Art. 840 ff. poln. ZVGB), die Drittwiderspruchsklage (Art. 841 poln. ZVGB)145 und Einwände gegen den Verteilungsplan des in der Zwangsvollstreckung gewonnenen Betrags146 (Art. 1027 §§ 2 f. poln. ZVGB). Das poln. ZVGB regelt, wann das Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag auszusetzen (Art. 818 ff. poln. ZVGB) oder einzustellen ist (Art. 823 ff. poln. ZVGB). Die Beschwerde gegen den gerichtlichen Beschluss kann nur dann geltend gemacht werden, wenn das Gesetz diese ausdrücklich zulässt (Art. 7674 § 1 poln. ZVGB). Die gerichtlichen Beschlüsse gliedern sich in mehrere Gruppen.147 Zur ersten Gruppe gehören Beschlüsse, die aufgrund von Klagen gegen Handlungen des Gerichtsvollziehers oder aufgrund von Einsprüchen erlassen werden.148 Zur zweiten Gruppe gehören die selbstständig vom Gericht erlassenen Beschlüsse.149 Zur letzten Gruppe gehören Beschlüsse, die sowohl aufgrund einer Beschwerde gegen Handlungen des Gerichtsvollziehers oder auch selbstständig vom Gericht erlassen werden können.150 In Bezug auf die Bestätigung als EuVT wurden Beschwerden gegen drei Arten von Beschlüssen geregelt. Erstens kann Beschwerde gegen den Beschluss über die Verweigerung der Bestätigung (Art. 7953 § 2 poln. 144
Poln.: skarga na czynności komornika. Schlichte, Die Grundlage der Zwangsvollstreckung im polnischen Recht, S. 13. 146 Poln.: zarzuty przeciwko planowi podziału sumy uzyskanej z egzekucji. 147 Arkuszewska, PPH 2006, Nr. 6, 41, 43. 148 Z. B. Art. 768, Art. 770, Art. 839 § 2, Art. 859, Art. 870 § 2, Art. 946 § 2, Art. 950, Art. 1028 § 3 poln. ZVGB. 149 Z. B. Art. 773 § 4, Art. 795 § 1, Art. 807, Art. 852 § 3, Art. 873, Art. 908 § 1, Art. 915 § 3, Art. 969 § 1, Art. 997, Art. 998 § 2, Art. 1037 § 1, Art. 1049 § 1, Art. 1055 poln. ZVGB. 150 Z. B. Art. 828 poln. ZVGB. Außerdem sind Beschwerden dann zulässig, wenn die allgemeinen Regeln es vorsehen. Siehe dazu Art. 394 § 1 i.V.m. Art. 13 § 2 poln. ZVGB. Es handelt sich um Beschlüsse, die das Verfahren beenden, sowie – unter bestimmten Voraussetzungen – um Beschlüsse und Anordnungen des Vorsitzenden. In der Rechtsprechung geht man bezüglich des Zwangsvollstreckungsverfahrens davon aus, dass nicht nur die Beschlüsse, die direkt über den Abschluss des Verfahrens entscheiden, anfechtbar sind, sondern auch diese, die indirekt (mittelbar) das Verfahren beenden, wie insbesondere die Abweisung der Beschwerde gegen die Handlungen des Gerichtsvollziehers. Siehe Arkuszewska, PPH 2006, Nr. 6, 41, 43. 145
C. Rechtsbehelfe im Zwangsvollstreckungsverfahren nach der EuVTVO
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ZVGB)151 eingereicht werden. Zweitens ist die Beschwerde gegen die Aufhebung der Bestätigung (Art. 7954 § 5 poln. ZVGB) und drittens gegen den Beschluss über die Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit bzw. der Begrenzung der Vollstreckbarkeit eines Titels, der als EuVT bestätigt worden ist (Art. 7955 § 2 poln. ZVGB),152 zulässig. Das poln. ZVGB enthält keine besonderen Regelungen über das Berufungsverfahren im Rahmen der Zwangsvollstreckung. Daher sind die allgemeinen Vorschriften anwendbar.153 Die Frist für die Antragstellung beträgt eine Woche ab dem Tage der Zustellung des Beschlusses bzw. ab der Ankündigung. Zudem muss die Beschwerde die Voraussetzungen für einen Prozessschriftsatz und weitere Voraussetzungen hinsichtlich Form und Inhalt erfüllen (Art. 394 § 3 poln. ZVGB). Zuständig ist das Gericht der ersten Instanz, das den Beschluss erlassen hat. Der Vorsitzende überprüft, ob die formellen Voraussetzungen vorliegen und ob die Beschwerde zulässig ist. Er ordnet die Zustellung einer Abschrift des Beschlusses an die gegnerische Partei an. Diese kann auf die Beschwerde vor dem Gericht der zweiten Instanz erwidern, was der Verteidigung dient.154 Rügt die Beschwerde die Ungültigkeit des Verfahrens oder ist sie offensichtlich begründet,155 so kann das Gericht, das den angefochtenen Beschluss erlassen hat, in einer Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit den Beschluss aufheben und in der Sache wieder verhandeln. Die Einlegung der Beschwerde verhindert nicht die Vollstreckung der Beschlüsse. Dafür wäre ein Antrag der Partei, die den Rechtsbehelf erhoben hat, notwendig. Gegen die Entscheidung des Gerichts der zweiten Instanz im Beschwerdeverfahren ist die Kassationsbeschwerde nicht statthaft (Art. 7674 § 2 poln. ZVGB). Die Bestätigung als EuVT im Ursprungsmitgliedstaat bewirkt, dass gegen diesen genauso wie gegen inländische Vollstreckungstitel nach der lex fori Vollstreckungsabwehrklage erhoben werden kann. Im Beschluss vom 25.5.1987156 stellte das OG fest, dass gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel die Beschwerde nicht statthaft ist. In der Beschwerde gegen die Vollstreckungsklausel kann der Schuldner jedoch Einwände gegen die Existenz der Forderung erheben. Materiell-rechtliche Einwände können
151
Die Beschwerde kann dann durch den Gläubiger eingereicht werden. Arkuszewska, PPH 2006, Nr. 6, 41, 43. 153 Gemäß Art. 397 § 2 poln. ZVGB kommen hier die Regeln über die Appellation in Betracht. 154 Arkuszewska, PPH 2006, Nr. 6, 41, 44. 155 Zu diesem Begriff siehe OG, Beschl. v. 23.4.1993 (III CZP 43/93), OSNCP 1993/12, Pos. 214. 156 OG, Beschl. v. 25.5.1987, II CZ 73/87. Nach Harast, MoP 2007, Nr. 19, 1069, 1071. 152
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3. Kapitel: Die Rechtsbehelfe des Schuldners
nur im Wege der Vollstreckungsabwehrklage (powództwo opozycyjne), nicht aber im Klauselverfahren erhoben werden.157 Alle sonstigen Rechtsbehelfe, die dem Schuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren nach polnischem Recht zustehen, können auch gegen einen EuVT, der Grundlage einer Zwangsvollstreckung in Polen ist, gerichtet werden. Das Zwangsvollstreckungsverfahren kann nach polnischem Recht sowohl begrenzt als auch ausgesetzt werden. Das Gesetz regelt die Aussetzung und Verweigerung des Zwangsvollstreckungsverfahrens aus einem EuVT, wenn der Schuldner über eine Bescheinigung über die Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung verfügt (Art. 8201–8202, Art. 825 Nr. 5, Art. 8403 poln. ZVGB). Ist der EuVT nicht mehr vollstreckbar, hat der Schuldner das Recht, einen Antrag auf Bestätigung des Verlustes der Vollstreckbarkeit im Vollstreckungsstaat zu stellen. Infolgedessen darf der Schuldner die Einstellung der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher im Vollstreckungsmitgliedstaat beantragen (Art. 825 Nr. 5 poln. ZVGB). Auch die Vollstreckungsabwehrklage ist nach dem polnischen Recht zulässig. Dabei kann die polnische Vollstreckungsabwehrklage (Art. 840 ff. poln. ZVGB) ebenfalls nicht auf materielle Einwendungen gestützt werden.158
D. Zwischenergebnis zu Kapitel 3 D. Zwischenergebnis zu Kapitel 3
Im Unterschied zu den Vorschriften über die Vollstreckbarerklärung lässt die EuVTVO keine Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung als EuVT zu. Nur zwei Rechtsbehelfe sind normiert: Ausnahmsweise stehen dem Schuldner die Berichtigung oder der Widerruf zu. Zum Teil wird der Widerruf der Bestätigung unter Berücksichtigung der Verordnungsziele als verhältnismäßiger Schutz des Beklagten bzw. Vollstreckungsschuldners vor richterlichen Fehlern bei der Ausstellung des Europäischen Vollstreckungstitels angesehen.159 Die Analyse der Regelung der EuVTVO sowie der deutschen und polnischen Durchführungsvorschriften führt allerdings zu einem anderen Ergebnis. Die Einschränkung der Rechtsbehelfe des Schuldners in der EuVTVO geht zu weit.160
157
Harast, MoP 2007, Nr. 19, 1069, 1071. Wengerek, Przeciwegzekucyjne powództwa dłużnika (powództwa opozycyjne), S.10, Okońska, Europejski tytuł egzekucyjny – Polska jako państwo wykonania, Problemy Prawa Prywatnego Międzynarodowego, 2007, 149, 174. 159 So auch Gerling, Gleichstellung, S. 123. 160 So auch Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 127. 158
D. Zwischenergebnis zu Kapitel 3
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Die Regelungen der EuVTVO zur Berichtigung und zum Widerruf der Bestätigung sind an vielen Stellen unzureichend. Insbesondere ist wiederum die Frage der Zuständigkeit des Organs nicht ausreichend geregelt, um die Prozessrechte des Schuldners zu gewährleisten. Die Regelung dieser Frage gehört in erster Linie zu den Kompetenzen des nationalen Gesetzgebers. Die Rechtsbehelfe der EuVTVO, die sich gegen den EuVT richten, können die unzureichende Gewährleistung der Verfahrensrechte des Beklagten in der Einlassungsphase nicht ausgleichen. Die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs im Rechtsbehelfsverfahren kann nicht mit der Möglichkeit einer effektiven Verteidigung von Beginn an gleichgestellt werden. Außerdem bedeutet die Erhebung eines Rechtsbehelfs für den Vollstreckungsschuldner eine prozessuale Last. Die fehlende Gleichwertigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten nach Klagezustellung einerseits und nach Erlass eines Versäumnisurteils andererseits ist auch eine Frage der effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten. Effektiver ist für den Beklagten der Rechtsschutz im Stadium der Verfahrenseinleitung vor Erlass eines Versäumnisurteils. Im Hinblick auf Sinn und Zweck der EuVTVO erscheint es nicht angemessen, den Beklagten auf die Möglichkeit nachträglichen rechtlichen Gehörs zu verweisen. Insbesondere bezweckt die EuVTVO nicht das Erzielen eines Überraschungseffekts zugunsten des Klägers, der eine Verlagerung auf den nachträglichen Rechtsschutz rechtfertigen könnte. Auch aufgrund ihrer Ausgestaltung können die Rechtsbehelfe, die sich nach der EuVTVO gegen den EuVT richten, die unzureichende Gewährleistung der Verfahrensrechte des Beklagten in der Einlassungsphase nicht kompensieren. Die Voraussetzungen der nach der EuVTVO zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe gegen den EuVT sind in der Verordnung sehr eng gefasst. In der Zwangsvollstreckung aus dem EuVT stehen dem Schuldner bestimmte Rechtsbehelfe zu, die prinzipiell dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten unterliegen, da das nationale Recht als lex fori die maßgebliche Rechtsordnung für Fragen des Verfahrens darstellt. Die nationalen Rechtsbehelfe können jedoch nur in sehr beschränktem Umfang materielle Einwände gegen den Titel selbst betreffen.
Kapitel 4
Die unzureichende Gewährleistung des Rechts des Vollstreckungsschuldners auf rechtliches Gehör in den Regelungen der EuVTVO: Kritische Würdigung A. Die unzureichende Gewährleistung des Rechts des Vollstreckungsschuldners auf rechtliches Gehör in der EuVTVO A. Die unzureichende Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör
I. Begründung im Zusammenhang mit der Struktur des Bestätigungsverfahrens Die Aufhebung des Exequaturs und die Verschiebung der Prüfungskompetenzen bewirken die Zulässigkeit der Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung ohne die Möglichkeit der zweitstaatlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens, in welchem sie erlassen wurde. Selbst wenn in der Einlassung auf das Verfahren das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt wurde, hat der Vollstreckungsstaat die Vollstreckung eines EuVT durchzuführen. Die Verschiebung der Zuständigkeit für die Vollstreckbarerklärung eines Titels zur Vollstreckung im Ausland in den Erststaat könnte daher zu einer Grundrechtsverletzung führen.1 Die Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung, die den Schuldner in seinen Grundrechten beeinträchtigt, stellt eine neuerliche Grundrechtsverletzung dar.2 Diese Regel bezieht sich auch auf die rein nationale Vollstreckung. Auch im Falle der Auslandsvollstreckung kann man die Vollstreckung aus einem Titel, der das Recht auf rechtliches Gehör verletzt, als Perpetuierung des Grundrechtseingriffes qualifizieren.3 Verpflichtet die EuVTVO die Mitgliedstaaten zur Vollstreckung solcher Entscheidungen, bewirkt sie eine
1
Siehe dazu Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 364. Die Perpetuierung einer Grundrechtsverletzung im Vollstreckungsstaat durch die Vollstreckung einer unter Verletzung der Grundrechte ergangenen Entscheidung wurde auch in der Rechtsprechung des EGMR mehrfach festgestellt. Siehe dazu EGMR, Urteil v. 20.7.2001, A. Nr. 30882/96, Pellegrini ./. Italien, Series A Vol. 240; EGMR, Urteil v. 26.6.1992, A. Nr. 1274/87, Drozd und Janousek ./. Frankreich und Spanien, Slg. 2005 VIII, 353 ff.; Becker, Grundrechtsschutz bei Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 176; Okońska, Rejent 2007, Nr. 2 (190), 90, 95. 3 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 5 EG-VollstrTitelVO Rn. 16. 2
A. Die unzureichende Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör
211
Grundrechtsverletzung4 und ist dann selbst grundrechtsverletzend. Nicht relevant ist dabei, ob die Grundrechtsverletzung darin liegt, dass das Verfahren rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügte oder die Entscheidung inhaltlich grundrechtswidrig war.5 Nimmt man an, dass die Durchführung der Zwangsvollstreckung eines ausländischen Titels, der unter Verletzung des rechtlichen Gehörs erging, grundrechtsverletzend ist, so ist der Akt der Vollstreckbarerklärung bzw. der Bestätigung als EuVT ebenfalls als Grundrechtsverletzung zu qualifizieren. Ein Beispiel aus der Praxis, das dieses Problem aufzeigt, ist der Fall Krombach,6 in welchem die Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten festgestellt wurde. Frankreich hatte als Vollstreckungsstaat, in dem die Vollstreckbarerklärung erlassen wurde, ein menschenrechtswidriges Urteil für vollstreckbar erklärt. Aufgrund des EuVT wäre die Bestätigung und sodann die Vollstreckung dieses Urteils ein erneuter Grundrechtseingriff gewesen. II. Die Gleichwertigkeit der Rechtsschutzstandards in den Mitgliedstaaten – das Vertrauensprinzip 1. Das Grundkonzept Die rechtpolitische Prämisse, auf welcher die EuVTVO basiert, ist die Gleichwertigkeit der Zivilgerichtsbarkeiten aller Mitgliedstaaten der Union. Das gegenseitige Vertrauen in die gleichwertige Rechtspflege erlaubt es, Gerichtsentscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten ohne jede Prüfung wie inländische zu behandeln.7 Insbesondere wurde in Art. 5 EuVTVO der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in die ordnungsgemäße Rechtspflege der anderen Mitgliedstaaten auf die Spitze getrieben.8 Das gegenseitige Vertrauen in eine gleichwertige Rechtspflege in den EU-Mitgliedstaaten wird als eine EU-weit vereinheitlichte und hinreichend bestimmte Tonorientierung bezeichnet, welche die Implementierung des ausländischen Titels überflüssig macht.9 Dieses Prinzip soll einen Eckpfeiler der justiziellen Zusammenarbeit sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen darstellen.10
4
Dies verneinend Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 370 f. Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 362. 6 EuGH, Urteil v. 28.3.2000 – Rs. C-7/98, Slg. 2000, I-1935, I-1967 Rn. 30 – Krombach ./. Bamberski. 7 Stadler, IPRax 2004, 2, 5. 8 Siehe dazu Mankowski, FS Kropholler, 2008, 829, 832; Freitag, JbJZRWiss 2004, 399, 408. 9 Hess, JZ 2001, 573, 582. Siehe auch Wagner, IPRax 2002, 75, 88. 10 Die Frage des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens in die gleichwertige Rechtspflege der Mitgliedstaaten wurde vom EuGH in seiner Rechtsprechung mehrmals angesprochen. Siehe z. B. EuGH, Urteil v. 27.4. 2004, Turner ./. Grovit, Rs. C-159/02, 5
212
4. Kapitel: Kritische Würdigung
2. Kritik der Lehre In der Literatur ist diese Begründung auf heftige Kritik gestoßen.11 Die Behauptung, dass der Systemwechsel aufgrund des gegenseitigen Vertrauens in die Standards der Rechtspflege der Mitgliedstaaten gerechtfertigt sei, wurde zurückgewiesen.12 Es sei vielmehr zweifelhaft, ob aufgrund der (noch) bestehenden Uneinheitlichkeit der Rechtssysteme und der zweifelhaften Gleichwertigkeit der Rechtspflege der Mitgliedstaaten die Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens einen angemessenen Eingriff in die Rechte der EU-Bürger darstelle.13 Die Rechtskulturen der Mitgliedstaaten wiesen Wertunterschiede auf, die in der Ausgestaltung der nationalen Verfahrensvorschriften zum Ausdruck kämen.14 Außerdem wird auf die Bestandsaufnahme der Konvergenzen und Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen verwiesen.15 Von einem vereinheitlichten Zivilverfahrensrecht sei die EU noch weit entfernt.16 Die Gleichwertigkeit der Standards des Schuldnerschutzes in allen europäischen Ländern wurde besonders im Hinblick auf die Osterweiterung der Europäischen Union im Jahre 200417 bezweifelt.18 Zwar erfüllen alle Mitgliedstaaten die Voraussetzungen der Rechtsstaatlichkeit, da dies Voraussetzung des Beitritts ist.19 Jedoch wurden bereits vor Inkrafttreten der EuVTVO Bedenken geäußert, ob die neuen Mitgliedstaaten der EU, darunter auch Polen, in der Praxis auf die Ausübung der Rechtsinstrumente aus dem Bereich des europäischen Zivilprozessrechts, insbesondere der EuVTVO, vorbereitet
Slg. 2004 I-03565, Rn. 24; EuGH, Urteil v. 9.12.2003, Gasser, Rs. C 116/02, Slg. 2003, I-14693, Rn. 72. 11 Siehe u. a. Stadler, CML Rev. 42/2005, 1660; dies., IPRax 2004, 2, 7; Blobel/Späth, ELR 30 (2005), 528–547; Mayr/Czernich, EuZPR, Rn. 389; Kohler, in: Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im Europäischen Kollisionsrecht, 147, 156. 12 Die Kommission hat darauf hingewiesen, dass die möglicherweise unterschiedlichen Schutzstandards in den Mitgliedstaaten durch die Existenz des Kapitels III der EuVTVO, durch das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten in die ordnungsgemäße Rechtspflege und durch das Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gerechtfertigt seien. Siehe Gerling, Gleichstellung, S. 118, mit Berufung auf die amtliche Begründung der Kommission zu KOM (2002) 159 endg., S. 9 f. 13 Gerling, Gleichstellung, S. 36. 14 Coester-Waltjen, FS Beys, 2003, 183, 193. 15 Das Problem der Uneinheitlichkeit der Rechtssysteme der EU-Mitgliedstaaten sei kürzlich auch bei den Arbeiten zur Harmonisierung des Mahnverfahrensrechts in Europa aufgetaucht: Gerling, Gleichstellung, S. 37; Roth, ZZP Band 109 (1996), 271, 311; Tarzia, ZEuP 1996, 230, 235 f. 16 Wagner, IPRax 2002, 75, 81. 17 Das Gleiche könnte man anlässlich der Erweiterung im Jahre 2007 sagen. 18 Jolly, Revue du Marché commun et de l’Union européenne 2002, 239, 241. 19 Scheuing, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 6 Rn. 24.
A. Die unzureichende Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör
213
sind.20 Fraglich war, ob die Rechtsvorschriften in diesen Staaten den gleichen Schutz des Beklagten gewährleisten.21 Auch allgemein wurden die Schwächen der zivilrechtlichen Praxis in Polen kritisiert.22 Insbesondere sei die Dauer des Verfahrens problematisch. Immer wieder wurde Polen wegen zu langer Verfahrensdauer vor dem EGMR verklagt und verurteilt. Aufgrund dieses Problems kam es zur Einführung eines besonderen Rechtsmittels: der Klage gegen ein überlanges Verfahren.23 Dennoch kommt es in der Praxis immer wieder dazu, dass die Gerichte eine solche Klage nicht berücksichtigen, weshalb sie ihren Zweck nicht erfüllen kann. So sprach der EGMR in der Rechtssache Sokolowska ./. Polen der Klägerin 12.000 € wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 EMRK zu.24 In dieser Rechtssache hatte das Verfahren 1984 begonnen und die Klägerin hatte zweimal erfolglos eine solche Klage gegen ein überlanges Verfahren erhoben. Die überlange Verfahrensdauer gehört in Polen zur Normalität. Dies erschwert den Zugang der Parteien zum Gericht erheblich und wirkt sich praktisch auf die Gewährleistung der Prozessgrundrechte der Parteien aus. Leider sind zudem Fälle von Korruption in der polnischen Gerichtsbarkeit bekannt.25 20 Stadler, IPRax 2004, 2, 7; dies., RIW 2004, 801, 802. Kritisch dazu Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 127: „Es ist zwar richtig, dass die neu beigetretenen Länder durch die EuVTVO eine zusätzliche Belastung erfahren. Die Frage, die sich vielmehr stellt, ist, ob diese Belastung in Anbetracht der ohnehin umfangreichen Regelungen des internationalen, nicht nur des europäischen, Prozessrechtes wirklich derart groß ist. Die Frage ist zu verneinen.“ 21 „Ob damit das Gebot der Waffengleichheit des Art. 6 EMRK, der auch in der Vollstreckung beachtet werden muss, tatsächlich gewährleistet wird, ist zu bezweifeln.“ Georganti, Die Zukunft des ordre-public, S. 145, die die bejahende Antwort von Bruns, JZ 1999, 278, 286 erwähnt. 22 Lewandowski, WiRO 2006, 263, 263: „Es ist kein Geheimnis, dass die Zivilprozesse vor den polnischen nationalen Gerichten oft sehr lange dauern, was insbesondere für Geschäftsleute nicht akzeptabel ist. Die Ursachen sind mannigfaltig. Zum einen ist der große Geschäftsanfall damit verbunden, dass immer mehr Personen vor den polnischen Gerichten ihre Streitigkeiten austragen. Zum anderen sind die meisten polnischen Gerichte mit Personal und technischen Einrichtungen noch nicht genügend ausgestattet, um diese Prozesse schneller zu bewältigen. Es kommt sicher hinzu, dass viele Prozesse entsprechend der Komplikationen der Lebensverhältnisse sehr schwierig und umfangreich geworden sind. Das Letztere betrifft insbesondere Prozesse mit grenzüberschreitenden Sachverhalten.“ 23 Poln: Skarga na przewlekłość postępowania. Dieses Rechtsmittel wurde ins polnische ZVGB durch das Gesetz vom 17. Juni 2004 eingeführt. Die Notwendigkeit der Einführung dieser Klage ergab sich aus dem Urteil des EGMR: Kudła ./. Polen vom 26.10.2000, Appl. Nr. 30210/96. Kritisch zur Wirksamkeit der Klage in der Praxis äußert sich der EGMR in Krawczak ./. Polen, 8.4.2008, Appl. Nr. 40387/06. 24 Siehe EGMR, Urteil v. 13.1.2009, Sokolowska ./. Polen, Appl. Nr. 7743/06. 25 Informationen finden sich auf , mit Berufung auf den Bericht von Transparency International Polen.
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
Einige Bespiele aus der polnischen Zivilrechtspraxis zeigen, auf welche Weise sich das Risiko der Verletzung des rechtlichen Gehörs eines Schuldners verwirklichen kann. So hatte etwa das OG in Bezug auf das LuganoÜbereinkommen26 in einer Rechtssache Stellung zur Frage des rechtlichen Gehörs zu nehmen. Es handelte sich um die Vollstreckbarerklärung eines Urteils, das in der Schweiz erlassen wurde. Ein Genfer Gericht hatte im Februar 2002 ein Versäumnisurteil zugunsten einer schweizerischen Gesellschaft erlassen, in welchem ein polnisches Unternehmen zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrags verpflichtet wurde. Die Zustellung der Klageschrift erfolgte gemäß den Vorschriften des Haager Übereinkommens aus dem Jahre 1965. Das polnische Rayonsgericht, das aufgrund des Wohnorts des Beklagten zuständig war, hatte die Zustellung im Wege der Rechtshilfe durchführen lassen und dem Beklagten die Klageschrift als Einschreiben mit Rückschein zugestellt. Die Adresse des Empfängers wurde durch das ausländische Gericht angegeben. Da bis zum Ablauf einer bestimmten Frist das Schreiben nicht abgeholt wurde (Art. 139 § 1 poln. ZVGB), galt die Zustellung als erfolgt. Das Versäumnisurteil selbst wurde dem Beklagten im Wege der Ersatzzustellung zugestellt. Tatsächlich wohnte der Beklagte jedoch nicht an der vom Gericht angegebenen Adresse. Erst nachdem das Versäumnisurteil bereits rechtskräftig geworden war, erfuhr er von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren. Bezüglich dieses Sachverhalts wurde in der Literatur betont, dass gleichsam alle notwendigen Voraussetzungen vorlägen, um dieses Urteil als EuVT zu bestätigen,27 obwohl dem Beklagten kein rechtliches Gehör gewährt wurde. Das ausländische Versäumnisurteil erfüllte wahrscheinlich die Voraussetzungen der Bestätigung. Die rechtskräftige Entscheidung erging jedoch erst ca. dreieinhalb Jahre nach Einleitung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens. Zweimal wurde vor dem OG Kassationsklage erhoben.28 3. Stellungnahme Die Tatsache, dass alle Mitgliedstaaten in ihren Verfassungen den Schutz der Menschenrechte und darunter auch den Schutz des Rechts auf rechtliches Gehör im Verfahren deklarieren, lässt noch nicht die Schlussfolgerung zu, dass dieser Schutz in allen Mitgliedstaaten in der Wirklichkeit auch funktioniert.
26
In der polnischen Praxis hat die Anwendung des Lugano-Übereinkommens große Bedeutung; vgl. z. B. OG im Beschl. v.10.3.2006, IV CK 287/05, nicht veröffentlicht. Siehe dazu Taborowski/Sadowski, in: Czaplińki/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 183. 27 Taborowski/Sadowski, in: Czaplińki/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 183. 28 OG, Beschl. v. 14.7.2004, Az. IV CK 495/03, OSNC 2005, Nr. 4, Pos. 73. Dazu Taborowski, IPRax 2007, 250, 256.
A. Die unzureichende Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör
215
Viele Mitgliedstaaten müssen im Bereich der Rechtspflege Probleme verschiedener Art bewältigen. Die Bewertung der Rechtspflegestandards der einzelnen Staaten verlangt eine umfangreiche Analyse, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich ist. Die Untersuchung dieser Rechtspflegestandards umfasst verschiedene Elemente. Es wäre zu berücksichtigen, wie die Zivilverfahren (Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren) gesetzlich ausgestaltet sind und wie die Praxis funktioniert. Einen gewissen Einblick liefern die Statistiken des EGMR über die Verletzungen der Konvention durch die einzelnen Mitgliedstaaten. Die Statistiken zeigen, dass in manchen Ländern größere oder zahlreichere Probleme bestehen als in anderen.29 Wie bereits zuvor betont, ist die Geltung der EMRK in allen Mitgliedstaaten kein Argument für die These der Gleichwertigkeit der Rechtspflegestandards.30 Die Rechtspflege (Schuldnerschutzstandard) ist in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten nicht gleichwertig. Daher ist die Anordnung der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung ohne die Möglichkeit der zweitstaatlichen Kontrolle des rechtlichen Gehörs inakzeptabel. Die bestehenden deutlichen Unterschiede in der Rechtspflege der einzelnen Mitgliedstaaten begründen die Einführung zusätzlicher Kontrollmechanismen vor der Durchführung der Auslandsvollstreckung in einem anderen europäischen Mitgliedstaat. Zu der Europäischen Union gehören viele Staaten, deren zivilprozessrechtliche Systeme von unterschiedlichen Traditionen geprägt sind.31 Auch haben sich die Rechtsvorschriften in den verschiedenen politischen Systemen unterschiedlich weiterentwickelt. Einige der Staaten haben Transformationsprozesse erfahren. In vielen Fällen wirkten sich diese auf die Praxis des Rechtsverkehrs aus.
29 Siehe Bericht aus dem Jahre 2011, abrufbar auf der Seite: . 2011 wurden die meisten Urteile wegen einer Verletzung der Konvention gegen die Türkei (159, davon 30 wegen Verletzung des fair trial-Grundsatzes), Russland (121, davon 40 wegen Verletzung des fair trial-Grundsatzes) und die Ukraine (105, davon 21 wegen Verletzung des fair trial-Grundsatzes) erlassen. Gegen Polen wurden 54 Urteile erlassen, davon 14 wegen Verletzung des fair trial-Grundsatzes. Gegen Deutschland sind 31 Urteile wegen einer Verletzung der Konvention ergangen, keines davon wegen Verletzung des fair trial-Grundsatzes. 30 Bach geht wohl dagegen aus, dass die Schutzstandards in allen Staaten gleichwertig sind, weil die EMRK in allen Mitgliedstaaten gilt. Aus diesem Grunde sei die EuVTVO als unbedenklich anzusehen. Ähnlich Ernst, EPS 2008, Nr. 5, 35, 38. 31 Siehe auch Pfeiffer, FS Jayme, 2004, 675, 687.
216
4. Kapitel: Kritische Würdigung
III. Mängel der Mindeststandards in der EuVTVO Nicht nur die von der EuVTVO vorgenommene Verlagerung der Kompetenz zur Überprüfung in den Urteilsstaat bewirkt eine Gefahr einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Auch die Regelung der Überprüfungsmechanismen ist unzureichend.32 Ergeht in einem Mitgliedstaat ein Versäumnisurteil, das eine unbestrittene Forderung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b oder c EuVTVO betrifft und das unter Verletzung des Rechts des Schuldners auf rechtliches Gehör erlassen wurde, kann die Überprüfung der Mindeststandards im Bestätigungsverfahren nicht garantieren, dass es nicht zur Bestätigung des Urteils als EuVT kommt. Die Regelungen über die Zuständigkeit, über den Verlauf des Verfahrens und die Mindeststandards werfen viele Fragen auf und sind nicht ausreichend zur Gewährleistung der Prozessgrundrechte des Schuldners. Dies gilt vor allem mangels einer Regelung zur Rechtzeitigkeit in den Mindeststandards für die Zustellung und im Hinblick auf die unzureichende Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. All dies sind Mängel, die eine unzureichende Gewährleistung des Grundrechts auf rechtliches Gehör in der Verordnung indizieren. IV. Fazit Die gemeinschaftsrechtliche Anordnung der grenzüberschreitenden Vollstreckung ohne die Überprüfung des rechtlichen Gehörs im Vollstreckungsstaat ist dann nicht grundrechtsverletzend, wenn die Grundrechtsschutzstandards in den Mitgliedstaaten gleichwertig sind. Dann besteht die Sicherheit, dass die Vollstreckung aus einem ausländischen Titel, der Grundrechte verletzt, nicht zur Perpetuierung der Grundrechtsverletzung führt. In der Praxis ist die rechtspolitische Prämisse des gegenseitigen Vertrauens in die Rechtspflege aller Mitgliedstaaten zurzeit jedoch nicht begründet. Daher ist die Anordnung der Auslandsvollstreckung in der EuVTVO bei unzureichender Kontrolle des rechtlichen Gehörs wegen der Verschiebung der Kontrollzuständigkeit und der Einschränkung des Prüfungsumfangs (Mindeststandardüberprüfung) als grundrechtsverletzend zu bewerten. Mit der EMRK lässt sich die Gleichwertigkeit der Rechtspflege in allen Mitgliedstaaten nicht hinreichend begründen. Zweifellos ist die Gewährleistung der Mindeststandards im Zivilverfahren immer die Aufgabe des Erkenntnisverfahrens. M. E. ist es nicht Aufgabe des Gesetzgebers der EU, die Standards der Rechtspflege und des Rechtsschutzes in den Mitgliedstaaten zu bestimmen. Ordnet der Gesetzgeber der EU aber unmittelbar die Zwangsvollstreckung im Ausland an und gibt dabei den Staaten keine Kontrollmöglichkeiten, so muss er entsprechende Rechtsmechanis32
Die Mindestvoraussetzungen sind daher im Hinblick auf die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Schuldners unzureichend, siehe Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung, S. 109.
B. Die Nichterfüllung der Garantien der EMRK in der EuVTVO
217
men im Unionsrecht normieren, die den Vollstreckungsschuldner in ausreichendem Maße schützen.
B. Die Nichterfüllung der Garantien der EMRK in der EuVTVO B. Die Nichterfüllung der Garantien der EMRK in der EuVTVO
I. Die Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK Die Regelungen der EuVTVO unterliegen zurzeit nicht der Kontrolle der Organe der EMRK. Solange die EU nicht Mitglied der EMRK ist, müssen die Rechtsakte der Europäischen Union nicht der Konvention entsprechen. Lediglich durch die Heranziehung der EMRK durch den EuGH in seiner Rechtsprechung zu den Unionsgrundrechten und aufgrund von Art. 6 Abs. 3 EUV finden die durch die EMRK gewährleisteten Rechte Eingang in das Unionsrecht.33 Auch Rechtsakte mitgliedstaatlicher Organe, die das Unionsrecht vollziehen, können noch nicht Gegenstand einer Beschwerde vor dem EGMR werden, da die EMRK insoweit nicht anwendbar ist.34 Dies wird sich allerdings in Kürze ändern. Der Beitritt der Union zur EMRK, der mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon formell ermöglicht wurde, steht wohl alsbald bevor.35 Allerdings ist aber bereits jetzt fraglich, ob die Reduzierung des Rechtsschutzes des Schuldners in den Regelungen der EuVTVO einen Verstoß gegen die EMRK darstellen würde. Die theoretische Untersuchung der EuVTVO am Maßstab der EMRK kann für die Zukunft von Bedeutung sein. Zum Teil wird behauptet, die Abschaffung des Exequaturs und die Einführung des Bestätigungsverfahrens, in welchem ein Titel ergeht, gegen den dem Schuldner keine Rechtsbehelfe im Vollstreckungsstaat zustehen, stellen keine Verletzung der Konvention dar.36 Im Übrigen begründe Art. 6 EMRK keinen Anspruch auf ein (nationales) Rechtsmittel gegen eine nationale Entscheidung.37 In der Rechtsprechung wurde zudem die These aufgestellt, dass es zur 33 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 94. 34 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 94. 35 Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 51–54,Vorb., Rn. 14. 36 Da alle Mitgliedstaaten der EMRK angehören und somit bereits jede Entscheidung im Ursprungsstaat der Kontrolle des EGMR unterliegt, ist es aus der Sicht der EMRK nicht geboten, im Vollstreckungsstaat in jedem Einzelfall eine weitere nationale richterliche Kontrolle einzuführen, auf deren Grundlage der EGMR (erneut) angerufen werden könnte: Hess, IPRax 2001, 301, 304 ff. Demzufolge ist die „sekundäre Durchsetzung zwingenden Gemeinschaftsrechts im Exequaturverfahren vor dem Hintergrund des gegenseitigen Vertrauens in die Gleichwertigkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes im europäischen Rechtsraum nicht erforderlich.“ 37 Peukert, in: Frowein/Peukert (Hrsg.), EMRK-Kommentar, Art. 6 Rn. 67.
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Grundrechte-Charta der EU in der EuVTVO nicht kommen könne, da Erwägungsgrund Nr. 11 der EuVTVO ausdrücklich festhalte, dass ein faires Verfahren das Ziel der Verordnung sei. So geht das OG davon aus, dass das faire Verfahren in der EuVTVO gewährleistet ist.38 Jedoch schließt allein die Tatsache, dass ein Erwägungsgrund der EuVTVO dies erklärt, eine Verletzung von Art. 6 EMRK nicht aus. Die Verletzung könnte darin bestehen, dass der Verordnungsgeber Regelungen einführte, die im Hinblick auf die im Bereich der zivilrechtlichen Pflege bestehenden Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten eine besondere Gewährleistung der Schuldnerrechte voraussetzen, die Vorschriften der EuVTVO diese Voraussetzungen aber nicht erfüllen. Anstatt bestimmte, im Hinblick auf den Schutz der Schuldnerrechte wichtige Fragen in der EuVTVO zu regeln, überlässt der Gesetzgeber der EU darüber hinaus die Normierung den einzelnen Mitgliedstaaten. Daher besteht keine Garantie, dass in allen Staaten der Schutz von Prozessrechten des Schuldners den gleichen Standards entspricht. Der Regelungsspielraum der Mitgliedstaaten kann als fehlende Gewährleistung der Verteidigungsrechte des Schuldners in der EuVTVO angesehen werden.39 Die Ergebnisse der obigen Untersuchung begründen die These, dass die EuVTVO den sich aus Art. 6 Abs. 1 EMRK (und der Rechtsprechung des EGMR) ergebenden Anforderungen an die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, nicht genügt. Die Mindeststandards, die im Ausgangsverfahren im Ursprungsmitgliedstaat erfüllt werden müssen, sind unzureichend, um das Grundrecht auf rechtliches Gehör zu gewährleisten. Es kann dazu kommen, dass die Bestätigung als EuVT erfolgt und somit der Titel in allen Mitgliedstaaten vollstreckbar wird, obwohl ein säumiger Beklagter sich im Ursprungsmitgliedstaat nicht verteidigen konnte. II. Die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für konventionswidrige Vollzugsrechtsakte des Unionsrechts Zum einen sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, auf ihren Territorien auch die Vollstreckung aller Titel, die als EuVT bestätigt wurden, ohne Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens, in welchem sie ergangen sind, durchzuführen. Zum anderen sind sie an die Standards der Menschenrechte, insbesondere an die EMRK gebunden.40 Dies führt zu einem Konflikt. Die fehlende 38
OGH, JBl. 2007, 735, 737. Bittmann, IPRax 2008, 445, 446. 40 Aufgrund des nationalen Rechts kann der Gesetzgeber für die Gewährleistung der Grundrechte im Lichte der höherrangigen Regelungen des Völkerrechts verantwortlich sein. Die Frage betrifft die Fälle, in denen in einem Mitgliedstaat (und nur im Rahmen dieses Staates) Regelungen gelten, die die Zwangsvollstreckung eines Versäumnisurteils ohne Überprüfung, ob das Urteil unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen ist, 39
B. Die Nichterfüllung der Garantien der EMRK in der EuVTVO
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Abstimmung zwischen dem Unionsrecht und dem Recht der EMRK und die daraus entstehende Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten wurde in der Rechtsprechung schon mehrfach erörtert. Insbesondere haben sich die Organe der EMRK – der EGMR und zuvor die Europäische Kommission für Menschenrechte (EKMR) – bereits mit diesem Problem beschäftigt. In der Entscheidung Melchers ging die EKMR auf die Frage ein, ob Deutschland seine Verpflichtungen aus der EMRK dadurch verletzte, dass ein deutsches Gericht ein Urteil41 für vollstreckbar erklärte, das nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers Art. 6 EMRK verletzte.42 Außerdem rügte der Beschwerdeführer vor der EKMR die Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren innerhalb eines vor dem Europäischen Gerichtshof geführten Verfahrens. Die EKMR betonte, dass das Rechtssystem der EG nicht nur Grundrechte gewährleisten, sondern auch Möglichkeiten zur Verfügung stellen müsse, um die Einhaltung der Grundrechte wirksam zu kontrollieren.43 Die Konventionsstaaten sind jedoch nicht für Akte einer supranationalen Institution verantwortlich, die Grundrechte der EMRK verletzen, solange die Grundrechte innerhalb dieser Institution einem äquivalenten Schutz unterliegen. Eine solche Schutzäquivalenz sieht die EKMR bei der Europäischen Union als gewährleistet an. Ähnliche Schlussfolgerungen wurden in der Matthews-Entscheidung44 gezogen, in welcher der EGMR die Frage des Verhältnisses zwischen den Bestimmungen der EMRK und dem Gemeinschaftsrecht erläutert. Rechtsakte der EG können vor dem EGMR nicht angefochten werden, weil die EG selbst nicht Vertragspartei der EMRK ist. Die EMRK schließt die Übertragung von zulassen. Es sind aber zwei Situationen zu unterscheiden. Es kann nämlich dazu kommen, dass die Rechtsordnung eines Staates gar keine Regelungen kennt, die im Lichte der völkerrechtlichen Standards das rechtliche Gehör des säumigen Schuldners gewährleisten. Das Zustellungsrecht eines Staates könnte z. B. keine ausbrechenden Gewährleistungen des rechtlichen Gehörs des Versäumnisurteils vorsehen. Andererseits ist möglich, dass die Gewährleistungen des rechtlichen Gehörs in einem Staat den Anforderungen des Grundrechtsschutzes des Völkerrechts entsprechen, so dass in der Einlassungsphase das rechtliche Gehör des Schuldners gewährleistet wird. Vor der Zwangsvollstreckung darf aber keine Kontrolle des Erkenntnisverfahrens stattfinden. Dadurch kann es dazu kommen, dass es im Einzelfall zur Verletzung des rechtlichen Gehörs gekommen ist und trotzdem die Zwangsvollstreckung durchgeführt wurde. 41 Das Urteil wurde im Verfahren wegen eines Wettbewerbsverstoßes vom EuGH erlassen: EuGH, Urteil v. 7.6.1983, Rs. 100 bis 103/80, Musique Diffusion, Slg. 1983, 1825. 42 EKMR, 9.2.1990, Az.13258/87. 43 Siehe dazu: Giegerich, ZaöRV 50 (1990), 836, 861; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 88. 44 EGMR, Urteil v. 18.2.1999, Appl. Nr. 2433/94, Matthews, Deutsche Übersetzung in EuGRZ 1999, 200; Zusammenfassung des Sachverhaltes in EuZW 1999, 308.
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
Hoheitsbefugnissen auf internationale Organisationen nicht aus, solange die Rechte der EMRK weiterhin zugesichert sind. Die Verantwortlichkeit der Vertragsstaaten besteht also auch nach einer solchen Übertragung fort.45 Der EGMR weist darauf hin, dass die in der EMRK enthaltenen Rechte nicht theoretisch oder illusorisch sein dürfen, sondern in praktischer und effektiver Weise gewährleistet werden müssen.46 Bei der Frage der Verantwortlichkeit einzelner Staaten ist danach abzugrenzen, ob die Verletzung der EMRK in direktem Zusammenhang mit einer Regelung des Gemeinschaftsrechts steht oder ob Vorschriften des nationalen Rechts, die das Gemeinschaftsrecht umsetzen, mit der EMRK nicht im Einklang stehen, wobei den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ein Ermessensspielraum zusteht. Wenn die Konventionswidrigkeit bereits im zugrundeliegenden Rechtsakt der EG angelegt ist und der Mitgliedstaat daran inhaltlich gebunden ist, ist der Mitgliedstaat beim Vollzug des Akts nur dann nach der Konvention verantwortlich, wenn dem Betroffenen ein der EMRK äquivalenter Grundrechtsschutz gewährt wurde. Im Interesse der Effektivität der Konventionsgarantien und der Wahrung der EMRK als „Minimalstandard“ wird die Gewährung konkreten Individualrechtsschutzes gefordert.47 Auch Vollstreckungshandlungen unterliegen dieser Kontrolle. Ein ausreichender Schutz wird dadurch gewährleistet, dass der Rechtsakt, der eine Kompetenzgrundlage darstellt, nach den Kriterien der EMRK kontrolliert werden kann.48 Beim gebundenen Vollzug des Gemeinschaftsrechts muss der Betroffene im Einzelfall einen der EMRK vergleichbaren Individualrechtsschutz erhalten. Falls dieser Rechtsschutz nicht gewährleistet ist, verletzt der Staat die EMRK, selbst wenn ihm kein Ermessen zusteht.49 Anders ist die Situation zu beurteilen, in der den Mitgliedstaaten beim Vollzug des Gemeinschaftsrechts ein Ermessensspielraum eingeräumt wurde, von welchem sie konventionswidrig Gebrauch machen. Dann bleiben dem Betroffenen nur die innerstaatlichen Rechtsmittel.50 Die Mitgliedstaaten, die die EuVT aus anderen Mitgliedstaaten zu vollstecken haben, haben keine Möglichkeit, dem Vollstreckungsschuldner mehr Schutz zu gewähren als den, der sich aus der EuVTVO selbst ergibt. Im Ergebnis 45
EGMR, Urteil v. 18.2.1999, Appl. Nr. 24833/94, Matthews, NJW 1999, 3107. EGMR, Urteil v. 18.2.1999, Appl. Nr. 24833/94, Matthews, Rn. 34; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 92. 47 Busch, Die Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention für den Grundrechtsschutz in der Europäischen Union, S. 115. 48 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 368. A. A. EGMR, Bosphorus, NJW 2006, 197, 197 f. 49 Im Falle der EuVTVO handelt es sich um eine besondere Umsetzungsmethode, da die Staaten nicht verpflichtet sind, die Vorschriften der Verordnung umzusetzen. 50 Busch, Die Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention für den Grundrechtsschutz in der Europäischen Union, S. 115. 46
B. Die Nichterfüllung der Garantien der EMRK in der EuVTVO
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könnten die Mitgliedstaaten wegen einer Verletzung der EMRK im Falle der Zwangsvollstreckung eines EuVT, der die Prozessgrundrechte des Schuldners verletzt, nicht verantwortlich gemacht werden. III. Die Rechtsmittel des Einzelnen bei einer Verletzung der EMRK Fraglich ist, ob dem Einzelnen nach der EMRK Rechtsmittel zustehen, wenn ein Vollstreckungsurteil erging, das sein rechtliches Gehör im Sinne der EMRK verletzt und dieses Urteil als EuVT bestätigt wurde. Zu erwägen ist, ob er dann gegen die Bestätigung oder gegen die Zwangsvollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat vorgehen kann.51 Aus der Rechtsprechung der Organe der EMRK ergibt sich, dass gegen die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung aufgrund der Bestimmungen über einen ausländischen Vollstreckungstitel keine Beschwerde vor dem EGMR erhoben werden kann.52 Hinsichtlich der Bestätigung nach der EuVTVO könnte diese Bewertung indes anders ausfallen. Bei schweren Grundrechtsverstößen, insbesondere bei der Verletzung des rechtlichen Gehörs, käme eine Individualbeschwerde wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK vor dem EGMR in Betracht.53 Die Effektivität des Schutzes aufgrund dieses Rechtsmittels ist allerdings zweifelhaft.54 Der Rechtsschutz, der dem Einzelnen durch die Rechtsprechung des EGMR gewährt wird, ist nicht immer ausreichend. Es besteht das Risiko, dass der EGMR auf der Grundlage von Art. 6 EMRK einem höheren Grundrechtsstandard des Vollstreckungsmitgliedstaates nicht folgt.55 Die Urteile des EGMR haben nicht die Aufhebung des angegriffenen Urteils zur Folge. Die Erhebung dieses Rechtsbehelfs beschränkt die Vollstreckbarkeit des EuVT nicht. Die unmittelbare Bindungswirkung des Urteils bleibt trotz der Erhebung der Beschwerde gemäß Art. 34 EMRK bestehen: Der EGMR kann die Entscheidung selbst nicht aufheben, sondern nur feststellen, dass sie die Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt. Die Gerichte können zwar das Urteil aufheben, sind dazu aber nicht verpflichtet. Die Aufhebung kann im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgen.56 51 Ob der Wegfall des Schuldnerschutzes zwischen dem Erkenntnisverfahren und der eigentlichen Zwangsvollstreckung dazu führen kann, dass sich Schuldner in verstärktem Maße mit der Individualbeschwerde beim EGMR gegen die Entscheidung im Ursprungsstaat wenden, ist fraglich. Bejahend Bruns, JZ 1999, 278, 283 und 285, für den Fall der gänzlichen Abschaffung des anerkennungsrechtlichen ordre public. 52 Bruns, JZ 1999, 278, 285. 53 Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 669; Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 5 EG-VollstrTitelVO Rn. 17. 54 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl. EG-VollstrTitelVO Rn. 46. 55 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Art. 5 EG-VollstrTitelVO Rn. 21. 56 Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 210.
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
C. Die Standards des Grundrechtschutzes in der EuVTVO und das Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten C. Grundrechtschutz der EuVTVO und Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten
I. Überblick Im Allgemeinen kommen zur Prüfung der Grundrechtsverletzung drei Prüfmaßstäbe in Frage: die nationale Grundrechtsordnung, die EMRK und das Unionsrecht.57 Die EuVTVO als Rechtsakt des Gemeinschaftsrechts kann allerdings nur anhand des Maßstabs der Unionsgrundrechte bewertet werden.58 Gegenüber dem nationalen Recht hat das Unionsrecht Vorrang, weshalb das nationale Recht als Maßstab für die Bewertung der Rechtmäßigkeit der Verordnung nicht in Frage kommen kann.59 Verordnungen und Richtlinien sind allein am Maßstab des europäischen Primärrechts und damit der Charta zu prüfen. Hält das nationale Gericht die Vorschrift des Sekundärrechts für chartawidrig, so muss es den EuGH um Vorabentscheidung (Art. 267 AEUV) ersuchen.60 Dennoch ist im Hinblick darauf, dass die Regelungen der EuVTVO dem Unionsgrundrecht auf rechtliches Gehör nicht genügen sowie den Anforderungen der EMRK an die Grundrechtsgewährleistungen nicht entsprechen, zu untersuchen, wie die Verordnung im Lichte des verfassungsrechtlichen Maßstabs des Grundrechtsschutzes in den einzelnen Mitgliedstaaten zu bewerten wäre.61 II. Deutsches Recht und die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung: Voraussetzung der Rechtsstaatlichkeit Aus der Sicht des deutschen Rechts62 bestehen verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf die Regelungen der EuVTVO.63 Diskutiert wird vor allem,64 57
Lenz, EuZW 1999, 311, 312. Stürner, FS BGH, 2000, 677, 694; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 369; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 94. 59 Auch die Zulässigkeit der Heilung bei Verstoß gegen die Mindeststandards relativiert deren Wirksamkeit. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts wurde vor allem in den Entscheidungen EuGH, Urteil v. 15.7.1964, Rs. 6/64, Costa ./. ENEL, Slg. 1964, 1251, 1269 ff.; EuGH, Urteil v. 9.3.1978, Rs. 106/77, Simmenthal, Slg. 1978, 629, 646, Rn. 17 ff. klargestellt. Er erstreckt sich auf Rechtsakte, die dem Vollzug des Gemeinschaftsrechts dienen. 60 Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 51–54,Vorb., Rn. 27. 61 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 69. 62 Fraglich ist, ob die Überprüfung der europäischen Titel anhand des Grundgesetzes zulässig ist, LG Bonn, NJW 1986, 665; Terhechte, EuZW 2004, 235. Zitiert nach Geimer, FS Beys, 2003, 489, 500, Fn. 42. 63 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl. EG-VollstrTitelVO Rn 33. 58
C. Grundrechtschutz der EuVTVO und Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten
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ob die EuVTVO die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.65 Außerdem ist fraglich, wie die Änderung des Systems in der EuVTVO, vor allem des Prüfungsumfangs, und die Aufhebung der ordre-public-Kontrolle im Lichte der deutschen Verfassung zu bewerten sind.66 Eine generelle Zulassung der Vollstreckung ausländischer Vollstreckungstitel stößt auf verfassungsrechtliche Grenzen.67 Die Vollstreckbarkeit ausländischer Titel dürfte von Verfassungs wegen grundsätzlich zulässig sein, wenn in Bezug auf den zu vollstreckenden, ausländischen Titel im Ausland tatsächlich Rechtsschutz gewährt wurde und dieser gewissen Mindestanforderungen an die Rechtsstaatlichkeit genügt.68 Zu den Mindestanforderungen, die im Ausgangsverfahren erfüllt werden müssen, gehöre „die Möglichkeit des Rechtswegs vor unabhängigen und unparteiischen Gerichten, ein Mindestmaß an gehörigem Verfahren, insbesondere die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs und rechtskundigen Beistands sowie eine hinreichende, dem Rechtsschutzbegehren angemessene Prüfungs- und Entscheidungsmacht der Gerichte über das Rechtsschutzbegehren.“69 Das BVerfG stellte zudem fest, dass es, soweit eine Rechtsschutzmöglichkeit, die den aufgezeigten Mindestvoraussetzungen entspreche, im Ausland nicht generell gewährleistet werde, auf einen ordre-public-Vorbehalt nicht verzichtet könne.70 Da die Einführung der notwendigen Standards der Grundrechtsschutzgewährleistung nicht immer mit Sicherheit festgestellt werden kann, könnte die Aufhebung der ordre-publicKontrolle in der EuVTVO bedenklich sein. Das BVerfG ist der Meinung, dass die Tatsache, dass alle Mitgliedstaaten der EMRK beigetreten sind, genügt, um anzunehmen, dass in allen Mitgliedstaaten die gleichen Rechtspflegestandards gelten. Den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Grundgesetztes werde entsprochen, da in allen Mitgliedstaaten der EU Art. 6 Abs. 1 EMRK gilt.71 Dem ist allerdings nicht zuzustimmen. Wie schon betont wurde, ist die Geltung der EMRK in allen Staaten 64 Ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip wird dabei ausgeschlossen, siehe Pfeiffer, FS Jayme, 2004, 675, 676. 65 Bedenklich insbesondere nach Meinung von Kohler, in: Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, 147, 158; Stadler, IPRax 2004, 2, 28. A. A. Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuVTVO, Rn. 12; Wagner, IPRax 2002, 75, 87; Stein, IPRax 2004, 181, 186. 66 Dazu siehe Pfeiffer, FS Jayme, 2004, 675, 680 ff. 67 BVerfGE 63, 343, 366. Dazu auch Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501, 502; Stadler, IPRax 2004, 2, 8 f. 68 BVerfGE 63, 343, 378. 69 BVerfGE 63, 343, 378. 70 Siehe dazu Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 83. 71 So auch Hess, IPRax 2001, 389, 394; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuVTVO, Rn. 13; BVerfGE 63, 343, 377.
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
kein ausreichendes Argument für die tatsächliche Gleichwertigkeit der Rechtschutzstandards in allen betroffenen Staaten. III. Solange-Rechtsprechung 1. Überblick Zieht man die Solange-Rechtsprechung des BVerfG72 heran, ist zweifelhaft, ob eine Überprüfung der Übereinstimmung des sekundären Gemeinschaftsrechts mit dem nationalen Verfassungsrecht durch die nationalen Gerichte tatsächlich unzulässig ist. Die Antwort auf die Frage, ob die Grundrechte des Grundgesetzes die Wirkungen eines EuVT aus deutscher Sicht begrenzen, hängt vom Verhältnis der deutschen Verfassung zur europäischen Rechtsordnung ab.73 Damit eine Überprüfung der EuVTVO nach dem Maßstab des deutschen Rechts zulässig wäre, müssten die Voraussetzungen der Solange-Rechtsprechung vorliegen. Vor allem müsste nachgewiesen werden, dass der Standard des Rechtsschutzes,74 den der EuGH bietet, unter dem bleibt, der den Bürgern durch die deutschen Gerichte gewährt wird. 2. Die Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG zur Frage der Zulässigkeit nationaler Rechtsmittel gegen das Gemeinschaftsrecht In der Solange I-Entscheidung ging das BVerfG davon aus, dass der Integrationsprozess innerhalb der EU noch nicht so weit fortgeschritten sei, dass ein allgemeinverbindlicher Grundrechtsstandard innerhalb der EU gelte. Solange dies jedoch nicht der Fall sei, könne eine Grundrechtsverletzung noch vor dem BVerfG gerügt werden.75 In einer weiteren Entscheidung zur Frage der Zulässigkeit einer Kontrolle des Gemeinschaftsrechts nach dem Maßstab des 72
Mit diesem Begriff ist eine Reihe von Entscheidungen des BVerfG gemeint, die die Problematik der Zulässigkeit der nationalen Verfassungsklage gegen einen rechtsverletzenden Rechtsakt des Gemeinschaftsrechts bzw. gegen ein deutsches Zustimmungsgesetz nach Art. 56 i.V.m. Art. 23 GG betrafen. 73 Dazu allgemein Oppermann, Europarecht, Rn. 497 f.; Streinz, Europarecht, Rn. 202 ff.; Schweizer, Staatsrecht, Völkerrecht, Europarecht, Rn. 70 ff. Eingehend Commichau, Nationales Verfassungsrecht und europäische Gemeinschaftsverfassung, S. 74 ff.; Funk-Rüffert, Kooperation von EuGH und BVerfG im Bereich des Grundrechtsschutzes, S. 36 ff.; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 69. 74 Der in dieser Rechtsprechung benutzte Begriff des Schutzstandards ist allgemein als der Umfang der Rechte, den der Einzelne gegenüber der Hoheitsmacht besitzt, zu verstehen, Busch, Die Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention für den Grundrechtsschutz in der Europäischen Union, S. 149. 75 BVerfGE 37, 271, 280 ff. (Solange I); Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 73.
C. Grundrechtschutz der EuVTVO und Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten
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nationalen Rechts hat das BVerfG offengelassen, ob der geforderte Grundrechtsstandard in der EU schon erreicht sei.76 In der Solange II-Entscheidung kam es zum Schluss, dass sich innerhalb der EU ein Grundrechtsstandard entwickelt habe, der dem Standard des Grundgesetzes im Wesentlichen gleiche. Das Gericht legte dies in einer detaillierten Gegenüberstellung des Grundrechtsschutzes auf nationaler Ebene und auf Gemeinschaftsebene dar.77 Solange dies der Fall sei, werde das BVerfG das Gemeinschaftsrecht nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes messen.78 Es stellte klar, dass der Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene gegenüber dem deutschen Grundrechtsschutz vorrangig ist, soweit es um die Anwendung und den Vollzug von sekundärem Gemeinschaftsrecht geht.79 Die Verletzung von Grundrechten des Grundgesetzes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht kann nicht eingewendet werden, wenn nicht dargelegt wird, dass die Gewährleistung der Grundrechte vor allem in der Rechtsprechung des EuGH nach Ergehen der Solange II-Entscheidung unter den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken ist.80 Die Begründung einer Vorlage durch ein Gericht nach Art. 100 Abs. 1 GG oder einer Verfassungsbeschwerde müsse im Einzelnen darlegen, dass der unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz generell nicht mehr gewährleistet sei. Dies erfordere eine Gegenüberstellung des Grundrechtsschutzes auf nationaler Ebene und auf Gemeinschaftsebene, wie sie das BVerfG in seiner Solange II-Entscheidung geleistet hat. Andernfalls sei die Verfassungsbeschwerde bzw. die Vorlage unzulässig.81 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nach den Entscheidungen des BVerfG Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die Verletzung der Grundrechte des Grundgesetzes durch Rechtsakte der EU richten, von vornherein unzulässig sind, wenn sich nicht begründen lässt, dass der Standard des Grundrechtsschutzes auf der Ebene der EU generell abgesunken ist.82 Der durch den EuGH gewährleistete Individualgrundrechtsschutz wird in der Literatur als dem deutschen vergleichbar angesehen.83 3. Die Anwendbarkeit auf den EuVT Die EuVTVO könnte im Lichte der Solange-Rechtsprechung eine Kontrolle nach deutschem Recht begründen. Das gegenwärtige Rechtsschutzsystem des Unionsrechts könnte im Hinblick auf die Regelungen der EuVTVO als unzu76
BVerfGE 52, 187, 202 f. (Vielleicht). BVerfG 73, 339, 378 ff. (Solange II). 78 BVerfG 73, 339, 387 (Solange II). 79 Streinz, Europarecht, Rn. 217. 80 BVerfGE 102, 147 (Bananen-Beschluss, 1. Leitsatz). 81 BVerfGE 58, 1, 24 (Eurocontrol I). 82 Statt vieler Schwarze, in: FS 50 Jahre BVerfG, 2001, S. 233 ff. 83 Zuleeg, EuGRZ 2000, S. 512; Limbach, EuGRZ 2000, 417 ff.
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
reichend bewertet werden. De lege lata bietet die Rechtsordnung der EU dem Einzelnen nur unzureichenden Zugang zu Rechtsbehelfen vor den Gemeinschaftsgerichten, so dass der betroffene Schuldner bei Rechtsverletzungen durch die EuVTVO schutzlos bleibt. Mängel weist sowohl die Gewährleistung der Substanz der Grundrechte, als auch das methodische Vorgehen der Gerichte der Union auf.84 Daher kann man behaupten, dass einer Abschaffung aller Hindernisse für die Anerkennung und Vollstreckung fremder Entscheidungen gemeinschaftsverfassungsrechtliche Gründe entgegenstehen,85 solange in den EU-Mitgliedstaaten kein gemeinsames Gericht für die Prüfung einzelner Entscheidungen besteht und der EuGH86 keine der deutschen Verfassungsbeschwerde entsprechenden Klagen annimmt, um mitgliedsstaatliche Entscheidungen an gemeineuropäischen Verfassungsgrundsätzen zu messen. Die rechtsstaatlichen Anforderungen an den europäischen Grundrechtsschutz werden vom BVerfG konkret bestimmt.87 Unter anderem benannte es ausdrücklich das rechtliche Gehör. Wenn dieses generell nicht gewährleistet sei, werde es regelmäßig eines Vorbehalts der deutschen öffentlichen Ordnung bedürfen, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen.88 Ein Argument dafür, dass in der EU ein vergleichbarer Rechtsschutzstandard wie in Deutschland besteht, ist die Geltung des Art. 23 Abs. 1 GG. Dieser fordert, dass die EU einen dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet.89 Zum Teil wird angenommen, dass die Übertragung der Hoheitsmacht auf den Urteilsstaat, die mit der Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens und der Einführung des Bestätigungsverfahrens verbunden ist, die Kompetenz aus dem Zustimmungsgesetz zum Amsterdamer Vertrag gemäß Art. 23 Abs. 1 GG überschreite. Der Kompetenznorm der (ex) Art. 61 lit. c, (ex) 65 EG (Art. 81 AEUV) sei dieses Integrationsprogramm nicht zu entnehmen.90 Eine Verletzung dieser Vorschrift ist aber zu verneinen.91 Nach Art. 6 Abs. 1 EUV ist das Rechtsstaatsprinzip für die Union unverzichtbar. Aus Art. 6 Abs. 3 EUV ergibt sich, dass die Union 84 Busch, Die Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention für den Grundrechtsschutz in der Europäischen Union, S. 122. 85 Stoppenbrink, ERPL 2002, 641, 671 f. 86 Der EuGH ist bei der Feststellung von Grundrechtsverletzung durch Rechtsakte der EU zurückhaltend. Bisher hat der EuGH noch keine Verordnung oder Richtlinie aufgrund einer Grundrechtsverletzungen für rechtswidrig erklärt: Busch, Die Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention für den Grundrechtsschutz in der Europäischen Union, S. 121. 87 BVerfGE 73, 339, 376 (Solange II). 88 Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 80. 89 Vgl. Arndt, Europarecht, S. 99. 90 Kohler, in: Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, 147, 161. 91 So beispielsweise Wagner, IPRax 2002, 75, 87; Stein, IPRax 2004, 181, 186.
C. Grundrechtschutz der EuVTVO und Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten
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die Grundrechte so achtet, wie sich dies aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und aus der in allen Mitgliedstaaten geltenden EMRK ergibt. Der EuGH hat nach diesen primärrechtlichen Vorgaben das Gebot des effektiven Rechtsschutzes92 und den Anspruch auf rechtliches Gehör als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts anerkannt. Die Abschaffung der Vollstreckbarerklärung steht daher mit Art. 23 Abs. 1 GG im Einklang.93 Es ist nicht notwendig, dass das nationale und das Unions-Schutzsystem identisch sind. Das BVerfG verlangt vor allem, dass das Gemeinschaftsrecht prinzipiell den gleichen Schutz gewährleistet, wie ihn das deutsche Recht und die deutsche Rechtsprechung verlangen. Ist in einzelnen Fällen der Rechtsschutz in Bezug auf die Regelung der EuVTVO nicht ausreichend, so sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Erhebung nationaler Rechtsbehelfe dennoch nicht erfüllt. Das BVerfG wird entscheiden, ob es an seiner Rechtsprechung festhält. Die Berufung auf die Solange-Rechtsprechung scheint jedoch nicht ausgeschlossen zu sein.94 Es bestehen keine ausreichenden Gründe, für die Annahme, dass die Schutzstandards, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben, im Allgemeinen hinter dem Schutz der Schuldnerrechte nach nationalem Recht zurückbleiben. Aus der Rechtsprechung des BVerfG ergibt sich, dass eine Verfassungsbeschwerde nur dann zulässig wäre, wenn gleichzeitig nachgewiesen wird, dass der vom EuGH gewährleistete Grundrechtsschutz hinter dem deutschen zurückbleibt. Zurzeit lassen sich dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte finden. Die Voraussetzungen, die in der Solange-Rechtsprechung aufgestellt wurden, liegen derzeit nicht vor. Allerdings ist die Ansicht des BVerfG zur Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes in allen Mitgliedstaaten aufgrund der Geltung der EMRK nicht hinnehmbar. Ein Vergleich der Regelungen und der Rechtspraxis der einzelnen Staaten, die der EMRK beigetreten sind, beweist, dass allein die Geltung der Konvention nicht genügt. Zwar wurden durch die Konvention mehrere Organe geschaffen, die den Schutz der Grundrechte gewährleisten sollten. Es gibt jedoch keine Rechtsmechanismen, die die Durchsetzung der Regelungen sichern würden. Beispielsweise wird die Konvention in Polen häufig verletzt, was die zahlreichen Verfahren gegen Polen belegen. Selbst wenn die Organe der EMRK eine Verletzung der Konvention feststellen und entsprechende Urteile erlassen, sind diese nicht durchsetzbar. Der Rechtsschutz aufgrund der
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EuGHE 1986, 165m, 1682 Rn. 18; EuGHE 1987, 4097, 4117, Rn. 14. Wagner, IPRax 2002, 75, 87. 94 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl. EG-VollstrTitelVO Rn. 33; Pfeiffer, FS Jayme, 2004, 675, 689 f.; Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 280. 93
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
EMRK ist daher unzureichend, um damit die tatsächliche Erfüllung bestimmter Standards in den Mitgliedstaaten zu begründen.
D. Rechtsmechanismen des Gemeinschaftsrechts bei Verletzung des Gemeinschaftsrechts auf rechtliches Gehör D. Rechtsmechanismen des Gemeinschaftsrechts
Der EuGH ist das einzige Organ, das Kompetenzen zur Überprüfung des sekundären Unionsrechts auf Konformität mit dem primären Unionsrecht hat.95 Der EuGH kann dadurch die Funktion eines Wächters über die elementaren Bürgerrechte einnehmen. Die Verfahren auf Ebene des Unionsrechts, die dem Schutz des Vollstreckungsschuldners dienen, gewinnen besonders deswegen an Bedeutung, weil die gerichtliche Überprüfung des EuVT im Vollstreckungsstaat ausgeschlossen ist.96 Sie können den Schuldnerschutz verstärken. I. Das Vorabentscheidungsverfahren Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die staatlichen Gerichte nicht zur selbstständigen Überprüfung des Sekundärrechts befugt. Dies kann lediglich im Wege einer Vorabentscheidung des EuGH erfolgen.97 Diese Judikatur wurde nun durch das Urteil Greenpeace ./. France dahingehend ergänzt, dass die Unionsbürger das Recht haben, vor staatlichen Gerichten die Rechtmäßigkeit eines Sekundärrechtsaktes „inzident zu bestreiten und zu beantragen, den Gerichtshof mit Vorlagefragen zur Gültigkeit“98 des Sekundärrechtsaktes zu befassen.99 Die Vorlagemöglichkeit bestimmte sich bisher aus Art. 68 i.V.m. Art. 234 EGV.100 Dementsprechend waren nur die Gerichte letzter Instanz,101 deren Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden konnten, zur Vorlage an den EuGH
95 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl. EG-VollstrTitelVO Rn. 42; Pfeiffer, FS Jayme, 2004, 675, 682. 96 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl. EG-VollstrTitelVO Rn. 41. 97 EuGH, Urteil v. 22.10.1987, Rs. 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199, Rn. 14. 98 EuGH, Urteil v. 21.3.2000, Rs. C-6/99, Greenpeace ./. France, Slg. 2000, I-1651, Rn. 55. 99 Potacs, Entwicklungstendenzen beim indirekten Vollzug von Gemeinschaftsrecht, in: Hummer (Hrsg.), 269, 279–289. 100 Okońska, Rejent 2007, Nr. 2 (190), 90, 92. 101 In Bezug auf die polnischen Gerichte: Szpunar, Wpływ członkostwa Polski w UE, S. 271 ff.
D. Rechtsmechanismen des Gemeinschaftsrechts
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berechtigt,102 nicht jedoch die Instanzgerichte.103 Mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon wurde Art. 68 EGV ersatzlos gestrichen. Nun ist jedes Gericht dazu befugt, dem EuGH Auslegungsfragen vorzulegen (Art. 267 Abs. 2 AEUV).104 Letztinstanzliche Gerichte sind dazu weiterhin verpflichtet (Art. 267 Abs. 3 AEUV). Im Hinblick darauf, dass lediglich die Gerichte, nicht aber Einzelpersonen berechtigt sind, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, stellt dieses Verfahren kein ausreichendes Mittel für den Schutz der Grundrechte des einzelnen Schuldners dar.105 II. Nichtigkeitsklage Nach den Vorschriften des Unionsrecht steht natürlichen und juristischen Personen das Recht zu, Nichtigkeitsklage zu erheben, wenn sie von der Regelung einer Verordnung unmittelbar und individuell betroffen sind (Art. 263 AEUV, ex-Art. 230 EGV).106 Im Übrigen sind nur die Mitgliedstaaten und die europäischen Institutionen klagebefugt. Unmittelbar ist eine Person dann betroffen, wenn es keines weiteren Umsetzungsaktes bedarf, um die Wirkungen der Unionshandlungen gegenüber dem Bürger auszulösen.107 Die individuelle Betroffenheit besteht darin, dass der Rechtsakt die Interessen des Klägers wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder anderer besonderer Umstände berührt und ihn deswegen individualisiert.108 Eine Klageerhebung gegen die EuVTVO wäre allerdings nicht zulässig. Zwar sind die Bürger von der EuVTVO unmittelbar betroffen, da kein zusätzlicher Umsetzungsakt notwendig ist. Es fehlt aber an der individuellen Betroffenheit.109
102 Die Fragen können aber auch vom Rat, von der Kommission und den Mitgliedstaaten gestellt werden. Dann sind die Fragen abstrakt und ohne Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt formuliert. 103 Graßhof, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 68 Rn. 6. 104 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl. EG-VollstrTitelVO Rn. 38; Pfeiffer, FS Jayme, 2004, 675, 682. 105 Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 178. 106 Dazu siehe Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 230, Rn. 35 ff. 107 EuGH, Urteil v. 5.5.1998, Rs. C-386/96, Dreyfus ./. Kommission, Slg 1998, I-2309, Rn. 43 f. Siehe dazu Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 230, Rn. 35 ff. 108 EuGH, Urteil v.15.7.1963, Rs. 25/62, Plaumann ./. Kommission, Slg. 1963, 211, 238; Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 230, Rn. 42 ff. 109 Rauscher/Pabst, EuZPR/EuIPR (2010), Einl. EG-VollstrTitelVO Rn. 42.
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
E. Lösungsvorschläge de lege ferenda E. Lösungsvorschläge de lege ferenda
I. Änderungsvorschläge zur EuVTVO 1. Überblick Um die Anforderungen an die wirksame Gewährleistung des Unionsgrundrechts auf rechtliches Gehör zu erfüllen, müssen bestimmte Änderungen in die EuVTVO eingeführt werden. Es sind Lösungen vorzuschlagen, die die Regelungen der Verordnung insoweit ändern, als bei der Abwägung der Interessen beider Parteien das Gewicht zu Gunsten des Schuldners verschoben wird. Die Verringerung seines Rechtschutzes kann dadurch korrigiert werden. 2. Die Regelung der Zuständigkeit des bestätigenden Organs in der EuVTVO Für die Gewährleistung der Wirksamkeit einer Überprüfung im Rahmen des Bestätigungsverfahrens ist es unabdingbar, in der EuVTVO eine Regelung zur Zuständigkeit des Organs, das die Bestätigung als EuVT ausstellt, zu normieren. Dass diese Frage der Regelung dem nationalen Gesetzgeber überlassen wird, führt dazu, dass die Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten voneinander abweichen. Zur Steigerung der Prozessökonomie bestimmen die Staaten oft, dass dasjenige Organ, das den Titel erlassen hat, auch die Bestätigung als EuVT ausstellt. Dies relativiert die Wirksamkeit der Kontrolle erheblich. Die EuVTVO sollte daher eine Vorschrift enthalten, die vorgibt, in welcher Weise die Mitgliedstaaten die Zuständigkeit zur Ausstellung der Bestätigung normieren müssen. Sofern der Titel eine unbestrittene Forderung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b oder c EuVTVO betrifft, kann das bestätigende Organ mit demjenigen, das den Titel erlassen hat, nicht identisch sein. Die Bestätigung muss zudem Aufgabe des Richters und nicht eines sonstigen Beamten sein. Anstatt die Regelung der Zuständigkeit den einzelnen Staaten zu überlassen, sollte der europäische Gesetzgeber sie schon im Text der EuVTVO ausdrücklich bestimmen. 3. Mindeststandards für die Rechtzeitigkeit der Zustellung und die Belehrung Die Vorschriften über die Mindeststandards sind dahingehend zu ergänzen, dass eine zusätzliche Bestimmung über die Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks eingeführt wird. Die Bestätigung kann nur dann ausgestellt werden, wenn sichergestellt ist, dass der Empfänger im Ursprungsmitgliedstaat das verfahrenseinleitende Schriftstück so rechtzeitig bekommen hat, dass er sich vor Gericht verteidigen konnte, wobei eine Frist von mindestens 14 Tagen unabdingbar ist.
E. Lösungsvorschläge de lege ferenda
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4. Mindeststandards für die sprachliche Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks Eine weitere Bestimmung, die in die Mindestvorschriften der EuVTVO einzufügen ist, ist eine Vorschrift zur Absicherung der sprachlichen Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Die Bestätigung kann nur dann ausgestellt werden, wenn sichergestellt ist, dass der Empfänger im Ursprungsmitgliedstaat das verfahrenseinleitende Schriftstück sprachlich verstanden hat. Das verfahrenseinleitende Schriftstück muss in einer Sprache abgefasst werden, die der Empfänger versteht, so dass er den Inhalt der Klage und den Inhalt der Belehrung verstehen kann. 5. Änderung der Vorschriften über die Zustellung Zwischen den Zustellungsformen der Art. 13 und 14 EuVTVO muss eine Hierarchie bestehen. Zur Bestätigung als EuVT ist vor allem die persönliche Zustellung an den Beklagten zu verlangen. War diese Zustellungsform nicht durchführbar, reicht für die Bestätigung eine Ersatzzustellung aus, bei der allerdings noch zusätzliche Voraussetzungen vorliegen müssen. Vor allem ist dem Beklagten dann ein bestimmter Rechtsbehelf zu gewähren. Die Regelungen über die Ersatzzustellung müssen modifiziert werden. Der Kreis der Personen, die das Schriftstück im Namen des Adressaten entgegennehmen dürfen, muss präzise bestimmt werden. Eine Feststellung der Altersgrenze ist ebenfalls notwendig. Personen, die in der Wohnung des Empfängers die Klageschrift entgegennehmen, sollten erwachsen sein, was von der zustellenden Person zu überprüfen ist. Diese Personen dürfen darüber hinaus nicht Gegner des Beklagten in derselben Rechtssache sein. Auch die Zustellung an Personen, die das verfahrenseinleitende Schriftstück im Namen des Empfängers in dessen Geschäftsräumen annehmen, sollte auf diejenigen Personen beschränkt werden, die zur Entgegennahme der Korrespondenz des Empfängers befugt sind. Für die postalische Zustellung sind zusätzliche Voraussetzungen an den Briefkasten des Beklagten in der EuVTVO zu stellen. Die Konstruktion des Briefkastens muss gewährleisten, dass Dritte keinen Zugang dazu haben. Außerdem sollte der Nachweis über den Empfang des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ein unverzichtbares Element jeder postalischen Zustellung sein. Die Anschrift des Adressaten im Empfangsstaat allein reicht nicht aus, um die postalische Zustellung des Schriftstücks als ausreichenden Mindeststandard für die Bestätigung zu betrachten. Jegliche Form der fiktiven Zustellung ist auszuschließen.110 Darüber hinaus sind Änderungen in Be110
So auch Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 502.
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
zug auf die Zustellung per E-Mail einzuführen. Mit einem allzu großen Risiko für den Beklagten ist die Zulässigkeit der automatisch erstellten Empfangsbestätigung verbunden. 6. Zuständigkeit für den Widerruf der Bestätigung Ähnlich wie im Falle der Trennung der Zuständigkeit für die Ausstellung des Titels und seine Bestätigung, ist eine Umgestaltung der Zuständigkeit für die Entscheidung über den Widerruf der Bestätigung notwendig. Die Verordnung sollte ausdrücklich bestimmen, dass ein anderes Organ für die Entscheidung über den Widerruf der Bestätigung zuständig ist, als dasjenige, das den Titel bzw. die Bestätigung des Titels als EuVT erlassen hat. Im Hinblick auf den Schuldnerschutz scheint es notwendig, die Aufgabe der Entscheidung über den Widerruf der Bestätigung einem Richter, nicht aber einem sonstigen Justizbeamten zuzuweisen.111 Außerdem ist eine Trennung der Zuständigkeiten für den Erlass des Titels, für seine Bestätigung und für die Entscheidung über den Widerruf notwendig. II. Ein einheitliches Zustellungsrecht Die Risiken, die mit der fehlenden Wirksamkeit der Kontrolle nach den Kriterien der Mindeststandards verbunden sind, könnten dadurch eliminiert werden, dass für die EU ein einheitliches Zustellungsrecht geschaffen wird. Die Regelung könnte bei vielen Fragen auf den bisherigen Vorschriften der EuZVO basieren.112 Auch die bisher zur EuZVO erlassene Rechtsprechung könnte bei der Gestaltung der Vorschriften des neuen Regelwerks eine wichtige Rolle spielen. Dabei ist den Ansichten zu folgen, die sich gegen die Charakterisierung des Zustellungsakts als staatlichen Hoheitsakt aussprechen.113 Um die Beschleunigung und die Wirksamkeit der Zustellung im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, sollte es insbesondere dem Gläubiger ermöglicht werden, sich an die Zustellungsorgane im Zustellungsstaat zu wenden.114
111
So auch Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, S. 130. 112 Manche Ansätze der EuZVO spielen für die Vereinheitlichung des Zustellungsrechts in Europa eine wichtige Rolle. Z. B. ist die Bestimmung eines einheitlichen europäischen Zustellungszeugnisses als Anlage zur EuZVO bedeutend. In der Praxis ist es ein Beweis des ordnungsgemäßen Zustellungsvorgangs. Siehe Hess, IPRax 2008, 477, Fn. 5. 113 Hess, NJW 2001, 15, 16; Schlosser, FS Matscher, 1993, 387, 389; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 497; Schack, IZVR, Rn. 589 ff. 114 Hess, NJW 2001, 15, 21; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, S. 498.
E. Lösungsvorschläge de lege ferenda
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Ein wichtiges Element eines einheitlichen Zustellungsrechts wäre die Regelung der Sprachproblematik.115 Für die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Empfängers eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks stellt die schon in der EuZVO und in der EuBagatellVO vorgesehene Lösung, ihm im Falle einer persönlichen Zustellung ein Annahmeverweigerungsrecht zu gewähren, eine angemessene Regelung dar. Das bereits eingeführte Kriterium für die Annahmeverweigerung (die Verständlichkeit der Sprache) ist beizubehalten. Der Empfänger sollte selbst entscheiden können, ob er das Schriftstück mit allen Konsequenzen einer wirksamen Zustellung annimmt. Alle anderen, differenzierenden Lösungen zur Sprachproblematik bringen das Risiko einer ungerechten Abwägung der Interessen beider Parteien mit sich. Eine Regelung zur Verteilung der Übersetzungspflicht ist immer rechtspolitisch begründet, wodurch sie stets dem Einwand der Ungerechtigkeit ausgesetzt ist. Wird die Übersetzungspflicht zwischen den Parteien unter Heranziehung genereller Kriterien verteilt, kann dies in der Praxis häufig zu einer Streitquelle werden. In einem einheitlichen Zustellungsrecht bedarf es der eindeutigen Klärung von Fragen, die im Hinblick auf den Schuldnerschutz von Bedeutung sind und die bereits bei der Anwendung der EuZVO Zweifel begründet haben. Insbesondere muss geklärt werden, wie die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts im Falle juristischer Personen aussehen soll. III. Zusätzliche Kontrollmechanismen 1. Die Kontrolle des rechtlichen Gehörs vor der Durchführung der Zwangsvollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat Im Hinblick auf die Unterschiede zwischen den Standards des Rechtsschutzes in den einzelnen Mitgliedstaaten muss der Vollstreckungsmitgliedstaat überprüfen können, ob das rechtliche Gehör des Beklagten, der vor Gericht nicht erschienen ist, im Rahmen des Ausgangsverfahrens im Ursprungsmitgliedstaat, sichergestellt wurde.116 Eine zusätzliche Überprüfung im Vollstreckungsstaat muss nicht bedeuten, dass das Exequaturverfahren wieder eingeführt wird. Es bedarf lediglich einer zusätzlichen 115
Siehe auch Hess, NJW 2001, 15, 22. Im Schrifttum wird für die Einführung zusätzlicher Kontrollmechanismen im Vollstreckungsstaat plädiert, die dem Schutz der Schuldnerrechte dienen könnten. Siehe beispielsweise Taborowski/Sadowski, in: Czapliński/Wróbel (Hrsg.), Współpraca sądowa w sprawach cywilnych i karnych, 133, 182 ff. In diese Richtung auch Becker, die eine Nachprüfung der Entscheidung im Vollstreckungsstaat in einem gewissen Mindestumfang im Rahmen einer grenzüberschreitenden Kontrolle vorschlägt. Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 43. 116
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
Handlung des Gerichts. Denkbar ist auch die Verteilung der Überprüfungszuständigkeit zwischen beiden Staaten. Die Kontrolle der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs vor der Durchführung des Zwangsvollstreckungsverfahrens könnte nach den Kriterien der EuVTVO als Mindeststandard ausgestaltet werden. Eine ordre public-Klausel wäre weiterhin unzulässig. Diese Lösung stellt eine Kompromisslösung dar. Zum einen bedarf es für die ausländische Zwangsvollstreckung keines Exequaturverfahrens mehr, wodurch das Ziel der Verordnung – die Beschleunigung und Vereinfachung des Forderungseinzugs – gefördert würde. Zum anderen wird die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Vollstreckungsschuldners gestärkt. Die Zulassung der ordre-public-Kontrolle würde wiederum das Risiko herbeiführen, dass sich die Verfahrensdauer verlängert und das Verfahren mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Zwar kann die ordre-publicKlausel eine wichtige Rolle für die Gewährleistung des Grundrechts des rechtlichen Gehörs des Schuldners spielen,117 insbesondere in den weiteren Phasen des Verfahrens. Der Verzicht auf diese Kontrolle im Namen der Entwicklung des Binnenmarkts scheint aber hinnehmbar. Durch den Amsterdamer Vertrag haben die Mitgliedstaaten ihre Souveränitätsrechte jedoch teilweise auf die EU übertragen. Die ordre-public-Kontrolle oder jede andere Kontrolle anhand einer Generalklausel könnte den Staaten die Möglichkeit eröffnen, die Kontrolle allzu weit auszudehnen. Dennoch ist die Kontrolle des rechtlichen Gehörs solange unabdingbar, bis die Rechtspflege in allen betroffenen Mitgliedstaaten gleichwertig ist. Im Hinblick auf die Vor- und Nachteile aller Rechtsschutzsysteme118 erscheint es richtig, nach Kompromisslösungen zu suchen. Grundsätzlich sollte der Schuldner die Verletzung seiner Grundrechte im Erkenntnisverfahren vor den Gerichten des Urteilsstaats geltend machen können. Die Gewährleistung des Grundrechtsschutzes gehört zu den Aufgaben des nationalen Gesetzgebers. Allerdings muss dies nicht bedeuten, dass auf hori-
117
Ein sog. subjektives Element des ordre public. Dazu siehe Gerling, Gleichstellung, S. 51 ff. 118 Zu den verschiedenen Modellen des Schuldnerschutzes siehe Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 164 f; Bruns, JZ 1999, 278, 285. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Verteilung der Zuständigkeit zwischen den beiden mit dem Fall der grenzüberschreitenden Vollstreckung betroffenen Staaten sowie die Eröffnung des gerichtlichen Wegs für den Vollstreckungsschuldner entweder nur in einem oder aber in beiden Staaten. Zum einen kommt die ausschließlich vertikale Kontrolle im Instanzenzug des Urteilstaates ohne Anerkennungskontrolle in Frage. Zum anderen ist eine horizontale Fehlerkontrolle denkbar, die auf eine umfassende Rechtmäßigkeitsüberprüfung im Anerkennungsstaat setzt.
E. Lösungsvorschläge de lege ferenda
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zontale Rechtsschutzmöglichkeiten119 im Falle der grenzüberschreitenden Vollstreckung völlig verzichtet werden muss.120 Es ist denkbar, vorrangig auf den vertikalen Rechtschutz abzustellen, dabei aber dem Schuldner bestimmte Rechtsbehelfe auch horizontal im Vollstreckungsstaat einzuräumen. Dadurch dürfte der Schuldner sich insbesondere schwerer Rechtsverletzungen besser erwehren können.121 Die Kontrolle des rechtlichen Gehörs könnte von Amts wegen, ohne die Notwendigkeit der Antragstellung durch den Gläubiger, durchgeführt werden. Liegen dem zuständigen Organ alle notwendigen Unterlagen vor, könnte das Gericht die Mindeststandards im Ausgangsverfahren überprüfen. Dadurch wäre der Gläubiger nicht verpflichtet, zusätzliche Schritte (Zwischenverfahren) vorzunehmen, um die titulierte Forderung im Ausland durchsetzen zu können. 2. Zusätzliche Kontrollmechanismen auf internationaler Ebene Eine Lösung des Problems der entsprechenden Kontrollstandards könnte die Einführung einer grenzüberschreitenden Kontrolle sein. Schon im Jahr 1996 wurde vorgeschlagen, die Vollstreckbarkeitsklausel eines Europäischen Vollstreckungstitels durch den Urkundsbeamten des EuGH oder durch ein „Exequaturbüro“ am EuGH erteilen zu lassen.122 Für die Bestätigung aller gerichtlichen Entscheidungen könnte eine zentrale Behörde auf Ebene der Union geschaffen werden, die in allen Mitgliedstaaten für die Gläubiger einfach zugängliche Stellen zur Verfügung stellen würde. Diese europäische Bestätigungsstelle123 würde die formellen Voraussetzungen für die Bestätigung überprüfen. Die Objektivität der Entscheidung würde auf diese Weise gesichert. Die Prozessgrundrechte des Schuldners würden 119 Im Rahmen von horizontalen Rechtsschutzsystemen stehen dem Schuldner bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten, bestimmte Rechtbehelfe in beiden betroffenen Staaten zu. Der Schuldner kann bei der Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung der ausländischen Entscheidung bestimmte Rechtsbehelfe auch im Vollstreckungsstaat erheben. Er ist daher nicht nur auf das Verfahren in einem Staat angewiesen. Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, S. 164. 120 Für die Notwendigkeit, das zweite Verfahren im Vollstreckungsstaat einzuführen, ist auf die Aussagen des EuGH im Krombach-Fall hinzuweisen. In diesem Fall bestand die Grundrechtsverletzung in der Verletzung des Zivilverfahrensrechts. Die Rechtsbehelfe, die dem Schuldner aufgrund des französischen Rechts zustanden, boten ihm keine rechtliche Möglichkeit, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen. Bei der Anwendung der EuVTVO hätte der Vollstreckungsschuldner keine Möglichkeit mehr gehabt, sich in Deutschland gegen die Vollstreckung der französischen Entscheidung zu wehren. Wagner, IPRax 2001, 75, 92. 121 In diese Richtung auch Bruns, JZ 1999, 278, 287. 122 Strome, FS Nakamura, 1996, 581, 594. 123 Siehe auch die Idee von Gerling, Gleichstellung, S. 123.
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
dadurch gewährleistet, dass auf der Ebene des Unionsrechts ein einheitliches Zustellungsrecht eingeführt würde. Eine viel weitergehende Lösung wäre die Schaffung eines zusätzlichen Rechtsmittels im Gemeinschaftsrecht, das dem Schutz der Unionsgrundrechte des Einzelnen dienen könnte. Es wäre denkbar, eine Grundrechtsbeschwerde einzuführen, die sich gegen die normativen Rechtsakte der EU richten würde.124 Sie könnte es dem Einzelnen in einem breiteren Umfang als die Nichtigkeitsklage ermöglichen, gegen Rechtsakte der EU vorzugehen, die einen unangemessenen Eingriff in Grundrechte bewirken. Die Stärkung des Schutzes der Grundrechte des Einzelnen im Wege der Einräumung eines zusätzlichen Rechtsmittels im Unionsrecht mit allgemeinem Charakter ist insbesondere deswegen notwendig, weil gerade in den Rechtsakten aus dem Bereich des europäischen Zivilprozessrechts – wie im Rahmen der Untersuchung bezüglich der EuVTVO nachgewiesen wurde – der Grundrechtsschutz des Einzelnen mangelhaft ist, so dass Grundrechtsverstöße nicht ausgeschlossen sind. IV. Der Passeport Judiciaire Européen Eine in der Lehre vorgeschlagene Lösung, die eine Alternative zum EuVT darstellt, ist das Institut des sog. Passeport Judiciaire Européen. Der Europäische Pass soll ein Dokument sein, das das gesamte Verfahren von der Einleitung bis zur Zwangsvollstreckung begleitet und sie dokumentiert. Der Passeport soll also stets mit dem „Brennpunkt“ des Prozesses mitwandern, um den jeweiligen Stand und die Ordnungsmäßigkeit der getroffenen Maßnahmen zu dokumentieren. Es handelt sich um ein document unique à mains multiples.125 Seine Anwendung hat die Einhaltung eines rechtmäßigen Verfahrens zum Ziel.126 Da der Schuldner sich mit einem Dokument dieser Art direkt an die Vollstreckungsorgane des Vollstreckungsstaates wenden könnte, würde auch die Beschleunigung und Effektuierung des Verfahrens erreicht. Den bereits in den europäischen Verordnungen vorgesehenen Formularen könnte die Bedeutung eines Europäischen Passes zukommen. Vor allem könnte das Formular aus Art. 54 EuGVVO diese Rolle spielen.127
124
Böcker, Wirksame Rechtsbehelfe zum Schutz der Grundrechte der Europäischen Union, S. 234. 125 Sharma, Die Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, S. 116. 126 Sharma, Die Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, S. 116. 127 So Hess/Bittmann, IPRax 2007, 277, 280.
F. Gesamtergebnis
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F. Gesamtergebnis F. Gesamtergebnis
Die Ergebnisse der Arbeit lassen sich in folgenden Thesen zusammenfassen: 1. Das Recht auf rechtliches Gehör gehört zu den Unionsgrundrechten. Der Gesetzgeber der EU ist primärrechtlich verpflichtet, diejenigen Rechtsmaßnahmen zu ergreifen, die das Grundrecht des Einzelnen auf rechtliches Gehör wirksam gewährleisten. Die wirksame Gewährleistung des rechtlichen Gehörs ergibt sich als Garantie des fairen Verfahrens aus Art. 6 Abs. 1 EMRK. Im deutschen sowie im polnischen Recht ist das Recht auf rechtliches Gehör verfassungsrechtlich garantiert. Die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs erfolgt in allen Etappen des Zivilprozesses in anderer Form. Bei der Einlassung auf das Verfahren spielt sie eine entscheidende Rolle für die Gewährleistung der Orientierungsrechte des Beklagten. Der Beklagte muss über das gegen ihn eingeleitete Verfahren hinreichend informiert werden, so dass er sich vor Gericht verteidigen kann. Daher hängt die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs in erster Linie von der Art und Weise der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ab. 2. In allen bisher erlassenen Regelwerken aus dem Bereich des Gemeinschaftsanerkennungsrechts ist dieses Recht dadurch gewährleistet, dass bestimmte Kontrollmechanismen vorgesehen sind, mithilfe derer überprüft werden kann, ob die Orientierungsrechte des säumigen Vollstreckungsschuldners im Ausgangsverfahren gewährleistet wurden. Die einzelnen Staaten sehen diese Überprüfung vor, indem sie sich auf das Souveränitätsprinzip stützen. In den Regelwerken des Gemeinschaftsrechts führte der Verordnungsgeber eine Kontrolle ein, weil er primärrechtlich verpflichtet ist, die Unionsgrundrechte zu gewährleisten. 3. Die Gewährleistung der nationalen Grundrechte ist prinzipiell die Aufgabe des nationalen Gesetzgebers. Unabhängig davon hat der Gesetzgeber der EU die Unionsgrundrechte zu gewährleisten. Da die EuVTVO die Anordnung der ausländischen Zwangsvollstreckung aus einem ausländischen Vollstreckungstitel vorsieht und zugleich den Rechtsschutz des Schuldners im Vergleich zu den bisher geltenden Rechtsakten des Gemeinschaftsanerkennungsrechts erheblich verkürzt, ist es notwendig, die Gewährleistungen des rechtlichen Gehörs in Form von Kontrollmechanismen in der EuVTVO zu normieren. Die Notwendigkeit der Kontrolle des rechtlichen Gehörs eines säumigen Vollstreckungsschuldners vor der Erteilung der Vollstreckbarkeit für das europäische Ausland lässt sich auch damit begründen, dass zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede bestehen, wenn es um die Standards der zivilrechtlichen Rechtspflege geht.
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
4. Im Zuge des durch die Einführung der EuVTVO herbeigeführten Systemwechsels wurde die Kontrolle vor der Erteilung der Vollstreckbarkeit für das Ausland beibehalten. Sowohl die Zuständigkeit des kontrollierenden Organs als auch der Prüfungsumfang wurden allerdings geändert. Die vollständige Verschiebung der Überprüfungskompetenz in den Erststaat und die Umgestaltung der Kontrollmechanismen haben direkte Auswirkungen auf den Schuldnerschutz. Im Vergleich mit den bisherigen Rechtsakten aus dem Bereich des Gemeinschaftsanerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsrechts wurde der Rechtsschutz des Schuldners erheblich geschwächt. 5. Aus der EMRK ergibt sich kein ungeschriebenes Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverbot für das Gemeinschaftsrecht in den Konventionsstaaten. 6. Da es von den Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten abhängt, welche Titel die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. b und c EuVTVO erfüllen, bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten: Das polnische Recht kennt keine gerichtlichen Entscheidungen, die die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. c EuVTVO erfüllen. 7. Die Regelung der Zuständigkeit im Bestätigungsverfahren ist ein wichtiger Faktor bei der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beklagten und kann in hohem Maße über die Wirksamkeit der Kontrolle entscheiden. Über die Zuständigkeit des Organs für die Bestätigung als EuVT entscheiden die einzelnen Mitgliedstaaten. Manche Staaten lassen es zu, dass dasjenige Organ, das den Titel erlassen hat, auch seine Bestätigung als EuVT ausstellt. Im Ergebnis überprüft das bestätigende Organ im Rahmen der Kontrolle im Bestätigungsverfahren seine eigenen Handlungen in der früheren Phase des Verfahrens. Dies stellt die Wirksamkeit der Überprüfung in Frage und führt eine erhebliche Reduzierung der Schuldnerschutzgewährleistung herbei. Die Bestimmung der Zuständigkeit in der EuVTVO reicht nicht aus, um die Wirksamkeit der Kontrolle zu gewährleisten. Um die Objektivität der Kontrolle der Mindeststandards im Bestätigungsverfahren zu sichern, sollte eine entsprechende Regelung in der Verordnung selbst vorgesehen werden. Die Verordnung sollte regeln, dass für die Bestätigung als EuVT nicht dieselbe Person bzw. Gruppe von Personen zuständig ist, die auch den Titel selbst erlassen hat. Auch bezüglich der Entscheidung über den Widerruf der Bestätigung sollte in der EuVTVO die Trennung der Zuständigkeit ausdrücklich vorgesehen werden. Eine Kompromisslösung bei der Bestimmung der Zuständigkeit des Organs für die Bestätigung eines Titels über eine unbestrittene Forderung nach Art. 3 Abs. 1 lit. b und c EuVTVO im Ursprungsmitgliedstaat könnte
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die Zuweisung der Zuständigkeit an einen Spruchkörper sein, der den Titel nicht erlassen hat. 8. Die Formulierung der Mindeststandards entscheidet darüber, ob die Überprüfung im Rahmen des Bestätigungsverfahrens nach formalisierten Kriterien verläuft. Die Flexibilität, die bei der Bewertung der Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners im Ursprungsstaat gemäß der Generalklausel in Art. 34 Nr. 2 EuGVVO ermöglicht wurde, ist nicht mehr vorhanden. 9. Die Überprüfung des Zustellungsprozesses nach diesen Kriterien garantiert nicht, dass die Bestätigung in Fällen der unzureichenden Gewährleistung des rechtlichen Gehörs im Erkenntnisverfahren scheitert. Die Zustellungsmethoden nach Art. 14 EuVTVO begründen einige Zweifel. Im Hinblick auf den Schuldnerschutz ist die Gleichstellung der Zustellungsarten mit und ohne Nachweis des Empfangs negativ zu bewerten. Im Unterschied zur persönlichen Zustellung gelangt das Schriftstück nach Art. 14 Abs. 1 EuVTVO in den Machtbereich des Schuldners. Es besteht aber keine Gewissheit, dass er es tatsächlich empfangen hat. Die Mindeststandards für die postalische Zustellung sind so ausgestaltet, dass nicht garantiert ist, dass der Empfänger das verfahrenseinleitende Schriftstück tatsächlich erhält. Gefahren ergeben sich etwa daraus, dass keine bestimmten Anforderungen hinsichtlich der Geeignetheit und Sicherheit des Briefkastens vorgesehen sind. Es lässt sich nicht ausschließen, dass das rechtliche Gehör des Schuldners aufgrund zurechenbaren Verhaltens Dritter verletzt wird. Außerdem bestehen Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der elektronischen Zustellung nach den Mindeststandards der EuVTVO. 10. Die Mindestvorschriften über die Zustellung sind im deutschen und im polnischen Recht zum Teil erfüllt. Die Empfangsbestätigung der Zustellung bildet einen zwingenden Teil der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach Art. 14 Abs. 1 lit. a bis d EuVTVO. Art. 14 Abs. 3 lit. a iii) EuVTVO verlangt die Angabe des Verhältnisses der Person zum Schuldner, die statt des Schuldners das verfahrenseinleitende Schriftstück empfangen hat. Da die Empfangsbestätigung in Polen diese Angabe nicht enthält, sind diese Mindeststandards in Polen nicht erfüllt. 11. Die Verordnung schließt grundsätzlich alle fiktiven Formen der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks für die Bestätigung aus. Gleichwohl regelt Art. 14 Abs. 1 lit. d EuVTVO, der einen Mindeststandard normiert, selbst eine fiktive Zustellung. 12. Die Gewährleistung einer effektiven Verteidigung vor Gericht setzt voraus, dass der Schuldner genug Zeit hat, sich auf das Verfahren einzulassen. Die Mindestvoraussetzungen über die Zustellung beziehen sich
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4. Kapitel: Kritische Würdigung
allerdings nicht auf die Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Im Vergleich mit den Vorschriften des EuGVÜ und der EuGVVO wurde die Regelung der Rechtzeitigkeit in der EuVTVO zu Ungunsten des Beklagten abgeändert. Der Gemeinschaftsgesetzgeber geht davon aus, dass alle Mitgliedstaaten die Einlassungsfristen in ausreichendem Maße normieren, so dass eine Regelung der Rechtzeitigkeit in den Mindeststandards nicht mehr notwendig ist. Das Abstellen auf die Regelungen des nationalen Rechts ist jedoch im Hinblick auf den Schutz der Grundrechte des Schuldners nicht angemessen. Die fehlende Regelung der Mindeststandards zur Rechtzeitigkeit der Zustellung ist ein wesentlicher Mangel, der dazu führt, dass das Recht auf rechtliches Gehör in der EuVTVO nicht hinreichend sicher gewährleistet wird. 13. Die Schutzfunktion der Mindestvoraussetzungen wird durch die Einführung des Art. 18 EuVTVO erheblich geschwächt. Die Heilung von Verstößen gegen die Mindeststandards kann dazu führen, dass Versäumnisurteile in einem Verfahren, das die Schuldnerrechte nicht ausreichend gewährleistet, als EuVT bestätigt werden können. Diese Heilung geht zu weit. 14. Die Vorschriften der EuZVO zur internationalen Zustellung sind an vielen Stellen lückenhaft und lassen zahlreiche Fragen ungeregelt. Es besteht zudem keine Stimmigkeit zwischen den Regelungen beider Verordnungen. Es besteht kein einheitliches europäisches Zustellungsrecht. Nur in geringem Umfang wurde das Zustellungsrecht in der EuBagatellVO für die EU vereinheitlicht. 15. Die Gewährleistung der sprachlichen Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ist ein unabdingbares Element der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs. Die in der EuVTVO gewählte Methode bezüglich der sprachlichen Verständlichkeit des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ist allerdings unzureichend. Im Hinblick auf die fehlende Regelung dieser Frage in der EuVTVO hängt sie von den Vorschriften des Zustellungsrechts ab. Die Analyse der EuZVO und der Vorschriften des nationalen deutschen und polnischen Rechts zeigt, dass diese Regelung nicht immer ausreichende Garantien für das sprachliche Verständnis normiert. Daher ist die Voraussetzung der wirksamen Gewährleistung des rechtlichen Gehörs in der EuVTVO nicht erfüllt. 16. Die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf gegen eine bereits ergangene Versäumnisentscheidung einzulegen, ist qualitativ nicht gleichwertig zu der Möglichkeit, sich vor Erlass der Entscheidung zu verteidigen. Eine nachträgliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs kann die Mängel der Gewährleistung in der Einlassungsphase nicht kompensieren. Im Zusammenhang mit der EuVTVO kann nicht auf die nachträgliche Gewährleistung rechtlichen Gehörs abgestellt werden: Insbesondere bezweckt die
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EuVTVO nicht das Erzielen eines Überraschungseffekts, etwa im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes. Auch aufgrund ihrer Ausgestaltung können die Rechtsbehelfe, die sich nach der EuVTVO gegen den EuVT richten, nicht die unzureichende Gewährleistung der Verfahrensrechte des Beklagten in der Einlassungsphase kompensieren. 17. Jede Vollstreckung einer Entscheidung, die die Grundrechte verletzt, stellt ebenfalls einen Grundrechtsverstoß dar. Verpflichtet die EuVTVO die Mitgliedstaaten zur Vollstreckung solcher Entscheidungen, bewirkt sie die erneute Grundrechtsverletzung und ist dann selbst grundrechtsverletzend. Nicht relevant ist dabei, ob die Grundrechtsverletzung daraus folgt, dass das Verfahren rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügte oder dass die Entscheidung inhaltlich grundrechtswidrig war. 18. Da der europäische Verordnungsgeber die Durchführung der Zwangsvollstreckung aus einem EuVT in allen Mitgliedstaaten anordnet, muss er Regelungen einführen, die die Prozessgrundrechte des Schuldners gewährleisten. 19. Aus der Tatsache, dass in allen Mitgliedstaaten die EMRK gilt, ergibt sich nicht, dass die Standards der Rechtspflege in allen Mitgliedstaaten gleichwertig sind. 20. Die EuVTVO kann als Rechtsakt des Unionsrechts (noch) nicht der Kontrolle der Organe der EMRK unterliegen. Dennoch lässt sich theoretisch festhalten, dass die EuVTVO den Standards der Gewährleistung des Grundrechts auf rechtliches Gehörs, die insbesondere in Art. 6 Abs. 1 EMRK festgelegt wurden, nicht genügt. 21. Die einzelnen Staaten sind für die Verletzung der EMRK nicht verantwortlich, da der Rechtsschutz in der EU generell dem Rechtsschutz entspricht, den die Organe der Konvention garantieren. 22. Die EuVTVO verletzt das Unionsgrundrecht auf rechtliches Gehör.
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Sachregister Amsterdamer Vertrag 4 Anerkenntnisurteil 23 Anfechtung 34 f. Annahmeverweigerungsrecht 153 ff. Appellation 30, 174, 178 f. Belehrung 136 f., 183 – Annahmeverweigerungsrecht 154 – Einspruch 146 – Forderung 138 – Heilung 177 – Konsequenzen des Nichtbestreitens 140 – rechtliches Gehör 139 – Rechtsbehelfe 140 – Sprache 141 – Verfahrensschritte zum Bestreiten 139 f. – Versäumnisurteil 146 – Zahlungsbefehl 146 – Zuständigkeit 136 Berichtigung 187 ff. – Deutschland 189 – Polen 189 Bestätigung – Antrag 58 – der Nichtvollstreckbarkeit 65 – Ersatzbestätigung 65 – fiktive Zustellung 132 – Mindeststandards 68 ff. – Sprache 149, 164 – Vollstreckbarkeit 66 f. – Voraussetzungen 66 ff. – Zuständigkeit 58 ff., 67, 179, 230 Bestätigungsverfahren – Aufhebung 64 – Belehrung 181 – Bescheinigung 62 – Beschluss 64 – Bezirksgericht 63
– – – – – – – – – – – –
Deutschland 60 ff. Funktion 57 Polen 62 ff. Rayonsgericht 62 Rechtsbehelf 187 ff. Rechtspfleger 60 Verlauf 57 ff. Verweigerung 64 Vollstreckungsklausel 61 f., 64 Widerruf 187 ff. Zahlungsbefehl 63 Zustellung 181
Empfangsbekenntnis 91, 95, 113, 129 EMRK 39 ff., 217 ff. EuBagatellVO 5, 9 EuGH, Urteil v. 28.3.2000, Rs. C-7/98, Krombach ./. Bamberski 211 EuGH, Urteil v. 8.11.2005, Rs. C-443/03, Götz Leffler ./. Berlin Chemie AG 18, 158, 168 EuGH, Urteil v. 8.5.2008, Rs. C-14/07, Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR ./. IHK Berlin 163, 167 EuGVÜ 7 f., 107 ff. EuGVVO 8 f., 109 ff. EuMahnVO 5, 9 europäischer Justizraum 4 f. Europäische Kommission für Menschenrechte 219 europäischer Vollstreckungstitel – Ursprung 7 ff. EuVTVO – Auslegung 17 f. – Entstehung 11 ff. – Kompetenzgrundlage 12 – Mindeststandards 101 – praktische Relevanz 6 – räumlicher Anwendungsbereich 35 – Rechtsetzungsverfahren 12 f.
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Sachregister
– sachlicher Anwendungsbereich 19 ff. – Systemwechsel 9 ff., 55 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 88 – zeitlicher Anwendungsbereich 35 – Ziele 13 f. EuZVO 80 ff. – Anwendbarkeit 81 – Aussetzung des Verfahrens 85 f. – behördliche Zustellung 82 ff. – Einschreiben 83 – Kollisionsnorm 82 – Postdienste 83 f. – Säumnis 85 ff. – unmittelbare Zustellung 84 f. – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 87 f. – Zustellungsmethoden 80 ff. fair trial 50 Grundrechtsbeschränkung 48 f. Grundrechtsverletzung 210 f. Heilung 175 ff. – Appellation 178 – Belehrung 177 f. – deutsches Recht 177 f. – polnisches Recht 178 f. – rechtliches Gehör 177 – Rechtsbehelf 175 – Versäumung der Frist 175 – Voraussetzungen 175 f. – Zustellung 175 f. Individualbeschwerde 221 Ladung 135 f., 142, 146 – Übersetzung 166 Luganer Übereinkommen 107 ff. Mindeststandards 10, 68 ff. – Anpassungsvorschriften 141 – Ausnahmefälle 171 – Belehrung 136 f., 183 – Heilung 175 ff. – Ladung 135 f. – Mängel 216 – Nachweis des Empfangs 112 ff. – Rechtzeitigkeit 133 f.
– Sprache 149, 183, 231 – verfahrenseinleitendes Schriftstück 138 f. – Zustellung 70 ff., 111 ff. Nichtigkeitsklage 229 öffentliche Urkunde 33 f. Passeport Judiciaire Européen 236 Prozessschriftsatz 142 f. – Adresse 144 – Vertreter 144 Prüfungskompetenz 10 rechtliches Gehör 2 f. – Anerkennungsrecht 49 ff. – Bedeutung 36 f. – Belehrung 139 – Bestätigungsverfahren 57 ff. – Charta der Grundrechte 38, 55 – Grundgesetz 43 – Heilung 175 ff. – EMRK 39 ff., 50 ff. – EuGH 47 – EuZVO 183 – nachträgliches – polnische Verfassung 45 f. – polnisches ZVGB 46 – Primärrecht 37 – Prozessgrundrecht 43 – Rechtzeitigkeit der Zustellung 134 – Sprache 147 f., 170 – Stufen 44, 47 – Überprüfungsmechanismen 179 – Vollstreckbarerklärung 52 ff. – Zustellung 179 Rechtsschutz – deutsches Recht 199 f. – effektiver 186 – EuVTVO 195 ff. – Gleichwertigkeit 211 ff. – nachträglicher 185 – polnisches Recht 202 ff. Rechtsstaatlichkeit 222 ff. Säumnis 27, 31 Solange-Rechtsprechung 224 ff. Sprache 146 ff. – Anerkennungshindernis 156
Sachregister – Anlagen 167 – Annahmeverweigerungsrecht 153 ff., 160 f., 164 – Beweislast 160, 164 f. – deutsches Recht 150, 169 f. – EMRK 152 – EuGVÜ / EuGVVO 150 f., 166 – EuVTVO 149 f. – EuZVO 153 ff., 166 – Heilung 157 f. – HZÜ 166 – Klageschrift 147 f. – Kriterien 159, 161 f. – Nachweis 164 – natürliche Person 159 f. – Niveau 165 – offensichtliche Kenntnis 155 – Parteivereinbarung 162 f. – polnisches Recht 150, 170 – rechtliches Gehör 147 f., 170 – Übersetzung 148, 153, 165 f. – Unternehmen 160 ff. – verfahrenseinleitendes Schriftstück 158 f. – Verständlichkeit 147 f. – Verweigerung der Annahme 148 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 169 f. Überraschungseffekt 186 unbestrittene Forderung 21 ff. – aktiv unbestrittene 21 – Anerkennung 22 ff. – Bestreiten 25 – nicht mehr bestrittene 30 ff. – passiv unbestrittene 21, 25 ff. Urteilsfreizügigkeit 15 verfahrenseinleitendes Schriftstück 72 ff. – Adhäsionsverfahren 75 – EuGH 73 f. – EuGVÜ / EuGVVO 137 f. – EuVTVO 138 f. – Klageschrift 74, 76, 141 f., 145 – Mahnbescheid 74 – notwendige Angaben 74 – Sprache 146 ff., 158 f. Vergleich 23 Versagungsgründe 137 ff.
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– informelle Ladung – ordre public 104 – Übersetzung 111 – Verteidigungsmöglichkeit 109 f. – Zustellung 103 f., 106, 110 Versäumnisurteil 27 ff., 31 f. – Einspruch 173 f. Vertrauensprinzip 10 Vollstreckbarerklärung – polnisches Recht 105 ff. – Sprache 150 f., 184 – Unionsrecht 107 ff. – Versagungsgründe 102 ff. – Vollstreckungsklausel 105 Vollstreckbarkeit 66 ff. Vollstreckungsabwehrklage 201 Vollstreckungsbescheid 27 f. Vollstreckungstitel 10 Vollstreckungsverfahren 194 ff. – Aussetzung 197 f. – Beschränkung 197 f. – deutsches Recht 199 f. – EuVTVO 194 f. – polnisches Recht 202 ff. – rechtliches Gehör 233 f. – Rechtsbehelfe 196, 200 ff. – Rechtsschutz 195 ff., 199 ff. – Vereinbarung mit Drittländern 197 – Verweigerung 196 f. – Vollstreckungsklausel 202 f. Vorabentscheidungsverfahren 228 f. Widerruf 24, 26, 189 ff. – Anhörung 193 – Antrag 191 f. – Beschwerde 193 – Deutschland 191 f. – Frist 192 – Polen 192 – rechtliches Gehör 190 – Sprache 191 – Tatbestände 190 – Zuständigkeit 191 f., 232 – Zustellung 190 Widerspruch 31 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 87 f., 169 f., 174, 177, 179 Zahlungsbefehl 28 Zahlungsunfähigkeit 26
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Sachregister
Zentralisierung 10 Zustellung 70 ff. – AGB 128 – Amtsstelle 91 – Anerkennungshindernis 101 – Auslandszustellung 93 ff., 99 ff. – auf Betreiben der Parteien 90 f. – automatische Sendebestätigung 127 – behördliche 82 f. – Bescheinigung 129 – Bevollmächtigter 91, 95 – Briefkasten 122 f., 181 – Datum 168 f. – einheitliches Recht 232 f. – Einschreiben 83, 93 ff. – Einverständnis 128 – elektronische 92, 116 f., 127, 181 f. – Empfangsbekenntnis 91, 95, 113, 129 – Empfangsstelle 89 f., 101 – Ersatzzustellung 91, 96, 123, 231 – EuGVÜ 180 – EuZVO 80 – fiktive 78, 96, 98 f., 125, 131 ff., 231 – förmliche 70 – formlose 70 – Geschäftsräume 91, 120 f. – höhere Gewalt 172 – Inlandszustellung 90 ff.
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internationale 77 ff. Kind 119 Mindeststandards 111 ff. Niederlegung 92, 97, 99 ohne Nachweis des Empfangs 117 ff., 126 f. persönliche 113, 118 f. polnisches Recht 94 ff. Post 83 f., 115, 231 Protokollierung 114 Prozessverhältnis 73 Prüfung 101 rechtliches Gehör 102, 122, 125, 133 Rechtshilfe 94, 100 rechtliches Gehör 70 f. rechtzeitige 133 f., 180, 230 sichere Aufbewahrung 124 sichere Kenntnis 130 f. Signatur 116 f. Übermittlungsstelle 89 f. unmittelbare 84 f. Unternehmen 121 Vertreter 131 f. von Amts wegen 90 f. Wohnung 91 zusammenlebende Person 118 f. Zustellungsurkunde 90, 93, 129 Zweck 72