Das Anerkennungsregime des europäischen Zivilprozessrechts für mitgliedstaatliche Entscheidungen: Eine Analyse der Verordnungen EuGVVO, EuVTVO, EuMahnVO und EuGFVO unter dem Blickwinkel des deutschen Zivilprozessrechts [1 ed.] 9783428580552, 9783428180554

Die Anerkennung mitgliedstaatlicher zivilprozessualer Entscheidungen ist wichtiger Bestandteil des einheitlichen europäi

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German Pages 310 [311] Year 2020

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Das Anerkennungsregime des europäischen Zivilprozessrechts für mitgliedstaatliche Entscheidungen: Eine Analyse der Verordnungen EuGVVO, EuVTVO, EuMahnVO und EuGFVO unter dem Blickwinkel des deutschen Zivilprozessrechts [1 ed.]
 9783428580552, 9783428180554

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Schriften zum Europäischen Recht Band 203

Das Anerkennungsregime des europäischen Zivilprozessrechts für mitgliedstaatliche Entscheidungen Eine Analyse der Verordnungen EuGVVO, EuVTVO, EuMahnVO und EuGFVO unter dem Blickwinkel des deutschen Zivilprozessrechts

Von Victoria Maria Jakowski

Duncker & Humblot · Berlin

VICTORIA MARIA JAKOWSKI

Das Anerkennungsregime des europäischen Zivilprozessrechts für mitgliedstaatliche Entscheidungen

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 203

Das Anerkennungsregime des europäischen Zivilprozessrechts für mitgliedstaatliche Entscheidungen Eine Analyse der Verordnungen EuGVVO, EuVTVO, EuMahnVO und EuGFVO unter dem Blickwinkel des deutschen Zivilprozessrechts

Von Victoria Maria Jakowski

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachberbeich Rechtswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen hat diese Arbeit im Jahr 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-18055-4 (Print) ISBN 978-3-428-58055-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit ist im Wintersemester 2019/2020 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen als Dissertation angenommen worden. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Juli 2019 berücksichtigt werden. Die Arbeit wurde mit dem Promotionspreis der Juristischen Studiengesellschaft Gießen e. V. ausgezeichnet und mit einer Dissertationsauszeichnung der JustusLiebig-­Universität Gießen im Jahr 2020 gewürdigt. Mein herzlicher Dank gebührt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Jens Adolphsen. Er hat mein Interesse für das vorliegende Thema geweckt und mich über den Zeitraum der Promotion mit Rat und zahlreichen konstruktiven Gesprächen zum Thema unterstützt. Herrn Prof. Dr. Christoph Benicke danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Mein Dank gilt auch den weiteren Mitgliedern der Prüfungskommission, Herrn Prof. Dr. Wolf-Dietrich Walker sowie Herrn Prof. Dr. Franz Reimer. Außerdem bedanke ich mich bei den Herausgebern der „Schriften zum Europäischen Recht“ für die Aufnahme in die Schriftenreihe. Weiteren Dank möchte ich meinen beiden Schwestern aussprechen, die mich all die Jahre begleitet haben, sowie Philipp für seine bedingungslose Unterstützung während der Zeit der Promotion. Ein ganz besonderer Dank aber gilt meinen Eltern, Heike und Jochen Jakowski, die mich immer vielfältig und vorbehaltlos unterstützt haben. Ohne sie wäre mein Studium der Rechtswissenschaft und die Erstellung dieser Promotion nicht möglich gewesen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. München, April 2020

Victoria Maria Jakowski

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einführung 19 A. Die Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Die Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 C. Automatische Anerkennung, inzidente Überprüfung der Anerkennungsfähigkeit und besondere Vollstreckbarkeitsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 D. Gang der Untersuchung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

2. Kapitel Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 27



A. Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I.

Allgemein: Das Prinzip der Anerkennung im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Begriff der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Anerkennung im Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

II. Anerkennung im internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Regelungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Völkerrechtliche Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Autonome nationale Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Anerkennung von Schiedssprüchen in der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . 34 d) Anerkennung im föderalen Gefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Theoretische Grundlagen und Hintergrund der Anerkennung . . . . . . . . . . . 35 4. Anerkennung, Souveränität und demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . 38 5. Definition der Anerkennung heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Anerkennung in anderen Bereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Prozessrechtliche Anerkennung in anderen Prozessordnungen . . . . . . . . . . . 41 2. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 IV. Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Die europäischen Rechtsakte zur Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

8

Inhaltsverzeichnis a) Kompetenzgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Anerkennung nach der ­EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 aa) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 bb) Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Anerkennung nach anderen europäischen Rechtsakten . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Dogmatische Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Gleichbehandlung von mitgliedstaatlichen und inländischen Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Erstreckung der Entscheidungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Wirkungserstreckung statt Wirkungsgleichstellung . . . . . . . . . . . . . . 54 bb) Kumulationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 cc) Anwendbares Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Die einzelnen Entscheidungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 d) Wirkungserstreckung und Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 aa) Unterschiedliche Rechtskraftkonzepte in Europa . . . . . . . . . . . . . . . 61 bb) Europäischer Rechtskraftbegriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (1) Entscheidung des EuGH vom 15.11.2012 (C-456/11) . . . . . . . . 64 (2) Reichweite und dogmatische Konzeption eines europäischen Rechtskraftbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (a) Begründung der Entscheidung des EuGH vom 15.11.2012 (C-456/11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (b) Rechtskraft im europäischen Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . 68 (c) Kernpunkttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 e) Automatische Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 aa) Kein Verfahren der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 bb) Ablauf und Zeitpunkt der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 cc) Automatische Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht . . . 78 f) Wirksamkeit und Umsetzung ausländischer Entscheidungen . . . . . . . . . . 79 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

B. Das Prinzip der Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I.

Die Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Begriff: Vollstreckung, Vollstreckungsfähigkeit, Vollstreckbarkeit . . . . . . . . 81 2. Vollstreckung im internationalen Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Vollstreckung nach der ­EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Früher: Exequaturverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Automatische Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Beibehaltung der Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 bb) Wirkungserstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Inhaltsverzeichnis

9

cc) Die Bescheinigung nach Art. 53 E ­ uGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 dd) Kritik an der Abschaffung des Exequaturverfahrens . . . . . . . . . . . . . 88 4. Vollstreckung nach anderen europäischen Rechtsakten . . . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Das Verhältnis von Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Akzessorietät: Die Anerkennung als Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit? 91 2. Vollstreckbarkeit ohne Anerkennung mangels Rechtskraftfähigkeit? . . . . . . 92 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 C. Anerkennung als abstraktes Prinzip der rechtlichen Beachtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 94 I.

Anerkennung und ihr Verhältnis zu den einzelnen Entscheidungswirkungen . . . 94 1. Anerkennung ohne Rechtskraftfähigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Anerkennung einer Entscheidungswirkung genügt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

II. Anerkennung der Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Gleichlauf von Anerkennung und Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Sonderbehandlung der Anerkennung der Vollstreckbarkeit? . . . . . . . . . . . . . 97 3. Zum Zeitpunkt der Erstreckung der Vollstreckbarkeitswirkung . . . . . . . . . . 98 III. Anerkennung von Prozessvergleichen und notariellen Urkunden . . . . . . . . . . . . 99 IV. Zusammenfassung: Anerkennung als Prinzip rechtlicher Beachtlichkeit . . . . . . 101

3. Kapitel

Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 104

A. Automatische Anerkennung und ihre Versagung – Konzeption der Anerkennungs­ versagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I.

„Beseitigung“ der Anerkennung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

II. Zeitliche Reichweite – Rückwirkung der Anerkennungsversagung? . . . . . . . . . 109 III. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Versagungsgründe . . . . . . . . . . . 109 IV. Keine Prüfung der Versagungsgründe von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 V. Zusammenfassung: Rechtliche und tatsächliche Wirkungen einer nicht anerkannten Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 B. Unterscheidung von Anerkennungsversagung und Vollstreckungsversagung . . . . . . . 113 C. Die Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

II. Die einzelnen Versagungsgründe der E ­ uGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Art. 45 Abs. 1 lit. a ­EuGVVO – Ordre public-Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Art. 45 Abs. 1 lit. b E ­ uGVVO – Schutz des rechtlichen Gehörs bei Verfahrenseinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

10

Inhaltsverzeichnis 3. Art. 45 Abs. 1 lit. c und lit. d ­EuGVVO – Widersprechende Entscheidungen 117 4. Art. 45 Abs. 1 lit. e ­EuGVVO – Sonderregeln für besonders geschützte ­Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 5. Weitere Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 III. Versagungsgründe der anderen Anerkennungs- und Vollstreckungsverordnungen 119 IV. Besondere Anerkennungsversagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

D. Die Systematik der ­EuGVVO zur Versagung von Anerkennung und Vollstreckung . . 120 I.

Allgemeines zur Anerkennungsversagung nach der E ­ uGVVO . . . . . . . . . . . . . . 121

II. Anerkennungsversagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Feststellungsklage – Art. 36 Abs. 2 und Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO . . . . . . . . . 123 a) Positive und negative Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) Prüfungsumfang und Inhalt der Feststellungsentscheidung . . . . . . . . . . . 124 2. Inzidente Prüfung der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Inzidente Prüfung und Zwischenfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Exkurs: Verhältnis der inzidenten Prüfung zu Vollstreckungsrechtsbehelfen nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 III. Das Verhältnis zwischen Anerkennungsversagung und Vollstreckungsversagung

129

1. Beseitigung der Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung? . . . . . . . 129 2. Das Verhältnis zwischen der Vollstreckungsversagung nach Art. 46 und der Anerkennungsversagung nach Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Legitimation der eigenständigen Vollstreckungsversagung? . . . . . . . . . . 131 b) Beseitigung der Vollstreckbarkeit neben der Anerkennungsversagung . . 132 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 E. Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht außerhalb der ­EuGVVO 134 I.

Rechtsakte der ersten Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

II. Rechtsakte der zweiten Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

4. Kapitel Anerkennung und Vollstreckung nach EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO 139



A. Europäischer Titel? – Vollstreckung nach EuVTVO, EuMahnVO und EuGFVO . . . . 139 I.

EuVTVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

II. EuGFVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. EuMahnVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Inhaltsverzeichnis

11

IV. EuUnterhaltsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 V. Fazit: Kein europäischer Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 B. Anerkennung der Vollstreckbarkeit durch Wirkungserstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . 147 C. Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen und das Verhältnis zur Vollstreckbarkeit 148 I.

Anerkennungserfordernis – Exkurs zum europäischen Rechtskraftbegriff . . . . . 149

II. Wonach bestimmt sich die Anerkennung der nach den Vollstreckungsverordnungen vollstreckbaren Entscheidungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Gesetzliche Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Anerkennung aller Entscheidungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Keine Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

5. Kapitel Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 160



A. Nichtanerkannte Entscheidung als „rechtliches Nullum“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 B. Bindende Feststellung der Anerkennung(sfähigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 I.

Keine Prüfung, keine Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

II. Bindungswirkung der Entscheidungen über die Anerkennung . . . . . . . . . . . . . 164 1. Bindungswirkung der Entscheidungen über die Anerkennung im Anwendungs­ bereich der ­EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Bindungswirkung der Feststellungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 aa) Art. 36 Abs. 2 ­EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 bb) Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 cc) Art. 46 ­EuGVVO – Bindungswirkung der Entscheidung im Vollstreckungsversagungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Bindungswirkung der Inzidentprüfung, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 3 ­EuGVVO 169 2. Bindungswirkung der Entscheidungen nach den Rechtsakten der ersten Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Bindungswirkung der Entscheidungen nach den Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 C. Im Allgemeinen: Folgen der fehlenden Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage . . . . 174 D. Im Besonderen: Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung . . . . . . 178 I.

Auswirkungen der Vollstreckung auf die Anerkennungsfrage . . . . . . . . . . . . . . 178

12

Inhaltsverzeichnis 1. Vollstreckung nach der ­EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Vollstreckung nach den Verordnungen der ersten und zweiten Generation . 179 a) Vollstreckbarerklärungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Vollstreckungsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Folgen der fehlenden Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Keine Bindung auch bei Rückforderung von aus der Zwangsvollstreckung Erlangtem? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Rechtsgrund für das Behaltendürfen des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 aa) Ausländisches Urteil als causa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Vollstreckbarkeit und Rechtskraftwirkung im Rahmen von Rück­ forderungsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Rückforderung im Anwendungsbereich der einzelnen Verordnungen . . . . . . 191 a) ­EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 aa) Keine (Rechtskraft-)bindung aufgrund Durchführung des Voll­ streckungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 bb) Anknüpfungspunkte für eine Präklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (1) Rechtsbehelfe nicht fristgebunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (2) In sich geschlossenes Rechtsbehelfssystem? . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (3) Wirkung des Zwangsvollstreckungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 197 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Rechtsbeständigkeit durch Durchführung des Exequaturverfahrens? . . . 200 aa) Rechtsgrund für das Behaltendürfen und Grenzen des Exequaturs . . 200 bb) Anknüpfungspunkte für eine Präklusion: Geschlossenes Rechts­ behelfssystem? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 cc) Behaltendürfen ohne Anerkennung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Rechtsbeständigkeit der Vollstreckung nach den Vollstreckungsverord­ nungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Keine Rechtskraftbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Geschlossenes System der Vollstreckungsverordnungen . . . . . . . . . . 208 cc) Telos: Bindung für alle im materiellen Zusammenhang mit der Vollstreckung stehenden Verfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3. Fehlende Vollstreckbarkeit anerkannter Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . 213

E. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Inhaltsverzeichnis

13

6. Kapitel

Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 217

A. Status quo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 I.

Kompromisslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

II. Unstimmigkeiten des Anerkennungs- und Vollstreckungssystems . . . . . . . . . . . 219 B. Ziel: Abschaffung der Versagungsgründe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I.

Unbedingte Titelfreizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

II. Umsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Kompensationslose Abschaffung der Versagungsgründe und verfassungsrechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Grundrechtsschutz und EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Aufgabe der Letztkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 aa) Die Funktion des ordre public-Vorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 bb) Der europäische ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Bestätigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. (Voll-)Harmonisierung des Erkenntnisverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Fazit: (Noch) Keine Abschaffung der Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 C. Verbindliche Beurteilung der Anerkennungsfrage nach einheitlich europäischen Maßstäben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I.

Dogmatische Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

II. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 III. Fazit: Begrenzte Reichweite der Präklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 D. Beseitigung der Anerkennung im Wege prozessualer Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I.

Gestaltung statt Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

II. Anerkennung „rechtswidriger“ Entscheidungen aus dem europäischen Ausland 242 III. Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Beseitigung der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 2. Beseitigung im Ursprungsmitgliedstaat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 3. Wirkung der Beseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Wirkung inter omnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Rückwirkende Beseitigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) Frist zur Anerkennungsbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 aa) Fristsetzungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 bb) Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

14

Inhaltsverzeichnis cc) Länge der Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 dd) Verhältnis zur Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 d) Positive Feststellung der bestehenden Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 5. Schadensersatz bei unrechtmäßiger Vollstreckung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 IV. Vollstreckungsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 V. Rechtsakte der ersten Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

E. Anerkennung nach den Vollstreckungsverordnungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 I.

Anerkennung nach ­EuGFVO und ­EuMahnVO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

II. Keine Anerkennung nach ­EuVTVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 III. Legitimation der Vollstreckungsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 F. Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 I. ­EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 II. ­EuVTVO, ­EuMahnVO, ­EuGFVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 III. Rechtsakte der ersten Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

7. Kapitel

Abschließende Gedanken 278

A. Ausblick: Titelfreizügigkeit als rechtspolitisches Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 B. Grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 C. Weltweites Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen? . . . . . . . . . . . . . . . . 281 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I.

Die Anerkennung und ihre Versagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

II. Die Anerkennung und die Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 III. Die Anerkennung, ihre Versagung und ihre faktische Durchsetzung . . . . . . . . . 284

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Abkürzungen a. A. ABGB

andere Ansicht Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie ABl. Amtsblatt Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union aF alte Fassung Alt. Alternative Art. Artikel AVAG Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz Az. Aktenzeichen BAG Bundesarbeitsgericht Bd. Band BeckRS Beck-Rechtsprechung Begr. Begründer Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGH Bundesgerichtshof Brüssel I-VO siehe EuGVO Brüssel Ia-VO siehe EuGVVO BT Drucks. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht bzw. beziehungsweise CMLR Common Market Law Review ders. derselbe dies. dieselbe diff. differenzierend EG Europäische Gemeinschaften EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ELR European Law Review Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und GrundfreiEMRK heiten endg. endgültig EP Europäisches Parlament European Review of Private Law ERPL EU Europäische Union EuBagatellVO siehe EuGFVO EuEheVO VO (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) 1347/2000

16

Abkürzungen

Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des R ­ ates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses EuGFVO Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen Europäischer Gerichtshof EuGH Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung EuGüVO einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die EuGVO gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EG-Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und EuGVÜ die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates EuGVVO vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates EuInsVO vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates EuKtPfVO zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des RaEuMahnVO tes vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens EuPartVO Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften Europarecht (Zeitschrift) EuR EUR Euro EuUnterhaltsVO Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen Vertrag über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von LissaEUV bon Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates EuVTVO vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG folgende Seite f. Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten FamFG der freiwilligen Gerichtsbarkeit EuErbVO

Abkürzungen

17

fortfolgende Seite ff. FG Festgabe Fn. Fußnote FS Festschrift gem. gemäß GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ggf. gegebenenfalls GPR- Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GPR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) GRUR GS Gedächtnisschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz herrschende Meinung h. M. HGB Handelsgesetzbuch Hrsg. Herausgeber Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht HUntÜ vom 02. Oktober 1973 in der Fassung i. d. F. im Ergebnis i. E. im Übrigen i. Ü. in Verbindung mit i. V. m. insb. insbesondere Internationales Privatrecht IPR Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) IPRax Juristische Blätter (Zeitschrift) JBl. Juristische Schulung JuS JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KG Kammergericht krit. kritisch lit. litera Lindenmaier-Möhring Kommentierte BGH-Rechtsprechung LMK Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und VollstreLugÜ ckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen mit weiteren Nachweisen m. w. N. Monatsschrift für Deutsches Recht MDR neue Fassung nF Neue Juristische Wochenschrift NJW NJW-RR NJW-Rechtsprechungsreport Nr. Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ oben genannte o. g. Oberster Gerichtshof (Österreich) OGH Österreichische Juristenzeitung ÖJZ OLG Oberlandesgericht Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RabelsZ Recht der Transportwirtschaft (Zeitschrift) RdTW Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) RIW Rn. Randnummer

18

Abkürzungen

Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des RaRom II-VO tes vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) Rs. Rechtssache Seite; siehe S. Zeitschrift für Schiedsverfahren SchiedsVZ Sog. sogenannte Ständige Rechtsprechung St. Rspr. str. strittig unter anderem u. a. Unterabs. Unterabsatz Vereinigte Staaten von Amerika USA vom / von v. verbundene Rechtssachen verb. Rs. vgl. vergleiche Vanderbilt Journal of Transnational Law VJTL VO Verordnung Vol. Volume Verbraucher und Recht (Zeitschrift) VuR VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz Yearbook of Private International Law YPIL zum Beispiel z. B. Zeitschrift für Europäisches Privatecht ZEuP Zeitschrift für Rechtsvergleichung ZfRV ZPO Zivilprozessordnung Zeitschrift für Schweizerisches Recht ZSR ZVglRwiss Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess ZZP Zeitschrift für Zivilprozess international ZZPInt Rom I-VO

1. Kapitel

Einführung Der Grundsatz der Anerkennung hat im internationalen Rechtsverkehr herausragende Bedeutung. So macht erst die Anerkennung einzelner Rechtspositionen oder Umstände aus anderen Staaten im Inland eine effektive Verfolgung eigener Rechte möglich. Damit wird der fortschreitenden Globalisierung Rechnung getragen. Die eigene Rechtsposition hat letztlich nur dann den ihr zugesprochenen Wert, wenn sie auch im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr beständig bleibt. Wo grenzüberschreitende Interaktion und rechtlich relevante Beziehungen bestehen, tut das Recht gut daran, den damit einhergehenden Voraussetzungen durch Zurverfügungstellung entsprechender rechtlicher Mittel, die grenzüberschreitende Rechtsverhältnisse regeln und vereinfachen, gerecht zu werden. Diese allgemeine Erkenntnis des internationalen Rechtsverkehrs trifft auf den Binnenrechtsverkehr der Europäischen Union noch stärker zu. Die Anerkennung einzelner Rechtspositionen oder Umstände aus anderen Mitgliedstaaten ist grundlegende Voraussetzung für die Funktionalität eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes.1 Auf zivilprozessualer Ebene betrifft das insbesondere die Frage, inwieweit nationale Titel in anderen Staaten anerkannt werden und daher prozessuale Wirkungen entfalten, z. B. Grundlage einer Zwangsvollstreckung sein können.

A. Die Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht Die europäischen Institutionen haben die Bedeutung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung mitgliedstaatlicher Titel gerade für den europäischen Rechtsraum und die Funktionsfähigkeit des europäischen Binnenmarkts erkannt und in der (jüngeren) Vergangenheit die Integration auf diesem Gebiet stetig vorangetrieben. Im Jahr 1999 hieß es dazu: „Der Europäische Rat unterstützt den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, der seiner Ansicht nach zum Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen innerhalb der Europäischen Union werden sollte.“2 1

S. dazu unten 2. Kapitel A. IV. 1.  Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Tagung des Europäischen Rats in Tampere am 15. und 16. Oktober 1999, zu finden unter http://www.europarl.europa.eu/summits/tam_de.htm (zuletzt abgerufen am 22.07.2020). 2

20

1. Kap.: Einführung

Umso mehr verwundert, wie wenig dogmatisch fundiert das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht behandelt wird. In der Folge hat der europäische Gesetzgeber mit fast erschreckender Geschwindigkeit eine Reihe neuer und aus dogmatischer wie rechtspolitischer Sicht durchaus bahnbrechender Rechtsakte über die Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen erlassen. Am meisten Aufsehen erregte dabei wohl die Abschaffung des Zwischenverfahrens zur Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen, die 2004 zunächst für Europäische Vollstreckungstitel3 und schließlich mit der VO (EU) Nr. 1215/2012 (EuGVVO)4 2012 für den Großteil privatrechtlicher Titel beschlossen wurde. Mit der Abschaffung des Exequaturverfahrens hat der europäische Gesetzgeber einen weiteren Schritt hin zu einem einheitlichen europäischen Justizraum geschaffen. Das neue System der Anerkennung und Vollstreckung nach der ­EuGVVO basiert dabei auf einer Kompromisslösung: Nach zahlreichen Reformüberlegungen wurde zwar die Zwischenmaßnahme Exequaturverfahren, die auch nach der EuGVO schon nur noch formalen Charakter hatte, weil die Prüfung etwaiger Versagungsgründe in das Beschwerdeverfahren verschoben war,5 abgeschafft. Auch die Vollstreckbarkeit einer mitgliedstaatlichen Entscheidung tritt seither automatisch ein.6 Mit der Abschaffung des Exequaturverfahrens geht aber nicht, wie das teilweise gefordert bzw. angedacht war,7 die vollkommene Gleichstellung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland und damit die Abschaffung jeglicher Überprüfungsmöglichkeiten einher. Die Versagungsgründe für die Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen, die in der EuGVO in Art. 34 geregelt waren, wurden weitestgehend auch in die neue ­­EuGVVO übernommen. Ohne das Zwischenverfahren, in dem die Versagungsgründe geltend gemacht werden konnten, stellt die E ­ uGVVO in den Art. 45 f. nun direkte Rechtsbehelfe gegen die Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen bereit.8 Für ausgewählte Anwendungsbereiche ist der europäische Gesetzgeber dabei noch einen Schritt weitergegangen und hat – wie zum Beispiel für den Europäischen Vollstreckungstitel  – auf Versagungsgründe im Wesentlichen verzichtet.

3 Nach der EuVTVO – VO (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen. 4 Zur Terminologie: EuGVVO meint nachfolgend die VO (EU) Nr. 1215/2012, auch als Brüssel Ia-VO bezeichnet. Soweit im Folgenden von der EuGVO gesprochen wird, meint dies die Vorgängerverordnung VO (EU) Nr. 44/2001, auch als Brüssel I-VO bekannt. Schließlich wird auch das EuGVÜ angesprochen werden. Hierbei handelt es sich um das EU-Vollstreckungsübereinkommen aus dem Jahr 1972. 5 Vgl. Art. 41 S. 1 EuGVO. 6 S. unten 2. Kapitel B. I. 3.  7 S. dazu die Ausführungen im 6. Kapitel B. I. 8 Zum Rechtsbehelfssystem s. unten 3. Kapitel D.

B. Die Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

21

Mitgliedstaatliche Titel, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnungen fallen und die dort niedergelegten Voraussetzungen erfüllen, können im ersuchten Mitgliedstaat „anerkannt und vollstreckt“ werden, ohne dass dem beispielsweise ein ordre public-Vorbehalt (wie er z. B. in Art. 45 Abs. 1 lit. a ­EuGVVO nach wie vor vorgesehen ist) entgegengehalten werden kann. Wie sich diese (neuen und reformierten) Rechtsakte des europäischen Zivilprozessrechts in das – ohnehin schon unausgereifte – dogmatische Konzept der Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen in der Europäischen Union einfügen, wurde bisher kaum thematisiert.9 Der europäische Gesetzgeber treibt die justizielle Integration innerhalb der Europäischen Union mit großen Schritten voran. Wo die Rechtswirklichkeit eine weitergehende Integration (noch) nicht zulässt, werden Kompromisslösungen – wie z. B. die Beibehaltung der Versagungsgründe trotz Abschaffung des Exequaturverfahrens – geschaffen. Die dogmatische Stringenz der Regelungen findet dabei wenig Berücksichtigung und fällt dem Druck der fortschreitenden Integration in einer „immer engeren Union der Völker Europas“10 zum Opfer. Der europäische Gesetzgeber behandelt, wie Freitag treffend formuliert, die „dogmatische Stimmigkeit des Europäischen Zivilprozessrechts als quantité négligeable“.11 Die vorliegende Arbeit widmet sich der dogmatischen Konzeption des Prinzips der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht.

B. Die Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung Im Vordergrund soll hier das Prinzip der Anerkennung von Entscheidungen und nicht deren Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat stehen. Wie sich zeigen wird, lassen sich Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen im Kontext des europäischen Zivilprozessrechts aber nur schwer voneinander trennen. Bei der Begutachtung des Prinzips der Anerkennung wird im Folgenden daher immer wieder insbesondere auch Rückgriff auf die Konzeption und die Besonderheiten der Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen genommen. Dass die Wirkung der Vollstreckbarkeit im Kontext der Entscheidungsanerkennung im internationalen Zivilprozessrecht eine Sonderrolle einnimmt, ist dabei historisch bedingt, denn praktisch war zunächst vor allem die Vollstreckung aus ausländischen Titeln bedeutsam und daher auch für die Normgeber einzig relevant.12 Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen wurde erst später als eigenes, von

9

S. dazu aber instruktiv Freitag, FS Kropholler, S. 759 ff.; Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1 ff. 10 Art. 1 Abs. 2 EUV. 11 Freitag, FS Kropholler, S. 759, 762; vgl. auch Haubold, FS Schütze, S. 163, 164 f. 12 Vgl. Matscher, ZZP 1990, S. 294, 299 f.

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1. Kap.: Einführung

der Vollstreckbarkeit unterschiedliches und dieser gegebenenfalls sogar vorgehendendes Prinzip erkannt.13 Diese Bevorzugung der Vollstreckbarkeit aufgrund ihrer praktischen Relevanz zieht sich bis heute auch durch das europäische Zivilprozessrecht. Der Grund für die heutige unscharfe Trennung zwischen Anerkennung und Vollstreckung in den europäischen Verordnungen liegt in der konkreten Ausgestaltung und Entwicklung des Prinzips der Vollstreckbarkeit im europäischen Zivilprozessrecht auf der einen und der lediglich stiefmütterlichen Behandlung des Anerkennungsprinzips auf der anderen Seite. Nach wie vor wird maßgeblich Dogmatik und Effizienz der Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen vorangetrieben. Grundsätzlich einig scheint man sich in der Vergangenheit indes darüber geworden zu sein, dass die Erteilung der Vollstreckbarkeit für eine ausländische Entscheidung die Anerkennung dieser im Inland voraussetzt.14 Kann es unter dieser Prämisse aber dann umgekehrt Fälle geben, in denen die Vollstreckbarkeit von der Anerkennung nicht (mehr) abhängt oder jedenfalls abweichend beurteilt werden kann? Die aktuelle Konzeption des europäischen Anerkennungs- und Vollstreckungsrechts könnte so interpretiert werden.15 Die Vollstreckbarkeit und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen hatte im Rahmen der bisherigen justiziellen Integration in der Europäischen Union schon aufgrund ihrer herausragenden praktischen Relevanz überragende Bedeutung – jegliche Reformbestrebungen waren auf die Effizienz der binnenrechtlichen Vollstreckbarkeit ausgerichtet. Das Verhältnis zur Anerkennung und die dogmatische Konzeption hinter dieser wurden dabei aber vernachlässigt; mit dem Ergebnis, dass – wie sich herausstellen wird – um des Kompromisses Willen unschlüssige Regelungen für die Anerkennung und ihre Handhabung geschaffen wurden. Das gilt insbesondere deshalb, weil – wie sich ebenfalls zeigen wird – die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung nicht unabhängig voneinander behandelt werden können, sondern rechtlich ineinandergreifen und sich im Rahmen der Durchsetzung einzelner Rechtspositionen ergänzen.

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Vgl. dazu Matscher, FS Schima, S. 265, 272, der allerdings die Rechtskraft mit der Anerkennung einer Entscheidung gleichsetzt: „Die Rechtskraft des ausländischen Urteils ist nicht mehr lediglich ein Annex seiner Vollstreckbarkeit oder eine Art privatrechtlicher Wirkung des Urteils, sondern eine selbstständig zu beurteilende prozessrechtliche Wirkung. Wenn überhaupt, dann ist eher die Anerkennung als eine Voraussetzung der Vollstreckung zu betrachten als umgekehrt.“ 14 S. statt vieler Linke / Hau, Rn. 12.4; Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1, 8; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 425; Eberlein, S. 5; Riezler, S. 524; a. A. hingegen noch Haeger, S. 23, der davon ausging, die Vollstreckungsmöglichkeit sei Voraussetzung der Anerkennung. 15 Vgl. die Problematik um den Anwendungsbereich der neuartigen Verordnungen der zweiten Generation, unten 4. Kapitel C.

C. Automatische Anerkennung und besondere Vollstreckbarkeitsregelungen

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C. Automatische Anerkennung, inzidente Überprüfung der Anerkennungsfähigkeit und besondere Vollstreckbarkeitsregelungen

C. Automatische Anerkennung und besondere Vollstreckbarkeitsregelungen

Ergeht in einem europäischen Mitgliedstaat eine zivilgerichtliche Entscheidung, so kann diese auf unterschiedlichem Wege Bedeutung in den anderen Mitgliedstaaten erlangen. ­ uGVVO etwa wird sie zunächst allgemein anIm Anwendungsbereich der E erkannt. Aufgrund des Anerkennungsbefehls des europäischen Zivilprozessrechts entfaltet sie Wirkung nicht nur im Ursprungsmitgliedstaat, sondern auch in allen anderen Mitgliedstaaten im Anwendungsgebiet der ­EuGVVO. Wird eine ausländische Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat relevant – und zwar zunächst unabhängig davon, ob im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens oder hinsichtlich einer anderen Entscheidungswirkung, so haben die Beteiligten im Anwendungsbereich der E ­ uGVVO zunächst drei Handlungsalternativen: Da die Entscheidung automatisch anerkannt (und zumeist nunmehr auch vollstreckt) wird, können sie die Geltung der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat akzeptieren. Soweit sie weder inzident noch im Rahmen eines eigenen Feststellungsrechtsbehelfs gegen die Anerkennung bzw. Vollstreckung vorgehen, findet die mitgliedstaatliche Entscheidung grundsätzlich ohne weiteres Anwendung. Geht eine Partei – im Zweifel der Schuldner – davon aus, dass die Anerkennung nicht möglich ist, kann sie die fehlende Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Rahmen eines laufenden Verfahrens inzident geltend machen, vgl. Art. 36 Abs. 1 bzw. Abs. 3 E ­ uGVVO. Schließlich kann die betroffene Partei die Anerkennung bzw. Nichtanerkennung oder fehlende Vollstreckbarkeit einer mitgliedstaatlichen Entscheidung auch gezielt feststellen lassen. Hierfür stellt die ­EuGVVO eigene Rechtsbehelfe bereit: Für die Feststellung der Anerkennungsversagung gilt Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO (bzw. für die Feststellung der Anerkennung Art. 36 Abs. 2 E ­ uGVVO) und für die Vollstreckungsversagung Art. 46 E ­ uGVVO. Darüber, was die (fehlende) Anerkennung der jeweiligen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat praktisch bedeutet und welche tatsächlichen (Aus-)Wirkungen die jeweilige Entscheidung aus dem EU-Ausland im ersuchten Mitgliedstaat haben kann, ist damit aber noch nichts gesagt: Wie genau gestaltet sich die Anerkennung der Entscheidung und wann und wie findet diese im Konkreten statt? Steht die (fehlende) Anerkennung der Entscheidung mit ihrem ersten Kontakt mit dem ersuchten Mitgliedstaat allgemeingültig fest? Oder können die Beteiligten die fehlende Anerkennung der Entscheidung auch zu einem späteren Zeitpunkt noch geltend machen? Welche Aussagen trifft die (fehlende) Anerkennung über die Vollstreckbarkeit der Entscheidung? Die ­EuGVVO stellt zwar vordergründig Regelungen und Rechtsbehelfe zur rechtlichen Einordnung der (fehlenden) Anerkennung der jeweiligen Entscheidung zur Verfügung. Antworten auf diese Fragen gibt sie indes nicht. Das Zusammen-

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1. Kap.: Einführung

spiel aus automatischer Anerkennung, inzidenter Überprüfung der Anerkennungsfähigkeit und besonderen Vollstreckbarkeitsregelungen – wie es im Laufe dieser Arbeit erörtert werden wird – führt hier vielmehr zu Unstimmigkeiten. Die ­EuGVVO vermag in keiner dieser Konstellationen die rechtliche Situation vollends aufzugreifen und in sich schlüssige und praktikable Lösungen bereitzuhalten. Darüber hinaus hält das europäische Zivilprozessrecht weitere, neuartige Rechts­akte bereit, die insbesondere dem Gläubiger eine noch effektivere Durchsetzung EU-ausländischer Titel im ersuchten Mitgliedstaat durch vereinfachte Vollstreckung gewährleisten. So hat er die Möglichkeit, ausgewählte Titel aus dem EU-Ausland als Europäischen Vollstreckungstitel nach der EuVTVO deklarieren und vollstrecken zu lassen. Gleichsam kann er nach der EuMahnVO16 oder der EuGFVO17 einen besonderen Titel erstreiten und diesen ebenfalls nach den vereinfachten Regelungen von EuMahnVO und EuGFVO im ersuchten Mitgliedstaat vollstrecken lassen. In welchem Verhältnis dies jedoch zur Anerkennung als solcher und insbesondere den Regelungen der ­EuGVVO steht, bleibt fraglich und lässt sich den europäischen Rechtsakten nicht entnehmen. Diese Beispiele zeichnen ein erstes Bild von den Fragestellungen und Fallstricken, die sich im Anerkennungsrecht der Europäischen Union nach derzeitigem Integrationsstand ergeben. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen diese analysiert und Lösungsansätze herausgearbeitet werden. Die Fragen rund um die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Ent­ scheidungen im europäischen Justizraum sind dabei vor allem politisch und ideologisch geprägt. Die Freizügigkeit justizieller Hoheitsakte stellt einen wesentlichen Pfeiler der Integration auf dem Weg zu einem vereinten Europa dar. Die hiermit zwangsläufig einhergehenden rechtspolitischen Aspekte der Problematik lassen sich dabei nicht ganz ausblenden und sollen auch nicht vollends ausgeblendet werden. Der Schwerpunkt der Arbeit soll sich aber mit der dogmatischen Konzeption des Systems der Anerkennung und Vollstreckung beschäftigen. Rechtspolitische Fragen dürfen daher lediglich auf zweiter Ebene eine Rolle spielen.

D. Gang der Untersuchung  Im Folgenden soll das Anerkennungsregime des europäischen Zivilprozessrechts untersucht werden. Der Fokus liegt dabei auf dem Prinzip der Anerkennung und nur, soweit dies mit der Anerkennung im Zusammenhang steht, auch auf der Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung. Hintergrund und Funktionsweise des Anerkennungsregimes sollen beleuchtet und Unstimmigkeiten aufgezeigt werden. 16

VO (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens.  17 VO (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen.

D. Gang der Untersuchung  

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Eine vollständige Analyse der Anerkennung jeglicher zivilprozessualer ausländischer Entscheidungen im europäischen Rechtsraum kann dabei nicht erfolgen. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen ausländische Entscheidungen, die nicht aus dem europäischen Rechtsraum stammen, in den einzelnen Mitgliedstaaten anerkannt werden, hängt von unterschiedlichsten (bilateralen) Abkommen mit den einzelnen Staaten ab, auf die nicht im Einzelnen eingegangen werden kann.18 Diese Arbeit beschränkt sich auf die Überprüfung der Regelungen zur Anerkennung anderer mitgliedstaatlicher Entscheidungen im Rechtsraum der Europäischen Union. Die Anerkennung (und Vollstreckung) von Entscheidungen aus dem europäischen Ausland ist im europäischen Zivilprozessrecht in einer Vielzahl europäischer Verordnungen geregelt. Oft betreffen diese lediglich ausgewählte Teilgebiete des europäischen Zivilprozessrechts, wie z. B. die EuErbVO19, die speziell auf Entscheidungen und öffentliche Urkunden in Erbsachen zugeschnitten ist. Auch hier kann diese Arbeit keine umfassende und abschließende Analyse sämtlicher Verordnungen auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen im europäischen Zivilprozessrecht leisten. Ausgehend von den Regelungen der auf allgemeine Zivilsachen anwendbaren ­EuGVVO soll daher vordergründig die Systematik der Anerkennung (und Vollstreckung) allgemein zivilrechtlicher Entscheidungen begutachtet werden. Dies schließt neben der Anerkennung und Vollstreckung nach der E ­ uGVVO insbesondere auch die Regelungen der EuVTVO, der EuMahnVO und der EuGFVO mit ein. An geeigneten Stellen wird darüber hinaus auch Bezug zur Systematik der Anerkennung und Vollstreckung anderer zivilrechtlicher Entscheidungen – insbesondere im Vergleich zum ­ uGVVO – genommen, wie z. B. die Systematik der EuEheVO20, der System der E EuUnterhaltsVO21 sowie der EuPartVO22 bzw. EuGüVO23. 18

S. zur umfassenden Übersicht über die Geltung entsprechender Regelungen in den unterschiedlichen Ländern Geimer / Schütze, Int. Rechtsverkehr, Band 6 sowie Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 1307 ff. 19 VO (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.  20 VO (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000. 21 VO (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen. 22 VO (EU) 2016/1104 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften. 23 VO (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands.

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1. Kap.: Einführung

Terminologisch sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Staat, in dem die anzuerkennende Entscheidung erlassen wird, grundsätzlich als Ursprungsmitgliedstaat oder Erststaat bezeichnet wird. Der Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung der Entscheidung nun in Frage steht, wird demgegenüber als er­ uGVVO) oder Zweitstaat bezeichnet. Die teilsuchter Mitgliedstaat (vgl. Art. 2 E weise ebenfalls bekannte Bezeichnung als Vollstreckungsstaat soll hier vermieden werden – denn ob die in Frage stehende Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat vollstreckbar ist oder nicht, hat für die Frage der Anerkennung der Entscheidung keine Bedeutung.24 Im nachfolgenden 2. Kapitel wird zunächst das Prinzip der Anerkennung allgemein beleuchtet. Neben der terminologischen und historischen Aufarbeitung wird ein Schwerpunkt auf der Konzeption der Anerkennung ausländischer Entscheidungen im europäischen Zivilprozessrecht liegen, wie wir es heute kennen. Daran anschließend soll die Systematik der Anerkennungsversagung der ­ uGVVO im 3. Kapitel näher überprüft werden. Neben den einzelnen VersaE gungsgründen wird hier insbesondere das Rechtsbehelfssystem der E ­ uGVVO für Anerkennungs- und Vollstreckungsversagung im Vordergrund stehen. Das 4. Kapitel beschäftigt sich mit den besonderen neuartigen Verordnungen, die für die Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen Sonderregelungen enthalten, und ihre Auswirkung auf das Anerkennungs- und Vollstreckungssystem des europäischen Zivilprozessrechts. Im 5. Kapitel soll schließlich darauf eingegangen werden, wie das europäische Zivilprozessrecht die fehlende Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen behandelt. Hier geht es hauptsächlich um die Frage, wie mit der (fehlenden) Bindungswirkung anerkennungsrechtlicher Fragen umgegangen wird und welche Folgen das im Einzelfall für die praktische Verwertbarkeit des Systems hat. Besondere Relevanz hat dies im Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung, weswegen hierauf schwerpunktmäßig einzugehen sein wird. Schließlich sollen im 6. Kapitel Lösungsansätze für die aufgezeigten Missstände herausgearbeitet und ein Ausblick auf mögliche Entwicklungen des europäischen Anerkennungskonzepts auf zivilprozessualer Ebene gegeben werden. Das 7. Kapitel stellt sodann eine Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse bereit.

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S. dazu umfassend unten 2. Kapitel B.

2. Kapitel

Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht Das hier untersuchte Prinzip der Anerkennung ist zunächst ein Thema des internationalen Zivilprozessrechts. Es regelt die Frage, in welchem Umfang und welcher Reichweite Entscheidungen aus anderen Staaten im einzelnen Nationalstaat Wirkungen entfalten können. Auf europäischer Ebene treten dabei zusätzliche Interessen hinzu. Neben der Achtung der Zivilprozessordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten muss auch den Besonderheiten, die sich aus der supranationalen Einbettung der zivilprozessrechtlichen Regelungen innerhalb der Europäischen Union ergeben, Rechnung getragen werden.1 Insoweit stellt das europäische Zivilprozessrecht einen Teil des internationalen Zivilprozessrechts dar, weist aber doch einige Besonderheiten auf, die sich auch in der Handhabung des Prinzips der Anerkennung niederschlagen. Nachfolgend soll das Prinzip der Anerkennung im Allgemeinen, aber insbesondere in seiner Ausprägung im europäischen Rechtsraum beleuchtet werden. In unserer Rechtswirklichkeit werden Rechtsetzung und Rechtsprechung durch staatliche Macht ausgeübt, die nicht universal wirkt, sondern an den nationalen Staatsgrenzen endet. Die im jeweiligen Nationalstaat ergehenden hoheitlichen Akte sind Ausdruck nationaler Staatsgewalt und in ihrer Wirkung grundsätzlich auf das Territorium des jeweiligen Staates beschränkt.2 Soweit ein nationales Gericht für die Entscheidung über eine Rechtssache international zuständig ist, darf es Handlungen oder Unterlassungen im Ausland für die Parteien zwar auch bindend anordnen, wenn dies über das Territorium des eigenen Wirkungsbereichs hinausgeht.3 Dies bedeutet indes nicht, dass die Entscheidung des Gerichts im Ausland auch durchgesetzt werden kann und von den Hoheitsträgern des ersuchten Staates berücksichtigt werden muss. Hierfür bedarf es einer Entscheidung des ersuchten Staates, die die Beachtung der ausländischen Entscheidung auch im Inland zulässt: Die Anerkennung der ausländischen Entscheidung.4 Die engere Vernetzung der Justizräume in Zivilsachen zur Gewährleistung eines umfassenden Rechtsschutzes ist zur Effektuierung der grenzüberschreitenden 1

S. zu diesem Spannungsfeld Hess, IPRax 2006, S. 348. Es gibt keinen „einheitlichen Weltjustizraum“; s. dazu Adolphsen, EZVR, S. 5; s. auch Geimer, FG Vollkommer, S. 385 f. 3 S. hierzu Gottwald, FS Habscheid, S. 119, 120 f. 4 Vgl. Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 678; Junker, S. 278. 2

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

wirtschaftlichen Betätigungen unumgänglich. Das hat Matscher bereits im Jahr 1969 angebracht5 und das gilt heute in Zeiten der fortschreitenden Globalisierung mehr denn je. Die Regelung von Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen soll ein gewisses Mindestmaß an internationalem Entscheidungseinklang herstellen. Dies erfolgt (bisher) indes nicht bedingungslos, sondern findet seine Grenzen in den Gerechtigkeitsvorstellungen des ersuchten Staates. Insbesondere durch den – nach wie vor bestehenden – Vorbehalt des ordre public, kann der ersuchte Staat der Geltung und Durchsetzung einer ausländischen Entscheidung im Inland entgegentreten.6 Im europäischen Rechtsraum kommt der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen eine weitergehende Bedeutung zu. Der Erfolg der Wirtschaftsunion – die ursprüngliche und nach wie vor wichtigste Komponente der europäischen Einigung – hängt maßgeblich von der Effektivität grenzüberschreitender Rechtsdurchsetzung im supranationalen Gefüge ab. Die Anerkennung und Vollstreckbarkeit im EU-Ausland ist notwendige Voraussetzung für einen effektiven Binnenmarkt. Ohne effektive Durchsetzungsmöglichkeiten von Ansprüchen sind diese im europäischen Ausland wenig wert.7 Der europäische Gesetzgeber war auf dem Gebiet der grenzüberschreitenden Rechtsgeltung und Rechtsdurchsetzung dementsprechend in der Vergangenheit auch alles andere als untätig und hat – vor allem in jüngster Zeit – unterschiedliche Rechtsakte zur Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen erlassen. Sie alle zielen unter Berufung auf das gegenseitige Vertrauen in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten auf einen möglichst freien Verkehr von Entscheidungen ab.8

A. Anerkennung Um das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht umfänglich verstehen und beleuchten zu können, ist es unumgänglich, zunächst einige Überlegungen zum Begriff der Anerkennung im Allgemeinen anzustellen. Bevor das Anerkennungsprinzip im europäischen Rechtsraum thematisiert wird, lohnt sich außerdem ein Blick auf das Prinzip der Anerkennung, wie es im internationalen Zivilprozessrecht und in anderen Prozessordnungen und Rechtsgebieten Anwendung findet.

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Matscher, FS Schima, S. 265, 266. Linke / Hau, Rn. 12.5., 2.6. 7 Vgl. Pfeiffer, Der Raum der Freiheit, S. 75, 78 f.; s. auch Frattini, ZEuP 2006, S. 225; Hess, IPRax 2001, S. 389, 390. 8 EuGH, 04.05.2010, Rs.  C-533/08, NJW  2010, S. 1736, 1738; EuGH, 13.10.2011, Rs. C-139/19, NJW 2011, S. 3506; Linke / Hau, Rn. 12.5; s. auch Erwägungsgrund Nr. 26 der ­EuGVVO. 6

A. Anerkennung 

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I. Allgemein: Das Prinzip der Anerkennung im Allgemeinen Das Prinzip der Anerkennung ist kein genuin rechtliches Institut. Als gesellschaftliches Phänomen trifft es mit unterschiedlichen Färbungen unter verschiedensten Gesichtspunkten Aussagen über soziale Beziehungen. 1. Begriff der Anerkennung „Anerkennung“ bedeutet allgemein die „Billigung, Zustimmung zu praktischen Gegebenheiten oder normativen Forderungen.“9 In seiner inhaltlichen Bedeutung hat der Begriff Anerkennung eine positive Konnotation („an“). Mit Anerkennung wird etwas bestätigt oder bejaht. Als Gegenpol zur Verneinung deutet der Begriff auf eine positive Relation zwischen einem anerkennenden und einem anzuerkennenden Subjekt oder Objekt hin.10 Anerkennung ist Voraussetzung jeder Wertung oder Bewertung. Grundlage jedes Werturteils ist die Unterwerfung unter Maßstäbe, anhand derer bewertet werden kann. Erst mit der Anerkennung dieser Maßstäbe wird die Inbezugsetzung zu ihnen und die Bewertung des betreffenden Objekts ermöglicht.11 Mit der Anerkennung ausländischer Entscheidungen wird die Bewertung einer jeweils in Frage stehenden rechtlichen Situation also auch dem Maßstab der ausländischen Entscheidung unterworfen. Andere Sprachen ermöglichen für die Begrifflichkeit eine breitere Abgrenzung. So kann der deutsche Begriff der Anerkennung in der englischen Sprache beispielsweise sowohl mit recognition, als auch mit appreciation, acknowledgment oder respect übersetzt werden. Im Vergleich hierzu ist diese deutsche Begrifflichkeit bezogen auf den ihr zugrunde gelegten Inhalt zu eng gefasst: Aus philosophischer Sicht weist der Begriff der Anerkennung drei Komponenten auf. Anerkennen kann danach verstanden werden als Identifizieren eines anzuerkennenden Gegenstandes, aus normativer Sicht als Akzeptanz eines etwaigen Anspruchs (acknowledge) und als Respektieren von Personen oder Situationen.12 2. Anerkennung im Recht Im Recht kann Anerkennung in unterschiedlichsten Facetten auftreten. Als Rechtsbegriff ist der Begriff der Anerkennung äußerst vielseitig.13 9

Brockhaus Enzyklopädie, S. 40. Vgl. dazu Limmer, S. 17. 11 Häberlin, S. 54 f. 12 Ikäheimo / L aitinen, Recognition and Power, S. 33 ff.; vgl. auch Siep, S. 21. 13 Kohler, ZSR 2005 II, S. 263 f. 10

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

Aus rechtstheoretischer Sicht bedeutet Anerkennung zunächst die Anerkennung der Verbindlichkeit von Recht durch die Gesellschaft als Form der Selbstverpflichtung.14 Das entspricht der oben geschilderten Idee, wonach die Anerkennung letztlich der Schaffung von Maßstäben zur Bewertung von Situationen oder Objekten dient. So wird beispielsweise auch  – selbstverständlich  – die Staatsgewalt des eigenen Staates im Hoheitsgebiet und die durch diese ergangenen Maßnahmen und Entscheidungen nicht nur rechtlich, sondern idealerweise auch tatsächlich als geltend anerkannt und daher befolgt. Im internationalen Kontext des Rechts findet eine grenzüberschreitende Anerkennung statt. Sie kann sich dabei sowohl auf materiell-rechtliche (kollisionsrechtliche) als auch verfahrensrechtliche Sachverhalte, sowie auf die Anerkennung von Rechtslagen beziehen.15 Sie dient der Durchbrechung der Territorialität von Normen und Entscheidungen. In ihrer weitestgehenden Ausprägung, der vollständigen Anerkennung in allen Staaten weltweit, führt sie zu einer universellen Geltung des jeweiligen Anerkennungsobjekts. Gerade im Europarecht hat sich das Prinzip der Anerkennung dabei zu einem der bedeutendsten Werkzeuge zur Herstellung weitestgehender Integration und Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten entwickelt.16 Prozessrechtlich kann Anerkennung begriffen werden als „konstitutive Verbindlichkeitsanordnung eines fremden Rechtsakts gegenüber den Rechtssubjekten der anerkennenden Rechtsordnung.“17

II. Anerkennung im internationalen Zivilprozessrecht Eine Entscheidung „wirkt nicht an sich und nicht aus sich selbst“ heraus.18 Es bedarf jeweils einer Norm, die Aussagen über die Wirkungen einer Entscheidung trifft. Die Wirkung inländischer Entscheidungen ist Ausdruck der staatlichen Souveränität des Nationalstaates.19 Damit geht die Rechtsverbindlichkeit im Hoheitsgebiet des Nationalstaates einher. Die Rechtsverbindlichkeit und Wirkung der jeweiligen Entscheidung kann sich demgemäß aber auch nur soweit erstrecken, wie die nationalstaatliche Souveränität reicht, und ist daher auf das Hoheitsgebiet des jeweiligen Staates beschränkt.20 Eine ausländische Entscheidung wirkt im Inland nicht unmittelbar. Damit eine ausländische Entscheidung im Inland Wirkung ent 14

S. Röhl / Röhl, S. 316 ff. Müller, Jura 2015, S. 1319, 1321 Fn. 25; Kohler, ZSR 2005 II, S. 263; vgl. auch allgemein Steindorff, FS Lorenz, S. 561 ff. Zur Abgrenzung der Anerkennung im Internationalen Privatrecht vgl. unten 2. Kapitel A. III. 2.  16 Vgl. dazu Schwarz, S. 1 ff. und allgemein Janssens, S. 11 ff. 17 Schwarz, S. 77. 18 So Geimer, Anerkennung, S. 85, über die Wirkung von Urteilen. 19 Vgl. McGuire, S. 10; Matscher, ZZP 1990, S. 294, 298. 20 Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 152. 15

A. Anerkennung 

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falten kann, muss eine Norm, an die sich inländische rechtsanwendende Organe gebunden fühlen (also eine inländische Rechtsnorm), einen Anwendungsbefehl erteilen.21 1. Historische Entwicklung Das Erfordernis eines solchen Anwendungsbefehls bestand nicht immer. Im antiken griechischen und römischen Recht war ein Fremdenrecht zwar bekannt. Anerkennungsrechtliche Regelungen gab es jedoch nicht.22 Im Mittelalter konnte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation dann von einer weitgehenden Rechtseinheit ausgegangen werden. Eine Entscheidung konnte, unabhängig davon, wo sie ergangen war, vor anderen Gerichten immer dann erfolgreich geltend gemacht werden, wenn der Rechtssuchende sie beweisen konnte.23 Das änderte sich erst mit der Ausprägung der Nationalstaaten und der Etablierung des damit einhergehenden Territorialitätsprinzips. Die Wirkung staatlicher Entscheidungen war räumlich auf das Hoheitsgebiet des souveränen Nationalstaates beschränkt.24 Ausländische Entscheidungen konnten nach der Lehre der comitas gentium nur auf Grundlage gegenseitiger Rücksichtnahme und Beachtung der ausländischen Rechtsetzungs- und Rechtsprechungsmacht Geltung erhalten.25 Die Überlegungen zur territorialen Begrenzung der Wirkung staatlicher Entscheidungen waren zu diesem Zeitpunkt vor allem auf die Vollstreckbarkeit zugeschnitten. Bis ins 19. Jahrhundert wurde die Rechtskraft als einer Entscheidung innewohnend angesehen, egal aus welchem Staat sie kam. Hintergrund dürfte sein, dass für die Konstruktion der Anerkennung damals die quasivertragliche bzw. privatrechtliche Theorie vorherrschend war, nach der mit der erlassenen Entscheidung das Rechtsverhältnis im Verhältnis zwischen den Parteien neu begründet wird und Staatsgrenzen daher eine untergeordnete Rolle spielten.26 Spätestens mit Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wurde aber auch die Wirkung ausländischer Entscheidungen im Inland nicht mehr ohne weiteres unterstellt. In der Folge bildete sich das moderne prozess-

21 S. zum Ganzen Geimer, Anerkennung, S. 85; Junker, S. 278; vgl. auch Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 680. 22 Vgl. Schack, IZVR, § 5 Rn. 144 ff.; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 18. 23 Matscher, FS Schima, S. 265, 268; Schack, IZVR, § 17 Rn. 876 ff., unter Verweis auf v. Repgow, Sachsenspiegel, Landrecht III, 82, 1; ausführlich Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 19 ff. m. w. N. 24 Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 26 ff.; Schack, IZVR, § 17 Rn. 876 ff.; Adolphsen, EZVR, S. 5; Matscher, FS Schima, S. 265, 268; Linke / Hau, Rn. 2.2. 25 Vgl. Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 26; Adolphsen, EZVR, S. 5; Matscher, FS Schima, S. 265, 268 f. 26 Matscher, ZZP 1990, S. 294, 299; ders., FS Schima, S. 265, 268 ff. Zu den unterschiedlichen Theorien zur Anerkennung s. im nachfolgenden Abschnitt 2. Kapitel A. II. 3. 

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

rechtliche Prinzip der Anerkennung heraus.27 Feuerbach führte hierzu 1812 aus: „Die Grundidee, worauf diese [Völker-]Gemeinschaft ruht, ist die Geltendmachung eines friedlichen Zustandes, eines freundschaftlichen Verhältnisses zum Zweck eines allgemeinen weltbürgerlichen Verkehrs, in welchem die Trennung der Nationen vor der Allgemeinheit des menschlichen Interesses verschwindet.“28 Danach gebiete das Völkerrecht, ausländische Entscheidungen bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen auch im Inland zu achten.29 Grundlage dieser Konzeption war – und ist es bis heute, dass die ausländische Entscheidung nicht etwa ipso iure Wirkung im Inland entfalte, sondern das Erfordernis eines inländischen Anerkennungsbefehls.30 Im deutschen Rechtsraum fand dieser Anerkennungsbefehl allerdings erst mit der Gesetzesnovelle von 1889 in § 328 ZPO erstmals ausdrücklich gesetzliche Erwähnung.31 Nach den autonomen Regelungen der Nationalstaaten wurde in der Folgezeit eine Vielzahl von zunächst bilateralen und dann multilateralen völkerrechtlichen Verträgen zur Regelung der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen abgeschlossen.32 Die unterschiedlichen und teilweise fragmentierten Regelungen machten aber gerade aufgrund des zunehmenden internationalen Privat- und Wirtschaftsverkehrs eine weitergehende Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zivilprozessrechts erforderlich.33 2. Regelungsbereiche Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen wird neben den Regelungen des europäischen Zivilprozessrechts in einer Vielzahl von multilateralen Verträgen und nationalen Regelungen behandelt. a) Völkerrechtliche Vereinbarungen Im internationalen Rechtsverkehr besteht eine Vielzahl an multilateralen völkerrechtlichen Verträgen bezüglich der Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Entscheidungen in bestimmten Sachgebieten.34 Zu nennen sind dabei 27

S. hierzu v. Wächter, AcP 1842, S. 361, 417 f. und zum Ganzen auch Matscher, FS Schima, S. 265, 270; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 31 ff. 28 Feuerbach, S. 84. 29 Feuerbach, S. 84 f. S. hierzu auch Jellinek, S. 7 f. 30 McGuire, S. 11; vgl. Pfeiffer, FS Jayme, S. 675. 31 Matscher, ZZP 1990, S. 294, 300; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 43 ff. 32 Vgl. Junker, S. 280 ff.; v. Bar / Mankowski, IPR I, § 5 Rn. 15 ff.; s. auch McGuire, S. 12. Zum Zusammenhang mit Zuständigkeitsregelungen: Leible / Terhechte / Oberhammer / Koller / Slonina, ERVR, § 15 Rn. 16 f. 33 McGuire, S. 12; vgl. auch Bajons, ZfRV 1993, S. 45, 47; Buschmann, S. 13. 34 Eine umfassende Übersicht findet sich bei Geimer / Schütze, Int. Rechtsverkehr, Band 4 ff.

A. Anerkennung 

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insbesondere das Haager Zivilprozessübereinkommen vom 01.03.1954 für die Anerkennung von Kostenentscheidungen, das Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 02.10.1973 und das Luxemburger Europarats-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Sorgerechtsentscheidungen vom 20.05.1980, die nach wie vor im Verhältnis zwischen Deutschland und einigen Nicht-EU-Ländern gelten.35 Weiterhin existiert eine Vielzahl an Verträgen, in denen – vorbehaltlich der Verdrängung durch multilaterale Regelungen wie z. B. der ­EuGVVO (s. dort Art. 69 f.) – Anerkennung und Vollstreckung in bilateralen Verhältnissen geregelt werden.36 b) Autonome nationale Regelungen Soweit keine völkerrechtlichen oder supranationalen Vereinbarungen eingreifen, findet auf die Frage, ob eine ausländische Entscheidung im ersuchten Staat anerkannt (und vollstreckt) wird, das jeweilige autonome nationale Recht Anwendung. Eine umfassende Darstellung der autonomen Regelungen anderer Staaten ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Die Darstellung beschränkt sich an dieser Stelle auf einen Überblick über die autonomen Regelungen des deutschen Rechts. Für einen rechtsvergleichenden Überblick sei auf die oben genannten Sammelwerke verwiesen.37 In Deutschland ist die Anerkennung zivilrechtlicher Entscheidungen in § 328 ZPO normiert. Die Vollstreckbarkeit bzw. die dazugehörige Vollstreckbarerklärung findet sich in den §§ 722 f. ZPO. Die Anerkennung erfolgt hier – wie auch im europäischen Zivilprozessrecht – automatisch.38 Anerkennungsversagungsgründe beinhaltet § 328 Abs. 1 ZPO. Diese stimmen teilweise mit den Versagungsgründen der ­EuGVVO überein.39 Anders als die ­EuGVVO folgt das autonome deutsche Recht in § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aber dem Spiegelbild40- und in § 328 Abs. 1 Nr. 5 dem Gegenseitigkeitsprinzip. Für familienrechtliche Entscheidungen gelten die §§ 107 ff. FamFG, wobei § 107 Abs. 1 die Besonderheit aufweist, dass die Anerkennung hier nicht automatisch, sondern nur nach Durchführung eines entsprechenden sog. Delibationsverfahrens erfolgt.41 35

S. die Überblicke bei Junker, S. 289 f.; Geimer, Anerkennung, S. 76 f. S. die Überblicke bei Junker, S. 290 f.; Geimer, Anerkennung, S. 78. 37 S. die in 1. Kap., Fn. 18 genannten Werke sowie für die autonomen nationalen Regelungen auch Schack, IZVR, § 17 Rn. 995 ff. 38 Vgl. nur Saenger / Dörner, § 328 Rn. 5; MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 328 Rn. 7 f. 39 S. zu diesen unten 3. Kapitel C. 40 Dieses macht die Anerkennung von der internationalen Anerkennungszuständigkeit des Urteilsstaates abhängig. S. hierzu Schack, IZVR, § 17 Rn. 922; Linke / Hau, Rn. 13.9 ff., Geimer, IZPR, Rn. 2896 ff. und eingehend Schärtl, Spiegelbildprinzip. 41 Zum Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG ausführlich Haecker, S. 18 ff. 36

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

c) Anerkennung von Schiedssprüchen in der Bundesrepublik Die prozessuale Wirksamkeit von Schiedssprüchen kann auf zwei Ebenen relevant werden. Zunächst stellt sich im rein nationalen Kontext die Frage, ob und wie ein vom nichtstaatlichen Gericht erlassener Schiedsspruch vor staatlichen Stellen Geltung beanspruchen und letztlich vollstreckbar sein kann. Die Entscheidung des nichtstaatlichen Gerichts stellt zunächst einen bloßen Privatrechtsakt dar, der zwar die Parteien, nicht aber den übrigen Rechtsverkehr oder Behörden und Gerichte bindet. Dass diesem Privatrechtsakt nach deutschem Zivilprozessrecht dennoch die Wirkung eines gerichtlichen Urteils zukommt, ergibt sich erst aufgrund des Gleichstellungsbefehls des § 1055 ZPO, wonach ein Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils hat. Terminologisch kann man hier nicht von einer Anerkennung und damit der Erstreckung von bereits bestehenden Wirkungen sprechen. Vielmehr werden dem Schiedsspruch durch § 1055 ZPO die Urteilswirkungen originär verliehen.42 Die automatische Wirkungserlangung des Schiedsspruchs ist mit der Wirkungserlangung mitgliedstaatlicher Entscheidungen im Inland aber vergleichbar. Gemäß § 1059 ZPO können gegen den Schiedsspruch innerhalb von drei Monaten (§ 1059 Abs. 3 ZPO) Versagungsgründe geltend gemacht und die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt werden. Vollstreckbar ist er nur aufgrund Vollstreckbarerklärung nach § 1060 Abs. 1 ZPO, die bei Vorliegen von Versagungsgründen (§ 1059 ZPO) abgelehnt werden kann. Für ausländische Schiedssprüche gilt dieser Gleichstellungsbefehl des § 1055 ZPO und die Vollstreckbarkeitsregelung nach § 1060 ZPO nicht.43 Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche fällt auch nicht in den ­ uGVVO. Sie richtet sich in der Bundesrepublik gemäß Anwendungsbereich der E § 1061 Abs. 1 ZPO nach dem New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 und das Genfer europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.04.1961.44 d) Anerkennung im föderalen Gefüge Ein kurzer Blick soll der Vollständigkeit halber auch auf die Frage gelegt werden, wie Entscheidungen innerhalb eines föderalen Gefüges Geltung erhalten. Die Besonderheit föderaler Systeme beruht darauf, dass auf einem Staatsgebiet mehrere staatliche Ebenen existieren. Während die Bundesrepublik Deutschland 42

Vgl. die Ausführungen von MünchKomm-ZPO / Münch, § 1060 Rn. 1. BeckOK-ZPO / Wilske / Markert, § 1055 Rn. 2 ff. 44 Geimer / Schütze /  E .  Peiffer / M.  Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn.  97; Saenger / Dörner, Art. 1 ­EuGVVO Rn. 12. S. auch Geimer, Anerkennung, S. 193 ff. 43

A. Anerkennung 

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das gesamte Gebiet der Bundesrepublik umfasst, beschränkt sich das Staatsgebiet der Bundesländer beispielsweise auf ihr jeweils anteiliges Gebiet. Trotzdem beanspruchen richterliche Entscheidungen, die etwa durch ein Landgericht ergehen (was nach der richterlichen Kompetenzordnung des GVG größtenteils der Fall ist), scheinbar selbstverständlich Geltung im gesamten Bundesgebiet. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Grundgesetz. Gemäß Art. 92 wird die rechtsprechende Gewalt in der Bundesrepublik auch von Landesrichtern ausgeübt. Entscheidungen aus anderen Bundesländern gelten somit aufgrund verfassungsrecht­ licher Absteckung des Hoheitsgebietes unmittelbar in der ganzen Bundesrepublik.45 Von einer Anerkennung kann in diesem Sinne also nicht gesprochen werden. Auch im europäischen Rechtsraum wäre die Ausweitung des Hoheitsgebiets als gleichsam finaler Schritt hin zu einer unbedingten Urteilsfreizügigkeit denkbar. Damit einher ginge aber die Aufgabe der nationalstaatlichen Souveränität hin zu einem europäischen Bundesstaat, was in Anbetracht der aktuellen politischen Situation und des Scheiterns einer europäischen Verfassung nicht absehbar ist.46 Dass Entscheidungen anderer Bundesländer im gesamten Bundesgebiet unmittelbare Geltung erhalten, ist indes nicht selbstverständlich: Ganz anders verhält es sich in den USA. Während in der Bundesrepublik Länder- und Bundesgerichte in einem Instanzenzug zusammengefasst sind, kennt das Rechtssystem der USA zwei parallele Gerichtsbarkeiten auf dem Bundesgebiet, weswegen anerkennungsrechtliche Fragen auch hier relevant werden. Die US-amerikanischen Bundesstaaten behandeln Entscheidungen ihrer Schwesterstaaten wie ausländische Entscheidungen. Gegenüber Schwesterstaaten gilt in den meisten US-amerikanischen Staaten demgemäß der Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act, wonach Entscheidungen aus Schwesterstaaten im jeweiligen Bundesstaat anzuerkennen sind.47 3. Theoretische Grundlagen und Hintergrund der Anerkennung Grundsätzlich ist es jedem Staat unbenommen, aufgrund Anerkennungsbefehls die Geltung ausländischer Entscheidungen im Inland anzuordnen. Oftmals erfolgen entsprechende Anerkennungsbefehle aber auf bi- oder multilateraler Ebene, 45 BVerfG, Urteil v. 15.10.1997, Az. 2 BvN 1/95, NJW 1998, S. 1296, 1299; vgl. dazu beiläufig auch Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 152. 46 Vgl. zu dieser Thematik BVerfG, Urteil v. 30.06.2009, Az. 2 BvE 2/08 u. a., NJW 2009, S. 2267 Rn. 376; v. Bogdandy, S. 10; Badura, Bundesrat, S. 161, 168. 47 S. hierzu Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 1513 ff.; Strong, Anerkennung im IZPR, S. 57, 60 ff.; s. auch Gerling, S. 174; Voegele, S. 31. Im Verhältnis zu anderen Staaten gilt dagegen der Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act; vgl. u. a. Honigberg, VJTL 1981, S. 171 ff. und umfassend Brand, Ronald A.: Recognition and Enforcement of Foreign Judgments (Federal Judicial Center International Litigation Guide), April 2012, abgedruckt unter https://www.fjc.gov/sites/default/files/2012/BrandEnforce.pdf (zuletzt abgerufen am 22.07.2020).

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

sodass eine gegenseitige Anerkennung gewährleistet ist.48 Zurückzuführen ist dies letztlich auf die Vorstellung der Lehre der comitas gentium, wonach jeder Staat aufgrund Rücksichtnahme der Souveränität anderer Staaten festlegen kann, dass Entscheidungen dieser Staaten auch im Inland berücksichtigt werden können.49 Teilweise wird versucht, die Anerkennung ausländischer Entscheidung auch damit zu begründen, dass dem Rechtssuchenden durch die ausländische Entscheidung „wohlerworbene Rechte“ zustehen, deren Beachtung die Anerkennung der Entscheidung auch im ersuchten Staat gebietet.50 Dies basiert aber letztlich auf einem Zirkelschluss: Erst die Entscheidung darüber, ob eine ausländische Entscheidung im Inland anerkannt wird, legt fest, ob das im Ausland erworbene „Recht“ im Inland als solches wahrgenommen und respektiert wird. Die Beachtung „wohlerworbener Rechte“ setzt deren Anerkennung voraus und kann diese daher nicht begründen.51 Im Ergebnis dient die Anerkennung ausländischer Entscheidungen vor allem der Durchsetzung unterschiedlichster Interessen der jeweiligen Akteure. Die Anerkennungsregelungen schaffen im internationalen Rechtsverkehr einen Interessenausgleich zwischen den jeweiligen Parteien, dem Erst- und dem Zweitstaat.52 Durch die Anerkennung werden die Justizsysteme der einzelnen Staaten entlastet und die Rechtsverfolgung und -durchsetzung im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr vereinfacht. Soweit die Anerkennung aufgrund eines gegenseitig geltenden Anerkennungsbefehls (beispielsweise aufgrund einer bilateral geltenden Vereinbarung) erfolgt, wird außerdem gewährleistet, dass die eigenen Rechtsprechungsakte und eigene Gerechtigkeitsvorstellungen auch über die eigenen Grenzen hinaus Geltung beanspruchen können.53 Die Anerkennung dient so der effektiven Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen und außerdem der Wahrung des Rechtsfriedens – auch über staatliche Grenzen hinaus.54 Sie hat dabei insbesondere die gegenläufigen Interessen von Gläubiger und Schuldner in Einklang zu bringen: Während der Gläubiger aufgrund der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung seine Rechtsdurchsetzung anstrebt, muss auch und gerade im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr ein gewisser Schuldnerschutz gewährleistet sein.55 Vor der Herausbildung eines eigenständigen internationalen Zivilprozessrechts wurde die Funktionsweise der Anerkennung ausländischer Entscheidungen durch materiell-rechtliche Überlegungen begründet: Die ausländische Entscheidung sollte im Inland als quasivertragliche Regelung beachtet werden. Als solche ginge 48

Vgl. hierzu bereits oben 2. Kapitel A. II. 2.  S. hierzu bereits oben 2. Kapitel A. II. 1.  50 So insbesondere im angloamerikanischen Rechtsraum, vgl. Casad, S. 16 ff. 51 S. zum Ganzen Casad, S. 17. 52 Vgl. hierzu Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 75 ff.; Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1379; Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 258; vgl. auch Casad, S. 17 f. 53 Vgl. hierzu Becker, S. 55 f. 54 Vgl. Casad, S. 17 f.; Junker, S. 279; Schack, IZVR, § 17 Rn. 877. 55 Schlosser, IPRax 2010, S. 101, 103. 49

A. Anerkennung 

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sie quasi als lex specialis anderen rechtlichen Überlegungen bezogen auf den jeweiligen Sachverhalt vor.56 Damit wäre eine ausländische Entscheidung letztlich also nicht anders zu behandeln, als die Anwendung eines ausländischen Gesetzes. Als Teil des internationalen Zivilprozessrechts ist die Anerkennung ausländischer Entscheidungen – sowohl im autonomen nationalen Recht als auch in bi- und multilateralen Regelungen – nun mehr grundsätzlich eigenständig prozessrechtlich geregelt. Im Einzelfall kann sich hier die Frage stellen, ob die Anerkennung der ausländischen Entscheidung zusätzlich kollisionsrechtlichen Regelungen unterworfen ist.57 Das wird insbesondere für Statusentscheidungen vertreten: Danach habe die Anerkennung von Statusentscheidungen auch (zusätzlich) einen materiell-rechtlichen Gehalt, der sich nach dem internationalen Privatrecht richte.58 Nur wenn auch nach dem Kollisionsrecht des ersuchten Staates das der anzuerkennenden Entscheidung zugrunde gelegte materielle Recht Anwendung finde, werde die Entscheidung anerkennt. Auf diese Weise werden inhaltliche Diskrepanzen zwischen Entscheidungen aus unterschiedlichen Rechtsordnungen vermieden.59 Der (zusätzliche) Rückgriff auf kollisionsrechtliche Regelungen ist aber wenig praktikabel und würde – insbesondere mit Blick auf die Entscheidungswirkung der Rechtskraft – zu Rechtsunsicherheit führen, denn die Anerkennung wäre erst nach Überprüfung anhand von prozessrechtlicher und kollisionsrechtlicher Regelungen erkennbar.60 Die prozessrechtlichen Anerkennungsvorschriften würden so an Bedeutung verlieren und die Notwendigkeit einer kollisionsrechtlichen Überprüfung letztlich einer im Rahmen der prozessrechtlichen Anerkennung verbotenen Überprüfung in der Sache nahekommen.61 Letztlich sind materielles Kollisionsrecht und prozessuales Anerkennungsrecht daher strikt voneinander zu trennen. Beide Rechtsgebiete regeln die extraterrito 56 V. Bar, Theorie und Praxis, Bd. 2, Rn. 412; vgl. dazu auch die Ausführungen bei Matscher, ZZP 1990, S. 294, 299. Ein Relikt hiervon sei die bisher geltende Konzeption, dass die Anerkennung grundsätzlich automatisch erfolgt, die Vollstreckung aus einer ausländischen Entscheidung aber der Vollstreckbarerklärung bedarf, vgl. S. 302. 57 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Geimer, Anerkennung, S. 37 ff. 58 Umfassend hierzu Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 275 ff. m. w. N.; vgl. auch Gerasimchuk, S. 56; Basedow, Anerkennung, S. 51. Gerade im Rahmen der Beurteilung von Statusentscheidungen ist eine Abgrenzung zum Internationalen Privatrecht schwierig und eine strikte Trennung nicht immer möglich. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesem Problem würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zur Vertiefung sei auf die Ausführungen von Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392 ff. und Mansel, RabelsZ 2006, S. 651, 663 f.; Jayme / Kohler, IPRax 2001, S. 501 ff. und zum Personenstandsrecht allgemein S. 687 ff.; Hess, EZPR, § 3 Rn. 21 m. w. N. verwiesen. 59 Die materiell-rechtliche Anerkennungstheorie verfolgt ein „Ideal des allseitigen Entscheidungseinklangs“, Basedow, Anerkennung, S. 51; s. hierzu bereits v. Savigny, S. 27: Rechtsverhältnisse sollen gleich beurteilt werden, „ohne Unterschied, ob in diesem oder jenem Staate das Urtheil gesprochen werde.“ 60 Martiny nennt das: „Kollisionsrechtliche Relativität“ der Rechtskraft, Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 388 ff. 61 Zum Ganzen vgl. Gerasimchuk, S. 56; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 279.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

riale Wirkungserstreckung. Während das materielle Recht im Einzelfall aber noch angewendet werden muss, wird im Rahmen der prozessualen Anerkennung ein bereits bestehender Rechtszustand im Nachhinein auf das Ausland ausgedehnt.62 Eine ausländische Entscheidung ist „nicht „anzuwenden“, sondern anzuerkennen“63. Anerkennung im Sinne des internationalen Zivilprozessrechts meint nach der prozessrechtlichen Theorie damit die prozessuale Anerkennung, also die Anerkennung der prozessualen Wirkungen einer Entscheidung.64 4. Anerkennung, Souveränität und demokratische Legitimation Wie eingangs erörtert, gehen wir heute grundsätzlich von einem nationalstaatlichen Rechtsetzungs- und Rechtsprechungssystem aus, das dem Territorialitätsprinzip unterworfen ist: Der souveräne Nationalstaat übt seine Staatsgewalt auf seinem Hoheitsgebiet aus. Mit der Anerkennung der Wirkungen einer ausländischen Entscheidung erlangt eine von einer ausländischen Staatsgewalt erlassene Entscheidung über das eigene Hoheitsgebiet hinaus im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates (und damit im Hoheitsgebiet einer anderen Staatsgewalt) rechtliche Bedeutung. Auch wenn dieses Vorgehen letztlich allgemein akzeptiert und sogar für völker- und verfassungs­ rechtlich notwendig erachtet wird, sollen an dieser Stelle doch einige kurze Überlegungen zur Frage erfolgen, wie sich dieser „Eingriff“ mit der demokratischen Legitimation der durch die ausländische Entscheidung ausgeübten Staatsgewalt und der Souveränität des ersuchten Staates vereinbaren lässt. Soweit es auf die konkrete verfassungsrechtliche Einbindung in völkerrechtliche Verbindungen bzw. die Europäische Union geht, beschränken sich die Überlegungen dabei auf die Regelungen des deutschen Rechts. Erfährt eine ausländische Entscheidung im Inland Wirkung, so wurde sie von einem Gericht erlassen, dessen Zusammensetzung sich nicht durch eine demokratische Legitimationskette auf den Bürger des ersuchten Staates zurückführen lässt, den diese Entscheidung nun gegebenenfalls betrifft. Hierin ist indes kein Verstoß gegen das Demokratieprinzip zu sehen: Das Territorialitätsprinzip ist zwar Ausdruck der demokratischen Repräsentation, besagt nach allgemeiner Auffassung aber lediglich, dass nationalstaatliche Behörden aufgrund des Territorialitätsprinzips nicht an Akte der Ausübung der Staatsgewalt eines anderen Staates gebunden sind. Es steht dem Erlass von Entscheidung über Sachverhalte mit Auslandsbezug nicht entgegen. Die demokratisch legitimierte Staatsgewalt kann in diesem Fall

62

Gerasimchuk, S. 55; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 130 ff.; Geimer, Anerkennung, S. 37 f. 63 Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 279. 64 S. zu den einzelnen Wirkungen unten 2. Kapitel A. IV. 3. c).

A. Anerkennung 

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über die Grenzen des Staatsgebietes hinauswirken.65 Das Verhältnis zum Staatsvolk betrifft es also gerade nicht, denn der Bezug des Individuums zur Staatsgewalt der einzelnen entscheidenden staatlichen Stelle wird nicht durch demokratische Repräsentation, sondern durch tatsächliche Berührungspunkte hergestellt – auch nicht repräsentierte Nichtbürger eines Nationalstaates unterliegen der dortigen rechtsprechenden Gewalt.66 Nach dem derzeit noch vorherrschenden verfassungsrechtlichen Verständnis kommt den einzelnen Staaten, insbesondere auch den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, aber nationalstaatliche Souveränität zu, die das Recht umfasst, über die eigene rechtliche Ordnung und die Angelegenheiten des Staates eigenverantwortlich und frei zu bestimmen. Der Nationalstaat ist daher grundsätzlich nicht zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen verpflichtet.67 Im Gegenteil fragt sich, ob durch die Zulassung der Geltung ausländischer Entscheidungen im Inland nicht eine unzulässige Übertragung von Hoheitsrechten auf andere Staaten stattfinden würde.68 Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten auf andere Staaten durch die Anerkennung ausländischer Entscheidungen schon deswegen nicht vorliegt, da die Anerkennung aufgrund des vom souveränen Gesetzgeber erlassenen Anerkennungsbefehls erfolgt. Eine Souveränitätsverletzung liegt daher nicht vor, denn es ist mit Erlass des Anerkennungsbefehls Sache des jeweiligen Staates zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine ausländische Entscheidung auch im Inland wirken soll.69 Auf europäischer Ebene kommt freilich hinzu, dass der Anerkennungsbefehl nicht durch nationales, sondern supranationales Recht erfolgt. Gemäß Art. 23 GG ist nach deutschem Verfassungsrecht die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union zulässig, solange diese insbesondere rechtstaatliche Standards einhält. Hiervon umfasst ist auch die Möglichkeit, der Europäischen Union die Kompetenz zur Regelung der Anerkennungsbefehle zu erteilen.70

65

Vgl. hierzu umfassend Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 676 ff.: Das Territorialitätsprinzip beansprucht lediglich „intransitive“ aber nicht „transitive“ Geltung. Vgl. zu dieser Begrifflichkeit auch Vogel, S. 2, 14 ff. 66 Vgl. Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 678. Weber, S. 167 ff. sieht hierin dennoch einen erheblichen Legitimationsmangel. Zum Verhältnis der Anerkennung zum Grundrechtsschutz insbesondere im europäischen Rechtsraum vgl. ders., Demokratieprinzip, S. 172 ff. Kritisch zur Bedeutung des Territorialitätsprinzips für die internationale Zwangsvollstreckung Domej, Anerkennung im IZPR, S. 109, 111 ff. 67 Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 150 ff.; Wagner, IPRax 2002, S. 75, 86. 68 Vgl. zur Unzulässigkeit der Hoheitsübertragung nach deutschem Recht statt vieler Maunz / Dürig / Calliess, Art. 24 Abs. 1 Rn. 53. Jedenfalls mit einer bedingungslosen Bindung an ausländische Entscheidungen wäre wohl auch die intransitive Geltung des Territorialitätsprinzips tangiert; s. dazu Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 679. 69 Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 152; vgl. auch Weber, S. 179 ff., S. 203. 70 Vgl. Wagner, IPRax 2002, S. 75, 86 f. Kritisch zu dieser „doppelte[n] Hoheitsübertragung auf Union und Mitgliedstaaten“ Weber, S. 203 ff.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

Neuerdings sehen einige europäische Verordnungen die Anerkennung ohne jegliche Überprüfungsmöglichkeit des ordre public-Vorbehalts im ersuchten Staat vor. Inwieweit sich die oben dargestellte Einschätzung ändert, wenn ausländische Entscheidungen aufgrund des Anerkennungsbefehls unbedingte Wirkung im Inland entfalten und inländische Hoheitsträger auf die Geltung der einzelnen Entscheidung im Inland keinerlei Einfluss mehr haben, soll unten im 6. Kapitel B. erörtert werden.71 5. Definition der Anerkennung heute Nach alledem kann die Anerkennung ausländischer Entscheidungen im inter­ nationalen Prozessrecht definiert werden als „die Erstreckung der einem ausländischen Urteil nach dem Recht des Urteilsstaates zukommenden Wirkungen auf das Inland und die dadurch begründete Beachtlichkeit der ausländischen Entscheidung für die deutschen Gerichte und Behörden.“72 Die anerkannte Entscheidung bleibt aber eine Entscheidung des Ursprungsstaates, ein ausländischer Hoheitsakt.73 Durch den Rechtsanwendungsbefehl wird der ausländischen Entscheidung Wirkung auch im Inland zugesprochen, der ausländischen Entscheidung also der Wirkungsbereich des ersuchten Staates eröffnet. Nach welchen Verfahrensgrundsätzen dies erfolgt, hängt von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Anwendungsbefehls ab. Zumeist gehen die Regelungen im internationalen Zivilprozessrecht dabei von einer automatischen Anerkennung der ausländischen Entscheidungen aus.74 Das ist aber nicht zwingend. Auch nach geltendem Recht gibt es Fälle, in denen nach wie vor ein Delibationsverfahren für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen notwendig ist. Wichtigstes Beispiel ist die deutsche autonome Regelung zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen, die gemäß § 107 FamFG ein Anerkennungsverfahren vorsieht.75 Wird die Entscheidung umgekehrt nicht anerkannt, kann sie im ersuchten Staat keine Beachtung finden. Dort wird sie behandelt, als sei überhaupt (noch) keine Entscheidung ergangen;76 sie stellt im ersuchten Staat grundsätzlich ein „rechtliches Nullum“77 dar. 71

Kritisch äußern sich hierzu insbesondere Weber, S. 202 f.; Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 679 f. Geimer, Prüfung der Gerichtsbarkeit, S. 26; ders., JuS 1965, S. 475; Riezler, S. 512: „Die Anerkennung der Entscheidung durch einen fremden Staat bedeutet, daß dieser ihm für sein Gebiet dieselbe rechtliche Beachtung zuschreibt wie der Urteilsstaat.“ 73 Lenenbach, S. 153; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 274; Matscher, FS  Schima, S. 265, 283. 74 Vgl. nur Art. 36 Abs. 1 ­EuGVVO, § 328 ZPO. 75 Vgl. dazu Keidel / Engelhardt / Sternal / Zimmermann, § 107 Rn.  1; Geimer / Schütze / Paraschas, Int. Rechtsverkehr, Art. 21 VO (EG) 2201/2003 Rn. 25. 76 Eberlein, S. 30. 77 Freitag, FS Kropholler, S. 759, 763; Martiny spricht davon, dass der Entscheidung im Inland keinerlei Rechtswirkungen zukommen, Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 68. Auch 72

A. Anerkennung 

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Über die inhaltliche Ausgestaltung der Anerkennung ist damit freilich noch nichts gesagt. Wie die Anerkennung im Einzelfall erfolgt, hängt von der inhaltlichen Reichweite der Anerkennung der ausländischen Entscheidung ab, die sich nach der jeweiligen dogmatischen Konzeption des Instituts der Anerkennung und dem zugrundeliegenden Rechtsverständnis richtet. Insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts der Anerkennung und der Art und Weise der Wirkungsentfaltung sind dabei unterschiedliche Ansatzpunkte denkbar. Im Rahmen dieses Kapitels sollen diese erörtert und das Prinzip der Anerkennung, wie es heute im europäischen Zivilprozessrecht gilt, herausgearbeitet werden.

III. Anerkennung in anderen Bereichen Bevor das Anerkennungsregime des europäischen Zivilprozessrechts näher analysiert wird, soll ein kurzer Blick auch auf die Anerkennung in anderen Rechtsbereichen geworfen werden. 1. Prozessrechtliche Anerkennung in anderen Prozessordnungen Selbstverständlich stellt sich die Frage nach der Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Entscheidungen auch in den Bereichen des Straf- und Verwaltungsrechts. Eine detaillierte Darstellung dieser Regelungen kann hier nicht vorgenommen werden. Ein kleiner Überblick über die entsprechenden Regelungen im europäischen Recht soll – gerade auch in Abgrenzung zum hier relevanten europäischen Zivilprozessrecht – dennoch erfolgen: Art. 82 Abs. 1 AEUV schreibt das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung auch für Entscheidungen in Strafsachen fest.78 So regelt der Rahmenbeschluss 2005/214/ JI des Rates vom 24.02.200579 die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen. Diese werden ohne Überprüfung anerkannt, wobei aber Anerkennungshindernisse geltend gemacht werden können.80 Der Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates vom 27.11.200881 regelt die eine nicht anerkannte Entscheidung stellt aber eine öffentliche Urkunde mit Beweiskraft gemäß §§ 438, 417 ZPO dar, Schack, IZVR, § 22 Rn. 1130; Matscher, JBl. 1954, S. 54, 59; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 341; Riezler, S. 522 f. 78 S. zum Ganzen und auch zur Kritik hinsichtlich der Übertragung der Anerkennungsüberlegungen aus der Herstellung des Binnenmarkts Streinz / Satzger, Art. 82 AEUV Rn. 6 ff. 79 Rahmenbeschluss 2005/214/JI des Rates vom 24.02.2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen. 80 Vgl. Hess, EZPR, § 5 Rn. 106. 81 Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates vom 27.11.2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

Anerkennung ausländischer Strafurteile zum Zwecke der Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat. Diese Anerkennung ist bei Einhaltung des im Rahmenbeschluss näher geregelten Verfahrens möglich. Auch hier können Anerkennungshindernisse bestehen. Auch in anderen Bereichen, wie z. B. zur grenzüberschreitenden Beschlagnahme,82 wurden Rahmenbeschlüsse zur Effektuierung des Strafverfahrens erlassen.83 Dass der ne bis in idem-Grundsatz im europäischen Rechtsraum gilt, kann demgegenüber Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens entnommen werden. Er ist – wie auch die entsprechenden zivilprozessualen Regelungen – Ausdruck eines gegenseitigen Vertrauens in die jeweiligen Strafjustizsysteme der Mitgliedstaaten.84 Ein einheitliches internationales oder europäisches Verwaltungsprozessrecht gibt es – schon aufgrund eines mangelnden Kompetenztitels auf Unionsebene – nicht. Das Unionsrecht sieht nur bereichsspezifisch Regelungen vor, die auf die Anerkennung mitgliedstaatlicher Verwaltungsakte und -verfahren abzielen.85 Die Anerkennung erfolgt dabei auch hier nicht durch förmliches Verfahren sondern automatisch.86 Im Großen und Ganzen kann davon ausgegangen werden, dass auch im europäischen Rechtsraum der Grundsatz der wechselseitigen Anerkennung transnationaler Verwaltungsakte gilt.87 Besonders bedeutsam ist die Anerkennung von Verwaltungsentscheidungen betreffend die Warenverkehrsfreiheit und damit einhergehender Zulassungsentscheidungen über Produkte und Dienstleistungen. Diese werden (gegebenenfalls mit entsprechenden Kontrollmöglichkeiten) in anderen Mitgliedstaaten anerkannt.88 Eine Anpassung bzw. Harmonisierung der Verwaltungsverfahren ist dabei, schon allein wegen des Grundsatzes des dezentralen Vollzugs des Unionsrechts, nicht vorgesehen.89 Auf verwaltungsrechtlicher Ebene geht das Unionsrecht dabei teilweise sogar noch einen Schritt weiter als im Zivilprozessrecht. Dort, wo bereits einheitliche materielle Regelungen erlassen wurden, sind Kontrollen gänzlich ausgeschlossen.90

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Rahmenbeschluss 2003/577/JI des Rates vom 22.07.2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union. 83 S. Überblick bei Calliess / Ruffert / Suhr, EUV / A EUV, Art. 82 AEUV Rn. 12 ff. 84 EuGH, Urteil v. 11.02.2003, verb. Rs. C-187/01 und C-385/01, NJW 2003, S. 1173; Hess, EZPR, § 5 Rn. 109. S. dazu auch Janssens, S. 132 ff. 85 U. a. Regelungen zur Amtshilfe, z. B. im Zoll- und Agrarrecht, vgl. zum Überblick Hess, EZPR, § 5 Rn. 84 ff. 86 Hess, EZPR, § 5 Rn. 92. 87 Hess, EZPR, § 5 Rn. 92; Sydow, § 8; Ruffert, Die Verwaltung 2001, S. 453 ff.; vgl. auch Schmidt-Aßmann, EuR 1996, S. 270, 292 ff. 88 EuGH, Urteil v. 20.02.1971, Rs. 120/78, NJW 1979, S. 1766 f. 89 S. dazu Hess, EZPR, § 3 Rn. 19 ff. 90 Hess, EZPR, § 3 Rn. 20.

A. Anerkennung 

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2. Internationales Privatrecht Anerkannt werden können darüber hinaus nicht nur prozessuale Wirkungen. Auch das internationale Privatrecht kennt Regelungen zur Anerkennung. Das materiell-rechtliche Kollisionsrecht beinhaltet dabei die ­Wirkungserstreckung des ausländischen materiellen Rechtes selbst. Während im internationalen Zivilprozessrecht bereits ergangene, konkrete Entscheidungen anerkannt werden, führt die Anerkennung im Kollisionsrecht lediglich zur abstrakten Anwendung der ausländischen materiellen Rechtsnormen aufgrund des jeweiligen Anwendungsbefehls.91 Auf europäischer Ebene hat der Gesetzgeber einige wichtige Regelungen in diesem Bereich erlassen, wobei hier insbesondere die Rom I-VO, die für vertragliche Schuldverhältnisse gilt, und die Rom II-VO, die für außervertragliche Schuldverhältnisse gilt, zu nennen sind.92 Daneben kennt das materielle Recht die Anerkennung von „Rechtslagen“ und von Dokumenten,93 außerdem die Anerkennung ausländischer Gesellschafts­ statute.94 Ein praktisch wichtiger Bereich ist auch die Statusanerkennung in Personenstandsangelegenheiten. Gerade auf diesem Gebiet sind internationales Privat- und internationales Zivilprozessrecht nicht immer ohne weiteres trennbar.95 Rechtsgeschäfte sind als solche in einem verfahrensrechtlichen Sinne nicht anerkennungsfähig. Ob diese in einem anderen Staat Wirkung entfalten können, bemisst sich viel mehr nach Anwendung der einschlägigen Kollisionsnormen und dem jeweiligen materiellen Recht im Einzelfall.96

IV. Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht Neben dem internationalen Zivilprozessrecht hat sich im Rahmen der europäischen Integration ein besonderes europäisches Zivilprozessrecht herausgebildet.97 Im europäischen Rechtsraum werden die Regelungen des internationalen Zivilpro-

91

S. zum Ganzen Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I, S. 63 und zu allgemeinen Überlegungen Coester-Waltjen, FS Jayme, S. 121 ff.; Basedow, Anerkennung, S. 42. 92 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) und Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) sowie zum Überblick über weitere kollisionsrechtliche Rechtsakte Adolphsen, EZVR, S. 13 ff. 93 S. dazu u. a. Mansel, RabelsZ, S. 651, 663 ff. und Mansel / T horn / Wagner, IPRax 2011, S. 1, 3 ff. 94 S. dazu Geimer, Anerkennung, S. 47; Mansel, RabelsZ, S. 651, 670 ff. 95 S. hierzu bereits oben 2. Kapitel A. II. 3. 96 Vgl. Linke / Hau, Rn. 12.39. S. hier auch zu den Ausnahmen, u. a. Art. 46 EuEheVO. 97 S. hierzu Stadler, IPRax 2004, S. 2, 3. 

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

zessrechts durch besondere völkerrechtliche Vereinbarungen, aber vor allem durch supranationale Rechtsakte der Europäischen Union überlagert. Die Anerkennung findet im europäischen Zivilprozessrecht im Vergleich zur Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Titel bisher weniger Beachtung. Hess führt im Heidelberg Report aus dem Jahr 2008 aus, dass kein einziger Anwendungsfall des Art. 33 EuGVO, der die automatische Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen in der Europäischen Union beinhaltete, gefunden wurde.98 Aufgrund dessen der Anerkennung ihre besondere Bedeutung im europäischen Zivilprozessrecht abzusprechen, wäre aber weit verfehlt. Gerade weil die Anerkennung automatisch erfolgt, findet in der Regel keine Prüfung statt, die Gegenstand eines Verfahrens sein könnte. Es liegt in der Natur der automatischen Anerkennung, dass sie in der Rechtspraxis keine besondere Aufmerksamkeit erregt. Nichtsdestotrotz findet sie regelmäßig statt und erlangt insbesondere in Bezug auf die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung praktische Relevanz. Bevor unten unter B. auf ihr Verhältnis zur Vollstreckbarkeit eingegangen wird, befasst sich der nachfolgende Abschnitt mit Entwicklung und Konzeption des Anerkennungsinstituts im europäischen Zivilprozessrecht. 1. Historische Entwicklung Die europäische Integration ist maßgeblich initiiert und geprägt von der Zielsetzung einer möglichst umfassenden Freizügigkeit zur Erreichung eines möglichst weitreichenden Binnenmarkts.99 Besondere Bedeutung erlangte das Prinzip der Anerkennung im europäischen Recht zunächst im Zusammenhang mit den Grundfreiheiten, namentlich der Warenverkehrsfreiheit. Ihre Zielsetzung ist der Abbau von Hürden für den grenzüberschreitenden Handel, ohne eine materielle Rechtsangleichung vornehmen zu müssen.100 Waren, die aufgrund von Verwaltungsentscheidungen in ihrem Herkunftsstaat für den Markt zugelassen sind, sollen grundsätzlich die Zulassung im europäischen Ausland nicht verwehrt werden können. Die Versagung der Zulassungen ist nur in Ausnahmefällen und nur aus zwingenden Gründen zulässig.101 Dieser Grundsatz wurde vom EuGH in der Folge auf alle Grundfreiheiten ausgeweitet und gilt unter anderem auch für die Personenfreizügigkeit und das Gesellschaftsrecht.102 98

Hess / Pfeiffer / Schlosser / Hess, Brussels I Regulation, S. 137 f. Vgl. Dintilhac, S. 157, 168. 100 Vgl. Hess, EZPR, § 3 Rn. 20. 101 Vgl. Cassis de Dijon-Formel, zurückgehend auf EuGH, 20.02.1971, Rs. 120/78, NJW 1979, S. 1766 f. und dazu Mansel, RabelsZ 2006, S. 651, 667 f.; Hess, EZPR, § 3 Rn. 19. 102 S.  zum Ganzen Hess, EZPR, § 3 Rn. 19 ff.; Mansel, RabelsZ  2006, S. 651, 664 ff.; Streinz, Mindestharmonisierung, S. 9, 11; EuGH, Urteil v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, NJW 1996, S. 579 ff.; vgl. auch Janssens, S. 11 ff. 99

A. Anerkennung 

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Die Erleichterung der grenzüberschreitenden Rechtsdurchsetzung trägt maßgeblich zur Förderung eines florierenden Binnenmarktes bei.103 Vor dem Hintergrund der zunehmenden wirtschaftlichen Integration gewann auch die grenzüberschreitende Geltung von Entscheidungen in der Europäischen Union unweigerlich immer weiter an Bedeutung. Die Freizügigkeit gerichtlicher Entscheidungen wird dementsprechend mancherorts auch als ungeschriebene fünfte Marktfreiheit bezeichnet:104 Nach der Vorstellung der europäischen Entscheidungsträger sollen nationale Entscheidungen der Mitgliedstaaten wie die Waren und Dienstleistungen im europäischen Binnenmarkt frei zirkulieren können.105 Diese Notwendigkeit hatte man bereits im Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag) im Jahr 1958 erkannt, dessen Art. 220 das Ziel einer Vereinbarung über die verbindliche Anerkennung und Durchsetzung von richterlichen Entscheidungen aufstellte.106 Dem wurde mit der Verabschiedung des EuGVÜ107 1968 Rechnung getragen. Schon dieses völkerrechtliche Abkommen zwischen den damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sah in Art. 26 die automatische Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen vor. Neben dem Bereich der Anerkennung und Vollstreckung wurde – wie noch heute nach der revidierten ­EuGVVO – gleichzeitig die internationale Zuständigkeit der Mitgliedstaaten geregelt. So sollten aufgrund der Harmonisierung des Zuständigkeitsrechts Einwendungen gegen die Anerkennung wegen mangelnder Zuständigkeit des Gerichts unterbunden werden.108 Anders als beispielsweise im autonomen Recht darf die Zuständigkeit des die Entscheidung erlassenden Gerichts auch nach der aktuell geltenden ­EuGVVO (abgesehen von

103

Vgl. Becker, S. 58 f.; Schack, IZVR, § 17 Rn. 880; Adolphsen, EZVR, S. 3 f. Das wurde nicht immer so gesehen, vgl. zu den Anfängen des europäischen Binnenmarktes Casad, S. 35 f. 104 Vgl. Hess, IPRax  2001, S. 301, 302 f.; Kohler, Herkunftslandprinzip, S. 71, 81; s.  auch ­Becker, S. 58 f. Der Begriff der Urteilsfreizügigkeit wurde geprägt durch Kohler, Europarecht, S. 125, 133; vgl. auch bereits Jenard-Bericht, ABl. EG C 59 v. 05.03.1979, S. 1, 7. 105 Hess, ZVglRWiss 2012, S. 21, 23 ff; ders., FS Gottwald, S. 273. Teilweise wird darauf hingewiesen, dass nach wie vor aber eine Unterscheidung zwischen dem bezüglich der Grundfreiheiten bekannten Herkunftslandsprinzips und der Anerkennung von Rechtsakten notwendig ist und dies nicht vermischt werden darf; Coester-Waltjen, FS Jayme, S. 121, 122; s. auch Kohler, ZSR 2005 II, S. 263; Jayme / Kohler, IPRax 2004, S. 481, 483. 106 Hess, EZPR, § 3 Rn. 12; Adolphsen, EZVR, S. 5. 107 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968. S. hierzu auch McGuire, S. 13 f. 108 Man spricht daher auch von einer „convention double“, die beide Bereiche regelt. Vgl. dazu allgemein Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 479 f.; Weber, S. 12 f.; Spellenberg, EuR 1980, S. 329, 332. Das bedeutet indes nicht, dass die Anerkennung nach der E ­ uGVVO nur dort greift, wo sich der entscheidende Hoheitsträger auf eine Zuständigkeitsregelung der ­EuGVVO gestützt hat. Der Anerkennungsbefehl der ­EuGVVO gilt – im Rahmen ihres Anwendungs­bereichs – unabhängig davon, woraus sich die internationale Zuständigkeit des entscheidenden Hoheitsträgers im Ursprungsmitgliedstaat ergibt.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

den in Art. 45 Abs. 1 lit. e genannten Ausnahmen) nicht mehr überprüft werden, Art. 45 Abs. 3.109 In der Folge gewann die Anerkennung (und die Vollstreckung) mitgliedstaatlicher Entscheidungen vor allem durch die Rechtsprechung des EuGH, der – wie eingangs bereits angesprochen – die Grundsätze der Marktfreiheiten zunehmend auch auf den freien Entscheidungsverkehr übertrug, weiter an Bedeutung.110 Der Europäische Rat legte bei seiner Tagung in Tampere das Ziel der Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsraums fest.111 Wesentlicher Punkt war dabei die Abschaffung von Zwischenmaßnahmen zur Durchsetzung mitgliedstaatlicher Entscheidungen und der Abbau von Versagungsmöglichkeiten.112 Mit dem Vertrag von Amsterdam wurde die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen vergemeinschaftet. Die Europäische Gemeinschaft hatte nun mit Art. 65 EGV die Kompetenz, eigene Rechtsakte auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit zu erlassen.113 Auf dieser Grundlage ist im Jahr 2002 sodann unter anderem die an das EuGVÜ anknüpfende EuGVO in Kraft getreten. Im Anschluss an diese programmatische Aufstellung wurden seither einige europäische Verordnungen erlassen, die das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung betreffen, allen voran die revidierte ­EuGVVO im Jahr 2012. Sie schuf bekanntermaßen für einen besonders weiten Anwendungsbereich das Exequaturverfahren für die Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Titeln ab. Auf das hier behandelte Prinzip der Anerkennung hatte dies indes unmittelbar keine Auswirkungen. Sie erfolgt nach wie vor automatisch. Eine Abschaffung jeglicher Versagungsmöglichkeiten gegen Anerkennung und Vollstreckung wurde mit der revidierten ­EuGVVO nicht umgesetzt. Im Zuge der Modernisierung des europäischen Zivilprozessrechts wurden außerdem 2004 die EuVTVO, 2007 die EuGFVO und 2006 die EuMahnVO erlassen.

109

Das oftmals in den Raum geführte Spiegelbildprinzip, wie es z. B. gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO niedergelegt ist, kann Anerkennung und Vollstreckung daher nicht mehr im Weg stehen. S. dazu die Nachweise in 2. Kap., Fn. 40. 110 Vgl. umfassend Adolphsen, EZVR, S. 7 f.; Ehricke, IPRax 1999, S. 311 ff.; Leible, Der Raum der Freiheit, S. 55, 56. S. auch zur umfangreichen Rechtsprechung des EuGH eingehend Pontier / Burg, S. 27 ff. 111 Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Tagung des Europäischen Rats in Tampere am 15. und 16. Oktober 1999, zu finden unter http://www.europarl.europa.eu/summits/tam_de.htm (zuletzt abgerufen am 22.07.2020) Nr. 33; vgl. dazu Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 265 f.; Adolphsen, Die Anerkennung im IZPR, S. 1, 4; Schlosser, IPRax 2010, S. 101. Vgl. hierzu auch Mitteilung Rat Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG C 12 v. 15.01.2001, S. 1 ff. 112 Vgl. u. a. Schlosser, IPRax 2010, S. 101. 113 Adolphsen, EZVR, S. 11 ff.; Stoppenbrink, ERPL 2002, S. 641, 645 f.; Weber, S. 7; Storskrubb, S. 39 ff.

A. Anerkennung 

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Im Jahr 2004 erließ der Rat das Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union,114 in dem er ebenfalls nochmals eindringlich auf das Ziel einer umfassenden gegenseitigen Anerkennung in den Mitgliedstaaten der Union hinwies.115 Neue Regelungen ergingen außerdem auch in anderen Bereichen des Zivilverfah­ rens, wie z. B. die Verordnungen zur grenzüberschreitenden Beweisaufnahme und Zustellung.116 2. Die europäischen Rechtsakte zur Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen Anerkennung und Vollstreckung von mitgliedstaatlichen117 Entscheidung sind im europäischen Zivilprozessrecht in zahlreichen Verordnungen und Übereinkommen geregelt. Den weitesten Anwendungsbereich hat dabei die ­EuGVVO. Sie findet auf eine Vielzahl von Zivil- und Handelssachen Anwendung und hat für den zivilrechtlichen Rechtsverkehr herausragende Bedeutung.118 Daneben finden sich Regelungen zu Anerkennung (und Vollstreckung) im europäischen Zivilprozessrecht außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der ­EuGVVO auch in der EuEheVO betreffend Ehesachen, der EuUnterhaltsVO betreffend Unterhaltspflichten, der EuErbVO betreffend Erbsachen, der EuInsVO119 betreffend Insolvenzverfahren, sowie in den seit 2019 geltenden EuGüVO und EuPartVO betreffend güterrechtlicher Entscheidungen. Zu nennen ist außerdem das Lugano-Übereinkommen (LugÜ)120, das im sachlichen Anwendungsbereich der ­EuGVVO im Verhältnis zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz, Norwegen und Island gilt. Auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich Anerkennung und auch Vollstreckung von mitgliedstaatlichen Entscheidun 114

Abgedruckt in ABl. EU C 53 v. 03.03.2005, S. 1 ff. Punkt III.3, ABl. EU C 53 v. 03.03.2005, S. 1, 11.  116 Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Ziviloder Handelssachen und Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates. S. hierzu allgemein Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 267; Stoppenbrink, ERPL 2002, S. 641, 647 f. 117 Die Anerkennung drittstaatlicher Entscheidungen ist nicht Thema dieser Arbeit. S. zur Anerkennung drittstaatlicher Entscheidungen in der Europäischen Union ausführlich Hess, EZPR, § 5 Rn. 1 ff.; Laugwitz, S. 7 ff., die sich aufgrund der unübersichtlichen Regelungs­ systematik für eine unionsweite einheitliche Regelung ausspricht. 118 Zur besonderen Bedeutung der ­EuGVVO vgl. Hess, IPRax 2011, S. 125, 127. 119 VO (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren. 120 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007. 115

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

gen, die diese Regelungen des europäischen Zivilprozessrechts insbesondere im Vergleich zu den Regelungen der ­EuGVVO aufweisen, wird sogleich unter c) und in V. 4. eingegangen. Besonderheiten und Abgrenzungsfragen ergeben sich im Anwendungsbereich der EuGFVO für geringfügige Forderungen, der EuVTVO für unbestrittene Geldforderungen und der EuMahnVO mit Hinblick auf das Europäische Mahnverfahren. Diesen wird ein eigenes Kapitel gewidmet (s. unten 4. Kapitel). a) Kompetenzgrundlagen Bereits in der Präambel des Vertrags über die Europäische Union (EUV) wird das Ziel eines einheitlichen institutionellen Rahmens für die Arbeit der Europäischen Union statuiert. Der dritte Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) errichtet sodann einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts der Europäischen Union. Einen wesentlichen Grundsatz stellt dabei das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung im Zivilprozessrecht dar, das in Art. 67 Abs. 4 AEUV explizit angesprochen wird: „Die Union erleichtert den Zugang zum Recht, insbesondere durch den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen.“ Auch in Art. 81 Abs. 1 AEUV wird dieser Grundsatz nochmals aufgegriffen. Der Kompetenztitel für den Erlass der ­EuGVVO (und der weiteren europäischen Sekundärrechtsakte zur Regelung von Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen in Zivilsachen) selbst findet sich in Art. 81 Abs. 2 lit. a AEUV.121 b) Anerkennung nach der ­EuGVVO Da die ­EuGVVO gegenüber den anderen Rechtsakten über Anerkennung und Vollstreckung den größten und praktisch wichtigsten Anwendungsbereich aufweist, soll sie hier – als Grundregelwerk – beschrieben werden. aa) Anwendungsbereich Die ­EuGVVO findet gemäß Art. 1 Abs. 1 S. 1 Anwendung auf Zivil- und Handelssachen, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt.122 In Abs. 2 sind Ausnahmen aufgelistet, die vor allem die praktisch relevanten Gebiete des 121

Leible / Terhechte / Oberhammer / Koller / Slonina, ERVR, § 15 Rn. 176; Wagner / Beckmann, RIW 2011, S. 44, 46 Fn. 26. 122 Soweit der sachliche Anwendungsbereich eröffnet ist, können also auch Entscheidungen anderer als Zivilgerichte nach der ­EuGVVO anerkannt (und ggf. vollstreckt) werden; Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 2 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 7.

A. Anerkennung 

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Familien- und Erbrechts und des Insolvenzrechts aus dem Anwendungsbereich herausnehmen. Innerhalb dieses Anwendungsbereichs findet der Anerkennungsbefehl des Art. 36 Abs. 1 wiederum Anwendung auf in einem Mitgliedstaat ergangene Entschei­ uGVVO sind, definiert Art. 2 lit. a. dungen. Was Entscheidungen im Sinne der E Dabei handelt es sich um jede von einem Gericht eines Mitgliedstaates erlassene Entscheidung ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wie Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid, einschließlich des Kostenfestsetzungs­ uGVVO erweitert den Anwenbeschlusses eines Gerichtsbediensteten. Art. 3 E dungsbereich außerdem auf Entscheidungen von Behörden, die aufgrund ihrer Ausgestaltung funktional gerichtlichen Entscheidungen entsprechen.123 Nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen die Anerkennung und Vollstreckung drittstaatlicher Entscheidungen.124 Diese richten sich mangels unionsübergreifender Regelungen nach dem jeweiligen autonomen Recht des Mitgliedstaates, in dem die drittstaatliche Entscheidung Geltung beansprucht. Die Anerkennung von Anerkennungsfeststellungsentscheidungen ist – ebenso wie ein Doppelexequatur – nicht möglich. Aussagen über die Wirksamkeit einer ausländischen Entscheidung kann der jeweilige Anwendungsbefehl immer nur für diejenige Rechtsordnung treffen, für die er gilt. Andernfalls würden die Anerkennungsvoraussetzungen der jeweiligen Rechtsordnungen umgangen.125 Letztlich würde so die nationalstaatliche Souveränität untergraben, weil dadurch ein Einfallstor für die Wirksamkeit drittstaatlicher Entscheidungen im jeweiligen ersuchten Staat geschaffen würde, das vom jeweils geltenden Recht so nicht vorgesehen ist.126 Selbstverständlich werden auch nur diejenigen Entscheidungen anerkannt (und vollstreckt), die ihrerseits im Ursprungsstaat (noch) wirksam (und vollstreckbar) sind.127 Dabei müssen die Entscheidungen nicht notwendigerweise rechtskräftig sein. Um den Anerkennungsbefehl auslösen zu können, genügt es, wenn irgendeine anerkennungsfähige Wirkung bereits vorliegt.128 Art. 2 ­EuGVVO stellt zudem klar,

123

Linke / Hau, Rn. 12.37. So schon EuGH, 20.01.1994, Rs. C-129/92, EuZW 1994, S. 278 f. 125 Siehe dazu Geimer, Anerkennung, S. 86 f.; Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1386; Kropholler, IPR, S. 663; grundlegend Kegel, FS  Müller-Freienfels, S. 377 ff.; a. A. wohl Schütze, der eine „Doppelexequierung“ befürwortet: IPRax 1984, S. 246, 248; s. auch Magnus / Mankowski / Wautelet, Brussels Ibis Regulation, Art. 36 Rn. 31. 126 Martiny, HdB. IZVR III/2. Kap. 2 Rn. 64; Musielak / Voit / Stadler, Art. 2 E ­ uGVVO nF Rn. 6. 127 Linke / Hau, Rn. 12.30; explizit klargestellt z. B. in Art. 20 Abs. 6 HUntÜ 2007. 128 So auch BGH, Urteil v. 08.12.2005, Az. IX ZB 18/04, NJW-RR 2006, S. 1290 Rn. 10; Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 2 VO (EG) 1215/2012 Rn. 6; Musielak / Voit / Stadler, Art. 2 E ­ uGVVO nF Rn. 4. Auf die Problematik des Verhältnisses zwischen Anerkennung und Rechtskraft wird unten im 2. Kapitel C. I. vertieft eingegangen. 124

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

dass für Anerkennung und Vollstreckung der Begriff Entscheidung auch einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen umfasst.129 Umstritten ist, ob lediglich Sachentscheidungen anerkannt werden können oder der Anerkennungsbefehl der E ­ uGVVO auch für Prozessentscheidungen gilt. Die herrschende Literatur bejaht dies.130 Diese Frage lässt sich indes nicht pauschal beantworten. Ob eine Entscheidung grundsätzlich anerkannt sein kann, kann nicht davon abhängen, ob eine Entscheidung in der Sache erfolgt ist oder nicht. Eine Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts erlangt grundsätzlich durch den Anerkennungsbefehl auch im ersuchten Mitgliedstaat Wirkung. Um was für eine Art von Entscheidung (Prozess- oder Sachentscheidung) es sich handelt, ist der äußeren Form nach nicht erkennbar. Ob tatsächlich eine Anerkennung stattfinden kann, hängt einzig davon ab, ob die Entscheidung Wirkungen entfaltet, die auch im ersuchten Mitgliedstaat gelten können oder ihrer Natur nach auf das Territorium des Ursprungsstaates beschränkt sind.131 Zugegeben haben klageabweisende Prozessurteile in der Regel keine Wirkungen, die über das Forum hinausgehen, da Sachentscheidungsvoraussetzungen des Prozesses im Ursprungsstaat geprüft und gegebenenfalls verneint werden.132 Dem steht aber nicht entgegen, dass in einzelnen Fällen auch eine Prozessentscheidung materiellen Gehalt haben kann und somit grundsätzlich anerkennungsfähig ist.133 So kann beispielsweise einer klageabweisenden Entscheidung, mit der das Gericht im Erststaat seine Unzuständigkeit ausspricht, hinsichtlich der Unzuständigkeit bindend und damit grundsätzlich anerkennungsfähig sein.134 Dies hat auch der EuGH für den Anwendungsbereich 129

Art.  2 lit.  a Abs. 2 ­EuGVVO. Das gilt allerdings nur, wenn sie am Gerichtsstand der Hauptsache ergehen und nur, wenn sie dem Schuldner zugestellt wurden. Im Übrigen verweist Erwägungsgrund Nr. 33 auf das autonome Recht des jeweiligen Mitgliedstaates – die Reichweite dieser Rückgriffsmöglichkeit bleibt indes unklar; s. dazu Hau, MDR 2014, S. 1417, 1420; Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 545. Eine gewisse Abhilfe schafft hier die EuKtPfVO, die ein einheitliches Verfahren zur vorläufigen Kontenpfändung auch für einstweilige Maßnahmen vor Titelerlangung schafft, vgl. Art. 7 Abs. 2 EuKtPfVO; vgl. auch Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 544. 130 Vgl. u. a. Schlosser-Bericht, ABl. EG C 59 v. 05.03.1979, S. 71, 128; Rauscher / L eible, Art.  36 Brüssel Ia-VO Rn.  8; Kindl / Meller-Hannich / Wolf / Mäsch, Art. 32 Brüssel I-VO Rn. 4; Saenger / Dörner, Art. 2 E ­ uGVVO Rn. 2; Musielak / Voit / Stadler, Art. 36 E ­ uGVVO nF Rn. 2; im Ergebnis auch Linke / Hau, Rn. 12.32 ff. A. A. eingehend Geimer, FS Kaissis, S. 287 ff. und ders., IZPR, Rn. 2788a ff. 131 Linke / Hau, Rn. 12.32; und so allgemein für den Entscheidungsbegriff auch Geimer / ​ Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 2 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 10. Dies gilt z. B. für Exequatur- und Anerkennungsentscheidungen. 132 Geimer, IZPR, Rn. 2788; ders., JuS 1965, S. 475, 476; s. auch Linke / Hau, Rn. 12.32. Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 267 weist daraufhin, dass prozessuale Entscheidungen hiernach auch andere als Prozessurteile sein können, beispielsweise gerichtliche Verpflichtungen zur Mitwirkung an Beweiserhebungen, und die Anerkennung dieser Entscheidungen gegebenenfalls einen Eingriff in die Justizhoheit des ersuchten Staates darstellt. 133 Vgl. Hartenstein, RdTW 2013, S. 267, 268 f.; Linke / Hau, Rn. 12.32 ff. 134 OLG Celle, Urteil v. 01.11.1995, Az. 2 U 145/92, IPRax 1997, S. 418; Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 8; Kropholler / v. Hein, EZPR, vor Art. 33 EuGVO Rn. 13; a. A.

A. Anerkennung 

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der ­EuGVVO entschieden.135 Dass der EuGH dabei noch einen Schritt weiter geht und nicht nur der Entscheidung hinsichtlich der Unzuständigkeit des Erstgerichts sondern gleichsam auch hinsichtlich der Zuständigkeit anderer Gerichte (aufgrund Gerichtsstandsvereinbarung) Bindungswirkung durch Anerkennung zuspricht, soll an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden. Ob diese weitreichende Bindungswirkung mit dem dogmatischen Verständnis der Anerkennung nach der E ­ uGVVO unter dem Gesichtspunkt der herrschenden Wirkungserstreckungslehre136 vereinbar ist und was für Konsequenzen aus dieser Entscheidung für das Konzept der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht gezogen werden können, wird unten unter Punkt 3. d) erörtert. Keine Entscheidungen im Sinne der E ­ uGVVO sind gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden, die in Art. 2 lit.  b und  c E ­ uGVVO jeweils legaldefiniert sind. Gemäß Art. 58 und Art. 59 E ­ uGVVO sind diese nach den Regelungen zur Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen vollstreckbar. Der Anerkennungsbefehl des Art. 36 E ­ uGVVO findet auf sie dem Wortlaut nach aber keine Anwendung.137 Das ist mit Blick auf das Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung138 überraschend. Hintergrund dürfte sein, dass diese Titel regelmäßig der Rechtskraft nicht fähig sind und nach überkommenem Verständnis auch sonst keine anerkennungsfähigen Wirkungen entfalten.139 Ob die damit einhergehende Vollstreckbarkeit ohne (ausdrücklichen) Anerkennungsbefehl mit der dogma­ tischen Konzeption des Anerkennungsprinzips im europäischen Zivilprozessrecht vereinbar ist, wird unter C. III. thematisiert. Ebenfalls keine Entscheidung gemäß Art. 2 lit. a ­EuGVVO stellen Schiedssprüche dar, da die E ­ uGVVO auf Entscheidungen nichtstaatlicher Stellen keine Anwendung findet.140 Zwingend ist dies indes nicht. Bei einem weiten Gerichtverständnis könnten auch Schiedssprüche, die unter Umständen materielle Rechtskraft entfalten können, in den Anwendungsbereich fallen.141 Der europäische Gesetzgeber hat sich aber dazu entschlossen, die Schiedsgerichtsbarkeit aus dem Anwendungs­ bereich der ­EuGVVO auszunehmen (s. explizit Art. 1 Abs. 2 lit. d).

McGuire, S. 167 ff. Auch prozessuale Zwischenentscheidungen können beispielsweise grundsätzlich anerkennungsfähig sein, vgl. Hess, EZPR, § 6 Rn. 183 f. 135 EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, S. 60 ff. 136 S. dazu unten 2.  Kapitel A. IV. 3. b) aa). 137 Grundsätzlich ist es nicht ausgeschlossen, dass ausländische Prozessvergleiche aufgrund ihres Zustandekommens im Anerkennungsforum als gerichtliche Entscheidungen qualifiziert werden, vgl. hierzu eingehend Koch, FS Schumann, S. 267, 271 ff. Zum weiteren Anwendungsbereich der Vollstreckbarkeit gegenüber der Anerkennung auch Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 973. 138 Hierzu eingehend unten 2. Kapitel C. II. 139 So Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 1145. 140 EuGH, Urteil v. 02.06.1994, Rs. C-414/92, NJW  1995, S. 38, Rn. 15, 17; Mankowski, SchiedsVZ 2014, S. 209, 210. 141 S. eingehend Mankowski, SchiedsVZ 2014, S. 209 ff.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

bb) Regelungen Anerkennung und Vollstreckung sind in Kapitel III in den Art. 36 ff. ­EuGVVO geregelt. Art. 36 Abs. 1 schreibt für den Anwendungsbereich der ­ EuGVVO den Grundsatz der automatischen Anerkennung fest. Dieser Grundsatz ist sowohl im europäischen als auch im internationalen Zivilprozessrecht bereits seit dem 20. Jahrhundert überwiegend verbreitet.142 Hieran hat auch die reformierte ­EuGVVO nichts geändert. Anders verhält es sich mit der Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen im Anwendungsbereich der ­EuGVVO, die nun mehr in Art. 39 geregelt ist. Während noch nach der alten EuGVO und der bis dahin herkömmlichen Konzeption des internationalen Zivilprozessrechts ein durch staatliche Stellen des ersuchten Mitgliedstaates ausgestelltes Exequatur erforderlich war, das der mitgliedstaatlichen Entscheidung die Vollstreckbarkeit im Inland verlieh,143 bedarf es dieser zusätzlichen Vollstreckbarerklärung der mitgliedstaatlichen Entscheidung seit der Reform der ­EuGVVO nicht mehr. Dass eine inzidente Kontrolle der Anerkennung im jeweiligen Verfahren, in dem die Frage der Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung relevant wird, möglich ist, kann Art. 36 Abs. 3 entnommen werden. In Abs. 2 wird den Berechtigten außerdem die Möglichkeit gegeben, die Anerkennung gesondert feststellen zu lassen. Außerdem sieht die neue ­EuGVVO in Art. 45 Abs. 4 neuerdings einen Rechtsbehelf vor, mit dem die Berechtigten auch die Nichtanerkennung gesondert feststellen lassen können. Die Versagungsgründe, die sowohl gegen die Anerkennung als auch gegen die Vollstreckung geltend gemacht werden können, sind in Art. 45 Abs. 1 aufgelistet. Neben der Anerkennung kann gemäß Art. 46 auch explizit die Vollstreckung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung versagt werden. Maßstab für die Frage der Versagung sind auch hier die in Art. 45 Abs. 1 genannten Versagungsgründe. c) Anerkennung nach anderen europäischen Rechtsakten Das Prinzip der automatischen Anerkennung gilt auch in anderen europäischen Rechtsakten zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Die automatische Anerkennung ist namentlich in Art. 21, 41 und 42 der EuEheVO, Art. 39 EuErbVO, Art. 19 f. EuInsVO, Art. 36 EuGüVO und EuPartVO und in Art. 17 Abs. 1 und 23 EuUnterhaltsVO geregelt. Das LugÜ regelt die automatische Anerkennung in Art. 33 Abs. 1. Diese Regelungen unterscheiden sich hinsichtlich der dogmatischen Konzeption der automatischen Anerkennung nicht von dem System der E ­ uGVVO, sodass die in diesem Kapitel erörterten dogmatischen und rechtspolitischen Überlegungen auch für diese gelten. 142 143

S. zur historischen Entwicklung oben 2. Kapitel A. II. 1. und im 2. Kapitel A. IV. 1.  S. unten im 2. Kapitel B. I. 3. a).

A. Anerkennung 

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An dieser Stelle zunächst außen vor bleiben sollen die Regelungen der ­EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO. Sie weisen aufgrund ihrer vereinheitlichten europäischen Verfahren hinsichtlich der Anerkennungssystematik sowie der Anerkennungs- und Vollstreckungsversagung Besonderheiten auf und werden im 4. Kapitel näher behandelt. Die nachfolgenden Überlegungen zur dogmatischen Konzeption der Anerkennung gelten aber grundsätzlich auch für diese. 3. Dogmatische Konzeption Wie sich an den Regelungen der ­EuGVVO zeigt, stellt das europäische Zivilprozessrecht eine umfangreiche Regelungssystematik für die Anerkennung und insbesondere deren Versagung bereit. Wie die Anerkennung konkret abläuft, wird nicht beschrieben. Der europäische Gesetzgeber beschränkt sich darauf, den Grundsatz der automatischen Anerkennung festzuschreiben. Was er damit genau meint und wie die automatische Anerkennung im Einzelnen abläuft, bleibt dabei ungewiss. Die dogmatische Konstruktion ist indes entscheidend, um das Anerkennungsprinzip im europäischen Zivilprozessrecht zu verstehen und seine Grenzen aufzeigen zu können. Sie soll daher nachfolgend untersucht werden. Neben den Besonderheiten, die sich im europäischen Zivilprozessrecht aus der Einbettung der Mitgliedstaaten in das supranationale Gefüge ergeben, muss dabei auch auf die Grundlagen der Anerkennung im internationalen Zivilprozessrecht zurückgegriffen werden. Umgekehrt lassen sich die angestellten Überlegungen zumeist auch hierauf übertragen. a) Gleichbehandlung von mitgliedstaatlichen und inländischen Entscheidungen Das Ziel der Urteilsfreizügigkeit im europäischen Rechtsraum findet unter anderem Ausdruck in der reformierten ­EuGVVO. Hier heißt es in Erwägungsgrund Nr. 26: „Eine von den Gerichten eines Mitgliedstaates erlassene Entscheidung sollte daher so behandelt werden, als sei sie im ersuchten Mitgliedstaat ergangen.“ Es soll eine vollständige Gleichbehandlung der mitgliedstaatlichen Entscheidung mit Entscheidungen des ersuchten Mitgliedstaates herbeigeführt werden.144 Dass mitgliedstaatliche Entscheidungen inländischen derzeit (noch) nicht vollends gleichgestellt sind, zeigt ein Blick auf die Versagungsgründe. Mitgliedstaatliche Entscheidungen stehen insbesondere nach wie vor unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit den wesentlichen Grundsätzen der inländischen Rechtsordnung und der Einhaltung bestimmter Verfahrensgrundsätze.145 Dabei ist durchaus denkbar, dass auch eine inländische Entscheidung einen Fehler aufweist, der bei mitglied 144 145

Vgl. Hess, EZPR, § 3 Rn. 18. S. zu den einzelnen Versagungsgründen unten 3. Kapitel C.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

staatlichen Entscheidungen das Vorliegen eines Versagungsgrundes begründen würde (z. B., weil das Urteil aufgrund eines Prozessbetrugs durch den Kläger erlangt wurde).146 An ihrer Wirksamkeit im Inland ändert dies aber zunächst nichts. Einer zwischengeschalteten Kontrolle anhand von besonderen Versagungsgründen sind die inländischen Entscheidungen (selbstverständlich) nicht unterworfen. Den Beteiligten bleibt der Rechtsschutz auf dem ordentlichen Rechtsweg. Mit der Anerkennung wird die ausländische Entscheidung nicht zu einer inländi­ schen, sondern bleibt ausländischer Hoheitsakt. Der Anerkennungsbefehl regelt lediglich, dass die Entscheidung auch im Inland ihre Wirkungen entfaltet. Welches Prozessrecht auf die anerkannte Entscheidung Anwendung findet, ist damit noch nicht gesagt. Das geltende Anerkennungsregime kann sowohl festlegen, dass die anerkannte Entscheidung weiterhin nach dem Prozessrecht des Ursprungsstaates zu behandeln ist, als auch, dass es nun mehr den Regeln des inländischen Prozessrechts folgt.147 b) Erstreckung der Entscheidungswirkungen Die ­EuGVVO und die anderen europäischen Rechtsakte definieren den Begriff der Anerkennung nicht.148 Mit Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung soll diese behandelt werden, als sei sie im ersuchten Mitgliedstaat ergangen.149 Was genau das bedeutet und welche Reichweite und Ausgestaltung diese Wirkung im Vergleich zu inländischen Entscheidungen hat, lässt sich dem nicht entnehmen und kann unterschiedlich bewertet werden. aa) Wirkungserstreckung statt Wirkungsgleichstellung Für das europäische Zivilprozessrecht hat sich der EuGH bereits 1988 in der Entscheidung Hoffmann / Krieg dafür ausgesprochen, dass die Wirkungen einer Entscheidung, die ihr in ihrem Ursprungsstaat zukommen, auf den ersuchten Mitgliedstaat erstreckt werden (sog. Wirkungserstreckung), da dies dem Ziel der weitest möglichen Freizügigkeit der Urteile entspreche.150 Zwingend ist dies jedoch nicht.

146

Der Prozessbetrug im mitgliedstaatlichen Verfahren stellt einen ordre-public-Verstoß dar, der im Rahmen der Anerkennung gem. Art. 45 Abs. 1 lit. a E ­ uGVVO geltend gemacht werden kann, vgl. Musielak / Voit / Stadler, Art. 45 ­EuGVVO nF Rn. 4. 147 Lenenbach, S. 157 ff., der sich dann allerdings für die Lehre der Wirkungsgleichstellung ausspricht. 148 Sepperer, S. 58; Kropholler / v. Hein, EZPR, vor Art. 33 EuGVO Rn. 9. 149 Erwägungsgrund Nr. 26 der ­EuGVVO. 150 EuGH, Urteil v. 04.02.1988, Rs. 145/86, NJW 1989, S. 663 Rn. 9 f. und zuletzt EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, S. 60 Rn. 34; s. auch Jenard-Bericht, ABl. EG C 59 v. 05.03.1979, S. 1, S. 43.

A. Anerkennung 

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Für eine Gleichstellung der ausländischen mit einer inländischen Entscheidung mit der Folge, dass der ausländischen Entscheidung durch die Anerkennung im Inland dieselben Wirkungen zukommen wie der inländischen (sog. Wirkungsverleihung oder Wirkungsgleichstellung) spricht, dass die Rechtsordnungen keine Regelungen zur Anwendbarkeit ausländischen Prozessrechts treffen. Prozessuale Regelungen sind jeweils auf eine im Inland ergangene Entscheidung zugeschnitten, sodass naheliegend ist, dieses auch auf ausländische Entscheidungen anzuwenden. Gerade die starke Annäherung der ausländischen Entscheidung an eine inländische, die mit der Gleichbehandlung bewirkt wird, kann außerdem als besonders weitgehende Integration auf prozessualer Ebene verstanden werden.151 Diese Lehre der Wirkungsgleichstellung wurde vor allem im nationalen Anerkennungsrecht vertreten.152 Hiergegen können indes erhebliche Bedenken vorgebracht werden: Die Parteien haben sich auf das Verfahren im Ursprungsstaat mit den dort geltenden prozessualen Regelungen eingelassen. Durch die Anerkennung dürfen sie nicht mit weitergehenden Wirkungen der Entscheidungen überrascht werden.153 Das ist nicht gewährleistet, wenn einer Entscheidung bei Anerkennung in einem anderen Staat gegebenenfalls weitergehende prozessuale Wirkungen zukommen als im Ursprungsstaat vorgesehen. Nur die Wirkungserstreckung gewährleistet somit effektiven Rechtsschutz.154 Außerdem führt eine Gleichstellung zu Umsetzungsschwierigkeiten, wenn der Inhalt der ausländischen Entscheidung im Inland gar nicht denkbar ist (z. B. besondere Gestaltungswirkungen).155 Letztlich überzeugt auch das Argument der weitreichenden Integration durch Gleichstellung nicht. Solange unterschiedliche Prozessrechte innerhalb der Europäischen Union bestehen, kann größtmögliche Freizügigkeit nationaler Entscheidungen allein durch die Wirkungserstreckung erreicht werden. Nur so ist die gleiche Wirkung einer nationalen Entscheidung in allen Mitgliedstaaten gewährleistet.156 Auch Bedenken gegen die Anwendung unbekannten Prozessrechts verfangen nicht. Denn auch im internationalen Privatrecht ist es allgemein anerkannt, dass unter Umständen ausländisches materielles Recht Anwendung findet – unabhängig davon, ob die mate 151

So Lenenbach, S. 157 f. BGH Urteil v. 01.06.1983, Az. IV  b ZR 386/81, NJW  1983, S. 1976, 1977; Urteil v. 06.10.1982, Az. IVb ZR 729/80, NJW 1983, S. 514, 515; vgl. für das österreichische Recht Matscher, FS Schima, S. 265, 277. Später relativiert er dies allerdings und will sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beziehen, s. ders., ZZP 1990, S. 294, 308 f. 153 Schack, IZVR, § 17 Rn. 884, mit Verweis auf die Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. So auch Fischer, FS Henckel, S. 199, 203 f.; Müller, ZZP 1966, S. 199, 205; Stein / Jonas / Roth, § 328 Rn.  11; Geimer / Schütze /  E .  Peiffer / M.  Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 14. 154 Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 260 f. 155 Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 260. 156 Junker, S. 285; Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 263; Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 14; vgl. auch Stein / Jonas / Oberhammer, Art. 33 ­EuGVVO Rn. 10. 152

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

riell-rechtlichen Regelungen im Einzelnen im nationalen Recht des anwendenden Staates bekannt sind oder nicht.157 Die Wirkungserstreckung entspricht damit in ihrer Anwendungsweise der Anwendung ausländischen Sachrechts.158 Nach der Lehre der Wirkungserstreckung kommen der ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat also grundsätzlich alle Wirkungen zu, die ihr im Ursprungsstaat verliehen werden.159 Wirkungen, die eine Entscheidung zwar im ersuchten Mitgliedstaat, nicht aber im Ursprungsstaat hat, sind der Entscheidung auch im ersuchten Mitgliedstaat daher nicht zuzuerkennen.160 Vergleichbar ist dies mit der Rechtskrafterstreckung nach §§ 325, 265 ZPO, wie wir sie aus dem nationalen Recht kennen. Während diese Vorschriften die Rechtskraftwirkung eines Urteils personell auf Dritte erstrecken, begründet der Anerkennungsbefehl eine territoriale Wirkungserstreckung ausländischer Entscheidungen auf andere Hoheitsgebiete.161 bb) Kumulationstheorie Auch für das europäische Zivilprozessrecht noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob und welche Grenzen die Wirkungserstreckung haben soll. Ansichten, wonach die Wirkungen der ausländischen Entscheidung nur soweit erstreckt werden, wie diese Wirkungen auch inländischen Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat zukommen (sog. Kumulationstheorie oder Kombinationslösung),162 können jedenfalls für das europäische Zivilprozessrecht nicht überzeugen. Mit der angestrebten größtmöglichen Freizügigkeit von Entscheidungen im supranationalen Gefüge ist dies nicht vereinbar.163 Auch Ansätze, die eine Grenze 157

Vgl. Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 263. Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 261; hierauf verweist auch Matscher, FS Schima, S. 265, 275, der die historische Verwandtschaft des Anerkennungsrechts mit der Anwendung ausländischen Privatrechts hervorhebt. 159 Zustimmend: Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 13 ff.; Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 261; Martiny, HdB. IZVR III/2, Kap. II Rn. 70; Geimer, IZPR, Rn. 2777; Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 4. 160 Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1387 f.; Geimer, Anerkennung, S. 88. 161 Schütze, NJW 1966, S. 1598. 162 Schack, IZVR, § 17 Rn. 886; Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1391; Müller, ZZP 1966, S. 199, 205 ff.; auch Matscher, ZZP 1990, S. 294, 309. Auch die EuGH Rechtsprechung kann teilweise in diese Richtung interpretiert werden: Es gehe nicht an, „einem Urteil bei seiner Vollstreckung Rechtswirkungen zuzuerkennen, […] die ein unmittelbar im Vollstreckungsstaat ergangenes Urteil derselben Art nicht erzeugen würde“: EuGH, Urteil v. 28.04.2009, Az. C-420/07, BeckRS 2009, 70441 Rn. 66; Urteil v. 13.10.2011, Az. C-139/10, NJW 2011, S. 3506 Rn. 38. 163 Vgl. Martiny, HdB. IZVR III/2, Kap. 2 Rn. 70; Geimer, IZPR, Rn. 2784, der sich außerhalb des europäischen Zivilprozessrechts aber für eine Begrenzung ausspricht, vgl. ders., Anerkennung, S. 88 f.; Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1391 und Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 381 f. 158

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der Wirkungserstreckung dort setzen, wo eine Entscheidungswirkung nach dem jeweiligen nationalen Prozessrecht nicht nur nicht vorgesehen, sondern diesem vollkommen fremd ist,164 können keine Beachtung finden. Dass auch Wirkungen, die dem Prozessrecht des ersuchten Mitgliedstaates nicht bekannt sind, anerkannt werden, ergibt sich nun mehr direkt aus der ­EuGVVO, vgl. Art. 54 Abs. 1 Unterabs. 2 und Art. 65 Abs. 2 S. 2.165 Allein, wenn Wirkungen unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör166 ergehen oder in sonstiger Weise gegen den ordre public des ersuchten Mitgliedstaates verstoßen, kommt eine Begrenzung der Wirkungserstreckung in Betracht.167 Solange der ordre public im Rahmen der Versagungsgründe gegen die Anerkennung geltend gemacht werden kann, bedarf es einer Einschränkung der Wirkungserstreckung als solcher aber nicht.168 cc) Anwendbares Verfahrensrecht Schließlich stellt sich noch die Frage, wie weit die Wirkungserstreckung verfahrenstechnisch greift. Wird zum Beispiel die entgegenstehende Rechtskraft im Erststaat nur auf Einrede beachtet, während sie im ersuchten Mitgliedstaat von Amts wegen zu prüfen ist, ist fraglich, ob dies noch zur „materiellen“169 Anerkennung der Rechtskraftwirkung gehört und sich daher nach dem Prozessrecht des Erststaates richtet oder eine Frage der konkreten Durchführung des Verfahrens im ersuchten Mitgliedstaat darstellt und daher nach der lex fori zu beurteilen ist. Eine Grenzziehung ist hier schwierig, aber unerlässlich. Die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung legt der staatlichen Stelle des ersuchten Mitgliedstaates auf, eine im Erststaat ausgesprochene rechtliche Situation in ihrer dort zu-

164 Weitgehende Präklusionswirkungen könnten danach in Deutschland anerkannt werden, eine Interventionswirkung aber nicht; vgl. Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 262; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 381 f. 165 Vgl. Junker, S. 285; v. Hein, RIW 2013, S. 97, 110; Roth, IPRax 2014, S. 136, 137; Geimer / Schütze / E .  Peiffer / M.  Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 14. 166 Das kann problematisch werden bei Drittwirkungen ausländischer Entscheidungen, vgl. hierzu Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 262. 167 Vgl. Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 4; Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 16; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. 2 Rn. 70; Fischer, FS Henckel, S. 199, 208. 168 Zur Frage, ob der ordre public-Verstoß vom Betroffenen geprüft werden muss und ob die Versagungsgründe noch zeitgemäß sind s. unten 6. Kapitel B. 169 Diese Terminologie ist missverständlich, da es sich nach wie vor um die prozessrechtliche Anerkennung der Entscheidung handelt. „Materiell“ meint in diesem Fall die Abgrenzung zur bloßen verfahrenstechnischen „Abwicklung“ der jeweiligen Urteilswirkung im konkreten Prozessverlauf, vgl. zu den Abgrenzungsschwierigkeiten Stein / Jonas / Oberhammer, Art. 33 ­EuGVVO Rn.  15.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

grunde gelegten Reichweite zu berücksichtigen. Wird sie im ersuchten Mitgliedstaat aber rechtlich relevant, so ist sie Teil eines rein nationalen Verfahrens, auf das die Verfahrensgrundsätze des ersuchten Mitgliedstaates Anwendung finden. Damit ist es nach der Wirkungserstreckungslehre richtig, dass sich die „materielle“ Reichweite der jeweiligen Entscheidungswirkung auch im ausländischen Prozess nach dem Recht des Erststaates richtet. Es ginge aber zu weit, der staatlichen Stelle im ersuchten Mitgliedstaat auch aufzuerlegen, die Verfahrensgrundsätze des Erststaates anzuwenden, auch wenn dies bedeutet, dass die jeweils in Frage stehende Entscheidungswirkung damit gegebenenfalls weniger durchsetzungsfähig ist (wie das z. B. der Fall wäre, wenn der Rechtskrafteinwand nur auf Einrede einer Partei Berücksichtigung fände). Dies stellt einen bloßen Reflex des Verfahrensrechts dar und ändert am „materiellen“ Vorliegen der Entscheidungswirkung nichts.170 c) Die einzelnen Entscheidungswirkungen Eine mitgliedstaatliche Entscheidung wird nicht pauschal als solche anerkannt. Anerkannt werden die einzelnen prozessualen Wirkungen nach der Wirkungserstreckungslehre, soweit sie der Entscheidung im Ursprungsstaat denn zukommen.171 Von herausragender Bedeutung ist dabei die materielle Rechtskraftwirkung, die eine Bindung an die mitgliedstaatliche Entscheidung begründet. Über den jeweiligen Sachverhalt darf nicht abweichend entschieden werden.172 Soweit die Bindungswirkungen nach dem Prozessrecht des Ursprungsstaates über die des ersuchten Mitgliedstaates hinausgehen, gelten diese nach der Lehre der Wirkungserstreckung auch dort.173 Welche Folgen und Besonderheiten hier mit einhergehen (können), wird im nachfolgenden Abschnitt d) gesondert erörtert. Im europäischen Zivilprozessrecht führt die Rechtskraft einer mitgliedstaatlichen Entscheidung – ebenso wie die Rechtskraft nach nationalem Rechtsverständnis – zur Unzulässigkeit einer erneuten Klage.174 Anders ist dies im autonomen deutschen Recht. Dort wird angenommen, dass die Rechtskraft einer anerkannten 170

Vgl. Kropholler / v. Hein, EZPR, vor Art. 33 EuGVO Rn. 12; Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 7; s. auch Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 25; Schack, IZVR, § 17 Rn. 981; a. A. aber Stein / Jonas / Oberhammer, Art. 33 ­EuGVVO Rn. 15. 171 Schack, IZVR, § 17 Rn. 866; Sepperer, S. 58. 172 Statt vieler Kropholler, IPR, S. 680; Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 5; Sepperer, S. 58 ff. 173 Vgl. BGH, Urteil v. 12.12.2007, Az. IV ZR 20/07, FamRZ 2008, S. 400; Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 5. 174 Kropholler, IPR, S. 680; EuGH, Urteil v. 30.11.1976; Az. 42/76, BeckRS 2004, 71158; s. hierzu eingehend Sepperer, S. 83 ff.

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Entscheidung einer neuen Klage nicht im Wege steht, im neuen Verfahren aber in der Sache eine Bindung an die vorhergehende Entscheidung anzunehmen ist.175 Auch die Präklusionswirkung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung wird anerkannt, sodass Tatsachen, die im Prozess im Ursprungsstaat hätten geltend gemacht werden können, in einem erneuten Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat nicht mehr vorgebracht werden dürfen. Ob die Präklusionswirkung als selbstständige Entscheidungswirkung zu qualifizieren ist oder Teil der materiellen Rechtskraftwirkung ist, ist letztlich eine Frage der begrifflichen Einordnung und hat auf das Ergebnis keinen Einfluss.176 Die Anerkennung der Präklusionswirkung (soweit sie denn vorliegt) ist unbestritten möglich.177 Ebenfalls anerkennungsfähig ist die Gestaltungswirkung einer Entscheidung, die inter omnes Rechtswirkungen schafft, die zuvor nicht vorlagen.178 Auch die Drittwirkungen einer Entscheidung sind der Anerkennung fähig. Hierunter fallen sowohl Interventions-179 als auch Streitverkündungswirkung. Wie Art. 65 Abs. 2 S. 2 ­EuGVVO explizit hervorhebt, gilt dies insbesondere auch für Gewährleistungs- und Interventionsklagen, die nicht in allen Mitgliedstaaten (u. a. nicht nach deutschem Prozessrecht) möglich sind.180 Die Anerkennung erstreckte sich nach der EuGVO bisher nicht auf die Wirkung der Vollstreckbarkeit. Diese wurde mitgliedstaatlichen Entscheidungen vielmehr durch eigenen Hoheitsakt des ersuchten Mitgliedstaates verliehen.181 Mit Abschaffung des Exequaturverfahrens hat sich dies nun geändert. Wie die Vollstreckung aus einer mitgliedstaatlichen Entscheidung nunmehr erfolgen kann und in welchem Verhältnis die Vollstreckbarkeit zur Anerkennung der übrigen Entscheidungswirkungen steht, wird unten unter B. II. und C. II. noch genauer beleuchtet.

175 S. dazu BGH, Urteil v. 20.03.1964, Az. V ZR 34/62, NJW 1964, S. 1626; Kropholler, IPR, S. 680; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 1613 ff.; Stein / Jonas / Roth, § 328 Rn. 15. Als Grund hierfür wird ein erhöhtes Rechtsschutzbedürfnis genannt. A. A. Geimer, IZPR, Rn. 2802, 3174w. 176 S. hierzu Lenenbach, S. 155; Habscheid, FS Fragistas, S. 529, 547 f. 177 Vgl. Geimer, Anerkennung, S. 152; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 393; Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 9. 178 Geimer, Anerkennung, S. 152 f.; Schack, IZVR, § 17 Rn. 869; Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 10; a. A. unter Verweis auf anzuwendendes Kollisionsrecht Süß, FG Rosenberg, S. 229, 252 ff.; Hausmann, S. 199, 204 ff.; Hoyer, JBl. 1982, S. 634, 641. 179 S. dazu auch MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 328 Rn. 177; Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 11; die materiell-rechtlichen Wirkungen richten sich nach dem Sachstatut, vgl. Geimer, Anerkennung, S. 153 Fn. 21. 180 S. hierzu Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 11; auch hier richten sich die materiell-rechtlichen Wirkungen aber nach dem IPR, s.  Geimer, Anerkennung, S. 154 Fn. 23; Schack, IZVR, § 17 Rn. 875. 181 Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. 1 Rn. 424; Geimer, JuS 1965, S. 475, 475 f.; Zöller / Geimer, § 722 Rn. 2 f.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

Eindeutig nicht anerkennungsfähig sind rein innerprozessuale Bindungswirkun­ gen einer ausländischen Entscheidung182 und von dieser ausgehende Tatbestandswirkungen (hierunter fällt z. B. die Frage, ob aufgrund des Verfahrens Verjährungshemmung eintritt). Diese haben keine prozessuale, sondern lediglich materiell-rechtliche Wirkung.183 Die Reichweite ihrer Bindung ergibt sich daher nicht aus der ­EuGVVO oder den anderen anerkennungsrechtlichen Rechtsakten, sondern bestimmt sich nach dem internationalen Privatrecht und der lex causae.184 Soweit einer Entscheidung also eine der oben genannten anerkennungsfähigen Entscheidungswirkungen im Erststaat zukommt, erstreckt sich diese Wirkung automatisch auch auf den ersuchten Mitgliedstaat. Gemäß der anzuwendenden Wirkungserstreckungslehre gilt dies auch für diejenigen Wirkungen, die dem Recht des ersuchten Mitgliedstaates nicht bekannt sind. Ergeht zum Beispiel in Frankreich ein Urteil aufgrund einer Interventionsklage, so wird dieses in der Bundesrepublik ohne weiteres anerkannt, obwohl die Interventionsklage nach deutschem Recht nicht möglich ist und dieses mit dem Institut der Streitverkündung arbeitet.185 d) Wirkungserstreckung und Rechtskraft Was Wirkungserstreckung für die einzelnen Entscheidungswirkungen genau meint, ist insbesondere für die Rechtskraftwirkung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat relevant. Die Rechtskraftwirkung erteilt einer Entscheidung endgültig bindenden Charakter und trägt so maßgeblich zum Rechtsfrieden und zur Streitbeilegung bei. Für den Rechtsverkehr hat sie daher sowohl rechtlich als auch praktisch herausragende Bedeutung.186 Werden die Wirkungen der mitgliedstaatlichen Entscheidung auf den ersuchten Mitgliedstaat erstreckt, so bedeutet das, dass Umfang und Reichweite von Rechtskraft und Präklusionswirkung der mitgliedstaatlichen Entscheidung sich gleichsam nach dem Recht des Erststaates richten.187 Wo Rechtskraft- und Bindungswirkungen im Erststaat über diejenigen des ersuchten Mitgliedstaates hinausgehen, kann der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat im Vergleich zu inländischen Entscheidungen also auch überschießende Wirkung zukommen.

182

Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 1015; Schack, IZVR, § 17 Rn. 866. S. zum Ganzen exemplarisch Matscher, JBl. 1954, S. 54, 58; Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 1015. 184 Geimer, FS Torggler, S. 311, 319; ders., Anerkennung, S. 46; Schack, IZVR, § 17 Rn. 870 ff.; Kropholler / v. Hein, EZPR, vor Art. 33 EuGVO Rn. 17; Wagner, IPRax 2002, S. 75, 80; a. A. Stein / Jonas / Roth, § 328 Rn. 25. 185 Das ergibt sich unmittelbar aus Art. 65 Abs. 2 Satz 1 ­EuGVVO. 186 Habscheid, Liber Amicorum Schnitzer, S. 179; Germelmann, S. 1. 187 Vgl. Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 261 f.; EuGH, 04.02.1988, Rs. 145/86, NJW 1989, S. 663 Rn. 9 f.; Jellinek, S. 182 f. 183

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aa) Unterschiedliche Rechtskraftkonzepte in Europa Die Rechtskraftkonzepte der nationalen Prozessrechte der europäischen Mitgliedstaaten variieren nicht unerheblich voneinander. Zurückzuführen ist dies auf grundlegend unterschiedliche dogmatische Ansätze, die den unterschiedlichen Konzeptionen zugrunde liegen.188 Bezogen auf die Anerkennung der Rechtskraftwirkung relevante Unterschiede ergeben sich, wie bereits angesprochen, insbesondere hinsichtlich der Reichweite der Rechtskraftwirkung nach den unterschiedlichen Prozessordnungen. Im deutschen Zivilprozess erstreckt sich die Rechtskraftwirkung eines Urteils allein auf seinen Tenor, § 322 Abs. 1 ZPO. Von der Rechtskraft und der damit einhergehenden Bindungswirkung umfasst ist daher nur der vom Urteil titulierte Anspruch und weder der zugrundeliegende Sachverhalt noch die (tragenden) Urteilsgründe.189 Auch nach den nationalen Prozessordnungen anderer kontinental-europäischer Länder, wie Österreich, Italien, Schweden und Polen,190 beschränkt sich die Reichweite der Rechtskraftwirkung auf den Entscheidungsausspruch. Anders verhält es sich beispielsweise im französischen Recht. Nach der dort vorherrschenden Rechtskraftkonzeption sind von der Bindungswirkung der Rechtskraft auch der Entscheidung vorgelagerte Vorfragen umfasst.191 Die Bindung erstreckt sich danach zwar nicht auf die Gründe (motifs) der Entscheidung, wohl aber auf tragende Entscheidungsgründe (motifs qui constituent le soutien nécessaire du dispositif) und auf Gründe, die Entscheidungscharakter haben und daher eigentlich in den Tenor gehören (motifs décisoires).192 Im Ergebnis noch weitergehender stellt sich die Bindungswirkung im englischen Rechtsraum dar.193 Durch das Prinzip des issue estoppel umfasst die Rechtskraft einer Entscheidung auch die ihr zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen.194

188 Zum Ganzen sei verwiesen auf Germelmann, S. 1 f. und instruktiv u. a. Habscheid, Liber Amicorum Schnitzer, S. 179, 180 ff.; ders., FS Fragistas, S. 529, 532 ff. 189 Schack, IZVR, § 17 Rn. 1007; Adolphsen, EZVR, S. 171 f.; eingehend dazu auch Germelmann, S. 50 ff. 190 Habscheid, FS Fragistas, S. 529, 542 f. m. w. N. 191 Fischer, FS Henckel, S. 199, 201 f.; Habscheid, Liber Amicorum Schnitzer, S. 179, 192 f. Umfassend zu den unterschiedlichen Meinungen Germelmann, S. 157 ff.; Ionescu, S. 175 ff. 192 Schack, IZVR, § 17 Rn. 1008, Habscheid, FS Fragistas, S. 529, 544 ff.; ders., Liber Amicorum Schnitzer, S. 193; vgl. auch M. Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung, S. 141 ff.; Geimer, RIW 1976, S. 139, 142; Nelle, S. 20 f.; Kössinger, S. 98. 193 Derzeit kann davon ausgegangen werden, dass im Vereinigten Königreich auch nach seinem Austritt aus der Europäischen Union jedenfalls über völkerrechtliche Vereinbarungen die europäischen Regelungen des justiziellen Binnenmarkts über Anerkennung und Vollstreckung weiterhin Anwendung finden, sodass der Blick auf den englischen Rechtsraum nach wie vor geboten ist. 194 Schack, IZVR, § 17 Rn. 1009; s. eingehend zum englischen Rechtskraftkonzept Germelmann, S. 216 ff.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

Allein dieser – lediglich kursorische Befund195 – zeigt, dass den Entscheidungen aus den unterschiedlichen Mitgliedstaaten gegebenenfalls unterschiedliche Wirkungen zukommen, die im ersuchten Mitgliedstaat entsprechend auf das Inland erstreckt werden. Die jeweilige Reichweite der Rechtskraft gilt nach der Wirkungserstreckungslehre auch im ersuchten Mitgliedstaat. Auch ein deutsches Gericht ist daher beispielsweise an die präjudizielle Bindungswirkung für andere Rechtsverhältnisse eines französischen Urteils gebunden.196 Damit wird durch die Anwendung des unionsübergreifenden einheitlichen Anerkennungsrechts die Rechtszersplitterung des Zivilprozessrechts im europäischen Rechtsraum genau genommen nicht behoben, sondern lediglich verschoben. Haben im Ausgangspunkt alle Entscheidungen innerhalb einer Rechtsordnung – territorial beschränkt auf den Nationalstaat – die gleichen Wirkungen, so hat nun jede Entscheidung im gesamten europäischen Rechtsraum die gleichen Wirkungen. Diese sind aber keineswegs identisch mit Wirkungen, die vergleichbare Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten wiederum im gesamten europäischen Rechtsraum haben. Das entspricht dem europäischen Konzept der Freizügigkeit, das gerade nicht auf die vollständige Vereinheitlichung und Harmonisierung des europäischen Rechtsbzw. Wirtschaftsraums abzielt, sondern sich derzeit noch auf die Ab­schaffung territorialer Begrenzungen der Reichweite mitgliedstaatlicher Entscheidungen und Maßnahmen beschränkt.197 In der praktischen Anwendung führt die Integration durch Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen vor den nationalen Gerichten (und Behörden) aber weiterhin zu uneinheitlichen Rechtslagen und ist damit auf den ersten Blick gerade nicht integrationsfördernd. Diese Handhabung ist außerdem wenig praktikabel, da vor ein und demselben Gericht jeweils unterschiedliche Prozessrechte und Rechtskraftkonzeptionen Anwendung finden.198 Diese Überlegungen gelten freilich für das Prinzip der Anerkennung im Ganzen und daher für alle Entscheidungswirkungen. Gerade hinsichtlich der in der Praxis besonders relevanten Rechtskraftwirkung und die damit einhergehende Frage 195

Zur weitergehenden Lektüre sei verwiesen auf Zeuner, FS Zweigert, S. 603 ff.; Spellenberg, FS Henckel, S. 841 ff.; Stürner, FS Schütze, S. 913 ff.; Habscheid, FS Fragistas, S. 34 ff.; ders., Liber amicorum Schnitzer, S. 179 ff.; M.  Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung, S. 121 ff., Germelmann, S. 169 ff. 196 Vgl. Roth, IPRax 2014, S. 136, 137; Adolphsen, EZVR, S. 172. S. hierzu allgemein EuGH, Urteil v. 04.02.1988, Az. Rs. 145/86, NJW 1989, S. 663 Rn. 9 ff.; Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 261 f.; Jellinek, S. 182 f.; so auch schon Riezler, S. 520 f.; a. A. Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1390 f.; S. 1702; Schack, IPRax 1989, S. 139, 142; Müller, ZZP 1966, S. 199, 203 ff. 197 Zum Ziel der vollständigen Urteilsfreizügigkeit im Rahmen der europäischen Integration s. unten 7. Kapitel A. 198 Dem könnte zwar mit der (abgelehnten) Theorie der Wirkungsgleichstellung begegnet werden, wonach den Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat lediglich diejenigen Wirkungen zukommen können, die inländische Entscheidungen haben, vgl. 2. Kapitel A. IV. 3. b) aa). Das Problem der Rechtszersplitterung würde dies aber nicht lösen und die Zersplitterung lediglich wieder an die nationalstaatlichen Grenzen anbinden.

A. Anerkennung 

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der Bindungswirkung wird dies aber besonders deutlich. Die Reichweite der Wirkungserstreckungslehre wurde mit Blick auf die Rechtskraftwirkung aus deutscher Sicht dann auch vermehrt kritisiert und die Anwendung der Kumulationstheorie befürwortet, wonach die Rechtskraft nur soweit gehen könnte, wie sie nach dem Recht es ersuchten Mitgliedstaates gehen würde.199 Die engen Bestimmungen der Grenzen der Rechtskraft im deutschen Zivilprozessrecht seien eine grundlegende rechtspolitische Entscheidung und dürften nicht umgangen werden.200 In jedem Fall führt die Anwendung unterschiedlicher Rechtskraftkonzepte zu einer erhöhten Rechtsunsicherheit, weil im Einzelfall unklar bleibt, wie weit die Bindungswirkung geht. Ein einheitlich europäisches Rechtskraftverständnis könnte die Anwendung der ­EuGVVO hier erleichtern.201 bb) Europäischer Rechtskraftbegriff? Es werden daher immer wieder Überlegungen angestellt, jedenfalls die Entscheidungswirkung der Rechtskraft europaweit einheitlich zu bestimmen und so nicht nur eine Beachtung der prozessrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten herbeizuführen, sondern eine einheitliche Konzeption im gesamten europäischen Rechtsraum zu entwickeln. Diese Überlegung ist auch dem EuGH nicht neu. Bereits im Jahr 1976 hat der EuGH in seiner Entscheidung in Sachen De Wolf ./. Cox die entgegenstehende Rechtskraft einer mitgliedstaatlichen Entscheidung nicht etwa mit der ihr durch den Ursprungsmitgliedstaat verliehenen Rechtskraft, sondern augenscheinlich mit einer autonomen europäischen Argumentation begründet.202 Für die Frage der Reichweite der Rechtskraftwirkung hat sich bis heute dennoch das Verständnis durchgesetzt, dass die Rechtskraftwirkung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im Wege der Wirkungserstreckung nach dem Prozessrecht des Ursprungsmitgliedstaates zu bestimmen ist.203

199

S. dazu oben 2.  Kapitel A. IV. 3. b) bb). Müller, ZZP 1966, S. 199, 206 f.; so auch Schack, IZVR, § 17 Rn. 885. Siehe auch umfassend zum Thema: Fischer, FS Henckel, S. 199 ff.; Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1391. 201 Mansel / T horn / Wagner, IPRax 2013, S. 1, 19; insoweit zustimmend Roth, IPRax 2014, 136, 138. 202 Vgl. EuGH, Urteil v. 30.11.1976; Az. 42/76, BeckRS 2004, 71158; hierzu eingehend Stein / Jonas / Oberhammer, Art. 33 ­EuGVVO Rn. 11. Kritisch hierzu Sepperer, S. 86 f. 203 Vgl. nur Geimer / Schütze / E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 22 ff. m. w. N. 200

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

(1) Entscheidung des EuGH vom 15.11.2012 (C-456/11) Neue Brisanz hat das Thema nicht zuletzt durch eine Entscheidung des EuGH vom 15.11.2012 erhalten, in der der Gerichtshof ohne große Not einem klage­ abweisenden Prozessurteil, das ein belgisches Gericht erlassen hatte, weil es sich aufgrund der von ihm festgestellten Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Parteien für unzuständig hielt, eine autonom-europäisch ausgestaltete Rechtskraft und Bindungswirkung zusprach.204 Im zugrundeliegenden Fall machten die Kläger gegen ein Logistikunternehmen Schadensersatz wegen Transportschäden an einer Brauereianlage geltend. Die Parteien hatten in ihren vertraglichen Abreden den Gerichtsstand Island vereinbart. Das belgische Gericht hielt die Gerichtsstandsvereinbarung für wirksam und wies die Klage mangels Zuständigkeit als unzulässig ab. Das in der Folge angerufene deutsche Gericht legte dem EuGH ein Vorabentscheidungsgesuch vor, mit der Frage, ob es sich bei dem Prozessurteil des belgischen Gerichts um eine anzuerkennende Entscheidung nach der EuGVO handele und ob es in der Folge an die Entscheidung des belgischen Gerichts gebunden sei, wonach die Gerichtsstandsvereinbarung als wirksam zu erachten sei. Der EuGH bejahte mit seinem Urteil zunächst ausdrücklich die Anwendbarkeit der Anerkennungsregelungen der EuGVO auch auf Prozessurteile.205 Noch beachtlicher waren aber seine Ausführungen zur Frage der Bindungswirkung der Entscheidung des belgischen Gerichts. Der EuGH folgt für das europäische Zivilprozessrecht regelmäßig der Wirkungserstreckungslehre,206 bei deren strenger Anwendung die Reichweite der Rechtskraft und Bindungswirkung der belgischen Entscheidung nach belgischem Prozessrecht zu ermitteln wäre. Wider Erwarten stellte der EuGH in dieser Entscheidung aber nicht hierauf ab, sondern bestimmte Grund und Reichweite der Bindungswirkung der belgischen Entscheidung europäisch autonom und nahm eine entsprechende Bindungswirkung an. (2) Reichweite und dogmatische Konzeption eines europäischen Rechtskraftbegriffs Wird die Anwendung eines einheitlichen europäischen Rechtskraftkonzepts befürwortet, so stellt sich aber die Frage, wie dieses auszugestalten und dogmatisch zu begründen wäre.

204 EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, S. 60 ff. Hierzu eingehend sogleich. 205 Dies wurde im deutschen Rechtsraum von der herrschenden Lehre bereits vor Erlass des Urteils vertreten, vgl. dazu bereits oben 2. Kapitel A. IV. 2. b) aa). 206 Vgl. 2.  Kapitel A. IV. 3. b) aa).

A. Anerkennung 

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Im europäischen Recht und der Rechtsprechung des EuGH können hierfür unterschiedliche Ansatzpunkte ausgemacht werden, die nachfolgend kritisch beleuchtet werden sollen. Allen Ansätzen gemein ist die Tendenz, den europäischen Rechtskraftbegriff besonders weit auszulegen und damit auch eine besonders weitgehende Bindungswirkung von Entscheidungen herbeizuführen. Die Anwendung eines weiten Rechtskraftbegriffs hätte dabei insbesondere den Vorteil, dass die Parteien wegen derselben Sache nicht mehrmals prozessieren müssten, was gerade auch im europäischen grenzüberschreitenden Rechtsverkehr aus Gesichtspunkten der Effektivität der Rechtsverfolgung und -durchsetzung erstrebenswert scheint.207 Die E ­ uGVVO – sowie die anderen einschlägigen Verordnungen – weisen nach wie vor keine Regelungen auf, aus denen sich ein europäischer Rechtskraftbegriff ableiten lassen könnte.208 Vielmehr geht die gesetzliche Regelung grundsätzlich weiterhin davon aus, dass sich die Reichweite der Rechtskraft nach dem nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaates richtet.209 Ob den europäischen Regelungen dennoch gegebenenfalls implizit der Rückgriff auf einen autonom europäischen Rechtskraftbegriff entnommen werden kann, ist durch Auslegung zu ermitteln.210 Derzeit ist die Herausbildung eines europäischen Rechtskraftkonzepts also vor allem richterlicher Rechtsfortbildung überlassen. (a) Begründung der Entscheidung des EuGH vom 15.11.2012 (C-456/11) Eine solche ist in der oben genannten Entscheidung des EuGH vom 15.11.2012 zu beobachten. Der EuGH führt hier aus, dass – jedenfalls bei Prozessurteilen, die auf der Anwendung gemeinsamer Zuständigkeitsvorschriften der Mitgliedstaaten beruhen – ein europäischer Rechtskraftbegriff Anwendung finden muss, der „nicht nur den Tenor der fraglichen gerichtlichen Entscheidung, sondern auch deren Gründe, die den Tenor tragen und von ihm daher nicht zu trennen sind“ umfasst.211 Im vorgelegten Fall umfasse die Bindungswirkung der belgischen Entscheidung damit auch deren Feststellung über die Wirksamkeit der zwischen den Parteien vereinbarten Gerichtsstandsvereinbarung.212 Es wäre denkbar, diesen Rechtskraftbegriff grundsätzlich auf alle Prozess- und Sachurteile mit grenzüberschreitendem Bezug zu übertragen.213 Folge wäre, dass 207

Schack, FS Geimer 80, S. 611, 616 f. sieht dies als Argument gegen einen weiten Rechtskraftbegriff. Gerade im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr dürften Fehlentscheidungen nicht perpetuiert werden. So auch Gebauer, FS Geimer 80, S. 103, 111. 208 So auch Schack, FS Geimer 80, S. 611. 209 Albrecht, S. 237; für das EuGVÜ Walker, ZZP 1998, S. 429, 450. 210 Vgl. Sepperer, S. 87 f. 211 EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, S. 60 Rn. 40. 212 EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, S. 60 Rn. 41. 213 So wohl Thomas / P utzo / Hüßtege, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 3.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

jegliche Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat gemäß diesem europäischen Rechtskraftbegriff Bindung entfalten würden  – unabhängig davon, in welchem Umfang das Prozessrecht des Ursprungsmitgliedstaates Rechtskraft und Bindungswirkung gewährt. Letztlich wird die Verallgemeinerung dieses Konzeptes für die Frage der Ankerkennung aber aus zwei Gründen zu verneinen sein. Zum einen sind schon Begründung und Reichweite des europäischen Rechtskraftkonzeptes, wie es der EuGH für den dortigen Sonderfall vorsieht, unklar und lückenhaft. Zum anderen kommt eine Übertragung dieses Konzepts aufgrund der dem EuGH vorliegenden Sondersituation auf andere mitgliedstaatliche Entscheidungen nicht in Betracht: Schon die dogmatische Grundlage des vom Gerichtshof angestrengten Rechtskraftbegriffs bleibt unklar:214 Er greift zurück auf den Rechtskraftbegriff, den er in ständiger Rechtsprechung für Hintergrund und Umfang der Rechtskraft seiner eigenen Entscheidungen verwendet.215 Als Begründung führt er den Grundsatz gegenseitigen Vertrauens, das Verbot der sachlichen Überprüfung der Entscheidung des Ursprungsmitgliedstaates und die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts an.216 Über eine floskelartige Nennung dieser für das Europarecht allgemein geltenden Grundsätze gehen seine Ausführungen indes nicht hinaus. Eine überzeugende dogmatische Grundlage für einen europäischen Rechtskraftbegriff schafft der EuGH hier nicht.217Allein auf Zweckmäßigkeitserwägungen abzustellen, kann nicht genügen.218 Außerdem bleibt auch der Umfang des so gezeichneten Rechtskraftbegriffs unklar. Das gilt nicht nur hinsichtlich der Reichweite der Rechtskraft als solcher sondern auch bezüglich des Verhältnisses zur traditionellen Anerkennung im Wege der Wirkungserstreckung.219 Teilweise wird angenommen, der hier vom EuGH eingeführte europäische Rechtskraftbegriff führe zu einer eigenen europäischen Rechtskraftwirkung der mitgliedstaatlichen Entscheidung, ohne dass es darauf ankäme, ob die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat überhaupt Rechtskraftwirkung entfaltet oder im ersuchten Mitgliedstaat anerkannt wird.220 Dies würde

214 Bach, EuZW 2013, S. 56, 57, nennt die Einführung des europäischen Rechtskraftbegriffs hier „völlig ansatzlos“. Vgl. auch Linke / Hau, Rn. 12.34. 215 EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, S. 60 Rn. 40; vgl. hierzu Gebauer, FS Geimer 80, S. 103, 110; Roth, IPRax 2014, S. 136, 138. S. zum europäischen Rechtskraftbegriff bei Verfahren vor europäischen Gerichten sogleich. 216 EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, S. 60 Rn. 35 ff. 217 S. hierzu ausführlich Hau, LMK 2013, 341521; Klöpfer, GPR 2015, S. 210,211 f.; Roth, IPRax 2014, S. 136, 139; Bach, EuZW 2013, S. 56, 57 f. 218 So Roth, IPRax 2014, S. 136, 138. 219 Vgl. Klöpfer, GPR 2015, S. 210, 213: vgl. auch Bach, EuZW 2013, S. 56, 58. 220 Vgl. Gebauer, FS  Geimer 80, S. 103, 106. So lässt sich wohl auch Teixeira de Sousa, FS Kaissis, S. 1017, 1025 verstehen, der dieses Erfordernis sieht, um Torpedoklagen zu umgehen. Eine Unterscheidung zwischen Rechtshängigkeit und Rechtskraft trifft er aber nicht.

A. Anerkennung 

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aber bedeuten, dass der EuGH sich hiermit von der von ihm grundsätzlich vertretenen Wirkungserstreckungslehre vollends verabschiedet und eine gänzlich neue Systematik der grenzüberschreitenden Titelgeltung begründet. Derart weitgehend kann die Entscheidung indes nicht verstanden werden. Sie rekurriert ausdrücklich auch nach wie vor auf die Rechtsprechung zur Wirkungserstreckungslehre.221 Dass sie hiervon abweichen will, wird an keiner Stelle erwähnt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Lehre der Wirkungserstreckung im europäischen Zivilprozessrecht auch weiterhin gelten soll.222 Die Ausführungen des EuGH können – ohne einen Widerspruch zu begründen – dementsprechend allenfalls derart verstanden werden, dass der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat eine autonom-europäisch zu ermittelnde Rechtskraft zukommt, die sodann auf andere Mitgliedstaaten erstreckt werden soll.223 Wie diese legitimiert sein soll, bleibt indes unklar. Der EuGH bietet letztlich keine Begründung dafür, dass nach seiner Konzeption Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat Wirkungen entfalten, die Entscheidungen grundsätzlich weder im Ursprungsnoch im ersuchten Mitgliedstaat haben.224 Abgesehen von den genannten Unzulänglichkeiten kann letztlich aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass der in dieser Entscheidung etablierte Rechtskraftbegriff auch auf andere Prozessentscheidungen oder gar Sachentscheidungen übertragen werden kann. Der europäische Rechtskraftbegriff, wie der EuGH ihn in dem genannten Urteil begründet, ist nicht verallgemeinerbar: Die Entscheidung des EuGH fußt – wie sich seinen Ausführungen an mehreren Stellen entnehmen lässt – insbesondere auf den Besonderheiten des engen Zusammenhangs zwischen Zuständigkeits- und Anerkennungsregelungen und darauf, dass die internationale Zuständigkeit hier aufgrund einheitlicher europäischer Regelungen bestimmt wurde.225 Diese Argumentation kann für Sachentscheidungen nicht herangezogen werden. Hier gilt weiterhin nationales Recht, das aufgrund kollisionsrechtlicher Regelungen in Einklang gebracht wird – eine Harmonisierung liegt gerade nicht vor.226 Außerdem wird die Entscheidung des EuGH wesentlich von der Zielsetzung getrieben, negative Kompetenzkonflikte zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu vermeiden.227 Auch dies lässt sich auf die Rechtskraftwirkung von Sachentscheidungen nicht übertragen. So wird im deutschen Schrifttum die

221

EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, S. 60 Rn. 34. So auch Musielak / Voit / Stadler, Art. 36 E ­ uGVVO n. F. Rn. 2; Bach, EuZW 2013, S. 56, 58; a. A. wohl; Hartenstein, RdTW 2013, S. 267, 270. 223 Klöpfer, GPR 2015, S. 210, 213. 224 Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 4; Bach, EuZW 2013, S. 56, 58. 225 Gebauer, FS Geimer 80, S. 103, 112; Bach, EuZW 2013, S. 56, 58. 226 So auch Schlussanträge des Generalanwalts Bot v. 06.09.2012, Rs. C-456/11, BeckRS 2012, 81833, Rn. 92 f. 227 Vgl. Gebauer, FS Geimer 80, S. 103, 107; Hau, LMK 2013, 341521; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot v. 06.09.2012, Rs. C-456/11, BeckRS 2012, 81833 Rn. 58, 88. 222

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

Verallgemeinerung dieses autonomen Rechtskraftkonzepts auch – zu Recht – überwiegend abgelehnt.228 (b) Rechtskraft im europäischen Zivilprozess Der EuGH greift in seiner oben genannten Entscheidung – ohne dies zu begründen – auf den Rechtskraftbegriff zurück, den er für seine eigenen Entscheidungen verwendet. Danach erstreckt sich die Rechtskraft der Entscheidungen der europäischen Gerichte nicht nur auf den Tenor, sondern auch auf die die Entscheidung tragenden Gründe.229 Wollte man dies auf mitgliedstaatliche Entscheidungen übertragen, würde auch für diese ein weites Rechtskraftkonzept mit Bindungswirkung für die die Entscheidung tragenden Vorfragen gelten. Auf welcher dogmatischen Grundlage die Übertragung dieser Konzeption auf Entscheidungen mitgliedstaatlicher Gerichte erfolgen könnte, bleibt indes offen. Es wird wohl nicht genügen, mit Verweis auf die europäische Rechtsprechung von einer gemeinsamen Rechtstradition auszugehen. Die Übertragung dieses Rechtskraftkonzepts würde letztlich die Abkehr von der Autonomie der mitgliedstaatlichen Rechtspflege durch Anwendung europarechtlicher Vorstellungen bedeuten. Dies wäre aber ohne tragfähige Herleitung nicht möglich. Eine solche stellt auch der EuGH nicht bereit. Als Begründung kann letztlich doch wieder nur auf die Argumente des Gerichts in seiner Entscheidung vom 15.11.2012 zurückgegriffen werden, die – wie oben gesehen – nicht überzeugen. (c) Kernpunkttheorie Damit bleibt letztlich allein die Möglichkeit, auf die Rechtsprechung des EuGH zur entgegenstehenden Rechtshängigkeit „desselben Anspruchs“ in einem anderen Mitgliedstaat nach Art. 29 ­EuGVVO (Art. 27 EuGVO aF) zurückzugreifen. Im Rahmen der Abgrenzung der – die Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts ausschließenden – Rechtshängigkeit „desselben Anspruchs“ stellt der EuGH in ständiger Rechtsprechung auf die von ihm entwickelte Kernpunkttheorie ab.230 228 Vgl. nur Roth, IPRax  2014, S. 136, 137; Schack, FS  Geimer 80, S. 611, 616; Musielak / Voit / Stadler, Art. 36 E ­ uGVVO nF Rn. 2; krit. auch Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 22 ff. 229 Vgl. EuGH, Urteil v. 01.06.2006, Rs. C-442, 471/03, BeckRS 2006, 70419 Rn. 44; Urteil v. 19.04.2012, Rs. C-221/10, EuZW 2012, 545 Rn. 87; Germelmann, S. 424 ff.; Tsikrikas, S. 56 ff. S. auch allgemein zum Rechtskraftkonzept der Gemeinschaftsgerichte: Ionescu, S. 147 ff.; Tsikrikas, S. 44 ff.; Reiling, EuZW 2002, S. 136 ff. 230 S.  nur EuGH, Urteil v. 08.12.1987, Rs.  144/86, NJW  1989, S. 665 Rn. 16; Urteil v. 06.12.1994, Rs. C-406/92, BeckRS 2004, 77078 Rn. 39 ff.; Urteil v. 14.10.2004, Rs. C-39/02, BeckRS 2004, 78089 Rn. 38.

A. Anerkennung 

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Danach liegt derselbe Anspruch dann vor, wenn Grundlage und Gegenstand der geltend gemachten Ansprüche identisch sind.231 Gegenüber dem im deutschen Zivil­prozessrecht geltenden Streitgegenstandsbegriff ist „derselbe Anspruch“ nach dem Verständnis des EuGH weiter gefasst. So kommt es nicht auf ein entsprechend gleichgerichtetes Klageziel oder gar identische Klageanträge an. Entscheidend ist allein, ob es bei den in Frage stehenden Ansprüchen im Kern um identische Fragestellungen geht.232 Der EuGH, der gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV für die Auslegung der E ­ uGVVO zuständig ist233, legt den Begriff „desselben Anspruchs“ in Art. 29 ­EuGVVO für das europäische Zivilprozessrecht dabei autonom und denkbar weit aus.234 Die Kernpunkttheorie ist damit weiter und materiellrechtlicher ausgestaltet als das bisher ganz herrschende Verständnis des Streitgegenstands im deutschen Zivilprozessrecht (und in anderen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen).235 Diese Überlegung könnte nun auch auf den Begriff der Rechtskraft übertragen werden mit der Folge, dass entsprechend der Kernpunkttheorie die Rechtskraft auch auf wesentliche Vorfragen erstreckt werden könnte, die Grundlage und Gegenstand des geltend gemachten Anspruchs mitbestimmen.236 So lassen sich auch die Ausführungen des EuGH in seiner Entscheidung in Sachen De Wolf ./. Cox aus dem Jahr 1976 verstehen, wo das Gericht den heutigen Art. 29 ­EuGVVO für die Begründung der entgegenstehenden Rechtskraft einer vorherigen mitgliedstaatlichen Entscheidung anführt.237 Während dies aus Sicht des deutschen Zivilprozessrechts folgerichtig ist, da der Streitgegenstand hiernach zentrales Kriterium für die Beurteilung der Rechtshängigkeit, der Rechtskraft sowie auch Klagehäufung und Klageänderung bezogen auf eine gerichtliche Entscheidung ist,238 ist dies im europäischen Zivilprozessrecht nicht selbstverständlich. So ist es nicht zwingend, dass die Rechtshängigkeit des Streitgegenstandes mit der zeitlich folgenden Rechtskraft und deren Reichweite 231

S. 2. Kap., Fn. 230. Vgl. auch Saenger / Dörner, Art. 29 ­EuGVVO Rn. 4; Musielak / Voit / Stadler, Art. 29 ­ uGVVO nF Rn. 6. E 233 Vgl. MünchKomm-ZPO / Gottwald, vor Art. 1 Brüssel Ia-VO Rn. 38. Die Auslegung der ­EuGVVO erfolgt dabei grundsätzlich nach europäisch autonomen Kriterien, vgl. Saenger / Dörner, vor ­EuGVVO Rn. 24. 234 EuGH, Urteil v. 08.12.1987, Rs. 144/86, NJW 1989, S. 665 Rn. 11; Urteil v. 06.12.1994, Rs. C-406/92, BeckRS 2004, 77078 Rn. 46 f. 235 Vgl. Prütting, FS  Pekcanıtez, S. 301, 304 ff.; M.  Peiffer, Grenzüberschreitende Titel­ geltung, S. 164 ff. 236 So Oberhammer, IPRax 2002, S. 424, 431; ders., JBl. 2000, S. 205, 216 ff., 218; Rüßmann, ZZP 1998, S. 399, 425; vgl. dazu (kritisch) Althammer, Streitgegenstand und Interesse, S. 183, 641. S. auch die umfangreichen Überlegungen Gottwalds, Symposium Schwab, S. 85, 95 ff., der sich letztlich aber (noch) gegen einen europäischen Rechtskraftbegriff ausspricht. 237 EuGH, Urteil v. 30.11.1976; Rs. 42/76, BeckRS 2004, 71158 Rn. 11 f. 238 Sog. Einheitstheorie; vgl. nur BGH, Urteil v. 13.09.2012, Az. I ZR 230/11, GRUR 2013, S. 401 Rn. 21. Vgl. zur Kritik an dieser Theorie Stein / Jonas / Roth, vor § 253 Rn. 47, 61. 232

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

identisch ist. Dieses Prozessrechtsverständnis, wonach mit der Rechtskraft die Rechtshängigkeit nach Abschluss des Verfahrens weitergeführt wird,239 ist dem europäischen Recht (bisher) fremd. Art. 29 ­EuGVVO dient allein der Verhinderung parallellaufender Verfahren. Über die Reichweite der Rechtskraft einer mitgliedstaatlichen Entscheidung nach Abschluss des Verfahrens ist damit noch nichts gesagt.240 Es wäre daher zu voreilig und im europäischen Zivilprozessrecht – auf das es bei der Konzeption eines eigenen europäischen Rechtskraftbegriffs alleine ankommen kann – systemfremd, die Rechtskraft ohne weiteres an die vorhergehende Rechtshängigkeit zu koppeln.241 In der Entscheidung des EuGH vom 15.11.2012 wird die Kernpunktlehre dann auch gar nicht thematisiert. Offenbar geht auch der EuGH davon aus, dass eine Parallele hier nicht gezogen werden kann. cc) Stellungnahme Ein einheitliches und weitgehendes Rechtskraftkonzept wäre für das europäische Zivilprozessrecht sicherlich hilfreich. Es würde die Integration durch weitergehende Harmonisierung fördern und die Anwendung ausländischer Entscheidungen im Inland praktisch erleichtern. Geht es um die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, so hat die Rechtskraftwirkung – neben der Vollstreckbarkeit – die praktisch wichtigste Rolle. Eine einheitliche Beurteilung der Rechtskraft mitgliedstaatlicher Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat, unabhängig davon, aus welchem Mitgliedstaat sie kommen, hätte den Vorteil, dass die staatliche Stelle (wenn sie denn überhaupt mit der Frage konfrontiert wird, was nur auf Rüge eines Betroffenen stattfindet242) lediglich dieses und nicht etwa das ihr im Zweifel unbekannte Rechtskraftverständnis des Ursprungsmitgliedstaates anwenden muss. Allein diese Zweckmäßigkeitserwägungen genügen aber nicht, um ein europäisches Rechtskraftkonzept zu begründen. Es ist bereits fraglich, auf welche Kompetenzgrundlage ein autonom durch die Europäische Union eingeführter Rechtskraftbegriff zu stützen wäre. Der Kompetenztitel des Art. 81 Abs. 2 lit. a AEUV, der für die Regelung der Anerkennung ausländischer Entscheidungen herangezogen wird, passt hier nicht ohne weiteres. Einen klassischen Fall der Anerkennung stellt die Erstreckung der Rechtskraft mitgliedstaatlicher Entscheidungen durch Anwendung eines europäischen Rechts-

239

Stein / Jonas / Oberhammer, Art. 33 ­EuGVVO Rn. 11. Albrecht, S. 236 f.; so wohl auch bereits Leipold, GS Arens, S. 227, 240 f. 241 Vgl. hierzu eingehend Albrecht, S. 236 f.; s. auch Oberhammer, IPRax 2002, S. 424, 430, der sich im Ergebnis aber dennoch für eine Ausweitung der Kernpunkttheorie auf den Rechtskraftbegriff ausspricht, S. 431; McGuire, S. 56 f. 242 S. hierzu unten 3. Kapitel A. IV. 240

A. Anerkennung 

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kraftbegriffes nicht mehr dar.243 Hier hilft auch die Konzeption Klöpfers nicht weiter, wonach die europäisch-autonome Rechtskraftwirkung der Entscheidung im Inland zukommt und sodann erstreckt wird:244 Dann würde das europäische Rechtskraftkonzept keine Regelungen über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, sondern die prozessuale Wirkung von Entscheidungen im Inland treffen. Eine hinreichende Kompetenzgrundlage der Europäischen Union stünde umso mehr in Frage. Einen Kompetenztitel, der den Eingriff in nationales Prozessrecht ermöglicht, kennt das europäische Verfassungsrecht (noch) nicht. Vielmehr lässt sich Art. 67 Abs. 1 AEUV ausdrücklich entnehmen, dass die Europäische Union die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten achtet.245 Das muss auch für die nationalen Rechtskraftkonzepte gelten. Fraglich ist außerdem, ob die Einführung eines entsprechenden unionsrechtlichen Rechtskraftkonzepts tatsächlich zu einer vereinfachten Rechtsanwendung im Rechtsverkehr innerhalb der Europäischen Union führen würde. Zu forderst zöge ein solches vereinheitlichtes Verständnis zunächst einmal eine Rechtszersplitterung nach sich, denn die Harmonisierung des Rechtskraftbegriffs würde nur für mitgliedstaatliche Entscheidungen mit grenzüberschreitendem Bezug gelten.246 Das würde aber dazu führen, dass bezogen auf die einzelne Entscheidung Unklarheit darüber bestehen kann, ob diese grenzüberschreitenden Bezug hat, wann dieser gegebenenfalls eintritt und welcher Rechtskraftbegriff daher einschlägig ist. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, was passiert, wenn eine zunächst rein im nationalen Rechtsverkehr relevante Entscheidung unerwarteterweise Auslandsbezug erhält. Eine Veränderung der rechtlichen Beurteilung der Rechtskraft ex post würde die Rechtsunsicherheit weiter vergrößern. Andernfalls liefe man aber Gefahr, einer Entscheidung zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Wirkungen zukommen zu lassen. Auch das scheint wenig überzeugend. Gerade aus Sicht der deutschen Zivilprozessrechtsordnung wären die Unterschiede außerdem gravierend, da der einheitliche europäische Rechtskraftbegriff in seiner Reichweite hinsichtlich der Bindungswirkung weit über die deutsche Rechtskraft hinausgehen würde. Um eine rechtssichere und widerspruchsfreie Harmonisierung herbeizuführen, käme nur in Betracht, die nationalen Rechtskraftkonzepte selbst im Wege einer vertragskonformen Anpassung anzugleichen, um ein einheitliches europäisches Rechtskraftkonzept herbeizuführen.247 Das wäre zwar sowohl mit Blick auf die angestrebte Harmonisierung als auch im Sinne einer 243 Vgl. Gebauer, FS  Geimer 80, S. 103, 112 f. S. hierzu auch Schack, FS  Geimer 80, S. 611, 617. 244 Klöpfer, GPR 2015, S. 210, 213 f. 245 Vgl. Schack, FS Geimer 80, S. 611, 617. 246 Mansel / T horn / Wagner, IPRax 2013, S. 1, 19; Roth, IPRax 2014, S. 136, 138 spricht von „gespaltener materieller Rechtskraft“. 247 So wohl auch Böhm, Übereinkommen von Brüssel und Lugano, S. 141, 155 ff.; Albrecht, S. 237 f., der dieses Erfordernis der Anwendung der Kernpunkttheorie entnimmt.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

dogmatisch schlüssigen Angleichung der Rechtskraftkonzeptionen innerhalb der Europäischen Union die eleganteste Lösung, die es mittelfristig zu erstreben gelten sollte. Eine Antwort auf das Erfordernis oder die Anwendung eines europäischen Rechtskraftkonzepts im jetzigen Integrationsstadium liefert sie aber nicht. Die von der Anerkennung abgekoppelte Anwendung eines autonomen Rechtskraftbegriffs ginge auch über die bloße Titelfreizügigkeit (als Parallele zu den Grundfreiheiten) hinaus und damit weiter als die Integration in jedem anderen Wirkungsbereich der Europäischen Union.248 Damit einher ginge die Herausbildung eines eigenen europäischen Zivilprozessrechts, nicht nur für europäische Zivilprozessakte, sondern für die nationalen Akte, gleichsam unter Verdrängung der nationalen Regelungen jedenfalls dort, wo ein EU-Auslandsbezug besteht.249 Letztlich steht dem einheitlich europäischen Rechtskraftbegriff – wie oben bereits angeklungen – derzeit aber ohnehin noch das Fehlen einer belastbaren dogmatischen Grundlage entgegen. Außer Zweckmäßigkeitserwägungen lassen sich keine dogmatischen Konzeptionen erkennen, die die abgetrennte europaweit einheitliche Regelung der Rechtskraft für grenzüberschreitende Entscheidungen begründen könnten. Der europarechtliche Effektivitätsgrundsatz kann dogmatische Lücken nicht vollends schließen. Das Urteil des EuGH vom 15.11.2012 muss hier als Ausnahmeentscheidung gesehen werden, die insbesondere darauf zurückzuführen ist, dass der Entscheidung das bereits vereinheitlichte Zuständigkeitsrecht der Europäischen Union zugrunde liegt.250 Schließlich stieße die Bejahung eines europäischen Rechtskraftkonzepts auch an praktische Grenzen. Könnte die Reichweite der Bindungswirkung gegebenenfalls noch unter Rückgriff auf Kernpunktlehre und Konzeption des eigenen Prozessrechts der Unionsgerichte ermittelt werden, gibt das europäische Prozessrecht und die Rechtsprechung des EuGH keinerlei Aufschluss darüber, wie sich eine solche Rechtskraft hinsichtlich anderer Aspekte, wie z. B. der Drittbeteiligung am Rechtsstreit, verhält.251 Solange das europäische Recht hierauf keine Antwort zur Verfügung stellt, ist der Rechtsanwender gezwungen, Lücken nach dem nationalen Prozessrecht der Mitgliedstaaten zu füllen. Von einer Vereinfachung, Harmonisierung und Umgehung der Rechtszersplitterung kann dann aber nicht mehr gesprochen werden. Auch die Rechtsprechung des EuGH hat sich dementsprechend bislang (bis zur o.g. Entscheidung) dahingehend ausgesprochen, dass ein europäisches Rechts 248

Vgl. dazu auch unten 6. Kapitel B. I. Zum Ganzen und insbesondere zu der Frage, ob dies mit der Konzeption des europäischen Rechtsraums übereinstimmt und umsetzbar wäre vgl. unten 6. Kapitel B. II. 250 S. hierzu eingehend Gebauer, FS Geimer 80, S. 103, 113 f., Klöpfer, GPR 2015, S. 210. 214; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot v. 06.09.2012, Rs. C-456/11, BeckRS 2012, 81833, Rn. 92 f. Wobei die bloße Beschränkung der Reichweite der Entscheidung des EuGH 2012 auf Prozessurteile wiederum auch zu einer Rechtsspaltung gegenüber der Anerkennung von Sachentscheidungen führen würde, vgl. Roth, IPRax 2014, S. 136, 138. 251 Vgl. für die EuMahnVO Freitag, FS Kropholler, S. 759, 774. 249

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kraftkonzept nicht existiere. Da auf diesem Gebiet gemeinschaftsrechtliche Vorschriften fehlen, sei es nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, Art und Umfang der Rechtskraft festzulegen. Diese dürfen die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, aber nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz).252 Danach weitet der EuGH die – nach wie vor nach nationalem Recht zu ermittelnde – Rechtskraft nach europäischen Maßstäben dort aus, wo dies zur effektiven Durchsetzung europarechtlicher Regelungen notwendig erscheint.253 Ein von den nationalen Prozessordnungen unabhängiges Rechtskraftkonzept schafft er indes nicht.254 Diesbezüglich bestünde überdies Missbrauchsgefahr: Beinhaltet der europäische Rechtskraftbegriff tatsächlich eine besonders weitgehende Reichweite, kann es für die Beteiligten gegebenenfalls ratsam sein, einen Titel im EU-Ausland zu erstreiten, um eine weitergehende Bindung der Entscheidung herbeizuführen.255 Das kann selbst unter Zugrundelegung des effet utile auch aus europäischer Sicht nicht gewollt sein. Nach alledem kann nach aktuellem Integrationsstand des europäischen Zivilprozessrechts die Rechtskraft mitgliedstaatlicher Entscheidungen noch nicht autonom europäisch bestimmt werden. Trotz der praktischen Schwierigkeiten, die sich mit der Notwendigkeit der Anwendung der unterschiedlichen Rechtskraftkonzepte aller Mitgliedstaaten ergeben, richtet sich die Rechtskraft einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat nach wie vor nach der Wirkungserstreckungslehre und dementsprechend nach dem nationalen Prozessrecht des Ursprungsmitgliedstaates. Mit Blick auf die oben genannten Erwägungen wäre die Einführung eines europäischen Rechtskraftbegriffs perspektivisch jedenfalls zu begrüßen. Eine dogmatisch tragfähige Konzeption muss hierfür indes erst noch gefunden werden.256 Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein Rechtskraftbegriff auf europäischer Ebene für die Reichweite der Feststellungsentscheidung zur Anerkennung angezeigt ist, um jedenfalls auf Ebene der Entscheidung über die Anerkennung

252

EuGH, Urteil v. 03.09.2009, Rs. C-2/08, EuZW 2009, S. 739, Rn. 24. So auch im o.g. Fall EuGH, Urteil v. 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, S. 60 ff. 254 Anders liest sich Poelzig, EuZW 2009, S. 741 ff. 255 So kann z. B. im deutschen Zivilprozess zwar eine Zwischenfeststellungsklage erhoben werden, um nach deutschem Verständnis nicht an der Rechtskraft beteiligte Vorfragen bindend feststellen zu lassen. Dies erfordert indes ein proaktives Tätigwerden des Betroffenen und zieht unter Umständen eine Streitwerterhöhung nach sich, vgl. § 5 ZPO. 256 So Oberhammer, IPRax  2002, S. 424, 430; Leipold, Vom nationalen zum transnationalen Recht, S. 67, 76; a. A. Sepperer, S. 83 ff., die sich aber vordergründig mit der Frage auseinandersetzt, ob entgegenstehende Rechtskraft nach der EuGVO die Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der erneuten Klage nach sich zieht. Auf die inhaltliche Reichweite unterschiedlicher Rechtskraftkonzepte geht sie nicht ein. 253

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

selbst einheitliche Ergebnisse zu erzielen. Hierauf soll unten im 6. Kapitel C. näher eingegangen werden. Die Rechtskraftwirkung unterliegt damit, wie auch alle anderen Entscheidungs­ wirkungen, der Anerkennung durch Erstreckung der Wirkungen aus dem Ursprungsmitgliedstaat. e) Automatische Anerkennung Unter Anerkennung wird hier also die Erstreckung etwaiger prozessualer Wirkungen einer Entscheidung auf den ersuchten Mitgliedstaat verstanden. Noch nichts gesagt ist damit aber über die Art und Weise, wie die Anerkennung im Konkreten abläuft. Sie erfolgt – insoweit besteht Einigkeit – automatisch. Was diese Automatik der Anerkennung indes genau bedeutet, bleibt unklar. Greift kein Versagungsgrund ein, so ist die mitgliedstaatliche Entscheidung automatisch anerkannt und entfaltet die ihr im Ursprungsstaat zukommenden prozessualen Wirkungen. Wann und wie ein solcher Versagungsgrund vorliegen muss und was dies zur Folge hat, wird unten im 3. Kapitel A. thematisiert. An dieser Stelle soll zunächst herausgearbeitet werden, wie die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung abläuft, wenn kein Versagungsgrund eingreift. Vor Abschaffung des Exequaturverfahrens wurden mindestens 95 Prozent aller Vollstreckungsverfahren durchgeführt, ohne dass Versagungsgründe geltend gemacht wurden.257 Eine zwingende Folgerung für die Häufigkeit des tatsächlichen Vorliegens von Versagungsgründen kann hieraus aber weder für die Vollstreckbarkeit noch für die Anerkennung gezogen werden, bleibt doch unklar, in welchen Fällen die Geltendmachung der Versagungsgründe erfolgreich war und in wie vielen Fällen Versagungsgründe vorlagen, die mangels Rüge der betroffenen Partei nicht überprüft wurden. Diesem statistischen Wert lässt sich aber die Tendenz entnehmen, dass das Vorliegen von Versagungsgründen den Ausnahme- und die automatische Anerkennung den Regelfall darstellen. Dem entspricht im Übrigen auch die Konzeption der An­ uGVVO, wonach die automatische Anerkennung nur in den erkennung nach der E eng umgrenzten (und restriktiv auszulegenden)258 Fällen des Art. 45 Abs. 1 versagt wird. Dies vorausgeschickt bleibt zu fragen, wie die Anerkennung als solche abläuft und was man sich unter dem Postulat der automatischen Anerkennung konkret vorzustellen hat. Nach Art. 36 Abs. 1 E ­ uGVVO erfolgt die Anerkennung, „ohne 257

Hess / Pfeiffer / Schlosser / Hess, Brussels I Regulation, S. 14; vgl. auch Magnus / Mankowski, ZVglRwiss 2011, S. 252, 291 f. 258 EuGH, Urteil v. 02.06.1994, Rs. C-414/92, NJW 1995, S. 38, Rn. 20; Urteil v. 28.03.2000, Rs. C-7/98, EuR 2000, S. 628 Rn. 21; Hess, EZPR, § 3 Rn. 15.

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dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf“. Bedeutet diese „Automatik“ tatsächlich, dass die mitgliedstaatliche Entscheidung ohne jegliches Zutun einer inländischen staatlichen Stelle im Inland Wirkung entfaltet oder bedarf es doch irgendeines Akts der Bezugnahme im Inland? Dies gilt es nachfolgend zu überprüfen. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht, sind aber grundsätzlich von allgemeiner Gültigkeit und können daher auch für das Prinzip der Anerkennung im internationalen Zivilprozessrecht herangezogen werden. aa) Kein Verfahren der Anerkennung Wenn die E ­ uGVVO davon spricht, dass die Anerkennung ohne ein besonderes Verfahren erfolgt, so ist damit gemeint, dass kein eigenes Verfahren notwendig ist, in dem die Anerkennung der ausländischen Entscheidung explizit ausgesprochen wird. Die Anerkennung erfolgt viel mehr kraft Gesetzes durch Anerkennungsbefehl.259 Eine Errungenschaft des europäischen Zivilprozessrechts ist dies nicht. Derartige Delibationsverfahren sind im internationalen Zivilprozessrecht allgemein weitestgehend nicht erforderlich.260 Werden Versagungsgründe geltend gemacht, so wird im Übrigen ein Rechtsbehelfsverfahren „gegen“ die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung durchgeführt.261 Andere gerichtliche oder behördliche Verfahren zur Herbeiführung der Anerkennung existieren darüber hinaus nicht. Von einem eigentlichen Anerkennungsverfahren kann daher nicht gesprochen werden. Missverständlich sind insoweit die jüngsten Regelungen in Art. 41 EuGüVO bzw. EuPartVO, die mit der „Aussetzung des Anerkennungsverfahrens“ betitelt sind, obwohl auch im Anwendungsbereich dieser Verordnungen selbstverständlich das Prinzip der automatischen Anerkennung gilt, vgl. Art. 36 Abs. 1 EuGüVO bzw. EuPartVO. Auch hieran zeigt sich wiederum deutlich, wie wenig der europäische Gesetzgeber das Konzept der Anerkennung durchdacht hat. bb) Ablauf und Zeitpunkt der Anerkennung Noch nichts gesagt ist darüber, wie die Anerkennung – auch wenn sie ohne gezielten Delibationsakt erfolgt – vonstattengeht. Eine Entscheidung ergeht im Erststaat und beansprucht hier (selbstverständlich) unmittelbare Geltung. Ob sie in einem zweiten (ersuchten) Mitgliedstaat prozessual relevant wird, steht zu diesem

259

Geimer, JuS 1965, S. 475, 476. S. dazu oben 2. Kapitel A. II. 5.  261 Zu Rechtsnatur und Hintergründen dieses Verfahrens s. unten 3. Kapitel D. II. 260

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

Zeitpunkt noch nicht fest.262 Nehmen wir an, mit Urteil eines nationalen Gerichts eines Mitgliedstaates wird die Ehe zwischen zwei Parteien geschieden.263 Solange diese Rechtsgestaltung in einem anderen Mitgliedstaat deshalb nicht relevant wird, weil kein Streit über die Wirksamkeit des Scheidungsurteils in diesem Mitgliedstaat besteht oder die Scheidung für andere Situationen, wie die Schließung einer neuen Ehe oder die Begründung von Unterhaltsansprüchen, Bedeutung erlangt, muss sich keine staatliche Stelle dieses Mitgliedstaates mit dem Scheidungsurteil aus dem europäischen Ausland befassen. Ob das Urteil des Ursprungsmitgliedstaates in diesem Mitgliedstaat anerkannt wird, spielt dann keine Rolle. Das Urteil weist keinerlei Bezug zum anderen Mitgliedstaat auf. Anders verhält es sich im gleichen Fall, wenn die Frage der Wirksamkeit des Scheidungsurteils vor einem Gericht oder einer Behörde des ersuchten Mitgliedstaates relevant wird. In diesem Fall erlangt die Frage, ob das Urteil anerkannt wird, konkrete Bedeutung. Wie die Anerkennung demnach genau erfolgt, insbesondere zu welchem Zeitpunkt die Wirkungen der Entscheidung auch im ersuchten Mitgliedstaat eintreten, wird unterschiedlich bewertet. Teilweise wird angenommen, die Anerkennung erfolge erst dann, wenn die ausländische Entscheidung im Inland Berücksichtigung findet. Die automatische Anerkennung würde allein das Erfordernis eines formellen Anerkennungsverfahrens entbehrlich machen. Eine (inzidente) formlose Anerkennung in dem Moment, in dem staatliche Stellen des ersuchten Staates mit der Frage der Wirkung der ausländischen Entscheidung konfrontiert werden, sei weiterhin vorausgesetzt.264 In eine ähnliche Richtung geht auch die Ansicht von Schütze, der sich klar für das Erfordernis hinzutretender Umstände für die automatische Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausspricht. Für ihn kann eine ausländische Entscheidung im Inland erst dann anerkannt sein, wenn sie Bezugspunkt für eine weitergehende Wirkung im Inland ist. Anerkennung bedeute nach herrschender Auffassung die Wirkungserstreckung der ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat. Eine Wirkung bestehe aber nicht aus sich selbst heraus. Sie könne lediglich Ursache und Voraussetzung für eine neue Wirkung sein. Wirkung könne danach also nur eintreten, wenn diese für einen weitergehenden Sachverhalt kon-

262

Vgl. Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 132, der hierin den wesentlichen Unterschied zum materiell-rechtlichen Kollisionsrecht sieht. 263 Auf die Anerkennung des Scheidungsurteils findet nicht die ­EuGVVO, sondern die EuEheVO Anwendung. Hinsichtlich der grundlegenden Konzeption der Anerkennung unterscheiden sich die europäischen Rechtsakte aber nicht, sodass dieses Beispiel hier allgemeingültig für alle europäischen Rechtsakte angeführt werden kann, vgl. Art. 21 Abs. 1 EuEheVO. Hierzu auch nochmals 2. Kapitel A. IV. 2. c). 264 Magnus / Mankowski / Wautelet, Brussels Ibis Regulation, Art. 36 Rn. 13 ff.; Walder, ZZP 1990, S. 322, 336.

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kret relevant wird.265 Schütze führt hier auch ein Beispiel an: Die Rechtskraft eines Urteils – unabhängig davon, ob es inländisch oder ausländisch ist – entfalte keine Wirkung, wenn sie unter keinem möglichen Gesichtspunkt in der Zukunft, etwa in einem Folgeprozess, relevant werden kann. Dann könne aber eine Wirkungserstreckung und damit die Anerkennung der ausländischen Entscheidung nicht erfolgen, solange keinerlei Bezug zur inländischen Rechtsordnung besteht. Er stellt – anders als die oben genannte Ansicht – nicht auf den Zeitpunkt der Befassung einer inländischen staatlichen Stelle mit der ausländischen Entscheidung, sondern auf den Zeitpunkt ab, in dem die ausländische Entscheidung irgendeinen konkreten Bezug zur inländischen Rechtsordnung aufweist; es genüge z. B., wenn der unterlegene Beklagte Vermögen im Ausland erwirbt.266 Dem ist zwar im Ansatz, nicht aber in der Schlussfolgerung zuzustimmen. Wirkung bedeutet die Veränderung einer Situation aufgrund verursachender Kräfte.267 Richtigerweise geht Schütze davon aus, dass eine Entscheidung dann also keine Wirkung entfalten und anerkannt werden kann, wenn jegliche Einwirkung auf weitergehende Sachverhalte ausgeschlossen ist. Nur wenn die Einflussnahme auf weitergehende Umstände unter jeglichen Gesichtspunkten ausgeschlossen ist, kann einer Entscheidung jegliche Wirkung abgesprochen werden. Hierfür bedarf es aber – und insoweit ist Schütze jedenfalls für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen zu widersprechen – keiner konkret und aktuell vorliegenden Möglichkeit der Einflussnahme. Besteht nur die abstrakte Möglichkeit der Einwirkung auf weitere Sachverhalte, so kann von einer fehlenden Wirkung nicht gesprochen werden. Die abstrakte Möglichkeit der Einwirkung einer ausländischen Entscheidung auf Tatsachen im Inland ist mit dem Anerkennungsbefehl der ­EuGVVO oder der anderen europäischen Rechtsakte zur Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen hergestellt. Ob im konkreten Fall ein Bezug zur inländischen Rechtsordnung vorliegt, kann keinen Unterschied machen. Entscheidend ist, dass der konkrete Bezug zum Inland, z. B. durch Umzug des unterlegenen Beklagten, theoretisch jederzeit hergestellt werden kann. Auf die praktische Relevanz der Anerkennung kommt es gerade nicht an.268 Andernfalls wäre der Zeitpunkt, in dem die Wirkungen der Entscheidung im ersuchten Staat eintreten und diese daher anerkannt wird, auch denkbar schwer zu ermitteln. Sowohl bei der Anerkennung im Zeitpunkt eines konkreten Bezugs zur inländischen Rechtsordnung als auch im Zeitpunkt der (inzidenten) Anerkennung durch eine staatliche Stelle des ersuchten Staats hinge der Zeitpunkt der Anerkennung von einem nicht genau bestimmbaren

265

S. zum Ganzen Schütze, IZPR, § 328 ZPO Rn. 95 ff.; ders., NJW 1966, 1598 f.; ders., Anerkennung und Vollstreckung, S. 7 f. Seine Ausführungen beziehen sich dabei auf das autonome deutsche Recht, können aber für die dogmatische Aufarbeitung des Anerkennungsprinzips im europäischen Zivilprozessrecht gleichsam herangezogen werden. 266 Schütze, IZPR, § 328 ZPO Rn. 95 ff.; ders., NJW 1966, 1598 f. 267 S. Duden, S. 2031. 268 Linke / Hau, Rn. 12.46.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

und beliebig manipulierbaren Ereignis ab.269 Dies würde außerdem dazu führen, dass eine mitgliedstaatliche Entscheidung in den anderen Mitgliedstaaten jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten (und gegebenenfalls auch gar nicht) anerkannt wird. Das kann nicht gewollt sein.270 Die Anerkennung tritt damit in dem Zeitpunkt ein, in dem die ausländische Entscheidung durch den Anerkennungsbefehl theoretisch auch Wirkung im Inland entfalten könnte; dies ist der Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat.271 Weder ein konkreter Bezug zur inländischen Rechtsordnung noch die (inzidente) Befassung einer staatlichen Stelle mit der Anerkennung sind hierfür notwendig.272 Dass dies auch nach dem deutschen Rechtsverständnis richtig ist, zeigt ein Blick auf § 107 FamFG. Trotz erforderlichen Delibationsverfahrens hat der BGH entschieden, dass die Anerkennung der Rechtskraft der ausländischen Entscheidung auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung im Ursprungsstaat zurückwirkt.273 Dann muss dies für die automatische Anerkennung ohne formales Anerkennungsverfahren aber erst recht gelten. Die Wirkung muss im ersuchten Staat damit zum gleichen Zeitpunkt eintreten wie im Ursprungsstaat. Eine Ausnahme für den Zeitpunkt der Anerkennung ist anzunehmen, wenn ein Anerkennungshindernis zunächst vorliegt und erst später beseitigt wird. Dann erfolgt die Anerkennung in dem Zeitpunkt, in dem alle Anerkennungsvoraussetzungen erstmals vorliegen.274 Auf die Frage, wann die Versagungsgründe vorliegen müssen und was passiert, wenn sie nachträglich eingreifen oder wegfallen, wird im 3. Kapitel A. eingegangen. cc) Automatische Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht Für die Anerkennung nach der E ­ uGVVO – genauso wie nach den anderen entsprechenden europäischen Rechtsakten – steht damit Folgendes fest: Grundsätzlich erfolgt keine Anerkennungsprüfung im ersuchten Mitgliedstaat. Diese tritt ­ uGVVO vielmehr kraft Anerkennungsbefehl automatisch gemäß Art. 36 Abs. 1 E ein, wenn der Anwendungsbereich eröffnet ist. Ist eine Voraussetzung nicht erfüllt, 269

Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 299. Vgl. Schack, IZVR, § 17 Rn. 972; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 298 f.; so auch Zöller / Geimer, Anh I, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 4. 271 So auch McGuire, S.  165; Geimer / Schütze / Geimer, EZVR Art. 33 EuGVO Rn. 16; Linke  / ​ Hau, Rn. 12.46; Martiny, HdB. IZVR III/2, Kap. II Rn. 65; Magnus / Mankowski / Wautelet, Brussels Ibis Regulation, Art. 36 Rn. 17; Schack, IZVR, § 17 Rn. 972; Simons / Hausmann / Teixeira de Sousa / Hausmann, vor Art. 33–37 Rn. 10. 272 Vgl. Geimer / Schütze / Geimer, EZVR, Art. 33 VO (EG) Nr. 44/2001 Rn. 16; so auch Eberlein, S. 43. 273 BGH, Urteil v. 28.06.1961, Az. IV ZR 297/60, MDR 1961, S. 919; Haecker, S. 41. 274 S. hierzu unten 3. Kapitel A. III. 270

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so ist die mitgliedstaatliche Entscheidung nicht anerkannt. Hiervon ist die Frage strikt zu trennen, wie Behörden und Gerichte mit der automatischen Anerkennung in einem Verfahren, in dem diese praktisch relevant wird, umgehen – insbeson­ uGVVO prüfen darf dere, wer Anwendungsbereich und Versagungsgründe der E und auf wessen Initiative dies erfolgt. Dies wird im 3. Kapitel D. thematisiert. Die Tatsache, dass die Anwendbarkeit der ­EuGVVO oder der anderen entsprechenden europäischen Rechtsakte und das Vorliegen von Versagungsgründen geprüft oder nicht geprüft und damit bejaht oder verneint wird, ändert nichts daran, dass die tatsächliche Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung schon vorher  – nämlich mit Erlass der Entscheidung im Ursprungsstaat – feststeht. An dieser Stelle soll auch die Begrifflichkeit nochmals klargestellt werden: Es gibt keinen Unterschied zwischen der Anerkennungsfähigkeit und der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung, denn jede anerkennungsfähige Entscheidung ist automatisch auch anerkannt und an keine weiteren Voraussetzungen gebunden. Der oftmals zu lesende Begriff der Anerkennungsfähigkeit ist insoweit irreführend, als er suggeriert, eine Entscheidung könne zwar grundsätzlich der Anerkennung fähig in der konkreten Situation aber gerade nicht anerkannt sein. Das ist nach dem oben Gesagten gerade nicht möglich.

f) Wirksamkeit und Umsetzung ausländischer Entscheidungen Anerkennung bedeutet die Erstreckung aller prozessualer Wirkungen einer ausländischen Entscheidung in den ersuchten Mitgliedstaat, auch wenn diese dort unbekannt sind. Das gilt insbesondere auch für die Rechtskraftwirkung. Da die sich hieraus ergebende Bindungswirkung von Entscheidungen in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet ist, kann es hier zu stark unterschiedlichen Reichweiten der Bindungswirkung kommen. Es gibt daher immer wieder Bestrebungen, dies zu vereinheitlichen  – zuletzt wurde durch den EuGH ein europaweiter Rechtskraftbegriff für die Frage der Bindung an Prozessurteile etabliert. Der Einführung eines allgemeinen europäischen Rechtskraftkonzepts steht aber derzeit noch entgegen, dass die dogmatische Grundlage hierfür ungewiss ist und die Einführung eines europäischen Rechtskraftkonzepts über die bloße Titelfreizügigkeit, wie sie im Rahmen der Integration derzeit gewollt ist, hinausgeht. Solange die nationalen Prozessrechte derart unterschiedlich ausgestaltet sind, läuft man Gefahr, dass die weitergehende Wirkung, die eine Entscheidung gegebenenfalls in einem anderen Mitgliedstaat haben kann, zum „forum shopping“ (genauer: Zur künstlichen Begründung grenzüberschreitender Sachverhalte) führt. Automatische Anerkennung bedeutet die Anerkennung im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat. Ein tatsächlicher Bezug zum ersuchten Mitgliedstaat muss für die Anerkennung nicht vorliegen. Insoweit ist

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

die terminologische Bezeichnung als ersuchter Mitgliedstaat wiederum missverständlich. Die Entscheidung ist in allen anderen Mitgliedstaaten (vorbehaltlich des Vorliegens von Versagungsgründen) zu diesem Zeitpunkt wirksam. Hiervon zu unterscheiden ist der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung aus dem europäischen Ausland im ersuchten Mitgliedstaat tatsächlich relevant wird – eine staatliche Stelle eine der prozessualen Wirkungen der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland also beachten muss – beispielsweise, weil die im Ausland erwirkte Ehescheidung für Unterhaltsfragen im ersuchten Mitgliedstaat bedeutsam wird.275 Zu diesem Zeitpunkt erlangt die ausländische Entscheidung nicht nur potentielle, sondern tatsächliche Bedeutung im Inland. Sie wird im ersuchten Mitgliedstaat durch staatliche Stellen dann gleichsam umgesetzt.

V. Zusammenfassung Obwohl das Prinzip der Anerkennung integraler Bestandteil des internationalen Zivilprozessrechts ist, geben die einschlägigen normativen Regelungen über­raschend wenig Auskunft über Inhalt, Umfang und Funktionsweise des Anerkennungsprinzips. Entsprechend unterschiedlich sind die in Literatur und Rechtsprechung hierzu entwickelten Ansätze. Bei dem Versuch, zu ermitteln, was Anerkennung im internationalen Zivilprozessrecht genau bedeutet, stößt man auf unterschiedliche Konzeptionen. Nach dem oben Gesagten bedeutet automatische Anerkennung, dass die ausländische Entscheidung im Inland unmittelbar nach Erlass im Erststaat Wirkung entfaltet, ohne dass es eines weiteren Akts der Bezugnahme in der inländischen Rechtsordnung bedarf (s. oben unter IV. 3. e)). Nach der im europäischen Zivilprozessrecht anzuwendenden Wirkungserstreckungslehre werden mit der Anerkennung die prozessualen Wirkungen der ausländischen Entscheidung, die dieser im Ursprungsmitgliedstaat zukommen, auf die anderen Mitgliedstaat erstreckt (s. oben unter IV. 3. b) aa)). Besondere Bedeutung hat dabei die Vollstreckbarkeit, also die Fähigkeit einer Entscheidung, als Grundlage für die hoheitliche Vollstreckung zu dienen. Warum ihr eine besondere Rolle zukommt und welche Auswirkungen die Konzeption der Vollstreckbarkeit auf das Prinzip der Anerkennung hat, soll im Folgenden erörtert werden.

275

S. zu diesem Beispiel oben 2. Kapitel A. IV. 3. e) bb).

B. Das Prinzip der Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung 

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B. Das Prinzip der Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung Im Ausgangspunkt ist die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung lediglich eine unter vielen Rechtswirkungen, die diese im In- oder Ausland haben kann.276 Im internationalen Zivilprozessrecht kommt der Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung dennoch seit jeher eine Sonderstellung zu. Zumeist tritt die Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung – anders als ihre Anerkennung  – nicht ohne weiteres automatisch ein. Die ausländische Entscheidung muss im jeweiligen Staat gesondert für vollstreckbar erklärt werden. Diese gesonderte Behandlung und die damit in der Regel277 einhergehende weitergehende Kontrolle der ausländischen Entscheidung vor ihrer Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat ist mit der herausragenden Bedeutung der Vollstreckbarkeit einer Entscheidung und deren weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen für den Betroffenen begründbar. Im Verhältnis zur bloßen Anerkennung der Entscheidung wirft die gesonderte Behandlung der Vollstreckbarkeit aber systematische Fragen auf. Um das Anerkennungsregime des europäischen Zivilprozessrechts verstehen zu können, ist es daher unerlässlich, die Systematik der Vollstreckbarkeit und ihr Verhältnis zur Anerkennung näher zu beleuchten. Ausgangspunkt ist die Frage, inwieweit sich Vollstreckbarkeit und Anerkennung unterscheiden und ob bzw. warum eine getrennte rechtliche Behandlung der beiden Institute notwendig oder jedenfalls förderlich ist. Die sich hieran anschließende Frage, in welchem Verhältnis die  – nach wie vor nach den gesetzlichen Regelungen unterschiedene  – Anerkennungsversagung zur Vollstreckungsversagung steht, wird im 3. Kapitel D. III. 2.  gesondert behandelt.

I. Die Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen Es soll zunächst ein Blick geworfen werden auf Konzept und Funktion der Vollstreckbarkeit im europäischen Zivilprozessrecht. 1. Begriff: Vollstreckung, Vollstreckungsfähigkeit, Vollstreckbarkeit In der Literatur werden die Begriffe Vollstreckung, Vollstreckungsfähigkeit und Vollstreckbarkeit nicht immer einheitlich verwendet. Für die weitere Bearbeitung sollen die Begriffe zunächst definiert und voneinander abgegrenzt werden. 276

S. zu den einzelnen Entscheidungswirkungen oben 2. Kapitel A. IV. 3. c). Für die EuGVO 2001 galt das nicht mehr, da die Versagungsgründe allenfalls im Rechtsbehelfsverfahren geltend gemacht werden konnten, vgl. Art. 45 EuGVO. 277

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

Vollstreckung oder auch Zwangsvollstreckung meint die Durchführung des Verfahrens, das nicht auf Erlangung eines Titels gerichtet ist, sondern der zwangsweisen Durchsetzung des Titels durch staatliche Maßnahmen dient.278 Vollstreckungsfähigkeit und Vollstreckbarkeit treffen demgegenüber Aussagen darüber, ob eine Entscheidung der Vollstreckung zugänglich ist. Vollstreckungsfähigkeit bedeutet, dass die in Rede stehende Entscheidung grundsätzlich einen Inhalt hat, der im Wege staatlichen Zwangs vollstreckt werden kann. Die Entscheidung weist einen vollstreckungsfähigen Inhalt aus, wie z. B. ein Urteil, das den Beklagten zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme verpflichtet.279 In Abgrenzung dazu gibt die Vollstreckbarkeit Auskunft darüber, ob die in Frage stehende Entscheidung im konkreten Fall tatsächlich vollstreckbar ist.280 Im deutschen Zivilprozessrecht wird dabei zwischen der Vollstreckbarkeit im engeren und im weiteren Sinne unterschieden. Im engeren Sinne bedeutet sie, dass gegen den Schuldner Maßnahmen mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden können. Im weiteren Sinn stellt sie darauf ab, dass die Umsetzung der Entscheidung das Tätigwerden staatlicher Stellen (wie z. B. des Grundbuchamts) oder des Gläubigers erfordert. Nur die Vollstreckbarkeit im engeren Sinne dient als Grundlage der Zwangsvollstreckung, denn nur dort ergeht staatlicher Zwang gegen den Schuldner.281 Wenn es nachfolgend um Fragen und Besonderheiten der Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen geht, ist daher nur die Vollstreckbarkeit im engeren Sinne gemeint. Die Vollstreckbarkeit setzt unter anderem die Bestimmtheit, die konkrete Durchsetzbarkeit durch staatlichen Zwang, ggf. eine Anpassung an das Vollstreckungssystem und ggf. weitere besondere Vollstreckungsvoraussetzungen (wie die Leistung einer Sicherheit) voraus.282 Eine ähnliche Abgrenzung nimmt auch Freitag speziell für das europäische Zivilprozessrecht vor. Seine Abgrenzung zielt gegenüber der allgemeinen Begriffsbestimmung aber mehr noch auf die Unterscheidung zwischen Anerkennung und Vollstreckung und dem Erfordernis zusätzlicher Zwischenmaßnahmen ab. Er versteht unter der Vollstreckungsfähigkeit „die Eignung einer ausländischen Entscheidung, als Grundlage der Inlandsvollstreckung zu dienen.“ Er macht diese von der vorherigen Anerkennung der Entscheidung abhängig. Die Vollstreckbarkeit meine dagegen die tatsächliche Vollstreckbarkeit einer Entscheidung im Inland, für die es ggf. zuvor weitere Maßnahmen, wie die Erteilung eines Exequaturs, bedürfe.283 Hieran werden sich die nachfolgenden Ausführungen orientieren.

278

Heiderhoff / Skamel, Rn.  2; Stein / Jonas / Münzberg, vor 704 Rn. 1. Vgl. Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap. IV Rn. 20 f. 280 Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap. IV Rn. 37. 281 So Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap. IV Rn. 21; Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 1141. 282 Zum Ganzen Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap. IV Rn. 22 f. 283 S. zum Ganzen Freitag, FS Kropholler, S. 759, 762 f. 279

B. Das Prinzip der Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung 

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Von diesen Begriffen schließlich abzugrenzen ist die Vollstreckbarerklärung. Sie ist das Zwischenverfahren, wie es in den meisten Prozessordnungen für die Vollstreckung aus ausländischen Entscheidungen vorgesehen ist. Die Vollstreckbarerklärung – auch Exequatur genannt284 – „übersetzt“ den ausländischen Titel für die Vollstreckung im Inland. 2. Vollstreckung im internationalen Zivilprozessrecht Das internationale Zivilprozessrecht hat sich – lange bevor das Thema der Anerkennung thematisiert wurde – vordergründig mit der Frage der Vollstreckung aus ausländischen Titeln beschäftigt.285 Unumstößlicher – und soweit ersichtlich auch nie ernsthaft in Frage gestellter – Grundsatz war dabei, dass eine ausländische Entscheidung nicht aus sich selbst heraus im Inland vollstreckt werden kann. Es bedurfte immer einer inländischen richterlichen Entscheidung, die den ausländischen Titel zur Zulassung zur inländischen Zwangsvollstreckung legitimierte.286 Hintergrund war die stark ausgeprägte nationalstaatliche Ausrichtung des Prozessrechts. Die uneingeschränkte Hoheit über die durch staatlichen Zwang im Inland durchgesetzten Entscheidungen sollte beim Vollstreckungsstaat bleiben.287 Hieraus erklärt sich auch der nach wie vor geltende Grundsatz, dass ein Exequatur des Exequaturs, also die Erweiterung der Vollstreckbarerklärung auf andere Staaten, nicht möglich ist. Jeder Nationalstaat muss selbst bestimmen können, welche Entscheidungen in seinem Hoheitsgebiet unter welchen Voraussetzungen vollstreckbar sind.288 Das Erfordernis dieses Zwischenverfahrens besteht in der weit überwiegenden Anzahl von Regelungen, die sich mit der Vollstreckung im internationalen Zivilprozessrecht beschäftigen, noch immer. Anders verhält es sich nun im europäischen Zivilprozessrecht: 3. Vollstreckung nach der ­EuGVVO Die Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen nach den Regelungen der ­EuGVVO hat durch die jüngste Reform eine entscheidende Änderung erfahren. Während die Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen im internationalen

284

Latein zu Deutsch: „Es möge vollstreckt werden“, vgl. Junker, S. 278, Vgl. dazu Matscher, ZZP 1990, S. 294, 296 f.; Adolphsen, Die Anerkennung im IZPR, S. 1, 5. 286 Vgl. Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 320; v. Bar, Theorie und Praxis, Bd. 2, Rn. 436 ff. 287 Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 39 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 9 f.; Linke / Hau, Rn. 2.2. 288 Vgl. Schack, IZVR, § 18 Rn. 1029 f.; Kegel, FS Müller-Freienfels, S. 377, 391 f. 285

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

Zivilprozessrecht und bisher auch nach den europarechtlichen Regelungen stets eine inländische Vollstreckbarerklärung voraussetzte, fällt diese nun mehr weg. a) Früher: Exequaturverfahren Bis zur Geltung der neuen E ­ uGVVO seit 10.01.2015 musste zur Vollstreckung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat auch im Hauptanwendungsbereich des europäischen Zivilprozessrechts ein Vollstreckbarerklärungsverfahren durchlaufen werden. Während sich das europäische Zivilprozessrecht schon früh für die automatische und ohne förmliches Verfahren erfolgende Anerkennung ausländischer Entscheidungen entschieden hatte, entsprach es der gängigen Praxis des internationalen Zivilprozessrechts, mitgliedstaatliche Entscheidungen nur aufgrund einer innerstaatlichen zusätzlichen Anordnung zur Vollstreckung zuzulassen.289 Vollstreckungsgrundlage war dabei dann nicht die ausländische Entscheidung selbst, sondern das im Inland erteilte Exequatur. Es lag also keine Wirkungserstreckung, sondern eine originäre Wirkungsverleihung vor, die die mitgliedstaatliche Entscheidung hinsichtlich der Vollstreckbarkeit inländischen Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat gleichstellte.290 Dieses Zwischenverfahren hatte unterschiedliche Funktionen. Neben der Implementierung und Perpetuierung der mitgliedstaatlichen Entscheidung als Vollstreckungstitel in den ersuchten Mitgliedstaat sowie der Information des Schuldners diente es vor allem als Kontrollmechanismus zur Überprüfung der mitgliedstaatlichen Entscheidung auf Vereinbarkeit mit der nationalen Rechtsordnung.291 Mit der EuGVO 2001 wurde es dem Klauselerteilungsverfahren, wie wir es auch bei der Vollstreckung von inländischen Titeln im deutschen Zivilprozessrecht kennen, angepasst und die Prüfung etwaiger Versagungsgründe aufgrund der wenig praktischen Relevanz ins Rechtsbehelfsverfahren verlagert.292 Die EuGVO 2001 sah nur noch eine Übergangsfrist vor, innerhalb derer der Schuldner die Möglichkeit hatte, gegen die Vollstreckbarkeit im ersuchten Mitgliedstaat vorzugehen. Eine Prüfung des Vorliegens von Versagungsgründen erfolgte grundsätzlich nicht mehr.293 Im weit überwiegenden Teil der Fälle wurde die Vollstreckbarerklärung 289

S. hierzu eingehend Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 39 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 7 ff. 290 Kohler, Systemwechsel, S. 147, 148; Schack, IZVR, § 17 Rn. 883; Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 260; Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap. IV Rn. 9; Geimer, Anerkennung, S. 163, der nochmal klarstellt, dass es sich beim Exequatururteil nicht um ein Feststellungs- sondern um ein prozessuales Gestaltungsurteil handelt. 291 S. zum Ganzen Thöne, Abschaffung des Exequaturverfahrens, S. 50 ff.; Pohl, IPRax 2013, S. 109, 113. 292 So Hess, EZPR, § 3 Rn. 16; Wagner, IPRax 2002, S. 75, 83. 293 Schramm, YPIL Vol. 15, S. 143, 146, 159.

B. Das Prinzip der Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung 

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damit zur bloßen Formsache. Lediglich in etwa fünf Prozent der Fälle wurden Versagungsgründe tatsächlich geltend gemacht.294 In Deutschland wurde dieses Vollstreckbarerklärungsverfahren innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen durchgeführt, konnte in anderen Mitgliedstaaten aber durchaus länger dauern.295 Damit war gerade die praktisch relevante Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit an ein zwar nicht unbedingt schwerfälliges, aber dennoch die Schnelligkeit und Effektivität des Rechtsschutzes gegenüber einem automatischen Eintritt der Vollstreckbarkeit einschränkendes Verfahren gebunden. b) Automatische Vollstreckbarkeit Dies hat sich mit der jüngsten Reform im Anwendungsbereich der E ­ uGVVO geändert, mit der das Exequaturverfahren abgeschafft wurde. Die politischen Grundlagen hierfür wurden bereits 1999 auf der Sondertagung des Europäischen Rates in Tampere gelegt. Damals wurde das Ziel der Abschaffung von Zwischenmaßnahmen und der Kontrolle durch Versagungsgründe formuliert.296 Das Vollstreckungsverfahren bezüglich der Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen sollte vereinfacht, effektiver und schneller gemacht werden. Dem ist man mit der Reform der ­EuGVVO 2012 nachgekommen. Die förmliche – und eine inhaltliche Kontrolle nicht beinhaltende – Vollstreckbarerklärung wurde durch die direkte Vollstreckbarkeit der ausländischen Ent­ uGVVO explizit genannt wird, ersetzt.297 Wie bei scheidung, wie sie in Art. 39 E den übrigen Entscheidungswirkungen auch, tritt die Vollstreckbarkeit nunmehr automatisch ein. Der Gläubiger kann nun ohne weiteres im ersuchten Mitgliedstaat zur Vollstreckung schreiten und muss die Vollstreckbarkeit nicht mehr extra beantragen. Die Vollstreckbarkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung wird damit nicht notwendigerweise mehr vorab verbindlich geklärt.298 Außerdem ist die Vollstreckung aus der mitgliedstaatlichen Entscheidung anders als inländische Titel in der Bundesrepublik sogar ohne Vollstreckungsklausel möglich, § 1112 ZPO.

294 Schramm, YPIL Vol. 15, S. 143, 144; Impact Assessment Accompanying document to the Proposal for  a Regulation of the European Parliament and of the Council on jurisdiction and the recognition and enforcement of judgments in civil and commercial matters, SEC/2010/1547/​­F INAL, S.  12; Leible / Terhechte / Oberhammer / Koller / Slonina, ERVR, § 15 Rn.  226; Hess / Pfeiffer / Schlosser / Hess, Brussels I Regulation, S. 14; Hess, EZPR, § 3 Rn. 17; Pohl, IPRax 2013, S. 109, 112. 295 Alio, NJW 2014, S. 2395, 2396; vgl. auch Hess, EZPR, § 3 Rn. 17. 296 Vgl. dazu bereits oben 2. Kapitel A. IV. 1.  297 Rauscher / Mankowski, vor Art. 39 Brüssel Ia-VO Rn. 14. 298 Gegen eine vollständige Aufgabe der förmlichen Vollstreckbarerklärung noch Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 288 f.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

aa) Beibehaltung der Versagungsgründe Eine Abschaffung der Überprüfung der ausländischen Entscheidung durch die Möglichkeit der Geltendmachung von Versagungsgründen konnte aber (noch) nicht durchgesetzt werden. So wurde lediglich das Exequaturverfahren zum Titelimport abgeschafft, die Überprüfungsmöglichkeit durch Einführung (und Erweiterung) originärer europäischer Rechtsbefehle gegen die Vollstreckung (und die Anerkennung) aber beibehalten.299 Mit dieser Kompromisslösung wurde zwar das formelle System der Vollstreckung im Rahmen der ­EuGVVO grundlegend reformiert. Eine materielle Änderung hat damit aber nicht stattgefunden. Die Prüfung der Versagungsgründe im Rahmen der Vollstreckung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung ist nach wie vor durch Rechtsbehelf möglich, vgl. Art.  46 ­EuGVVO,300 lediglich der Verfahrensablauf hat sich geändert. Während die Geltendmachung der Versagungsgründe vor der Reform gleichsam als Überprüfung in zweiter Instanz nach Erteilung der Vollstreckbarerklärung nötig war, erfolgt sie nun mehr auf Antrag des Schuldners im direkten Rechtsbehelf gegen die Vollstreckung (bzw. die Anerkennung) im Rahmen des nationalen Vollstreckungsverfahrens.301 Zu einer wirklichen Umkehrung der Rollen führt das praktisch letztlich nicht.302 bb) Wirkungserstreckung Auf den ersten Blick lediglich eine formale Veränderung des Verfahrens bringt die Abschaffung des Exequaturverfahrens eine grundlegende Veränderung der dogmatischen Konzeption der Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen mit sich. Mit der Abschaffung des Zwischenverfahrens, das den ausländischen Titel in den ersuchten Mitgliedstaat überführt und diesen inländischen Titeln gleichgestellt hat, hat sich der europäische Gesetzgeber auch für die Vollstreckbarkeit – wie schon für die Anerkennung im Allgemeinen – für die Lehre der Wirkungserstreckung entschieden.303 Art. 39 ­EuGVVO verleiht dabei nicht selbst Voll 299

Leible / Terhechte / Oberhammer / Koller / Slonina, ERVR, § 15 Rn. 25; Oberhammer, IPRax 2010, S. 197 ff. 300 Zum aktuellen Rechtsbehelfssystem s. unten 3. Kapitel D. 301 Vgl. Hess, FS Gottwald, S. 273, 278, der aber missverständlich davon spricht, dass die Prüfung der Versagungsgründe nunmehr in die nationalen Vollstreckungsrechte übertragen wurde. Das bedeutet nicht, dass der Schuldner Versagungsgründe etwa nur noch (inzident) im Rahmen von allgemeinen Rechtsbehelfen, die auch gegen inländische Titel erhoben werden können, geltend machen kann. 302 Für eine „Umkehrung der Rollen, was die Initiative anbetrifft“: Geimer, FS Torggler, S. 311, 331. 303 Linke / Hau, Rn. 14.1; Geimer, IZPR, Rn. 2756c; ders., FS  Torggler, S. 311, 313; Geimer / Schütze / Hilbig-Lugani, Int. Rechtsverkehr, Art. 17 VO (EG) 4/2009 Rn. 22; Adolphsen, EZVR, S. 172; Wiedemann, S. 119 ff.

B. Das Prinzip der Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung 

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streckbarkeit.304 Vielmehr wird auch die Vollstreckbarkeit, die der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat zukommt, auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union erstreckt. Vollstreckungsgrundlage ist nicht mehr der Geltungsbefehl des Exequaturs im Vollstreckungsstaat, sondern die Entscheidung des Ursprungsmitgliedstaates selbst.305 Wie für alle anderen Entscheidungswirkungen, die auf den ersuchten Mitgliedstaat erstreckt werden, bedeutet dies, dass die Vollstreckbarkeit auch jeweils (nur) soweit geht wie im Ursprungsstaat. Fällt die Vollstreckbarkeit dort nachträglich weg, so verliert die Entscheidung diese auch im ersuchten Mitgliedstaat automatisch.306 Wie bei der Wirkungserstreckungslehre, wie sie für die Anerkennung im Allgemeinen greift, findet auf die Art und Weise der Vollstreckung das Recht des ersuchten Mitgliedstaates (lex fori) Anwendung.307 Für die Vollstreckung ist das in Art. 41 Abs. 1 ­EuGVVO unmittelbar in der Verordnung festgeschrieben. Insoweit kann hinsichtlich des Vollstreckungsverfahrens selbst untechnisch also doch von einer gewissen Gleichstellung gesprochen werden.308 Gemäß Art. 41 Abs. 1 S. 2 ­EuGVVO wird die Entscheidung unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie eine im Inland ergangene Entscheidung. In der deutschen Zivilprozessordnung hat dies in § 794 Abs. 1 Nr. 9 Ausdruck gefunden. Dort sind nach der E ­ uGVVO zu vollstreckende mitgliedstaatliche Entscheidungen im Kanon der möglichen Vollstreckungstitel aufgeführt. cc) Die Bescheinigung nach Art. 53 ­EuGVVO Besondere Bedeutung gewinnt mit Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens die auszustellende Bescheinigung nach Art. 53 ­EuGVVO, die gemäß Art. 42 Abs. 1 lit.  b ­EuGVVO zur Vollstreckung vorgelegt werden muss.309 Sie soll die Beachtung der ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat vereinfachen, in dem die wesentlichen Eckpunkte der Entscheidung in einem nach der ­EuGVVO vereinheitlichten Formblatt angegeben werden. Gleichzeitig 304

Geimer, IZPR, Rn. 3174 f.; missverständlich Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 39 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 1, die von der Einführung einer „unmittelbar gemeinschaftsweiten Vollstreckbarkeit“ sprechen. 305 Rauscher / Mankowski, Art. 39 Brüssel Ia-VO Rn. 2; Haubold, FS Schütze, S. 163, 178, so auch explizit OLG Köln, Urteil v. 21.11.2012, Az. 16 U 126/11, BeckRS 2013, 05770 Nr. II.1.2. 306 Vgl. Geimer, IZPR, Rn. 3101; Linke / Hau, Rn. 14.27 mit Verweis auf § 1116 ZPO. 307 Zur Frage einer unionsautonomen Vollstreckbarkeit, vgl. Wiedemann, S. 125 ff., die eine solche im Ergebnis ablehnt. 308 Vgl. dazu auch Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 41 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 5; Schlosser / Hess / Hess, EuZPR, Art. 39 ­EuGVVO Rn. 1. 309 Dabei handelt es sich entgegen der Bezeichnung von Dörner aber nicht um eine „Vollstreckbarkeitsbescheinigung“, vgl. Saenger / Dörner, Art. 53 ­EuGVVO Rn. 1. Die Bescheinigung nach Art. 53 ­EuGVVO dient vielmehr als Nachweis sowohl für die Vollstreckbarkeit, vgl. Art. 42 Abs. 1 lit. b ­EuGVVO als auch der Anerkennung, Art. 37 Abs. 1 lit. b ­EuGVVO.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

übernimmt sie wichtige Funktionen des nun mehr abgeschafften Exequaturs. Im Rahmen der Implementierung ist es möglich, Konkretisierungen vorzunehmen (vgl. Art. 54 E ­ uGVVO für Anpassung und Übersetzung). Außerdem dient sie der Information des Schuldners über die mitgliedstaatliche Entscheidung. Einzig die Kontrollfunktion, die das Exequatur innehatte, kann sie nicht mehr übernehmen. Zwar muss schon das Gericht des Ursprungsmitgliedstaates vor Ausstellung der Bescheinigung die Anwendbarkeit der ­EuGVVO überprüfen. Ansonsten sind die Beteiligten aber auf die Rechtsbehelfsmöglichkeiten zur Geltendmachung der Versagungsgründe verwiesen.310 dd) Kritik an der Abschaffung des Exequaturverfahrens Die Abschaffung des Exequaturverfahrens ist auf einige Kritik gestoßen, die jedoch letztlich nicht durchgreifen kann. Soweit behauptet wird, dass eine Konkretisierung des Titels ohne Exequatur nicht mehr möglich sei, wird dies schon durch die Konkretisierungsmöglichkeiten, die die ­EuGVVO in Art. 54 explizit nennt, widerlegt.311 Außerdem bestehen Bedenken hinsichtlich der Verlagerung der Prüfung der Versagungsgründe. Diese würde zu uneinheitlichen Verfahren führen. Während die Überprüfung mit dem Zwischenverfahren immer zentral (in Deutschland durch die Landgerichte) stattgefunden habe, sei die Versagung nun sowohl durch Gerichte als auch durch Vollstreckungsorgane möglich.312 Nichtrichterliche Vollstreckungsorgane würden dadurch übermäßig belastet und könnten die durchaus schwierigen Fragen der ausländischen Rechtsordnungen nicht hinreichend bearbeiten.313 Überzeugen können diese Bedenken nicht. Auch vor Abschaffung des Zwischenverfahrens mussten Gerichte und andere staatliche Stellen jedenfalls im Rahmen der Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen deren Wirksamkeit und das Vorliegen von Versagungsgründen auch inzident überprüfen (vgl. Art. 33 Abs. 3 EuGVO aF). Die Prüfung der Vollstreckbarkeit zieht hier keinen weitergehenden Prüfungsumfang nach sich. Schließlich wird angeführt, die Abschaffung des Exequaturs würde deswegen nicht zu einer Effektuierung der Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen führen, weil durch die Notwendigkeit der Zustellung der Bescheinigung 310

Vgl. Pohl, IPRax 2013, S. 109, 113; Schramm, YPIL Vol. 15, S. 143, 147 ff. S. Leible / Terhechte / Oberhammer / Koller / Slonina, ERVR, § 15 Rn. 222; so aber Geimer, FS Torggler, S. 311, 333 f.; s. auch Wagner, IPRax 2002, S. 75, 81 zur „Scharnier-Funktion“ des Vollstreckbarerklärungsverfahrens.  312 Vgl. Schramm, La révision du Règlement 44/2001, S. 59, 81 ff.; Hess, FS Gottwald, S. 273, 279 ff. 313 Gottwald, ZZP  1990, S. 257, 291; Wagner / Beckmann, RIW 2011, S. 44, 46 ff.; zustimmend Weller, GPR 2012, S. 34, 36, der die Bereithaltung von spezialisierten Stellen für internationale Fragen für notwendig hält. 311

B. Das Prinzip der Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung 

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vor der ersten Vollstreckungsmaßnahme gemäß Art. 43 ­EuGVVO jeglicher Überraschungseffekt zur wirksamen Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen verloren ginge.314 Dass der Schuldner in einer „angemessenen Frist vor der ersten Vollstreckungsmaßnahme“315 über die Vollstreckbarkeit unterrichtet werden muss, ist in der Tat neu und war weder nach der alten EuGVO noch nach nationalem deutschem Prozessrecht notwendig.316 Damit wird dem Schuldner genügend Zeit eingeräumt, ein Vorgehen gegen die mitgliedstaatliche Entscheidung gemäß der Art. 36 ff. ­EuGVVO in Erwägung zu ziehen.317 Der Überraschungseffekt, der dem Gläubiger die Vollstreckung gegebenenfalls praktisch erleichtert hat, weil der Schuldner keine Zeit hatte, tatsächliche oder rechtliche Maßnahmen gegen die bevorstehende Vollstreckung zu ergreifen, mag im Einzelfall nun zwar verloren sein. Dies ist aus rechtstaatlichen Gesichtspunkten aber zwingend. Sollte der Schuldner von bevorstehenden Vollstreckungsmaßnahmen überrascht werden, weil er am Erkenntnisverfahren nicht hinreichend beteiligt war, so gebietet es der Schutz des rechtlichen Gehörs, ihn über die bevorstehende Vollstreckungsmöglichkeit rechtzeitig zu informieren.318 Zur Effektuierung der Vollstreckung ist der Gläubiger auf Sicherungsmaßnahmen nach Art. 43 Abs. 3 ­EuGVVO verwiesen. 4. Vollstreckung nach anderen europäischen Rechtsakten Grundsätzlich können hinsichtlich der Vollstreckung im europäischen Zivilprozessrecht zwei unterschiedliche Kategorien an Rechtsakten unterschieden werden. Zur ersten Generation319 gehören diejenigen Rechtsakte, die (nach wie vor) die Vollstreckung aus ausländischen Entscheidungen nach dem System der alten EuGVO regeln. Das LugÜ,320 das den sachlichen Regelungen nach der alten 314 Schlosser / Hess / Hess, EuZPR, Art. 43 ­EuGVVO Rn. 3; ders., FS Gottwald, S. 273, 280; Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 43 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 9. 315 Erwägungsgrund Nr. 32 der ­EuGVVO lautet: „Um den Schuldner über die Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung zu unterrichten, sollte die gemäß dieser Verordnung ausgestellte Bescheinigung – erforderlichenfalls zusammen mit der Entscheidung – dem Schuldner innerhalb einer angemessenen Frist vor der ersten Vollstreckungsmaßnahme zugestellt werden. In diesem Zusammenhang sollte als erste Vollstreckungsmaßnahme die erste Vollstreckungsmaßnahme nach einer solchen Zustellung gelten.“ 316 Musielak / Voit / Stadler, Art. 43 ­EuGVVO nF Rn. 2; Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 43 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 6. 317 Geimer / Schütze /  E .  Peiffer / M.  Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 43 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 7. 318 So auch Musielak / Voit / Stadler, Art. 43 ­EuGVVO nF Rn. 2. 319 Begriffsprägung s. Frattini, ZEuP 2006, S. 225 ff.; s. auch Hess, FS Gottwald, S. 273, 274. 320 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

EuGVO entsprach, wurde bisher (noch) nicht angepasst.321 Gemäß Art. 38 ff. bedarf es hier zur Vollstreckung aus einer ausländischen Entscheidung nach wie vor der Vollstreckbarerklärung.322 Auch Art. 28 ff. EuEheVO, Art. 26 EuUnterhaltsVO für Entscheidungen aus Mitgliedstaaten, die nicht durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden sind, Art. 47 EuGüVO und EuPartVO und Art. 43 EuErbVO sehen weiterhin ein Zwischenverfahren vor. Gleiches gilt im Übrigen für das autonome deutsche Recht. Auch § 722 ZPO hält weiterhin an dem Erfordernis einer Vollstreckbarerklärung fest. Hinsichtlich der Systematik der Vollstreckbarkeit kann hier auf die Ausführungen zur alten EuGVO verwiesen werden.323 Lediglich für Entscheidungen über das elterliche Umgangsrecht sieht die EuEheVO von einem Zwischenverfahren ab. Diese Entscheidungen sind nach Art. 41 f. automatisch vollstreckbar. Im Zuge der Reform des europäischen Zivilprozessrechts zur Abschaffung der Zwischenmaßnahmen hat der europäische Gesetzgeber in einer zweiten Generation Rechtsakte auf dem Gebiet von Anerkennung und Vollstreckung im Zivilprozessrecht Rechtsakte erlassen, die nun mehr auf das Zwischenverfahren verzichten. Entscheidungen im Anwendungsbereich der EuVTVO, der EuMahnVO, der EuGFVO und EuUnterhaltsVO hinsichtlich Entscheidungen aus Mitgliedstaaten, die durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden sind, sind automatisch vollstreckbar. Zu dieser Kategorie lässt sich nach dem oben Gesagten auch die revidierte ­EuGVVO zählen, die ein Exequaturverfahren ebenfalls nicht mehr vor­ uGVVO weisen die genannten Verordnungen hinsichtlich sieht. Gegenüber der E der Konzeption der Vollstreckbarkeit aber einige Besonderheiten auf, auf die im 4. Kapitel einzugehen sein wird.

II. Das Verhältnis von Anerkennung und Vollstreckung Anerkennung und Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung sind seit jeher und nach allen bekannten Regelungssystemen des internationalen Zivilprozessrechts miteinander verkoppelt. Ihre Voraussetzungen und insbesondere auch die Voraussetzungen ihrer Versagung laufen weitestgehend parallel. Dennoch wurden Anerkennung und Vollstreckung – wie oben bereits erörtert – stets und nach wie vor separat geregelt. Geimer führt das im Jahr 1984 darauf zurück, dass Anerkennung und Vollstreckung „ihrem Wesen nach voneinander verschieden sind.“324 Dass es sich um zwei durchaus unterschiedliche Konzepte handelt, liegt auf der Hand und ist aus dem oben Dargestellten ersichtlich. In welchem Verhältnis diese 321

Die zuvor gewährleistete Parallelität ist hier teilweise wieder entfallen; vgl. MünchKommZPO / Gottwald, LugÜ vor Präambel Rn. 2. 322 Geimer, FS Torggler, S. 311, 314. 323 S. oben 2.  Kapitel B. I. 3. a). 324 Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1624.

B. Das Prinzip der Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung 

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beiden Konzepte zueinanderstehen, ist damit aber nicht zufriedenstellend beantwortet. Gerade auch mit Blick auf die Versagung werden häufig Anerkennungsund Vollstreckungsversagung unhinterfragt gleichgesetzt oder vermischt. Das Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung wird dabei oftmals überhaupt nicht thematisiert oder aber pauschal darauf hingewiesen, dass die Anerkennung grundsätzlich eine Voraussetzung der Vollstreckung sei, ohne den genauen Zusammenhang näher darzustellen.325 Insbesondere die seit der Reform der ­EuGVVO und dem Erlass moderner europäischer Rechtsakte für Anerkennung und Vollstreckung neu eingeführten rechtlichen Konzeptionen der Vollstreckbarkeit aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen haben – wie sich zeigen wird – einige Bewegung in die Einordnung des Verhältnisses zwischen den beiden Konzepten gebracht. Nicht zuletzt aufgrund dieser Neuerungen hat die Konzeption der Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen nicht unerheblichen Einfluss auf die Beurteilung des Anerkennungskonzepts. 1. Akzessorietät: Die Anerkennung als Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit? Die Anerkennung einer Entscheidung bedeutet nicht automatisch auch deren Vollstreckbarkeit. Das galt bei dem Erfordernis eines Exequaturs für die Vollstreckung schon deshalb, weil hier über die Anerkennung hinaus ein weiteres Verfahren durchlaufen werden musste. Hiervon abgesehen ist aber auch ohne Zwischenverfahren nicht jede anerkannte Entscheidung gleichsam vollstreckungsfähig. So sind viele Entscheidungsarten denkbar, die keinen vollstreckbaren Inhalt, aber andere anerkennungsfähige Wirkungen (wie die prominente Rechtskraft) aufweisen, z. B. Feststellungsurteile.326 Überwiegend wird davon ausgegangen, dass die Vollstreckung aus einem ausländischen Titel ohne dessen Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat nicht möglich ist – freilich ohne, dass das Verhältnis genauer beleuchtet wird. Ist die in Frage stehende Entscheidung nicht anerkannt, so fehlt eine Voraussetzung für die Vollstreckung bzw. die Erteilung der Vollstreckbarerklärung.327 In diesem Sinne hatte sich bereits im Jahr 1959 die damalige Bundesregierung in ihrer Denkschrift zum deutsch-österreichischen Vertrag über die Anerkennung und Vollstreckung aus 325

Vgl. Schütze, Anerkennung und Vollstreckung, S. 11; McGuire, S. 163; Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap.  IV Rn.  17 ff.; Schlosser / Hess / Hess, EuZPR, Art. 41 E ­ uGVVO Rn. 5; Haubold, FS Schütze, S. 163, 167. 326 Denkschrift zum deutsch-österreichischen Vertrag, BT Drucks. III / Nr. 1419, S. 7. 327 Schütze, Anerkennung und Vollstreckung, S. 11; McGuire, S. 163; Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap.  IV Rn.  17 ff.; Schlosser / Hess / Hess, EuZPR, Art. 41 ­EuGVVO Rn. 5; so auch Haubold, FS Schütze, S. 163, 167. Anders Koch, FS Schumann, S. 267, 270 f., der – freilich noch unter Inbezugnahme des Exequaturverfahrens – die Anerkennung als Vorstufe zur Vollstreckung nicht als notwendig erachtet.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

gesprochen, die in ihrem Gesetzesentwurf die Anerkennung systematisch vor der Vollstreckung behandelte, um deren Bedeutung als Voraussetzung für die Vollstreckung aber auch über diese hinaus Rechnung zu tragen.328 Diese systematische Stellung der Anerkennung vor der Vollstreckung lässt sich bis heute in den einschlägigen europäischen Rechtsakten finden. Ähnlich lässt sich auch § 723 Abs. 2 S. 2 ZPO lesen, wonach im autonomen deutschen Recht die Vollstreckung aus einem Titel bei Versagung dessen Anerkennung nicht möglich ist.329 Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass dies nicht etwa bedeutet, dass hinsichtlich einer vollstreckbaren Entscheidung nur die Feststellung der Vollstreckung, nicht aber der bloßen Anerkennung möglich ist. Anerkennung und Vollstreckungsfähigkeit stehen nebeneinander. Eine ausländische Entscheidung kann – selbstverständlich – sowohl anerkannt als auch vollstreckt werden, je nachdem welche Urteilswirkung im ersuchten Mitgliedstaat im Raum steht.330 Unter diesem Blickwinkel sind Anerkennung und Vollstreckung zwingend miteinander verbunden und quasi akzessorisch. Liegt keine Anerkennung vor, so kann eine Entscheidung auch nicht vollstreckt werden. 2. Vollstreckbarkeit ohne Anerkennung mangels Rechtskraftfähigkeit? Selbstverständlich ist diese Prämisse – keine Vollstreckung ohne Anerkennung – nicht. So findet man einige Stimmen, die diese notwendige Koppelung jedenfalls dort verneinen, wo nach ihrem eigenen Verständnis mangels Anerkennungs­ fähigkeit keine Anerkennung möglich ist. Es wird argumentiert, dass es Entscheidungen gebe, die keinerlei anerkennungsfähige Wirkungen haben, aber dennoch vollstreckbar seien.331 Genannt werden dabei insbesondere Vorbehaltsurteile und Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz, lediglich vorläufig vollstreckbare Urteile sowie Prozessvergleiche und notarielle Urkunden. Da diese nicht der Rechtskraft fähig sind (bzw. auch keine anderen anerkennungsfähigen Wirkungen haben), sei eine Anerkennung nicht möglich.332 328

Denkschrift zum deutsch-österreichischen Vertrag, BT Drucks. III / Nr. 1419 S. 7. § 723 Abs. 2 S. 1 ZPO macht den Erlass der Vollstreckbarerklärung allerdings nicht nur von der Anerkennung, sondern gleichsam von der Rechtskraft des in Frage stehenden Urteils abhängig. 330 S. von Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 33 EuGVO Rn. 5; s. auch die Überlegungen von Schlosser, FS Kerameus, S. 1183, 1189. Zu den Rechtsbehelfsmöglichkeiten nach der ­EuGVVO s. unten 3. Kapitel D. 331 Siehe nur Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1624; vgl. auch Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap. IV Rn. 13. 332 Vgl. Geimer, FS Torggler, S. 311, 327; Freitag, FS Kropholler, S. 759, 763; Schack, IZVR, § 18 Rn. 1026 (für das deutsche autonome Recht); Habscheid, FS Lange, S. 429; Matscher, FS Schima, S. 265, 271, 277; ders., JBl. 1954, S. 54, 57, wonach ein nicht anerkanntes Urteil aber dennoch materiell-rechtliche Titelwirkung haben kann unter Voraussetzungen, die unseren heutigen Anerkennungsvoraussetzungen entsprechen. 329

B. Das Prinzip der Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung 

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Dieser Ansatz scheint auch durch die Systematik der revidierten ­EuGVVO unterstützt zu werden. Wie oben bereits festgestellt, findet der Anerkennungsbefehl des Art. 36 auf Urkunden und Vergleiche keine Anwendung.333 Dennoch erklären die Art. 58 f. auch diese nach der ­EuGVVO für vollstreckbar. Eine ausdrückliche Anerkennung dieser Titel erfolgt somit nicht. Soweit Entscheidungen vorliegen, die rechtskraftfähig sind, stehen aber auch nach diesen Stimmen die Anerkennung (also die Rechtskraft) und die Vollstreckungsfähigkeit parallel bzw. akzessorisch zueinander.334 In welchem Verhältnis dies zu den nicht anerkennungsfähigen Entscheidungen steht und was das für die dogmatische Konzeption von Anerkennung und Vollstreckung genau bedeutet, wird dabei nicht dargelegt. 3. Zusammenfassung Die Überlegungen zur Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen zeigen die Grenzen der bisher getroffenen Erwägungen zum Konzept der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht auf. Auch wenn die Anerkennung ausländischer Entscheidungen im europäischen und internationalen Zivilprozessrecht der vergangenen Jahre durchaus thematisiert wurde, scheinen Gesetzgeber, Rechtsprechung und Literatur das Konzept der Anerkennung im Verhältnis zu den einzelnen Entscheidungswirkungen bisher nicht umfassend zu beantworten, wie der Blick auf die Vollstreckbarkeit zeigt. Der Systemwechsel hinsichtlich der Vollstreckung aus ausländischen Entscheidungen, der mit der revidierten ­EuGVVO für einen großen Bereich des europäischen Zivilprozessrechts stattgefunden hat, und die damit einhergehenden Neuerungen im Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung heben dies deutlich hervor. In Bezug auf die Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit war eine Abgrenzung bisher deshalb nicht erforderlich, weil die Vollstreckbarkeit ohnehin an weitere Voraussetzungen gebunden und aus dem allgemeinen Anwendungsbereich der Anerkennungsregelungen ausgenommen war.335 Das ist nun für die Rechtsakte der zweiten Generation336 nicht mehr der Fall. Damit stellt sich aber grundsätzlich die Frage, wie sich das Prinzip der Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckbarkeit aber auch zu allen anderen in Betracht kommenden Entscheidungswirkungen, wie sie oben unter A. IV. 3. c) aufgeführt sind, verhält. 333

2. Kapitel A. IV. 2. b) aa). Freitag, FS Kropholler, S. 759, 763; Schack, IZVR, § 18 Rn. 1026. 335 S. Mankowski, FS Kropholler, S. 829, 836. 336 S. zur kategorischen Einordnung 2. Kapitel B. I. 4. Für die Rechtsakte der ersten Generation stellen sich die nachfolgenden Probleme nicht; bei ihnen ist die Vollstreckbarkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung nicht der Wirkungserstreckung unterworfen. 334

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

C. Anerkennung als abstraktes Prinzip der rechtlichen Beachtlichkeit Trotz seiner Bedeutung für die Effektivität des europäischen Zivilprozessrechts zur Umsetzung einer weitestgehenden Urteilsfreizügigkeit besteht nach wie vor Unsicherheit über die Funktionsweise des Prinzips der Anerkennung. Das gilt für die Frage seines Umfangs und seiner Reichweite, insbesondere aber auch hinsichtlich des Verhältnisses der Anerkennung zu den Entscheidungswirkungen, wie z. B. der Vollstreckbarkeit. Gerade die Abschaffung des Exequaturverfahrens und die Anwendung des Prinzips der Wirkungserstreckung auch auf die Vollstreckbarkeit machen die Notwendigkeit einer weiteren Konkretisierung des Begriffs der Anerkennung deutlich.

I. Anerkennung und ihr Verhältnis zu den einzelnen Entscheidungswirkungen Aufschlussreich ist dabei zunächst ein erneuter Blick auf die einzelnen Entschei­ dungswirkungen und ihrer Bedeutung für die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung. 1. Anerkennung ohne Rechtskraftfähigkeit? Die Literatur scheint teilweise davon auszugehen, dass die Anerkennung in jedem Fall die Rechtskraft(fähigkeit) der ausländischen Entscheidung voraussetzt (s. dazu oben B. II. 2.). Dem ist nicht zuzustimmen. Der Gedanke, eine nicht rechtskräftige oder rechtskraftfähige Entscheidung könne nicht anerkannt werden, da sie keine Wirkungen entfalten kann, ist auf den ersten Blick nachvollziehbar. Allgemein ist man geneigt, die Geltung einer ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat mit deren Rechtskraft gleichzusetzen, weil diese durch die Bindungswirkung in einem neuen Verfahren am ehesten deutlich macht, dass die ausländische Entscheidung im Inland Wirkung beansprucht. Das ist aber zu kurz gedacht. Auch wenn – die Vollstreckbarkeit zunächst ausgenommen – eine Entscheidung, die ihrer Natur nach nicht in Rechtskraft erwachsen kann (wie z. B. ein Prozessvergleich nach deutschem Recht), nach deutschem Zivilprozessrecht keine andere der oben genannten Entscheidungswirkungen entfalten kann, bedeutet das keineswegs, dass dies auch für Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten gelten muss. Welche Wirkungen den einzelnen Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat zukommen, richtet sich – wie oben gesehen – nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates. Die Zivilprozessordnungen anderer Mitgliedstaaten regeln die

C. Anerkennung als abstraktes Prinzip der rechtlichen Beachtlichkeit  

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anerkennungsfähigen Entscheidungswirkungen hinsichtlich ihrer Art und ihres Umfangs aber durchaus unterschiedlich, wie sich an dem oben gezeigten Beispiel der unterschiedlichen Reichweite der Rechtskraft deutlich zeigt. Auch mitgliedstaatliche Entscheidungen, die zwar nicht rechtskräftig sind, wohl aber andere Wirkungen, wie z. B. Gestaltungswirkung aufweisen, sind daher denkbar.337 Ob eine Entscheidung Wirkungen entfalten kann und welche dies sind, kann erst mit Blick auf das Prozessrecht des Ursprungsmitgliedstaates beantwortet werden.338 Die Anerkennung setzt also nicht die Rechtskraftfähigkeit voraus und ist mit dieser auch nicht gleichzusetzen. Sie ist sowohl bei noch nicht rechtskräftigen als auch bei nicht rechtskraftfähigen Entscheidungen möglich.339 Das ergibt sich im Übrigen auch aus der E ­ uGVVO selbst. Gemäß Art. 38 und Art. 51 Abs. 1 E ­ uGVVO können mit der Anerkennung oder Vollstreckung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung befasste Gerichte oder Behörden das Verfahren aussetzen, wenn gegen die mitgliedstaatliche Entscheidung Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat eingelegt worden sind (bzw. eingelegt werden können).340 Dann handelt es sich aber ja gerade um noch nicht rechtskräftige Entscheidungen, die vor ausländischen Gerichten oder Behörden dennoch Beachtung finden sollen. 2. Anerkennung einer Entscheidungswirkung genügt Die Anerkennung einer Entscheidung ist also nicht gleichzusetzen mit ihrer Rechtskraftfähigkeit. Anerkennung meint, dass mindestens eine Entscheidungswirkung erstreckt werden kann.341 Welche das ist, spielt aber keine Rolle. Dann muss es für die Anerkennung einer Entscheidung aber auch genügen, dass allein die Vollstreckbarkeit auf den ersuchten Mitgliedstaat erstreckt werden kann. Das war bisher nicht der Fall. Nach Abschaffung des Exequaturverfahrens stellt die Vollstreckbarkeit aber nur noch eine von vielen möglichen Entscheidungswirkungen dar. Eine Unterscheidung zwischen Vollstreckung und Anerkennung (der anderen Entscheidungswirkungen) ist danach weder geboten noch dogmatisch überzeugend. 337 So explizit Geimer, IZPR, Rn. 2863, der es für möglich hält, dass einem Prozessvergleich nach dem Recht des Ursprungsstaates Gestaltungswirkungen zukommen können. Auch nach deutschem Recht können Entscheidungen, die nicht rechtskräftig sind, Gestaltungswirkung entfalten, z. B. vorläufige Sorgerechtsentscheidungen, vgl. dazu Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 266. Voraussetzung ist natürlich, dass diese Wirkungen nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates schon vor Eintritt einer etwaigen Rechtskraft eintreten. S. auch Koch, FS Schumann, S. 267, 278 zur Rechtskraft von Prozessvergleichen. 338 Ähnlich wohl Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 2. 339 So auch Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 264 ff. 340 Vgl. Simons / Hausmann / Schwartze, Art. 32 Rn. 14. 341 So auch Geimer in FS Torggler, S. 311, 327, der aber hieraus schließt, dass vollstreckbare Entscheidungen ohne Rechtskraftfähigkeit nicht der Anerkennung unterliegen.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

Anerkennung bedeutet danach nicht nur die Anerkennung materieller Rechtskraft, sondern allgemein die Geltung der mitgliedstaatlichen Entscheidung auch über das Hoheitsgebiet des Ursprungsmitgliedstaates hinaus. Welche Wirkungen dann tatsächlich im ersuchten Staat Geltung beanspruchen und demgemäß auf diesen aus dem Ursprungsmitgliedstaat übertragen werden, steht auf einem anderen Blatt. Dies kann die Vollstreckbarkeit sein, wenn der in Frage stehenden Entscheidung im Ursprungsstaat denn ein solche zukommt, und dies kann auch die Rechtskraftwirkung sein, wenn der entsprechenden Entscheidung im Ursprungsstaat eine solche zukommt. Beides ist aber nicht zwingend und hängt von den Wirkungen der Entscheidungen im konkreten Fall ab. Die Vollstreckbarkeit weiterhin gegenüber den anderen Entscheidungswirkungen anders zu behandeln, würde der dogmatischen Konzeption der Anerkennung der Wirkungen einer Entscheidung widersprechen.

II. Anerkennung der Vollstreckbarkeit Nach Abschaffung des Exequaturverfahrens hat sich nach dem oben Gesagten das Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung im Anwendungsbereich der ­EuGVVO grundlegend verändert. 1. Gleichlauf von Anerkennung und Vollstreckbarkeit Nachdem nun auch auf die Vollstreckbarkeit das Prinzip der Wirkungserstreckung angewendet wird, laufen Anerkennung und Vollstreckbarkeit parallel. Ge­ uGVVO ist eine mitgliedstaatliche Entscheidung im Inland ohne mäß Art. 39 E weiteres vollstreckbar. Von der grundsätzlichen rechtlichen Konzeption aus liegt nun also eine klare Kopplung zwischen Anerkennung und Vollstreckung vor. Genau genommen handelt es sich dabei also nicht (mehr) um eine Akzessorie­ tät342, denn in diesem Sinne ist die Vollstreckbarkeit nicht von der vorherigen Anerkennung abhängig. Vielmehr stellt die Vollstreckbarkeit eine unmittelbare Wirkung der Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung dar. Gegenüber den anderen Entscheidungswirkungen ist sie nicht – wie das noch mit dem Vollstreckbarerklärungsverfahren der Fall war – nachgelagert oder an zusätzliche Voraussetzungen gebunden. Das Prinzip der Wirkungserstreckung auf die Vollstreckbarkeit auszuweiten, ist eine – neben der praktischen Relevanz der Abschaffung des Exequaturverfah­ rens wenig beachtete, aber nicht weniger bedeutsame – Neuerung der revidierten EuGVVO, die zu erheblichen Auswirkungen auf das System der Anerken­ ­ nung nach dem europäischen Zivilprozessrecht führt. Wie bei den anderen Ent 342

S. dazu oben 2. Kapitel B. II. 1. 

C. Anerkennung als abstraktes Prinzip der rechtlichen Beachtlichkeit  

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scheidungswirkungen auch, ergeben sich Inhalt und Umfang der Vollstreckbarkeit im ersuchten Mitgliedstaat nun aus dem nationalen Zivilprozessrecht des Ursprungsmitgliedstaates. 2. Sonderbehandlung der Anerkennung der Vollstreckbarkeit? Dann stellt sich aber die Frage, wie (und ob) sich die Vollstreckbarkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung von der Anerkennung der anderen Entscheidungswirkungen dogmatisch überhaupt noch unterscheidet. Früher war dies eindeutig, denn durch das Erfordernis des Zwischenverfahrens lag der Vollstreckbarkeit einer mitgliedstaatlichen Entscheidung ein grundlegend anderes System als den anderen Entscheidungswirkungen zugrunde.343 Das ist heute aber nicht mehr der Fall. Die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung stellt neben den anderen Entscheidungswirkungen nur noch eine weitere – besondere – Wirkung dar. Gegenüber den anderen Entscheidungswirkungen sind für die Erstreckung der Vollstreckbarkeit keine weiteren Voraussetzungen mehr nötig. Ein Unterschied existiert nicht mehr.344 Damit besteht aber kein Grund mehr, die Vollstreckbarkeit gegenüber den anderen Entscheidungswirkungen unterschiedlich zu behandeln. Für eine Gleichbehandlung hatte sich Matscher bereits im Jahr 1990 ausgesprochen, der – damals noch bezüglich der Frage, ob für die Anerkennung einer Theorie der Wirkungserstreckung oder Wirkungsgleichstellung zu folgen ist  – kritisierte, das einheitliche Phänomen „Wirkung einer Entscheidung“ dürfe nicht aufgesplittet werden.345 Dass nun alle Entscheidungswirkungen einem identischen System der unmittelbaren Wirkungserstreckung folgen, muss auch im System der ­EuGVVO Rechnung getragen werden. Art. 36 Abs. 1 ­EuGVVO nimmt keine Beschränkungen auf bestimmte Entscheidungswirkungen vor. Es ist daher kein Grund ersichtlich, diesen Anerkennungsbefehl nicht auch auf die Vollstreckbarkeit auszuweiten. Danach werden alle der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat innewohnenden Wirkungen auf den ersuchten Mitgliedstaat erstreckt. Dass dies für die Vollstreckbarkeit nicht gelten soll, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Sie weist gegenüber den anderen Entscheidungswirkungen keine Besonderheiten mehr auf. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 39 ­EuGVVO. Dieser stellt klar, dass die Vollstreckbarerklärung für die Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Titeln ab 343 Vgl. nur Mankowski, FS Kropholler, S. 829, 836: „Die Anerkennung betrifft andere Wirkungen als die Vollstreckungswirkung und die Vollstreckbarkeit. Sie betrifft Rechtskraft-, Präklusions-, Streitverkündungs-, Interventions-, Gestaltungs- und Tatbestandswirkung, während die Vollstreckungswirkung aus der Anerkennung ausgegrenzt und bisher dem gesonderten Institut der Vollstreckbarerklärung überantwortet ist.“ 344 So auch Becker, S. 51 f. 345 Matscher, ZZP 1990, S. 294, 309.

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

geschafft ist. Einen über den Anwendungsbereich des Art. 36 Abs. 1 E ­ uGVVO hinausgehenden Anwendungsbefehl beinhaltet er nicht.346 Dass die Abschaffung des Exequaturverfahrens in einem eigenständigen Artikel in die revidierte E ­ uGVVO aufgenommen wurde, ist aufgrund des doch grundlegenden Systemwechsels für die Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen nachvollziehbar, hat aber lediglich klarstellende Funktion. Eine Trennung von Vollstreckungs- und anderen Anerkennungswirkungen ist im System der ­EuGVVO nicht mehr nötig. Wie auch die anderen Entscheidungswirkungen wird die Vollstreckbarkeit nun mehr gemäß Art. 36 ­EuGVVO anerkannt.347 Das hätte der europäische Gesetzgeber klarer machen müssen. Die Regelung des Art. 39 ­EuGVVO ist dabei eher irreführend als klarstellend, da sie nicht hinreichend deutlich macht, dass die Vollstreckbarkeit nun mit den anderen Wirkungen gleichläuft. Mit dem Fokus auf die Effektuierung des Vollstreckungssystems hat der europäische Gesetzgeber so weit aber offenbar nicht gedacht. Das zeigt sich dann auch bei der Ausgestaltung der Versagungsmöglichkeiten und der entsprechenden Rechtsbehelfe. Auch hier erfolgt eine überflüssige Zweiteilung der Behandlung der Vollstreckbarkeit auf der einen und allen anderen Entscheidungswirkungen auf der anderen Seite. 3. Zum Zeitpunkt der Erstreckung der Vollstreckbarkeitswirkung Für die dogmatische Konzeption der Vollstreckbarkeit kann – nach der Abschaffung des Exequaturverfahrens – im Übrigen grundsätzlich nichts anderes gelten, als für die Anerkennung als solche:348 Die Wirkung der Vollstreckbarkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung tritt automatisch in dem Zeitpunkt ein, in dem die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ergeht. Die mitgliedstaatliche Entscheidung soll behandelt werden, als sei sie im Inland ergangen. ­ uGVVO dabei sogar noch weiter: Hinsichtlich der Vollstreckbarkeit geht die E Soweit die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat selbst vollstreckbar ist, ist sie nach der ­EuGVVO im ersuchten Mitgliedstaat ohne weiteres vollstreckbar, d. h. insbesondere ohne, dass es einer zusätzlichen Klauselerteilung bedarf (s. oben 346

So aber Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 37; Geimer, FS Torggler, S. 311, 327. Letztlich macht das wohl keinen Unterschied, da Art. 39 ­EuGVVO auch nach dieser Ansicht jedenfalls den Anerkennungsbefehl des Art. 36 Abs. 1 ­EuGVVO in identischer Weise auf die Vollstreckbarkeit ausweitet. 347 So auch Kindl / Meller-Hannich / Wolf / Mäsch, Art. 39 Brüssel Ia-VO Rn. 1; Rauscher / ​ Leible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 13. So liest sich auch schon Matscher, ZZP 1990, S. 294, 306 f., wonach es sich bei der Vollstreckung nur um einen Aspekt der Anerkennung handelt. Dieser Terminologie bedient sich trotz anderer dogmatischer Herleitung dann doch auch Geimer, FS Torggler, S. 311, 324. 348 Vgl. statt vieler nur Kindl / Meller-Hannich / Wolf / Mäsch, Art. 39 Brüssel Ia-VO Rn. 1. S. zur dogmatischen Konzeption der Anerkennung oben 2. Kapitel A. IV. 3. e).

C. Anerkennung als abstraktes Prinzip der rechtlichen Beachtlichkeit  

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2. Kapitel B. I. 3. b)). Das gilt insbesondere auch dann, wenn die Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat lediglich vorläufig vollstreckbar ist, weil die Entscheidung eben gerade noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Die Wirkung der Vollstreckbarkeit kann bereits eingreifen, wenn die Rechtskraft noch nicht besteht – oder beispielsweise im Falle öffentlicher Urkunden niemals bestehen wird (s. 2. Kapitel B. II. 2). Falsch wäre es, hier wiederum diese Divergenz zwischen der Anerkennung der Rechtskraft einer ausländischen Entscheidung und ihrer Vollstreckbarkeit als Beleg dafür heranzuziehen, dass Anerkennung und Vollstreckung nicht vollständig parallel zueinander laufen. Gerade das Beispiel der vorläufigen Vollstreckbarkeit noch nicht rechtskräftiger Titel zeigt, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat eben alle diejenigen Wirkungen auf die anderen Mitgliedstaaten erstreckt werden, die im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bereits vorliegen, wie dies z. B. bei der Vollstreckbarkeit der Fall ist. Gerade weil die Rechtskraft einer Entscheidung nicht unbedingt sofort mit Erlass der Entscheidung eintritt, muss aber gelten: Die anderen Wirkungen einer Entscheidung – also auch die Vollstreckbarkeit – können nicht von der Rechtskraftfähigkeit abhängig gemacht werden.

III. Anerkennung von Prozessvergleichen und notariellen Urkunden Unter den oben genannten Gesichtspunkten muss auch die Frage der Behandlung von Prozessvergleichen und notariellen Urkunden im Anerkennungsrecht der Europäischen Union nochmals aufgegriffen werden. Überwiegend wird ihnen Anerkennungsfähigkeit abgesprochen, da ihnen keinerlei prozessuale Wirkungen zukämen, die anerkannt werden könnten.349 Das ist nach dem oben Gesagten aber auch für Prozessvergleiche und notarielle Urkunden nicht richtig. Jedenfalls die anerkennungsfähige Vollstreckbarkeit kann auch Prozessvergleichen und Urkunden zukommen. Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass nach dem Prozessrecht anderer mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen diese Titel auch andere prozessuale Wirkungen aufweisen.350 Das verdeutlicht beispielsweise ein Blick auf nach schweizerischem Recht ergangene Prozessvergleiche. Diese sind nach überwiegender Auffassung der materiellen Rechtskraft fähig, obwohl es sich nicht um gerichtliche Entscheidungen handelt.351 349

S. bereits die Nachweise oben in 2. Kap., Fn. 332. S. oben 2.  Kapitel C. I. 1.  Atteslander-Dürrenmatt, S. 134, spricht explizit eine mögliche Gestaltungswirkung von Prozessvergleichen an. 351 Sog. Berner Modell; s. dazu Platz, S. 160 m. w. N. und eingehend Atteslander-Dürrenmatt, S. 40 ff. m. w. N. Dementgegen stellen gerichtliche Vergleiche in Großbritannien regelmäßig gerichtliche Entscheidungen dar, vgl. Koch, FS Schumann, S. 267, 275 f. 350

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

Man könnte erwägen, diese Vergleiche aufgrund ihrer Rechtskraftfähigkeit als gerichtliche Entscheidungen im Sinne der europäischen Verordnungen anzusehen, um sie so dem Anwendungsbereich der zumeist auf gerichtliche Entscheidungen begrenzten anerkennungsrechtlichen Regelungen zu unterstellen. Dem steht aber entscheidend entgegen, dass dem äußeren Erscheinungsbild nach nicht erkennbar ist, ob einem Vergleich Rechtskraft zukommt oder nicht. Prozessvergleiche im Rahmen des europäischen Zivilprozessrechts als andersartige Entscheidungen zu qualifizieren, kann daher keine Lösung für das Problem des fehlenden Anerkennungsbefehls sein.352 Die europäischen Rechtsakte zur Anerkennung und Vollstreckung finden auf die Schweiz freilich nicht unmittelbar Anwendung. Zum einen ist die Schweiz aber als Vertragspartei des LugÜ über den Umweg dieser völkerrechtlichen Vereinbarung doch auch in den Anwendungsbereich des europäischen Zivilprozessrechts eingebunden. Zum anderen zeigt dieses Beispiel doch deutlich, dass es eben gerade nicht ausgeschlossen ist, dass nationale Prozessordnungen der aktuellen oder zukünftigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in denen die europäischen Rechtsakte unmittelbar Anwendung finden, nichtrichterlichen Entscheidungen wie Prozessvergleichen und notariellen Urkunden weitergehende Wirkungen, wie z. B. die materielle Rechtskraft, zubilligen. So sprechen dann auch einige Stimmen scheinbar selbstverständlich von der Anerkennung von Urkunden und Vergleichen.353 Dass auch der europäische Gesetzgeber für diese Titel die Möglichkeit der Anerkennung sieht, zeigt ein Blick auf die Regelungen des Art. 48 Abs. 1 EuUnterhaltsVO und Art. 46 EuEheVO354, die ausdrücklich auch von der Anerkennung von Prozessvergleichen und Urkunden sprechen. Bezüglich des rechtlichen Gehalts dieser Vorschriften besteht zwar Uneinigkeit. Teilweise wird argumentiert, die genannte Anerkennung sei auf die Übernahme formeller Beweiskraftwirkungen beschränkt und den Regelungen ein Verweis auf die Anerkennung im prozessualen Sinne abgesprochen.355 In jedem Fall zeigt es aber doch, dass der europäische Gesetzgeber das Prinzip der Anerkennung keineswegs allein an rein prozessuale Wirkungen, die im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens begründet werden, koppelt.356 Spätestens seit Gleichstellung der Vollstreckbarkeit mit den anderen anerkennungsfähigen Entscheidungswirkungen ist die Konzeption der ­EuGVVO auch hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung von Prozessvergleichen und Urkun 352

Atteslander-Dürrenmatt, S. 91 f. Hess, FS Gottwald, S. 273, 278; Kropholler, IPR, S. 665; außerdem bereits Riezler, S. 530 f. zum deutschen autonomen Recht. 354 Vgl. dazu Geimer / Schütze / Paraschas, Int. Rechtsverkehr, Art. 46 VO (EG) 2201/2003 Rn. 10; kritisch Rauscher / Rauscher, Art. 46 Brüssel IIa-VO Rn. 2. Geimer will eine Anerkennung mangels anerkennungsfähiger Wirkungen dennoch verneinen, IZPR, Rn. 2865. 355 So Mansel / T horn / Wagner, IPRax 2011, S. 1, 4 f.; Geimer, IZPR, Rn. 2865a ff. Gegen Anerkennung auch Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 543 ff. 356 Ähnlich auch Linke / Hau, Rn. 12.38. 353

C. Anerkennung als abstraktes Prinzip der rechtlichen Beachtlichkeit  

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den überholt. Der Anerkennungsbefehl des Art. 36 Abs. 1 gilt ausdrücklich nicht für Urkunden und Vergleiche. Nach der oben vertretenen Ansicht ergibt sich aber die Anerkennung auch der Vollstreckbarkeit grundsätzlich aus Art. 36.357 Art. 39 hat für Entscheidungen im Sinne der E ­ uGVVO insoweit nur noch klarstellende Funktion. Anders ist dies im Moment noch für Urkunden und Vergleiche: Da Art. 36 keine Anwendung findet, kann sich die Vollstreckbarkeit nur aus Art. 58 f. ergeben. Soweit es lediglich um die Anerkennung der Vollstreckbarkeit aus Prozessvergleichen und Urkunden geht, ist diese Regelung ausreichend. Grundsätzlich ist es aber nicht ausgeschlossen, dass diesen Titeln auch weitere Entscheidungswirkungen zukommen, sodass die Anwendbarkeit des Art. 36 auch für Prozessvergleiche und Urkunden hätte begründet werden müssen.358

IV. Zusammenfassung: Anerkennung als Prinzip rechtlicher Beachtlichkeit Gerade der Blick auf die Vollstreckbarkeit, aber auch auf die Geltung nichtgerichtlicher Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat, zeigt, dass die Regelungen ­ uGVVO heute zu kurz greifen und die Rechtsentwicklung des der revidierten E Prinzips der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht nicht hinreichend widerspiegeln. Dies führt im Anwendungsbereich der revidierten E ­ uGVVO und auch bei den anderen Verordnungen der zweiten Generation zu Unstimmigkeiten im Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung. Häufig wird darauf hingewiesen, dass nicht die Entscheidung als solche pauschal, sondern lediglich die einzelnen Entscheidungswirkungen anerkannt werden.359 Dem ist insoweit zuzustimmen, als es für die Beachtlichkeit der ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat letztlich nicht auf das Vorliegen einer Entscheidung als solcher, sondern auf die von ihr ausgehenden Wirkungen ankommt. Wird eine ausländische Entscheidung im ersuchten Staat umgesetzt – sei es im Rahmen eines neuen Rechtsstreits, in dem Ergebnisse der ausländischen Entscheidung als Vorfrage Bedeutung erlangen, sei es im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens aus der ausländischen Entscheidung – so kommt es entscheidend auf das Vorliegen der jeweiligen Wirkung der Entscheidung im ersuchten Staat (z. B. die Rechtskraftwirkung oder die Vollstreckbarkeit) an. Welche Wirkungen einer ausländischen Entscheidung von der Anerkennung im ersuchten Staat erfasst sind, 357

S. oben 2. Kap., Fn. 347. Für eine vollkommene Gleichstellung von Prozessvergleichen mit gerichtlichen Entscheidungen scheint sich auch Atteslander-Dürrenmatt, S. 94 f. auszusprechen mit der Begründung, dass Abgrenzungsprobleme, die sich ansonsten hinsichtlich möglicher Prozessvergleiche, die im Ursprungsstaat rechtskraftfähig sind, ergeben können, lösen würden. S. dazu oben 2. Kap., Fn. 351. 359 Wie z. B. die Gestaltungs- und die Rechtskraftwirkung eines Urteils. Vgl. Schärtl, S. 11; so auch Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 1013. 358

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2. Kap.: Das Prinzip der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht 

hängt von der inhaltlichen Reichweite der Anerkennung der ausländischen Entscheidung ab. Hiervon unterschieden werden kann aber die vorgelagerte Frage, ob die ausländische Entscheidung überhaupt im ersuchten Staat Beachtung finden kann. Für die Konzeption des Prinzips der Anerkennung können daher zwei Ebenen unterschieden werden. Auf der ersten Ebene stellt sich die Frage, ob eine Entscheidung überhaupt grundsätzlich geeignet ist, in dem ersuchten Mitgliedstaat Wirkungen zu entfalten. Diese Ebene der Anerkennung behandelt die allgemeine Wirkung einer ausländischen Entscheidung innerhalb der Grenzen eines Nationalstaates: Im Falle der Anerkennung ist der ausländische Titel auch im Inland als ein rechtliches „Etwas“ zu qualifizieren. Wie weit die rechtliche Wirkung dieses rechtlichen „Etwas“ im Anerkennungsstaat geht, hängt nach der Wirkungserstreckungslehre sodann auf einer zweiten Ebene von der Wirkung der Entscheidung im Erststaat und von der Reichweite des jeweiligen Anerkennungsbefehls ab. Von den einzelnen Wirkungen, die anerkannt werden, kann also allgemein in einer Vorstufe eine abstrakt begründete rechtliche Erheblichkeit der ausländischen Entscheidung im Inland unterschieden werden. Während sich diese Stufe also quasi auf das „Ob“ der Anerkennung bezieht, betreffen die einzelnen Wirkungen einer ausländischen Entscheidung, die dieser im konkreten Fall zukommen, das „Wie“ der Anerkennung. Um diese vorgelagerte Stufe der grundsätzlichen Geltung der ausländischen Entscheidung von der Anerkennung der einzelnen Wirkungen unterscheiden zu können, bedarf es einer terminologischen Präzisierung. Als Oberbegriff für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung wird in der Literatur unter anderem von „Akzeptation“360 oder „Verbindlichkeit“361 der ausländischen Entscheidung gesprochen. Beide Begrifflichkeiten sind hier aber nicht ganz treffend. Der Begriff der „Akzeptation“ suggeriert das Erfordernis eines zusätzlichen Aktes staatlicher Anerkennung, der Begriff der „Verbindlichkeit“ erweckt den Eindruck, dass der ersuchte Mitgliedstaat vor der Wirkungserstreckung auf das Inland keinerlei Überprüfungsmöglichkeiten mehr hat. Das ist derzeit jedenfalls im Anwendungsbereich der E ­ uGVVO mit den weiterhin anwendbaren Versagungsgründen noch nicht der Fall. Dass die staatlichen Stellen im Inland als Gegenkonzept zum keinerlei Wirkungen entfaltenden „rechtlichen Nullum“362ausländische Entscheidungen grundsätzlich berücksichtigen müssen, soll daher als rechtliche Beachtlichkeit der ausländischen Entscheidung im Inland definiert werden.363 Diese Beachtlichkeit 360

So nennt Walder den Oberbegriff für Anerkennung und Vollstreckung, ZZP 1990, S. 322. Diese Terminologie nutzt Walder, ZZP 1990, S. 322, 336. 362 S. zu dieser Begriffsprägung schon oben 2. Kapitel A. II. 5.  363 Diese Terminologie nutzte schon Geimer, JuS 1965, S. 475 zur Definition des Anerkennungsbegriffs.  361

C. Anerkennung als abstraktes Prinzip der rechtlichen Beachtlichkeit  

103

mitgliedstaatlicher Entscheidungen tritt im europäischen Rechtsraum gleichzeitig mit Erlass der Entscheidung ein. Ab diesem Zeitpunkt entfaltet sie unionsweite Geltung. Rechtlich relevant wird eine solche Entscheidung in einem ersuchten Mitgliedstaat aber erst, wenn eine der Entscheidungswirkungen tatsächlich Auswirkungen auf Rechtsverhältnisse im ersuchten Mitgliedstaat hat.364

364

Zur Unterscheidung zwischen Wirksamkeit und Umsetzung s. oben 2. Kapitel A. IV. 3. f).

3. Kapitel

Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht Mit dem Anerkennungsbefehl tritt die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung im Ursprungsstaat automatisch ein.1 Dies bedeutet aber auch nach den jüngsten Reformen nicht, dass der mitgliedstaatlichen Entscheidung ohne jede Kontrollmöglichkeit im ersuchten Mitgliedstaat die gleiche Wirksamkeit zu­ uGVVO – auf die hier aufgrund ihres kommt, wie in ihrem Ursprungsstaat. Die E weiten Anwendungsbereichs im europäischen Zivilprozessrecht zunächst vordergründig eingegangen werden soll – sieht weiterhin Kontrollmöglichkeiten gegen die Anerkennung (und gegen die Vollstreckung) der mitgliedstaatlichen Entscheidung vor. Die Verweigerung der Anerkennung stellt in der Praxis den Ausnahmefall dar. Der weit überwiegende Teil der mitgliedstaatlichen Entscheidungen wird in den ersuchten Mitgliedstaaten ohne weiteres anerkannt.2 Bestrebungen, die Versagungsmöglichkeiten gegen die Anerkennung gänzlich zu beseitigen und eine bedingungslose Erstreckung von Entscheidungswirkungen im europäischen Rechtsraum zuzulassen, konnten sich bisher aber noch nicht durchsetzen.3 So unterliegt die Anerkennung (und Vollstreckung) mitgliedstaatlicher Entscheidungen nach wie vor einem komplexen Kontrollsystem, das von den beiden gegenläufigen Interessen der effektiven Urteilsfreizügigkeit und der Absicherung der Wahrung nationaler rechtsstaatlicher Interessen geprägt ist und versucht, diese entgegengesetzten Interessen in Einklang zu bringen – wie sich zeigen wird zu Lasten der dogmatischen Schlüssigkeit des Systems. Nachfolgend soll zunächst die dogmatische Konzeption der Anerkennungsversagung im Verhältnis zur oben bereits herausgearbeiteten automatischen Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidungen betrachtet werden. Außerdem werden die einzelnen Versagungsgründe inhaltlich kurz erörtert werden, bevor das Rechtsbehelfssystem der E ­ uGVVO gegen die Anerkennung (und Vollstreckung) mitgliedstaatlicher Entscheidungen näher betrachtet wird. Dabei soll auch ein kurzer Blick auf die Vollstreckungsversagung geworfen werden, die – wie bereits gesehen – innerhalb des Anerkennungsregimes des europäischen Zivilprozessrechts eine Son 1

Zur dogmatischen Konzeption und dem Ablauf der Anerkennung s.  oben 2. Kapitel A. IV. 3. 2 Jayme / Kohler, IPRax 1993, S. 357, 366. S. auch die Nachweise oben 2. Kap., Fn. 294. 3 Welche Argumente hierfür sprechen und ob dies in Zukunft ggf. denkbar ist, wird unten im 6. Kapitel B. näher erörtert.

A. Automatische Anerkennung und ihre Versagung  

105

derrolle einnimmt. Schließlich soll auch ein Blick auf die Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht außerhalb der ­EuGVVO nicht unterbleiben.

A. Automatische Anerkennung und ihre Versagung – Konzeption der Anerkennungsversagung Mit der Anerkennung werden, wie im vorangegangenen Kapitel gesehen, die Wirkungen einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im Zeitpunkt ihres Erlasses auf das Inland erstreckt und die Entscheidung damit behandelt, als sei sie im Inland ergangen.4 Außen vor blieb bisher die Frage, wie sich die Anerkennung bzw. Nichtanerkennung vollzieht, wenn ihre Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung hängt sowohl von positiven als auch von negativen Voraussetzungen ab. In positiver Hinsicht muss die Entscheidung zunächst in den Anwendungsbereich eines Anerkennungsbefehls fallen, um von der Wirkungserstreckung auf den ersuchten Mitgliedstaat zu profitieren. Gleichzeitig dürfen in negativer Hinsicht keine Versagungsgründe vorliegen, die der Anerkennung entgegenstehen. Die Versagungsgründe sind dabei im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses ausgestaltet. Wie auch bei den Grundfreiheiten gilt grundsätzlich die Annahme, dass eine mitgliedstaatliche Entscheidung als solche im ersuchten Mitgliedstaat Wirkung entfaltet. Nur ausnahmsweise ist die Anerkennung aufgrund des Vorliegens von Versagungsgründen versagt. Noch nichts gesagt ist damit über die genaue Konzeption der Versagung. Es sind zwei Ansatzpunkte denkbar: Soweit der Anwendungsbereich des Anerkennungsbefehls eröffnet ist, könnte die mitgliedstaatliche Entscheidung allgemein anerkannt sein. Sollten ein oder mehrere Versagungsgründe vorliegen, müsste die Anerkennung dann gezielt beseitigt werden. Andererseits könnte sich das Vorliegen von Versagungsgründen aber auch von vornherein unmittelbar auswirken. Im Zeitpunkt des Erlasses der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Ausland wäre die Entscheidung dann anerkannt, wenn der Anwendungsbereich des Anerkennungsbefehls eröffnet ist und kein Versagungsgrund vorliegt und dementsprechend nicht anerkannt, wenn eine dieser Voraussetzungen nicht vorliegt, also beispielsweise ein Versagungsgrund eingreift. Eine aufgrund des Vorliegens eines Versagungsgrundes von Anfang an nicht anerkannte Entscheidung zirkuliert im ersuchten Mitgliedstaat als solche und kann – mangels rechtlicher Wirksamkeit – grundsätzlich von Anfang an keinerlei prozessuale Wirkungen entfalten. Anders verhält es sich hingegen, wenn man davon ausgeht, dass die Entscheidung, auch wenn sie einen Versagungsgrund erfüllt, als solche zunächst trotzdem anerkannt ist und sie diese Anerkennung erst mit erfolgreicher Geltendmachung des Versagungsgrundes verliert. Dann ist sie jeden 4

Vgl. hierzu eingehend 2. Kapitel A. IV. 3. 

106

3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

falls bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung als gleichsam wirksame, aber „anfechtbare“ ausländische Entscheidung einer inländischen gleichgestellt.

I. „Beseitigung“ der Anerkennung? Gemäß Art. 45 Abs. 1 E ­ uGVVO wird „die Anerkennung einer Entscheidung […] versagt“, wenn ein Versagungsgrund vorliegt. Der Wortlaut dieser Vorschrift deutet auf die Notwendigkeit einer aktiven Beseitigung der grundsätzlich zunächst vorhandenen Anerkennung hin. Auch der deutsche Gesetzgeber scheint davon auszugehen, dass die Anerkennung bei Vorliegen von Versagungsgründen beseitigt werden muss.5 Ob dem Bundesgesetzgeber der über die bloße Vollstreckungsversagung hinausgehende Aussagegehalt seiner Anmerkungen bewusst war, ist allerdings zweifelhaft, lag der Schwerpunkt der Reformbestrebungen bezüglich der neuen ­EuGVVO doch vordergründig auf der Abschaffung des Exequaturs und der Effektuierung der Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen. Aussagen der Bundesregierung zu Ausführungsbestimmungen des nationalen Rechts können hier aber ohnehin allenfalls Indizwirkung haben, da die Frage der Konzeption der Anerkennung und ihrer Versagung aufgrund der europäischen Rechtsnorm autonom europäisch auszulegen ist.6 Dem folgend wird aber auch in der Literatur teilweise von der Notwendigkeit der Beseitigung der Anerkennung gesprochen.7 Damit würde trotz objektiven Vorliegens eines Versagungsgrundes eine ausländische Entscheidung im Inland solange Wirkung entfalten, bis der Versagungsgrund vor einer staatlichen Stelle erfolgreich geltend gemacht worden ist. Eine Entscheidung kann derzeit aber nur dann als anerkannt qualifiziert werden, wenn alle Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen. Hierzu gehört auch die (negative) Voraussetzung, dass keine Versagungsgründe gegeben sind. Bei Durchführung eines Delibationsverfahrens wäre dies nicht weiter problematisch: Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens würden die Versagungsgründe mitgeprüft. Ohne ein solches Zwischenverfahren und bei automatischer Anerkennung muss in konsequenter Umsetzung und Fortführung dieses Prinzips weiterhin davon aus 5

Entwurf der Bundesregierung zu Durchführungsvorschriften für die revidierte E ­ uGVVO, BT-Drucks. 18/823, S. 22, wo es heißt: „Damit kann der Schuldner in den in Artikel 45 der Brüssel-Ia-Verordnung genannten Fällen die gesetzlich vorgesehene automatische Anerkennung beseitigen bzw. die Vollstreckung der ausländischen Entscheidung rückwirkend versagen lassen.“ 6 MünchKomm-ZPO / Gottwald, vor Art. 1 Brüssel Ia-VO Rn. 46. S. außerdem die Nachweise oben in 2. Kap., Fn. 233. 7 Zöller / Geimer, Anh I, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 33, 61; so liest sich auch MünchKommZPO / Gottwald, Art. 45 Brüssel Ia-VO Rn. 1.

A. Automatische Anerkennung und ihre Versagung  

107

gegangen werden, dass bei objektivem Vorliegen eines Versagungsgrundes die mitgliedstaatliche Entscheidung nicht anerkannt ist und im Inland keine Wirkung entfalten kann. Der einschlägige Versagungsgrund steht dann gleichsam der Erstreckung der Wirkungen der ausländischen Entscheidung auf den Rechtsraum des ersuchten Mitgliedstaates entgegen. Gemäß dem Prinzip der automatischen Anerkennung stünde das mit Erlass der in Frage stehenden Entscheidung automatisch fest. Automatische Anerkennung bedeutet dann auch, dass bei Vorliegen eines Versagungsgrundes die mitgliedstaatliche Entscheidung mangels Anerkennungsfähigkeit automatisch nicht anerkannt ist.8 Damit bedürfte es also nicht nur keines Verfahrens zur Verleihung der Anerkennung der ausländischen Entscheidung, sondern gleichsam als Gegenpol keines Verfahrens zur Aberkennung der Anerkennung der ausländischen Entscheidung. Mit Erlass der Entscheidung im Ursprungsstaat ist sie entweder anerkannt oder nicht – unabhängig davon, ob sich eine staatliche Stelle mit dieser Frage oder speziell der Frage des Vorliegens von Versagungsgründen bereits beschäftigt hat. In diese Richtung kann man auch den europäischen Gesetzgeber verstehen, wenn er für die „Versagung“ der Anerkennung in der E ­ uGVVO (nun mehr) in Art. 45 Abs. 4 E ­ uGVVO einen Feststellungsrechtsbehelf vorsieht.9 Die Möglichkeit der Feststellung des Vorliegens von Versagungsgründen steht einer Konzeption der Notwendigkeit der Beseitigung der Anerkennung zwar nicht zwingend entgegen. Auch mit der bloßen (bindenden) Feststellung, dass die Anerkennung beseitigbar ist, ginge eine gewisse Rechtssicherheit für den Betroffenen einher. Allerdings stellt sich dann die Frage, warum der europäische Gesetzgeber nicht auch einen Gestaltungsrechtsbehelf gegen die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung eingeführt hat. Selbst wenn man von der Notwendigkeit einer aktiven Beseitigung der Anerkennung durch eine Entscheidung von staatlicher Seite im ersuchten Mitgliedstaat ausginge, kann nicht in jedem Fall von einer gestaltenden Wirkung der Beseitigung der Anerkennung, wie dies dem deutschen Zivilprozessrecht in Form der Gestaltungsklage bekannt ist, gesprochen werden. Nach den Vorgaben der E ­ uGVVO und auch der anderen entsprechenden europäischen Verordnungen kann die Frage der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Rahmen eines staatlichen Verfahrens inzident von Gerichten (bzw. Behörden) entschieden werden, ohne dass einer solchen Entscheidung aber Bindungswirkung zukäme.10 Selbst wenn hier 8

So lassen sich verstehen Stein / Jonas / Roth, § 328 Rn. 39; Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 2. 9 Die Rechtsbehelfe der ­EuGVVO bezüglich der Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung beinhalten unstreitig lediglich Feststellungsmerkmale (s. dazu unten 3. Kapitel D. II.). Lediglich hinsichtlich des Vollstreckungsrechtsbehelfs des Art. 46 ­EuGVVO kommt eine gestaltende Wirkung in Betracht (s. dazu unten 3. Kapitel D. III.). Auch dies ist dogmatisch aber fragwürdig (s. dazu unten) und jedenfalls der Besonderheit der Vollstreckbarkeit geschuldet. 10 Zur Bindungswirkung der Entscheidungen eingehend unten 5. Kapitel B.

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3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

eine rechtsgestaltende Beseitigung der Anerkennung anzunehmen wäre, könnte diese allenfalls relativ zwischen den Parteien und auch nur hinsichtlich des konkreten Verfahrens gelten. Derzeit lässt sich weder in den entsprechenden europäischen Rechtsnormen, noch in den Ausführungsbestimmungen des deutschen Gesetzgebers oder der einschlägigen Literatur eine überzeugende Aussage zur dogmatischen Konzeption der Anerkennungsversagung finden. Die Möglichkeit, über das Vorliegen von Versagungsgründen inzident im nichtbindenden Verfahren zu entscheiden, deutet daraufhin, dass deren Vorliegen im konkreten Fall zur Wahrung der Rechtssicherheit objektiven Kriterien unterworfen sein muss. Außerdem scheint es auch problematisch, dass eine ausländische Entscheidung trotz z. B. eklatanten Verstoßes gegen den ordre public-Vorbehalt nur dann und nur für die Situationen aus dem Anerkennungsbefehl ausgenommen wird, wenn der Betroffene sich hiergegen zur Wehr gesetzt hat.11 Ob die Versagungsgründe als Voraussetzungen oder Hindernisse der Anerkennung ausgestaltet sind, hat allenfalls Auswirkung auf die Beweislastverteilung zum Vortrag über das Vorliegen von Versagungsgründen.12 Für die dogmatische Einordnung kann dies keinen Unterschied machen.13 All das deutet darauf hin, dass bei objektivem Vorliegen eines Versagungsgrundes die ausländische Entscheidung von Anfang an als nicht anerkannt gilt.14 Hiernach bliebe es dann auch bei dem oben15 Gesagten: Anerkennungsfähigkeit und Anerkennung gehen einher und sind nicht voneinander trennbar. Eine Entscheidung, die aufgrund vorliegender Versagungsgründe nicht anerkennungsfähig ist, ist danach von Anfang an nicht anerkannt, sodass es einer Beseitigung der Anerkennung einer eigentlich nicht anerkennungsfähigen Entscheidung nicht bedarf.

11

Vgl. Freitag, FS Kropholler, S. 759, 769; s. auch Rauscher / Mankowski, vor Art. 39 Brüssel Ia-VO Rn. 36; Wagner, IPRax 2002, S. 75, 83; Kohler, FS Geimer 65, S. 461, 482, Kohler, Systemwechsel, S. 147, 152. 12 Ob es eine Vermutung zugunsten der Anerkennung gibt, ist strittig. Für eine Vermutung sprechen sich aus Jenard-Bericht, ABl. EG C 59 v. 05.03.1979, S. 1, 43. Vgl. auch Simons / Hausmann / Teixeira de Sousa / Hausmann, vor Art. 33–37 Rn. 2; Linke / Hau, Rn. 13.1. Anders äußern sich Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1457 zum autonomen deutschen Recht und Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 269 zur alten Rechtslage, die folgerichtig dann auch davon ausgehen, dass die Anerkennungshindernisse von Amts wegen zu prüfen sind. 13 So auch Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1457 sowie Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 1015 Fn. 1. S. auch Schack, IZVR, § 17 Rn. 972. 14 Vgl. zu dieser Überlegung auch für die Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation Freitag, FS Kropholler, S. 759, 769. 15 2. Kapitel A. IV. 3. e) cc).

A. Automatische Anerkennung und ihre Versagung  

109

II. Zeitliche Reichweite – Rückwirkung der Anerkennungsversagung? Neben der Frage, wie die Anerkennungsversagung strukturell zu verstehen ist, stellt sich auch die Frage, welche zeitliche Reichweite die Feststellung der fehlenden Anerkennung bzw. Beseitigung der Anerkennung hat. Wurde eine Entscheidung aus dem europäischen Ausland im ersuchten Mitgliedstaat zuvor bereits umgesetzt, ohne dass ihre Anerkennungsfähigkeit geprüft wurde, und wird nun die fehlende Anerkennung festgestellt (bzw. die Anerkennung beseitigt), stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf bereits abgeschlossene Verfahren, bei denen die nunmehr nachträglich als nicht anerkennungsfähig erkannte mitgliedstaatliche Entscheidung relevant war und umgesetzt wurde, hat. Geht man – wie hier – davon aus, dass die Anerkennungsfähigkeit von Anfang an fehlt und mit entsprechenden Rechtsbehelfen lediglich noch festgestellt werden kann, wurde zuvor eine im ersuchten Mitgliedstaat unwirksame Entscheidung als wirksam behandelt. An der von Anfang an fehlenden Wirksamkeit kann dies dann nichts ändern. Ähnlich verhält es sich letztlich aber auch, wenn man davon ausgeht, dass die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung aktiv beseitigt werden muss. Will man den Zeitpunkt, in dem die fehlende Anerkennung erstmals geltend gemacht und geprüft wird, nicht als willkürliche Zäsur heranziehen, muss die Beseitigung der Anerkennung ebenfalls ex tunc auch für die Vergangenheit erfolgen. Entscheidungen, die (auch) aufgrund einer nachträglich als nicht anerkennungsfähig erkannten mitgliedstaatlichen Entscheidung ergangen sind, könnten ebenfalls nachträglich rückgängig gemacht werden. Damit besteht nach beiden Konzepten bis zu einer Entscheidung über die Anerkennung keine verlässliche Sicherheit über die Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung, die man im Inland heranziehen will.16

III. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Versagungsgründe Mit der Prämisse, dass Anerkennungshindernisse im Zeitpunkt der Anerkennung, also im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung im Ursprungsstaat, eingreifen, stellt sich die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Überprüfung des Vorliegens der Versagungsgründe abzustellen ist. Überwiegend wird vertreten, dass eine einmal erfolgte Anerkennung – entsprechend einer einmal eingetretenen Gestaltungswirkung – bei Wegfall ihrer Voraus­

16

S. zu dieser Problematik auch unten 5. Kapitel B.

110

3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

setzungen nachträglich nicht mehr entfällt.17 Das ist aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nachvollziehbar. Folgerichtig muss dies dann auch gelten, wenn zwischen Erlass der ausländischen Entscheidung (und damit dem Zeitpunkt ihrer Anerkennung) und der Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens aus der Entscheidung Versagungsgründe neu entstehen.18 Auch hier ist auf den Zeitpunkt der Anerkennung abzustellen. Ausnahmen können sich ergeben, wo schwerwiegende Verstöße gegen den ordre public eine nachträgliche Einschätzung der Anerkennung gebieten.19 Außerdem kann das nicht gelten für den Versagungsgrund des Art. 45 Abs. 1 lit. c E ­ uGVVO, der bei widerstreitenden Entscheidungen der inländischen Entscheidung den Vorrang einräumt. Dieser Versagungsgrund greift unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge des Erlasses der Entscheidungen ein.20 Dieses Verständnis würde ausgehebelt, würde man für das Vorliegen dieses Versagungsgrundes den Zeitpunkt der Anerkennung als einschlägig erachten. Andersherum soll es indes möglich sein, dass eine zunächst nicht anerkannte Entscheidung mit Änderung der Rechtslage in dem Zeitpunkt anerkannt wird, in dem sie die Voraussetzungen der Anerkennung erfüllt.21 Dies ist dogmatisch vertretbar und mit Blick auf das Ziel der fortschreitenden Integration konsequent. Die fehlende Anerkennungsfähigkeit ist kein Makel, der einer ausländischen Entscheidung unumkehrbar anhaftet. Dementsprechend ist auch davon auszugehen, dass eine Entscheidung, die etwa nach vormaligen Vorstellungen des ordre public nicht anerkennungsfähig war, in dem Zeitpunkt nachträglich anerkannt wird, in dem nach einem Wandel des ordre public dieser der Anerkennung der Entscheidung nicht mehr entgegensteht.

IV. Keine Prüfung der Versagungsgründe von Amts wegen Unabhängig vom Versuch der dogmatischen Einordnung der Anerkennungsversagung zeigt sich, dass jedenfalls nach dem praktischen Ablauf eine „Beseitigung“ der Anerkennung notwendig ist: 17 Eberlein, S.  43 f.; Stein / Jonas / Roth, § 328 Rn. 33; Schütze, NJW  1966, S. 1598, 1599; Schack, IZVR, § 17 Rn. 973; Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1603. 18 Vgl. Schütze, NJW  1966, S. 1598, 1599, der für den Zeitpunkt der Anerkennung allerdings – wie oben gesehen – auf den Zeitpunkt der Inlandsbeziehung abstellt. 19 So Eberlein, S. 50 ff. Für eine spätere Beurteilung bei ordre public-Verstößen s.  auch BGH, Urteil v. 11.04.1979, Az. IV ZR 93/78, NJW 1980, S. 529, 531; Stein / Jonas / Roth, § 328 Rn. 34. 20 Saenger / Dörner, Art. 45 ­EuGVVO Rn. 24; Musielak / Voit / Stadler, Art. 45 ­EuGVVO nF Rn. 12; krit. dazu zurecht MünchKomm-ZPO / Gottwald, Art. 45 Brüssel Ia-VO Rn. 48. 21 Stein / Jonas / Roth, § 328 Rn. 35; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 232, 775; Schack, IZVR, § 17 Rn. 973; MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 328 Rn. 9; a. A. KG, Beschluss v. 03.03.1987, Az. 1 VA 6/86, NJW 1988, S. 649 ff.; Geimer, Anerkennung, S. 64.

A. Automatische Anerkennung und ihre Versagung  

111

Wird eine staatliche Stelle mit einer ausländischen mitgliedstaatlichen Entscheidung konfrontiert, so muss sie von Amts wegen prüfen, ob die in Frage stehende Entscheidung in den Anwendungsbereich eines Anerkennungsbefehls, z. B. des Art. 36 Abs. 1 E ­ uGVVO fällt.22 Nur so ist klar, ob der automatische Anerkennungsbefehl in diesem Fall grundsätzlich überhaupt greifen kann oder nicht. Anders verhält es sich hinsichtlich des Vorliegens etwaiger Versagungsgründe. Wurde früher noch vermehrt die Ansicht vertreten, auch diese seien im staatlichen Verfahren von Amts wegen zu prüfen,23geht heute die überwiegende Meinung davon aus, dass die Versagungsgründe nur noch auf Rüge des Betroffenen geprüft werden.24 Dies lässt sich bereits dem Wortlaut des Art. 45 Abs. 1 ­EuGVVO entnehmen, der nun mehr grundsätzlich vom Nichtvorliegen der Versagungsgründe ausgeht und als Einrede ausgestaltet ist.25 Diese Ausgestaltung entspricht auch der Zielrichtung der europäischen Integration, die der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Justizraums das Prinzip des wechselseitigen Vertrauens in die nationalen Rechtsordnungen zugrunde legt. Danach ist im Zweifel von der Entscheidungsanerkennung auszugehen, Gegensätzliches muss im Einzelfall geltend gemacht werden.26 Ob darüber hinaus Ausnahmen bestehen, bei denen die Interessen der Allgemeinheit nur gewahrt werden können, wenn die Geltendmachung nicht von der Disposition des Betroffenen abhängen darf und die staatliche Stelle das Vorliegen eines Versagungsgrundes eigenmächtig überprüfen darf, wie das z. B. bei eklatanten Verstößen gegen den ordre public gefordert wird,27 ist letztlich eine rechtspolitische Frage und soll an dieser Stelle nicht entschieden werden. Im Grundkonzept ist davon auszugehen, dass Versagungsgründe nur auf Rüge überprüft werden.

22

Schramm, YPIL Vol. 15, S. 143, 155; Nagel / Gottwald, § 12 Rn. 17. Martiny, HdB. IZVR III/2, Kap. II Rn. 218; MünchKomm-ZPO / Gottwald, 2. Auflage, Art. 27 EuGVÜ Rn. 5; BGH, Beschluss v. 12.12.2007, Az. XII ZB 240/05, NJW-RR 2008, 586, 587 f., der sich im Wesentlichen aber auf den Wortlaut des Art. 34 EuGVO aF stützt („wird nicht anerkannt“). Jedenfalls mit Reformierung der Regelungen zur Anerkennungsversagung in der ­EuGVVO kann dies also nicht mehr ohne Weiteres herangezogen werden. 24 Nagel / Gottwald, § 12 Rn.  17; Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechts­verkehr, EuZPR / EuIPR, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 7; Zöller / Geimer, Anh I, Art. 36 ­EuGVVO Rn.  34; Prütting / Gehrlein / Schinkels, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 1. Schon nach altem Recht von einer Rügeobliegenheit gingen aus Rauscher / Leible, Art. 45 Brüssel Ia-VO Rn. 3; a. A. Saenger / Dörner, 5. Auflage, Art. 34 ­EuGVVO Rn. 1; Thomas / P utzo / Hüßtege, Art. 36 ­EuGVVO Rn.  1; Kindl / Meller-Hannich / Wolf / Mäsch, Art. 32 Brüssel I-VO Rn. 2; Kropholler / v. Hein, EZPR, vor Art. 33 EuGVO Rn. 6. 25 Vgl. Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 7. 26 Hess, EZPR, § 3 Rn. 17. 27 Vgl. Zöller / Geimer, Anh I, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 5 ff.; ders., FS Torggler, S. 311, 335 f.; Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 1096; für das autonome Recht Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 1596; vgl. auch Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 4. 23

112

3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

Nach der hier vertretenen Ansicht kann grundsätzlich also zwar davon ausgegangen werden, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung im Ursprungsstaat bereits feststeht, ob die Entscheidung im Inland anerkennungsfähig und damit anerkannt ist.28 Ob das Vorliegen von Versagungsgründen aber tatsächlich auch Beachtung findet, hängt letztlich dennoch von ihrer Geltendmachung im staatlichen Verfahren ab. Das führt zum einen dazu, dass es letztlich Sache des Betroffenen ist, über die tatsächliche Beachtung der ausländischen Entscheidung im Inland zu entscheiden. Insoweit können die oben bereits angesprochenen Bedenken gegen die Privatisierung der Anerkennung zwar nicht rechtlich, aber faktisch wieder verfangen. Auch wenn man davon ausgeht, dass die ausländische Entscheidung wegen des Vorliegens eines Versagungsgrundes nicht anerkannt ist, so steht es letztlich praktisch doch im Ermessen des Betroffenen, dieses geltend zu machen. Tut er das nicht, so findet die nichtanerkannte Entscheidung Anwendung und somit praktische Wirkung, als seien ihre Anerkennungsvoraussetzungen gegeben.29 Zum anderen führt es dazu, dass im Zweifel nicht anerkannte Entscheidungen im Inland letztlich trotzdem als wirksame Entscheidungen behandelt werden. Gerade auch mit Blick darauf, dass der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in der Praxis nur in wenigen Ausnahmefällen tatsächlich entgegengetreten wird, ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl von ausländischen Entscheidungen im Inland zirkulieren, vollstreckt und anderweitig rechtlich bedeutsam werden, obwohl sie nach der hier dargestellten Konzeption im Inland mangels Anerkennung grundsätzlich keinerlei Wirkungen entfalten. Diese Divergenz würde entfallen, wenn man – wie oben dargestellt – davon ausgehen könnte, dass die Versagung der Anerkennung erst mit einer diesbezüglichen Entscheidung im staatlichen Verfahren eintritt.30 Das kann aus den bereits genannten Gründen und jedenfalls nach der aktuellen Gesetzeslage aber nicht angenommen werden. Ob dies im Endeffekt tatsächlich dazu führen kann, dass nicht anerkannte Entscheidungen im Zweitstaat nach Ablauf eines gewissen Zeitraums oder durch Handlungen, die einen entsprechenden Vertrauenstatbestand zugunsten der Anerkennung begründen, Wirkungen entfalten, als seien sie anerkannt, wird später noch zu erörtern sein. Wie sich zeigen wird, führt diese Divergenz zwischen rechtlicher und tatsächlicher Wirklichkeit jedenfalls zu erheblichen Folgeproblemen für die Behandlung ausländischer Entscheidungen im Inland, die nach der aktuellen Rechtslage nicht gelöst werden können und die Freizügigkeit der Entscheidungen im Binnenmarkt erheblich erschweren.

28

Hiervon gibt es nur wenige Ausnahmen, s. dazu sogleich unter 3. Kapitel A. III. Vgl. zu den kritischen Stimmen bezüglich einer „Privatisierung der Anerkennung“ bereits oben 2. Kap., Fn. 11. 30 S. dazu soeben im 3. Kapitel A. I. 29

B. Unterscheidung von Anerkennungs- und Vollstreckungsversagung 

113

V. Zusammenfassung: Rechtliche und tatsächliche Wirkungen einer nicht anerkannten Entscheidung Entsprechend des Prinzips der automatischen Anerkennung ist auch die Versagung der Anerkennung automatisch konzipiert. Mit Erlass der Entscheidung im Ursprungsstaat steht grundsätzlich fest, ob sie die Voraussetzungen der Anerkennung erfüllt und keine Versagungsgründe eingreifen. Eine nachfolgende behördliche oder richterliche Überprüfung kann nach der hier vertretenen Auffassung also nur noch feststellen, ob ein Versagungsgrund der Anerkennung der ausländischen Entscheidung von Anfang an entgegengestanden hat. Die Anerkennung wir durch die erfolgreiche Überprüfung auf Vorliegen von Versagungsgründen nicht beseitigt. Trotzdem ist aufgrund der Rügeobliegenheit des Betroffenen die Geltendmachung des jeweiligen Versagungsgrundes im staatlichen Verfahren notwendig. Macht der Betroffene diesen nicht geltend, so nimmt die staatliche Stelle – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Anerkennungsbefehls – die Anerkennung der Entscheidung an, ohne dass sie den Versagungsgrund geprüft hat. Dies ändert aber nichts daran, dass er objektiv von Anfang an vorlag und einer Anerkennung der Entscheidung entgegenstand. Diese widersprüchlichen Konzeptionen – automatische Versagung auf der einen, aber bloße Überprüfung auf Rüge auf der anderen Seite – führt dazu, dass eigentlich nicht anerkannte (und also unwirksame) ausländische Entscheidungen im Inland gleichwohl als solche behandelt werden. Welche Folgen diese Ungereimtheiten für das System der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht haben, wird im 5. Kapitel noch zu erörtern sein.

B. Unterscheidung von Anerkennungsversagung und Vollstreckungsversagung B. Unterscheidung von Anerkennungs- und Vollstreckungsversagung

Die ­EuGVVO sieht neben der Anerkennungsversagung nach wie vor31 auch die Vollstreckungsversagung vor. Inwieweit sich diese beiden unterscheiden, lässt sich der Verordnung nicht ohne weiteres entnehmen. Die Tatsache, dass sie für beide Arten der Versagung unterschiedliche Rechtsbehelfe vorsieht (Art. 36 Abs. 2 bzw. 45 Abs. 4 für die direkte Feststellung der (fehlenden) Anerkennung und Art. 46 für die Versagung der Vollstreckung), deutet aber zunächst darauf hin, dass sie unterschiedliche Anwendungsbereiche bedienen. Mit Abschaffung des Exequaturverfahrens wurde die Wirkungserstreckung eines anerkannten mitgliedstaatlichen Urteils auf die Urteilswirkung der Vollstreckbarkeit erweitert. Aus Vollstreckbarerklärungsversagungsgründen wurden Vollstreckungsversagungsgründe.32 31 32

So auch schon in den Vorgängerregelungen der EuGVO und des EuGVÜ. Rauscher / Mankowski, Art. 39 Brüssel Ia-VO Rn. 13.

114

3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

Im Anwendungsbereich der ­EuGVVO ist zweifelhaft, ob die Unterscheidung von Anerkennungs- und Vollstreckungsversagung der dogmatischen Konzeption des Anerkennungsregimes noch entspricht. Dies soll unten unter D. III. 2. erörtert werden. Zuvor gilt es aber, die aktuell geltende Systematik der Anerkennungs- und Vollstreckungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht zu verstehen. Wenn nachfolgend die Versagungsgründe näher betrachtet werden, soll dabei zunächst allgemein von Anerkennungsversagungsgründen gesprochen werden. Dies geschieht zunächst unabhängig von der Frage, in welchem Rechtsbehelfsrahmen sie geltend gemacht werden können.

C. Die Versagungsgründe I. Allgemeines Dass gegen die Anerkennung (und Vollstreckbarkeit) einer ausländischen Entscheidung im Rahmen des europäischen Zivilprozessrechts Versagungsgründe vorgebracht werden können, steht ihrer Freizügigkeit entgegen. Ähnlich wie auch bei der Überprüfung möglicher Ausnahmetatbestände für die Einschränkung der Marktfreiheiten der Europäischen Union sind die Versagungsgründe daher eng auszulegen.33 Sie dienen dem Schutz der Rechtsordnung und der nationalstaatlichen Souveränität des ersuchten Mitgliedstaates. Grundsätzlich lassen sich die Versagungsgründe, wie sie der ­EuGVVO zu entnehmen sind (und wie sie teilweise auch die anderen Vollstreckungsverordnungen vorsehen), in zwei Kategorien einordnen. Zum einen gibt es Versagungsgründe, die sich auf Unzulänglichkeiten der anzuerkennenden Entscheidung beziehen – entweder, weil sie inhaltlich Mängel aufweist, oder verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Zum anderen gibt es Versagungsgründe, die dem Schutze der inländischen Rechtspflege dienen und der Anerkennung zugunsten des Vorrangs inländischer Entscheidungen entgegenstehen.34

II. Die einzelnen Versagungsgründe der ­EuGVVO Einen großen Katalog an Versagungsgründen weist nach wie vor die ­EuGVVO auf. Die Anerkennungsversagungsgründe sind in Art. 45 Abs. 1 ­EuGVVO kodifiziert.

33 EuGH, Urteil v. 02.06.1994, Az. C-414/92, NJW 1995, S. 38 Rn. 20; Urteil v. 28.03.2000, Az. C-7/98, NJW 2000, S. 1853 Rn. 21; Hess, EZPR, § 3 Rn. 15. 34 Hess, EZPR, § 6 Rn. 191.

C. Die Versagungsgründe  

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1. Art. 45 Abs. 1 lit. a ­EuGVVO – Ordre public-Vorbehalt In Art. 45 Abs. 1 lit. a ­EuGVVO findet sich der wohl wichtigste Versagungs­ uGVVO. Inhaltlich gebietet er die Nichtanerkennung einer mitgliedgrund der E staatlichen Entscheidung, wenn diese der öffentlichen Ordnung des ersuchten Mitgliedstaates offensichtlich widerspricht. Mit diesem Versagungsgrund behalten sich die Mitgliedstaaten vor, im Einzelfall bei grundlegenden Verstößen gegen die eigene Rechtsordnung die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen abzulehnen und die Erstreckung etwaiger Wirkungen dieser Entscheidungen auf das eigene Hoheitsgebiet zu unterbinden. Grundsätzlich wird zwar die ausländische Entscheidung, die im Inland Geltung beansprucht, nicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft, vgl. Art. 52 ­EuGVVO. Auch ein fehlerhaftes ausländisches Urteil wird daher grundsätzlich anerkannt.35 Der ordre public-Vorbehalt stellt aber gleichsam die Grenze dieses Verbots der révision au fond dar. Dort, wo erhebliche (Grund-)rechtsverletzungen im Ursprungsmitgliedstaat zu befürchten sind, soll der Perpetuierung dieser Rechtsverletzung durch Wirkungserstreckung auch auf andere Mitgliedstaaten entgegengewirkt werden.36 Der ordre public-Vorbehalt soll nur in besonderen Ausnahmefällen greifen.37 Allein der Verstoß gegen wesentliche Rechtsgrundsätze und damit ein offensichtlicher Widerspruch zur Rechtsordnung des ersuchten Mitgliedstaates kann die Versagung der Anerkennung nach Art. 45 Abs. 1 lit. a ­EuGVVO begründen.38 Ein solcher Verstoß kommt sowohl hinsichtlich materiell-rechtlicher, als auch hinsichtlich verfahrensrechtlicher Regelungen in Betracht.39 Maßgebend ist dabei der ordre public des jeweiligen ersuchten Mitgliedstaates.40 Seit jeher gibt es Bestrebungen, den allgemeinen ordre public-Vorbehalt abzuschaffen.41 Die – zwischenzeitlich durchaus konkret angestrebte – Abschaffung des ordre public-Vorbehalts im Anwendungsbereich der ­EuGVVO konnte aber

35

S. eingehend Geimer, Anerkennung, S. 57 ff. Becker, S. 60; Hess, EZPR, § 3 Rn. 28. 37 So ausdrücklich Entwurf der Kommission v. 14.07.1999, KOM (1999)348 endg., dort zu Art. 41. 38 EuGH, Urteil v. 28.03.2000, Az. C-7/98, NJW 2000, S. 1853 Rn. 37; Urteil v. 02.04.2009, Az. C-394/07, EuZW 2009, S. 422 Rn. 29; Urteil v. 28.03.2000, Az. C-420/07, BeckRS 2009, 70441 Rn. 59; vgl. dazu Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 34 EuGVO Rn. 7. 39 S. u. a. Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 34 EuGVO Rn. 11 ff.; Schramm, YPIL, Vol. 15, S. 143, 151 ff. 40 Vgl. EuGH, Urteil v. 02.04.2009, Az. C-394/07, EuZW 2009, S. 422 Rn. 38; Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 34 EuGVO Rn. 5. Zu Frage eines europäischen ordre public-Vorbehalts s. unten im 6.  Kapitel B. II. 1. c) bb). 41 Vgl. bereits Bellet, Journal du Droit international 1965, S. 833, 862 f.; Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 34 EuGVO Rn. 3. 36

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3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

auch mit der jüngsten Reform nicht durchgesetzt werden.42 Trotz fortschreitender Integration scheint das „gegenseitige Vertrauen in die Rechtspflege innerhalb der Union“, wie es auch die ­EuGVVO in Erwägungsgrund Nr. 26 explizit anführt, bisher noch nicht derart gewachsen zu sein, dass der Notanker des ordre publicVorbehalts vollends fallen gelassen werden könnte.43 Ein anderes Bild zeichnen die Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation (EuGFVO, EuMahnVO und EuVTVO), die auf den allgemeinen Versagungsgrund des ordre public durchgängig verzichten.44 Umfang und Besonderheiten des ordre public-Vorbehalts können an dieser Stelle nicht umfassend erörtert werden. Es sei auf die zahlreiche, einschlägige Literatur verwiesen.45 Der ordre public-Vorbehalt stellt gegenüber den weiteren Versagungsgründen einen Auffangtatbestand dar.46 Diese kodifizieren die Anerkennungsversagung aufgrund einzelner spezieller verfahrensrechtlicher Rechtsverstöße. 2. Art. 45 Abs. 1 lit. b ­EuGVVO – Schutz des rechtlichen Gehörs bei Verfahrenseinleitung Art. 45 Abs. 1 lit. b ­EuGVVO sieht einen Versagungsgrund für die Anerkennung vor, wo der Beklagte sich im Ursprungsmitgliedstaat nicht effektiv verteidigen konnte. Umfasst sind dabei diejenigen Fälle, bei denen der Betroffene schon im Stadium der Verfahrenseinleitung mangels rechtzeitiger Zustellung der relevanten Schriftstücke an der Verfahrensbeteiligung gehindert wird. Wird sein rechtliches Gehör hingegen in späteren Stadien des Verfahrens verletzt, ist auf dem allgemeinen Versagungsgrund des Art. 45 Abs. 1 lit. a ­EuGVVO zurückzugreifen.47 Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs des Betroffen ist es nicht (mehr) erforderlich, dass das Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt wurde.48 Ein Versagungs 42

Vgl. insbesondere Mitteilung Rat Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG C 12 v. 15.01.2001, S. 1 ff. 43 S. zur Frage der Abschaffung auch des ordre public-Vorbehalts eingehend unten im 6. Kapitel B. II. 1. c). 44 Dazu sogleich im 3. Kapitel C. III. und im 3. Kapitel E. II. 45 S. beispielsweise, aber keineswegs abschließend: Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 45 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 14 ff.; Hess, FS Gottwald, S. 276 ff.; Beaumont / Johnston, IPRax 2010, 105 ff.; Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 34 EuGVO Rn. 11 ff. 46 Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 45 Art. 1 VO (EG) 1215/​ 2012 Rn. 14. 47 Saenger / Dörner, Art. 45 ­EuGVVO Rn. 13; Musielak / Voit / Stadler, Art. 45 ­EuGVVO nF Rn. 6. 48 Entwurf der Kommission v. 14.07.1999, KOM (1999)348 endg., dort zu Art. 41, S. 24 f.; Saenger / Dörner, Art. 45 ­EuGVVO Rn. 19; Musielak / Voit / Stadler, Art. 45 ­EuGVVO nF Rn. 9.

C. Die Versagungsgründe  

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grund wird nur begründet, wenn der Betroffene effektiv nicht im Stande war, sich hinreichend zu verteidigen. Deshalb liegt ein Grund zur Anerkennungsversagung auch nicht vor, wenn sich der Betroffene trotz unzureichender Beteiligungsmöglichkeit im Stadium der Verfahrenseinleitung auf das Verfahren eingelassen oder die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs im Ursprungsmitgliedstaat verstreichen lassen hat.49 3. Art. 45 Abs. 1 lit. c und lit. d ­EuGVVO – Widersprechende Entscheidungen Art. 45 Abs. 1 lit. c und lit. d ­EuGVVO beinhalten Anerkennungsversagungsgründe für den Fall widersprechender Entscheidungen. Lit.  d stellt dabei auf das im europäischen Rechtsraum grundsätzlich herrschende Prioritätsprinzip ab: Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn sie mit einer früheren Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat unvereinbar ist.50 Damit schützt die Vorschrift die Rechtskraft der zuvor ergangenen Entscheidung anderer Staaten, die grundsätzlich bereits dem Erlass einer widersprechenden Entscheidung über denselben Anspruch entgegensteht (handelt es sich um eine Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat gilt beispielsweise Art. 29 ­EuGVVO). Ergeht dennoch eine Entscheidung, ist die zuvor ergangene durch Art. 45 Abs. 1 lit. d ­EuGVVO geschützt. Von diesem Grundsatz weicht lit. c ab. Danach ist eine Entscheidung nicht anzuerkennen, wenn sie mit einer im ersuchten Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung zwischen denselben Parteien unvereinbar ist. Auf den Zeitpunkt des Erlasses der inländischen Entscheidung kommt es dabei nicht an, sodass diese gegenüber ausländischen Entscheidungen unabhängig von der zeitlichen Rangfolge privilegiert wird. Eine tragfähige Begründung für diesen gesonderten Schutz inländischer Entscheidung sucht man vergebens. Insbesondere mit Blick auf die für alle europaweit eingeleiteten Verfahren geltende Regelung der entgegenstehenden Rechtshängigkeit gemäß Art. 29 ­EuGVVO erschließt sich die Sinnhaftigkeit dieser Sonder­ behandlung nicht.51 Art. 29 ­EuGVVO gebietet es dem inländischen Gericht, das Verfahren auszusetzen, wenn wegen desselben Anspruchs bereits ein anderes europäisches Gericht angerufen wurde. Setzt es sich über diese Anweisung (bewusst oder unbewusst) hinweg und ergeht daraufhin eine Entscheidung, hat sie gegenüber 49

Saenger / Dörner, Art. 45 ­EuGVVO Rn. 20 f. S. eingehend zu diesem Versagungsgrund Kummer, FS  Hirsch, S.  129 ff.; Geimer / Schütze /  E .  Peiffer / M.  Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 45 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 53 ff. 50 S. allgemein Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 494 ff.; Schack, IZVR, § 17 Rn. 943 ff. 51 Vgl. Teixeira de Sousa, FS Kaissis, S. 1017, 1018 f. Krit. dazu auch Kropholler, IPR, S. 670; Althammer, FS Kaissis, S. 23, 26 f.; Steger, S. 31 ff.

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3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

einer etwaigen davor getroffenen Entscheidung des anderen mitgliedstaat­lichen Gerichts im Inland wegen Art. 45 Abs. 1 lit. c ­EuGVVO Wirkungsvorrang.52 4. Art. 45 Abs. 1 lit. e ­EuGVVO – Sonderregeln für besonders geschützte Beteiligte In Art. 45 Abs. 1 lit. e E ­ uGVVO findet sich schließlich ein besonderer Versagungsgrund für Entscheidungen, die gegenüber Versicherungsnehmern, Versicherten, Begünstigten eines Versicherungsvertrags, Geschädigten, Verbrauchern oder Arbeitnehmern ergehen. Mitgliedstaatliche Entscheidungen, die entgegen der besonderen und ausschließlichen Zuständigkeitsregelungen insbesondere für Klagen in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen ergehen, sind danach nicht anzuerkennen. Gegenüber der alten EuGVO wird der Versagungsgründekatalog der E ­ uGVVO hier sogar noch erweitert.53 5. Weitere Versagungsgründe Über den Katalog des Art. 45 Abs. 1 hinaus, kennt die ­EuGVVO vereinzelt auch weitere Versagungsgründe: Art. 64 Satz 2 E ­ uGVVO sieht einen Anerkennungsversagungsgrund vor, wenn im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens der Angeklagte nicht persönlich erschienen ist und sich gegen den geltend gemachten Anspruch dementsprechend nicht hinreichend verteidigen konnte. Er ist somit speziellere Ausprägung des Versa­ uGVVO und dient ebenso dem Schutz des gungsgrundes aus Art. 45 Abs. 1 lit. b E rechtlichen Gehörs des Betroffenen. Außerdem werden nach Art. 72 ­EuGVVO  – wie auch bereits nach der alten EuGVO – Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten dann nicht anerkannt, wenn sie von einem zwischen dem ersuchten Mitgliedstaat und einem Drittstaat abgeschlossenen sog. „negativen Vollstreckungsabkommen“ betroffen sind.54

52 Krit. hierzu Freitag, FS Kropholler, S. 759, 761 – er nennt dies „Systembruch“; vgl. auch Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 21 EuVTVO Rn. 3. 53 Vgl. zuvor Art. 35 Abs. 1 EuGVO aF; Hau, MDR 2014, S. 1417, 1418; Hess, FS Gottwald, S. 273, 278. 54 Vgl. zum Ganzen McGuire, S. 189 ff. S. zum Anwendungsbereich des Art. 72 ­EuGVVO: MünchKomm-ZPO / Gottwald, Art. 72 Brüssel Ia-VO Rn. 1 ff.

C. Die Versagungsgründe  

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III. Versagungsgründe der anderen Anerkennungs- und Vollstreckungsverordnungen Auch hinsichtlich der anwendbaren Versagungsgründe lässt sich eine Unterscheidung der weiteren einschlägigen europäischen Verordnungen in die im 2. Kapitel bereits dargestellten Kategorien erkennen. Während sich die Rechtsakte der ersten Generation (sowie das LugÜ) hinsichtlich möglicher Versagungsgründe am Kanon des Art. 45 E ­ uGVVO orientieren und darüber hinaus vereinzelt besondere Versagungsgründe vorgesehen sind (wie z. B. in Art. 23 EuEheVO für die Anerkennung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung),55 weisen die Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation nur noch sehr eingeschränkte Versagungsmöglichkeiten auf. Sie beschränken sich im Wesentlichen auf die Versagung wegen der Unvereinbarkeit mit früheren Entscheidungen (s. hierzu nochmal unten unter E. II.). Insbesondere halten sie keine Möglichkeit der Versagung der Anerkennung wegen Verstoßes gegen den allgemeinen ordre public mehr bereit.56

IV. Besondere Anerkennungsversagungsgründe Grundsätzlich sind darüber hinaus auch weitere – in den Verordnungen nicht explizit festgeschriebene – Gründe denkbar, bei deren Vorliegen die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung ausgeschlossen sein kann. Zunächst sei auf Stimmen hingewiesen, die die Anerkennung bei Verletzung völkerrechtlicher Regeln (beispielsweise der Erlass einer Entscheidung unter Verletzung völkerrechtlicher Immunitäten57) oder bei Verstoß gegen die EMRK58 verweigern wollen. Diese grundlegenden Rechtssätze werden als Teil der nationalen Rechtsordnungen bereits durch die mitgliedstaatlichen ordre public-Vorbehalte geschützt. Ob sie darüber hinaus der Anerkennung auch eigenständig entgegenstehen können, wird also allenfalls in den Konstellationen relevant, in denen der ordre public-Vorbehalt der Anerkennung nicht als Versagungsgrund entgegengehalten werden kann, wie dies in den Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation beispielsweise der Fall ist.59 55

S.  dazu Art. 34 f. LugÜ und hierzu allgemein Walter / Domej, § 10, S, 457 ff.; Art. 22 f. EuEheVO und hierzu statt vieler MünchKomm-FamFG / Gottwald, Art. 22 f. EuEheVO; Art. 24 EuUnterhaltsVO und hierzu MünchKomm-FamFG / Lipp, Art. 24 EG-UntVO Rn. 1 ff.; Art. 40 EuErbVO und hierzu Geimer / Schütze / Franzmann / Schwerin, Int. Rechtsverkehr, Art. 40 ­EuErbVO Rn. 1 ff. Auch die Versagungsgründe in Art. 37 EuGüVO und EuPartVO werden weitestgehend denen der ­EuGVVO entsprechen. 56 Krit. dazu Schack, IZVR, § 18 Rn. 1052 ff.; s. auch eingehend Hüßtege, FS Jayme, S. 371 ff. 57 S. hierzu Hess, EZPR, § 6 Rn. 216 ff. 58 Vgl. hierzu Matscher, ZZP 1990, S. 294, 316 ff. 59 S. zum Anwendungsbereich der EMRK eingehend Weber, S. 49 ff., der sich letztlich wohl gegen eine erneute Überprüfung außerhalb des Versagungsgründekatalogs ausspricht. Zu Versagungsgründen und der EMRK s. auch unten 6. Kapitel B. II. 1. b).

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3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

Die Versagung der Anerkennung mangels Zuständigkeit des Ursprungsgerichts ist in den europäischen Verordnungen nicht vorgesehen, vgl. explizit Art. 45 Abs. 3 ­EuGVVO.60 Wie eingangs bereits dargestellt, hat der europäische Gesetzgeber hierauf aufgrund der weitreichenden Harmonisierung der internationalen Zuständigkeitsregelung innerhalb der Europäischen Union weitestgehend61 verzichtet. Gleiches gilt für das beispielsweise in § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO für das deutsche autonome Recht aufgestellte Prinzip der Gegenseitigkeit. Da grundsätzlich alle Mitgliedstaaten an die Anerkennungsregelungen der europäischen Verordnungen gebunden sind, ist das Bedürfnis eines Versagungsgrundes zur Gewährleistung der reziproken Anerkennung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union entfallen. Auch die Unwirksamkeit der Entscheidung im Ursprungsstaat stellt keinen Versagungsgrund dar. Mangels wirksamer ausländischer Entscheidung gibt es schon keinen Anknüpfungspunkt für eine Wirkungserstreckung auf das Inland. Insoweit steht die Unwirksamkeit der Entscheidung der Anerkennung als Hindernis entgegen.62 Schließlich ist im Einzelfall denkbar, dass die betroffenen Parteien Vereinbarungen über die Nichtgeltendmachung von Versagungsgründen treffen. Hiergegen bestehen jedenfalls solange keine Bedenken, wie keine zwingenden öffentlichen Interessen betroffen sind.63 Im Übrigen können die Bedenken gegen die Privatisierung der Geltendmachung der Versagungsgründe, wie sie oben unter A. I. und A. IV. genannt wurden, auch hier aufgeführt werden.

D. Die Systematik der ­EuGVVO zur Versagung von Anerkennung und Vollstreckung Praktisch bedeutsam ist neben der dogmatischen Konzeption der Anerkennungsversagung auch ihre Umsetzung im System der Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen Anerkennung und Vollstreckung – nicht zuletzt deshalb, weil die fehlende Anerkennung und die fehlende Vollstreckung einer Entscheidung aus dem europäischen Ausland nur noch auf Rüge beachtet wird.64 Nachfolgend sollen daher die Möglichkeiten der Geltendmachung der fehlenden Anerkennung bzw. Vollstreckbarkeit näher begutachtet werden. Im Vordergrund steht dabei zunächst das Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsverfahren nach der ­EuGVVO. Abweichungen und Besonderheiten hinsichtlich der Versa 60

Anders § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für das autonome deutsche Recht. Mit Ausnahme von Art. 45 Abs. 1 lit. e ­EuGVVO. 62 Vgl. Wagner, IPRax, 2002, S. 75, 79; Kropholler, IPR, S. 666. 63 Vgl. Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 1095 ff. 64 S. oben 3. Kapitel A. IV. 61

D. Die Systematik der ­EuGVVO  

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gungsverfahren nach den Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation werden im 4. Kapitel erörtert. Bei der Neuauflage der ­EuGVVO65 hat der europäische Gesetzgeber davon abgesehen, Versagungsgründe gegen Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen vollends abzuschaffen. Auch der Vorschlag, eine zusätzliche Überprüfung der Entscheidung im Ursprungsstaat vornehmen zu können, konnte sich nicht durchsetzen.66 Trotz Abschaffung der Zwischenverfahren für die Vollstreckung aus ausländischen Entscheidungen sollten diese nicht ohne weiteres und ohne jegliche Kontrollmöglichkeit des ersuchten Mitgliedstaates Wirkung entfalten können. Entstanden ist ein „neuer Typus der Urteilsfreizügigkeit“, der versucht, die bisher im Zwischenverfahren angesiedelten Versagungsgründe auf anderem Wege in das Vollstreckungsregime einzubinden.67 So entschied man sich – wie so oft im europäischen Recht – für einen Kompromiss zwischen dem bis dahin verfolgten Ziel der Abschaffung jeglicher Zwischenverfahren und der weiterhin für erforderlich gehaltenen Versagungsmöglichkeit.68 Das Ergebnis ist ein komplexes und wenig durchsichtiges System zur Geltendmachung der vorliegenden oder fehlenden Anerkennung und Vollstreckbarkeit.

I. Allgemeines zur Anerkennungsversagung nach der ­EuGVVO Aufgrund der automatischen Anerkennung (und Vollstreckbarkeit) muss der Schuldner nach der revidierten ­EuGVVO durch Einlegen von Rechtsbehelfen oder der Geltendmachung im Prozess etwa vorliegende Versagungsgründe aktiv vortragen. Ebenso kann aber auch der Gläubiger (etwa aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit) Interesse an einer rechtsverbindlichen Klärung der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung haben, und entsprechende Rechtsbehelfe einlegen oder inzidente Überprüfungen verlangen. Die Versagungsgründe werden nicht von Amts wegen, sondern nur auf Rüge des Betroffenen geprüft. Nach Rüge kann das Gericht aber auch vom Betroffenen nicht geltend gemachte Versagungsgründe prüfen. Die Partei, die sich auf das Vorliegen von Versagungsgründen beruft, hat aber das Vorliegen der zur Bejahung

65 Zu den Rechtsbehelfen der alten EuGVO und ihrer Ausgestaltung in den nationalen Prozessordnungen s. Hess / Pfeiffer / Schlosser / Hess, Brussels I Regulation, S. 147 ff. 66 Vgl. Schramm, YPIL Vol. 15, S. 143, 145, vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 14.12.2010, KOM (2010)748 endg., dort Art. 45. 67 Hess, FS Gottwald, S. 273, 276. 68 Linke / Hau, Rn. 14.25; Hess, FS Gottwald, S. 273, 276. Schütze spricht von einer „Mogelpackung“, da das eigentliche Ziel der unbedingten Urteilsgeltung nicht erreicht sei; Schütze, Rechtsverfolgung, S. 183.

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3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

eines Versagungsgrundes notwendigen Tatsachen darzulegen und im Zweifelsfall zu beweisen.69 Die Anerkennung (und Vollstreckbarkeit) einer ausländischen Entscheidung wird im europäischen Rechtsraum kraft europäischem Anerkennungsbefehl auf alle Mitgliedstaaten erstreckt. Befindet eine staatliche inländische Stelle über die Anerkennung (und Vollstreckbarkeit) einer ausländischen Entscheidung im Inland, so kann sich diese Entscheidung aber immer nur auf die Anerkennung im Staatsgebiet des ersuchten Mitgliedstaates beziehen. Die Beurteilung der Umstände, die einen Versagungsgrund begründen können, unterliegt in den unterschiedlichen Staaten nach den eigenen Rechtsordnungen gegebenenfalls unterschiedlichen Maßstäben und kann daher nicht unionsübergreifend festgestellt werden. Selbst wenn ein unionsübergreifender Maßstab anwendbar wäre, kann die inländische Entscheidung, in der die Anerkennung thematisiert wird, aber nicht über die Grenzen des ersuchten Mitgliedstaates hinausgehen. Das ergibt sich zwingend aus der Entscheidungsgewalt des inländischen Gerichts (oder der inländischen Behörde), die auf das Inland beschränkt ist.70 Welche konkreten Möglichkeiten nach der ­EuGVVO für die Versagung der Anerkennung und der Vollstreckung bestehen, soll nachfolgend erörtert werden. Dabei wird zunächst auf die Versagung der Anerkennung als solche einzugehen sein, bevor anschließend die gesondert geregelte Vollstreckungsversagung thematisiert wird.

II. Anerkennungsversagung Die ­EuGVVO beinhaltet eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie eine Entscheidung über die Anerkennung im Inland herbeigeführt werden kann. Dabei sei nochmals klargestellt, dass eine Überprüfung der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung keinesfalls zwingend ist. Macht der Betroffene die fehlende Anerkennung nicht inzident oder im Rahmen eines selbstständigen Verfahrens geltend, erfolgt eine Prüfung der Versagungsgründe nicht. Grundsätzlich kann die Anerkennung auf zwei Wegen im innerstaatlichen Ver­ uGVVO selbstständige Rechtsbefahren überprüft werden: Zum einen sieht die E helfe zur Feststellung über die vorliegende oder nicht vorliegende Anerkennung vor. Zum anderen kann der Betroffene diese in jedem Verfahren, in dem die Frage 69 Für Art. 46 ­EuGVVO so: Geimer / Schütze /  E .  Peiffer / M.  Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 46 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 9. Das muss für Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO entsprechend gelten. 70 Vgl. Geimer, FS Torggler, S. 311, 333 und ders., IZPR, Rn. 3174q; Zöller / ders., Anh I, Art. 39 ­EuGVVO Rn. 34 f.; a. A. aber Rauscher / Mankowski, Art. 46 Brüssel Ia-VO Rn. 33; ähnlich Schramm, La révision du Règlement 44/2001, S. 59, 86.

D. Die Systematik der ­EuGVVO  

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der Anerkennung als Vorfrage relevant und die Entscheidung im Inland also umgesetzt wird, geltend machen, sodass inzident über sie entschieden wird. 1. Feststellungsklage – Art. 36 Abs. 2 und Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO Das Prinzip der automatischen Anerkennung und ihrer automatischen Versagung führt dazu, dass im Einzelfall zweifelhaft sein kann, ob eine ausländische Entscheidung im Inland anerkannt ist und daher Wirkungen entfalten kann. Um den Parteien die Möglichkeit zu geben, die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland unabhängig von ihrer Relevanz in einem beschleunigten inländischen Verfahren verbindlich feststellen zu lassen, sehen die Art. 36 Abs. 2 und Art. 45 Abs. 4 E ­ uGVVO neben der oben angesprochenen Inzidentanerkennung Feststellungsrechtsbehelfe bezüglich der Anerkennung vor. Auch wenn die Feststellungsmöglichkeit bisher wenig genutzt wurde,71 erscheint die Möglichkeit der abstrakten Entscheidung über die Anerkennung der ausländischen Entscheidung quasi als Gegenpol zur Automatik der Anerkennung und ihrer Versagung zwingend. Nur so bleibt es dem Betroffenen möglich, überhaupt belastbare Aussagen bezüglich der Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung im Inland zu erhalten. a) Positive und negative Feststellung Nach Art. 36 Abs. 2 E ­ uGVVO kann jeder Berechtigte vor dem nach Art. 47 ­ uGVVO zuständigen Gericht die Feststellung beantragen, dass keiner der VerE sagungsgründe gegen die Anerkennung gegeben ist. Dieser positive Feststellungsantrag war bereits in der alten EuGVO vorgesehen und soll Klarheit über die Frage der Anerkennung einer Entscheidung im Inland schaffen. Ob auch die negative Feststellung der fehlenden Anerkennung wegen Vorliegens eines Versagungsgrundes möglich ist, war vor der Reform der ­EuGVVO ­ uGVVO setzt den negativen Feststellungsantrag in umstritten.72 Die revidierte E Art. 38 lit. b nun mehr voraus. Dementsprechend wurde in Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO ein neuer Antrag auf Versagung der Anerkennung kodifiziert, der nach wohl herrschender Meinung einen negativen Feststellungsantrag beinhaltet.73 Für eine

71

Magnus / Mankowski / Wautelet, Brussels Ibis Regulation, Art. 36 Rn. 18. Hierfür: Geimer / Schütze / Geimer, EZVR, Art. 33 VO (EG) Nr. 44/2001 Rn. 85 f.; Geimer, Anerkennung, S. 158; ders., IZPR, Rn. 3013. Hiergegen sprachen sich nach der alten Rechtslage u. a. aus: Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 33 EuGVO Rn. 7; MünchKomm-ZPO / Gottwald, 4. Auflage, Art. 33 EuGVO Rn. 13; Rauscher / L eible, Bearbeitung 2011, Art. 33 Brüssel I-VO Rn.  13; Musielak / Voit / Stadler, 12. Auflage, Art. 33 ­EuGVVO aF Rn. 3. 73 Vgl. Geimer, IZPR, Rn.  3007i  ff.; Geimer / Schütze /  E .  Peiffer / M.  Peiffer, Int. Rechts­ verkehr, Art. 45 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 142; Mes / Schütze, Prozessformularbuch, I. U.10, Rn. 2. 72

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3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

negative Feststellungsklage nach Art. 36 Abs. 2 E ­ uGVVO bleibt damit kein Raum mehr.74 Ein besonderes Feststellungsinteresse wird sowohl für die negative als auch für die positive Feststellung nicht gefordert.75 Für das Verfahren verweisen beide Re­ uGVVO. gelungen auf das Vollstreckungsversagungsverfahren gem. Art. 46 ff. E Das ist insoweit unglücklich, als es sich bei diesem nach herrschender Meinung um ein Gestaltungsverfahren zur Aufhebung der Vollstreckbarkeit handelt,76 ändert aber an der Konzeption der Feststellungsverfahren nichts.77 b) Prüfungsumfang und Inhalt der Feststellungsentscheidung Dass im Rahmen des negativen Feststellungsverfahrens gem. Art. 45 Abs. 4 ­ uGVVO das Vorliegen der Versagungsgründe zu prüfen ist, ergibt sich bereits E ausdrücklich aus dem Wortlaut der Regelung und der systematischen Stellung im unmittelbaren Anschluss zu den aufgezählten Versagungsgründen. Für den positiven Feststellungsantrag gem. Art. 36 Abs. 2 ­EuGVVO ist dies nicht so eindeutig. Vor Abschaffung des Exequaturverfahrens war der Feststellungsantrag gem. Art. 33 Abs. 2 EuGVO dem Vollstreckbarerklärungsverfahren nachempfunden.78 Danach fand die Überprüfung der Versagungsgründe aber erst in zweiter Instanz statt. Bei strikter Beachtung der von der EuGVO zugrunde gelegten Systematik durfte das zuständige Gericht die Versagungsgründe also nicht prüfen. Der Betroffene wäre zur Geltendmachung der Versagungsgründe auf Rechtsbehelfe gegen die Feststellungsentscheidung verwiesen.79 Das kann jedenfalls heute nicht mehr gelten. Der Verweis auf das Vollstreckungsversagungsverfahren bezieht sich insbesondere auf Zuständigkeits- und Rechtsbehelfsregelungen sowie die Festlegung des anwendbaren Prozessrechts.80 Mit Abschaffung des Zwischenverfahrens ist es gerade gewollt, dass bei entsprechendem Antrag eine Entscheidung über das Vorliegen der Anerkennung und damit das Fehlen von Versagungsgründen zeitnah und unmittelbar herbeigeführt wird. Im Rahmen der 74

Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/​ 2012 Rn. 56; Geimer, FS Torggler, S. 311, 322 f., der aber gleichzeitig folgerichtig für die frühere EuGVO und das nach wie vor geltende LugÜ die negative Feststellungsklage nach dieser Vorschrift bejaht. 75 Statt vieler Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 43; Saenger / Dörner, Art. 36 E ­ uGVVO Rn. 12; Musielak / Voit / Stadler, Art. 36 ­EuGVVO nF Rn. 3. 76 S. hierzu noch unten 3. Kapitel D. III. 1.  77 Krit. hierzu auch Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 1100; Geimer, Anerkennung, S.  158; Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 45 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 142. 78 Schack, IZVR, § 17 Rn. 979; Schmehl, S. 108. 79 Simons / Hausmann / Teixeira de Sousa / Hausmann, vor Art. 33–37 Rn. 9 f.; Schmehl, S. 108. 80 Vgl. hierzu die Art. 46–51 ­EuGVVO.

D. Die Systematik der ­EuGVVO  

125

Bescheidung des Feststellungsantrags nach Art. 36 Abs. 2 E ­ uGVVO sind daher die Versagungsgründe zu prüfen. Teilweise wird argumentiert, der Antrag auf Feststellung der vorliegenden bzw. fehlenden Anerkennung müsse die jeweils in Frage stehenden Entscheidungswirkungen einer ausländischen Entscheidung konkret benennen, da sich die Anerkennung derart vollzieht, dass nicht eine Entscheidung als Ganze sondern ihre jeweiligen in Frage stehenden Entscheidungswirkungen anerkannt werden.81 Weder der Wortlaut des Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO noch des Art. 36 Abs. 2 ­EuGVVO geben indes eine derartige Einschränkung her. Eine Eingrenzung auf bestimmte Entscheidungswirkungen sehen beide Vorschriften nicht vor. Sie stellen lediglich allgemein auf die Anerkennung der ausländischen Entscheidung ab. Die Beschränkung der Feststellungsentscheidung auf einzelne Entscheidungswirkungen wäre zwar insoweit technisch sauberer, als tatsächlich lediglich die einzelnen Wirkungen und nicht die Entscheidung pauschal anerkannt wird. Da die Anerkennung der unterschiedlichen Entscheidungswirkungen aber – wie oben bereits gesehen – identische Voraussetzungen, nämlich die Anerkennungsfähigkeit, hat, kann über diese für eine ausländische Entscheidung durchaus umfassend und allgemein entschieden werden.82 Welche Entscheidungswirkungen einer Entscheidung im Einzelfall zukommen, richtet sich nach den Entscheidungswirkungen im Ursprungsmitgliedstaat. Zwar kann es durchaus ratsam sein, den positiven Feststellungsantrag gem. Art. 36 Abs. 2 ­EuGVVO auf konkrete Entscheidungswirkungen auszurichten, damit letztlich eindeutig festgestellt wird, welche Wirkungen der ausländischen Entscheidung aufs Inland erstreckt werden.83 Zwingend notwendig ist das jedoch nicht. Grundsätzlich sind die Feststellungsverfahren der ­EuGVVO auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Anerkennung als solche gerichtet.84 Das ist auch mit Blick auf die – später noch zu erörternde – Bindungswirkung und Aussagekraft einer solchen Entscheidung vorzugswürdig.85

81

Schmehl, S.  108; Geimer / Schütze / Geimer, EZVR, Art. 33 VO (EG) Nr. 44/2001 Rn. 80; ders., JZ 1977, S. 145, 148, 213; in Zöller / ders., ZPO, Art. 36 E ­ uGVVO Rn. 46; vgl. auch Schlosser / Hess / Hess, EuZPR, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 4. 82 S. hierzu oben 2. Kapitel C. IV. 83 Hierfür sprechen sich unter anderem aus Geimer / Schütze /  E .  Peiffer / M.  Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 41; Schlosser / Hess / Hess, EuZPR, Art. 36 ­EuGVVO Rn.  8. 84 So auch MünchKomm-ZPO / Gottwald, 4. Auflage, Art. 33 EuGVO Rn. 11; Geimer / ​ Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 41. 85 S. zu Bindungswirkungen der Feststellungsentscheidungen 5. Kapitel B. II. 1. a).

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3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

2. Inzidente Prüfung der Anerkennung Gemäß dem Anerkennungsbefehl des Art. 36 Abs. 1 E ­ uGVVO erfolgt die Anerkennung automatisch. Das mit einer anzuerkennenden mitgliedstaatlichen Entscheidung befasste Gericht (oder Behörde) muss die Anerkennung nicht explizit aussprechen oder über diese entscheiden.86 a) Inzidente Prüfung und Zwischenfeststellungsklage Auf Rüge eines Betroffenen kann das mit der ausländischen Entscheidung befasste Gericht oder die Behörde die Anerkennung im Rahmen des Verfahrens, in dem die ausländische Entscheidung  – genauer eine Wirkung der ausländischen Entscheidung – im Inland umgesetzt wird, überprüfen. Im Anwendungsbereich der E ­ uGVVO ist dabei unklar, ob sich dies bereits Art. 36 Abs. 1 entnehmen lässt oder sich aus Abs. 3 ergibt. Bedeutung erlangt dies, wenn man Abs. 3 dahingehend interpretiert, dass er neben der Klarstellung, dass die staatlichen Stellen die Anerkennung inzident überprüfen und diese – ohne Bindungswirkung – auch verneinen dürfen (das gilt auch für Behörden, insoweit wäre Abs. 3 zu eng formuliert87), dem jeweiligen angerufenen Gericht zusätzlich die Möglichkeit einräumt, auf Antrag eine zusätzliche Feststellung über die Anerkennung der in Frage stehenden Entscheidung zu treffen. Diese Möglichkeit stünde dann insoweit neben dem Feststellungsantrag nach Art. 36 Abs. 2, als hier die Zuständigkeit für diejenige staatliche Stelle begründet würde, die mit der Frage der Anerkennung der Entscheidungswirkung im Einzelfall befasst ist.88 Diese Interpretation erscheint mit Blick auf die Rechtsunsicherheit, die bezüglich der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung bestehen kann, sachgerecht. Die Parteien können im konkreten Fall ein besonderes Interesse daran haben, die Anerkennung der ausländischen Entscheidung nicht nur als Vorfrage, sondern im Wege einer Zwischenfeststellungsklage bindend klären zu lassen. Art. 36 Abs. 3 E ­ uGVVO kodifiziert damit für diese Fälle die Möglichkeit der Zwischenfeststellung, wie sie nach deutschem Recht gem. § 256 Abs. 2 ZPO bekannt ist, auf europäischer Ebene.89 Dieses Verständnis wird auch vom Wortlaut der 86

S. hierzu eingehend 2. Kapitel A. IV. 3. e). Zöller / Geimer, Anh I, Art. 36 E ­ uGVVO Rn. 34; ders., IZPR, Rn. 2756g; so auch Magnus / Mankowski / Wautelet, Brussels Ibis Regulation, Art. 36 Rn. 26; MünchKomm-ZPO / Gottwald, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 30. 88 Hierfür sprechen sich aus Thomas / P utzo / Hüßtege, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 11; Schlosser / Hess / Hess, EuZPR, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 10; Rauscher / L eible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn.  20; Kindl / Meller-Hannich / Wolf / Mäsch, Art. 33 Brüssel I-VO Rn. 13,20; Musielak / ​ Voit / Stadler, Art. 36 ­EuGVVO nF Rn. 5. 89 Vgl. u. a. Geimer / Schütze /  E .  Peiffer / M.  Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 57 ff. Mit zusätzlichem Verweis auf § 256 ZPO: MünchKomm-ZPO / Gott 87

D. Die Systematik der ­EuGVVO  

127

englischen und französischen Version des Art. 36 Abs. 3 E ­ uGVVO unterstützt, der deutlich die Bedeutung des Abs. 3 als Zuständigkeitsregelung hervorhebt.90 Dass dies vom europäischen Gesetzgeber so gewollt war, zeigt überdies ein Blick auf Art. 36 Abs. 3 der seit 2019 geltenden EuGüVO und EuPartVO. Während im Vor­ uGVVO schlag der Kommission Absatz 3 noch dem Wortlaut des Art. 36 Abs. 3 E entsprach,91 fand die Regelung letztlich dergestalt klarstellend Eingang in den Verordnungstext, dass das Gericht, vor dem die Anerkennung verlangt wird, weil die von diesem Gericht zu treffende Entscheidung hiervon abhängt, „für die Entscheidung über die Anerkennung zuständig“ ist. Die Möglichkeit der inzidenten Überprüfung und die Möglichkeit, die (fehlende)  Anerkennung in einem selbstständigen Feststellungsverfahren klären zu lassen, stehen grundsätzlich nebeneinander. Es ist letztlich Sache des Betroffenen, zu entscheiden, ob und welche Maßnahme er mit Blick auf ihre Durchführung und die damit einhergehenden Rechtsfolgen einleiten möchte. b) Exkurs: Verhältnis der inzidenten Prüfung zu Vollstreckungsrechtsbehelfen nach nationalem Recht An dieser Stelle sei auf eine erste Unklarheit im Hinblick auf das Verhältnis von Anerkennung und Vollstreckung nach dem System der revidierten ­EuGVVO hingewiesen, die zeigt, dass bereits das Rechtsbehelfssystem der E ­ uGVVO selbst den sauberen Umgang mit Anerkennung und Vollstreckung nicht (mehr) gewährleisten kann. Probleme können sich dort ergeben, wo es Anwendungsüberschneidungen zwischen der nach der ­EuGVVO vorgesehenen inzidenten Prüfungsmöglichkeit und den nationalen Vollstreckungsrechtsbehelfen gibt. Die Überprüfung der Anerkennungsfähigkeit und die Feststellung der Nichtanerkennung ist grundsätzlich in jedem Verfahren inzident möglich. Im Rahmen der nationalen Rechtsbehelfe kann der Schuldner die fehlende Anerkennung inzident geltend machen. Gegebenenfalls wird man wohl sogar davon ausgehen müssen, dass ihn bezüglich der Geltendmachung sogar eine Obliegenheit trifft. Denn macht er das Vorliegen von wald, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 30 f.; Saenger / Dörner, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 13; Schlosser / Hess / Hess, EuZPR, Art. 36 E ­ uGVVO Rn. 10; Thomas / P utzo / Hüßtege, Art. 36 E ­ uGVVO Rn. 11. 90 So heißt es in der englischen Version: „If the outcome of proceedings in a court of a Member State depends on the determination of an incidental question of refusal of recognition, that court shall have jurisdiction over that question“ und in der französischen Version: „Si le refus de reconnaissance est invoqué de façon incidente devant une juridiction d’un État membre, celle-ci est compétente pour en connaître“; vgl. dazu Prütting / Gehrlein / Schinkels, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 6. 91 Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterrechts v. 02.03.2016, COM (2016)106 final, S. 37.

128

3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

Versagungsgründen nicht geltend, obwohl das inzident möglich wäre, stellt sich die Frage, ob er sie im Nachhinein überhaupt noch geltend machen kann oder hiermit nicht aufgrund der nicht genutzten Rügemöglichkeit präkludiert ist.92 Dass dies im Vollstreckungsverfahren im Rahmen von Rechtsbehelfen gegen Vollstreckungsmaßnahmen (in Deutschland also im Rahmen einer Vollstreckungs- oder Titelgegenklage)  anders sein soll, weil ansonsten das Rechtsbehelfssystem der ­EuGVVO umgangen würde, ist weder den Regelungen der E ­ uGVVO zu entnehmen, noch aus konzeptionellen Gründen angezeigt.93 Anders beurteilte dies der EuGH noch für die Fälle, in denen der Schuldner sich gegen die Erteilung eines Exequaturs mit einem fristgebundenen Rechtsbehelf wehren und so die Vollstreckbarkeit im ersuchten Mitgliedstaat beseitigen konnte.94 In diesem Fall würde das europäische Rechtsbehelfssystem gegen die Erteilung des Exequaturs und die hiernach „strikt einzuhaltende Frist“ umgangen, sodass sich der Schuldner nach Ablauf dieser Frist nicht mehr im Wege der Vollstreckungsgegenklage auf die fehlende Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung berufen dürfe.95 Eine solche Frist kennt die reformierte ­EuGVVO indes nicht mehr. Vor Durchführung der Zwangsvollstreckung bedarf es keiner Umsetzungsmaßnahme mehr, an deren Bestand sich die Präklusion der Geltendmachung von Versagungsgründen orientieren könnte. Ob die inzidente Prüfung der Anerkennung (im Vollstreckungsverfahren) dennoch unter Umständen präkludiert sein kann, wird unten im 5. Kapitel B. thematisiert werden. Sie ist im Vollstreckungsverfahren aber jedenfalls nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die inzidente Geltendmachung der Versagungsgründe innerhalb eines anderen Verfahrens ist von der ­EuGVVO gerade gewollt und vorausgesetzt. Dem in seinem Heimatmitgliedstaat der Vollstreckung ausgesetzten Vollstreckungsschuldner kann durchaus auch daran gelegen sein, gegen die Vollstreckung nach den ihm nach seinem Prozessrecht bekannten Vollstreckungsrechtsbehelfen vorzugehen und innerhalb dieser weitere, auf dem grenzüberschreitenden Charakter des Vollstreckungstitels fußende, Gründe gegen die Vollstreckung geltend zu machen. Dem Vollstreckungsschuldner steht also jedenfalls nach deutschem Zivilprozessrecht offen, statt des Antrags nach Art. 46 ­EuGVVO auch Vollstreckungsgegenklage zu erheben und dort inzident die fehlende Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung geltend zu machen.

92

S. zu dieser Problematik unten 5. Kapitel B. I. Genau genommen müsste wohl selbst der Gerichtsvollzieher nach deutschem Zwangsvollstreckungsrecht die Anerkennung der Entscheidung – auf Rüge eines Beteiligten – überprüfen, da bei fehlender Anerkennung die Vollstreckbarkeit und damit der Titel als wesentliche Voraussetzung der Vollstreckbarkeit fehlt. 94 Vgl. nur Art. 43 Abs. 5 EuGVO, wonach der Schuldner innerhalb eines Monats nach Zustellung des Exequaturs hiergegen vorgehen konnte. 95 EuGH, Urteil v. 04.02.1988, Rs. 145/86, NJW 1989, S. 663 Rn. 9 f. 93

D. Die Systematik der ­EuGVVO  

129

III. Das Verhältnis zwischen Anerkennungsversagung und Vollstreckungsversagung Gegenüber der Anerkennung als solcher hat die Vollstreckbarkeit in der aktuellen ­EuGVVO nach wie vor eine Sonderstellung inne. Als einzige der Urteilswirkungen ist für die Vollstreckbarkeit ihre automatische Geltung (Art. 39 ­EuGVVO) und ihre Versagung (Art.  46 ­EuGVVO) eigenständig geregelt. Dies wird der praktischen Relevanz der Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung im Gegensatz zu deren Anerkennung als solche96 gerecht und entspricht auch der historischen Konzeption des Verhältnisses von Anerkennung und Vollstreckung. Gleichwohl erscheint dies überraschend, ist die Unterscheidung der Vollstreckungs- von den anderen Entscheidungswirkungen mit Abschaffung des Exequaturverfahrens doch entfallen. 1. Beseitigung der Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung? Art. 46 E ­ uGVVO stellt in der Systematik der Anerkennung und Vollstreckung nach der revidierten ­EuGVVO einen Sonderfall dar. Vor Abschaffung des Exequaturverfahrens war der selbstständige Rechtsbehelf im Exequaturverfahren gegen das Exequatur notwendig, um dieses zu beseitigen. Nachdem das Exequaturverfahren entfallen ist, hielt der Verordnungsgeber an der separaten Vollstreckungsversagung fest. Größtenteils wird davon ausgegangen, dass es sich dabei nach wie vor um ein gestaltendes Verfahren handelt, bei dem der mitgliedstaatlichen Entscheidung die Vollstreckbarkeit genommen wird.97 Was genau nach Abschaffung des Exequaturs hier beseitigt werden soll und wie dies – insbesondere mit Blick auf das Verhältnis zur Anerkennung – dogmatisch einzuordnen ist, wird indes an keiner Stelle thematisiert. Mit Blick auf das Verhältnis der Vollstreckbarkeit zur Anerkennung, wie es oben im 2. Kapitel B. herausgearbeitet wurde, stellt sich insbesondere die Frage, welche Funktion der Vollstreckungsversagung im neuen System der Anerkennung und Vollstre­ uGVVO zukommen soll und warum die Versagung der Vollstreckckung der E barkeit überhaupt noch anders gehandhabt werden sollte als die der anderen Anerkennungswirkungen.98 96

Ein Leistungsurteil ist im Zweifel wertlos, wenn es nicht vollstreckt werden kann; vgl. Schramm, YPIL Vol. 15, S. 143, 144. 97 Hau, MDR 2014, S. 1417, 1419. Linke / Hau, Rn. 14.23; Geimer, IZPR, Rn. 3174n; ders., FS  Torggler, S. 311, 332; Pohl, IPRax  2013, S. 109, 112; Entwurf der Bundesregierung zu Durchführungsvorschriften für die revidierte ­EuGVVO, BT-Drucks. 18/823, S. 22. 98 Dass die Versagung der Vollstreckung und der Anerkennung eigentlich nicht getrennt voneinander begutachtet werden können, stellt auch Hau, MDR 2014, S. 1417, 1419 fest und schließt daraus, dass neben dem Antrag nach Art. 46 ­EuGVVO auch immer gleichzeitig der Antrag auf Feststellung der Anerkennungsversagung zu stellen sei.

130

3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

Im Ansatzpunkt ist davon auszugehen, dass Anerkennungs- und Vollstreckungsversagung weitestgehend nach den gleichen Regeln ablaufen. Die E ­ uGVVO verweist für die Anerkennungsversagung auf die Regeln für die Vollstreckungsversagung, Art. 45 Abs. 4 E ­ uGVVO, die wiederum die Prüfung der Anerkennungsversagungsgründe zum Gegenstand hat. Dementsprechend muss für die Versagung der Vollstreckbarkeit ebenso, wie für die Versagung aller anderen Entscheidungswirkungen, von der oben dargelegten Prämisse ausgegangen werden: Ob Versagungsgründe der Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung entgegenstehen, steht im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung im Ursprungsstaat fest.99 Würde diese Grundkonzeption konsequent umgesetzt, so müsste in einem später gegebenenfalls durchgeführten Vollstreckungsversagungsverfahren lediglich die fehlende Vollstreckbarkeit festgestellt werden. So ließe sich auch die Ausgestaltung der Vollstreckungsversagungsmöglichkeiten der weiteren europäischen Rechtsakte der zweiten Generation interpretieren. Dort wird die Vollstreckung der ausländischen Entscheidungen nicht etwa versagt, sondern abgelehnt bzw. verweigert, wenn einer der eingeschränkten Versagungsgründe vorliegt.100 Dass die zuständige staatliche Stelle die zunächst vorliegende Vollstreckbarkeit der Entscheidung beseitigen muss, drängt sich hier nicht auf. Der Wortlaut deutet hier vielmehr darauf hin, dass nach der Vorstellung des europäischen Gesetzgebers nur das Vorliegen der bereits eingetretenen Vollstreckbarkeit geprüft wird. Selbstverständlich findet, wie auch bei den Entscheidungen über die Anerkennungsversagung, eine Anerkennung der Entscheidung nach Art. 46 f. ­EuGVVO nicht statt.101 2. Das Verhältnis zwischen der Vollstreckungsversagung nach Art. 46 und der Anerkennungsversagung nach Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO Während die Vollstreckungsversagung nach der alten EuGVO gegen die inländische Exequaturentscheidung gerichtet war, richtete sich die Anerkennungsversagung gegen die Wirkung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland selbst. Beseitigung der Vollstreckbarkeit und Feststellung der (fehlenden) Anerkennung waren auf unterschiedliche Verfahrensziele gerichtet.102

99

S. hierzu 3. Kapitel A. Vgl. Art. 21 Abs. 1 EuVTVO („verweigert“); Art. 22 Abs. 1 EuMahnVO („verweigert“); Art. 22 Abs. 1 EuGFVO („abgelehnt“). 101 Geimer, FS Torggler, S. 311, 329. 102 Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 1108. 100

D. Die Systematik der ­EuGVVO  

131

a) Legitimation der eigenständigen Vollstreckungsversagung? Das gilt so heute nicht mehr. Sowohl Anerkennungs- als auch Vollstreckungsversagung beinhalten heute im Kern lediglich noch die inhaltsgleiche Prüfung, ob der Vollstreckbarkeit bzw. Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung Versagungsgründe entgegenstehen. Dabei wird inhaltsgleich das Vorliegen eines Versagungsgrundes nach Art. 45 Abs. 1 ­EuGVVO geprüft.103 Liegt ein Anerken­ uGVVO vernungsversagungsgrund vor, so wird die Vollstreckung nach Art. 46 E sagt. Das Vorliegen eines Versagungsgrundes und damit die fehlende Anerkennung ist damit zwar nicht selbst Inhalt der danach ergehenden Entscheidung, aber ausschlaggebendes Kriterium. Dem entspricht auch die deutsche Umsetzung der Ausführungsbestimmungen zu den Rechtsbehelfen der E ­ uGVVO. Die Regelung des § 1115 ZPO findet auf Anerkennungs- und Vollstreckungsversagung gleichermaßen Anwendung – differenziert wird dabei nicht. Ausgehend von diesen Überlegungen scheint die Rechtfertigung für zwei separate und eigenständige Rechtsbehelfe gegen Anerkennung und Vollstreckung entfallen zu sein. Mit der Abschaffung des Exequaturverfahrens stellt die Vollstreckbarkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Zweitstaat lediglich eine weitere Wirkung der Entscheidung dar, die auf den Zweitstaat erstreckt wird. Eine zusätzliche „Zwischenmaßnahme“, die die Vollstreckung ermöglicht und die es daher zusätzlich zu beseitigen gilt, liegt nicht mehr vor. Wenn die Vollstreckbarkeit aber lediglich ein weiterer Ausfluss der Anerkennung der Entscheidung ist, scheint nicht ersichtlich, weswegen die Vollstreckung trotz identischer Prüfungspunkte eigenständig versagt werden können soll, während für alle anderen Fälle die Anerkennungsversagung geltend gemacht werden kann. Mit anderen Worten: Grundsätzlich steht es dem Vollstreckungsschuldner offen, Antrag auf Versagung der Anerkennung nach Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO zu stellen, bei dessen Erfolg die Nichtanerkennung feststeht. Eine nicht anerkannte Entscheidung entfaltet aber grundsätzlich keine Wirkung. Ist die Nichtanerkennung bindend festgestellt, so sind auch die Gerichte und Vollstreckungsorgane bei der Vollstreckung der mitgliedstaatlichen Entscheidung hieran gebunden.104

103 Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 46 Art. 1 VO (EG) 1215/​ 2012 Rn. 3. 104 Die ­EuGVVO sieht zum Schutze des Schuldners bei seinem Vorgehen gegen die Vollstreckung durch den Gläubiger in Art. 44 Abs. 1 ­EuGVVO Aussetzungsmöglichkeiten derzeit nur für die Fälle vor, in denen der Schuldner einen Rechtsbehelf gemäß Art. 46 E ­ uGVVO gegen die Vollstreckbarkeit erhebt. Richtigerweise müssen nach dem oben Gesagten diese Schutzmaßnahmen aber auch dann beantragt werden können, wenn der Schuldner lediglich gegen die Anerkennung (gem. Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO) vorgeht.

132

3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

b) Beseitigung der Vollstreckbarkeit neben der Anerkennungsversagung Dass die eigenständige Vollstreckungsversagung neben der Anerkennungs­ versagung dennoch weiter Bestand haben sollte, kann sich nach alledem allenfalls aus der besonderen Schutzwürdigkeit des Vollstreckungsschuldners im Vollstreckungsverfahren ergeben. Der Vollstreckungsschuldner ist durch den mitgliedstaatlichen Titel, der gegen ihn besteht, im Fall der Vollstreckung eines Leistungsurteils unmittelbar dem Zugriff auf sein Vermögen durch hoheitliche Maßnahmen ausgesetzt. Steht der Vollstreckung aus dem mitgliedstaatlichen Titel im ersuchten Mitgliedstaat entgegen, dass dieser aufgrund Vorliegens eines Versagungsgrundes nicht anerkannt ist und daher keinerlei Wirkung entfaltet, entbehrt er mangels Anerkennung jeglicher Wirkungen im Zweitstaat und stellt ein „rechtliches Nullum“ dar. Er kann allenfalls tatsächliche Wirkungen als Beweistatsache entfalten.105 Dass er dem äußeren Erscheinungsbild nach als Titel für die Zwangsvollstreckung im Zweitstaat in Betracht kommt, ändert an dieser Einschätzung zunächst nichts. Allein der Umstand, dass er tatsächlich Grundlage der Zwangsvollstreckung sein kann, genügt nicht, um ihm eine rechtliche Bedeutung zu verleihen. In der Terminologie des deutschen Zivilprozessrechts kann hier von einer wirkungslosen Entscheidung gesprochen werden.106 Dass diese im Zweitstaat mangels Anerkennung keine Wirkung entfaltet und daher auch nicht vollstreckbar ist, ist aber nicht ohne weiteres ersichtlich und wird auch nicht von Amts wegen geprüft.107 Der Vollstreckungsschuldner könnte demnach trotz Wirkungslosigkeit der Entscheidung ein berechtigtes Interesse daran haben, im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens die jedenfalls nach dem äußeren Erscheinungsbild bestehende Vollstreckbarkeit der nicht anerkannten Entscheidung zu beseitigen. Im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen stellt die ­EuGVVO hierfür einen Rechtsbehelf bereit: In Art. 45 ­EuGVVO sieht sie eine spezielle Feststellungsklage auf Feststellung der Nichtanerkennung (und damit gleichsam der Wirkungslosigkeit) vor, die dem Schuldner ermöglicht, die fehlende Anerkennung und somit die fehlende Vollstreckbarkeit geltend zu machen. Dieses Feststellungsurteil kann wiederum der Vollstreckung entgegengehalten werden – im deutschen Zwangsvollstreckungsverfahren108 beispielsweise

105

S. dazu bereits oben 2. Kap., Fn. 77. Jauernig, S. 4 f., der unterscheidet zwischen Nichturteilen, die selbst dem äußeren Tatbestand keine Urteile darstellen, wirkungslosen bzw. wirkungsgeminderten Urteilen und lediglich fehlerhaften, aber dennoch wirksamen Urteilen. 107 S. oben unter 3. Kapitel A. IV. 108 Gemäß Art. 41 Abs. 2 ­EuGVVO gilt auch für die Verweigerung und Aussetzung der Vollstreckung das Recht des ersuchten Mitgliedstaates. 106

D. Die Systematik der ­EuGVVO  

133

gemäß §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO.109 Die Vollstreckungsorgane sind in diesem Fall an das Urteil gebunden und eine Vollstreckung aus dem Titel ist untersagt. Damit gewährt der Feststellungsantrag nach Art. 45 Abs. 4 E ­ uGVVO dem Vollstreckungsschuldner aber grundsätzlich hinreichenden Rechtsschutz im Vollstreckungsverfahren. Ein Rechtsbehelf, der die Vollstreckbarkeit durch gestaltendes Urteil beseitigt, scheint daneben nicht notwendig.110 Genau einen solchen Rechtsbehelf stellt die E ­ uGVVO in Art. 46 aber mit der Vollstreckungsversagung bereit.111 Nachdem das Exequaturverfahren abgeschafft wurde, wird sie jedenfalls als actus contrarius zur Vollstreckbarerklärung nicht mehr benötigt. Eine Beseitigung der ohnehin nicht bestehenden Vollstreckbarkeit ist nicht notwendig. Im Wege einer Gestaltungsklage zur Beseitigung der Vollstreckbarkeit, wie sie in Art. 46 ­EuGVVO vorgesehen ist, kann damit allenfalls der Rechtsschein der Vollstreckbarkeit beseitigt werden, der durch das tatsächliche Vorliegen einer dem äußeren Erscheinungsbild nach vollstreckbaren mitgliedstaatlichen Entscheidung gesetzt wird. Ein Bedürfnis für einen solchen zusätzlichen Rechtsbehelf gibt es indes nicht, denn in diesen Fällen bleibt es dem Schuldner möglich, die Anerkennung gemäß Art. 45 Abs. 4 E ­ uGVVO oder inzident versagen zu lassen. Die Vollstreckungsversagung bringt dem Schuldner daneben weder rechtlich noch mit Blick auf Effektivität und Schnelligkeit des Rechtsschutzes Vorteile. c) Zwischenergebnis Die Reformierung des europäischen Zivilprozessrechts und die Abschaffung des Exequaturverfahrens haben das Rechtsbehelfssystem der ­EuGVVO überholt. Der europäische Gesetzgeber stellt mit der Vollstreckungsversagung einen nun mehr überflüssigen Rechtsbehelf bereit. Nach wie vor wird nach Art. 46 E ­ uGVVO im Erfolgsfall die (nicht vorhandene) Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung durch Gestaltung beseitigt. Auch hier hätte der europäische Gesetzgeber eine Anpassung vornehmen müssen. Dass er dies nicht getan hat, zeigt anschaulich, dass er das Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung, wie es sich nach der Konzeption der revidierten ­EuGVVO darstellt, nicht vollends durchdrungen hat. Mit der Gleichstellung der Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen mit anderen Entscheidungswirkungen hinsichtlich ihrer automatischen Anerkennung hat die Vollstreckungsversagung neben der Anerkennungsversagung keinen eigenen Anwendungsbereich mehr. Allenfalls vermag die Vollstreckungsversagung den Rechtsschein der Vollstreckbarkeit zu beseitigen. Wie oben gesehen, hat der Schuldner gegenüber der Anerkennungsversagung hierdurch aber keine Vorteile. 109

Die Feststellung der Nichtigkeit eines Urteils steht der Aufhebung eines Urteils gleich; vgl. MünchKomm-ZPO / Schmidt / Brinkmann, § 775 Rn.  12; Thomas / P utzo / Seiler, § 775 Rn. 5; vgl. Kindl / Meller-Hannich / Wolf / Handke, § 775 ZPO Rn. 10. 110 So liest sich auch Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap. IV Rn. 111. 111 S. oben 3. Kapitel D. III. 1. 

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3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

Nach Abschaffung des Zwischenverfahrens ist die Beibehaltung beider Rechtsbehelfe nach Art. 45 Abs. 4 und Art. 46 ­EuGVVO überflüssig und verwirrend. In der Literatur wird vermehrt davon ausgegangen, dass nach Zustellung der Vollstreckbarkeitsbescheinigung gemäß Art. 43 E ­ uGVVO die Vollstreckungsversagung nach Art. 46 ­EuGVVO der Anerkennungsversagung vorgeht.112 Will man die Vollstreckungsversagung in ihrem Anwendungsbereich nicht leerlaufen lassen, ist dies konsequent. Ab Zustellung der Vollstreckbarbescheinigung ist das Vollstreckungsverfahren eingeleitet und Art. 46 ­EuGVVO stellt (ohne zusätzliche Anforderungen zu statuieren) dem Wortlaut nach für die Geltendmachung der Versagungsgründe im Rahmen der Vollstreckung der ausländischen Entscheidung lex specialis dar. Soweit es allerdings auch nach Einleitung des Vollstreckungsverfahrens auf andere Wirkungen der Entscheidung ankommt, hilft Art. 46 ­EuGVVO nicht weiter und der Schuldner ist auf die Anerkennungsversagung nach Art. 45 Abs. 4 E ­ uGVVO verwiesen. Eine Legitimation für den zusätzlichen Rechtsbehelf im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ergibt sich auch hieraus nicht.

E. Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht außerhalb der ­EuGVVO Auch hinsichtlich der Anerkennungsversagung unterscheiden sich die oben bereits angesprochenen Kategorien europäischer Rechtsakte.

I. Rechtsakte der ersten Generation Diejenigen Rechtsakte, bei denen weiterhin ein Vollstreckbarerklärungsverfahren notwendig ist,113 entsprechen ihrem Verfahren der Anerkennungs- und Vollstreckungsversagung nach der Systematik, wie sie die alte EuGVO kannte. Die Überprüfung auf Vorliegen von Versagungsgründen im Vollstreckbarerklärungsverfahren erfolgt zumeist, wie nach der alten EuGVO, erst in zweiter Instanz.114 Beantragt der Vollstreckungsgläubiger die Vollstreckbarerklärung, muss der Schuld­ner diese abwarten und mit Rechtsbehelf gegen die erteilte Vollstreckbarerklärung etwaige Versagungsgründe geltend machen. Im Umkehrschluss kann eine Inzidentprüfung im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht möglich sein. Eine Ausnahme stellt die EuEheVO dar. Gemäß ihres Art. 31 Abs. 2 sind die 112

Saenger / Dörner, Art. 45 ­EuGVVO Rn. 33; Thomas / P utzo / Hüßtege, Art. 46 E ­ uGVVO Rn. 3. Sie soll aber auch schon vor der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen durch den Gläubiger möglich sein, vgl. Schramm, La révision du Règlement 44/2001, S. 59, 86. 113 S. die Ausführungen oben 2. Kapitel A. V. 4. 114 Für die genaue Ausgestaltung und die Systematik sei auf die entsprechende Kommentarliteratur zu den jeweiligen Regelungen verwiesen.

E. Anerkennungsversagung außerhalb der ­EuGVVO

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Versagungs­gründe hier von Amts wegen im Rahmen der Vollstreckbarerklärung zu prüfen. Gleiches gilt auch nach autonomem deutschem Recht: Versagungsgründe werden im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens gemäß § 723 Abs. 2 ZPO von Amts wegen berücksichtigt. Die Versagung der Anerkennung kann jeweils inzident oder im Wege der Feststellung geltend gemacht werden. Das Anerkennungsfeststellungsverfahren richtet sich dabei nach den jeweiligen Regelungen zur Vollstreckbarerklärung.115 Während gemäß §§ 21 Abs. 3, 31 Abs. 2 EuEheVO die Versagungsgründe im Rahmen des Feststellungsverfahrens somit von Amts wegen geprüft werden, findet nach dem soeben Gesagten im Übrigen eine Überprüfung des Vorliegens von Versagungsgründen frühestens im Rechtsbehelfsverfahren statt.116 Ob dies vom europäischen Gesetzgeber so gewollt war, ist indes fraglich, dient die Bereitstellung eines Feststellungsrechtsbehelfs ja gerade der Klärung der festzustellenden Frage. Dass dies nicht das richtige Ergebnis sein kann, zeigt auch die Tatsache, dass im Rahmen dieses Feststellungsrechtsbehelfs auch ein negativer Antrag auf Feststellung der fehlenden Anerkennung gestellt werden kann.117 Die exakte Anwendung der Regelungen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens würden hier dazu führen, dass der Antrag des Betroffenen zunächst abgelehnt werden müsste, weil die Versagungsgründe in erster Instanz nicht geprüft werden dürfen, und er erst im anschließenden Rechtsbehelfsverfahren die Versagungsgründe geltend machen könnte. Dies erscheint schon allein aus prozessökonomischen Gründen wenig sinnvoll. Hinzu kommt, dass es dem Betroffenen unbenommen bliebe, im Rahmen eines anderen Verfahrens die Vorfrage der Anerkennung der ausländischen Entscheidung im Wege der Inzidentprüfung durchaus direkt überprüfen zu lassen. Entgegen der augenscheinlichen Konzeption der Verordnungen muss daher unterstellt werden, dass im Rahmen des Feststellungsantrags die Anerkennungsversagungsgründe bereits in erster Instanz (auf Rüge) zu prüfen sind.

115 Vgl. z. B. Art. 36 Abs. 2 EuPartVO und EuGüVO wo es heißt: „Jede Partei, die die Anerkennung einer Entscheidung zu einem zentralen Element des Streitgegenstands macht, kann in den Verfahren der Artikel 44 bis 57 die Anerkennung der Entscheidung beantragen.“ 116 Vgl. Simons / Hausmann / Teixeira de Sousa / Hausmann, vor Art. 33–37 Rn. 9 f.; Schmehl, S. 108. 117 Vgl. Kindl / Meller-Hannich / Wolf / Neumayr, Art. 23 EuUntVO Rn. 7; Gruber, IPRax 2010, S. 128, 136; a. A. etwa Prütting / Helms / Hau, Anhang 3 zu § 110 Rn. 114. S. auch die entsprechenden Meinungen zum gleichlautenden Art. 33 EuGVO: 2. Kap., Fn. 72.

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3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

II. Rechtsakte der zweiten Generation Anders verhält es sich bei den weiteren Verordnungen der zweiten Generation. Im Zuge der fortlaufenden Integration auch auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit hat der europäische Gesetzgeber Verordnungen erlassen, die – mehr noch als die revidierte E ­ uGVVO – einen Systemwechsel im europäischen Zivilprozessrecht einläuten. Trotz größtenteils überschneidenden sachlichen Anwendungsbereichs weisen ihre Regelungen im Vergleich zur ­EuGVVO erhebliche Abweichungen auf. Praktische besonders relevante und grundlegendste Änderung ist der weitgehende Verzicht auf Versagungsgründe im Rahmen dieser Rechtsakte.118 Im Wesentlichen kommt nur noch eine Vollstreckungsversagung bei Vorliegen entgegenstehender früherer Entscheidungen in Betracht. Dem Wortlaut der entsprechenden Regelungen nach richtet sich diese außerdem nur gegen die Vollstreckung und nicht gegen die Anerkennung. Mangels Vollstreckbarerklärungsverfahren müssen die Versagungsgründe hier mit Rechtsbehelf geltend gemacht werden. Art. 5 EuVTVO lässt sich entnehmen, dass die Anerkennung des europäischen Vollstreckungstitels nicht angefochten werden kann. Gemäß Art. 21 EuVTVO darf die Vollstreckung aus einem europäischen Vollstreckungstitel nur noch versagt werden, wenn die bestätigte Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist und diese weitere in der Vorschrift genannte Voraussetzungen erfüllt. Erstmals verzichtete der europäische Gesetzgeber hier insbesondere auf die Möglichkeit, einen ordre public-Verstoß im ersuchten Mitgliedstaat geltend zu machen.119 Gleiches gilt für die EuUnterhaltsVO, soweit es um Entscheidungen aus Mitgliedstaaten geht, die an das Haager Unterhaltsprotokoll von 2007 gebunden sind. Gemäß Art. 17 Abs.1 ist die Anerkennung unanfechtbar. Die Vollstreckung kann gemäß Art. 21 lediglich aufgrund entgegenstehender Entscheidungen versagt werden. Auch nach Art. 19 EuMahnVO und Art. 20 EuGFVO ist die Anerkennung unanfechtbar. Gemäß Art. 22 der beiden Verordnungen kann die Vollstreckung lediglich wegen entgegenstehender anderweitiger Entscheidungen versagt werden. Die eingeschränkten Versagungsmöglichkeiten werden in den unterschiedlichen Vollstreckungsverordnungen teilweise durch besonders ausgestaltete Verfahrensmaßstäbe kompensiert. Den Regelungen dieser Verordnungen und der systematischen Fallstricke, die sich hier ergeben, wird unten im 4. Kapitel ein eigenes Kapitel gewidmet. 118

Vgl. dazu Oberhammer, JBl. 2006, S. 477 f. Coester-Waltjen, FS Beys, S. 192, 193; Stadler, IPRax 2004, S. 2, 6 ff.; Kohler, Systemwechsel, S. 147, 156 ff. 119

F. Zusammenfassung  

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F. Zusammenfassung  Das europäische Zivilprozessrecht sieht nach wie vor Gründe vor, bei deren Vorliegen die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat versagt wird. Dabei geht es einerseits vor allem um Situationen, in denen die ausländische Entscheidung mit einer inländischen Entscheidung konkurriert. Zum Schutze der eigenen inländischen Rechtsordnung verzichtet jeden­ uGVVO außerdem (noch) nicht auf einen ordre public-Vorbehalt, mit falls die E dem mitgliedstaatliche Entscheidungen, die mit der eigenen Rechtsordnung in grundlegendem Widerspruch stehen, der Wirkungserstreckung auf das Inland entzogen werden. Die Versagung der Anerkennung erfolgt, wie auch die Anerkennung selbst, automatisch. Anders formuliert: Grundsätzlich120steht im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat – automatisch – fest, ob diese in einem (potentiellen) ersuchten Mitgliedstaat anerkennungsfähig und damit anerkannt ist oder nicht. Dennoch wird das Eingreifen eines Versagungsgrundes nicht jedes Mal von Amts wegen geprüft, wenn eine mitgliedstaatliche Entscheidung im Inland umgesetzt wird, sondern lediglich auf Rüge des Betroffenen. Das ändert indes nichts daran, dass die Anerkennung dann von Anfang an nicht vorliegt. Das Zusammentreffen dieser beiden Konzepte  – automatische Anerkennung (-sversagung) und Prüfung der Anerkennung nur auf Rüge der Betroffenen – führt zu Ungereimtheiten. Obwohl tatsächlich keine anerkannte mitgliedstaatliche Entscheidung vorliegt, kann sie als solche im Inland zirkulieren und faktisch rechtliche Beachtung finden. Über die Anerkennung kann entweder durch Feststellungsentscheidung oder durch inzidente Überprüfung im Rahmen eines anderen Verfahrens entschieden werden. Solange die Anerkennung gar nicht oder nur inzident überprüft wird, lässt sich über diese aber keine allgemeine Aussage treffen.121 Soweit eine Entscheidung über die Anerkennung ergeht, gibt sie Auskunft über die Anerkennungsfähigkeit als Ganze und nicht lediglich mit Blick auf einzelne Entscheidungswirkungen. Trotz kongruenten Prüfungskanons sieht die E ­ uGVVO auch weiterhin einen Rechtsbehelf gegen die Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Titeln vor. Die Legitimation dieses Rechtsbehelfs ist nach Abschaffung des Zwischenverfahrens ­ uGVVO stellt der europäische Gesetzgeber eine Gezweifelhaft. Mit Art. 46 E staltungsklage gegen die Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung im Inland bereit, die bei fehlender Anerkennung ipso iure ohnehin nicht mehr vorliegt. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass, wenn die Anerkennungsversagung feststeht, im ersuchten Mitgliedstaat für ein erneutes Erkenntnis 120

Zu den Ausnahmen s. oben unter 3. Kapitel A. III. Zum Problem der Bindungswirkung entsprechender Entscheidungen ausführlich unten im 5. Kapitel. 121

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3. Kap.: Anerkennungsversagung im europäischen Zivilprozessrecht 

verfahren eine Notzuständigkeit bestehen muss. Andernfalls hätte der Betroffene keinerlei Möglichkeiten, seine Rechte im ersuchten Mitgliedstaat geltend zu machen. Auf die mitgliedstaatliche Entscheidung kann er sich mangels Anerkennung nicht berufen. Dann kann ihm der Weg zu den Gerichten des ersuchten Mitgliedstaates nicht aufgrund mangelnder Zuständigkeit verwehrt werden.122

122 Spiecker genannt Döhmann, S. 132; Schack, IZVR, § 22 Rn. 1131; Geimer, FS Torggler, S. 311, 336 f.

4. Kapitel

Anerkennung und Vollstreckung nach EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO Wie bereits angesprochen, weisen die in den vergangenen Jahren erlassenen EuVTVO, EuMahnVO und EuGFVO einige Parallelen zu den Regelungen der ­EuGVVO, jedoch – und hierum soll es im Folgenden gehen – vor allem Unterschiede auf. Ungereimtheiten und Fragen stellen sich hier insbesondere in Bezug auf die Anerkennung der Entscheidungen und dem Verhältnis zu ihrer Vollstreckung. Dieses Verhältnis ist schon im System der ­EuGVVO nicht eindeutig. Die hier nun thematisierten Verordnungen stoßen nicht nur in sich selbst, sondern wegen des teilweise stark überschneidenden Anwendungsbereichs insbesondere auch im Verhältnis zur E ­ uGVVO an ihre systematischen Grenzen. Dieses Kapitel ist daher der Systematik von Anerkennung und Vollstreckung nach diesen neuartigen Rechtsakten gewidmet. Da die Verordnungen der zweiten Generation vordergründig die Vollstreckung aus den jeweiligen Titeln erleichtern sollen und ihre Regelungen vordergründig auch diese betreffen, konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen zunächst auf die Vollstreckung nach den genannten Verordnungen, bevor anschließend auf die Frage der Anerkennung bezüglich der in diesen Rechtsakten behandelten Entscheidungen einzugehen ist. Dabei werden die EuVTVO, EuMahnVO ­ uGFVO als besondere Verordnungen der zweiten Generation nachfolgend und E als Vollstreckungsverordnungen bezeichnet.

A. Europäischer Titel? – Vollstreckung nach EuVTVO, EuMahnVO und EuGFVO Mit der EuVTVO, der EuMahnVO und der EuGFVO hat der europäische Gesetzgeber eine neue Generation europäischer Rechtsakte zur Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen eingeführt. Sie werden teilweise auch als „genuin europäische Titel“ bezeichnet.1

1

Freitag, FS Kropholler, S. 759 f.; Hess / Bittmann, IPRax 2008, S.  305; Geimer / Schütze / ​ M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 20 VO (EG) 861/2007 Rn. 9.

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4. Kap.: EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO 

Im Ausgangspunkt stellt sich daher die Frage, welche Rechtsnatur Entscheidungen, die nach den Vorschriften dieser Rechtsakte ergehen, überhaupt haben. Sie beinhalten „Europäische Vollstreckungstitel“ bzw. Entscheidungen, die aufgrund (teilweise) unionseigener Verfahren ergehen. Nach welchem Recht sich die Wirkungen dieser Entscheidungen richten, ist dabei unklar. Handelt es sich um genuin europäische Entscheidungen, so wäre naheliegend, dass ihre Wirkungen genuin europäisch eintreten und insbesondere auch unionsweit unmittelbar gelten. In der Konsequenz müssten die jeweiligen Wirkungen der Entscheidungen dann auch in Art und Umfang vom Unionsrecht vorgegeben werden. Von einer Anerkennung im Sinne einer Erweiterung nationaler Wirkungen auf das EU-Ausland könnte dann keine Rede mehr sein, sodass alles oben Gesagte hier nicht mehr ohne weitere Anwendung finden könnte. In ihren Ausgestaltungen und verfahrensrechtlichen Wirkungen weisen die genannten Verordnungen Unterschiede auf:

I. EuVTVO Mit der EuVTVO hat der europäische Gesetzgeber 2004 den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen eingeführt und den Systemwechsel hin zur Beseitigung der Zwischenmaßnahmen zur Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen eingeläutet. Zuvor war lediglich im Rahmen des elterlichen Umgangsrechts gemäß Art. 41 f. EuEheVO eine Vollstreckbarkeit im EU-Ausland ohne Vollstreckbarerklärungsverfahren bekannt.2 Mit der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß Art. 9 EuVTVO im Ursprungsmitgliedstaat erlangt dieser nunmehr unionsweite Vollstreckbarkeit: Gemäß Art. 5 EuVTVO ist ein Vollstreckbarerklärungsverfahren im ersuchten Mitgliedstaat nicht notwendig. Dem in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Titel liegt dabei kein vereinheitlichtes europäisches Verfahren zugrunde. Es handelt sich nach wie vor um einen nach nationalem Recht zustande gekommenen Titel.3 Ein eigenständiger, europäischer Titel entsteht – entgegen der irreführenden Verordnungsbezeichnung – nicht.4 Jedenfalls hinsichtlich der Vollstreckbarkeit entspricht die Regelung der EuV­ uGVVO vorsieht. Der RechtsTVO also der Konzeption, wie sie nun auch die E

2

Geimer / Schütze / Hilbig-Lugani, Int. Rechtsverkehr, Art. 5 VO (EG) 805/2004 Rn. 1 ff. Wagner, IPRax  2005, S. 189, 190. Anders war das noch vorgesehen im Maßnahmenprogramm des Rates vom 24.11.2000, Mitteilung Rat Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG C 12 v. 15.01.2001, S. 1, 5. 4 Hess / Bittmann, IPRax  2008, S. 305; Rauscher / Pabst, Einleitung EG-VollstrTitelVO Rn. 10. Auch die Ausführungen Schützes, Rechtsverfolgung, S. 189, wonach es einer Anerkennung hier nicht bedürfte, sind insofern missverständlich. 3

A. Europäischer Titel? 

141

anwendungsbefehl des Art. 5 verleiht dem nationalen Titel unmittelbare Vollstreckbarkeit. Im Vollstreckungsstaat kann als Versagungsgrund nur noch die Unvereinbarkeit mit früheren Entscheidungen geltend gemacht werden, vgl. Art. 21 Abs. 2 EuVTVO. Die Bestätigung ersetzt – ebenso wie die Bescheinigung nach Art. 53 E ­ uGVVO – die Vollstreckungsklausel.5Darüber hinaus hat sie aber noch eine weitergehende, bemerkenswerte Funktion: Bei diesem ersten Rechtsakt, der vom Erfordernis des Zwischenverfahrens vollumfänglich Abstand nimmt, scheint der europäische Gesetzgeber nicht vollends auf eine Überprüfung der Entscheidung jedenfalls im Ursprungsstaat verzichten zu wollen. Die in Art. 6 EuVTVO genannten Voraus­ setzungen, unter denen die Bestätigung erteilt werden kann, umfassen unter anderem auch die Prüfung spezieller Zuständigkeitsregeln und die Einhaltung grundlegender Verfahrensstandards im Erkenntnisverfahren durch das Ursprungsgericht, vgl. Art. 6 Abs. 1 lit.  b und  c EuVTVO. Diese weisen deutliche Parallelen zu den Versagungsgründen, wie sie die ­EuGVVO nach wie vor kennt, auf.6 Gegenüber dem Exequaturverfahren erfolgt die Überprüfung aber nicht mehr im Vollstreckungsstaat, sondern zentriert im Ursprungsstaat.7 Man kann daher auch von einem in den Ursprungsstaat verlegten, vereinfachten Exequaturverfahren sprechen.8 Hinsichtlich der Systematik der unmittelbaren Vollstreckbarkeit bleibt die EuV­ uGVVO zurück. Während die TVO auf gewisse Weise sogar hinter der neuen E Versagungsgründe nach der ­EuGVVO nur auf Antrag überprüft werden, prüft das Gericht des Ursprungsstaates die Einhaltung der Verfahrensregeln im Zuge der Erteilung der Bestätigung nach Art. 6 EuVTVO von Amts wegen.9 Von einer tatsächlich unmittelbaren Vollstreckbarkeit kann man genau genommen im Rahmen der EuVTVO also gar nicht sprechen. Vollstreckbarkeit im Gemeinschaftsraum als Europäischer Vollstreckungstitel erlangen Entscheidungen erst durch die Bestätigung, die ihre Freizügigkeit ausspricht und den Titel gleichsam europäisiert.10 Vollstreckungstitel ist die Entscheidung aus dem Ursprungsstaat und nicht mehr das Exequatur des ersuchten Mitgliedstaates. Die Vollstreckbarkeit aus dem Ursprungsstaat wird dabei auf den ersuchten Mitgliedstaat erstreckt (Wirkungser-

5 Die Bestätigung wird daher auch „passeport européen“ genannt, vgl. Hess, EZPR, § 3 Rn. 32; s. auch für die ­EuGVVO Hess, FS Gottwald, S. 273, 278 („passeport judiciaire“). 6 S. zu den Versagungsgründen oben 3. Kapitel C. 7 Vgl. dazu Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung, S. 187 f. 8 Vgl. Geimer / Schütze / Hilbig-Lugani, Int. Rechtsverkehr, Art. 6 VO (EG) 805/2004 Rn. 2 ff.; Mankowski, VuR 2010, S.  16, 17; Kindl / Meller-Hannich / Wolf / Stürner, Art. 6 EuVTVO Rn. 1; vgl. auch Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, KOM (2002)159 endg., S. 7 f. 9 Geimer / Schütze / Hilbig-Lugani, Int. Rechtsverkehr, Art. 9 VO (EG) 805/2004 Rn. 17; Mankowski, FS Kropholler, S. 829, 845. 10 Vgl. Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1, 22; Geimer / Schütze / Hilbig-Lugani, Int. Rechtsverkehr, Art. 5 VO (EG) 805/2004Rn. 6.

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4. Kap.: EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO 

streckung).11 Das Vollstreckungsverfahren richtet sich dabei nach dem Recht des Vollstreckungsstaates, Art. 20 Abs. 1. In ihrem sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich entspricht die ­EuVTVO der ­EuGVVO, vgl. Art. 2 EuVTVO.12 Gemäß Art. 27 EuVTVO hat der Gläubiger im Anwendungsbereich der Verordnung ein Wahlrecht, ob er die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel anstrebt oder die Vollstreckung nach der ­EuGVVO betreibt. Ersteres war ohne das sonst erforderliche Zwischenverfahren zunächst schneller und effektiver.13 Mit Abschaffung des Exequaturverfahrens auch im Anwendungsbereich der ­EuGVVO wurden die Vorzüge des Verfahrens nach der EuVTVO aber relativiert. Gegenüber der ­EuGVVO für den Gläubiger zur Durchsetzung seiner Interessen vorteilhafter ist die EuVTVO nur noch deshalb, weil die EuVTVO nur noch stark eingeschränkte Versagungsmöglichkeiten kennt.14 Gerade mit Blick auf die Systematik der EuVTVO, die im Rahmen der Bestätigung eine obligatorische Überprüfung der Entscheidung vorsieht, fragt sich aber, ­ uGVVO tatob der Europäische Vollstreckungstitel gegenüber der revidierten E sächlich noch eine Erleichterung für den Gläubiger darstellt. Hinzu kommt, dass ­ uGVVO selbst bei Wahl des Erlasses nicht eindeutig ist, ob die Regelungen der E eines Europäischen Vollstreckungstitels nicht ohnehin subsidiär Anwendung finden. Hierauf wird unter C. noch einzugehen sein.

II. EuGFVO Anders als noch in der EuVTVO hat der europäische Gesetzgeber mit der EuGFVO 2006 erstmals auch ein eigenständiges europäisches Erkenntnisverfahren zur Erlangung eines Titels geschaffen.15 Die Verordnung gilt gemäß ihres Art. 2 für grenzüberschreitende Rechtssachen in Zivil- und Handelssachen, wenn der Streitwert EUR 5.00016 nicht überschreitet. Im sachlichen Anwendungsbereich stimmt sie mit der E ­ uGVVO – bis auf einige wichtige Bereichsausnahmen, wie z. B. das Arbeits- und Mietrecht – überein.17 Gemäß Art. 15 Abs. 1 S. 1 EuGFVO sind nach dem Verordnungsverfahren ergangene Urteile unmittelbar vollstreckbar. Da die Verordnung das Verfahren zur Erlangung des Titels im Ursprungsstaat selbst regelt, meint dies zunächst die Voll 11 Schütze, Rechtsverfolgung, S. 189. Missverständlich liest sich hier Coester-Waltjen, FS Beys, S. 183, 184, die davon spricht, dass die Vollstreckbarkeit durch die europäische Verordnung verliehen wird. 12 Musielak / Voit / L ackmann, Art. 2 VO (EG) 805/2004 Rn. 1. 13 Wagner, IPRax 2005, S. 189, 190 f. 14 Wagner, IPRax 2005, S. 189, 191; Geimer, FS Torggler, S. 311, 339 f. 15 Schack, IZVR, § 8 Rn. 387; Hess / Bittmann, IPRax, 2008, S. 305, 311; vgl. auch Freitag, FS Kropholler, S. 759, 772. 16 Bis zum 31.07.2017 lag die Grenze bei EUR 2.000. 17 S. dazu ausführlich Kindl / Meller-Hannich / Wolf / Netzer, Art. 2 EuBagatellVO Rn. 1 ff.

A. Europäischer Titel? 

143

streckbarkeit im Ursprungsstaat. Ob sich die unmittelbare Vollstreckbarkeit auch in den anderen Mitgliedstaaten aufgrund der gemeinschaftsweiten Geltung dieses Vollstreckungsbefehls ebenfalls direkt aus Art. 15 ergibt18 oder diese durch Art. 20 Abs. 1 EuGFVO angeordnet wird, der die Abschaffung des Exequaturverfahrens nochmals explizit nennt,19 ist von untergeordneter Bedeutung. Erstmals ergeben sich sowohl die nationale als auch die mitgliedstaatliche Vollstreckbarkeit unmittelbar aus der europäischen Verordnung. Damit wurde mit der EuGFVO erstmals eine originär europäische Vollstreckbarkeit eingeführt.20 Heißt das aber nun auch, dass es sich um einen genuin europäischen Titel handelt mit der Folge, dass sich Inhalt und Reichweite des Titels nicht nach dem Prozessrecht des Erlassstaates, sondern nach autonomem europäischen Recht richten? Das hängt letztlich davon ab, wie man den europäischen Titel definiert. Tatsächlich handelt es sich bei Entscheidungen auf Grundlage der EuGFVO insoweit um besonders europäische Titel, da sie aufgrund eines genuin, an den Regeln der Verordnung orientiertem Verfahren ergangen sind und in allen Mitgliedstaaten daher – idealerweise – gleichlaufen. Dies ändert aber nichts daran, dass der entsprechende Titel von einem nationalen Gericht nach nationalem Recht ausgefertigt wird.21 Bei der von dem nationalen Gericht erlassenen Entscheidung handelt es sich nach wie vor um einen nationalen Rechtsprechungsakt.22 Auch wenn in der Regelung zur Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat mitenthalten, bedarf es eines weiteren Rechtsanwendungsbefehls, der die Vollstreckbarkeit aus dem Ursprungsstaat auf die anderen Mitgliedstaaten erstreckt.23 Hinzu kommt, dass das Erkenntnisverfahren der EuGFVO nur lückenhaft geregelt ist und im Zweifel einen Rückgriff auf nationale Prozessordnungen notwendig macht. Von einem vollständig einheitlichen europäischen Verfahren kann daher keine Rede sein.24 Auch nach der EuGFVO werden also keine genuin europäischen Titel erlassen.

18

So jedenfalls Geimer / Schütze / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 15 VO (EG) 861/2007 Rn. 1. Der Wortlaut des Art. 15 ist auf die Vollstreckung im Ursprungsstaat nicht begrenzt. 19 Hiervon scheint Hau, JuS 2008, S. 1056, 1059 auszugehen. 20 Geimer / Schütze / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 20 VO (EG) 861/2007 Rn. 9. 21 Vgl. Thöne, Abschaffung des Exequaturverfahrens, S. 32; Hess / Bittmann, IPRax 2008, S. 305. 22 Ausdrücklich sogar für den Europäischen Zahlungsbefehl Zöller / Geimer, Anh II F, Art. 19 EuMahnVO Rn. 2. 23 Geimer / Schütze / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 20 VO (EG) 861/2007 Rn. 9 ff., der zwar darlegt, dass sich der Inhalt der europäischen Vollstreckbarkeit allein nach der Verordnung richte, im gleichen Zuge aber dennoch wie selbstverständlich von einer Erstreckung der Vollstreckbarkeit aus dem Ursprungsstaat auf die anderen Mitgliedstaaten ausgeht. Vgl. auch Hess / Bittmann, IPRax 2008, S. 305, 313. 24 S. Art. 19 EuGFVO; vgl. Weber, S. 44; Jahn, NJW 2007, S. 2890, 2894.

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4. Kap.: EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO 

Die Versagung der Vollstreckung im Vollstreckungsstaat ist gem. Art. 22 Abs. 1 EuGFVO lediglich bei entgegenstehenden früheren Entscheidungen möglich. Die Bestätigung nach Art. 20 Abs. 2 EuGFVO dient entgegen der Bestätigung nach der EuVTVO lediglich der Information. Eine inhaltliche Kontrolle findet nicht statt. Die Vollstreckbarkeit der jeweiligen Entscheidungen liegt hier schon vor und wird durch die Bestätigung (wie auch im Rahmen der ­EuGVVO) lediglich nachgewiesen.25 Eine Überprüfung der Einhaltung wesentlicher Verfahrensgrundsätze ist entbehrlich, da das Erkenntnisverfahren nunmehr selbst nach der Verordnung geregelt ist. Dass im praktischen Einzelfall natürlich auch hiernach gegen diese Regelungen verstoßen werden kann, wird hingenommen. Eine zusätzliche Kontrolle findet, wie bei rein nationalen Entscheidungen auch, nicht statt. Das Vollstreckungsverfahren richtet sich dabei nach dem Recht des Vollstreckungsstaates, Art. 21 Abs. 1.

III. EuMahnVO Wie die zuvor genannten Verordnungen findet die im Jahr 2007 beschlossene EuMahnVO über den Erlass Europäischer Zahlungsbefehle gemäß ihres Art. 2 Anwendung auf grenzüberschreitende Rechtssachen in Zivil- und Handelssachen. Sie sieht aber weniger Bereichsausnahmen vor und hat daher einen weiteren sachlichen Anwendungsbereich.26 Gemäß Art. 18 Abs. 1 EuMahnVO sind Europäische Zahlungsbefehle unmittelbar vollstreckbar. Nach Art. 19 gilt diese unmittelbare Vollstreckbarkeit auch in den anderen Mitgliedstaaten, ohne dass es eines Zwischenverfahrens bedarf.27 Teilweise wird angenommen, dass es sich – anders als die nach der EuGFVO ergangenen Entscheidungen – bei Europäischen Zahlungsbefehlen deswegen um genuin europäische Titel handele, da nunmehr selbst die Ausfertigung des Titels durch die Verordnung geregelt sei.28 So werden verfahrensrechtliche Mindeststandards, wie z. B. Regelungen über die Zustellung des Zahlungsbefehls, autonom in der Verordnung benannt.29 Allein dies kann einen Europäischen Zahlungsbefehl

25 Geimer / Schütze / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 20 VO (EG) 861/2007 Rn. 21; Rauscher / Varga, Art. 20 EG-BagatellVO Rn. 4, Adolphsen, EZVR, S. 269; ders., Hess, Anerkennung im IVZR, S. 1, 22. 26 S. zu den Einzelheiten Kindl / Meller-Hannich / Wolf / Stürner, Art. 2 EuMahnVO Rn. 1 ff. 27 Ob die unmittelbare Vollstreckbarkeit in anderen Mitgliedstaaten aus Art. 18 oder Art. 19 erfolgt, kann dabei wiederum dahinstehen, s. zur Begründung schon die Überlegungen zu den Parallelregelungen der EuGFVO, oben 4. Kapitel A. II. 28 Hess, EZPR, § 3 Rn. 33, der insbesondere darauf aufmerksam macht, dass die Entscheidung unter dem Briefkopf der Europäischen Union abgefasst wird. Für das Vorliegen eines „genuin europäischen Titels“ auch Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 19 EuMVVO Rn. 2; Hess / Bittmann, IPRax 2008, S. 305, 309; Geimer / Schütze / Kodek, Int. Rechtsverkehr, Art. 19 VO (EG) 1896/2006 Rn. 4. 29 Vgl. Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 19 EuMVVO Rn. 4.

A. Europäischer Titel? 

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aber jedenfalls nicht zu einem Titel machen, der nun mehr ausschließlich nach europäischem Recht beurteilt wird. Auch hier ist die Rechtsprechungsgewalt des nationalen Richters auf den Nationalstaat beschränkt. Der Europäische Zahlungsbefehl bleibt letztendlich ein Akt nationaler Rechtsprechung.30 Es läge außerhalb der Kompetenz des europäischen Gesetzgebers, die nationale Rechtsprechungsgewalt grundlegend über das Territorium zu erstrecken. Auch wenn durch die unmittelbare Anerkennung und unmittelbare Vollstreckbarkeit im Ergebnis ein ähnliches Resultat herbeigeführt wird, bleibt es doch dabei, dass es hierfür jedenfalls eines zusätzlichen hoheitlichen Befehls zur Erstreckung dieser Wirkungen auch auf andere Nationalstaaten bedarf. Außerdem ist auch hier ein vollständiges europäisches Verfahren gar nicht vorgesehen. Subsidiär findet weiterhin das nationale Prozessrecht des jeweiligen Urteilsstaates Anwendung, vgl. Art. 26 EuMahnVO. Auch bei Europäischen Zahlungsbefehlen handelt es sich daher nicht um genuin europäische Titel. Das Vollstreckungsverfahren selbst richtet sich dabei nach dem Recht des Vollstreckungsstaates, Art. 21 Abs. 1. Auch diese Verordnung zeichnet sich dadurch us, dass die Vollstreckung im Vollstreckungsstaat nur noch wegen entgegenstehender früherer Entscheidungen versagt werden kann, vgl. Art. 22 Abs. 1 EuMahnVO. Darüber hinaus gewährt Art. 20 Abs. 2 EuMahnVO nun auch die Möglichkeit, den Titel z. B. bei befürchtetem Prozessbetrug auch im Ursprungsmitgliedstaat überprüfen zu lassen.31

IV. EuUnterhaltsVO Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle auch die EuUnterhaltsVO genannt, die, soweit es um Entscheidungen aus Mitgliedstaaten geht, die durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden sind, ebenfalls kein Zwischenverfahren für die Vollstreckbarkeit mehr vorsieht. Gemäß Art. 1 der Verordnung findet sie Anwendung auf Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts-, oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen. Damit hat sie gegenüber der ­EuGVVO keinen überschneidenden sachlichen Anwendungsbereich (vgl. die diesbezügliche Bereichs­ uGVVO). Einen Europäischen Zahlungsbefehl ausnahme in Art. 1 Abs. 2 lit. e E nach der EuMahnVO kann der Gläubiger in diesem Bereich aber erwirken. Gemäß Art. 17 Abs. 2 EuUnterhaltsVO sind Entscheidungen aus Mitgliedstaaten, die durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden sind, automatisch vollstreckbar. Selbst eine Bescheinigung wie in Art. 53 ­EuGVVO ist hier nicht erforderlich. 30 31

Vgl. Adolphsen, EZVR, S. 279; Zöller / Geimer, ZPO, Anh. II F, Art. 19 EuMahnVO Rn. 2. Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 20 EuMVVO Rn. 9.

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4. Kap.: EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO 

Eine eingeschränkte Vollstreckungsversagung ist nach Art. 21 EuUnterhaltsVO möglich. Das Vollstreckungsverfahren richtet sich dabei nach dem Recht des Vollstreckungsstaates, Art. 41 Abs. 1. Hier liegt weder ein einheitliches Erkenntnisverfahren, noch eine „Europäisierung“ durch eine Bestätigung wie nach der EuVTVO vor. Vielmehr wird rein nationalen Unterhaltstiteln, nicht zuletzt wegen der besonderen Dringlichkeit der Anspruchsdurchsetzung, die unionsweite Vollstreckbarkeit automatisch zugesprochen. Damit wurde erstmals – so wie später auch in der reformierten ­EuGVVO – die unmittelbare Vollstreckbarkeit auf Titel ausgeweitet, die hinsichtlich ihres Verfahrens keinen besonderen europäischen Voraussetzungen unterliegen (solange sie dem Haager Protokoll von 2007 unterfallen) und – anders als die drei zuvor genannten Verordnungen – nicht nur optional, sondern in ihrem sachlichen Anwendungsbereich zwingend Anwendung finden.32 Um einen genuin europäischen Titel handelt es sich hierbei aber nicht.

V. Fazit: Kein europäischer Titel Die neuartigen europäischen Titel verdienen diese Bezeichnung wegen der weitergehenden Vereinheitlichung, insbesondere dort, wo auch das Erkenntnisverfahren europarechtlich geregelt ist.33 Die Bezeichnung ist indes missverständlich, da es sich bei keiner der in Frage stehenden Entscheidungen um genuin europäische Titel handelt, sondern nach wie vor nationale Titel vorliegen, die durch Verfahrenserleichterungen im ersuchten Mitgliedstaat lediglich effektiver umsetzbar sein sollen. Gemeint ist wohl lediglich, dass diese Titel nunmehr (erstmals) unmittelbar ohne Zwischenverfahren europaweit vollstreckbar sind.34 Einen genuin europäischen Titel, der hinsichtlich Art und Umfang vom (Prozess-)recht des erlassenden Mitgliedstaates unabhängig begutachtet werden kann bzw. muss, kennt das europäische Zivilprozessrecht nach wie vor nicht. Eine europäische Vollstreckbarkeit für Rechtsprechungsakte nationaler Gerichte gibt es als solche (noch) nicht.

32

S.  zum Ganzen Geimer / Schütze / Hilbig-Lugani, Int. Rechtsverkehr, Art. 17 VO (EG) 4/2009 Rn. 7 ff. 33 Es handelt sich zwar nicht um originär europäische Titel, wohl aber (jedenfalls bei EuGFVO und EuMahnVO) um originär europäische Verfahren; Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1, 22.  34 Vgl. Freitag, FS  Kropholler, S. 759, 760. In diesem Sinne werden teilweise nun auch Entscheidungen im Anwendungsbereich der E ­ uGVVO als „Europäische Titel“ bezeichnet, vgl. Hess, FS Gottwald, S. 273, 277. Hier gelten die aufgezeigten terminologischen Bedenken entsprechend. Vgl. auch Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, KOM (2002)159 endg., S. 3.

B. Anerkennung der Vollstreckbarkeit durch Wirkungserstreckung  

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B. Anerkennung der Vollstreckbarkeit durch Wirkungserstreckung Nach dem unter A. Gesagten ist die eingangs gestellte Frage nach der Wirkungsweise der nach diesen Verordnungen ergangenen Entscheidungen hinsichtlich der Vollstreckbarkeit eindeutig zu beantworten. Die Vollstreckbarkeit wird zwar europarechtlich angeordnet, ist aber zunächst der Rechtsordnung des ausfertigenden Gerichts, also dem Ursprungsmitgliedstaat zu entnehmen. Da es sich nach wie vor um nationale Titel handelt, denen durch die nationalen Stellen zunächst nationale Vollstreckbarkeit verliehen wird, wird diese sodann auf die anderen Mitgliedstaaten erstreckt.35 Auf die Vollstreckbarkeit findet die Lehre der Wirkungserstreckung Anwendung. Die hier genannten Verordnungen erleichtern die Vollstreckbarkeit gegenüber der E ­ uGVVO durch nur noch stark eingeschränkte Versagungsmöglichkeiten. Hinsichtlich der grundlegenden Konzeption der unmittelbaren Vollstreckbarkeit unterscheiden sie sich von der revidierten ­EuGVVO aber nicht. Dass dem ersuchten Mitgliedstaat ohne Versagungsgründe (fast) jegliche Überprüfungsmöglichkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung entzogen wird, ändert nichts daran, dass es sich auch weiterhin um eine Form der Anerkennung handelt.36 Auch wenn der ersuchte Mitgliedstaat auf die rechtliche Wirkung der konkreten Entscheidung im Inland im Einzelfall nunmehr (fast) keine Einflussmöglichkeit mehr hat, hat er doch grundsätzlich durch Erlass des gesetzlichen Anerkennungsbefehls (bzw. durch Übertragung der entsprechenden Kompetenztitel auf den europäischen Gesetzgeber) eine diesbezügliche positive Entscheidung getroffen. Das „System der einheitlichen, unmittelbaren und unbedingten Urteilsgeltung“37 stellt nach wie vor ein System der Anerkennung dar. Gemäß Art. 5 EuVTVO, Art. 20 Abs. 1 EuMahnVO und Art. 20 Abs. 1 ­­EuGFVO werden Entscheidungen im Anwendungsbereich der jeweiligen Verordnung „anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann.“ Diese Regelungen werfen hinsichtlich der Anerkennung von Entscheidungswirkungen im Allgemeinen und dem Verhältnis zur Anerkennung nach der ­EuGVVO erhebliche Fragen auf, die sogleich unter C. erörtert werden sollen. Ihnen ist jedoch eindeutig zu entnehmen, dass der europäische Gesetzgeber jedenfalls für die Wirkung der Vollstreckbar 35 M. Peiffer gibt für die EuGFVO an, dass sich der Inhalt der Vollstreckbarkeit ausschließlich nach der Verordnung selbst richte, spricht gleichzeitig – unter Verweis auf eine Parallele zur Anerkennung – dann aber von der Anwendung der Wirkungserstreckungslehre, vgl. Geimer / Schütze / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 20 VO (EG) 861/2007 Rn. 9. 36 Anders aber Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 280, der mangels Überprüfungsmöglichkeit im ersuchten Mitgliedstaat und einer Wirkungserstreckung „ex lege“ allenfalls eine Fiktion der Anerkennung annimmt. So liest sich auch Schütze, Rechtsverfolgung, S. 189. 37 Vgl. Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 676.

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4. Kap.: EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO 

keit von deren Anerkennung ausgeht – den Gleichlauf von Anerkennung und Vollstreckbarkeit also wie selbstverständlich selbst zieht.38

C. Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen und das Verhältnis zur Vollstreckbarkeit Deutlich schwieriger gestaltet sich der Versuch einer rechtlichen Einordnung von EuVTVO, ­EuGFVO und EuMahnVO im Hinblick auf die Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen. Die drei Verordnungen sind stark auf die Frage der Vollstreckbarkeit ausgerichtet. Die (übergeordnete)  Frage der Anerkennung sprechen sie nur am Rande und in sich widersprüchlich an. Ihr Regelungsumfang ist unklar und wird unterschiedlich beurteilt. Problematisch wird das aufgrund der eingeschränkten Versagungsmöglichkeiten, die diese Verordnungen für die Voll­ uGVVO streckbarkeit vorsehen. Sollte die Versagung der Anerkennung nach der E weiterhin parallel möglich sein, kann es hier gegebenenfalls – anders als bisher für das Verhältnis von Anerkennung und Vollstreckbarkeit dargestellt – doch zu einer divergierenden Behandlung von Anerkennung und Vollstreckung kommen. So ist es denkbar, dass eine Entscheidung beispielsweise nach der EuVTVO vollstreckt wird, obwohl ihr im Anwendungsbereich der E ­ uGVVO ein Anerkennungsversagungsgrund, wie z. B. ein Verstoß gegen den ordre public, entgegensteht. Da die EuVTVO einen solchen Versagungsgrund aber nicht kennt, kann er der Vollstreckung als Europäischer Vollstreckungstitel nicht entgegengesetzt werden. Gleichwohl können sich bezüglich derselben mitgliedstaatlichen Entscheidung weitere Fragen der Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat ergeben – etwa, weil der Gläubiger aus dem gleichen Sachverhalt hinsichtlich weitergehender Kosten vorgehen will (jedenfalls soweit es sich um eine Entscheidung aus einem Mitgliedstaat handelt, in dem die Vorfragen einer Entscheidung in Rechtskraft erwachsen, ist dies denkbar). Noch deutlicher wird die Problematik, wenn man bedenkt, dass es dem Schuldner grundsätzlich auch offen stünde, das von ihm durch die Zwangsvollstreckung aus dem Europäischen Vollstreckungstitel Erlangte auf dem Rechtsweg zurückzufordern.39

38 Art. 17 EuUnterhaltsVO hingegen trennt Anerkennung und Vollstreckung strikt. Hieraus kann indes nicht abgeleitet werden, dass der Verordnungsgeber eine Kopplung der beiden Institute ablehnt. Die getrennte Regelung entspricht lediglich der Systematik, wie sie auch in der ­EuGVVO zu finden ist und umgeht durch die strikte Trennung die Problematiken, die sich bei EuVTVO, EuMahnVO und ­EuGFVO hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Anerkennung und Vollstreckung ergeben; aus diesem Grund befürwortet von Geimer / Schütze / Hilbig-­ Lugani, Int. Rechtsverkehr, Art. 17 VO (EG) 4/2009 Rn. 26. 39 Zur genauen dogmatischen Konzeption 5. Kapitel D. II. 1. a).

C. Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen  

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Dann kommt es entscheidend darauf an, ob sich auch die anderen Entscheidungswirkungen nach der jeweiligen Vollstreckungsverordnung richten oder auf die ­EuGVVO zurückgegriffen werden muss.

I. Anerkennungserfordernis – Exkurs zum europäischen Rechtskraftbegriff Das oben dargestellte Problem stellt sich nur, wenn die einzelnen Wirkungen einer Entscheidung überhaupt der Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat bedürfen. Gerade bei Entscheidungen nach der ­EuGFVO und nach der EuMahnVO, die zwar durch nationale Gerichte ergehen, aber im Rahmen eines europäischen Verfahrens gefunden werden, stellt sich die Frage, ob die im 2. Kapitel herausgearbeiteten Regeln zur Anerkennung überhaupt noch Anwendung finden. Für die Wirkung der Vollstreckbarkeit wurde dies in den vorhergehenden Abschnitten A. und B. bejaht: Es handelt sich nach wie vor um nationale Rechtsprechungsakte, deren Vollstreckbarkeitswirkung auf andere Mitgliedstaaten erstreckt werden muss. Dies spricht dafür, dass auch die anderen Entscheidungswirkungen im Wege der Anerkennung auf den ersuchten Mitgliedstaat zu erstrecken sind. Oben wurde bereits festgestellt, dass ein autonom einheitlich europäisches Rechtskraftkonzept, das die Rechtskraftwirkung aus deutscher Sicht denkbar weit zieht, derzeit grundsätzlich (noch) keine Anwendung finden kann.40 Jedenfalls bei EuMahnVO und ­EuGFVO ist der Rückgriff auf die nationalen Prozessrechtsordnungen aber nicht selbstverständlich. Zwar handelt es sich bei allen Entscheidungen, die auf Grundlage dieser Verordnungen ergehen, letztlich nach wie vor um nationale Titel, auf die grundsätzlich selbstverständlich nationales Prozessrecht Anwendung findet (s. oben A. V.). Da Entscheidungen nach der EuMahnVO und der ­EuGFVO aber aufgrund eines (teilweise) vereinheitlichten Erkenntnisverfahrens ergehen, ist die Anwendung eines eigenen Rechtskraft­konzepts auf den ersten Blick nicht gänzlich ausgeschlossen. So führt insbesondere Freitag an, dass der EuMahnVO an einigen Stellen Aussagen über die Rechtskraft des Europäischen Zahlungsbefehls zu entnehmen seien.41 Außerdem würde ein autonom europäischer Rechtskraftbegriff nicht nur eine einheitliche Handhabung des einheitlichen Erkenntnisverfahrens begünstigen. Gerade mit Blick auf die EuMahnVO wäre die autonome Bestimmung der Rechtskraft auch allein deswegen hilfreich, da nicht alle mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ein-

40

S. oben 2.  Kapitel A. IV. 3. d). Vgl. Freitag, FS  Kropholler, S. 759, 772 f.; ders., IPRax  2007, S. 509, 513; vgl. auch Kormann, S. 158 ff. Sehr anschaulich ist dabei Art. 11 Abs. 3 EuMahnVO, der jedenfalls der Zurückweisung des Antrags keine Rechtskraftbindung zukommen lässt; str., s.  dazu Geimer / Schütze / Kodek, Int. Rechtsverkehr, Art. 11 VO (EG) 1896/2006 Rn. 6. 41

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4. Kap.: EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO 

seitige Antragsverfahren kennen, nach deren Rechtskraft sich die Rechtskraft des Europäischen Zahlungsbefehls bestimmen könnte.42 Würde man die Anwendung eines autonom europäischen Rechtskraftbegriffs bejahen, so wäre jedenfalls die Frage der Rechtskraftwirkung dem Problem der subsidiären Anwendbarkeit der E ­ uGVVO entzogen. Die Rechtskraftwirkung wäre nicht mehr als Teil der Anerkennung selbst anzusehen, sondern von dieser losgelöst einheitlich europäisch zu beurteilen. Gruber sieht hierin eine konsequente Umsetzung des hinter dieser neuen Generation an Rechtsakten stehenden Ziels der vollkommenen Vereinheitlichung des Verfahrens und der unionsweiten Geltung entsprechender Entscheidungen, da ansonsten die Gefahr einer Rechtszersplitterung aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungen der nationalen Prozessordnungen bestünde.43 Abgesehen von der Problematik der fehlenden Kompetenzgrundlage,44 stellt sich hier aber wiederum die Frage, wie die autonom europäisch bestimmte Rechtskraft konkret ausgestaltet sein sollte. Ein umfassendes Konzept hierfür schafft weder die EuMahnVO noch die E ­ uGFVO (oder eine andere Verordnung betreffend das europäische Zivilprozessrecht). So gehen dann auch die Befürworter einer autonom europäischen Rechtskraft im Rahmen der EuMahnVO davon aus, dass Aspekte, die von dieser nicht explizit angesprochen werden, weiterhin durch nationale Verfahrensregeln ergänzt werden müssen.45 Von einem (eigenen) europäischen Rechtskraftkonzept dieser Verordnungen kann dann aber keine Rede sein. Die Anwendung eines  – nach dem oben Gesagten – fragmentarischen autonom europäischen Rechtskraftbegriffs ist danach nicht angezeigt. Dies würde – nicht nur im Hinblick auf andere Entscheidungen, sondern auch bezüglich der hierauf beruhenden Entscheidungen selbst – zu einer weiteren Fragmentierung des Prozessrechts führen. Das kann nicht gewollt sein. Letztlich setzen die Verordnungen zwar das Bestehen der Rechtskraft für die aufgrund ihrer Regelungen erlassenen Entscheidungen voraus. Hinsichtlich Umfang und Reichweite der jeweiligen Rechtskraft und einer etwaig hieraus resultierenden Bindungswirkung machen die Vollstreckungsverordnungen aber keine Angaben. Mangels eines allgemeingültigen europäischen Rechtskraftkonzepts, das hier ergänzend herangezogen werden könnte,46 muss – solange das europäische Zivilprozessrecht noch kein eigenes, dogmatisch, kompetenzrechtlich sowie inhaltlich fundiertes Rechtskraftkonzept kennt – gemäß Art. 26 EuMahnVO bzw.

42

S. zum Ganzen eingehend Freitag, FS Kropholler, S. 759, 772 f. Rauscher / Gruber, Art. 18 EG-MahnVO Rn. 9b. 44 S. dazu bereits oben 2. Kapitel A. IV. 3. d) cc). 45 Freitag, FS Kropholler, S. 759, 772; Rauscher / Gruber, Art. 18 EG-MahnVO Rn. 10. 46 S. hierzu umfassend 2. Kapitel A. IV. 3. d). 43

C. Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen  

151

Art. 19 ­EuGFVO auf die nationalen Rechtskraftkonzepte des lex fori zurück­ gegriffen werden.47 Damit wird auch die Rechtskraftwirkung der aufgrund der Vollstreckungsverordnungen ergangenen Entscheidungen ausnahmslos anerkannt und richtet sich ihre Reichweite gemäß der Wirkungserstreckungslehre nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates.

II. Wonach bestimmt sich die Anerkennung der nach den Vollstreckungsverordnungen vollstreckbaren Entscheidungen? Dann fragt sich aber, wonach sich die Anerkennung hier richtet, ob die genannten Verordnungen neben der Anerkennung der Vollstreckbarkeit auch die Anerkennung der übrigen Entscheidungswirkungen und damit die Anerkennung als solche regeln oder diese der ­EuGVVO unterfällt. Eindeutig liegt der Fall bei der EuUnterhaltsVO. Da sie einen von der E ­ uGVVO unterschiedlichen sachlichen Anwendungsbereich hat und entgegen der anderen hier in Frage stehenden Verordnungen auf Titel aus ihrem Anwendungsbereich obligatorisch Anwendung findet, ist die Anerkennung von Entscheidungen hier explizit geregelt. Gemäß Art. 17 Abs. 1 EuUnterhaltsVO werden Entscheidungen automatisch anerkannt. Fraglich bleibt allein, ob die beschränkten Vollstreckungsversagungsgründe, wie sie in Art. 21 der Verordnung genannt sind, auch auf die Anerkennung als solche Anwendung finden.48 Derart klare Regelungen finden sich in den anderen Verordnungen nicht. Hier ist unklar, ob die Regelung der Versagung in den Verordnungen den Rückgriff auf die Versagungsgründe der ­EuGVVO lediglich für die Vollstreckbarkeit oder auch für alle anderen Entscheidungswirkungen versperrt. Im ersten Fall wäre die Vollstreckbarkeit von der Anerkennung der anderen Entscheidungswirkungen entkoppelt.49

47

So auch Leible / Freitag, Forderungsbeitreibung, § 5 Rn. 56; Freitag, FS Kropholler, S. 759, 774; diff. und für die Entwicklung einheitlicher europäischer Standards Sepperer, S. 83 ff. 48 S.  dazu Geimer / Schütze / Hilbig-Lugani, Int. Rechtsverkehr, Art. 17 VO (EG) 4/2009 Rn. 31; s. dazu sogleich unter 4. Kapitel C. II. 2.  49 Welche Konsequenzen dies nach sich ziehen würde, soll unten im 5. Kapitel D. II. 2. c) erörtert werden.

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4. Kap.: EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO 

1. Gesetzliche Ausgangssituation ­­ Art. 19 EuWie bereits EuVTVO angesprochen, werden gemäß Art. 5 EuVTVO, MahnVO und Art. 20 Abs. 1 ­EuGFVO Entscheidungen im jeweiligen Anwendungsbereich „anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann.“50 In diesem Zusammenhang sind auch die Sonderregelungen der Art. 41 f. EuEheVO zu nennen. Auch sie weisen für die Entscheidungen des elterlichen Umgangsrechts den oben genannten Wortlaut auf. Auskunft darüber, was der Verweis auf die Anerkennung in diesem Zusammenhang bedeuten soll, geben die Regelungen aber nicht. Dem Wortlaut nach scheinen die Verordnungen die Anerkennung der anderen Entscheidungswirkungen – selbstverständlich – mit zu umfassen, sprechen sie doch die Anerkennung explizit an. Diese Schlussfolgerung wäre indes zu voreilig: Unter Zugrundelegung der hier herausgearbeiteten dogmatischen Konzeption von Anerkennung und Vollstreckung deutet der Verweis auf die Anerkennung keinesfalls zwingend darauf hin, dass auch die Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen von der Regelung umfasst sein soll. Da die Vollstreckbarkeit auch nach diesen Verordnungen (nun mehr) im ersuchten Mitgliedstaat anerkannt wird, kann sich der Verweis auf die Anerkennung in diesen Verordnungen auch in der Aussage erschöpfen, dass sie die Anerkennung der Vollstreckbarkeit regeln – was nach der dogmatischen Konzeption außer Frage steht.51 Dass die Anwendbarkeit dieser Regelungen der Verordnungen auf die Anerkennung aller Entscheidungswirkungen vom europäischen Gesetzgeber dann auch ­­ entkeinesfalls als selbstverständlich angesehen wird, lässt sich Art. 11 EuVTVO nehmen, wo es heißt: „Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel entfaltet Wirkung nur im Rahmen der Vollstreckbarkeit der Entscheidung.“ Was diese Einschränkung im Verhältnis zu den oben genannten Regelungen bedeuten soll, ergibt sich aus der ­EuVTVO nicht. Die häufig als unglücklich bezeichneten Regelungen der Verordnungen zum Verhältnis der dort vorrangig geregelten Vollstreckbarkeit zur Anerkennung als solcher wurden vielfach kritisiert.52 Tragfähige Lösungsvorschläge gibt es bisher nicht. Letztlich kann die Problematik daher nur durch Auslegung der zugrundeliegenden Regelungen und Beurteilung der dogmatischen Konzeption gelöst werden.53

50 Diese Formulierung findet sich zusätzlich auch in Nr. 30 der Erwägungsgründe zum Erlass der ­EuGFVO. 51 Das spricht z. B. auch Pabst an, wenn er die Problematik darin sieht, dass die Anerkennung neben ihrer Funktion als Voraussetzung der Vollstreckbarkeit eben auch einen eigenen Anwendungsbereich hat, Rauscher / Pabst, Art. 5 EG-VollstrTitelVO Rn. 5. 52 Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1, 15; Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 502; auch Geimer spricht das Problem an, löst es aber nicht, vgl. Geimer IZPR, Rn. 3095. 53 Zur ­EuVTVO so Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 502.

C. Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen  

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Im Ausgangspunkt sind zwei Konzeptionen denkbar: Zum einen könnten diese Regelungen der Vollstreckungsverordnungen für alle Entscheidungswirkungen gelten. Ob eine mitgliedstaatliche Entscheidung – auch außerhalb eines Vollstreckungsverfahrens – anerkannt ist oder nicht, ergäbe sich dann allein nach der jeweiligen Vollstreckungsverordnung. Andererseits könnten die Verordnungen aber auch derart zu verstehen sein, dass sie allein die Vollstreckbarkeit regeln. Soweit sie ihrem Wortlaut nach auf die Anerkennung abzielen, würde sich dies dann allein auf die Anerkennung der Vollstreckbarkeit beziehen. Das ist gerade mit Blick auf die Konzeption der Vollstreckbarkeit als eine anzuerkennende Entscheidungswirkung sowohl vom Wortlaut als auch aus teleologischen Gesichtspunkten vertretbar. 2. Anerkennung aller Entscheidungswirkungen Für die Anwendbarkeit der Vollstreckungsverordnungen auch auf die Frage der Anerkennung als solche und damit die ausschließliche Beurteilung der Anerkennung nach diesen Verordnungen spricht zunächst, dass dies dem grundsätzlich bestehenden Gleichlauf von Anerkennung und Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen am ehesten entspricht. Das entspräche der dogmatischen Konzeption am besten, da die Anerkennung einer Entscheidung – völlig unabhängig in welchem Kontext dies erfolgt – einheitlich beurteilt werden würde.54 Für die ausschließliche Beurteilung der Anerkennung nach den Vollstreckungsverordnungen und damit den Ausschluss des Rückgriffs auf die ­EuGVVO und ihre Versagungsgründe spricht auch, dass es ansonsten zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen würde: Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens wäre die Frage der Anerkennung als Vorfrage lediglich anhand der eingeschränkten Versagungsmöglichkeiten zu überprüfen, sobald sich die Anerkennungsfrage aber unabhängig von der Frage der Vollstreckbarkeit stellt, würde die E ­ uGVVO Anwendung finden und daher auch ihre (weitergehenden) Versagungsgründe eingreifen.55 Die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung würde dann unterschiedlich behandelt. Entsprechend wird daher auch vermehrt vertreten, dass sich die Anerkennung einer Entscheidung, die in den Anwendungsbereich der ­EuVTVO fällt, allein nach dieser richten kann und ein Rückgriff auf die ­EuGVVO ausscheidet.56 54

So auch Netzer, S. 187. Mankowski, FS Kropholler, S. 829, 837. 56 OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.04.2009, Az. 5 W 68/08, NJW-RR 2010, 134, 135; Mankowski, FS Kropholler, S. 829, 837; Wagner, IPRax 2005, S. 189, 199; Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 5 E ­ uVTVO Rn. 1 (der dann aber auch nachschiebt, dass die E ­ uVTVO eine bloße Anerkennung ohne Vollsteckbarkeit nicht kenne); Fasching / Konecny / Rechberger, Art. 5 ­EuVTVO Rn.  6; ders.; FS Leipold, S. 301, 304; Nunner-Krautgasser, ÖJZ 2009, S. 533, 537; Geimer, FG Vollkommer, S. 385, 400 f.; Geimer / Schütze / Hilbig-Lugani, Int. Rechtsverkehr, Art. 5 VO (EG) 805/2004 Rn. 26 ff. Die Anwendung auf die Anerkennung als solche wohl auch bejahend (allerdings ohne Begründung): Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 276 ff.; im Ergeb 55

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4. Kap.: EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO 

Diese Einschätzung lässt sich auch für die Art. 41 f. EuEheVO57 und die ­­EuMahnVO58 finden. Im Anwendungsbereich der ­EuMahnVO wird dies für die Entscheidungswirkung der Rechtskraft teilweise dahingehend modifiziert, dass aufgrund der Besonderheit der Erteilung eines EU-eigenen Zahlungsbefehls sich dessen Rechtskraft auch autonom nach der Verordnung richte und nicht nach dem Grundsatz der Wirkungserstreckung aus dem Ursprungsmitgliedstaat anzuerkennen sei.59 Begründet wird dies unter anderem damit, dass nicht allen mitgliedstaatlichen Prozessrechtsordnungen eine entsprechende Entscheidungsform bekannt ist und es insoweit zu Problemen bei der Wirkungserstreckung kommen kann.60 Eine unbekannte Entscheidungsform, die nur aufgrund des in der ­EuMahnVO eingeführten europäischen Erkenntnisverfahrens zur Erlangung eines nationalen Titels führt, könne schwerlich nach den Regeln des eigenen Prozessrechts des Ursprungsmitgliedstaates beurteilt werden.61 Auch die E ­ uMahnVO hält aber keine Regelungen zur Einführung eines genuin europäischen Rechtskraftkonzepts bereit.62 Es bleibt daher nur die Möglichkeit, gem. Art. 26 E ­ uMahnVO die Frage der Rechtskraftwirkung des Europäischen Zahlungsbefehls im Wege der Anerkennung nach dem Prozessrecht des Ursprungsmitgliedstaates zu beurteilen und diese dann auf die anderen Mitgliedstaaten zu erstrecken.63 In der Konsequenz müsste nach dieser Vorstellung die Frage der Anerkennung – auch wenn diese nicht innerhalb eines Vollstreckungsverfahrens relevant wird und ein solches gegebenenfalls nicht einmal eingeleitet ist – nach den Vollstreckungsverordnungen zu beurteilen sein.

nis wohl auch Rauscher, Europäischer Vollstreckungstitel, Rn. 67; so wohl auch Kohler, Herkunftslandprinzip, S. 71, 79. 57 Geimer / Schütze / Geimer, EZVR, Art. 41 VO (EG) 2201/2003 Rn. 8 f. und Art. 42 Rn. 6 f. 58 Geimer, IZPR, Rn. 3196; vgl. auch Geimer / Schütze / Kodek, Int. Rechtsverkehr, Art. 18 VO (EG) 1896/2006 Rn. 16; Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 18 EuMVVO Rn. 13, der unter Art. 19 EuMVVO Rn. 1 dann aber auch sagt, dass eine bloße Anerkennung ohne Vollstreckung nach ­EuMahnVO nicht vorkomme. 59 Vgl. dazu auch Rauscher / Gruber, Art. 18 EG-MahnVO Rn. 9b; Hess / Bittmann IPRax 2008, S.  305, 309; Prütting / Gehrlein / Halfmeier, Art. 18 ­EuMahnVO Rn. 2. Das spricht auch Freitag, FS Kropholler, S. 759, 772 ff. an, entscheidet sich aber dann dagegen. 60 Vgl. Freitag, FS Kropholler, S. 759, 773; Rauscher / Gruber, Art. 18 EG-MahnVO Rn. 9a. 61 In diesen Fällen soll das funktional am nächsten kommende Konzept des nationalen Prozessrechts Anwendung finden, vgl. Rauscher / Gruber, Art. 18 EG-MahnVO Rn. 9a; Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 18 EuMVVO Rn. 13. 62 S. zur Frage eines europäischen Rechtskraftbegriffs hiernach bereits oben 4. Kapitel C. I. 63 Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 18 EuMVVO Rn. 13. m. w. N.; eingeschränkt auch Freitag, FS Kropholler, S. 759, 772 ff.

C. Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen  

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3. Keine Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen Das ist jedenfalls im Anwendungsbereich der ­EuVTVO indes schwierig umzusetzen: Solange kein entsprechender Antrag auf Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel gestellt wird, wird die Bestätigung nach Art. 9 Abs. 1 E ­ uVTVO nicht ausgestellt. Richtet sich die bloße Anerkennung in diesem Fall trotzdem nach der E ­ uVTVO (allein deswegen, weil der Anwendungsbereich der E ­ uVTVO eröffnet ist und der Gläubiger jedenfalls potentiell die Möglichkeit hat, sich die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel ausstellen zu lassen), so wären die Schutzmechanismen, die durch die Prüfung der Mindestanforderungen im Bestätigungsverfahren eingeführt wurden und die starke Reduzierung der Versagungsgründe rechtfertigen, außer Kraft gesetzt.64 Würde man umgekehrt fordern, dass die Anerkennung erst eintritt, wenn eine entsprechende Bestätigung vorliegt, so würde dies über Umwege wieder die Einführung eines Delibationsverfahrens bedeuten, was das Ganze weniger statt mehr effektiv machen würde.65 Hinzu kommt, dass die Vollstreckungsverordnungen zwar ihrem Wortlaut nach auch von der Anerkennung sprechen, all diese Verordnungen ihrem Inhalt nach aber allein auf die Vollstreckbarkeit der entsprechenden Entscheidungen ausgerichtet sind. Zu den weiteren Entscheidungswirkungen treffen sie keinerlei Regelungen.66 Bei streng Wortlaut getreuer Anwendung würde dies zu der widersprüchlichen Situation führen, dass die Vollstreckbarkeit aufgrund Verstoßes gegen einen der Versagungsgründe nicht vorläge, die anderen Entscheidungswirkungen, insbesondere die Rechtskraftwirkung, aber unanfechtbar bestehen würden. Das kann mit Blick darauf, dass die Anerkennung notwendige Voraussetzung der Vollstreckbarkeit ist und neben dieser – gerade auch für Fragen der Rechtskraft – eigenständige Bedeutung hat, nicht überzeugen.67 In diesem Fall müsste man die Versagungsgründe der Vollstreckungsverordnungen jedenfalls entsprechend auch auf die Anerkennung der betreffenden Entscheidung anwenden.68 Gleiches gilt im Übrigen – und erst recht – für die EuUnterhaltsVO, die unstreitig Anerkennung und Vollstreckung der ausländischen Entscheidung regelt, deren Versagungsgründe aber ebenfalls ihrem Wortlaut nach lediglich für die Vollstreckbarkeit der relevanten Entscheidung gelten.

64

Vgl. Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 502. S. zu den Mindestanforderungen im Rahmen des Bestätigungsverfahrens oben 4. Kapitel A. I. 65 Netzer, S. 188. Netzer will dadurch abhelfen, dass er dem Schuldner in Rahmen der Frage der Anerkennung gestatten will, eine Bestätigung aus dem Ursprungsmitgliedstaat vorlegen zu können. 66 Freitag, FS Kropholler, S. 759, 765 f.; vgl. – allerdings nur bezogen auf die E ­ uVTVO – auch: Mankowski, FS  Kropholler, S. 829, 836.; Rauscher / Pabst, Art. 5 EGVollstrTitelVO Rn. 5 ff. 67 So auch Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 502. 68 Netzer, S. 188 f.; Wagner, IPRax 2005, S. 189, 199; Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 502.

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4. Kap.: EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO 

Vermehrt wird daher auch die Meinung vertreten, die Vollstreckungsverordnungen behandelten allein die Vollstreckbarkeit einer mitgliedstaatlichen Entscheidung und bezögen sich auf die Frage der Anerkennung nur, soweit das für die Frage der Vollstreckbarkeit notwendig sei.69 Mit anderen Worten sind die Vollstreckungsverordnungen danach derart zu verstehen, dass sie allein und ausschließlich die Anerkennung der Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit behandeln und – da alle anderen Entscheidungswirkungen weiterhin in den Anwendungsbereich der ­EuGVVO fallen – die Vollstreckbarkeit von den anderen Entscheidungswirkungen isolieren. Sie folgt danach eigenen, besonderen Regeln und wird von der Anerkennung als solcher entkoppelt.70 4. Stellungnahme Nach dem oben Gesagten ist jedenfalls die Beurteilung der Reichweite der Regelungswirkung der ­EuVTVO eindeutig: Da die ­EuVTVO erst in dem Zeitpunkt eingreift, in dem der Betroffene sich dazu entschließt, einen Antrag auf Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zu stellen,71 die Frage der Anerkennung der jeweiligen ausländischen Entscheidung aber bereits im Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat automatisch feststeht, kann sich die Anerkennung als solche nicht nach der ­EuVTVO richten. Hierfür spricht im Übrigen auch die Systematik der ­EuVTVO: Art. 5 der ­ uVTVO lässt sich unter einer Überschrift finden, die ausdrücklich lediglich das E Vollstreckungsverfahren anspricht.72 Der Wortlaut der Regelungen, der sowohl Vollstreckung als auch Anerkennung umfasst, steht dem nicht entgegen. Ein Blick in die Materialen zum Erlass der E ­ uVTVO zeigt, dass mit dem Verweis auf die Anerkennung der in Rede stehenden Entscheidung nach Art. 5 E ­ uVTVO lediglich die Reichweite der Vollstreckbarkeit klargestellt werden sollte.73 69

Für die ­EuVTVO: Thomas / P utzo / Hüßtege, Art. 11 ­EuVTVO Rn. 1; Freitag, FS Krop­ holler, S. 759, 765 ff.; Leible / Freitag, Forderungsbeitreibung, § 5 Rn. 48; Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 501; Coester-Waltjen, FS Beys, S. 183, 196 ff.; Burgstaller / Neumayr, ÖJZ 2006, S. 179, 188; Rauscher / Pabst, Art. 5 EGVollstrTitelVO Rn. 5 ff. Für Art. 41 f. EuEheVO vertritt dies Thomas / P utzo / Hüßtege, Art. 44 EuEheVO Rn. 1 (für Anerkennung gelte dann Art. 23 EuEheVO). Für die E ­ uMahnVO: Freitag, FS Kropholler, S. 759, 770; Leible / Freitag, Forderungsbeitreibung, § 5 Rn. 56. Für die ­EuGFVO: Leible / Freitag, Forderungsbeitreibung, § 5 Rn. 60. 70 Vgl. Freitag, FS Kropholler, S. 759, 766. 71 So auch ausdrücklich Art. 5 ­EuVTVO, wonach die Entscheidung in anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt wird, wenn sie als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist. 72 Die Überschrift des Art. 5 ­EuVTVO lautet: „Abschaffung des Vollstreckungsverfahrens“; vgl. dazu Mankowski, FS Kropholler, S. 829, 837. 73 Vgl. Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, KOM (2003)341 endg., 3 f.; so auch Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 501.

C. Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen  

157

Hinsichtlich der ­EuMahnVO und der ­EuGFVO stellt sich die Situation weniger eindeutig dar. Im Anwendungsbereich dieser Verordnungen ist von Anfang an klar, dass ein entsprechender Titel ergehen soll. Die systematischen Probleme, die im Rahmen der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel für die Anerkennung bestünden, gäbe es hier nicht. Die beiden Verordnungen beinhalten ein eigenes, vereinheitlichtes Erkenntnisverfahren, das zwar noch Lücken aufweist, aber doch einen gewissen einheitlichen Mindeststandard garantiert. Insoweit kann auch das von Freitag vorgebrachte Argument, wonach nicht gewollt sein könne, dass die entsprechenden Titel ohne Versagungsmöglichkeit anerkannt werden, weil sie im Gegensatz zu Entscheidungen aus dem Anwendungsbereich der ­EuGVVO einen niedrigeren Richtigkeitswert aufweisen würden,74 nicht überzeugen. Mit den Verfahren nach ­EuMahnVO und E ­ uGFVO hat der europäische Gesetzgeber einheitliche Maßstäbe geschaffen. Die Frage der inhaltlichen Richtigkeit spielt dabei weder in diesem Zusammenhang, noch im Zusammenhang der Anerkennung und Vollstreckung nach der ­EuGVVO eine Rolle. Dass die inhaltliche Richtigkeit nicht überprüft werden darf, ist in all diesen Verordnungen ausdrücklich festgeschrieben.75 Obwohl es danach also denkbar wäre, dass E ­ uGFVO und ­EuMahnVO entgegen der ­EuVTVO auch die genuine Regelung der Anerkennung der jeweiligen mitgliedstaatlichen Entscheidung selbst regeln, kann dem europäischen Gesetzgeber eine solche Intention nach derzeitiger Rechtslage aber nicht unterstellt werden. Auch wenn diese beiden Verordnungen eine ausdrückliche Regelung wie Art. 11 ­EuVTVO, der die Anwendung dieser Verordnung auf die Vollstreckbarkeit beschränkt, nicht kennen, sind die relevanten Regelungen von E ­ uVTVO, E ­ uGFVO und ­EuMahnVO doch wortgleich, sodass davon ausgegangen werden muss, dass der europäische Gesetzgeber hier jeweils in Bezug zu den bereits erlassenen Vorschriften vergleichbare Regelungen schaffen wollte. Hierfür spricht auch, dass alle drei Verordnungen ausdrücklich darauf gerichtet sind, Zwischenverfahren vor der Anerkennung und Vollstreckung zu beseitigen.76 Ein solches Zwischenverfahren war für die Anerkennung selbst bekanntermaßen aber auch zuvor nicht erforderlich, sodass hieraus ebenfalls geschlossen werden kann, dass lediglich die (Anerkennung der) Wirkung der Vollstreckbarkeit thematisiert werden sollte.77 Hinsichtlich der ­EuMahnVO lässt sich dies auch den Erwägungsgründen entnehmen. Nach Erwägungsgrund Nr. 27 soll ein Europäischer Zahlungsbefehl „für die Zwecke der Vollstreckung“ so behandelt werden, als sei er im Inland ergangen. 74

Freitag, FS Kropholler, S. 759, 767. Verbot der révision au fond; Vgl. Art. 21 Abs. 2 ­EuVTVO; Art. 22 Abs. 2 E ­ uGFVO; Art. 22 Abs.  2 ­EuMahnVO. 76 Vgl. insoweit der Wortlaut von Art. 1 ­EuVTVO; Art. 1 Abs. 1 lit. b ­EuMahnVO; Art. 1 S.  3 ­EuGFVO. 77 Freitag, FS Kropholler, S. 759, 766. 75

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4. Kap.: EuVTVO, EuGFVO und EuMahnVO 

Dies deutet nochmals auf die oberste Maxime dieser neuartigen Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation hin: Die Effektuierung der Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen im Inland. Konsequenz der Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vollstreckungsverordnungen auf die Vollstreckbarkeit ist, dass die Anerkennungswirkung der Vollstreckbarkeit von den anderen anzuerkennenden Entscheidungswirkungen divergiert, weil sich ihr Vorliegen jeweils nach anderen Regelwerken richtet. Obwohl nach der im 2. Kapitel dargestellten Dogmatik die Vollstreckbarkeit jedenfalls im Anwendungsbereich der ­EuGVVO also nur noch als eine unter vielen Anerkennungswirkungen anzusehen ist und insoweit eine Trennung der Vollstreckbarkeit von den anderen Entscheidungswirkungen nicht mehr erfolgt, führt die hier verfolgte Konzeption, wie auch bereits das Exequaturverfahren, wieder zu einer Durchbrechung dieses Gleichlaufs.78 Überzeugend ist das aus dem Blickwinkel einer klaren dogmatischen Konzeption nicht und führt zu Unstimmigkeiten im Verhältnis der Vollstreckbarkeit zu anderen Entscheidungswirkungen (dazu insbesondere für die Frage des anzuwendenden Anerkennungsrechts auf Rückforderungsbegehren unten im 5. Kapitel D. II. 2. c)). Auch die unter 2. vorgeschlagene ausschließliche Anwendbarkeit der Vollstreckungsverordnungen auf alle Anerkennungsfragen ist aufgrund der klaren Struktur der ­EuVTVO für diese Verordnung aber keine tragfähige Alternative.

D. Zusammenfassung Mit der E ­ uVTVO, der ­EuGFVO und der ­EuMahnVO hat der europäische Gesetzgeber neuartige Verordnungen zur Vereinfachung der Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen und damit der Effektuierung des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs geschaffen. Durch die Sonderregelungen sollte das Vollstreckungsverfahren vereinfacht und die Einwendungsmöglichkeiten gegen die Vollstreckung aus dem mitgliedstaatlichen Titel eingeschränkt werden. Genuin europäische Vollstreckungstitel schaffen alle drei Verordnungen aber nicht. In ihrem sachlichen Anwendungsbereich überschneiden sich diese Verordnungen und die E ­ uGVVO. Das Verhältnis zur Regelung von Anerkennung und Vollstre­ uGVVO ist – insbesondere nach Abschaffung des Exequaturverckung nach der E fahrens – unklar. Fragen ergeben sich hier hinsichtlich der rechtlichen Behandlung und Reichweite des nach einer der Sonderverordnungen durchlaufenen Vollstreckungsverfahrens. Insbesondere ist unklar, ob die Vollstreckungsverordnungen 78 Die Entkoppelung erfolgt hier gegenüber dem Exequaturverfahren indes in umgekehrter Richtung: Während das Exequaturverfahren die Vollstreckung aus den mitgliedstaatlichen Entscheidung erschwert hat, in dem es jedenfalls zusätzliche Verfahrensschritte gefordert hatte, ist die Vollstreckung aus den mitgliedstaatlichen Entscheidungen im Anwendungsbereich der Vollstreckungsverordnungen gegenüber der ­EuGVVO inhaltlich vereinfacht, da ihr nur noch wenige Versagungsgründe entgegengehalten werden können.

D. Zusammenfassung 

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auch die Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen regeln oder ob hierfür auf die Regelungen der E ­ uGVVO zurückgegriffen werden muss – mit der Folge, dass insoweit der Gleichlauf zwischen der Anerkennung der Vollstreckbarkeit und der anderen Entscheidungswirkungen durchbrochen wird, weil unterschiedliche Voraussetzungen an die Anerkennung gestellt werden. Mangels hinreichender Regelung zur Anerkennung im Allgemeinen ist derzeit davon auszugehen, dass die Vollstreckungsverordnungen diese nicht regeln. Der europäische Gesetzgeber scheint diesem Problem bisher wenig Bedeutung beigemessen zu haben. Nicht nur, dass das Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung und insbesondere ihrer Versagung auch mit der revidierten ­EuGVVO nach wie vor unklar ist. Insbesondere hat der europäische Gesetzgeber es auch bei der Reform der ­EuGFVO 2017 versäumt, klarstellende Ausführungen über das im Rahmen der Vollstreckungsverordnungen offensichtlich unklare Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung jedenfalls für den Anwen­ uGFVO zu machen. Eine dogmatisch saubere Konstruktion dungsbereich der E des Anerkennungs- und Vollstreckungsregimes im europäischen Zivilprozessrecht muss dem Ziel des zügigen Abbaus von Vollstreckungshindernissen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr weichen.

5. Kapitel

Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln der Begriff und das Institut der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht definiert und die grundlegende Systematik der Anerkennung und ihrer Versagung dargestellt wurde, soll in diesem 5. Kapitel untersucht werden, wie sich die Anerkennung oder fehlende Anerkennungsfähigkeit eines Titels aus dem EU-Ausland im ersuchten Mitgliedstaat theoretisch und praktisch auswirkt. Dabei wird sich zeigen, dass das europäische Konzept der Anerkennung auf drei Ebenen Schwächen aufweist. Zum einen kommt es zu Unstimmigkeiten, weil die (fehlende) Anerkennung nicht zwingend bindend feststeht und somit unsichere Rechtslagen begründet. Dies zeigt sich zum anderen insbesondere dort, wo die Anerkennung auch im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens relevant wird. Letztens stößt das Konzept der Anerkennung – gerade auch im Verhältnis zur Vollstreckbarkeit – im europäischen Zivilprozess dort an seine Grenzen, wo der europäische Gesetzgeber durch die Bereitstellung besonderer Vollstreckungsverordnungen die Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung von der Anerkennung als solcher (wieder) abgekoppelt hat.

A. Nichtanerkannte Entscheidung als „rechtliches Nullum“ Dabei seien zunächst die im 2. und 3. Kapitel gefundenen Ergebnisse in Erinnerung gerufen: Eine Entscheidung aus dem EU-Ausland, der im ersuchten Mitgliedstaat ein Versagungsgrund entgegensteht, ist nach der derzeitigen Konzeption des Anerkennungsrechts von Anfang an nicht anerkannt. Damit kommt ihr im ersuchten Mitgliedstaat grundsätzlich keine Wirksamkeit zu – sie stellt ein „rechtliches Nullum“ dar.1 Gleichwohl kann die Entscheidung im Inland faktische Bedeutung erlangen, denn ohne, dass die Beteiligten die fehlende Anerkennung der Entscheidung im Inland rügen, wird sie von inländischen Gerichten oder Behörden als wirksam behandelt. Eine Prüfung von Amts wegen findet nicht statt. Tatsächlich kann man also schwerlich von einem rechtlichen „Nullum“ sprechen. Der Entscheidung kommt 1

S. bereits oben 2. Kap., Fn. 77.

B. Bindende Feststellung der Anerkennung(sfähigkeit) 

161

im ersuchten Mitgliedstaat insoweit jedenfalls eine faktische Wirksamkeit zu. Sie wird trotz ihrer fehlenden Anerkennung umgesetzt. Ob sich die fehlende Anerkennungsfähigkeit im Inland überhaupt auswirkt, hängt also letztlich von den Beteiligten ab. Eine allgemeingültige Aussage über die faktische (fehlende) Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland lässt sich danach nicht treffen.

B. Bindende Feststellung der Anerkennung(sfähigkeit) Etwas anderes kann sich durch die direkte oder indirekte Vorbefassung einer inländischen staatlichen Stelle mit der Frage der Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung ergeben. Wurden Wirkungen einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland bereits in einem Vorverfahren relevant, so erlangte die Entscheidung im Inland rechtliche Bedeutung und wurde umgesetzt.2 Das bedeutet selbstredend nicht zwingend, dass diese Entscheidung tatsächlich anerkannt bzw. anerkennungsfähig ist. Nach dem oben Gesagten bleibt es dabei, dass eine nicht anerkannte Entscheidung grundsätzlich von Anfang an keine Wirkung im Inland entfaltet, auch wenn sie – etwa mangels Rüge der fehlenden Anerkennung oder rechtsfehlerhafter Beurteilung der Anerkennung durch die erstbefasste Stelle – dennoch tatsächlich umgesetzt wird. Ist eine mitgliedstaatliche Entscheidung einmal im Inland umgesetzt, so könnte diese Tatsache aber als Anhaltspunkt dafür genommen werden, die Anerkennung dieser mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland allgemeingültig festzulegen. So würde jedenfalls nach erstmaliger Umsetzung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland die durch die oben genannte Konzeption der automatischen Anerkennung und ihrer Versagung geschaffene Rechtsunsicherheit minimiert und eine einheitliche Beurteilung der Anerkennung der in Frage stehenden Entscheidung für konsekutive Verfahren gewährleistet. Mit anderen Worten stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Umsetzung im ersuchten Mitgliedstaat Einfluss auf die Beurteilung der (fehlenden) Anerkennung haben kann. Grundsätzlich dienen (gerichtliche) Entscheidungen durch die Bindungswirkung ihrer Rechtskraft der Herbeiführung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden.3 Dies könnte insoweit auch für die Handhabung der Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen herangezogen werden, sodass die Umsetzung der mitgliedstaatlichen Entscheidung jedenfalls eine faktisch unumstößliche Wirksamkeit im Inland nach sich ziehen könnte. Darüber hinaus sind auch rechtskraftfremde Präklusionswirkungen denkbar, die den Rechtsuchenden bei der Geltendmachung von

2 3

Zum Begriff der Umsetzung oben 2. Kapitel A. IV. 3. f). Statt vieler Saenger / Saenger, § 322 Rn. 1.

162

5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

Einwänden beschränken und so faktisch bindende Sachverhalte begründen.4 Auch dies kann zur Verbindlichkeit der Frage der Anerkennung nach Umsetzung einer ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat beitragen. Bei der Anerkennungsentscheidung (soweit eine solche ergeht) handelt es sich um eine Entscheidung nationaler Gerichte, auf die grundsätzlich das Prozessrecht des Forums Anwendung findet. Da sie aufgrund europäischer Regelungen – wie z. B. der ­EuGVVO – ergeht, ist dies aber keineswegs zwingend. Art, Umfang und Reichweite der in der E ­ uGVVO bereitgestellten Entscheidungsmöglichkeiten bemisst sich jedenfalls dort nach der ­EuGVVO, wo diese explizite Regelungen dazu trifft. Ebenso wäre es daher denkbar, die Frage der Reichweite der Rechtskraft und Bindungswirkung einer solchen Entscheidung aufgrund ihrer europarechtlichen Konzeption auf europäischer Ebene autonom zu bestimmen. Auf die Besonderheiten und Unterschiede der mitgliedstaatlichen Prozessordnungen käme es dann nicht an. Die Reichweite der Rechtskraft würde sich dann nach einem europarechtlich autonom zu bestimmenden Rechtskraftbegriff richten.5 Allerdings lassen sich den entsprechenden Verordnungen, namentlich der ­ uGVVO, keine eindeutige Aussagen zur Rechtskraft- und Bindungswirkung der E Entscheidungen über die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen entnehmen. Für den Rechtsbehelf im Rahmen der Vollstreckungsversagung verweist die ­EuGVVO stattdessen sogar ausdrücklich auf die Prozessordnungen der Mitgliedstaaten, vgl. Art. 47 Abs. 2 ­EuGVVO.6 Ein allgemeiner europäischer Rechtskraftbegriff kann derzeit unabhängig davon noch nicht ausgemacht werden. Weder die Rechtskraftwirkung der Entscheidungen der Unionsgerichte noch die Rechtsprechung des EuGH zur Kernpunkttheorie bieten hier eine tragfähige Grundlage.7 Nachfolgend soll die Beurteilung der Anerkennungsentscheidungen mit Blick auf ihre prozessualen Wirkungen daher im Ausganspunkt zunächst aus dem Blickwinkel des deutschen Prozessrechts erfolgen, wobei auch der Einfluss europarechtlicher Ansätze berücksichtigt wird.

4

S. allgemein dazu MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 322 Rn. 164 ff. Davon geht Geimer aus: Geimer, FS Torggler, S. 311, 316 f.; Zöller / ders., Anh I, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 42; s. auch ders., IZPR, Rn. 2756k ff. Er scheint dies aber wohl unter Rückgriff auf die Entscheidung des EuGH vom 15.11.2012, Rs. C-456/11, EuZW 2013, S. 60 ff. begründen zu wollen, was der Konzeption nicht vollends gerecht wird. Denn während dort die Reichweite der Wirkungserstreckung der Rechtskraftwirkung neu festlegt wird, geht es vorliegend um die Frage, welche Reichweite die Entscheidung über die Anerkennung selbst haben kann. 6 Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1, 14.  7 Insoweit gelten die oben im 2. Kapitel A. IV. 3. d) bb) (2) erlangten Erkenntnisse hier entsprechend. 5

B. Bindende Feststellung der Anerkennung(sfähigkeit) 

163

I. Keine Prüfung, keine Bindung Beruft sich eine Verfahrenspartei im ersuchten Mitgliedstaat auf die Anerkennung einer Entscheidungswirkung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung – etwa weil sie die Feststellungswirkung eines Urteilsspruchs aus dem EU-Ausland zur grundsätzlichen Haftung ihres Gegners aus einem im Ausland erlittenen Unfall für den im ersuchten Mitgliedstaat geführten Folgeprozess geltend macht – hat das zuständige Gericht im ersuchten Mitgliedstaat (nach Vorlage des Urteils so­ uGVVO) die anerkannten Entscheiwie der Bescheinigung, vgl. Art. 37 Abs. 1 E dungswirkungen zu berücksichtigen. Ohne entsprechende Rüge der Betroffenen hinsichtlich der Anerkennung der umgesetzten Entscheidung prüft es die Anerkennungsversagungsgründe nicht. Eine Bindung hinsichtlich der Entscheidung über die Anerkennung kann dann nicht eintreten. Die automatische Anerkennung bzw. ihre Versagung waren als solche nie Gegenstand der Prüfung durch eine staatliche Stelle im ersuchten Mitgliedstaat. Ob der Anerkennungsbefehl die Wirkungen der ausländischen Entscheidung auf den ersuchten Mitgliedstaat erstreckt hat oder Versagungsgründe entgegenstehen, wurde im ersuchten Mitgliedstaat in diesen Fällen weder inzident noch im Rahmen eines selbstständigen Verfahrens thematisiert. Unabhängig davon ist die mitgliedstaatliche Entscheidung indes nur anerkannt, soweit die Anerkennungsvoraussetzungen vorlagen und kein Anerkennungsversagungsgrund eingreift; andernfalls ist sie das nicht. Das gilt auch außerhalb des Anwendungsbereichs der ­EuGVVO, soweit die entsprechenden Verordnungen Aussagen über die Anerkennung einer in ihren Anwendungsbereich fallenden ausländischen Entscheidung treffen und, soweit lediglich die Vollstreckbarkeit durch diese Verordnungen geregelt wird, jedenfalls für diese. Wird die ausländische Entscheidung nun im ersuchten Mitgliedstaat ein weiteres Mal relevant, so ist die dann mit der Entscheidung befasste staatliche Stelle nicht an die vorangegangene Entscheidung, die die mitgliedstaatliche Entscheidung im Inland umgesetzt hat, gebunden. Hieran würde auch die Anwendung eines weitergehenden Rechtskraftverständnisses, das die Rechtskraft jedenfalls auch auf relevante Vorfragen erstreckt – wie dies beispielsweise im französischen Zivilprozess der Fall ist – nichts ändern. Denn wurde die Anerkennung nicht einmal inzident thematisiert, kommt auch eine Vorfragenbindung nicht in Betracht. Einzige Möglichkeit wäre, eine (rechtskraftimmanente oder rechtskraftfremde) Präklusion dergestalt anzunehmen, dass allein die potentielle Möglichkeit der Beteiligten, in einem inländischen Verfahren die fehlende Anerkennung zu rügen, eine Bindung für Folgeprozesse nach sich ziehen würde. Das würde letztlich dazu führen, dass den Beteiligten eine Obliegenheit zur Überprüfung der Anerkennung in jedem einzelnen Fall trifft.8 Das Untätigbleiben des Betroffenen würde sanktioniert. Das ist mit Blick darauf, dass die Anerkennung aufgrund Vorliegens eines Versagungsgrundes mit Erlass der jeweiligen Entscheidung grundsätzlich von Anfang an feststeht, schwer zu begründen. Jedenfalls 8

Vgl. dazu Steger, S. 6.

164

5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

stünde die Annahme einer Präklusionswirkung hier aber in unlösbarem Widerspruch zur in einer Vielzahl der einschlägigen Verordnungen vorgesehenen Möglichkeit, die Anerkennung auch inzident prüfen zu lassen. In diesen Fällen kommt eine sanktionierende Präklusionswirkung jedenfalls nach deutschem Prozessrecht nicht in Betracht (s. dazu sogleich). Dann kann im Gegenzug aber eine die Bindung an die bestehende Anerkennung auslösende Präklusion in Fällen, in denen die Anerkennung überhaupt nicht geprüft wurde, (derzeit) zwingend nicht eintreten.

II. Bindungswirkung der Entscheidungen über die Anerkennung Wurde die (fehlende) Anerkennung in einem Vorprozess thematisiert – etwa weil der Kläger in einem inländischen Verfahren die Rechtskraft einer EU-ausländischen Entscheidung geltend macht, der Schuldner sich aber auf Versagungsgründe beruft – trifft das mit der Sache befasste Gericht eine (inzidente) Entscheidung über die Anerkennung der in Frage stehenden ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat. Inwieweit diese (inzidente)  Entscheidung im Inland über die Anerkennung jedenfalls für Folgeverfahren die (fehlende) Anerkennung bindend festlegt, soll bezüglich der bereits angesprochenen Verordnungen nachfolgend erörtert werden:

1. Bindungswirkung der Entscheidungen über die Anerkennung im Anwendungsbereich der ­EuGVVO a) Bindungswirkung der Feststellungsentscheidungen Jedenfalls für die gezielten Rechtsbehelfe auf Feststellung der (fehlenden) Anerkennung erscheint die Situation klar:

aa) Art. 36 Abs. 2 ­EuGVVO Mit der stattgebenden Entscheidung im Rahmen der positiven Feststellungsklage nach Art. 36 Abs. 2 E ­ uGVVO steht bindend fest, dass kein Versagungsgrund gegen die Anerkennung der in Frage stehenden Entscheidung vorliegen und die Entscheidung demnach anerkannt ist. Das gilt selbst unter Zugrundelegung des engen deutschen Rechtskraftverständnisses. Wird der positive Feststellungsantrag abgelehnt, steht umgekehrt fest, dass ein Versagungsgrund vorliegt und die Entscheidung daher nicht anerkannt ist. Obwohl sich die Rechtskraftbindung eines Urteils nach deutschem Zivilprozessrecht – denkbar eng – grundsätzlich lediglich auf den aus Antrag und dazugehörigem Lebenssachverhalt bestehenden Streitgegenstand be-

B. Bindende Feststellung der Anerkennung(sfähigkeit) 

165

schränkt,9 wird im Zusammenhang mit der Ablehnung eines Feststellungsantrags jedenfalls auch auf die zugrundeliegenden Entscheidungsgründe zurückgegriffen.10 bb) Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO Gleiches gilt jedenfalls für die stattgebende Entscheidung im Rahmen eines ne­ uGVVO. Mit ihr steht fest, dass gativen Feststellungsantrags nach Art. 45 Abs. 4 E der Anerkennung ein Versagungsgrund entgegensteht und die mitgliedstaatliche Entscheidung daher nicht anerkennungsfähig und nicht anerkannt ist. Nicht ganz so eindeutig verhält es sich, wenn der entsprechende Antrag abgelehnt wird. Der Antrag nach Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO ist gerichtet auf die Versagung der Anerkennung, weil ein – vom Betroffenen geltend gemachter – Versagungsgrund vorliegen soll. Wird der Antrag abgelehnt, so beschränkt sich die Aussagekraft der Entscheidung zunächst darauf, dass der geltend gemachte Versagungsgrund nicht gegeben ist. Aussagen über das Vorliegen anderer Versagungsgründe, die der Betroffene nicht geltend gemacht hat, werden nicht getroffen. Dies ist indes anders zu beurteilen, wenn sich die Bindungswirkung auch auf diejenigen Versagungsgründe erstreckt, die hätten geltend gemacht werden können, aber nicht geltend gemacht wurden. Davon ist vorliegend, selbst nach dem insoweit engen deutschen Rechtskraftkonzept, auszugehen. Der Berechtigte ist danach in Folgeverfahren mit all denjenigen Tatsachen präkludiert, die zum streitgegenständlichen Lebenssachverhalt gehören – und zwar unabhängig davon, ob ­ uGVVO ist sie vorgetragen wurden oder nicht.11 Der Antrag nach Art. 45 Abs. 4 E gegen die Anerkennung der Entscheidung als solche, also ihre grundsätzliche Be­ uGVVO achtlichkeit,12 gerichtet. Begehrt der Betroffene gemäß Art. 45 Abs. 4 E also die Feststellung, dass die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung nicht möglich ist, so muss er in diesem Verfahren alle – möglichen – Versagungsgründe geltend machen. Wird der entsprechende Antrag abgelehnt, so ist er mit der Geltendmachung etwaiger weiterer Versagungsgründe (soweit sie im Zeitpunkt des Feststellungsverfahrens schon vorlagen) präkludiert. In Folgeverfahren ist er an das Fehlen von Anerkennungsversagungsgründen gebunden.13

9

S. hierzu statt vieler Musielak / Voit / Musielak, § 322 Rn. 16 ff. S. nur MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 322 Rn. 181. 11 BGH, Urteil v. 17.03.1995, Az. V ZR 178/93, NJW 1995, S. 1757; Urteil v. 19.11.2003, Az. VIII ZR 60/03, NJW 2004, S. 1252, 1253; M. Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung, S. 283. 12 S. zum Konzept der Beachtlichkeit oben 2. Kapitel C. IV. 13 Vgl. Nelle, S. 468, der dies selbst für das frühere Exequaturverfahren bejaht, der entgegen der hiesigen Rechtsbehelfe ja vom Vollstreckungsgläubiger und nicht vom -schuldner eingeleitet wurde. So auch (ohne Begründung) Zöller / Geimer, Anh I, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 60. 10

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

cc) Art. 46 ­EuGVVO – Bindungswirkung der Entscheidung im Vollstreckungsversagungsverfahren Schwierigkeiten bereitet die Frage, inwieweit mit der Entscheidung im Vollstreckungsversagungsverfahren nach Art. 46 E ­ uGVVO Bindungswirkung hinsichtlich des Vorliegens der Versagungsgründe oder gar der Anerkennung der Entscheidung einhergeht. Gemäß Art. 46 E ­ uGVVO wird „die Vollstreckung einer Entscheidung […] auf Antrag des Schuldners versagt, wenn festgestellt wird, dass einer der in Artikel 45 genannten Gründe gegeben ist.“ Obwohl also direkter Bezug zu den Anerkennungsversagungsgründen genommen wird, ist nach dem Wortlaut der Regelung Inhalt der Entscheidung lediglich die Versagung der Vollstreckbarkeit. Diese wird nach der aktuellen Konzeption durch Gestaltung „beseitigt“.14 Unter Zugrundelegung des deutschen Prozessrechtsverständnisses wäre über die Anerkennung der Entscheidung nur als Vorfrage und daher nicht bindend entschieden. Die Feststellung der fehlenden Anerkennung müsste insoweit gesondert beschieden werden, wie dies beispielsweise auch im Vollstreckbarerklärungsverfahren für Schiedssprüche nach der ZPO der Fall ist: Wird die Vollstreckbarerklärung inländischer oder ausländischer Schiedssprüche versagt, ordnen die § 1060 Abs. 2 S. 1 ZPO und § 1061 Abs. 2 ZPO zusätzlich die Feststellung der fehlenden Anerkennungsfähigkeit bzw. die Aufhebung des Schiedsspruchs an. Dies wäre nicht notwendig, wenn über die fehlende Anerkennung bereits mit der Versagung der Vollstreckung mitentschieden wäre. Überzeugend ist diese Aufspaltung zwischen Anerkennung und Vollstreckung indes nicht. Macht der Gläubiger nach erfolgreicher Abwehr der zuvor eingeleiteten Vollstreckung durch den Schuldner aufgrund Vorliegens eines Anerkennungsversagungsgrundes gem. Art. 46 ­EuGVVO in einem weiteren Verfahren die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung geltend (beispielsweise, weil er weitere Schäden gegen den Schuldner geltend macht und im anerkannten Urteil die Haftung des Schuldners dem Grunde nach festgestellt wurde), so stellt sich in diesem zweiten Verfahren die Frage, inwieweit das nun ersuchte Gericht an das ausländische Urteil gebunden ist. Diese Frage stellt sich nicht erst seit Abschaffung des Exequaturverfahrens: Auch der alte Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarkeit aus dem Exequaturverfahren hatte die Prüfung der Versagungsgründe zum Gegenstand, sodass auch hier fraglich war, inwieweit mit der Versagung der Vollstreckbarkeit gleichzeitig über die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung entschieden wurde. Sowohl die Anerkennungs- als auch die Vollstreckungsversagung sind nach der revidierten ­EuGVVO darauf gerichtet, die jeweilige der mitgliedstaatlichen Ent 14

S. zur Frage der Ausgestaltung und (fehlenden) Notwendigkeit dieser Gestaltungswirkung ausführlich oben im 3. Kapitel D. III. 2. 

B. Bindende Feststellung der Anerkennung(sfähigkeit) 

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scheidung automatisch zukommende Entscheidungswirkung abzuwehren. Sowohl in Art. 45 Abs. 4 als auch nach Art. 46 ­EuGVVO wird als ausschlaggebendes Kriterium das Vorliegen eines Versagungsgrundes und damit die fehlende Anerkennung geprüft. Theoretisch ist zwar denkbar, dass im Rahmen des Vollstreckungsversagungsverfahrens auch andere materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Titel geltend gemacht und geprüft werden können. Erwägungsgrund Nr. 30 der revidierten E ­ uGVVO sieht das ausdrücklich vor. Dennoch kann der Antrag auf Vollstreckungsversagung aber nur Erfolg haben, wenn jedenfalls auch einer der in Art. 45 Abs. 1 ­EuGVVO genannten Versagungsgründe einschlägig ist.15 Aus diesem Grund nimmt ein Großteil der deutschsprachigen Literatur an, dass der Entscheidung über die Vollstreckungsversagung nach Art. 46 ­EuGVVO zwangsläufig auch die Feststellung über die fehlende Anerkennung der in Frage stehenden Entscheidung zu entnehmen ist.16 Das ist mit Blick darauf, dass die Versagung der Vollstreckbarkeit nach dem oben Gesagten zwingend nur bei Vorliegen eines Versagungsgrundes Erfolg haben kann, nachvollziehbar. Bei erfolgreichem Antrag auf Vollstreckungsversagung steht fest, dass jedenfalls einer der Anerkennungsversagungsgründe einschlägig ist und daher die Anerkennung zwangsläufig nicht vorliegt – die Entscheidung im Inland also keine Wirkungen entfaltet. Dass der Antrag formell lediglich auf die Versagung der Vollstreckbarkeit gerichtet ist, kann dann für die hierausfolgende Bindung grundsätzlich keinen Unterschied machen.17 Lehnt man diese Konzeption unter Verweis auf die fehlende dogmatische Grundlage ab, hätte das zur Folge, dass trotz „Beseitigung“ der Vollstreckbarkeit der 15 Ob und in welchem Umfang die Geltendmachung materieller Einwendungen möglich ist, ist im Einzelnen strittig. Wie hier v. Hein, RIW 2013, S. 97, 110; Pohl, IPRax 2013, S. 109, 114; Musielak / Voit / Stadler, Art. 46 ­EuGVVO nF Rn. 2; a. A. Saenger / Dörner, Art. 46 E ­ uGVVO Rn.  2; Thomas / P utzo / Hüßtege, Art. 46 E ­ uGVVO Rn. 5. Fraglich ist insoweit auch, inwieweit der Schuldner danach sogar verpflichtet ist, etwaige materielle Einwände im Versagungsverfahren geltend zu machen, und andernfalls präkludiert ist, vgl. dazu Domej, RabelsZ 2014, S. 515 f. 16 So ausführlich Geimer, FS Torggler, S. 311, 332; ders. bereits in JZ 1977, S. 145, 150; Rauscher / Mankowski, Art. 46 Brüssel Ia-VO Rn. 30. A. A. Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 46 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 20 sowie Art. 45 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 160 und im Ergebnis wohl auch Hau, MDR 2014, S. 1417, 1419, wonach zusätzlich ein Antrag nach Art. 45 Abs. 4 E ­ uGVVO zu stellen sei. Anders sah das auch Geimer für Fälle, bei denen der Entscheidungsausspruch über den vollstreckbaren Leistungsanspruch hinausgeht. In solchen Fällen sei im Rahmen des (nun nicht mehr erforderlichen) Vollstreckbarerklärungsverfahrens über die Anerkennung des über den vollstreckbaren Teil hinausgehenden Entscheidungsausspruchs nichts gesagt und insoweit eine Anerkennungsfeststellung statthaft und notwendig, Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 1108 f. 17 Eckardt führt hierzu treffend aus: „Schafft der Gesetzgeber ein Verfahren, in dem Einwendungen gegen den titulierten Anspruch nach allen Standards durch das Prozessgericht geprüft werden, so würde es eine inakzeptable Ressourcenverschwendung bedeuten, die auf dieser Grundlage ergangene Entscheidung dann nicht auch hinsichtlich des Anspruchs selbst in materielle Rechtskraft erwachsen zu lassen.“, FS Pekcanıtez, S. 2177, 2192.

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

mitgliedstaatlichen Entscheidung diese im Inland als anerkannt gilt und dem Gläubiger damit die Möglichkeit genommen wäre, die im Ausland titulierte Forderung auch im Inland titulieren und vollstrecken zu lassen. Einem entsprechenden inländischen Verfahren stünde gegebenenfalls die – trotz beseitigter Vollstreckbarkeit vorliegende – Rechtskraftwirkung der mitgliedstaatlichen Entscheidung entgegen. Das kann weder vom europäischen Gesetzgeber gewollt gewesen sein, noch ist es rechtsstaatlich überzeugend. Dem Gläubiger muss es möglich sein, die Vollstreckung einer im Inland anerkannten Entscheidung herbeizuführen. Jedenfalls der stattgebenden Entscheidung nach Art. 46 ­EuGVVO muss daher zwingend auch die Feststellung entnommen werden, dass ein Versagungsgrund gegen die Anerkennung der vollstreckten Entscheidung vorliegt, damit dem Gläubiger ein neues Erkenntnisverfahren im ersuchten Mitgliedstaat offensteht. Eine dogmatische Begründung hierfür lässt sich allein darin finden, die Bindungswirkung der Entscheidung nach Art. 46 ­EuGVVO auch auf im Rahmen des Rechtsbehelfs geprüfte und entscheidungserhebliche Vorfragen auszuweiten, wie das im deutschen nationalen Zivilprozessrecht vermehrt auch für die einzelnen materiellen Einwände der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht wird.18 Dies müsste zur Vermeidung von Rechtszersplitterung für jegliche Folgeverfahren  – auch ohne Bezug zur Vollstreckung der mitgliedstaatlichen Entscheidung – gelten. Insoweit wird eine Bindung an Vorfragenentscheidungen begründet, die jedenfalls dem deutschen Zivilprozessrecht fremd ist und auf allgemein europarechtlichen Erwägungen beruhen würde.19 Das hier aufgeworfene Problem würde sich nicht stellen, wenn auch Art. 46 ­ uGVVO letztlich nur Feststellungswirkung hinsichtlich der (fehlenden) VollE streckbarkeit zukäme.20 Denn dann würde im Rahmen dieses Rechtsbehelfs über nichts anderes als das Vorliegen der Anerkennung entschieden, sodass sich die Geltendmachung dieses Rechtsbehelfs von Art. 45 Abs. 4 E ­ uGVVO nicht unterscheiden würde. dd) Zwischenergebnis Mit der gezielten Feststellung der (fehlenden) Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung nach Art. 45 Abs. 4 bzw. Art. 36 Abs. 2 ­EuGVVO sowie auch Art. 46 ­EuGVVO steht die (fehlende) Anerkennung der jeweiligen Entscheidung bindend fest.21 Das entspricht dem Sinn und Zweck der Bereitstellung dieser Fest­ uGVVO, wonach die Anerkennung der in Frage stellungsmöglichkeiten in der E 18

Vgl. Eckardt, FS Pekcanıtez, S. 2177, 2187 f. m. w. N. Vgl. insoweit auch BGH, Urteil v. 05.03.2009, Az. IX ZR 141/07, NJW 2009, S. 1671 Rn. 12. 19 S. zu derartigen Überlegungen noch unten 6. Kapitel C. 20 S. zur Konzeption des Art. 46 ­EuGVVO oben 3. Kapitel D. III. 21 Zöller / Geimer, Anh I, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 59 ff.; Geimer, FS Torggler, S. 311, 316 f.

B. Bindende Feststellung der Anerkennung(sfähigkeit) 

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stehenden mitgliedstaatlichen Entscheidung neben der Inzidentanerkennung verbindlich geklärt werden kann. (Erst) ab diesem Zeitpunkt gilt die Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat auch für Folgeverfahren als anerkannt. Diese Bindung tritt allerdings – wie bei allen Feststellungsentscheidungen – nur inter partes ein.22 Beruft sich eine Person auf die Wirkung einer ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat, die nicht Partei eines etwaigen Feststellungsverfahrens war, so steht die Anerkennung der ausländischen Entscheidung ihr gegenüber (noch) nicht fest. b) Bindungswirkung der Inzidentprüfung, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 3 ­EuGVVO Über die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung kann auch im Rahmen eines anderen Prozesses als Vorfrage entschieden werden. Anders als bei den oben unter I. genannten Fällen wird die Frage der Anerkennung hier jedenfalls inzident thematisiert. Das ist der Fall, wenn sich eine Partei auf Wirkungen der mitgliedstaatlichen Entscheidung berufen will und also deren Umsetzung begehrt, die andere Partei gegen die Anerkennung der in Rede stehenden Entscheidung vor der ersuchten Stelle aber Anerkennungsversagungsgründe und damit die fehlende Anerkennung geltend macht. Nach deutschem nationalem Prozessrecht erwächst in Rechtskraft lediglich der Tenor der Entscheidung, der sich auf den Streitgegenstand bezieht. Bloße Vorfragen, die vom Gericht zwar als Voraussetzung zur Bejahung eines entsprechenden Anspruchs geprüft werden, aber letztlich nicht im Tenor Niederschlag finden, sind von der Rechtskraft der entsprechenden Entscheidung nicht umfasst.23 Das gilt somit auch für die Fälle, in denen die (fehlende) Anerkennung inzident geltend gemacht und hierüber inzident mitentschieden wird.24 Dass die Beurteilung der Anerkennung gegebenenfalls zu den tragenden Entscheidungsgründen gehört, weil beispielsweise ohne Bindungswirkung an die ausländische Entscheidung das Gericht den in Frage stehenden Sachverhalt divergierend beurteilen und daraus folgend eine abweichende Entscheidung treffen würde, ändert hieran nichts. Der enge Rechtskraftbegriff des deutschen Zivilprozessrechts sieht eine derartige Bindung nicht vor.25 Gleiches gilt für inzidente Entscheidungen durch Behörden. Auch die 22

Geimer, FS Torggler, S. 311, 316 f.; Zöller / ders., Anh I, Art. 36 E ­ uGVVO Rn. 41. A. A. Junker, S. 284, der für den Antrag nach Art. 45 Abs. 4 E ­ uGVVO davon ausgeht, dass eine danach ergehende Entscheidung Wirkung inter omnes hat. So ist wohl auch Simons / Hausmann / Teixeira de Sousa / Hausmann, Art. 33 Rn. 19 zu verstehen. 23 Vgl. dazu BGH, Urteil v. 27.04.2014, Az. I ZR 27/13, GRUR 2015, S. 269 Rn. 19. 24 Musielak / Voit / Stadler, Art. 36 ­ EuGVVO nF Rn. 3; MünchKomm-ZPO  / G ottwald, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rn. 17, 30; Geimer, FS Torggler, S. 313, 315 f.; Saenger / Dörner, Art. 36 ­EuGVVO Rn.  13; Thomas / P utzo / Hüßtege, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 11. 25 Zur Beurteilung nach einem autonom europäischen Verständnis s. unten 6. Kapitel C.

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

materielle Bestandskraft eines Verwaltungsaktes umfasst lediglich den Entscheidungssatz und nicht präjudizielle Vorfragen.26 Hinsichtlich der Handhabung der ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat kann dies zu Disharmonie führen. Solange die Anerkennung nicht innerhalb eines eigenständigen Feststellungsverfahrens bzw. aufgrund gesonderten Feststellungsantrags gezielt beurteilt wurde, können unterschiedliche und divergierende Entscheidungen ergehen. Anders kann sich dies indes in Mitgliedstaaten verhalten, wo nach nationalem Zivilprozessrecht jedenfalls entscheidungserhebliche Vorfragen ebenfalls von der Rechtskraft umfasst sind.27 So ist beispielsweise im französischen Rechtsraum über die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung bindend entschieden, sobald eine staatliche Stelle über die Anerkennung eigenständig oder inzident befindet.28 Abweichende Entscheidungen können in der Folge nicht mehr ergehen. Von der bloßen Inzidententscheidung zu unterscheiden sind diejenigen Fälle, bei denen – entsprechend des § 256 Abs. 1 ZPO – im Rahmen eines inländischen Verfahrens die Frage der Anerkennung nicht nur als Vorfrage thematisiert, sondern auf Antrag des Betroffenen im Wege der Zwischenfeststellung entschieden wird.29 Soweit auch für die Inzidententscheidung teilweise die Meinung vertreten wird, dass – auch nach herkömmlichem nationalen Rechtskraftverständnis – eine Bindungswirkung bezüglich der Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung für spätere Verfahren besteht, bezieht sich dies zum überwiegenden Teil auf eben diese Fälle.30 Mit dem Zwischenfeststellungsantrag wird die Frage der Anerkennung aus dem Verfahren als bloße Vorfrage herausgenommen und gewinnt in einem „unselbstständigen“ Feststellungsverfahren eigenständige Bedeutung. Ergeht eine derartige Entscheidung, ist sie technisch dann nicht mehr als inzidente Entscheidung anzusehen. Für sie gilt das zu den Feststellungsanträgen soeben unter aa) Gesagte: Die Entscheidung über die (fehlende) Anerkennung hat grundsätzlich Bindungswirkung. Für die bloße inzidente Vorbefassung der staatlichen Stellen mit der Frage der Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung gilt dies aber nicht.

26

BGH, Urteil v. 02.04.2004, Az. XII ZR 301/01, NVwZ 2004, S. 763 m. w. N. S. hierzu bereits in Bezug auf die anzuerkennende Entscheidungswirkung der Rechtskraft oben 2. Kapitel A. IV. 3. d) aa). Soweit das nationale Prozessrecht angewendet wird, gelten diese Aussagen auch für die Reichweite der Anerkennungsentscheidung selbst. 28 Vgl. Magnus / Mankowski / Wautelet, Brussels Ibis Regulation, Art. 36 Rn. 31, der darauf hinweist, dass die Frage der Bindungswirkung vom jeweiligen nationalen Recht abhängt. 29 Wie das nach der h. M. gemäß Art. 36 Abs. 3 E ­ uGVVO möglich ist, vgl. oben im 3. Kapitel D. II. 2. a). 30 Vgl. hierzu Simons / Hausmann / Teixeira de Sousa / Hausmann, Art. 33 Rn. 19; Rauscher / ​ Leible, Art.  36 Brüssel Ia-VO Rn.  20; Kindl / Meller-Hannich / Wolf / Mäsch, Art. 32 Brüssel I-VO Rn.  20; Schlosser / Hess / Hess, EuZPR, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 10; Geimer / Schütze /  E . Peiffer / M. Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 36 Art. 1 VO (EG) 1215/2012 Rn. 58. 27

B. Bindende Feststellung der Anerkennung(sfähigkeit) 

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Besonderheiten ergeben sich weiterhin, wenn Versagungsgründe im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage nach nationalem Recht geltend gemacht werden.31 Beruft sich der Schuldner neben anderen Einwänden oder gar einzig auf die fehlende Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung, so kann hierin keine Vorfrage im herkömmlichen Sinne gesehen werden. Tatsächlich liegt ein zusätzlicher Einwand gegen die Vollstreckung vor, der sich nicht gegen die materielle Richtigkeit des Titels, sondern seine Wirksamkeit selbst richtet.32 Die Bindungswirkung der Entscheidung muss hier genauso weit gehen, wie sie für die nationalen Einwände gegen Titel nach § 767 ZPO gehen kann. Dort wird aber ebenfalls angenommen, dass der Betroffene im von ihm angestrengten Verfahren alle diejenigen Einwände erbringen muss, die er zu diesem Zeitpunkt hätte schon erheben können. Andernfalls ist er mit ihrer Geltendmachung (entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO) präkludiert.33 Die (fehlende) Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung steht für Folgeprozesse damit bindend fest. So kann ausnahmsweise selbst unter Zugrundelegung des deutschen Verständnisses eine Bindungswirkung der inzidenten Überprüfung für Folgeprozesse und eine gewisse Rechtssicherheit für die Anerkennungsfrage angenommen werden. Allein die Tatsache, dass es sich hierbei um einen nach deutschem Prozessrecht dogmatischen Ausnahmefall handelt, zeigt aber doch, wie willkürlich die Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage von den nationalen Prozessordnungen abhängt. 2. Bindungswirkung der Entscheidungen nach den Rechtsakten der ersten Generation Soweit die Frage der Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung innerhalb eines innerstaatlichen Verfahrens inzident relevant und geprüft wird, gilt auch im Anwendungsbereich der Rechtsakte der ersten Generation (vgl. dazu 2. Kapitel B. I. 4.) das eben Gesagte: Die Inzidentprüfung entfaltet keine Bindungswirkung und die Anerkennungsfrage kann (und muss) jeweils von Neuem beurteilt werden. Wird die Feststellung der (fehlenden) Anerkennung nach diesen Verordnungen begehrt, entscheidet die ersuchte Stelle über das Vorliegen etwaiger Versagungsgründe – und zwar nach dem oben34 Gesagten auch, obwohl die Regelungen auf das Vollstreckbarerklärungsverfahren verweisen, das eine Prüfung der Versa 31

Dass das möglich ist, wurde bereits oben thematisiert, 3. Kapitel D. II. 2. b). Entsprechende Rechtsbehelfe gibt es auch in anderen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, vgl. z. B. zur contestation nach französischem Recht: Nelle, S. 29 ff. 32 Nach deutscher Prozessrechtskonzeption ist hierin dann genau genommen keine reine Vollstreckungsgegenklage, sondern eine Titelgegenklage gem. § 767 ZPO analog bezogen auf die Unwirksamkeit der Entscheidung zu sehen. Vgl. zur Titelgegenklage BGH, Urteil v. 19.12.2014, Az. V ZR 82/13, NJW 2015, 1181 ff.; MünchKomm-ZPO / Schmidt / Brinkmann, § 767 Rn. 6. 33 Nelle, S. 467 f.; Eckardt, FS Pekcanıtez, S. 2177, 2184; Baur / Stürner / Bruns, Rn. 45.23. 34 S. im 3. Kapitel E. I.

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

gungsgründe erst in zweiter Instanz vorsieht. Für die Fragen der Bindungswirkung gilt dann das für Art. 36 Abs. 2 ­EuGVVO und Art. 45 Abs. 4 E ­ uGVVO Gesagte entsprechend: Wird die Anerkennung versagt, ist die fehlende Anerkennung für Folgeverfahren bindend festgestellt. Andernfalls ist der Antragsteller mit der Geltendmachung von Versagungsgründen in einem erneuten Versagungsverfahren oder in einem Folgeprozess präkludiert.35 Besonderheiten ergeben sich, wenn es um die Frage der Bindungswirkung von Entscheidungen im Rahmen des hier nach wie vor erforderlichen Vollstreckbarerklärungsverfahrens geht. Wie bereits angesprochen, werden Versagungsgründe gegen die Vollstreckbarerklärung frühestens in zweiter Instanz geltend gemacht. Anders als bei bloßen Feststellungsentscheidungen zur Anerkennung ist Gegenstand der Entscheidung aber die Vollstreckbarerklärung des ausländischen Titels und nicht etwa die Anerkennung, sodass hierüber keine rechtskraftfähige Entscheidung ergeht.36 Auch die für den Rechtsbehelf nach Art. 46 ­EuGVVO herangezogenen Erwägungen, die zu einer Bindungswirkung der Entscheidung über das Vorliegen von Versagungsgründen führen,37 helfen hier nicht weiter. Während die Vollstreckungsversagung letztlich einzig und allein auf die Versagung der Anerkennung der ausländischen Entscheidung gerichtet ist, wird im Vollstreckbarerklärungsverfahren etwas gänzlich anderes begehrt. Für die Erteilung des Exequaturs würde die Frage der Anerkennungsfähigkeit – wenn sie erstinstanzlich denn überhaupt zu prüfen wäre – lediglich eine Vorfrage darstellen, die nach deutschem Prozessrechtsverständnis von der Rechtskraft nicht umfasst wird. Aus diesem Grund trifft auch die Vollstreckbarerklärung nach der EuEheVO (Art. 28), die – wie auch die Feststellungsentscheidung nach dieser Verordnung – sogar die amtswegige Prüfung der Versagungsgründe umfasst, keine allgemeine verbindliche Aussage über das Bestehen dieser Versagungsgründe.38 Umgekehrt lassen sich der Ablehnung der Vollstreckbarerklärung dann auch keine verbindlichen Aussagen über die Anerkennungsfähigkeit der in Frage stehenden Entscheidung entnehmen. Mit Blick auf die Konzeption der Wirkung der Vollstreckbarkeit nach diesen Verordnungen ist das dogmatisch zwingend. Das Vollstreckbarerklärungsverfahren entkoppelt die Wirkung der Vollstreckbarkeit von den restlichen Wirkungen einer ausländischen Entscheidung, weil sie nicht anerkannt, sondern originär verliehen wird. Dass im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens letztlich – jedenfalls in zweiter Instanz – die gleichen Versagungsgründe geprüft werden, wie sie auch gegen die Anerkennung der Entscheidung vorgebracht werden können, 35

S. dazu 5.  Kapitel B. II. 1. a) aa) sowie 5.  Kapitel B. II. 1. a) bb). S. dazu bereits oben 3. Kapitel E. I. 37 Vgl. oben 5.  Kapitel B. II. 1. a) cc). 38 So für das autonome deutsche Recht Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1, 11 f. A. A. und für eine Bindungswirkung: BeckOK-ZPO / Bach, § 722 Rn. 31; so wohl auch Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 33 EuGVO Rn. 5. 36

B. Bindende Feststellung der Anerkennung(sfähigkeit) 

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kann damit zwar zu divergierenden Entscheidungen führen, die aufgrund der Sonderstellung der Wirkung der Vollstreckbarkeit vom Verordnungsgeber aber gerade gewollt zu sein scheinen. Damit hat die Erteilung oder Versagung der Vollstreckbarerklärung keine Auswirkung auf die Frage, ob die EU-ausländische Entscheidung im Inland in einem anderen Verfahren als anerkannt zugrunde gelegt werden kann. Hierüber hat die dann befasste staatliche Stelle (auf Rüge der Beteiligten) eigenständig zu entscheiden. 3. Bindungswirkung der Entscheidungen nach den Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation Welche Reichweite eine entsprechende Versagungsentscheidung im Anwendungsbereich der jeweiligen Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation hat, hängt davon ab, ob sie lediglich die Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit der in ihren Anwendungsbereich fallenden Entscheidungen betrifft oder darüber hinaus – jedenfalls soweit es um Wirkungen geht, die mit der Vollstreckbarkeit in Verbindung stehen – auch diese regelt.39 Billigte man den Verordnungen zu, auch Aussagen über die Anerkennung der jeweiligen Entscheidung treffen zu können, so gilt das für die E ­ uGVVO bereits Gesagte: Ein Rechtsbehelf zur Feststellung der fehlenden Anerkennung (wie man ihn in analoger Anwendung der in diesen Verordnungen einzig vorgesehenen Vollstreckungsversagung annehmen müsste)40 würde die Anerkennung der jeweiligen Entscheidung bindend feststellen. Gleiches gilt  – wenn auch mit dogmatischen Abstrichen – für die nach diesen Verordnungen im engen Umfang mögliche Voll­ uGVVO würden streckungsversagung: Wie auch bei der Versagung nach Art. 46 E dieser wohl bindende Angaben zum Vorliegen der Anerkennung und damit der Versagungsgründe entnommen werden.41 Soweit richtigerweise die Meinung vertreten wird, dass die Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation andere Entscheidungswirkungen grundsätzlich nicht betreffen, kann eine Versagung der Vollstreckung selbstredend keinen Einfluss auf die Frage der Anerkennung bezüglich anderer Entscheidungswirkungen haben. Obwohl die jeweilige Entscheidung also vollstreckt wurde und gegebenenfalls sogar über einen Antrag auf Vollstreckungsversagung entschieden wurde, sagt dies über die Wirksamkeit der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat im Übrigen nichts aus. 39

S. zur unklaren Konzeption der Vollstreckungsverordnungen oben 4. Kapitel C. II. S. hierzu ausführlich oben im 4. Kapitel C. II. 2.  41 A. A. wohl Wagner, IPRax  2002, S. 75, 93, der in Anlehnung an die österreichische Rechtslage vor Beitritt zum EuGVÜ selbst für die Frage der Vollstreckbarkeit keine Bindungswirkung annehmen will. 40

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

Eine separate Feststellung der (fehlenden) Anerkennung oder etwa eine Inzidententscheidung sehen die Vollstreckungsverordnungen darüber hinaus nicht vor, sodass die oben thematisierten Probleme hinsichtlich der Bindungswirkung solcher Entscheidungen hier nicht bestehen.

III. Zwischenergebnis Nur in den Fällen, in denen die Anerkennung Gegenstand eines selbstständigen Feststellungsverfahrens (bzw. jedenfalls einer Zwischenfeststellungsklage)  oder der Vollstreckungsversagung ist, wird über die Anerkennung der ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat bindend entschieden. Im Übrigen lässt sich nach derzeitiger Konzeption eine verbindliche Aussage über die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen, auch nachdem diese in einem ersuchten Mitgliedstaat umgesetzt wurden, nicht treffen: Auch für die Zweitbefassung im ersuchten Mitgliedstaat stellt sich damit das unter A. dargestellte Problem: Obwohl die fehlende Anerkennung von Anfang an feststeht – und die mitgliedstaatliche Entscheidung in einem Vorverfahren gege­ benenfalls sogar im Inland umgesetzt oder deren Umsetzung aber mangels Anerkennung (inzident) abgelehnt wurde, ist die nunmehr in einem zweiten inländischen Verfahren mit der Frage der Anerkennung konfrontierte staatliche Stelle hinsichtlich der Beurteilung der Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung frei. Eine Bindung an diesbezügliche vorherige Entscheidungen im Inland findet nur in wenigen Fällen statt. Das ist nach dem derzeitigen Konzept insoweit konsequent, als man durch weitreichende Bindungswirkungen andernfalls das Prinzip der automatischen Anerkennung (und ihrer automatischen Versagung) umgehen würde. Die mit dem Prinzip der automatischen Anerkennung einhergehende Rechtsunsicherheit, die im ersuchten Mitgliedstaat hinsichtlich der Wirksamkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen systemimmanent einhergeht, ist damit aber nicht gelöst.

C. Im Allgemeinen: Folgen der fehlenden Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage Aus den in den beiden soeben unter A. und B. ermittelten Befunden ergibt sich für die Behandlung der (fehlenden) Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen im Allgemeinen42 folgendes Bild:

42 Zur Problematik der fehlenden Verbindlichkeit Anerkennungsfrage im Verhältnis zur Vollstreckung s. sogleich 5. Kapitel D.

C. Folgen der fehlenden Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage

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Solange die Überprüfung der Anerkennung nicht initiiert wird, wird eine EUausländische Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat als faktisch wirksam behandelt. Insoweit kann gewissermaßen doch von einer „Vermutung der Anerkennung“ der ausländischen Entscheidung gesprochen werden.43 Das gilt auch und gerade, wenn die Entscheidungswirkungen der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland zwar bereits relevant wurden, die Anerkennung der Entscheidung im zugrundeliegenden Prozess aber nicht thematisiert wurde. Dass die ausländische Entscheidung in einem vorherigen Verfahren im Inland bereits einmal umgesetzt wurde, ist im Folgeverfahren insoweit unerheblich. Ansatzpunkte, an die sich eine Präklusion der Geltendmachung von Versagungsgründen in Folgeprozessen knüpfen könnte, sind nicht erkennbar: Soweit die Anerkennung im Vorverfahren inzident geprüft wurde, kommt eine sanktionierende Präklusionswirkung ohnehin nicht in Betracht (vgl. oben unter B. II. 1. b)). Gleiches muss dementsprechend auch gelten, wenn die Anerkennung überhaupt nicht thematisiert wurde (s. oben unter B. I.). Bezüglich der Anerkennung besteht sowohl bei Erstbefassung als auch in konsekutiven Verfahren somit Unklarheit. Wird die Anerkennung erst in einem zweiten Verfahren im Wege der Feststellung bindend abgelehnt, stellt sich zusätzlich die Frage, was das für die zuvor ergangene inländische Entscheidung bedeutet, im Rahmen derer die mitgliedstaatliche Entscheidung umgesetzt und die Anerkennung im Zweifel nicht thematisiert oder das Vorliegen von Versagungsgründen inzident abgelehnt wurde. Wird dem Gläubiger beispielsweise im ersten Verfahren aufgrund anerkannter Ehescheidung aus einem Mitgliedstaat Unterhalt zugesprochen und die Anerkennung des Scheidungsurteils nachfolgend im ersuchten Mitgliedstaat im Wege der Feststellung abgelehnt, ändert dies nichts daran, dass über die Unterhaltsverpflichtung im ersuchten Mitgliedstaat (rechtskräftig) entschieden wurde.44 Will man sichergehen, dass die Anerkennung bzw. die fehlende Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat verbindlich und identisch behandelt wird, bleibt nur die Möglichkeit, die Anerkennung bzw. deren Fehlen durch Feststellungsentscheidung oder jedenfalls durch Zwischenfeststellungsklage verbindlich überprüfen zu lassen. Verbindlichkeit wird dadurch freilich auch nur im Verhältnis inter partes hergestellt, es sei denn es wurden prozessuale Maßnahmen getroffen, um eine subjektive Rechtskrafterweiterung herbeizuführen.45 Eine allgemeingültige Feststellung darüber, ob eine ausländische Entscheidung im Inland Wirkung entfaltet oder nicht, ist derzeit nicht möglich. Die mitgliedstaatliche Entscheidung ist als solche im

43

S. dazu oben 3. Kap., Fn. 12. Abhilfe kommt hier allein in den Fällen in Betracht, in denen die Prozessordnungen ausnahmsweise rechtskraftdurchbrechende Abänderungsmöglichkeiten kennen, wie dies im deutschen Prozessrecht für wiederkehrende Leistungen z. B. nach § 323 ZPO der Fall ist. 45 S. hierzu bereits die Nachweise in 5. Kap., Fn. 22. 44

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

Inland (vollständig46) anerkannt oder nicht. Obwohl diese Anerkennung also allgemeingültig vorgegeben ist, ist eine ebenso gemeingültige Absicherung des Vorliegens der Anerkennung durch entsprechenden Rechtsbehelf oder im Wege einer entsprechenden Konzeption des Anerkennungsmechanismus derzeit nicht möglich. Ein Reflex der Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens ist dies indes nicht. Dass die Anerkennung nur in Ausnahmefällen geprüft oder gar bindend festgestellt wird und die tatsächliche Unwirksamkeit der ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat daher im Zweifel unerkannt bleibt, ist der Konzeption der automatischen Anerkennung geschuldet, wie sie seit jeher im europäischen aber auch allgemein im internationalen Zivilprozessrecht gilt. Unterschiedliche Verfahren, in denen die ausländische Entscheidung umgesetzt wird, können hinsichtlich der Frage der Anerkennung damit zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Diese Rechtsunsicherheit scheint vom Gesetzgeber gewollt oder jedenfalls geduldet zu sein. Auch scheint das Problem zunächst vor allem theoretischer Natur: Selbst wenn ein Fall eintritt, in dem Entscheidungswirkungen der mitgliedstaatlichen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat in einem zweiten Verfahren relevant werden, stellt sich das hier aufgeworfene Problem erst dann, wenn die Anerkennung tatsächlich angegriffen wird und die jeweiligen staatlichen Stellen diese unterschiedlich bewerten oder die Anerkennung in einem Fall angegriffen und abgelehnt und in einem anderen Fall gar nicht erst thematisiert wird. Aus dieser praktischen Sicht scheint die Divergenz zwischen rechtlicher und tatsächlicher Beachtlichkeit der ausländischen Entscheidung im Inland zunächst hinnehmbar. Inwieweit dies zur Umsetzung der weitest möglichen Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen im europäischen Rechtsraum beiträgt, ist aber zweifelhaft. Die Rechtsunsicherheit führt dazu, dass die grenzüberschreitende Wirksamkeit ausländischer Entscheidungen jedenfalls undurchsichtig bleibt. Der Rechtssuchende steht damit vor einer widersprüchlichen Situation. Ob eine mitgliedstaatliche Entscheidung anerkannt wird und damit im Inland Wirkung entfaltet, steht automatisch und im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat fest. Aufgrund des Konzepts der automatischen Anerkennung kann (und muss, soweit die fehlende Anerkennung nicht gerügt wird) eine staatliche Stelle also die Wirkungen einer ausländischen Entscheidung ihrem Verfahren zugrunde legen, ohne zu überprüfen, ob deren Voraussetzungen überhaupt vorliegen. Bindungswirkung hat diese (erste) Befassung mit der ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat nur dort, wo ein Feststellungsantrag beschieden wird. Ansonsten tritt eine Bindung hinsichtlich der Anerkennung der ausländischen Entscheidung nicht ein. Das ändert indes nichts daran, dass die ausländische Entscheidung von Anfang an anerkannt bzw. nicht anerkannt ist.

46

Es ist auch eine bloße Teilanerkennung möglich, wenn beispielsweise nur ein Teil einer mitgliedstaatlichen Entscheidung in den Anwendungsbereich eines Anerkennungsbefehls, z. B. nach der ­EuGVVO, fällt; s. Saenger / Dörner, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 9.

C. Folgen der fehlenden Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage

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Dieses Wechselspiel zwischen automatischer Anerkennung (und deren automatischer Versagung) und der fehlenden Bindungswirkung der Befassung einer staatlichen Stelle mit der anzuerkennenden Entscheidung lässt die Beteiligten mit erheblicher Rechtsunsicherheit zurück. Solange keine bindende Entscheidung über die Anerkennung der ausländischen Entscheidung im Wege einer selbstständigen Feststellung ergeht, ist unklar, ob die ausländische Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat Wirkung entfaltet. Dieser Widerspruch läge im Übrigen auch dann vor, wenn man davon ausginge, dass die Anerkennung grundsätzlich vorliegt und nur – im Einzelfall – durch Entscheidung einer staatlichen Stelle des ersuchten Mitgliedstaates beseitigt werden würde:47 Wenn nicht ein direktes Verfahren auf Feststellung der (fehlenden) Anerkennung angestrebt wird, findet die Beseitigung auch in diesen Fällen nur bezüglich des konkreten Verfahrens statt. Bindende Wirkung für Folgeprozesse hätte sie auch dann nicht. Ob die ausländische Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat anerkannt ist oder nicht, bliebe auch danach weiter unklar. Die hier aufgeworfene Problematik spricht auch Geimer an und unterscheidet zwei Arten der „Disharmonie“: Zum einen Fälle, bei denen in einem Verfahren ein Versagungsgrund geltend gemacht wurde, in einem zweiten jedoch nicht, und zum anderen Fälle, bei denen in beiden Verfahren ein Versagungsgrund geltend gemacht wurde, er aber nur in einem der Fälle bejaht und im anderen verneint wurde.48 Hieraus folgert Geimer, dass in solchen Fällen die Feststellung der Anerkennung im Wege des selbstständigen Feststellungsverfahrens nach Art. 36 Abs. 2 E ­ uGVVO notwendig sei. Dem ist nach dem oben Gesagten grundsätzlich zwar zuzustimmen, da derzeit nur so Rechtssicherheit hinsichtlich der Frage der Anerkennung der ausländischen Entscheidung herbeigeführt werden kann. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass ohne Einlegung dieses Rechtsbehelfs durch die Beteiligten die Unsicherheit weiterhin besteht. Ob dies vom europäischen Gesetzgeber mit Blick auf das Ziel der Vereinfachung und Effektuierung der Anerkennung (und Vollstreckung) mitgliedstaatlicher Entscheidungen gewollt war, ist zweifelhaft. Letztlich würde die Systematik einer automatischen Anerkennung – und gleichzeitig die neu geschaffene Systematik der automatischen Vollstreckbarkeit – umgangen, wenn der Betroffene zur Sicherstellung der (fehlenden) Anerkennung doch wieder ein (selbstständiges) Verfahren zur Feststellung der Anerkennung einleiten müsste. Der Verweis auf das Feststellungsverfahren stellt damit eine eingeschränkt praktikable Lösungsmöglichkeit für die Praxis dar. Die Widersprüche, die sich aus dem Anerkennungssystem der europäischen Verordnungen und der fehlenden Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage ergeben, lassen sich hierdurch nicht lösen.

47 S.  zur unterschiedlichen dogmatischen Konzeption der Anerkennungsversagung oben 3. Kapitel A. I. 48 Vgl. Zöller / Geimer, Anh I, Art. 36 ­EuGVVO Rn. 38.

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

D. Im Besonderen: Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung Besondere Brisanz erlangt dieser Befund in Situationen, in denen mitgliedstaat­ liche Entscheidungen im Inland vollstreckt wurden und die Anerkennung der vollstreckten Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat dann in einem weiteren Verfahren relevant wird. Unter der Prämisse, dass – ohne entsprechende gezielte Feststellung der (fehlenden) Anerkennung – selbst die Vorbefassung einer inländischen staatlichen Stelle keine bindende Aussage über die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung trifft, dürfte auch die Tatsache, dass ein Vollstreckungsverfahren durchlaufen wurde, zur Rechtsbeständigkeit der mit diesem Verfahren erlangten Güterverteilung nicht beitragen können. Denn eine gezielte, auf die Feststellung der Anerkennung ausgerichtete Entscheidung ergeht regelmäßig nicht. Die Vollstreckbarkeit als eine besondere Wirkung mitgliedstaatlicher Entscheidungen ist in den europäischen Verordnungen zum Anerkennungs- und Vollstreckungsrecht gesondert geregelt und besonderen Voraussetzungen unterworfen. Danach weist auch die Frage der Verbindlichkeit der Anerkennung in diesem Kontext Besonderheiten auf. Zur allgemeinen Unklarheit über die Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage als solche (s. soeben) treten hier Unklarheiten darüber hinzu, in welchem Verhältnis Anerkennung und Vollstreckbarkeit zueinanderstehen. Dies soll im Folgenden vertieft werden.

I. Auswirkungen der Vollstreckung auf die Anerkennungsfrage Neben der bereits vorhergehend unter B. thematisierten Frage, inwieweit die bloße Umsetzung der Entscheidung im Inland – hier nun durch ihre Vollstreckung – Auswirkungen auf die Beurteilung der Anerkennungsfrage hat, kommt dabei ein weiteres hinzu: Hängt die Vollstreckbarkeit von anderen als den Anerkennungsvoraussetzungen ab, ist es nicht nur die faktische Vollstreckung selbst, sondern auch die rechtliche Vollstreckbarkeit nach diesen Sonderregelungen, die gegebenenfalls Auswirkungen auf die Anerkennungsfrage haben kann. 1. Vollstreckung nach der ­EuGVVO Wie im 2. Kapitel gesehen, wird die Vollstreckbarkeit nun mehr grundsätzlich im Wege des Anerkennungsbefehls auf andere Mitgliedstaaten erstreckt. Weiterer Voraussetzungen zur Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen bedarf es nicht (mehr). Wie jede andere Entscheidungswirkung auch ist die Wirkung der Vollstreckbarkeit allein von der Anerkennung der mitgliedstaatlichen ­ uGVVO Entscheidung abhängig und kommt dieser im Anwendungsbereich der E automatisch zu.

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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Eine nicht anerkennungsfähige Entscheidung bleibt nicht anerkennungsfähig und nicht anerkannt, auch wenn die Anerkennung im Rahmen der Vollstreckbarkeit relevant wird. Mit der Vollstreckung aus einem mitgliedstaatlichen Titel, ohne dass der Betroffene die fehlende Anerkennung und damit die fehlende Vollstreckbarkeit rügt, kann also (zunächst) ein nicht anerkannter Titel im Inland umgesetzt werden. Die Vollstreckung eines nicht anerkennungsfähigen Titels ist damit praktisch gesehen eine der weitestgehenden Wirkungen, die einer nicht anerkannten ausländischen Entscheidung im Inland faktisch zu kommen können. Die Tatsache, dass die ausländische Entscheidung im Inland vollstreckt wurde, führt nicht dazu, dass ihre Anerkennung und Vollstreckbarkeit nun (bindend) feststeht. Entscheidungen über das Vorliegen der Vollstreckbarkeit oder anderer Entscheidungswirkungen, an die eine Bindungswirkung anknüpfen könnte, wurden nicht getroffen. Lediglich, wenn eine Entscheidung nach Art. 46 E ­ uGVVO ergeht, kann eine Bindungswirkung auch für die Frage der Anerkennung angenommen werden.49 2. Vollstreckung nach den Verordnungen der ersten und zweiten Generation Dieser Gleichlauf ist indes nicht zwingend. Sowohl die Verordnungen der ersten Generation als auch die Vollstreckungsverordnungen (­EuVTVO, E ­ uMahnVO und ­EuGFVO) der zweiten Generation sehen Sonderregelungen für die Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen in ihrem Anwendungsbereich vor. Die Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen wird dort an andere Voraussetzungen geknüpft bzw. anderen Mechanismen unterworfen. a) Vollstreckbarerklärungsverfahren Obgleich auch im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens Voraussetzung der Vollstreckbarkeit das Vorliegen der Anerkennung ist, wird die Vollstreckbarkeit als ausländische Entscheidungswirkung nicht auf das Inland erstreckt, sie wird der ausländischen Entscheidung im Inland vielmehr originär verliehen. Grundlage der Zwangsvollstreckung und titelschaffende Entscheidung bei Erfordernis eines Exequaturverfahrens ist nicht die mitgliedstaatliche Entscheidung, sondern die inländische Exequaturentscheidung selbst.50 Dadurch, dass auch im Vollstreckbarerklärungsverfahren die Versagungsgründe allenfalls auf Rüge in zweiter Instanz geprüft werden, ist auch hier denkbar, dass einer Entscheidung die Wirkung der Vollstreckbarkeit verliehen wird, obwohl diese nicht anerkannt ist und im Inland danach grundsätzlich keine Wirkungen 49 50

S. hierzu ausführlich oben 5. Kapitel B. II. 1. S. zum Ganzen ausführlich oben im 2. Kapitel B. I. 3. a).

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

entfalten können soll. Mit der Erteilung des Exequatur wird die Vollstreckbarkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland ausgesprochen. Aussagen über das Vorliegen der Versagungsgründe werden damit – jedenfalls nach deutschem Rechtskraftverständnis – nicht getroffen.51 Das ist mit Blick auf eine einheitliche und klare Regelung der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht folgerichtig. Andernfalls würde sich die Anerkennung vollstreckbarer und mit dem Exequatur versehener mitgliedstaatlicher Entscheidungen nach anderen Kriterien richten, als die mitgliedstaatliche Entscheidung, die per se oder im Einzelfall nicht vollstreckt wird.52 Denn während der Schuldner eines mitgliedstaatlichen Vollstreckungstitels lediglich bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen das Exequatur gegen die Anerkennung vorgehen könnte und bei fehlender rechtzeitiger Rüge die Entscheidung unabhängig von ihrer tatsächlichen Anerkennung vollumfänglich gegen sich gelten lassen müsste, wäre in anderen Fällen, in denen ein Exequatur nicht erteilt wird, die Geltendmachung der Versagungsgründe nach derzeitiger Rechtslage jederzeit möglich. Andersherum bedeutet dies aber auch, dass die Ablehnung der Vollstreckbarerklärung keine Auskunft über die (fehlende) Anerkennung gibt. b) Vollstreckungsverordnungen Wie auch nach der E ­ uGVVO liegt die Vollstreckbarkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidungen nach den Vollstreckungsverordnungen automatisch vor, sodass es auch hiernach denkbar ist, dass eine Entscheidung vollstreckt wird, ohne dass die – nach diesen Verordnungen stark eingeschränkten aber dennoch existierenden – Versagungsgründe geltend gemacht wurden. Eine Bindungswirkung für die Frage der Anerkennung kann hier, wie bereits oben gesehen (5. Kapitel B. II. 3.), nach richtiger Ansicht nicht bestehen. Mit dieser Auffassung ist darüber hinaus aber auch denkbar, dass zwar kein Versagungsgrund nach der jeweiligen Verordnung vorliegt, die Vollstreckbarkeit der in Frage stehenden Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat also objektiv vorliegt, der Anerkennung aber ein Versagungsgrund aus der ­EuGVVO entgegensteht. Dann ist die in Frage stehende Entscheidung – selbst wenn der Betroffene sich hiergegen wehren will – zwar vollstreckbar, im Übrigen aber nicht anerkannt. Insoweit ist die Vollstreckbarkeit von den anderen anzuerkennenden Entscheidungswirkungen entkoppelt.

51 52

Vgl. oben 5. Kapitel B. II. 2.  Freitag, FS Kropholler, S. 759, 769.

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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3. Zwischenergebnis Damit lassen sich folgende Schlüsse für das Verhältnis der Vollstreckbarkeit zur Anerkennungsfrage als solche ziehen: Im Anwendungsbereich der E ­ uGVVO zeigt sich hinsichtlich des Verhältnisses der Anerkennung zur Vollstreckbarkeit der bereits in den Kapiteln 2 und 3 dargestellte Gleichlauf: Die fehlende Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung bedeutet gleichzeitig deren fehlende Vollstreckbarkeit. Dieser Gleichlauf ist im Vollstreckbarerklärungsverfahren durchbrochen: Durch die Vollstreckbarerklärung wird die Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen von ihrer Anerkennung im Übrigen entkoppelt. Die durch das Exequatur verliehene Vollstreckbarkeit kann außerhalb der Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen das Exequatur nicht mehr beseitigt werden – auch wenn sich herausstellen sollte, dass Versagungsgründe gegen die mitgliedstaatliche Entscheidung vorliegen, die der Anerkennung entgegenstehen und die Entscheidung also automatisch nicht anerkannt ist. Von der Vollstreckung eines „rechtlichen Nullums“, wie Freitag dies darstellt,53 kann dann indes keine Rede sein. Allein die Tatsache, dass der ausländischen Entscheidung im Inland die Wirkung der Vollstreckbarkeit unwiderruflich zugesprochen wurde, bedeutet, dass sie im Inland Wirkung entfaltet und somit kein „rechtliches Nullum“ darstellt. Anders als in den Fällen, in denen es mangels Rüge der fehlenden Anerkennung letztlich zu einer faktischen Wirksamkeit der eigentlich nicht anerkannten Entscheidung im Inland kommt, handelt es sich hierbei nicht lediglich um einen Reflex der fehlenden Rüge der fehlenden Anerkennung, sondern um die insoweit vollwertige Erteilung der Vollstreckbarkeit im Inland. Wendet man die Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation auch auf die Frage der Anerkennung des jeweiligen Titels an, ist der Gleichlauf von Vollstreckbarkeit und Anerkennung gewahrt. Dann unterliegen beide Konzepte den (eingeschränkten) Versagungsmöglichkeiten dieser Verordnungen und folgen im Übrigen der Systematik der automatischen Anerkennung, wie sie bereits beschrieben wurde. Geht man indes mit der richtigen Ansicht davon aus, dass die Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation über die Anerkennungsfrage als solche keine Auskunft geben,54 sondern ihr Anwendungsbereich sich auf die Wirkung der Vollstreckbarkeit beschränkt, so ist auch nach diesen Vollstreckungsverordnungen eine Entkopplung der Wirkung der Vollstreckbarkeit von der Anerkennungsfrage als solcher zu verzeichnen. Diese ist hier – anders als im Vollstreckbarerklärungsverfahren – dann nicht dem Mechanismus der Vollstreckbarkeit als solchem geschuldet. Die Wirkung der Vollstreckbarkeit liegt auch nach den Vollstreckungsverordnungen automatisch vor, sodass der Mechanismus insoweit der Anerkennung 53 54

S. dazu 2. Kap., Fn. 77. S. zu den Argumenten hierfür 4. Kapitel C. II. 3. 

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

nach der ­EuGVVO entspricht. Im Rahmen der Vollstreckungsverordnungen ist die Wirkung der Vollstreckbarkeit jedoch gegenüber der ­EuGVVO an zwar nicht gänzlich, aber doch deutlich andere Voraussetzungen geknüpft.55 Damit unterfallen Vollstreckbarkeit und Anerkennung im Übrigen unterschiedlichen Anerkennungsregimen, die inhaltlich voneinander abweichen.56 Der Ver­ uGVVO ist gegenüber den Versagungsmöglichkeiten sagungsgründekatalog der E nach den Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation deutlich umfangreicher, sodass eine mitgliedstaatliche Entscheidung theoretisch gegen Versagungsgründe der ­EuGVVO verstoßen kann, mit denjenigen der Vollstreckungsverordnungen aber in Einklang steht. In diesem Fall ist die mitgliedstaatliche Entscheidung im Inland zwar vollstreckbar. Andere Entscheidungswirkungen kommen ihr aufgrund der fehlenden Anerkennung dann aber nicht zu. Auch hier ist, anders als Freitag das befürchtet, nicht von einer Vollstreckung eines „rechtlichen Nullums“ auszugehen,57 denn es gilt das bereits zum Vollstreckbarerklärungsverfahren Gesagte: Anders als in den Fällen, in denen die fehlende Anerkennung insoweit umgangen wird, als die mitgliedstaatliche Entscheidung mangels Rüge im Inland dennoch umgesetzt wird, steht hier das Vorliegen der Entscheidungswirkung Vollstreckbarkeit nach der jeweiligen Vollstreckungsverordnung fest. Insoweit ist die Anerkennung jedenfalls dieser Entscheidungswirkung gegeben, sodass die Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat jedenfalls diesbezüglich Wirkung entfaltet. Sowohl bei erforderlichem Exequaturverfahren als auch – nach richtiger Ansicht – im Rahmen der Vollstreckungsverordnungen stellt sich die Wirkung der Vollstreckbarkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung nicht ohne Weiteres als Teil der Anerkennung im Übrigen dar, sodass der Gleichlauf von Anerkennung und Vollstreckung durchbrochen wird.

II. Folgen der fehlenden Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage im Vollstreckungsverfahren Dass eine mitgliedstaatliche Entscheidung vollstreckt wurde, sagt nach den obigen Ausführungen also noch nichts über die Anerkennung dieser Entscheidung im Inland aus. Unabhängig davon, ob die Versagungsgründe im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens geprüft wurden oder nicht, kann über das Vorliegen der Anerkennung im Allgemeinen in konsekutiven Verfahren grundsätzlich jeweils neu entschieden werden. Im Rahmen der Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen wirkt sich dies indes nicht nur auf etwaige Folgeverfahren aus, in denen die Anerkennung 55

Vgl. oben 3. Kapitel E. II. Freitag nennt dies „evidente Normwidersprüche“, FS Kropholler, S. 759, 768. 57 Freitag, FS Kropholler, S. 759, 763. 56

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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anderer Entscheidungswirkungen, wie z. B. die Rechtskraft der mitgliedstaatlichen Entscheidung, im Raum stehen. Bedeutsam ist dabei insbesondere die Frage, inwie­ weit die fehlende Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage Auswirkungen hat, wenn nach der Vollstreckung Maßnahmen in Bezug auf die Vollstreckung eingeleitet werden – beispielsweise ein erneuter Vollstreckungsversuch unternommen wird oder aber das aus der Zwangsvollstreckung Erlangte zurückgefordert werden soll. Letzteres ist von besonderer Brisanz und soll nachfolgend vertieft werden: 1. Keine Bindung auch bei Rückforderung von aus der Zwangsvollstreckung Erlangtem? Macht der Schuldner nach Durchführung der Zwangsvollstreckung aus einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im Rahmen einer Bereicherungsklage im ersuchten Mitgliedstaat die fehlende Anerkennung der vollstreckten mitgliedstaatlichen Entscheidung geltend und fordert aus diesem Grund das aus der Zwangsvollstreckung Erlangte zurück, muss das Gericht grundsätzlich die Anerkennung der vollstreckten mitgliedstaatlichen Entscheidung und das Vorliegen etwaiger Versagungsgründe prüfen. Eine bindende Entscheidung über die Anerkennung der vollstreckten mitgliedstaatlichen Entscheidung ist im Vollstreckungsverfahren nicht ergangen. Selbst wenn die Anerkennung dort inzident geprüft worden sein sollte, hat dies keine Auswirkungen. Solange die (fehlende) Anerkennung nicht innerhalb eines (eigenständigen) Feststellungsverfahrens oder nach Art. 46 ­EuGVVO festgestellt wurde, liegt eine Bindung hinsichtlich der bestehenden oder fehlenden Anerkennung – und damit auch der Vollstreckbarkeit – der mitgliedstaatlichen Entscheidung nicht vor.58 Obwohl der Schuldner also die Möglichkeit gehabt hätte, vor oder während der Vollstreckung aus der mitgliedstaatlichen Entscheidung die fehlende Anerkennung feststellen oder die Vollstreckbarkeit etwa nach Art. 46 ­EuGVVO „beseitigen“ zu lassen, ist er mit der nun mehr nachträglichen Geltendmachung der fehlenden Anerkennung – jedenfalls vor deutschen Gerichten – grundsätzlich nicht präkludiert. a) Rechtsgrund für das Behaltendürfen des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten Macht der Schuldner nach Durchführung der Zwangsvollstreckung die Rückforderung des Erlangten im ersuchten Mitgliedstaat geltend, kann ihm dies unter Zugrundelegung bereicherungsrechtlicher Wertungen nach deutschem Recht nur versagt werden, wenn auch im ersuchten Mitgliedstaat ein Rechtsgrund für das

58

S. zur Problematik der Bindungswirkung nach der ­EuGVVO oben 5 Kapitel B. II. 1.

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

Behaltendürfen des aus der Vollstreckung Erlangten besteht. Nur dann ist die Zwangsvollstreckung aus dem mitgliedstaatlichen Titel kondiktionsfest. aa) Ausländisches Urteil als causa Teilweise wurde – vor allem im älteren Schrifttum – vertreten, dass eine ausländische Entscheidung immer Rechtsgrund für das Behaltendürfen des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten darstelle, auch wenn die Entscheidung im Inland nicht anerkannt sei.59 Das solle jedenfalls dann gelten, wenn die ausländische Entscheidung allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entspreche. Die ausländische, nicht anerkannte Entscheidung stelle eine Naturalobligation dar.60 Der Schuldner, gegen den eine solche Entscheidung im Ausland ergangen ist und die im Inland vollstreckt wurde, müsste danach allein die Tatsache, dass im Ausland eine hoheitliche Entscheidung erging, gegen sich gelten lassen. Wenn auch aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nachvollziehbar, ist diese Meinung dogmatisch nicht tragfähig. Die Wirkungen einer im ersuchten Mitgliedstaat nicht anerkannten Entscheidung werden mangels Anerkennungsbefehls nicht auf das Inland erstreckt. Allein die Tatsache, dass nach äußeren Kriterien ein hoheitlicher Leistungsbefehl eines Staates existiert, ändert daran nichts. Die Anerkennungsregelungen würden umgangen, wenn man davon ausginge, dass die Zwangsvollstreckung aus einem ausländischen Titel trotz fehlender Vollstreckbarkeit und damit fehlender Anerkennung nicht rückgängig gemacht werden dürfte. Das „rechtliche Nullum“61 kann keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen des in der Zwangsvollstreckung Erlangten begründen. Das gilt umso mehr, als die Vollstreckbarkeit eine der wichtigsten praktischen Wirkungen einer Entscheidung ist. Solange der Gesetzgeber aber die Anerkennung (und damit auch die Vollstreckbarkeit) an besondere Voraussetzungen knüpft und im einzelnen Mitgliedstaat Versagungsgründe gegen die Wirkungserstreckung der ausländischen Entscheidung vorgebracht werden können, muss dies ausnahmslos auch für die Wirkung der Vollstreckbarkeit und ihrer Folgen möglich sein. Gegen die Rückforderungsmöglichkeit wird vor allem vorgebracht, dass diese ein „Vollstreckungskarussell“62 oder gar einen „Justizkrieg“63 auslöse, weil sie dazu führe, dass „sich jede Partei immer aufs Neue in dem eigenen Staat zurückholt, wozu sie in dem anderen Staat verurteilt worden ist“.64 Zur Vermeidung von Konflikten sei es nicht Sinn und Zweck der Anerkennungsvorbehalte (namentlich des 59

Vgl. Schack, IZVR, § 22 Rn. 1132 f.; Melchior, S. 321; Wolff, S. 133; Schack, ZZP 2003, S. 130, 132; MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 328 Rn. 193. 60 Matscher, JBl. 1954, S. 54 f. 61 S. oben 2. Kap., Fn. 77. 62 So plastisch formuliert von Schack, ZZP 2003, S. 130, 132. 63 Schack, IZVR, § 22 Rn. 1132 f. 64 Schack, IZVR, § 22 Rn. 1132; vgl. auch Fuchs / Hau / T horn, S. 71.

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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ordre public-Vorbehalts), das Rechtsverständnis der inländischen Rechtsordnung unbedingt durchzusetzen.65 Eine tragfähige dogmatische Lösung gibt es für diese Konzeption indes nicht.66 Wenn die Gerichte des ersuchten Mitgliedstaates zuständig sind und nach anwendbarem materiellen Recht eine Rückforderung aufgrund mangelnder Anerkennung der vollstreckten Entscheidung grundsätzlich in Betracht kommt, muss diese möglich sein, denn andernfalls würden die Anerkennungsregelungen umgangen und letztlich leerlaufen. Das gilt sowohl für die Rückforderung des aus der Zwangsvollstreckung im eigenen Land als auch in einem anderen Land (also entweder das Ursprungsland oder ein Drittland) Erlangten im ersuchten Mitgliedstaat. Dass es danach zu Unstimmigkeiten und Konflikten zwischen den unterschiedlichen Rechtsordnungen kommen kann, ist systemimmanentes Merkmal der fehlenden Urteilsfreizügigkeit:67 Solange es denkbar ist, dass eine Entscheidung eines anderen Staates aus formalen oder inhaltlichen Gründen im Inland keine Wirkung entfalten darf, muss dies konsequenterweise in allen Belangen gelten. Hierzu gehört auch, dass die hiernach durchgesetzte Güterverteilung im Inland nicht hingenommen werden muss. Jedenfalls soweit die Vollstreckung im Ausland erfolgte, wird all dies letztlich wohl vor allem ein theoretisches Problem darstellen und in der Praxis wenig Rele­ vanz haben. Es stellt sich erst, wenn die Zuständigkeit der Gerichte eines Staates gegeben ist, in dem die vollstreckte Entscheidung nicht anerkennungsfähig ist. Die Möglichkeit, das im Ausland durch Zwangsvollstreckung Erlangte mangels Vereinbarkeit mit der eigenen Rechtsordnung im Inland zurückzufordern, ist im europäischen Rechtsraum nicht gänzlich unbekannt. Beispielsweise das englische Recht kennt sogenannte claw back statutes, wonach die Rückforderung von aus der Zwangsvollstreckung Erlangtem in Sonderfällen aufgrund eines nicht anerkannten ausländischen Urteils explizit festgeschrieben ist.68 Entsprechende explizite Regelungen kennt das deutsche Recht nicht. Hieraus zu schließen, dass eine solche Rückforderung daher grundsätzlich auszuschließen ist, ginge indes zu weit.69 Mit der überwiegenden Ansicht ist daher anzunehmen, dass eine Rückforderung des in der Zwangsvollstreckung Erlangten bei fehlender Anerkennung- bzw. 65

MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 328 Rn. 193. Vgl. auch Schack, IZVR, § 22 Rn. 1136. So auch Fuchs / Hau / T horn, S. 70 Fn. 39, die im konkreten Fall die Rückforderung allerdings an einer restriktiven Auslegung des ordre public-Vorbehalts scheitern lassen. Vgl. auch Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 339. 67 Vgl. E.  Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 405; Stein / Jonas / Roth, § 328 Rn. 39; Stein / ​ ­Jonas  / Oberhammer, Art. 33 ­EuGVVO Rn. 17. 68 Vgl. United Kingdom Protection of Trading Interests Act 1980, Sec. 6 (2) für multiple damages nach US-amerikanischem Recht; vgl. dazu MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 328 Rn. 193; Schack, IZVR, § 22 Rn. 1134 f. Allgemein zu ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen für Rückforderungsmöglichkeiten E. Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 401 ff. 69 So auch Antomo, S. 583. Anders wohl MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 328 Rn. 193. 66

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

Vollstreckbarkeit im ersuchten Mitgliedstaat mangels Rechtsgrundes für das Behaltendürfen grundsätzlich möglich sein kann.70 Wie sich dies genau darstellt, ist letztlich eine Frage des anwendbaren Bereicherungsrechts. bb) Vollstreckbarkeit und Rechtskraftwirkung im Rahmen von Rückforderungsprozessen Welches materielle Recht auf einen derartigen bereicherungsrechtlichen Anspruch Anwendung findet, ist im europäischen Rechtsraum in Art. 10 Rom II-VO geregelt. Dieser umfasst unterschiedliche Anknüpfungspunkte, sodass das jeweils anzuwendende materielle Recht vom Einzelfall abhängig ist. In Abs. 3 sieht die Regelung als Grundanknüpfung das Recht des Staates vor, in dem die Bereicherung eingetreten ist.71 Von der Frage des anwendbaren materiellen Rechts ist indes die Beurteilung der Anerkennung der vollstreckten Entscheidung abzugrenzen. Diese richtet sich als prozessuale Frage nach der lex fori des ersuchten Mitgliedstaates.72 Nur so ist dem Sinn und Zweck der Notwendigkeit des Anerkennungsbefehls und seiner Versagungsmöglichkeiten Rechnung getragen: Das Anerkennungserfordernis dient gerade dem Schutz der Souveränität der eigenen Rechtsordnung, der nur gewährleistet ist, wenn der ersuchte Staat nach seinen Kriterien entscheiden kann, ob der ausländischen Entscheidung im Inland Wirksamkeit zugesprochen wird.73 Eine Untersuchung der Rückforderungsproblematik unter Zugrundelegung aller europäischen materiellen Rechtsordnungen kann hier nicht erfolgen. Im Folgenden sollen sich die Ausführungen auf die Anwendung deutschen materiellen Rechts beschränken, das gerade für die Frage der Behandlung von Rückforderungsklagen ein eindrucksvolles Bild zeichnet. Nach deutschem Bereicherungsrecht kommt für die Rückforderung des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten ein Anspruch aus Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB in Betracht, da die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner nicht als dessen Leistung im Sinne der Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt.  1 BGB angesehen werden kann. Voraussetzung beider bereicherungsrechtlicher Kondiktionsansprüche ist, dass ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen des aus der Zwangsvollstreckung vom Schuldner Erlangten nicht besteht. Worin dieser zu sehen ist, wird im deutschen Zivilprozessrecht nicht einheitlich beurteilt.

70

So auch BAG, Urteil v. 09.07.1986, Az. 5 AzR 563/84 – juris; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 338 f.; Geimer, IZPR, Rn. 3055; Schimrick, S. 130; Freitag, FS Kropholler, S. 759, 763; Frankenstein, S. 355 f.; Zöller / Geimer, § 328 Rn. 292; Coester-Waltjen, FS Beys, S. 183, 197; Stein / Jonas / Roth, § 328 Rn. 39; Regen, S. 667 f. 71 BeckOK-BGB / Spickhoff, Art. 10 VO (EG) 864/2007 Rn. 9. 72 So auch Regen, S. 668 Fn. 39; anders wohl Köster, S. 134; Schack, IZVR, § 22 Rn. 1133, wonach sich die Anerkennung nach dem anwendbaren materiellen Recht richte. 73 S. dazu oben 2. Kapitel A. II. 4. 

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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Allein die Tatsache, dass ein vollstreckungsfähiger Titel besteht, genügt jedenfalls nicht. Dass der zugrundeliegende Anspruch des Gläubigers durch staatlichen Befehl tituliert wurde, besagt nichts über die materielle Berechtigung des Gläubigers an dem Erlangten.74 Aufgabe der Zwangsvollstreckung ist es nicht, eine endgültige Güterverteilung herbeizuführen.75 Eine „Vollstreckungskraft“ als zur Rechtskraft analoges Konzept der Rechtsbeständigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen kennt das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht nicht.76 Allein die Tatsache, dass der ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitglied­ staat die Wirkung der Vollstreckbarkeit zukommt, führt also noch nicht dazu, dass die Vollstreckung aus der entsprechenden Entscheidung kondiktionsfest ist.77 Mit der herrschenden Meinung ist vielmehr davon auszugehen, dass Rechtsgrund für das Behaltendürfen des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten nach deutschem Bereicherungsrecht das im Rahmen der Vollstreckung entstehende Pfändungspfandrecht ist. Durch die öffentlich-rechtliche Verstrickung wird dieses Pfändungspfandrecht am gepfändeten Gegenstand begründet und setzt sich entsprechend § 1247 S. 2 BGB im Wege der dinglichen Surrogation am Erlös der Vollstreckung fort. Auch die Voraussetzungen des Pfändungspfandrechts nach deutschem Zivil­ prozessrecht sind nicht unumstritten. Soweit nach der öffentlich-rechtlichen Theorie für die Begründung des Pfändungspfandrechts allein die wirksame Verstrickung, also öffentlich-rechtliche Beschlagnahme des gepfändeten Gegenstandes, notwendig ist, kommt es auf die materiell-rechtliche Berechtigung des Gläubigers nicht an. Die wirksame Verstrickung wäre nur bei Vorliegen schwerwiegender Fehler zu verneinen.78 Im Übrigen wäre lediglich erforderlich, dass ein vollstreckungsfähiger Titel vorliegt, aufgrund dessen die Vollstreckung erfolgt.79 Es käme so allein auf die Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit der vollstreckten Entscheidung an. Dass diese Ansicht im deutschen Vollstreckungsrecht zu Recht keinen umfassenden Anklang findet, ergibt sich wiederum aus dem bereits oben 74

Schilken, JuS 1991, S. 50, 52; Gaul, JuS 1962, 1, 2; Gaul / Schilken / Becker-Eberhard / Schilken, § 53 Rn. 50. 75 BGH, Urteil v. 02.04.2001, Az. II ZR 331/99, NJW-RR 2001, S. 1450, 1451; Urteil v. 02.07.1992, Az. IX ZR 274/91, NJW  1992, S. 2570, 2573; Gaul / Schilken / Becker-Eberhard / Schilken, § 53 Rn. 61; Gaul, JuS 1962, S. 1, 2.  76 BGH, Urteil v. 02.07.1992, Az. IX ZR 274/91, NJW 1992, S. 2570, 2573; Gaul, AcP 1973, S. 323, 326 ff; ders., JuS 1962, S. 1, 2; Gerlach, S. 14 f.; Eckardt, FS Pekcanıtez, S. 2177, 2180. Für eine solche „Vollstreckungskraft“ aber Böhm, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung, S. 88; ähnlich auch Günther, AcP 1978, S. 456, 463 ff., der eine Stabilisierung aus Vertrauensgesichtspunkten annimmt. 77 Auch die §§ 815 Abs. 3, 817 Abs. 4, 819 ZPO begründen einen Rechtsgrund nicht, da sie lediglich den Schuldner schützen und im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung daher keine Rechte des Gläubigers begründen sollen, vgl. Brox / Walker, Rn. 470. 78 S. zum Ganzen Musielak / Voit / Becker, § 803 Rn. 10. 79 BGH, Urteil v. 17.12.1992, Az. IX ZR 226/91, NJW 1993, S. 735, 736; Urteil v. 25.10.1990, Az. IX ZR 211/89, NJW 1991, S. 496, 497 mit Verweis auf § 750 Abs. 1 ZPO.

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

Gesagten: Die bloße Titulierung der vollstreckten Entscheidung sagt noch nichts über deren materielle Richtigkeit aus. Beim Pfändungspfandrecht handelt es sich letztlich um ein privatrechtliches Pfandrecht, dessen materielle Entstehungs- und Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht vollends unberücksichtigt bleiben können.80 Nach der vorzugswürdigen gemischt öffentlich-rechtlichen privatrechtlichen Theorie ist das Bestehen des Pfändungspfandrechts nicht nur an das Vorliegen eines vollstreckungsfähigen Titels (und die wirksame Verstrickung) geknüpft. Zusätzlich muss auch die gesicherte Forderung bestehen, § 1204 Abs. 1 BGB. Ob dies der Fall ist, wird beim Pfändungspfandrecht durch prozessuale Wirkungen modifiziert: Ist das Bestehen der Forderung aufgrund rechtskräftiger Entscheidung festgestellt, ist für die Prüfung des Vorliegens des Pfändungspfandrechts im Rahmen der Rechtskraft vom Bestehen der Forderung auszugehen.81 Dementsprechend findet zum Schutze der Rechtskraft der vollstreckten Entscheidung die Präklusionsvorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO im Rahmen der als „verlängerte Vollstreckungsgegenklage“ bekannten Rückforderungsklage dergestalt Anwendung, dass Einwände gegen den titulierten Anspruch, die im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO gemäß § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert gewesen wären, auch im Rahmen der Rückforderungsklage nun nicht mehr geltend gemacht werden können.82 Hiernach wird für die Frage der Rückforderung dann also eine andere Entscheidungswirkung relevant: Voraussetzung ist, dass die Entscheidung Rechtskraftwirkung entfaltet.83 So ist es im Übrigen auch nach österreichischem Recht: Auch dort kommt es für die Kondiktionsfestigkeit der Vollstreckung auf die Rechtskraft des vollstreckten Titels an.84 Liegt diese nicht vor, so muss das mit der Frage der Rückforderung befasste Gericht inzident prüfen, ob die titulierte Forderung besteht. An entsprechende Feststellungen oder Entscheidungen des Ursprungsgerichts ist es dabei dann nicht gebunden.85 Dies ähnelt aus Sicht des deutschen Zivilprozessrechts einer verlängerten Titelgegenklage nach § 767 ZPO analog. Auch dort kommt eine Bindung an die vollstreckte Entscheidung mangels Rechtskraft derselben nicht in Betracht.86

80

Vgl. dazu MünchKomm-ZPO / Gruber, § 804 Rn. 11 ff. Musielak / Voit / Becker, § 804 Rn. 6; MünchKomm-ZPO / Gruber, § 804 Rn. 11 ff. 82 BGH, Urteil v. 07.07.2005, Az. VII ZR 351/03, NJW 2005, S. 2926, 2927; BGH Urteil v. 05.07.2013, Az. V ZR 141/12, NJW  2013, S. 3243 Rn. 16 f.; s.  auch MünchKomm-ZPO / ​ Schmidt / Brinkmann, § 767 Rn. 21. 83 BGH, Urteil v. 11.03.1953, Az. II ZR 180/52, BeckRS 1953, 31203555; Soergel / SchmidtKessel / Hadding, § 812 Rn. 135; Staudinger / L orenz, § 812 Rn. 91. 84 OGH, Urteil v. 04.11.2005, Az. 5 Ob 103/05s, SZ 2005/159; Rummel / Achatz / Rummel, ABGB, § 1431 Rn. 6. 85 Vgl. dazu E. Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 407. 86 S. zur Titelgegenklage bereits oben 5. Kap., Fn. 32. 81

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

189

Die Überprüfung der titulierten Forderung führt in diesen Fällen zu einer révision au fond, die im Anerkennungsrecht untersagt ist.87 Das Verbot der révision au fond dient unmittelbar dem Schutz der Anerkennung der ausländischen Entscheidung. Die Entscheidung darf nicht deshalb im ersuchten Mitgliedstaat für nicht anerkennungsfähig gehalten werden, weil der befasste Richter das Vorliegen des titulierten Anspruchs anders bewerten würde. Kommt er zum gleichen Ergebnis wie der Richter des Ursprungsstaates, ist eine Anerkennung in diesem Sinne gar nicht mehr notwendig, von einer Anerkennung könnte genau genommen nicht mehr gesprochen werden.88 Stehen der Anerkennung indes Versagungsgründe entgegen, entfaltet die ausländische Entscheidung im Inland grundsätzlich keine Wirkung, sodass es auch keines Schutzes der Entscheidung durch Verbot einer Überprüfung in der Sache bedarf. Über das Bestehen der titulierten Forderung kann im Inland dann selbstverständlich eigenständig entschieden werden. Das Verbot der révision au fond besteht dann gerade nicht. Betrachtet man die Rückforderungsproblematik aus Sicht der Anerkennung prozessualer Entscheidungswirkungen ausländischer Entscheidungen, so lässt sich also feststellen, dass es für die Frage des Behaltendürfens des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten unter Zugrundelegung des deutschen und auch des österreichischen Bereicherungsrechts letztlich nicht auf die Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung, sondern auf das Bestehen der titulierten Forderung und demnach auf die Rechtskraftwirkung der Entscheidung ankommt.89 Ohne Anerkennung der Rechtskraftwirkung steht die vollstreckte Entscheidung einer Rückforderung des hiernach Erlangten also grundsätzlich nicht entgegen. Anders wäre dies nur, wenn man (auch) die Frage des Behaltendürfens des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten europarechtlich autonom bestimmen könnte.90 Eine dogmatische Begründung scheint hier aber wiederum schwierig. Dem ausländischen Titel, der mangels Anerkennung im Inland grundsätzlich wirkungslos ist, würden dennoch Wirkungen zukommen. Das Konzept der Wirkungserstreckung durch Anerkennung würde damit umgangen. Ist aufgrund fehlender Anerkennung bereits keine Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung anzunehmen, liegt mangels Vollstreckungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung schon keine Verstrickung und damit kein Pfändungspfandrecht vor. Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Erlangten kann damit 87

Vgl. z. B. Art. 52 ­EuGVVO. Vgl. Geimer / Schütze / Geimer, EZVR, Art. 36 VO (EG) Nr. 44/2001 Rn. 1. 89 So im Ergebnis, allerdings ohne Begründung, auch Gaul, JuS 1962, S. 1, 2 („Nur soweit die Rechtskraft reicht, findet die Vollstreckung ihre endgültige ‚Rechtfertigung‘“); E. Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 405; Köster, S. 131; vgl. auch Niese, S. 121 ff.; vgl. Coester-Waltjen, FS Beys, S. 183, 197, die auf die res judicata abstellt. 90 Dies wäre jedenfalls nicht europarechtswidrig, vgl. Stein / Jonas / Oberhammer, Art. 33 ­EuGVVO Rn.  18. 88

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

allenfalls noch ein dahingehender Anspruch des Gläubigers sein, der wiederum vom befassten Gericht zu prüfen ist. Ein entsprechendes Urteil, das dem Schuldner die Rückforderung des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten gewährt, wäre im Ursprungsmitgliedstaat des vollstreckten Titels wegen entgegenstehendem inländischen Urteil und wegen ordre public-Verstoß wohl wiederum nicht anerkennungsfähig.91 Ein sich hieraus ergebendes befürchtetes „Vollstreckungskarussell“ müsste als systemimmanentes Merkmal der lediglich bedingten Titelfreizügigkeit aber hingenommen werden.92 b) Zwischenergebnis Die Rückforderung des durch Zwangsvollstreckung Erlangten ist also nur dann ausgeschlossen, wenn der in Frage stehenden Entscheidung Rechtskraftwirkung zukommt oder die ersuchte Stelle nach eigener Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass dem Gläubiger das Erlangte tatsächlich zusteht. Auf die Vollstreckbarkeit der jeweiligen Entscheidung kommt es mit dem oben Gesagten nach deutschem Rechtsverständnis nach Beendigung der Zwangsvollstreckung nicht mehr an. Das ist insoweit bemerkenswert, als es die Wirkung der Vollstreckbarkeit ist, die die hoheitliche Eingriffsmaßnahme der Zwangsvollstreckung legitimiert. Die Wirkung der Vollstreckbarkeit hat nach Beendigung der Vollstreckung selbst aber ihren Dienst getan und kann auf das Rechtsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger keinen Einfluss mehr nehmen. Entscheidend ist danach lediglich noch, ob der Gläubiger eine materielle Berechtigung zum Behaltendürfen des konkret Erlangten hat. Kommt der Schuldner der Zwangsvollstreckung durch freiwillige Leistung auf eine im Ausland titulierte Forderung zuvor, ergibt sich nichts anderes. Der Umweg über die Eingriffskondiktion93 und das den Rechtsgrund darstellende Pfändungspfandrecht muss dabei nicht beschritten werden. Auch hier kommt es aber letztlich darauf an, ob dem Gläubiger das vom Schuldner Geleistete zusteht.94 Die anerkannte Rechtskraft der die Forderung titulierenden Entscheidung würde danach zur Bindung für das nunmehr über die Rückforderung entscheidende Gericht führen. Nur ausnahmsweise kommt auch bei fehlender Anerkennung eine Rückforderung unter Zugrundelegung des deutschen materiellen Bereicherungsrechts dann 91

Vgl. dazu E. Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 416 ff.; Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/2, S. 1537 Fn. 139. 92 Vgl. bereits oben im 5. Kapitel D. II. 1. a) aa) sowie 5. Kap., Fn. 67. 93 In diesem Fall ist strittig, ob aufgrund des Vollstreckungsdrucks nicht doch von einer Eingriffskondiktion auszugehen ist. S. zum Streitstand mit weiteren Nachweisen E. Peiffer, Schutz gegen Klagen, S. 405 ff. 94 Vgl. BAG, Urteil v. 09.07.1986, Az. 5 AzR 563/84 – juris Rn. 41 ff.

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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nicht in Betracht, wenn der Schuldner gemäß § 814 BGB freiwillig geleistet hat.95 Das kann bei Durchführung der Zwangsvollstreckung oder Leistung des Schuldners unter dem Druck der bevorstehenden Zwangsvollstreckung aber nicht angenommen werden. Der Rückforderung des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten steht schließlich auch nicht etwa entgegen, dass dies der ursprünglichen, vollstreckten Entscheidung zuwiderliefe. Das wäre nur der Fall, wenn man in der Rückforderung des im Leistungsurteil Zugesprochenen das kontradiktorische Gegenteil zu diesem Leistungsurteil sehen würde.96 Das kann indes nicht angenommen werden,97 denn Gegenstand der Entscheidung ist nun die Frage der gerechtfertigten Bereicherung. Inwieweit der Gläubiger Anspruch auf die jeweilige Leistung hatte, stellt hierzu nur noch eine Vorfrage dar.98 2. Rückforderung im Anwendungsbereich der einzelnen Verordnungen Dies vorweggenommen soll im Folgenden erörtert werden, wie die einschlägigen europäischen Verordnungen mit dieser Rückforderungsproblematik umgehen und inwieweit sie gegebenenfalls Lösungsansätze bieten, um die Rechtsbeständigkeit der durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen zu gewährleisten. a) ­EuGVVO Eindeutig ist der Fall, wenn eine mitgliedstaatliche Entscheidung im Anwen­ uGVVO vollstreckt wird. Wie bereits mehrfach festgestellt, dungsbereich der E laufen hier Anerkennung und Vollstreckbarkeit gleich. Sämtliche Entscheidungswirkungen liegen mit Erlass der mitgliedstaatlichen Entscheidung auch im ersuchten Mitgliedstaat automatisch vor, es sei denn, ihnen steht ein Versagungsgrund entgegen. In diesem Fall werden – wiederum sämtliche – Wirkungen der Entscheidungen automatisch nicht auf den ersuchten Mitgliedstaat erstreckt. Divergierende Ergebnisse zwischen dem Vorliegen der Anerkennung und der Vollstreckbarkeit sind damit – anders als im Anwendungsbereich der Verordnungen der ersten Generation und der Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation – grundsätzlich nicht möglich. Steht der Erstreckung der Wirkungen der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland ein Versagungsgrund nach Art. 45 95

Geimer, IZPR, Rn.  3055; Stein / Jonas / Oberhammer, Art. 33 ­EuGVVO Rn. 18. So wohl Thomas / P utzo / Reichold, § 322 Rn. 11, sowie Koussoulis, S. 231 f., der hier von „unechter Präjudizialität“ spricht. 97 So wird überwiegend angenommen, dass dem Leistungsurteil lediglich präjudizielle Wirkung zukommt: vgl. etwa Gaul, JuS 1962, S. 1, 7, Schilken, JuS 1991, S. 50, 52; MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 322 Rn. 45 f.; Eckardt, FS Pekcanıtez, S. 2177, S. 2185 f. m. w. N. 98 So auch Eckardt, FS Pekcanıtez, S. 2177, S. 2185 f. 96

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

­ uGVVO entgegen, so ist diese im Inland von Anfang an weder anerkannt noch E vollstreckbar, sodass nach Vollstreckung der mitgliedstaatlichen Entscheidung die Rückforderung des Erlangten denkbar ist. aa) Keine (Rechtskraft-)bindung aufgrund Durchführung des Vollstreckungsverfahrens Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die mitgliedstaatliche Entscheidung im Inland durch ihre Vollstreckung bereits umgesetzt wurde und damit Beachtung gefunden hat. Bindende Entscheidungen über die Anerkennung – und damit auch die Vollstreckbarkeit – der mitgliedstaatlichen Entscheidung ergehen nur dort, wo gezielt die Feststellung der Anerkennung begehrt wird.99 Eine solche bindende Entscheidung wird bei Durchführung der Vollstreckung aufgrund der ­EuGVVO aber in der Regel nicht getroffen. Soweit nicht Feststellung der bestehenden oder fehlenden Anerkennung nach Art. 36 Abs. 2, Art. 45 Abs. 4 oder Art. 46 E ­ uGVVO begehrt wurde, trifft allein die Tatsache, dass die mitgliedstaatliche Entscheidung im Inland vollstreckt wurde, keine bindende Aussage darüber, ob die mitgliedstaatliche Entscheidung im Inland tatsächlich auch anerkannt ist. Die Vollstreckung aus der mitgliedstaatlichen Entscheidung aufgrund der mit dem Anerkennungsbefehl der ­EuGVVO nun mehr automatisch eingetretenen Vollstreckbarkeit kann mangels Prüfung der Anerkennung im Rahmen der Vollstreckung hinsichtlich des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens der Versagungsgründe keine Rechtskraft entfalten. bb) Anknüpfungspunkte für eine Präklusion Eine Präklusion der Geltendmachung der Versagungsgründe, mit der dem Schuldner verwehrt werden könnte, sich im Rückforderungsprozess auf die fehlende Anerkennung (und damit die fehlende Rechtskraft) der ausländischen Entscheidung zu berufen und vom Gläubiger das Erlangte mangels Rechtsgrund für das Behaltendürfen zurückzuverlangen, könnte sich danach allenfalls aus rechtskraftfremden Erwägungen ergeben. Eine dogmatische Begründung erscheint hier aber wiederum schwierig:

99

S. dazu oben 5. Kapitel B. II. 1. 

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

193

(1) Rechtsbehelfe nicht fristgebunden Der EuGH entschied bereits im Jahr 1988, dass aus dem Prinzip der praktischen Wirksamkeit folge, dass „die nach dem nationalen Recht gegebenen Rechtsbehelfe ausgeschlossen sein müssen, wenn der Rechtsbehelf gegen die Vollstreckung einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen ausländischen Entscheidung von der Person eingelegt wird, die auch gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung einen Rechtsbehelf hätte einlegen können, und auf einen Grund gestützt wird, der im Rahmen des letztgenannten Rechtsbehelfs hätte vorgebracht werden können.“100 Allerdings bezieht sich diese Rechtsprechung auf eine Vorgängerreglung der ­ uGVVO, die  – innerhalb des dort noch erforderlichen Exequaturverfahrens  – E noch eine Frist zur Geltendmachung der jeweiligen verordnungseigenen Rechtsbehelfe im Vollstreckbarerklärungsverfahren zur Geltendmachung von Versagungsgründen vorsah.101 Der EuGH nimmt hierauf direkt Bezug, wenn er die Präklusion der Geltendmachung von Versagungseinwänden durch den Schuldner dadurch begründet, dass die Durchführung nationaler Rechtsbehelfe gegen die Zwangsvollstreckung ansonsten zur Folge habe, „daß die erteilte Zulassung der Zwangsvollstreckung nach Ablauf der strikt einzuhaltenden Frist des Art. 36 Abs. 2 EuGVÜ wieder in Frage gestellt und dieser Vorschrift damit die praktische Wirksamkeit genommen würde.“102 Eine solche Frist kennt die reformierte E ­ uGVVO indes nicht mehr. Das Zwischenverfahren ist hier abgeschafft und der Gläubiger kann ohne weiteres die Vollstreckung aus der mitgliedstaatlichen Entscheidung betreiben. Die ­EuGVVO sieht zwar auch im Rahmen dieser Vollstreckung Rechtsbehelfsmöglichkeiten gerichtet auf die Geltendmachung der fehlenden Anerkennung und damit der fehlenden Vollstreckbarkeit vor. Die fehlende Anerkennung kann danach grundsätzlich jederzeit geltend gemacht werden. Warum eine Rückforderungsklage das Rechtsbehelfssystem der E ­ uGVVO umgehen sollte, obwohl die Geltendmachung der fehlenden Anerkennung auch noch nach Beendigung der Zwangsvollstreckung – gegebenenfalls inzident – möglich ist, lässt sich nicht begründen.103 (2) In sich geschlossenes Rechtsbehelfssystem? Nach wohl überwiegender Ansicht handelt es sich jedenfalls bei dem Rechtsbehelfssystem der vormals geltenden EuGVO um ein in sich geschlossenes System, das nicht durch die Möglichkeit der Geltendmachung der Versagungsgründe auf 100

EuGH, Urteil v. 04.02.1988, Az. Rs. 145/86, NJW 1989, S. 663 Rn. 29. S. der vom EuGH zitierte Art. 36 Abs. 2 EuGVÜ sowie die Nachfolgeregelung Art. 43 Abs. 5 EuGVO. 102 EuGH, Urteil v. 04.02.1988, Az. Rs. 145/86, NJW 1989, S. 663 Rn. 29. 103 Vgl. zur insoweit vergleichbar konzipierten EuUnterhaltsVO ausdrücklich Stürner, FS Geimer 80, S. 727, 733. 101

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

anderen Wegen umgangen werden dürfe.104 Diese Überlegung kann auf den ersten Blick auch auf die Behandlung der Anerkennung und Vollstreckung nach der reformierten ­EuGVVO übertragen werden, sieht doch auch diese nach wie vor ein (umfangreiches) System an Rechtsbehelfsmöglichkeiten zur Geltendmachung der fehlenden Anerkennung und Vollstreckbarkeit vor. Auch hier ist aber wiederum fraglich, wie dies – ohne entsprechende Frist zur Geltendmachung der Rechtsbehelfe – dogmatisch begründet werden kann. Die bloße Tatsache, dass es Rechtsbehelfsmöglichkeiten gab, die der Schuldner hat verstreichen lassen, müsste dazu führen, dass er die dort möglichen Einwände nun nicht mehr geltend machen darf. Würde man dem Schuldner im Rahmen einer Rückforderungsklage über das durch die Zwangsvollstreckung Erlangte die Möglichkeit der Geltendmachung der fehlenden Anerkennung mit Verweis auf das durchlaufene Zwangsvollstreckungsverfahren untersagen, würde man also letztlich sanktionieren, dass er die ihm zustehende Möglichkeit der Einlegung von Rechtsbehelfen im Vollstreckungsverfahren selbst verstreichen ließ. Im nationalen deutschen Recht wird vereinzelt für eine derartige Präklusion plädiert, wenn der Schuldner nicht alle ihm möglichen Rechtsmittel gegen eine Entscheidung ausgeschöpft hat.105 Auch im Übrigen kennt jedenfalls das deutsche Recht Präklusionstatbestände für Rechtsschutzmöglichkeiten zu Lasten der materiellen Wahrheit und zur Wahrung des Rechtsfriedens. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang nur beispielhaft auf die Regelungen zur Verjährung, zur Rügeobliegenheit nach § 377 HGB, der Fristen zur Einreichung der Kündigungsschutzklage sowie die Verspätungsvorschriften, vgl. § 230 ZPO. All diesen Regelungen ist indes gemein, dass sie zur Geltendmachung der in Rede stehenden Einwände eine Frist vorsehen, deren Verstreichenlassen die jeweilige Präklusionswirkung nach sich zieht. Außerdem ist in all diesen Fällen die Sanktionierung des Verstreichenlassens der jeweiligen Frist zum Rechtsbehelf gesetzlich explizit geregelt. Schließlich betreffen all diese Rechtsschutzmöglichkeiten die Rechtsfindung hinsichtlich des materiellen Anspruchs selbst und nicht Maßnahmen im gegebenenfalls erst nachgelagerten Vollstreckungsverfahren. Einen allgemeinen Rechtsgedanken, wonach die Nichteinlegung von Rechtsbehelfen grundsätzlich und zwingend zum Verlust der hierbei möglichen Einwände führt, kennt das deutsche Recht nach überwiegender und richtiger Ansicht nicht.106

104 OLG Köln, Urteil v. 17.11.2008, Az. 16 W 27/08, NJW-RR 2009, S. 1074, 1075; Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1, 22; Stein / Jonas / Oberhammer, Art. 43 ­EuGVVO Rn. 2; Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 43 EuGVO Rn. 2; Geimer / Schütze / Geimer, EZVR, Art. 43 VO (EG) Nr. 44/2001 Rn. 13. 105 Böhm, Ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung, S. 52, der ausführt: „Prozessuale Möglichkeiten gehen immer einher mit prozessualen Lasten.“ Insoweit zustimmend Kainz, S. 186 f. 106 BGH, Urteil v. 02.07.1992, Az. IX ZR 274/91, NJW 1992, S. 2570, 2573; Gaul / Schilken / Becker-Eberhard / Schilken, § 53 Rn. 61; Kainz, S. 185.

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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Auch aus europarechtlichen Gesichtspunkten lässt sich eine solche Präklusions­ wirkung nicht herleiten. Eine dahingehende europäische Rechtstradition gibt es nicht. Denkbar wäre allein aus Gesichtspunkten der praktischen Wirksamkeit des Anerkennungsrechts, eine eigenständige europäische Auslegung der Anerkennungsregeln vorzunehmen. Quasi in Fortführung der oben genannten Rechtsprechung des EuGH107 müsste den Beteiligten nach Durchführung der Vollstreckung die Geltendmachung der Versagungsgründe (jedenfalls im Verhältnis zu den Vollstreckungsfolgen) verwehrt sein. Ein solcher Rückgriff auf den effet utile würde eine dogmatische Begründung dieser Konzeption aber nicht ersetzen, die Regeln für Anerkennung und Vollstreckung dadurch zum Selbstzweck erklären und ihnen übermäßige Wirkung beimessen. Die reformierte ­EuGVVO stellt ein Anerkennungs- und Vollstreckungssystem bereit, das  – entgegen der früheren Konzeption – einheitlich allein auf die automatische Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung abstellt. Insoweit würde es dem verschlankten System gerade entgegenlaufen, auf die Vollstreckung und die Rechtsbeständigkeit ihrer Maßnahmen wiederum Sonderregelungen anzuwenden. Insbesondere bestehen aber auch rechtstaatliche Bedenken gegen eine derart weitgehende Präklusionswirkung: Die bloße Tatsache, dass der Betroffene seine Rügeobliegenheit nicht wahrnimmt, soll hier zu einem weitreichenden Rechtsverlust führen – ohne dass dem Betroffenen diese Reichweite der Nichtgeltendmachung etwaiger Versagungsgründe bekannt oder dies gesetzlich festgeschrieben wäre.108 Sein Prozessrisiko wird durch die Grenzen der Rechtskraft begrenzt.109 Dann darf diese Schutzfunktion nicht durch ausufernde Bestimmungen zur Präklusion umgangen werden. Der Betroffene wäre letztlich in seinem Rechtsschutz gegen die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen stark eingeschränkt. Das liefe der Zielsetzung eines effektiven und autonomen Anerkennungssystems zuwider. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die überkommene Auffassung, wonach dem Betroffenen die Geltendmachung von Versagungsgründen im Rahmen der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat verwehrt ist, wenn er die den Anerkennungsversagungsgrund begründenden Tatsachen bereits im erststaatlichen Verfahren oder mit dort zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen

107

S. dazu soeben im 5.  Kapitel D. II. 2. a) bb) (1). Fischer führt hierzu (im Kontext der Wirkungserstreckung, aber dennoch zutreffend) aus: „Notwendig ist, daß die Parteien zum einen erkennen können, daß das streitige Rechtsverhältnis entscheidungserheblich ist, zum anderen, daß es für weitere Ansprüche und damit zukünftige Prozesse von Bedeutung sein kann. […] Normalerweise pflegen Prozessrechte die Parteien nicht mit unvorhersehbaren Bindungen zu überraschen und gestalten das Verfahren entsprechend dem Umfang der Rechtskraft.“, FS Henckel, S. 199, 209. Vgl. auch Müller, ZZP 1966, S. 199, 204. 109 Schack, FS Geimer 80, S. 611, 613. 108

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

hätte vorbringen können.110 Im europäischen Zivilprozessrecht ist dieser Aspekt in Art. 45 Abs. 1 lit. b) ­EuGVVO sogar ausdrücklich kodifiziert.111 Obwohl dieses Konzept für die Geltendmachung von Versagungsgründen jedenfalls dort allgemein anerkannt zu sein scheint, wo der Beklagte sich im Ursprungsmitgliedstaat hat verteidigen können,112 kann es auf die hier in Rede stehende Situation nicht übertragen werden und ist nicht verallgemeinerbar. Ratio hinter der in diesen Fällen begründeten Präklusionswirkung ist der Schutz der „Entscheidungszuständigkeit“ des Ursprungsmitgliedstaates im Verhältnis zum ersuchten Mitgliedstaat.113 Die danach begründete Präklusion trägt der besonderen Situation der Grenzüberschreitung des Verfahrens Rechnung. Im Verhältnis zwischen der erstmaligen Umsetzung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung und der Geltendmachung etwaiger Versagungsgründe gegen diese im gleichen ersuchten Mitgliedstaat gilt dies aber nicht mehr, sodass hier keine Parallele gezogen werden kann. Damit bleibt es also bei dem oben Gesagten: Die Nichteinlegung der Rechtsbehelfsmöglichkeiten ist nicht präklusionsbewährt. Unstimmigkeiten würden sich andernfalls auch im Rechtsbehelfssystem der ­ uGVVO, wie es im 3. Kapitel dargestellt wurde, ergeben: Zur Vermeidung der E Zwangsvollstreckung aus einem nicht anerkannten Titel ist der Schuldner nicht an die Geltendmachung der Vollstreckungsversagung nach Art. 46 ­EuGVVO gebunden. Die E ­ uGVVO sieht insoweit die Möglichkeit einer direkten Feststellung der fehlenden Anerkennung vor, die dann auch der Vollstreckung aus dem nicht anerkannten Titel entgegensteht. Außerdem steht es dem Schuldner nach der hier vertretenen Auffassung frei, die fehlende Anerkennung gemäß Art. 36 Abs. 1 ­EuGVVO auch innerhalb des Vollstreckungsverfahrens oder eines nationalen Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Zwangsvollstreckung oder eben in einem nachgelagerten Verfahren geltend zu machen. Den Parteien entstehen hieraus weder Nachteile, noch wird die Effektivität der Zwangsmaßnahmen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr damit beeinträchtigt.114 Von einer Umgehung des Rechtsbehelfssystems der ­EuGVVO kann daher von vornherein keine Rede sein. Im Gegenteil spricht die Tatsache, dass die Frist zur Rechtsbehelfseinlegung der Vorgängerverordnung, die dort nach der Auffassung des EuGH noch auf eine solche

110

So Geimer, IZPR, Rn. 2955; Rn. 2991; ders., Anerkennung, S. 61 f.; Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 34 EuGVO Rn. 14 m. w. N.; Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap. II Rn. 99; Geimer / ​ Schütze / Geimer, EZVR, Art. 34 VO (EG) Nr. 44/2001 Rn. 30; so auch Hill, S. 250. Die Präklusion wird aber nicht so weit gehen, dass der ersuchte Staat an eine ablehnende Entscheidung bezüglich des Verstoßes gegen grundlegende Rechte gebunden ist, vgl. dazu Geimer, IZPR, Rn. 2956. 111 S. dazu Geimer, IZPR, Rn. 2921; Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 34 EuGVO Rn. 14. 112 Hierauf verweist BGH, Urteil v. 06.05.2004, IX ZB 43/03, NJW 2004, S. 2386, 2388. 113 Der Beklagte ist im Ursprungsmitgliedstaat „gerichtspflichtig“: OLG Stuttgart, Beschluss v. 05.11.2013, Az. 5 W 13/13, BeckRS 2013, 21135; Geimer / Schütze / Geimer, EZVR, Art. 34 VO (EG) Nr. 44/2001 Rn. 65; ders., Anerkennung, S. 143; ders., JZ 1969, S. 12, 15. 114 S. dazu 3.  Kapitel D. II. 2. b).

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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Präklusion hindeutete, in der neuen ­EuGVVO nicht mehr zu finden ist, dafür, dass der europäische Gesetzgeber eine solche Präklusion nicht (mehr) intendiert hat. (3) Wirkung des Zwangsvollstreckungsverfahrens Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass hier nicht die Präklusion von Einwänden innerhalb des Prozesses zur Rechtsfindung hinsichtlich des materiellen Anspruchs in Rede steht, sondern der Nichtgeltendmachung von möglichen Maßnahmen im Vollstreckungsverfahren Auswirkungen auf die materielle Rechtslage zugebilligt werden sollen. Obwohl eine mitgliedstaatliche Entscheidung im Inland nicht anerkannt ist, soll der Schuldner, nachdem diese Entscheidung im Inland ohne entsprechende Rüge im Vollstreckungsverfahren vollstreckt wurde, daran gehindert sein, die fehlende materielle Berechtigung des Gläubigers zum Behaltendürfen des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten geltend zu machen. Obwohl die mitgliedstaatliche Entscheidung im Inland keine Rechtskraft entfaltet, wären inländische Gerichte dann an die ausländische Entscheidung materiell gebunden. Eine solche weitreichende Rechtsfolge einer Präklusion im Rahmen des nachgelagerten Zwangsvollstreckungsverfahrens kann jedenfalls nicht ohne besondere Begründung angenommen werden. Dies wird auch weder vom EuGH in seiner oben genannten Entscheidung115 noch von den überwiegenden Literaturstimmen, die eine Präklusion im Vollstreckungsverfahren befürworten, angenommen. Sie behandeln überwiegend die Situation, in der das Vollstreckbarerklärungsverfahren der alten EuGVO bereits beendet ist und nachfolgend das Vollstreckungsverfahren durchlaufen wird.116 In diesem Verfahrensstadium soll nach überwiegender und zustimmungswürdiger Ansicht die Zwangsvollstreckung nicht aus Gründen, die auch im Exequaturverfahren hätten geltend gemacht werden können, mit Hilfe nationaler Vollstreckungsrechtsbehelfe unterbunden werden. Letztlich geht es hier also um die Frage des Verhältnisses des Zwischenverfahrens zum tatsächlichen Vollstreckungsverfahren. Bei der Frage der Rückforderungsmöglichkeit stellt sich die Situation indes anders dar. Das Zwangsvollstreckungsverfahren ist hier bereits beendet, sodass eine etwaige Rückforderung jedenfalls gegenüber den Rechtsbehelfen gegen die Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen nicht mehr in unmittelbarer Konkurrenz steht. Aus dem Blickwinkel des Prinzips der praktischen Wirksamkeit wäre die Versagung der Rückforderung aufgrund fehlender Anerkennung der mitgliedstaat­ lichen Entscheidung hier nur dann erforderlich, wenn auch mit der nachträglichen Rückforderung nach Beendigung der Zwangsvollstreckung Sinn und Zweck der 115

S. 5. Kap., Fn. 100. Anders und auch auf die Rückforderung bezogen: Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1, 10 ff. 116

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

europarechtlichen Regelungen, also der Anerkennung und Vollstreckbarkeit sowie der hierauf bezogenen europarechtlichen Rechtsbehelfe, umgangen würden. Erklärtes Ziel der einschlägigen Verordnungen müsste es dann aber sein, auch nach Beendigung der Zwangsvollstreckung die hieraus erlangten Vermögenswerte zu schützen. Mangels Frist müsste Anknüpfungspunkt jetzt die bloße Tatsache der Beendigung der Zwangsvollstreckung sein. Eine solche Zielsetzung lässt sich der ­EuGVVO – und auch den anderen einschlägigen Rechtakten – indes nicht entnehmen. Ziel der Abschaffung des Exequaturverfahrens war die Effektuierung der Zwangsvollstreckung selbst.117 Darüber, ob das hieraus Erlangte im Anschluss auch behalten werden dürfen soll, lassen sich keine Aussagen finden. Dass die bloße (erfolgreiche) Beendigung der Zwangsvollstreckung Anknüpfung für das Behaltendürfen des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten sein könnte, wird im Übrigen auch im nationalen deutschen Recht nicht angenommen: Rechtsbehelfe im Rahmen der Zwangsvollstreckung dienen der Vermeidung der Vollstreckungsmaßnahmen. Das Vollstreckungsverfahren dient lediglich dem zielgerichteten und effektiven Vollzug des jeweiligen Titels.118 Die materielle Berechtigung ist gerade nicht Gegenstand dieses Verfahrens und kann hierdurch daher auch nicht beeinflusst werden.119 Ein etwaiger Einfluss auf die materielle Berechtigung wäre damit bloßer Reflex und ein Rechtsverlust, der hierdurch nicht legitimiert werden kann.120 Im deutschen Recht hält das formalisierte und lediglich einseitig ausgestaltete Vollstreckungsverfahren außerdem nicht die notwendige Rechtsschutzmöglichkeit des Schuldners bereit, die eine hierauf basierende endgültige Güterverteilung rechtfertigen könnte.121 Damit greift auch hier die bereits oben genannte Argumentation zur Frage der Reichweite der Wirkung der Vollstreckbarkeit: Die Zwangsvollstreckung dient nicht der endgültigen Güterverteilung. Die Annahme einer sich auf die Durchführung der Zwangsvollstreckung und Nichtgeltendmachung etwaiger Rechtsbehelfe stützenden Präklusion würde letztlich wiederum zu einer „Vollstreckungskraft“ der jeweiligen Vollstreckungsmaßnahmen führen, die – wie bereits oben aufgeführt – abzulehnen ist.122

117

S. dazu oben 2. Kapitel B. I. 3. b). Gaul, ZZP 1997, S. 3, 7; vgl. auch Schuschke / Walker / Würdinger, § 804 ZPO Rn. 23, nach dem das Pfändungspfandrecht nichts darüber aussagt, ob der Gläubiger den ausgekehrten Erlös tatsächlich auch behalten darf. 119 BGH, Urteil v. 02.04.2001, Az. II ZR 331/99, NJW-RR 2001, S. 1450, 1451; Brox / Walker, Rn. 460; vgl. auch Stamm, S. 42 f. 120 BGH, Urteil v. 02.07.1992, Az. IX ZR 274/91, NJW 1992, S. 2570, 2573. 121 BGH, Urteil v. 02.07.1992, Az. IX ZR 274/91, NJW 1992, S. 2570, 2573; Gaul, ZZP 1997, S. 3, 7; Schilken, JuS 1991, S. 50, 52. 122 S. oben 5.  Kapitel D. II. 1. a) bb). 118

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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(4) Zwischenergebnis Im Anwendungsbereich der ­EuGVVO ändert die Durchführung der Zwangsvollstreckung an dem oben dargestellten Befund also nichts: Die (fehlende) Anerkennung und die (fehlende) Vollstreckbarkeit stehen mit Erlass der mitgliedstaatlichen Entscheidung automatisch fest. Entscheidungen über ihr Vorliegen haben im Inland nur in Ausnahmefällen bindende Wirkung. Damit einher geht ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit, das auch vor der bereits durchgeführten Zwangsvollstreckung keinen Halt macht. Würde man entgegen der hier vertretenen Ansicht dennoch eine Präklusion der Rückforderungsmöglichkeit annehmen, könnte dies jedenfalls keinen Einfluss auf die Anerkennung als solche haben. Diese läge nach wie vor nicht vor, denn andernfalls würde der Schuldner einer vollstreckten Entscheidung gegenüber nicht vollstreckten bzw. nicht vollstreckbaren Entscheidungen benachteiligt. Während er im letzteren Fall die fehlende Anerkennung jederzeit geltend machen könnte, würde die bloße Nichteinlegung von Rechtsbehelfen im Vollstreckungsverfahren letztlich jedenfalls zur faktischen Anerkennung der Entscheidung führen. Das kann nicht gewollt sein.123 Damit würde – ginge man von der Kondiktionsfestigkeit der Vollstreckung aus – die Zwangsvollstreckung und die sich hieraus ergebende Güterverteilung allerdings von der restlichen Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung, die beispielsweise in anderweitigen konsekutiven Verfahren, in denen die Wirksamkeit der nicht anerkannten Entscheidung Präjudizwirkung hat, relevant werden kann, entkoppelt. Ob eine solche Entzweiung der Entscheidungswirkungen einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland nach der re­ uGVVO und der Abschaffung des Exequaturverfahrens gewollt ist formierten E und dem Prinzip der praktischen Wirksamkeit nicht etwa gerade entgegenläuft, bliebe zu bezweifeln. Der Versuch, die Vollstreckung einer nicht anerkannten mitgliedstaatlichen Entscheidung kondiktionsfest zu machen, scheint vielmehr über das Ziel hinauszuschießen. Dass das Prinzip der praktischen Wirksamkeit eben nicht in jedem Fall eine Entscheidung zugunsten des Unionsrechts erwartet, zeigt auch ein Blick auf den umgekehrten Fall: Mitgliedstaatliche Entscheidungen, die unter Verstoß gegen Unionsrecht ergangen sind, behalten ihre Rechtskraft und können unter Berufung auf diesen Verstoß nur unter engen Voraussetzungen und nur dann geltend gemacht werden, wenn dem Betroffenen zuvor nicht genügend Zeit zur Geltendmachung des Verstoßes gegeben war.124

123 Vgl. insoweit gegen diesen Einfluss auf die Anerkennungswirkung Freitag, FS Kropholler, S. 759, 769. 124 EuGH, Urteil v. 01.06.1999, Rs. C-126/97, EuZW 1999, S. 565 Rn. 43 ff. so auch Urteil v. 16.03.2006, Rs. C-234/04, NJW 2006, S. 1577 f. Vgl. für Verwaltungsentscheidungen: Urteil v. 13.01.2004, Rs. C-453/00, EuZW 2004, S. 215 f. sowie Urteil v. 19.09.2006, Rs. C-392/04 u. C-422/04, EuZW 2006, S. 696 ff.

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

Der Rückforderung des aus der Vollstreckung eines nicht anerkannten Titels Erlangten im ersuchten Mitgliedstaat steht damit nichts entgegen, es sei denn, das Gericht kommt in seiner eigenen Prüfung selbst zu dem Entschluss, dass der materielle Anspruch auf das Behaltendürfen des Erlangten besteht. An die ursprüngliche Entscheidung ist es dabei nicht gebunden. b) Rechtsbeständigkeit durch Durchführung des Exequaturverfahrens? Die Rechtsakte, die weiterhin ein Exequaturverfahren vorsehen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Vollstreckbarkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung hier von der Anerkennung der übrigen Entscheidungswirkungen entkoppeln und anderen Regelungen unterwerfen (s. hierzu 2. Kapitel B. I. 4.). Vielfach lässt sich hier – allerdings ohne dogmatische Begründung – die Auffassung finden, einer Rückforderung des durch die Zwangsvollstreckung Erlangten stünde in diesen Fällen dann auch die Rechtskraft des Exequaturs entgegen, selbst wenn die Prüfung der Versagungsgründe in erster Instanz nicht erfolgt.125 Diese Schlussfolgerung ist insofern nachvollziehbar, als es bereits aus Effektivitätsgesichtspunkten naheliegt, die Rechtsbeständigkeit der Entscheidung über die Vollstreckbarkeit zu fordern. Auch hier stellt sich aber die Frage, ob und wie dies dogmatisch begründet werden kann. aa) Rechtsgrund für das Behaltendürfen und Grenzen des Exequaturs Legt man dem Rückforderungsbegehren das deutsche Bereicherungsrecht zugrunde, so zeigt sich, dass mit dem Bestehen der Wirkung der Vollstreckbarkeit zwar die öffentlich-rechtliche Voraussetzung für die Verstrickung im Rahmen der Zwangsvollstreckung angenommen werden kann. Dies genügt zur Begründung eines Rechtsgrundes für das Behaltendürfen des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten nach dem oben Gesagten aber nicht: Die Entscheidung des Ursprungsgerichts darüber, dass dem Gläubiger die Forderung zusteht, hat für das nun befasste Gericht nur dann Bindungswirkung, wenn die Ursprungsentscheidung im ersuchten Mitgliedstaat Rechtskraftwirkung entfaltet. Dies wiederum hängt nicht von der Vollstreckbarkeit ab, sondern stellt eine eigene Entscheidungswirkung dar, über die die Erteilung des Exequaturs keine Auskunft gibt.126 Dass zuvor ein Verfahren zur Erteilung des Exequaturs durchlaufen wurde, hat danach keine Auswirkungen.

125 Vgl. Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap. IV Rn. 126; Stein / Jonas / Roth, § 328 Rn. 36; Schack, IZVR, § 17 Rn. 978; Spiecker genannt Döhmann, S. 184 ff.; Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1, 12 f.; Jellinek, S. 184; so wohl auch BGH, Urteil v. 26.11.1986, Az. IV b ZR 90/85, NJW 1987, S. 1146 f. 126 S. dazu eingehend oben 5. Kapitel D. II. 1. a).

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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Jedenfalls unter Zugrundelegung des deutschen Prozessrechtsverständnisses hat die Erteilung des Exequaturs also nicht nur keine Bindungswirkung für etwaige Folgeverfahren, bei denen die Anerkennung thematisiert wird. Gleichzeitig steht sie auch einer Rückforderung des aufgrund der Ursprungsentscheidung und des Exequaturs Vollstreckten jedenfalls aus Rechtskraftgesichtspunkten nicht entgegen. Stimmen, die der Exequaturentscheidung nichtsdestotrotz Rechtskraftwirkung hinsichtlich der Anerkennung der vollstreckten Entscheidung beimessen, beziehen sich überwiegend auf das System des EuGVÜ bzw. des deutschen autonomen Rechts, bei denen das Vorliegen der Anerkennung jedenfalls noch erstinstanzlich geprüft wird.127 Zwar ist die Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen auch danach lediglich Vorfrage des Erlasses des Exequatur und von der Rechtskraft des Exequatur nach deutschem Rechtsverständnis nicht umfasst. Dennoch war sie in diesen Fällen jedenfalls wesentlicher und notwendiger Bestandteil der Voraussetzungen zur Erteilung des Exequaturs.128 Wenn auch nicht nach deutscher Rechtskraftkonzeption, so wäre doch eine Beurteilung der Reichweite der Rechtskraft der Vollstreckbarerklärung unter Berücksichtigung der wesentlichen vorgreiflichen Rechtsverhältnisse denkbar.129 Diese Überlegungen greifen indes heute nur noch für das deutsche autonome Recht und die EuEheVO, wo die Versagungsgründe von Amts wegen erstinstanzlich geprüft werden.130 Im Übrigen findet eine Prüfung der Anerkennungsversagungsgründe im Verfahren zur Erteilung des Exequaturs überhaupt nicht mehr statt. Selbst wenn der Betroffene wollte, er könnte die fehlende Anerkennung innerhalb dieses Verfahrens nicht geltend machen. Er ist insoweit auf die proaktive Einlegung eines eigenen Rechtsbehelfs gegen die Erteilung des Exequaturs verwiesen. Selbst unter Zugrundelegung eines denkbar weiten Rechtskraftverständnisses lässt sich eine Bindungswirkung hinsichtlich des Vorliegens der Anerkennung hier nicht begründen.131

127 Vgl. nur BGH, Urteil v. 26.11.1986, Az. IV b ZR 90/85, NJW 1987, S. 1146 f; Geimer, NJW 1975, S. 1086, 1088; Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap. IV Rn. 126; Stein / Jonas / Roth, § 328 Rn. 36; Spiecker genannt Döhmann, S. 184 ff. 128 Rechtskraftbindung aus diesem Grund bejahend auch Wolff, HdB. IZVR III/2, Kap. IV Rn. 126. 129 Vgl. auch für das deutsche Prozessrecht Eckardt, FS Pekcanıtez, S. 2177, 2192 ff., 2196; K.  Schmidt, FG 50 Jahre BGH, Bd. III S. 491, 494 f.; weiterhin Münch, S. 355 (andernfalls würde die Entscheidung der Vollstreckungsabwehrklage mittelbar wieder in Frage gestellt). 130 S. dazu 3. Kapitel E. I. 131 S. dazu bereits oben 5. Kapitel B. II. 2. 

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

bb) Anknüpfungspunkte für eine Präklusion: Geschlossenes Rechtsbehelfssystem? Obwohl das Vorliegen etwaiger Versagungsgründe im Exequaturverfahren allenfalls Vorfrage ist und in erster Instanz regelmäßig nicht einmal geprüft wird, soll mit dem Exequatur aber doch letztlich festgestellt werden, ob die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit aus der mitgliedstaatlichen Entscheidung gegeben sind.132 Hierzu gehört auch und gerade die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung. Teilweise wird daher auch hier damit argumentiert, nach Durchführung des Exequaturverfahrens könne sich der Schuldner nicht mehr auf die fehlende Anerkennung der vollstreckten Entscheidung berufen, weil das geschlossene Rechtsbehelfssystem im Vollstreckbarerklärungsverfahren entgegenstehe.133 Hierfür spricht auf den ersten Blick, dass die Vollstreckungsverordnungen der ersten Generation gezielt ein Zwischenverfahren vor die eigentliche Zwangsvollstreckung geschaltet haben, in der der Besonderheit der Vollstreckung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung durch ein auf die Erteilung der Vollstreckbarkeit im Inland gerichtetes Verfahren Rechnung getragen wird. Anders als nach der reformierten ­EuGVVO ist dem Schuldner hier außerdem eine Frist gesetzt, innerhalb derer er die fehlende Anerkennung geltend machen und die Vollstreckung aus der mitgliedstaatlichen Entscheidung aufgrund fehlender Anerkennung unterbinden kann.134 Aufgrund dieses fristgebundenen Konzepts ist ein Rückgriff auf nationale Rechtsbehelfe im Vollstreckungsverfahren selbst nicht möglich.135 Noch nichts gesagt ist damit aber, ob dies auch Auswirkungen auf etwaige Rückforderungsprozesse haben kann. Die Erteilung des Exequaturs trotz fehlender Anerkennungsfähigkeit führt nach der Konzeption der automatischen Anerkennung nicht dazu, dass gleichzeitig die Anerkennung der vollstreckten Entscheidung begründet wird.136 Liegen objektiv Versagungsgründe vor, kann die Rechtskraft der vollstreckten Entscheidung dem Rückforderungsbegehren also nicht entgegengehalten werden. Gegenüber der Vollstreckung im Anwendungsbereich der ­EuGVVO unterscheidet sich die Situation hier dadurch, dass ein zwischengeschaltetes Verfahren durchlaufen wird, das gerade darauf gerichtet ist, einer mitgliedstaatlichen Entscheidung 132 Kropholler / v. Hein, EZPR, vor Art. 33 EuGVO Rn. 5; Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 425. 133 Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1, 13; Freitag, FS Kropholler, S. 759, 764. S. dazu bereits oben 5. Kapitel D. II. 2. a) bb) (2) sowie die Nachweise in 5. Kap., Fn. 104. 134 Vgl. Art. 33 Abs. 5 EuUnterhaltsVO; Art. 33 Abs. 5 EuEheVO; Art. 49 Abs. 5 EuGüVO bzw. EuPartVO; Art. 50 Abs. 5 EuErbVO. 135 EuGH, Urteil v. 04.02.1988, Az. Rs. 145/86, NJW 1989, S. 663 Rn. 29. Auch diese Entscheidung erging allerdings noch zur Regelung des EuGVÜ, die eine erstinstanzliche Prüfung der Versagungsgründe vorsah. 136 So liest sich aber Martiny, HdB. IZVR III/1, Kap. I Rn. 425, der die Anerkennung in diesem Zusammenhang wohl als Umsetzungsakt begreift.

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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im Inland gezielt eine Entscheidungswirkung – die Vollstreckbarkeit – zu erteilen. Wenn die Beteiligten innerhalb dieses Verfahrens – fristgebunden – die Möglichkeit haben, die güterrechtliche Umsetzung der mitgliedstaatlichen Entscheidung unter Verweis auf die fehlende Anerkennung zu vermeiden, ist jedenfalls fraglich, warum sie nach Beendigung der Zwangsvollstreckung dies dann noch geltend machen können sollten. Würde man dem Exequatur eine solche Perpetuierungswirkung zubilligen, käme dies letztlich einer Bindungswirkung der Vollstreckbarerklärung entsprechend der Rechtskraftwirkung gleich. Begründbar wäre das dann aber nur, wenn man der Exequaturentscheidung über die Erteilung der Vollstreckbarkeit hinaus weitere Bedeutung hinsichtlich der Wirksamkeit (und damit der Anerkennung) der ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat zukommen ließe, was wiederum auf eine – grundsätzlich abzulehnende137 – Vollstreckungskraft hinauslaufen würde: Allein die Tatsache, dass eine mitgliedstaatliche Entscheidung mit dem Exequatur, gerichtet auf die Vollstreckbarkeit im Inland, ausgestattet wird, würde zu einer materiell-rechtlichen Bindungswirkung führen, die ohne Durchlaufen dieses Verfahrens nicht eintreten würde. Anders als in den oben genannten Fällen ist es hier allerdings nicht die Vollstreckung selbst, die die Bindungswirkung erzeugen würde, sondern die vorgelagerte Entscheidung über die Vollstreckbarkeit. Die so konstruierte Bindungswirkung läge also auch vor, wenn zwar das ­Exequatur erteilt wurde, die nachgelagerte Vollstreckung aber (noch) nicht stattfand. Da das Exequaturverfahren gerade darauf gerichtet ist, unter Zugrundelegung der Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung die Vollstreckbarkeit im Inland verleihen zu können, ist die Anerkennung zwar nicht unmittelbar, wohl aber mittelbar Gegenstand des Verfahrens. Auch hier müsste der Betroffene die Versagungsgründe durch Einlegung eigener Rechtsbehelfe aber aktiv geltend machen. Seine Untätigkeit würde wiederum sanktioniert. Eine derart weitgehende Präklusionswirkung lässt sich den gesetzlichen Regelungen indes nicht entnehmen. Dem Schuldner die aktive Geltendmachung der fehlenden Anerkennung aufzubürden und ihn andernfalls mit der Perpetuierung der durch die Vollstreckung erlangten Vermögensverschiebung zu sanktionieren, würde letztlich – jedenfalls ohne ausdrückliche Regelung – seinen Rechtsschutz ungebührend einschränken.138 Dies steht auch im Einklang damit, dass die Durchführung der Zwangsvoll­ streckung keinen Einfluss auf die materielle Berechtigung des Gläubigers hat, sondern lediglich dem effektiven Vollzug des in Frage stehenden Titels dient.139 Das zwischengeschaltete Exequaturverfahren ist zwar nicht Teil des Zwangsvollstreckungsverfahrens, sondern ermöglicht dieses. Dennoch setzt sich das Vollstreck­ barerklärungsverfahren zentral und zielgerichtet vordergründig allein mit der 137

S. oben 5.  Kapitel D. II. 1. a) bb) sowie 5.  Kapitel D. II. 2. a) bb) (3). S. hierzu bereits oben 5.  Kapitel D. II. 2. a) bb) (2). 139 Vgl. dazu oben 5.  Kapitel D. II. 2. a) bb) (3). 138

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

Vollstreckung der mitgliedstaatlichen Entscheidung auseinander, was sich bereits daran zeigt, dass es die anderen Entscheidungswirkungen direkt nicht tangiert. Die mit dem Vollstreckbarerklärungsverfahren verfolgte Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit dient aber lediglich der Durchsetzung der Entscheidung. Eine Perpetuierungsfunktion hinsichtlich Maßnahmen, die in der Folge Einfluss auf das Behaltendürfen des Erlangten haben könnte, kennt die Wirkung der Vollstreckbarkeit nicht. Wollte man eine solche Präklusion dennoch annehmen, würde sich hier wiederum die Frage stellen, wie weit die so konstruierte Bindungswirkung der Vollstreckbarerklärung reicht. Geht man von einer der Rechtskraft entsprechenden Bindungswirkung aus, müsste diese im Grunde allgemein, also auch für andere konsekutive Verfahren gelten, die mit der Vollstreckung in keinem Zusammenhang stehen. Denn andernfalls würde die Beurteilung der Rechtskraftwirkung künstlich aufgespalten. Dann allerdings wären vollstreckbare Entscheidungen letztlich einem grundlegend anderen Anerkennungsregime unterworfen als nicht vollstreckbare Entscheidungen (s. 5. Kapitel D. II. 2. a) bb) (4)). Einzige Möglichkeit wäre danach, diese Bindungswirkung auf Folgeverfahren mit Bezug zur Vollstreckung zu beschränken – also auf erneute Vollstreckungsverfahren und Verfahren, in denen es um das aus der Zwangsvollstreckung Erlangte geht.140 cc) Behaltendürfen ohne Anerkennung? Nach der hier vertretenen Ansicht hindert die Vollstreckbarerklärung der mitgliedstaatlichen Entscheidung den Schuldner nicht per se daran, das Vollstreckte aufgrund fehlender Anerkennung der Entscheidung wieder zurückzuverlangen: Das Behaltendürfen des Erlangten hängt einzig und allein von der Anerkennung der Rechtskraftwirkung der mitgliedstaatlichen Entscheidung ab. Liegt diese nicht vor, ist der Gläubiger hinsichtlich der Vermögensverschiebung nicht geschützt. Geht man hingegen davon aus, dass die Exequaturerteilung einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Erlangten begründen kann, wäre es aber möglich, dass trotz fehlender Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung die aus dieser Entscheidung erfolgte Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat als solche als rechtmäßig anzusehen und nicht mehr rückgängig zu machen wäre. Das Postulat, die Wirkung der mitgliedstaatlichen Entscheidung setze ihre Anerkennung voraus, wie dies für die reformierte ­EuGVVO herausgearbeitet wurde, würde hier damit genau genommen nicht mehr gelten: Es wäre hier durchaus möglich, dass eine – bis auf die Wirkung der Vollstreckbarkeit – nichtanerkannte Entscheidung im Inland unumkehrbare Wirkungen entfaltet. Rechtfertigt würde dies durch die Durchführung eines eigenen nationalen Vollstreckbarerklärungsverfahrens, in dem

140

So im Ergebnis auch Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1, 13.

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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der mitgliedstaatlichen Entscheidung die Vollstreckbarkeit im ersuchten Mitgliedstaat im Inland genuin verliehen wird. Das könnte freilich wiederum nur gelten, wenn tatsächlich auch das Vollstreckbarerklärungsverfahren durchlaufen wird: Wenn der Schuldner vor Exequaturerteilung freiwillig leistet und das Geleistete dann in einem anderen Staat zurückfordert, kann eine Präklusion der Geltendmachung der Versagungsgründe auch bezüglich der Vollstreckungsmaßnahmen und der Rückforderung des Erlangten nicht erfolgen. Ebenso verhielte es sich, wenn das in der Zwangsvollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat Erlangte nun in einem dritten Mitgliedstaat zurückverlangt würde. Auch hier können die Vollstreckungsmaßnahmen im Ausland und auch ein dort durchlaufenes Vollstreckbarerklärungsverfahren die Geltendmachung etwaiger Versagungsgründe im nun ersuchten Mitgliedstaat nicht ausschließen. Insbesondere ist der ersuchte Mitgliedstaat nicht an Entscheidungen im Exequaturverfahren anderer Mitgliedstaaten gebunden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Vorliegen der Versagungsgründe in unterschiedlichen Mitgliedstaaten gegebenenfalls unterschiedlich bewertet wird.141 dd) Zusammenfassung Mit der Exequaturerteilung wird der Gleichlauf von Anerkennung und Vollstreck­ barkeit durchbrochen und die Vollstreckbarkeit originär und bindend verliehen. Soll diese Vollstreckbarkeit auch über das Vollstreckungsverfahren hinaus geschützt und rechtsbeständig gemacht werden, gelänge dies aber nur aufgrund dogmatischer Abstriche und ist daher abzulehnen: Soll die Vollstreckung aus dem nicht anerkannten mitgliedstaatlichen Titel kondiktionsfest sein, so müssten dem Exequatur in Bezug auf die Vollstreckungsmaßnahmen – und nur diesbezüglich – letztlich Aussagen entnommen werden, die einer Rechtskraftbindung der nicht anerkannten Entscheidung entsprechen. So ließe sich zwar eine praktisch mögliche Lösung zur Absicherung der Effektivität der Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen begründen. Dogmatisch sauber und insoweit tragfähig wäre dies aber nicht. Wollte man der Exequaturentscheidung tatsächlich eine solche Präklusions­ wirkung zusprechen, stellt die Reform der ­EuGVVO bezüglich der Rechtsbeständigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen gleichsam einen Rückschritt dar: Mit der Abschaffung des Exequaturverfahrens und der Angleichung der Vollstreckbarkeit an die Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen wurde das Verhältnis und die dogmatische Konzeption von Anerkennung und Vollstreckbarkeit vereinfacht. Der mögliche Anknüpfungspunkt für eine Präklusion wäre damit entfallen. 141 Eine Anerkennung der Anerkennungsentscheidungen kommt nicht in Betracht, s. oben 2.  Kapitel A. IV. 2. b) aa).

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

c) Rechtsbeständigkeit der Vollstreckung nach den Vollstreckungsverordnungen? Ziel der Einführung der neuartigen Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation war die Effektuierung der Zwangsvollstreckung aus mitgliedstaat­ lichen Entscheidungen durch Abbau der bisher notwendigen Zwischenmaßnahmen (s. dazu bereits oben im 4. Kapitel C. II.; insbesondere 4. Kapitel C. II. 4.). Die Vollstreckung aus Entscheidungen im Anwendungsbereich der Verordnungen ist danach ohne Zwischenmaßnahmen im ersuchten Mitgliedstaat möglich. Der Betroffene kann im Vergleich zur ­EuGVVO dabei nur noch auf einen stark eingeschränkten Katalog von Versagungsgründen zurückgreifen. Auf einem anderen Blatt steht die Frage, ob damit auch eine Absicherung der Vollstreckung einhergeht, die – anders als die grundsätzliche Konzeption – zur Rechtsbeständigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen führt und damit die Proble­ matik der fehlenden Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage umgehen kann. Bereits die unstimmige Konzeption der Verordnungen mit Blick auf das Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung macht deutlich, dass sich der europäische Gesetzgeber über die Reichweite der Regelungen zur Reformierung des Anerkennungssystems nicht im Klaren war. Gleichwohl könnte die Tatsache, dass die Vollstreckung nach diesen Verordnungen besonderen Regeln folgt, für eine solche Rechtsbeständigkeit sprechen. Betreibt der Gläubiger – beispielsweise nach der E ­ uVTVO – die Zwangsvollstreckung, obwohl der Vollstreckbarkeit objektiv ein Versagungsgrund nach Art. 21 ­EuVTVO entgegensteht, fehlt es bereits an der Vollstreckbarkeit der Entscheidung. Diese wird durch die bloße Tatsache der Vollstreckung nicht herbeigeführt und auch nicht konstruiert. Darüber hinaus ist die vollstreckte Entscheidung dann in der Regel auch automatisch nicht anerkannt  – und zwar unabhängig davon, ob man davon ausgeht, dass die Frage der Anerkennung selbst von der jeweiligen Vollstreckungsverordnung oder der ­EuGVVO geregelt wird, denn die stark eingeschränkten Versagungsgründe der Vollstreckungsverordnungen sind entspre­ uGVVO enthalten. In diesem Fall chend auch im Versagungsgründekatalog der E ähnelt die Situation hiernach derjenigen der Vollstreckung einer nicht anerkannten Entscheidung nach den Regeln der ­EuGVVO: Eine Rückforderung des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten ist mangels Anerkennung und Vollstreckbarkeit ohne weiteres möglich.142 Anders ist es aber, wenn der Vollstreckung nach der ­EuVTVO keine Versagungsgründe entgegenstehen, die Entscheidung nach den Regelungen der ­EuGVVO aber trotzdem nicht anerkannt ist, etwa weil sie gegen den ordre public des ersuchten Mitgliedstaates verstößt.143 Dann liegt keine Rechtskraftwirkung der vollstreckten 142

S. dazu ausführlich 5. Kapitel D. II. 2. a). Das gilt selbst, wenn die Vollstreckbarkeit aufgrund eines erfolglosen Rechtsbehelfs des Schuldners nach Art. 21 ­EuVTVO bindend festgestellt sein sollte. 143

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

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mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland vor, denn diese Entscheidungswirkung richtet sich nach richtiger Auffassung nach wie vor nach der ­EuGVVO.144 Macht der Schuldner nun die Rückforderung des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten mit der Begründung geltend, die mitgliedstaatliche Entscheidung sei nicht anerkannt, ist das inländische, mit der bereicherungsrechtlichen Rückforderungsklage befasste Gericht insoweit grundsätzlich nicht an diese Entscheidung gebunden. Sieht das Gericht den im Ausland titulierten Anspruch als nicht gegeben an, müsste das Rückforderungsbegehren mangels wirksamen Pfändungspfandrechts oder anderweitigem materiellen Anspruch zum Behaltendürfen des Erlangten Erfolg haben. Das (bemerkenswerte) Ergebnis dieses Befundes wäre, dass die Vollstreckung nach den Vollstreckungsverordnungen zwar nur aufgrund eingeschränkter Versagungsmöglichkeiten unterbunden werden könnte, hinsichtlich der für die Rechtsbeständigkeit der Güterverteilung aufgrund der mitgliedstaatlichen Entscheidung relevanten Rechtskraft aber weiterhin die ­EuGVVO mit ihrem Versagungsgründekatalog gelten würde. Dies wird vielfach kritisiert, weil dadurch die Regelungen der Verordnungen umgangen würden.145 Auch hier stellt sich aber die Frage, wie eine Kondiktionsfestigkeit der Vollstreckung dogmatisch konstruiert werden könnte. aa) Keine Rechtskraftbindung Eine Rechtskraftbindung allein aufgrund der Durchführung des Vollstreckungsverfahrens besteht wiederum nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Vollstreckungsverordnungen das Verbot der révision au fond beinhalten, wonach die Entscheidungen im Vollstreckungsmitgliedstaat in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden dürfen. Dem Wortlaut nach könnte man dieses Verbot der Sachprüfung zwar durchaus auch so verstehen, dass das für die Rückforderungsklage zuständige Gericht daran gehindert sein soll, die inhaltliche Richtigkeit des vollstreckten Titels zu überprüfen – mit der Folge, dass es den Rechtsgrund für die Vollstreckung aus dem jeweiligen Titel nicht in Frage stellen dürfte. Das würde die Zielrichtung dieses wohlbekannten Prinzips indes übersteigen. Das Verbot der révision au fond verbietet die Geltendmachung materieller Einwendungen auch im Vollstreckungsverfahren.146 Die Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit darf nicht deswegen verneint werden, weil die Entscheidung nach Auffassung der ersuchten Stelle inhaltlich unrichtig 144

S. dazu ausführlich oben 4. Kapitel C. II. S. dazu die Nachweise unten in 5. Kap., Fn. 157. 146 Kindl / Meller-Hannich / Wolf / Stürner, Art. 21 ­EuVTVO Rn. 8; Stadler, IPRax 2004, S. 2, 6. Vgl. außerdem die systematische Stellung des Verbots der Sachprüfung jeweils im Zusammenhang mit der Ablehnung der Vollstreckung, Art. 21 Abs. 2 E ­ uVTVO; Art. 22 Abs. 2 ­EuGFVO; Art. 22 Abs. 2 ­EuMahnVO. 145

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5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

ist. Ziel ist wiederum die Beschleunigung der Vollstreckung. Darüber hinaus trifft das Verbot der révision au fond aber keine Aussage. Voraussetzung des Verbots der révision au fond ist die Anerkennung der jeweiligen Entscheidungswirkung; es stellt selbst keine eigene Entscheidungswirkung dar. Etwas anderes lässt sich schließlich auch nicht § 1086 Abs. 2 ZPO entnehmen. Der deutsche Gesetzgeber scheint hier auf den ersten Blick von einer unbedingten Rechtskraftwirkung der aufgrund europäischen Vollstreckungstitel vollstreckten mitgliedstaatlichen Entscheidung auszugehen, wenn er die Präklusionsregelung des § 767 Abs. 2 ZPO, die herkömmlich als Ausprägung des Rechtskraftprinzips verstanden wird,147 insoweit systemwidrig auf öffentliche Urkunden und Vergleiche erstreckt. Dass der deutsche Gesetzgeber sich hier der entsprechenden Anwendung einer grundsätzlich die Rechtskraft schützenden Norm bedient, ist indes lediglich in der sich hieraus ergebenden Rechtsfolge begründet. Die Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO gewährleistet, dass materielle Einwendungen im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage nicht gegen die durch Vergleich oder öffentliche Urkunde titulierte Forderung geltend gemacht werden können.148 Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers ­ uVTVO auch feststeht, dass die jeweilige Entscheidung eine der damit für die E Rechtskraft jedenfalls entsprechende Bindungswirkung entfalten soll.149 Ziel der Regelung ist vielmehr die effektive Durchsetzung des jeweiligen Titels.150 Es handelt sich insoweit gewissermaßen um eine Rechtsfolgen- und nicht eine Rechtsgrundverweisung. bb) Geschlossenes System der Vollstreckungsverordnungen Anknüpfungspunkt könnte hier daher wiederum allein eine anderweitige (rechts­k raftfremde) Präklusion sein, die zwar nicht die Anerkennung der übrigen Entscheidungswirkungen der mitgliedstaatlichen Entscheidungen nach sich zieht, den Schuldner aber jedenfalls daran hindern könnte, die fehlende Anerkennung nach erfolgter Vollstreckung geltend zu machen. Freitag will eine solche Präklusion entsprechend seiner Erwägungen für das Exequaturverfahren wiederum darauf gründen, dass die Verordnungen ein in sich geschlossenes System der Vollstreckung und ihrer Rechtsbehelfsmöglichkeiten hiergegen etablieren, das durch nachgeschaltete Rückforderungsbegehren nicht

147

MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 322 Rn. 139; Zöller / Vollkommer, vor § 322 Rn. 68; i. E. auch MünchKomm-ZPO / Schmidt / Brinkmann, § 767 Rn. 74; Eckardt, FS Pekcanıtez, S. 2177, 2183 ff. 148 Vgl. statt vieler Musielak / Voit / L ackmann, § 1086 Rn. 1, 3. 149 MünchKomm-ZPO / Adolphsen, Art. 21 ­EuVTVO, Rn. 3; Wagner, IPRax  2005, S. 401, 408; krit. Hess, IPRax 2004, S. 493, 494. 150 So Wagner, IPRax 2005, S. 401, 408.

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

209

umgangen werden dürfe.151 Die Vollstreckungsverordnungen weisen aber weder ein zwischengeschaltetes Verfahren noch eine Frist zur Geltendmachung der Versagungsgründe auf, die Anknüpfungspunkt für eine Präklusion darstellen könnten (wie das beim Exequaturverfahren zumindest in Erwägung gezogen werden kann).152 Soweit Freitag darüber hinaus damit argumentiert, die Anerkennung könne nun allein deshalb nicht mehr versagt werden, weil ein europäischer Titel vorliege, der von einem einzelnen Mitgliedstaat nicht in seiner unionsweiten Geltung eingeschränkt werden könne,153 unterliegt er einem falschen Verständnis der Konzeption der Anerkennungsversagung: Bereits aus dem Territorialitätsprinzip ergibt sich, dass eine entsprechende Versagungsentscheidung selbstredend nur für den jeweiligen Mitgliedstaat ausgesprochen werden kann.154 Auch der bereits oben angesprochenen Entscheidung des EuGH in der Sache Hoffmann / Krieg zur Sicherung der praktischen Wirksamkeit des Vollstreckungssystems und seiner Rechtsbehelfe155 lässt sich eine solche Notwendigkeit für die Fragen der Rückforderung des aufgrund der Vollstreckungsverordnungen durch Vollstreckung Erlangten wiederum nicht entnehmen. Wie bereits gesehen, behandelt diese das Verhältnis des Zwischenverfahrens zur Erteilung des Exequaturs zum nationalen Vollstreckungsverfahren und gibt über die Frage, inwieweit die beendete Zwangsvollstreckung und die sich hieraus ergebende Güterverteilung rechtsbeständig bleiben soll, keine Auskunft.156 cc) Telos: Bindung für alle im materiellen Zusammenhang mit der Vollstreckung stehenden Verfahren? Dennoch wollen einige Stimmen in die Vollstreckungsverordnungen hineinlesen, dass jedenfalls hinsichtlich Verfahren, die im materiellen Zusammenhang mit der Vollstreckung stehen, die Anerkennung nicht in Frage gestellt werden dürfe.157 Das wäre mit Blick auf die Rechtsbeständigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen nach den Vollstreckungsverordnungen zwar wünschenswert, lässt sich dogmatisch

151

Freitag, FS  Kropholler, S. 759, 767; a. A. für die ­EuVTVO Coester-Waltjen, FS  Beys, S. 183, 196 ff. 152 Vgl. dazu 5. Kapitel D. II. 2. b). 153 Freitag, FS Kropholler, S. 759, 768. 154 Zum ordre public-Einwand so ausdrücklich auch Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 495. 155 EuGH, Urteil v. 04.02.1988, Az. Rs. 145/86, NJW 1989, S. 663. 156 Vgl. dazu bereits oben 5. Kapitel D. II. 2. a) bb). 157 Rauscher / Pabst, Art. 5 EGVollstrTitelVO Rn. 8; Art. 11 E ­ uVTVO Rn. 5; Schuschke / Walker / Jennissen, Art. 5 E ­ uVTVO Rn. 3; Rechberger / Frauenberger-Pfeiler, FS Fischer, S. 399, 411 f.; Rauscher, Europäischer Vollstreckungstitel, Rn. 66.

210

5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

aber derzeit nicht darstellen.158 Um die Rückforderung des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten zu unterbinden, müsste nach dem oben Gesagten der mitgliedstaatlichen Entscheidung – jedenfalls für diese Fälle – trotz fehlender Anerkennung eine der Rechtskraft entsprechende Bindungswirkung zukommen. Für konsekutive Verfahren kann allein die Tatsache, dass die Entscheidung nach der Vollstreckungsverordnung vollstreckbar ist und sodann vollstreckt wird, aber nicht dazu führen, dass die Anerkennung bindend feststeht, sodass mit Blick auf die Entscheidungswirkung der Rechtskraft die ersuchte Stelle an die unter Anwendung der Regelungen der E ­ uGVVO nicht anerkannte Entscheidung gebunden wäre.159 Dies würde das System der automatischen Anerkennung nach der ­EuGVVO vollends aushebeln. Eine nach den Vollstreckungsverordnungen vollstreckbare Entscheidung würde, obwohl mit Ausnahme der Vollstreckbarkeit nicht anerkennungsfähig, zu einer faktisch umfassenden Wirksamkeit der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat führen. Eine solche Wirkung könnte aus Effektivitätsgründen allenfalls für mit der Vollstreckung unmittelbar in Verbindung stehende Verfahren (namentlich die Vollstreckung selbst und die Frage der Rückforderung) erwogen werden. Die in Frage stehende mitgliedstaatliche Entscheidung würde im Rahmen von Rückforderungsprozessen dann einer Sonderbehandlung unterworfen und die Bindungswirkung der ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat zwischen einem etwaigen Rückforderungsprozess und anderen konsekutiven Verfahren künstlich auf­ gespalten. Die Vollstreckung nach den Vollstreckungsverordnungen würde zu einer genuinen, der Rechtskraft entsprechenden Vollstreckungskraft der mitgliedstaatlichen Entscheidungen führen, wie sie jedenfalls in der deutschsprachigen Literatur bisher zurecht überwiegend abgelehnt wurde.160 Seine Rechtfertigung müsste dies vorliegend in der Tatsache finden, dass die Vollstreckungsverordnungen die Vollstreckung der mitgliedstaatlichen Entscheidung selbst in den Mittelpunkt der Anerkennung der Entscheidung stellen und sie gegenüber anderer Maßnahmen und Wirkungen bezogen auf den ersuchten Mitgliedstaat privilegieren. Anhaltspunkte für eine derartig weitgehende Privilegierung dieser Entscheidungen finden sich in den Vollstreckungsverordnungen und den dazugehörigen 158 So kommt dann auch Oberhammer, der die Kondiktionsfestigkeit der Vollstreckung eines Europäischen Vollstreckungstitels grundsätzlich befürwortet, zu dem Ergebnis, dass eine Rückforderung nach der derzeitigen dogmatischen Konzeption der E ­ uVTVO nicht ausgeschlossen werden kann; Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 501 f. 159 Rauscher / Gruber, Art. 18 EG-MahnVO Rn. 9c. 160 S. dazu oben 5.  Kapitel D. II. 1. a) bb). Freitag, FS Kropholler, S. 759. 767, spricht insoweit von einer „unbedingten Vollstreckungsfähigkeit“. Diese Bezeichnung ist indes unsauber, denn dass die in den Anwendungsbereich der Vollstreckungsverordnungen fallenden Entscheidungen (mit Ausnahme der eingeschränkten Versagungsmöglichkeiten der Verordnungen selbst) „unbedingt“ vollstreckungsfähig und somit vollstreckbar sind, steht unabhängig von der Frage der Rückforderung fest. Über die Frage der Rückforderung trifft selbst eine unbedingte Vollstreckungsfähigkeit keine Aussage.

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

211

Gesetzgebungsmaterialien wiederum nicht. Sie geben  – wenig überraschend  – wenig Auskunft über die genaue Intention des europäischen Gesetzgebers hinter der Einführung dieser besonderen Vollstreckungsverordnungen. Ausführungen zu Hintergrund und Sinn und Zweck der neuartigen Verordnungen beschränken sich auf die gewonnenen Vorteile für das Vollstreckungsverfahren selbst. So diene die ­EuVTVO der Umsetzung einer „zügige[n] und effiziente[n] Vollstreckung“161 und biete eine „zusätzliche, unverbindliche Möglichkeit, die Vollstreckung zu vereinfachen.“162 Der Fokus des europäischen Gesetzgebers liegt dabei augenscheinlich auf der schnellen Durchsetzung eines im europäischen Ausland erlangten Titels. Dann gilt aber letztlich das auch für die Zwangsvollstreckung nach deutscher Konzeption bereits Gesagte: Die Vollstreckungsverordnungen sehen besondere Regelungen vor, die die Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen vereinfachen, leichter und vor allem schneller machen. Die Zwangsvollstreckung hat indes nicht die Aufgabe, eine endgültige Vermögensverteilung herbeizu­führen. Ob der Gläubiger das im Wege dieser schnellen Vollstreckungsmöglichkeit Erlangte tatsächlich auch rechtmäßig erhalten hat und daher behalten darf, hat mit der Rechtmäßigkeit der Vollstreckung zunächst einmal nichts zu tun und kann hiervon unterschiedlich beurteilt werden. Der vielerorts zu findende Vorwurf, so würden die Regelungen der Vollstreckungsverordnungen umgangen, geht insoweit fehl. Begreift man den Sinn und Zweck der Vollstreckungsverordnungen allein darin, durch die Regelungen eine schnelle Durchführung der Vollstreckung zu ermöglichen, sodass die Aktionslast hinsichtlich der endgültigen Güterverteilung beim Schuldner liegt, würde dies trotz Rückforderungsmöglichkeit durch das verschlankte Vollstreckungsverfahren nach den Vollstreckungsverordnungen vollends erreicht.163 Die Vollstreckungsverordnungen stellen gegenüber der ­EuGVVO damit – entsprechend der Wirkungen einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nach deutschem Zivilrecht – lediglich ein schnell und einfach durchzusetzendes Sicherungsmittel dar.164 Anders wäre das nur, wenn man den Verordnungen eine darüberhinausgehende Bedeutung beimessen wollte. So spricht beispielsweise Pabst explizit davon, dass Sinn und Zweck der E ­ uVTVO nicht lediglich die schnellere Vollstreckung sei, sondern außerdem die Vollstreckung vor späteren Rückforderungen geschützt werden solle.165 Dies wäre im Sinne einer mittelfristigen Zielsetzung der Abschaffung nicht nur der Zwischenmaßnahmen, sondern der Versagungsmöglichkeiten der Anerken 161

Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung eines europäischen Voll­ streckungstitels für unbestrittene Forderungen, KOM (2002)159 endg., S. 3. 162 Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, KOM (2002)159 endg., S. 5. 163 So auch Burgstaller / Neumayr, ÖJZ 2006, S. 179, 188. Vgl. auch Coester-Waltjen, FS Beys, S. 183, 197: Es handele sich nicht um eine „unbedingte Vollstreckungsfähigkeit“. 164 S. zu dieser besonderen Erscheinungsform der Bürgschaft nach deutschem Recht statt vieler BeckOK-BGB / Rohe, § 765 Rn. 109 ff.; MünchKomm-BGB / Habersack, § 765 Rn. 98 ff. 165 Rauscher / Pabst, Art. 11 EGVollstrTitelVO Rn. 5.

212

5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

nung mitgliedstaatlicher Entscheidungen im Ganzen, kann aber jedenfalls nach der derzeitigen Konzeption den Verordnungen nicht entnommen werden. dd) Zusammenfassung Auch die Vollstreckung nach den Vollstreckungsverordnungen schützt den Gläubiger nach derzeitigem Rechtsstand nicht vor einer etwaigen Rückforderung des Erlangten durch den Schuldner, wenn der Anerkennung nach der E ­ uGVVO ein Versagungsgrund entgegensteht. Das kann indes nicht dazu führen, dass aufgrund der fehlenden Anerkennung zuvor die Vollstreckung untersagt werden kann.166 So würde das Ziel der Effektuierung und Beschleunigung der Zwangsvollstreckung umgangen. Die Systematik ­ uVTVO (ebenso wie der anderen Vollstreckungsverordnungen) verbietet im der E Vollstreckungsverfahren einen Rückgriff auf Vollstreckungsrechtsbehelfe nach nationalem Recht. Eine angeblich fehlende Anerkennung kann hier nicht geltend gemacht werden.167 d) Zwischenergebnis Im Anwendungsbereich der ­EuGVVO laufen Anerkennung und Vollstreckbarkeit gleich. Ohne entsprechende Entscheidung über das Vorliegen von Versagungsgründen ist die Vollstreckung bei fehlender Anerkennung nicht kondiktionsfest. Wenn indes – ausnahmsweise – die Anerkennung oder die Vollstreckbarkeit gezielt festgestellt werden, gilt das dort gefundene Ergebnis ganz im Sinne des Gleichlaufs sowohl für die Anerkennung als auch die Vollstreckung der Entscheidung. Exequaturverfahren und Vollstreckungsverordnungen entkoppeln die Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit von der Anerkennung im Übrigen. Anders als dies zunächst vermuten lässt, wird damit zwar die Vollstreckung aus den mitgliedstaatlichen Entscheidungen gesondert geregelt – und im Anwendungsbereich der Vollstreckungsverordnungen vereinfacht. Darüber hinaus trägt diese Entkopplung aber nicht zur Rechtsbeständigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen bei. Im Rahmen der Verordnungen der ersten Generation wird zwar durch Erteilung des Exequaturs jeweils zwingend über die Vollstreckbarkeit der in Frage stehenden Entscheidung entschieden. Aussagen des Exequaturs über die Anerkennung der Entscheidung im Übrigen ließen sich aber lediglich mit erheblichen dogmatischen Zugeständnissen begründen. Nach der aktuellen Konzeption kann eine derartige 166

So aber Rauscher, Europäischer Vollstreckungstitel, Rn. 65, wonach im Wege der Vollstreckungsgegenklage der Einwand des treuwidrigen Verhaltens gegen die Vollstreckung erhoben werden könne. 167 S. bereits EuGH, Urteil v. 04.02.1988, Az. Rs. 145/86, NJW 1989, S. 663 Rn. 29.

D. Die fehlende Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckung

213

Bindungswirkung für die anderen Entscheidungswirkungen, und damit auch für die Frage der Rückforderungsmöglichkeit, nicht angenommen werden. Im Anwendungsbereich der Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation wird in der Regel ohne entsprechende Entscheidung über die Vollstreckbarkeit vollstreckt, sodass die Vollstreckung selbst – wie auch bei der E ­ uGVVO – keinen Anknüpfungspunkt für eine Präklusion darstellen kann. Zusätzlich ist aber auch hier davon auszugehen, dass über andere Entscheidungswirkungen als die Vollstreckbarkeit ohnehin keine Aussagen getroffen werden. Auch hier ist eine Rückforderung des aus der Vollstreckung Erlangten daher nicht ausgeschlossen. Dass die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen mit der Rückforderungsmöglichkeit im Inland damit konterkariert werden können, stört den Rechtsfrieden, ist nach derzeitigem Stand aber zwingende Folge der dogmatischen Konzeption der Anerkennung: Die insoweit entscheidende Rechtskraftwirkung der vollstreckten Entscheidung wird im ersuchten Mitgliedstaat seit jeher anerkannt – oder eben nicht. Um dieses Problem zu beheben, müsste die Konzeption der automatischen Anerkennung selbst angepasst werden. 3. Fehlende Vollstreckbarkeit anerkannter Entscheidungen Abgesehen von der soeben aufgezeigten Rückforderungsproblematik führt das unklare Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung auch in der umgekehrten Situation zu Unsicherheiten: Wird die Erteilung der Vollstreckbarerklärung wegen Vorliegens eines Versagungsgrundes abgelehnt oder die Vollstreckung nach den Vollstreckungsverordnungen aufgrund Vorliegens einer der wenigen Versagungsgründe nach diesen Verordnungen versagt, steht das Fehlen der Vollstreckbarkeit bindend fest. Über die Frage der Anerkennung ist damit aber noch nichts ausgesagt. Im Anwendungsbereich der ­EuGVVO stellt sich dieses Problem nicht, weil mit der Vollstreckungsversagung nach Art. 46 ­EuGVVO auch über das Fehlen der Anerkennung entschieden wird.168 Während die Entscheidung über die Erteilung des Exequaturs aber keine Bindungswirkung hinsichtlich der Anerkennungsfrage entfaltet, wird diese von der Entscheidung über die Vollstreckbarkeit nach den Vollstreckungsverordnungen richtiger Ansicht nach nicht einmal tangiert. In einem Folgeprozess kann im ersuchten Mitgliedstaat über die Anerkennung also divergierend befunden und diese bejaht werden. Für die Frage der Rückforderung ergäben sich hier keine Unterschiede. Mangels vollstreckungsfähigen Titels wäre nach der deutschen Rechtskonzeption zwar kein Pfändungspfandrecht entstanden, das Rechtsgrund für das Behaltendürfen des

168

S. dazu oben 5.  Kapitel B. II. 1. a) cc).

214

5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

Erlangten sein könnte.169 Da der ausländischen Entscheidung ohne entsprechende Rüge bzw. Feststellung der fehlenden Anerkennung – abgesehen von der fehlenden Vollstreckbarkeit – aber die anderen Entscheidungswirkungen im Inland faktisch weiterhin zukommen, ist die ersuchte staatliche Stelle im Inland aufgrund der Rechtskraftwirkung der ausländischen Entscheidung an die dort ergangene materielle Entscheidung gebunden, sodass der im Ausland titulierte Anspruch im Inland als bestehend anzusehen ist. Anders sieht das aber für sonstige konsekutive Verfahren aus. Gegebenenfalls kann in einem erneuten Erkenntnisverfahren im ersuchten Mitgliedstaat zur Erlangung eines Titels nun die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung dem Erlass einer neuen Entscheidung entgegenstehen.170 Dem stehen aus Rechtsschutzgesichtspunkten wiederum erhebliche Bedenken entgegen.171 Im Rahmen der Vollstreckungsverordnungen könnte als Ausweg die Vollstreckung nach der ­EuGVVO betrieben werden. Diese Möglichkeit müsste dem Gläubiger zugestanden werden, was aber zu der seltsamen Situation führt, dass die Vollstreckungsverordnungen dem Gläubiger letztlich eine zweite Chance zum hoheitlichen Zugriff auf Rechtsgüter des Schuldners eröffnen würden. Ob dieses Wechselspiel zwischen den Verordnungen vom europäischen Gesetzgeber so gewollt war, bleibt zu bezweifeln. Ein solcher Ausweg steht bei der Exequaturerteilung nicht bereit. Um dem Gläubiger hinreichenden Rechtsschutz zu gewähren, käme man nicht umhin, eine entsprechende Klage entgegen der grundsätzlichen Konzeption im ersuchten Mitgliedstaat zuzulassen, sodass der Gläubiger eine Sachentscheidung zur Titelerlangung in diesem Mitgliedstaat herbeiführen kann. Auch hier zeigt sich, dass das Verhältnis zwischen den unterschiedlichen Verordnungen und ihrer Wirkungsrichtungen völlig unklar und insoweit reformbedürftig ist.

E. Zusammenfassung  Automatische Anerkennung und automatische Versagung der Anerkennung führen dazu, dass über die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat im Regelfall keine bindende Entscheidung ergeht. In konsekutiven Verfahren kann hierüber dann divergierend entschieden werden. Dies führt nicht nur dazu, dass über die Anerkennung einer EU-ausländischen Entscheidung – bis zu einer gezielten Überprüfung der Anerkennungsfähigkeit – 169

S. hierzu oben 5.  Kapitel D. II. 1. a) bb). Ein entsprechendes Begehren würde als unzulässig zurückgewiesen, vgl. oben 2. Kap., Fn. 174. 171 S.  dazu bereits die Argumentation zur Reichweite der Entscheidung nach Art. 46 ­EuGVVO, vgl. oben 5. Kapitel B. II. 1. a) cc). 170

E. Zusammenfassung  

215

im Allgemeinen Unsicherheit besteht. Es bedeutet gleichsam, dass selbst nach Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat über die tatsächliche Anerkennung der Entscheidung in der Regel noch keine Aussage getroffen ist. Die fehlende Anerkennung kann daher insbesondere auch im Rahmen von Rückforderungsbegehren geltend gemacht werden. Dies gilt nicht nur für den Anwendungsbereich der E ­ uGVVO, in dem nunmehr ein Gleichlauf von Vollstreckbarkeit und Anerkennung hergestellt ist, sondern auch im Anwendungsbereich der übrigen Verordnungen der ersten und zweiten Generation, die die Vollstreckbarkeit von der Anerkennung anderer Entscheidungswirkungen abkoppeln. Da es für die Frage der Rechtsbeständigkeit der durch die Vollstreckung erlangten Güterverteilung letztlich nicht auf die Wirkung der Vollstreckbarkeit, sondern derjenigen der Rechtskraft ankommt, genügt weder das bloße Durchlaufen der Vollstreckung noch das Vorliegen der Wirkung der Vollstreckbarkeit. Solange die materielle Berechtigung des Behaltendürfens des aus der Vollstreckung Erlangten nicht aufgrund der Rechtskraftwirkung der vollstreckten Entscheidung feststeht oder vom ersuchten Gericht selbst festgestellt wird, steht der Rückforderung des Erlangten nichts entgegen. Kondiktionsfest wäre die Vollstreckung aus der mitgliedstaatlichen Entscheidung nur, wenn die Vollstreckung und die sich hieraus ergebende Güterverteilung von der Frage der Anerkennung entkoppelt würden. Dann stünde die bloße Durchführung der Vollstreckung der Rückforderung des hieraus Erlangten entgegen. Das kann – jedenfalls de lege lata – aber weder für die Rechtsakte mit Exequaturverfahren noch für die übrigen Vollstreckungsverordnungen angenommen werden. Diese entkoppeln die Vollstreckbarkeit zwar von der Anerkennung im Übrigen, lassen aber keinen Schluss darauf zu, dass sie auch die sich hieraus ergebende Güterverteilung unumkehrbar festlegen wollen. Der Schuldner kann das durch die Zwangsvollstreckung Erlangte mit Verweis auf die fehlende Anerkennung zurückfordern. Das ist mit Blick darauf, dass die (fehlende) Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung mit Erlass dieser Entscheidung automatisch feststeht und bei Umsetzung im ersuchten Mitgliedstaat deren (fehlende)  Anerkennung lediglich noch festgestellt wird, sinnvoll, denn so wird die Durchsetzbarkeit ausländischer Entscheidungen, die nicht anerkannt sind, minimiert.172 Ob dies zielführend ist, ist aber fraglich: Denn danach ist es für den Gläubiger ratsam, die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung zunächst doch wieder durch ein Gericht des ersuchten Mitgliedstaates bindend feststellen zu lassen. Andernfalls wäre Rechtssicherheit hinsichtlich der Wirkung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland niemals gegeben.

172 Das „rechtliche Nullum“ wird so weniger ausgebreitet, weswegen die Konzeption begrüßenswert ist, vgl. Freitag, FS Kropholler, S. 759, 768.

216

5. Kap.: Die Behandlung der Anerkennungsfrage im ersuchten Mitgliedstaat 

Aus rein vollstreckungsrechtlicher Sicht mag die fehlende Rechtsbeständigkeit der Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen zunächst weniger problematisch erscheinen, geht man richtigerweise davon aus, dass dieses nicht der endgültigen Güterverteilung dient. Für die Effektivität des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs und des Handelsverkehrs im europäischen Binnenmarkt (die ja ursprünglicher Antrieb für die Abschaffung des Exequaturverfahrens war), ist dies aber unzuträglich. Dem vom europäischen Gesetzgeber wie so oft und insbesondere auch für die Reformierung der ­EuGVVO herangezogenen Prinzip der praktischen Wirksamkeit genügt dies nicht. Dass das (Rechtsbehelfs-)System der einschlägigen Verordnungen umgangen wird und Entscheidungen und Vollstreckungsmaßnahmen rückgängig gemacht werden können, liegt dabei letztlich nicht an der besonderen Konzeption des Verhältnisses zwischen Anerkennung und Vollstreckung, sondern ist dem vorgelagert. Es findet seine Grundlage bereits in der dogmatischen Konzeption der Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen selbst. Automatische Anerkennung und automatische Vollstreckung tragen so gerade nicht zur Schnelligkeit und Effektivität des Rechtsschutzes sowie zur Rechtssicherheit bei.

6. Kapitel

Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze Die in den vorangegangenen Kapiteln gefundenen Ergebnisse lassen letztlich allein den Schluss zu, dass eine zufriedenstellende Konzeption der Anerkennung und Vollstreckbarkeit im europäischen Zivilprozessrecht derzeit nicht vorliegt. Die einschlägigen Verordnungen sind zu sehr von der rechtspolitischen Zielsetzung der Effektuierung des grenzüberschreitenden Vollstreckungsverfahrens getrieben und entbehren einer umfassend durchdachten und sich in das System des europäischen Zivilprozessrechts einfügenden Logik.1 Das Prinzip der Anerkennung und seiner dogmatischen Positionierung wurde im System des europäischen Zivilprozessrechts vom europäischen Gesetzgeber nur stiefmütterlich behandelt. Es drängt sich – erneut – der Verdacht auf, dass der europäische Gesetzgeber die Bedeutung des Instituts der Anerkennung auch und gerade für die Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen nicht erkannt hat. Eindrucksvoll zeigt dies auch der Vorschlag der Kommission zur Reform der EuGVO aus dem Jahr 2010.2 Dort war in Art. 43 zunächst nur noch die Versagung der Vollstreckung vorgesehen, sodass die Anerkennung als solche jeweils unbedingt und ohne Versagungsmöglichkeit eingetreten wäre. Dass diese weitreichende Folge beabsichtigt war, muss bezweifelt werden. Vielmehr wird hier deutlich, dass der europäische Gesetzgeber die Verbesserung der Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen im Fokus hatte, ohne sich der Bedeutung und des dogmatischen Hintergrunds bewusst zu sein.

A. Status quo Die hier dargestellte Situation ist zwingende Folge der aktuellen dogmatischen Konzeption der Anerkennung und der Geltendmachung ihrer Versagungsgründe im europäischen Zivilprozessrecht.

1

Vgl. dazu bereits Gottwald, ZZP 1990, S. 257, 259. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 14.12.2010, KOM (2010)748 endg. 2

218

6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

I. Kompromisslösung Mit Inkrafttreten der reformierten E ­ uGVVO wurde das Ziel der Abschaffung von Zwischenverfahren bezüglich der Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen für einen Großteil zivilprozessualer Entscheidungen erreicht. Zur kompletten Abschaffung der Versagungsmöglichkeiten hinsichtlich der Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen konnte man sich im Anwendungsbereich der ­EuGVVO aber nicht durchringen. Zu laut waren die entgegenstehenden Stimmen, die der Aufgabe der nationalen Letztentscheidungsmöglichkeit der einzelnen Mitgliedstaaten kritisch gegenüberstanden. Lediglich in den eng umgrenzten Anwendungsbereichen der Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation wurden Versagungsgründe gegen die Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen weitestgehend abgeschafft. Voraussetzung einer unbedingten Titelfreizügigkeit wäre die Gleichwertigkeit der europäischen Rechtsordnungen.3 Der europäische Gesetzgeber stützt sich bei seinen Bemühungen um die fortschreitende Integration auf das von ihm viel zitierte gegenseitige Vertrauen in die Rechtspflege der Mitgliedstaaten.4 Dabei handelt es sich jedoch bisher lediglich um ein – wenn auch wichtiges – rechtspoli­tisches Konzept, das alleine nicht Grundlage für eine immer weitergehende Titelfreizügigkeit sein kann.5 Tatsächlich ist das gegenseitige Vertrauen in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zwar erstrebtes Ziel der europäischen Integration, aber noch keine Realität.6 Das aktuell vorzufindende Konstrukt der Anerkennung und Vollstreckung im europäischen Zivilprozessrecht ist insoweit lediglich Ausdruck einer Kompromisslösung, die versucht, die entgegengesetzten Interessen in Einklang zu bringen und gleichzeitig nur eine Stufe im Integrationsprozess des europäischen Zivilprozessrechts darstellt. Die Konsequenz ist eine in sich nicht schlüssige und unpraktikable

3

Mansel, Systemwechsel, S. 1, 10; Thöne, S. 131 f.; vgl. auch Blobel / Späth, ELR 2005, S. 528, 533; vgl. für das Verwaltungsrecht Neßler, NVwZ 1995, S. 863, 864. 4 Erwägungsgrund Nr. 16 der EuGVO sowie Erwägungsgrund Nr. 26 der ­EuGVVO; vgl. Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 284; Hess, EZPR, § 3 Rn. 17. S. auch die Rechtsprechung des EuGH: Urteil v. 25.05.2016, Rs. C-559/14, EuZW 2016, S. 713 Rn. 47; Urteil v. 16.07.2015, Rs. C-681/13, EuZW 2015, S. 713 Rn. 40. 5 Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 284 f. Nach Pfeiffer stellt der einheitliche Rechtsraum eine Fiktion dar, die sich „schwerlich selbst rechtfertigen kann“, FS Jayme, S. 675, 683. Zur Fiktion auch Kohler, Systemwechsel, S. 147, 156; Netzer, S. 33. S. auch kritisch Rauscher / Mankowski, Art. 39 Brüssel Ia-VO Rn. 3 ff. S. auch Schlosser, IPRax 2010, S. 101, 104: „Continuously emphasizing general mutual trust in the sister states’ respective jurisdiction is of no use. All the systems have their weak elements which may give rise to intolerable failures.“ 6 Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 283 f., Jayme / Kohler, IPRax 2004, S. 481, 482 f.; mit Verweis auf einen fehlenden einheitlichen Grundrechtskatalog s. auch Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 498; Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 682 f.

A. Status quo 

219

Konstruktion der Anerkennung und Versagung im europäischen Rechtsraum.7 Die Unstimmigkeiten, die dem System der automatischen Anerkennung immanent sind, wurden durch die Reform der ­EuGVVO und die neuartigen Verordnungen zur Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen nicht aufgelöst. So besteht nach wie vor erhebliche Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Frage der tatsächlichen Wirksamkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidungen im Inland und außerdem der Wirkung der im Inland durchgeführten Vollstreckung aus einem solchen Titel.

II. Unstimmigkeiten des Anerkennungsund Vollstreckungssystems Das aktuelle System der Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen in der Europäischen Union weist dabei im Wesentlichen folgende Probleme auf: 1. Das System der automatischen Anerkennung und ihrer automatischen Versagung beinhaltet ein beachtliches Maß an Rechtsunsicherheit. Ob eine Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat überhaupt Wirkung entfaltet, steht automatisch und von Anfang an fest, wird aber nur in seltenen Fällen geprüft. Selbst wo eine Prüfung erfolgt, hat diese für konsekutive Verfahren jedenfalls keine Bindungswirkung, sodass ein und dieselbe Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat unterschiedlich behandelt werden kann. 2. Darüber hinaus scheint der europäische Gesetzgeber sich des Verhältnisses zwischen der Anerkennung im Allgemeinen und der besonderen Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit nicht bewusst zu sein. Die aktuell geltenden Verordnungen beinhalten umfassende Regelungen zur Vollstreckbarkeit als solcher, ohne deren Verhältnis zur Anerkennung zu regeln oder jedenfalls zu erklären. Die Folge sind unschlüssige Regelungen8 und unvollständige Regelungskomplexe9. 3. Das wirkt sich insbesondere auch bei Vollstreckungsmaßnahmen und deren Rechtsbeständigkeit aus. Sie leiden unter der für die Anerkennung oben (Ziff. 1) bereits dargestellten Rechtsunsicherheit. Das aus der Vollstreckung Erlangte kann aufgrund fehlender Anerkennung zurückgefordert werden. Die Regelungswut10 des europäischen Gesetzgebers lässt eine dogmatisch begründete und in sich durchdachte Konzeption der einschlägigen Verordnungen durchgehend vermissen. Aufgabe des europäischen Zivilprozessrechts ist es aber, 7 Kritisch auch Schack, FS  Leipold, S. 317; Hess, FS  Gottwald, S. 273 ff.; Schlosser / ​ Hess / Hess, EuZPR, Art. 45 ­EuGVVO, Rn. 1. 8 Vgl. nur Art. 46 ­EuGVVO – s. oben 3. Kapitel D. III. 2.  9 S. die Regelungen der Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation; 4. Kapitel C. 10 Schack, FS  Leipold, S. 317, bezeichnet dies als „grenzenlosen Tatendrang“ des europäischen Gesetzgebers.

220

6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

die Ungereimtheiten, die sich aufgrund der Zersplitterung des europäischen Rechtsraums ergeben, zu beseitigen und nicht umgekehrt.11 Insoweit ist das System der Anerkennung und Vollstreckung reformbedürftig.12 Wie eine solche Reform aussehen könnte, soll nachfolgend erörtert werden.

B. Ziel: Abschaffung der Versagungsgründe? Der radikalste Ansatz hierfür wäre die vollständige Abschaffung der Versagungsgründe gegen die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen. Folge wäre eine unbedingte Titelfreizügigkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen im gesamten Gebiet der Europäischen Union. Die oben genannten Probleme würden sich insoweit erübrigen. Denn mitgliedstaatliche Entscheidungen würden in jedem Mitgliedstaat so behandelt, als seien sie dort ergangen.13 Die Wirksamkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung würde insoweit außer Frage stehen, sodass sämtliche Fragen der (fehlenden) Anerkennung und der sich hieraus ergebenden Probleme nicht mehr aufkämen. Die der jeweiligen Entscheidung tatsächlich zukommenden Wirkungen und ihre Reichweite würden sich indes gemäß der Lehre der Wirkungserstreckung weiterhin nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates richten. Dies ließe sich erst durch die Einführung eines eigenen europäischen Zivilprozessrechts ändern, das prozessuale Entscheidungswirkungen eigenständig regeln und den Entscheidungen diese eigenständig zuweisen würde. Dann könnte aber nicht mehr von einer Anerkennung gesprochen werden.

I. Unbedingte Titelfreizügigkeit Dies stünde im Einklang mit der Vorstellung einer immer engeren Rechtsgemeinschaft und eines einheitlichen „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.“14 Ein Blick auf die Geschichte des Anerkennungsrechts der Europäischen Union, insbesondere seit der Sondertagung des Europäischen Rates in Tampere, lässt durchaus den Schluss zu, dass die Integration auf diesem Gebiet weitergetrieben 11

So auch (aber nicht zu EU) McGuire, S. 11; Hoyer, ZfRV 1969, S. 241, 249. Entgegen Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 19 EuMVVO Rn. 2, wonach das Regelungsnetz des europäischen Zivilprozessrechts mit Blick auf Anerkennung und Vollstreckung de lege lata hinzunehmen sei. 13 S. zu dieser Zielrichtung insbesondere Erwägungsgrund Nr. 26 der ­EuGVVO. 14 Erwägungsgrund Nr. 3 der E ­ uGVVO; Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Tagung des Europäischen Rats in Tampere am 15. und 16. Oktober 1999, zu finden unter http://www. europarl.europa.eu/summits/tam_de.htm (zuletzt abgerufen am 22.07.2020) Nr. 1 ff.; vgl. dazu Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 682. 12

B. Ziel: Abschaffung der Versagungsgründe? 

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werden und keineswegs beendet sein soll. Der derzeit bestehende Flickenteppich an unausgereiften Regelungen und Verordnungen könnte so nicht nur als Kompromiss hin zu einer Vereinheitlichung unterschiedlicher nationaler Rechtstraditionen, sondern insbesondere als – insoweit nicht ausgefeilter – Zwischenschritt hin zur unbedingten Titelfreizügigkeit begriffen werden. Das erklärte (Fern-)Ziel wäre dann eine immer weitergehendere Harmonisierung, die letztlich jegliche Kontrolle der Wirksamkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung in anderen Mitgliedstaaten überflüssig machen würde.15 Dass die europäische Integration letztlich auf die Erreichung einer solchen vollständigen Titelfreizügigkeit gerichtet ist, wurde bereits im Jenard-Bericht aus dem Jahr 1979 angesprochen.16 Diese Zielsetzung lässt sich ausdrücklich auch dem vom Rat beschlossenen Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen aus dem Jahr 2001 entnehmen. Dort propagiert er die „ersatzlose Abschaffung jeglicher Überprüfung einer ausländischen Entscheidung seitens der Gerichte des ersuchten Mitgliedstaates“, die einer nationalen Urkunde gemeinschaftsweite Geltung verleihe.17 Dabei stand zwar eigentlich die Abschaffung der Zwischenmaßnahmen  – hinsichtlich der Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen – im Fokus.18 Die darüber hinausgehende Zielsetzung der gemeinschaftsweiten (unbedingten) Titelgeltung ist dem Entschluss des Rates hier aber dennoch unzweifelhaft zu entnehmen. Die Zielsetzung einer vollständigen unionsweiten Titelfreizügigkeit findet auch in der Literatur vermehrt Anklang.19 Zwingend ist die Schaffung einer derartigen unbedingten Titelfreizügigkeit indes nicht. Teilweise wird davon ausgegangen, nur eine vorbehaltlose Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen würde dem europarechtlichen Herkunftslandprinzip hinreichend gerecht werden.20 Das ist nicht richtig. Das Herkunftsland 15

Hess, IPRax 2001, S. 389, 391. Jenard-Bericht, ABl. EG C 59 v. 05.03.1979, S. 1, 43. Diese Idee ist nicht neu und auch nicht genuin europarechtlich ausgeprägt. Schima sprach sich bereits im Jahr 1966 für ein Fernziel der Weltrechtspflege aus, also „das Verschwinden der Unterschiede zwischen in- und ausländischen Entscheidungen, sodass Urteile wie inländische anerkennt und vollstreckt werden, in welchem Staate immer sie ergangen sind.“, Liber amicorum Frédéricq, S. 927. 17 Mitteilung Rat Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG C 12 v. 15.01.2001, S. 1, 5, Punkt A. 2. b). S. auch weiterhin Punkt A. 2 a) i), wo die Beschränkung der Versagungsgründe gegen Anerkennung und Vollstreckung angesprochen wird. 18 Vgl. Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 486 f. 19 Hess, IPRax 2001, S. 389, 391; ders., EZPR, § 3 Rn. 24; Schack, FS Leipold, S. 317, 320, Stein, IPRax 2004, S. 181, 183; s. auch Leible / Terhechte / Oberhammer / Koller / Slonina, ERVR, § 15 Rn. 1 ff. Explizit zur Abschaffung des ordre public-Vorbehalts Leipold, FS Stoll, S. 625, 644 ff., vgl. auch Sujecki, ZEuP 2008, S. 458 ff.; Linton, EU Civil Justice, S. 257, 262 f. 20 Hess, ZSR 2005 II, S. 183, 190, 226; vgl. auch Leible, Der Raum der Freiheit, S. 55, 64; Janssens, S. 68 ff. 16

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

prinzip fordert gerade keine unbedingte Geltung mitgliedstaatlicher Rechtsakte oder Maßnahmen im gesamten europäischen Rechtsraum. Ein solches „unbedingtes“ Herkunftslandprinzip kennt das europäische Recht derzeit nicht.21 Auch die Grundfreiheiten sind insoweit nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern lassen den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, aufgrund zwingender Allgemeininteressen der Anerkennung mitgliedstaatlicher Maßnahmen im eigenen Staat Grenzen zu setzen.22 Es ist daher nicht erforderlich, dass der Betroffene im ersuchten Mitgliedstaat den gleichen prozessualen Status hat, der ihm im Ursprungsmitgliedstaat auch zusteht. Eine unbedingte Titelfreizügigkeit ist als solche auch keine zwingende Voraussetzung zur Gewährleistung eines funktionierenden Binnenmarktes. Das zeigt schon ein Blick in den nordamerikanischen Rechtsraum. Sowohl in den USA als auch in Kanada beanspruchen Entscheidungen der einzelnen Bundesstaaten bzw. Provinzen keine gemeinschaftsweite Geltung, sondern werden im ersuchten Mitgliedstaat jeweils einer Anerkennungsprüfung unterzogen.23 Gleichwohl scheint die unbedingte Titelfreizügigkeit im Sinne der fortschreitenden europäischen Integration und mit Blick auf die Probleme, die die nur bedingte Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen mit sich bringt, aber dennoch erstrebenswert.

II. Umsetzbarkeit Gleichwohl wird, wie bereits mehrfach angesprochen, eine unbedingte Titelgeltung im europäischen Rechtsraum derzeit überwiegend abgelehnt. Der europäische Gesetzgeber hat im Anwendungsbereich der ­EuGVVO von der Abschaffung der Versagungsgründe für die Anerkennung Abstand genommen und trotz Abschaffung der Zwischenmaßnahmen die Versagungsgründe beibehalten. Dort wo er – in den Verordnungen der zweiten Generation – Versagungseinwände weitestgehend abgeschafft hat, hat er versucht, dies durch andere verfahrensrechtliche Sicherungsmaßnahmen zu ersetzen (s. dazu oben 4. Kapitel). Welche rechtsdogmatischen Hindernisse einer unbedingten Titelgeltung nach dem aktuellen Stand der zivilprozessualen Integration entgegenstehen, soll im Folgenden erörtert werden.

21 Kohler, Europäisches Kollisionsrecht, S. 63, 75; s. auch Kohler, Herkunftslandprinzip, S. 71, 83. 22 McGuire, S. 365 f.; Hess, JZ 2001, S. 573, 582; vgl. auch Kohler, Europäisches Kollisionsrecht, S. 63, 75; Kohler, Herkunftslandprinzip, S. 71, 83; Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 286; Weller, GPR 2012, S. 34, 36 f. S. außerdem bereits oben bei 2. Kap., Fn. 101. 23 Vgl. für das US-amerikanische Recht: Schlosser, IPRax 2010, S. 101 f. Für das kanadische Recht vgl. Schramm, YPIL Vol. 15, S. 143, 149; Schlosser, IPRax 2010, S. 101, 102 f.

B. Ziel: Abschaffung der Versagungsgründe? 

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1. Kompensationslose Abschaffung der Versagungsgründe und verfassungsrechtliche Anforderungen Mit der Abschaffung jeglicher Versagungsmöglichkeiten würde den Mitgliedstaaten der Einfluss auf die Wirksamkeit staatlicher Entscheidungen aus dem EU-Ausland vollends genommen. Dem werden vor allem verfassungsrechtliche Bedenken entgegengehalten: a) Demokratische Legitimation Insbesondere außerhalb des europäischen Integrationsprozesses wird die unbedingte Titelfreizügigkeit kritisch beurteilt. Aus rechtstaatlichen Gesichtspunkten sei es unabdingbar, dass die staatlichen Stellen des Inlands nicht jegliche Kontrollmöglichkeit hinsichtlich der ausländischen Entscheidung aufgeben und nur noch als verlängerter Arm der hoheitlichen Tätigkeit des ausländischen Staates agieren.24 Mit der unbedingten Urteilsgeltung wäre den Behörden und Gerichten des Zweitstaates jegliche Überprüfung der ausländischen Entscheidung versagt.25 Im supranationalen Gefüge der Europäischen Union gilt es hier aber zu bedenken, dass die europäischen Mitgliedstaaten mit der fortschreitenden Integration Schritt für Schritt Hoheitsrechte auf die Europäisch Union übertragen haben. Im deutschen Verfassungsrecht manifestiert sich dies in Art. 23 GG. Er schafft die demokratische Legitimation dafür, dass die deutschen staatlichen Stellen ihre Hoheitsbefugnisse insoweit auf die supranationale Ebene übertragen, dass auch Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten im Inland – grundsätzlich unbedingt – wirken können.26 Inwieweit der Stand der europäischen Integration die Aufgabe der Letztkontrolle durch die einzelnen Mitgliedstaaten tatsächlich rechtfertigt, soll im anschließenden Abschnitt c) behandelt werden.

24

Schack, IZVR, § 18 Rn. 1053; Gerling, S. 161 ff.; Geimer, Anerkennung, S. 18 f.; ähnlich auch Stadler, IPRax 2004, S. 2, 6; s. auch Kohler, Herkunftslandprinzip, S. 71, 83; ders., Systemwechsel, S. 147, 159 ff. 25 Vgl. Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 679 f. Somit wäre auch die intransitive Geltung des Territorialitätsprinzips tangiert; vgl. dazu oben 2. Kap., Fn. 65. 26 Vgl. ausführlich Thöne, S. 121 ff.; Geimer, IZPR, Rn. 2756p; ders., FS Németh, S. 229, 239. S. auch Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 680 ff., der zwar die unbedingte Titelgeltung aufgrund europarechtlichen Rechtsanwendungsbefehls grundsätzlich befürwortet, dieses aber von der Einhaltung gewisser Mindeststandards zum Schutz der deutschen öffentlichen Ordnung abhängig macht. A. A. Schack, FS  Leipold, S. 317, 333 (der Vollstreckungsstaat könne seine Verantwortung nicht auf den Urteilsstaat abschieben); Stadler, IPRax 2004, S. 2, 8 f.; ähnlich wohl auch Wagner, IPRax 2002, S. 75, 87. S. auch Weber, S. 202 ff., der in der (unbedingten) Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen eine doppelte Hoheitsrechtsübertragung nicht auf die Europäische Union, sondern auf die anderen Mitgliedstaaten sieht. S. zum Ganzen auch bereits oben 2. Kapitel A. II. 4. 

224

6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

b) Grundrechtsschutz und EMRK Auch die EMRK steht der unbedingten Titelfreizügigkeit nicht entgegen. Probleme hinsichtlich der Abschaffung jeglicher Letztkontrolle durch den ersuchten Mitgliedstaat könnten sich hier insoweit ergeben, als der ersuchte Staat ohne eigene Kontrolle zur Umsetzung konventionswidriger Entscheidungen verpflichtet sein könnte und seine Verantwortung hinsichtlich der Einhaltung der EMRK so nicht mehr wahrnehmen kann.27 Das ist indes dort unproblematisch, wo – wie bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – der Ursprungsstaat selbst an die EMRK gebunden ist. Der mit Blick auf die EMRK notwendige Rechtsschutz ist damit gewahrt und der Rechtsweg zum EGMR eröffnet.28 Für das europäische Zivilprozessrecht wird die Abschaffung der Kontrolle im ersuchten Mitgliedstaat daher richtigerweise für EMRK-vereinbar gehalten.29 c) Aufgabe der Letztkontrolle Soweit die Versagungsgründe die Rechtskraft entgegenstehender Entscheidungen schützen,30 könnte dies ohne weiteres auch durch entsprechende europarechtliche Regelungen zum Schutze der Rechtshängigkeit und Rechtskraft – beispielsweise aufgrund eines Prioritätsprinzips  – erreicht werden.31 Diese Versagungsgründe sind daher letztlich entbehrlich. Ungleich weitreichender wäre indes der flächendeckende Verlust des ordre ­public-Vorbehalts, der mit einer unbedingten Titelfreizügigkeit ebenfalls einhergehen würde.32 Der ersuchte Mitgliedstaat hätte keine Möglichkeit mehr, die Wirksamkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung bei Verstoß gegen grundlegende Werte der eigenen Rechtsordnung auf eigenem Hoheitsgebiet zu unterbinden. Zwar ermöglicht das supranationale Gefüge der Europäischen Union grundsätzlich die (unbedingte) Hoheitsübertragung und eröffnet damit auch die Möglichkeit einer unbedingten Titelgeltung im europäischen Rechtsraum.33 Ob der aktu 27

Thöne, S. 125; Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 293 f. S. hierzu Thöne, S. 125; Stein, IPRax 2004, S. 181, 185 f.; vgl. auch Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 5 ­EuVTVO, Rn. 13. 29 Thöne, S. 125; Stein, IPRax 2004, S. 181, 186 f.; Hess, FS Gottwald, S. 273, 277, Wagner, IPRax 2002, S. 75, 87 f.; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung, S. 464 ff.; Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 5 E ­ uVTVO Rn. 13. A. A. Schack, FS Leipold, S. 317, 333; Beaumont / Johnston, IPRax 2010, S. 105, 107 ff.; Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 293 f.; Stoppenbrink, ERPL 2002, S. 641, 668, wonach die Abschaffung des Exequaturverfahrens die „prozessuale Waffengleichheit“ der Parteien aufheben würde. 30 Vgl. Art. 45 Abs. 1 lit. c und d ­EuGVVO. 31 Vgl. hierzu Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 495. 32 Hierunter fallen auch die speziellen Ausprägungen, wie z. B. in Art. 45 Abs. 1 lit.  b ­EuGVVO. 33 S. soeben 6.  Kapitel B. II. 1. a). 28

B. Ziel: Abschaffung der Versagungsgründe? 

225

elle Integrationsstand und die nach wie vor doch bestehenden Unterschiede der europäischen Rechtsordnungen die Aufgabe des ordre public-Vorbehalts erlauben, oder jedenfalls dieser Notanker zur Sicherung der nationalen Rechtsordnungen weiterhin notwendig ist,34 wird aber unterschiedlich bewertet. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Erlass der Verordnungen der zweiten Generation wurde diese Fragestellung erneut vertieft, weil dort erstmalig der Vorbehalt des ordre public aufgegeben wurde. Die überwiegenden Stimmen der Literatur stehen der Aufgabe dieses Notankers kritisch gegenüber.35 Vereinzelt wird entgegen des insoweit eindeutigen Wortlauts daher dennoch eine Prüfung des ordre public im Anwendungsbereich der E ­ uVTVO konstruiert: Eine Prüfungsverpflichtung könne sich bei entsprechenden Verstößen direkt aus der EMRK ergeben.36 Auch sei es denkbar, grundlegende Verstöße gegen die nationale Rechtsordnung im nationalen Vollstreckungsverfahren geltend zu machen.37 Zu denken wäre hier aus deutscher Sicht außerdem beispielsweise an den außerordentlichen Rechtsbehelf nach § 826 BGB.38 Ob dies mit Blick auf die eindeutige Zielrichtung der Abschaffung entsprechender ordre public-Vorbehalte mit der Systematik der Vollstreckung nach den hier in Rede stehenden Verordnungen vereinbar ist, bleibt indes zweifelhaft. Soweit man der hier vertretenen Auffassung folgt, dass die E ­ uVTVO de lege lata nur die Vollstreckung als Europäischer Vollstreckungstitel regelt und für die Frage der Anerkennung sowie des Behaltendürfens des aus der Vollstreckung Erlangten die ­EuGVVO eingreift, käme es auf derartige Rechtsschutzmöglichkeiten aber ohnehin nicht entscheidend an. Die Abschaffung des ordre public-Vorbehalts wird hier dadurch abgeschwächt, dass der Schuldner diesen jedenfalls in einem nachgelagerten Rückforderungsprozess vollständig geltend machen könnte.39

34

Oberhammer spricht hier anschaulich von einer fehlenden „Europareife“ des europäischen Rechtsraums, JBl. 2006, S. 477, 497. 35 Stadler, IPRax 2004, S. 2, 8; Wagner, IPRax 2002, S. 75 ff.; Leible, Der Raum der Freiheit, S. 55, 66 f.; Weller, GPR 2012, S. 34, 36 f.; Rauscher / Pabst, Art. 5 EGVollstrTitelVO Rn. 10 ff.; Oberhammer, JBl. 2006, S. 477 ff. m. w. N. in Fn. 113; Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 291 ff.; ders., Europäisches Kollisionsrecht, S. 63, 78, Stoppenbrink, ERPL 641, S. 664 ff.; Hess, EZPR, § 3 Rn. 25 ff. 36 S. dazu Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 293 f. 37 So für die Regelung des Art. 41 Abs. 1 EuEheVO Helms, FamRZ 2002, S. 1593, 1602; Kindl / ​Meller-Hannich / Wolf / Netzer, Art. 41 EuEheVO Rn. 10; Saenger  / D örner, Art. 41 ­EuEheVO, Rn.  11. 38 Hierzu und zur Frage, inwieweit dies mit europäischem Recht vereinbar wäre, s. unten 6.  Kapitel D. III. 4.  39 S. dazu oben 5. Kapitel D. II. 2. c). So auch Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 500 ff.

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

aa) Die Funktion des ordre public-Vorbehalts Hintergrund der vorherrschenden Kritik an der Abschaffung des ordre public-​ Vorbehalts ist die Funktion, die dieser innehat: Der Vorbehalt des nationalen ordre public ist Ausdruck des Schutzes rechtstaatlicher Rechte in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen. Als solcher dient er unmittelbar dem Schutze verfassungsrechtlicher Anforderungen, wie namentlich des rechtlichen Gehörs.40 Eine Abkehr hiervon wäre daher nur möglich, wenn der Schutz der rechtstaatlichen Rechte in den Mitgliedstaaten gleichermaßen gewährleistet wäre. Ein einheitlicher oder gleichwertiger europäischer Rechtsraum besteht indes noch nicht. Auch ein gleichwertiger Rechtsschutz, der insoweit ein hinreichendes gegenseitiges Vertrauen begründen könnte, fehlt bisher.41 Überprüfungsmöglichkeiten nichtsdestotrotz auszusetzen, ist dem europäischen Zivilprozessrecht zwar nicht unbekannt. Bereits bei Erlass des EuGVÜ wurde eine gewisse Vorleistung hinsichtlich des Vertrauens in die Rechtspflege der anderen Mitgliedstaaten durch Abschaffung der Zuständigkeitsprüfungen gefordert, war aber kaum tatsächlich vorhanden.42 Es könne nicht von einem generellen Misstrauen gegenüber den Verfahrensrechten anderer Mitgliedstaaten und deren Handhabung ausgegangen und die – negativen – Ausnahmefälle nicht zur Grundlage anerkennungsrechtlicher Regelungen werden.43 Das ist indes nur wenig überzeugend, denn die bloße Tatsache, dass ordre public-Verstöße selten vorkommen (und der Versagungsgrund tatsächlich wohl oft allein deshalb geltend gemacht wird, um die Vollstreckung aus der mitgliedstaatlichen Entscheidung zu verzögern), genügt nicht, um dem jeweiligen Versagungsgrund seine Bedeutung abzusprechen.44 Denn wenn einer der wenigen Ausnahmefälle vorliegt, der einen ordre public-Verstoß begründet, handelt es sich nicht um bloße Unvereinbarkeiten mit Regelungen des nationalen Rechts, sondern um nicht hinnehmbare Verstöße gegen grundlegende Wertungen der nationalen Rechtsordnung.45 Soweit zu Gunsten der Abschaffung des ordre public-Vorbehalts darauf verwiesen wird, dass auch in rein nationalen Verfahren Entscheidungen aufgrund unfairer Verfahren ergehen können und auch hier Rechtsschutzgrenzen bestehen (wie etwa die Frist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde),46 ist dies zwar

40

S. Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 680 f. S.  bereits oben im 6. Kapitel A. I.; Oberhammer, JBl.  2006, S. 477, 497 f.; Stadler, IPRax 2004, S. 2, 7; Kohler, Systemwechsel, S. 147, 156. 42 Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 480, spricht hier von einer „self-fulfilling prophecy“. Mangels Überprüfungsmöglichkeit blieb den Mitgliedstaaten letztlich nichts anderes übrig, als in die Rechtspflege der anderen Mitgliedstaaten zu vertrauen. 43 So Magnus / Mankowski, ZVglRWiss 2010, S. 1, 3.  44 Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 497. 45 Vgl. dazu u. a. Wagner, IPRax 2002, S. 75, 91 f.; Schlosser, IPRax 2010, S. 101, 104. 46 Geimer, IZPR, Rn. 2756p; Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 34 EuGVO Rn. 14. 41

B. Ziel: Abschaffung der Versagungsgründe? 

227

richtig.47 Auch in den hier in Rede stehenden Fällen besteht das Problem vordergründig genau genommen nicht in der grenzüberschreitenden Urteilsanerkennung, sondern der unrichtigen Rechtsanwendung im Erststaat. Dem Betroffenen wird mit dem ordre public-Vorbehalt so quasi eine zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeit im Zweitstaat eröffnet.48 Gerade dort, wo der Betroffene gegen den Rechtsverstoß grundsätzlich auch im Erststaat (im Rahmen des Erkenntnisverfahrens) hätte vorgehen können, wird dieser Befund aber dadurch relativiert, dass dies in der Regel mit einer Präklusion der Geltendmachung der Versagungsgründe im ersuchten Mitgliedstaat einhergeht. Hätte der Betroffene sich gegen die den Versagungsgrund begründenden Umstände schon im Ursprungsmitgliedstaat wehren können, kann er etwaige Versagungsgründe im ersuchten Mitgliedstaat nicht mehr geltend machen.49 Allein die Tatsache, dass ein möglicher ordre public-Verstoß auch im Ursprungsmitgliedstaat rechtswidrig und daher grundsätzlich zu ahnden war, hilft außerdem nicht darüber hinweg, dass vollständiges Vertrauen in die Rechtspflege der Mitgliedstaaten – anders als in die eigene Rechtsordnung – im europäischen Justizraum eben (noch) nicht besteht. Gerade hinsichtlich der – im Rahmen des ordre public-Vorbehalts einzig in Frage kommenden  – gravierenden Verstöße gegen die Werte der eigenen Rechtsordnung muss sich der einzelne Mitgliedstaat nicht auf die wirksame Rechtsdurchsetzung im Ausland verlassen müssen. Hinzu kommt, dass ordre public-Verstöße selbstredend auch dort vorkommen können, wo kein Verstoß gegen die eigene Rechtsordnung des Ursprungsmitgliedstaates, wohl aber gegen die Rechtsordnung des ersuchten Mitgliedstaates vorliegt, es also zwischen den Rechtsordnungen zu Wertungswidersprüchen kommt.50 Oftmals wäre zwar auch die Anrufung supranationaler Gerichte denkbar – beispielsweise des EGMR, wenn (gleichzeitig) ein Verstoß gegen die EMRK im Raum stehen sollte.51 Mit Blick auf den auch im europäischen Zivilprozessrecht nach wie vor national ausgerichteten ordre public hilft dies aber nur begrenzt weiter.52 Der EuGH verweist zusätzlich darauf, dass dem Rechtsschutzsuchenden neben den europarechtlichen Rechtsbehelfen, wie dem Vorabentscheidungsverfahren, auch die in den nationalen Rechtsordnungen eingerichteten Rechtsbehelfe zur Verfü-

47 Nach Geimer sei diese „„Auslieferung“ der eigenen Bürger bzw. Bewohner an die Richter der anderen EU-Mitgliedstaaten“ zwingende Voraussetzungen für einen einheitlichen europäischen Rechtsraum, vgl. FS Németh, S. 229, 239. 48 Vgl. Oberhammer, IPRax 2010, S. 197, 202. Der Schuldner sei daher privilegiert, wenn er Vermögen im Ausland hat. 49 S. dazu bereits oben 5. Kap., Fn. 110 ff. 50 Vgl. auch Stadler, IPRax 2004, S. 2, 8; Coester-Waltjen, FS Beys, S. 183, 193 f. Ob Wertungswidersprüche tatsächlich vorliegen, kann letztlich dahinstehen. Es genügt, dass sie theoretisch möglich sind. Dann muss eine Korrektur im Einzelfall möglich sein. 51 Vgl. auch Stein, IPRax 2004, S. 181, 186; Oberhammer, IPRax 2010, S. 197, 202, der aber im Ergebnis doch davon ausgeht, dass der ordre public-Vorbehalt wegen der unterschiedlichen rechtsstaatlichen Standards in den Mitgliedstaaten noch nicht abgeschafft werden sollte. 52 Zum Konzept eines europäischen ordre public s. sogleich.

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

gung stehen.53 Hinreichend ist dies indes nur, wenn man – wie der EuGH – davon ausgeht, dass aufgrund des Vertrauens in die Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen ein Verstoß gegen den ordre public der eigenen nationalen Rechtsordnung auch im Ursprungsmitgliedstaat geahndet würde, also Gleichwertigkeit besteht. Dass diese Konzeption dem aktuellen Integrationsstand nicht entspricht, wurde bereits erörtert.54 Letztlich scheint dies auch der europäische Gesetzgeber so zu sehen: Die Abschaffung der Versagungsmöglichkeiten der ­EuGVVO ohne entsprechende Sicherungsmaßnahmen würde nach Auffassung der Kommission den tatsächlichen Gegebenheiten des europäischen Rechtsraums nicht gerecht und könne insbesondere mögliche Grundrechtsverstöße dann nicht mehr ordnungsgemäß auffangen.55 Aufschlussreich ist dabei auch ein Blick in die seit Juni 2017 geltende EuInsVO. Dort ist der ordre public-Vorbehalt als einziger Versagungsgrund in Art. 33 weiterhin vorgesehen. Das zeigt, dass auch der europäische Gesetzgeber eine Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen, die den Verzicht auf diesen Vorbehalt rechtfertigen könnte, noch nicht annimmt.56 bb) Der europäische ordre public Denkbar wäre danach allenfalls noch, die bestehende Problematik durch Einführung eines europäischen ordre public-Vorbehalts57 zu entschärfen. Die Einführung eines solchen unionsweiten ordre public-Maßstabes, an dem alle mitgliedstaatlichen Entscheidungen gemessen werden könnten, würde die Integration und Harmonisierung fördern.58 De lege lata stellt das europäische Zivilprozessrecht aber ausdrücklich auf die nationalen Rechtsordnungen ab.59 So sah der Vorschlag der Kommission zur Reform der EuGVO einen europäischen verfahrensrechtlichen ordre public-Vorbehalt vor, der letztlich aber nicht umgesetzt wurde.60

53 EuGH, Urteil v. 25.05.2016, Rs. C-559/14, EuZW 2016, S. 713 Rn. 47; EuGH, Urteil v. 16.07.2015, Rs. C-681/13, EuZW 2015, S. 713 Rn. 63. 54 S. oben 6. Kapitel A. I. 55 Impact Assessment Accompanying document to the Proposal for  a Regulation of the European Parliament and of the Council on jurisdiction and the recognition and enforcement of judgments in civil and commercial matters, SEC/2010/1547/FINAL, S. 16. 56 Vgl. dazu bereits Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 499. 57 Zum Begriff allgemein Föhlisch, Der gemeineuropäische ordre public. 58 So auch Domej, RabelsZ 2014, S. 508, 520 f. 59 Vgl. Art. 45 Abs. 1 lit. a ­EuGVVO; s. dazu bereits oben im 3. Kapitel C. II. 1.  60 Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 14.12.2010, KOM (2010)748 endg., dort Art. 46 Abs. 1 (S. 46); s. dazu Schramm, YPIL Vol. 15, S. 143, 162; Schramm, La révision du Règlement 44/2001, S. 59, 74 ff.

B. Ziel: Abschaffung der Versagungsgründe? 

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Die Auslegung der Verordnungen ist zwar Sache des EuGH,61 der hier europäische Werte einfließen lässt.62 Beispielsweise in dem für den ordre public-Vorbehalt viel zitierten Urteil des EuGH in der Rechtssache Krombach griff der EuGH mit Verweis auf die EMRK auf europarechtliche Werte zurück und wendete so bereits einen europäisch gefärbten ordre public-Begriff an.63 Dem europäischen ordre public kommt zunehmende Bedeutung zu.64 Ob er den nationalen ordre public in diesem Stadium der Integration bereits ersetzen kann, ist aber zweifelhaft und muss letztlich verneint werden. Die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen sind derzeit noch zu inhomogen, um einen gemeinsamen Standard für einen europäischen ordre public ermitteln zu können.65 Ein europäischer ordre public wäre außerdem nur dann wirklich zielführend, wenn dieser bereits im Ursprungsmitgliedstaat überprüft würde – denn nur so wäre die Versagungsmöglichkeit im ersuchten Mitgliedstaat beseitigt und außerdem auch Fälle ohne grenzüberschreitenden Bezug mit abgedeckt.66 Hier stellt sich aber wiederum das Problem, dass die Mitgliedstaaten dann der Rechtspflege des Ursprungsmitgliedstaates hinsichtlich der Beurteilung des europäischen ordre public derart Vertrauen entgegen bringen müssten, dass sie bereit wären, jegliche Überprüfungsmöglichkeiten hinsichtlich dieses letzten Notankers aufzugeben. Erneut: Ein solches Vertrauen liegt derzeit (noch) nicht hinreichend vor.67 Obwohl die Aufgabe des ordre public-Vorbehalts rechtspolitisch mit Blick auf die weitergehende Integration des europäischen Justizraums durchaus wünschenswert ist,68 legitimiert der europäische Rechtsraum eine Abkehr von diesem Notanker – jedenfalls ohne entsprechende Sicherungsmaßnahmen – (noch) nicht.69

61

EuGH, Urteil v. 28.03.2000, Rs.  C-7/98, NJW  2000, S. 1853; Urteil v. 11.05.2000, Rs. C-38/98, NJW 2000, S. 2185 f.; Urteil v. 02.04.2009, Rs. C-394/07, EuZW 2009, S. 422 ff.; Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 34 EuGVO Rn. 6; J. Schmidt, S. 237 f. 62 Vgl. dazu Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 34 EuGVO Rn. 5; Georganti, 84 f. 63 EuGH, Urteil v. 28.03.2000, Az. C-7/98, NJW 2000, S. 1853. Vgl. Stein, IPRax 2004, S. 181, 185; Hess, IPRax  2001, S. 301, 303. S. zum Ganzen Basedow, FS  Sonnenberger, S. 291 ff.; s. auch Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 34 EuGVO Rn. 8 f. 64 Vgl. allgemein Netzer, S. 29 ff.; Basedow, FS Sonnenberger, S. 291 ff., der dem europäischen ordre public aber lediglich ergänzende Funktion beimessen will. 65 Das gilt insbesondere für den materiellen ordre public, der genuin national geprägt ist; vgl. dazu auch Stein, IPRax 2004, S. 181, 184. 66 Oberhammer, IPRax 2010, S. 197, 202; Thöne, S. 230 ff. 67 S. dazu bereits oben im 6. Kapitel A. I. und dort insbesondere 6. Kap., Fn. 5. 68 So auch Bellet, Journal du droit international 1965, S. 833, 862 f.; Leipold, FS Stoll, S. 625, 644 ff., vgl. Dazu auch umfassend Sujecki, ZEuP 2008, S. 458 ff. 69 So auch Pfeiffer, FS Jayme, S. 675, 682 ff.

230

6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

2. Bestätigungsverfahren Das hat – grundsätzlich – auch der europäische Gesetzgeber erkannt und mit der ­ uVTVO bereits im Jahr 2005 ein Verfahren eingeführt, wonach die Vollstreckung E aus einer mitgliedstaatlichen Entscheidung nach den Sonderregeln eines Europäischen Vollstreckungstitels möglich ist, wenn im Gegenzug bescheinigt ist, dass bei der Erlangung der Titel bestimmte Mindeststandards eingehalten wurden. Dieses Konzept der Bestätigung der Vereinbarkeit mit europaweiten Standards könnte man verallgemeinern und dort, wo eine solche Bestätigung vorliegt, die Anerkennung ohne Versagungsmöglichkeit zulassen. Diesen Weg schlägt Netzer ein, wenn er sich in Anlehnung an die Konzeption der ­EuVTVO für die Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen für die Einführung eines Bestätigungsverfahrens im Ursprungsmitgliedstaat ausspricht.70 Entsprechend der aus der ­EuVTVO bekannten Regelungen müssten dann Mindeststandards des Verfahrens auf dem Weg zum Erlass der jeweiligen in Frage stehenden mitgliedstaatlichen Entscheidung überprüft werden.71 Ob so die Abschaffung der Versagungsgründe, insbesondere des ordre public-Vorbehalts, kompensiert werden kann, ist aber fraglich.72 Zum einen kann dem wiederum entgegengehalten werden, dass die Letztkontrolle mitgliedstaatlicher Maßnahmen über die Einhaltung grundlegender Wertungen der jeweiligen Rechtsordnungen im aktuellen Stadium der europäischen Integration bei den Mitgliedstaaten verbleiben muss.73 Zum anderen hilft das Konzept eines – insoweit zusätzlichen – Bestätigungsverfahrens vorliegend auch deswegen nicht weiter, weil es lediglich die Frage der Vollstreckbarkeit aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen betreffen würde.74 Für die Frage der Anerkennung als solcher und der ihr möglicherweise entgegenstehenden Versagungsgründe wäre damit keine Auskunft gegeben, denn in jedem Fall könnte die (unbedingte)  Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung nicht davon abhängen, ob sie im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens auf europäischer Ebene bestätigt wird. Allenfalls müsste auch die unbedingte Anerkennung als solche vom Durchlaufen eines Bestätigungsverfahrens abhängig gemacht werden. Das wäre im Vergleich zum aktuellen Konzept der automatischen Anerkennung aber ein gewaltiger und vom europäischen Gesetzgeber sicherlich 70

Netzer, S. 208 ff.; s. auch Thöne, S. 224 ff. Netzer, S. 209 ff. S. zu den nach der ­EuVTVO zu prüfenden Mindeststandards: CoesterWaltjen, FS Beys, S. 183, 187 ff.; Hess, ZSR 2005 II, S. 183, 195. 72 So aber Frattini, ZEuP 2006, S. 225, 230; Hess, EZPR, § 3 Rn. 25 ff. A. A. u. a. Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 496 ff. S. auch die Verweise oben in 6. Kap., Fn. 35. 73 Kohler, Herkunftslandprinzip, S. 71, 75; Stadler, IPRax 2004, S. 2, 7; vgl. auch Rechberger, FS Leipold, S. 301, 305; vgl. auch Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 286 f. A. A. wohl Netzer, S. 208, der aber auch zugibt, dass zweifelhaft ist, ob die Selbstkontrolle im Ursprungsmitgliedstaat sinnvoll erscheint. Vgl. auch Rauscher, Europäischer Vollstreckungstitel, Rn. 25. 74 S. dazu Netzer, S. 208 ff. und S. 217. 71

B. Ziel: Abschaffung der Versagungsgründe? 

231

nicht intendierter Rückschritt, denn im Anwendungsbereich der ­EuGVVO sowie aller anderer entsprechenden Verordnungen findet die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen automatisch statt. Auch wenn dem Betroffenen – entsprechend der Regelung der ­EuVTVO – die Möglichkeit offenbliebe, das Bestätigungsverfahren für die unbedingte Anerkennung nicht durchzuführen, sondern stattdessen auf die E ­ uGVVO zurückzugreifen, würde sich an dieser Inpraktikabilität nichts ändern: Abgesehen davon, dass durch diese Wahlmöglichkeit ein weiterer Schritt zur vollständigen Zersplitterung des Anerkennungsrechts getan wäre, würde dies keine Verbesserung gegenüber dem Anerkennungsregime der E ­ uGVVO bringen, denn auch dort ist es dem Betroffenen schon jetzt möglich, die bestehende Anerkennung im Wege der positiven Feststellungsklage bindend feststellen zu lassen. Für eine Reformierung des Anerkennungsregimes des europäischen Zivilpro­ uVTVO angelehnten Be­ zessrechts ist die Einführung eines am Konzept der E stätigungsverfahrens also nicht brauchbar. Gleiches würde im Übrigen erst recht gelten, wenn man das Bestätigungsverfahren für die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen in den jeweiligen ersuchten Mitgliedstaat verschieben würde. So würde letztlich ein Delibationsverfahren eingeführt und der grundsätzlich befürworteten und seit langem gelebten automatischen Anerkennung ein Ende gesetzt. 3. (Voll-)Harmonisierung des Erkenntnisverfahrens Dieses Problem wäre nur überwindbar, wenn man bei Vorliegen gewisser europäischer Mindeststandards auf ein solches Bestätigungsverfahren verzichten könnte.75 Ein Blick in den europäischen Binnenmarkt zeigt: Dort, wo Rechtsbereiche vollharmonisiert und also gleichen Voraussetzungen unterworfen wurden, kommt eine zweitstaatliche Kontrolle nicht mehr in Betracht.76 Dieser Weg könnte auch im europäischen Zivilprozessrecht beschritten und so Titelfreizügigkeit erreicht werden.77

75

Zu Mindeststandards in den europäischen Zivilprozessordnungen: Gemeinsame Mindeststandards des Zivilprozessrechts – Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. Juli 2017 mit Empfehlungen an die Kommission zu gemeinsamen Mindeststandards des Zivilprozessrechts in der Europäischen Union (2015/2084 (INL)), zu finden unter: http://www. europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P8-TA-2017-0282+0+​ DOC+PDF+V0//DE (zuletzt abgerufen am 22.07.2020). 76 Hess, EZPR, § 3 Rn. 20; ders., ZSR 2005 II, S. 183, 192. Für die unbedingte Titelfreizügigkeit so ausdrücklich Kohler, Herkunftslandprinzip, S. 71, 82 f.; s. auch Hess, EZPR, § 3 Rn. 25. 77 So Stadler, IPRax 2004, S. 2, 4. 

232

6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

Das europäische Zivilprozessrecht hat von dieser Möglichkeit punktuell bereits Gebrauch gemacht: So wurde das Zuständigkeitsrecht auf Unionsebene einheitlich geregelt und ist seither einer Überprüfung im Rahmen der Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen entzogen.78 Außerdem sei hier auf die neuartigen ­EuMahnVO und E ­ uGFVO verwiesen, die das Erkenntnisverfahren zur Erlangung dieser besonderen Titel bereits in der Verordnung jedenfalls teilweise unionsübergreifend regeln und im Zuge dessen auf eine zusätzliche Kontrolle im ersuchten Mitgliedstaat verzichten.79 Im Anwendungsbereich der ­EuVTVO wurde eine solche Harmonisierung insbesondere für das Zustellungsrecht vorgenommen.80 Auch dem kann wiederum entgegengehalten werden, dass selbst bei einheit­ lichen Regelungen zur Erlangung eines Titels im jeweiligen Ursprungsmitgliedstaat die Überprüfung der Einhaltung dieser Regelungen dann Sache desselben Staates ist, auch hier also wieder lediglich eine Selbstkontrolle erfolgen würde. Selbst bei vollständig identischen, harmonisierten Rechtssätzen blieben also Bedenken, soweit es um die – möglicherweise nur unzulängliche – praktische Umsetzung dieser harmonisierten Regelungen im Ursprungsmitgliedstaat geht. Ist zu befürchten, dass die grundsätzlich einheitlichen Regelungen dort nicht hinreichend oder nicht nach rechtsstaatlichen Standards umgesetzt werden, wird dies vom harmonisierten Verfahrensrecht nicht abgefangen.81 Genau an dieser Stelle müsste das gegenseitige Vertrauen in die mitgliedstaat­ lichen Rechtsordnungen eingreifen.82 Ob allein die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten vollständig vereinheitlichtes Recht anwenden, anders als nach dem aktuellen status quo, hinreichend gegenseitiges Vertrauen tatsächlich rechtfertigen kann, ist zweifelhaft. Allein die Anwendung einheitlicher Verfahrensregeln muss jedenfalls nicht zwingend zu einer praktischen Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes in den Mitgliedstaaten führen.83 Dem könnte umgekehrt entgegnet werden, dass die Vereinheitlichung des Verfahrensrechts auch dessen Auslegung und Kontrolle durch den EuGH nach sich zieht und insoweit supranationalen Rechtsschutz gewährleistet.84 Sollte in Ausnahmefällen außerdem ein gravierender Verstoß gegen grundlegende Wertungen des Europäischen Rechts vorliegen, bliebe die Möglichkeit, diesen vor europäischen 78

McGuire, S. 18; vgl. zu dieser Konstruktion auch Bülow, RabelsZ 1965, S. 473, 479. S. zu den Verordnungen oben 4. Kapitel A. II. sowie 4. Kapitel A. III. Netzer spricht hier daher sogar von Verordnungen der dritten Generation, Netzer, S. 7 f.; vgl. auch Frattini, ZEuP 2006, S. 225, 230. 80 Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 499. 81 Hess, EZPR, § 3 Rn. 27, insb. Fn. 132, wo er von „praktischen Vollzugsdefiziten“ spricht. Vgl. auch Althammer / L öhnig, ZZPInt 2004, S. 23 ff. 82 Hess, EZPR, § 3 Rn. 27. 83 Eine klare Sachlage ist hier letztlich wohl nicht erkennbar. So kritisiert beispielsweise auch Oberhammer das weitergehende Misstrauen, das auch nach der Harmonisierung des Zustellungsrechts der E ­ uVTVO diesbezüglich noch besteht, Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 493. 84 Hess, EZPR, § 3 Rn. 26; vgl. auch Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 286. 79

B. Ziel: Abschaffung der Versagungsgründe? 

233

Gerichten oder insbesondere dem EGMR geltend zu machen.85 Insoweit ließe sich – mit gutem Willen und dem Glauben an eine jedenfalls perspektivisch bestehende Gleichwertigkeit der mitgliedstaatlichen Rechtssysteme – die unbedingte Freizügigkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidungen durch Vollharmonisierung des Verfahrensrechts begründen. Sie würde im Erlass einer europäischen Zivilprozessordnung für das Erkenntnisverfahren münden. Eine solche wäre aber nur sinnvoll, wenn sie nicht nur grenzüberschreitende, sondern auch rein nationale Verfahren umfassen würde – denn ob ein Verfahren (potentiell) grenzüberschreitenden Bezug aufweist, muss nicht unbedingt direkt erkennbar sein.86 Eine Kompetenzgrundlage zum Erlass entsprechender Regelungen auf Unionsebene gibt es derzeit aber nicht. Der für das europäische Zivilprozessrecht einschlägige Art. 81 AEUV ermächtigt den Unionsgesetzgeber lediglich zum Erlass von Regelungen betreffend die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen und damit gerade nicht des vorgeschalteten und im Inland stattfindenden Erkenntnisverfahrens.87 Der europäische Gesetzgeber begnügt sich daher derzeit damit, sektorale Regelungen für eigenständige, gezielt europäisch ausgerichtete Verfahren zu erlas­ uGFVO und der ­EuMahnVO) und im Rahmen sen (wie z. B. die Regelungen der E dessen die Integration durch die Harmonisierung von Verfahrensstandards und Abschaffung von Versagungsgründen voranzutreiben. Das Pferd wird dabei von hinten aufgezäumt: Die immer weiteren, fragmentarischen Anforderungen an das Prozessrecht auf europäischer Ebene werden die einzelnen Mitgliedstaaten – auch zur Verhinderung einer vollständigen Rechtszersplitterung – letztlich dazu zwingen, ihre nationalen zivilprozessualen Regelungen den europarechtlichen Vorgaben anzupassen.88 Idealerweise mit der Folge, dass eine Harmonisierung der Prozessrechte quasi von selbst eintritt und die Gleichwertigkeit der nationalen Rechtsordnungen immer weiter hergestellt wird, die letztlich das in sie derzeit lediglich formelartig gesetzte Vertrauen tatsächlich verdient. Perspektivisch sollten unionsübergreifende Mindeststandards für das Zivilprozessrecht (weiter) vorangetrieben werden.89 Jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt ist der Erlass eines vollharmonisierten unionseinheitlichen Erkenntnisverfahrens,

85

Hierzu eher kritisch, weil faktisch schwierig durchsetzbar, Oberhammer, JBl.  2006, S. 477, 498 f. 86 Wagner, IPRax 2002, S. 75, 92 f. S. zur Zweispurigkeit der Systeme allgemein Stürner, Symposium Baur, S. 1 ff.; s. auch Netzer, S. 208. Als Chance für eine weitergehende Prozessrechtansgleichung sieht dies Hess, FS Geimer 65, S. 339, 361. 87 Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 278 f.; Thöne, S. 127. 88 Vgl. dazu Stadler, IPRax 2004, 2, 4 ff. Selbst die Versagungsgründe stoßen insoweit in eine ähnliche Richtung, weil sie zur Harmonisierung des Grundrechtsschutzes beitragen, vgl. Thöne, S. 74. 89 S. zu Bestrebungen zum Erlass einheitlicher Regelungen für gemeinsame Mindeststandards in der Europäischen Union unten 7. Kapitel A.

234

6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

das die Abschaffung jeglicher Kontrollen im ersuchten Mitgliedstaat legitimieren könnte, aber weder möglich noch angezeigt.90

III. Fazit: (Noch) Keine Abschaffung der Versagungsgründe Eine unbedingte Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen erfordert entweder die vertrauensbewährte Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen oder die Vollharmonisierung der verfahrens-, kollisions- und sachrechtlichen nationalen Normen.91 Beides kann im derzeitigen Integrationsstadium noch nicht realisiert werden. Eine flächendeckende Abschaffung der Versagungsgründe im Anerkennungssystem des europäischen Zivilprozessrechts ist derzeit noch nicht denkbar. Soweit der europäische Gesetzgeber in den letzten Jahren großzügig Verordnungen erlassen hat, die auf Versagungsgründe, insbesondere den ordre public-Vorbehalt, verzichten, war dies übereilt und durch entsprechende Sicherungsmechanismen nur bedingt kompensiert.92 Nach dem oben Gesagten versucht der europäische Gesetzgeber im Rahmen seiner rechtlichen und rechtspolitischen Möglichkeiten, die Integration auf Ebene des europäischen Rechtsraums weiter voranzutreiben. Dabei sind ihm durch kompetenzrechtliche und verfassungsrechtliche Bedenken Grenzen gesetzt, sodass er darauf beschränkt ist, für punktuelle, grenzüberschreitende Sachverhalte Verfahren zu entwickeln, die gewisse Mindeststandards in den Mitgliedstaaten etablieren und im Gegenzug Überprüfungsmöglichkeiten des ersuchten Mitgliedstaates einschränken. Für den Moment bleibt daher nur, die Anerkennung und Vollstreckung im europäischen Rechtsraum derart zu gestalten, dass die Freizügigkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen auf dogmatisch begründetem Fundament bestmöglich gewährleistet wird, ohne die derzeit nach wie vor notwendigen Versagungsgründe zu vernachlässigen. Das soll im Folgenden versucht werden.

C. Verbindliche Beurteilung der Anerkennungsfrage nach einheitlich europäischen Maßstäben? C. Einheitlich europäische Maßstäbe?

Entscheidender Faktor ist dabei, wie im vorangegangenen 5. Kapitel gesehen, die einheitliche rechtliche Beurteilung der Anerkennung einer Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat. Eine eindeutige und einheitliche Beurteilung der Wirk 90

Thöne, S. 127 ff. S. zu entsprechenden Bestrebungen auch Stadler, IPRax 2004, 2, 3 f. So auch Kohler, ZSR 2005 II, S. 263, 285 f. 92 Oberhammer spricht hinsichtlich der ­EuVTVO von einem „Integrationsdogmatismus“, JBl. 2006, S. 477, 499. Auch Schack, FS Leipold, S. 317 findet klare Worte: „Der einheitliche europäische Justizraum wächst schneller als ihm guttut.“ S. dazu auch unten 6. Kapitel E. I. 91

C. Einheitlich europäische Maßstäbe? 

235

samkeit einer ausländischen Entscheidung im Inland dient der Rechtssicherheit im Allgemeinen und der Rechtsbeständigkeit etwaiger aufgrund dieser ausländischen Entscheidung ergangenen Maßnahmen – wie zum Beispiel der Vollstreckung aus dem ausländischen Titel. Wenn auf Grundlage der automatischen Anerkennung und ihrer automatischen Versagung Versagungsgründe nach wie vor geltend gemacht werden können sollen, muss die Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage anderweitig hergestellt werden. Eine Möglichkeit wäre, den Entscheidungen über die Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat weitergehende Bindungswirkung zukommen zu lassen, als das nach überkommener Auffassung derzeit der Fall ist: In den vorangegangenen Kapiteln hat sich gezeigt, dass Probleme hinsichtlich der Frage der (fehlenden) Anerkennung und daher auch der Vollstreckbarkeit vor allem deswegen bestehen, weil  – jedenfalls unter Zugrundlegung eines engen, deutschen Rechtskraftverständnisses  – Entscheidungen, die sich mit der Frage der Anerkennung beschäftigen, nur selten bindende Wirkung entfalten. So können divergierende Entscheidungen über die Anerkennung und Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat ergehen, die weder zur Rechtssicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen noch der Vollstreckbarkeit beitragen. Rechtsunsicherheit besteht im Grunde dabei auch auf einer weiteren Ebene: Denn die Tatsache, dass hinsichtlich der Entscheidungen über die Anerkennung im Einzelfall nationales Prozessrecht und damit auch das nationale Rechtskraftverständnis des ersuchten Mitgliedstaates Anwendung findet, bedeutet, dass die Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage in unterschiedlichen Mitgliedstaaten unterschiedlich gehandhabt wird.93 Aus Gründen der Rechtssicherheit könnte insoweit aus dem Rechtsbehelfssystem der ­EuGVVO abzuleiten sein, dass über die Frage der Anerkennung als solcher im ersuchten Mitgliedstaat ausnahmslos jeweils mit bindendem Charakter befunden werden muss. Hierfür müsste den einzelnen Umsetzungsmaßnahmen mitgliedstaatlicher Entscheidungen im Inland weitergehende Präklusionswirkung zukommen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Entscheidungen autonom euro­päischen Grundsätzen zur Bindungswirkung unterliegen, können bereits beobachtet werden. So ist beispielsweise der Entscheidung nach Art. 46 ­EuGVVO eine über das deutsche nationale Verständnis hinausgehende Bindungswirkung zu entnehmen, die die Anerkennung der vollstreckten Entscheidung festschreibt.94

93 94

S. zu den unterschiedlichen Rechtskraftkonzepten oben 2. Kapitel A. IV. 3. d) aa). S. oben 5.  Kapitel B. II. a) cc).

236

6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

I. Dogmatische Anknüpfung Die hier in Rede stehenden – nationalen – Entscheidungen über die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen ergehen aufgrund der durch Europarecht bereitgestellten Reaktionsmechanismen und Rechtsbehelfsmöglichkeiten (vgl. 3. Kapitel D.). Insoweit ist es durchaus naheliegend, hiernach ergehende Entscheidungen an europarechtlich ausgelegten Konzepten zu messen. Anknüpfungspunkt ist dabei die Frage, welche Reichweite Entscheidungen über die Anerkennung, wie sie nach den europäischen Verordnungen vorgesehen sind, haben können. Die Auslegung der europäischen Verordnungen ist Sache des EuGH.95 Die Beurteilung einzelner Regelungen und Institute der europäischen Verordnungen erfolgt dabei aber nicht zwingend nach europäisch autonomen Maßstäben. Gerade mit Blick auf das Anerkennungsrecht zeigt dies die E ­ uGVVO deutlich, wenn sie in Art. 47 Abs. 2 für das Verfahren der Vollstreckungsversagung auf das Prozessrecht des ersuchten Mitgliedstaates verweist. Ob die sekundärrechtlichen Bestimmungen autonom oder nach dem Recht der Mitgliedstaaten ausgelegt werden, ist für jede Regelung vielmehr unter Berücksichtigung einer bestmöglichen Wirksamkeit des europäischen Rechts (effet utile) gesondert zu bestimmen.96 Eine autonome Auslegung findet danach aber jedenfalls dort statt, wo nur ein einheitliches Verständnis des jeweiligen Konzepts die Erreichung des Regelungsziels ermöglicht und die mitgliedstaatlichen Regelungen hier unterschiedliche Konzeptionen zugrunde legen.97 So wird vereinzelt bereits heute eine Ausrichtung der Bindungswirkung der Anerkennungsentscheidungen an autonom europäischen Maßstäben angenommen.98

II. Ausgestaltung Um Bindungsprobleme hier überhaupt lösen zu können, müsste die Bindungswirkung denkbar weit gefasst sein: Die Verbindlichkeit inzidenter Entscheidungen über die Anerkennung (z. B. nach Art. 36 Abs. 1 E ­ uGVVO) könnte danach über eine Vorfragenbindung für diejenigen Fragen, die im jeweiligen Verfahren als entscheidungsrelevante Vorfrage 95

S. dazu bereits die Nachweise oben in 6. Kap., Fn. 61. EuGH, Urteil v. 08.12.1987, Rs.  144/86, NJW  1989, S. 665 ff. Rn. 7; s.  auch Urteil v. 06.10.1976, Rs. 12/76, NJW 1977, S. 491 ff.; Scholz, S. 12. 97 Vgl. EuGH, Urteil v. 08.12.1987, Rs. 144/86, NJW 1989, S. 665 ff. Rn. 7 ff., wo der EuGH dies für die Bedeutung der Rechtshängigkeit im Rahmen des EuGVÜ entschieden hat; s. auch M.  Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung, S. 168; Stein / Jonas / Oberhammer, Art. 33 ­EuGVVO Rn.  11. 98 So jedenfalls für die Feststellungsentscheidungen nach Art. 36 Abs. 2 und Art. 45 Abs. 4 ­EuGVVO Geimer, IZPR, Rn. 2756m f. Vgl. außerdem zur Rechtskraft der Exequaturentscheidung Adolphsen, Anerkennung im IZPR, S. 1, 13. S. außerdem bereits oben 5. Kap., Fn. 5. 96

C. Einheitlich europäische Maßstäbe? 

237

mitbeschieden wurden, begründet werden. Eine solche Vorfragenbindung ist dem europäischen Zivilprozessrecht bereits bekannt. So werden im Prozessrecht vor den Unionsgerichten tragende Gründe von der Rechtskraft mitumfasst.99 Damit wird gewährleistet, dass auch in Fällen, in denen die Frage der Anerkennung lediglich inzident als Vorfrage beschieden wird, eine Bindungswirkung hinsichtlich der Entscheidung über die Anerkennung besteht. Als Vorbild kann hier wieder auf das herrschende französische Rechtsverständnis zurückgegriffen werden, wonach die Rechtskraft einer Entscheidung auf vorgreifliche Rechtsverhältnisse erstreckt wird.100 Um die Problematik der fehlenden Bindungswirkung der Anerkennungsfrage lösen zu können, müssten aber auch solche Fragen von der Präklusionswirkung umfasst sein, die eine Vorfrage zur Erlangung der dann titulierten Entscheidung darstellen, im Prozess jedoch nicht thematisiert wurden. Nur so könnte eine Bindung für die Anerkennungsfrage auch dort angenommen werden, wo die mitgliedstaatliche Entscheidung zwar anerkennungsrechtlich umgesetzt wird, die fehlende Anerkennung aber nicht gerügt und daher im ersuchten Mitgliedstaat auch nicht nachgeprüft wird. (s. dazu oben 5. Kapitel B. I.). Gleiches gilt, wenn die Anerkennung ohne Prüfungsmöglichkeit zunächst angenommen wird und eine Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen erst im Rechtsbehelfsverfahren erfolgt, wie dies bei den Rechtsakten der ersten Generation im Exequaturverfahren der Fall ist (vgl. dazu oben 5. Kapitel B. II. 2.). Für das französische Recht beispielsweise wird eine derartige Bindungswirkung hinsichtlich Vorfragen, die zwar nicht tatsächlich, wohl aber implizit mitentschieden wurden, erwogen.101 Dem unionseigenen Prozessrecht ist eine solche Konstruktion indes fremd. Rechtskraftbindung kann hier nur für diejenigen Fragen bestehen, die im ersten Prozess tatsächlich oder notwendigerweise Gegenstand des Verfahrens waren.102 Ohne, dass über die Anerkennung verhandelt wurde, hatten die Parteien keine Möglichkeit, sich diesbezüglich zu verteidigen. Eine solch weitreichende Präklusionswirkung für Folgeverfahren, die allein darauf beruht, dass die Beteiligten ihre Möglichkeit, den entsprechenden Einwand bereits im Erstprozess geltend zu machen, verstreichen ließen, würde zu einer weitreichenden Beschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Beteiligten führen und ist abzulehnen.103 Ohne adäquaten Rechtsschutz wären die in den europäischen Verordnungen vorgesehenen Versagungsgründe außerdem letztlich wenig nützlich und lediglich 99

S. dazu bereits oben 2.  Kapitel A. IV. 3. d) bb) (2). S. dazu bereits oben 2. Kapitel A. IV. 3. d) aa). 101 Vgl. dazu umfassend M. Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung, S. 144 ff.: wird z. B. der Leistungsanspruch aus einem Kaufvertrag wegen fehlender Fälligkeit abgelehnt, steht fest, dass der Anspruch ansonsten bestand. 102 EuGH, Urteil v. 19.02.1991, Az. C-281/89, BeckRS 2004, 75962, Rn. 12 ff.; Beschluss v. 28.11.1996, Az. C-277/95, BeckRS 2004, 75919, Rn. 50; Germelmann, S. 430 f. 103 S. zu diesen Erwägungen bereits oben 5. Kapitel D. II. 2. a) bb) (2). 100

238

6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

ein stumpfes Schwert. Ihre Daseinsberechtigung wäre in Frage gestellt. Dass die Versagungsgründe sehr wohl nach wie vor notwendig und daher auch durchsetzbar sein müssen, wurde aber im vorhergehenden Abschnitt bereits erörtert.104 Schließlich kommt eine Bindungswirkung hier auch deshalb nicht in Betracht, weil die Umsetzung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland – ohne entsprechende Rüge der Beteiligten – nicht einmal eine implizite Entscheidung der zuständigen Stelle erfordert. Die Anerkennung erfolgt automatisch und eine Prüfung der Anerkennung von Amts wegen findet grundsätzlich nicht statt. Diesem Automatismus dennoch eine Präklusionswirkung zusprechen zu wollen, ginge – selbst unter Zugrundelegung weitgehender Präklusionserwägungen – zu weit. Schwierigkeiten würden sich hier auch im Verhältnis zur Rechtskraft der Entscheidungen im Übrigen ergeben. Wendet man eine derart ausgestaltete Präklusionswirkung auf Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat an, so müsste diese doch gleichsam für die ganze Entscheidung und damit auch für andere Vorfragen des Rechtsstreits gelten. Das würde indes bedeuten, dass dem nach wie vor inländischen Urteil über einen inländischen Sachverhalt weitere Wirkungen zukommen würden, allein, weil es eine anerkennungsrelevante Vorfrage beinhaltet. Ohne grenzüberschreitenden Bezug kann das europäische Recht aber keinen Einfluss auf die nationalen Rechtskraft- und Präklusionskonzepte nehmen. Bindungswirkung könnte daher nur die inzidente Entscheidung über die Anerkennung haben – nur auf diese dürfte sich die Präklusionswirkung beziehen. Ob eine solche zersplitternde Konstruktion wiederum sinnvoll ist, bleibt zu bezweifeln.

III. Fazit: Begrenzte Reichweite der Präklusion Mit einer Vorfragenbindung könnte eine verbindliche Feststellung über die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen bei inzidenter Prüfung der Anerkennung begründet werden. Gerade die Fälle, bei denen die Anerkennung nicht thematisiert wird, wären hiervon aber nicht erfasst. Das ist mit Blick darauf, dass eine Prüfung nach der reformierten E ­ uGVVO standardmäßig nicht mehr erfolgt, unzulänglich. Auch für die Probleme, die sich im Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung nach den neuen Vollstreckungsverordnungen ergeben, hilft die Annahme einer weitreichenden Präklusion für die Entscheidung über die Anerkennung nicht weiter. Denn eine derart weitreichende Präklusionswirkung könnte jedenfalls dort nicht angenommen werden, wo schon aufgrund des eingeschränkten Anwendungsbereichs der in Frage stehenden Verordnung lediglich die Vollstreckbarkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung und nicht die Anerkennung als solche tangiert ist.

104

S. eingehend 6. Kapitel B.

D. Beseitigung der Anerkennung im Wege prozessualer Gestaltung  

239

Darüber hinaus würden sich bei Annahme einer solch weitgehenden Bindungswirkung auch weitere konzeptionelle Fragen stellen. So wäre fraglich, ob die inzidente Prüfung der Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung auch dann derartige Bindungswirkungen nach sich ziehen kann, wenn diese inzidente Prüfung nicht durch ein Gericht, sondern lediglich eine Behörde erfolgt (wie z. B. Standesbeamte oder Gerichtsvollzieher). Ob eine derart weitgehende Wirkung behördlicher Entscheidungen im Rahmen des Anerkennungsrechts gewollt ist, bleibt zweifelhaft. Entsprechende Bindungen könnten schließlich nur inter partes gelten. Die Anerkennungsfrage wäre damit allenfalls zwischen den Verfahrensparteien, nicht aber gegenüber Dritten bindend geklärt. Auch wenn die Entwicklung eines eigenen europäischen Rechtskraft- und Präklusionskonzepts für Anerkennungsentscheidungen nach dem oben Gesagten (weiterhin) verfolgt werden sollte, würde dies für die Problematik der Unsicherheit über die Anerkennungsfrage doch nur bedingt Abhilfe schaffen. Bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine Entscheidung zur Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist, würde die Rechtsunsicherheit außerdem weiterhin bestehen. Als Vehikel zur Lösung des hier benannten Problems ist dieses Konzept daher ungeeignet. Dass eine derartige Bindung dem Anerkennungskonzept des europäischen Zivilprozessrechts widersprechen würde, zeigt auch folgende Überlegung: Es ist doch fraglich, ob eine derart weitgehende Präklusionswirkung – sei es aufgrund rechtskraftimmanenter oder -fremder Erwägungen – das System der automatischen Anerkennung und insbesondere ihrer automatischen Versagung aus rechtsdogmatischer Sicht nicht konterkarieren würde. Obwohl eine mitgliedstaatliche Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat aufgrund Vorliegens eines Anerkennungsversagungsgrundes grundsätzlich von Anfang an keine Wirkung entfaltet, würde allein die erstmalige Nichtgeltendmachung der fehlenden Anerkennung durch den Betroffenen jedenfalls im Verhältnis der dort Beteiligten zur faktischen Wirksamkeit der im Inland grundsätzlich prozessual unwirksamen Entscheidung, des „rechtlichen Nullums“,105 führen.

D. Beseitigung der Anerkennung im Wege prozessualer Gestaltung Dieses Dilemma kann letztlich nur dadurch überwunden werden, dass man alternative dogmatische Anknüpfungspunkte für den Umgang mit mitgliedstaatlichen Entscheidungen in Erwägung zieht und das Konzept der automatischen Anerkennung und ihrer Versagung im Ganzen auf den Prüfstand stellt. Dass die automatische, formlose Anerkennung praktisch zu ungewissen Rechtslagen führt und daher nur bedingt praktikabel ist, hatte Schütze schon im Jahr 105

S. oben 2. Kap., Fn. 77.

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

1960 bemängelt.106 Die Unzulänglichkeiten seien darauf zurückzuführen, dass die Frage der Anerkennung historisch zunächst vordergründig als Vorfrage für die Vollsteckbarkeit ausländischer Entscheidungen begriffen wurde.107 Eine verbindliche, von der Vollstreckbarkeit unabhängige Beurteilung der Anerkennung der Entscheidung als solcher war nach diesem Konzept nicht notwendig und nicht angezeigt. Zur Herstellung der vermissten Rechtssicherheit schlug Schütze die (Wieder-)Einführung eines Anerkennungsverfahrens, wie es heute noch in § 107 FamFG zu finden ist, vor.108 Die hiernach notwendige konstitutive Feststellung der Anerkennung ausländischer Entscheidungen würde die Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlich bestehenden Wirksamkeit der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat zwar lösen. Die (Wieder-)Einführung eines zusätzlichen Zwischenverfahrens zur Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen würde der Zielsetzung des einheitlichen europäischen Rechtsraums aber nicht gerecht. War für die Wirkung der Vollstreckbarkeit die Abschaffung von Zwischenverfahren seit einiger Zeit vordergründiges Ziel der fortschreitenden Integration auf zivilprozessualer Ebene,109 kann dies für die Frage der Anerkennung als solcher nun – gleichsam durch die Hintertür – nicht wieder umgangen werden. Kann die Anerkennung als solche danach aber nicht positiv ausgesprochen werden, so muss sie umgekehrt versagt werden, wie dies nach aktueller Konzeption ja auch faktisch bereits – allerdings in der Regel nur für den jeweiligen Einzelfall – gilt.

I. Gestaltung statt Feststellung In den vorhergehenden Abschnitten wurde das Ausmaß der Problematik der fehlenden Rechtssicherheit erkennbar. So besteht zwar aufgrund der Tatsache, dass die fehlende Anerkennung von den Beteiligten aktiv geltend gemacht werden muss, eine „Vermutung“ dahingehend, dass mitgliedstaatliche Entscheidungen im Inland grundsätzlich anerkannt und daher so zu behandeln sind, als seien sie im Inland ergangen.110 Das Wechselspiel zwischen anfänglich bestehender oder fehlender Anerkennung auf der einen und der nur im Einzelfall ergehenden und im Zweifel nicht bindenden Entscheidung über die Anerkennung auf der anderen Seite steht hier aber der Tragfähigkeit des bestehenden Anerkennungskonzepts entgegen: Die Nichtbeachtung nicht anerkannter mitgliedstaatlicher Entscheidungen hängt von der Geltendmachung der Versagungsgründe durch die Beteiligten im ersuch 106 Schütze, Anerkennung und Vollstreckung, S. 6: „Die formlose Anerkennung unterliegt jedoch praktischen Bedenken. Sie führt zu einer unerwünschten Ungewissheit über die Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung im Inland.“ 107 S. Schütze, Anerkennung und Vollstreckung, S. 127 f. 108 Schütze, Anerkennung und Vollstreckung, S. 129 ff. 109 S. zur historischen Entwicklung oben 2. Kapitel A. IV. 1.  110 S. dazu die Nachweise in 3. Kap., Fn. 12.

D. Beseitigung der Anerkennung im Wege prozessualer Gestaltung  

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ten Mitgliedstaat ab und die Entscheidung wird jedenfalls bis dahin und ohne entsprechenden Einwand trotz fehlender Anerkennung (und damit eigentlich fehlender Wirksamkeit) im Inland faktisch doch beachtet und entfaltet daher tatsächliche Wirkung.111 Insoweit ist das Konzept der automatischen Anerkennung und ihrer Versagung derart überholt, dass zur Vereinfachung und Effektuierung des Anerkennungssystems erwogen werden sollte, dieses auf grundlegend neue Beine zu stellen. Im Zweifel wird die mitgliedstaatliche Entscheidung derzeit im Inland als wirksam betrachtet, ohne dass irgendeine Stelle überprüft, ob sie tatsächlich anerkannt ist und daher Wirkung entfaltet. Danach wäre es konsequent, grundsätzlich davon auszugehen, dass Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten im ersuchten Mitgliedstaat anerkannt sind. Bei Verstoß gegen einen Anerkennungsversagungsgrund wäre dann nicht wie bisher davon auszugehen, dass die Anerkennung automatisch und von Anfang an versagt ist und daher nie bestand, sondern die Anerkennung der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat zunächst bedingungslos anzunehmen und nur im Einzelfall auf Betreiben eines Beteiligten versagen zu lassen. Anders als nach der aktuellen Konzeption hätte eine Entscheidung über die Versagung der Anerkennung danach nicht lediglich feststellenden, sondern konstitutiven Charakter. Damit wäre von Anfang an klar, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung aufgrund des einschlägigen Anerkennungsbefehls in allen anderen Mitgliedstaaten zunächst die gleichen Wirkungen wie im Ursprungsmitgliedstaat haben würde. Bei Vorliegen eines Versagungsgrundes müsste die Anerkennung der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat (durch prozessuale Gestaltungsklage) beseitigt werden, wie dies vom europäischen Gesetzgeber wohl in ­ uGVVO für die Vollstreckbarkeit – überflüssigerweise112 – auch schon Art. 46 E vorgesehen ist. Dies würde auch der Tatsache gerecht werden, dass die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen nach den bisherigen Erkenntnissen nur in wenigen Ausnahmefällen tatsächlich versagt wird.113 Die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen stünde fest, solange diese im jeweiligen ersuchten Mitgliedstaat nicht durch Einlegung einer gestaltenden Versagungsklage beseitigt werden würde. Eigentlich unwirksame Entscheidungen könnten im ersuchten Mitgliedstaat – anders als bisher – nicht mehr zirkulieren.

111

S. dazu oben 5. Kapitel A. S. hierzu oben im 3. Kapitel D. III. 113 S. dazu bereits oben 2. Kap., Fn. 257. 112

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

II. Anerkennung „rechtswidriger“ Entscheidungen aus dem europäischen Ausland Was würde das rechtsdogmatisch bedeuten? Damit gäbe es Entscheidungen, die im Inland die gleichen prozessualen Wirkungen aufweisen, die ihnen auch im Ursprungsmitgliedstaat zukommen, obwohl gegebenenfalls ein Versagungsgrund – schlimmstenfalls der ordre public des ersuchten Mitgliedstaates – entgegensteht. Nach diesem Modell regelt die deutsche ZPO beispielsweise die Anerkennung von (inländischen) Schiedssprüchen: Gemäß § 1055 ZPO werden diese hinsichtlich der von ihnen ausgehenden Wirkungen einem inländischen rechtskräftigen Urteil zunächst gleichgestellt. § 1059 ZPO beinhaltet für Schiedssprüche sodann einen Katalog an Versagungsgründen, die dem Schiedsspruch entgegengehalten werden können. Diese gelten  – im Unterschied zur Versagungskonzeption des europäischen Zivilprozessrechts  – aber nicht automatisch und vom Erlass des Schiedsspruchs an, sondern müssen im nach § 1059 ZPO vorgesehenen Aufhebungsverfahren geltend gemacht werden. Das gilt auch für den auch für Schiedssprüche geltenden ordre public-Vorbehalt.114 Ein Schiedsspruch, der wirksam aber aufhebbar ist, kann nur durch Gestaltung beseitigt werden. Eine bloße Feststellung der fehlenden Anerkennung ist nicht möglich.115 Diese Konzeption ließe sich auf die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen übertragen. Anders verhält sich dies für die Folgen der erfolgreichen Anfechtung: Mit der Aufhebung der Anerkennung wird der inländische Schiedsspruch kassiert und entfaltet (im Inland) keine Wirkung mehr.116 Eine solche Kassation könnte bezüglich der anzuerkennenden ausländischen Entscheidung allenfalls dann angenommen werden, wenn die Versagung im Ursprungsmitgliedstaat erfolgt. Mit erfolgreicher Geltendmachung eines Versagungsgrundes würde die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Übrigen selbstredend nur für das jeweilige Staatsgebiet beseitigt. Die Wirksamkeit der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat sowie in jedem anderen Mitgliedstaat, in dem sie grundsätzlich Wirkung entfaltet, bliebe selbstverständlich bestehen.117 Folge einer solchen Konzeption der Anfechtung der rechtswidrigen Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen wäre, dass die Wirksamkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland (zunächst) von Anfang an bestünde, aber aufhebbar wäre. Allein die Tatsache, dass objektiv die Voraussetzungen eines Ver 114 Beachtlich ist allerdings die Sonderregelung für die Vollstreckbarkeit: Die Versagungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind dort von Amts wegen und ohne Fristablauf zu prüfen, vgl. § 1060 ZPO. 115 Zöller / Geimer, § 1059 Rn. 1a. 116 MünchKomm-ZPO / Münch, § 1059 Rn. 72 ff. 117 Eine Anerkennung der Anerkennungsentscheidungen kommt nicht in Betracht, s. oben 2. Kapitel A. IV. 2. b) aa). Gleiches muss für die Entscheidung über die Anerkennungsbeseitigung gelten.

D. Beseitigung der Anerkennung im Wege prozessualer Gestaltung  

243

sagungsgrundes vorliegen, und die Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat quasi als „rechtswidrig“ anzusehen wäre, macht diese dann zwar anfechtbar, ändert aber grundsätzlich nichts an ihrer Wirksamkeit im Inland. Zum Schutze der Rechtssicherheit würde auf die materielle Richtigkeit verzichtet.

III. Ausgestaltungsmöglichkeiten 1. Beseitigung der Anerkennung Danach wäre eine Regelung notwendig, die zunächst die unbedingte Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen im europäischen Rechtsraum ausspricht. Diese Anerkennung müsste sodann anfechtbar sein. Statt der bloßen  – fakultativen  – Möglichkeit der Feststellung der fehlenden Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen wäre insoweit eine – zur Besei­ tigung der Anerkennung zwingende  – rechtsgestaltende Klage notwendig. Entsprechend der im deutschen Recht bekannten Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO würden der mitgliedstaatlichen Entscheidung mit der prozessualen Gestaltungsklage gegen deren Anerkennung die anerkannten Wirkungen im Inland genommen. Das aktuelle System gibt dies – obwohl der Wortlaut der Art. 45 Abs. 1 und 4 ­EuGVVO eine solche Einordnung bereits nahelegt – nicht her.118 Sowohl der Anerkennungsbefehl, als auch die gegen die Anerkennung möglichen (Rechtsbehelfs-) Einwände müssten insoweit also angepasst werden. Mit der Konzeption der unbedingten, aber gegebenenfalls anfechtbaren, Titelanerkennung, wie sie hier vorgeschlagen wird, müsste die derzeit noch mögliche Inzidentprüfung der Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat entfallen. Nur so würde eine Verbesserung der Rechtssicherheit für Anerkennung und Vollstreckung erreicht. Hierin lässt sich zwar insoweit eine Benachteiligung des Betroffenen erblicken, als er – will er die Nichtanerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland geltend machen – diese nun nicht mehr im laufenden Verfahren rügen kann, sondern durch proaktive Einlegung eines eigenen Rechtsbehelfs gegen die Anerkennung vorgehen muss. In der Geltendmachung seiner Rechte und der nach wie vor bestehenden Versagungsgründe ist er dadurch aber nicht eingeschränkt. Hierin kann ein – weiterer – Schritt hin zu einer zukünftigen unbedingten Titelfreizügigkeit gesehen werden.119 Anders als nach aktueller Rechtslage wäre diese präkludierende Wirkung jedenfalls klar geregelt.120 Während die aktuelle Konzeption der automatischen Anerkennungsversagung, die jedoch nur auf Rüge geprüft wird, zu einer faktischen Privatisierung der An 118

S. dazu oben im 3. Kapitel A. I. S. dazu ausführlich oben 6. Kapitel B. 120 Zur darüber hinaus einzuführenden Hinweispflicht s. sogleich 6. Kapitel D. III. 3. c) bb). 119

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

erkennung führt,121 läge die Anerkennung bzw. die Nichtanerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen mit der hier vorgeschlagenen Konzeption nun auch tatsächlich rechtlich in der Hand der Beteiligten. Die Obliegenheit zum Tätigwerden seitens des Schuldners weist zur aktuellen Rechtslage damit aber keinen erheblichen Unterschied auf. Die Nichtgeltendmachung von Versagungsgründen macht die nicht anerkannte Entscheidung derzeit zwar nicht anerkennungsfähig, wohl aber faktisch anerkannt.122 Dass es zu einer Situation kommt, in der der Betroffene die eigentlich nicht bestehende Anerkennung entgegen der eigentlichen Rechtslage faktisch herstellen kann, wäre bei Annahme einer bloßen Anfechtbarkeit der Anerkennung aber nicht mehr gegeben. Insoweit wäre die gestaltende Konzeption der Anerkennungsversagung auch hier gegenüber der aktuellen Rechtslage aus dogmatischer Sicht stringenter. Ob in Ausnahmefällen bei eklatanten Verstößen gegen verfassungsrechtlich geschützte Werte diese Privatisierung zum Schutze der Rechtsordnungen zurücktreten und die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung nicht nur aufhebbar, sondern ausnahmsweise nichtig sein sollte, ist eine andere Frage und soll unten unter 4. erörtert werden. Ein weiterer Vorteil der Anfechtbarkeit einer zunächst unbedingten Titelgeltung läge außerdem in der Möglichkeit, die Entscheidung über die Aufhebung der Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat bei einem bestimmten Gericht zu konzentrieren. Die hinsichtlich der Abschaffung des Exequaturverfahrens im Anwendungsbereich der ­EuGVVO geäußerte Kritik, die Beurteilung der Anerken­ nungs- bzw. Vollstreckungsversagung liege nun in den Händen niedriger Gerichte oder Behörden,123 würde insoweit entkräftet. Für die Aufhebung der Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat wäre aufgrund europarechtlicher Vorgaben und durch Ausgestaltung im jeweiligen Mitgliedstaat nur noch ein einheitliches Gericht zuständig. Das könnte in Deutschland in Anlehnung an die Regelung des Art. 39 EuGVO aF i. V. m. Anhang II sowie § 3 AVAG zur Exequaturentscheidung beispielsweise das jeweilige Landgericht sein. 2. Beseitigung im Ursprungsmitgliedstaat? Im Zuge der fortschreitenden Integration wäre es zunächst denkbar, diese Aufhebung der Wirksamkeit der jeweiligen Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat anzusiedeln. Dann würde die Wirksamkeit der jeweiligen Entscheidung für den gesamten europäischen Rechtsraum aufgrund Verstoßes gegen europäische Versagungsgründe beseitigt, sodass eine einheitliche Behandlung der jeweiligen Ent 121

S. hierzu oben 3. Kapitel IV. Kritisch dazu Freitag, FS Kropholler, S. 759, 769; s. auch Geimer, IZPR, Rn. 3054, der hier von der Möglichkeit eines Rügeverzichts ausgeht. 123 S. dazu oben 2.  Kapitel B. I. 3. b) dd). 122

D. Beseitigung der Anerkennung im Wege prozessualer Gestaltung  

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scheidung in der Europäischen Union gewährleistet wäre.124 Solche Überprüfungsmöglichkeiten sind einigen europäischen Rechtsakten (in Ausnahmefällen) schon heute bekannt.125 Letztlich wäre das dann aber nichts anderes als eine weitere, europarechtlich vorgeschriebene Instanz der Überprüfung des dort im Ursprungsmitgliedstaat erlassenen Titels. Dann müssten die Versagungsgründe aber mitgliedstaatsüber­ greifend ausgestaltet sein. Während beispielsweise Art. 45 Abs. 1 lit. c E ­ uGVVO – der Vorrang inländischer Entscheidungen – danach überhaupt nicht mehr aufrechterhalten werden könnte, müsste der nach derzeitigem Integrationsstand national bestimmte Vorbehalt des ordre public europäisch ausgerichtet werden. Ein europäischer ordre public kann aktuell aber noch nicht angenommen und durchgesetzt werden.126 Insbesondere würde dies aber wohl bedeuten, dass nicht nur die Wirksamkeit der jeweiligen Entscheidung in anderen Mitgliedstaaten aufgrund der Anerkennung beseitigt würde, sondern die Wirksamkeit der Entscheidung als solcher, sowie auch ihr Bestand im Ursprungsmitgliedstaat (wie auch bei der Anfechtung inländischer Schiedssprüche, vgl. § 1059 f. ZPO). Hier ist schon höchst zweifelhaft, ob für eine derartige entsprechende europarechtliche Regelung überhaupt eine entsprechende Kompetenzgrundlage besteht.127 Will man die Erwägungen, die zum jetzigen Zeitpunkt gegen die Abschaffung der Versagungsgründe sprechen, ernst nehmen, kann die Verlagerung der Anfechtung der Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung in ihren Ursprungsmitgliedstaat ohnehin nicht überzeugen. Solange das gegenseitige Vertrauen in das Zivilverfahren der anderen Mitgliedstaaten noch nicht vollends ausgeprägt ist, muss die Aufhebung der Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat durch eigene Organe und nach eigenen Maßstäben möglich sein. Es bleibt damit dabei, dass in jedem ersuchten Mitgliedstaat hierfür als zuständig benannte Gerichte über die Aufhebung nicht des Titels selbst, sondern seiner Anerkennung (also Wirksamkeit) im Inland eigenständig entscheiden können müssen.

124 Außerdem wäre dann ein einheitlicher Zeitpunkt für die Anknüpfung der Präklusionswirkung gewährleistet, s. zu diesem Problem sogleich 6. Kapitel D. III. 3. c) bb). 125 Vgl. Art. 19 EuUnterhaltsVO; Art. 18 Abs. 2 ­EuGFVO; Art. 20 Abs. 3 ­EuMahnVO. 126 S. dazu oben 6.  Kapitel B. II. 1. c) bb). 127 Vgl. dazu Thöne, S. 231 f. S. insoweit auch zur Regelung des Art. 19 EuUnterhaltsVO, die eine vergleichbare Beseitigung im Ursprungsmitgliedstaat vorsieht, MünchKomm-FamFG / ​ Lipp, Art. 19 EG-UntVO Rn. 5; Gsell / Netzer, IPRax 2010, S. 403, 406.

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

3. Wirkung der Beseitigung Mit der erfolgreichen Anfechtung der Anerkennung würde die Wirksamkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland aufgehoben. Über die Anerkennung der Entscheidung müsste und könnte – anders als bisher – im ersuchten Mitgliedstaat nur einmal entschieden werden. a) Wirkung inter omnes Die Beseitigung der Anerkennung hätte allgemeingültige Wirkung und würde nicht nur zwischen den Parteien gelten.128 Hierin wäre ein entscheidender Vorteil gegenüber der bloßen Feststellung fehlender Anerkennung nach der aktuell geltenden Konzeption zu sehen  – selbst wenn man einer solchen Entscheidung Bindungswirkung auch für andere Verfahren beimessen wollte, denn die Feststellungsentscheidung würde nur zwischen den am Verfahren Beteiligten gelten.129 b) Rückwirkende Beseitigung? Fraglich ist indes, ob die Beseitigung der Wirksamkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland bei erfolgreicher Anfechtung dann rückwirkend auf den Zeitpunkt ihres Erlasses ex tunc erfolgt oder die Beseitigung der Wirksamkeit im ersuchten Mitgliedstaat nur für den Zeitraum ab erfolgreicher Anfechtung ex nunc gelten soll. Stehen der Anerkennung einer Entscheidung rechtliche Gründe entgegen, liegt es zunächst nahe, bei erfolgreicher Geltendmachung dieser Gründe eine rückwirkende Aufhebung der Wirksamkeit anzunehmen. Dies würde nicht nur dem derzeit geltenden System am nächsten kommen, wonach bei Vorliegen von Anerkennungsversagungsgründen Wirksamkeit der jeweiligen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat niemals eingetreten ist. Auch die bereits zuvor als Vergleichsmaßstab herangezogene Aufhebung von inländischen Schiedssprüchen nach der deutschen ZPO erfolgt rückwirkend, ebenso wie die erfolgreiche Anfechtung von Verwaltungsakten im deutschen Verwaltungsrecht sowie die Beseitigung der Vollstreckbarkeit eines inländischen Titels nach § 767 ZPO. Mit erfolgreicher Beseitigung der Anerkennung würde also feststehen, dass die mitgliedstaatliche Entscheidung im Inland von Anfang an als nicht anerkannt und daher unwirksam anzusehen war. Das hier primär verfolgte Ziel – die Sicherung der Rechtsbeständigkeit von aufgrund der Anerkennung ergangener inländischer Maßnahmen oder Entscheidungen – könnte damit aber nicht zweifelsfrei erreicht werden, denn solange die 128

Aus dem deutschen Zivilprozessrecht: Zöller / Greger, vor § 253 Rn. 8; Stein / Jonas / Althammer, § 325 Rn. 8; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 161 ff. 129 S. dazu bereits die Nachweise in 5. Kap., Fn. 22.

D. Beseitigung der Anerkennung im Wege prozessualer Gestaltung  

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Beseitigung der Anerkennung auch nachträglich und rückwirkend noch erfolgen könnte, wäre Rechtssicherheit gerade nicht vollends gewährleistet.130 Damit würde die Entscheidung über die Anerkennung zwar selbst – anders als oftmals nach dem aktuellen System – bindende Wirkung entfalten. Solange eine solche Entscheidung aber noch nicht herbeigeführt wurde, würde sich die Konzeption der Beseitigung der Anerkennung vom derzeitigen System nicht wesentlich unterscheiden. Insbesondere für die Frage, ob das aus der Zwangsvollstreckung Erlangte zurückgefordert werden kann, würden außerdem die bereits oben genannten Probleme (5. Kapitel D. II.) weiter bestehen. Denn wenn nach der Durchführung der Zwangsvollstreckung im Wege der hier vorgeschlagenen Gestaltungsklage die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung ex tunc beseitigt werden kann, wäre die Anerkennung – und damit sowohl Vollstreckbarkeit als auch Rechtskraftwirkung – der Entscheidung von Anfang an nicht gegeben. Sowohl für anderweitige konsekutive Verfahren als auch für die Frage der Rückforderungsmöglichkeit könnte die Frage der Anerkennung damit nicht nur – wie bisher – divergierend beurteilt werden, sondern wäre abzulehnen, sodass in jedem Fall eine Rückforderung möglich wäre. Wäre es daher zielführend, der Beseitigung der Anerkennung hiernach lediglich ex nunc Wirkung zukommen zu lassen? Das würde bedeuten, dass die mitgliedstaatliche Entscheidung nur für die Zukunft ab dem Zeitpunkt der beseitigenden Entscheidung keine Wirkung mehr im Inland entfalten kann und zuvor erfolgte Umsetzungsakte bestehen blieben. Ob diese Konstruktion, wonach die Wirksamkeit einer mitgliedstaatlichen Entscheidung also letztlich vom Zeitpunkt ihrer Beseitigung abhängt, mit Blick auf den dadurch letztlich beliebig herbeigeführten Zeitpunkt der Nichtanerkennung gewollt sein kann, ist zweifelhaft.131 Darüber hinaus ist aber doch auch fraglich, ob damit alle hier aufgeworfenen Probleme der Anerkennungskonzeption gelöst werden könnten. Jedenfalls hinsichtlich der fehlenden Rechtsbeständigkeit, insbesondere der Vollstreckungsmaßnahmen, ist das bei richtiger dogmatischer Anknüpfung der Anerkennung nicht der Fall. Unter Zugrundelegung des deutschen Bereicherungsrechts hinge die Bindung des über den Bereicherungsanspruch entscheidenden Gerichts wiederum von der Rechtskraftbindung des im EU-Ausland titulierten Anspruchs ab. Nur dann läge ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Erlangten vor.132 Ob der Gläubiger das aus der Zwangsvollstreckung Erlangte mit Rechtsgrund erhalten hat, ist zwar grundsätzlich im Zeitpunkt der Leistung oder des Eingriffs zu beurteilen. Einer Rückforderung steht der Rechtsgrund aber nur entgegen, wenn er auch im Zeitpunkt der Anspruchsstellung noch besteht.133 Beruht der Rechtsgrund daher auf 130

S. dazu bereits die Bedenken oben im 3. Kapitel A. I. S. hierzu bereits oben im 3. Kapitel A. I. 132 S.  zum rechtlichen Hintergrund des Bereicherungsanspruchs bereits ausführlich oben 5.  Kapitel D. II. 1. a). 133 Andernfalls ist der Rechtsgrund später weggefallen und es gilt § 812 Abs. 1 S. 2 1. Alt. BGB. Das gilt auch für die Eingriffskondiktion, vgl. BeckOK-BGB / Wendehorst, § 812 Rn. 139. 131

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

der Rechtskraft einer Entscheidung, und fällt diese nachträglich weg, etwa weil die Entscheidung wieder aufgehoben wird, kann sie das Behaltendürfen des Erlangten nicht mehr begründen.134 Gleiches muss dann aber auch gelten, wenn eine zunächst anerkannte mitgliedstaatliche Entscheidung ihre Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat durch Beseitigung ex nunc verloren hat. Im Zeitpunkt der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs entfaltet sie im Inland keine einen Rechtsgrund begründende Rechtskraft mehr. Dann ist das ersuchte Gericht an die im mitgliedstaatlichen Ausland ergangene Entscheidung nicht mehr gebunden. Die Konzeption einer lediglich für die Zukunft wirkenden Beseitigung der Anerkennung würde also zwar dazu führen, dass zuvor ergangene Entscheidungen, die Wirkungen der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland umgesetzt haben (wie z. B. die Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat), rechtmäßig bleiben. Für die hier angesprochenen Rückforderungsbegehren würde sich diese Rechtsbeständigkeit der vorherigen Maßnahme aber nicht ergeben. Dann kann zur Wahrung der Rechtsklarheit aber – entsprechend der Konzeption der Anerkennungsversagung von Schiedssprüchen – auch eine rückwirkende Beseitigung der Anerkennung angenommen werden.135 c) Frist zur Anerkennungsbeseitigung Diese müsste zeitlich aber begrenzt sein. Wäre die Beseitigung der Anerkennung jederzeit möglich, könnte Rechtssicherheit hinsichtlich der Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen erst bestehen, wenn die Anerkennung der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat geprüft wurde. Das würde der Zielrichtung der Herbeiführung einer Rechtsbeständigkeit und Rechtssicherheit der Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen nicht gerecht, denn es würde keine nennenswerte Verbesserung zum status quo herbeigeführt. Rechtssicherheit könnte dann wiederum allenfalls durch eine – insoweit aus Rechtsschutzgesichtspunkten notwendige – positive Feststellungsmöglichkeit hinsichtlich der Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen erreicht werden. Eine Vereinfachung des Anerkennungssystems wäre damit gerade nicht erreicht. aa) Fristsetzungserfordernis Die Konzeption einer von Anfang an bestehenden und durch Anfechtung beseitigbaren Anerkennung ist unter diesem Gesichtspunkt nur zielführend, wenn 134

Vgl. Palandt / Sprau, § 812 Rn. 27; Gaul, JuS 1962, S. 1, 12.  Auch für die Beseitigung der Vollstreckbarkeit nach Art. 46 ­EuGVVO wird überwiegend davon ausgegangen, dass diese ex tunc erfolgt; vgl. Hau, MDR 2014, S. 1417, 1419; Geimer / Schütze /  E .  Peiffer / M.  Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 46 VO (EG) 1215/2012 Rn. 19; Geimer, FS Torggler, S. 311, 332; Zöller / ders., Anh I, Art. 47 ­EuGVVO Rn. 11. 135

D. Beseitigung der Anerkennung im Wege prozessualer Gestaltung  

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die Beseitigung der Anerkennung fristgebunden möglich ist und nach Ablauf eines so festgelegten Zeitraums die Geltendmachung der Versagung der Anerkennung präkludiert, die Anerkennung also quasi bestandskräftig ist. Nur so würde hinsichtlich der Wirkungen der anerkannten Entscheidung im Inland Rechtssicherheit bestehen. Solche Fristen sind dem europäischen Prozessrecht nicht fremd. So sind Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckbarerklärung nach den europäischen Verordnungen regelmäßig fristgebunden.136 Auch in seiner Entschließung im Rahmen der Reform der E ­ uGVVO hatte das Europäische Parlament noch eine Frist für das das Exequaturverfahren zu ersetzende Nachprüfungsverfahren im ersuchten Mitgliedstaat gefordert.137 Dabei wäre zunächst denkbar, die Beseitigung der Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat in dem Moment als unstatthaft zu behandeln, in dem das inländische Verfahren, in dem die anzuerkennende Entscheidung umgesetzt wird, beendet ist. Dann läge es im Risiko- und Verantwortungsbereich des jeweiligen Betroffenen, in der Regel des Schuldners, gegen die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung rechtzeitig einzuschreiten und so die Umsetzung der Entscheidung im Inland zu verhindern. Dies würde den Betroffenen aber vor erhebliche Schwierigkeit stellen, da für ihn nicht immer vorhersehbar oder auch nur erkennbar sein kann, ob einer der zahlreichen Mitgliedstaaten eine im europäischen Justizraum ergangene Entscheidung im Inland umsetzt. So würden der Schuldner letztlich übermäßig benachteiligt und die Versagungsgründe mangels tatsächlicher Möglichkeit ihrer Geltendmachung ausgehöhlt. In Betracht kommt daher nur eine starre Frist zur Beseitigung der Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen, wie sie im Anwendungsbereich der ZPO beispielsweise auch für die Geltendmachung von Einwendungen gegen Schieds­ sprüche (§ 1059 Abs. 3 ZPO, drei Monate) vorgesehen ist. bb) Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn Als Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn wäre, wie bei Schiedssprüchen auch, zunächst an den Erlass der Entscheidung (im Ausland) zu denken. Wie oben gesehen, ist das auch der Zeitpunkt der Anerkennung, also der Zeitpunkt, in dem die mitgliedstaatliche Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat Wirkung entfaltet. Die Anknüpfung an die ursprüngliche Entscheidung würde damit der Idee der automatischen Anerkennung gerecht. Die Geltendmachung der Versagungsgründe könnte so als eine Art Rechtsmittelinstanz gegen die (Wirksamkeit der) Entschei 136

Vgl. Art. 43 Abs. 5 S. 1 EuGVO aF, Art. 33 Abs. 5 S. 1 EuEheVO. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 07.09.2010 zu der Umsetzung und Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (2009/2140(INI)), P7-TA(2010)0304, Nr. 4, wobei das Parlament hier nur auf das Vollstreckungsverfahren einging. 137

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

dung im ersuchten Mitgliedstaat angesehen werden. Dann müsste der Schuldner aber in jedem (potentiellen) Staat, in dem die Entscheidung umgesetzt wird oder werden kann, innerhalb der so gesetzten Frist einen Rechtsbehelf gegen die Anerkennung einlegen. Mag dies für etwaige Vollstreckungsversuche aufgrund der Belegenheit seines Vermögens noch vorhersehbar sein, ist das im Übrigen aber nicht zwangsläufig der Fall. Um sicheren Rechtsschutz zu haben, müsste er präventiv in jedem einzelnen Mitgliedstaat einen Rechtsbehelf einlegen. Das kann sowohl aus Kostengründen als auch aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht gewollt sein. Gleiches gilt, wenn man für den Fristbeginn an die Ausstellung der Bescheinigung nach Art. 53 ­EuGVVO (oder Art. 9 E ­ uVTVO) anknüpfen wollte. Diese wäre als zeitlicher Anknüpfungspunkt zwar insoweit geeignet, als damit die grenzüberschreitende Zielrichtung der mitgliedstaatlichen Entscheidung manifestiert wird. Auch hier bestünde aber das Problem, dass die Bescheinigung nicht auf einen bestimmten Mitgliedstaat ausgerichtet ist. Mit dieser Bescheinigung kann der Gläubiger die Entscheidung vielmehr grundsätzlich in jedem Mitgliedstaat umsetzen lassen, sodass die Frist für den Schuldner in jedem Mitgliedstaat zu laufen beginnen würde.138 Dann müsste der Schuldner die Anerkennung zur Sicherheit wiederum überall anfechten. Anders wäre das nur, wenn die Bescheinigung für jeden einzelnen Mitgliedstaat gesondert ausgestellt würde, denn so würde ein Bezug zur inländischen Rechtsordnung hergestellt, sodass insoweit ein hinreichender Anknüpfungszeitpunkt für die Anfechtung der Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat bestünde. Auch wenn im Rahmen der Erteilung dieser Bescheinigung – anders als im früher notwendigen Delibationsverfahren – keine inhaltliche Überprüfung erfolgen würde, käme dies letztlich aber doch einem Anerkennungsverfahren gleich, das das jahrelang bestehende System der automatischen Anerkennung rückgängig machen würde und mit Blick auf die Zielsetzung der Effektuierung kontraproduktiv wäre. Denn letztlich wäre es dann gleichgültig, ob die Anerkennung schon zuvor bestand oder erst mit Erteilung der Bescheinigung eintreten würde. Wenn zur praktischen Umsetzung mitgliedstaatlicher Entscheidungen eine solche Bescheinigung notwendig wäre, wäre selbst eine zuvor bestehende Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat letztlich inhaltslos. Um dem Betroffenen den Rechtsschutz mit Blick auf die möglicherweise rechtswidrige Anerkennung im jeweiligen ersuchten Anerkennungsmitgliedstaat zu gewährleisten, müsste Anknüpfungspunkt für den Beginn einer präklusionsbewährten Frist zur Geltendmachung also der Moment sein, in dem die mitgliedstaatliche Entscheidung und ihre prozessuale Wirkung erstmals mit dem ersuchten Mitgliedstaat in Berührung kommt. Entscheidend ist also nicht der Zeitpunkt, in

138

Vgl. Rauscher / Mankowski, Art. 39 Brüssel Ia-VO Rn. 26 ff. m. w. N.

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dem die Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat Wirkung entfaltet, sondern der Zeitpunkt, in dem sie tatsächlich auch umgesetzt wird.139 Die anerkannte Entscheidung und ihre Wirkungen sind im ersuchten Mitgliedstaat zwar von Amts wegen zu berücksichtigen. Ein förmliches Verfahren zur Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland gibt es nicht. Ihre tatsächliche Umsetzung kann ohne Mitwirkung der Beteiligten dennoch nicht erfolgen. Gemäß Art. 37 Abs. 1 lit. b und Art. 42 Abs. 1 lit. b E ­ uGVVO muss zur Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat eine Ausfertigung dieser sowie eine Bescheinigung nach Art. 53 E ­ uGVVO vorgelegt werden.140 Auch die anderen Anerkennungs- und Vollstreckungsverordnungen sehen entsprechende Regelungen vor.141 Insoweit ist der Zeitpunkt, in dem die inländische Stelle die mitgliedstaatliche Entscheidung bildlich in die Hand nimmt und eine oder mehrere ihrer Wirkungen im Inland berücksichtigt, aufgrund der Mitwirkungspflicht der Beteiligten klar erkennbar. Wollte man den Fristbeginn einer präklusionsbewährten Beseitigungsfrist von diesem Ereignis abhängig machen, müsste dann aber gewährleistet werden, dass die Beteiligten über die Umsetzung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland unterrichtet werden, damit sie innerhalb des dann gesetzten Zeitraums bei Bedarf gegen die Anerkennung der Entscheidung vorgehen können. Dies könnte durch eine Hinweispflicht der jeweiligen umsetzenden Stelle erfolgen. Damit einhergehen sollte gleichsam eine Belehrung der Beteiligten über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten und die Folgen der Nichteinhaltung der entsprechenden Frist. Adressat dieses Hinweises müssten in diesem Fall alle an dem Verfahren Beteiligten und sonstige Betroffene sein, für die die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland bedeutsam werden könnte. Muss ein Dritter die Anerkennung der Entscheidung später gegen sich gelten lassen, obwohl er über die Umsetzung im Inland nicht informiert wurde, muss ihm die Geltendmachung der Anerkennungsversagung indes nach wie vor möglich sein. Der Fristablauf dürfte für ihn keine Wirkung haben. Das schränkt die Reichweite der Bestandskraft der Anerkennung nach dem hier vorgeschlagenen Konzept zwar ein, scheint aus Rechtsschutz­gesichtspunkten aber unumgänglich. Dem Erfordernis einer solchen zusätzlichen Hinweispflicht kann entgegenhalten werden, mit Blick auf das Ziel einer Vereinfachung der Anerkennungsverfahren des europäischen Zivilprozessrechts umständlich und daher wenig zielführend zu sein. Auch diese Konzeption ist aber letztlich Ausdruck der Komplexität und des

139

Zur Unterscheidung zwischen Wirksamkeit und Umsetzung s. oben 2. Kapitel A. IV. 3. f). Die unterschiedliche Regelung des Erfordernisses der Bescheinigung für Anerkennung auf der einen und Vollstreckbarkeit auf der anderen Seite ist nach dem oben im 2. Kapitel Gesagten überholt. 141 Art.  20 Abs. 2 ­EuVTVO; Art. 21 Abs. 2 ­EuMahnVO; Art. 21 Abs. 2 E ­ uGFVO; Art. 37 Abs. 1 EuEheVO. 140

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

Kompromisscharakters des Anerkennungssystems auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Justizraum. Solange erstens die Versagungsgründe zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiterhin Bestand haben und zweitens eine Überprüfung der Versagungsgründe nur im ersuchten Mitgliedstaat vertretbar erscheint,142 ist eine einfachere und gleichsam effektivere Lösung nicht denkbar. Allein mit diesem Konzept wird – jedenfalls nach Ablauf der gesetzten Frist – ein gewisses Maß an Rechtssicherheit gewährleistet, das die Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen praktikabler macht. Genau das sollte aber im Sinne einer bestmöglichen Wirksamkeit der europäischen Regelungen und einer praktisch weitestgehenden Titelfreizügigkeit unter den aktuellen verfassungsrechtlichen und integrationstechnischen Gegebenheiten das Ziel sein. Die bloße Einführung einer (weiteren) bürokratischen Hürde als Gegenleistung für ein rechtsklares und -sicheres Anerkennungssystem scheint danach hinnehmbar. Mit der hier vorgeschlagenen Hinweis- und Belehrungspflicht einher geht eine Sensibilisierung des Schuldners, sich gegen die Anerkennung (und damit auch die Vollstreckung) der mitgliedstaatlichen Entscheidung wehren zu können. Insoweit kann wiederum die bereits bekannte Kritik angebracht werden, wonach zur Effektuierung einer grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung ein Überraschungsmoment erforderlich ist und die Vollstreckung ansonsten Gefahr laufe, durch den Schuldner vereitelt zu werden.143 Derartige Bedenken greifen hier indes nicht durch, denn die Information des Schuldners hindert den Gläubiger nicht daran, die Vollstreckung umgehend zu betreiben. So ist es im Zweifel der Antrag auf Durchführung der Vollstreckung aus einer mitgliedstaatlichen Entscheidung, die den ersten Umsetzungsakt im ersuchten Mitgliedstaat darstellt und die Information des Schuldners auslöst. Die Situation unterscheidet sich insofern nicht von der Notwendigkeit nach dem aktuellen Art. 43 E ­ uGVVO, dem Schuldner vor der Vollstreckung die Bescheinigung zuzustellen. Die Frist zur Beseitigung der Anerkennung muss überdies nicht abgewartet werden. Der Gläubiger kann umgehend vollstrecken – allerdings eben mit dem Risiko, dass die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung auf Antrag des Schuldners beseitigt wird und das durch die Vollstreckung Erlangte zurückgefordert werden kann. cc) Länge der Frist Die Frist, innerhalb derer sich die Beteiligten gegen die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen im Inland wehren können, darf nicht zu lang bemessen sein, um den rechtsunsicheren Zustand der faktisch schwebenden Wirksamkeit der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat nicht zu lange andauern zu lassen. Andererseits muss den Beteiligten, auch und insbesondere, wenn es um 142

S. dazu umfassend oben 6. Kapitel B. sowie insbesondere zum europäischen ordre public 6.  Kapitel B. II. 1. c) bb). 143 S. oben 2.  Kapitel B. I. 3. b) dd).

D. Beseitigung der Anerkennung im Wege prozessualer Gestaltung  

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die Anerkennung der Entscheidung in einem anderen als ihrem Heimatmitgliedstaat geht, genügend Zeit bleiben, sich mit den möglichen Rechtsbehelfen und den Gegebenheiten im europäischen Ausland sowie möglicher sprachlicher Barrieren auseinanderzusetzen. In Anlehnung an die Frist für die Geltendmachung von Einwänden gegen die Vollstreckbarerklärung nach Art. 43 Abs. 5 S. 1 EuGVO soll hier die Monatsfrist gelten.144 Nach Ablauf dieser Frist oder Abschluss eines eingeleiteten Beseitigungsverfahrens wäre damit klar: Die Entscheidung ist im ersuchten Mitgliedstaat bestandskräftig und unanfechtbar anerkannt. Dies stünde wiederum auch im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach das Rechtsbehelfssystem des europäischen Zivilprozessrechts durch nationale Versagungsmöglichkeiten nicht umgangen werden darf.145 Die Notwendigkeit der gestaltenden Beseitigung der Anerkennung innerhalb einer vom europäischen Gesetzgeber gesetzten Frist würde allen anderen Versuchen, die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen zu umgehen, entgegenstehen. Gegen die Anerkennung könnte nur noch im Wege des europäischen Rechtsbehelfs vorgegangen werden. dd) Verhältnis zur Vollstreckung Schließlich bleibt die Frage, wie sich diese Konzeption auf das Verhältnis der Anerkennung zur Vollstreckung auswirken würde. Ein erneuter Blick auf die Behandlung von inländischen Schiedssprüchen im deutschen Zivilprozessrecht ist insoweit unergiebig. Denn dieses erfordert, wie die frühere EuGVO, ein Vollstreckbarerklärungsverfahren, vgl. §§ 1060 f. ZPO. So käme vorliegend zum einen in Betracht, die Geltendmachung der Versagung der Anerkennung – unabhängig von der nach wie vor notwendigen Fristenregelung – auszuschließen, sobald die Vollstreckung aus der mitgliedstaatlichen Entscheidung beendet wäre. Dann wäre die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland rechtsbeständig und insbesondere eine Rückforderung des Erlangten nicht mehr möglich. Dauert die Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat länger als einen Monat, würde sich die Präklusion der Versagung dann aus dem Zeitablauf seit Einleitung der ersten Vollstreckungsmaßnahme (und des hierüber an die Beteiligten gelangten Hinweises) ergeben. Andernfalls würde sich der Zeitraum zur Geltendmachung der Versagung der Anerkennung, wenn die Vollstreckung schneller erfolgt, gegenüber dem Zeitraum der möglichen Geltendmachung der Versagung in anderen Situationen verkürzen. Dies würde indes wiederum zu einer Sonderbehandlung der Vollstreckung im Anerkennungssystem und hier zur Benachteiligung der Beteiligten im Rahmen der Vollstreckung führen.

144 145

S. auch Art. 33 Abs. 5 S. 1 EuEheVO; Art. 18 Abs. 2 S. 1 ­EuGFVO. EuGH, Urteil v. 04.02.1988, Rs. 145/86, NJW 1989, S. 663 Rn. 29.

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

Um die einheitliche und klare Behandlung der Anforderungen an die Rechtsbeständigkeit der Anerkennung zu gewährleisten, sollte die Anerkennung auch hinsichtlich der Vollstreckbarkeit keinen gesonderten Regelungen unterworfen werden. Um die Rechtsbeständigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen sicherzustellen, dürfte die Vollstreckung unter dieser Prämisse streng genommen erst dann zugelassen werden, wenn die Frist zur Geltendmachung der Anerkennungsversagung bereits abgelaufen ist, sodass klar ist, dass die Anerkennung nach Vollzug der Vollstreckung nicht mehr versagt werden kann. So würde zwar die Rechtsbeständigkeit der Vollstreckung gewährleistet, stünde der schnellen und effektiven Durchsetzung von Entscheidungen im mitgliedstaatlichen Ausland, eines der Hauptanliegen der europäischen Integration auf zivilprozessualer Ebene, aber diametral entgegen. Damit bleibt allein die Möglichkeit, auch im Verhältnis zur Vollstreckung ausnahmslos die oben genannte Monatsfrist zur Geltendmachung der Anerkennungsversagung gelten zu lassen. Für die Vollstreckung im Anwendungsbereich der ­EuGVVO146 würde das bedeuten, dass der Gläubiger zwar ohne Zwischenverfahren und direkt nach Erlass der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat die Entscheidung in jedem anderen Mitgliedstaat vollstrecken lassen kann. Rechtsbeständigkeit würde dies aber erst mit Ablauf der Monatsfrist zur Geltendmachung der Versagungsgründe erhalten. Bis dahin bestünde für den Gläubiger – insoweit vergleichbar mit der Vollstreckung aus lediglich vorläufig vollstreckbaren Entscheidungen – das Risiko, dass die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland noch versagt wird und er gegebenenfalls das aus der Zwangsvollstreckung Erlangte daher zurückzugewähren hätte.147 Will er dieses Risiko nicht eingehen, muss ihm aber die Möglichkeit bleiben, die Anerkennung positiv feststellen zu lassen, sodass der Schuldner diese – vor oder nach der Vollstreckung – nicht mehr aufheben lassen kann. d) Positive Feststellung der bestehenden Anerkennung Insoweit bedarf es zur Gewährleistung der Rechtssicherheit hinsichtlich der Frage der Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen also nach wie vor eines positiven Feststellungsrechtsbehelfs. So ist gewährleistet, dass bei Bedarf die Anerkennung vor der erstmaligen Umsetzung der mitgliedstaatlichen Entscheidung bereits verbindlich feststeht. Im Rahmen eines solchen Feststellungsantrags würde 146

Zu den anderen Vollstreckungsverordnungen s. sogleich im 6. Kapitel D. IV. Auch hierzu äußerte sich das Europäische Parlament im Rahmen der Reformbestrebungen der ­EuGVVO: „Vollstreckungsmaßnahmen, die bis zum Ablauf der Frist für die Beantragung des außerordentlichen Verfahrens bzw. bis zum Abschluss des außerordentlichen Verfahren ergriffen werden, können keine irreversiblen Folgen haben.“ Entschließung des Europäischen Parlaments vom 07.09.2010 zu der Umsetzung und Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (2009/2140(INI)), P7-TA(2010)0304, Nr. 4. 147

D. Beseitigung der Anerkennung im Wege prozessualer Gestaltung  

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über das Fehlen von Anerkennungsversagungsgründen, die die Aufhebung der Anerkennung nach sich ziehen könnten, bindend entschieden. Wird die Feststellung der Anerkennung abgelehnt, so steht umgekehrt bindend fest, dass die Entscheidung nicht anerkannt ist.148 Um auch insoweit Rechtssicherheit hinsichtlich der Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung zu erreichen, sollte dann gleichzeitig die Anerkennung der Entscheidung allgemeingültig aufgehoben werden.149 Eine der positiven Feststellung der bestehenden Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen entsprechende Möglichkeit der negativen Feststellung fehlender Anerkennung ist angesichts der gestaltenden Beseitigung der Anerkennung nicht notwendig. Anderes gilt nur, wo ausnahmsweise nicht nur die Rechtswidrigkeit, sondern die Nichtigkeit der mitgliedstaatlichen Entscheidung feststeht. In diesen Fällen muss die Feststellung auch der fehlenden Anerkennung ausnahmsweise möglich sein. Insoweit kann eine Klarstellung im Regelungstext erfolgen. 4. Ausnahmen Damit bliebe letztlich noch die Frage, inwieweit von der hier vorgeschlagenen Notwendigkeit der Anfechtung der grundsätzlich bestehenden Anerkennung in Ausnahmefällen abgewichen werden sollte. Blickt man beispielsweise auf die Konzeption der Rechtsbeständigkeit von Verwaltungsakten im deutschen Verwaltungsrecht, lässt sich dort ein zweigleisiges System erkennen. Während rechtswidrige Verwaltungsakte im Grundsatz wirksam, aber anfechtbar sind, gibt es auch solche, die an derart schwerwiegenden Fehlern kranken, dass sie nicht nur rechtswidrig, sondern nichtig sind und daher keine Wirkung entfalten, ohne dass sie angefochten werden müssten.150 Diese Erwägungen ließen sich auf die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen übertragen. Fraglich wäre dann aber, wann ein Verstoß gegen einen Versagungsgrund als derart schwerwiegend betrachtet wird, dass die Anerkennung nicht nur anfechtbar, sondern von Anfang an als nicht erfolgt anzusehen sein sollte. Hier käme zum einen in Betracht, besondere Versagungsgründe gesondert zu behandeln. Naheliegend wäre beispielsweise, einer mitgliedstaatlichen Entscheidung, die gegen den inländischen ordre public verstößt, jegliche Wirksamkeit von Anfang an abzusprechen. In dieser Pauschalität würde dies der Vereinfachung und Effektuierung der grenzüberschreitenden Titelgeltung durch klare Beseitigungsvoraussetzungen aber nicht gerecht. Zur Sicherung der inländischen Rechtsordnung genügt es außerdem, wenn den Beteiligten die Möglichkeit bleibt, den Verstoß 148

Vgl. insoweit die Überlegungen zu Art. 36 Abs. 2 E ­ uGVVO, oben 5. Kapitel B. II. 1. a) aa). Vgl. hierzu wiederum die Regelung des § 1060 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, wonach bei Ablehnung der Vollstreckbarerklärung gleichzeitig die Aufhebung des inländischen Schiedsspruchs ausgesprochen wird. 150 Vgl. § 44 VwVfG. 149

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

gegen den inländischen ordre public im Rahmen der Versagungsmöglichkeiten innerhalb der hier vorgeschlagenen Monatsfrist ab Kenntniserlangung über die Umsetzung der mitgliedstaatlichen Entscheidung geltend zu machen. Damit wird dem Vorbehalt der Mitgliedstaaten vor der schrankenlosen Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen hinreichend Rechnung getragen. Dass dies letztlich eine Privatisierung der Versagungsgründe – also auch des ordre publicVorbehalts – nach sich zieht, läuft dem nicht entgegen.151 Das muss umso mehr gelten, als die Versagungsgründe letztlich ja gerade dem Schuldnerschutz dienen und dieser daher ein gesteigertes Interesse an der Nichtanerkennung für ihn nachteiliger Titel haben wird. Anders ist dies nur zu beurteilen, wenn der Erlass der mitgliedstaatlichen Entscheidung in besonders verwerflichem Maße gegen grundlegende Werte der jeweiligen Rechtsordnung verstößt. Rechtsschutz wird in diesen Fällen auf supranationaler Ebene zwar auch durch europäische Rechtsbehelfe (wie das Vorabentscheidungs- und das Vertragsverletzungsverfahren) sowie den EGMR gewährt.152 Derartige grundlegende Verstöße gegen die Grundpfeiler der nationalen Rechtsordnungen müssen aber nicht nur die Aufhebbarkeit der Anerkennung, sondern ihre gänzliche Nichtigkeit nach sich ziehen. Dieser Ausnahmefall wäre restriktiv zu handhaben, eine Abgrenzung zu lediglich aufhebbaren Entscheidungen könnte im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten. Auf eine derartige Nichtigkeitsfolge sollte aus Rechtsstaatsgesichtspunkten dennoch nicht verzichtet werden. Die Nichtanerkennung in diesen Fällen in die Hände der jeweiligen Betroffenen zu legen, würde dem Schutz der nationalen Rechtsordnungen nicht gerecht. Darüber hinaus kommen außerordentliche Rechtsbehelfe der nationalen Rechtsordnungen in Betracht. In Deutschland ist dies beispielsweise die Schadensersatzklage nach § 826 BGB, die trotz Rechtskraft einer Entscheidung in Ausnahmefällen die Herausgabe des Titels ermöglicht.153 Abgesehen davon, dass dies wiederum zu einer divergierenden Behandlung der anerkannten Entscheidungen in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten führen würde, weil entsprechende Rechtsbehelfe nicht in allen Rechtsordnungen vorgesehen sind,154 ist hier zweifelhaft, ob diese nationalen Regelungen neben dem dann auf europäischer Ebene bestehenden System der Anerkennungsbeseitigung bestehen könnten. Über einen derartigen außerordentlichen nationalen Rechtsbehelf würde die Rechtsbeständigkeit der 151

S. dazu bereits oben 6. Kapitel D. III. 1. Kritisch hierzu die Nachweise in 3. Kap., Fn. 11. S. dazu Föhlisch, S. 149 ff. Für eine Stärkung dieser Rechtsbehelfsmöglichkeiten in Bezug auf die Titelfreizügigkeit in der EU vgl. auch Oberhammer, IPRax 2010, S. 197, 203. Vgl. auch Thöne, der für diese Fälle eine Anerkennungsversagung auch im Anwendungsbereich derjenigen Verordnungen in Erwägung zieht, die einen ordre public-Vorbehalt nicht mehr kennen, S. 221 ff. 153 S. allgemein zum Rechtsbehelf nach § 826 BGB BGH, Urteil v. 29.06.2005, Az. VIII ZR 299/04, NJW 2005, S. 2991 ff.; Stein / Jonas / Althammer, § 322 Rn. 268 ff.; Germelmann, S. 88 ff. 154 S. für das österreichische Recht Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 500. 152

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Anerkennung, wie sie durch das Konzept der fristgebundenen Anerkennungsbeseitigung hergestellt wird, umgangen. Unter dem Blickwinkel der praktischen Wirksamkeit der europarechtlichen Regelung wurde dies in der Vergangenheit vom EuGH daher bereits abgelehnt.155 Grundsätzlich ist auch davon auszugehen, dass, wenn die Voraussetzungen der Schadensersatzklage nach § 826 BGB vorliegen, gleichzeitig ein ordre public-Verstoß anzunehmen ist.156 Dann kann dieser aber über die europarechtlichen Versagungsgründe geltend gemacht werden, sodass ein Rückgriff auf § 826 BGB ausscheidet.157 Gleiches muss in der Regel auch gelten, wenn die europäischen Verordnungen die Anerkennungsversagung wegen eines ordre public-Verstoßes gar nicht mehr vorsehen. Auch wenn man der Aufgabe dieses Versagungsgrundes kritisch gegenübersteht, so würde der Rückgriff auf entsprechende nationale Rechtsbehelfe doch die Konzeption dieser Verordnungen umgehen.158 Dies lässt sich auch mit § 826 BGB selbst begründen: Der Rechtsbehelf nach § 826 BGB setzt die inhaltliche Unrichtigkeit des Titels voraus. Über die inhaltliche Richtigkeit darf anerkennungsrechtlich aber nur befunden werden, wenn die Anerkennung gerade nicht vorliegt. Denn andernfalls steht der inhaltlichen Überprüfung das Verbot der révision au fond entgegen.159 § 826 BGB kommt danach allenfalls in den Fällen in Betracht, in denen der Verstoß gegen die jeweilige Rechtsordnung so gravierend ist, dass nach dem oben Gesagten die Anerkennung der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat nicht nur anfechtbar, sondern ausnahmsweise von Anfang an nichtig ist. Dann würde auch die zur Beseitigung der Anerkennung gesetzte Frist nicht umgangen, sodass der zusätzliche Rückgriff auf § 826 BGB neben den europarechtlichen Rechtsbehelfen jedenfalls nicht schädlich wäre. Notwendig ist er aber nicht. 5. Schadensersatz bei unrechtmäßiger Vollstreckung? Nach dem hier vorgestellten Modell ist es denkbar, dass eine mitgliedstaatliche Entscheidung vollstreckt und ihre Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat erst danach beseitigt wird.

155

EuGH, Urteil v. 04.02.1988, Az. Rs. 145/86, NJW 1989, S. 663 Rn. 29. MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 328 Rn. 191. 157 MünchKomm-ZPO / Gottwald, § 328 Rn. 191; Stürner, FS Geimer 80, S. 727, 734; Thöne, S. 215 ff.; vgl. auch MünchKomm-ZPO / Adolphsen, § 1082 Rn. 8; anders wohl Riezler, S. 523; Rauscher, Europäischer Vollstreckungstitel, Rn. 178. 158 Vgl. MünchKomm-ZPO / Adolphsen, § 1082 Rn. 8; Stürner, FS Geimer 80, S. 727, 734; vgl. auch Stein / Jonas / Roth, § 328 Rn. 28a; A. A. wohl Zöller / Geimer, Anh II E, Art. 11 E ­ uVTVO, Rn. 4; Rauscher, Europäischer Vollstreckungstitel, Rn. 67; Oberhammer, JBl.  2006, S. 477, 500. Diff. Schuschke / Walker / Jennissen, Art. 11 E ­ uVTVO Rn. 2; Rauscher / Pabst, Art. 20 EGVollstrTitelVO Rn. 37. 159 Stürner, FS Geimer 80, S. 727, 734; Thöne, S. 217 f.; vgl. insoweit auch Kropholler / v. Hein, EZPR, Art. 20 ­EuVTVO Rn. 12. 156

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

Der Gläubiger hat nach dem oben Gesagten dann einen im Inland von Anfang an unwirksamen Titel vollstreckt. Das aus der Vollstreckung Erlangte muss er zurückgeben. Darüber hinaus stellt sich aber die Frage, ob er dem Schuldner auch Ersatz von etwaigen Schäden zu leisten hat, die dieser aufgrund der frühzeitigen Vollstreckung des später im Inland als unwirksam erklärten Titels erlitten hat.160 Entsprechende Regelungen lassen sich beispielsweise im deutschen Zivilprozessrecht finden. So sieht § 717 Abs. 2 ZPO eine solche Anspruchsgrundlage für Fälle vor, in denen der Gläubiger vorläufig vollstreckt und das vollstreckte Urteil später aufgehoben oder abgeändert wird. Gleiches gilt gemäß § 945 ZPO, wenn der Gläubiger einstweilige Maßnahmen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergriffen hat und im ordentlichen Verfahren die Ansprüche des Gläubigers verneint werden.161 Die hier vorzufindende Situation ist mit den dort geregelten vergleichbar. Auch bei der Vollstreckung einer im Inland anerkannten Entscheidung, die durch fristwahrende Beseitigung der Anerkennung ihre Wirksamkeit im Inland verlieren kann, besteht das Risiko vorschneller Vollstreckung, weil die Entscheidung als solche im Inland faktisch noch nicht endgültige Wirksamkeit entfaltet. Um sicher zu gehen, kann der Gläubiger auch den Fristablauf zur Beseitigung der Anerkennung abwarten, bevor er die Vollstreckung betreibt. Ist ihm an einer zügigen Vollstreckung gelegen, scheint es andersrum zunächst vertretbar, ihm das Risiko der fehlenden endgültigen Wirksamkeit der Entscheidung im Wege einer verschuldensunabhängigen Schadensersatzhaftung aufzubürden.162 Mit der Zielrichtung der Effektuierung der Vollstreckung und – langfristig – der unbedingten Urteilsfreizügigkeit wäre ein solcher sanktionierender Schadenersatzanspruch indes nicht vereinbar. Ist der Gläubiger dem Risiko einer solchen Haftung ausgesetzt, wird er letztlich in der zügigen Vollstreckung anerkannter Entscheidungen gehemmt. Dies würde der praktischen Wirksamkeit der anerkennungsrechtlichen Verordnungen entgegenlaufen. In Anbetracht der Tatsache, dass auch die hier vorgeschlagene Anerkennungsbeseitigung nur ein weiterer Schritt hin zur unbedingten Titelfreizügigkeit im europäischen Rechtsraum sein kann, wäre es ein denkbar falsches Zeichen, die schnelle Vollstreckung aus anerkannten Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat zu sanktionieren. Auf eine entsprechende Schadensersatzregelung sollte daher verzichtet werden.

160

S. dazu Geimer / Schütze, Int. Urteilsanerkennung I/1, S. 1138. S. allgemein zu diesem Themenkomplex Gaul, ZZP 1997, S. 3 ff. 162 Der Gläubiger handelt in diesem Fall auf eigene Gefahr, vgl. Saenger / Kindl, § 717 Rn. 1; Musielak / Voit / L ackmann, § 717 Rn. 1; BeckOK-ZPO / Mayer, § 945 Rn. 1. 161

D. Beseitigung der Anerkennung im Wege prozessualer Gestaltung  

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IV. Vollstreckungsverordnungen Auch im Anwendungsbereich der Vollstreckungsverordnungen würde die Konzeption der Anerkennungsversagung als gestaltende Beseitigung der Anerkennung zur Rechtsklarheit beitragen. Nach der aktuellen Konzeption ist davon auszugehen, dass die Vollstreckbarkeit der Entscheidungen im Anwendungsbereich dieser Verordnungen – wie auch im Anwendungsbereich der ­EuGVVO – automatisch vorliegt und bei Eingreifen des Versagungsgrundes automatisch nicht gegeben ist, die Versagung der Vollstreckung (z. B. nach Art. 21 E ­ uVTVO) also nur noch feststellenden Charakter hat.163 Mit Umgestaltung des Anerkennungsregimes würde die Vollstreckungsversagung indes gleichsam die Beseitigung der Vollstreckbarkeit nach diesen Verordnungen begründen. Eine Veränderung des Wortlauts der Vollstreckungsversagung wäre hier nicht einmal nötig, da der europäische Gesetzgeber – wohl ohne die Hintergründe vollends zu begreifen – wie auch bei Art. 46 ­EuGVVO von einer Beseitigung der Vollstreckbarkeit ausgegangen ist. Geht man davon aus, dass sich die Frage der Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen unabhängig davon nach wie vor nach der ­EuGVVO mit den dort vorgesehenen Versagungsgründen richten soll, ergibt sich letztlich ein für die Vollstreckung aus der ­EuGVVO vergleichbares Bild: Mit Umsetzung der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat und Inkenntnissetzung der Beteiligten würde die Monatsfrist zur Beseitigung der Anerkennung beginnen. Dies müsste auch hier spätestens der Zeitpunkt sein, in dem Vollstreckungsmaßnahmen im Inland ergriffen werden würden, auch wenn sich die Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit selbst  – anders als diejenigen der Anerkennung im Übrigen  – nicht nach der ­EuGVVO, sondern der jeweiligen Vollstreckungsverordnung bemisst. Das ist insofern unsauber, als sich die Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit hier ja nicht nach der ­EuGVVO richtet und hinsichtlich der Vollstreckung aus der mitgliedstaatlichen Entscheidung bei Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen, jedenfalls nach deutschem Verständnis, im ersuchten Mitgliedstaat zunächst nur die Entscheidungswirkung der Vollstreckbarkeit relevant wird. Mit der Einleitung der Vollstreckung nach einer der Vollstreckungsverordnungen würde die Entscheidung hinsichtlich der anderen Entscheidungswirkungen also genau genommen noch nicht im Inland umgesetzt. Diese strikte Trennung wird dem Verhältnis von Vollstreckung und Anerkennung (insbesondere der Rechtskraftwirkung) aber nicht gerecht, denn wie bereits gesehen, können diese Entscheidungswirkungen eben nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, wenn es nicht nur um den Akt der Vollstreckung, also den hoheitlichen Eingriff in Vermögenswerte des Schuldners als solchen, sondern gleichsam auch ihre materielle Berechtigung gehen soll. Dies zugrunde gelegt, sollte 163

Vgl. hierzu die Erwägungen zu Art. 46 ­EuGVVO oben 3. Kapitel D. III. 2. 

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

auch mit der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen nach den Vollstreckungs­ verordnungen die Beteiligten darüber unterrichtet werden, dass die mitgliedstaatliche Entscheidung im Inland Berücksichtigung findet und sie (ab diesem Zeitpunkt) fristgebunden die Möglichkeit haben, die Anerkennung der Entscheidung ­ uGVVO im Inland aufheben zu lassen. Anders als im Anwendungsbereich der E darf dies den Schuldner aber selbstredend nicht dazu berechtigen, Sicherungsmaßnahmen gegen die Durchführung der Vollstreckung einzuleiten. Denn selbst wenn die Prüfung der Anerkennung der Entscheidung ergeben würde, dass sie aufgrund Verstoßes gegen einen Versagungsgrund der E ­ uGVVO aufzuheben ist, ändert dies nach der Konzeption der Vollstreckungsverordnungen nichts daran, dass die Wirkung der Vollstreckbarkeit nach wie vor besteht – und nur diese ist zur rechtmäßigen Vollstreckung (jedenfalls nach deutscher Konzeption) notwendig. Eine andere Frage ist wiederum, ob der Gläubiger gewillt ist, eine Entscheidung vollstrecken zu lassen, von der er befürchten muss, dass ihre Anerkennung – gegebenenfalls nach beendeter Zwangsvollstreckung – beseitigt wird, sodass das aus der Zwangsvollstreckung Erlangte zurückgewährt werden muss. Wie auch im Anwendungsbereich der ­EuGVVO gilt aber, dass dies im Risikobereich des Gläubigers liegt. Der Gläubiger kann, muss aber nicht, die (hier vereinfachte) Vollstreckung ohne Rechtssicherheit bezüglich der Anerkennung der anderen Entscheidungswirkungen betreiben. Schließlich bliebe ihm die Möglichkeit, die Anerkennung eigenständig positiv feststellen zu lassen (vgl. dazu soeben III. 3. d)). Mit Ablauf der einmonatigen Beseitigungsfrist nach der E ­ uGVVO stünde die Anerkennung ohnehin rechtsbeständig fest, es sei denn, sie wäre rechtzeitig angefochten worden. Damit bliebe es bei der Konzeption, dass die Vollstreckungsverordnungen die Anerkennung – auch hinsichtlich etwaiger Rückforderungsfragen bezüglich des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten – über die Wirkung der Vollstreckbarkeit hinaus nicht betreffen. Es wäre Sache des Schuldners, die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung bei aus seiner Sicht unrechtmäßiger Vollstreckung rechtzeitig anzufechten und gegen den Gläubiger sodann im Wege der Rückforderungsklage vorzugehen. Trotzdem würde auch der Vollstreckung aus den Vollstreckungsverordnungen hierdurch mehr Beständigkeit zukommen, denn nach (erfolglosem) Ablauf der Anfechtungsfrist stünde die Anerkennung der Entscheidung bindend fest und die Rückforderung wäre nicht mehr möglich, selbst wenn grundsätzlich einer der Versagungsgründe gegen die Anerkennung nach der ­EuGVVO einschlägig gewesen wäre. Das alles ist indes nur notwendig, wenn man nach wie vor bei der Konzeption bleibt, dass die Vollstreckungsverordnungen die Anerkennung anderer Wirkungen als der Vollstreckbarkeit nicht selbst regeln. Ob dies für diese Verordnungen zukünftig nicht doch in Betracht gezogen werden könnte, soll sogleich unter E. nochmals aufgegriffen werden. Im Übrigen wäre der Schuldner aber gehalten, die Vollstreckbarkeit und die Anerkennung selbst unabhängig voneinander anzugreifen, da sie sich nach zwei unter-

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schiedlichen Regimen richten. Das ist zur Effektuierung der Anerkennung und Vollstreckung im europäischen Rechtsraum wiederum wenig förderlich, aufgrund der mehrgleisigen Konzeption des Anerkennungsrechts derzeit aber unumgänglich.

V. Rechtsakte der ersten Generation Nicht nur die alte EuGVO und das LugÜ, sondern auch einige neuere Verordnungen sehen für die Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen nach wie vor ein Exequaturverfahren vor. Zuletzt wurde dieses in der EuGüVO und der EuPartVO erneut implementiert, die vollständig erst seit Januar 2019 gelten. Will man diese (neueren) Entscheidungen des europäischen Gesetzgebers respektieren und das Exequaturerfordernis im Anwendungsbereich dieser Verordnungen beibehalten, muss dieses in die Konzeption der Anerkennungsbeseitigung eingebaut werden.164 Anknüpfungspunkt können hier wiederum die §§ 1059 f. ZPO bilden, die Regelungen für Aufhebung inländischer Schiedssprüche im deutschen Zivilprozess treffen. Für die Beseitigung der Anerkennung gilt danach zunächst das bereits für die E ­ uGVVO Gesagte: Entsprechend § 1059 ZPO müssen diese Verordnungen die Beseitigung der Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Rahmen der oben genannten einmonatigen Frist gewährleisten. Mit Blick auf die Vollstreckung aus diesen Verordnungen stellt die – ungeprüfte – Erteilung des Exequatur den (spätesten)165 Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn zur Beseitigung der Anerkennung dar. Danach können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Erteilung des Exequaturs die Beseitigung der Anerkennung aufgrund Vorliegens eines Versagungsgrundes verlangen. Andernfalls steht die Anerkennung der Entscheidung bindend fest. Ist der in diesem Zeitraum erhobene Rechtsbehelf gegen die Anerkennung erfolgreich, ist damit gleichzeitig das erteilte Exequatur aufzuheben. Die prozessuale Gestaltungsklage gegen die Anerkennung stellt in diesem Zusammenhang gleichzeitig den Rechtsbehelf gegen die Erteilung des Exequaturs dar. Wurde die Anerkennung bereits vor Beantragung der Vollstreckbarerklärung beseitigt, steht dementgegen bereits bindend fest, dass die mitgliedstaatliche Entscheidung im Inland keinerlei Wirkungen entfalten kann, sodass es bereits an einer Grundlage für die Vollstreckbarerklärung fehlt und diese daher abzulehnen ist.

164 Zur Frage, inwieweit hier vom Exequaturerfordernis Abstand genommen werden sollte, vgl. unten 6. Kapitel F. III. 165 Wurde die Beseitigung der Anerkennung danach zuvor in einem Aufhebungsverfahren abgewiesen oder war die Frist zur Geltendmachung der Versagungsgründe bereits abgelaufen, können etwaige Versagungsgründe nicht mehr entgegengehalten werden (vgl. insoweit § 1060 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO). Das muss – anders als bei § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO – nach dem oben unter 6. Kapitel D. III. 4. Gesagten auch für einen etwaigen ordre public-Verstoß gelten.

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

VI. Zusammenfassung Mit der Umgestaltung der Konzeption des Anerkennungsregimes im europäi­ schen Zivilprozessrecht von einer mit der automatischen Anerkennung einhergehende automatischen Anerkennungsversagung hin zu einer zunächst unbedingten automatischen Anerkennung, die im Einzelfall fristgebunden angefochten werden muss, würden die derzeitigen Probleme, die das aktuelle Anerkennungssystem hinsichtlich der Frage der verbindlichen Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen hat, gelöst. Sobald eine EU-ausländische Entscheidung in einem Mitgliedstaat Beachtung findet und umgesetzt wird – sei es im Rahmen einer Vollstreckungsmaßnahme, sei es als Vorfrage in einem anderen Verfahren – müssen die Beteiligten über die Umsetzung der Entscheidung im Inland informiert und über ihre Rechtsschutzmöglichkeiten belehrt werden. Nach Ablauf der so gesetzten Frist steht die Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat unanfechtbar fest, es sei denn, es liegt ein Sonderfall vor, der aufgrund der Schwere des Verstoßes gegen einen Versagungsgrund die anfängliche Nichtigkeit der Anerkennung erfordert. Die gestaltende Beseitigung der Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung hat dabei – anders als die Feststellung der fehlenden Anerkennung nach aktueller Rechtslage – allgemeingültige Wirkung. Insbesondere für die Frage der Rückforderung des aus der Zwangsvollstreckung Erlangten gilt danach, dass diese nicht mehr möglich ist, sobald die Frist zur Geltendmachung der Versagungsgründe erfolglos verstrichen ist. Um schon vorher Rechtsklarheit zu erhalten, kann der Gläubiger die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung positiv feststellen lassen. Diesen Ausweg müsste er im Übrigen auch nehmen, wenn der Schuldner der Vollstreckung durch vorherige freiwillige Leistung zuvorkommt oder die Rückforderung des Erlangten in einem dritten Mitgliedstaat im Raum steht, denn ein Anknüpfungspunkt für die Präklusion der Beseitigungsmöglichkeit durch Fristablauf existiert im ersuchten Mitgliedstaat dann nicht. Andersherum muss der Schuldner im Vollstreckungsverfahren – allerdings nur, wenn die Vollstreckung nach der E ­ uGVVO erfolgt – Sicherungsmaßnahmen ergreifen können, um die Vollstreckung aus einer mitgliedstaatlichen Entscheidung, für die bereits die Beseitigung der Anerkennung beantragt wurde, zu unterbinden. Die so gegenüber dem status quo gesteigerte Rechtssicherheit dient damit letztlich der Effektuierung der europarechtlichen Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen. Dass zur Wahrung der Rechtssicherheit im Einzelfall der Verstoß gegen unionsrechtlich vorgesehene und bisher noch nicht abschaffungsreife Versagungsgründe perpetuiert wird, muss und kann hingenommen werden. Nicht nur scheint diese Beschränkung der Durchsetzung der Versagungsgründe mit Blick auf den Fortschritt der Integration des europäischen

E. Anerkennung nach den Vollstreckungsverordnungen? 

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Rechtsraums und des Ziels einer unbedingten Titelgeltung vertretbar. Dass Verstöße gegen europäisches Recht zur Wahrung der Rechtssicherheit hingenommen werden, ist dem europäischen Recht auch nicht unbekannt. Beispielsweise gilt im europäischen Verwaltungsrecht, dass auch unionsrechtswidrige Verwaltungsakte aufgrund ihrer Rechtsbeständigkeit nur in engen Grenzen wieder aufgehoben werden dürfen.166

E. Anerkennung nach den Vollstreckungsverordnungen? Nach dem oben Gesagten drängt sich mit Blick auf die Konzeption von Anerkennung und Vollstreckung nach den neuartigen Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation noch eine weitere Überlegung auf. Es stellt sich die Frage, ob nicht noch mehr Klarheit geschaffen werden könnte, wenn der Gleichlauf von Anerkennung und Vollstreckung (wieder-)hergestellt würde. Denn derzeit müssten diese auch nach der hier favorisierten Konzeption jeweils eigenständig beseitigt werden.167 Es bliebe weiterhin dabei, dass die Vollstreckungsverordnungen keine Aussage über die Anerkennung der Entscheidung treffen und insbesondere die Rückforderung des nach den Verordnungen Vollstreckten nicht verhindern können. Nachdem auch nach der reformierten E ­ uGVVO die Durchführung eines Exequaturverfahrens nicht mehr erforderlich ist, stellt sich außerdem die Frage, inwieweit die Verordnungen im Verhältnis zur ­EuGVVO (noch) einen Mehrwert aufweisen. Nach der hier bisher dargestellten Konzeption würde sich der Mehrwert der Vollstreckungsverordnungen – auch unter Zugrundelegung des neuen Beseitigungserfordernisses – darin erschöpfen, dass der Gläubiger die Vollstreckung aus der mitgliedstaatlichen Entscheidung betreiben könnte, ohne dass der Schuldner ihm Versagungsgründe im Vollstreckungsverfahren entgegensetzen und so die Vollstreckung unterbinden könnte. Vor der Rückforderung des dadurch Erlangten wäre der Gläubiger aber – jedenfalls innerhalb der hier favorisierten Frist zur Geltendmachung der Versagung – nicht geschützt. Um den Vollstreckungsverordnungen auch nach Abschaffung des Exequatur­ uGVVO weiterhin eine eigenständige verfahrens im Anwendungsbereich der E Bedeutung zukommen zu lassen, käme in Betracht, die Anerkennung der in den Anwendungsbereich der Vollstreckungsverordnungen fallenden Entscheidungen ebenfalls in diesen Verordnungen mitzuregeln.

166

S. hierzu Germelmann, S. 263 ff.; vgl. bereits oben bei 5. Kap., Fn. 124. Auch die Rechtskraft von Urteilen wird trotz Verstoßes gegen Unionsrecht geschützt, vgl. EuGH, Urteil v. 11.05.2000, Rs.  C-38/98, NJW  2000, S. 2185 Rn. 32; Urteil v. 17.03.2006, Rs- C-234/04, EuZW 2006, S. 241 Rn. 19 ff.; Stürner, FS Geimer 80, S. 727, 732. 167 S. dazu oben 6. Kapitel D. IV.

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

I. Anerkennung nach ­EuGFVO und ­EuMahnVO? Für ­EuGFVO und ­EuMahnVO deutet bereits die bestehende Grundkonzeption der hiernach generierten Titel darauf hin, dass diese Verordnungen nicht nur die Vollstreckung erleichtern, sondern auch die Wirksamkeit dieser Entscheidungen im Ganzen harmonisieren wollen. Das danach einheitlich und europarechtlich geprägte Erkenntnisverfahren zur Erlangung eines Europäischen Titels für geringfügige Forderungen oder eines Europäischen Zahlungsbefehls ist darauf ausgelegt, Titel aus den unterschiedlichen europäischen Mitgliedstaaten nicht nur im Ergebnis ihrer Wirkungen, sondern auch ihrer Entstehung gleichwertig zu machen. Diese Zielrichtung lässt sich auch den Erwägungsgründen entnehmen. So zielt die ­EuMahnVO nach ihrem Erwägungsgrund Nr. 9 auf die Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens im Ganzen ab. Gleiches gilt für die ­EuGFVO, die nach ihrem Erwägungsgrund Nr. 8 auf die Vereinfachung sowohl grenzüberschreitender Streitigkeiten, als auch der Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen abzielt.168 Auf eine Begrenzung der Regelungen der Verordnung auf die bloße Effektuierung der Vollstreckung, wie sie nach der derzeitigen Konzeption faktisch stattfindet, kann hier nicht geschlossen werden. Gleichwohl stünden der Ausweitung des Regelungsbereichs dieser Verordnungen auf die Anerkennung als solche gewichtige Bedenken entgegen. Nach dem oben unter B. Gesagten ist die (fast) unbedingte Titelfreizügigkeit – und insbesondere die Aufgabe eines ordre public-Vorbehalts – nur dann berechtigt, wenn hinreichendes Vertrauen in die Gleichwertigkeit der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen besteht bzw. das anwendbare Recht (vollständig) vereinheitlicht ist. Das ist derzeit aber weder im Anwendungsbereich der ­EuMahnVO noch der ­EuGFVO der Fall. Beide sehen zwar erstmals Regelungen für unionseinheitliche Erkenntnisverfahren vor, regeln dieses bisher aber nur fragmentarisch.169 Zwar wird mit dem im Ansatz vereinheitlichten Verfahren eine gewisse Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten geschaffen. Die vollständige Aufgabe der Letztkontrolle durch den ersuchten Mitgliedstaat rechtfertigt dies aber (noch) nicht. Mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs der ­EuGFVO und ­EuMahnVO auch auf die Anerkennung der in Frage stehenden Entscheidung würde also das Problem der Entkopplung gelöst. Damit würde gleichzeitig aber die unzulängliche Kontrollmöglichkeit dieser Verordnungen auch für die Anerkennung perpetuiert. Will man die Integration des europäischen Anerkennungsrechts nachhaltig vorantreiben, muss man diese Bedenken gegen die voreilige Integration auf zivilprozessualer Ebene ernst nehmen. Der „Integrationsdogmatismus“170 ist hier nur auf den 168

Vgl. auch die Erwägungsgründe Nr. 23 und 30 der ­EuGFVO. S. dazu oben 4. Kapitel A. 170 Oberhammer, JBl. 2006, S. 477, 499. 169

E. Anerkennung nach den Vollstreckungsverordnungen? 

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ersten Blick zielführend. Ohne vollständig harmonisiertes Verfahrensrecht und gerechtfertigtes Vertrauen in die Rechtsordnungen der anderen Mitgliedstaaten sollte dieser Schritt daher nicht vorgenommen werden.

II. Keine Anerkennung nach ­EuVTVO Auf die E ­ uVTVO können die genannten Erwägungen ohnehin nicht übertragen werden. Ein einheitliches Erkenntnisverfahren existiert hier nicht. Zwar soll durch das Erfordernis der Erteilung der Bestätigung nach Art. 9 E ­ uVTVO ein gewisses Maß an Gleichwertigkeit der Titelerlangung in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten sichergestellt werden. Die Bestätigung wird aber explizit für die Vollstreckung ausgestellt. Die Anerkennung, die im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat erfolgt, kann die E ­ uVTVO nach aktueller Konzeption also denklogisch nicht regeln.171 Damit muss es erst recht dabei bleiben, dass der Europäische Vollstreckungstitel unterschiedlichen Regimen für Anerkennung und Vollstreckung unterworfen ist. Während letztere den weniger strengen Regeln der ­EuVTVO folgt, richtet sich die Anerkennung nach der ­EuGVVO. Solange der europäische Gesetzgeber an der besonderen Vollstreckung als Europäischer Vollstreckungstitel festhält, ist dies unumgänglich.

III. Legitimation der Vollstreckungsverordnungen Bleibt es danach bei dem denkbar engen Anwendungsrahmen der Vollstreckungsverordnungen allein auf Vollstreckungsmaßnahmen, drängt sich die Frage auf, welche Daseinsberechtigung die Vollstreckungsverordnungen noch haben. Gegenüber der Vollstreckung nach der E ­ uGVVO scheinen sie nach Abschaffung des Exequaturverfahrens im Jahr 2015 keine wesentlichen Vorteile mehr zu bringen. Die ­EuGVVO hat die Vollstreckungsverordnungen und insbesondere die ­EuVTVO, die bei ihrem Inkrafttreten im Jahr 2005 Vorreiter für die Abschaffung von Zwischenmaßnahmen für die Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen und daher wichtiges Instrument der Integration im europäischen Zivilprozessrecht war, eingeholt. Nach derzeitigem Stand – und unabhängig davon, ob die Anerkennung automatisch nicht vorliegt oder beseitigt werden muss – hat die Vollstreckung aus den Vollstreckungsverordnungen gegenüber derjenigen aus der ­EuGVVO nur noch den Vorteil, dass gegen die Vollstreckung die weiteren Versagungseinwände der ­EuGVVO, insbesondere der ordre public-Vorbehalt, nicht eingebracht werden können. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung ist dies aber – gegebenenfalls im Rahmen einer hierfür gesetzlich festgeschriebenen

171

S. dazu oben im 4. Kapitel C. II.

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

Frist172 – beispielsweise im Rahmen eines Rückforderungsprozesses bezüglich des aus der Vollstreckung Erlangten möglich. Der Mehrwert der ­EuMahnVO und E ­ uGFVO ist dabei in der angelegten Vereinheitlichung des Erkenntnisverfahrens zur Erlangung genuin europäischer Titel zu sehen und für die Perspektive einer fortschreitenden Integration auf europäischer Ebene im internationalen Zivilprozessrecht daher bedeutsam. Die Vorteile ­ uVTVO sind – insbesondere mit Blick auf die damit einder Vollstreckung der E hergehenden Nachteile durch Notwendigkeit der Erlangung einer gesonderten Bescheinigung nach Art. 9 ­EuVTVO – hingegen denkbar begrenzt. Anders wäre das nur, wenn man  – wie oben bereits angesprochen173  – die Vollstreckung als Europäischen Vollstreckungstitel (und auch nach den anderen Vollstreckungsverordnungen) kondiktionsfest machen wollte. Dann könnten Versagungsgründe der ­EuGVVO, obwohl diese grundsätzlich für die Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung gelten, ihm Rahmen eines Rückforderungsbegehrens nicht mehr geltend gemacht werden. Hierfür bedürfte es einer klarstellenden Regelung dahingehend, dass eine Rückforderung des einmal im Wege der Vollstreckung aus den Vollstreckungsverordnungen Erlangten nicht mehr möglich ist. Dies scheint – ergebnisorientiert – zwar erstrebenswert, begegnet aber wesent­ lichen dogmatischen Bedenken (s. dazu bereits oben im 5. Kapitel D. II. 2. c) cc)). Entweder müsste eine unbedingte Anerkennung der Rechtskraftwirkung im Rahmen von Rückforderungsprozessen etabliert werden, was zu einer künstlichen Zersplitterung der Anerkennung ein und derselben mitgliedstaatlichen Entscheidung führen würde. Alternativ müsste man eine – von der Rechtskraftwirkung losgelöste  – Vollstreckungskraft annehmen, die dann den Rechtsgrund für das Behaltendürfen darstellen müsste. Eine solche Konstruktion ist nach der hier vertretenen Auffassung abzulehnen.174 Der Zwangsvollstreckung würde eine ihr, jedenfalls nach deutschem Rechtsverständnis, nicht zustehende übermäßige Bedeutung zukommen. Von einem bloßen Mittel der Zuhilfenahme staatlicher Macht zur Durchsetzung titulierter Forderungen und einer sich hieraus ergebenden Güterverschiebung würde sie die endgültige Güterverteilung selbst rechtfertigen. Die Zwangsvollstreckung würde zum Selbstzweck werden. Diese Konzeption würde außerdem zu Wertungswidersprüchen führen. Warum sollte die wichtige Folge der Güterverteilung aufgrund ausländischer Entscheidung nicht an den Versagungsgründen der E ­ uGVVO gemessen werden, die der euro 172

Unter Annahme einer Konzeption der fristwahrenden Anerkennungsbeseitigung, 6. Kapitel D. III. 3. c). 173 Vgl. 5.  Kapitel D. II. 2. c) cc). 174 S.  auch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 07.09.2010 zu der Umsetzung und Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (2009/2140(INI)), P7-TA(2010)0304, Nr. 4, wonach eine Vollstreckung vor Fristablauf oder Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens keine irreversiblen Folgen nach sich ziehen dürfe.

E. Anerkennung nach den Vollstreckungsverordnungen? 

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päische Gesetzgeber auch 2015 noch nicht bereit war aufzugeben, während die Anerkennung der übrigen Entscheidungswirkungen einer mitgliedstaatlichen Entscheidung diesen Regeln weiterhin unterworfen ist? Nach alledem bleibt es dabei, dass die Kondiktionsfestigkeit der Vollstreckung aus den Vollstreckungsverordnungen zwar rechtspolitisch vertretbar und sogar wünschenswert ist, dogmatisch aber nicht sauber konstruiert werden kann. Will man die Vollstreckungsverordnungen als Teil des Integrationsprozesses des europäischen Zivilprozessrechts beibehalten, so bleibt es dann also dabei, dass der Gläubiger die Wahl hat, welchem Vollstreckungsregime er den verfolgten Titel unterwerfen will. (Einziger) Vorteil der Vollstreckungsverordnungen wäre, dass die Versagung der Anerkennung im Wesentlichen erst in einem etwaigen Rückforderungsprozess geltend gemacht werden könnte. Dies wird praktisch denkbar selten vorkommen, doch wenn ein solcher Verstoß in Betracht kommen sollte (beispielsweise gegen den ordre public-Vorbehalt), hätte der Gläubiger hier insoweit einen Vorteil, als er zu seiner Befriedigung zunächst die titulierte Forderung eintreiben könnte und nicht Gefahr liefe, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Einlegung von Rechtsbehelfen vereitelt. Größtes Manko bleibt dabei die damit weiterhin bestehende Rechtszersplitterung des europäischen Zivilprozessrechts. Je nach Anwendungsbereich der unterschiedlichen Verordnungen gelten für unterschiedliche mitgliedstaatliche Entscheidungen unterschiedliche Anerkennungs- und Vollstreckungsregime.175 Die unterschiedlichen Entscheidungsarten des europäischen Zivilprozessrechts haben dabei unterschiedlichste Herangehensweisen und Abstufungen im Hinblick auf Wirksamkeit und Versagungsmöglichkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen im Inland.176 Tatsächlich wäre es daher begrüßenswert, wenn im gesamten europäischen Zivilprozessrecht jede erdenkliche anerkennungsfähige Entscheidung nach den gleichen Regeln anerkannt (bzw. vollstreckt) und ebenso versagt werden würde.177 Eine einheitliche Beurteilung aller Titel kann aber schon deswegen nicht erfolgen, weil diese auch mit Blick auf rein nationale Verfahren oder Verfahren mit Drittstaatenbezug unterschiedlichsten Regelungen unterworfen sind.178 Zusätzlich ist nicht einmal innerhalb der Europäischen Union eine einheitliche Anwendung der Anerkennungsregelungen gewährleistet, weil für einige Mitgliedstaaten 175 Vgl. Linton, EU Civil Justice, S. 257, 272; Isidro, EU Civil Justice, S. 283, 295 ff.; Thöne, S. 127. Vgl. auch Freitag, FS Kropholler, S. 759, 770, der auch aus diesem Grund die Anerkennung nach ­EuMahnVO und ­EuGFVO ablehnt. 176 S. nur die Regelungen zu den praktisch wichtigen Unterhaltstiteln nach der ­EuUnterhaltsVO, die danach unterscheiden, ob der jeweilige ersuchte Mitgliedstaat das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht aus 2007 unterzeichnet hat, vgl. Abschnitt 1 und 2 EuUnterhaltsVO. 177 Zur Rechtszersplitterung und für ein einheitliches Anerkennungs(versagungs)system Frackowiak-Adamska, CMLR 2015, S. 191 ff. 178 Vgl. zur „Dreiteilung“ des Zivilprozessrechts Stadler, IPRax 2004, S. 2, 3 ff.

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

im Wege der abgestuften Integration Sonderregelungen gelten.179 Eine einheitliche Regelung der Anerkennung im europäischen Rechtsraum würde außerdem zwangsläufig auf einen Kompromiss hinauslaufen. Umsetzbar wäre insoweit lediglich die flächendeckende Anwendung derjenigen Regelungen der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht, die allgemeingültig akzeptiert sind und nicht für bestimmte Sonderkonstellationen als kleinster gemeinsamer Nenner entwickelt wurden. Würde man beispielsweise die Regelungen der ­EuGVVO auf die Anerkennung (und Vollstreckung) aller mitgliedstaatlichen Entscheidungen ausnahmslos anwenden,180 würde dies hinsichtlich derjenigen Verordnungen einen Rückschritt darstellen, bei denen es nur noch stark eingeschränkte Versagungsmöglichkeiten gibt. Die fortschreitende Integration fördert dies nicht. Die Mehrspurigkeit des europäischen Anerkennungsregimes ist daher jedenfalls dort hinzunehmen, wo dies die Integration durch neuartige und weitergehende Konzeptionen fördert.181 Solange der grenzüberschreitenden Titelwirkung Versagungsgründe entgegenstehen können und müssen, ist es daher auch angezeigt, nach den jeweiligen Bedürfnissen des Rechtsgebietes Abstufungen hinzunehmen.

F. Änderungsvorschläge Mittelfristiges Ziel der Integration der Titelfreizügigkeit im europäischen Zivilprozessrecht muss die Bereitstellung prozessualer Mindeststandards in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen mit der Perspektive eines harmonisierten Erkenntnisverfahrens sein (s. oben unter B.). Hinsichtlich der unbedingten Titelgeltung sollte außerdem die Entwicklung eines einheitlichen europäischen ordre public vorangetrieben werden, der ebenso dazu beitragen würde, eigene Überprüfungserfordernisse im jeweiligen ersuchten Mitgliedstaat entfallen zu lassen (s. oben B. II. 1. c) bb)). In absehbarer Zukunft ist dies aber noch nicht erreichbar. Aktuell bleibt daher lediglich die Möglichkeit, das System der Anerkennung und ihrer Versagung mit den bestehenden Rahmenbedingungen schlüssig und praktikabel umzugestalten. Das soll hier im Wege einer von Anfang an bestehenden, aber gegebenenfalls anfechtbaren Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen erfolgen. Die Mehrspurigkeit des europäischen Anerkennungsregimes soll zur Förderung der weitergehenden Integration dabei zunächst beibehalten werden (s. dazu oben E. III.).

179

So z. B. für Dänemark und Irland; Thöne, S. 127; vgl. zum Ganzen auch Hess, FS Leipold, S. 237 ff. 180 S. zu diesem Vorschlag Frackowiak-Adamska, CMLR 2015, S. 191, 215 f. 181 S. dazu auch Hess, FS Geimer 65, S. 339, 361.

F. Änderungsvorschläge 

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I. ­EuGVVO Die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung steht im Anwendungsbereich der ­EuGVVO damit mit Erlass der Entscheidung fest. Anders als nach dem derzeitigen Konzept gilt dies grundsätzlich auch, wenn der Entscheidung in einem Mitgliedstaat ein Versagungsgrund entgegengehalten werden kann. In diesem Fall können die Beteiligten die Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat beseitigen lassen. Im Zeitpunkt der erstmaligen Umsetzung der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat werden sie hierüber von den zuständigen Stellen informiert und haben danach einen Monat Zeit, die Beseitigung der Anerkennung im Wege der prozessualen Gestaltungsklage zu verlangen. Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Umsetzung kann dabei die Vorlage der Bescheinigung über die anerkannte Entscheidung darstellen, wie sie derzeit in Art. 37 Abs. 1 lit. b und Art. 42 Abs. 1 lit. b sowie in Art. 53 ­EuGVVO kodifiziert ist. Sowohl die derzeit bestehenden inzidenten als auch eigenständigen Möglichkeiten der Geltendmachung der fehlenden Anerkennung müssen dabei entfallen. Gleiches gilt für die gesonderten Regelungen für die Vollstreckung. Nach dem oben Gesagten entfällt insbesondere die in Art. 46 ­EuGVVO gesondert geregelte Vollstreckungsversagung. In der Folge müsste die neu gestaltete Konzeption einen – an den heutigen Art. 45 angelehnten – Katalog an Gründen enthalten, bei deren Vorliegen die Anerkennung der in Frage stehenden mitgliedstaatlichen Entscheidung beseitigt werden könnte. Auf den Einwand des Art. 45 Abs. 1 lit. c ­EuGVVO, der bei widersprechenden Entscheidungen die im ersuchten Mitgliedstaat ergangene Entscheidung gegenüber einer ausländischen Entscheidung bevorzugt – und zwar unabhängig davon, welche Entscheidung zuerst ergangen ist  – sollte dabei verzichtet werden: Das fristgebundene Erfordernis der Beseitigung der Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen würde dazu führen, dass erst nach diesem Zeitpunkt ergehende inländische Entscheidungen, die grundsätzlich den Versagungsgrund des Art. 45 Abs. 1 lit. c auslösen würden, nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Die in lit.  c kodifizierte Bevorzugung der inländischen Entscheidung würde letztlich also nur noch in Abhängigkeit des Zeitpunkts der Umsetzung der mitgliedstaatlichen Entscheidung im Inland bestehen. Diese Zäsur erscheint mit Blick auf den Schutz der inländischen Entscheidungen fragwürdig. Da ohnehin zweifelhaft ist, ob dieser besondere Versagungsgrund notwendig und sinnvoll ist,182 sollte dieser Versagungsgrund vollends aufgegeben werden. Statt des missverständlichen Wortlauts des Art. 36 ­EuGVVO müsste eine Regelung weiterhin explizit die Beseitigung der Anerkennung, wie sie grundsätzlich von Erlass der mitgliedstaatlichen Entscheidung an besteht, anordnen. Anders als nach der aktuell geltenden E ­ uGVVO müssten die Regelungen über die Anerkennung 182

S. dazu bereits oben 3. Kapitel C. II. 3. 

270

6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen außerdem gleichsam für gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden gelten.183 Darüber hinaus sollte die Möglichkeit der positiven Feststellung der Anerkennung einer Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat in der Verordnung verankert werden. Eine derartige Konzeption der ­EuGVVO könnte hinsichtlich Kernregelungen folgendermaßen aussehen: Art. 36 [Automatische Anerkennung] (1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen sind in den anderen Mitgliedstaaten im Zeitpunkt ihres Erlasses anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf (Wirksamkeit). (2) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen sind in einem anderen Mitgliedstaat umgesetzt, sobald sie dort vor einer staatlichen Stelle erstmalig rechtliche Bedeutung erlangen (Umsetzung). Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Berechtigte die Bescheinigung nach Art. 53 ­EuGVVO vorlegt. (3) Abs. 1 und Abs. 2 sind auf gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden entsprechend anzuwenden. Art. 37 [Vorlegung der Entscheidung und der Bescheinigung; Hinweispflicht] (1) [unverändert] (2) [unverändert] (3) Wurde einer zuständigen Stelle eine mitgliedstaatliche Entscheidung zur Umsetzung vorgelegt, informiert sie die Beteiligten hierüber sowie über die Möglichkeit, gegen die Anerkennung der Entscheidung nach Maßgabe des Art. 46 vorzugehen. Insbesondere muss sie die Beteiligten über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch informieren. Art. 45 [Rechtswidrige Anerkennung] (1) Die Anerkennung einer Entscheidung ist rechtswidrig, wenn a) die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Mitgliedstaates offensichtlich widerspricht; b) dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte; c) die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat in einem Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwen­ digen Voraussetzungen für ihre Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat erfüllt, oder 183

S. dazu oben 2. Kapitel C. III.

F. Änderungsvorschläge 

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d) die Entscheidung unvereinbar ist i) mit Kapitel II Abschnitte 3, 4 oder 5, sofern der Beklagte Versicherungsnehmer, Versicherter, Begünstigter des Versicherungsvertrags, Geschädigter, Verbraucher oder Arbeitnehmer ist, oder ii) mit Kapitel II Abschnitt 6. (2) Die Anerkennung einer Entscheidung ist unwirksam, wenn sie gegen grundlegende Werte der europäischen Rechtsordnung oder des ersuchten Mitgliedstaates verstößt. Art. 46 [Beseitigung der Anerkennung] (1) Ist die Anerkennung einer Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat rechtswidrig, kann sie auf Antrag eines Beteiligten beseitigt werden. (2) Der Antrag auf Beseitigung der Anerkennung der Entscheidung ist innerhalb eines Monats nach Belehrung über die Umsetzung (§ 36 Abs. 2) der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat zu stellen. Er ist auch schon vor Umsetzung im ersuchten Mitgliedstaat statthaft. (3) Der Antrag auf Beseitigung der Anerkennung der Entscheidung ist an das Gericht zu richten, das der Kommission von dem betreffenden Mitgliedstaat gemäß Art. 75 Buchstabe a mitgeteilt wurde. Art. 47 [Feststellung der Anerkennung] (1) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das nach Art. 46 Abs. 3 zuständige Gericht die Anerkennung einer Entscheidung fest, wenn ihr keine Versagungsgründe nach Art. 45 Abs. 1 entgegenstehen. (2) Ist die Anerkennung aus einem der in Art. 45 Abs. 2 genannten Gründe unwirksam, können die Beteiligten auch die Feststellung der fehlenden Anerkennung begehren.

Eine im obigen Art. 37 Abs. 3 angesprochene Belehrung könnte folgender­maßen aussehen: Die im Anhang befindliche Entscheidung des [Gericht] aus [Mitgliedstaat] vom [Datum] ist in [ersuchter Mitgliedstaat] anerkannt und wurde durch Vorlage der Bescheinigung nach Art. 53 ­EuGVVO in [ersuchter Mitgliedstaat] umgesetzt. Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Schreibens kann Beseitigung der Anerkennung nach Art. 46 ­EuGVVO beantragt werden. Der Antrag ist in schriftlicher oder elektronischer Form an das [zuständige Gericht] zu richten.

Über die Anpassung dieser Kernregelungen hinaus, müsste schließlich auch das flankierende Beiwerk (zu Sicherungsmaßnahmen etc.) entsprechend angepasst werden. Das gilt beispielsweise auch für die Regelung zur Zuständigkeit nach Art. 75 lit. a) ­EuGVVO, die derzeit noch auf die Vollstreckungsversagung verweist.

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

II. ­EuVTVO, ­EuMahnVO, ­EuGFVO Nach dem oben Gesagten wäre es rechtsdogmatisch begrüßenswert, der Rechtszersplitterung der Anerkennung und Vollstreckung im europäischen Zivilprozessrecht entgegenzuwirken und diese lediglich nach einem einheitlichen Konzept – wie z. B. der ­EuGVVO – zu regeln. Das gilt insbesondere für die Regelungen der ­EuVTVO, die neben der reformierten ­EuGVVO nur noch bedingte Vorteile bringen. Dem steht letztlich entgegen, dass in einem sich zügig entwickelnden Anerkennungssystem diese für spezielle Anwendungsbereiche generierten Rechtssätze Vorreiter der Integration sind und neue Wege dort beschreiten können, wo dies für den allgemeinen Anwendungsbereich der ­EuGVVO noch zu früh erscheint. Hierfür lassen sich insbesondere die Regelungen der ­EuGFVO und der ­EuMahnVO anführen, die erstmalig Ansätze eines eigenen europäischen Erkenntnisverfahrens erkennen lassen. Aus diesem Grund sollte – auch wenn dies mit gewissen dogmatischen Abstrichen einhergeht  – die Mehrgleisigkeit des Anerkennungssystems des europäischen Zivilprozesses vorerst beibehalten werden – wohl wissend, dass jedenfalls mittelfristig eine Vereinheitlichung der Regelungen zur klaren und effektiven Anwendung des Anerkennungsrechts unausweichlich erscheint. ­ uVTVO, E ­ uMahnVO und E ­ uGFVO bestehen, so ist nach dem oben Bleiben E Gesagten jedenfalls eine Anpassung der Regelungen zur Klarstellung ihrer Funktionsweise angezeigt. Das gilt zunächst unabhängig davon, dass nach dem hier vorgestellten Konzept das System der Anerkennung und ihrer Versagung hin zu einem Beseitigungserfordernis reformiert werden soll. Denn jedenfalls kranken die aktuellen Regelungen dieser Verordnungen an Eindeutigkeit hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches mit Blick auf die Anerkennung der dort behandelten Entscheidungen. Nach hier vertretener Auffassung stellen sie besondere Regelungen zur Vollstreckung der mitgliedstaatlichen Entscheidungen dar und regeln die Anerkennung dieser Entscheidungen gerade nicht.184 Aus den Verordnungen ist dies indes nicht ohne weiteres erkennbar. Vielmehr sind ihrem Wortlaut widersprüchliche Aussagen zu entnehmen. Insoweit bedarf es im Text der Verordnungen jedenfalls einer Klarstellung, dass sich diese nicht auf die Anerkennung im Ganzen beziehen, sondern lediglich die Entscheidungswirkung der Vollstreckung betreffen. Zusätzlich müssen auch die Regelungen der Vollstreckungsverordnungen auf die Konzeption der Anerkennung und ihrer Beseitigung angepasst werden. So kann – und muss – die Vollstreckung nach den Vollstreckungsverordnungen zwar nach wie vor verweigert werden können. Auch dies darf zur konsequenten Umsetzung des Anerkennungsbeseitigungskonzepts aber nur innerhalb der nach der ­EuGVVO gesetzten Monatsfrist zur Beseitigung der Anerkennung möglich sein. Denn andernfalls wäre es denkbar, dass die Anerkennung der in Frage stehenden 184

S. dazu oben 4. Kapitel C.

F. Änderungsvorschläge 

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Entscheidung bindend feststeht und nicht mehr anfechtbar ist, der Vollstreckung – jedenfalls nach den Vollstreckungsverordnungen – aber nach wie vor Versagungsgründe entgegengehalten werden können. Das widerspräche dem grundlegenden und nach der hiesigen Vorstellung strikt einzuhaltenden Konzept des Gleichlaufs von Anerkennung und Vollstreckung. Auch in der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen nach den Vollstreckungsverordnungen muss also ein Akt der Umsetzung der anerkannten Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat gesehen werden, der die Monatsfrist zur Beseitigung der Anerkennung auslöst. Im Anwendungsbereich der Vollstreckungsverordnungen setzt die Umsetzung der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat damit sowohl die Frist zur Beseitigung der Anerkennung als auch der Verweigerung der Vollstreckung in Lauf. Dies erfordert einen Verweis in den Vollstreckungsverordnungen auf die Anerkennungsbeseitigung nach der ­EuGVVO, der das Regelungsnetz des europäischen Anerkennungs- und Vollstreckungsrechts zwar weiter verflechtet, um Rechtsklarheit mit Blick auf die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen zu haben aber unumgänglich ist. Die Vollstreckungsverordnungen sind insbesondere hinsichtlich der Vollstreckung und ihrer Verweigerungsmöglichkeit ähnlich aufgebaut. Nachfolgend sollen daher allein die Kernregelungen der ­EuVTVO, wie sie nach einer Reform des Anerkennungsregimes aussehen könnten, beispielhaft dargestellt werden: Art. 5 ­EuVTVO Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens Eine Entscheidung, die im Ursprungsmitgliedstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, wird in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung der Vollstreckbarkeit der Entscheidung angefochten werden kann. Art. 11 ­EuVTVO Wirkung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel entfaltet Wirkung nur für die Vollstreckbarkeit der Entscheidung. Die Anerkennung der übrigen Entscheidungswirkungen richtet sich nach den Regelungen der VO (EU) Nr. 1215/2012. Art. 20 ­EuVTVO Vollstreckungsverfahren (1) [unverändert] (2) [unverändert] (3) Wird die Vollstreckung einer Entscheidung nach diesen Vorschriften beantragt, so wird der Schuldner hierüber sowie über die Möglichkeit, gegen die Vollstreckung nach diesem Art. 21 E ­ uVTVO und gegen die Anerkennung der Entscheidung nach Maßgabe des Art. 46 ­EuGVVO vorzugehen, informiert. Art. 37 Abs. 3 Unterabsatz 2 ­EuGVVO gilt entsprechend. (4) [entspricht aktuellem Abs. 3] Art. 21 ­EuVTVO Verweigerung der Vollstreckung (1) [unverändert]

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6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

(2) [unverändert] (3) Der Antrag auf Verweigerung der Vollstreckung ist innerhalb eines Monats nach Belehrung über die Umsetzung der Entscheidung nach Art. 20 Abs. 3 einzulegen. Er ist auch schon vor Umsetzung im ersuchten Mitgliedstaat statthaft.

Für die ­EuMahnVO und die ­EuGFVO kann insoweit auf die Regelungen der ­ uMahnVO bzw. Art. 20 E ­ uGFVO würden ­ uVTVO verwiesen werden. Art. 19 E E inhaltsgleich Art. 5 ­EuVTVO entsprechen. Zur Klarstellung sollte die Regelung des Art. 11 ­EuVTVO – die bisher in ­EuGFVO und ­EuMahnVO nicht bekannt ist – als Abs. 2 in Art. 19 ­EuMahnVO bzw. Art. 20 ­EuGFVO übernommen werden. Art. 21 ­EuMahnVO bzw. Art. 21 ­EuGFVO entsprächen inhaltsgleich (mit den jeweils richtigen Verweisen) Art. 20 ­EuVTVO, Art. 22 ­EuMahnVO bzw. Art. 22 ­EuGFVO entsprächen ebenso Art. 21 ­EuVTVO.

III. Rechtsakte der ersten Generation Die Konzeption der automatischen Anerkennung aber zusätzlich notwendigen Vollstreckbarerklärung findet beispielsweise auch in den jüngsten Rechtsakten zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands (­EuGüVO) sowie in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften (EuPartVO) weiterhin Anwendung. Sie orientieren sich dabei im Wesentlichen an der EuErbVO und sehen aufgrund der „Sensibilität der Entscheidungen im Bereich des Familienrechts“185 das Erfordernis der Vollstreckbarerklärung weiter vor. Inwieweit das Festhalten an dieser zusätzlichen Zwischenmaßnahme im Gefüge des europäischen Zivilprozessrechts noch zeitgemäß ist, ist indes fraglich. Trotz zahlreicher Kritik an der stark fortschreitenden Integration auf der Ebene des Anerkennungsrechts – insbesondere mit Blick auf die Verordnungen der zweiten Generation und die Abschaffung wesentlicher Versagungsgründe – hat der in der ­EuGVVO gefundene Kompromiss doch eindrücklich gezeigt, dass der notwendige Schutz der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen und auch des Schuldners durch Abschaffung des Exequaturverfahrens unter gleichzeitiger Beibehaltung der Versagungsmöglichkeiten auch und trotz fortschreitender Integration umfassend gewährleistet werden kann. Danach dennoch am Erfordernis der Vollstreckbarerklärung festzuhalten, erscheint aus dieser Sicht rückständig.186 Sinnvoller wäre hier, für die Anerkennung und Vollstreckung auf die Regelungen der ­EuGVVO in ihrer 185 Bericht des Europäischen Parlaments über den Vorschlag einer Verordnung des Rates für die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands (COM(2016)0106  – C8–0127/2016  – 2016/0059(CNS)), A8–0209/2018, S. 8. 186 So auch MünchKomm-BGB / Dutta, Art. 43 EuErbVO Rn. 9; kritisch aber letztlich für eine Beibehaltung des Exequaturverfahrens Dutta / Weber / Weber, Art. 43 EuErbVO Rn. 1.

F. Änderungsvorschläge 

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aktuellen Fassung zu verweisen, sodass die Rechtsakte der ersten Generation mit dem Integrationsstand der ­EuGVVO gleichlaufen.187 Andernfalls müssten die Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckung aber auch in diesen Verordnungen an das hier vorgeschlagene Anerkennungskonzept angepasst werden: Hinsichtlich der Anerkennung müssen die derzeit bestehenden Regelungen dahingehend angepasst werden, dass sie neben der automatisch bestehenden Anerkennung das Beseitigungserfordernis kodifizieren. Die Regelungen zur Anerkennung, ihrer Rechtswidrigkeit sowie ihrer fristgebundenen Beseitigung können sich dabei an denjenigen der E ­ uGVVO orientieren, wie das auch nach der aktuell geltenden Rechtslage schon der Fall ist. Wie die Vollstreckbarerklärung in diese Konzeption eingearbeitet werden kann, lässt sich wiederum durch einen Blick auf das eingangs thematisierte Verhältnis zwischen Anerkennung und Vollstreckung herleiten: Trotz Vollstreckbarerklärung ist die Anerkennung nach wie vor Voraussetzung der Vollstreckbarkeit. Wenn also die Anerkennung durch gezielten Rechtsbehelf beseitigt werden kann, wird der Vollstreckung die Grundlage genommen. Eine hiervon unabhängige Beseitigung der Vollstreckbarerklärung, wie sie die aktuellen Rechtsakte der ersten Generation vorsehen, ist aus dieser Sicht überflüssig. Insoweit genügt es, wenn mit der Beseitigung der Anerkennung gleichzeitig auch ein gegebenenfalls bereits ausgestelltes Exequatur beseitigt wird. Eines eigenständigen Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung, wie er beispielsweise in Art. 49 ­­EuGüVO geregelt ist, bedarf es dann nicht mehr. Nachfolgend soll die mögliche Konzeption der Anerkennungsbeseitigung nach den Rechtsakten der ersten Generation am Beispiel der E ­ uGüVO dargestellt werden. Sie ist auf andere Rechtsakte dieser Kategorie entsprechend übertragbar.188 Anders als nach derzeitiger Rechtslage bedarf es im Anwendungsbereich der ­ uGüVO (und damit auch der EuPartVO) dabei auch einer zusätzlichen Regelung E zur Vorlage der Bescheinigung bei Umsetzung der mitgliedstaatlichen Entscheidung, wie sie im Übrigen in Art. 37 ­EuGVVO aber unter anderem beispiels­weise 187

Für eine solche dynamische Verweisung: MünchKomm-BGB / Dutta, Art. 43 EuErbVO Rn. 9; dagegen: Hess / Jayme / Pfeiffer, Stellungnahme zum Vorschlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung Version 2009/157 (COD) vom 16.01.2012, S. 12, 42, zu finden unter http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/note/join/2012/462430/IPOL-JURI_NT​ (2012)​462430_DE.pdf (zuletzt abgerufen am: 22.07.2020), die sich aber dennoch für die Abschaffung des Exequaturverfahrens aussprechen. 188 Soweit nach der EuEheVO (Art. 31 Abs. 2) die Versagungsgründe im Vollstreckbarerklärungsverfahren geprüft werden, müssten hier indes Anpassungen vorgenommen werden. Wird die Vollstreckbarerklärung aufgrund eines Versagungsgrundes abgelehnt, so muss damit gleichzeitig die Beseitigung der Anerkennung ausgesprochen werden (ähnlich § 1060 Abs. 2 S. 1 ZPO für die Aufhebung eines inländischen Schiedsspruchs bei Ablehnung der Vollstreckbarerklärung).

276

6. Kap.: Verbindlichkeit der Anerkennungsfrage – Lösungsansätze 

auch in Art. 37 EuEheVO gefordert wird. Warum der europäische Gesetzgeber die Vorlage der Bescheinigung im Anwendungsbereich der ­EuGüVO und der ­EuPartVO gemäß Art. 45 Abs. 3 lit. b nur noch für den Antrag auf Vollstreckbarerklärung bzw. das fakultative Anerkennungsverfahren (vgl. Art. 36 Abs. 2 ­EuGüVO) vorsieht, erschließt sich nicht. Eine reformierte Regelung der ­EuGüVO könnte folgendermaßen aussehen: Art. 36 Automatische Anerkennung (1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen sind in den anderen Mitgliedstaaten im Zeitpunkt ihres Erlasses anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf (Wirksamkeit). (2) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen sind in einem anderen Mitgliedstaat umgesetzt, sobald sie dort vor einer staatlichen Stelle erstmalig rechtliche Bedeutung erlangen (Umsetzung). Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Berechtigte die Bescheinigung, die von dem Gericht oder der zuständigen Behörde des Ursprungsmitgliedstaates ausgestellt wurde, vorlegt. (3) Abs. 1 und Abs. 2 sind auf gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden entsprechend anzuwenden. Art. 36a Vorlegung der Entscheidung und der Bescheinigung; Hinweispflicht (1) Eine Partei, die in einem Mitgliedstaat eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung geltend machen will, hat Folgendes vorzulegen: a) eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und b) die Bescheinigung, die von dem Gericht oder der zuständigen Behörde des Ursprungsmitgliedstaates unter Verwendung des – nach dem Beratungsverfahren nach Artikel 67 Absatz 2 erstellten – Formulars ausgestellt wurde. (2) Das Gericht oder die Behörde, bei dem oder der eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung geltend gemacht wird, kann die Partei, die sie geltend macht, gegebenenfalls auffordern, eine Übersetzung oder eine Transliteration des Inhalts der in Absatz 1 Buchstabe b genannten Bescheinigung zur Verfügung zu stellen. § 46 Abs. 2 S. 1 gilt entsprechend. Kann das Gericht oder die Behörde das Verfahren ohne eine Übersetzung der eigentlichen Entscheidung nicht fortsetzen, so kann es oder sie die Partei auffordern, eine Übersetzung der Entscheidung statt der Übersetzung des Inhalts der Bescheinigung zur Verfügung zu stellen. (3) Wurde einer zuständigen Stelle eine mitgliedstaatliche Entscheidung zur Umsetzung vorgelegt, informiert sie die Beteiligten hierüber sowie über die Möglichkeit, gegen die Anerkennung der Entscheidung nach Maßgabe des Art. 37a vorzugehen. Insbesondere muss sie die Beteiligten über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch informieren.

F. Änderungsvorschläge 

277

Art. 37 Rechtswidrige Anerkennung (1) Die Anerkennung einer Entscheidung ist rechtswidrig, wenn a) die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaates, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widersprechen würde; b) dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat die Entscheidung nicht angefochten, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte; c) sie mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat in einem Verfahren zwischen denselben Parteien wegen desselben Anspruchs ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, erfüllt. (2) Die Anerkennung einer Entscheidung ist unwirksam, wenn sie gegen grundlegende Werte der europäischen Rechtsordnung oder des ersuchten Mitgliedstaates verstößt. Art. 37a Beseitigung der Anerkennung (1) Ist die Anerkennung einer Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat rechtswidrig, kann sie auf Antrag eines Beteiligten beseitigt werden. Hat der Antrag Erfolg, spricht das zuständige Gericht gleichzeitig die Aufhebung einer bereits ergangenen Exequaturentscheidung aus. (2) Der Antrag auf Beseitigung der Anerkennung der Entscheidung ist innerhalb eines Monats nach Belehrung über die Umsetzung (§ 36 Abs. 2) der Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat zu stellen. Er ist auch schon vor Umsetzung im ersuchten Mitgliedstaat statthaft. (3) Der Antrag auf Beseitigung der Anerkennung der Entscheidung ist an das Gericht zu richten, das der Kommission von dem betreffenden Mitgliedstaat gemäß Art. 64 mitgeteilt wurde. Art. 37b Feststellung der Anerkennung (1) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das nach Art. 37a Abs. 3 zuständige Gericht die Anerkennung einer Entscheidung fest, wenn ihr keine Versagungsgründe nach Art. 37 Abs. 1 entgegenstehen. (2) Ist die Anerkennung aus einem der in Art. 37 Abs. 2 genannten Gründe unwirksam, können die Beteiligten auch die Feststellung der fehlenden Anerkennung begehren. Für die Vollstreckung müsste dann Folgendes gelten: Art. 42 Vollstreckbarkeit [unverändert] Art. 47 Vollstreckbarerklärung (1) [unverändert] (2) Die Entscheidung wird nicht für vollstreckbar erklärt, wenn die Entscheidung nicht anerkannt ist oder ihre Anerkennung beseitigt wurde.

7. Kapitel

Abschließende Gedanken A. Ausblick: Titelfreizügigkeit als rechtspolitisches Ziel Die Integration auf der Ebene der Titelfreizügigkeit im europäischen Rechtsraum ist keineswegs abgeschlossen. Erklärtes Ziel muss die vollkommene Titelfreizügigkeit im europäischen Rechtsraum und damit auch die vollkommene Abschaffung jeglicher Versagungsmöglichkeiten sein. Diese Arbeit hat gezeigt, dass das aktuell vorzufindende System der Anerkennung im europäischen Zivilprozessrecht in sich unschlüssig ist und das Konzept der Anerkennung selbst, insbesondere aber auch sein Verhältnis zur Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen, nicht widerspruchsfrei erklären kann. Diese Arbeit hat versucht, unter Zugrundelegung der aktuellen europäischen Gesetzeslage zu Anerkennung und Vollstreckung im europäischen Zivilprozessrecht Lösungen für die sich hieraus derzeit ergebenden Probleme zu finden. Ohne grundlegende Veränderung der Anerkennungskonzeption ist dies indes nicht möglich (s. dazu oben 6. Kapitel). Die Veränderung des Systems hin zu einer unbedingten Anerkennung mit Beseitigungsmöglichkeit kann hier zwar die derzeit bestehenden Probleme der Rechtsunsicherheit und fehlender Bindungswirkung der Anerkennung und der hierüber ergehenden Entscheidungen in den Mitgliedstaaten lösen (s. dazu 6. Kapitel D.). Dem Anspruch einer einfachen und effektiven Behandlung mitgliedstaatlicher Entscheidungen im EU-Ausland wird dies aber nur bedingt gerecht: Das für die Präklusion der Geltendmachung der Versagung zwingende Fristerfordernis und die sich hieraus ergebende Hinweispflicht erfordern einen bürokratischen Aufwand, der die Umsetzung mitgliedstaatlicher Entscheidungen im europäischen Rechtsraum nach wie vor schwerfällig erscheinen lässt. Auch das Zusammenspiel der unterschiedlichen Regelungsregime für Anerkennung und Vollstreckung – insbesondere mit Blick auf die Vollstreckungsverordnungen der zweiten Generation – lässt eine einfache und praktikable Handhabung vermissen. Letztlich bleibt es daher bei dem bereits oben aufgezeigten Ziel: Nicht nur aus rechtspolitischen Gründen zur Herstellung einer „immer engeren Union der Völker Europas“ (Art. 1 Abs. 2 EUV) und weitergehenden Integration des europäischen Justizraums, sondern auch zur Bereitstellung eines in sich stimmigen und effektiven Anerkennungssystems muss die Abschaffung der Versagungsgründe Ziel des Integrationsprozesses im europäischen Zivilprozessrecht bleiben. Hierfür spricht im Übrigen auch noch ein weiterer Aspekt: Wie in dieser Arbeit an vielen Stellen gesehen, kann die Wirkung der Anerkennung (und der Voll­streckung)

A. Ausblick: Titelfreizügigkeit als rechtspolitisches Ziel 

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wesentlich in prozessuale, aber vor allem auch materiellrechtliche Fragestellungen (wie zum Beispiel das Bereicherungsrecht) im ersuchten Mitgliedstaat eingreifen. An nicht wenigen Stellen war es für die Zwecke dieser Arbeit dabei das deutsche Recht, das als Referenzrechtsordnung eines ersuchten Mitgliedstaates herangezogen wurde und dessen Instrumente letztlich auch die Auswirkungen von Anerkennung und Vollstreckbarkeit im Inland prägen. Allein die Tatsache, dass die Auswirkungen der Anerkennung derzeit damit letztlich oftmals von der nationalen Rechtsordnung abhängen und so gegebenenfalls divergierende Ergebnisse erzielt werden, ist weiterer Anlass dafür, die Titelfreizügigkeit im europäischen Rechtsraum unangreifbarer und damit einheitlicher zu machen. Seit den Beschlüssen von Tampere und dem Haager Programm hat der europäische Gesetzgeber einige große Schritte hin zu einer solchen möglichst effektiven und an wenige Kontrollmechanismen gebundenen Freizügigkeit im Sinne einer unionsweiten Geltung mitgliedstaatlicher Entscheidungen gemacht. Mitgliedstaatliche Entscheidungen sollen im gesamten Unionsgebiet die gleichen Wirkungen entfalten.1 Dass es mit Blick auf den derzeitigen Stand der politischen Integration zu dieser unbedingten Freizügigkeit noch ein weiter Weg ist, steht außer Frage. Das europäische Zivilprozessrecht ist ein mustergültiges Beispiel dafür, wie die politische Integration der Europäischen Union durch Bedürfnisse der freien Warenwirtschaft und des Binnenmarkts vorangetrieben wird. Ohne effektive Regelungen zu Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus dem EU-Ausland verdient der europäische Binnenmarkt seinen Namen nicht. Können Forderungen grenzüberschreitend nicht geltend gemacht und durchgesetzt werden, ist ihr Wert im europäischen Rechtsraum stark vermindert. Aus dieser Sicht ist die Errichtung eines einheitlichen europäischen Rechtsraums unerlässlich. Ganz im Sinne der Marktfreiheiten darf ein Marktteilnehmer (hier: der Gläubiger) mit der Durchsetzung seines Titels in einem Mitgliedstaat nicht deswegen benachteiligt werden, weil es sich nicht um einen inländischen Titel handelt.2 Noch sprengt die Umsetzung einer bedingungslosen unionsweiten Geltung mitgliedstaatlicher Entscheidungen die nach wie vor herrschende Vorstellung nationalstaatlicher Souveränität. Der europäische Gesetzgeber ist aber auf gutem Wege, diese Hürde zu überwinden. Insbesondere mit den neuartigen Verordnungen, die eigene europäische Erkenntnisverfahren und nur noch stark eingeschränkte Versagungsmöglichkeiten kennen, wird auf ein System eines europäischen Territorialitätsprinzips hingearbeitet, in dem die nationalstaatlichen Grenzen keinerlei Hindernisse mehr darstellen.3 Dafür müssen prozessuale Regeln und Abläufe in 1

Vgl. u. a. Mitteilung Rat Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG C 12 v. 15.01.2001, S. 1, 5.  2 Die Anerkennung ist also eine Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbots; so auch Zöller / Geimer, Anh I, Art. 39 ­EuGVVO Rn. 6. 3 Vgl. Linke / Hau, Rn. 2.3.; s. auch Hess, ZSR 2005 II, S. 183, 197 f. Siehe zur Zukunft des europäischen Zivilprozessrechts auch Leible, FS Gottwald, S. 381 ff.

280

7. Kap.: Abschließende Gedanken

den einzelnen Mitgliedstaaten derart harmonisiert werden, dass das viel zitierte gegenseitige Vertrauen in die Justizsysteme der Mitgliedstaaten unionsübergreifend so gefestigt ist, dass es eine weitergehende oder vollständige Abschaffung von Kontrollmöglichkeiten bezüglich der Wirksamkeit von Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat rechtfertigt. Von der Einführung eines eigenen europäischen Verfahrensrechts ist das europäische Zivilprozessrecht – schon mangels entsprechender Kompetenzgrundlage4  – noch weit entfernt.5 Der europäische Gesetzgeber wählt daher – zu Recht – den Weg der Standardisierung von Prozesshandlungen.6 Der Rat führte in seiner Mitteilung zum Haager Programm hierzu bereits 2005 aus: „Die Effizienz der bestehenden Instrumente zur gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen sollte durch eine Standardisierung der Verfahren und Schriftstücke und die Festlegung von Mindeststandards für verfahrensrechtliche Aspekte – wie Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, Einleitung des Verfahrens, Vollstreckung von Entscheidungen und Transparenz der Kosten – verstärkt werden.“7 Das Europäische Parlament hat die Kommission in seiner Entschließung vom 04.07.2017 dazu aufgefordert, bis Juni 2018 einen Vorschlag für einen europäischen Rechtsakt für gemeinsame Mindeststandards im Zivilprozess vorzulegen und einen entsprechenden Vorschlag mit unterbreitet.8 Eine Reaktion der Kommission hierauf fehlt bisher. Es ist aber zu erwarten, dass hier in den kommenden Jahren weitere Schritte hin zu einer Harmonisierung des Verfahrensrechts unternommen werden, die weitere entscheidende Meilensteine zur unbedingten Titelfreizügigkeit im europäischen Rechtsraum darstellen werden.

B. Grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung? Interessant ist im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Titelanerkennung auch ein Blick auf die Frage der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung als solcher, also die Anerkennung von Vollstreckungshandlungen.

4

S. dazu oben 6. Kapitel B. II. 3.  So die Kommission in ihrer abschließenden Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: Bilanz des Tampere-Programms und Perspektiven, KOM (2004)401 endg., S. 10; vgl. Mansel, RabelsZ 2006, S. 651, 661. Ein solches einheitlich europäisches Zivilprozessrecht wäre im Gegensatz zum materiellen Recht aber einfacher durchzusetzen, weil es sich um „technisches Verfahrensrecht“ handelt; Hess, JZ 2001, S. 573, 581 f. 6 Dazu schon Hess, JZ 2001, S. 573, 581; ders., ZSR 2005 II, S. 183, 197 f. 7 Mitteilung Rat Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union, ABl. EU C 53 v. 03.03.2005, S. 1, 13.  8 Gemeinsame Mindeststandards des Zivilprozessrechts: Entschließung des Europäischen Parlaments vom 04.07.2010 mit Empfehlung an die Kommission zu gemeinsamen Mindeststandards des Zivilprozessrechts in der Europäischen Union (2015/2084(INL)), P8_ TA(2017)0282, Nr. 24. 5

C. Weltweites Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen? 

281

Die Vollstreckung aus einem in- oder ausländischen Titel ist eine grundlegend „lokale Angelegenheit“9. Während Titel seit jeher im internationalen Zivilprozessrecht unter bestimmten Voraussetzungen in einem anderen als dem Ursprungsstaat Grundlage der Zwangsvollstreckung sein können, scheint es doch überkommene Vorstellung zu sein, dass die Vollstreckung selbst allein Sache des jeweiligen Nationalstaates ist und einzelne Vollstreckungshandlungen im Ausland keine Wirkung entfalten können. So wurde die Frage der grenzüberschreitenden Vollstreckungshandlungen im europäischen Zivilprozessrecht dann auch gezielt nicht geregelt.10 Dass das europäische Zivilprozessrecht dies nicht grundsätzlich ausschließt, lässt sich beispielsweise an Art. 55 ­EuGVVO erkennen, der eine Ausnahmeregelung zur Vollstreckung von Vollstreckungsmaßnahmen anderer Mitgliedstaaten vorsieht.11 Auch die EuKtPfVO kann in diesem Zuge genannt werden. Sie dient zwar grundsätzlich nur einstweiligen Sicherungsmaßnahmen und nicht der endgültigen Befriedigung des Gläubigers, zeigt aber dennoch die Möglichkeiten auf, wie eine grenzüberschreitende Vollstreckung in der Europäischen Union aussehen könnte.12 Auch der EuGH scheint sich dieser Möglichkeit nicht zu verschließen. So hielt er in einem Urteil vom 18.10.2011 die Vollstreckung eines mitgliedstaatlichen Ordnungsgeldbeschlusses nach der ­EuGVVO für möglich.13 Der Durchsetzung von Zwangsmaßnahmen anderer Nationalstaaten auf eigenem Staatsgebiet stehen – mehr noch als bei der „bloßen“ Anerkennung ausländischer Titel – souveränitätsrechtliche Bedenken entgegen.14 Im Zuge der fortschreitenden Integration auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit wäre die Einführung europarechtlicher Standards aber auch hier wünschenswert.15

C. Weltweites Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen? Neben den Fortschritten des europäischen Zivilprozessrechts hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen seien an dieser Stelle auch die Bemühungen um ein weltweites Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen genannt. Die Haager Konferenz bemüht sich stetig um die 9

Domej, Internationale Zwangsvollstreckung, S. 446. Domej, Internationale Zwangsvollstreckung, S. 447; vgl. auch Schlosser-Bericht, ABl. EG C 59 v. 05.03.1979, S. 71, 131. 11 Vgl. dazu Geimer / Schütze /  E .  Peiffer / M.  Peiffer, Int. Rechtsverkehr, Art. 55 VO (EG) 1215/2012 Rn. 1 ff. 12 S. zur EuKtPfVO Domej, Internationale Zwangsvollstreckung, S. 312 ff. 13 EuGH, Urteil v. 18.10.2011, Az. Rs. C-406/09, GRUR 2012, S. 848 ff.; s. dazu Domej, Internationale Zwangsvollstreckung, S. 447. 14 Vgl. dazu Bitter, S. 8. 15 S. zur Frage der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung umfassend Domej, Internationale Zwangsvollstreckung, S. 481 ff.; vgl. auch Schack, FS Leipold, S. 317, 332. 10

282

7. Kap.: Abschließende Gedanken

Verabschiedung gemeinsamer weltweiter Regelungen des Anerkennungsrechts.16 Zuletzt hat sie hierzu im Mai 2018 im Rahmen ihrer Tagung einen weiteren Entwurf veröffentlicht.17 Zwar bleiben derartige weltweite Anerkennungsüberlegungen hinter der fortgeschrittenen Integration auf europäischer Ebene zurück. Die Einschränkung oder Aufhebung von Versagungsgründen kommt aus globaler Sicht nicht in Betracht. In Anbetracht eines globalisierten Wirtschaftsmarktes kann die Verabschiedung eines weltweiten Anerkennungsübereinkommens aber durchaus als sinnvoll erachtet werden.18

D. Zusammenfassung Diese Arbeit hat versucht, das Anerkennungsregime mitgliedstaatlicher Entscheidungen, wie es derzeit im europäischen Zivilprozessrecht bekannt ist, systematisch aufzubereiten. Dabei hat sich an vielerlei Stellen gezeigt, wie undurchsichtig, widersprüchlich und unklar die Konzeption der Anerkennung und insbesondere auch der Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen im europäischen Zivilprozessrecht ist. Obwohl die Anerkennung ausländischer Entscheidungen im internationalen Zivilprozessrecht schon lange thematisiert und gelebt wird und das Anerkennungsrecht im europäischen Rechtsraum insbesondere seit den Beschlüssen des Europäischen Rates von Tampere im Jahr 1999 im Integrationsprozess besondere Beachtung gefunden hat, lässt das geltende System eine dogmatische Stimmigkeit vermissen. Der europäische Gesetzgeber hat sich bei der Fortschreibung des europäischen Anerkennungsrechts vor allem von praktischen Erwägungen leiten lassen und dogmatische Grundlagen vernachlässigt. Darauffolgend kann nur versucht werden, die vom europäischen Gesetzgeber so geschaffene Rechtsrealität, dogmatisch sinnvollen Konstrukten zu unterwerfen. Basedow schreibt dazu im Jahr 1980 treffend: „Wenn der Kurs der Praxis unmißverständlich und unbeirrbar feststeht, kann eine Theorie nur noch die prozessuale Anerkennungspraxis, die sich sowieso schon durch die erwähnten Vorteile auszeichnet, zusätzlich durch eine dogmatische Fundierung legitimieren.“19 Dass dies nicht ohne weiteres und ohne – gravierende – dogmatische Abstriche möglich ist, ist naheliegend und wurde durch die Ergebnisse dieser Arbeit bestätigt. 16

S. zur Entwicklung Laugwitz, S. 17 ff. 2018 Draft Convention, Special Commission on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments (24–29 May 2018), zu finden unter https://assets.hcch.net/docs/23b6dac37900-49f3-9a94-aa0ffbe0d0dd.pdf (abgerufen am 22.07.2020). 18 So auch Gerasimchuk, S. 201 ff.; Laugwitz, S. 18; Schack, IZVR, § 1 Rn. 13 ff.; Walter, FS  Geimer  65, S. 1429, 1430. Mit Verweis auf die Bedeutung nach dem Brexit auch Hess, IPRax 2016, S. 409, 415 f. 19 Basedow, Anerkennung, S. 55. 17

D. Zusammenfassung 

283

I. Die Anerkennung und ihre Versagung Klarheit besteht derzeit lediglich hinsichtlich der Frage, wie eine Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat anerkannt wird: Dies geschieht – sowohl im europäischen als auch regelmäßig im internationalen Zivilprozessrecht – automatisch. Schon bei der Frage, wie sich diese automatische Anerkennung nun konkret ausgestaltet, ergeben sich erste Unsicherheiten. So ist davon auszugehen, dass die Entscheidung im Inland in dem Zeitpunkt automatisch anerkannt ist und Wirkung entfaltet, in dem sie Wirkungen auch im Ursprungsmitgliedstaat entfaltet – also in dem Zeitpunkt, in dem sie ergeht. Selbstverständlich ist das schon mit Blick auf die Terminologie nicht, denn die „Anerkennung“ legt einen aktiven Umsetzungsakt im ersuchten Mitgliedstaat nahe. Dass dieser für die Anerkennung (im Sinne der Wirksamkeit der Entscheidung) nicht erforderlich ist, wurde im 2. Kapitel A. IV. 3. e) dargestellt. Für die automatische Anerkennung bedeutet dies in der Konsequenz – und aus Sicht der europäischen Verordnungen noch viel weniger eindeutig, dass auch die Anerkennungsversagung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung in diesem Zeitpunkt bereits feststeht. Die automatische Anerkennung kann nur dann eingreifen, wenn der mitgliedstaatlichen Entscheidung kein Versagungsgrund entgegensteht. Ist dies doch der Fall, verhindert er die Wirkung der jeweiligen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat. Die Entscheidung ist von Anfang anerkannt oder eben nicht. Die (fehlende) Anerkennung wird von den ersuchten staatlichen Stellen nur noch festgestellt.

II. Die Anerkennung und die Vollstreckung Besondere Unklarheit besteht weiterhin hinsichtlich des Verhältnisses der Anerkennung zur Vollstreckbarkeit mitgliedstaatlicher Entscheidungen. Letztlich geht es im zivilprozessualen Anerkennungsrecht um die Frage, ob ein EU-ausländischer Titel im Inland wie ein inländischer Titel behandelt werden kann. Aus dem Territorialitätsprinzip folgt, dass es eines Befehls bedarf, mit dem der ausländische Titel beispielsweise in Deutschland Wirkung entfalten kann.20 Die Frage der Wirkungsentfaltung wird durch die Anerkennung eines ausländischen Titels beantwortet – die Vollstreckbarkeit ist lediglich ein Unterfall hiervon. Entscheidend für die Frage der Durchsetzung und Reichweite eines ausländischen Titels ist allein dessen Wirkung (die von der Anerkennung abhängt und eben nicht von der tatsächlich durchgeführten Vollstreckung). Der europäische Verordnungsgeber geht insoweit von einem inkonsequenten Bild von Vollstreckbarkeit und Anerkennung aus. Zugegeben ist die Frage der An 20

Vgl. Geimer, IZPR, Rn. 2776.

284

7. Kap.: Abschließende Gedanken

erkennung hinsichtlich anderer Entscheidungswirkungen bei nichtvollstreckbaren Urteilen, wie Feststellungs- und Gestaltungsurteilen, von besonderer Bedeutung, während sie bei Leistungsurteilen, die ihrerseits vollstreckt werden, in den Hintergrund gerät. Auch bei Leistungsurteilen wird die Frage der Anerkennung als solcher aber relevant. Die Vollstreckbarkeit ist nicht ein gleichwertiges Aliud zur Anerkennung, sondern setzt diese gleichermaßen voraus. Ein nicht anerkennungsfähiger Titel kann seinerseits dogmatisch grundsätzlich nicht Grundlage für eine Vollstreckung sein. Die Versagungsgründe dienen gerade der Verteidigung der eigenen Rechtsordnung hinsichtlich der Reichweite der Wirkungen ausländischer Entscheidungen im Inland und haben also vordergründig mit der Wirkung im Inland und nicht mit der Vollstreckung der Entscheidung zu tun. Dann ist aber kein Grund ersichtlich, warum die Versagungsgründe nicht allein im Rahmen der Anerkennung einer Entscheidung überprüft werden sollen. Im Falle der Vollstreckung im Zweitstaat muss der Schuldner sich dann also gegen diese (und nicht gegen die Vollstreckbarkeit) wehren. In der Konsequenz darf zwischen Anerkennung und Vollstreckbarkeit im Anerkennungsregime des europäischen Zivilprozessrechts grundsätzlich nicht mehr unterschieden werden.21

III. Die Anerkennung, ihre Versagung und ihre faktische Durchsetzung Scheinen damit die grundlegenden Eckpfeiler des Anerkennungskonzepts gesetzt, ergeben sich weitere, gravierende Probleme bei der Frage, inwieweit diese automatische Anerkennung, ihre Versagung und die Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen faktische Auswirkungen im ersuchten Mitgliedstaat haben kann. Unabhängig davon, dass die (fehlende)  Anerkennung der EU-ausländischen Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat im Zeitpunkt ihres Erlasses objektiv feststeht, ist doch unklar, wie sie im Inland behandelt wird. Ohne ausdrückliche Entscheidung über die (fehlende) Anerkennung bzw. Vollstreckbarkeit, die nur in seltenen Fällen ergeht, bleibt unklar, ob die Entscheidung anerkannt ist. Die (feh 21 So sieht das auch der Wirtschafts- und Sozialausschuss: „Da die in der Verordnung vorgesehenen Änderungen dem Grundsatz der „gegenseitigen Anerkennung“ zu allgemeiner Anwendung in ihrem Geltungsbereich verhelfen sollen, erscheint es nicht mehr konsequent, weiterhin zwischen „Anerkennung“ und „Vollstreckung“ zu unterscheiden.“, Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Grünbuch zur Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen“, ABl. EU C 255 v. 22.09.2010, S. 48, 52.

D. Zusammenfassung 

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lende) Anerkennung der mitgliedstaatlichen Entscheidung steht in der Regel nicht bindend fest. In konsekutiven Verfahren kann hierüber daher wiederholt divergierend befunden werden. Das betrifft die Frage der Anerkennung nicht nur als solcher, sondern kann sich insbesondere auch bei Fragen im Verhältnis zur Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen auswirken. Ohne bindende Entscheidung über die Anerkennung ist die Vollstreckung aus mitgliedstaatlichen Entscheidungen nicht kondiktionsfest. Ob der Gläubiger das aus der Zwangsvollstreckung Erlangte behalten darf, hängt nicht von der Vollstreckbarkeit, sondern der Anerkennung der Rechtskraft der jeweiligen Entscheidung ab. Allein die Wirkung der Vollstreckbarkeit in den neuartigen Vollstreckungsverordnungen Sonderregelungen zu unterwerfen, die die Versagung der Anerkennung für die Vollstreckbarkeit eingrenzen, effektuiert daher zwar die Vollstreckung an sich, hat auf die endgültige Güterverteilung aber keinen Einfluss. Einzige Lösung kann insoweit (langfristig) nur die (weitere) Abschaffung von Versagungsgründen für alle Entscheidungswirkungen und schließlich die unbedingte Titelfreizügigkeit sein. Das aktuelle Stadium der Integration ist hiervon indes noch weit entfernt. Die vorschnelle Fortschreibung der Integration – beispielsweise durch Abschaffung von ordre public-Vorbehalten – ist dabei kritisch zu sehen, denn sie trägt nicht zur Akzeptanz der europäischen Integration bei.22 Der Verzicht auf jegliche Letztkontrolle der Rechtsstaatlichkeit EU-ausländischer Titel kann nicht ohne entsprechende kompensierende Sicherungsmechanismen erfolgen. Sie käme allenfalls dort in Betracht, wo die Gleichwertigkeit der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen tatsächlich (und nicht – wie aktuell – nur ideologisch) das gegenseitige Vertrauen in die Rechtsordnungen der anderen Mitgliedstaaten rechtfertigt bzw. das anwendbare Recht umfassend harmonisiert ist.23 Unumgängliche Voraussetzung hierfür ist die Angleichung der Verfahrensstandards in den Mitgliedstaaten. Um im aktuellen Integrationsstadium dennoch ein effizientes und in sich schlüssiges Anerkennungsregime bereitzuhalten, sollte der europäische Gesetzgeber jedenfalls von der Konzeption der automatischen Anerkennungsversagung Abstand nehmen. Um hinsichtlich der Wirksamkeit EU-ausländischer Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat klare Rechtslagen zu schaffen, sollte – anders als bisher – die Anerkennung automatisch eintreten und bei Vorliegen der, nach wie vor notwendigen, Versagungsgründe lediglich eine (fristgebundene) Beseitigung der Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat möglich sein.

22

S. bereits die Nachweise in 6. Kap., Fn. 92, sowie Schack, FS Leipold, S. 317, 334; ders., IZVR, § 3 Rn. 123, wo es heißt: „Der Verzicht auf jegliche Ordre public-Kontrolle ist kein taugliches Mittel zur Förderung der Integration, er kann nur deren Folge sein.“ 23 Vgl. Hess, EZPR, § 3 Rn. 28 ff.

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Sachverzeichnis Anerkennung 23 – automatisch  32, 40, 45, 52, 74 – Begriff  29, 40 – Entscheidungen 49 – Historie  31, 44, 239 – Theorie  35, 53 – materiell-rechtliche 37 – prozessrechtliche 37 – quasivertragliche Regelung  36 – Verfahren 75 – Vermutung 175 – Voraussetzungen  105, 108 – Zeitpunkt  75, 79, 98 Anerkennungsbefehl  32, 35, 39, 49, 52, 75, 78, 97, 101 Anerkennungsversagung siehe auch Vollstreckungsversagung – automatisch 105 – Privatisierung  112, 120, 243 – Rückwirkung  109, 242, 246 – Rügeobliegenheit  110 f., 121, 160, 195 – Zeitpunkt  108 f. Anfechtbarkeit siehe Beseitigung der Anerkennung Auslegung, autonome  106, 189, 235 f. siehe auch Rechtskraftbegriff, europäischer Autonom nationales Recht  32 f., 90, 135, 201 Bescheinigung  87 f., 163, 250, 276 Beseitigung der Anerkennung  106, 110, 241, 243 Bestätigung  141, 144, 155, 230 Bindungswirkung  235 f. – inter omnes  59, 246 – inter partes  169, 175, 239 – Rechtsakte der ersten Generation  171, 179 – Rechtsakte der zweiten Generation  173, 180 – Umsetzung  161, 163

– Vollstreckung 178 Brüssel I-VO siehe EuGVO Brüssel Ia-VO siehe EuGVVO Brüssel IIa-VO siehe EuEheVO claw back statutes  185 comitas gentium  31, 36 Delibationsverfahren  40, 75, 78, 106, 155, 230, 240, 250 Demokratische Legitimation  38, 223 Disharmonie  170, 177 Doppelexequierung  49, 83 Drittstaatliche Entscheidungen  49 Drittwirkungen 59 effet utile  73, 195, 216, 252 EMRK  119, 224, 227, 233 Entscheidungswirkungen  58, 95, 101, 125 – Drittwirkungen 59 – Gestaltungswirkung 59 – Präklusionswirkung 59 – Rechtskraftwirkung  58, 60, 92, 94 – Tatbestandswirkung 60 – Vollstreckbarkeit 59 Erkenntnisverfahren, europäisches  142, 146, 220, 231–233, 266, 268 Erststaat siehe Ursprungsmitgliedstaat EuBagatellVO siehe EuGFVO EuEheVO  47, 52, 90, 100, 135, 154, 201 EuErbVO  47, 52, 90, 274 EuGFVO  46, 90, 136, 142, 159, 264, 272 – Anerkennung 157 – Anwendungsbereich 142 – Rechtskraftbegriff 149 EuGH De Wolf ./. Cox  63, 69 EuGH Hoffmann ./. Krieg  193, 197, 209, 253 EuGH Rs. C-456/11  64 f. EuGüVO  47, 52, 75, 90, 127, 274 EuGVO  90, 134

308

Sachverzeichnis

– Exequaturverfahren 84 – Rechtsbehelfssystem 193 EuGVÜ  20, 45, 65, 111, 113, 173, 193, 202, 236, 286, 295, 302 EuGVVO  46, 53, 269 – Anwendungsbereich 48 – Bescheinigung 87 – Rechtsbehelfssystem 194 – Rückforderungsklage 191 – Vollstreckungsversagung 86 EuInsVO  47, 52 EuKtPfVO 281 EuMahnVO  46, 90, 136, 144, 154, 264, 272 – Anerkennung 157 – Anwendungsbereich 144 – Rechtskraftbegriff 149 EuPartVO  47, 52, 75, 90, 127, 274 Europäische Integration  19, 30, 267, 279 Europäischer Titel  139, 143, 146 Europäischer Vollstreckungstitel siehe ­EuVTVO Europäischer Zahlungsbefehl siehe ­EuMahnVO EuUnterhaltsVO  47, 52, 90, 100, 136, 145, 151, 155 – Anwendungsbereich 145 – Haager Protokoll  145 EuVTVO  46, 90, 136, 140, 152, 206, 211, 230, 265, 272 – Anerkennung 156 – Bestätigung  141, 144, 155 – Verhältnis zu EuGVVO  142 EWG-Vertrag 45 Exequatur  84, 201 Exequaturverfahren  83 f., 134, 200, 261 – Abschaffung  46, 85 f., 88, 140, 274 – Bindungswirkung 172 – Funktionen 84 – Klauselerteilungsverfahren 84 Föderalismus 34 Fristerfordernis  193, 202, 209, 248 – Anknüpfungspunkt 249 – Länge 252 – starre Frist  249 Gestaltungsklage, prozessuale  243, 261 Gestaltungswirkung 59

Gleichlauf  96, 148, 158 f., 179, 212, 215 Grenzüberschreitender Bezug  71, 79, 229, 233, 238 Grundfreiheiten  44, 72, 222 – fünfte Marktfreiheit  45 Güterverteilung, endgültige  198, 203, 207, 211, 216, 266 Heidelberg Report  44, 293 Herkunftslandprinzip  44, 221 Hinweispflicht 251 IPR 43 IZPR  27, 32 – Historie 31 Kernpunkttheorie  68, 162 Kombinationslösung siehe Kumulationstheorie Kompetenzgrundlage  46, 48, 70, 150, 233, 245, 280 Kompromisslösung  86, 218, 221, 252, 268 kondiktionsfest  199, 205, 212, 215 Kumulationstheorie  56, 63 lex fori  57, 87, 151, 186 siehe auch anwendbares Verfahrensrecht LugÜ  47, 52, 89 Mindeststandards, prozessuale  144, 231, 233, 268, 280 Mitgliedstaat, ersuchter  26 notarielle Urkunden  51, 92, 99, 101 Notzuständigkeit  138, 214 ordre public  110, 115, 119, 224, 244, 255 – Abschaffung 115 – europäischer  228, 268 – Funktion 226 Perpetuierungswirkung  203 f. Präklusion  163, 192, 194, 202, 208, 237, 249 Präklusionswirkung 59 Prinzip rechtlicher Beachtlichkeit  101 Prozessurteile  50, 64 f. Prozessvergleiche  51, 92, 99, 101

Sachverzeichnis Rechtliches Nullum  40, 102, 112, 132, 160, 181 f., 184, 239 Rechtsakte der ersten Generation  89, 134, 171, 179, 274 – Entkopplung 181 – Exequaturverfahren 261 – Rückforderungsklage  200, 206 – Versagungsgründe 119 Rechtsakte der zweiten Generation  90, 93, 136, 139, 173, 180, 265 – Anerkennung  148, 151, 263 – Entkopplung  156, 158, 180 – Sinn und Zweck  211 – Verhältnis zu EuGVVO  148 – Versagungsgründe  119, 141, 147, 155 – Wirkungserstreckung 147 Rechtsanwendungsbefehl  141, 143 Rechtsbehelfe  120 f. – Bindungswirkung  164, 192 – Feststellungsklage  113, 123, 135, 164, 254 – Inzidente Prüfung  126, 135, 169, 243 – Zwischenfeststellungsklage  126, 170 Rechtsbeständigkeit  178, 187, 191, 212, 216, 235, 246, 253 f. Rechtskraftbegriff, autonomer siehe Rechtskraftbegriff, europäischer Rechtskraftbegriff, europäischer  63 f., 70, 149, 162 f., 168, 236 Rechtskraftwirkung  57 f., 60, 94, 169, 188 – Reichweite 61 Rechts(un)sicherheit  161, 176, 214, 219, 235, 239, 247, 252, 262 Rechtszersplitterung  71 f., 220, 231, 233, 267 Reformvorschlag 268 révision au fond  115, 189, 207 Rom II-VO  186 Rückforderungsklage  148, 183, 219, 247, 260 – Eingriffskondiktion 186 – Pfändungspfandrecht 187 – Rechtskraftwirkung 188 Schadensersatzansprüche  256, 258 Schiedssprüche  34, 51, 166, 242, 261 Supranationalität  39, 44, 223 f., 232, 256 Tatbestandswirkung 60

309

Territorialitätsprinzip  31, 38, 122, 145, 279 Titelfreizügigkeit, unbedingte  220, 243, 278 Umsetzung  80, 109, 161, 251 siehe auch Wirksamkeit Ursprungsmitgliedstaat  26, 141, 244 Verfahrensrecht, anwendbares  57 Vergleiche siehe Prozessvergleiche Versagungsgründe  74, 114, 269 siehe auch ordre public – Abschaffung  86, 136, 220, 234, 278 – Prinzip der Gegenseitigkeit  120 – Schutz des rechtlichen Gehörs bei Verfahrenseinleitung 116 – Widersprechende Entscheidungen  117 – Zeitpunkt 109 – Zuständigkeit  45, 120 Vertrauen, gegenseitiges  218, 229, 232, 245, 280 Verwaltungsaktslehre  246, 255 Vollharmonisierung  221, 231 Vollstreckbarerklärung siehe Exequaturverfahren Vollstreckbarkeit  21, 59, 81 f., 190 – Anerkennungsbefehl 97 – Begriff 82 – Bescheinigung 88 – Verhältnis zu Anerkennung  21, 81, 90 f., 96, 132, 178, 253 – Wirkungserstreckung  86, 96 Vollstreckung 82 Vollstreckungsfähigkeit  82, 91 – Begriff 82 Vollstreckungsklausel  85, 98, 141 Vollstreckungskraft  187, 198, 203, 210, 266 Vollstreckungsrechtsbehelfe, nationale  127 Vollstreckungsverordnungen  139, 259 siehe auch Rechtsakte der zweiten Generation Vollstreckungsversagung  86, 113 siehe auch Anerkennungsversagung – eigenständige  129, 134, 166 Vorfragenbindung  163, 236 Wirksamkeit 80 siehe auch Umsetzung – faktische  161, 175, 210, 241

310

Sachverzeichnis

Wirkung 76 Wirkungserstreckung  54, 56, 60, 62, 64, 86, 94, 147 Wirkungsgleichstellung  55, 84 Wirkungsverleihung siehe Wirkungsgleichstellung

Zwangsvollstreckung  82, 197 – grenzüberschreitend 280 – Sinn und Zweck  203 Zweitstaat siehe ersuchter Mitgliedstaat Zwischenverfahren siehe Exequaturverfahren