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German Pages 290 [450] Year 2011
IMMANUEL K ANT
Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes Historisch-kritische Edition
Mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von
lothar kreimendahl und michael oberhausen
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 631
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abruf bar. ISBN 978 - 3-7873-2160-5
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I N H A LT
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X III I. Die Bedeutung der Beweisgrundschrift X III | II. Die Beweisgrundschrift im Kontext der Schriften der frühen 1760er Jahre X X | III. Der Auf bau der Beweisgrundschrift X X V II | IV. Der ontotheologische Beweis und seine Vorgeschichte X X X | a) Das Vorspiel in den frühen Reflexionen 3703–3705 X X X II | b) Der Entwicklungsstand der Ontotheologie in der Allgemeine[n] Naturgeschichte X LII | c) Die erste ausführliche Präsentation der Ontotheologie in der Nova Dilucidatio LIV | V. Die Bedeutung der Metaphysica Alexander Gottlieb Baumgartens für die Begründung des ontotheologischen Arguments LX X X I | VI. Das ontotheologische Argument innerhalb der Beweisgrundschrift XCV III
Zur Textgestalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CX X X I Siglenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
CX LI
Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
CX LV
I. Primärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CX LV a) Zu Kants Lebzeiten erschienene separate Textausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CX LV b) Ausgaben innerhalb von Werkausgaben der Schriften Kants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CX LV c) Moderne Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CX LV II d) Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CX LV II II. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CX LI X
VI
Inhalt IMMANUEL KANT
Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes Vorrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Erste Abteilung, worin der Beweisgrund zur Demonstration des Daseins Gottes geliefert wird Erste Betrachtung. Vom Dasein überhaupt . . . . . . . . . 13 1. Das Dasein ist gar kein Prädikat oder Determination von irgendeinem Ding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Das Dasein ist die absolute Position eines Dinges und unterscheidet sich dadurch auch von jeglichem Prädikat, welches als ein solches jederzeit bloß beziehungsweise auf ein anderes Ding gesetzt wird . . . . . . 17 3. Kann ich wohl sagen, daß im Dasein mehr als in der bloßen Möglichkeit sei? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Zweite Betrachtung. Von der inneren Möglichkeit, insofern sie ein Dasein voraussetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Nötige Unterscheidung bei dem Begriff der Möglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die innere Möglichkeit aller Dinge setzt irgendein Dasein voraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Es ist schlechterdings unmöglich, daß gar nichts existiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Alle Möglichkeit ist in irgend etwas Wirklichem gegeben, entweder in demselben als eine Bestimmung oder durch dasselbe als eine Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 25 26
26
Inhalt
VI I
Dritte Betrachtung. Von dem schlechterdings notwendigen Dasein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Begriff der absolut notwendigen Existenz überhaupt . . . . . Es existiert ein schlechterdings notwendiges Wesen . . . . . . Das notwendige Wesen ist einig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das notwendige Wesen ist einfach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das notwendige Wesen ist unveränderlich und ewig . . . . . Das notwendige Wesen enthält die höchste Realität . . . . .
29 31 32 33 34 35
Vierte Betrachtung. Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. 2. 3. 4.
Das notwendige Wesen ist ein Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . Es ist ein Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38 40 40 42
Zweite Abteilung von dem weitläufigen Nutzen, der dieser Beweisart besonders eigen ist Erste Betrachtung, worin aus der wahrgenommenen Einheit in den Wesen der Dinge auf das Dasein Gottes a posteriori geschlossen wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Die Einheit in dem Mannigfaltigen der Wesen der Dinge, gewiesen an den Eigenschaften des Raums . . . . . . . . . . . . 45 2. Die Einheit im Mannigfaltigen der Wesen der Dinge, gewiesen an demjenigen, was in den Bewegungsgesetzen notwendig ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Zweite Betrachtung. Unterscheidung der Abhängigkeit aller Dinge von Gott in die m o r a l i s c h e und u n m o r a l i s c h e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
V III
Inhalt
Dritte Betrachtung. Von der Abhängigkeit der Dinge der Welt von Gott vermittelst der Ordnung der Natur oder ohne dieselbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Einteilung der Weltbegebenheiten, insofern sie unter der Ordnung der Natur stehen oder nicht . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Einteilung der natürlichen Begebenheiten, insofern sie unter der notwendigen oder zufälligen Ordnung der Natur stehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Vierte Betrachtung. Gebrauch unseres Beweisgrundes in Beurteilung der Vollkommenheit einer Welt nach dem Lauf der Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Was aus unserem Beweisgrund zum Vorzug der Ordnung der Natur vor dem Übernatürlichen kann geschlossen werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Was aus unserem Beweisgrund zum Vorzug einer oder anderer Naturordnung geschlossen werden kann . . . . . . . . 71
Fünfte Betrachtung, worin die Unzulänglichkeit der gewöhnlichen Methode der Physikotheologie gewiesen wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Von der Physikotheologie überhaupt . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Die Vorteile und auch die Fehler der gewöhnlichen Physikotheologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Sechste Betrachtung. Verbesserte Methode der Physikotheologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Ordnung und Anständigkeit, wenn sie gleich notwendig ist, bezeichnet einen verständigen Urheber . . . . . . . . . . . . 2. Notwendige Ordnung der Natur bezeichnet selbst einen Urheber der Materie, die so geordnet ist . . . . . . . . . 3. Regeln der verbesserten Methode der Physikotheologie . . 4. Erläuterung dieser Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85 86 89 90
Inhalt
IX
Siebte Betrachtung. Kosmogonie . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Eine Hypothese mechanischer Erklärungsart des Ursprungs der Weltkörper und der Ursachen ihrer Bewegungen gemäß den vorher erwiesenen Regeln . . . . . 104 1. Erweiterte Aussicht in den Inbegriff des Universums . . . . 2. Gründe für einen mechanischen Ursprung unserer Planetenwelt überhaupt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kurzer Abriß der wahrscheinlichsten Art, wie ein Planetensystem mechanisch hat gebildet werden können . . 4. Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107 110 113 118
Achte Betrachtung. Von der göttlichen Allgenugsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
Dritte Abteilung, worin dargetan wird: daß außer dem ausgeführten Beweisgrund kein anderer zu einer Demonstration vom Dasein Gottes möglich sei 1. Einteilung aller möglichen Beweisgründe vom Dasein Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfung der Beweisgründe der ersten Art . . . . . . . . . . . . 3. Prüfung der Beweisgründe der zweiten Art . . . . . . . . . . . 4. Es sind überhaupt nur zwei Beweise vom Dasein Gottes möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Es ist nicht mehr als eine einzige Demonstration vom Dasein Gottes möglich, wovon der Beweisgrund oben gegeben worden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129 130 132 135
138
Anmerkungen des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
X
Inhalt
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 A. Werke, aus denen Kant zitiert oder auf die er anspielt . . . 257 B. Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden . . 261
Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
VORWORT
Vor einiger Zeit ist der Verlag an den Unterzeichnenden mit dem Wunsch herangetreten, die aus den 1960er Jahren stammenden Ausgaben der vorkritischen Schriften Kants, die der Marburger Kant-Forscher Klaus Reich seinerzeit innerhalb der Reihe der »Philosophischen Bibliothek« herausgab, durch neue Editionen abzulösen. Mit der hier vorgelegten historisch-kritischen Ausgabe von Kants Beweisgrundschrift erfolgt der erste Schritt zur Realisierung dieses Vorhabens. Bei der Arbeit an dem ambitionierten Ziel, nicht nur eine Studienausgabe dieses Werks vorzulegen, sondern Kants Abhandlung erstmals in textkritischer Gestalt zu edieren, zeigte sich bald das Erfordernis, einen erfahrenen Kant-Philologen hinzuziehen. Dr. Michael Oberhausen konnte für diese Aufgabe gewonnen werden. So ergab sich folgende Arbeitsteilung: Oberhausen war in erster Linie für die Erarbeitung der Textgestalt zuständig, Kreimendahl verfaßte die Einleitung sowie die Anmerkungen. Den vorliegenden Band verantworten beide gleichermaßen. An der Erstellung des kritischen Textes haben mitgewirkt Patrick Alberti, M. A., Kerstin Koblitz, M. A., Daniel Lizius, Katrin Schneider, Pierre Schucht, Daniel Sievers und Lutz Spitzner. Matthias Wehry, M. A., hat darüber hinaus bei den bibliographischen Recherchen sowie der Literaturbeschaffung geholfen. Dr. Volker Dieringer und Armin Emmel, M. A., haben das Manuskript kritisch durchgesehen und wertvolle Vorschläge unterbreitet. Ihnen allen sei an dieser Stelle für ihre Unterstützung gedankt. Mannheim, im Frühjahr 2011
Lothar Kreimendahl
E I N L E I T U NG
I. Die Bedeutung der Beweisgrundschrift Kants Schrift Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes darf unter gleich mehreren Gesichtspunkten als ein herausragendes Werk der Philosophie gelten. In biographischer, entwicklungsgeschichtlicher und systematischer Hinsicht wie auch innerhalb der Geschichte der neuzeitlichen Metaphysik steht es beinahe einzigartig da. Der Philosoph schreibt die Abhandlung im Jahr 1762, also im Alter von 38 Jahren. Sie ist nicht nur die bei weitem umfangreichste, die er in den zwei Jahrzehnten zwischen dem Anfang der 1760er Jahre bis zur 1781 erscheinenden Kritik der reinen Vernunft verfaßt, sie ist auch, sieht man von der Nova Dilucidatio1 des Jahres Der vollständige Titel der Habilitationsschrift des Jahres 1755 lautet Principiorum Primorum Cognitionis Metaphysicae Nova Dilucidatio. In: Kant’s gesammelte Schriften. Hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften [und Nachfolgern]. Bd. I: Vorkritische Schriften I. 1747–1756. Berlin 1902, S. 385–416. Kants Schriften werden im folgenden nach der Akademie-Ausgabe unter Voranstellung von Ak zitiert. Römische Ziffern bezeichnen die Bandnummer, arabische die Seitenzahl, tiefgestellte die Zeile. Abweichend hiervon wird die mit KrV abgekürzte Kritik der reinen Vernunft zitiert nach: Kritik der reinen Vernunft. Nach der ersten und zweiten Original-Ausgabe neu hg. von Raymund Schmidt. Um das Sachregister von Karl Vorländer ergänzter Nachdruck Hamburg 1971. – Die Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels wird im folgenden für Belegzwecke mit ANG, die Nova Dilucidatio mit ND, Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes mit EmB abgekürzt. Zitate aus dem letztgenannten Werk entstammen mit Seiten- und Zeilengabe der vorliegenden Ausgabe. 1
X IV
Lothar Kreimendahl
1755 einmal ab, die ihrem äußeren Anlaß nach als eine Pfl ichtübung auf dem beabsichtigten akademischen Karriereweg anzusehen ist, seine im strengen Sinne erste philosophische Schrift überhaupt, die ohne einen zwingenden externen Grund verfaßt wurde. Für die Entwicklungsgeschichte des Kantischen Denkens zeigt sie, daß Kant zum Zeitpunkt ihrer Abfassung noch fest und allem Anschein nach unbeirrt von den Erschütterungen, die, wie er sehr wohl wußte, die Metaphysik zwischenzeitlich erreicht hatten,2 von der Möglichkeit der Gewinnung spekulativer Vernunfteinsicht überzeugt ist, ja die Beweisgrundschrift stellt durch ihr Thema und die Art und Weise seiner Behandlung einen nur selten erreichten Gipfel desjenigen Typs dogmatischer Metaphysik dar, gegen die sich der Philosoph später bekanntlich so entschieden wenden wird. Immerhin geht es dem Anspruch nach darum, die Existenz Gottes erstmalig und unwidersprechlich auf dem einzig möglichen Wege darzutun. Dieser Gottesbeweis wird zwar um seiner selbst willen geführt, trägt aber dennoch auch programmatischen Charakter, weil durch ihn pars pro toto die Konsolidierbarkeit der rationalen Theologie und darüber hinaus der Metaphysik insgesamt erwiesen werden soll. Es überrascht daher nicht, daß Kant ihn in der parallel verfaßten Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral als Beispiel für die Möglichkeit valider metaphysischer Erkenntnisse anführt.3 Er manifestiert sich in einem ontotheologischen Räsonnement von solcher Subtilität, wie sie vor Kant nicht erreicht worden war und im 19. Jahrhundert in den nur noch gelegentlich unternommenen Versuchen Man denke etwa nur an die 1748 ausgesprochene Empfehlung David Humes, Bücher derartigen Inhalts kurzerhand den Flammen zu überantworten, weil sie »[…] nichts als Blendwerk und Täuschung enthalten.« Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand. Übersetzt von Raoul Richter. 11., durchgesehene Aufl., mit neuer Einleitung und neuen Anmerkungen hg. von Jens Kulenkampff […]. Hamburg 1984, S. 193. 3 Ak II , 296 –297 . 32 07 2
Einleitung
XV
einer Reanimierung des ontologischen Argumentes einschließlich der von Hegel unternommenen Bemühungen nicht übertroffen wurde. Insofern ist die argumentative Klimax neuzeitlicher ontologischer Gottesbeweisführungen hier erreicht, die erst durch die modallogischen Überlegungen des 20. Jahrhunderts überboten wird.4 Aber auch die Physikotheologie wird hier zum Maximum ihrer Beweiskraft geführt. Im Gefolge der Karriere der Naturwissenschaften hatte sie im 17. Jahrhundert einen rasanten Aufschwung genommen und konstituierte mit dem Erweis von Gottes Existenz und seinen wesentlichen Eigenschaften den Kern der Religion des aufgeklärten Menschen, nämlich des Deismus. Stützte sie sich zunächst auf partikuläre Naturereignisse wie etwa den Lauf der Gestirne, um ausgehend von deren Schönheit und Zweckmäßigkeit innerhalb des Weltganzen die unmittelbare Hand Gottes in der Schöpfung aufzuzeigen, so läuterte sie sich nachfolgend sukzessiv, indem sie sich von zweckmäßig erscheinenden Einzelphänomenen der Natur5 als Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen verabschiedete und die ordUm so überraschender ist es, daß Kant in vielen neueren Untersuchungen, die dem ontologischen Gottesbeweis gewidmet sind, nur als Kritiker desselben in Erscheinung tritt, seine eigenen konstruktiven Versuche in dieser Absicht aber gar nicht oder bestenfalls marginal erwähnt werden. Letzteres trifft auch zu für die Studie von Kevin J. Harrelson: The Ontological Argument From Descartes to Hegel. Amherst, New York 2009, ersteres für den von Joachim Bromand und Guido Kreis herausgegebenen Sammelband: Gottesbeweise von Anselm bis Gödel. Frankfurt am Main 2011. 5 Einen Eindruck von der Vielfalt der hierbei zugrundegelegten Naturphänomene bietet ein Blick in das Verzeichnis einschlägiger Werke bei Johann Anton Trinius: Freydencker-Lexicon [ 11759 bzw. 1765 für die Erste Zugabe]. Ristampa anastatica. Con una premessa di Franco Venturi. Turin 1966, S. 608 ff. Zur Geschichte der Physikotheologie in Deutschland cf. Wolfgang Philipp: Das Werden der Aufklärung in theologiegeschichtlicher Sicht. Göttingen 1957 [= Forschungen zur systematischen Theologie und zur Religionsphilosophie Bd. 3]. 4
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Lothar Kreimendahl
nende Hand Gottes zunehmend in der Harmonie und Einheitlichkeit der wenigen Gesetze erblickte, die dieser der Natur bei der Schöpfung vorgeschrieben hatte. Kant greift derart verfeinerte physikotheologische Überlegungen auf und führt sie durch die Verbindung mit seiner Ontotheologie zum höchstmöglichen Grad an argumentativer Stringenz und Subtilität, den ihre Natur zuläßt. So stellt die Beweisgrundschrift eine Synthese in mehrfacher Hinsicht dar. Die Physikotheologie der 1755 publizierten Allgemeine[n] Naturgeschichte und Theorie des Himmels wird erneut und vertieft zum Thema gemacht, und zwar sowohl in affi rmativ-konstruktiver wie in kritisch-destruktiver Hinsicht. Die in diesem Werk behandelte Kosmologie und Kosmogonie,6 anhand deren die dortigen physikotheologischen Überlegungen entwickelt wurden, kehrt in der Beweisgrundschrift in II .vii zurück.7 Auf diesen Strang seiner Darlegungen weist Kant Kants Werk behandelt ausweislich seines Untertitels sowohl die kosmologische Frage nach der »Verfassung […] des ganzen Weltgebäudes« als auch die kosmogonische nach dessen »mechanische[m] Ursprunge« (Ak I, 215). Das stellt eine Erweiterung des Plans dar, den Kant in der Vorankündigung dieses Werks am Ende des kurzen Aufsatzes Untersuchung der Frage, ob die Erde in ihrer Umdrehung um die Achse […] einige Veränderung seit den ersten Zeiten ihres Ursprungs erlitten habe […] vom Sommer 1754 gegeben hatte. Damals war der Titel der Abhandlung ganz auf die genetische Frage der Entstehung des Kosmos ausgerichtet. Kant kündigt sie dort nämlich mit folgender Überschrift an: »Kosmogonie, oder Versuch, den Ursprung des Weltgebäudes, die Bildung der Himmelskörper und die Ursachen ihrer Bewegung aus den allgemeinen Bewegungsgesetzen der Materie der Theorie des Newtons gemäß her zu leiten« (Ak I, 19104–08 ; der ganze Titel von Kant hervorgehoben). Hiernach zu urteilen trat die kosmologische Fragestellung nach der systematischen Verfassung des Weltganzen erst später in Kants Blickfeld. Es ist dieser Aspekt, der für die Beweisgrundschrift als ganze genommen von Bedeutung ist. 7 Kant gliedert den Text der Beweisgrundschrift in »Abteilungen«, »Betrachtungen« und – nicht als solche ausgewiesene – »Nummern«, auf die im folgenden mit lateinischen Ziffern (große für die Abtei6
Einleitung
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selbst hin. Die im Zentrum der Abhandlung stehende Ontotheologie übernimmt der Philosoph der Substanz nach aus einem anderen seiner Werke der fünfziger Jahre, nämlich der bereits erwähnten Habilitationsschrift Nova Dilucidatio, wo er sie in Propositio VII erstmals der Öffentlichkeit präsentierte, doch ohne sie dort schon als Verstärkungsmoment der Physikotheologie fruchtbar zu machen. Es verdient Beachtung, daß Kant auf die eine dieser Quellen der vorliegenden Abhandlung, nämlich auf das naturphilosophisch-kosmologische Werk, ausdrücklich hinweist, die zweite aber, die metaphysisch-erkenntnistheoretische Abhandlung, mit keinem Wort erwähnt. Gleichwohl steht es außer Frage, daß der Gottesbeweis, den Kant im Einzig mögliche[n] Beweisgrund vorträgt, seinen unmittelbaren Vorläufer in dieser Schrift hat und sich von dem früheren nur in Nuancen unterscheidet. Die zentralen Themen der ersten Abteilung – die Ontotheologie – und der zweiten Abteilung – die Physikotheologie – sind also in zwei Werken des Jahres 1755 bereits behandelt worden, jedoch ohne jedweden expliziten Bezug aufeinander. Dieser wird erst hier hergestellt. Insofern präsentiert sich die Beweisgrundschrift als Ort der Zusammenführung von zentralen Lehrstücken der vorkritischen Metaphysik mit den umfänglichen naturwissenschaftlichen und naturphilosophischen Studien der 1750er Jahre. Neu hingegen ist die systematisch angelegte Kritik aller anderen Gottesbeweise, die Kant in der dritten Abteilung vorträgt. Damit stellt sich die Beweisgrundschrift entwicklungsgeschichtlich gesehen als aus der Synthese zweier Schriften hervorgegangener Kulminationspunkt der vorkritischen dogmatischen Metaphysik dar; systematisch betrachtet erhalten die Ontotheologie und die – auf sie gestützte – Physikotheologie hier die lungen, kleine für die Betrachtungen) und arabischen Ziffern für die Nummern Bezug genommen wird. So meint z. B. II .vi.4 die vierte Nummer der sechsten Betrachtung innerhalb der zweiten Abteilung.
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durchschlagendste Fassung, die ihnen zu erreichen jeweils möglich ist. Unter philosophiegeschichtlichem Blickwinkel greift Kant mit der Verfeinerung des ontologischen Arguments zum ontotheologischen und der darauf hin vorgenommenen Verbesserung der Physikotheologie in den Kernbestand rationaltheologischer Überlegungen ein und verleiht diesen hinsichtlich des Beweises von Gottes Existenz und seinen Eigenschaften ihre reifste Gestalt. Der zentrale ontotheologische Gedanke der Beweisgrundschrift, der die Demonstration der Existenz Gottes enthält, wird von Kant selbst zwar schon bald insofern fallengelassen, als mit ihm ein objektiver Beweisanspruch erhoben wird; er überlebt die grundlegenden Umbaumaßnahmen der Metaphysik nicht, die erstmals in der Inauguraldissertation des Jahres 1770 öffentlich dokumentiert 8 sind, und kann nach den Resultaten des ausgearbeiteten Kritizismus erst recht nicht länger aufrecht erhalten werden.9 Gleichwohl behält Kant die ihm zugrundeliegende Überlegung auch in der Kritik der reinen VerIm Umfeld der Arbeit an dieser Abhandlung tauchen Überlegungen auf, die eine Subjektivierung des ontotheologischen Gottesbegriffs einleiten und auf die im kritischen Hauptwerk präsentierte Lehre vom »Ideal der reinen Vernunft« vorausweisen (KrV A 595 ff. / B 595 ff.): »Wir erkenen also das Urwesen und dessen Nothwendigkeit […] relativisch aus dem Verhältnisse desselben zu unseren Begriffen von der Moglichkeit aller Dinge […]. Wir […] bedürfen es zur Vollendung unsrer Vernunft […].« R 4248; Ak XVII , 48101–07. 9 Josef Schmucker hat der Transformation der Ontotheologie bei Kant nachgespürt: Kants vorkritische Kritik der Gottesbeweise. Ein Schlüssel zur Interpretation des theologischen Hauptstücks der transzendentalen Dialektik in der Kritik der reinen Vernunft. Wiesbaden 1983, bes. Kap. 3: »Kants vorkritische Entwicklung vom ›einzig möglichen Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes‹ zum subjektiv gültigen Vernunftideal, S. 55–83 [= Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse. Jg. 1983, Nr. 2]. Cf. jetzt auch Robert Theis: L’ontothéologie kantienne avant 1781. In: Luc Langlois (Hg.): Années 1747–1781. Kant avant la »Critique de la Raison Pure«. Paris 2009, S. 40–45. 8
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XIX
nunft bei, freilich in subjektivierter Gestalt. Die derart depotenzierte Ontotheologie lebt dort in Form der Lehre vom »Ideal der reinen Vernunft«10 fort, fällt also keineswegs, was häufig übersehen wird, der im kritischen Hauptwerk vorgetragenen Prüfung sämtlicher Gottesbeweise schlechthin anheim. Damit weist sowohl dieses Lehrstück als auch die Gottesbeweiskritik des kritischen Hauptwerks in Kants vorkritische Phase und näherhin auf die Beweisgrundschrift zurück, deren Bedeutung für den Kritizismus hieraus erhellt. Biographisch betrachtet schließlich markiert die vorliegende Abhandlung den Höhepunkt und das letzte Zeugnis von Kants Zutrauen in die dogmatische Metaphysik aus der Zeit, als er noch glaubte, »[…] die Methode zu fi nden, das dogmatische Erkenntnis durch reine Vernunft zu erweitern.«11 Denn die nächste metaphysische Schrift, die 1765 abgefaßten Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik, zeigt bereits einen unter dem Einfluß Humes skeptisch gewandelten Philosophen.12 So wie er 1762/63 die Möglichkeit der Gewinnung solider Erkenntnisse in der Metaphysik stellvertretend anhand des zentralen Themas der rationalen Theologie erweisen wollte, so entzieht er dort jeder Hoffnung auf derartige Einsichten den Boden, indem er pars pro toto die rationale Psychologie destruiert. Damit ist auch das Ende der Überzeugungskraft eines Gottesbeweises eingeläutet, wie er hier geboten wird.
KrV A 567 ff. / B 595 ff. R 5116; Ak XVIII , 09602–03. 12 Dieser ernüchternde Einfluß Humes manifestiert sich erstmals in der Schrift Versuch den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen. Cf. dazu Lothar Kreimendahl: Kant. Der Durchbruch von 1769. Köln 1990, S. 113–116. 10 11
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II. Die Beweisgrundschrift im Kontext der Schriften der frühen 1760er Jahre Nach dem Abschluß des großen Werks der 1750er Jahre, der in der Mitte des Jahrzehnts erschienenen Allgemeine[n] Naturgeschichte und Theorie des Himmels, hatte sich Kant der Beförderung seiner akademischen Karriere gewidmet und zu diesem Zweck noch 1755 und in dem darauffolgenden Jahr die lateinischen Abhandlungen De Igne,13 die erwähnte Nova Dilucidatio sowie die Monadologia Physica14 verfaßt. In der unmittelbaren Folgezeit brachte er nur wenige kürzere Abhandlungen, hauptsächlich naturwissenschaftlichen Inhalts, sowie Vorlesungsankündigungen zu Papier. Anfang der 1760er Jahre fi ndet diese relative schriftstellerische Ruhe ihr Ende, und es kommt zu einer beinahe eruptiv zu nennenden Produktivität, die mit einem signifi kanten thematischen Wechsel der behandelten Gegenstände einhergeht. Kants naturwissenschaftliche oder naturphilosophische Interessen werden von philosophischen Fragestellungen im engeren Sinne abgelöst. Dieser Schaffensschub beginnt 1762, in dem Jahr, in dem als erste die Abhandlung über Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren erwiesen erscheint, und endet mit den 1766 publizierten Träume[n] eines Geistersehers. Innerhalb dieser Phase kommt dem Jahr 1762 besondere Bedeutung zu, denn Kant arbeitet damals gleichzeitig an vier Abhandlungen, die allesamt recht bald darauf, nämlich zwischen 1762 und 1764, erscheinen. Aufgrund dieser Schaffensdichte geben die nackten Daten der Publikation keinen Aufschluß über die Chronologie der Entstehung der Werke. So ist es nicht zu verwundern, daß die Meinungen bezüglich der 13
Meditationum Quarundam De Igne Succincta Delineatio. Ak I, 369–
384. Metaphysicae Cum Geometria Iunctae Usus In Philosophia Naturali, Cuius Specimen I. Continet Monadologiam Physicam. Ak I, 473–487. 14
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Abfassungsabfolge dieser vier Abhandlungen stark voneinander abweichen.15 Es handelt sich hierbei um folgende Texte. Die kurze Schrift Die falsche Spitzfindigkeit wurde am frühesten fertiggestellt.16 Es schließt sich in der relativen Chronologie die Beweisgrundschrift an, über deren Entstehen sogleich zu sprechen ist, gefolgt von der Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral. Diese Abhandlung erschien zwar erst 1764 und damit ein Jahr später als das vierte hier zu erwähnende Werk, der Versuch den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen, doch war die Arbeit an ihr spätestens am 31. Dezember 1762 abgeschlossen. Kant hatte sich mit ihr nämlich an der Preisaufgabe der Berliner Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1763 beteiligt, und das genannte Datum stellte die Ausschlußfrist für die Einreichung bei der Akademie dar. Nun ist diese relative Anordnung der Schriften nicht überzubewerten.17 Denn obschon die letzte von ihnen, die AbhandWalford / Meerbote informieren über die Ansichten der älteren Kant-Forscher wie Kuno Fischer, Hermann Cohen, Friedrich Paulsen und Benno Erdmann. Immanuel Kant: Theoretical Philosophy, 1755– 1770. Translated and ed. by David Walford in collaboration with Ralf Meerbote. Cambridge 1992, S. LVII [= The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant]. 16 Das kann mit einiger Sicherheit gesagt werden. Sie erschien wohl im Oktober 1762, dürfte also im Spätsommer oder Frühherbst 1762 abgeschlossen worden sein. Cf. die Angaben von Kurd Lasswitz in Ak II , 466 f., die sich u. a. auf Johann Georg Hamanns Brief an Johann Gotthelf Lindner vom 27. 10. 1762 sowie auf die Erwähnung der Schrift in Hamanns Hirtenbriefe[n] stützen. 17 Die hier angenommene relative Chronologie der vier genannten Schriften hat der Vf. sowohl seiner Abhandlung Kant. Der Durchbruch von 1769, a. a. O., als auch den Bänden Stellenindex und Konkordanz zu Immanuel Kants Preisschrift von 1762/64, zu den »Negativen Größen« und zur Vorlesungsankündigung für 1765/66. Erstellt in Zusammenarbeit mit Heinrich P. Delfosse und Michael Oberhausen. 2 Bde. Stuttgart-Bad Cann statt 2006 [= Kant-Index Bd. 46.1/2; FMDA III , 46.1/2], zu15
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lung über die Negative[n] Größen, den Keim zur schließlich erfolgenden desillusionierenden Einsicht Kants enthielt, daß sich auf dem Gebiet der Metaphysik keine verläßlichen Erkenntnisse gewinnen lassen, gibt es zumindest zwischen den drei anderen Abhandlungen so große Übereinstimmungen in inhaltlichen Grundüberzeugungen, daß es schwerhalten dürfte, in diesen Schriften deutlich abgrenzbare Entwicklungsphasen des Kantischen Denkens auszumachen. Die Daten bezüglich der Entstehung der Beweisgrundschrift sind sehr spärlich. Von Hamann erfahren wir, daß das bei Johann Jakob Kanter in Königsberg erschienene und auf 1763 vorausdatierte Werk um oder kurz nach Mitte Dezember 1762 die Presse verlassen hat.18 Um diesem Umstand Rechnung zu tragen und seine Stellung innerhalb der relativen Chronologie anzuzeigen, wollen wir dieses Werk mit der Jahreszahl 1762/63 zitieren. Unterstellt man nun einen gewöhnlichen Druckverlauf ohne nennenswerte Komplikationen, dann dürfte die Arbeit am Manuskript etwa Mitte Oktober des Jahres 1762 abgeschlossen worden sein.19 Kant selbst äußert sich nur in recht unbestimmter Weise in der Vorrede zur Entstehung dieses Werks. Es enthalte Betrachtungen, so teilt er mit, welche »die Folge eines langen Nachdenkens«20 seien. Wann und aus welchem Anlaß die Überlegungen eingesetzt haben, die zu dem vorliegenden Werk grunde gelegt. Unter den älteren Kant-Forschern war sie bereits von Benno Erdmann vertreten worden. Die Entwicklungsperioden von Kants theoretischer Philosophie. In: ders. (Hg.): Refl exionen Kants zur kritischen Philosophie. Aus Kants handschriftlichen Aufzeichnungen. Bd. II : Refl exionen Kants zur Kritik der reinen Vernunft. Leipzig 1884, S. XVII–XIX . 18 Brief an Friedrich Nicolai vom 21. 12. 1762: »[…] der einzige mögliche Beweisgrund hat eben die Preße verlaßen.« Johann Georg Hamann: Briefwechsel. 7 Bde. Hg. von Walther Ziesemer und Arthur Henkel. Frankfurt am Main 1955–79. Bd. II , S. 181. 19 Von dieser Annahme gehen auch Walford / Meerbote aus: Immanuel Kant: Theoretical Philosophy, 1755–1770, a. a. O., S. LIX . 20 EmB, 007 03–04.
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führten, sagt er nicht. Es ist aber vom Inhalt her klar, daß die Anfänge wenigstens sieben bis acht Jahre zurückreichen, denn die Beweisgrundschrift präsentiert sich, wie gesehen, als eine Art weiterentwickelte Synthese der beiden 1755 publizierten Abhandlungen. Nun sind diese beiden Werke des Jahres 1755 ihrerseits das Produkt einer längeren Reflexionszeit. Hinsichtlich der Allgemeine[n] Naturgeschichte und der darin sich dokumentierenden naturwissenschaftlichen Interessen Kants ist einerseits an sein erstes Werk zu erinnern, die in die 1740er Jahre zurückweisenden Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte,21 und sodann auch an die zwei Aufsätze des Jahres 1754, in denen Kant im weiteren Sinne Fragen der Geogenie erörtert.22 In dem ersten dieser Aufsätze über die Erdrotation stellt Kant selbst den Zusammenhang mit der Allgemeine[n] Naturgeschichte her, wenn er die dort vorgetragenen Betrachtungen als »eine Probe einer Naturgeschichte des Himmels« anspricht und das baldige Erscheinen dieses Werks ankündigt, in dem er den hier nur gestreiften Fragen »[…] eine lange Reihe Betrachtungen gewidmet […]« habe.23 Bezüglich der Nova Dilucidatio ist zu konstatieren, daß der in ihr vorgetragene Gottesbeweis in den Reflexionen 3703–3705 präludiert ist, die Kant im Zusammenhang seines ursprünglichen gefaßten, dann aber aufgegebenen Entschlusses zu Papier gebracht hat, an der für das Jahr 1755 von der Berliner Akademie der Wissenschaften gestellten Preisfrage über den Optimismus teilzunehmen.24 Letzteres ist weithin bekannt. Weniger bekannt scheint zu sein, daß der dem Beweis zugrundeliegende ontotheologische Gedanke auch in die Allgemeine Ak I, 1–181. Untersuchung der Frage, ob die Erde in ihrer Umdrehung um die Achse […] einige Veränderung seit den ersten Zeiten ihres Ursprungs erlitten habe […] (Ak I, 183–191) sowie Die Frage, ob die Erde veralte, physikalisch erwogen (Ak I, 193–213). 23 Ak I, 190 , 191 31 02–03. 24 Abgedruckt in Ak XVII , 229–239. 21
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Naturgeschichte einging, die auch unter diesem Gesichtspunkt mit Kants früherem Philosophieren in Verbindung steht, wenngleich derselbe dort nur äußerst knapp exponiert wird – so knapp, daß er vielleicht nur im Lichte des späteren ausführlichen Beweises als solcher zu würdigen ist.25 Tatsächlich also weist die Beweisgrundschrift selbst mit dem in ihrem Zentrum stehenden ontotheologischen Argument bis in die Anfänge von Kants philosophischer Produktivität zurück. Sie gibt damit auch Aufschluß über die ursprünglichen Motive und Ziele des Philosophen. Es waren hiernach Fragen religionsphilosophisch-metaphysischer Natur, wie sie in der gestellten Preisaufgabe zum Optimismus angesprochen waren, die am Anfang von Kants Beschäftigung mit der Philosophie im engeren Sinne standen. Zu dieser den Texten selbst zu entnehmenden langen Beschäftigungszeit mit dem Thema der Gottesbeweise paßt die Aussage von Kants frühem Schüler und Biographen Ludwig Ernst Borowski, der insbesondere über Kants erste Universitätsjahre als akademischer Lehrer verläßliche Auskünfte gibt. Er teilt mit, daß Kant, »[…] ehe er den Einzig möglichen Beweis des Daseins Gottes herausgab, […] eine Critik der Beweise für die Existenz Gottes (las) – ein halbes Jahr.«26 Das ist im Sinne einer Vorbereitung für die Abfassung der Beweisgrundschrift leicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, daß Kant zwar ausdrücklich weitestgehend von Widerlegungen anderer Autoren Abstand nehmen will 27 und – sieht man von der Gottesbeweiskritik der dritten Abteilung sowie der ablehnenden Prüfung der Defi nitionen von ›Existenz‹ in I .i.3 einmal ab, die drei andere bedeutende zeitge-
Kant kommt an zwei Stellen der Vorrede zur ANG sowie an einer Stelle innerhalb des 8. Hauptstücks des 2. Teils auf ihn zu sprechen. Cf. dazu unten, Abschnitt III. b) der Einleitung. 26 In: Rudolph Reicke (Hg.): Kantiana. Beiträge zu Immanuel Kants Leben und Schriften. Königsberg 1860, S. 32. 27 EmB, 008 24–26 . 25
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nössische Philosophen gegeben hatten 28 – in der Tat auch nicht in polemische Auseinandersetzungen eintritt. Aber so kann man nur sprechen, wenn man entsprechendes Material für derartige kritische Debatten zur Verfügung hätte. Die Gottesbeweiskritik der dritten Abteilung zeigt nun ein solches Maß an abgeklärter Auseinandersetzung, wie sie nur durch lange Beschäftigung mit dem Thema erreicht werden kann. Außerdem nimmt Kant an drei Stellen der Beweisgrundschrift auf namentlich nicht benannte »andere« Autoren Bezug, die sich zu Fragen der Gottesbeweisproblematik geäußert haben.29 Auch das spricht für die Richtigkeit der Mitteilung Borowskis, daß der Philosoph bei der Abfassung des Werks auf eine längere Auseinandersetzung mit seinem Thema zurückblicken konnte. Aber selbst nach der Publikation der Beweisgrundschrift hat Kant die Thematik der Gottesbeweise nicht verlassen. Friedrich Wilhelm Schubert berichtet, daß Kant bis zum Jahr 1770 »[…] nebenbei […] noch Specialvorträge zur Kritik der Beweise für das Daseyn Gottes […]« gehalten habe, 30 mit diesen Vorlesungen aber aus Zeitgründen auf hörte, als er 1770 Professor geworden war. Diese Angabe wird durch den Befund einer recht großen Anzahl einschlägiger Notizen unterstützt, die ab dem Anfang der 1760er Jahre31 bis zum Herbst 1770 32 entstanden sind. Die Nachrichten von Borowski und Schubert schließen einander also keineswegs aus, so daß man sie nicht im Sinne eines entweder – oder beNämlich Christian Wolff, Alexander Gottlieb Baumgarten und Christian August Crusius. 29 EmB, 006 , 131 , 134 . 15 08 02 30 Friedrich Wilhelm Schubert: Immanuel Kant’s Biographie. Zum grossen Theil nach handschriftlichen Nachrichten dargestellt. Leipzig 1842, S. 39, 66 [= Immanuel Kant’s Sämmtliche Werke. Hg. von Karl Rosenkranz und Friedrich Wilhelm Schubert. 11. Teil, 2. Abt.]. 31 Cf. etwa R 3732, 3733, 3735, 3761, 3776, 3795, 3811, 3830, 3888, 3890, 3901, 3907, 3931; Ak XVII , 273 ff. 32 Cf. aus der Reflexionsphase λ allein die R 4242–4269; Ak XVII , 476–489. 28
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urteilen muß, wie Emil Arnoldt es zugunsten der Angabe Schuberts getan hat.33 Doch obschon die im Beweisgrund präsentierten Überlegungen auf eine recht lange Entstehungsgeschichte zurückblicken, vermag Kant nur »ein mühsam gesammeltes Baugerät« 34 anzubieten, aus dem die brauchbaren Stücke vom Kenner der Materie allererst noch herauszusuchen sind. Auf vergleichbare Formulierungen stößt man wiederholt in der Vorrede. Seine Darlegungen verlangen noch, so teilt Kant selbstkritisch mit, »die letzte Hand des Künstlers,« tragen sie doch noch »das Merkmal einer unvollendeten Ausarbeitung an sich.« Er entschuldigt dies mit zeitaufwendigen »verschiedene[n] Beschäftigungen« 35. Damit dürfte er wohl in erster Linie die Ausarbeitung der oben genannten Abhandlungen meinen,36 die er zeitgleich unter den Händen hatte, darüber hinaus aber auch seine akademische Lehrtätigkeit, wenngleich er diese für die drei Semester vom Sommer 1762 bis Sommer 1763 stark reduziert hatte.37 Emil Arnoldt: Möglichst vollständiges Verzeichnis aller von Kant gehaltenen oder auch nur angekündigten Kollegia. In: ders.: Gesammelte Schriften. Hg. von Otto Schöndörffer. Bd. V: Kritische Exkurse im Gebiete der Kant-Forschung. Teil 2, Berlin 1909, S. 229. 34 EmB, 006 . 17 35 EmB, 006 , 007 27 04–06 . 36 Manfred Kühn freilich möchte diese Äußerung auf Kants »gesellschaftliche Verpfl ichtungen« beziehen und läßt Hinweise auf Kants übrige Publikationstätigkeit (»Zwar mag es auch noch andere philosophische Vorhaben gegeben haben […]«) sowie seine Belastung durch den Lehrbetrieb (»Daß die Vorbereitungen für seine Vorlesungen mehr als gewöhnlich störten, ist noch weniger wahrscheinlich.«) nicht gelten. Kant. Eine Biographie. Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. München 2007, S. 170, 541. 37 Hatte er im Wintersemester 1761/62 wahrscheinlich noch 24 Stunden wöchentlich gelesen, so kündigte er für den Sommer 1762 nur Logik und Metaphysik und für Winter 1762/63 zusätzlich zu abermals Logik und Metaphysik noch Mathematik im Gesamtumfang von dann 12 Stunden an (Arnoldt: Möglichst vollständiges Verzeichnis aller von Kant 33
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III. Der Aufbau der Beweisgrundschrift In der Tat erweckt die Abhandlung den Eindruck einer gewissen Unausgewogenheit. So sind die drei Abteilungen, aus denen sie besteht und die Kant am Ende der Vorrede in einem Satz recht knapp mit ihrer jeweiligen Hauptintention umreißt, von sehr unterschiedlichem Umfang. Bezogen auf den Gesamtwortbestand der Schrift 38 entfallen 4,77 % auf die Vorrede, 22,72 % auf die erste, aber fast das dreifache, nämlich 64,57 % auf die zweite und nur 7.93 % auf die letzte Abteilung.39 Würde man aus den quantitativen Anteilen Rückschlüsse auf die argumentative Gewichtung ziehen, ginge man jedoch fehl. Tatsächlich fällt der kurzen ersten Abteilung, die an die einschlägigen Ausführungen der Propositio VII der Habilitationsschrift anschließt, die argumentative Hauptlast zu, denn hier wird die ontotheologische Überlegung als die »einzig mögliche« entwickelt, die einen Gottesbeweis im strengen Sinne zu tragen vermag. Die zweite Abteilung kann gemessen an der im Titel wie in der Vorrede benannten eigentlichen Zielsetzung der Schrift nur nachgeordnetes gehaltenen oder auch nur angekündigten Vorlesungen, a. a. O., S. 195). Arnoldts verwundert ungläubige Frage, »[…] sollte Kant in diesem Semester [sc. 1762, Hg.] nicht mehr Kollegia gelesen haben? Wenn er noch andere las, warum hatte er sie nicht angekündigt?« (ebd.), dürfte in dieser Mehrfachbeschäftigung eine zureichende Antwort fi nden. 38 Der Text besteht aus 34 054 Wörtern. Lothar Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«. Erstellt in Zusammenarbeit mit HansWerner Bartz, Heinrich P. Delfosse und Michael Oberhausen. Unter Mitwirkung von Katja Weckesser. Stuttgart Bad-Cannstatt 2003, bes. S. XLV [= Kant-Index Bd. 38; FMDA III , 45]. 39 Theis stellt in der Einleitung zu seiner Übersetzung eine analoge Berechnung an, läßt aber die Vorrede unberücksichtigt und kommt deshalb zu minimal abweichenden Ergebnissen. L’unique argument possible pour une démonstration de l’existence de Dieu. Introduit, traduit et annoté par Robert Theis. Paris 2001, S. 47 f.
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Interesse beanspruchen, denn hier geht es darum, die Nützlichkeit des zuvor entwickelten Beweises darzutun. Das geschieht durch seine Fruchtbarmachung zur Verbesserung der Physikotheologie. Werkgeschichtlich betrachtet bedeutet dies, daß den beiden genannten früheren Publikationen als Quellen der Beweisgrundschrift durchaus nicht gleiche Bedeutung zukommt; tatsächlich fußt sie in ihrem metaphysischen Kerngehalt stärker auf der mit Stillschweigen übergangenen metaphysischen Abhandlung von 1755 als auf der ausdrücklich erwähnten kosmologischen Schrift desselben Jahres. Die dritte Abteilung schließlich ist in dem Sinne innovativ, als die hier vorgetragene Gottesbeweiskritik, die in den Hauptpunkten die entsprechenden Ausführungen der Kritik der reinen Vernunft 40 antizipiert, ohne Vorläufer in früheren Werken Kants ist.41 Zwar hatte er 1755 in der Nova Dilucidatio bereits den Cartesischen Gottesbeweis der fünften Meditation einer ablehnenden Prüfung unterzogen,42 aber eben nur diesen.43 Die Zuspitzung seiner Beanstandungen KrV A 583–A 630 / B 611–B 658. Cf. Schmucker: Kants vorkritische Kritik der Gottesbeweise, a. a. O., bes. Kap. 1: »Kants Stellung zu den Gottesbeweisen zur Zeit der Habilitationsschrift von 1755: Seine Kritik des ontologischen Arguments Descartes’ im Bannkreis des eigenen ›ontologischen‹ Arguments aus den Möglichkeiten (1755–1762)«, S. 11–30. 42 Im Scholion zu Prop. VI , Ak I, 394 f. 43 Mit den anderen »neueren Philosophen«, die Kant an dieser Stelle (Ak I, 39422 ff.) eher beiläufig erwähnt, sind in erster Linie Christian Wolff (Philosophia Prima Sive Ontologia, § 309 [= Christian Wolff: Gesammelte Werke. Hg. und bearbeitet von J. École, H. W. Arndt, Ch. A. Corr u. a. Hildesheim, New York 1962 ff. {Künftig zitiert als GW}, II . Abt., Bd. 3, S. 245] sowie Theologia Naturalis, Pars I .1., § 31, GW II.7.1, S. 29 f.) und Alexander Gottlieb Baumgarten gemeint (Metaphysica / Metaphysik. Historisch-kritische Ausgabe. Lateinisch-deutsch. Übersetzt, eingeleitet und hg. von Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl. Stuttgart-Bad Cannstatt 2011, § 820, S. 442 [= FMDA I, 2]); zwei Philosophen folglich, mit denen er sich auch im EmB kritisch auseinandersetzt. Doch eine Prüfung der von diesen Denkern vorgebrachten Gottesbeweise fi ndet 1755 nicht statt. 40 41
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zu einem förmlichen Nachweis der Unmöglichkeit aller Gottesbeweise überhaupt – mit der Ausnahme des in der ersten Abteilung präsentierten eigenen ontotheologischen Beweises – ist eine Leistung der zwischen 1755 und 1762 liegenden Jahre. Auch sie erhärtet die oben erwähnte Information Borowskis, daß Kant sich vor der Abfassung der Beweisgrundschrift lange mit Problemen der Gottesbeweiskritik beschäftigt hatte. Trotz dieser auf den ersten Blick womöglich recht disparat erscheinenden Thematik der drei Abteilungen sind sie tatsächlich alle auf den gemeinsamen Zweck des Nachweises bezogen, daß es nur einen Beweisgrund zur Demonstration des Daseins Gottes geben kann: die erste Abteilung entwickelt das Argument selbst, die zweite zeigt die Nützlichkeit auf, die eben nur diesem Beweis zukommt, und die dritte schließt aus, daß es neben ihm noch andere Beweise geben könnte. So ist die Abhandlung durch ein hohes Maß an konzeptioneller Geschlossenheit und systematischer Einheitlichkeit geprägt. Dem entspricht, worauf gelegentlich schon hingewiesen wurde,44 ihr sprachlicher Stil jedoch keineswegs. Der zum ontotheologischen Beweis führende Gedankengang der ersten Abteilung wird in einer außerordentlich abstrakten Sprache und zudem derart komprimiert präsentiert, daß er dem Leser ein Höchstmaß an Konzentration abverlangt. In diesen Darlegungen lebt der außerordentlich gedrängte sprachliche Duktus der Habilitationsschrift wieder auf. Die sich anschließenden physikotheologischen Ausführungen fallen demgegenüber recht bildhaft aus und machen von vielen Beispielen Gebrauch, die etwas Entspannung von den zuvor erforderlichen gedanklichen Anstrengungen gewähren, bevor die dritte Abteilung wiederum mit sehr abstrakten, obschon im Vergleich zur ersten minder dichten Überlegungen aufwartet. Diese stilistische Uneinheitlichkeit sowie die Nähe zum Stil der Nova Dilucidatio in der ersten So bereits Mariano Campo: La genesi del criticismo kantiano. Parti I – II . Varese 1953, S. 304. 44
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Abteilung zeigen auf ihre Weise, daß Kant besonders in den tragenden Partien seiner ersten muttersprachlichen Abhandlung zur Metaphysik zwar bereits deutsch schreibt, aber noch in den Bahnen der philosophischen Schultradition eines Leibniz, Wolff und Baumgarten lateinisch denkt. Deren Spuren manifestieren sich nicht nur in der sprachlichen Form der Abhandlung, sondern sind auch in den vorgetragenen Überlegungen selbst klar faßbar. In den Anmerkungen zur hier vorliegenden Edition sind die besonders manifesten und für den Gedankengang der Schrift bedeutsamen derartigen Fälle dokumentiert. Die folgenden Seiten konzentrieren sich auf die Darstellung der Ontotheologie des jungen Kant und ihrer Entwicklung von seinen frühesten Notizen bis zur ersten Abteilung der Beweisgrundschrift. Es wird sich zeigen, daß Kant an ihrem Grundgedanken festhält und sie von der zunächst nur vage skizzierten Funktion einer Hintergrundmetaphysik zur Stabilisierung der Physikotheologie, die sie beibehält, zu einem genuinen Gottesbeweis, und zwar dem »einzig möglichen« vorantreibt. Die Ontotheologie stellt somit eine bemerkenswerte Konstante in Kants Philosophie dieser Jahre dar und spielt, worauf nur kurz eingegangen werden kann, eine bedeutende Rolle in seinem Denken auch nach der Kopernikanischen Wende zur Transzendentalphilosophie, innerhalb derer sie eine subjektivierende Umdeutung erfährt und in der Lehre vom »Transzendentalen Ideal« fortlebt.
IV. Der ontotheologische Beweis und seine Vorgeschichte Den im Zentrum der Abhandlung stehenden Gottesbeweis der ersten Abteilung bezeichnet Kant zwar später, in der Abhandlung selbst aber noch nicht als den ›ontotheologischen‹45. Dieser Cf. Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«, a. a. O. 45
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Begriff, den Kant vermutlich selbst geprägt hat,46 fi ndet sich bei ihm nur spärlich verwendet; im Druckwerk kommt er nur ein einziges Mal vor, nämlich in der Kritik der reinen Vernunft bei der dort innerhalb der »Transzendentalen Dialektik« gebotenen Einteilung der Theologie.47 Bis zum Erscheinen des kritischen Hauptwerks ist er nur ein einziges Mal nachweisbar, und zwar in der Reflexion 4647. Sie ist 1772 oder kurz danach zu Papier gebracht worden und stellt also den ersten Beleg für die Verwendung des Ausdrucks bei Kant überhaupt dar.48 Sie lautet in ihrem hier interessierenden Teil: »Mein ontotheologischer Beweis, der darin richtig ist, daß wir nach der Ordnung der Natur unter demselben Schopfer beziehungen auf Zwecke gewahr werden.«49 Es besteht kein Zweifel, daß Kant damit auf seine Überlegungen von 1762/63 Bezug nimmt und seinen Anfang der 1770er Jahre schon nicht mehr als objektiv gültig erkannten Beweis50 der Beweisgrundschrift auch klassifi katorisch im Nachhinein Insofern ergibt es zumindest ein begriffsgeschichtlich schiefes Bild, wenn Dieter Henrich Kant als »Kritiker an der ganzen historischen Ontotheologie« präsentiert, die seines Erachtens mit Descartes begonnen hat. Der ontologische Gottesbeweis. Sein Problem und seine Geschichte in der Neuzeit. 2., unveränderte Aufl. Tübingen 1967, S. 63, 136. 47 KrV A 632 / B 660. Dort wird die transzendentale Theologie unter teilt in die Kosmotheologie und die Ontotheologie. Letztere »[…] glaubt durch bloße Begriffe, ohne Beihilfe der mindesten Erfahrung sein [sc. des Urwesens, Hg.] Dasein zu erkennen […].« Insofern koinzidiert sie mit dem ontologischen Beweis, der dort genau so charakterisiert wird. Cf. etwa KrV A 590 / B 618. 48 Es ist daher unzutreffend, wenn Klaus Kremer meint, der Begriff ›Ontotheologie‹ werde von Kant erst bei jener »grundsätzlichen Einteilung der Theologie geschaffen«, die er in der Kritik der reinen Vernunft vornehme. Art. »Ontotheologie«. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Unter Mitwirkung von mehr als 1200 Fachgelehrten hg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer. Bd. 6. Darmstadt, Basel 1984, Sp. 1207. 49 Ak XVII , 624 16–18 . 50 Cf. Theis: Kant avant la »Critique de la Raison Pure«, a. a. O., S. 40– 45. 46
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von anderen Beweisversuchen zu unterscheiden sucht. Die wenigen übrigen Belege sind allesamt später und setzen mit den 1780er Jahren ein.
a) Das Vorspiel in den frühen Reflexionen 3703–3705 Wenngleich der Begriff der Ontotheologie für die Bezeichnung der speziellen Variante des ontologischen Beweises erst recht spät in der Sprache des Philosophen auftaucht, so ist die Überlegung selbst doch schon früh in seinem Denken präsent. Das erste Mal taucht sie in den Notizen auf, die Kant im Zusammenhang der geplanten Teilnahme an der Preisaufgabe der Berliner Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1755 anfertigte. Die Preisfrage der Akademie hatte den Optimismus zum Gegenstand, und zwar näherhin in der Gestalt, die ihm Alexander Pope in seinem Lehrgedicht An Essay on Man gegeben hatte51 Der französische Text der Preisaufgabe ist abgedruckt bei Adolf Harnack: Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Im Auftrage der Akademie bearbeitet von A. H. Bd. I .1: Von der Gründung bis zum Tode Friedrich’s des Grossen. Berlin 1900. Reprint Hildesheim, New York 1970, S. 404. Den deutschen Wortlaut, so wie er im 58. Stück der Hamburger »Freye[n] Urtheile und Nachrichten zum Aufnehmen der Wissenschaften und Historie überhaupt« vom 27. Juli 1753 veröffentlicht wurde, druckt Rudolf Reicke ab: Lose Blätter aus Kants Nachlass. Erstes Heft. Königsberg in Pr. 1889, S. 294. Eine moderne Übersetzung des französischen Originals bietet Robert Theis: Gottes Spur in der Welt? Kant über den Optimismus um die Mitte der 1750er Jahre. In: Vernunftkritik und Aufklärung. Studien zur Philosophie Kants und seines Jahrhunderts. Hg. von Michael Oberhausen unter Mitwirkung von Heinrich P. Delfosse und Riccardo Pozzo. StuttgartBad Cannstatt 2001, S. 351. Sie lautet: »Man verlangt eine Untersuchung des Systems von Pope, welches in dem Satz enthalten ist: Alles ist gut. Es kommt 1. darauf an, den wahren Sinn dieses Satzes, gemäß der Hypothese des Verfassers zu bestimmen. 2. ihn mit dem System des Optimismus, oder der Wahl des Besten, zu vergleichen, um die 51
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und die in dem berühmten Satz »Whatever is, is right«52 kulminierte. Popes Name war freilich nur vorgeschoben; man kleidete die Frage in die gewählte Gestalt, weil man es angesichts des hohen Ansehens, das Leibniz immer noch genoß, sowie der bestehenden Machtverhältnisse zwischen den einander gegenüberstehenden wissenschaftlichen Lagern nicht wagte, direkt zu einem Angriff auf dessen Lehre aufzurufen. Im Grunde aber verbarg sich hinter der Preisaufgabe nichts anderes als die Aufforderung, die Leibniz-Wolffsche Lehre und ineins damit deren Anhänger zu attackieren.53 Angesichts der allgemein bekannten Spannungen, die an der Akademie zwischen den Lagern der Leibnizianer und der Newtonianer herrschten, war allen Teilnehmern klar, welche Antwort insbesondere von dem Präsidenten Maupertuis, einem entschiedenen Anhänger Newtons, gewünscht war. Die Prämierung der Arbeit von Adolf Friedrich Reinhard, der hart, aber durchaus nicht immer sachgemäß mit dem Optimismus ins Gericht ging, bestätigte diese Erwartungen. Die drei thematisch eng zusammenhängenden Reflexionen 3703–3705 sind also alle mit Sicherheit zwischen dem Frühsommer 1753, dem Datum der Bekanntmachung der Preisaufgabe, und dem Herbst 1755, als die prämierte Arbeit bereits durch die Akademie publiziert wurde,54 entstanden. Höchstwahrscheinlich hat Kant jedoch die Arbeit an diesen Papieren schon früher, Zusammenhänge und die Unterschiede anzumerken. 3. endlich diejenigen Ursachen anzuführen, die man am geeignetesten fi ndet, dieses System zu bestätigen oder zu verwerfen [Theis: zerstören].« 52 Ep. I, 294. Alexander Pope: Vom Menschen – Essay on Man. Übersetzt von Eberhard Breidert. Mit einer Einleitung hg. von Wolfgang Breidert. Englisch-deutsch. Hamburg 1993, S. 36. 53 Cf. hierzu sowie zu den empörten Reaktionen einiger Zeitgenossen auf diese leicht zu durchschauende Strategie Harnack: Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, a. a. O., S. 404. 54 Näheres hierzu bei Harnack: Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, a. a. O., S. 405.
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nämlich noch vor Jahresende 1754 eingestellt.55 Diese Vermutung legt sich angesichts der üblicherweise auf den letzten Tag des Jahres terminierten Einreichungsfrist der Arbeiten bei der Akademie und unter der sich anbietenden Mutmaßung nahe, daß er das Thema spätestens dann ruhen ließ, als sich keine realistische Aussicht mehr auf eine fristgerechte Ausarbeitung bot. Auf ein Referat der einschlägigen Passagen aus Popes Abhandlung in R 370356 läßt Kant in R 3704 einen »Abriß des optimismus« folgen, der die Position von Leibniz »[…] so genau als möglich ausdrücke.«57 Er kritisiert dieselbe zunächst immanent, bevor er auf S. III der Blätter einen Vergleich zwischen Popes und Leibnizens Lehren anstellt, der eindeutig zugunsten des Erstgenannten ausfällt. Insofern hätte Kants Votum die Erwartungen der Akademie zumindest zur Hälfte erfüllt. Den hier entscheidenden Kritikpunkt macht Kant an Leibnizens Intellektualismus fest. Denn dieser hatte die Mängel im Weltenbau als solche zwar durchaus anerkannt, Gott aber dadurch vor dem Theodizeevorwurf in Sicherheit zu bringen gesucht, daß er schloß, die höchste Weisheit, die für ihn aus apriorisch deduzierten Gründen feststand, könne nichts tun, was mit ihrem Wesen unvereinbar wäre. Das aber bedeutet, daß durch Das hat auch Campo richtig gesehen. Seiner Einschätzung nach sind die Notizen »[…] scritti da Kant quasi certamente un po’ prima del 1755 […].« La genesi del criticismo kantiano, a. a. O., S. 271. 56 Näherhin des vierten Briefes, etwa ab Vers 77. Das hat bereits Adickes in seiner Erläuterung zu R 3703 herausgestellt (Ak XVII , 229). Cf. neuerdings auch Robert Theis: La question de l’optimisme dans la première pensée de Kant. In: Paul Rateau (Hg.): L’idée de théodicée de Leibniz à Kant: héritage, transformations, critiques. Stuttgart 2009, S. 159 [= Studia Leibnitiana. Sonderheft 36]. Damit ergänzt Theis die Darlegungen seiner Habilitationsschrift Gott. Untersuchung zur Entwicklung des theologischen Diskurses in Kants Schriften zur theoretischen Philosophie bis hin zum Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft. Stuttgart-Bad Cannstatt 1993 [= FMDA II , 8], in der er die Preisschriftreflexionen für das Thema der Ontotheologie praktisch noch übergangen hatte. Cf. ebd., S. 131, Fn. 95. 57 Ak XVII , 231 . 20 55
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die Leibnizsche Lösung des Theodizeeproblems nur diejenigen befriedigt werden, »[…] die Einsicht und Folgsamkeit gnug haben, den Metaphysischen Beweisen von dem Gottlichen Daseyn Beyfall zu geben.« Die große Menge der Menschen aber, die zu derart abstrakten Räsonnements nicht in der Lage sind und die dennoch die »[…] Spuhr Gottes gerne (bey dem Anblicke der Welt) erkennen möchten, bleibt in Bekümmerniß.« 58 Ihnen nun kann Pope durch das ganz andere Verfahren helfen, das er nach Kants Worten verfolgt. Dieser Zusatz ist unverzichtbar, denn Kant stellt Popes Position in der Folge in mehrfacher Hinsicht durchaus nicht zutreffend dar, auch nicht, wie wir sehen werden, in dem hier relevanten Punkt.59 Er versteht den britischen Dichterphilosophen also in genau gegenläufigem Sinn zu Lessing und Mendelssohn60 als Metaphysiker, und zwar als den Leibniz gegenüber vorzuziehenden.61 Pope habe nämlich Ak XVII , 23314–17. Cf. bereits Adickes (Ak XVII , 233). So geht Pope z. B. wie auch Leibniz davon aus, daß Gott diese Welt als die beste der möglichen ausgewählt und ins Dasein gesetzt hat. In Ep. I, 43 f. heißt es unmißverständlich: »Of systems possible, if ’tis confest / That Wisdom infinite must form the best.« Vom Menschen – Essay on Man, a. a. O., S. 20. Cf. auch Theis: »Il est vrai que Kant sur ce point [sc. den Gedanken durchgängiger Harmonie, Hg.] interprète la pensée de Pope dans le sens de sa propre théorie cosmologique.« La question de l’optimisme dans la première pensée de Kant, a. a. O., S. 161. 60 Cf. deren gemeinsam verfaßte Abhandlung Pope Ein Metaphysiker!, in der sie Pope gerade dadurch vor ungerechtfertigen Vorwürfen in Schutz nehmen wollen, daß sie seinen Status als Dichter hervorheben. Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Bd. III : Frühe kritische Schriften. In Zusammenarbeit mit Karl Eibl, Helmut Göbel, Karl S. Guthke u. a. hg. von Herbert G. Göpfert. München 1972, S. 631–670. Dort heißt es S. 635 etwa: »Allein ein philosophischer Dichter ist darum noch kein Philosoph […].« Zuvor schon hatten sie die in der Preisfrage unterstellte Annahme zurückgewiesen, ein Dichter könne ein System haben. 61 Das stellt auch Tilmann Pinder in seiner Studie Kants Gedanke vom Grund aller Möglichkeit. Untersuchungen zur Vorgeschichte der »transzendentalen Theologie«. Diss. phil. (masch.) Berlin 1969, S. 137 f. heraus, 58 59
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einen Weg gewählt, »[…] der, um den schönen Beweis von Gott allen menschen vernehmlich zu machen, der allergeschikteste unter allen möglichen ist und der, welches eben die vollkommenheit seines Systems ausmacht, so gar alle moglichkeit der Herrschaft eines allgnugsamen Uhrwesens [!] unterwirft […]«.62 Mit dem »schönen Beweis« ist fraglos das physikotheologische Argument gemeint.63 Zwei parallele Formulierungen stellen das sicher. Die eine fi ndet sich am Ende der R 3705,64 die andere in der zeitnah verfaßten Allgemeine[n] Naturgeschichte.65 Kants lebenslange Hochschätzung des physikotheologischen Räsonnements, an der sich grundsätzlich auch durch die 1781 publizierte Gottesbeweiskritik nichts ändert, fi ndet also in diesen Reflexionen aus dem Anfang der 1750er Jahre bereits ihren Ausdruck, und es ist Alexander Pope, dem Kant das Verdienst zubilligt, gestützt auf physikotheologische Überlegungen in der Theodizeefrage eine Leibniz gegenüber vorzuziehende Lösung präsentiert zu hawobei er die Frage, inwieweit sich Kants Standpunkt in diesen Fragmenten tatsächlich auf Pope zurückführen läßt, ausdrücklich offen läßt. 62 Ak XVII , 233 17–21; H. d. Hg. 63 Diese Vermutung hat bereits François Marty ausgesprochen, freilich ohne sie zu belegen. Premières réfl exions sur l’optimisme. In: Emmanuel Kant: Œuvres philosophiques I. Des premiers écrits à la »Critique de la Raison Pure«. Édition publiée sous la direction de Ferdinand Alquié avec, pour ce volume, la collaboration d’Alexandre J.-L. Delamarre, Jean Ferrari, Bernard Lortholary, François Marty, Jacques Rivelaygue, Sylvain Zac. Paris 1980, S. 1474. Cf. auch Theis: Gottes Spur in der Welt?, a. a. O., S. 356. 64 Dort heißt es kontrastiv zum zweiten Leibnizschen »Hauptfehler des Optimismus«: »[…] anstatt daß die allgemeine Übereinstimmung der Anordnungen der Welt, wenn sie an und vor sich selber erkant werden konnen, den Schönsten Beweis von dem Daseyn Gottes und der Allgemeinen Abhängigkeit aller Dinge von demselben darreichen.« Ak XVII , 23813–17. 65 »Die wesentliche Fähigkeit der Naturen der Dinge, sich von selber zur Ordnung und Vollkommenheit zu erheben, ist der schönste Beweis des Daseins Gottes.« Ak I, 23930–32 .
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ben. Pope vertritt – in Kants späteren Worten der Beweisgrundschrift – nicht mehr die »gewöhnliche Physikotheologie«, die in jedem einzelnen Naturphänomen die unmittelbare Hand Gottes am Werke sieht; er geht Kants Worten zufolge vielmehr die Natur sukzessive durch und konzentriert sich dabei auf Fälle, an denen die unterstellte Übereinstimmung am ehesten zu fehlen scheint. Dabei zeige er auf, daß auch die Dinge, die wir geneigt sind, als zweckwidrig aus der Schöpfung hinwegzuwünschen, in Wahrheit gut seien, denn es gelte eben: »Whatever is, is right.« Man müsse also nicht »[…] ein vortheilhaftes Vorurtheil von der Weisheit des anordnenden Wesens haben […]«,66 wie es die Leibnizsche Position zwingend voraussetze und worin Kant einen gravierenden Fehler derselben erblickt.67 Diese Kritik kehrt in der Beweisgrundschrift bei dem Aufweis der Mängel der gewöhnlichen Physikotheologie wieder ( II .v). Pope hatte also erkannt, was der gewöhnlichen Physikotheologie entgangen war, daß es nämlich eine durch allgemeine Gesetze geregelte und in Gott fundierte Verknüpfung der Bestimmungen der Dinge gibt, die eben dadurch viel nachdrücklicher seine Macht und Weisheit demonstrieren, als solitäre Naturphänomene es jemals zu tun vermöchten. Das drückt Kant wie folgt aus: »Die Wesentliche und nothwendige Bestimmungen der Dinge, die allgemeine Gesetze, die durch keine erzwungene Vereinigung in einen harmonirenden Plan gegen einander in Beziehung gesetzt sind, werden sich gleichsam von selber zu erhaltung vollkommener Zwecke Ak XVII , 234 05–06. »Der zweyte Hauptfehler des Optimismus [sc. Leibnizscher Prägung, Hg.] ist, daß die Übel und Ungereimtheiten, die in der Welt wahrgenommen werden, nur aus der Voraussetzung des Daseyns Gottes entschuldigt werden. und daß man also vorher glauben muß, daß es ein unendlich gütiges und unendlich vollkommenes Wesen Gebe, ehe man sich versichern kan, daß die Welt, die als sein Werk angenommen wird, schön und regelmäßig sey […].« R 3705; Ak XVII , 238 08–13. Zum ersten von Kant diagnostizierten Fehler Leibnizens cf. S. XLIX f. 66 67
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anschicken.« 68 Auch auf diesen Punkt kommt Kant in der Beweisgrundschrift wieder zurück69 und stellt ihn in dem Kapitel über die »Verbesserte Methode der Physikotheologie« ( II .vi) als einen der Hauptvorteile der dort vorgenommenen Optimierungsbemühungen heraus.70 Doch mehr noch: Kant legt Pope ausweislich der oben zitierten Stelle aus der R 3704 sogar die Auffassung bei, daß in Gott der gemeinsame Grund selbst der Möglichkeit aller Dinge liege. Damit ist der Kern der Kantischen Ontotheologie bezeichnet: Das notwendige Wesen hat zu seiner eigenen Möglichkeit sowie zur Möglichkeit aller anderen Dinge sein eigenes Dasein zur Voraussetzung ( I .iii.5).71 Das ist die Geburt des ontotheologischen Gottesbegriffs aus dem Problembestand der Theodizee anläßlich der Preisfrage über den Optimismus. Daß Kant diesen Gedanken, der in die Richtung der Propositio VII der Nova Dilucidatio und der zentralen Überlegung der Beweisgrundschrift ( I .ii.3) weist, Pope beilegt, ist befremdlich, denn er fi ndet sich nicht in dessen Lehrgedicht.72 Man hat darüber speAk XVII , 234 07–11. Das ist ganz unübersehbar. Josef Schmucker schreibt daher ganz zutreffend, daß in den genannten Reflexionen 3704 und 3705 »[…] vor allem die Grundgedanken seines späteren verbesserten physikotheologischen Beweises skizziert werden, und zwar so, daß wir hier bereits die wesentlichsten Thesen unserer zweiten Abteilung des Beweisgrundes formuliert fi nden, zuweilen bis zur Deckung des sprachlichen Ausdrucks.« Die Ontotheologie des vorkritischen Kant. Berlin, New York 1980, S. 134; H. i. O. [= Kant-Studien Erg.-Hefte Bd. 112]. 70 Cf. besonders die Regeln 1 und 2 der verbesserten Physikotheologie in II .vi.3. 71 Die Parallelität der Positionen ist schwerlich bestreitbar und wird auch von Schmucker deutlich herausgestellt. Die in Rede stehenden Passagen weisen »[…] gewiß auch in die Richtung seines ontotheologischen Arguments […].« Die Ontotheologie des vorkritischen Kant, a. a. O., S. 134. 72 Darauf hat bereits Adickes in seiner Erläuterung der R 3704 aufmerksam gemacht. Ak XVII , 233. 68
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kuliert, wie es zu diesem Urteil Kants wohl kommen mochte; Adickes meinte, Kant habe sich von dem Wunsch leiten lassen, »[…] die Überlegenheit seines Lieblingsdichters über Leibniz zu beweisen.«73 Nicht auszuschließen ist auch, daß Kant, der sich Adickes, Ak XVII , 233. Auch Walford / Meerbote konstatieren: »[…] Kant attributes this argument, rather implausibly, to Pope« (Immanuel Kant: Theoretical Philosophy, 1755–1770, a. a. O., S. LX ). Schmucker sucht Kants Urteil zu retten, indem er diese merkwürdige Zuschreibung an Pope dadurch zu erklären sucht, daß Kant damit die »Anregungen« meine, die er von »[…] diesem seinen Lieblingsdichter erhalten hat« (Die Ontotheologie des vorkritischen Kant, a. a. O., S. 134). HansJoachim Waschkies bringt den »wissenschaftssoziologische[n] Kontext des Preisschriftfragments von 1754« ins Spiel, für den »[…] Adickes noch jeder Blick fehlte […]« und der die »[…] Fehlinterpretation der Physikotheologie […] begünstigt […]« haben mag (Physik und Physikotheologie des jungen Kant. Die Vorgeschichte seiner Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Amsterdam 1987, S. 585 [= Bochumer Studien zur Philosophie Bd. 8]). Auch Theis steht dem genannten Urteil von Adickes zurückhaltend gegenüber und meint, man bleibe damit »[…] zu sehr an der Oberfl äche hängen […]« (Gottes Spur in der Welt?, a. a. O., S. 353). Theis erklärt sich diese Zuschreibung vielmehr damit, daß Kant in Pope »[…] einen Gewährsmann für sein eigenes Verständnis vom Optimismus (erkennt), in dem Sinne, daß er in dessen Essay on Man metaphysisch-theologische Indizien (wieder)zufi nden glaubt, die mit seinen eigenen kosmologischen und physikotheologischen Überzeugungen, so wie er sie in diesem Zeitraum formuliert, vollends zur Deckung gebracht werden können« (ebd.; H. i. O.). So wird bei Theis aus dem »Anreger«, den Schmucker in Pope erblickte, so etwas wie der »Wiedererinnerer«. Das ist nun nicht eben plausibel, denn zum einen hätte Kant die ontotheologischen Überzeugungen dann zu der genannten Zeit schon länger und gleichsam verschüttet in sich tragen müssen, damit das von Theis vermutete Erinnerungserlebnis anläßlich der Preisfrage stattfi nden konnte. Es fehlen jedoch Dokumente, die diese Kenntnis unabhängig von der Reflexionengruppe 3703–3705 belegen würden. Zum anderen aber befi nden wir uns in der ganz frühen Phase des Kantischen Denkens, wo die Kategorie des (Wieder)erinnerns naturgemäß nur schwer greifen kann. Hinzu kommt, daß Theis mit der von ihm unterstrichenen Eigenständigkeit der ursprünglichen Erwerbung von Kants metaphysisch-theologischen 73
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auf eine akademische Lauf bahn vorbereitete, durch die Favorisierung des ohnehin von ihm verehrten Pope angesichts der geschilderten Stimmung in der Berliner Akademie bei deren entscheidenden Funktionsträgern seine Karrierechancen nicht belasten wollte.74 Vielleicht war es aber eher der Umstand seiner damaligen naturphilosophisch ausgerichteten Interessenlage, die sich sowohl in der Allgemeine[n] Naturgeschichte als auch in den geophysikalischen Abhandlungen der Jahre 1754 und 1756 widerspiegelt, der Kant Pope den Vorzug vor Leibniz geben ließ. Denn mit Popes Grundsätzen ist das Projekt der Physikotheologie vereinbar, die Kant am Herzen lag, weil mit ihnen die Schönheit der Welt und ihre zweckdienliche Einrichtung in einer Weise aufgezeigt werden kann, daß selbst scheinbare Mängel als integrative Bestandteile des Ganzen in der »Kette der Wesen«75 ihren Platz haben. Dazu taugen die von Leibniz vertretenen Grundsätze in der Optimismusfrage eben weniger; ihr Scheitern dort ist ja gerade einer der Hauptvorwürfe, die Kant der Leibnizschen Theorie entgegenhält.76 Ansichten in Konfl ikt mit der originären Zuschreibung derselben an Pope gerät. Dieser Lapsus wäre Kant wohl kaum unterlaufen, wenn Pope doch nur ein Konzept aktualisiert hätte, über das er schon längst verfügte. 74 Die in der ANG vorgenommene Titulierung des Maupertuis als »Philosoph von erleuchtetern Einsichten« (Ak I, 25421–22 ) leistet solchen Vermutungen Vorschub. 75 Ak XVII , 235 . Zur Karriere des Konzepts der »great chain of 05 being« im 18. Jahrhundert cf. Arthur O. Lovejoy: The Great Chain of Being. A study of the history of an idea. The William James lectures delivered at Harvard University. Harvard 1933, bes. Kap. VI : »The Chain of Being in Eighteenth-Century Thought, and Man’s Place and Rôle in Nature.« 76 »Der sicherste und leichtste Beweis also von der Wirklichkeit eines allgenugsamen, unendlich gütigen und unendlich Weisen wesens, welches aus der Betrachtung der vortreff lichen Anstalten, die die Welt allenthalben zeigt, erkant wird, wird durch das Lehrgebäude des Herrn v. Leibnitz entkraftet.« R 3705; Ak XVII , 23817–21.
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Doch was auch immer der Grund für Kants sachlich nicht gerechtfertigte Lobpreisung Popes wegen dessen vermeintlicher Formulierung des ontotheologischen Prinzips gewesen sein mag, er unterläuft mit dieser Zuschreibung seine 1762/63 erhobenen Originalitätsansprüche für seinen neuartigen Beweisgrund.77 Freilich, Kant präsentiert in der R 3704 lediglich das Prinzip der späteren Ontotheologie, ohne auch nur ansatzweise einen Beweis dafür in Angriff zu nehmen, wie er es schon bald in der Nova Dilucidatio und dann sieben Jahre später in modifi zierter Weise in der Beweisgrundschrift tun wird. Insofern ist die Vermutung gerechtfertigt, daß er zur Zeit der Niederschrift dieser Reflexionengruppe noch über keinen Beweisansatz für seine Ontotheologie verfügte.78 Er legt vielmehr mit der Erwähnung des Namens Pope die Fährte zu einer Quelle, die für sein ontotheologisches Denken unergiebig bleiben mußte. Denn eine so hochkarätige Metaphysik, daß sie Kant auch nur zur Formulierung seines ontotheologischen Grundgedankens hätte inspirieren, geschweige denn bei der nun anstehenden Begründung desselben hätte hilfreich sein können, vermochte Pope – trotz der selbstredend nicht auszuschließenden Möglichkeit einer wie auch immer zu verstehenden, bestenfalls diffusen ›Anregung‹ – fraglos nicht zu bieten. An erster Stelle war es vielmehr Baumgarten, der ihn auf die ontotheologische Spur setzte und bei dem er auch die Mittel fand, die ihm zur argumentativen Stützung dieses Philosophems hilfreich wurden.
EmB, 00614–15, 00824–26. In der Nova Dilucidatio erhebt Kant zwar Originalitätsansprüche (Ak I, 387), aber nicht für das ontotheologische Räsonnement der Propositio VII . 78 Das meint auch Schmucker: Die Ontotheologie des vorkritischen Kant, a. a. O., S. 134. 77
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b) Der Entwicklungsstand der Ontotheologie in der Allgemeine[n] Naturgeschichte Daß Kant auf den zündenden Funken für die nähere Entfaltung des ontotheologischen Gedankens einschließlich seiner noch ausstehenden Begründung nicht bei Pope gestoßen war, macht e silentio auch das zeitlich nächste einschlägige Dokument deutlich, die große Abhandlung des Jahres 1755 über die Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Kants Begeisterung für ›seinen‹ Dichterphilosophen ist während der Abfassung des Werks noch ganz ungebrochen. Jedem der drei Teile seiner Abhandlung stellt er ein Motto aus Pope voran79 und zitiert auch an weiteren, insgesamt sechs Stellen Passagen aus dem Essay on Man.80 Damit liegt Pope in der Häufigkeit, mit der er in dieser Abhandlung erwähnt wird, etwa gleichauf mit Epikur und Christian Huygens, die es auf je sieben Einträge bringen, ansonsten wird er nur von Isaac Newton mit 25 Okkurrenzen übertroffen.81 Diese lediglich quantitative Betrachtung von Häufigkeitsauszählungen erfährt durch die exponierte Stellung der Zitate am Beginn der drei Teile des Werks sowie durch die mit den angeführten Versen vorgenommene Selbstinterpretation eine Verstärkung in Richtung der mit ihnen intendierten leitmotivischen Relevanz. Doch an keiner dieser Stellen bringt Kant Pope mit der Ontotheologie in Verbindung, die in diesem Werk neben der dominierenden Physikotheologie durchaus angesprochen wird; und das gilt a fortiori auch für die BeweisKant benutzte die Übersetzung von B. J. Zinck aus dem Jahr 1740. Cf. Anm. 244 zum Text. 80 Diese sind bequem auffi ndbar mittels des Indexes zu diesem Werk von Michael Albrecht / Heinrich P. Delfosse: Stellenindex und Konkordanz zur »Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels«. Erstellt in Zusammenarbeit mit Irina Lepp. Unter Mitwirkung von Bernd Straßburg und Michael Trauth. 2 Bde. Stuttgart-Bad Cannstatt 2009, S. 680 [= Kant-Index Bd. 37; FMDA III , 44.1–2]. 81 Ebd., S. 679 f. 79
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grundschrift als dem Ort, der für eine entsprechende Huldigung prädestiniert wäre. Popes Name taucht dort nur einmal in einem eher randständigen Zusammenhang auf und verschwindet danach bis zur Friedensschrift des Jahres 1795 und der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht von 1798 völlig aus dem Druckwerk; auch in den Briefen und Reflexionen erscheint sein Name nur noch wenige Male, und selbst in diesen seltenen Fällen niemals mehr im Zusammenhang mit rationaltheologischen oder metaphysischen Fragestellungen. Kants Preisung Popes als des Inaugurators des ontotheologischen Arguments steht also in den frühen Reflexionen ganz vereinzelt dar. Trotz des nur geringen zeitlichen Abstandes, der zwischen der Niederschrift der Preisschriftreflexionen und dem Abschluß der Arbeiten an der Allgemeine[n] Naturgeschichte liegt,82 markiert dieses Werk einen gewissen, wenngleich bescheidenen gedanklichen Fortschritt jenen Notizen gegenüber. Dieser besteht in erster Linie darin, daß der dort nur ganz roh formulierte ontotheologische Gedanke in seiner Bedeutung für die Gotteserkenntnis im Rahmen des physikotheologischen Programms deutlicher in Kants Blick gerät und der Philosoph dessen Fruchtbarkeit anhand der Kosmologie ansatzweise erprobt, wenngleich Kant wird, wie oben (S. X X XIII f.) dargelegt, im Herbst 1754 die Teilnahme an der Preisschrift als inzwischen illusorisch erkannt und die Vorarbeiten aus der Hand gelegt haben. Mit der Arbeit an der im März erschienenen Allgemeine[n] Naturgeschichte dürfte er bei unterstelltem regulären Druckverlauf bis etwa Anfang des Jahres 1755 beschäftigt gewesen sein. Im Sommer 1754 und damit in dem Zeitraum, der für die Niederschrift der Preisschriftreflexionen der wahrscheinlichste ist, war die Arbeit an der Allgemeine[n] Naturgeschichte noch in vollem Gang. Das geht aus dem oben in Fn. 6 zitierten Schluß des im Juni 1754 erschienenen Aufsatzes Untersuchung der Frage, ob die Erde in ihrer Umdrehung um die Achse […] einige Veränderung seit den ersten Zeiten ihres Ursprungs erlitten habe […] hervor, der das Werk unter einem anderen Titel und mit anderer Akzentsetzung ankündigte. Demnach wird Kant in der zweiten Jahreshälfte 1754 zu den weiterführenden Einsichten gelangt sein. 82
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die Ausführung des anvisierten Programms noch auf sich warten läßt. Einher damit geht die stärkere Betonung einer strukturellen Verflochtenheit der allgemeinen Gesetze, die Gott der Natur der Dinge ursprünglich eingepflanzt hat. Diese gründen für ihn in Kräften, von denen er für den Zweck seiner Abhandlung zwei heraushebt, nämlich die der »Newtonischen Weltweisheit entlehnt[en] […] Anziehungs- und Zurückstoßungskraft«,83 die »[…] gleich gewiß, gleich einfach und zugleich gleich ursprünglich und allgemein sind«, um mit ihnen ein doppeltes Ziel zu erreichen. Sie reichen seinem Anspruch nach nämlich aus,84 um darzulegen, »[…] daß die Welt eine mechanische Entwicklung aus den allgemeinen Naturgesetzen zum Ursprunge ihrer Verfassung erkenne […]« und daß folglich »[…] die Art der mechanischen Erzeugung, die wir vorgestellt haben, die wahre sei.« 85 Der Absicht entsprechend, die Gefahrlosigkeit seines Ansatzes für die Religion herauszustellen, betont Kant eingangs der Vorrede, daß die »Vertheidiger der Religion« die Schönheit und Zweckmäßigkeit im Weltenbau bislang nicht nur auf schlechte, sondern sogar auf gefährliche Weise für ihre Zwecke nutzbar zu machen suchten. Denn sie betrachteten alle Schönheit und Harmonie der Dinge als in dem Sinne kontingent, daß diese ohne die besondere Anordnung Gottes von sich aus nicht hätte zustande kommen können. Da man aber nun zeigen kann, daß ein nicht unbeträchtliches Maß an Zweckmäßigkeit in der Natur das Resultat übergreifender Gesetzmäßigkeiten ist, so werden eben die Phänomene der Wohlgeordnetheit, auf die sich die herkömmliche Physikotheologie stützt, »zu unüberwindlichen Waffen« in den Händen des Naturalisten, der gestützt darauf die gütige Vorsorge Gottes bestreitet,86 eben weil sich diese Phänomene als Effekte natürlicher Gegebenheiten erweisen lassen, also 83 84 85 86
Ak I, 23428–32 . Ak I, 23502–05. Ak I, 33424–28 ; H. i. O. Ak I, 22327–29.
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ohne partikulären Eingriff Gottes erklärbar sind. Diese Kritik an der gewöhnlichen Physikotheologie ist somit schon im Werk des Jahres 1755 präsent. Sie wird in der Beweisgrundschrift in einer eigenen Betrachtung ( II .v) weiter ausdifferenziert und durch die »Verbesserte Methode der Physikotheologie« ( II .vi) ersetzt. Kant muß also die These vertreten, daß es eine Abgestimmtheit unter den Naturgesetzen gibt, die auf die Hervorbringung von Harmonie, Schönheit und Zweckmäßigkeit in der phänomenalen Welt ausgerichtet und gleichwohl auf eine ursprüngliche göttliche Anordnung zurückzuführen ist. Diese Überzeugung formuliert er an mehreren Stellen der Allgemeine[n] Naturgeschichte. So heißt es dort gleich zu Beginn der Vorrede: »Wenn die allgemeinen Wirkungsgesetze der Materie […] eine Folge aus dem höchsten Entwurfe sind, so können sie vermuthlich keine andere Bestimmungen haben, als die den Plan von selber zu erfüllen trachten, den die höchste Weisheit sich vorgesetzt hat […].« Es war Gott selbst, der »[…] in die Kräfte der Natur eine geheime Kunst gelegt hat, sich aus dem Chaos von selber zu einer vollkommenen Weltverfassung auszubilden […].« 87 Dieser Gedanke ist im Grunde nicht neu und war Kant selbstredend bekannt. Er entspricht der Auffassung der Deisten,88 die Ak I, 22307–11, Ak I, 229 04–06, cf. auch Ak I, 234 04–06. Mit der deistischen Literatur wurde Kant spätestens durch seinen Lehrer Martin Knutzen während seiner ersten Universitätsjahre vertraut, denn Knutzen trat als Verteidiger der christlichen Religion vor den Angriffen des Deismus auf dieselbe auf und war ein exzellenter Kenner des einschlägigen britischen Schrifttums. Das zeigt insbesondere die Abhandlung Vertheidigte Wahrheit der Christlichen Religion gegen den Einwurf: Daß die christliche Offenbarung nicht allgemein sey. Wobey besonders die Scheingründe des bekannten Englischen Deisten Matthäi Tindals […] erwogen und widerleget werden, die seinem einflußreichen Werk Philosophischer Beweiß von der Wahrheit der christlichen Religion, darinnen die Nothwendigkeit einer geoffenbarten Religion insgemein, und die Wahrheit oder Gewißheit der Christlichen insbesondere, aus ungezweiffelten Gründen der Vernunft nach Mathematischer Lehr-Art dargethan und behauptet wird, entworfen von Martin Knutzen. 4. Aufl. Königsberg 1747 [ 11740]. Reprint Hildesheim, New 87
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das vorausschauende göttliche Planen bei der Schöpfung auf die Etablierung allgemeiner Naturgesetze ausgedehnt hatten, durch die fortan das Verhalten der Materie gelenkt wurde, so daß Gott nicht beständig in den Weltenlauf durch singuläre Aktionen, durch Wunder also, korrigierend eingreifen mußte. Kant wendet diese der deistischen Wunderkritik zugrundeliegende Auffassung also zu Gunsten der Physikotheologie, um dieselbe stark zu machen, und betont dabei neben der universalen Gültigkeit dieser Gesetze insbesondere deren Abstimmung aufeinander. Das ist insofern erforderlich, als es ja zumindest möglich wäre, daß diese Gesetze gelegentlich in Konfl ikt miteinander geraten und sich so wechselseitig an der Hervorbringung von Schönem und Zweckmäßigem hindern könnten. Er greift bei diesen Überlegungen auf Newton und, aktueller noch, auf Maupertuis zurück,89 der Gottes Wirken genau wie Kant nicht länger in einzelnen Naturerscheinungen erblicken wollte, sondern in den allgemeinen Gesetzen, die diesen zugrunde liegen und deren materiell faßbare Konkretisationen sie sind. Diese Auffassung hatte der Präsident der Berliner Akademie in seinem 1751 erschienenen und noch im gleichen Jahr ins Deutsche übersetzten Essay de cosmologie nachdrücklich vertreten.90 Kant zitiert desYork, Zürich 2006, ab 1742 beigebunden wurde. Zu Knutzen und seinem Einfluß auf Kant cf. die Studie von Benno Erdmann: Martin Knutzen und seine Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte der Wolfi schen Schule und insbesondere zur Entwicklungsgeschichte Kants. Leipzig 1876, bes. S. 119 ff. 89 Auf den sich von Maupertuis herleitenden Einfluß auf Kants Konzeption und ihre damit verbundene anti-wolffsche Stoßrichtung hat Giorgio Tonelli hingewiesen. Conditions in Königsberg and the Making of Kant’s Philosophy. In: bewußt sein. Gerhard Funke zu eigen. Hg. von Alexius J. Bucher, Hermann Drüe, Thomas M. Seebohm. Bonn 1975, S. 140. Zu diesem Einfluß, seinen Motiven und der Tragf ähigkeit von Tonellis Ansicht cf. Waschkies: Physik und Physikotheologie des jungen Kant, a. a. O., S. 561 ff. 90 Cf. das am Ende von Anm. 130 zum Text angeführte Zitat aus dem genannten Werk von Maupertuis bzw. dessen zeitgenössische deutsche Übersetzung unten in Fn. 99.
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sen Ansicht zustimmend und lobt Maupertuis ausdrücklich für sie, zwar noch nicht in der Allgemeine[n] Naturgeschichte,91 wohl aber in der Beweisgrundschrift.92 Maupertuis hatte bei den allgemeinen Naturgesetzen hauptsächlich die Bewegungsgesetze im Blick93 und wollte diese unter einem übergeordneten Prinzip vereinigen.94 Als solches präsentierte er das Gesetz der Sparsamkeit.95 Kant nimmt diesen Gedanken der von Maupertuis konstatierten »Wohlgereimtheit der notwendigen und allgemeinsten Bewegungsgesetze« 96 auf, spricht das Sparsamkeitsprinzip als eine »herrschende Regel« an, durch welche die Gegebenheiten der materiellen Welt »[…] unter eine allgemeine Formel Die fünf namentlichen Erwähnungen innerhalb dieses Werks stellen auf seine astronomischen Leistungen ab. Albrecht / Delfosse: Stellenindex und Konkordanz zur »Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels«, a. a. O., S. 454. 92 EmB, 052 . Cf. unten, Anm. 130, 131 zum Text. Der problem24 geschichtlichen Beziehung zwischen Kants Allgemeine[r] Naturgeschichte und Maupertuis’ Essay de cosmologie geht Waschkies nach. Physik und Physikotheologie des jungen Kant, a. a. O., S. 576 ff. 93 So eröffnet er den Hauptteil seines Essay de cosmologie. Leiden 1751, S. 1, gleich mit den Worten: »Le plus grand Phénomène de la Nature, le plus merveilleux, est le Mouvement.« 94 Er beschrieb die bis dahin ungelöste Aufgabe, an der sich auch Descartes und Leibniz seiner Ansicht nach vergeblich abgemüht hatten, in den Worten: »Il s’agissoit de tirer toutes les Loix du Mouvement et du Repos d’un seul Principe métaphysique […].« Essay de cosmologie, a. a. O., S. [XII f.]. 95 Cf. die in Anm. 131 zum Text angeführten Zitate. 96 EmB, 052 25–26 . Dabei kann sich Kant etwa auch auf folgende Stelle des Avant-Propos beziehen, wo Maupertuis das Sparsamkeitsprinzip als »[…] un principe métaphysique sur lequel toutes les loix du mouvement sont fondées« bezeichnet. Maupertuis betrachtet es »[…] comme un des argumens des plus forts que l’univers nous offre pour nous faire reconnoître la sagesse et la puissance de son souverain auteur.« Essai de cosmologie. In: P. L. Moreau de Maupertuis: Œuvres. Reprint der Ausgabe Lyon 1768 und Berlin 1758. Avec une introduction par Giorgio Tonelli. Bd. I, Hildesheim, New York 1974, S. X XII . 91
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gebracht […]« werden, die eine »[…] Beziehung auf Anständigkeit, Schönheit und Wohlgereimtheit ausdrückt.« 97 Mehr noch: dem Wortlaut der Beweisgrundschrift zufolge konzediert Kant Maupertuis über die Erkenntnis der harmonischen Abstimmung der Naturgesetze mittels des Sparsamkeitsprinzips hinaus auch die Einsicht eines »allgemeine[n] Zusammenhang[s] in den einfachsten Naturen der Dinge […].« 98 Doch dieser Gedanke einer Harmonie auf der Ebene der metaphysischen Wesenheiten tritt in seiner Bedeutung bei dem Akademiepräsidenten fraglos hinter demjenigen einer das Verhalten der Körper regelnden kinetischen Gesetzmäßigkeit zurück.99 Diese Position einer harmonischen Koordination schon der Wesenheiten der Dinge, die Kant zuvor Pope und nun – und zwar eher beiläufig – auch Maupertuis beilegt, wird in der Allgemeine[n] Naturgeschichte stark gemacht und der Harmonie der Naturgesetze – vornehmlich den aus der Newtonischen Physik entlehnten zwei Kräften der Attraktion und Repulsion – an die Seite gestellt. Nicht nur die Naturgesetze selbst gründen in einem Beschluß Gottes, sondern dessen unendlicher Verstand hat es außerdem so eingerichtet, daß diese Gesetze bei der Materie überhaupt greifen können. Kant drückt das gelegentlich so aus, daß in Gottes »[…] unendliche[m] Verstand […] aller Dinge wesentliche Beschaffenheiten beziehend entworfen worden [sind].«100 Gott hat schon die Wesenheiten der Dinge so konzipiert und realisiert, daß die angestrebte Schönheit, ZweckEmB, 05234 – 05305. EmB, 05316–17. 99 In der deutschen Fassung seines Essai de cosmologie hatte es unmißverständlich geheißen: »Das höchste Wesen ist überall, aber es ist nicht überall gleich sichtbar. Wir werden es besser in einfachern Gegenständen sehen. Laßt es uns in den ersten Gesetzen suchen, welche es der Natur gegeben hat, in den allgemeinen Regeln, nach welchen die Bewegung erhalten, vertheilet oder zernichtet wird […].« Versuch einer Cosmologie. Aus dem Französischen übersetzt. Berlin 1751, S. 41. 100 ANG, Ak I, 225 25–26 . 97
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mäßigkeit und Harmonie in der Schöpfung überhaupt möglich wird.101 Er ist die »[…] Quelle der Wesen selber und ihrer ersten Wirkungsgesetze […]«102 bzw. der »Naturen der Dinge.«103 In derartigen Formulierungen tritt der Sache nach die Kritik an Leibniz wieder hervor, die Kant in der R 3705 geäußert hatte, wenngleich der Name dieses Denkers in der gesamten Allgemeine[n] Naturgeschichte nicht vorkommt. Denn in dem frühen Papier hatte Kant Leibnizens Variante des Optimismus ja gerade entgegengehalten, daß in ihm die ewigen Wesenheiten der Dinge der Einwirkungsmöglichkeit Gottes entzogen sind, so daß Gott zwar das Gute will, aber nur das Bestmögliche realisieren kann. Folglich ist diese Welt »[…] eigentlich nicht so, weil sie Gott so haben will, sondern weil es sich nicht thun läßt, sie anders zu machen.«104 Diesen schon in den Preisschriftreflexionen konstatierten »Fehler« Leibnizens will Kant also 1755 vermeiden und läßt auch die inneren Bestimmungen der Dinge, die er deren ›Wesenheiten‹ oder ›Naturen‹ nennt, vom göttlichen Ratschluß abhängig sein. Damit ist ein gravierender Unterschied zu Leibniz gesetzt,105 der Gottes Allmacht an den auch ihm vorgegebenen Wesenheiten eine Grenze zog. Ewige Wesenheiten oder ewige Wahrheiten, die aller Wirklichkeit und Möglichkeit Kant zielt mit der Verwendung des Ausdrucks ›wesentlich‹ auf das Wesen der Dinge. Das zeigen die in: Stellenindex und Konkordanz zur »Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels«, a. a. O., S. 637, angeführten zahlreichen Belegstellen. 102 ANG, Ak I, 226 . 12 103 ANG, Ak I, 228 . 01 104 R 3705; Ak XVII , 237 –238 . Kants diesbezügliche Kritik 27 01 stimmt übrigens zu den von Maupertuis 1751 vorgebrachten Einwänden. Cf. Versuch einer Cosmologie, a. a. O., S. 35. 105 Das stellt auch Josef Schmucker deutlich heraus. Die Originalität des ontotheologischen Argumentes Kants gegenüber verwandten Gedankengängen bei Leibniz und in der Schulphilosophie der Zeit. In: Kritik und Metaphysik. Heinz Heimsoeth zum 80. Geburtstag. Hg. von Friedrich Kaulbach und Joachim Ritter. Berlin, New York 1966, S. 120–133, bes. S. 124–127. 101
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vorauslägen, so daß sie dem göttlichen Gestaltungsvermögen entzogen wären, streitet Kant ab. Diese Position wird der Philosoph beibehalten und auch in der Nova Dilucidatio vertreten.106 Durch die Wiederaufnahme des Gedankens einer Einwirkungsmöglichkeit Gottes schon auf die ›Wesenheiten‹ oder ›Naturen‹ macht Kant deutlich, daß er sich auch in der Allgemeine[n] Naturgeschichte auf die Seite Popes schlägt, so wie er ihn versteht. Die Anknüpfung an die im Sparsamkeitsprinzip kulminierende Rückführung der Naturgesetze auf ein einziges oberstes metaphysisches Prinzip nach Vorgabe von Maupertuis und die diesem damit erwiesene Reverenz stellt vollends klar, daß Kant im Streit der einander gegenüberstehenden Lager an der Berliner Akademie eindeutig Partei für die Engländer bzw. die Newtonianer ergriffen hat. Gott hat demnach ein Doppeltes getan: Er hat den »Entwurf der Einrichtung des Universi […] schon in die wesentliche Bestimmungen der ewigen Naturen gelegt und in die allgemeine Bewegungsgesetze gepflanzt […].«107 Doch Kant geht schon in diesem Werk, und das wird häufig übersehen, den mit Blick auf die Ontotheologie entscheidenden Schritt weiter und führt den in der R 3704 artikulierten und Pope beigelegten GedanDas geht aus dem Scholion zu Prop. VII deutlich hervor. »Denn obgleich die Wesenheiten (die in der inneren Möglichkeit bestehen) gemeinhin unbedingt notwendig genannt werden, wäre es doch richtiger zu sagen, daß sie den Dingen unbedingt notwendig zukommen. Denn das Wesen des Dreiecks, das in der Zusammenfügung dreier Seiten besteht, ist nicht an sich notwendig; denn welcher vernünftig denkende Mensch wollte behaupten, daß es an sich notwendig sei, drei Seiten immer als verbunden vorzustellen […].« Neue Erhellung der ersten Grundsätze metaphysischer Erkenntnis. Übersetzt von Monika Bock in Bd. I der Werke in sechs Bänden. Hg. von Wilhelm Weischedel. 5., erneut überprüfter reprographischer Nachdruck der Ausgabe 1960, Darmstadt 1983, S. 435 f.; H. i. O. – Sämtliche deutschsprachige Zitate aus der Nova Dilucidatio entstammen dieser Übersetzung. 107 ANG, Ak I, 332 04–07; H. d. Hg. Cf. Ak I, 22736 –228 02 , 332 25–31, 33334 –334 01, 34604–11, 34616–18. 106
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ken108 ins Feld, der die »vollkommenheit seines Systems ausmacht« und der darin besteht, daß Pope »[…] so gar alle moglichkeit der Herrschaft eines allgnugsamen Uhrwesens [!] unterwirft […].«109 Diese Ausdehnung der göttlichen Fürsorge um Kompossibilität und Harmonie vom Bereich des Wirklichen auf den Bereich des Möglichen spricht Kant an einer Stelle des 8. Hauptstücks des 2. Teils dieses Werks an. Dort heißt es unmißverständlich im Sinne der kurz zuvor niedergeschriebenen R 3704: »Hieraus folgt, daß ihre [sc. der Natur, Hg.] wesentlichen Eigenschaften keine unabhängige Nothwendigkeit haben können, sondern daß sie ihren Ursprung in einem einzigen Verstande, als dem Grunde und der Quelle aller Wesen, haben müssen, in welchem sie unter gemeinschaftlichen Beziehungen entworfen sind. Alles, was sich auf einander zu einer gewechselten Harmonie bezieht, muß in einem einzigen Wesen, von welchem es insgesammt abhängt, unter einander verbunden werden. Also ist ein Wesen aller Wesen, ein unendlicher Verstand und selbständige Weisheit, vorhanden, daraus die Natur auch sogar ihrer Möglichkeit nach in dem ganzen Inbegriffe der Bestimmungen ihren Ursprung zieht.«110 Der gedankliche Gehalt der frühen Reflexionen ist also – mitunter bis in die sprachliche Formulierung hinein – in der Allgemeine[n] Naturgeschichte präsent. Das betrifft in erster Linie die hier nun breit dargelegte Physikotheologie, aber auch den knapp formulierten ontotheologischen Gedanken auf dem
Die Nähe zu Pope kommt neben der großen sprachlichen Ähnlichkeit, die zwischen diesen drei frühen Reflexionen und den einschlägigen Passagen der Allgemeine[n] Naturgeschichte besteht, auch in der Übernahme des Popeschen Gedankens von der »Kette der Wesen« (R 3704; Ak XVII , 23505 ) zum Ausdruck, dem sich Kant an mehreren Stellen verpfl ichtet zeigt. Cf. Ak I, 278 02 , 30814, 31102 , 319 07, 33817, 34727. 109 R 3704; Ak XVII , 233 20–21. 110 ANG, Ak I, 333 –334 ; H. d. Hg. 34 07 108
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Niveau der R 3704.111 Kant sieht oder erahnt zumindest schon jetzt, daß die Ontotheologie für die Physikotheologie im Sinne der späteren Beweisgrundschrift fruchtbar gemacht werden kann ( II . vi.1–2). Viel mehr läßt sich der dreimaligen Erwähnung des Gedankens in diesem Werk112 füglich nicht entnehmen. Aber nur unter dieser Annahme ist es überhaupt erklärlich, daß der Philosoph ihn in dieser Schrift präsentiert. Rückblickend von der Abhandlung des Jahres 1762/63 liegt es klar auf der Hand: Wenn Gott bereits im Bereich des nur Möglichen auf Vereinbarkeit der Wesenheiten der Dinge im Interesse eines wohlgeordneten Weltganzen geachtet hat und diese auch seiner Machtbefugnis unterstanden, dann ist a priori gewiß, daß alles Kreatürliche, selbst wenn es prima facie den Anschein des Zweckwidrigen an sich tragen sollte,113 zur Harmonie und Wohlgereimtheit des totum beiträgt, wie Pope herausgestellt hatte.114 Diese ontotheologische These begründet Kant in dem kosmologisch-kosmogonischen Werk des Jahres 1755 noch nicht; sie wird wie eine Art metaphysische Glaubensüberzeugung ohne jedwede argumentative Absicherung oder Stützung eingeführt,115 ebenso wie das sie
Dieser Umstand gerät bei Robert Theis durch die von ihm vorgenommene strenge Zuordnung der ANG einerseits und dem EmB andererseits zu »des cadres théoriques différents« ins Hintertreffen. Erstere sei »un essai de philosophie naturelle, le second d’ontologie ou d’ontothéologie«. La physico-théologie du jeune Kant. In: Vlad Alexandrescu / Robert Theis (Eds.): Nature et surnaturel. Philosophies de la nature et métaphysique aux XVIe – XVIIIe siècles. Hildesheim, Zürich, New York 2010, S. 180 [= Europea Memoria. Reihe I, Bd. 79]. 112 ANG, Ak I, 226 07–13, 22730 –228 02 , 33329 –334 07. 113 R 3704; Ak XVII , 234 02–25. 114 Theis hat überzeugend nachgewiesen, daß in Kants früher Sicht die Vollkommenheit des totum für Leibniz darin besteht, daß diese Welt die bestmögliche ist, während Pope sie in deren Vollständigkeit erblickt. Gottes Spur in der Welt?, a. a. O., S. 354 f. 115 Das stellt auch Theis unmißverständlich heraus. L’unique argument possible, a. a. O., S. 39. 111
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flankierende Theorem, daß die »ewigen Naturen«,116 die Leibniz nicht grundlos der Einwirkmöglichkeit Gottes entzogen hatte, dessen Allmacht unterworfen seien. Eine solche Position, wie sie in Fortsetzung der Überlegungen der R 3704 hier anzutreffen ist, taugt dazu, der Physikotheologie eine Art metaphysisches Korsett einzuziehen und sie dadurch beträchtlich zu stabilisieren. Das sieht Kant offensichtlich schon 1755, wenngleich die detaillierte Ausführung des Konsolidierungsprogramms der Physikotheologie noch sieben Jahre auf sich warten läßt. Dafür ist allerdings ein hoher Preis zu zahlen. Denn die Ergebnisse der solchermaßen auf die Ontotheologie gepfropften Physikotheologie sind dem dringenden Verdacht der Zirkularität117 ausgesetzt: Wenn, so läßt sich einwenden, am Ende physikotheologischer Betrachtungen die Erkenntnis der Existenz Gottes mitsamt seinen wesentlichen Prädikaten wie Allmacht, Allwissenheit und Allgüte steht, dann nur deshalb, weil eben dieses Gottesbild in die zuvor erfolgte metaphysische Konstitution der Wesenheiten der Dinge und der sie regelnden Gesetzmäßigkeiten bereits einging, die zusammen das zweckmäßige Naturganze und damit den Ausgangspunkt der Physikotheologie bilden. Kant streift diese Einsicht am Ende der ersten Abteilung und gibt dem Leser selbst einen Hinweis auf die mit seiner Konstruktion verbundene Problematik, wenn er dort herR 3705; Ak XVII , 238 01. Theis glaubt, Kants physikotheologische Theorie der Allgemeine[n] Naturgeschichte vor diesem Vorwurf, sollte er »en un strict sens« erhoben werden, durch die Unterscheidung eines »discours du type de la théologie naturelle« und eines »discours de type physico-théologique«, also durch eine unterschiedliche Sichtweise derselben Sachverhalte retten zu können (L’unique argument possible, a. a. O., S. 39). Tatsächlich richtet sich der Zirkularitätsvorwurf auch gegen das ganz analog konzipierte Stabilisierungsprogramm der Beweisgrundschrift, denn auch dort ist die Ontotheologie der Physikotheologie gleichsam eingeschrieben, so daß in einem strengen Sinne nur von einem Beweis gesprochen werden kann, den Kant präsentiert, nämlich dem apriorischen. 116 117
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ausstellt, man könne durch den aposteriorischen Weg der Physikotheologie, »[…] auf ein einiges Principium aller Möglichkeit zurückschließen […]« und auf diesem Wege zu demselben Gottesbegriff gelangen, »[…] von dem wir durch den Weg a priori anfänglich ausgegangen waren.«118 Das klingt nach argumentativem Zugewinn durch Anbietung eines alternativen Weges der Gotteserkenntnis, führt aber tatsächlich zu einer Entwertung der Physikotheologie als eines selbständigen Beweisverfahrens.
c) Die erste ausführliche Präsentation der Ontotheologie in der Nova Dilucidatio So ist in der im März 1755 erschienenen119 Allgemeine[n] Naturgeschichte noch keine substantielle inhaltliche Weiterentwicklung oder Ausdifferenzierung des ontotheologischen Gedankens selbst oder gar seiner Begründung der frühen Fragmentengruppe gegenüber festzustellen, wohl aber zeichnet sich eine erste, wenngleich noch stark im Hintergrund bleibende Nutzbarmachung desselben für die dort präsentierte Physikotheologie ab, wie sie zum ausdrücklichen Programm der Beweisgrundschrift zählt und in deren zweiter Abteilung vorgenommen wird. In diesem Festhalten und Weiterentwickeln der früh gewonnenen Einsicht dokumentiert sich eine bemerkenswerte Kontinuität in Kants metaphysischem Denken, die angesichts der thematischen Vielfalt der frühen Schriften Kants leicht übersehen wird. In seiner ersten streng philosophischen oder genauer metaphysischen Abhandlung, der Principiorum Primorum Cognitionis Metaphysicae Nova Dilucidatio, wird die Ontotheologie entschieden vorangebracht. Kant formuliert hier erstmals einen apriorischen Gottesbeweis, und zwar im Grunde den gleichen, den er sieben Jahre später in der Beweisgrundschrift präsentieren 118 119
EmB, 04413–17; H. d. Hg. Cf. Ak I, 545.
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wird. Dieser Umstand rechtfertigt es, der in der Beweisgrundschrift mit Stillschweigen übergangenen Habilitationsschrift des Jahres 1755, der für die Vorgeschichte dieser Abhandlung insofern ein erheblich größerer Stellenwert als der dort ausdrücklich erwähnten Allgemeine[n] Naturgeschichte zukommt, besondere Beachtung und Aufmerksamkeit zu schenken. Zur Physikotheologie äußert er sich in ihr nicht, und a fortiori wird die immerhin schon im Raum stehende Frage nach einem möglichen Zusammenhang derselben mit der Ontotheologie nicht vorangetrieben. Man könnte grob gesprochen sagen, daß die in den frühen Preisschriftreflexionen angesprochenen Themen der Physikotheologie einerseits und der Ontotheologie andererseits von Kant zunächst in zwei Schriften separat behandelt werden – erstere in der Allgemeine[n] Naturgeschichte, letztere in der Nova Dilucidatio –, bis er beide in dann gereifter Gestalt in der Beweisgrundschrift zusammenführt und dabei abermals weiterentwickelt. Kant hat diese Dissertation am 27. September 1755 öffentlich verteidigt.120 Geht man von der naheliegenden Vermutung aus, daß er seine ontotheologischen Überzeugungen, so wie sie in der Reflexion 3704 und der Allgemeine[n] Naturgeschichte zutage treten, an den genannten Stellen noch nicht begründet hat, weil er zur damaligen Zeit noch nicht über die hierfür erforderlichen Mittel verfügte,121 dann müssen ihm diese in den sechs MoFriedrich II . hatte angeordnet, daß kein Privatdozent als Extraordinarius für die Universität Königsberg vorgeschlagen werden solle, der nicht drei Abhandlungen öffentlich verteidigt hatte. Cf. Friedrich Wilhelm Schubert / Karl Rosenkranz in der Vorrede zu Bd. V ihrer Ausgabe Immanuel Kant’s Sämmtliche Werke, a. a. O., S. XIV f. Die Nova Dilucidatio war eine von ihnen. Er erwarb mit ihr zunächst das Recht, Vorlesungen an der Philosophischen Fakultät der Albertina zu halten. Cf. Ak I, 565. 121 Man mag vielleicht einwenden, daß die hierfür erforderlichen hochkomplexen metaphysischen Räsonnements wie ein Fremdkörper innerhalb des kosmologisch-kosmogonischen Gedankengangs dieses 120
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naten zwischen der Publikation des letztgenannten Werks und der Nova Dilucidatio zugewachsen sein. Doch bevor wir uns im nächsten Abschnitt der Frage zuwenden, welche Quellen hierfür ausschlaggebend gewesen sein mögen, ist zunächst ein näherer Blick auf diese Abhandlung selbst zu werfen, soweit sie das hier anstehende Thema des Gottesbeweises betrifft. Mit der Wahl des Titels seiner Abhandlung knüpft Kant an das Metaphysik-Kompendium des Wolffianers Georg Bernhard Bilfi nger 122 (1693–1750) an, das Dilucidationes Philosophicae de Deo, Anima Humana, Mundo, et Generalibus Rerum Affectionibus lautete.123 Schon durch diese Anspielung 124 plaziert sich Kant Werks gewirkt haben würden und daß Kant womöglich deshalb von ihrer Präsentation dort absah. Derartigen Mutmaßungen ist aber entgegenzuhalten, daß wir nur auf der Grundlage überlieferter Dokumente urteilen können und daß auch in den Reflexionen kein Anhaltspunkt dafür zu fi nden ist, daß Kant diesbezüglich bereits weiter vorangekommen wäre, als es die ANG selbst zu erkennen gibt. 122 Gelegentlich stößt man auf die Schreibweise Bielfi nger oder, wie er auf den zeitgenössischen Titelblättern seiner Werke zumeist genannt wird, Bülfi nger. 123 Es war in Tübingen 1725 erstmals erschienen und erlebte weitere Auf lagen in den Jahren 1737, 1740, 1746 und 1768. Ein Reprint der Erstauf lage liegt vor als Bd. 18 innerhalb der dritten Abteilung von Christian Wolff: Gesammelte Werke, a. a. O. Einen guten Überblick über die von Bilfi nger in den Dilucidationes vertretenen Positionen bietet Johann Eduard Erdmann in seinem Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung der Geschichte der neuern Philosophie. Faksimile-Neudruck in sieben Bänden. Mit einer Einführung in Johann Eduard Erdmanns Leben und Werke von Hermann Glockner. Erste und zweite Abteilung: Von Cartesius bis Kant. Bd. IV: Leibniz und die Entwicklung des Idealismus vor Kant. Erstauf lage Leipzig 1842. Stuttgart 1932, S. 368–375. 124 Freilich mag man die dreimalige Verwendung des Terminus ›dilucidatio‹ in Zwischenüberschriften (Ak I, 40707, 41115, 41321) auch als Reflex des Einflusses der Abhandlung von Christian August Crusius über das Prinzip vom Grund bewerten, in der er ebenfalls in dieser Funktion vorkommt. Dissertatio Philosophica de Usu et Limitibus Principii Rationis Determinantis Vulgo Suffi cientis, § 6 (Die philosophischen Haupt-
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für jeden zeitgenössischen Leser deutlich erkennbar in die Traditionslinie des Wolffianismus, dessen Namengeber 1720 seine »Deutsche Metaphysik« veröffentlicht hatte, und signalisiert zugleich, daß es seiner Ansicht nach um die Begründung der dort hochgehaltenen »ersten Prinzipien« der Metaphysik nicht so gut bestellt ist, wie es wünschenswert und auch möglich wäre. Von diesen grundlegenden Sätzen gibt es nun zwei, nämlich den Satz des Widerspruchs und den Satz des (zureichenden) Grundes. Leibniz selbst hatte sie an die Spitze der Metaphysik gestellt,125 und Wolff glaubte gar, entgegen der ausdrücklichen Warnung seines großen Vorgängers, den Satz vom Grund auf den Satz des Widerspruchs zurückführen und damit ein philosophisches System von deduktiver Geschlossenheit mit nur einem obersten Prinzip an seiner Spitze bieten zu können.126 Das macht es verständlich, weshalb sich die Gegner der sogenannten Leibniz-Wolffschen Philosophie bei ihren Angriffen auf dieselbe insbesondere auf den Satz des Grundes konzentrierten, weil sie zurecht hofften, mit seiner Erschütterung, sollte sie denn ge-
werke. Bd. IV, Teil I: Kleinere philosophische Schriften. Hg. von Sonia Carboncini und Reinhard Finster. Hildesheim, Zürich, New York 1987, S. 168). Die Bedeutung dieser Abhandlung des Leipziger Philosophen Crusius für die vorliegende Schrift Kants ist auch aus anderen Gründen manifest und wird zudem von Kant selbst ausdrücklich und wiederholt bezeugt. Cf. ND, Ak I, 39318–19, 39624–25, 39705, 39814–16, 39836, 40517, 41227. Cf. unten, S. LIX f. Für die Annahme, daß Bilfi nger im Hintergrund steht, spricht ferner der Umstand, daß dieser wie Kant sein Werk mit einer »Ratio Instituti« eröffnet. 125 So heißt es etwa im ersten Teil der Essais de Théodicée: »[…] il faut considerer qu’il y a deux grands principes de nos raisonnements; l’un est le principe de la contradiction […], l’autre principe est celuy de la raison determinante […].« Die philosophischen Schriften. Hg. von C. I. Gerhardt. 7 Bde. Reprint der Ausgabe Berlin 1875–90. Hildesheim, New York 1978. Bd. VI , S. 127; H. i. O. 126 »Deutsche Metaphysik«, §§ 10, 30 f., GW I .2, S. 6, 17 f.; Philosophia Prima Sive Ontologia, §§ 66, 70, GW II .3, S. 45 f., 47–49.
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lingen, das gesamte Gebäude dieser philosophischen Schule zu Fall zu bringen.127 Kant empfi ndet Renovierungsbedarf bei beiden Prinzipien, besonders aber beim Satz des zureichenden Grundes. Das Widerspruchsprinzip behandelt er hingegen im ersten Abschnitt der Abhandlung vergleichsweise kurz und setzt sich dabei in deutlichen Gegensatz zu Wolff und besonders zu Baumgarten, dessen Einfluß auf diese Abhandlung im übrigen gleichsam mit Händen zu greifen ist.128 Denn während Baumgarten das Widerspruchsprinzip als »das absolut erste Prinzip« bezeichnet hatte,129 verkündet Kant gleich in der Überschrift zu Prop. I der Nova Dilucidatio: »Einen Einzigen, unbedingt ersten, allgemeinen Grundsatz für alle Wahrheiten gibt es nicht.«130 Damit ist eine Depotenzierung dieses Prinzips angekündigt, die in der Folge eine Bestärkung durch die Vorzugsstellung erfährt, die Kant dem Satz der Identität dem Satz des Widerspruchs gegenüber einräumt.131 Auf diese Debatten ist hier nicht näher einzugehen. Einige der aus diesem strategischen Gesichtspunkt geführten Attacken, wie sie im Kampf gegen Wolff besonders von pietistischer Seite geführt wurden, sind in der Einleitung zu Baumgartens Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. XLVIII ff., erwähnt. 128 So gleich eingangs der Schrift. Kant eröffnet sie mit einem Bekenntnis zu einem stilistischen Minimalismus und spricht in deutlicher Anlehnung an Baumgarten bis in die Wortwahl hinein wie dieser von den »Nerven und Gelenken der Beweisgründe«, auf deren Freilegung er sich unter Verzicht »auf alle Feinheit und Zierlichkeit des Ausdrucks wie auf ein abgelegtes Kleid« konzentrieren wolle. Cf. hiermit die Vorrede zur ersten Auf lage der Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 3. – Zur Bedeutung von Baumgartens Metaphysica für Kants Ontotheologie cf. unten, Abschnitt V der Einleitung. 129 Metaphysica / Metaphysik, § 7, a. a. O., S. 57; H. i. O. Wie Wolff vor ihm, suchte auch Baumgarten den Satz vom Grund mittels des Satzes vom Widerspruch zu beweisen. Ebd., § 20, S. 63. Für Näheres hierzu cf. die Einleitung zur Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. XLVIII–LII . 130 Neue Erhellung, a. a. O., S. 409; H. i. O. 131 ND, Prop. II und III . 127
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Das Gottesproblem nun taucht im Zusammenhang mit der intendierten Verbesserung zunächst des Verständnisses und sodann des Beweises des Satzes vom Grund auf.132 Kant steht bei seiner Auseinandersetzung mit dem letztgenannten Prinzip in der Gefolgschaft von Crusius, worauf er selbst hinweist.133 Dieser hatte 1743 in Leipzig die bereits erwähnte Abhandlung Dissertatio Philosophica de Usu et Limitibus Principii Rationis Determinantis Vulgo Suffi cientis publiziert,134 in der er die von Leibniz135 und Wolff136 behauptete uneingeschränkte Gültigkeit des Satzes vom (zureichenden) Grunde attackierte. Crusius wollte lieber vom Satz des ›bestimmenden‹ statt des ›zureichenden Grundes‹ sprechen. Kant folgt ihm hierin,137 wenngleich er zunächst selbst die landläufige ND, Ratio instituti, Ak I, 387. ND, Prop. IV, Adstructio realitatis defi nitionis, Ak I, 393. Cf. Anm. 332 zum Text. 134 Ein Jahr darauf wurde sie ins Deutsche übersetzt und ebenfalls in Leipzig publiziert unter dem Titel Ausführliche Abhandlung von dem rechten Gebrauche und der Einschränkung des sogenannten Satzes vom zureichenden oder besser determinirenden Grunde. Aus dem Lateinischen […] übersetzt und mit Anmerkungen nebst einem Anhange begleitet von Christian Friedrich Krause. 135 Essais de Théodicée, § 44: »Ce grand principe [sc. de la raison déterminante, Hg.] a lieu dans tous les evenemens, et on ne donnera jamais un exemple contraire […]« (Die philosophischen Schriften, a. a. O., Bd. VI , S. 127; H. i. O). Ebenso im Briefwechsel mit Samuel Clarke, § 129. Die philosophischen Schriften, a. a. O., Bd. VII , S. 420. 136 »Deutsche Metaphysik«, § 30, GW I .2, S. 16 f.; ebenso Philosophia Prima Sive Ontologia, § 70, GW II .3, S. 47. 137 Die Überschrift der zweiten Sektion lautet »De principio rationis determinantis, vulgo sufficientis« (Ak I, 39132 ; cf. analog die Überschrift zu Prop. IX , Ak I, 39811–12 ). An späterer Stelle (Ak I, 39318–22 ) begründet Kant seine Wahl des Ausdrucks, f ällt jedoch noch einmal in die alte Sprechweise zurück (Ak I, 40921). – Unentbehrlich für Untersuchungen zu Kants Sprachgebrauch in der Nova Dilucidatio ist der Index von Pietro Pimpinella / Antonio Lamarra / Lidia Procesi: Indici e concordanze degli scritti latini di Immanuel Kant. Bd. II : De Igne. Nova Dilucidatio. Monadologia Physica. Rom 1991 [= Lessico fi losofico dei secoli XVII e XVIII . Strumenti critici 2]. 132
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(vulgo) Formulierung gewählt hatte,138 und läßt auch damit den Einfluß erkennen, den Crusius in jenen Jahren auf ihn ausübte.139 Mit der aus der Tradition bekannten Unterscheidung des Seinsgrundes (ratio essendi) von dem Erkenntnisgrund (ratio cognoscendi) eröffnet Kant seine ›erhellende‹ Klärung in Prop. IV. Baumgarten hatte dieselbe in § 311 behandelt.140 Kant thematisiert den Satz vom Grund zunächst innerhalb der Sphäre der Wahrheitsproblematik. Das durch zwei Beweisgänge sichergestellte Ergebnis lautet, daß nichts wahr ist ohne bestimmenden Grund.141 Davon ausgehend schreitet Kant zügig zur Erörterung der ontologischen Dimension des Satzes vom Grund voran, an deren Auf hellung ihm primär gelegen ist. Denn hier spitzt sich die Debatte in brisanter Weise zu. Wenn nämlich, wie es bei Christian Wolff heißt, »[…] alles, was ist, seinen zureichenden Grund haben (muß), warum es ist […]«,142 dann läßt sich dieser Satz zunächst zwar treff lich zur Führung eines – in Kants späterer Terminologie: kosmologischen143 – Gottesbeweises verwenden.144 Denn unter seiner Voraussetzung läßt sich das einzelne, kontingente Seiende auf einen letztlich nicht mehr kontingenten, sondern absolut notwendigen Grund zurückführen, der sodann mit Gott identifi ziert wird. Wolff hatte diesen Beweis im So gleich eingangs in der Ratio instituti: »Tum de lege rationis sufficientis […].« Ak I, 38718. 139 Zur Bedeutung, die Crusius für den frühen Kant hatte, cf. Anm. 55, 59, 332 zum Text und die dort genannte weiterführende Literatur. 140 Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 177. 141 »Nihil est verum sine ratione determinante.« Prop. V, Ak I, 393. 142 »Deutsche Metaphysik« (§ 30, GW I .2, S. 16 f.). In der Fassung der Philosophia Prima Sive Ontologia wählte Wolff zunächst eine negative Formulierung für diesen Sachverhalt: »Nihil est sine ratione sufficiente, cur potius sit, quam non sit […].« § 70, GW II .3, S. 47. 143 KrV A 603 ff. / B 631 ff. 144 Wolff stellt seinem kosmologisch geführten Gottesbeweis in § 928 der »Deutschen Metaphysik« deshalb den Satz vom Grund in Wiederholung von § 30 nicht zuf ällig voran, denn er bildet das Fundament der Beweisführung. 138
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Ausgang von der, wie er meinte, unhinterfragbaren Existenz des eigenen Ich in der »Deutschen Metaphysik« geführt.145 Doch unvermeidlich taucht die Frage auf, ob nicht angesichts der behaupteten universalen Gültigkeit des Satzes vom Grunde dieses notwendige Wesen seinerseits eines Grundes bedarf. Gibt man dem statt, so sieht man sich mit einem unendlichen Regreß konfrontiert, weil die Frage iteriert. Deshalb entschlossen sich die von Kant in der Folge kritisierten Philosophen zu einem harten Schnitt. Sie verlegten zur Vermeidung des Regresses und in der Absicht, gleichzeitig die uneingeschränkte Gültigkeit des Satzes vom Grunde zu wahren, den – zureichenden – Grund des notwendigen Wesens in dieses selbst. Wolff, der Gott in der »Deutschen Metaphysik« mit dem »selbständigen Wesen« gleichsetzt, sagt dies unmißverständlich: »Was selbständig ist [sc. nach dem vorangehenden § 929 also Gott, Hg.], hat den Grund seiner Würklichkeit in sich.«146 Kant nun attackiert diese »guten Männer«147 wegen der von ihnen propagierten Lösung des Problems. Mittels zweier Argumente weist er die Ungereimtheit ihrer Behauptung nach, etwas könne den Grund seines Daseins in sich selbst haben. Seine erste Überlegung lautet wie folgt. Was den (Seins-)Grund einer Sache In der Tradition der Leibniz-Wolffschen Philosophie wählte man als Ausgangspunkt des Beweises vorzugsweise entweder die Welt als solche, wie es schon Leibniz selbst getan hatte und weshalb dieser Gottesbeweis – übrigens auch von Kant – der Beweis »a contingentia mundi« genannt wurde (KrV A 604 / B 632), oder die eigene Existenz, die Wolff zu diesem Zweck bevorzugt. 146 »Deutsche Metaphysik«, § 930, GW I .2, S. 575 f.; ebenso § 943, S. 582. Gleiches sagt Wolff in der Ontologia über Gott als das notwendige Wesen: »Ens necessarium est, cujus existentia absolute necessaria, seu, quod perinde est […], quod rationem sufficientem existentiae suae in essentia sua habet« (§ 309, GW II .3, S. 245; H. i. O; cf. auch § 689, S. 521). Und in der Theologia rationalis liest man über das selbständige Wesen (ens a se) in Wiederholung dieser Position: »Ens a se rationem existentiae in essentia sua habet.« Pars I, 1; § 31, GW II .7.1, S. 31; H. i. O. 147 Neue Erhellung, a. a. O., S. 431. 145
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in sich trägt, ist dessen Ursache. Dasjenige also, was den Grund seines Daseins in sich trüge, wäre demnach Ursache seiner selbst. Nun impliziert der Begriff der Ursache aber temporale Antezedenz der Wirkung gegenüber. Folglich wäre dasjenige, was den Grund seines Daseins in sich selbst trüge, zugleich früher und später als es selbst. Das aber ist absurd.148 Wie man sieht, läuft Kants Widerlegung auf eine reductio ad absurdum hinaus. Dabei macht er von einer sprachlichen Gleichsetzung Gebrauch, die alles andere als selbstverständlich ist und die Anlaß zu Verwunderung gegeben hat. Er identifi ziert nämlich den Grund (ratio) des Daseins einer Sache mit der Ursache (causa) ihres Daseins149 und spricht, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, von »[…] Gott oder dem letzten und vollendetsten Grund der Gründe und Ursachen […]« und »seine[m] Grund«.150 Aufgrund der gegebenen zeitlichen Abfolgeverhältnisse, die den Begriffen von ›Ursache‹ und ›Wirkung‹ intrinsisch sind, gelingt es ihm dann, die absurde Konsequenz gleichzeitiger Vor- und Nachzeitigkeit derjenigen Sache aufzuweisen, die den Grund ihrer Existenz in sich selbst trüge. Der heutige sprachphilosophisch geschulte Leser gewinnt daher leicht den Eindruck, daß dieses Argument nicht sticht und auf einem Kategorienfehler beruht. Sehr wahrscheinlich ist Kants Überlegung von Baumgarten inspiriert, der im Abschnitt über »Die Ursache und das Verursachte« seiner Metaphysica folgende ND, Prop. VI , Ak I, 394. So auch Theis: »Kant procède, à partir d’une restriction notionelle, qui consiste à identifier, sans autre explication, la ›ratio existentiae alicuius rei‹ […] avec la cause, entendue implicitement au sens de la ›cause efficiente‹.« L’unique argument possible, a. a. O., S. 23; H. i. O. 150 Der lateinische Wortlaut macht klar, daß Kant neben ›causa‹ und ›ratio‹ auch noch den Begriff ›principium‹ ins Spiel bringt, der in der Übersetzung ebenfalls mit ›Grund‹ wiedergegeben ist: »[…] bonis hisce viris […] videtur, Deo ceu rationum et causarum ultimo et consummatissimo principio sui rationem denegare […].« Ak I, 39424–26. Cf. ebenso Ak I, 39429. 148
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Defi nition der ratio alterius gegeben hatte: »Was den Grund eines anderen enthält, ist dessen PRINZIP. Das von einem Prinzip Abhängige ist das ABGELEITETE . Das Prinzip der Existenz ist die URSACHE .«151 Der letzte Satz dieses Zitats ist die direkte Vorlage für Kants Bestimmung der Ursache: »[…] was den Grund des Daseins einer Sache in sich befaßt, ist dessen Ursache.«152 Baumgarten selbst hatte sogleich darauf dem naheliegenden Mißverständnis vorgebeugt, das notwendige und unendliche Wesen bedürfe seinerseits einer Ursache.153 Indem Kant diese Vorgaben Baumgartens übernimmt, gelingt es ihm, die Meinung, das notwendige Wesen habe seinerseits eine Ursache, die in ihm selbst läge, und ineins damit die Ansicht, es trage seinen (Seins-)Grund in sich, aus dem Felde zu schlagen. Kants zweites Argument fi ndet sich im Scholion zu Prop. VI . Es besagt, daß man die Rückverfolgung der Gründe beenden muß, sobald man bei dem ersten Grund angelangt ist, aus dem die Existenz einer Sache, nach der gefragt war, erkannt wird. Denn damit ist die ursprünglich gestellte Aufgabe befriedigend gelöst und die höherstufige Frage, welchen Grund dieser erste Grund einer Reihe von Gründen seinerseits haben mag, ist deshalb abzuweisen. Dieses Argument macht später bei David Hume Karriere.154 Kant setzt es schon hier ein, um mit ihm Metaphysica / Metaphysik, § 307, a. a. O., S. 175; H. i. O. Neue Erhellung, a. a. O., S. 431. 153 »Ein notwendiges und unendliches Ding […] kann existieren, wenngleich es nicht von einem anderen, außerhalb seiner gesetzten verursacht ist […]«. Metaphysica / Metaphysik § 310, a. a. O., S. 177 (cf. auch § 851, ebd., S. 457). Cf. dazu unten, S. XCIII . 154 In Teil IX der Dialogues Concerning Natural Religion wird der Wunsch, neben der Identifi zierung der Ursache für einzelne Ereignisketten auch noch eine solche für das Ganze anzuführen, mit dem Hinweis abgewiesen, daß die Verknüpfung der Ereignisketten zu einem totum lediglich ein Produkt des Geistes, nicht aber der Natur selbst ist, so daß die Frage nach einer Ursache dieses totum unvernünftig erscheint. Dialoge über natürliche Religion. Hg. von Günter Gawlick. 6. Aufl. mit ergänzter Bibliographie. Hamburg 1993, S. 76. 151
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einen drohenden Regreß der Gründe abzuwehren und tritt auch damit in Gegensatz zur herrschenden Ansicht der LeibnizWolffschen Philosophie.155 Welche Folgerungen zieht Kant aus der nunmehr erwiesenen Prop. VI , derzufolge es »ungereimt« ist, »daß etwas den Grund seines Daseins in sich selbst habe […]«? Es sind zwei an der Zahl. Die hier vorrangig interessierende Konsequenz betrifft den Gottesbegriff, der bezeichnenderweise erst im Kontext der Darlegungen dieses Lehrsatzes eingeführt wird.156 Bei Gott als dem einzig absolut notwendig existierenden Wesen gibt es folglich keinen ihm vorausliegenden Seinsgrund, sondern nur einen Erkenntnisgrund. Die Bedeutung dieser zuvor eingeführten Unterscheidung wird von hier aus nochmals klar. Gott ist demnach, insofern er unbedingt notwendig existiert, nicht wegen eines ihm ontologisch vorangehenden Grundes da, sondern aus dem epistemisch nachfolgenden Grund, daß sein Nichtsein völlig undenkbar ist.157 Damit ist zugleich und eher beiläufig die Richtigkeit der eingangs aufgestellten Behauptung auch für den Satz des Grundes bewiesen, daß es kein einziges Prinzip gibt, das als oberstes Prinzip aller Wahrheiten gelten darf. Für den Satz vom Widerspruch war das in Prop. I und II bereits gezeigt worden. Der Satz vom bestimmenden Grund nun gilt zwar nur für
Leibniz selbst hatte ausdrücklich die Meinung vertreten, daß »[…] weder in einem einzelnen noch in der ganzen Ansammlung und Reihe der Dinge […] der zureichende Grund für deren Dasein gefunden werden (kann),« sondern nur in einem extramundanen Wesen. Über den ersten Ursprung der Dinge. In: Gottfried Wilhelm Leibniz: Fünf Schriften zur Metaphysik. Übersetzt und hg. von Herbert Herring. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe Stuttgart 1987, S. 39, cf. auch S. 40. 156 Cf. Pimpinella / Lamarra / Procesi: Indici e concordanze degli scritti latini, a. a. O., S. 211. Nur einmal stößt man zuvor auf ihn (Ak I, 39126 ), aber in einem außerhalb der ontotheologischen Problematik liegenden Zusammenhang. 157 ND, Prop. VI , Corollarium, Ak I, 394. 155
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kontingentes Seiendes, dort aber durchgängig, nicht jedoch für absolut notwendiges Seiendes, d. h. er trifft nicht auf Gott zu,158 der die einzige Ausnahme zu der sonst unbestrittenen Gültigkeit dieses Prinzips darstellt. Für dasjenige Seiende, das absolut notwendig existiert, also für das göttliche Wesen gilt vielmehr: »Es ist da; dies wirklich von ihm gesagt und begriffen zu haben ist genug.«159 Wie aber läßt sich sein Dasein begreifen? Den unmittelbar voranstehenden Ausführungen zufolge ist dies allein durch den Nachweis der Unmöglichkeit der Nichtexistenz Gottes möglich. Die Propositio VII nimmt diese Aufgabe in Angriff und bietet damit einen Beweis für die notwendige Existenz Gottes. Er ist auf die ratio cognoscendi gegründet und vollzieht sich in vier Schritten.160 Zunächst (i) präsentiert Kant in der Überschrift der Propositio seine These, sodann führt er (ii) den Beweis der notwendigen Existenz Gottes, gefolgt (iii) von dem seiner Einheit. Im Scholion schließlich äußert sich Kant (iv) zum Status des vorgetragenen Beweises und nimmt dabei eine Selbstinterpretation vor.
Im Corollarium zu Prop. VIII weist Kant auf diese Konsequenz ausdrücklich hin: »Aus dem Bewiesenen folgt demnach, daß nur das Dasein des Zuf älligen der Stütze eines bestimmenden Grundes bedarf, das einzige unbedingt Notwendige indessen von diesem Gesetz ausgenommen ist […].« Neue Erhellung, a. a. O., S. 439. 159 Ebd., S. 431; H. i. O. 160 Auch Theis spricht von einem vierstufi gen Auf bau des Beweises, meint damit jedoch eine Entfaltung des Möglichkeitsbegriffs und nicht, wie es hier geschieht, die formale Struktur des Argumentes (L’unique argument possible, a. a. O., S. 24). Pierre Laberge sieht einen zweistufi gen Auf bau. La théologie kantienne précritique. Ottawa 1973, S. 62. 158
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(i) Die These161 ist folgendermaßen aufgebaut: i.1. i.1.1. i.1.2. i.2. i.3. i.4.
Es gibt ein Seiendes, dessen Existenz sowohl seiner eigenen Möglichkeit wie auch der Möglichkeit aller anderen Dinge vorausliegt. Ihm kommt deshalb absolut notwendige Existenz zu. Dieses Seiende wird Gott genannt. Gott existiert absolut notwendig.
In dieser rekonstruierenden Analyse der These wird sogleich offenbar, daß der Kern der Beweisführung in (i.1.1.) und (i.1.2.) sowie in (i.2.) als der aus diesen Sätzen gezogenen Folgerung liegt. Satz (i.3.) nimmt eine nominale Gleichsetzung des in (i.1.) angesprochenen und im folgenden spezifi zierten Seienden mit Gott vor und ist insofern unproblematisch. Der oben ergänzte Satz (i.4.) schließlich wendet lediglich das in Satz (i.2.) bereits gefolgerte Ergebnis der absolut notwendigen Existenz des in (i.1.) genannten und zwischenzeitlich in (i.3.) als Gott bezeichneten Seienden ausdrücklich auf diesen an und präsentiert somit das Ergebnis, das Kant mit seinem Beweis erreichen will. Von diesen drei den Beweis tragenden Sätzen darf (i.1.2.) als für den zeitgenössischen Leser weithin konsensfähig gelten. Denn die Vorstellung Gottes als die Quelle nicht erst der Wirklichkeit, sondern bereits der jener vorausliegenden Möglichkeit aller anderen Dinge war in der Tradition vorbereitet. Größerer Explikationsbedarf besteht fraglos bei Satz (i.1.1.), der die zumindest auf den ersten Blick verblüffende Behauptung eines im Falle Gottes gegebenen Primats des Wirklichen dem Möglichen gegenüber aufstellt. Denn man sollte meinen, daß, wie bei allen anderen Dingen so auch im Falle Gottes der Wirklichkeit seiner Existenz deren Möglichkeit voranginge.162 Kant nun behauptet Im lateinischen Wortlaut: »Datur ens, cuius exsistentia praevertit ipsam et ipsius et omnium rerum possibilitatem, quod ideo absolute necessario exsistere dicitur. Vocatur deus.« Ak I, 39504–06. 162 Cf. hierzu Crusius: Entwurf der nothwendigen Vernunft-Wahrheiten, 161
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das Gegenteil, und diese Behauptung steht im Zentrum seines ontotheologischen Beweises, und zwar gleichermaßen hier in der Nova Dilucidatio wie auch später im entsprechenden Beweisgang des Einzig mögliche[n] Beweisgrund[es]. Zwar hatte Leibniz an einer Stelle seiner »Monadologie« auch dieser These in einer extrem gedrängten Formulierung vorgearbeitet, aber in einer derart kryptischen Art und Weise, daß dadurch eigentlich mehr Fragen aufgeworfen waren als sich mit ihr beantworten ließen.163 wiefern sie den zufälligen entgegen gesetzet werden: »Es verdienet aber angemerket zu werden, daß […] der Begriff des Wirklichen so wohl der Natur nach, als unserer Erkenntniß nach, eher sey, als der Begriff des möglichen [!].« Den ersten Aspekt begründet Crusius wie folgt: »Denn wenn nichts wirkliches wäre: So wäre auch nichts mögliches, weil alle Möglichkeit eines noch nicht existirenden Dinges eine Causalverknüpfung zwischen einem existirenden und zwischen einem noch nicht existirenden Dinge ist.« Unveränderter fotomechanischer Nachdruck der 2., vermehrten Aufl. Leipzig 1753 [ 11745], Darmstadt 1963, § 57, S. 103. Auf den Gottesbegriff wendet Crusius diese Einsicht jedoch nicht an. 163 »Il est vray aussi, qu’en Dieu est non seulement la source des existences, mais encor celle des essences, en tant que réelles, ou de ce qu’il y a de réel dans la possibilité. […] sans luy il n’y auroit rien de réel dans les possibilités, et non seulement rien d’existant, mais encor rien de possible« (Die philosophischen Schriften, Bd. VI, § 43, a. a. O., S. 614; ebenso Causa Dei, § 8, ebd., S. 440). Der folgende § 44 der »Monadologie« setzt diese Überlegung fort und konstatiert, daß die in den Essenzen, Möglichkeiten oder ewigen Wahrheiten enthaltenen Realitäten in etwas Existierendem und Wirklichem fundiert sein müssen, als das nur das notwendig existierende Wesen in Frage kommt. »Cette Substance Supreme« wird für Leibniz allein schon durch seine Möglichkeit wirklich: »[…] étant une suite simple de l’être possible […]« (Die philosophischen Schriften, Bd. VI, § 40, a. a. O., S. 613). Die forcierte These Kants, daß die Wirklichkeit Gottes seiner eigenen Möglichkeit vorausliegt, fi ndet sich in der »Monadologie« noch nicht, wenngleich es von den §§ 40–45 der »Monadologie« nur noch ein kleiner Schritt bis zu ihr ist. Dieter Henrich hat deshalb nicht unplausibel den Vorbildcharakter angesprochen, den diese Paragraphen für Kants Beweisgrundschrift und – so wird man ergänzen dürfen – auch für die Nova Dilucidatio gehabt haben (Der ontologische Gottesbeweis, a. a. O., S. 46, Fn. 2). Dabei übersieht Henrich
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(ii) Im zweiten Schritt164 argumentiert Kant nun für diese zentrale These (i.1.1.) seines Beweises unter der übergeordneten Zielsetzung, den Nachweis für die unbedingt notwendige Existenz Gottes zu führen. Die hierzu führenden Überlegungen lassen sich wie folgt rekonstruieren: ii.1.
Möglichkeit liegt nur dort vor, wo sich miteinander verbundene Begriffe nicht widersprechen. ii.2. Also geht der Begriff der Möglichkeit aus einer Vergleichung hervor. ii.3. Jede Vergleichung setzt aber die Existenz dessen voraus, was verglichen werden soll. ii.3.1. Beweis von (ii.3.): Wo überhaupt nichts gegeben ist, da gibt es keine Vergleichung und folglich keinen Begriff der Möglichkeit, der auf sie gegründet wäre. ii.4. Die Folge: Nichts kann als möglich vorgestellt werden, wenn es nicht das Reale eines jeden möglichen Begriffs gäbe. ii.5. Dieses Reale muß unbedingt notwendig da sein. ii.5.1. Beweis von Satz (ii.5.): Wenn es das Reale eines jeden möglichen Begriffs nicht gäbe, gäbe es nichts Mögliches, sondern nur Unmögliches. Insofern der ontotheologische Beweis als ein solcher verstanden wird, der sich auf die Betrachtung von Möglichkeiten stützt, jedoch den viel näherliegenden Einfluß der Quelle Baumgarten. Josef Schmucker unterstreicht hingegen die Originalität des ontotheologischen Argumentes, indem er sich gegen die Ansicht Henrichs und besonders Giorgio Tonellis wendet, der eine noch stärkere Unselbständigkeit dieses Gottesbeweises bei Kant in seiner Studie Elementi metodologici e metafi sici in Kant dal 1745 al 1768. Saggio di sociologia della conoscenza. Turin 1959, S. 138 f., behauptet hatte; die Unterschiede zu Leibniz wie auch zu Baumgarten sind seines Erachtens tiefgreifender Art. Die Originalität des ontotheologischen Argumentes Kants, a. a. O., S. 133. 164 Ak I, 395 07–13.
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gibt Satz (ii.1.) erkennen, weshalb die hier präsentierte Überlegung als solche zu bezeichnen ist. Kant verlegt sein Argument aus dem Bereich des Wirklichen in den Bereich des Möglichen und will seinen Gottesbeweis auf Possibilitätserwägungen gründen. Dieser Wechsel der Modalität legt sich vom Ergebnis der Prop. VI nahe, denn dort war ja bestritten worden, daß etwas der – hervorbringende und in diesem Sinne wirkliche – Grund seiner selbst sein könne. Der Philosoph fragt nun nach den ontologischen Voraussetzungen dafür, daß überhaupt etwas möglich ist. Es wird sich zeigen, daß diese unabdingbare Bedingung für Mögliches die Existenz Gottes ist. M. a. W.: Gäbe es Gott nicht, dann gäbe es nicht nur nichts Wirkliches, sondern nicht einmal Mögliches; Mögliches aber, so wird sich zeigen, muß es geben. Das ist der Kern des ontotheologischen Argumentes. Die Überlegung, mittels derer Kant die Bedingungen dafür herausarbeitet, daß es überhaupt Mögliches oder Möglichkeiten gibt, ist im Kern dieselbe, die er sieben Jahre später in der Beweisgrundschrift in gleicher Absicht anführt, nur daß sie dort technisch ausgereifter und inhaltlich geringfügig modifiziert präsentiert wird.165 Näherhin sind es zwei Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit Möglichkeiten gegeben sind. Die Sätze (ii.1.) und (ii.2.) sprechen von der ersten, die Kant später die »formale« oder »logische« Bedingung der Möglichkeit nennen wird.166 Sie verlangt Widerspruchsfreiheit der miteinander verbundenen Begriffsmerkmale. Diese Bedingung muß also bereits bei bloß möglichen Begriffen erfüllt sein. Nähere Ausführungen über den Prozeß des Vergleichens, in dem sich Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit der Termini herausstellen muß, macht Kant nicht. Ebenso Theis: »La structure de l’argument ontothéologique dans l’Unique argument s’oriente d’un bout à l’autre sur le modèle de l’argumentation de la Nova dilucidatio.« L’unique argument possible, a. a. O., S. 48; H. i. O. 166 EmB, 024 11–13. 165
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Mit Satz (ii.3.) kommt Kant auf das zweite Kriterium für Möglichkeit zu sprechen, das er später als das »Reale der Möglich keit«167 bezeichnet. Denn die bislang geforderte logische Widerspruchsfreiheit einer Begriffsverbindung ist ein lediglich formales Kriterium, das immer erfüllt sein muß, gleichgültig welche Begriffe miteinander in Beziehung gesetzt werden. Aber dieses formale Possibilitätskriterium könnte gar nicht greifen, wenn es nicht Begriffe bzw. Begriffsinhalte gäbe, die miteinander verglichen werden könnten, und folglich hat die Anwendung der – in Kants späterer Sprache – formalen Bedingung der Möglichkeit die reale zur Grundlage, daß es nämlich überhaupt etwas gibt, was zueinander in Beziehung gesetzt werden kann. Kant wägt diese zwei Bedingungen des Möglichen weder in der Nova Dilucidatio noch in der Beweisgrundschrift in ihrer Mächtigkeit ausdrücklich gegeneinander ab. Aber die in Satz (ii.4.) enthaltene Folgerung, »[…] daß nichts als möglich vorgestellt werden kann, wenn nicht das da wäre, was in jedem möglichen Begriff real ist […],«168 gibt zu verstehen, daß die Auf hebung des Realen in einem jeden Begriff durch Bestreitung des Grundes, in dem es fundiert ist, eine noch basalere, durchgreifendere Vernichtung aller Seinsmöglichkeit bedeuten würde, als sie der Aufweis von Widersprüchlichkeiten zwischen derartigem Realem nur immer nach sich ziehen könnte.169 Dieser Einsicht entsprechend entwickelt Kant das Argument weiter, denn er stellt im folgenden (Satz ii.5.) nicht auf das formale oder logische Prinzip der Widerspruchsfreiheit ab, um darauf gegründet seinen Gottesbeweis zu führen, sondern auf die unbedingte Notwendigkeit des Daseins des Realen in den Begriffen. Gäbe es dieses nicht, so seine Begründung in (ii.5.1.), dann gäbe es gar nichts Mögliches, sondern nur Unmögliches. EmB, 02416–17. Neue Erhellung, Prop. VII , a. a. O., S. 433 f. 169 Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Schmucker: Die Originalität des ontotheologischen Argumentes Kants, a. a. O., S. 131. 167
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An dieser Begründung und ihrer stillschweigenden Voraussetzung ist zweierlei bemerkenswert. Was die argumentative Absicherung von (ii.5.) durch (ii.5.1.) betrifft, so wirft sie die Frage auf, wie sich Kants Behauptung, wenn es das Reale der Begriffe nicht gäbe, so gäbe es gar nichts Mögliches, sondern nur Unmögliches, zu seiner voranstehenden Position verhält, derzufolge die Widerspruchsfreiheit der verbundenen Begriffe das – formale – Kriterium des Möglichen ist. Denn aus dieser Bestimmung folgt, daß Unmöglichkeit eben dann vorliegt, wenn der geforderte anzustellende Kompatibilitätsvergleich der Begriffe diese Widerspruchsfreiheit nicht zutage fördert. Aber selbst im Falle eines negativ verlaufenden derartigen Tests werden ja Begriffe zueinander in Verbindung gesetzt, und folglich muß es – in Kants Sprache – das Reale der jeweiligen Begriffe auch in diesem Fall geben. M. a. W.: Begriffsinhalte sind in jedem der beiden Fälle unverzichtbar, ganz unabhängig davon, wie das Ergebnis des Tests auf Vereinbarkeit der entsprechenden Begriffe ausgeht, also sowohl im Falle von etwas Möglichem wie etwas Unmöglichem. Wenn Kant nun das Reale der Möglichkeit in Gott gründen läßt, insofern die Realitäten allesamt in ihm gegeben sind,170 dann wird die Frage virulent, in welchem Verhältnis Gott zum Unmöglichen steht. Diese Konsequenz seines Ansatzes scheint Kant nicht gesehen zu haben, jedenfalls äußert er sich zu diesem Aspekt in keiner der beiden hier interessierenden Schriften.171 »[…] daß überhaupt etwas ist, was gedacht werden kann […], das könnte man gar nicht begreifen, wenn nicht alles das, was im Begriff real ist, in Gott, dem Quell aller Realität, da wäre.« Neue Erhellung, Prop. VII , Scholion, a. a. O., S. 437. 171 Andere Denker taten das. So hat z. B. Christian Wilhelm Franz Walch in seinen 1760 erstmals erschienenen Grundsäze[n] der natürlichen Gottesgelahrheit [!]. Zweyte, verbesserte und vermehrte Ausgabe Göttingen 1779, in einer an die Kantischen Überlegungen erinnernden Gedankenführung die »dunkle Frage« aufgeworfen, »[…] ob Gott auch alles Unmögliche erkenne?« Da etwas Unmögliches ein Nichts ist, so Walch, könne Gott einerseits nichts Unmögliches denken, denn 170
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Die in Satz (ii.5.) formulierte zentrale These von der absolut notwendigen Existenz realer Begriffsinhalte wird mit Satz (ii.5.1.) durch eine konditionale Überlegung gestützt: »[…] wenn nicht das da wäre, was in jedem möglichen Begriff real ist […],« dann gäbe es »[…] überhaupt nichts Mögliches, d. h. nur Unmögliches […].«172 Hier fällt zunächst auf, daß Kant seine Bedingung auf »mögliche Begriffe« zu beschränken scheint, d. h. auf solche, die den eingeforderten Vergleich auf formale Widerspruchsfreiheit bereits positiv bestanden haben. Das aber wird er dadurch werde es ja zu einem Etwas, was der Voraussetzung widerspreche. Andererseits aber sei unmöglich dasjenige, was einen Widerspruch einschließt, und da eine einzelne Idee als solche noch keinen Widerspruch erzeugen kann, »[…] so müssen bey jedem, was unmöglich ist, mehrere Begriffe seyn, von denen einer den andern auf hebet. Wenn ich daher auch diese Begriffe zusammengenommen vor unmöglich halte; so kann ich doch jeden einzelen [!] als möglich erkennen. Gott hat gewis keinen Begrif von einem Viereck, das fünf Winkel habe. Allein er hat doch einen Begrif, was ein Viereck, was ein Winkel und was fünf sey, und diese Dinge gehören zu dem Möglichen, das Gott erkennet. Er weis aber auch, daß diese drey Begriffe in einer Figur nicht können vereiniget werden, und so ferne erkennet Gott die Unmöglichkeit der Verknüpfung mehrerer Ideen; das Unmögliche selbst aber ist kein Gegenstand einer Vorstellung in Gott.« Weil Gott nun mehr Dinge erkennt als der Mensch, »[…] so erkennet er auch mehrere Verknüpfungen derselben untereinander: mithin weis er mehr Dinge, die sich einander widersprechen« (§ LX X XIII , S. 222 f.). – Zuvor schon hatte Baumgarten die Frage in dem Sinne entschieden, daß Gottes Allmacht sich nicht auf das absolut Unmögliche erstrecke (Metaphysica / Metaphysik, § 833, a. a. O., S. 449). Denn, so meinte er, das absolut Unmögliche sei nichts, so daß, wer das absolut Unmögliche vermöchte, nichts vermöchte. Gott vermöge aber alles. Wie schon sein Beweis des Satzes vom Grunde zieht auch diese Überlegung Baumgartens den Verdacht auf sich, daß sie von einer semantischen Ambiguität des Begriffs ›nichts‹ zehrt, also fehlerbehaftet ist. 172 Neue Erhellung, Prop. VII , a. a. O., S. 435. »[…] nisi, quicquid est in omni possibili notione reale, exsistat, et quidem, (quoniam, si ab hoc discesseris, nihil omnino possibile, h. e. nonnisi impossibile foret) […].« Ak I, 39511–13.
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schwerlich meinen können, denn damit setzt seine Überlegung oberhalb der fundamentalen Ebene von Möglichkeitserwägungen ein, die sein Thema sind; mögliche Begriffe erfüllen eo ipso die Bedingung möglicher Existenz. Doch diese Schwierigkeit verblaßt für viele Interpreten angesichts des Umstandes, daß Kants Argument auf einer unterdrückten Prämisse zu beruhen scheint: Gibt es, so hatte er gesagt, keine Realitäten im Sinne semantischer Referenzobjekte – möglicher – Begriffe, dann gibt es überhaupt nichts Mögliches, sondern nur Unmögliches. Aber, so muß man sich fragen, warum muß es überhaupt Mögliches geben? M. a. W.: Wenn es denkbar ist, wie Kant konzediert, daß es nichts Wirkliches gibt,173 warum ist es dann ausgeschlossen, daß sich diese Auf hebung aller Realität auch auf das Mögliche erstreckt, so daß es schlechthin nichts gibt, weder Wirkliches noch Mögliches? Was also ist der Grund dafür, daß es zumindest Möglichkeiten geben muß? Der Philosoph äußert sich in der Nova Dilucidatio zu dieser Frage nicht, sondern macht die wie eine Art metaphysischer Glaubenssatz stillschweigend eingeführte Annahme, es sei ausgeschlossen, daß es nicht einmal Möglichkeiten, sondern, wie er sich in etwas bedenklicher Weise äußert, nur Unmögliches gebe, zur unterdrückten grundlegenden Prämisse seiner Argumentation.174 So auch EmB I .ii.2 und I .ii.3. Schmucker begnügt sich mit der Feststellung: »Die Auf hebung aller Möglichkeit aber – das ist offenbar der Sinn der ganzen Begründung – ist unmöglich« (Die Originalität des ontotheologischen Argumentes Kants, a. a. O., S. 127). Theis verweist den Leser zur Erklärung dieses verblüffenden Umstandes auf die Nova Dilucidatio und die »[…] réinterprétation du nécessaire qui y est effectuée en fonction de l’interprétation qui y a été donnée du ›principium cognoscendi‹« (L’unique argument possible, a. a. O., S. 56). – Man könnte versuchsweise die Überlegung ins Spiel bringen, daß selbst bei Auf hebung aller Möglichkeiten immer noch die metaphysische Option offenbleiben müsse, daß es die Möglichkeit für Möglichkeiten gäbe. Wenn man das Problem derart auf eine Iterierung der Möglichkeitsoption für Möglichkeiten hin anlegte, könnte es sinnvoll erscheinen, den drohenden Re173 174
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Mögliches aber muß es nach Kant geben. Das jedenfalls ist der Wortlaut der R 3712, die um 1762/63, möglicherweise aber auch schon zu Beginn der 1760er Jahre niedergeschrieben wurde. Kant spürt in ihr dem Begriff des absolut notwendigen Wesens nach und legt zunächst dar, warum man es nicht allein als den letzten Grund von allem empirisch Gegebenen auffassen kann. Dann nämlich wäre es selbst nur hypothetisch notwendig unter der Voraussetzung dieses Gegebenen, aber eben nicht absolut notwendig. Folglich muß das absolut notwendige Wesen so verstanden werden, »[…] daß es ein Grund ist von allem überhaupt, so wohl was da ist, als was möglich ist; denn da die Möglichkeit überhaupt gewiß nothwendig ist, so ist alsdenn daß, was den Grund enthält, auch also.«175 So bleibt es zwar unbestreitbar zutreffend, daß die Argumentation in der Habilitationsschrift auf die Unmöglichkeit aller Auf hebung von Möglichkeit abstellt, aber ein philosophisches Argument zur Stützung dieser Ansicht bietet die Abhandlung selbst nicht. Diesen Mangel dürfte Kant sieben Jahre später eingesehen haben, denn in der Beweisgrundschrift liefert er ein solches und widmet dem Thema die für seine dortige ontotheologische Beweisführung zentrale Nummer I .ii.3. Wir werden die Belastbarkeit der dort gebotenen Begründung später prüfen.
greß gleich erstinstanzlich durch die Postulierung der unabweisbaren Voraussetzung für Mögliches überhaupt zu unterbinden. Diese ist nun in den Realitäten als den Referenzobjekten möglicher Begriffe gegeben, die schlußendlich in Gott gründen. Durch Auf hebung derselben würde folglich nicht nur alles Mögliche aufgehoben, sondern sogar die Bedingung für die Möglichkeit von Möglichkeiten, weil diese unter dem formalen Gesichtspunkt auf einen Vergleich angewiesen sind und das, was verglichen werden soll, zwangsläufi g dasein muß. Bestritte man diese, dann ergäbe sich eine in ihrer Radikalität weit über die formale, logische Möglichkeitsbedingung der Widerspruchsfreiheit hinausgehende schlechthin gegebene materiale Unmöglichkeit selbst für Mögliches. 175 Ak XVII , 252 14–17; H. d. Hg.
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(iii) In einem dritten Argumentationsschritt176 geht es um den Nachweis, daß diese Realitäten in einem einzigen Wesen, nämlich in Gott, vereint und nicht auf viele verteilt sind. Der hierher führende Gedankengang läßt sich wie folgt darstellen: iii.1.
iii.2.
iii.2.1. iii.2.2. iii.2.3. iii.3. iii.4. iii.5. iii.5.1. iii.6. iii.7.
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These: Die genannten Realitäten als das Material für alle möglichen Begriffe müssen in einem einzigen Sein vereint sein. Beweis von (iii.1.): Wären diese Realitäten auf mehrere existierende Dinge verteilt, dann hätte jedes dieser Dinge ein in bestimmter Weise durch Privationen eingeschränktes Dasein. Diesen Privationen kommt die unbedingte Notwendigkeit nicht gleichermaßen zu wie den Realitäten. Privationen gehören aber zur durchgängigen Bestimmung eines Dinges. Die Folge: Die derart eingeschränkten Realitäten würden zufällig dasein. Zur unbedingten Notwendigkeit gehört also, daß die Realitäten uneingeschränkt da sind. Folglich müssen sie ein unendliches Seiendes ausmachen, das nur ein einziges sein kann. Beweis von (iii.4.): Gäbe es eine Vielheit dieses Seienden, dann bedeutete dies eine Wiederholung seiner selbst. Das liefe auf eine der Notwendigkeit entgegengesetzte Zufälligkeit hinaus. Folglich gibt es nur ein einziges unendliches Seiendes, das notwendig da ist. Folglich gibt es einen Gott und nur einen Gott, der den unbedingt notwendigen Grund aller Möglichkeit enthält.
Ak I, 39514–25.
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Dieser Beweisgang ist für die eigentliche ontotheologische Argumentation nicht mehr von vergleichbar grundlegender Bedeutung wie der voranstehende, weshalb er nur kurz beleuchtet sein mag. Gleichwohl enthält er eine Annahme, die Kant zwar nicht explizit benennt, die aber von fundamentaler Bedeutung nicht nur für diesen Argumentationsschritt, sondern in gewissem Sinne für den ganzen ontotheologischen Ansatz ist, daß nämlich Realitäten nur in etwas Wirklichem gründen können. Leibniz hatte, wie oben bereits erwähnt, diese Prämisse in den entsprechenden Ausführungen der »Monadologie« ausdrücklich benannt177 und in den Essais de Théodicée zuvor schon formuliert.178 Baumgarten hatte hieran angeschlossen und die These aufgestellt, daß Realitäten als solche nur zu Realitäten zusammenstimmen können, so daß etwas, das die Folge bloßer Realitäten ist, selbst eine Realität ist.179 Die Bedeutung dieser Position für Kants Beweis liegt auf der Hand: Die genannten Realitäten als Referenzobjekte selbst nur möglicher Begriffe gründen ihrerseits in etwas Realem. In diesem Beweisschritt wird nun ein erstes Prädikat Gottes erwiesen, nämlich seine Einigkeit.180 Im Unterschied zur Beweisgrundschrift, wo er in I .iii.3–6 weitere Eigenschaften »Car il faut bien que s’il y a une realité dans les Essences ou possibilités […], cette realité soit fondée en quelque chose d’Existant et d’Actuel, et par consequent dans l’Existence de l’Etre necessaire […].« Die philosophischen Schriften, Bd. VI , a. a. O., § 44, S. 614. 178 Leibniz weist an der genannten Stelle der »Monadologie« auf die §§ 184, 189, 335 des Werks von 1710 selbst hin. Insbesondere der erstgenannte § 184 ist einschlägig für die hier angesprochene Thematik. In ihm heißt es: »Toute realité doit être fondée dans quelque chose d’existant.« Die philosophischen Schriften, Bd. VI , a. a. O., S. 226. 179 »Realitates, qua tales, non consentiunt, nisi ad realitates. Rationatum enim merarum realitatum esse est realitas […].« Metaphysica / Metaphysik, § 140, a. a. O., S. 104. 180 Theis urteilt insofern etwas streng, wenn er sagt, in der »[…] Nova Dilucidatio fi nden sich keine Elemente zur Bestimmung des Gottesbegriffs«. Kants frühe Theologie und ihre Beziehungen zur Wolffschen 177
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Gottes erweist, läßt Kant es in der Nova Dilucidatio bei dem Nachweis dieses Attributs bewenden, das eher als ein transzendentales denn als natürliches einzustufen wäre.181 Für Kants vorliegende Zwecke ist dieser Nachweis jedoch von erheblicher Bedeutung, weil er mit ihm der möglichen Besorgnis entgegentreten kann, die in Prop. VI vorgenommene Bestreitung der geläufigen These, Gott trage den Grund seines Daseins in sich selbst, gehe zu Lasten der Einigkeit Gottes, wodurch auch seine Einheit berührt würde. Aus dieser Besorgnis erklärt sich die Nachdrücklichkeit der wiederholten Versicherungen der Einigkeit des höchsten Wesens, durch welche die hierher führende Argumentation eingerahmt ist.182 Im übrigen ist dieser Nachweis der Einigkeit Gottes mit mehreren Hypotheken belastet. Aus der Sicht der späteren Transzendentalphilosophie krankt er beweistheoretisch schon daran, daß er von zwei apagogischen Überlegungen (Satz iii.2. und Satz iii.5.) getragen wird.183 Dieses indirekte Verfahren sei aber, so Philosophie. In: Norbert Fischer / Maximilian Forschner (Hgg.): Die Gottesfrage in der Philosophie Immanuel Kants. Freiburg 2010, S. 25. 181 Man hat Kant vorgeworfen, daß er in keiner der beiden Schriften Gottes Verstand und Willen als seine spezifi schen Eigenschaften nachgewiesen habe, wodurch allein der Übergang zum theistischen Gottesbegriff möglich werde (Theis: L’unique argument possible, a. a. O., S. 27). Dem ist mit Blick auf die Beweisgrundschrift nur eingeschränkt zuzustimmen, denn dort werden Gottes Wille und Verstand und damit seine Geistigkeit zumindest angesprochen, wenngleich nicht so streng »déduit ou développé«, wie es wünschenswert wäre ( I.vi.1). Da Kant in der Nova Dilucidatio aber nicht zur Physikotheologie und dem in ihr geforderten inhaltlich spezifi scheren Gottesbegriff etwa im Sinne der zweiten Abteilung des Beweisgrundes voranschreitet, scheint er im gegenwärtigen Zusammenhang auch nicht verpfl ichtet zu sein, Brücken vom ontotheologischen Begriff Gottes zu seiner theistischen Ausdeutung zu schlagen. 182 »Porro omnimoda haec realitas in ente unico adunata sit necesse est« (Ak I, 39513–14 ). »Datur itaque Deus et unicus, absolute necessarium possibilitatis omnis principium« (Ak I, 39524–25 ). 183 In Prop. V und Prop. VIII macht Kant ebenfalls Gebrauch von dieser später verpönten Beweismethode (Ak I, 393, 396).
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liest man in der Kritik der reinen Vernunft, ausschließlich in der Mathematik zulässig und aus der Metaphysik zu verbannen, wo es zu keinen tragfähigen Ergebnissen führe, sondern erheblichen Schaden stifte.184 Derartige Vorbehalte gehen aber an der Sache vorbei, denn schließlich darf diese Abhandlung Kants insgesamt als ein Paradebeispiel für die Art von Metaphysik gelten, gegen die er sich in dem Hauptwerk von 1781 so vehement wenden wird.185 Anders ist der Umstand zu bewerten, daß die in der These (iii.1.) vorgenommene trockene Versicherung, es sei notwendig, daß alle Realitäten in einem einzigen Seienden vereinigt seien, von der ungeprüften Annahme ausgeht, daß die gewünschte Vereinigung überhaupt widerspruchsfrei möglich ist. Baumgarten beispielsweise hatte diesem Nachweis in der Nachfolge von Leibniz einen eigenen Paragraphen gewidmet.186 An
Nach Kants späterer Diagnose beruht das »[…] eigentliche Blendwerk, womit die Bewunderer der Gründlichkeit unserer dogmatischen Vernünftler jederzeit hingehalten worden […],« auf der apagogischen Beweisart. KrV A 793 / B 821. 185 In der ND – und übrigens auch im EmB – Kant »[…] provides us with the most sophisticated example of the kind of philosophy he will eventually reject as unsuited to his purposes and, indeed, as a threat to reason itself.« John A. Reuscher: Introduction zu: A New Exposition of the First Principles of Metaphysical Knowledge. In: Kant’s Latin Writings. Translations, Commentaries, and Notes. By Lewis White Beck. In collaboration with Mary J. Gregor, Ralf Meerbote, John A. Reuscher. New York, Berne, Frankfurt am Main 1986, S. 47 [= American University Studies. Series V: Philosophy. Vol. 9]. 186 Der § 807 der Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 439, lautet: »Alle Realitäten sind etwas wahrhaft Positives, und keine Negation ist eine Realität […]. Wenn also alle Realitäten noch so sehr in einem Ding verbunden sind, so wird doch niemals ein Widerspruch aus ihnen entstehen […]. Also sind alle Realitäten in einem Ding zusammen möglich. Nun ist das vollkommenste Ding das realste unter den Dingen […]. Also kommt dem vollkommensten Ding die Allheit der Realitäten zu, und zwar der größten, die in irgendeinem Ding sein können […].« 184
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der vorliegenden Stelle setzt Kant die Kompossibilität aller Realitäten stillschweigend voraus.187 (iv) Im abschließenden Scholion zu Prop. VII bietet Kant eine Art Selbstinterpretation des vorgelegten Beweises und äußert sich dabei zu dessen Status. Es handele sich zwar nicht um einen »genetischen« Beweis der Existenz Gottes,188 aber doch um einen solchen, der, »[…] so wesentlich er dafür nur sein kann […],«189 geführt worden und auf das ursprünglichste Beweisstück (documento maxime primitivo) gegründet sei, nämlich auf die Möglichkeit der Dinge selbst. Die Auf hebung der Existenz Gottes in dem soeben erwiesenen Sinn der Negierung sämtlicher Realitäten würde nicht nur die Auf hebung der wirklichen Dinge bedeuten, sondern sogar die innere Möglichkeit derselben vernichten. Damit unterstreicht Kant abermals die enorme Mächtigkeit des materialen Möglichkeitskriteriums, an die das formale, logische Kriterium der Widerspruchsfreiheit bei weitem nicht heranreicht. Er erläutert dies in der Folge und nimmt dabei eine begriff liche Klarstellung vor, die seine Differenz zu Leibniz in der Frage nach dem Status der ewigen Wesenheiten abermals belegt.190 Für Kant existieren diese Entitäten nicht mit absoluter Notwendigkeit und gleichsam an und für sich, wie jener meinte und auch Wolff fand,191 sondern sie kommen den betreffenden Im EmB wird er sich näher zur Frage der Kompossibilität der Realitäten äußern und auch Baumgarten stillschweigend in dieser Hinsicht für die von ihm eingenommene Position kritisieren. Cf. 03515–21 sowie Anm. 88 zum Text. 188 Zur »genetischen Defi nition« und den abweichenden Ansprüchen Kants in der ND und im EmB, einen derartigen Beweis der Existenz Gottes geboten zu haben oder nicht, cf. Anm. 113 zum Text. 189 Neue Erhellung, a. a. O., S. 435. 190 Cf. oben, S. XLIX f. 191 »Essentiae rerum sunt absolute necessariae«, lautet die These des § 303 seiner Ontologia, GW II .3, S. 242. 187
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existierenden Dingen absolut notwendig zu, wie am Beispiel des Dreiecks recht ausführlich dargelegt wird.192 Diese Wesenheiten aber bestehen in der inneren Möglichkeit,193 so daß mit Auf hebung der inneren Möglichkeit durch Negation des Gottesbegriffs die Wesenheiten und damit auch die Dinge, an denen sie zur Erscheinung gelangen, aufgehoben werden würden. Kurzum: »[…] daß überhaupt etwas ist, was gedacht werden kann, und von woher dann durch Vereinigen, Einschränken und Bestimmen der Begriff jedes denklichen Dinges entspringt, das könnte man gar nicht begreifen, wenn nicht alles das, was im Begriff real ist, in Gott, dem Quell aller Realität, da wäre.«194 In diesen Worten faßt Kant den Grundgedanken seiner ontotheologischen Überlegung noch einmal prägnant zusammen. Der Beweis der im ersten Schritt (i) präsentierten These ist damit erbracht. Zwar nimmt Kant abschließend eine gewisse, gleichsam abmildernde Modifi zierung derselben vor, wenn er auch die Redeweise billigen will, Gottes Dasein sei mit seiner Möglichkeit identisch. Denn in Prop. VII hatte er unmißverständlich das Dasein Gottes seiner eigenen Möglichkeit wie der aller anderen Dinge vorangestellt. Möglicherweise schlägt sich hierin der Einfluß Leibnizens nieder, der sich zur Frage der Priorität von Dasein und Möglichkeit Gottes zurückhaltend geäußert hatte, wenn er über das notwendige Wesen sagte, in ihm schließe die Essenz die Existenz ein (renferme), bzw. es reiche für dasselbe aus (suffit), möglich zu sein, um wirklich zu sein.195
ND, Prop. VII , Scholion, Ak I, 395 f.; zitiert oben in Fn. 106. »[…] essentias, (quae consistunt in interna possibilitate), […]«. Ak I, 39531. 194 Neue Erhellung, a. a. O., S. 437. 195 »Monadologie«, § 44. Die philosophischen Schriften, Bd. VI , a. a. O., S. 614. Auch in den Essais de Théodicée, § 184, war er in der Prioritätsfrage sehr vorsichtig: »Et sans Dieu, non seulement il n’y auroit rien d’existant, mais il n’y auroit rien de possible.« Die philosophischen Schriften, Bd. VI , a. a. O., S. 226. 192
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V. Die Bedeutung der Metaphysica Alexander Gottlieb Baumgartens für die Begründung des ontotheologischen Arguments In der vermutlich erst im September 1755196 oder kurz zuvor fertiggestellten Nova Dilucidatio leistet Kant also, wie gesehen, was er in der Allgemeine[n] Naturgeschichte ein halbes Jahr zuvor noch nicht leisten konnte, zumindest nicht geleistet hat, nämlich eine Begründung der in dieser Abhandlung erstmals ausführlicher dargestellten ontotheologischen Überlegung. Die hierfür erforderliche Unterstützung, so soll im folgenden gezeigt werden, fand Kant der Hauptsache nach in der Metaphysica Baumgartens.197 In diesem Werk stieß er nicht nur auf das geeignete konzeptionelle wie begriff liche metaphysische Instrumentarium für diese Aufgabe; der Beweis selbst, den er 1755 vorstellt, fi ndet sich dort, wenn nicht bereits im Kern formuliert, so doch in seinen tragenden Elementen so weit vorgeprägt, daß Kant diese für seine Zwecke fruchtbar machen konnte.198 Freilich wird dies den jungen Philosophen einige Mühe und damit Zeit gekostet haWalford / Meerbote: Immanuel Kant: Theoretical Philosophy, 1755– 1770, a. a. O., S. L . 197 Wie schon in den voranstehenden Fällen wird im folgenden die historisch-kritische Ausgabe von Baumgartens Werk herangezogen, welche die vierte Auf lage von 1757 zugrunde legt, obschon die Nova Dilucidatio auf die dritte Auf lage von 1750 zu beziehen ist. Das ist insofern legitim, als die Abweichungen im lateinischen Text zwischen den genannten Auf lagen marginaler Natur sind und keine der im folgenden zitierten Passagen davon betroffen ist. Im übrigen fi nden sich die Textvarianten in der genannten Ausgabe dokumentiert. 198 Wie die Natur rezeptionsgeschichtlicher Untersuchungen es mit sich bringt, sind die nachstehend aufgewiesenen Filiationen von unterschiedlicher Aussagekraft für den angestrebten Erweis. Weisen einige Lehrstücke umstandslos und beinahe zwingend auf Baumgartens Werk zurück, so ist für andere immerhin der Horizont aufzeigbar, aus dem Kant Baumgartensche Theorieelemente entlehnte bzw. an sie anknüpfte und sie so für seine eigenen Beweisabsichten fruchtbar machte. 196
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ben, denn um die hierfür bemühten diversen Lehrstücke Baumgartens zu diesem Zweck zu bündeln, war ein vertieftes Eindringen in dessen Werk erforderlich. So erklärt sich, daß Kant die auf Baumgarten hinweisende ontotheologische Position, die er in den frühen Preisschriftreflexionen und der Allgemeine[n] Naturgeschichte bereits artikuliert und sich zueigen gemacht hatte, erst zeitverzögert in der Habilitationsschrift argumentativ stützt. Auf welche Zeit Kants erste Bekanntschaft mit Baumgartens Metaphysica anzusetzen ist, läßt sich nicht exakt, für den hier angestrebten Nachweis aber hinlänglich genau bestimmen. Der Mitteilung Borowskis zufolge las der Philosoph, nachdem er im Herbst 1755 seine universitäre Lehrtätigkeit aufgenommen hatte, Metaphysik »zuerst nach Baumeister, dann nach dem gründlichern, aber schwerern Baumgarten.«199 Für das Sommersemester 1756 ist die Benutzung von dessen Metaphysik-Kompendium erstmals bezeugt, und zwar durch Kant selbst in der Ankündigung seiner Lehrveranstaltungen für dieses Semester.200 Die angesichts der beachtlichen Resonanz, die Baumgartens Handbuch in der gelehrten Welt fand,201 naheliegende VerLudwig Ernst Borowski: Darstellung des Lebens und Charakters Immanuel Kants. Von Kant selbst genau revidiert und berichtigt. In: Immanuel Kant. Sein Leben in Darstellungen von Zeitgenossen. Die Biographien von L. E. Borowski, R. B. Jachmann und A. Ch. Wasianski. Hg. von Felix Groß. Berlin [1912], S. 18; H. i. O. 200 Neue Anmerkungen zur Erläuterung der Theorie der Winde. »Ich werde die Metaphysik über das Handbuch des Herrn Prof. Baumgarten vortragen« (Ak I, 50305–07 ). Cf. auch Arnoldt: Möglichst vollständiges Verzeichnis aller von Kant gehaltenen oder auch nur angekündigten Kollegia, a. a. O., S. 179. 201 Es ist durchaus nicht so, daß Baumgartens Metaphysica erst durch Kants Entschluß, dieses Werk seinen Vorlesungen über Metaphysik zugrunde zu legen, ihre Reputation erhalten hätte. Schon der Umstand, daß zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung bereits die dritte Auflage erforderlich wurde, belegt dies. Am Ende der Vorrede zur dritten Auf lage kommt Baumgarten selbst auf die weite Verbreitung sei199
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mutung, daß Kant nicht erst Mitte der 1750er Jahre und zum Zwecke der Vorbereitung seiner eigenen Vorlesung mit Baumgartens Metaphysica in Berührung kam, ist vor nicht allzu langer Zeit durch die Wiederauffi ndung eines mit Einlageblättern durchschossen gebundenen Handexemplars der 1750 erschienenen 3. Auf lage dieses Werks bestätigt worden. Werner Stark hat über den Fund in der überregionalen Presse berichtet 202 und kurze Zeit später eine erste, noch vorläufige Beschreibung von ihm gegeben.203 Ediert sind Kants Eintragungen in diesem Exemplar bislang noch nicht, derzeit besteht nicht einmal »ein schlüssiges Konzept« für eine Publikation.204 Das ist äußerst beklagenswert, denn durch die zwischenzeitlich mehr als zehnjährige Verzögerung der Veröffentlichung dieses Materials, das gerade für den intellektuellen Werdegang des jungen Kant viel Aufschluß verspricht, wird die entwicklungsgeschichtlich orientierte Erforschung seines Denkens ernsthaft behindert. So bleiben derzeit nur die Mitteilungen Starks als Informationsquelle. Ihnen zufolge diente dieses Exemplar Kant »nicht zur Präparation von Vorlesungen«. Es »[…] enthält überwiegend meist kurze, kritisch sich vom Text absetzende Bemerkungen […]. Die teils lateinisch, teils deutsch abgefassten Reflexionen scheinen überwiegend vor dem Beginn von Kants Lehrtätigkeit an der Königsberger Albertina (Winter 1755/56) niedernes Werks als »Leitfadens« des akademischen Unterrichts zu sprechen (Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 39). Kant schließt sich mit seiner Wahl zur Benutzung dieses Lehrbuchs insofern lediglich einem bereits bestehenden Trend an. 202 Kantiana ohne Kiste. Überraschender Fund in Danzig. Neue Zürcher Zeitung, 20. 12. 2000, S. 34. 203 Kurze Expertise zum durchschossenen Danziger Exemplar (Fa 25989 / 3) von Alexander Gottlieb Baumgarten: Metaphysica (Halle 1750). web.unimarburg.de/kant/webseitn/be_gd_m3.htm (zuletzt besucht am 12. 11. 2010). 204 So die brief liche Auskunft von Herrn Prof. Dr. Werner Stark vom 29. Januar 2009.
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geschrieben worden zu sein.«205 Sollten sich diese Aussagen als belastbar erweisen,206 dann wären Kants Notizen bis spätestens Sommer 1755 niedergeschrieben worden, denn zur Vorbereitung auf eine Lehrveranstaltung über Baumeisters Handbuch wird er nicht Baumgarten studiert haben. Damit wäre der Zeitraum der Entstehung der Reflexionen auf die Jahre 1750 bis 1755 eingegrenzt. Einer wesentlich späteren Datierung stünde der Umstand entgegen, daß 1757 bereits die vierte Auf lage des Werks erschien, die Kant später erwarb und dessen Material Adickes innerhalb der Akademie-Ausgabe von Kants Werken publiziert hat. Das schließt freilich nicht die Möglichkeit aus, daß Kant sein Exemplar der dritten Auf lage – das älteste der Editionen von Baumgartens Werk, das er besaß – über das Jahr 1757 hinaus benutzt hat. Tatsächlich scheint dies der Fall gewesen zu sein.207 Aber die frühesten Einträge stammen sicherlich aus der Zeit vor 1755. Kantiana ohne Kiste, a. a. O., S. 34. Ebenso in der Kurze[n] Expertise zum durchschossenen Danziger Exemplar, S. 2: »Ein direkter Zusammenhang mit seiner Lehrtätigkeit […] ist nicht erkennbar.« 206 Stark teilt S. 2 seiner Kurze[n] Expertise zum durchschossenen Danziger Exemplar unumwunden mit: »Eine vollständige Lektüre der Eintragungen war mir bislang nicht möglich.« Gleichwohl nimmt er in unmittelbarem Anschluß an diese Nachricht »anhand der gelesenen Teile« eine inhaltliche Bewertung des Materials vor und gelangt dabei zu dem Ergebnis, mit dem Material liege »[…] ein sehr frühes und in seiner Art wohl einmaliges Zeugnis von Kant’s Absetzbewegung [!] von der etablierten Metaphysik der sog. Leibniz-Wolff ’schen Schule vor uns.« 207 So jedenfalls laut den Angaben von Adickes. »Aus der Thatsache, dass Kant zwei durchschossene Handexemplare von Baumgartens Metaphysik besaß, erklärt sich zur Genüge, weshalb in M (dem späteren) die Reflexionen aus den 50er Jahren ganz fehlen und die aus den ersten vier 60er Jahren nur sehr spärlich vertreten sind: Kant wird in dieser Zeit noch nach seinem älteren Handexemplar gelesen haben und erst, als in diesem ein großer Theil der Durchschussseiten vollgeschrieben war, zu der neuen Auf lage gegriffen haben« (Ak XVII , 258). Das klingt plausibel, stimmt aber nicht zu dem Befund Starks, daß die 205
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Welches Ergebnis haben diese Darlegungen nun für die vorliegende Frage? Sie zeigen, daß Kant, obschon er sein erstes Metaphysik-Kolleg im Wintersemester 1755/56 nach Baumeisters Handbuch abhielt und er Baumgartens Metaphysica erstmals im Sommersemester 1756 und damit nach der Publikation sowohl der Allgemeine[n] Naturgeschichte als auch der Nova Dilucidatio als Grundlage seiner Kollegs wählte, mit dem Werk höchstwahrscheinlich schon vor der Abfassung dieser beiden Abhandlungen in den ersten Jahres des Jahrzehnts näher vertraut war. Damit eröffnet sich eine textphilologische Perspektive, die Entwicklung der ontotheologischen Beweisführung zuverlässig mit Baumgartens einschlägigem Werk in Zusammenhang zu bringen.208 Im Zuge der intensiven Beschäftigung mit der 1750er Auf lage von Baumgartens Handbuch zur Metaphysik eignet sich Kant das metaphysische Instrumentarium an, das ihm die recht ausführliche Begründung des ontotheologischen Gedankengangs von Prop. VII der Nova Dilucidatio ermöglicht. Die geschilderte Begründungslage der Ontotheologie weist auf den Zeitraum des Sommers 1755, und der neue Fund von Kants erstem Handexemplar Baumgartens bietet die konkrete und zeitlich passende materiale Grundlage für seine intensivere Auseinandersetzung mit Baumgartens Buch. Im folgenden sollen in Ergänzung der voranstehend bereits gegebenen Hinweise einige der zentralen Positionen in Baumgartens Metaphysica aufgezeigt werden, die für Kants Ontotheologie bedeutsam wurden.209 Eine umfassende Rekonstruktion Bemerkungen in dem neuaufgefundenen Exemplar – vorausgesetzt, es handelt sich dabei um das von Adickes als das »ältere« bezeichnete – nicht für den Lehrbetrieb verfaßt seien. 208 Schmucker beispielsweise setzte noch ohne jedwedes unterstützendes Indiz wie selbstverständlich voraus, daß Kant »[…] sich in den Jahren 1753/54 eingehender mit der Metaphysik Baumgartens befaßte […].« Die Ontotheologie des vorkritischen Kant, a. a. O., S. 134 f. 209 Versuche dieser Art sind bislang noch nicht systematisch und umfassend angestellt worden. In einigen Studien stößt man aber auf gele-
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der Argumentation innerhalb der Nova Dilucidatio – und in der Folge der Beweisgrundschrift – vor dem Hintergrund dieses Werks ist damit nicht intendiert und kann im Rahmen dieser Einleitung nicht geleistet werden. Die Aufarbeitung des Nutzens, den Kant aus seiner rund vierzigjährigen Beschäftigung mit Baumgarten in den verschiedenen Phasen seiner philosophischen Entwicklung gezogen hat, stellt ein beachtenswertes Desiderat der Kant-Forschung dar. Sie ist nicht nur für das Verständnis des sogenannten vorkritischen Werks von großer Bedeutung, sondern auch für eine entwicklungsgeschichtliche Rekonstruktion der Genese der Transzendentalphilosophie schlechterdings unverzichtbar, die Kant in ständiger Auseinandersetzung mit gentliche Hinweise auf Baumgartens Handbuch als mögliche Quelle für Kants Ontotheologie, so etwa bei F. E. England: Kant’s Conception of God. A critical exposition of its metaphysical development together with a translation of the »Nova Dilucidatio«. With a foreword by G. Dawes Hicks. London 1929, und bei Laberge: La théologie kantienne précritique, a. a. O. Theis zieht in der Einleitung zu seiner Edition die Metaphysica nur gelegentlich heran und betont demgegenüber nachdrücklich den Einfluß von Wolff. Diese Rezeptionslinie hat er auch in seinen weiteren einschlägigen Arbeiten herausgearbeitet, so in dem Beitrag L’ontothéologie kantienne avant 1781, a. a. O., wo es über die erste Ontotheologie Kants z. B. heißt, sie sei eingepaßt »[…] dans le cadre d’une reconfiguration de la métaphysique de souche wolfienne […]« (S. 29). In dem Aufsatz Kants frühe Theologie und ihre Beziehungen zur Wolffschen Philosophie, a. a. O., macht Theis die sich von Wolff herleitenden Quellen ausdrücklich zum Thema und weist damit fraglos wichtige Rezeptionsspuren auf, geht aber hinsichtlich der Ontotheologie an der genuinen Quelle Baumgarten doch vorbei. Freilich liegen die Dinge angesichts der zwischen Wolff und Baumgarten bestehenden Nähe so, daß man zu einer gegebenen Äußerung Kants nicht selten auf eine parallele Formulierung im Werk beider Philosophen, mitunter sogar erweitert um eine Referenzstelle bei Leibniz, hinweisen kann. Am intensivsten ist Schmucker diesen Filiationen in dem Aufsatz Die Originalität des ontotheologischen Argumentes Kants, a. a. O., S. 129–132, nachgegangen und hat die wichtigsten Ergebnisse in seiner Studie Die Ontotheologie des vorkritischen Kant, a. a. O., S. 134 f., Jahre später noch einmal wiederholt.
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seinem Autor erarbeitet. Schließlich lag kein anderes philosophisches Werk auch nur annähernd so lange auf seinem Schreibtisch wie dieses. Kant stellt seinem Beweis in Prop. VII der Nova Dilucidatio den später sogenannten formalen Aspekt der Möglichkeitsbedingung voran, nämlich die zu fordernde Widerspruchsfreiheit der verbundenen Begriffe. Baumgarten hatte seine Metaphysica mit dem Kapitel über die Ontologie eröffnet und in § 8 das Mögliche defi niert als »[…] das Vorstellbare, alles, was keinen Widerspruch einschließt […].« 210 Zuvor schon hatte Kant sich in Prop. III auf dieses Possibilitätskriterium Baumgartens bezogen und sich über die angeblich so dominante Bedeutung des Satzes vom Widerspruch mit den Worten mokiert, dieser leiste »[…] der Sache nach nur die Erklärung des Unmöglichen […],« 211 womit er das mit diesem Prinzip bei Baumgarten in § 7 Gezeigte genau trifft. Gleichwohl übernimmt er es praktisch unverändert als eine Art Arbeitsinstrument zur Bewältigung der kommenden ontologischen Aufgaben.212 In § 7 wird das einander Widerstreitende, einen Widerspruch Einschließende aber nicht nur als das »Unmögliche«, sondern zudem als das »Unvorstellbare« (irrepraesentabile) und als das »Nihil negativum«, das »Absurde« bezeichnet.213 Hieran ist bemerkenswert, daß dieses ontologisch Unmögliche durch ein epistemisches Kriterium als solches er-
Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 57. Neue Erhellung, a. a. O., S. 419; H. i. O. 212 »[…] quicquid enim sibi contradicit, s.[ive] quod simul esse ac non esse concipitur, vocatur impossibile« (Ak I, 39102–04 ). Cf. zu diesem Rezeptionsaspekt Schmucker: Die Originalität des ontotheologischen Argumentes Kants, a. a. O., S. 129 f. 213 »Nihil negativum […], irrepraesentabile, impossibile, repugnans (absurdum […]), contradictionem involvens, implicans, contradictorium, est A et non-A, seu, praedicatorum contradictoriorum nullum est subiectum, seu, nihil est, et non est. 0 = A + non-A.« Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 56; H. i. O. 210 211
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wiesen wird.214 Es kann nämlich nicht Gegenstand einer Vorstellung werden, denn es ist eben, und zwar schlechthin, unvorstellbar. Die – formale, logische – Unvereinbarkeit oder »Repugnanz« zweier Begriffe wird Kant im Beweisgrund als »das Formale der Undenklichkeit oder Unmöglichkeit« 215 ansprechen, worin sich das »Irrepraesentibile« und »Impossibile« der Baumgartenschen Bestimmung widerspiegeln. Die Anregung dazu fand er hier bei Baumgarten.216 Aber auch das zweite, von Kant das »reale« bzw. »materiale« genannte Possibilitätskriterium fand er bei Baumgarten vorgeprägt. Hatte § 8 den Begriff des Möglichen aus dem zuvor exponierten Begriff des Unmöglichen als den desjenigen Etwas gewonnen, das vorstellbar (repraesentabile) ist, weil es keinen Widerspruch einschließt, so war damit bereits angedeutet, daß es Vorstellungsinhalte, das von Kant später sogenannte »Materiale«, geben muß, über deren Vereinbarkeit im anzustellenden Vergleich geurteilt wird. Im Abschnitt über »Das Reale und das Negative« des Ontologiekapitels greift Baumgarten diesen Gedanken auf. Er knüpft dabei an die Ausführungen über »Das Ding« an, die er anläßlich der Bestimmung des »ens mere negativum« gegeben hatte. Dort war das Ding als durch Bestimmungen (determinationes) charakterisiert worden, die entweder Cf. auch § 15: »Quod nec in se quidem spectandum repraesentabile est, est IMPOSSIBILE IN SE […].« Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 58 f. 215 I .ii.1. EmB, 023 17–18 . 216 Und – so könnte man hinzufügen – nicht etwa bei Baumeister, über dessen Handbuch Kant zunächst die Metaphysik vorgetragen hatte. Denn dessen Defi nition des Möglichen klingt zwar ganz ähnlich wie diejenige Baumgartens, arbeitet jedoch nicht mit dem entscheidenden Begriff des ›repraesentabile‹: »Possibile dicimus id omne, quod contradictione caret, sive, quod idem est, possibile est id, quod nullam involvit repugnantiam.« Friedrich Christian Baumeister: Institutiones Metaphysicae. Ontologiam, Cosmologiam, Psychologiam, Theologiam Denique Naturalem Complexae. Wittenberg, Zerbst 1738, § 44, GW III .25, S. 46; H. i. O. 214
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positiv und bejahend oder negativ und verneinend sind und damit entweder Realitäten oder Negationen konstituieren.217 Das »ens mere negativum« nun als etwas bloß Verneinendes wäre demzufolge dadurch gekennzeichnet, daß ihm keinerlei positive Bestimmungen zukämen und folglich jede Realität fehlte. Das aber wäre ein Unding,218 so daß die Auf hebung jeder Realität insofern unmöglich erscheint. Das ist die Quelle, aus der Kants Auffassung der Realmöglichkeit hervorging. Hervorzuheben ist hierbei, daß das »ens mere negativum« schon bei Baumgarten nicht lediglich über das formale Widerspruchskriterium als solches defi niert wird,219 sondern über Inhalte. Es müssen also jenseits der formalen Widerspruchsfreiheit materiale Gegebenheiten vorliegend sein, damit etwas überhaupt nur möglich ist.220 Zieht man zusätzlich in Betracht, daß Baumgarten in diesen einschlägigen Passagen zur Ontologie die positiven, bejahenden Bestimmungen als ›Realitäten‹ anspricht, dann darf als Ergebnis festgehalten werden, daß die für Kant tragende Unterscheidung zwischen dem formalen und realen Kriterium des Möglichen bis in die Terminologie hinein bei Baumgarten vorgeprägt ist und die Unmöglichkeit der Auf hebung jedweder Realität, die im Zentrum des »Quae determinando ponuntur in aliquo (notae et praedicata), sunt DETERMINATIONES , altera positiva, et affi rmativa […], quae si vere sit, est R EALITAS , altera negativa […], quae si vere sit, est NEGATIO.« Metaphysica / Metaphysik, § 36, a. a. O., S. 66 f. 218 »Ens mere negativum esset, cui nulla inesset realitas, hinc nec possibilitas […], nec rationalitas […], nec actualitas […], nec unitas […], nec veritas […], nec perfectio […] realitates […]. Ergo ens mere negativum est non ens […].« Metaphysica / Metaphysik, § 136, a. a. O., S. 104. 219 Cf. Laberge: La théologie kantienne précritique, a. a. O., S. 64 f., Fn. 67. 220 Die zunächst ganz allgemeinen Bestimmungen des § 36 werden im folgenden Paragraphen ausdrücklich auf die Bestimmungen eines Möglichen (determinationes possibilis) bezogen. Darauf weist auch Schmucker hin: Die Originalität des ontotheologischen Argumentes Kants, a. a. O., S. 131. 217
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ontotheologischen Beweises Kants steht, bereits hier herausgestellt wird. Eine Übereinstimmung in einem weiteren fundamentalen Punkt ergibt sich bei der Bestimmung eines Subjekts durch Prädikate. Für Kant ist klar, daß die Zuschreibung eines Prädikats aufgrund eines (bestimmenden) Grundes erfolgt, andernfalls gäbe es nämlich keinen Gesichtspunkt, »[…] aus dem deutlich würde, welches von zwei entgegengesetzten Prädikaten dem Subjekt zuzuerteilen und von welchen abzusehen ist […],« 221 so daß das Subjekt im Hinblick auf beide unbestimmt bliebe, es also gar nicht zu einer Defi nition käme. Baumgarten operiert in § 10 zwar nicht ausdrücklich mit dem Satz vom Grunde, über den er an dieser Stelle noch gar nicht verfügt, aber gewissermaßen im Umfeld seiner Erörterung und ist ebenfalls der Ansicht, daß »jedem Subjekt […] jeweils eines von zwei einander widersprechenden Prädikaten zu(kommt).« 222 Die Annahme aber, es gebe binäre, kontradiktorische Begriffspaare, aus denen zur Begriffsbestimmung jeweils ein Prädikat einem Subjekt zu- und das andere abgesprochen werde, teilen beide, und Kant schöpft sie aus diesen ersten Seiten des Baumgartenschen Werks.223 Es ist oben bei der Rekonstruktion des Beweises der Prop. VII bereits darauf hingewiesen worden, daß sich der Nachweis der Einzigkeit des zuvor erwiesenen Gottes auf entsprechende AusNeue Erhellung, a. a. O., S. 429. Metaphysica / Metaphysik § 10, a. a. O., S. 57. Diese Ansicht hatte Baumgarten schon in § 6 der Prolegomena zur Ontologie formuliert. »Die Ontologie […] enthält […] die disjunktiven Prädikate, von denen jeweils eines von zweien in den Einzeldingen ist […].« Ebd., S. 55. 223 Sie spielt ihre Rolle noch sehr viel später innerhalb der Kritik der reinen Vernunft bei der Exposition der Lehre vom Transzendentalen Ideal: »[…] und der Begriff eines entis realissimi ist der Begriff eines einzelnen Wesens, weil von allen möglichen entgegengesetzten Prädikaten eines, nämlich das, was zum Sein schlechthin gehört, in seiner Bestimmung angetroffen wird« (A 576 / B 604). Cf. auch KrV A 605 / B 633. 221
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führungen Baumgartens stützt. Näherhin sind es im Kern die folgenden Überlegungen seines Autors, die Kant hierfür aufgreift. Wären, so lautete Kants Überlegung, die in Gott vereint gedachten Realitäten auf mehrere Wesen verteilt, so hätte jedes dieser Wesen ein in gewisser Weise eingeschränktes Dasein und wäre insofern kontingenter Natur. Das aber stimme nicht zur Natur Gottes, der unbedingt notwendig da sei. Diesen letzteren, dem Leser der Zeit wohl naheliegend scheinenden Sachverhalt drückt Baumgarten wie folgt aus: »Nichts absolut Notwendiges ist auf irgendeine Weise kontingent […]. Also ist alles, was auf irgendeine Weise kontingent ist, nicht absolut notwendig.« 224 Daß nun den Privationen keine unbedingte Notwendigkeit zukommt, wie Kant behauptet,225 formuliert Baumgarten in § 138: »In einem Ding sind keine Privationen absolut notwendig.« Folglich, so heißt es in unmittelbarem Anschluß daran, ist ein Ding, dem sie innewohnen, ein kontingentes Ding.226 Gleichwohl erfolgt die Bestimmung eines Dings, wie Kant im Scholion zu Prop. VII dargelegt hatte, auch für Baumgarten durch positive und negative Prädikate. Das stellt der schon zitierte § 36 klar. Also wird »durch Setzung von Privationen in einem Ding Unvollkommenheit gesetzt […], aber eine in sich kontingente Unvoll kommenheit […].«227 Auch das von Kant in diesem Beweis und darüber hinaus an anderen Stellen geltend gemachte Erfordernis der durchgängi-
Metaphysica / Metaphysik, § 105, a. a. O., S. 93. Denn »[…] negative praedicate (setzen) die realia voraus; und da ein iedes ens limitatum nur durch Voraussetzung eines realis möglich ist, so setzt alles ein realissimum voraus […]«, wie es in der R 4253 aus dem Zeitraum der Abfassung der Inauguraldissertation heißt. Ak XVII , 48219–21; H. i. O. 226 Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 105. Auf § 138 der Metaphysica weist auch Theis hin: L’unique argument possible, a. a. O., S. 27. 227 Metaphysica / Metaphysik, § 144, a. a. O., S. 107. 224 225
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gen Bestimmung eines Dinges228 ist bei Baumgarten zu fi nden. »Der Inbegriff aller in einem Ding zusammen möglichen Bestimmungen ist seine DURCHGÄNGIGE BESTIMMUNG . Folglich ist das Ding entweder durchgängig bestimmt oder nicht […]. Jenes ist das EINZELNE (das Individuum), dieses das ALLGEMEINE .«229 Demnach gilt: »Das Einzelne ist innerlich völlig bestimmt […], folglich wirklich […].«230 Und schließlich ist auch der von Kant gezogene Schluß von der unbedingten Notwendigkeit des alle Realität in sich schließenden Wesens auf dessen Unendlichkeit bei Baumgarten argumentativ vollzogen. Er leistet dies in Abschnitt XI des Ontologiekapitels unter der Überschrift »Das Endliche und das Unendliche«. So wie das »Ens infi nitum est ens necessarium […],«231 so gilt umgekehrt auch: »Ens necessarium est infi nitum […].«232 Damit dürfte hinlänglich deutlich sein, daß dieser in Prop. VII geführte Nachweis der Einzigkeit Gottes in zentraler Weise auf Lehrstücken beruht, die Kant bei Baumgarten vorfand und, wie man hinzusetzen darf, in dieser Gestalt auch nur dort vorfi nden konnte.233 In der Be»[…] zur durchgängigen Bestimmung eines Dinges, ohne die es nicht da sein kann […].« Neue Erhellung, a. a. O., S. 435. 229 Metaphysica / Metaphysik, § 148, a. a. O., S. 109. 230 Ebd., § 152, S. 111. 231 Ebd., § 256, S. 154. 232 Ebd., § 258, S. 154. 233 Wolff beispielsweise zählt die Einigkeit bei seiner Auf listung der göttlichen Eigenschaften innerhalb der »Deutschen Metaphysik« nicht unter dieselben (§ 947, GW I .2, S. 584) und fügt dieses Prädikat erst später der Eigenschaftsliste hinzu, wobei er ›einig‹ mit ›numerisch einfach‹ gleichsetzt (cf. §§ 1080, 1083, GW I .2, S. 667, 668). In der Ontologia defi niert er ›unicum‹ im Abschnitt über das Notwendige und Zuf ällige nur eher beiläufig und ohne jedweden Bezug zum Gottesbegriff (§ 283, GW II .3, S. 231). Baumeister hingegen stellt zwar den § 807 seiner Institutiones metaphysicae unter die Überschift »Est tantum unicus DEUS , nec possunt plures Dii esse, quam unus«, stellt aber seinen Beweis auf Gott als das unendliche Wesen ab, von dem es nicht mehrere geben könne. Auch die drei von ihm referierten älteren Be228
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weisgrundschrift wird Kant als erstes Prädikat Gottes ebenfalls dessen Einzigkeit erweisen, nun aber mittels einer modifi zierten Überlegung und eines Substitutionstests,234 die sich – in abermals geänderter Gestalt – in die Inauguraldissertation des Jahres 1770 übernommen fi ndet.235 Doch nicht nur wesentliche Bausteine zur Ontotheologie Kants fi nden sich bereits in Baumgartens Metaphysica, auch der tragende Gedanke, daß Gottes Existenz nicht an eine ihm vorausliegende äußere Ursache geknüpft ist, wird in diesem Werk ausgesprochen. Das haben wir oben bereits herausgestellt.236 Das notwendige und unendliche Wesen, das Kant in dem soeben besprochenen Beweisgang vindiziert hat, kann für Baumgarten »[…] existieren, wenngleich es nicht von einem anderen, außerhalb seiner gesetzten verursacht ist […], also ist es ein selbständiges und unabhängiges Ding […].«237 Zwei konstitutive Prädikate Gottes, die Selbständigkeit und Unabhängigkeit, die wohl lediglich zwei Aspekte ein und desselben Sachverhalts zum Ausdruck bringen und die Eigenschaft der göttlichen Allgenugsamkeit präludieren, sind damit sichergestellt. In der Nova Dilucidatio ist Kant nicht an der Aufstellung eines Kanons der Attribute Gottes interessiert.238 In der Beweisgrundschrift wird dies anweise für Gottes Einigkeit operieren nicht mit dem Begriff der Realitäten. GW III .25, S. 566 f. 234 I .iii.3.: »Das notwendige Wesen ist einig«. 235 Nämlich in § 18 von De Mundi Sensibilis atque Intelligibilis Forma et Principiis. Ak II , 407 f. 236 Bei der Besprechung der Prop. VI der ND, S. LXI ff. 237 Metaphysica / Metaphysik, § 310, a. a. O., S. 177. In § 851 wird dieser Sachverhalt auch explizit auf Gott angewendet: »Deus est ens necessarium […] et infi nitum […]. Existit […] ita, ut non sit causatum extra ipsum positi alterius […].« 238 Wohl aus diesem Grund stößt man in der Nova Dilucidatio auch nicht auf den Begriff der ›Allgenugsamkeit‹ bzw. sein lateinisches Äquivalent, auf den Kant in der Beweisgrundschrift die diversen Eigen schaften Gottes in II .viii hinauslaufen läßt und den er schon in der R 3705 sowie in der Allgemeine[n] Naturgeschichte verwendet. Zu
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ders werden, und dort wird besonders die Unabhängigkeit des göttlichen Wesens wiederholt herausgestellt.239 Kants Ontotheologie gründet nicht in Betrachtungen über die Wirklichkeit, wie es die Physikotheologie tut, sondern in solchen über Möglichkeiten. Auch dieser Ansatz ist bei Baumgarten präsent. In der Vorrede zur dritten Auf lage setzt er sich mit Einwänden auseinander, die gegen die behauptete universale Geltung des Satzes vom Grunde erhoben worden waren. Der vierte dieser Einwände lautet, daß in diesem Falle auch die Wesenheiten der Dinge einen zureichenden Grund haben müßten, was, so wird man ergänzen müssen, eine abwegige Konsequenz sei. Baumgarten antwortet, daß die Wesenheiten ihren Grund »[…] in den wesentlichen Eigenschaften (haben), die sie ausmachen, so wie ihn das Ganze in seinen Teilen hat, und wenn diese wesentlichen Eigenschaften wiederum ihren zureichenden inneren Grund nicht in dem haben, dessen wesentliche Eigenschaften sie sind, haben sie ihn doch außerhalb des fraglichen Dinges, zuletzt gewiß im höchsten Verstand. Gottes Wesen sind aber deswegen alle seine inneren Vollkommenheiten, weil die einzelnen von ihnen wechselseitig im Verhältnis von Grund und Folge zueinander stehen, insofern die einzelnen höchsten Vollkommenheiten aus den einzelnen höchsten begriffen werden können.«240 Damit ist die Gültigkeit des Prinzips des Grundes auch für die Wesenheiten eingefordert. Hinsichtlich der Möglichkeiten war das in den eröffnenden Paragraphen der Ontologie mit einer solchen Deutlichkeit erfolgt, daß kein Zweifel daran bestehen konnte, daß Baumgarten dem Satz des Grundes diesem Begriff cf. Anm. 305 zum Text sowie Horst-Günter Redmann: Gott und Welt. Die Schöpfungstheologie der vorkritischen Periode Kants. Göttingen 1962, S. 149–164, und Theis: L’unique argument possible, a. a. O., S. 70–73. 239 Für Belegstellen cf. Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«, a. a. O., S. 413 f. 240 Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 35 f.
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auch in diesem Bereich Geltung verschaffen will; ja die explizite Einführung des Prinzips vom Grund in § 20 bzw. des Prinzips vom zureichenden Grund in § 22 erfolgt in diesem defi nitorischen Kontext. So steht am Ende des in § 20 angestrebten Beweises des Satzes vom Grund 241 die dort in alternativen Formulierungen ausgedrückte Einsicht: »Also ist etwas der Grund jedes Möglichen, oder: Jedes Mögliche ist begründet, oder Nichts ist ohne Grund […].«242 Die anschließende Spezifi zierung des Satzes zum Prinzip des zureichenden Grundes in § 22 zieht auch eine entsprechende Spezifi zierung der soeben zitierten Einsicht nach sich. Sie lautet nun: »Das Einzelne in jedem Möglichen hat einen Grund […], folglich hat jedes Mögliche einen zureichenden Grund […].«243 Nachdem Gottes Möglichkeit in § 812 unter den Gesichtspunkten seiner internen Verfaßtheit wie seiner möglichen externen Folgen bereits als die größte bezeichnet worden war,244 geht Baumgarten in § 824 weiter und zieht Gott als Grund auch für die Möglichkeit aller anderen Dinge heran. »Wenn Gott nicht wirklich wäre, würde das Prinzip des Widerspruchs falsch sein […], das erste Prinzip der Form und der Materie in allen unseren Beweisen. Obwohl also viele Wissenschaften ohne irgendeine theologische Prämisse vollständig bewiesen werden können […], gäbe es weder sie selbst noch ihre Gegenstände […], ja sie
Zu diesem Beweis und seinen recht offensichtlichen Schwächen cf. die Einleitung zu Baumgartens Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. L ff. 242 Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 63. 243 Ebd. 244 »Ipsa eius [sc. Dei, Hg.] possibilitas est maxima, 1) interna et absoluta […], dum in eodem plurima maxima sunt compossibilia […], 2) externa et hypothetica, dum fecundissimae gravissimaeque in eodem rationes in omni mundorum omnium possibilium nexu rationata habent, quae extra deum esse possunt, fecundissima, gravissima […].« Ebd., S. 440. 241
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wären nicht einmal möglich […], wenn Gott nicht wirklich wäre.«245 Das ist exakt die Einsicht der Prop. VII , die auch dem Argument der Beweisgrundschrift zugrunde liegt: Durch die Aufhebung Gottes würde »[…] nicht allein das ganze Dasein der Dinge, sondern auch die innere Möglichkeit selber ganz und gar vernichtet […].«246 Zwar fi ndet sich bei Baumgarten noch nicht die ausdrückliche Anwendung dieser Einsicht auf Gott selbst,247 derart, daß Gottes Existenz seiner eigenen Möglichkeit vorausliegt, wie Kant in der Überschrift zu Prop. VII formuliert, aber von diesem § 824 her ist es kein sehr weiter Schritt mehr bis zu Ebd., S. 445; H. d. Hg. Dieser Gedanke ist nicht nur, wie oben bereits erwähnt wurde, bei Leibniz zu fi nden (zitiert in Fn. 163), sondern Baumgarten hat ihn auch anerkanntermaßen von diesem entlehnt. Das geht aus Baumgartens Zeitschrift, den Philosophische[n] Brieffe[n] von Aletheophilus. Frankfurt und Leipzig 1741, eindeutig hervor. Dort heißt es im XVII . Stück, 23. Schreiben: »Wäre kein Gott, so wäre auch kein Obiect der Geometrie, so wäre nichts von alle dem, womit sich diese beschäftiget.« Leibniz nun, auf dessen Abhandlung Baumgarten dort ausdrücklich und mit präziser Quellenangabe hinweist, hatte genau dieses Beispiel der Geometrie gewählt, um seine These zu illustrieren, daß ohne Gott »[…] non seulement il n’y auroit rien d’existant, mais il n’y auroit rien de possible.« Essais de Théodicée, § 184. Die philosophischen Schriften, Bd. VI , a. a. O., S. 226. 246 Neue Erhellung, a. a. O., S. 435. 247 Der § 854, in dem Baumgarten den von ihm selbst in § 856 so benannten aposteriorischen Beweis für Gottes Existenz führt, zeigt, daß er selbst noch recht weit von diesem Gedanken entfernt war. Insofern steht die Originalität des Kantischen Argumentes Leibniz und Baumgarten gegenüber, die auch Schmucker (Die Originalität des ontotheologischen Argumentes Kants, a. a. O., S. 132) herausstellen möchte, trotz der beträchtlichen Anleihen bei der Metaphysica in der Tat außer Frage. Schmucker sieht einen Unterschied zu Baumgarten z. B. darin, daß »[…] nach Kant die Unendlichkeit […] des göttlichen Wesens nur von der absoluten Existenz her gewonnen werden kann, nicht aber durch die bloße Wesens- oder Möglichkeitsbetrachtung […],« wie es angeblich bei Baumgarten der Fall sei. Die oben angeführten Stellen aus §§ 256 und 258 sprechen aber eine andere Sprache. 245
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Kants Position, zumal eine weitere Anregung in diese Richtung in § 57 zu fi nden ist. Dort heißt es im Abschnitt »Das Ding« zunächst eher unspektakulär: »Alles Wirkliche ist innerlich möglich.« Doch da in § 55 die Existenz als der Inbegriff der in einem Etwas kompossiblen Folgebestimmungen gefaßt wurde, kann Baumgarten unter Verweis hierauf folgende alternative Formulierung jenes Satzes anbieten: »Durch Setzung der Existenz wird die innere Möglichkeit gesetzt […].« 248 Da die Möglichkeiten den §§ 20 ff. zufolge nun ihrerseits einen – zureichenden – Grund verlangen, der nach Lage der Dinge nur in Gott gegeben sein kann, dürfte es für Kant nicht mehr fern gelegen haben, die Anwendung der These des § 57 auch auf Gott selbst zu erproben und von diesem Argumentationskontext bei Baumgarten her zu seinem ontotheologischen Beweis zu gelangen. Damit dürfte hinlänglich klar sein, daß Kant das Rüstzeug für seine ontotheologischen Überlegungen bei Baumgarten fand und in dessen Metaphysica auch bereits auf einen zumindest ansatzweise präsentierten Gottesbeweis stieß, der auf die ontologische Unhintergehbarkeit des Materialen bzw. Inhaltlichen von Möglichkeiten abzielte. Es überrascht daher nicht, daß Kants inhaltliche Fassung des Gottesbegriffs, wie er sie vergleichsweise ausführlich im Beweisgrund bietet ( I .iii.6), in großer Nähe zu Baumgartens Darlegungen 249 hierzu steht. Wem die hier aufgewiesenen Parallelen und Filiationen als Bestätigung der behaupteten Inspiration nicht genügen sollten, die Kant aus Baumgartens Metaphysica gezogen hat, der sei zusätzlich darauf hingewiesen, daß die R 3733, die aus der Zeit der Entstehung der Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 75. Hierbei sind insbesondere die Eigenschaften Gottes einschlägig, die Baumgarten im ersten Abschnitt »Die Existenz Gottes« der natürlichen Theologie (§§ 803–862) anführt; darunter die vollkommene Einheit (§ 821), die Einzigkeit (§§ 846, 861), die Einfachheit (§§ 840, 847), die innerliche Unveränderlichkeit (§§ 839, 845) sowie die Bestreitung sukzessiver Abfolgen in ihm (§ 849). Die Parallelität zum Prädikatenkanon in I .iii.6 ist unübersehbar. 248
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Beweisgrundschrift stammt und auf einer guten Druckseite eine dichtgedrängte Darstellung des ontotheologischen Rohgerüsts der Schrift bietet, wie es in der zweiten und dritten Betrachtung von Abteilung I errichtet wird, gewiß nicht zufällig zu Baumgartens §§ 803 ff. geschrieben wurde,250 mit der dieser das Kapitel »Exsistentia Dei« seiner Rationaltheologie eröffnet.251 Der nun folgende nähere Blick auf die Ontotheologie der ersten Abteilung der Beweisgrundschrift wird auch Gelegenheit bieten, ergänzend auf einige weitere Parallelen hinzuwiesen.
VI. Das ontotheologische Argument innerhalb der Beweisgrundschrift Nach den voranstehenden Darstellungen der ontotheologischen Argumentation in der Nova Dilucidatio und den Ausführungen zu deren Zusammenhang mit Baumgartens Metaphysica können wir uns hinsichtlich der Präsentation des zentralen Gedankengangs der Schrift über den Einzig mögliche[n] Beweisgrund relativ kurz fassen, und zwar auch deshalb, weil der hier gebotene Gottesbeweis zwar ausführlicher und in Details modifi ziert vorgetragen wird,252 der Hauptsache nach aber, wie zuvor schon gesagt wurde und nunmehr erhellen wird, derselbe geblieben ist wie in der Habilitationsschrift des Jahres 1755.253 Cf. die Angaben von Adickes Ak XVII , 274. Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 436 ff. 252 Eine synoptische Darstellung der beiden Fassungen in ihren Kernaussagen bietet England: Kant’s Conception of God, a. a. O., S. 50. 253 Das Verhältnis, in dem die Gottesbeweise der beiden Abhandlungen zueinander stehen, war lange Zeit umstritten, wird nun aber zunehmend im Sinne einer grundsätzlichen strukturellen Gleichheit gesehen. So etwa Reuscher: Introduction zu: A New Exposition of the First Principles of Metaphysical Knowledge, a. a. O., S. 107, Fn. 13; Walford / Meerbote: Immanuel Kant: Theoretical Philosophy, 1755–1770, 250
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Die Ontotheologie steht im Zentrum der kurzen ersten Abteilung der Schrift. In der recht langen zweiten Abteilung präsentiert Kant seine durch die Ontotheologie verbesserte Physikotheologie und läßt in der dritten Abteilung eine Kritik der Gottesbeweise folgen, die in der Terminologie zwar von der spä-
a. a. O., S. 418 Fn., und auch Theis: Von der Kritik an der Ontotheologie zur kritischen Ontotheologie. In: Christian Danz / Rudolf Langthaler (Hgg.): Kritische und absolute Transzendenz. Religionsphilosophie und Philosophische Theologie bei Kant und Schelling. München 2006, S. 11 f.; cf. zuvor schon L’unique argument possible, a. a. O., S. 48. In der älteren Kant-Forschung hatte Klaus Reich in seiner Abhandlung Kants einzig möglicher Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes. Ein Beitrag zum Verständnis des Verhältnisses von Dogmatismus und Kritizismus in der Metaphysik. Leipzig 1937 [= Forschungen zur Geschichte der Philosophie und der Pädagogik. 17. Heft] sowie in der Einleitung zu seiner Ausgabe von Immanuel Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes. Auf Grund des Textes der Akademie-Ausgabe mit einer Einleitung und Registern neu hg. von K. R. Unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. von 1963. Hamburg 1974, die Verschiedenheit der beiden Beweise betont. Josef Schmucker hat gegen Reich Position bezogen und die von diesem angeführten Gründe als »nicht stichhaltig« erweisen wollen. Ihm war an dem Nachweis gelegen, daß sich die Grundgedanken der beiden Schriften »[…] der Substanz nach vollständig decken […]« (Die Frühgestalt des kantischen ontotheologischen Arguments in der Nova Dilucidatio und ihr Verhältnis zum »Einzig möglichen Beweisgrund« von 1762. In: Studien zu Kants philosophischer Entwicklung. Hg. von Heinz Heimsoeth, Dieter Henrich und Giorgio Tonelli. Hildesheim 1967, S. 53 [= Studien und Materialien zur Geschichte der Philosophie Bd. 6]). Zustimmung erhielt Schmucker u. a. auch von Hans Wagner: Zu Josef Schmucker: »Die Ontotheologie des vorkritischen Kant.« In: ders.: Zu Kants kritischer Philosophie. Hg. von Bernward Grünewald u. Hariolf Oberer. Würzburg 2008, S. 67 [urspr. 1980]. Diese Ansicht hatte Schmucker auch zuvor schon vertreten: Die Gottesbeweise beim vorkritischen Kant. Kant-Studien 54 (1963), S. 446. Wir gehen auf diese Debatten hier nicht näher ein und verweisen statt dessen auf Theis: L’unique argument possible, a. a. O., S. 48, Fn. 2, wo wichtige hiermit befaßte Literatur angeführt ist.
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ter innerhalb der Kritik der reinen Vernunft gebotenen abweicht,254 aber bereits wesentliche der dort gebotenen Argumente formuliert.255 Wir werden uns der Zielsetzung dieser Einleitung entsprechend im folgenden auf die erste Abteilung beschränken und aufzeigen, wie Kant seine Überlegungen dort vorantreibt. Dabei lassen wir die eine oder andere kritische Bemerkung zu seinen Argumenten einfl ießen und verweisen für das übrige auf die Anmerkungen zum Text. Ein Überblick über die erste Abteilung, die ihrerseits aus vier ›Betrachtungen‹ besteht, ergibt folgendes Bild. Die erste Betrachtung handelt »Vom Dasein überhaupt« und mutet den heutigen Leser sehr modern an, denn Kant bietet in ihr eine beinahe sprachanalytisch zu nennende Untersuchung des Existenzbegriffs im Ausgang von einer semantischen Analyse des Wortes ›Dasein‹. Für diesen Ansatz, den Kant in den entsprechenden Kapiteln der Kritik der reinen Vernunft beibehält, ist er von Sprachphilosophen des 20. Jahrhunderts, etwa von J. L. Austin, hoch gelobt worden.256 Das anfallende Ergebnis ist von großer Bedeutung für den weiteren Argumentationsgang. Es zeigt sich, daß ›existieren‹ kein Prädikat im üblichen Sinne ist. Auf diese Einsicht greift Kant im Fortgang der Untersuchung mehrfach zurück. Sodann ist mit der Klärung des Status des Existenzbegriffs systematisch betrachtet allererst der Raum für die nachfolgende Untersuchung geöffnet, weil der herkömmliche ontologische Gottesbeweis damit zu Fall gebracht ist, dem die Cf. dazu Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«, a. a. O., S. XVII–X X : »Die frühe Klassifi zierung der Gottesbeweise und ihre Terminologie.« 255 Reich vermißt der späten Fassung gegenüber »nur« die Rückführung des physikotheologischen Beweises auf den kosmologischen. Einleitung zu Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund, a. a. O., S. IX . 256 How To Do Things With Words. The William James lectures delivered at Harvard University in 1955. Ed. by J. O. Urmson and Marina Sbisà. 2nd edition London, Oxford, New York 1976, S. 2. 254
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Sonderstellung von ›existieren‹ entgangen war und der folglich ›dasein‹ für ein Prädikat unter anderen hielt. Die zweite Betrachtung lenkt zu ontologischen Untersuchungen der Art über, wie sie von der Nova Dilucidatio her bekannt sind. Hier wird der ontotheologische Gottesbeweis in I .ii.3 im eigentlichen Sinne geführt, wenngleich die angefallenen sprachanalytischen und ontologischen Ergebnisse explizit erst später, nämlich in I .iv.2, mit dem Gottesbegriff in Verbindung gebracht werden.257 In der dritten Betrachtung handelt Kant von dem »schlechterdings notwendigen Dasein« und knüpft dabei an seine semantischen Analysen vom Anfang an. Er führt den Begriff des »notwendigen Wesens« ein und legt Gott unter dieser Bezeichnung diverse Prädikate bei, die in den Nummern 3 bis 6 entwickelt werden. Schließlich präsentiert er in der vierten Betrachtung in Art einer Zusammenführung der zuvor gewonnenen Resultate seinen »Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«. Besondere Aufmerksamkeit widmet er dabei dem Nachweis der Geistigkeit des notwendigen Wesens. Im Anschluß an ergänzende Anmerkungen zieht Kant einige Folgerungen, die sich aus dem gebotenen Beweis ergeben, und gibt Vorverweise auf die zweite Abteilung, in welcher der nun abgeschlossene ontotheologische Beweis für eine verbesserte Physikotheologie fruchtbar gemacht werden soll. Erste Betrachtung. Den Ausgangspunkt bildet die schon von Aristoteles festgestellte Mehrdeutigkeit des Begriffs ›Sein‹.258 DaAbgesehen von einer unspezifi schen Stelle in I .ii.3 greift Kant auf den Gottesbegriff zwischen I .i.3 und I .iv.2 gar nicht zurück. Cf. Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«, a. a. O., S. 70. 258 » τὸ δ’ ὂν λέγεται μὲν πολλαχῶς« (»Das Seiende wird in mehrfacher Bedeutung ausgesagt […]«). Metaphysik (Buch IV, 1003 a 33). In der Übertragung von Hermann Bonitz. Neu bearbeitet, mit Einleitung und Kommentar hg. von Horst Seidl. Griechischer Text in der Edition von Wilhelm Christ. Erster Halbband: Bücher I (A) – VI (E). Hamburg 1978, S. 122 / 123. 257
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bei kann es sein Bewenden haben, sofern die Verwendung dieses Begriffs im Kontext seines Gebrauchs keine Mißverständlichkeiten nach sich zieht. Das aber ist in metaphysischen Fragen der vorliegenden Art der Fall. Denn hier hat dieser von seiner umgangssprachlichen Verwendung abgelöste und zu einem philosophischen Kunstwort entwickelte Ausdruck zu Fehlschlüssen gerade auf dem Gebiet der rationalen Theologie und damit just bei den Gegenständen geführt, die dem Menschen besonders am Herzen liegen. Folglich muß der Begriff des Daseins einer klärenden Prüfung unterzogen werden. Dies geschieht nun nicht, wie es dem weitverbreiteten Trend der Zeit entsprechen würde, im Ausgang von Defi nitionen und nach mathematischer Lehrart. Diesem bei Christian Wolff und im Wolffianismus hochgehaltenen Verfahren steht Kant hier sowie auch in den übrigen Schriften dieser Jahre skeptisch gegenüber.259 Er begründet dies mit der Schwierigkeit und Unsicherheit, die mit der Aufstellung einer Defi nition verbunden sind, und verweist auf die mannigfachen Irrtümer, die eine Nachahmung der Methode der Mathematik, in der man getrost von Defi nitionen, Axiomen und dergleichen Sätzen ausgehen darf, auf dem ganz anders gearteten Feld der Philosophie nach sich gezogen hat. Demgegenüber will er vielmehr den Weg befolgen, die unzweifelhaft zum Begriff des Daseins gehörenden Merkmale aufzusuchen und zu sammeln, ohne sich vorerst darum zu kümmern, wie diese zu einer befriedigenden Defi nition zusammengefaßt werden können. Von dieser Methode und von ihr allein, also nicht etwa von einer vorgeblich tieferen Einsicht, als seine Vorgänger sie gehabt haben mögen, verspricht sich Kant die angestrebte Verbesserung der Lage der rationalen Theologie. Diese Prüfung führt in Nummer 1 zu der zentralen These, die dem Leser der Kritik des ontologischen Gottesbeweises aus der Kritik der reinen Vernunft bestens bekannt ist und die für viele Philosophen ganz unabhängig und losgelöst vom übrigen Lehr259
Cf. näherhin die Anm. 33, 36, 37 zum Text.
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bestand der Transzendentalphilosophie den Status eines knockdown-Arguments gegen diesen Typ von Gottesbeweisen besitzt: »Sein ist offenbar kein reales Prädikat.«260 Diese präzisere Redeweise von einem »realen« Prädikat fi ndet sich erst im kritischen Hauptwerk, doch steht Kant die dort getroffene sprachphilosophische Unterscheidung zwischen realem und logischem Prädikat 261 – Kant spricht bezüglich des letzteren an der vorliegenden Stelle noch lateinisch vom »respectus logicus« 262 – offenbar 1762/63 schon zur Verfügung. Das zeigt zumindest dreierlei. Zum einen, daß Kant über die Gottesbeweiskritik und vorliegend über die Kritik am ontologischen Argument schon früh verfügte, nämlich knapp zwanzig Jahre vor der Publikation der Kritik der reinen Vernunft, womit sich dieser Teil als zu den ältesten Partien des kritischen Hauptwerks gehörend erweist, auf den Kant bei der Schlußredaktion desselben im Sommer 1780 zurückgreifen konnte, ohne substantiellere Änderungen an ihm vornehmen zu müssen.263 KrV A 598 / B 626. Ebd. 262 EmB, 017 14–15. Im Hintergrund dürfte § 37 der Metaphysica Baumgartens stehen. 263 Man hat die These vertreten, daß Kant über die zur Unhaltbarkeit des ontologischen Beweises führende Einsicht de facto bereits zur Zeit der Nova Dilucidatio verfügte, wenngleich deren ausführliche Präsentation erst 1762/63 erfolgt sei. So Schmucker: Kants vorkritische Kritik der Gottesbeweise, a. a. O., S. 22 f., und auch Theis: L’unique argument possible, a. a. O., S. 49. Pinder: Kants Gedanke vom Grund aller Möglichkeit, a. a. O., S. 51, scheint gegenteiliger Auffassung zu sein. Cf. hierzu auch Heinz Eidam: Dasein und Bestimmung: Kants Grund-Problem. Berlin, New York 2000, S. 45, Fn. 6 [= Kantstudien Erg.-Hefte Bd. 138]. Zuvor schon hatte Reich dies unter Hinweis auf die 1755 »ganz andersartige Kritik des kartesischen ontologischen Gottesbeweises« in Abrede gestellt (Einleitung zu: Der einzig mögliche Beweisgrund, a. a. O., S. XIII– XV ). In der Tat ist schwer einzusehen, warum Kant 1755 das knockdown-Argument nicht bereits gegen Descartes ins Feld führt, auf das er sich später immer wieder in dieser Angelegenheit beruft, wenn ihm 260 261
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Sodann erhellt aus dem Argumentationsbestand der Beweisgrundschrift, daß diese Kritik in der Tat unabhängig von dem erst später, nämlich in den zentralen Positionen nach 1770 entwickelten Lehrbestand der Transzendentalphilosophie aufgefunden wurde und folglich auch unabhängig von diesem vertreten werden kann. Und schließlich ist mit Blick auf die Binnenstruktur der Beweisgrundschrift deutlich, daß Kant mit den nun folgenden Ausführungen zum Begriff des Daseins zu guten Teilen die Kritik vorwegnimmt, die er in der letzten Abteilung ( III .2) am ontologischen Argument herkömmlicher Art äußern wird. Kants Begründung für seine These erfolgt im Ausgang von der auch bei Baumgarten zu fi ndenden Behauptung, jedes (Einzel-)Ding sei durchgängig durch Prädikate bestimmt.264 Nun hatte Baumgarten das Dasein ausdrücklich mit unter die Realitäten gezählt 265 und dessen Vereinbarkeit mit dem Wesen einer Sache herausgestellt,266 was ihm die Möglichkeit für einen apriorischen Gottesbeweis im hier nun kritisierten Sinne bot.267 Kant reklamiert indes eine Ausnahmestellung für den Existenzbegriff, der kein Prädikat von der Art ist, wie es die anderen sind, durch die ein Objektbegriff konstituiert wird. Ein beliebiger Gegenstand, soweit er die Bedingung für mögliche Existenz erfüllt, ist die Einsicht, daß das Dasein kein (reales) Prädikat ist, damals schon geläufig war. 264 »[…] denn bei der Möglichkeit eines Dinges nach seiner durchgängigen Bestimmung kann gar kein Prädikat fehlen« (01523 – 01601). Cf. damit die oben (S. XCII ) angeführten Zitate aus den §§ 148, 152 der Metaphysica. 265 »Exsistentia est realitas cum essentia et reliquis realitatibus compossibilis […]. Ergo ens perfectissimum habet exsistentiam […].« Metaphysica / Metaphysik, § 810, a. a. O., S. 441. 266 »Exsistentia non repugnat essentiae, sed est realitas […] cum ea compossibilis […].« Ebd., § 66, S. 76. 267 Unter Bezugnahme auf § 810 hatte er ihn in § 811 knapp folgendermaßen formuliert: »DEUS est ens perfectissimun. Ergo deus actualis est […]« (ebd., S. 441). Baumgarten bezeichnet diesen Beweis in § 856 selbst als einen apriorischen. Ebd., S. 459.
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zwar durchgängig bestimmt. Soweit stimmt Kant Baumgarten zu. Aber das Prädikat der Existenz ist nicht unter diesen Bestimmungen.268 Das zeigt Kant mit einer Überlegung, auf die er ebenfalls in der Kritik der reinen Vernunft zurückgreift und dort etwas ausführlicher präsentiert.269 Auch sie beweist im übrigen die frühe Entstehung der Kritik am ontologischen Argument. Dieser Gedankengang ist zumindest von gleicher Durchschlagskraft wie das knock-down-Argument gegen den ontologischen Beweis, fi ndet aber gleichwohl nicht immer die Beachtung in der einschlägigen Literatur, die ihm gebührt. Wenn nämlich, so Kants Überlegung, der Gegenstand schon seiner Möglichkeit nach durch eine Reihe angebbarer Prädikate (P1, P2, P3, …, Pn) bestimmt ist, wie auch Baumgarten meinte, dann ist dies gleichbedeutend mit der Formulierung, daß ihm kein Prädikat fehlt. Wenn man nun sagt, durch die Verwirklichung dieses bislang nur Möglichen komme zu (P1, …, Pn) ein weiteres Prädikat (PEx) zu seinen übrigen Bestimmungen hinzu, dann wäre der Gegenstand jetzt durch (P1, …, Pn, PEx) bestimmt. Da (P1, …, Pn) aber nicht identisch ist mit (P1, …, Pn, PEx), spräche man nicht länger von ein und demselben Gegenstand, wenn (P1, …, Pn) nun aus dem Modus der Möglichkeit in den der Wirklichkeit versetzt worden wäre. M. a. W.: Der Begriff eines möglichen Gegenstandes umfaßt genau so viele Prädikate wie der eines wirklichen. Wer also den Gegenstand bereits im Modus des Möglichen durch Prädikate vollständig bestimmt sein läßt, wie man es auch nach Kants Ansicht tun muß, der hebt, wenn er das Dasein bei der Verwirklichung des zuvor nur Möglichen als Inhalt dem Objektbegriff hinzufügen will, tatsächlich einen identischen Begriff vom Objekt auf. Diese Einsicht wird in der R 3761 festgehalten, die vermutlich dem Zeitraum 1764–1766 entstammt: »Ein allgemeiner und blos möglicher Begriff ist nicht omnimode determinirt. Aber ein einzelner Begrif ist es und kan doch blos möglich seyn.« Ak XVII , 28604–05. 269 KrV A 600 / B 628. 268
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Streng genommen darf man also den Ausdruck ›sein‹ oder semantische Äquivalente wie z. B. ›existieren‹ nicht im prädikativen Sinne gebrauchen. Tut man es dennoch, so sagt man damit nichts über den Gegenstand selbst aus, sondern vielmehr über unsere Vorstellung desselben, derart, daß man zu verstehen gibt, daß es das in Rede stehende Objekt tatsächlich gibt, der Vorstellung also ein erfahrbarer Gegenstand korrespondiert. Kant erläutert das Gemeinte am Beispiel des Seeeinhorns. Im übrigen erhebt er keine Einwände gegen die gewöhnliche saloppe Verwendung der Sprache in diesem Punkt. Er wirft sich nicht zum Kritiker umgangssprachlicher Gepflogenheiten auf, insistiert aber darauf, daß in dem einen Fall, wenn von der absolut notwendigen Existenz die Rede ist, diese Sprechweise unstatthaft ist, weil sie zu den beklagten rationaltheologischen Irrtümern führt. Die Nummer 2 spürt dem Existenzbegriff weiter nach und unterscheidet zwei Bedeutungen, in denen der Ausdruck ›sein‹ verwendet werden kann, nämlich eine relationale und eine absolute. Das ist natürlich keine erschöpfende Auf listung sämtlicher Funktionsmöglichkeiten dieses Terms,270 aber es sind die für die hier anstehenden Zwecke Kants relevanten Fälle. Die relationale Bedeutung liegt vor, wenn ein Prädikat zu einem Subjekt in Beziehung gesetzt wird. In einem solchen Fall hat ›sein‹ lediglich kopulative Bedeutung im grammatischen Wortsinn, denn über die Existenz des Subjektbegriffs wird dabei gar nichts ausgesagt. Kants – vielleicht nicht unbedingt glücklich gewähltes271 – Beispiel 272 ist der Satz »Gott ist allmächtig.« In Wolfgang Stegmüller ist den vielf ältigen Verwendungen von ›ist‹ näher nachgegangen. Sprache und Logik. Studium Generale 9 (1956), S. 57–65. 271 Nämlich insofern, als das Beispiel der Rationaltheologie entstammt und zudem mit dem Gottesbegriff operiert, auf den die hier gebotenen Untersuchungen ja zulaufen. 272 Kant verwendet es in gleichem Kontext auch in der KrV (A 595 / B 623). 270
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ihm wird lediglich der Begriff ›Gott‹ durch das Hilfsverb ›ist‹ mit dem Prädikat ›allmächtig‹ in Verbindung gebracht, aber es wird durch diese Kopula nichts hinsichtlich der Existenz Gottes entschieden. Deswegen ist es auch möglich, mit dem Ausdruck ›sein‹ sprachlich formal korrekte Sätze zu bilden, die gleichwohl keinen möglichen Sachverhalt treffen, wie z. B.: »Der Kreis ist viereckig.« Wird aber in einem Urteil nicht lediglich eine Beziehung zwischen einem Subjekt und einem Prädikat hergestellt, sondern wird, wie etwa in dem Satz »Die Welt ist«, eine grammatisch mögliche Form von ›sein‹ in dem emphatischen Sinne verwendet, daß der Subjektbegriff »an und für sich selbst gesetzt« 273 und damit eine Existenzaussage getroffen wird, dann liegt die absolute Bedeutung von ›sein‹ vor. Kants erläuterndes Beispiel ist das biblische »Fiat«, mit dem Gott dem Wortlaut der Schrift zufolge die bis dahin in seinem Verstand lediglich als möglich vorgestellte Welt wirklich werden ließ. Dadurch wuchs der durchgängig bestimmten Welt nicht etwa das zusätzliche Prädikat der Existenz zu, sondern die gesamte Reihe der Prädikate wurde absolut oder schlechthin gesetzt, m. a. W.: sie wurde realisiert. Ob das Subjekt eines Urteils existiert, kann durch die Analyse der Prädikate, die relational zu ihm gesetzt sind, niemals herausgefunden werden. »Die existentz kan kein praedicat seyn, denn sonst würde ein Ding als existirend nur durch ein Urtheil und vermittelst des Verstandes erkannt werden,« heißt es in der bereits zitierten R 3761.274 Diese Entscheidung muß auf anderem Wege fallen, man muß dazu aus dem Begriff herausgehen,275 um zu sehen, ob er auch instantiiert ist, d. h. ob wenigstens ein Objekt aufweisbar ist, auf das die vorgenommenen Bestimmungen zutreffen. Wir erkennen, so heißt es in der kurze Zeit nach dem EmB, 01718–19. Ak XVII , 28606–08. 275 So die spätere eingängige Forderung der KrV A 601 / B 629. Das Lemma ›herausgehen‹ fehlt übrigens im Sachindex zu Kants Kritik der reinen Vernunft. Hg. von Gottfried Martin. Bearbeitet von Dieter-Jürgen Löwisch. Berlin 1967. 273 274
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Beweisgrund entstandenen und bereits über ihn hinausgehenden R 3761 weiter, »das Daseyn der Dinge durch Empfi ndung.«276 Ohne eine solche, d. h. ohne Erfahrungswissen bleibt es unausgemacht, ob die Prädikate zu einem bloß möglichen oder einem wirklichen Subjekt gehören. So ist also, wie Kant in Nummer 3 ausführt, in einem wirklichen Ding nicht mehr gesetzt als in einem bloß möglichen. Denn ein mögliches Ding ist ebenso vollständig und durchgängig bestimmt wie ein wirkliches, denn es enthält ja genau dieselben Prädikate, die nach dem Satz des Widerspruchs miteinander verbunden sind. Aber durch die absolute Setzung, d. h. durch die Verwirklichung des zuvor bloß Möglichen wird mehr gesetzt. Kant unterscheidet also das, was gesetzt ist, von dem, wie es gesetzt ist. Diese Unterscheidung gibt ihm die Möglichkeit, stillschweigend auf Anselm von Canterbury zu antworten, dessen zum ontologischen Gottesbeweis führende Überlegung unschwer im Hintergrund der Kantischen Ausführungen auszumachen ist, wenngleich er namentlich nicht erwähnt wird. Das vollkommenste Wesen, so hatte Anselm argumentiert, muß zwangsläufig existieren, weil ihm eine Vollkommenheit fehlen würde, wenn es ein lediglich möglicher Vorstellungsinhalt wäre. Denn in diesem Falle könnte etwas noch Vollkommeneres gedacht werden, nämlich daß dieses Wesen auch tatsächlich existiert, so daß das vollkommenste Wesen im Modus bloßer Möglichkeit gar nicht das vollkommenste wäre, insofern ihm die Existenz fehlte.277 Kants Unterscheidung trägt also Anselms Einsicht Rechnung, daß durch die Wirklichkeit mehr gesetzt ist als durch die bloße Möglichkeit, aber er insistiert darauf, daß dieses »mehr« nicht zu den konstitutiven Prädikaten des Dings zählt,
Ak XVII , 28608. Anselm von Canterbury: Proslogion. Anrede. Lateinisch / deutsch. Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Robert Theis. Stuttgart 2005, bes. Kap. 2, S. 21–23. 276
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sondern durch die Art des Setzens bewirkt wird, wenn das bloß Mögliche wirklich wird. Ausdrücklich aber setzt sich Kant nicht mit dem genannten mittelalterlichen Philosophen auseinander, sondern er nutzt die Gelegenheit, eine kritische und zurückweisende Sichtung derjenigen Bestimmungen des Daseins vorzunehmen, die er bei den drei herausragenden Gestalten der zeitgenössischen deutschen Philosophie vorfand, nämlich bei Wolff, Baumgarten und Crusius.278 Eigentlich hatte er von polemischen Auseinadersetzungen dieser Art ja Abstand nehmen wollen.279 Daß er sich bei diesem Thema gleichwohl in eine solche einläßt, zeigt, wie sehr ihm an der Klärung des Existenzbegriffs gelegen ist. Hier ist Kant unerbittlich, denn hier, wenn überhaupt irgendwo, muß man es sich der verhandelten Sache wegen »[…] gefallen lassen, seine Begriffe bis in diese Atome aufzulösen.« 280 Zweite Betrachtung. Nachdem in der ersten Betrachtung der Begriff des Daseins behandelt wurde, wendet sich Kant mit der zweiten dem des Möglichen zu, näherhin dem des inneren Möglichen. Durch diese Präzisierung unterstreicht er, was ohnehin auf der Hand liegen dürfte, daß er nämlich eine Untersuchung ansteuert, die nicht etwa nach den externen Bedingungen im Sinne empirisch erforderlicher Rahmenbedingungen fragt, die ein Ding allererst möglich werden lassen wie z. B., daß die Möglichkeit von Fischen an das Vorhandensein eines Gewässers geknüpft ist. Vielmehr zielt er auf die internen Bedingungen ab, denen ein Etwas genügen muß, um überhaupt möglich zu sein, und diese werden, so kündigt die Überschrift der zweiten Betrachtung an, insofern in den Blick genommen, als sie irgendein Dasein voraussetzen. In offensichtlichem Anschluß an Baumgarten und den bei ihm zu fi ndenden Begriff der inneren Möglichkeit schärft er am Ende der ersten Nummer noch einmal ein, 278 279 280
Cf. hierzu die Anm. 51, 53, 55 zum Text. EmB, 00824–26. EmB, 01924–25.
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daß er hier von »[…] keiner anderen Möglichkeit oder Unmöglichkeit als der inneren oder schlechterdings und absolute so genannten […]«281 sprechen will.282 Kant knüpft auch im folgenden an Baumgarten sowie an die auf dessen Metaphysica verweisenden einschlägigen Ausführungen der Nova Dilucidatio an und erweitert sie dabei, wenn er nun das Formale oder Logische der Unmöglichkeit bzw. Möglichkeit von dem Realen desselben unterscheidet.283 Das formal Unmögliche und Undenkbare wird durch den Satz des Widerspruchs als solches erwiesen, denn »alles, was in sich selbst widersprechend ist, ist innerlich unmöglich.« So hieß es ja schon in § 7 bei Baumgarten.284 Das Materiale oder Reale der Möglichkeit liegt in dem EmB, 02417–19. Cf. hiermit § 15 der Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 58 f., wo Baumgarten seinen Begriff innerer Möglichkeit und Unmöglichkeit wie folgt spezifi ziert und den zentralen lateinischen Ausdrücken die – hier in Klammern hinzugefügten – deutschen Übersetzungen beigegeben hatte: »Quod spectatur, sed non in nexu cum iis, quae extra illud ponuntur, SPECTATUR IN SE (wird an und vor sich betrachtet). Quod nec in se quidem spectandum repraesentabile est, est IMPOSSIBILE IN SE (intrinsecus, simpliciter, absolute, per se) (an und vor sich, innerlich, schlechterdings unmöglich). Quod in se spectatum est possibile, est POSSIBILE IN SE (intrinsecus, absolute, per se, simpliciter) (an und vor sich, innerlich, unbedingt möglich).« 283 »La division, établie dans la Nova dilucidatio, entre l’aspect formel et matériel du possible y est reprise, mais avec plus de rigeur terminologique […].« Theis: L’unique argument possible, a. a. O., S. 55. 284 Freilich wird Kant auch in anderen Quellen auf dieses Möglichkeitskriterium gestoßen sein, auch bei Wolff selbst und den Wolffi anern. Wolff hatte in seiner »Deutschen Metaphysik« das Mögliche und Unmögliche gleich eingangs unter der Überschrift »Von den ersten Gründen unserer Erkenntniß und allen Dingen überhaupt« vergleichsweise knapp behandelt und folgendermaßen bestimmt: »Und auf solche Weise ist unmöglich, was etwas widersprechendes in sich enthält, als z. B. ein eisern Holtz […]. Woraus man ferner ersiehet, daß möglich sey, was nichts widersprechendes in sich enthält […] als z. B. ein höltzerner Teller« (»Deutsche Metaphysik«, § 12, GW I .2, S. 7 f.). Dem 281
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Gegebenen vor, das im Urteil miteinander verglichen und von Kant nun das ›datum‹ bzw. pluralisch die ›data‹ genannt wird.285 So setzt die innere Möglichkeit zweierlei voraus, zum einen, daß Widerspruchsfreiheit zwischen den miteinander verbundenen Begriffen gegeben ist, und zum andern, daß es überhaupt »Denkliches« gibt, das der Verstand in Beziehung zueinander setzen kann. Wie schon in der Nova Dilucidatio ist Kant auch hier nicht näher an der Verfolgung der ersten, logischen Bedingung der Möglichkeit interessiert, sondern ganz auf die zweite fokussiert, deren größere ontologische Mächtigkeit der erstgenannten gegenüber hier noch deutlicher zum Ausdruck kommt, als es in der Nova Dilucidatio geschehen war. Zwar ist es möglich, daß überhaupt nichts existiert, denn wenn wirklich nichts da ist, dann sind auch keine Data als das Materiale des Denkens gegeben, und folglich ist es a limine ausgeschlossen, daß ein Widerspruch zu der Annahme, es gebe gar nichts, überhaupt festgestellt werden könnte. Aber es würde sich widersprechen anzunehmen, es gebe gar nichts Wirkliches, und zugleich zu behaupten, es gebe dennoch Möglichkeiten. Denn dann müssen dem obigen zufolge zumindest die Data für diese Möglichkeiten gegeben sein, mithin wäre etwas da. Kant setzt also mit dem Widerspruchsprinzip eines der stärksten philosophischen Kriterien ein, um für den Fall, daß etwas möglich ist, daraus folgern zu können, daß auch etwas wirklich ist. Zur zusätzlichen Bestätientsprechen die Defi nitionen in seiner Ontologia, wo er das Thema des Möglichen und Unmöglichen wesentlich ausführlicher behandelt. Er präsentiert sie dort zu Beginn des Abschnitts über Wesen und Existenz: »Impossibilis defi nitio: Impossibile dicitur, quicquid contradictionem involvit« (§ 79, GW II .3, S. 62); »Possibilis defi nitio: Possibile est, quod nullam contradictionem involvit, seu, quod non est impossibile« (§ 85, GW II .3, S. 65; H. i. O.). Diese defi nitorischen Bestimmungen wurden von den Wolffi anern übernommen, etwa auch von Baumeister: Institutiones Metaphysicae, a. a. O., § 42, S. 46. 285 In der Nova Dilucidatio sind diese Ausdrücke noch nicht terminologisch verfestigt.
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gung dieser Position greift er auf ein Ergebnis der zuvor angestellten semantischen Untersuchung des Existenzbegriffs zurück. Dort hatte sich gezeigt, daß der im absoluten Sinne verwendete Ausdruck ›Sein‹ soviel bedeutet wie ›Dasein‹. Behauptet man nun, es existiere überhaupt nichts, dann widerspricht man sich, wenn man hinzufügt, gleichwohl sei etwas möglich. Denn, so muß man Kants Argument ergänzen, damit etwas möglich ist, muß es ja etwas Wirkliches geben. Damit hat Kant das Rüstzeug für seinen ontotheologischen Gottesbeweis beisammen, den er, wie oben bereits bemerkt, zwar nicht dem Namen nach, wohl aber, was die Sache selbst betrifft, in Nummer 3 unter der Überschrift »Es ist schlechterdings unmöglich, daß gar nichts existiere« präsentiert. Zunächst führt er folgendes Argument an, das die gleichsam negative Formulierung der Aussage der R 3712286 zum Inhalt hat. Durch dieses Supplement gibt er klar zu erkennen, daß er den für den Beweisgang von 1755 zu konstatierenden Mangel einer Begründung dieser zentralen in der Überschrift formulierten Position nun beheben möchte. Es lautet: »Wodurch alle Möglichkeit überhaupt aufgehoben wird, das ist schlechterdings unmöglich.« Er meint, die beiden Teilsätze seines Arguments seien semantisch äquivalent. Das geht aus der unmittelbar anschließend erfolgenden Einstufung derselben als »gleichbedeutende[n] Ausdrücke[n]«287 eindeutig hervor. Aber seine Behauptung gibt Rätsel auf, weil die eingeforderte semantische Äquivalenz der beiden Terme »etwas ist schlechthin unmöglich« und »etwas hebt alle Möglichkeit auf« nicht unmittelbar einleuchtend ist. Schon wenn man die ungleiche Extension der Prädikate der beiden Teilsätze beachtet, ergeben sich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des für sie reklamierten Status. Zudem kann man plausibel argumentieren, daß sie auch deshalb in keinem – in Kants späterer Sprache – analytischen Verhältnis zueinander stehen, weil 286 287
Zitiert oben, S. LX XIV. EmB, 02604–05.
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bereits implizit die Annahme zugrunde liegt, nicht alle Möglichkeiten könnten aufgehoben werden.288 Wenn nun der über der Nummer 3 stehende Satz synthetisch ist, dann reicht die Anführung einer dem Vorgeben nach semantisch äquivalenten Formulierung zu seiner Begründung nicht aus.289 Zudem kann man Kant entgegenhalten, daß er soeben in I .i.2 gezeigt habe, daß Existenzaussagen nicht durch rein begriff liche Anstrengungen zu gewinnen sind, sondern nur durch empirische Nachforschungen, also eo ipso synthetischen Charakter tragen. Unterstellt man andererseits, der fragliche Satz sei analytisch wahr, so erhebt sich das Problem, wie aus einer analytischen Erkenntnis eine synthetische Einsicht, nämlich die von Gottes Existenz, sollte hervorgehen können. Ferner geht Kant, nicht anders als in der Nova Dilucidatio, auch hier wie selbstverständlich von der Annahme aus, es gebe Möglichkeiten und müsse auch unbedingt Möglichkeiten geben. Sowohl der zu beweisende Satz wie der in dieser Absicht angeführte Beweisgang gründen in dieser Voraussetzung. Und in der Tat ist nur mit dieser These plausibel begründbar, daß es Data geben muß. Die erste, schwächere dieser Alternativen – es gebe Möglichkeiten – mag zwar als eine Art metaphysische Grundannahme von Kant gemeint sein, sie zieht aber dennoch den Verdacht auf sich, daß sie als eine empirische Annahme einzustufen sei. Dafür spricht in der Tat einiges; handelt es sich dabei doch um eine Existenzaussage, deren synthetischen Charakter
So argumentiert Wolfgang Röd: Der Gott der reinen Vernunft. Die Auseinandersetzung um den ontologischen Gottesbeweis von Anselm bis Hegel. München 1992, S. 138. 289 Reich zieht in Erwägung, daß der »nervus probandi des Einzig möglichen Beweisgrundes lediglich eine Nominaldefi nition« sei und läßt Kant, dem diese Einsicht Reich zufolge offenbar selbst gekommen war, in den späteren 1760er Jahren darauf hin Ausschau nach der Möglichkeit halten, »[…] sich ohne Demonstration zu überzeugen.« Einleitung zu Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund, a. a. O., S. X XIV. 288
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Kant selbst zuvor klargestellt hatte.290 Andererseits ist nicht leicht einzusehen, wie Möglichkeiten als solche empirisch feststellbar sein sollten. Sollte sie aber synthetischen Status haben, hinge der ganze ontotheologische Beweis selbst dann in der Luft, wenn sich sonst keine weiteren Einwände gegen sie erheben ließen. Denn Kant will ja ein notwendig existierendes Wesen mittels eines Räsonnements erweisen, das »[…] vollkommen a priori geführt […]« und »[…] von dem inneren Kennzeichen der absoluten Notwendigkeit hergenommen […]«291 ist, aber auf eine empirische und das heißt: auf eine kontingente Prämisse kann keine Einsicht mit so weitgehendem Anspruch gestützt werden. Wenn Kant diese Konsequenz vermeiden will, müßte er dieses Bedenken ausräumen. Das aber tut er nicht, und es dürfte auf der Grundlage der getroffenen Entscheidungen in der Tat auch nur schwer möglich sein, dies zu leisten – hatte er doch soeben noch eingeschärft, man müsse sich bei der Frage, wie uns Begriffe gegeben sind, »[…] nimmer worauf anderes als auf ein Dasein berufen.«292 Für die zweite, anspruchsvollere Annahme der unbedingten Existenznotwendigkeit von Möglichkeiten, die diesen Einwand vermeiden würde, müßte Kant eigens argumentieren, doch führt er außer dem tautologischen Verhältnis, in dem jene beiden Sätze der Behauptung nach zueinander stehen, kein weiteres Argument zu ihrer Stützung an.293 Diese in der BeweisRöd: Der Gott der reinen Vernunft, a. a. O., S. 138, ist dieser Ansicht. EmB, 04223–27. 292 EmB, 029 07–08 . In der 1769 verfaßten R 3972 spricht Kant diesen Einwand selbst klar an: »Nun sind alle realgründe und auch so gar die Möglichkeit derselben nur a posteriori kennbar […].« Ak XVII , 37028 f. ; H. i. O. 293 Auch für Theis liegt hier »le point crucial« der gesamten Argumentation, und er wundert sich zu Recht, daß Kant es nicht für notwendig erachtet, seine zentrale These in irgendeinem Sinne zu erläutern. L’unique argument possible, a. a. O., S. 56. – Die R 3733 experimentiert indes mit einer anderen Überlegung, auf deren Analyse wir aus Raumgründen hier verzichten. Ak XVII , 274 f. 290
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grundschrift vorgenommene Ergänzung der Ausführungen von 1755 scheint also, gleichgültig wie man sie wendet, keine wirkliche Konsolidierung der Argumentation zu erreichen. Im Anschluß an die eröffnende Präsentation dieser Grundüberzeugung Kants von der notwendigen Existenz von Möglichkeiten in I .ii.3, an der sich Wohl und Wehe des gesamten ontotheologischen Arguments entscheiden dürfte, kann er nun regressiv die erforderlichen Bedingungen dafür aufzeigen, daß es Möglichkeiten auch geben kann. Dies geschieht in der Absicht, die Existenz von Wirklichem als unabdingbare Voraussetzung für Mögliches zu erweisen. Er greift dabei auf die zuvor entwickelten zwei Weisen zurück, wie Möglichkeiten aufgehoben werden können, nämlich formal durch Verstoß gegen den Satz des Widerspruchs und material durch Negierung sämtlicher Data. Die erste Alternative zur Auf hebung aller Möglichkeit ist hier nicht zielführend, weil, wie gezeigt, in der vollständigen Auf hebung allen Daseins kein innerer Widerspruch besteht, das formale Kriterium der Möglichkeit aber immer auf Data angewiesen ist, die in Beziehung zueinander gesetzt werden. Anders liegt der Fall beim zweiten Kriterium. Wenn nämlich alles Materiale aufgehoben wird, dann sind damit zugleich alle Data für das Mögliche vernichtet. Das geschieht nun, wenn alles Dasein aufgehoben wird. In diesem zweiten Fall, dessen ontologisch größere und durchgreifendere Mächtigkeit sich auch von hierher zu erkennen gibt, wird also nicht nur alles Wirkliche aufgehoben, sondern zudem die Bedingung dafür obstruiert, daß es überhaupt etwas Mögliches geben könnte. Da aber nun nach dem Eingangssatz dieser Nummer feststeht, daß es Möglichkeiten geben muß, muß es auch die für das Vorhandensein von Möglichkeiten unabweisliche Voraussetzung geben, nämlich Materiales oder Data. Folglich ist es schlechthin unmöglich, daß alles Dasein aufgehoben werden könnte oder positiv formuliert: etwas muß notwendigerweise existieren. Es liegt auf der Hand, daß dieses für die Existenz von Möglichkeiten unabweisbar erforderliche Dasein im weiteren Verlauf des Gedankengangs zum
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Begriff von Gott entwickelt werden wird, dessen notwendige Existenz damit sichergestellt ist. Mit den folgenden Nummern leitet Kant die hierher führenden Schritte ein. Die Nummer 4 gilt dem Nachweis, daß Möglichkeiten nicht wiederum in Möglichkeiten fundiert sind, sondern in etwas Wirklichem.294 Wäre es anders, ließe sich die voranstehende Überlegung nicht zur Führung eines Gottesbeweises einsetzen. Diese Fundierung ist nun auf zweierlei Weise möglich. Entweder ist das Mögliche mit etwas Wirklichem als eine seiner Bestimmungen oder als eine seiner Folgen verbunden. Enthält ein Wirkliches den Grund für die innere Möglichkeit von Etwas, also die Data und das Reale für das Denkliche, so nennt Kant es deren ›ersten Realgrund‹; als ›ersten logischen Grund‹ derselben bezeichnet er den Satz vom Widerspruch. Abgesehen von den Defi nitionen sind dies, wie Kant sehr wohl weiß, insgesamt erläuterungsbedürftige Positionen. Doch da der Gottesbegriff, den man zur Auf hellung derselben benötigen würde, noch nicht entwickelt ist – denn Gott allein wird sich als der erste Realgrund sämtlicher Möglichkeiten erweisen – greift Kant behelfsmäßig zum Beispiel eines feurigen Körpers, um an ihm klarzumachen, daß selbst die innere Möglichkeit jederzeit ein Dasein voraussetzt und voraussetzen muß. Dritte Betrachtung. Sie handelt »Von dem schlechterdings notwendigen Dasein«. Unter Rückgriff auf bereits bekannte Positionen zeigen die Ausführungen zur Nominal- wie Realdefi nition 295 des Notwendigen zweierlei. Zunächst fällt die Nähe ins Im Hintergrund steht der in § 140 der Metaphysica, a. a. O., S. 105, formulierte Gedanke, daß Realitäten nur zu Realitäten stimmen. Zitiert oben in Fn. 179. 295 Eine Rechtfertigung dieser Einteilung der Defi nitionen in Nominal- bzw. Namen- oder Worterklärungen einerseits und Real- bzw. Sacherklärungen andererseits hatte Wolff in seiner »Deutschen Logik«, § 41, gegeben: »Es erklären aber die Erklärungen entweder Wörter, oder Sachen; daher sie in Wort- und Sach-Erklärungen gar füglich eingetheilet werden. Jene bestehen in einer Erzehlung einiger Eigen294
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Auge, in der die angeführte Nominaldefi nition zu dem entsprechenden § 102 wiederum der Metaphysica Baumgartens steht.296 Sodann erhellt aufs Neue die Prävalenz des real-materialen gegenüber dem nur logisch-formalen Aspekt für die Untersuchung der schlechterdings notwendigen Existenz. Denn da über die innere Notwendigkeit der Prädikate eines möglichen Dinges mittels des Widerspruchsprinzips entschieden wird, das Dasein aber gar kein Prädikat ist, wird durch die Auf hebung des Daseins auch kein Prädikat negiert, und folglich ist es grundsätzlich ausgeschlossen, daß ein Widerspruch zu anderen Prädikaten überhaupt entstehen könnte. Die materiale Auf hebung eines Etwas bedeutet eine ontologisch weit radikalere Vernichtung als die formale, weil sie eine »[…] völlige Verneinung alles desjenigen (ist), was schlechthin oder absolute durch sein Dasein gesetzt wurde.«297 Die logisch-formalen Beziehungen zwischen dem möglichen Ding und seinen Prädikaten »[…] sind ganz was anderes als die Position des Dinges zusamt seinen Prädikaten schlechthin […],« 298 sind also ontologisch von sozusagen nachgeordneter Bedeutung. So wird verständlich, warum Kants Interesse nicht auf die logische Notwendigkeit der Widerspruchsfreiheit unter den Prädikaten eines möglichen Dinges ausgerichtet ist, sondern vielmehr der Realnotwenigkeit gilt. Spätestens an diesem Punkt wird die Frage virulent, ob der Begriff der schlechthin notwendigen Existenz überhaupt einen schaften, dadurch eine Sache von allen andern ihres gleichen unterschieden wird: diese zeigen die Art und Weise, wie etwas möglich ist« ( GW I .1, S. 143 f.; cf. ebenso die Elementa Matheseos Universae, Bd. I, §§ 16–18, GW II .29, S. 7). 296 Kants Defi nition lautet: »Schlechterdings notwendig ist, dessen Gegenteil an sich selbst unmöglich ist.« Bei Baumgarten liest man: »Cuius oppositum in se impossibile est, est illud NECESSARIUM IN SE (metaphysice, intrinsecus, absolute, geometrice, logice).« Metaphysica / Metaphysik, a. a. O., S. 90; H. i. O. 297 EmB, 030 08–10. 298 EmB, 030 12–13.
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realen Sachverhalt bezeichnet oder ob er einen solchen nur vortäuscht und sich hinter ihm, wie man seit Ernst Mach zu sagen pflegt, lediglich ein ›Scheinproblem‹ verbirgt.299 In diesem Fall könnte man in den Worten Wittgensteins eine Frage, wie sie Kant nach den Bedingungen für absolut notwendige Existenz stellt, »[…] überhaupt nicht beantworten, sondern nur ihre Unsinnigkeit feststellen.« 300 Zu Kants Zeiten hat es Hume unternommen, den Begriff der notwendigen Existenz als ein hölzernes Eisen zu enttarnen, womit der schottische Philosoph der späteren sprachanalytischen Kritik ein gutes Stück vorgearbeitet hat. Wie nicht verwundert, trägt Hume seinen Einwand ebenfalls im rationaltheologischen Kontext als Antwort auf den apriorischen Gottesbeweis vor. Denn »[…] in dem Unterfangen, Tatsachen zu demonstrieren oder durch Beweise a priori zu begründen, (liegt) eine offenbare Absurdität. Nichts ist demonstrierbar, wenn sein Gegenteil nicht einen Widerspruch enthält. Nichts, was klar vorgestellt werden kann, enthält einen Widerspruch. Alles, was wir als seiend vorstellen, können wir auch als nichtseiend vorstellen. Also gibt es kein Ding, dessen Nichtsein einen Widerspruch einschließt. Folglich gibt es kein Ding, dessen Dasein demonstriert werden kann. Ich stelle dieses Argument als völlig entscheidend hin und bin willens, die ganze Streitfrage davon abhängig zu machen.« 301 Diese Kritik konnte Kant bei der Abfassung der Beweisgrundschrift noch nicht kennen, weil sie in den 1779 erstmals erschienen Dialogues Concerning Natural Religion publiziert ist.302 Aber er hätte sie wohl auch nicht sonDie Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen. Neudruck der neunten Aufl. Jena 1922. Mit einem Vorwort von Gereon Wolters. Darmstadt 1985. Vorwort zur vierten Aufl. 1902, S. X X X . 300 Ludwig Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung. 6. Aufl. Frankfurt am Main 1969 [ 11921], Satz 4.003, S. 32 f. 301 Dialoge über natürliche Religion, a. a. O., S. 74 f.; H. i. O. 302 Kant wurde später, aber noch vor dem Erscheinen der Kritik 299
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derlich gefürchtet, weil sie seines Erachtens ontotheologisch unterlaufen werden kann, wie er nun zeigt. Jedenfalls spricht es für Kants ausgeprägtes Problembewußtsein, diese Frage nach dem Realitätsgehalt des Begriffs der notwendigen Existenz überhaupt aufzuwerfen,303 und er beantwortet sie in Nummer 2 mit folgender knapper Überlegung. Voraussetzung aller Möglichkeit ist etwas Wirkliches, in dem der materiale Inhalt des Denkens vorliegt. Folglich gibt es etwas Wirkliches, dessen Auf hebung sogar die Vernichtung aller inneren Möglichkeit nach sich ziehen würde. Nun muß es Möglichkeiten mit unbedingter Notwendigkeit geben. Dasjenige also, durch dessen Auf hebung alle Möglichkeit vernichtet werden würde, ist schlechterdings notwendig. Damit ist gezeigt, daß es etwas gibt, das absolut notwendig existiert. Der Nachweis, daß der Begriff notwendiger Existenz ein wahrer Begriff in dem Sinne ist, daß er einen tatsächlichen Sachverhalt bezeichnet, ist damit erbracht. Ganz beiläufig wendet Kant an dieser Stelle den Begriff des Wesens auf dasjenige Etwas an, das der Möglichkeit aller Dinge zugrunde liegt. Damit hat er den Terminus des ›ens necessarium‹ zur Hand, mit dem er in der Folge derart operiert, daß er dem »notwendigen Wesen« nach und nach zentrale Prädikate zuweist ( I .iii.3–6; I .iv.1), die ihm später dessen Identifizierung mit Gott ermöglichen. Analog zu I .iii.1 läßt Kant die Nominal- wie Realdefi nition von ›zufällig‹ im Sinne von ›kontingent‹ als dem Gegenbegriff zu ›notwendig‹ folgen. Die Nominaldefi nition, die wiederum an der reinen Vernunft, mit diesem Werk vertraut. Cf. dazu Günter Gawlick / Lothar Kreimendahl: Hume in der deutschen Aufklärung. Umrisse einer Rezeptionsgeschichte. Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, S. 35–38 [= FMDA II , 4]. 303 In der Kritik der reinen Vernunft (A 592 / B 620) wirft Kant den Rationaltheologen etwas maliziös vor, sie hätten »[…] zu aller Zeit von dem absolut notwendigen Wesen geredet, und sich nicht sowohl Mühe gegeben, zu verstehen, ob und wie man sich ein Ding von dieser Art auch nur denken könne, als vielmehr dessen Dasein zu beweisen.«
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Baumgartens Bestimmung des Zufälligen anknüpft,304 interessiert weniger als die Realdefi nition des Zufälligen, denn erstere orientiert sich an dem logischen Kriterium der Widerspruchsfreiheit der Prädikate relativ zu einem Subjekt. Da das Dasein aber gar kein Prädikat ist, wie Kant zum wiederholten Male einschärft, kann der Test auf Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit im vorliegenden Fall gar nicht durchgeführt werden. Das, so würde Kant Hume vermutlich entgegenhalten, hatte der schottische Philosoph bei seinen oben zitierten Ausführungen, die auf den Aufweis – formaler – Nichtwidersprüchlichkeit von Vorstellungen bzw. Prädikaten hinauslaufen, nicht bedacht, mit denen er den Begriff der notwendigen Existenz desavouieren wollte. Die Realdefi nition des Kontingenten hingegen stützt sich auf den eingangs geführten Nachweis der Sachhaltigkeit des Begriffs absolut notwendiger Existenz und erklärt als zufällig dasjenige, dessen Auf hebung nicht zugleich das Materiale zu allem Denklichen im obigen Sinne vertilgt. Im folgenden werden die Prädikate der Einigkeit 305 ( I .iii.3), Einfachheit ( I .iii.4) sowie der Unveränderlichkeit und Ewigkeit ( I .iii.5) des notwendigen Wesens erwiesen. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Nummer 5, weil in ihr erstmals in dieser Schrift die These unmißverständlich formuliert wird, daß das Dasein des notwendigen Wesens die Voraussetzung seiner eigenen Möglichkeit wie auch die aller anderen Dinge ist; eine Position, die aus der Nova Dilucidatio bekannt ist, dort aber schließlich etwas verunklart wurde.306 Im Vergleich zur zuvor gegebenen Nominaldefi nition des Notwendigen formuliert Kant hier knapper: »Zuf ällig ist nach der Worterklärung, dessen Gegenteil möglich ist« (EmB, 032 05–06 ). Bei Baumgarten liest man in Analogie zu § 102 ausführlicher: »Cuius oppositum absolute possibile est, est CONTINGENS IN SE (per se, intrinsecus) […].« Metaphysica / Metaphysik, § 104, a. a. O., S. 92; H. i. O. 305 Zur Herleitung dieses Prädikats in der Nova Dilucidatio cf. oben, S. LX XVI ff. 306 Cf. oben, S. LX X X . 304
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Das ohne explikatorische Anstrengung als ›ens necessarium‹ eingeführte schlechterdings notwendige Dasein wird in Nummer 6 zum ›ens realissimum‹ weiterentwickelt. In dem nunmehr als einig und einfach erwiesenen notwendigen Wesen müssen dem Voranstehenden zufolge die Data zu allem Möglichen enthalten sein, sei es in Form von Bestimmungen oder Folgen seiner selbst. Da diese Data nun das material Reale konstituieren, kommt Kant zu dem Ergebnis, daß im notwendigen Wesen alles Reale liegt. Damit liefert diese Nummer auch die materiale Grundlage für das Gott später zugeschriebene Prädikat der Allgenugsamkeit ( II .viii). Zunächst gilt es jedoch, Mißverständnisse vom traditionsbeladenen Begriff des allerrealsten Wesens fernzuhalten, an erster Stelle den Irrtum, ihm kämen, weil es der Inbegriff oder, wie es in der Nova Dilucidatio geheißen hatte, die Quelle aller Realitäten ist,307 diese Realitäten auch selbst allesamt zu. Denn diese können, wie Kant nun gegen Baumgarten geltend macht,308 gar nicht zusammen in einem Subjekt bestehen, weil sie nicht sämtlich miteinander vereinbar sind. Zugleich präzisiert er mit den anschließenden Ausführungen seine eigene in der Nova Dilucidatio vertretene Position zur Kompossibilität der Realitäten.309 Sodann könnte es den Anschein haben, als wenn das allerrealste Wesen, eben weil es den letzten Realgrund aller anderer Möglichkeiten in sich trägt, auch den ultimativen Grund für Mängel bzw. Verneinungen enthält. Folglich, so könnte man auf dieser Grundlage mutmaßen, umfaßt es nicht nur Realitäten, sondern auch Negationen. Kant sucht dieses Mißverständnis mit zwei Argumenten auszuräumen, von denen das erste auf den wahren Begriff des notwendigen Wesens abstellt und das zweite die altbekannte Augustinische Privationslehre bemüht. Als ErgebND, Ak I, 39601. Cf. Anm. 88 zum Text und das oben in Fn. 186 angeführte Zitat aus § 807 der Metaphysica. 309 Cf. Prop. VI , Scholion, Ak I, 394 sowie Prop. VII , Ak I, 395. 307
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nis ergibt sich hinsichtlich der Einschränkungen, Mängel oder Negationen, daß sie ihren Grund in der ontologischen Differenz haben, die zwischen den Dingen und dem »Urwesen« besteht, das sie eben nicht selbst sind, nicht aber in dem »obersten aller Wesen«. Vierte Betrachtung. Die abschließende vierte Betrachtung der ersten Abteilung führt die voranstehenden Überlegungen zum »Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes« zusammen, und von nun an wird das zuvor erwiesene einige, notwendige und zugleich allerrealste Wesen auch als Gott bezeichnet.310 Der Formulierung einer Nachschrift eines MetaphysikKollegs zufolge, das Kant kurz vor der Mitte der 1780er Jahre abgehalten hat, ist damit der Kern der Ontotheologie erarbeitet: »Ihr Saz ist das ens realißimum est ens neceßarium welches nur ein einziges sein kan […].« 311 Entsprechendes liest man in einer Vorlesungsnachschrift aus dem Anfang der 1790er Jahre.312 Terminologisch gesehen fi ndet die Ontotheologie ihren Abschluß im Begriff des allerrealsten Wesens, das notwendige Wesen ist lediglich die unabdingbar erforderliche Vorstufe zur Etablierung desselben. Angesichts der diesem Begriff damit zugewiesenen Bedeutung überrascht es, daß Kant vom ›aller realsten Wesen‹ ausdrücklich nur an einer einzigen Stelle313 der Beweisgrundschrift spricht, der Ausdruck ›notwendiges Wesen‹ hingegen ist ubiquitär.
Cf. Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«, a. a. O., S. 294 f. 311 Metaphysik Volckmann. Ak X XVIII .1, 454 24–25. 312 Metaphysik L : »Ens realißimum est neceßarium, ist der ontotheo2 logische Beweis vom Dasein Gottes.« Ak X XVIII .2.1, 59816–17. 313 EmB, 036 22–23. Freilich gibt es einige wenige semantisch äquivalente Formulierungen hierzu: 03512 , 03514, 03709, 03713, 04314. Cf. Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«, a. a. O., S. 372. 310
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Nun gehört zum herkömmlichen Begriff Gottes nicht zuletzt, daß er über die Eigenschaften des Verstandes und des Willens verfügt, also ein Geist ist; andernfalls müßte man bei einem blind wirkenden Prinzip stehen bleiben, das weder den Anforderungen der Rationaltheologie geschweige denen des christlichen Gottesbildes genügen würde. Der Führung des Nachweises, daß Gott die genannten Eigenschaften zu Recht beigelegt werden, von dem die Nova Dilucidatio absah und angesichts ihres Beweiszieles auch absehen konnte, widmet sich Kant in der ersten Nummer. Eigentlich hätte es nahegelegen, diese zentralen Prädikate im Anschluß an die in der dritten Betrachtung zuvor erwiesenen zu behandeln. Das aber tut Kant nicht und unterstreicht dadurch, daß er diese Aufgabe in die vierte, nun mit dem Gottesbegriff operierende Betrachtung zieht, die besondere Bedeutung, die diesem Nachweis für das anvisierte Gottesbild zukommt. Gleichwohl merkt man den Ausführungen eine gewisse Unbehaglichkeit des Autors an, denn Kant ist sich offenbar bewußt, hier Attribute Gottes herzuleiten, die außerhalb des eigentlichen Feldes ontotheologischer Überlegungen liegen,314 dennoch aber unverzichtbar zu dem Bild Gottes gehören, dessen Existenznachweis ihm am Herzen liegt. Die Aufgabe ist also delikat, aber unvermeidbar; entsprechend unkomfortabel ist Kants Situation, aber er stellt sich ihr und versucht mit drei Argumenten die Geistigkeit des ›ens necessarium et realissimum‹ zu erweiDiese Schwierigkeit liegt offen zu Tage und wird von den Interpreten zumeist auch klar angesprochen. Cf. Schmucker: Die Ontotheologie des vorkritischen Kant, a. a. O., S. 91 f.; zurückhaltender äußert sich Theis: L’unique argument possible, a. a. O., S. 61–63. Recht scharf urteilte J. H. von Kirchmann. Er stellte mit Blick auf die vierte Betrachtung generell fest, daß die Beweise »immer kühner und bedenklicher« werden. Sie seien »[…] vielfach der Natur des Menschen entnommen, obgleich die Analogie von Menschen auf Gott höchst bedenklich ist […].« Erläuterungen zu Kant’s kleinern Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie. Leipzig 1875, S. 49 [= Philosophische Bibliothek Bd. 59, Abt. II ]. 314
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sen und damit einen großen Schritt auf die Personalität Gottes hin zu tun.315 Denn grundsätzlich läßt sich geltend machen, daß Verstand und Wille Eigenschaften sind, die sich hauptsächlich aus ihren Folgen erkennen lassen, also an Erfahrung geknüpft sind. Nicht zufällig führt Kant an dritter Stelle recht ausführliche physikotheologische Erwägungen zur Stützung dieser Prädikate ins Feld. Mehr noch: Da der Mensch das einzige uns bekannte Wesen mit den genannten Eigenschaften ist, ziehen unverkennbar anthropomorphistische Überlegungen in den ontotheologischen Beweisgrund ein, der dem Anspruch nach »[…] lediglich darauf erbaut (ist), weil etwas möglich ist« und der deshalb »[…] vollkommen a priori geführt werden kann.« 316 Doch unabhängig von derartigen Betrachtungen gilt es zu konstatieren, daß gleich das erste Argument von Kant selbst beinahe entwertet wird, kaum daß er es präsentiert hat. Denn Verstand und Wille seien Realitäten und zählten insofern zum Inbegriff des allerrealsten Wesens. Hierfür ließen sich »verschiedene Beweise« führen, aber Kant bietet dem Leser auch nicht einen derselben an. Vielmehr versichert er in recht dunklen Worten, daß man sich »gedrungen« sehe, durch ein »[…] unmittelbares Urteil des Verstandes einzuräumen […],« daß Verstand und Wille mit den größtmöglichen anderen Realitäten kompossibel seien, setzt aber freimütig hinzu, diese Einsicht könne »[…] nicht füglich zu derjenigen Deutlichkeit gebracht werden […], welche logisch vollkommene Beweise erfordern.« 317
Die R 3733 aus der Entstehungszeit der Beweisgrundschrift bringt Verstand und Willen Gottes unmittelbar mit seiner Personalität in Zusammenhang und wendet den Personenbegriff ausdrücklich auf Gott an: »Das nothwendige Wesen ist also eine Persohn, welche den Grund von allem Daseyn enthält durch Verstand und Willen.« Ak XVII , 27516–17. 316 EmB, 042 22–24. H. i. O. 317 EmB, 038 14–17. 315
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Das zweite Argument ist komplexer Natur. Zunächst wird die Nichtsubstituierbarkeit von Verstand und Wille angeführt, was ihr unersetzliches, folglich notwendiges Vorkommen unter den göttlichen Prädikaten zeigen soll. Das wirft die Frage auf, ob dies für andere Realitäten nicht auch gilt und falls ja, für welche unter ihnen das zutrifft und, aufschlußreicher noch, für welche nicht. Auch die behauptete graduelle Skalierbarkeit von Verstand und Wille bis zu einem Maximum an Realität trägt kaum zu einer Klärung bei.318 Die anschließende Überlegung besagt, daß Gott nicht nur der Realgrund für Verstand und Wille in anderen Wesen sein dürfe, sondern diese Eigenschaften auch selbst besitzen müsse, weil sonst eine Folge mehr enthielte als ihr Grund und diesen abhängigen Wesen eine Realität zukäme, die ihm selbst ermangele.319 Hierbei ergeben sich zwei Bedenken. Zum einen läßt sich diese Überlegung mutatis mutandis auf alle anderen Realitäten übertragen, denn auch diese müßten realiter zu Gottes eigenen Prädikaten zählen, damit das reguläre Verhältnis zwischen Grund und Folge gewahrt bleibt, es also keine Präponderanz der Folge dem Grund gegenüber gibt. Eine solche Position würde aber zum anderen mit den Ausführungen von I .iii.6 konfl igieren, wo gerade ausgeschlossen worden war, daß die in Gott als dem Realgrund der Möglichkeiten vereint gedachten Realitäten ihm selbst auch realiter als seine Bestimmungen zukommen. In I .iv.3 kommt Kant erneut auf diese Prädikate zu sprechen und erörtert ihre Zusprechung an Gott im Kontext der in I .iii.6 aufgestellten Alternative, ob sie ihm als BestimEmB, 03822–23, und zuvor bereits 03512 sowie 04315–17. Was darunter näherhin zu verstehen ist, expliziert Kant nicht. In der vermutlich 1769, vielleicht aber auch schon zwischen 1764 und 1768 entstandenen R 4045 geht er auf das Thema zu, wenn er sich fragt, »ob realitaeten alle von einerley Art seyn und durch mehr und weniger können gemessen werden.« Ak XVII , 397. 319 In der R 3795 des Zeitraums 1764–1766 wirft Kant die Frage auf, »[…] utrum maxima realitas in ente compossibilis [!] sit simultaneo vel in serie succesiva.« Ak XVII , 295. 318
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mungen selbst zukommen oder lediglich als durch ihn gesetzte Folgen an anderen Dingen in Erscheinung treten. Es ist aus dem Gesagten klar, daß er sich für die erste Alternative entscheiden muß, und das auch aus dem Grunde, weil im anderen Falle der gehörigen Vorstellung Gottes Abbruch geschähe. Die für die Geistigkeit Gottes in I .iv.1 vorgebrachten Argumente sind also, wenn man sie streng prüft und an Kants eigenem Anspruch der strikten Apriorität mißt, denen sein Beweis genügen soll, allesamt kaum überzeugend, aber es erhebt sich die Frage, ob sie angesichts der Problemlage überzeugender hätten ausfallen können. Er selbst klingt jedenfalls wenig zuversichtlich, wenn er abschließend kundtut, »aus einem dieser hier angeführten Gründe oder aus ihnen insgesamt wird der Beweis, daß das notwendige Wesen Willen und Verstand haben, mithin ein Geist sein müsse, hergeleitet werden können« 320 und sich ansonsten auf die Verfolgung seiner begrenzten Hauptabsicht beruft, die keine »förmliche Demonstration« anstrebe. Mit Nummer 2 erreicht Kant den buchstäblichen Abschluß des Gottesbeweises. Er zählt die wesentlichen, nunmehr erwiesenen Prädikate Gottes auf und konstatiert in der Überschrift: »Es ist ein Gott.« An seiner Liste fällt auf, daß sie unter weitestgehender Ausblendung der moralischen Eigenschaften Gottes den Schwerpunkt eindeutig auf seine natürlichen oder physischen Eigenschaften legt. Das gilt trotz der Geistigkeit Gottes. Sie ist, wie gesehen, ein Kompositum aus Verstand und Wille, kann also nicht als reine moralische Eigenschaft Gottes gezählt werden; zudem ist Kant sichtlich bemüht, theodizeekritische Fragen, die sich erheben könnten, weil »[…] der Lauf der Natur mit dem Willen Gottes bisweilen widerstreitend« ist, zu marginalisieren.321 Insofern wird es ihm nicht ungelegen gewesen sein, EmB, 03928–31. EmB, 06815–16. Kant ist bemüht, selbst die freien Handlungen der Menschen seinem Konzept der »allgemeine[n] Abhängigkeit der Wesen der Dinge« anzunähern und glaubt sich dazu auch durch Er320
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daß er von den moralischen Attributen Gottes im vorliegenden Zusammenhang absehen konnte. Hinzu kommt, daß die Geistigkeit wegen ihres streng genommen noch ausstehenden Erweises ohnedies bislang nur als eine Art Hypothek auf zukünftige Darlegungen hierzu in die Liste aufgenommen ist. Etwas günstiger liegt der Fall bei der Gott zugesprochenen Allgenugsamkeit. Sie fi ndet sich hier schon berücksichtigt, wird aber erst später in der zweiten Abteilung dargetan ( II .viii). Dem Vorgeben nach taugt sie zur Entscheidung zweier die Theodizee betreffenden Probleme, wird aber in erster Linie aus ontotheologischem Geist eingeführt.322 Diese Schwerpunktsetzung auf die physischen Eigenschaften Gottes ist angesichts der gewählten Thematik sicherlich verständlich. Sie dominiert auch die zweite Abteilung, wo es um die Physikotheologie geht und es hinreichend Anlaß gäbe, seine moralischen Prädikate näher zu beleuchten. Kant weiß, daß er in der ersten Abteilung in der Tat nur einen minimalistischen Begriff von Gott vindiziert hat. Aber mehr hatte er auch nicht in Aussicht gestellt, wie er dem angesichts des bescheidenen Ertrags vielleicht etwas enttäuschten Leser in Erinnerung ruft. Doch diese noch bestehenden Defi zite lassen sich, so der Philosoph, leicht beheben, nachdem, wie nun geschehen, der Beweisgrund für das Dasein Gottes als der Kern der Sache gefunden und sicher festgesetzt ist. Die Nummern 3 und 4 tragen zu diesem Ziel nichts Neues bei. In der mit »Anmerkung« überschriebenen Nummer 3 befahrung legitimiert, die er den bevölkerungsstatistischen Ergebnissen der Erhebungen von Johann Peter Süßmilch entnimmt. Cf. die Anm. 160, 161, 209, 210 zum Text. Er meint damit belegen zu können, daß trotz »scheinbare[r] Abweichung in einzelnen Fällen«, die uns nicht irritieren dürfen, die Folgen »[…] im ganzen für anständig und der Regel des Besten gemäß einzusehen« sind. EmB, 069 04–06. 322 Das zeigt bereits der Satz, der die Bedeutung des Ausdrucks erläutert: »Was da ist, es sei möglich oder wirklich, das ist nur etwas, insofern es durch ihn gegeben ist.« EmB, 123 08–10.
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handelt er, worauf oben schon eingegangen wurde, abermals die Frage, in welchem Sinne dem notwendigen Wesen die Eigenschaften Verstand und Wille beizulegen sind. Sodann begründet Kant, weshalb er sich nicht des Begriffs der Vollkommenheit bei seinem ontotheologischen Beweis bedient hat.323 Die mit »Beschluß« betitelte abschließende Nummer 4 zieht vier Folgerungen aus dem gebotenen Gottesbeweis, betont noch einmal dessen apriorisch-ontotheologischen Charakter und den Vorzug, den dieser Beweis vor allen anderen vermeintlichen Beweisen Gottes hat, und schließt mit zwei Vorverweisen auf die kommende zweite Abteilung. Damit ist das eigentliche Ziel der Darlegung des einzig möglichen Beweisgrundes für eine Demonstration von Gottes Dasein erreicht, das Kant sich für diese Abhandlung vorgenommen hatte. Der Leser, der aus diesem Interesse heraus und von ihrem Titel inspiriert zu ihr gegriffen hat, könnte versucht sein, sich mit den gebotenen Darlegungen zufrieden zu geben und die Schrift nach diesen wenigen Seiten wieder aus der Hand zu legen. Das täte er allerdings nur zu seinem großen Nachteil. Denn er würde sich damit nicht nur die konzise, systematisch gearbeitete und in ihren Ergebnissen durchschlagende Gottesbeweiskritik der dritten Abteilung entgehen lassen, sondern auch die Physikotheologie, die Kant nun in der zweiten Abteilung und gestützt auf die ontotheologischen Einsichten der ersten in verbesserter Form erarbeitet. Sie stellt gleichsam die spekulative Krönung dieses Zweigs der aus dem Deismus stammenden neuzeitlichen Rationaltheologie dar. Nachdem die Physikotheologie mit und in der Nachfolge Newtons einen ersten Höhepunkt erreicht hatte, auf den bald, und nicht nur in Deutschland, jähe Abstürze bis ins Triviale der erbaulichen Gebrauchsliteratur und der Kalenderblätter folgte,324 erhält sie in Deutschland durch Cf. hierzu Anm. 104 zum Text. Ein anschauliches Beispiel unter vielen möglichen für diese Art Literatur liegt vor in Christoph Christian Sturms Betrachtungen über die 323
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Hermann Samuel Reimarus in den 1750er Jahren zwar noch einmal intellektuellen Auftrieb, der auch Kant nicht unbeeindruckt läßt.325 Ihre Klimax erreicht sie jedoch 1762/63 in der Beweisgrundschrift, wo sie die subtilste Begründung erhält, die denkbar erscheint und der jedenfalls keine andere an Feinheit der Gedankenführung, argumentativer Stringenz und Weite des Blickfeldes auch nur annähernd gleichkommt. Es entbehrt nicht einer gewissen geistesgeschichtlichen Ironie, daß es ein und derselbe Philosoph war, der die Physikotheologie zunächst auf den Gipfel der in ihr angelegten Möglichkeiten führte und Jahre später allen Gottesbeweisen den Boden entzog, wodurch er auch der Physikotheologie ein Ende als philosophisch tragfähige Theorie bereitete.
Werke Gottes im Reiche der Natur und der Vorsehung auf alle Tage des Jahres. 2 Bde. Neueste vermehrte Aufl. Reutlingen 1803 [ 11772]. Für jeden Tag des Jahres wird dort eine physikotheologische Betrachtung geboten, deren Thema auf die jeweilige Jahreszeit Bezug nimmt. Diese Literatur fi ndet auch nach Kants Kritik der Physikotheologie noch ihre Leser. 325 Kant hebt in III .4 lobend die große Nutzbarkeit der anschaulichen Ausführungen des Reimarus für die Gotteserkenntnis hervor. Dabei denkt er vor allem an dessen 1754 erstmals erschienenes Werk Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion. Cf. Anm. 345 zum Text.
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Der Plan zu einer textkritischen Edition von Kants Schrift Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes entstand ursprünglich im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Indexes samt Konkordanz zu diesem Werk, den Kreimendahl innerhalb des »Kant-Indexes« der Abteilung III der »Forschungen und Materialien zur deutschen Auf klärung« publiziert hat.1 Die Editionsgeschichte sowie die Editionslage der Beweisgrundschrift war vorab dargelegt worden; 2 die Druckfehler innerhalb der Edition der Akademie-Ausgabe von Kants Werken sowie erforderliche Emendationen, die für die Erstellung des Indexes zu berücksichtigen waren, sind in der Einleitung zum Index-Band aufgeführt. 3 Damit der Leser sich einen ungefähren Eindruck vom Umfang der Varianten machen kann, auf den man bei der philologischen Beschäftigung selbst mit einem von der Editionslage her vergleichsweise unkomplizierteren Text wie dem Einzig möglichen Beweisgrund trifft, sei das Folgende mitgeteilt.
Lothar Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«. Erstellt in Zusammenarbeit mit Hans-Werner Bartz, Heinrich P. Delfosse und Michael Oberhausen. Unter Mitwirkung von Katja Weckesser. Stuttgart Bad-Cannstatt 2003 [= Kant-Index Bd. 38; FMDA III , 45]. 2 Hans-Werner Bartz / Lothar Kreimendahl: Bericht über Band II der Akademie-Ausgabe der Schriften Kants auf der Grundlage einer Untersuchung der Schrift »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«. Kant-Studien 91 (2000) [Sonderheft], S. 17–19. 3 Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund«, a. a. O., S. XLII–XLIV, LIV–LVI . 1
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Um eine zuverlässigere Textbasis für die Indexerstellung zu gewinnen, als sie die Akademie-Ausgabe bietet, wurden seinerzeit die drei Originalausgaben der Schrift von 1763, 1770 und 17944 sowie die beiden Editionen in Band II der Akademie-Ausgabe von 1905 und 1912 durchgängig miteinander verglichen. Dieser Vergleich förderte angesichts des eher bescheidenen Umfangs der Beweisgrundschrift von knapp hundert Druckseiten, die der Text in der Akademie-Ausgabe einnimmt, die stattliche Anzahl von 3982 Varianten zu Tage. Sieht man von den Fällen der – im 18. Jahrhundert noch nicht normierten – Interpunktion ab, bleiben noch 2975 Varianten übrig. Die vorliegende Ausgabe nun hat weitere Ausgaben des Kantischen Werks berücksichtigt, was die Anzahl der Varianten selbstredend steigen ließ. Sie bringt die Beweisgrundschrift erstmals in textkritischer Gestalt. Als Grundlage diente die Fassung innerhalb der Erstauf lage von Band II der Akademie-Ausgabe von 1905,5 die von Paul Menzer unter Mitwirkung von Ewald Frey6 erstellt wurde und die ihrerseits die Erstauf lage von 1763 zugrunde legt.7 Sie wurde mit den Fassungen sämtlicher deutschsprachiger Gesamtausgaben,8 beginnend mit den Sämmtliche[n] Für die genauen bibliographischen Angaben cf. die untenstehende Bibliographie. 5 Kant’s gesammelte Schriften. Hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften [und Nachfolgern]. Erste Abtheilung: Werke. Bd. II : Vorkritische Schriften II. 1757–1777. Berlin 1905, S. 63– 163, 470–477. 6 Der Germanist Dr. Ewald Frey war der für die »philologische Durchsicht und Regelung« zuständige Mitarbeiter. Cf. Wilhelm Dilthey: Einleitung in die Abtheilung der Werke. Ak I, 511. 7 Von dieser ist ein fotomechanischer Reprint als Band IV innerhalb der Reihe »Kant im Original« [!], Erlangen 1984, erschienen. 8 Nicht berücksichtigt wurde die »Großherzog Wilhelm Ernst Ausgabe« Kant’s sämtliche Werke in sechs Bänden. Hg. von Felix Groß. Leipzig (Insel) 1912–22. Deren Herausgeber hat nicht nur auf Einleitungen und Anmerkungen verzichtet, sondern den Leser auch völlig im Unklaren über die Textgrundlage gelassen. Tatsächlich dürfte es 4
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kleine[n] Schriften aus dem Jahr 1797, sowie allen sonstigen originalsprachlichen Editionen des Textes, die in Einzel- oder Auswahlausgaben vorliegen, durchgängig verglichen. Diese insgesamt sechzehn Ausgaben sind im Siglenverzeichnis chronologisch aufgelistet. Soweit vorhanden, wurden deren textkritische Apparate für die Texterstellung dankbar genutzt. Außerdem sind Textemendationen von anderer Hand berücksichtigt. Gelegentlich wurden fremdsprachige Übersetzungen konsultiert, sofern sie für die Klärung des Textverständnisses hilfreich erschienen. Von den Herausgebern stammende Konjekturen sind mit »Hg.« kenntlich gemacht. Die Erstausgabe innerhalb der Akademie-Ausgabe verdient der zweiten Auf lage von 1912 gegenüber aus mehreren Gründen den Vorzug. So enthält letztere, die in den Nachdrucken des Verlages Walter de Gruyter als »Neudruck« bezeichnet wird, Eingriffe in die Textgestalt von unbekannter Hand. Dabei handelt es sich teils um Verbesserungen offensichtlicher Druck fehler der Ausgabe von 1905,9 teils stellen diese aber auch im Appasich – zumindest was die in Bd. IV, S. 113–232, abgedruckte Beweisgrundschrift angeht – um einen bloßen Neudruck der Textfassung der Erstauf lage der Akademie-Ausgabe handeln. Die Übereinstimmung mit derselben in Text- und Lautstand sowie die Übernahme mehrerer singulärer Lesarten, die nur Ak 1905 aufweist, belegen dies. Cf. etwa »gedachte Beschaffenheiten« statt »gedachte Beschaffenheit« (Ak II , 08533 ; Groß 139), »des Materialen« statt »der Materialen« (Ak II , 09929 ; Groß 155), »der Elastizität« statt »die Elastizität« (Ak II , 10116 ; Groß 157), »zu unserer« statt »in unserer« (Ak II , 13931; Groß 204), »leichtlich« statt »leicht« (Ak II , 14215 ; Groß 207). Unberücksichtigt bleiben konnte auch Kant’s Werke in drei Bänden. Mit Zugrundelegung der Ausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften hg. und eingeleitet von August Messer. Leipzig (Th. Knaur Nachf.) [ca. 1925], da die Beweisgrundschrift hier nicht aufgenommen ist. Gleiches gilt für die Ausgabe Immanuel Kant: Werke in sechs Bänden. Hg. von Rolf Toman, Köln (Könemann) 1995, die der Auswahl Messers folgt. Cf. hierzu die Rezension von Heiner F. Klemme in Kant-Studien 91 (2000), S. 125–127. 9 Dies betrifft jedoch nur wenige Fälle, z. B. Ak II , 101 (»Über-« 22 statt »Uber-«) und Ak II , 14011 (»dagegen« statt »dageegn«). Freilich
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rat nicht dokumentierte Textänderungen dar; außerdem sind Normierungen in der Schreibweise durchbrochen.10 Die sachlich relevanten Fehler dieser Edition sind in den Textvarianten der vorliegenden Ausgabe mitdokumentiert. Das schien auch aus dem Grunde geboten, weil der weitverbreitete fotomechanische Reprint der Akademie-Ausgabe als Taschenbuchausgabe die Beweisgrundschrift in der Fassung von 1912 bringt.11 Ferner spricht die leichtere Benutzbarkeit des Indexes zur Beweisgrundschrift, der ja ebenfalls die Erstauf lage der Akademie-Ausgabe zugrunde legt, für diese Wahl. haben sich in den Drucksatz der Zweitauf lage auch neue Fehler eingeschlichen, z. B. Ak II , 16023 f. (»Überzeu,« statt »Überzeu-«; »trotzt-« statt »trotzt,«) sowie Ak II , 09519 (»RaumsEinheit« statt »Raums Einheit«). 10 Cf. hierzu Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund«, a. a. O., bes. S. XLIII f. Allerdings stößt man auch in der Erstauf lage der Akademie-Ausgabe auf Normierungsfehler, wie denn die Normierung innerhalb der ersten Abteilung der Schriften Kants generell nicht konsequent durchgehalten worden ist. Cf. Norbert Hinske: Die Kantausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften und ihre Probleme. Il Cannocchiale (Heft 3) 1990, S. 232 f. 11 Die vom Verlag auf der Verso-Seite des Titelblatts des Taschenbuch-Reprints von Bd. II hinzugefügte Angabe, wonach es sich bei diesem Band um einen »unveränderte[n] photomechanische[n] Abdruck von […] Bd. II , Berlin 1905/12« handele, ist wenig aufschlußreich, da die Frage offen bleibt, welches der in ihm enthaltenen Werke nach welcher Auf lage wieder abgedruckt wurde. Außerdem verschleiert sie die tatsächlich bestehenden Unterschiede zwischen den Ausgaben von 1905 und 1912. Abweichungen wie die 1912 fehlende Seitenzahl 114 (die in den Neudruck der Bibliotheksausgabe wieder hineinmontiert wurde), das irrtümliche Trennungszeichen statt eines Kommas nach »trotzt« (Ak II , 16024 ) und weitere derartige Fälle erweisen diesen Reprint hinsichtlich der Beweisgrundschrift jedoch als Nachdruck der Zweitauf lage. Kants Werke. Akademie-Textausgabe. Unveränderter photomechanischer Abdruck des Textes der von der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1902 [!] begonnenen Ausgabe von Kants gesammelten Schriften. Bd. II : Vorkritische Schriften II. 1757– 1777. Berlin 1968.
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Die vorliegende Edition bietet somit eine der Akademie-Ausgabe der Beweisgrundschrift gegenüber erheblich verbesserte textkritische Fassung des Kantischen Textes. Zugleich löst sie die von Klaus Reich innerhalb der »Philosophischen Bibliothek« veranstaltete Edition ab,12 die den Text der Druckfassung der Sie erschien erstmals 1963 als Bd. 47/II innerhalb der »Philosophischen Bibliothek« des Felix Meiner Verlags, Hamburg, wurde dort 1974 als »unveränderter Nachdruck« erneut vorgelegt und war ausweislich des Titelblatts »Auf Grund des Textes der Berliner AkademieAusgabe« erstellt. Welche der zwei Auf lagen der Akademie-Ausgabe er benutzte, teilt Reich nicht mit. Ob ihm die Unterschiede zwischen den beiden Auf lagen überhaupt bekannt waren, erscheint angesichts der von ihm vorgenommenen Texteingriffe fraglich, jedenfalls gibt seine »Einleitung« hierauf keine Antwort. Tatsächlich hat Reich seiner Edition den schlechteren Text der zweiten Auf lage 1912 von Bd. II zugrunde gelegt. Das geht z. B. aus S. 68 hervor, wo er in Übereinstimmung mit Ak II , 12223 und gegen den Wortlaut der Erstauf lage dieses Bandes »Anzahl« statt »Zahl« schreibt. Aber auch abgesehen von den aus der Akademie-Ausgabe übernommenen Fehlern bietet Reichs Ausgabe tatsächlich einen wenig zuverlässigen Text. So sind seine Konjekturen sämtlich stillschweigend vorgenommen worden und lassen deshalb den Leser auch dort im Glauben, ihm liege Kants Wortlaut vor, wenn es sich tatsächlich um eine Konjektur Reichs handelt. Die Eingriffe Reichs sind sehr unterschiedlicher Art. Oft wollen sie allem Anschein nach lediglich dem Sprachverständnis des modernen Lesers entgegenkommen und glätten in dieser Absicht Kants Text. Ein solcher Fall liegt z. B. Ak II , 06733–34 vor, wo die Wendung »so sehr auch meine Sätze von anderer ihren abweichen« durch das gef älligere, aber nicht zwingend erforderliche »von denen anderer« (S. 4) ersetzt wird. Ähnlich verhält es sich Ak II , 13931, wo Reich das verschlimmbesserte »in unserer Sonnenwelt« von Ak 1912 zu »in unsere Sonnenwelt« ändert, obwohl es das Naheliegendste wäre, zur Schreibweise von Ak 1905 »zu unserer Sonnenwelt« zurückzukehren. Gelegentlich sind Reichs Texteingriffe für das Verständnis durchaus hilfreich und insofern verdienstvoll, so z. B. seine Konjektur zu Ak II , 09137, aber sie werden insgesamt uneinheitlich ausgeführt und sind in nicht wenigen Fällen nicht nur unnötig, sondern manchmal geradezu irreführend. Uneinheitlichkeit liegt z. B. vor, wenn Reich Kants »Schwungsbewegung« 12
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Zweitauf lage der Akademie-Ausgabe von 1912 zugrunde legte. Sie bringt die präsumtiv beste Lesart im Haupttext und dokumentiert Textvarianten anderer Ausgaben, soweit sie inhaltlich von Bedeutung sind, im textkritischen Apparat am Fuß der Seite. Die im genannten Index zur Beweisgrundschrift verzeichneten Druckfehler der Akademie-Ausgabe sowie die Liste der Konjekturen und Ergänzungen zu den Lesarten der Akademie-Ausgabe sind in den inhaltlich relevanten Fällen eingearbeitet.13 Die Typographie der Erstauf lage wird von der AkademieAusgabe weitgehend, aber nicht konsequent14 übernommen. Die (Ak II , 14819 ) zwar in »Schwungbewegung« (S. 99) korrigiert, nicht aber »Wurfsbewegung« (Ak II , 138 02,32 ) in »Wurf bewegung« (S. 86 f.), obwohl er in »Wurfskraft« (Ak II , 14224 ) wiederum das Fugen-s tilgt und »Wurf kraft« (S. 92) druckt. Ferner schreibt er Kants »so viel als« (Ak II , 07330 ) in »soviel wie« (S. 11) um, behält das vergleichende »als« aber in »eben so viel, als« (Ak II , 07830 ) bei (S. 17). Unnötig ist seine Änderung von »zum voraus« nach »im voraus« (Ak II , 068 09 ), ferner die zwar mögliche und im Resultat vielleicht auch eingängigere vierfache Kasusänderung Ak II , 11834–35, durch die Kants Satz aber eine neue Bedeutung erhält (S. 64). Gleiches gilt für seine Übernahme der Lesart »Richtung« (Ak II , 14609 ) statt »Gegend« (S. 96); ein Blick in die Parallelstelle der Allgemeine[n] Naturgeschichte (Ak I, 26632–34 ) stellt das sicher. Einen irrigen Sinn ergibt hingegen sein Eingriff Ak II , 15019, wo er »diejenige« durch »diejenigen« (S. 101) ersetzt und damit einen syntaktisch zwar möglichen, von Kant aber fraglos nicht gemeinten Bezug herstellt (cf. dazu die textkritische Fußnote zu 12132 ). Analoges gilt für Reichs Texteingriff in Ak II , 10620. Durch die Änderung von »derselben« (Ak II , 10620 ) in »derselbe« (S. 49) wird abermals ein syntaktisch zwar möglicher, sachlich aber irreführender neuer Sinnzusammenhang gestiftet. Beispiele dieser Art ließen sich mühelos vermehren. Auf Erläuterungen hatte Reich ganz verzichtet; einzig bei dem Seitenverweis in der Fußnote der Vorrede hat er darauf aufmerksam gemacht, daß sich die dort genannten Zahlen auf die Originalpaginierung der Beweisgrundschrift beziehen. 13 Cf. Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund«, a. a. O., S. LIV–LVI . 14 So druckt sie den Namen von Maupertuis bei der ersten (Ak II , 09830 ) und dritten Nennung (Ak II , 11507 ) gesperrt, nicht aber bei der
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vorliegende Ausgabe bewahrt demgegenüber weder durchgängig deren Lautstand noch den der Erstauf lage, vielmehr wurde die Rechtschreibung behutsam der modernen Orthographie15 angepaßt und die mitunter schwankende Schreibweise ein und desselben Wortes16 ihren Gepflogenheiten gemäß vereinheitlicht; Entsprechendes gilt für die uneinheitliche Interpunktion. Davon ausgenommen sind jedoch Ausdrücke, die aus dem Lateinischen stammen wie z. B. ›Principium‹. Auf eine grundsätzliche Angleichung von Kants – nicht durchgängig gleichbleibender – Schreibpraxis17 an die heutigen Gepflogenheiten wurde jedoch verzichtet, weil sich in den Varianten gelegentlich Bedeutungsnuancen dokumentieren. Sie wurde jedoch dort vorgenommen, wo es sich lediglich um orthographische Varianten handelt. Vereinheitlicht wurden auch uneinheitliche Konstruktionen bestimmter Verben wie z. B. ›dünken‹, das Kant gelegentlich mit dem Dativ, gelegentlich mit dem Akkusativ verbindet.18 Entscheidend war jeweils der Gesichtspunkt, das Verständnis des Lesers durch Texteingriffe nicht in eine bestimmte Bahn zu lenzweiten (Ak II , 09835) und vierten (Ak II , 14105); den des Demokrit bei der zweiten Nennung (Ak II , 14827 ) gesperrt, nicht aber bei der ersten (Ak II , 12324 ). Die Erstausgabe hat an keiner der genannten Stellen eine Hervorhebung. 15 Unter »moderner Orthographie« wird hier die Regelung der deutschen Rechtschreibung verstanden, wie sie bis zum Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 01. 12. 1995 gültig war. 16 So steht z. B. nebeneinander »anvertrauet« (Ak II , 114 ) und 24 »anvertraut« (Ak II , 13820 ), »gedenket« (Ak II , 08415 ) und »gedenkt« (Ak II , 08427 ), »müsset« (Ak II , 08025) und »müßt« (Ak II, 08028 ), »Umschwunges« (Ak II , 14615) und »Umschwungs« (Ak II , 15025). Ähnliche Fälle sind reich an Zahl. 17 Die bereits von Dilthey gestellte Diagnose, wonach »[…] Kants orthographische Gewohnheiten sowohl des systematischen Zusammenhangs als der folgerichtigen Durchführung entbehren […]«, trifft also auch auf den Beweisgrund zu. Einleitung in die Abtheilung der Werke, Ak I, 513. 18 Z. B. Ak II , 133 (Dat.), Ak II , 067 (Akk.). 01 15
CXXXVIII
Zur Textgestalt
ken. Die – ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied – nebeneinander vorkommenden Abkürzungen »etc.«, »usf.« und »usw.« wurden beibehalten. Insbesondere wurden folgende Normierungen vorgenommen: Uneinheitliche Genitivendungen wurden – auch bei ein und demselben Wort (z. B. »Seitenschwunges« [Ak II , 14625] neben »Seitenschwungs« [Ak II , 14126, Ak II , 14919 ]) – angeglichen; veraltete mit Fugen-s gebildete Komposita sind durch die heute geläufigen Formen ersetzt (z. B. »Schwungskraft« [Ak II , 14823 ] durch »Schwungkraft«); an Stelle veralteter Verbformen wie »erkennet« [z. B. Ak II , 08015] steht die moderne Form »erkennt«; wo das Dativ-e heutige Lesegewohnheiten stört (z. B. »dem Mittelpunkte« [Ak II , 14533–34 ]) ist es getilgt, in Formulierungen wie ›zum Grunde liegen‹ o. ä. bleiben die alten Formen jedoch erhalten; Genus- und Kasusangleichungen wurden behutsam vorgenommen, aber nicht dort, wo derartige Eingriffe womöglich semantische Verschiebungen bedeuten würden (z. B. Ak II , 11834–35). Aus gleichem Grund wurde z. B. die veraltete Schreibweise des Adverbs ›darnach‹ beibehalten, um einer mit der Modernisierung zu ›danach‹ leicht verbundenen Einengung auf die temporale Bedeutung vorzubeugen, die von Kant nicht immer oder jedenfalls nicht ausschließlich gemeint zu sein scheint (z. B. Ak II , 10624 ). Die vom Duden geforderte Großschreibung nach einem Doppelpunkt, wenn ein selbständiger Satz folgt, konnte nicht konsequent umgesetzt werden, weil Kant den Doppelpunkt gelegentlich im Sinne eines Kommas oder Semikolons sowie in anderer Funktion benutzt. Hier mußte von Fall zu Fall entschieden werden; in Zweifelsfällen wurde die Praxis der zugrundegelegten Akademieausgabe übernommen. Eigennamen erscheinen in der heute üblichen Schreibweise. Werktitel sowie Personennamen und davon abgeleitete Adjektive sind kursiviert. Fettdruck und Sperrungen werden beibehalten. Letztere werden aber dort durch Kursivierung ersetzt, wo Eigennamen betroffen sind. Lateinisches Sprachgut wird in Groteskschrift wiedergegeben.
Zur Textgestalt
CXX XI X
Am Seitenrand sind die Seitenzahlen der Erstauf lage von 1763 – z. B. A 56 – sowie der Erst auf lage der Akademie-Ausgabe mit Band- und Seitenzahl – z. B. II ,96 – angegeben. Da dem Haupttext der Erstauf lage eine ebenfalls arabisch paginierte Vorrede vorangestellt ist, wird auf die Seitenzahlen derselben mit A V verwiesen. Der Seitenumbruch dieser Ausgaben ist durch »|« für die Erstauf lage und »¦« für die Akademieausgabe markiert. Die Anmerkungen bieten hauptsächlich Sacherläuterungen. Außerdem leisten sie bibliographische sowie sonstige Verifi zierungen. Darüber hinaus sollen sie – auch durch sprachgeschichtliche Hinweise – dem heutigen Leser das Textverständnis erleichtern. Gewisse Redundanzen zwischen Anmerkungen und Einleitung sind in Kauf genommen worden; andernfalls wären dem Leser, der entweder nur an den Sacherläuterungen oder nur an der Einleitung interessiert ist, Informationen vorenthalten worden, die er zu Recht erwartet. Dort, wo es möglich und angebracht erscheint, ist zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen ein entsprechender Hinweis gegeben. Bei der Erstellung der Anmerkungen haben die Herausgeber die Erläuterungen einiger Editionen der Beweisgrundschrift gelegentlich dankbar zu Rate gezogen. Als hilfreich erwiesen sich hierbei insbesondere die Ausgaben von Paul Menzer, Sylvain Zac, David Walford / Ralf Meerbote und Robert Theis.
S IG L E N V E R Z E IC H N I S
1763
Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseyns Gottes, von M. Immanuel Kant. Königsberg, ( Johann Jakob Kanter) 1763. Reprint Erlangen (Harald Fischer) 1984. 1770 Der einzige mögliche Beweis vom Daseyn Gottes, von Immanuel Kant. Königsberg, ( Johann Jacob Kanter) 1770. 1794 Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseyns Gottes von Immanuel Kant. Königsberg, ( Johann Jakob Kanter) 1783.1 Neuer unveränderter Abdruck 1794. 1797 I. Kants sämmtliche kleine Schriften. Nach der Zeitfolge geordnet. Bd. II . Königsberg und Leipzig 1797 (o. V.), S. 145–288. Tieftrunk Imanuel Kant’s vermischte Schriften. [Hg. von Johann Heinrich Tieftrunk]. Bd. II . Aechte und vollständige Ausgabe. Halle (Renger) 1799, S. 55–229. Rosenkranz Immanuel Kant’s sämmtliche Werke. Hg. von Karl Rosenkranz und Friedr.[ich] Wilh.[elm] Schubert. Erster Theil: Immanuel Kant’s kleine LogischMetaphysische Schriften. Hg. von Karl Rosenkranz. Leipzig (Leopold Voss) 1838, S. 161–286. Hartenstein I Immanuel Kant’s Werke, sorg fältig revidirte Gesammtausgabe in 10 Bänden. [Hg. von Gustav HartenFälschlich für 1763. Die irrige Jahresangabe ist unkommentiert übernommen bei Arthur Warda: Die Druckschriften Immanuel Kants (bis zum Jahre 1838). Wiesbaden 1919, S. 17, Nr. 25. 1
CXL II
Siglenverzeichnis
stein]. Bd. VI : Immanuel Kant’s Schriften zur Religion. Leipzig (Modes und Baumann) 1839, S. 11– 128. Hartenstein II Immanuel Kant’s sämmtliche Werke. In chronologischer Reihenfolge hg. von G.[ustav] Hartenstein. Bd. II . Leipzig (Leopold Voss) 1867, S. 107–205. Kirchmann Immanuel Kant’s sämmtliche Werke. Hg. von J.[ulius] H.[ermann] v. Kirchmann. Bd. VI : Die kleineren Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie. Teil II . Heidelberg (Georg Weiß) 1870, S. 11–128. Schiele Immanuel Kant: Sämtliche Werke. In Verbindung mit O. Buek, P. Gedan, W. Kinkel, F. M. Schiele, Th. Valentiner u. a. hg. von Karl Vorländer. Bd. VI , 2. Abt.: Die kleineren Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie. 2. Aufl. durchgesehen von Friedrich Michael Schiele. Leipzig (Felix Meiner) 1902. 4. Aufl. Leipzig 1922, S. 11–124. Wille Emil Wille: Konjekturen zu mehreren Schriften Kants. Kant-Studien 8 (1903), S. 336–339. Ak 1905 Kant’s gesammelte Schriften. Hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften [und Nachfolgern]. Bd. II : Vorkritische Schriften II. 1757–1777. Berlin (Georg Reimer) 1905, S. 63– 163, 470–477. Erhardt Rezension zu Kants gesammelte Schriften. Herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Erste Abtheilung: Werke. Bd. I 1902, Bd. II 1905, Bd. III 1904, Bd. IV 1903, Bd. V 1908, Bd. VI 1907, Bd. VII 1907. Berlin, Druck und Verlag von Georg Reimer. Göttingische Gelehrte Anzeigen (1911), S. 429–448. Ak 1912 Kant’s gesammelte Schriften. Hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften
Siglenverzeichnis
Buchenau
Weischedel
Klaus
Reich
Treash
Zac
CXL I I I
[und Nachfolgern]. Bd. II : Vorkritische Schriften II. 1757–1777. Neudruck Berlin (Georg Reimer) 1912, S. 63–163, 470–477. Immanuel Kants Werke. In Gemeinschaft mit Hermann Cohen, Artur Buchenau, Otto Buek, Albert Görland, B. Kellermann hg. von Ernst Cassirer. Bd. II , hg. von Artur Buchenau. Berlin (Bruno Cassirer) 1912, S. 67–172. Immanuel Kant: Werke in sechs Bänden. Hg. von Wilhelm Weischedel. Bd. I: Vorkritische Schriften bis 1768. Mit Übersetzungen von Monika Bock und Norbert Hinske. Darmstadt 1960. 5., erneut überprüfter reprografi scher Nachdruck Darmstadt 1983, S. 617–738. Immanuel Kant: Frühschriften. Bd. II : Schriften aus den Jahren 1762–1768. Unter Mitarbeit von Manfred Buhr hg. und eingeleitet von Georg Klaus. Berlin (Akademie) 1961, S. 23–134. Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes. Auf Grund des Textes der Berliner Akademie-Ausgabe mit einer Einleitung und Registern neu hg. von Klaus Reich. Unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. von 1963 Hamburg (Felix Meiner) 1974. Der einzig mögliche Beweisgrund. The One Possible Basis for a Demonstration of the Existence of God. [Deutsch / englisch]. Translation and Introduction by Gordon Treash. New York (Abaris) 1979. Emmanuel Kant: Œuvres philosophiques I. Des premiers écrits à la »Critique de la Raison Pure«. Édition publiée sous la direction de Ferdinand Alquié avec, pour ce volume, la collaboration d’Alexandre J.-L. Delamarre, Jean Ferrari, Bernard Lortholary, François Marty, Jacques Rivelaygue, Sylvain Zac. Paris (Gallimard) 1980. Darin: L’unique fondement
CXL IV
CE
Theis
Siglenverzeichnis
possible d’une démonstration de l’existence de Dieu. Texte présenté, traduit et annoté par Sylvain Zac, S. 317–435, 1508–1529. Immanuel Kant: Theoretical Philosophy, 1755–1770. Translated and ed. by David Walford in collaboration with Ralf Meerbote. Cambridge ( UP ) 1992, S. 107–201, 428–438 [= The Cambridge Edition of the Works of Immanuel Kant]. L’unique argument possible pour une démonstration de l’existence de Dieu. Introduit, traduit et annoté par Robert Theis. Paris (Vrin) 2001.
BI B L IO G R A PH I E
I. Primärliteratur a) Zu Kants Lebzeiten erschienene separate Textausgaben Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseyns Gottes, von M. Immanuel Kant. Königsberg, ( Johann Jakob Kanter) 1763. Reprint Erlangen (Harald Fischer) 1984. [1–14, 1–205, 1 S.] Der einzige mögliche Beweis vom Daseyn Gottes, von Immanuel Kant. Königsberg, ( Johann Jacob Kanter) 1770. [1–168 S.] Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseyns Gottes von Immanuel Kant. Königsberg, ( Johann Jakob Kanter) 1783.1 Neuer unveränderter Abdruck 1794.2 [1–13, 1–168 S.]
b) Ausgaben innerhalb von Werkausgaben der Schriften Kants I. Kants sämmtliche kleine Schriften. Nach der Zeitfolge geordnet. Bd. II . Königsberg und Leipzig (o. V.). 1797, S. 145–288.
Cf. die Fußnote zu dieser Ausgabe im Siglenverzeichnis. Eine »Neue Auf lage. Leipzig 1794 (Nachdruck)«, die Artur Buchenau erwähnt, ist nicht nachweisbar; gemeint ist damit höchstwahrscheinlich diese Ausgabe. Cf. Immanuel Kants Werke. In Gemeinschaft mit Hermann Cohen, Artur Buchenau, Otto Buek, Albert Görland, B. Kellermann hg. von Ernst Cassirer. Bd. II : Vorkritische Schriften, hg. von Artur Buchenau. Berlin 1912, S. 472. 1 2
CXLVI
Bibliographie
Imanuel Kant’s vermischte Schriften. [Hg. von Johann Heinrich Tieftrunk]. Bd. II . Aechte und vollständige Ausgabe. Halle (Renger) 1799, S. 55–229. Immanuel Kant’s sämmtliche Werke. Hg. von Karl Rosenkranz und Friedr.[ich] Wilh.[elm] Schubert. Erster Theil: Immanuel Kant’s kleine Logisch-Metaphysische Schriften. Hg. von Karl Rosenkranz. Leipzig (Leopold Voss) 1838, S. 161–286. Immanuel Kant’s Werke, sorg fältig revidirte Gesammtausgabe in 10 Bänden. [Hg. von Gustav Hartenstein]. Bd. VI : Immanuel Kant’s Schriften zur Religion. Leipzig (Modes und Baumann) 1839, S. 11–128. Immanuel Kant’s sämmtliche Werke. In chronologischer Reihenfolge hg. von G.[ustav] Hartenstein. Bd. II . Leipzig (Leopold Voss) 1867, S. 107–205. Immanuel Kant’s sämmtliche Werke. Hg. von J.[ulius] H.[ermann] v. Kirchmann. Bd. VI : Die keineren Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie. Teil II . Heidelberg (Georg Weiß) 1870, S. 11–128. Immanuel Kant: Sämtliche Werke. In Verbindung mit O. Buek, P. Gedan, W. Kinkel, F. M. Schiele, Th. Valentiner u. a. hg. von Karl Vorländer. Bd. VI , 2. Abt.: Die kleineren Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie. 2. Aufl. durchgesehen von Friedrich Michael Schiele. Leipzig (Felix Meiner) 1902. 4. Aufl. Leipzig 1922, S. 11–124. Kant’s gesammelte Schriften. Hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften [und Nachfolgern]. Bd. II : Vorkritische Schriften II. 1757–1777. Berlin (Georg Reimer) 1905, S. 63–163, 470–477. Kant’s gesammelte Schriften. Hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften [und Nachfolgern]. Bd. II : Vorkritische Schriften II. 1757–1777. Neudruck Berlin (Georg Reimer) 1912, S. 63–163, 470–477. Kants Werke. Akademie-Textausgabe. Unveränderter photomechanischer Abdruck des Textes der von der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1902 [!] begonnenen Ausgabe von
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C XLVI I
Kants gesammelten Schriften. Bd. II : Vorkritische Schriften II. 1757–1777. Berlin (de Gruyter) 1968, S. 63–163, 470–477. Immanuel Kants Werke. In Gemeinschaft mit Hermann Cohen, Artur Buchenau, Otto Buek, Albert Görland, B. Kellermann hg. von Ernst Cassirer. Bd. II , hg. von Artur Buchenau. Berlin (Bruno Cassirer) 1912, S. 67–172. Immanuel Kant’s sämtliche Werke. Großherzog Wilhem Ernst Ausgabe. Bd. IV: Kleinere philosophische Schriften. Hg. von Felix Groß. 4.–7. Tsd. Leipzig (Insel) 1921, S. 113–232. Immanuel Kant: Werke in sechs Bänden. Hg. von Wilhelm Weischedel. Bd. I: Vorkritische Schriften bis 1768. Mit Übersetzungen von Monika Bock und Norbert Hinske. Darmstadt 1960. 5., erneut überprüfter reprografischer Nachdruck Darmstadt 1983 [ 62005], S. 617–738. c) Moderne Ausgaben Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes (1763). In: Immanuel Kant: Frühschriften. Bd. II : Schriften aus den Jahren 1762–1768. Unter Mitarbeit von Manfred Buhr hg. und eingeleitet von Georg Klaus. Berlin (Akademie) 1961, S. 23–134. Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes. Auf Grund des Textes der Berliner Akademie-Ausgabe mit einer Einleitung und Registern neu hg. von Klaus Reich. Unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. von 1963 Hamburg (Felix Meiner) 1974.
d) Übersetzungen Lateinische Übersetzung Argumentum Quo, Deum Esse, Uno Potest Evinci. In: Immanuelis Kantii Opera ad Philosophiam Criticam. Latine vertit Fredericus Gottlob Born. Bd. IV. Leipzig (Engelhard Beniamin
CXLVIII
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C XLI X
L’unique fondement possible d’une démonstration de l’existence de Dieu. Texte présenté, traduit et annoté par Sylvain Zac. In: Emmanuel Kant: Œuvres philosophiques I. Des premiers écrits à la »Critique de la Raison Pure«. Édition publiée sous la direction de Ferdinand Alquié avec, pour ce volume, la collaboration d’Alexandre J.-L. Delamarre, Jean Ferrari, Bernard Lortholary, François Marty, Jacques Rivelaygue, Sylvain Zac. Paris (Gallimard) 1980, S. 317–435, 1508–1529. L’unique argument possible pour une démonstration de l’existence de Dieu. Introduit, traduit et annoté par Robert Theis. Paris (Vrin) 2001. Italienische Übersetzung L’unico argomento possibile per una dimostrazione dell’esistenza di Dio (1763). In: Immanuel Kant: Scritti precritici. Nuova edizione riveduta e accresciuta a cura di Rosario Assunto e Rolf Hohenemser. Roma – Bari (Laterza) 1982 [11953; a cura di Pantaleo Carabellese 1923], S. 103–209. Spanische Übersetzung El único fundamento posible de una demonstración de la existencia de dios. In: Jose Maria Quintana Cabanas (Ed.): Kant. Sobre dios y la religión. Barcelona (Ediciones Zeus) 1972, S. 59–159.
II. Sekundärliteratur Bartz, Hans-Werner / Kreimendahl, Lothar: Bericht über Band II der Akademie-Ausgabe der Schriften Kants auf der Grundlage einer Untersuchung der Schrift »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«. Kant-Studien 91 (2000) [Sonderheft], S. 17–19.
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Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes, von M. Immanuel Kant.
Königsberg, bei Johann Jakob Kanter. 1763. 1–10 Titelblatt der Ausgabe 1770: Der einzige mögliche Beweis vom
Dasein Gottes, von Immanuel Kant. Königsberg, 1770. Bei Johann Jacob Kanter. Titelblatt der Ausgabe 1794: Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes von Immanuel Kant. Königsberg, 1783. Bey Johann Jakob Kanter. Neuer unveränderter Abdruck 1794.
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Ne mea dona tibi studio disposta fideli, Intellecta prius quam sint, contempta relinquas.1
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Ich habe keine so hohe Meinung von dem Nutzen einer Bemühung, wie die gegenwärtige ist, als wenn die wichtigste aller unserer Erkenntnisse: Es ist ein Gott,2 ohne Beihilfe tiefer metaphysischer Untersuchungen wanke und in Gefahr sei.3 | Die Vorsehung hat nicht gewollt, daß unsere zur Glückseligkeit höchstnötigen Einsichten auf der Spitzfi ndigkeit feiner Schlüsse beruhen sollten, sondern sie dem natürlichen gemeinen4 Verstand unmittelbar überliefert, der, wenn man ihn nicht durch falsche Kunst verwirrt, nicht ermangelt, uns gerade zum Wahren und Nützlichen zu führen, insofern wir desselben äußerst bedürftig sind.5 Daher derjenige Gebrauch der gesunden Vernunft, der selbst noch innerhalb der Schranken gemeiner Einsichten ist, genugsam überführende Beweistümer von dem Dasein6 und den Eigenschaften7 dieses Wesens an die Hand gibt,8 obgleich der subtile Forscher allerwärts die Demonstration und die Abgemessenheit genau bestimmter Begriffe oder regelmäßig verknüpfter Vernunftschlüsse vermißt. Gleichwohl kann man sich nicht entbrechen, diese Demonstration zu suchen, ob sie sich nicht irgendwo darböte. Denn ohne der billigen9 Begierde 1 Vorrede ] Die Vorrede fehlt in der Ausgabe 1770 2 Ne ] 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein
II, Kirchmann: Nec 3 contempta ] 1763, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Buchenau, Weischedel, Klaus: contemta
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zu erwähnen, deren ein der Nachforschung gewohnter Verstand sich nicht entschlagen kann, in einer | so wichtigen Erkenntnis etwas Vollständiges und deutlich Begriffenes zu erreichen, so ist noch zu hoffen, daß eine dergleichen Einsicht, wenn man ihrer mächtig geworden, viel mehreres in diesem Gegenstand auf klären könnte.10 Zu diesem Zweck aber zu gelangen, muß ¦ man sich auf den bodenlosen Abgrund der Metaphysik wagen. Ein fi nsterer Ozean11 ohne Ufer und ohne Leuchttürme, wo man es wie der Seefahrer auf einem unbeschifften Meer anfangen muß, welcher, sobald er irgendwo Land betritt, seine Fahrt prüft und untersucht, ob nicht etwa unbemerkte Seeströme seinen Lauf verwirrt haben, aller Behutsamkeit ungeachtet, die die Kunst zu schiffen nur immer gebieten mag. Diese Demonstration ist indessen noch niemals erfunden worden, welches schon von anderen12 angemerkt ist. Was ich hier liefere, ist auch nur der Beweisgrund zu einer Demonstration,13 ein mühsam gesammeltes Baugerät,14 welches der Prüfung des Kenners vor Augen gelegt ist, um aus dessen | brauchbaren Stücken nach den Regeln der Dauerhaftigkeit und der Wohlgereimtheit das Gebäude zu vollführen.15 Ebensowenig wie ich dasjenige, was ich liefere, für die Demonstration selber will gehalten wissen, sowenig sind die Auf lösungen der Begriffe, deren ich mich bediene, schon Defi nitionen. Sie sind, wie mich dünkt16 , richtige Merkmale der Sachen, wovon ich handele, tüchtig, um daraus zu abgemessenen Erklärungen zu gelangen, an sich selbst um der Wahrheit und Deutlichkeit willen brauchbar, aber sie erwarten noch die letzte Hand des Künstlers, um den Defi nitionen17 beigezählt zu werden. Es gibt eine Zeit, wo man in einer solchen Wissenschaft, wie die Metaphysik ist, sich getraut, alles zu erklären und alles zu demonstrieren, und wie26 willen ] fehlt 1794, 1797 25 f. gelangen, an sich selbst um der Wahrheit und Deutlichkeit willen
brauchbar, ] Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I: gelangen, und an sich selbst zur Wahrheit und Deutlichkeit brauchbar,
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derum eine andere, wo man sich nur mit Furcht und Mißtrauen an dergleichen Unternehmungen wagt.18 Die Betrachtungen, die ich darlege, sind die Folge eines langen Nachdenkens,19 | aber die Art des Vortrages hat das Merkmal einer unvollendeten Ausarbeitung an sich, insofern verschiedene Beschäftigungen 20 die dazu erforderliche Zeit nicht übriggelassen haben. Es ist indessen eine sehr vergebliche Einschmeichlung, den Leser um Verzeihung zu bitten, daß man ihm, um welcher Ursache willen es auch sei, nur mit etwas Schlechtem 21 habe aufwarten können. Er wird es niemals vergeben, man mag sich entschuldigen, wie man will. In meinem Fall ist die nicht völlig ausgebildete Gestalt des Werks nicht sowohl einer Vernachlässigung als einer Unterlassung aus Absichten beizumessen. Ich wollte nur die ersten Züge eines Hauptrisses entwerfen, nach welchen, wie ich glaube, ein Gebäude von nicht geringer Vortreff lichkeit könnte aufgeführt werden, wenn unter geübteren Händen die Zeichnung in den Teilen mehr Richtigkeit und im ganzen eine vollendete Regelmäßigkeit erhielte. In dieser Absicht wäre es unnötig gewesen, gar zu viel ängstliche Sorgfalt zu verwenden, um in ein¦zelnen Stücken alle | Züge genau auszumalen, da der Entwurf im ganzen allererst das strenge Urteil der Meister in der Kunst abzuwarten hat. Ich habe daher öfters nur Beweistümer angeführt, ohne mir anzumaßen, daß ich ihre Verknüpfung mit der Folgerung für jetzt deutlich zeigen könnte. Ich habe bisweilen gemeine Verstandesurteile angeführt, ohne ihnen durch logische Kunst die Gestalt der Festigkeit zu geben, die ein Baustück in einem System haben muß, entweder weil ich es schwer fand, oder weil die Weitläufigkeit der nötigen Vorbereitung der Größe, die das Werk haben sollte, nicht gemäß war, oder auch weil ich mich berechtigt zu sein glaubte, da ich keine Demonstration ankündige, der Forderung, die man mit Recht an systematische Verfasser tut, entschlagen zu sein. Ein kleiner 3 Folge ] 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Harten-
stein II, Kirchmann: Folgen
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Teil derer, die sich das Urteil über Werke des Geistes anmaßen, wirft kühne Blicke auf das Ganze eines Versuchs und betrachtet vornehmlich die Beziehung, die die Hauptstücke desselben zu einem tüchtigen Bau haben könnten, wenn | man gewisse Mängel ergänzte oder Fehler verbesserte. Diese Art Leser ist es, deren Urteil dem menschlichen Erkenntnis22 vornehmlich nutzbar ist. Was die übrigen anlangt, welche, unvermögend eine Verknüpfung im großen zu übersehen, an einem oder anderen kleinen Teil grüblerisch geheftet sind, unbekümmert, ob der Tadel, den er etwa verdiente, auch den Wert des Ganzen anfechte, und ob nicht Verbesserungen in einzelnen Stücken den Hauptplan, der nur in Teilen fehlerhaft ist, erhalten können, diese, die nur immer bestrebt sind, einen jeden angefangenen Bau in Trümmer zu verwandeln, können zwar um ihrer Menge willen zu fürchten sein, allein ihr Urteil ist, was die Entscheidung des wahren Wertes anlangt, bei Vernünftigen von wenig Bedeutung. Ich habe mich an einigen Orten vielleicht nicht umständlich 23 genug erklärt, um denen, die nur eine scheinbare Veranlassung wünschen, auf eine Schrift den bitteren | Vorwurf des Irrglaubens zu werfen, alle Gelegenheit dazu zu benehmen, allein welche Behutsamkeit hätte dieses auch wohl verhindern können; 24 ich glaube indessen, für diejenigen deutlich genug geredet zu haben, die nichts anderes in einer Schrift fi nden wollen, als was des Verfassers Absicht gewesen ist hineinzulegen. Ich habe mich sowenig wie möglich mit Widerlegungen 25 eingelassen, so sehr auch meine Sätze von anderer ihren abweichen.26 Diese Entge3 desselben ] fehlt 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I,
Hartenstein II, Kirchmann 7 die übrigen ] 1763, 1794, Ak 1905, Ak 1912, Buchenau, Weischedel, Klaus: die übrige; Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele: die Uebrigen 10 er ] 1763, 1794, 1797, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Schiele, Weischedel: es 26 von anderer ihren ] 1763, 1794, 1797, Weischedel: von anderer ihrer; Reich: von denen anderer
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genstellung ist etwas, das ich dem Nachdenken des Lesers, der beide eingesehen hat, überlasse. Wenn man die Urteile der unverstellten Vernunft in verschiedenen denkenden Personen mit der Aufrichtigkeit eines unbestochenen Sachwalters prüfte, der von ¦ zwei strittigen Teilen die Gründe so abwiegt, daß er sich in Gedanken in die Stelle derer, die sie vorbringen, selbst versetzt, um sie so stark zu fi nden, als sie nur immer werden können, und dann allererst auszumachen, welchem Teil er sich widmen wolle, so würde viel weniger Uneinigkeit in den Meinungen der Phi|losophen sein, und eine ungeheuchelte Billigkeit, sich selbst der Sache des Gegenteils in dem Grad anzunehmen, als es möglich ist, würde bald die forschenden Köpfe auf einem Weg vereinigen.27 In einer schweren Betrachtung, wie die gegenwärtige ist, kann ich mich wohl zum voraus darauf gefaßt machen, daß mancher Satz unrichtig, manche Erläuterung unzulänglich und manche Ausführung gebrechlich und mangelhaft sein werde. Ich mache keine solche Forderung auf eine unbeschränkte Unterzeichnung des Lesers, die ich selbst schwerlich einem Verfasser bewilligen würde. Es wird mir daher nicht fremd sein, von anderen in manchen Stücken eines Besseren belehrt zu werden, auch wird man mich gelehrig fi nden, solchen Unterricht anzunehmen. Es ist schwer, dem Anspruch auf Richtigkeit zu entsagen, den man im Anfang zuversichtlich äußerte, als man Gründe vortrug, allein es ist nicht ebensoschwer, wenn dieser Anspruch gelinde, | unsicher und bescheiden war. Selbst die feinste Eitel keit, wenn sie sich wohl versteht, wird bemerken, daß nicht weniger Verdienst dazu gehört, sich überzeugen zu lassen, als selbst zu überzeugen, und daß jene Handlung vielleicht mehr wahre Ehre macht, inso5 strittigen ] 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I: strei-
tigen 15 zum voraus ] Reich: im voraus 20 fremd ] 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann: befremdend
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fern mehr Entsagung und Selbstprüfung dazu als zu der anderen erfordert wird. Es könnte scheinen, eine Verletzung der Einheit, die man bei der Betrachtung seines Gegenstandes vor Augen haben muß, zu sein, daß hin und wieder ziemlich ausführliche physische Erläuterungen vorkommen; allein, da meine Absicht in diesen Fällen vornehmlich auf die Methode, vermittelst der Naturwissenschaft zur Erkenntnis Gottes hinaufzusteigen, gerichtet ist, so habe ich diesen Zweck ohne dergleichen Beispiele nicht wohl erreichen können. Die siebte Betrachtung der zweiten Abteilung bedarf desfalls etwas mehr Nachsicht, vornehmlich da ihr Inhalt aus einem Buch, welches ich ehedem ohne Nennung meines | Namens herausgab,* gezogen worden, wo ¦ hiervon ausführlicher, obzwar in Verknüpfung mit verschiedenen etwas gewagten Hypothesen gehandelt ward. Die Verwandtschaft indessen, die zum mindesten die erlaubte Freiheit, sich an solche Erklärungen zu wagen, mit meiner Haupt|absicht hat, imgleichen der Wunsch, einiges an dieser Hypothese von Kennern beurteilt zu sehen, haben veranlaßt, diese Betrachtung einzumischen, die vielleicht zu kurz ist, um alle Gründe derselben zu verstehen, oder auch zu weitläufig für diejenigen, die hier nichts wie Metaphysik anzutreffen vermuten, und von de-
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Der Titel desselben ist: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg und Leipzig 1755. Diese Schrift, die wenig bekannt geworden,28 muß unter anderen auch nicht zur Kenntnis des berühmten Herrn J. H. Lambert gelangt sein, der sechs Jahre hernach 25 in seinen Kosmologischen Briefen 1761 ebendieselbe Theorie von der systematischen Verfassung des Weltbaues im großen, der Milchstraße, II, 69 den Nebelsternen usf. vorgetragen hat, die ¦ man in meiner gedachten Theorie des Himmels im ersten Teil, imgleichen in der Vorrede daselbst antrifft und wovon etwas in einem kurzen Abriß Seite 154 bis 30 158 des gegenwärtigen Werks29 angezeigt wird. Die Übereinstimmung der Gedanken dieses sinnreichen Mannes mit denen, die ich damals vortrug, welche fast bis auf die kleineren Züge untereinander übereinkommen, vergrößert meine Vermutung: daß dieser Entwurf in der 35 Folge mehrere Bestätigung erhalten werde. 30
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nen sie füglich kann überschlagen werden.31 Es wird vielleicht nötig sein, einige Druckfehler, die den Sinn des Vortrages verändern könnten und die man am Ende des Werks sieht,32 vorher zu verbessern, ehe man diese Schrift liest. Das Werk selber besteht aus drei Abteilungen, davon die e r s t e den Beweisgrund selber, die z w e i t e den weitläufigen Nutzen desselben, die d r i t t e aber Gründe vorlegt, um darzutun, daß kein anderer zu einer Demonstration vom Dasein Gottes möglich sei.
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worin der Beweisgrund zur Demonstration des Daseins Gottes geliefert wird
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Vom Dasein überhaupt Die Regel der Gründlichkeit erfordert es nicht allemal, daß selbst im tiefsinnigsten Vortrag ein jeder vorkommender Begriff entwickelt oder erklärt werde: wenn man nämlich versichert ist, daß der bloß klare gemeine Begriff in dem Fall, da er gebraucht wird, keinen Mißverstand veranlassen könne; 33 so wie der Meßkünstler die geheimsten Eigenschaften und Verhältnisse des Ausgedehnten mit der größten Gewißheit aufdeckt, ob er sich gleich hierbei lediglich des gemeinen Begriffs vom Raum bedient, und wie selbst in der allertiefsinnigsten Wissenschaft das Wort Vo r s t e l l u n g genau genug verstanden und mit Zuversicht | gebraucht wird, wiewohl seine Bedeutung niemals durch eine Erklärung kann aufgelöst werden. Ich würde mich daher in diesen Betrachtungen nicht bis zur Auf lösung des sehr einfachen und wohlverstandenen Begriffs des Daseins versteigen, wenn nicht hier gerade der Fall wäre, wo diese Verabsäumung Verwirrung und wichtige Irrtümer veranlassen kann. Es ist sicher, daß er in der übrigen ganzen Weltweisheit so unentwickelt, wie er im gemeinen Gebrauch vorkommt, ohne Bedenken könne angebracht werden, die einzige Frage vom absolut notwendigen und zufälligen Dasein ausgenommen, denn ¦ hier hat eine subtilere Nachforschung aus 1–3 Erste Abteilung […] geliefert wird ] fehlt 1770, 1794
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einem unglücklich gekünstelten, sonst sehr reinen Begriff irrige Schlüsse34 gezogen, die sich über einen der erhabensten Teile der Weltweisheit 35 verbreitet haben. Man erwarte nicht, daß ich mit einer förmlichen Erklärung des Daseins den Anfang machen werde. Es wäre zu wünschen, daß man dieses niemals täte, wo es so unsicher ist, richtig erklärt zu haben, und dieses ist es öfter, als man wohl | denkt. Ich werde so verfahren als einer, der die Defi nition sucht und sich zuvor von demjenigen versichert, was man mit Gewißheit bejahend oder verneinend von dem Gegenstand der Erklärung sagen kann, ob er gleich noch nicht ausmacht, worin der ausführlich bestimmte Begriff desselben bestehe. Lange vorher, ehe man eine Erklärung von seinem Gegenstand wagt, und selbst dann, wenn man sich gar nicht getraut, sie zu geben, kann man viel von derselben Sache mit größter Gewißheit sagen. Ich zweif le, daß einer jemals richtig erklärt habe, was der Raum sei. Allein, ohne mich damit einzulassen, bin ich gewiß, daß, wo er ist, äußere Beziehungen sein müssen, daß er nicht mehr als drei Abmessungen haben könne, usw. Eine Begierde mag sein, was sie will, so gründet sie sich auf irgendeine Vorstellung, sie setzt eine Lust an dem Begehrten voraus usf. Oft kann aus diesem, was man vor aller Defi nition von der Sache gewiß weiß, das, was zur Absicht unserer Untersuchung gehört, ganz sicher hergeleitet werden, und man wagt sich alsdann in unnötige Schwierigkeiten, wenn man sich bis dahin versteigt.36 Die Methodensucht, die Nachahmung des Mathe|matikers, der auf einer wohlgebahnten Straße sicher fortschreitet, auf dem schlüpfrigen Boden der Metaphysik hat eine Menge solcher Fehltritte veranlaßt, die man beständig vor Augen sieht,37 und doch ist wenig Hoffnung, daß man dadurch gewarnt und behutsamer zu sein lernen werde. Diese Methode ist es allein, kraft welcher ich einige Aufklärungen hoffe,38 die ich vergeblich bei anderen gesucht habe; denn was die schmeichelhafte Vorstellung anlangt, die man sich macht, daß man durch größere Scharfsinnigkeit es besser als andere treffen werde, so versteht man wohl, daß jederzeit alle so
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geredet haben, die uns aus einem fremden Irrtum in den ihrigen haben ziehen wollen.
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¦ 1. Das Dasein ist gar kein Prädikat oder Determination von irgendeinem Ding Dieser Satz scheint seltsam und widersinnig, allein er ist ungezweifelt gewiß. Nehmt ein Subjekt, welches ihr wollt, z. B. den Julius Cäsar.39 Faßt alle seine erdenklichen Prädikate, selbst die der Zeit und des Orts nicht ausgenommen, in ihm zusam|men, so werdet ihr bald begreifen, daß er mit allen diesen Bestimmungen existieren oder auch nicht existieren kann. Das Wesen, welches dieser Welt und diesem Helden in derselben das Dasein gab, konnte alle diese Prädikate, nicht ein einziges ausgenommen, erkennen und ihn doch als ein bloß mögliches Ding ansehen, das, seinen Ratschluß ausgenommen, nicht existiert. Wer kann in Abrede ziehen, daß Millionen von Dingen, die wirklich nicht da sind, nach allen Prädikaten, die sie enthalten würden, wenn sie existierten, bloß möglich seien; daß in der Vorstellung, die das höchste Wesen von ihnen hat, nicht ein einziges ermangele, obgleich das Dasein nicht mit darunter ist, denn es erkennt sie nur als mögliche Dinge. Es kann also nicht stattfi nden, daß, wenn sie existieren, sie ein Prädikat mehr enthielten, denn bei der Möglichkeit eines Dinges nach seiner durchgängi13 nicht ein einziges ] 1763, 1770, 1794, Tieftrunk, Rosenkranz, Ak
1905, Ak 1912, Buchenau, Weischedel, Klaus: nicht ein einiges 19 f. nicht ein einziges ermangele] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Weischedel: nicht eine einzige ermangele; Ak 1905, Ak 1912, Reich: nicht eine einzige Bestimmung ermangele. – Diese Konjekturen erscheinen jedoch unnötig, denn, wie schon aus dem Satz zuvor hervorgeht und von Wille (S. 336) richtig angemerkt wurde, ist mit ›ein einziges‹ fraglos ›ein einziges Prädikat‹ gemeint. 22 existieren ] Wille: existierten
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gen Bestimmung kann gar kein Prädikat fehlen. Und wenn es Gott gefallen hätte, eine andere Reihe der Dinge, eine andere Welt zu schaffen, so würde sie mit allen den Bestimmungen und keinen mehr existiert haben, die er an ihr doch erkennt, ob sie gleich bloß möglich ist. | Gleichwohl bedient man sich des Ausdrucks vom Dasein als eines Prädikats,40 und man kann dieses auch sicher und ohne besorgliche Irrtümer tun, solange man es nicht darauf aussetzt, das Dasein aus bloß möglichen Begriffen herleiten zu wollen, wie man zu tun pflegt, wenn man die absolut notwendige Existenz beweisen will. Denn alsdann sucht man umsonst unter den Prädikaten eines solchen möglichen Wesens, das Dasein fi ndet sich gewiß nicht darunter. Es ist aber das Dasein in den Fällen, da es im gemeinen Redegebrauch als ein Prädikat vorkommt, nicht sowohl ein Prädikat von dem Ding selbst als vielmehr von dem Gedanken, den man davon hat. Z. B. dem Seeeinhorn41 kommt die Existenz zu, dem Landeinhorn nicht. Es will dieses nichts anderes sagen, als: Die Vorstellung des Seeeinhorns ist ein Erfahrungsbegriff, das ist, die Vorstellung eines existierenden Dinges. Daher man auch, um die Richtigkeit ¦ dieses Satzes von dem Dasein einer solchen Sache darzutun, nicht in dem Begriff des Subjekts sucht, denn da findet man nur Prädikate der Möglichkeit, sondern in dem Ursprung der Erkenntnis, die ich davon habe. Ich habe, sagt man, es gesehen oder von denen vernommen, die es gesehen | haben. Es ist daher kein völlig richtiger Ausdruck zu sagen: Ein Seeeinhorn ist ein existierendes Tier, sondern umgekehrt: Einem gewissen existierenden Seetier kommen die Prädikate zu, die ich an einem Einhorn zusammen gedenke. Nicht: Regelmäßige Sechsecke existieren in der Natur, sondern: Gewissen Dingen in der Natur, wie den Bienenzellen oder dem Bergkristall, kommen die Prädikate zu, die in einem Sechseck beisammen gedacht werden. Eine jede menschliche Sprache hat von den Zufälligkeiten ihres Ursprungs einige nicht zu ändernde Unrichtigkeiten, und es würde grüblerisch und unnütz sein, wo in dem gewöhnlichen Gebrauch gar keine
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Mißdeutungen daraus erfolgen können, an ihr zu künsteln und einzuschränken, genug, daß in den selteneren Fällen einer höher gesteigerten Betrachtung, wo es nötig ist, diese Unterscheidungen beigefügt werden. Man wird von dem hier Angeführten nur allererst zureichend urteilen können, wenn man das Folgende wird gelesen haben. | 2. Das Dasein ist die absolute Position eines Dinges und unterscheidet sich dadurch auch von jeglichem Prädikat, welches als ein solches jederzeit bloß beziehungsweise auf ein anderes Ding gesetzt wird Der Begriff der Position oder Setzung ist völlig einfach und mit dem vom Sein überhaupt einerlei. Nun kann etwas als bloß beziehungsweise gesetzt oder besser, bloß die Beziehung (respectus logicus ) von etwas als einem Merkmal zu einem Ding gedacht werden, und dann ist das Sein, das ist die Position dieser Beziehung, nichts als der Verbindungsbegriff in einem Urteil. Wird nicht bloß diese Beziehung, sondern die Sache an und für sich selbst gesetzt betrachtet, so ist dieses Sein soviel als Dasein.42 So einfach ist dieser Begriff, daß man nichts zu seiner Auswicklung sagen kann, als nur die Behutsamkeit anzumerken, daß er nicht mit den Verhältnissen, die die Dinge zu ihren Merkmalen haben, verwechselt werde. | Wenn man einsieht, daß unsere gesamte Erkenntnis sich doch zuletzt in unauf löslichen Begriffen endige,43 so begreift 10 beziehungsweise ] 1763: bezeichnungsweise (Korr. durch Druck-
fehlerverzeichnis 1763) 16 das ist ] Rosenkranz: das ist, 22 f. zu ihren Merkmalen ] 1763, 1770, Weischedel: zu ihren Merkmale; 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele: zu ihrem Merkmale 24 f. gesamte Erkenntnis sich doch […] Begriffen endige ] Reich: gesamte Erkenntnis doch zuletzt in unauf löslichen Begriffen endigt
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man auch, daß es einige geben werde, die beinahe unauf löslich sind, das ist, wo die Merkmale nur ¦ sehr wenig klarer und einfacher sind als die Sache selbst. Dieses ist der Fall bei unserer Erklärung von der Existenz. Ich gestehe gern, daß durch dieselbe der Begriff des Erklärten nur in einem sehr kleinen Grad deutlich werde. Allein, die Natur des Gegenstandes in Beziehung auf die Vermögen unseres Verstandes verstattet auch keinen höheren Grad. Wenn ich sage: Gott ist allmächtig, so wird nur diese logische Beziehung zwischen Gott und der Allmacht gedacht, da die letztere ein Merkmal des ersteren ist. Weiter wird hier nichts gesetzt. Ob Gott sei, das ist, absolute gesetzt sei oder existiere, das ist darin gar nicht enthalten. Daher auch dieses Sein ganz richtig selbst bei den Beziehungen gebraucht wird, die Undinge gegeneinander haben. Z. B.: Der Gott des Spinoza ist unauf hörlichen Veränderungen unterworfen.44 Wenn ich mir vorstelle, Gott spreche über ei|ne mögliche Welt sein allmächtiges We r d e 45, so erteilt er dem in seinem Verstand vorgestellten Ganzen keine neuen Bestimmungen, er setzt nicht ein neues Prädikat hinzu, sondern er setzt diese Reihe der Dinge, in welcher alles sonst nur beziehungsweise auf dieses Ganze gesetzt war, mit allen Prädikaten absolute oder schlechthin. Die Beziehungen aller Prädikate zu ihren Subjekten bezeichnen niemals etwas Existierendes, das Subjekt müßte denn schon als existierend vorausgesetzt werden. Gott ist allmächtig, muß ein wahrer Satz auch in dem Urteil desjenigen bleiben, der dessen Dasein nicht erkennt,46 wenn er mich nur wohl versteht, wie ich den Begriff Gottes nehme. Allein, sein Dasein muß unmittelbar zu der Art gehören, wie sein Begriff gesetzt wird, denn in den Prädikaten selber wird es nicht gefunden. Und wenn nicht schon das Subjekt als existierend vorausgesetzt ist, 10 die ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I,
Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Buchenau, Weischedel, Klaus: das 24 müßte ] Ak 1905, Ak 1912, Reich: müsse
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so bleibt es bei jeglichem Prädikat unbestimmt, ob es zu einem existierenden oder bloß möglichen Subjekt gehöre. Das Dasein kann daher selber kein Prädikat sein. Sage ich: Gott ist ein existierendes Ding, so scheint es, als wenn ich die Beziehung eines Prädikats zum Subjekt ausdrückte. Allein es liegt auch eine Unrichtigkeit in | diesem Ausdruck. Genau gesagt, sollte es heißen: Etwas Existierendes ist Gott, das ist, einem existierenden Ding kommen diejenigen Prädikate zu, die wir zusammengenommen durch den Ausdruck: Gott, bezeichnen. Diese Prädikate sind beziehungsweise auf dieses Subjekt gesetzt, allein das Ding selber samt allen Prädikaten ist schlechthin gesetzt. Ich besorge, durch zu weitläufige Erläuterung einer so einfachen Idee unvernehmlich zu werden. Ich könnte auch noch befürchten, die Zärtlichkeit derer, die vornehmlich über Trockenheit klagen, zu beleidigen. Allein, ohne ¦ diesen Tadel für etwas Geringes zu halten, muß ich mir diesmal hierzu Erlaubnis ausbitten. Denn ob ich schon an der überfeinen Weisheit derjenigen, welche sichere und brauchbare Begriffe in ihrer logischen Schmelzküche so lange übertreiben, abziehen und verfeinern, bis sie in Dämpfen und flüchtigen Salzen verrauchen, so wenig Geschmack als jemand anderes fi nde, so ist der Gegenstand der Betrachtung, den ich vor mir habe, doch von der Art, daß man entweder gänzlich es aufgeben muß, eine demonstrativische Gewißheit davon jemals zu erlangen, oder es sich muß gefallen lassen, seine Begriffe bis in diese Atome aufzulösen.
4 Beziehung ] 1763: Bezeichnung (Korr. durch Druckfehlerverzeich-
nis 1763)
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| 3. Kann ich wohl sagen, daß im Dasein mehr als in der bloßen Möglichkeit sei? Diese Frage zu beantworten, merke ich nur zuvor an, daß man unterscheiden müsse, was da gesetzt sei und wie es gesetzt sei. Was das erstere anlangt, so ist in einem wirklichen Ding nicht mehr gesetzt als in einem bloß möglichen, denn alle Bestimmungen und Prädikate des wirklichen können auch bei der bloßen Möglichkeit desselben angetroffen werden, aber das letztere betreffend, so ist allerdings durch die Wirklichkeit mehr gesetzt. Denn frage ich: wie ist alles dieses bei der bloßen Möglichkeit gesetzt?, so werde ich inne, es geschehe nur beziehungsweise auf das Ding selber, d. i. wenn ein Triangel47 ist, so sind drei Seiten, ein beschlossener48 Raum, drei Winkel usw., oder besser: die Beziehungen dieser Bestimmungen zu einem solchen Etwas, wie ein Triangel ist, sind bloß gesetzt, aber existiert er, so ist alles dieses absolute, d. i. die Sache selbst zusamt diesen Beziehungen, mithin mehr gesetzt. Um daher in einer so subtilen Vorstellung alles zusammenzufassen, | was die Verwirrung verhüten kann, so sage ich: in einem Existierenden wird nichts mehr gesetzt als in einem bloß Möglichen (denn alsdann ist die Rede von den Prädikaten desselben), allein durch etwas Existieren-
8 des wirklichen ] Schiele: des Wirklichen 15 f. die Beziehungen […] sind bloß gesetzt ] 1763, 1770, 1794, 1797,
Tieftrunk, Weischedel: die Beziehungen […] ist bloß gesetzt; Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Erhardt, Buchenau, Klaus: die Beziehung […] ist bloß gesetzt, 20 so sage ich: ] 1763, 1770, 1794: so sage; 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele: so sage:; Weischedel: so sage, 20 in ] 1770, 1794: in 21 in ] 1770, 1794: in 22 durch ] 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz: durch
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des wird mehr gesetzt als durch ein bloß Mögliches, denn dieses geht auch auf die absolute Position der Sache selbst. Sogar ist in der bloßen Möglichkeit nicht die Sache selbst, sondern es sind bloße Beziehungen von Etwas zu Etwas nach dem Satz des Widerspruchs gesetzt, und es bleibt fest, daß das Dasein eigentlich gar kein Prädikat von irgendeinem Ding sei. Obgleich meine Absicht hier gar nicht ist, mit Widerlegungen mich einzulassen,49 und meiner Meinung nach, wenn ein Verfasser ¦ mit vorurteilsfreier Denkungsart anderer Gedanken gelesen und durch damit verknüpftes Nachdenken sie sich eigen gemacht hat,50 er das Urteil über seine neuen und abweichenden Lehrsätze ziemlich sicher dem Leser überlassen kann, so will ich doch nur mit wenig Worten darauf führen. Die Wolffi sche Erklärung des Daseins, daß es eine Ergänzung der Möglichkeit sei,51 ist offenbar sehr unbestimmt. Wenn man nicht schon vorher weiß, was | über die Möglichkeit in einem Ding hinaus kann gedacht werden, so wird man es durch diese Erklärung nicht lernen.52 Baumgarten führt die durchgängige innere Bestimmung, insofern sie dasjenige ergänzt, was durch die im Wesen liegenden oder daraus fl ießenden Prädikate unbestimmt gelassen ist, als dasjenige an, was im Dasein mehr als in der bloßen Möglichkeit ist; 53 allein wir haben schon gesehen, daß in der Verbindung eines Dinges mit allen erdenklichen Prädikaten niemals ein Unterschied desselben von einem bloß Mög1 durch ] 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz: durch 2 auf die absolute ] = Konj. Hg.; die anderen Ausgaben: auf absolute
Position. – In diesem Sinn übersetzt auch CE 121: »[…] for positing through an existent thing involves the absolute positing of the thing itself as well«; ebenso Theis 102: »[…] car ceci concerne aussi la position absolue de la chose elle-même.« 4 Etwas zu Etwas ] Rosenkranz, Buchenau, Weischedel, Klaus: etwas zu etwas 10 f. hat, er das ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Weischedel: hat, das 17 Ding hinaus kann ] = Konj. Hg.; die anderen Ausgaben: Ding kann
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lichen liege. Überdem kann der Satz, daß ein mögliches Ding, als ein solches betrachtet, in Ansehung vieler Prädikate unbestimmt sei, wenn er so nach dem Buchstaben genommen wird, eine große Unrichtigkeit veranlassen. Denn die Regel der Ausschließung eines Mittleren zwischen zwei widersprechend Entgegengesetzten verbietet dieses,54 und es ist daher z. B. ein Mensch, der nicht eine gewisse Statur, Zeit, Alter, Ort u. dgl. hätte, unmöglich. Man muß ihn vielmehr in diesem Sinn nehmen: Durch die an einem Ding zusammengedachten Prädikate sind viele andere ganz und gar nicht bestimmt, so wie durch dasjenige, was in dem Begriff eines Menschen als eines solchen zusammengenommen ist, in Ansehung | der besonderen Merkmale des Alters, Orts usw. nichts ausgemacht wird. Aber diese Art der Unbestimmtheit ist alsdann ebensowohl bei einem existierenden als bei einem bloß möglichen Ding anzutreffen, weswegen dieselbe zu keinem Unterschied beider kann gebraucht werden. Der berühmte Crusius rechnet das Irgendwo und Irgendwann zu den untrüglichen Bestimmungen des Daseins.55 Allein, ohne uns in die Prüfung des Satzes selber, daß alles, was da ist, irgendwo oder irgendwann sein müsse, einzulassen, so gehören diese Prädikate noch immer auch zu bloß möglichen Dingen. Denn so könnte an manchen bestimmten Orten mancher Mensch zu einer gewissen Zeit existieren, dessen alle Bestimmungen der Allwissende, so wie sie ihm beiwohnen würden, wenn er existierte, wohl kennt, und der gleichwohl wirklich nicht da ist; und der ewige Jude Ahasverus56 nach allen Ländern, die er durchwandern, oder allen Zeiten, die er durchleben soll, ist ohne Zweifel ein möglicher Mensch. Man wird doch hoffentlich nicht fordern, daß das ¦ Irgendwo und Irgendwann nur dann ein zureichendes Merkmal des Daseins sei, wenn das Ding wirklich da oder alsdann ist, denn da würde man fordern, daß dasjenige schon eingeräumt wer|de, was man sich anheischig macht, durch ein taugliches Merkmal von selber kenntlich zu machen. 24 wenn er existierte ] 1763, Weischedel: wenn existierte
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1. Nötige Unterscheidung bei dem Begriff der Möglichkeit Alles, was in sich selbst widersprechend ist, ist innerlich unmöglich.57 Dieses ist ein wahrer Satz, wenn man es gleich dahingestellt sein läßt, daß es eine wahre Erklärung sei.58 Bei diesem Widerspruch aber ist klar, daß Etwas mit Etwas im logischen Widerstreit stehen müsse, das ist, dasjenige verneinen müsse, was in ebendemselben zugleich bejaht ist. Selbst nach dem Herrn Crusius, der diesen Streit nicht bloß in einem inneren Widerspruch setzt, sondern behauptet, daß er überhaupt durch den Verstand nach einem ihm natürlichen Gesetz wahrgenommen werde,59 ist im Unmöglichen allemal eine Verknüpfung | mit etwas, was gesetzt, und etwas, wodurch es zugleich aufgehoben wird. Diese Repugnanz nenne ich das Formale der Undenklichkeit oder Unmöglichkeit; das Materiale, was hierbei gegeben ist und welches in solchem Streit steht, ist an sich selber etwas und kann gedacht werden. Ein Triangel, der viereckig wäre, ist schlechterdings unmöglich. Indessen ist gleichwohl ein Tri-
9 Etwas mit Etwas ] Buchenau, Weischedel, Klaus: etwas mit etwas 12 einem ] Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I: einen 15 f. mit etwas, was gesetzt, und etwas, wodurch ] 1763, 1770, Harten-
stein II: mit Etwas was gesetzt, und Etwas wodurch; 1794: nicht Etwas was gesetzt, und Etwas wodurch; 1797: nicht Etwas, was gesetzt, und Etwas, wodurch; Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I: eines Etwas, was gesetzt, mit Etwas, wodurch; Kirchmann, Schiele, Ak 1905, Ak 1912, Reich: mit Etwas, was gesetzt, und Etwas, wodurch; Buchenau, Klaus: mit etwas, was gesetzt und etwas, wodurch 19 f. etwas ] Tieftrunk, Hartenstein I, Hartenstein II: Etwas
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angel, imgleichen etwas Viereckiges an sich selber etwas. Diese Unmöglichkeit beruht lediglich auf logischen Beziehungen von einem Denklichen zum anderen, da eins nur nicht ein Merkmal des anderen sein kann. Ebenso muß in jeder Möglichkeit das Etwas, was gedacht wird, und dann die Übereinstimmung desjenigen, was in ihm zugleich gedacht wird, mit dem Satz des Widerspruchs unterschieden werden. Ein Triangel, der einen rechten Winkel hat, ist an sich selber möglich. Der Triangel sowohl als der rechte Winkel sind die Data60 oder das Materiale61 in diesem Möglichen, die Übereinstimmung aber des einen mit dem anderen nach dem Satz des Widerspruchs ist das Formale der Möglichkeit. Ich werde dieses letztere auch das Logische in ¦ der Möglichkeit nennen, weil die Vergleichung der Prädikate mit ihren Subjekten | nach der Regel der Wahrheit nichts anderes als eine logische Beziehung ist, das Etwas oder was in dieser Übereinstimmung steht wird bisweilen das Reale der Möglichkeit heißen. Übrigens bemerke ich, daß hier jederzeit von keiner anderen Möglichkeit oder Unmöglichkeit als der inneren oder schlechterdings und absolute so genannten die Rede sein wird.62
1 etwas ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein
I, Hartenstein II, Schiele, Ak 1905, Ak 1912, Reich: Etwas 8 Der Triangel ] Wille: Die Triangel 9 der rechte Winkel ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Weischedel: die rechten Winkel 11 ist ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Ak 1905, Ak 1912, Buchenau, Weischedel, Klaus, Reich: sind 14 f. nichts anderes ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Ak 1905, Ak 1912, Buchenau, Weischedel, Klaus: nichts anders; Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann: nichts Anderes, als; Schiele: nichts Anders 15 das Etwas oder ] Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Weischedel: das Etwas, oder; Wille: das Etwas aber, was
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2. Die innere Möglichkeit aller Dinge setzt irgendein Dasein voraus
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Es ist aus dem anjetzt Angeführten deutlich zu ersehen, daß die Möglichkeit wegfalle, nicht allein, wenn ein innerer Widerspruch als das Logische der Unmöglichkeit anzutreffen, sondern auch wenn kein Materiale, kein Datum zu denken da ist. Denn alsdann ist nichts Denkliches gegeben, alles Mögliche aber ist etwas, was gedacht werden kann und dem die logische Beziehung gemäß dem Satz des Widerspruchs zukommt. Wenn nun alles Dasein aufgehoben wird, so ist nichts schlechthin gesetzt, es ist überhaupt gar nichts | gegeben, kein Materiale zu irgend etwas Denklichem, und alle Möglichkeit fällt gänzlich weg. Es ist zwar kein innerer Widerspruch in der Verneinung aller Existenz. Denn da hierzu erfordert würde, daß etwas gesetzt und zugleich aufgehoben werden müßte, hier aber überall63 nichts gesetzt ist, so kann man freilich nicht sagen, daß diese Auf hebung einen inneren Widerspruch enthalte. Allein, daß irgendeine Möglichkeit sei und doch gar nichts Wirkliches, das widerspricht sich, weil, wenn nichts existiert, auch nichts gegeben ist, das da denklich wäre, und man sich selbst widerstreitet, wenn man gleichwohl will, daß etwas möglich sei. Wir haben in der Zergliederung des Begriffs vom Dasein verstanden, daß das Sein oder schlechthin Gesetztsein, wenn man diese Worte dazu nicht braucht, logische Beziehungen der Prädikate zu Subjekten auszudrücken, ganz genau einerlei mit dem Dasein bedeute. Demnach zu sagen: Es existiert nichts, heißt ebensoviel als: Es ist ganz und gar nichts; und es widerspricht sich offenbar, dessen ungeachtet hinzuzufügen, es sei etwas möglich.64
23 f. das Sein oder schlechthin Gesetztsein ] Kirchmann: das Sein oder
schlechthin-G e s e t z t s e i n ; Wille: das schlechthin Sein oder Gesetztsein; Buchenau: das Sein oder schlechthin Gesetzt-sein
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| ¦ 3. Es ist schlechterdings unmöglich, daß gar nichts existiere Wodurch alle Möglichkeit überhaupt aufgehoben wird, das ist schlechterdings unmöglich. Denn dieses sind gleichbedeutende Ausdrücke. Nun wird erstlich durch das, was sich selbst widerspricht, das Formale aller Möglichkeit, nämlich die Übereinstimmung mit dem Satz des Widerspruchs, aufgehoben, daher ist, was in sich selbst widersprechend ist, schlechterdings unmöglich. Dieses ist aber nicht der Fall, in dem wir die gänzliche Beraubung alles Daseins zu betrachten haben. Denn darin liegt, wie erwiesen ist, kein innerer Widerspruch. Allein, wodurch das Materiale und die Data zu allem Möglichen aufgehoben werden, dadurch wird auch alle Möglichkeit verneint. Nun geschieht dieses durch die Auf hebung alles Daseins, also wenn alles Dasein verneint wird, so wird auch alle Möglichkeit aufgehoben. Mithin ist schlechterdings unmöglich, daß gar nichts existiere.65
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| 4. Alle Möglichkeit ist in irgend etwas Wirklichem gegeben, entweder in demselben als eine Bestimmung oder durch dasselbe als eine Folge Es ist von aller Möglichkeit insgesamt und von jeder insonderheit darzutun, daß sie etwas Wirkliches, es sei nun ein Ding oder mehrere, voraussetze. Diese Beziehung aller Möglichkeit auf irgendein Dasein kann nun zwiefach sein. Entweder das Mögliche ist nur denklich, insofern es selber wirklich ist, und dann ist die Möglichkeit in dem Wirklichen als eine Bestimmung gegeben; oder es ist möglich darum, weil etwas anderes wirklich ist, d. i. seine innere Möglichkeit ist als eine Folge durch ein anderes Dasein gegeben. Die erläuternden Beispiele können noch nicht füglich hier herbeigeschafft werden. Die Natur desjenigen Subjekts, welches das einzige ist, das zu einem Beispiel in die-
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ser Betrachtung dienen kann, soll allererst erwogen werden.66 Indessen bemerke ich nur noch, daß ich dasjenige Wirkliche, durch welches als einen Grund die innere Möglichkeit anderer gegeben ist, den ersten Real|grund dieser absoluten Möglichkeit nennen werde,67 so wie der Satz des Widerspruchs der erste logische Grund derselben ist, weil in der Übereinstimmung mit ihm das ¦ Formale der Möglichkeit liegt, so wie jenes die Data und das Materiale im Denklichen liefert.68 Ich begreife wohl, daß Sätze von derjenigen Art, als in dieser Betrachtung vorgetragen werden, noch mancher Erläuterung bedürftig sind, um dasjenige Licht zu bekommen, das zur Augen scheinlichkeit erfordert wird. Indessen legt die so sehr abgezogene Natur des Gegenstandes selbst aller Bemühung der größeren Auf klärung Hindernisse, so wie die mikroskopischen Kunstgriffe des Sehens zwar das Bild des Gegenstandes bis zur Unterscheidung sehr kleiner Teile erweitern, aber auch in demselben Maß die Helligkeit und Lebhaftigkeit des Eindrucks vermindern. Gleichwohl will ich, soviel, als ich vermag, den Gedanken von dem selbst bei der inneren Möglichkeit jederzeit zum Grunde liegenden Dasein in eine etwas größere Nahheit zu den gemeineren Begriffen eines gesunden Verstandes zu bringen suchen. | Ihr erkennt, daß ein feuriger Körper, ein listiger Mensch oder dergleichen Etwas möglich seien, und wenn ich nichts mehr als die innere Möglichkeit verlange, so werdet ihr gar nicht nötig fi nden, daß ein Körper oder Feuer usw. als die Data hierzu existieren müssen, denn sie sind einmal denklich, und
24 oder dergleichen Etwas möglich seien ] = Konj. Hg.; 1763, 1770,
1794, Weischedel: oder dergleichen etwas möglich sein; 1797, Tieftrunk, Rosenkranz: oder dergleichen etwas, möglich sind; Hartenstein I, Hartenstein II: oder dergleichen etwas möglich sind; Schiele: oder dergleichen etwas Mögliches sind; Ak 1905, Ak 1912, Buchenau, Klaus: oder dergleichen etwas möglich seien; Reich: oder dergleichen etwas Mögliches seien
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das ist genug. Die Zusammenstimmung aber des Prädikats feurig mit dem Subjekt Körper nach dem Grund des Widerspruchs liegt in diesen Begriffen selber, sie mögen wirkliche oder bloß mögliche Dinge sein. Ich räume auch ein, daß weder Körper noch Feuer wirkliche Dinge sein dürfen69 und gleichwohl ein feuriger Körper innerlich möglich sei. Allein ich fahre fort zu fragen: Ist denn ein Körper selber an sich möglich? Ihr werdet mir, weil ihr hier euch nicht auf Erfahrung berufen müßt, die Data zu seiner Möglichkeit, nämlich Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Kraft und wer weiß was mehr, herzählen und dazusetzen, daß darin kein innerer Widerstreit sei. Ich räume noch alles ein, allein ihr müßt mir Rechenschaft geben, weswegen ihr den Begriff der Ausdehnung als ein Datum so gerade anzunehmen Recht habt, denn gesetzt, er bedeute | nichts, so ist eure dafür ausgegebene Möglichkeit des Körpers ein Blendwerk. Es wäre auch sehr unrichtig, sich auf die Erfahrung wegen dieses Dati zu berufen, denn es ist jetzt eben die Frage, ob eine innere Möglichkeit des feurigen Körpers stattfi ndet, wenngleich gar nichts existiert. Gesetzt, daß ihr anjetzt nicht mehr den Begriff der Ausdehnung in einfachere Data zerfällen könnt, um anzuzeigen, daß in ihm nichts Widerstreitendes sei, wie ihr denn notwendig zuletzt auf etwas, dessen Möglichkeit nicht zergliedert ¦ werden kann, kommen müßt,70 so ist alsdann hier die Frage, ob Raum oder Ausdehnung leere Wörter sind oder ob sie etwas bezeichnen. Der Mangel des Widerspruchs macht es hier nicht aus; ein leeres Wort bezeichnet niemals etwas Widersprechendes. Wenn nicht der Raum existiert oder wenigstens
1 Zusammenstimmung ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosen-
kranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Weischedel: Zustimmung 2 Grund ] Wille: Grundsatze; Reich: Satze 14 Recht habt ] Reich: ein Recht habt 22 dessen Möglichkeit ] Wille: dessen Begriff nicht zergliedert werden kann (sc. um danach über seine Möglichkeit zu urteilen)
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durch etwas Existierendes gegeben ist als eine Folge, so bedeutet das Wort Raum gar nichts. Solange ihr noch die Möglichkeiten durch den Satz des Widerspruchs bewährt 71, so fußt ihr euch auf dasjenige, was euch in dem Ding Denkliches gegeben ist, und betrachtet nur die Verknüpfung nach dieser logischen Regel; aber am Ende, wenn ihr beden|kt, wie euch denn dieses gegeben sei, könnt ihr euch nimmer worauf anderes als auf ein Dasein berufen. Allein wir wollen den Fortgang dieser Betrachtungen abwarten. Die Anwendung selber wird einen Begriff faßlicher machen, den, ohne sich selbst zu übersteigen, man kaum für sich allein deutlich machen kann, weil er von dem ersten, was beim Denklichen zum Grunde liegt, selber handelt.
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Schlechterdings notwendig ist, dessen Gegenteil an sich selbst unmöglich ist. Dieses ist eine ungezweifelt richtige NominalErklärung. Wenn ich aber frage: Worauf kommt es denn an, damit das Nichtsein eines Dinges schlechterdings un|möglich sei?, so ist das, was ich suche, die Realerklärung,72 die uns allein zu unserem Zweck etwas nutzen kann. Alle unsere Begriffe von der inneren Notwendigkeit in den Eigenschaften möglicher Dinge, von welcher Art sie auch sein mögen, laufen darauf 1 Existierendes ] 1763, 1770, 1794, 1797: existierendem; Weischedel:
Existierendem 22 allein ] 1794: allen
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hinaus, daß das Gegenteil sich selber widerspricht. Allein, wenn es auf eine schlechterdings notwendige Existenz ankommt, so würde man mit schlechtem Erfolg durch das nämliche Merkmal bei ihr etwas zu verstehen suchen. Das Dasein ist gar kein Prädikat und die Auf hebung des Daseins keine Verneinung eines Prädikats, wodurch etwas in einem Ding sollte aufgehoben werden und ein innerer Widerspruch entstehen können. Die Auf hebung eines existierenden Dinges ist eine völlige Verneinung alles des¦jenigen, was schlechthin oder absolute durch sein Dasein gesetzt wurde. Die logischen Beziehungen zwischen dem Ding als einem Möglichen und seinen Prädikaten bleiben gleichwohl. Allein diese73 sind ganz was anderes als die Position des Dinges zusamt seinen Prädikaten schlechthin, als worin das Dasein besteht. Demnach wird nicht ebendasselbe, was in dem Ding gesetzt wird, sondern was anderes | durch das Nichtsein aufgehoben, und ist demnach hierin niemals ein Widerspruch. In der letzteren Betrachtung 74 dieses Werks wird alles dieses in dem Fall, da man die absolutnotwendige Existenz wirklich vermeint hat, durch den Satz des Widerspruchs zu begreifen, durch eine klare Entwicklung dieser Untauglichkeit überzeugender gemacht werden. Man kann indessen die Notwendigkeit in den Prädikaten bloß möglicher Begriffe die logische Notwendigkeit nennen. Allein diejenige, deren Hauptgrund ich aufsuche, nämlich die des Daseins, ist die absolute Realnotwendigkeit. Ich fi nde zuerst: daß, was ich schlechterdings als nichts und unmöglich ansehen soll, das müsse alles Denkliche vertilgen. Denn bliebe dabei noch etwas zu denken übrig, so wäre es nicht gänzlich undenklich und schlechthin unmöglich.
10 wurde ] 1763, 1770, 1794, 1797, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele,
Weischedel: würde 17 letzteren ] Erhardt, Buchenau, Klaus, Reich: letzten 18 absolutnotwendige ] Rosenkranz: absolut notwendige; Hartenstein II, Kirchmann, Schiele: absolut-notwendige
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Wenn ich nun einen Augenblick nachdenke, weswegen dasjenige, was sich widerspricht, schlechterdings nichts und unmöglich sei, so bemerke ich: daß, weil dadurch der Satz des Widerspruchs, der letzte logische Grund alles Denklichen,75 aufgehoben | wird, alle Möglichkeit verschwinde und nichts dabei mehr zu denken sei. Ich nehme daraus alsbald ab, daß, wenn ich alles Dasein überhaupt auf hebe und hierdurch der letzte Realgrund alles Denklichen wegfällt, gleichfalls alle Möglichkeit verschwindet und nichts mehr zu denken bleibt. Demnach kann etwas schlechterdings notwendig sein, entweder wenn durch sein Gegenteil das Formale alles Denklichen aufgehoben wird, das ist, wenn es sich selbst widerspricht, oder auch wenn sein Nichtsein das Materiale zu allem Denklichen und alle Data dazu auf hebt. Das erste fi ndet, wie gesagt, niemals beim Dasein statt, und weil kein drittes möglich ist, so ist entweder der Begriff von der schlechterdings notwendigen Existenz gar ein täuschender und falscher Begriff,76 oder er muß darin beruhen, daß das Nichtsein eines Dinges zugleich die Verneinung von den Datis zu allem Denklichen sei. Daß aber dieser Begriff nicht erdichtet, sondern etwas Wahrhaftes sei, erhellt auf folgende Art.
| ¦ 2. Es existiert ein schlechterdings notwendiges Wesen
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Alle Möglichkeit setzt etwas Wirkliches voraus, worin und wodurch alles Denkliche gegeben ist. Demnach ist 77 eine gewisse Wirklichkeit, deren Auf hebung selbst alle innere Möglichkeit überhaupt auf heben würde. Dasjenige aber, dessen Auf hebung oder Verneinung alle Möglichkeit vertilgt, ist schlechterdings 17 er ] 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Har-
tenstein II, Kirchmann: es 19 zu allem Denklichen ] 1763, 1770, 1794: zu allen denklichen; Weischedel: zu allen Denklichen
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notwendig. Demnach existiert etwas absolut notwendigerweise.78 Bis dahin erhellt, daß ein Dasein eines oder mehrerer Dinge selbst aller Möglichkeit zum Grunde liege und daß dieses Dasein an sich selbst notwendig sei. Man kann hieraus auch leichtlich den Begriff der Zufälligkeit 79 abnehmen. Zufällig ist nach der Worterklärung, dessen Gegenteil möglich ist. Um aber die Sacherklärung davon zu fi nden, so muß man auf folgende Art unterscheiden. Im logischen Verstand ist dasjenige als ein Prädikat an einem Subjekt zufällig, dessen Gegenteil demselben nicht widerspricht. Z. B.: Einem Triangel überhaupt ist es zufällig, daß er rechtwinklig sei. | Diese Zufälligkeit fi ndet lediglich bei der Beziehung der Prädikate zu ihren Subjekten statt und leidet, weil das Dasein kein Prädikat ist, auch gar keine Anwendung auf die Existenz. Dagegen ist im Realverstand zufällig dasjenige, dessen Nichtsein zu denken ist, das ist, dessen Auf hebung nicht alles Denkliche auf hebt. Wenn demnach die innere Möglichkeit der Dinge ein gewisses Dasein nicht voraussetzt, so ist dieses zufällig, weil sein Gegenteil die Möglichkeit nicht aufhebt. Oder: Dasjenige Dasein, wodurch nicht das Materiale zu allem Denklichen gegeben ist, ohne welches also noch etwas zu denken, das ist, möglich ist, dessen Gegenteil ist im Realverstand möglich, und das ist in ebendemselben Verstand auch zufällig.
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3. Das notwendige Wesen ist einig 80
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Weil das notwendige Wesen den letzten Realgrund aller anderen Möglichkeit enthält, so wird ein jedes andere Ding nur möglich sein, insofern es durch ihn als einen Grund gegeben ist. | Demnach kann ein jedes andere Ding nur als eine Folge von ihm stattfi nden und ist also aller anderen Dinge Möglichkeit und Dasein von ihm abhängend. Etwas aber, was selbst abhängend 22 ist in ebendemselben ] 1763: ist eben demselben
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ist, enthält nicht den letzten Realgrund aller Mög¦lichkeit und ist demnach nicht schlechterdings notwendig. Mithin können nicht mehrere Dinge absolut notwendig sein. Setzt, A sei ein notwendiges Wesen und B ein anderes. So ist vermöge der Erklärung B nur insofern möglich, als es durch einen anderen Grund A als die Folge desselben gegeben ist. Weil aber vermöge der Voraussetzung B selber notwendig ist, so ist seine Möglichkeit in ihm als ein Prädikat und nicht als eine Folge aus einem anderen und doch nur als eine Folge laut dem vorigen gegeben, welches sich widerspricht.
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4. Das notwendige Wesen ist einfach 81
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Daß kein Zusammengesetztes aus vielen Substanzen ein schlechterdings notwendiges Wesen sein könne, erhellt auf folgende Art. Setzt, es | sei nur eins seiner Teile schlechterdings notwendig, so sind die anderen nur insgesamt als Folgen durch ihn möglich und gehören nicht zu ihm als Nebenteile. Gedenkt euch, es wären mehrere oder alle notwendig, so widerspricht dieses der vorigen Nummer. Es bleibt demnach nichts übrig, als: sie müssen ein jedes besonderes zufällig, alle aber zusammen schlechterdings notwendig existieren. Nun ist dieses aber unmöglich, weil ein Aggregat von Substanzen nicht mehr Notwendigkeit im Dasein haben kann als den Teilen zukommt, und da diesen gar keine zukommt, sondern ihre Existenz zufällig ist, so würde auch die des Ganzen zufällig sein. Wenn man gedächte, sich auf die Erklärung des notwendigen Wesens berufen zu können, so daß man sagte, in jeglichem der Teile wären die letzten Data einiger innerer Möglichkeiten, in allen zusammen alles Mögliche 20 besonderes ] = Konj. Hg.; die anderen Ausgaben: besonders 27 f. einiger innerer Möglichkeiten ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tief-
trunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele,
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gegeben, so würde man etwas ganz Ungereimtes nur auf eine verborgene Art vorgestellt haben. Denn wenn man sich alsdann die innere Möglichkeit so gedenkt, daß einige können aufgehoben werden, doch so, daß übrigens, was durch die anderen Teile noch Denkliches gegeben worden, bliebe, | so müßte man sich vorstellen, es sei an sich möglich, daß die innere Möglichkeit verneint oder aufgehoben werde. Es ist aber gänzlich undenklich und widersprechend, daß etwas nichts sei, und dieses will soviel sagen: Eine innere Möglichkeit auf heben, ist alles Denkliche vertilgen, woraus erhellt, daß die Data zu jedem Denklichen in demjenigen Ding müssen gegeben sein, dessen Auf hebung auch das Gegenteil aller Möglichkeit ist, daß also, was den letzten Grund von einer inneren Möglichkeit enthält, ihn auch von ¦ aller überhaupt enthalte, mithin dieser Grund nicht in verschiedenen Substanzen verteilt sein könne.
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5. Das notwendige Wesen ist unveränderlich 82 und ewig 83
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Weil selbst seine eigene Möglichkeit und jede andere dieses Dasein voraussetzt,84 so ist keine andere Art der Existenz desselben möglich, das heißt, es kann das notwendige Wesen nicht auf vielerlei Art existieren. Nämlich alles, was da ist, ist durchgängig bestimmt; da dieses Wesen nun lediglich darum möglich ist, weil es existiert, so fi ndet keine Möglichkeit desselben | statt, außer insofern es in der Tat da ist; es ist also auf keine andere Art möglich, als wie es wirklich ist. Demnach kann es nicht auf andere
Ak 1905, Ak 1912, Buchenau, Weischedel, Klaus: einiger innern Möglichkeit 9 f. alles Denkliche ] 1763: alles alles denkliche; 1770: alles alles Denkliche; 1794: alles alles denkliche; 1797, Tieftrunk, Rosenkranz: alles Denkliche 16 5. ] 1763: 2.
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Art bestimmt oder verändert werden. Sein Nichtsein ist schlechterdings unmöglich, mithin auch sein Ursprung und Untergang, demnach ist es ewig.
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6. Das notwendige Wesen enthält die höchste Realität Da die Data zu aller Möglichkeit in ihm anzutreffen sein müssen,85 entweder als Bestimmungen desselben oder als Folgen, die durch ihn als den ersten Realgrund gegeben sind, so sieht man, daß alle Realität auf eine oder andere Art durch ihn begriffen sei.86 Allein ebendieselben Bestimmungen, durch die dieses Wesen der höchste Grund ist von aller möglichen Realität, setzen in ihm selber den größten Grad realer Eigenschaften, der nur immer einem Ding beiwohnen kann. Weil ein solches Wesen also das realste unter allen möglichen ist,87 indem sogar alle anderen nur durch dasselbe möglich sind, so ist dieses nicht so zu verstehen, daß alle mögliche Realität zu seinen Bestimmungen gehöre. Dieses ist eine | Vermengung der Begriffe, die bis dahin ungemein geherrscht hat.88 Man erteilt alle Realitäten Gott 89 oder dem notwendigen Wesen ohne Unterschied als Prädikate, ohne wahrzunehmen, daß sie nimmermehr in einem einzigen Subjekt als Bestimmungen nebeneinander können stattfi nden.90 Die Undurchdringlichkeit der Körper, die Ausdehnung u. dgl. können nicht Eigenschaften von demjenigen sein, der da Verstand und Willen hat. Es ist auch umsonst, eine Ausflucht darin zu suchen, daß man die gedachten Beschaffenheiten nicht für wahre Realität halte. Es ist ohne allen Zweifel der Stoß eines Körpers
11 von aller möglichen Realität ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk,
Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Weischedel: von anderer möglichen Realität 25 gedachten Beschaffenheiten ] 1763, 1770, 1794, Ak 1905, Buchenau, Weischedel, Klaus: gedachte Beschaffenheiten; Ak 1912, Reich: gedachte Beschaffenheit
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oder die Kraft des Zusammenhanges etwas wahrhaftig Positives. Ebenso ist ¦ der Schmerz in den Empfi ndungen eines Geistes nimmermehr eine bloße Beraubung.91 Ein irriger Gedanke hat eine solche Vorstellung dem Schein nach gerechtfertigt. Es heißt: Realität und Realität widersprechen einander niemals, weil beides wahre Bejahungen sind; demnach widerstreiten sie auch einander nicht in einem Subjekt. Ob ich nun gleich einräume, daß hier kein logischer Widerstreit sei, so ist dadurch doch nicht die Realrepugnanz gehoben. Diese fi ndet jederzeit statt, wenn etwas als ein Grund die Folge von etwas anderem | durch eine reale Entgegensetzung vernichtigt. Die Bewegungskraft eines Körpers nach einer Direktion und die Tendenz mit gleichem Grad in entgegengesetzter stehen nicht im Widerspruch. Sie sind auch wirklich zugleich in einem Körper möglich. Aber eine vernichtigt die Realfolge aus der anderen, und da sonst von jeder insbesondere die Folge eine wirkliche Bewegung sein würde, so ist sie jetzt von beiden zusammen in einem Subjekt 0, das ist, die Folge von diesen entgegengesetzten Bewegungskräften ist die Ruhe. Die Ruhe aber ist ohne Zweifel möglich, woraus man denn auch sieht, daß die Realrepugnanz ganz was anderes sei als die logische oder der Widerspruch; denn das, was daraus folgt, ist schlechterdings unmöglich. Nun kann aber in dem allerrealsten Wesen keine Realrepugnanz oder positiver Widerstreit seiner eigenen Bestimmungen sein, weil die Folge davon eine Beraubung oder Mangel sein würde, welches seiner höchsten Realität widerspricht, und da, wenn alle Realitäten in demselben als Bestimmungen lägen, ein solcher Widerstreit entstehen müßte, so können sie nicht insgesamt als Prädikate in ihm sein, mithin, weil sie doch alle durch ihn gegeben sind, so werden sie ent|weder zu seinen Bestimmungen oder Folgen gehören. Es könnte auch beim ersten Anblick scheinen zu folgen: daß, weil das notwendige Wesen den letzten Realgrund aller anderen Möglichkeit enthält, in ihm auch der Grund der Mängel 33 Möglichkeit ] Reich: Möglichkeiten
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und Verneinungen der Wesen der Dinge liegen müsse, welches, wenn es zugelassen würde, auch den Schluß veranlassen dürfte, daß es selbst Negationen unter seinen Prädikaten haben müsse und nimmermehr nichts als Realität. Allein man richte nur seine Augen auf den einmal festgesetzten Begriff desselben. In seinem Dasein ist seine eigene Möglichkeit ursprünglich gegeben. Dadurch, daß es nun andere Möglichkeiten sind, wovon es den Realgrund enthält, folgt nach dem Satz des Widerspruchs, daß es nicht die Möglichkeit des realsten Wesens selber und daher solche Möglichkeiten, welche Verneinungen und Mängel enthalten, sein müssen. ¦ Demnach beruht die Möglichkeit aller anderen Dinge in Ansehung dessen, was in ihnen | real ist, auf dem notwendigen Wesen als einem Realgrund, die Mängel aber darauf, weil es andere Dinge und nicht das Urwesen selber sind, als einem logischen Grund. Die Möglichkeit des Körpers, insofern er Ausdehnung, Kräfte u. dgl. hat, ist in dem obersten aller Wesen gegründet; insofern ihm die Kraft zu denken gebricht, so liegt diese Verneinung in ihm selbst nach dem Satz des Widerspruchs. In der Tat sind Verneinungen an sich selbst nicht Etwas oder denklich, welches man sich leichtlich auf folgende Art faßlich machen kann. Setzt nichts als Negationen, so ist gar nichts gegeben und kein Etwas, das zu denken wäre. Verneinungen sind also nur durch die entgegengesetzten Positionen denklich oder vielmehr, es sind Positionen möglich, die nicht die größten sind. Und hierin liegen schon nach dem Satz der Identität die Verneinungen selber. Es fällt auch leicht in die Augen, daß alle den Möglichkeiten anderer Dinge beiwohnenden Verneinungen keinen Realgrund (weil sie nichts Positives sind), mithin lediglich einen logischen Grund voraussetzen.
20 Etwas ] Buchenau, Weischedel, Klaus, Reich: etwas 28 Verneinungen ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: Vereinigungen
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| Vierte Betrachtung Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes 1. Das notwendige Wesen ist ein Geist 92
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Es ist oben bewiesen, daß das notwendige Wesen eine einfache Substanz sei, imgleichen, daß nicht allein alle andere Realität durch dasselbe als einen Grund gegeben sei, sondern auch die größtmögliche, die in einem Wesen als Bestimmung kann enthalten sein, ihm beiwohne. Nun können verschiedene Beweise93 geführt werden, daß hierzu auch die Eigenschaften des Verstandes und Willens gehören. Denn erstlich, beides ist wahre Realität und beides kann mit der größtmöglichen in einem Ding beisammen bestehen, welches letztere man durch ein unmittelbares Urteil des Verstandes einzuräumen sich gedrungen sieht,94 ob es zwar nicht füglich zu derjenigen Deutlichkeit gebracht werden kann, welche logisch vollkommene Beweise erfordern. | Zweitens sind die Eigenschaften eines Geistes, Verstand und Willen, von der Art, daß wir uns keine Realität denken können, die in Ermangelung ¦ derselben einem Wesen eine Ersetzung tun könnte, welche dem Abgang derselben gleich wäre. Und da diese Eigenschaften also diejenigen sind, welche der höchsten Grade der Realität fähig sind, gleichwohl aber unter die möglichen gehören, so müßte durch das notwendige Wesen, als einen Grund, Verstand und Wille und alle Realität der geistigen Natur an anderen möglich sein, die gleichwohl in ihm selbst nicht als eine Bestimmung angetroffen würde. Es würde demnach die Folge größer sein als selbst der Grund. Denn es ist gewiß, daß, wenn das höchste Wesen nicht selbst Verstand und Willen hat, ein jedes andere, welches durch es mit diesen Eigenschaften ge30 es ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I,
Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Weischedel: ihn
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setzt werde, unerachtet es abhängend wäre und mancherlei andere Mängel der Macht usw. hätte, gleichwohl in Ansehung dieser Eigenschaften von der höchsten Art jenem in Realität vorgehen müßte. Weil nun die Folge den Grund nicht übertreffen kann, so müssen Verstand und Wille der notwendigen einfachen Substanz als Eigenschaften beiwohnen, das ist, sie ist ein Geist.95 | Drittens, Ordnung, Schönheit, Vollkommenheit in allem, was möglich ist, setzen ein Wesen voraus, in dessen Eigenschaften entweder diese Beziehungen gegründet sind, oder doch wenigstens durch welches Wesen die Dinge diesen Beziehungen gemäß als aus einem Hauptgrund möglich sind. Nun ist das notwendige Wesen der hinlängliche Realgrund alles anderen, was außer ihm möglich ist, folglich wird in ihm auch diejenige Eigenschaft, durch welche diesen Beziehungen gemäß alles außer ihm wirklich werden kann, anzutreffen sein. Es scheint aber, daß der Grund der äußeren Möglichkeit, der Ordnung, Schönheit und Vollkommenheit nicht zureichend ist, wofern nicht ein dem Verstand gemäßer Wille vorausgesetzt ist. Also werden diese Eigenschaften dem obersten Wesen müssen beigemessen werden. Jedermann erkennt, daß ungeachtet aller Gründe der Hervorbringung von Pflanzen und Bäumen dennoch regelmäßige Blumenstücke, Alleen u. dgl. nur durch einen Verstand, der sie entwirft, und durch einen Willen, der sie ausführt, möglich sind. Alle Macht oder Hervorbringungskraft, imgleichen alle anderen | Data zur Möglichkeit ohne einen Verstand sind unzulänglich, die Möglichkeit solcher Ordnung vollständig zu machen.96 Aus einem dieser hier angeführten Gründe oder aus ihnen insgesamt wird der Beweis, daß das notwendige Wesen Willen und Verstand haben, mithin ein Geist sein müsse, hergeleitet werden können.97 Ich ¦ begnüge mich bloß, den Beweisgrund vollständig zu machen. Meine Absicht ist nicht, eine förmliche Demonstration darzulegen.98
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2. Es ist ein Gott
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Es existiert etwas schlechterdings notwendig. Dieses ist einig in seinem Wesen, einfach in seiner Substanz, ein Geist nach seiner Natur, ewig in seiner Dauer, unveränderlich in seiner Beschaffenheit, allgenugsam99 in Ansehung alles Möglichen und Wirklichen. Es ist ein Gott.100 Ich gebe hier keine bestimmte Erklärung von dem Begriff von Gott. Ich müßte dieses tun, wenn ich meinen Gegenstand systematisch betrachten wollte. Was ich hier darlege, soll die Analyse sein, dadurch man sich zur förm|lichen Lehrverfassung tüchtig machen kann.101 Die Erklärung des Begriffs der Gottheit mag indessen angeordnet werden, wie man es für gut fi ndet, so bin ich doch gewiß, daß dasjenige Wesen, dessen Dasein wir nur eben bewiesen haben, ebendasjenige göttliche Wesen sei, dessen Unterscheidungszeichen man auf eine oder die andere Art in die kürzeste Benennung bringen wird.
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Weil aus der dritten Betrachtung nichts mehr erhellt, als daß alle Realität entweder in dem notwendigen Wesen als eine Bestimmung oder durch dasselbe als einen Grund müsse gegeben sein, so würde bis dahin unentschieden bleiben, ob die Eigenschaften des Verstandes und Willens in dem obersten Wesen als ihm beiwohnende Bestimmungen anzutreffen seien oder bloß durch dasselbe an anderen Dingen als Folgen anzusehen wären. Wäre das letztere, so würde unerachtet aller Vorzüge, die von diesem Urwesen aus der Zulänglichkeit, Einheit und Unabhängigkeit seines Daseins als eines großen Grundes in die Augen leuchten, doch seine Na|tur derjenigen weit nachstehen, die man sich denken muß, wenn man einen Gott denkt. Denn selber ohne Erkenntnis und Entschließung, würde es ein blindlings notwen-
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diger Grund anderer Dinge und sogar anderer Geister sein und sich von dem ewigen Schicksal einiger Alten103 in nichts unterscheiden, als daß es begreif licher beschrieben wäre. Dies ist die Ursache, weswegen in jeglicher Lehrverfassung auf diesen Umstand besonders ge¦sehen werden muß und warum wir ihn nicht haben aus den Augen setzen können. Ich habe in dem ganzen Zusammenhang aller bisher vorgetragenen zu meinem Beweis gehörigen Gründe nirgend des Ausdrucks von Vollkommenheit104 gedacht. Nicht als wenn ich dafürhielte, alle Realität sei schon soviel wie alle Vollkommenheit,105 oder auch die größte Zusammenstimmung zu Einem mache sie aus.106 Ich habe wichtige Ursachen,107 von diesem Urteil vieler anderer sehr abzugehen.108 Nachdem ich lange Zeit über den Begriff der Vollkommenheit insgemein109 oder insbesondere110 sorgfältige Untersuchungen angestellt habe, so bin ich belehrt worden, daß in einer genaueren Kenntnis derselben überaus | viel verborgen liege, was die Natur eines Geistes, unser eigenes Gefühl und selbst die ersten Begriffe der praktischen Weltweisheit auf klären kann. Ich bin innegeworden, daß der Ausdruck der Vollkommenheit zwar in einigen Fällen nach der Unsicherheit jeder Sprache Ausartungen von dem eigentümlichen Sinn leide, die ziemlich weit abweichen, daß er aber in der Bedeutung, darauf hauptsächlich jedermann selbst bei jenen Abirrungen achthat, allemal eine Beziehung auf ein Wesen, welches Erkenntnis und Begierde hat, voraussetze. Da es nun viel zu weitläufig geworden sein würde, den Beweisgrund von Gott und der ihm beiwohnenden Reali-
2 in nichts ] 1763, 1770, 1794, Weischedel: im nichts 7 f. aller bisher vorgetragenen zu meinem Beweis gehörigen
Gründe ] 1763, 1770, 1794, 1797, Buchenau, Weischedel, Klaus: aller bisher vorgetragener zu meinem Beweise gehöriger Gründe; Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Reich: aller bisher vorgetragenen, zu meinem Beweise gehörigen Gründe
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tät bis zu dieser Beziehung hindurch zu führen, ob es zwar vermöge dessen, was zum Grunde liegt, gar wohl tunlich gewesen wäre, so habe ich es der Absicht dieser Blätter nicht gemäß befunden, durch die Herbeiziehung dieses Begriffs Anlaß zu einer allzugroßen Weitläufigkeit zu geben.
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4. Beschluß
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Ein jeder wird sehr leicht nach dem wie gedacht geführten Beweis so offenbare Folgerungen hin|zufügen können, als da sind: 111 Ich, der ich denke, bin kein so schlechterdings notwendiges Wesen, denn ich bin nicht der Grund aller Realität, ich bin veränderlich; kein anderes Wesen, dessen Nichtsein möglich ist, das ist, dessen Auf hebung nicht zugleich alle Möglichkeit auf hebt, kein veränderliches Ding oder in welchem Schranken sind, mithin auch nicht die Welt, ist von einer solchen Natur; die Welt ist nicht ein Akzidens der Gottheit, weil in ihr Widerstreit, Mängel, Veränderlichkeit, alles Gegenteile der Bestimmungen einer Gottheit, angetroffen werden; ¦ Gott ist nicht die einige Substanz, die da existiert, und alle anderen sind nur abhängend von ihm da usw. Ich bemerke hier nur noch folgendes. Der Beweisgrund von dem Dasein Gottes, den wir geben, ist lediglich darauf erbaut, weil etwas möglich ist. Demnach ist er ein Beweis, der vollkommen a priori geführt werden kann. Es wird weder meine Existenz noch die von anderen Geistern noch die von der körperlichen Welt vorausgesetzt.112 Er ist in der Tat von dem inneren Kenn zeichen der absoluten Notwendigkeit hergenommen. Man erkennt auf | diese Weise das Dasein dieses Wesens aus dem1 hindurch zu führen ] Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann,
Schiele, Buchenau, Klaus: hindurchzuführen; Reich: hin durchzuführen
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jenigen, was wirklich die absolute Notwendigkeit desselben ausmacht, also recht genetisch113. Alle Beweise, die sonst von den Wirkungen dieses Wesens auf sein, als einer Ursache, Dasein geführt werden möchten, gesetzt, daß sie auch so streng beweisen möchten, als sie es nicht tun, können doch niemals die Natur dieser Notwendigkeit begreiflich machen. Bloß daraus, daß etwas schlechterdings notwendig existiert, ist es möglich, daß etwas eine erste Ursache von anderem sei, aber daraus, daß etwas eine erste, das ist, unabhängige Ursache ist, folgt nur, daß, wenn die Wirkungen da sind, sie auch existieren müsse, nicht aber, daß sie schlechterdings notwendigerweise da sei. Weil nun ferner aus dem angepriesenen Beweisgrund erhellt, daß alle Wesen anderer Dinge und das Reale aller Möglichkeit in diesem einigen Wesen gegründet seien, in welchem die größten Grade des Verstandes und eines Willens, der der größtmögliche Grund ist, anzutreffen, und weil in einem solchen alles in der äußerst möglichen Übereinstim|mung sein muß, so wird daraus schon zum voraus abzunehmen sein, daß, da ein Wille jederzeit die innere Möglichkeit der Sache selbst voraussetzt, der Grund der Möglichkeit, das ist, das Wesen Gottes, mit seinem Willen in der größten Zusammenstimmung sein werde, nicht als wenn Gott durch seinen Willen der Grund der inneren Möglichkeit wäre, sondern weil ebendieselbe unendliche Natur, die die Beziehung eines Grundes auf alle Wesen der Dinge hat, zugleich die Beziehung der höchsten Begierde auf die dadurch gegebenen größten Folgen hat und die letztere nur durch die Voraus-
8 f. von anderem ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Schiele, Wei-
schedel: von andern; Rosenkranz: von Anderm; Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann: von Anderem 15 seien ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Weischedel: sei 17 anzutreffen ] Reich: anzutreffen [sind] 21 seinem Willen ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: seinen Willen
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setzung der ersteren fruchtbar sein kann. Demnach werden die Möglichkeiten der Dinge selbst, die durch die göttliche Natur gegeben sind, mit seiner großen Begierde zusammenstimmen. In dieser Zusammenstimmung aber besteht das Gute und die Vollkommenheit. Und weil sie mit Einem über¦einstimmen, so wird selbst in den Möglichkeiten der Dinge Einheit, Harmonie und Ordnung anzutreffen sein. Wenn wir aber auch durch eine reife Beurteilung der wesentlichen Eigenschaften der Dinge, die uns durch Erfahrung bekannt werden, selbst in | den notwendigen Bestimmungen ihrer inneren Möglichkeit eine Einheit im Mannigfaltigen und Wohlgereimtheit in dem Getrennten wahrnehmen, so werden wir durch den Erkenntnisweg a posteriori auf ein einiges Principium aller Möglichkeit zurückschließen können und uns zuletzt bei demselben Grundbegriff des schlechterdings notwendigen Daseins befi nden, von dem wir durch den Weg a priori anfänglich ausgegangen waren. Nunmehr soll unsere Absicht darauf gerichtet sein, zu sehen, ob selbst in der inneren Möglichkeit der Dinge eine notwendige Beziehung auf Ordnung und Harmonie und in diesem unermeßlichen Mannigfaltigen Einheit anzutreffen sei, damit wir daraus urteilen können, ob die Wesen der Dinge selbst einen obersten gemeinschaftlichen Grund erkennen114.
5 mit Einem übereinstimmen ] 1763, 1770, 1794, 1797, Schiele, Ak
1905, Ak 1912, Buchenau, Weischedel, Klaus: mit einem übereinstimmen; Reich: mit einem [einigen Prinzipium] übereinstimmen 12 wahrnehmen ] 1763, 1770, 1794, Weischedel: wahrzunehmen 18 f. ob selbst in der inneren Möglichkeit der Dinge eine ] Weischedel: ob, selbst in der innern Möglichkeit der Dinge, eine
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von dem weitläufigen Nutzen, der dieser Beweisart besonders eigen ist
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worin aus der wahrgenommenen Einheit in den Wesen der Dinge auf das Dasein Gottes a posteriori geschlossen wird
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1. Die Einheit in dem Mannig faltigen der Wesen der Dinge, gewiesen an den Eigenschaften des Raums Die notwendigen Bestimmungen des Raums verschaffen dem Meßkünstler ein nicht gemeines Vergnügen durch die Augenscheinlichkeit in der Überzeugung und durch die Genauigkeit in der | Ausführung, imgleichen durch den weiten Umfang der Anwendung, wogegen das gesamte menschliche Erkenntnis nichts aufzuzeigen hat, das ihm beikäme, vielweniger es überträfe. Ich betrachte aber anjetzt den nämlichen Gegenstand in einem ganz anderen Gesichtspunkt. Ich sehe ihn mit einem philosophischen Auge an und werde gewahr: daß bei so notwendigen Bestimmungen Ordnung und Harmonie und in einem ungeheuren Mannigfaltigen Zusammenpassung und Einheit herrsche. Ich will z. B., daß ein Raum durch die Bewegung einer geraden Linie um einen festen Punkt umgrenzt werde. Ich begreife gar leicht, daß ich dadurch einen Kreis habe, der in allen seinen 18 in ] Reich: von
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Punkten von dem gedachten festen Punkt gleiche Entfernungen hat. ¦ Allein ich fi nde gar keine Veranlassung, unter einer so einfältigen115 Konstruktion sehr viel Mannigfaltiges zu vermuten, das ebendadurch großen Regeln der Ordnung unterworfen sei. Indessen entdecke ich, daß alle geraden Linien, die einander aus einem beliebigen Punkt innerhalb des Zirkels116 durchkreuzen, indem sie an den Umkreis stoßen, jederzeit in geometrischer Proportion geschnitten sind; imgleichen, daß alle diejeni|gen, die von einem Punkt außerhalb des Kreises diesen durchschneiden, jederzeit in solche Stücke zerlegt werden, die sich umgekehrt verhalten wie ihre Ganzen.117 Wenn man bedenkt, wie unendlich viele verschiedene Lagen diese Linien annehmen können, indem sie den Zirkel wie gedacht durchschneiden, und wahrnimmt, wie sie gleichwohl beständig unter dem nämlichen Gesetz stehen, von dem sie nicht abweichen können, so ist es unerachtet dessen, daß die Wahrheit davon leicht begriffen wird, dennoch etwas Unerwartetes, daß so wenig Anstalt in der Beschreibung dieser Figur und gleichwohl so viel Ordnung und in dem Mannigfaltigen eine so vollkommene Einheit daraus erfolgt. Wenn aufgegeben wäre, daß schiefe Flächen in verschiedenen Neigungen gegen den Horizont, doch von solcher Länge angeordnet würden, damit frei herabrollende Körper darauf gerade in gleicher Zeit herabkämen, so wird ein jeder, der die mechanischen Gesetze versteht, einsehen, daß hierzu mancherlei Veranstaltung gehöre. Nun fi ndet sich aber diese Einrichtung im Zirkel von selber mit unendlich viel Abwechselung der Stellungen und doch in | jedem Fall mit der größten Richtigkeit. Denn alle Sehnen, die an den Vertikaldurchmesser stoßen, sie mögen von dessen oberstem oder unterstem Punkt ausgehen, nach welchen Neigungen man auch will, haben insgesamt das gemein: daß der freie Fall durch dieselben in gleichen Zeiten geschieht.118 Ich erinnere mich, daß ein verständiger Lehrling, als ihm dieser Satz mit seinem Beweis von mir vorgetragen wurde, nachdem er alles wohl verstand, dadurch nicht weniger wie durch ein Naturwunder gerührt wurde. Und in der Tat wird man durch eine so son-
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derbare Vereinigung von Mannigfaltigen nach so fruchtbaren Regeln in einer so schlecht und einfältig scheinenden Sache, als ein Zirkelkreis ist, überrascht und mit Recht in Bewunderung gesetzt. Es ist auch kein Wunder der Natur, welches durch die Schönheit oder Ordnung, die darin herrscht, mehr Ursache zum Erstaunen gäbe, es müßte denn sein, daß es deswegen geschähe, weil die Ursache derselben da nicht so deutlich einzusehen ist und die Bewunderung 119 eine Tochter der Unwissenheit ist.120 | ¦ Das Feld, darauf ich Denkwürdigkeiten sammle, ist davon so voll, daß, ohne einen Fuß weiter setzen zu dürfen, sich auf derselben Stelle, da wir uns befi nden, noch unzählige Schönheiten darbieten. Es gibt Auf lösungen der Geometrie, wo dasjenige, was nur durch weitläufige Veranstaltung scheint möglich zu sein, sich gleichsam ohne alle Kunst in der Sache selbst darlegt. Diese werden von jedermann als artig 121 empfunden und dieses um desto mehr, je weniger man selbst dabei zu tun hat und je verwickelter gleichwohl die Auf lösung zu sein scheint. Der Zirkelring zwischen zwei Kreisen, die einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt haben, hat eine von einer Zirkelfläche sehr verschiedene Gestalt, und es kommt jedermann anfänglich als mühsam und künstlich122 vor, ihn in diese Figur zu verwandeln. Allein sobald ich einsehe, daß die den inwendigen Zirkel berührende Linie, so weit gezogen, bis sie zu beiden Seiten den Umkreis des größeren schneidet, der Durchmesser dieses Zirkels sei, dessen Fläche dem Inhalt des Zirkelringes gerade gleich ist,123 so kann ich nicht umhin, einige Befremdung über die einfältige Art zu äußern, wie das Gesuchte in der Na|tur der Sache selbst sich so leicht offenbart und meiner Bemühung hierbei fast nichts beizumessen ist. Wir haben, um in den notwendigen Eigenschaften des Raums Einheit bei der größten Mannigfaltigkeit und Zusammenhang in dem, was eine von dem anderen ganz abgesonderte Notwendigkeit zu haben scheint, zu bemerken, nur bloß unsere Augen 1 von Mannigfaltigen ] Reich: von Mannigfaltigem
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auf die Zirkelfigur gerichtet, welche deren noch unendliche hat, davon ein kleiner Teil bekannt ist. Hieraus läßt sich abnehmen, welche Unermeßlichkeit solcher harmonischen Beziehungen sonst in den Eigenschaften des Raums liege, deren viele die höhere Geometrie in den Verwandtschaften der verschiedenen Geschlechter der krummen Linien darlegt und alle außer der Übung des Verstandes durch die denkliche Einsicht derselben das Gefühl auf eine ähnliche oder erhabenere Art wie die zufälligen Schönheiten der Natur rühren. Wenn man bei dergleichen Anordnungen der Natur berechtigt ist, nach einem Grund einer so weit erstreckten Übereinstimmung des Mannigfalti|gen zu fragen, soll man es denn weniger sein bei Wahrnehmung des Ebenmaßes und der Einheit in den unendlich vielfältigen Bestimmungen des Raums? Ist diese Harmonie darum weniger befremdlich, weil sie notwendig ist? Ich halte dafür, sie sei es darum nur desto mehr. Und weil dasjenige Viele, davon jedes seine besondere und unabhängige Notwendigkeit hätte, nimmermehr Ordnung, Wohlgereimtheit und Einheit in ¦ den gegenseitigen Beziehungen haben könnte, wird man dadurch nicht ebensowohl wie durch die Harmonie in den zufälligen Anstalten der Natur auf die Vermutung eines obersten Grundes selbst der Wesen der Dinge geführt, da die Einheit des Grundes auch Einheit in dem Umfang aller Folgen veranlaßt?
2. Die Einheit im Mannig faltigen der Wesen der Dinge, gewiesen an demjenigen, was in den Bewegungsgesetzen notwendig ist A 57
Wenn man in der Natur eine Anordnung ent|deckt, die um eines besonderen Zwecks willen scheint getroffen zu sein, indem sie sich nicht bloß nach den allgemeinen Eigenschaften der Ma16 sie sei es darum ] 1763: sie sei darum
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terie würde dargeboten haben, so sehen wir diese Anstalt als zufällig und als die Folge einer Wahl an. Zeigen sich nun neue Übereinstimmung, Ordnung und Nutzen und besonders dazu abgerichtete Mittelursachen, so beurteilen wir dieselben auf die ähnliche Art; dieser Zusammenhang ist der Natur der Sachen ganz fremd, und bloß weil es jemand beliebt hat, sie so zu verknüpfen, stehen sie in dieser Harmonie. Man kann keine allgemeine Ursache angeben, weswegen die Klauen der Katze, des Löwen u. a. m. so gebaut sind, daß sie sporen, das ist, sich zurücklegen können, als weil irgendein Urheber sie zu dem Zweck, um vor dem Abschleifen gesichert zu sein, so angeordnet hat, indem diese Tiere geschickte Werkzeuge haben müssen, ihren Raub zu ergreifen und zu halten.124 Allein, wenn gewisse allgemeinere Beschaffenheiten, die der Materie beiwohnen, außer einem Vorteil, den sie schaffen und um dessen willen man sich vorstellen kann, daß sie so geordnet worden, ohne die mindeste neue Vorkehrung gleichwohl eine besondere Tauglichkeit zu noch mehr | Übereinstimmung zeigen, wenn ein einfältiges Gesetz, das jedermann um eines gewissen Guten willen allein schon nötig fi nden würde, gleichwohl eine ausgebreitete Fruchtbarkeit an noch viel mehrerem zeigt, wenn die übrigen Nutzen und Wohlgereimtheiten daraus ohne Kunst, sondern vielmehr notwendigerweise fl ießen, wenn endlich dieses sich durch die ganze materiale Natur so befi ndet: so liegen offenbar selbst in den Wesen der Dinge durchgängige Beziehungen zur Einheit und zum Zusammenhang, und eine allgemeine Harmonie breitet sich über das Reich der Möglichkeit selber aus. Dieses veranlaßt eine Bewunderung über soviel Schicklichkeit und natürliche Zusammenpassung, die, indem sie die ¦ peinliche125 und erzwungene Kunst entbehrlich macht, gleichwohl selber nimmermehr dem Ungefähr beigemessen werden kann, sondern eine in den Möglichkeiten selbst liegende Einheit und die gemeinschaftliche Abhängigkeit selbst der Wesen aller Dinge von einem einigen großen Grund anzeigt. Ich werde diese sehr große Merkwürdigkeit durch einige leichte Beispiele deutlich zu
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machen suchen, indem ich die Methode sorgfältig befolge, aus dem, was durch Beobachtung unmittelbar gewiß ist, zu | dem allgemeineren Urteil langsam hinaufzusteigen.126 Man kann einen Nutzen unter tausend wählen, weswegen man es als nötig ansehen kann, daß ein Luftkreis127 sei, wenn man durchaus einen Zweck zum Grunde zu haben verlangt, wodurch eine Anstalt in der Natur zuerst veranlaßt worden. Ich räume also dieses ein und nenne etwa das Atmen der Menschen und Tiere als die Endabsicht dieser Veranstaltung. Nun gibt diese Luft durch die nämlichen Eigenschaften und keine mehr, die sie zum Atemholen allein bedürfte, zugleich Anlaß zu einer Unendlichkeit von schönen Folgen, die damit notwendigerweise begleitet sind und nicht dürfen durch besondere Anlagen befördert werden. Ebendieselbe elastische Kraft und Gewicht der Luft macht das Saugen möglich, ohne welches junge Tiere der Nahrung entbehren müßten, und die Möglichkeit der Pumpwerke ist davon eine notwendige Folge. Durch sie geschieht es, daß Feuchtigkeit in Dünsten hinaufgezogen wird, welche sich oben in Wolken verdicken, die den Tag verschönern, öfters die übermäßige Hitze der Sonne mildern, vornehmlich aber dazu | dienen, die trockenen Gegenden der Erdfläche durch den Raub von den Wasserbetten der niedrigen milde zu befeuchten. Die Dämmerung, die den Tag verlängert und dem Auge durch allmähliche Zwischengrade den Überschritt von der Nacht zum Tag unschädlich macht, und vornehmlich die Winde sind ganz natürliche und ungezwungene Folgen derselben.
14 und Gewicht ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz,
Weischedel, Klaus: und Gewichte; Reich: und das Gewicht 24 Zwischengrade den Überschritt ] Hartenstein I: Zwischengrade [bei] dem Überschritt; Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Buchenau, Klaus: Zwischengrade bei dem Überschritt 25 Tag unschädlich ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Schiele, Buchenau, Weischedel, Klaus: Tage diesen Wechsel unschädlich
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Stellt euch vor, ein Mensch mache sich einen Entwurf, wie die Küsten der Länder des heißen Weltstrichs, die sonst heißer sein müßten als die tiefer im Land liegenden Gegenden, eine etwas erträglichere Wärme sollten genießen können, so wird er am natürlichsten auf einen Seewind verfallen, der zu dieser Absicht in den heißesten Tagesstunden wehen müßte.128 Weil aber, da es zur Nachtzeit über der See viel geschwinder kalt wird als über dem Land, nicht zuträglich sein dürfte, daß derselbe Wind immer wehte, so würde er wünschen, daß es der Vorsehung gefallen hätte, es so zu veranstalten, daß in den mittleren Stunden der Nacht der Wind ¦ vom Land wieder zurückkehrte, welches auch viel anderen Nutzen mit befördern könnte. Nun würde nur die Frage sein, | durch welche Mechanik und künstliche Anordnung dieser Windeswechsel zu erhalten wäre, und hierbei würde man noch große Ursache haben zu besorgen: daß, da der Mensch nicht verlangen kann, daß alle Naturgesetze sich zu seiner Bequemlichkeit anschicken sollen, dieses Mittel zwar möglich, aber mit den übrigen nötigen Anstalten so übel zusammenpassend sein dürfte, daß die oberste Weisheit es darum nicht zu verordnen gut fände. Alles dieses Bedenken ist indessen unnötig. Was eine nach überlegter Wahl getroffene Anord-
3 die tiefer im Land liegenden Gegenden ] 1763 (Korr. durch Druck-
fehlerverzeichnis 1763), 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz: die tiefen Gegenden 10 daß ] = Konj. Hg.; die anderen Ausgaben: damit. – In diesem Sinne übersetzt auch CE 141: »For this reason, our planner would wish that it had occured to Providence so to arrange things that, during the middle hours of the night, the wind should blow in the opposite direction from the land«; ebenso Theis 127: »[…] il souhaiterait donc qu’il y eût plu à la Providence d’arranger les choses de sorte que, dans les heures du milieu de la nuit, le vent […].« – Kant verwendet die Konjunktion ›damit‹ hauptsächlich in fi naler, gelegentlich aber auch in einer auf der Grenze zur konsekutiven stehenden Bedeutung (cf. etwa 02921, 04622 ). Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. II, Sp. 706 (Nr. 7).
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nung tun würde, verrichtet hier die Luft nach den allgemeinen Bewegungsgesetzen, und ebendasselbe einfache Principium ihrer anderweitigen Nutzbarkeit bringt auch diese ohne neue und besondere Anstalten hervor. Die von der Tageshitze verdünnte Luft über dem brennenden Boden eines solchen Landes weicht notwendigerweise der dichteren und schwereren über dem kühlen Meer und verursacht den Seewind, der um deswillen von den heißesten Tagesstunden an bis spät in den Abend weht, und die Seeluft, die aus den nämlichen Ursachen am Tag so stark nicht erhitzt worden war als die über dem Land, verkühlt des Nachts geschwinder, zieht sich zusammen und ver|anlaßt den Rückzug der Landluft zur Nachtzeit. Jedermann weiß: daß alle Küsten des heißen Weltteils diesen Wechselwind genießen.129 Ich habe, um die Beziehungen, welche einfache und sehr allgemeine Bewegungsgesetze durch die Notwendigkeit ihres Wesens auf Ordnung und Wohlgereimtheit haben, zu zeigen, nur meinen Blick auf einen kleinen Teil der Natur, nämlich auf die Wirkungen der Luft, geworfen. Man wird leicht gewahr werden, daß die ganze unermeßliche Strecke der großen Naturordnung in ebendemselben Betracht vor mir offenliege. Ich behalte mir vor, noch etwas in dem Folgenden zu Erweiterung dieser schönen Aussicht beizufügen. Anjetzt würde ich etwas Wesentliches aus der Acht lassen, wenn ich nicht der wichtigen Entdeckung des Herrn v. Maupertuis130 gedächte, die er in Ansehung der Wohlgereimtheit der notwendigen und allgemeinsten Bewegungsgesetze gemacht hat. Das, was wir zum Beweis angeführt haben, betrifft zwar weit ausgebreitete und notwendige Gesetze, allein nur von einer besonderen Art der Mate|rien der Welt. Der Herr v. Maupertuis bewies dagegen: daß selbst die allgemeinsten Gesetze, wonach die Materie überhaupt wirkt, sowohl im Gleichgewicht als beim Stoß, sowohl der elastischen als unelastischen ¦ Körper, bei dem Anziehen des Lichts in der Brechung ebensogut als beim Zurückstoßen desselben in der Abprallung, einer herrschenden Regel unterworfen sind, nach welcher die größte Sparsamkeit131 in
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der Handlung jederzeit beobachtet ist. Durch diese Entdeckung sind die Wirkungen der Materie ungeachtet der großen Verschiedenheiten, die sie an sich haben mögen, unter eine allgemeine Formel gebracht, die eine Beziehung auf Anständigkeit, Schönheit und Wohlgereimtheit ausdrückt. Gleichwohl sind die Gesetze der Bewegung selber so bewandt, daß sich nimmermehr eine Materie ohne sie denken läßt, und sie sind so notwendig, daß sie auch ohne die mindesten Versuche aus der allgemeinen und wesentlichen Beschaffenheit aller Materie mit größter Deutlichkeit können hergeleitet werden.132 Der gedachte scharfsinnige Gelehrte empfand alsbald,133 daß, indem dadurch in dem unendlichen Mannigfaltigen des Universums Einheit und in dem blindlings Notwendigen Ordnung verursacht wird, ir|gendein oberstes Principium sein müsse, wovon alles dieses seine Harmonie und Anständigkeit herhaben kann. Er glaubte mit Recht, daß ein so allgemeiner Zusammenhang in den einfachsten Naturen der Dinge einen weit tauglicheren Grund an die Hand gebe, irgend in einem vollkommenen Urwesen die letzte Ursache von allem in der Welt mit Gewißheit anzutreffen als alle Wahrnehmung verschiedener zufälliger und veränderlicher Anordnung nach besonderen Gesetzen. Nunmehr kam es darauf an, welchen Gebrauch die höhere Weltweisheit von dieser wichtigen neuen Einsicht würde machen können, und ich glaube, in der Mutmaßung nicht zu fehlen, wenn ich dafürhalte, daß die königliche Akademie der Wissenschaften in Berlin dieses zur Absicht der Preisfrage gehabt habe: ob die Bewegungsgesetze notwendig oder zufällig seien, und welche niemand der Erwartung gemäß beantwortet hat.134 Wenn die Zufälligkeit im Realverstand genommen wird, daß sie in der Abhängigkeit des Materialen der Möglichkeit von einem anderen besteht, so ist augenscheinlich, daß die Bewe2 f. Verschiedenheiten ] 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Harten-
stein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele: Verschiedenheit 30 des ] Ak 1912: der
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gungsgesetze und die allgemeinen Eigenschaften der Materie, die ihnen | gehorchen, irgend von einem großen gemeinschaftlichen Urwesen, dem Grund der Ordnung und Wohlgereimtheit, abhängen müssen. Denn wer wollte dafürhalten: daß in einem weitläufigen Mannigfaltigen, worin jedes einzelne seine eigene völlig unabhängige Natur hätte, gleichwohl durch ein befremdliches Ungefähr sich alles sollte gerade so schicken, daß es wohl miteinander reimte und im Ganzen Einheit sich hervorfände. Allein, daß dieses gemeinschaftliche Principium ¦ nicht bloß auf das Dasein dieser Materie und der ihr erteilten Eigenschaften gehen müsse, sondern selbst auf die Möglichkeit einer Materie überhaupt und auf das Wesen selbst,135 leuchtet dadurch deutlich in die Augen, weil das, was einen Raum erfüllen soll, was der Bewegung des Stoßes und Druckes soll fähig sein, gar nicht unter anderen Bedingungen kann gedacht werden, als diejenigen sind, woraus die genannten Gesetze notwendigerweise herfl ießen. Auf diesem Fuß sieht man ein: 136 daß diese Bewegungsgesetze d e r M a t e r i e schlechterdings notwendig seien, das ist, wenn die Möglichkeit der Materie vorausgesetzt wird, es ihr widerspreche, nach anderen Gesetzen zu wirken, welches eine logische Notwendigkeit von der obersten Art ist, daß gleich|wohl die innere Möglichkeit der Materie selbst, nämlich die Data und das Reale, was diesem Denklichen zum Grunde liegt, nicht unabhängig oder für sich selbst gegeben sei, sondern durch irgendein Principium, in welchem das Mannigfaltige Einheit und das Verschiedene Verknüpfung bekommt, gesetzt sei, welches die Zufälligkeit der Bewegungsgesetze im Realverstand beweist.
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Zweite Betrachtung 137 Unterscheidung der Abhängigkeit aller Dinge von Gott in die m o r a l i s c h e 138 und u n m o r a l i s c h e
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Ich nenne diejenige Abhängigkeit eines Dinges von Gott, da er ein Grund desselben durch seinen Willen ist, m o r a l i s c h , alle übrige aber ist u n m o r a l i s c h . Wenn ich demnach behaupte, Gott enthalte den letzten Grund selbst der inneren Möglichkeit der Dinge, so wird ein jeder leicht verstehen, daß diese Abhängigkeit nur unmoralisch sein kann; denn der Wille macht nichts möglich, sondern beschließt nur, was als möglich schon vorausgesetzt | ist. Insofern Gott den Grund von dem Dasein der Dinge enthält, so gestehe ich, daß diese Abhängigkeit jederzeit moralisch sei, das ist, daß sie darum existieren, weil er gewollt hat, daß sie sein sollten. Es bietet nämlich die innere Möglichkeit der Dinge demjenigen, der ihr Dasein beschloß, Materialien dar, die eine ungemeine Tauglichkeit zur Übereinstimmung und eine in ihrem Wesen liegende Zusammenpassung zu einem auf vielfältige Art ordentlichen und schönen Ganzen enthalten. Daß ein Luftkreis existiert, kann um der daraus zu erreichenden Zwecke willen Gott als einem moralischen Grund beigemessen werden. Allein, ¦ daß eine so große Fruchtbarkeit in dem Wesen eines einzigen, so einfachen Grundes liegt, so viel schon in seiner Möglichkeit liegende Schicklichkeit und Harmonie, welche nicht neuer Vorkehrungen bedarf, um mit anderen möglichen Dingen einer Welt mannigfaltigen Regeln der Ordnung gemäß sich zusammenzuschicken, das kann gewiß nicht wiederum einer freien Wahl beigemessen werden; weil aller Entschluß eines Willens die Erkenntnis | der Möglichkeit des zu Beschließenden voraussetzt. Alles dasjenige, dessen Grund in einer freien Wahl gesucht werden soll, muß insofern auch zufällig sein. Nun ist die Vereinigung vieler und mannigfaltiger Folgen untereinander, die not-
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wendig aus einem einzigen Grund fl ießen, nicht eine zufällige Vereinigung; mithin kann diese nicht einer freiwilligen Bestimmung zugeschrieben werden. So haben wir oben gesehen,139 daß die Möglichkeit der Pumpwerke, des Atmens, die Erhebung der flüssigen Materien, wenn welche da sind, in Dünste, die Winde etc. voneinander unzertrennlich sind, weil sie alle aus einem einzigen Grund, nämlich der Elastizität und Schwere der Luft, abhängen, und diese Übereinstimmung des Mannigfaltigen in Einem ist daher keineswegs zufällig und also nicht einem moralischen Grund beizumessen. Ich gehe hier nur immer auf die Beziehung, die das Wesen der Luft oder eines jeden anderen Dinges zu der m ö g l i c h e n Hervorbringung so vie|ler schöner Folgen hat, das ist, ich betrachte nur die Ta u g l i c h k e i t ihrer Natur zu so vielen Zwecken, und da ist die Einheit wegen der Übereinstimmung eines einigen Grundes zu so vielen möglichen Folgen gewiß notwendig, und diese möglichen Folgen sind insofern voneinander und von dem Ding selbst unzertrennlich. Was die wirkliche Hervorbringung dieser Nutzen anlangt, so ist sie insofern zufällig, als eins von den Dingen, darauf sich das Ding bezieht, fehlen oder eine fremde Kraft die Wirkung hindern kann. In den Eigenschaften des Raums liegen schöne Verhältnisse und in dem unermeßlich Mannigfaltigen seiner Bestimmungen eine bewundernswürdige Einheit. Das Dasein aller dieser Wohlgereimtheit, insofern Materie den Raum erfüllen sollte, ist mit allen ihren Folgen der Willkür der ersten Ursache beizumessen; allein, was die Vereinbarung so vieler Folgen, die alle mit den Dingen in der Welt in so großer Harmonie stehen, untereinander anlangt, so würde es ungereimt sein, sie wiederum in einem Willen zu suchen. Unter anderen notwendigen Folgen aus | der ¦ Natur der Luft ist auch diejenige zu zählen, da durch sie den darin bewegten Materien Widerstand geleistet wird. Die Regentropfen, indem sie von ungemeiner Höhe herabfallen, wer7 der Elastizität ] Ak 1912: die Elastizität
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den durch sie aufgehalten und kommen mit mäßiger Schnelligkeit herab, da sie ohne diese Verzögerung eine sehr verderbliche Gewalt im Herabstürzen von solcher Höhe würden erworben haben. Dieses ist ein Vorteil, der, weil ohne ihn die Luft nicht möglich ist, nicht durch einen besonderen Ratschluß mit den übrigen Eigenschaften derselben verbunden worden. Der Zusammenhang der Teile der Materie mag nun z. B. bei dem Wasser eine notwendige Folge von der Möglichkeit der Materie überhaupt oder eine besonders veranstaltete Anordnung sein, so ist die unmittelbare Wirkung davon die runde Figur kleiner Teile derselben, als der Regentropfen. Dadurch aber wird der schöne farbige Bogen140 nach sehr allgemeinen Bewegungsgesetzen möglich, der mit einer rührenden Pracht und Regelmäßigkeit über dem Gesichtskreis steht, wenn die unverdeckte Sonne in die gegenüber herabfallenden Regentropfen strahlt. Daß flüssige Materien und schwere Körper da sind, | kann nur dem Begehren dieses mächtigen Urhebers beigemessen werden, daß aber ein Weltkörper in seinem flüssigen Zustand ganz notwendigerweise so allgemeinen Gesetzen zufolge eine Kugelgestalt anzunehmen bestrebt ist, welche nachher besser wie irgendeine andere mögliche mit den übrigen Zwecken des Universums zusammenstimmt, indem z. B. eine solche Oberfl äche der gleichförmigsten Verteilung des Lichts fähig ist, das liegt in dem Wesen der Sache selbst. Der Zusammenhang der Materie und der Widerstand, den die Teile mit ihrer Trennbarkeit verbinden, macht die Reibung notwendig, welche von so großem Nutzen ist und so wohl mit der Ordnung in allen mannigfaltigen Naturveränderungen zusammenstimmt als irgend etwas, was nicht aus so allgemeinen Gründen geflossen wäre, sondern durch eine besondere Anstalt wäre hinzugekommen. Wenn Reibung die Bewegungen nicht verzögerte, so würde die Auf behaltung der einmal hervorgebrachten Kräfte durch die Mitteilung an andere, die Zurückschlagung und immer fortgesetzten Anstöße und Erschütterungen alles zuletzt in Verwirrung bringen. Die Flächen, worauf
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Kör per | liegen, müßten jederzeit vollkommen waagerecht sein (welches sie nur selten sein können), sonst würden diese jederzeit glitschen. Alle gedrehten Stricke halten nur durch Reibung. Denn die Fäden, welche nicht die ganze Länge des Stricks haben, würden mit der mindesten Kraft auseinandergezogen werden, wenn nicht die der Kraft, ¦ womit sie durch das Winden aneinander gepreßt sind, gemäße Reibung sie zurückhielte. Ich führe hier darum so wenig geachtete und gemeine Folgen aus den einfältigsten und allgemeinsten Naturgesetzen an, damit man daraus sowohl die große und unendlich weit ausgebreitete Zusammenstimmung, die die Wesen der Dinge überhaupt untereinander haben, und die großen Folgen, die derselben beizumessen sind, auch in den Fällen abnehme, wo man nicht geschickt genug ist, manche Naturordnung bis auf solche einfältigen und allgemeinen Gründe zurückzuführen, als auch damit man das Widersinnige empfi nde, was darin liegt, wenn man bei dergleichen Übereinstimmungen die Weisheit Gottes als den besonderen Grund derselben nennt. Daß Dinge da sind, die so viel schöne Beziehung haben, ist der | weisen Wahl desjenigen, der sie um dieser Harmonie willen hervorbrachte, beizumessen, daß aber ein jedes derselben eine so ausgebreitete Schicklichkeit zu vielfältiger Übereinstimmung durch einfache Gründe enthielte und dadurch eine bewundernswürdige Einheit im Ganzen konnte erhalten werden, liegt selbst in der Möglichkeit der Dinge, und da hier das Zufällige, was bei jeder Wahl vorausgesetzt werden muß, verschwindet, so kann der Grund dieser Einheit zwar in einem weisen Wesen, aber nicht vermittelst seiner Weisheit gesucht werden.
13 abnehme ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: abnehmen; Buche-
nau, Klaus: abnehmen könne
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1. Einteilung der Weltbegebenheiten, insofern sie unter der Ordnung der Natur stehen oder nicht Es steht etwas unter der Ordnung der Natur, insofern sein Dasein oder seine Veränderung in | den Kräften der Natur zureichend gegründet ist. Hierzu wird erfordert erstlich, daß die Kraft der Natur davon die wirkende Ursache sei; zweitens, daß die Art, wie sie auf die Hervorbringung dieser Wirkung gerichtet ist, selbst in einer Regel der natürlichen Wirkungsgesetze hinreichend gegründet sei. Dergleichen Begebenheiten heißen auch schlechthin n a t ü r l i c h e Weltbegebenheiten. Dagegen wo dieses nicht ist, so ¦ ist der Fall, der unter solchem Grund nicht steht, etwas Übernatürliches, und dieses fi ndet statt entweder insofern die nächste wirkende Ursache außer der Natur ist, das ist, insofern die göttliche Kraft sie unmittelbar hervorbringt, oder zweitens, wenn auch nur die Art, wie die Kräfte der Natur auf diesen Fall gerichtet worden, nicht unter einer Regel der Natur enthalten ist.141 Im ersteren Fall nenne ich die Begebenheit m a t e r i a l i t e r , im anderen f o r m a l i t e r ü b e r n a t ü r l i c h 142 . Da bloß der letztere Fall einige Erläuterung zu bedürfen scheint, indem das übrige für sich klar ist, so will ich davon Beispiele anführen. Es sind viele Kräfte in der Natur, die das Vermögen haben, einzelne Menschen oder Staaten oder das ganze menschliche Geschlecht zu | verderben: Erdbeben, Sturmwinde, Mee2 der Dinge der Welt von Gott ] 1763 (Korr. durch Druckfehlerver-
zeichnis 1763), 1770, 1794, 1797: der Dinge der von Gott; Tieftrunk, Rosenkranz: der Dinge von Gott 23 einige Erläuterung ] Reich: einiger Erläuterungen
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resbewegungen, Kometen etc. Es ist auch nach einem allgemeinen Gesetz genugsam in der Verfassung der Natur gegründet, daß einiges von diesen bisweilen geschieht. Allein unter den Gesetzen, wonach es geschieht, sind die Laster und das moralische Verderben der Menschengeschlechter gar keine n a t ü r l i c h e n Gründe, die damit in Verbindung ständen. Die Missetaten einer Stadt haben keinen Einfluß auf das verborgene Feuer der Erde, und die Üppigkeiten der ersten Welt143 gehörten nicht zu den wirkenden Ursachen, welche die Kometen in ihren Bahnen zu sich herabziehen konnten. Und wenn sich ein solcher Fall ereignet, man mißt ihn aber einem natürlichen Gesetz bei, so will man damit sagen, daß es ein Unglück, nicht aber daß es eine Strafe sei, indem das moralische Verhalten der Menschen kein Grund der Erdbeben nach einem natürlichen Gesetz sein kann, weil hier keine Verknüpfung von Ursachen und Wirkungen stattfi ndet.144 Z. B.: Wenn das Erdbeben die Stadt Port Royal in Jamaica umkehrt,* so wird derjenige, der die|ses eine natürliche Begebenheit nennt, darunter verstehen: daß, obzwar die Lastertaten der Einwohner nach dem Zeugnis ihres Predigers eine solche Verwüstung wohl als ein Strafgericht verdient hätten, dennoch dieser Fall als einer von vielen anzusehen sei, der sich bisweilen nach einem allgemeineren Gesetz der Natur zuträgt, da Gegenden der Erde und unter diesen bisweilen Städte und unter diesen dann und wann auch sehr lasterhafte Städte erschüttert werden. Soll es dagegen als eine Strafe betrachtet werden, so müssen diese Kräfte der Natur, da sie nach einem natürlichen Gesetz den Zusammenhang mit der Führung der Menschen nicht haben können, auf jeden solchen einzelnen Fall durch ¦ das höchste Wesen besonders gerichtet sein; alsdann aber ist die Begebenheit im formalen Verstand übernatürlich, obgleich die Mittelursache eine Kraft der Natur war. Und wenn auch durch eine lange Reihe von Vorbereitungen, die *
Siehe Ray 145 von der Welt Anfang, Veränd. und Untergang.146
12 f. daß es eine Strafe ] 1763, 1770, 1794, Weischedel: daß eine Strafe
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dazu besonders in die wirksamen Kräfte der Welt angelegt waren, diese Begebenheit endlich als ein Strafgericht zustande kam, wenn man gleich annehmen wollte, daß schon bei der Schöpfung Gott alle Anstalten dazu gemacht | hätte, daß sie nachher durch die darauf in der Natur gerichteten Kräfte zur rechten Zeit geschehen sollte (wie man dieses in Whistons Theorie von der Sintflut,147 insofern sie vom Kometen herrühren soll, sich so gedenken kann), so ist das Übernatürliche dadurch gar nicht verringert, sondern nur weit bis in die Schöpfung hinaus verschoben und dadurch unbeschreiblich vermehrt worden. Denn diese ganze Reihenfolge, insofern die Art ihrer Anordnung sich auf den Ausgang bezog, indem sie in Ansehung desselben gar nicht als eine Folge aus allgemeineren Naturgesetzen anzusehen war, bezeichnet eine unmittelbare, noch größere göttliche Sorgfalt, die auf eine so lange Kette von Folgen gerichtet war, um auch den Hindernissen auszuweichen, die die genaue Erreichung der gesuchten Wirkung konnten verfehlen machen. Hingegen gibt es Strafen und Belohnungen nach der Ordnung der Natur, darum, weil das moralische Verhalten der Menschen mit ihnen nach den Gesetzen der Ursachen und Wirkungen in Verknüpfung steht. Wilde Wollust und Unmäßigkeit endigen sich in einem siechen und martervollen | Leben. Ränke und Arglist scheitern zuletzt, und Ehrlichkeit ist doch am Ende die beste Politik. In allem diesem geschieht die Verknüpfung der Folgen nach den Gesetzen der Natur. Soviel aber auch immer derjenigen Strafen oder Belohnungen oder jeder anderen Begebenheiten in der Welt sein mögen, davon die Richtung der Naturkräfte jederzeit außerordentlich148 auf jeden einzelnen Fall hat geschehen müssen, wenngleich eine gewisse Einförmigkeit 1 die wirksamen Kräfte ] Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Har-
tenstein II, Kirchmann: den wirksamen Kräften 13 allgemeineren ] 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Reich: allgemeinen; in diesem Sinn auch Treash 123: »universal« 17 Wirkung ] Ak 1905, Ak 1912, Reich: Wirkungen
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unter vielen derselben herrscht, so sind sie zwar einem unmittelbaren göttlichen Gesetz, nämlich demjenigen seiner Weisheit, aber keinem Naturgesetz untergeordnet.
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¦ 2. Einteilung der natürlichen Begebenheiten, insofern sie unter der notwendigen oder zufälligen Ordnung der Natur stehen Alle Dinge der Natur sind zufällig in ihrem Dasein. Die Verknüpfung verschiedener Arten von Dingen, z. B. der Luft, der Erde, des Wassers, ist gleichfalls ohne Zweifel zuf ällig und inso|fern bloß der Willkür des obersten Urhebers beizumessen. Allein, obgleich die Naturgesetze insofern keine Notwendigkeit zu haben scheinen als149 die Dinge selbst, davon sie es sind, imgleichen die Verknüpfungen, darin sie ausgeübt werden können, zufällig sind,150 so bleibt gleichwohl eine Art der Notwendigkeit übrig, die sehr merkwürdig ist. Es gibt nämlich viele Naturgesetze, deren Einheit notwendig ist, das ist, wo ebenderselbe Grund der Übereinstimmung zu einem Gesetz auch andere Gesetze notwendig macht. Z. B. ebendieselbe elastische Kraft und Schwere der Luft, die ein Grund ist der Gesetze des Atemholens, ist notwendigerweise zugleich ein Grund von der Möglichkeit der Pumpwerke, von der Möglichkeit der zu erzeugenden Wolken, der Unterhaltung des Feuers, der Winde etc. Es ist notwendig, daß zu den übrigen der Grund anzutreffen sei, sobald auch nur zu einem einzigen derselben Grund da ist. Dagegen wenn der Grund einer gewissen Art ähnlicher Wirkungen nach einem Gesetz nicht zugleich der Grund einer anderen Art Wirkungen nach einem anderen Gesetz in demselben Wesen ist, so ist die Vereinbarung dieser Gesetze zufällig, oder es herrscht in diesen Gesetzen zufällige | Einheit, und was sich darnach in dem Ding zuträgt, geschieht nach einer zufälligen Naturordnung. 24 derselben ] Reich: derselbe
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Der Mensch sieht, hört, riecht, schmeckt usw., aber nicht ebendieselben Eigenschaften, die die Gründe des Sehens sind, sind auch die des Schmeckens. Er muß andere Organe zum Hören wie zum Schmecken haben. Die Vereinbarung so verschiedener Vermögen ist zufällig und, da sie zur Vollkommenheit abzielt, künstlich. Bei jedem Organ ist wiederum künstliche Einheit. In dem Auge ist der Teil, der Licht einfallen läßt, ein anderer als der, so es bricht, noch ein anderer, so das Bild auffängt. Dagegen sind es nicht andere Ursachen, die der Erde die Kugelrundung verschaffen, noch andere, die wider den Drehungsschwung die Körper der Erde zurückhalten, noch eine andere, die den Mond im Kreis erhält, sondern die einzige Schwere ist eine Ursache, die notwendigerweise zu allem diesem ¦ zureicht. Nun ist es ohne Zweifel eine Vollkommenheit, daß zu allen diesen Wirkungen Gründe in der Natur angetroffen werden, und wenn der nämliche Grund, der die eine bestimmt, auch zu den anderen hinreichend ist, um desto mehr Einheit wächst dadurch dem Ganzen zu. Diese Einheit aber und mit | ihr die Vollkommenheit ist in dem hier angeführten Fall notwendig und klebt dem Wesen der Sache an, und alle Wohlgereimtheit, Fruchtbarkeit und Schönheit, die ihr insofern zu verdanken ist, hängt von Gott vermittelst der wesentlichen Ordnung der Natur ab oder vermittelst desjenigen, was in der Ordnung der Natur notwendig ist. Man wird mich hoffentlich schon verstehen, daß ich diese Notwendigkeit nicht auf das Dasein dieser Dinge selber, sondern lediglich auf die in ihrer Möglichkeit liegende Übereinstimmung und Einheit als einen notwendigen Grund einer so überaus großen Tauglichkeit und Fruchtbarkeit erstreckt wissen will. Die Geschöpfe des Pflanzen- und Tierreichs bieten durchgängig die bewundernswürdigsten Beispiele einer zufälligen, aber mit großer Weisheit übereinstimmenden Einheit dar. Gefäße, die Saft 12 im Kreis ] 1763 (Korr. durch Druckfehlerverzeichnis 1763), 1770,
1794, 1797, Tieftrunk, Hartenstein I: in Kreisen 31 übereinstimmenden ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: übereinstimmender
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saugen, Gefäße, die Luft saugen, diejenigen, so den Saft ausarbeiten, und die, so ihn ausdünsten etc., ein großes Mannigfaltiges, davon jedes einzeln keine Tauglichkeit zu den Wirkungen des anderen hat und wo die Vereinbarung derselben zur gesamten Vollkommenheit künstlich ist, so daß die Pflanze selbst mit ihren Beziehungen | auf so verschiedene Zwecke ein zufälliges und willkürliches Eine ausmacht. Dagegen liefert vornehmlich die unorganische Natur unaussprechlich viele Beweistümer einer notwendigen Einheit in der Beziehung eines einfachen Grundes auf viele anständige Folgen, dermaßen, daß man auch bewogen wird zu vermuten, daß vielleicht da, wo selbst in der organischen Natur manche Vollkommenheit scheinen kann, ihre besondere Anstalt zum Grunde zu haben, sie wohl eine notwendige Folge aus ebendemselben Grund sein mag, welcher sie mit vielen anderen schönen Wirkungen schon in seiner wesentlichen Fruchtbarkeit verknüpft, so daß auch sogar in diesen Naturreichen mehr notwendige Einheit sein mag, als man wohl denkt.151 Weil nun die Kräfte der Natur und ihre Wirkungsgesetze den Grund einer Ordnung der Natur enthalten, welche, insofern sie mannigfaltige Harmonie in einer notwendigen Einheit zusammenfaßt, veranlaßt, daß die Verknüpfung vieler Vollkommenheit in e i n e m Grund zum Gesetz wird, so hat man verschiedene Naturwirkungen in Ansehung ihrer Schönheit und Nütz|lichkeit unter der wesentlichen Naturordnung und vermittelst ¦ derselben unter Gott zu betrachten. Dagegen da auch manche Vollkommenheiten in einem Ganzen nicht durch die Fruchtbarkeit eines einzigen Grundes möglich sind, sondern verschiedene willkürlich zu dieser Absicht vereinbarte Gründe erheischen, so wird wiederum man1 so ] Reich: die 2 so ] Reich: die 13 zum Grunde ] Ak 1905, Ak 1912, Reich: zu Grunde 18 denkt. Weil ] Ak 1905, Ak 1912, Buchenau, Klaus, Reich: fügen
Absatz ein 26 Vollkommenheiten ] 1770, 1794, 1797: Vollkommenheit
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che künstliche Anordnung die Ursache eines Gesetzes sein, und die Wirkungen, die darnach geschehen, stehen unter der zufälligen und künstlichen Ordnung der Natur, vermittelst ihrer aber unter Gott.
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1. Was aus unserem Beweisgrund zum Vorzug der Ordnung der Natur vor dem Übernatürlichen kann geschlossen werden Es ist eine bekannte Regel der Weltweisen oder vielmehr der gesunden Vernunft überhaupt: daß man | ohne die erheblichste Ursache nichts für ein Wunder152 oder eine übernatürliche Begebenheit halten solle. Diese Regel enthält erstlich, daß Wunder selten seien, zweitens, daß die gesamte Vollkommenheit des Universums auch ohne viele übernatürliche Einflüsse dem göttlichen Willen gemäß nach den Gesetzen der Natur erreicht werde; denn jedermann erkennt: daß, wenn ohne häufige Wunder die Welt des Zwecks ihres Daseins verfehlte, übernatürliche Begebenheiten etwas Gewöhnliches sein müßten. Einige stehen in der Meinung, daß das Formale der natürlichen Verknüpfung der Folgen mit ihren Gründen an sich selbst eine Vollkommenheit wäre, welcher allenfalls ein besserer Erfolg, wenn er nicht anders als übernatürlicherweise zu erhalten stände, hintangesetzt werden müßte. Sie setzen in dem Natürlichen als einem solchen unmittelbar einen Vorzug, weil ihnen alles Übernatürliche als eine Unterbrechung einer Ordnung an sich selber scheint einen Übelstand zu erregen.153 Allein diese Schwierigkeit ist nur eingebildet. Das Gute steckt nur in Erreichung des Zwecks und wird den Mitteln nur um seinetwillen zugeeignet. Die natürli-
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che Ordnung, wenn nach ihr nicht vollkommene Folgen entspringen, hat unmittelbar keinen | Grund eines Vorzugs in sich, weil sie nur nach ¦ der Art eines Mittels kann betrachtet werden, welches keine eigene, sondern nur eine von der Größe des dadurch erreichten Zwecks entlehnte Schätzung verstattet. Die Vorstellung der Mühsamkeit, welche die Menschen bei ihren unmittelbaren Ausübungen empfi nden, mengt sich hier insgeheim mit unter und gibt demjenigen, was man fremden Kräften anvertrauen kann, einen Vorzug, selbst da, wo in dem Erfolg etwas von dem abgezweckten Nutzen vermißt würde. Indessen, wenn ohne größere Beschwerde der, so das Holz an einer Schneidemühle anlegt, es ebensowohl unmittelbar in Bretter verwandeln könnte, so wäre alle Kunst dieser Maschine nur ein Spielwerk, weil der ganze Wert derselben nur an ihr als einem Mittel zu diesem Zweck stattfi nden kann. Demnach ist etwas nicht darum gut, weil es nach dem Lauf der Natur geschieht, sondern der Lauf der Natur ist gut, insofern das, was daraus fl ießt, gut ist.154 Und da Gott eine Welt in seinem Ratschluß begriff, in der alles mehrenteils durch einen natürlichen Zusammenhang die Regel des Besten erfüllte: so würdigte er sie seiner Wahl, nicht weil darin, daß es natürlich zusammenhing, das Gute be|stand, sondern weil durch diesen natürlichen Zusammenhang ohne viele Wunder die vollkommenen Zwecke am richtigsten erreicht wurden. Und nun entsteht die Frage: Wie mag es zugehen, daß die allgemeinen Gesetze der Natur dem Willen des Höchsten in dem Verlauf der Begebenheiten der Welt, die nach ihnen geschehen, so schön entsprechen, und welchen Grund hat man, ihnen diese Schicklichkeit zuzutrauen, daß man nicht öfter, als man wahrnimmt, geheime übernatürliche Vorkehrungen zugeben müßte, die ihren Gebrechen unauf hörlich zu Hilfe kämen? * Hier leistet *
Diese Frage ist dadurch noch lange nicht genugsam beantwortet, wenn man sich auf die weise Wahl Gottes beruft, die den Lauf der Natur einmal schon so wohl eingerichtet hätte, daß öftere Ausbesserun-
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uns unser Begriff von der | Abhängigkeit selbst der Wesen aller Dinge von Gott einen noch ausgebreiteteren Nutzen, als der ist, den man in dieser Frage erwartet.155 Die Dinge der Natur tragen sogar in den notwendigsten Bestimmungen ihrer inneren Möglichkeit das Merkmal der Abhängigkeit von ¦ demjenigen Wesen an sich, in welchem alles mit den Eigenschaften der Weisheit und Güte zusammenstimmt. Man kann von ihnen Übereinstimmung und schöne Verknüpfung erwarten und eine notwendige Einheit in den mancherlei vorteilhaften Beziehungen, die ein einziger Grund zu vielen anständigen Gesetzen hat.156 Es wird nicht nötig sein, daß daselbst, wo die Natur nach notwendigen Gesetzen wirkt, unmittelbare göttliche Ausbesserungen dazwischenkommen, weil, insofern die Folgen nach der Ordnung der Natur notwendig sind, nimmermehr selbst nach den allgemeinsten Gesetzen sich was Gott Mißfälliges ereignen kann. Denn wie sollten doch die Folgen der Dinge, deren zufällige Verknüpfung von dem Willen Gottes abhängt, ihre wesentlichen Beziehungen aber als die Gründe des Notwendigen in der Naturordnung von demje|nigen in Gott herrühren, was mit seinen Eigenschaften überhaupt in der größten Harmonie steht, wie können diese, sage ich, seinem Willen entgegen sein? Und so müssen alle die Veränderungen der Welt, die mechanisch, mithin aus den Bewegungsgesetzen notwendig sind, jederzeit darum gut sein, weil sie natürlicherweise notwendig sind, und es ist zu erwarten, daß die Folge unverbesserlich sein werde, sobald sie nach der Ord-
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gen unnötig wären. Denn die größte Schwierigkeit besteht darin, wie es auch nur hat möglich sein können, in einer Verbindung der Weltbegebenheiten nach allgemeinen | Gesetzen so große Vollkommenheit A 87 zu vereinbaren, vornehmlich, wenn man die Menge der Naturdinge 30 und die unermeßlich lange Reihe ihrer Veränderungen betrachtet, wie da nach allgemeinen Regeln ihrer gegenseitigen Wirksamkeit eine Harmonie hat entspringen können, die keiner öfteren übernatürlichen Einflüsse bedürfe. 26 wären ] Ak 1905, Ak 1912, Buchenau, Klaus, Reich: waren
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nung der Natur unausbleiblich ist.* Ich bemerke aber, damit aller Mißverstand verhütet werde: daß die Veränderungen in der Welt entweder aus der ersten Anordnung des Universums und den allgemeinen und besonderen Gesetzen der Natur notwendig sind, dergleichen alles dasjenige ist, was in der körperlichen Welt mechanisch vorgeht, oder daß sie gleichwohl bei allem diesem eine nicht genugsam begriffene Zufälligkeit haben, wie die Handlungen aus der Freiheit, deren Natur nicht ge|hörig eingesehen wird. Die letztere Art der Weltveränderungen, insofern sie scheinen, eine Ungebundenheit in Ansehung bestimmender Gründe und notwendiger Gesetze an sich zu haben, enthalten insoweit eine Möglichkeit in sich, von der allgemeinen ¦ Abzielung der Naturdinge zur Vollkommenheit abzuweichen.159 Und um deswillen kann man erwarten, daß übernatürliche Ergänzungen nötig sein dürften, weil es möglich ist, daß in diesem Betracht der Lauf der Natur mit dem Willen Gottes bisweilen widerstreitend sein könne. Indessen, da selbst die Kräfte frei handelnder Wesen in der Verknüpfung mit dem Übrigen des Universums nicht ganz allen Gesetzen entzogen sind, sondern immer, wenngleich nicht nötigenden Gründen, dennoch solchen, die nach den Regeln der Willkür die Ausübung auf eine andere Art gewiß ma*
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Wenn es ein notwendiger Ausgang der Natur ist, wie Newton vermeint, daß ein Weltsystem, wie dasjenige von unserer Sonne, endlich zum völligen Stillstand und allgemeiner Ruhe gelange, so würde ich nicht mit ihm hinzusetzen: daß es nötig sei, daß Gott es durch ein 25 Wunder wiederherstelle.157 Denn weil es ein Erfolg ist, darauf die NaA 89 tur nach ihren wesentlichsten | Gesetzen notwendigerweise bestimmt ist, so vermute ich hieraus, daß er auch gut sei. Es darf uns dieses nicht als ein bedauernswürdiger Verlust vorkommen, denn wir wissen nicht, welche Unermeßlichkeit die sich immerfort in anderen Himmelsge- 30 genden bildende Natur habe, um durch große Fruchtbarkeit diesen Abgang des Universums anderwärts reichlich zu ersetzen.158 8 eingesehen ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: einsehen 27 wesentlichsten ] 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I,
Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Buchenau, Klaus: wesentlichen
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chen, unterworfen sind, so ist die allgemeine Abhängigkeit der Wesen der Dinge von | Gott auch hier noch jederzeit ein großer Grund, die Folgen, die selbst unter dieser Art von Dingen nach dem Lauf der Natur sich zutragen (ohne daß die scheinbare Abweichung in einzelnen Fällen uns irre machen darf ), im ganzen für anständig und der Regel des Besten gemäß einzusehen: so daß nur selten die Ordnung der Natur einer unmittelbaren übernatürlichen Verbesserung oder Ergänzung benötigt ist, wie denn auch die Offenbarung derselben nur in Ansehung gewisser Zeiten und gewisser Völker Erwähnung tut. Die Erfahrung stimmt auch mit dieser Abhängigkeit sogar der freiesten Handlungen von einer großen natürlichen Regel überein. Denn so zufällig wie auch immer die Entschließung zum Heiraten sein mag, so fi ndet man doch in ebendemselben Land, daß das Verhältnis der Ehen zu der Zahl der Lebenden ziemlich beständig sei, wenn man große Zahlen nimmt, und daß z. B. unter 110 Menschen beiderlei Geschlechts sich ein Ehepaar fi ndet.160 Jedermann weiß, wieviel die Freiheit der Menschen zur Verlängerung oder Verkürzung des Lebens beitrage. Gleichwohl müssen selbst diese freien Handlungen einer großen Ordnung unterworfen sein, weil im Durchschnitt, wenn man große Mengen | nimmt, die Zahl der Sterbenden gegen die Lebenden sehr genau immer in ebendemselben Verhältnis steht. Ich begnüge mich mit diesen wenigen Beweistümern, um es einigermaßen verständlich zu machen, daß selbst die Gesetze der Freiheit keine solche Ungebundenheit in Ansehung der Regeln einer allgemeinen Naturordnung mit sich führen, daß nicht ebenderselbe Grund, der in der übrigen Natur schon in den Wesen der Dinge selbst eine unausbleibliche Beziehung auf Vollkommenheit und Wohlgereimtheit befestigt, auch in dem natürlichen Lauf des freien Verhaltens wenigstens eine größere Lenkung auf ein Wohlgefallen des 6 einzusehen ] Schiele: ein-[an]zusehen 16 110 ] Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirch-
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höchsten Wesens ohne vielfältige Wunder verursachen sollte.161 Mein Augenmerk ist aber mehr auf den Verlauf der Naturveränderungen ge¦richtet, insofern sie durch eingepflanzte Gesetze notwendig sind. Wunder werden in einer solchen Ordnung entweder gar nicht oder nur selten nötig sein, weil es nicht füglich sein kann, daß sich solche Unvollkommenheiten natürlicherweise hervorfänden, die ihrer bedürftig wären. Wenn ich mir den Begriff von den Dingen der Natur machte, den man gemeiniglich von ihnen hat, | daß ihre innere Möglichkeit für sich unabhängig und ohne einen fremden Grund sei,162 so würde ich es gar nicht unerwartet fi nden, wenn man sagte, eine Welt von einiger Vollkommenheit sei ohne viele übernatürliche Wirkungen unmöglich. Ich würde es vielmehr seltsam und unbegreif lich fi nden, wie ohne eine beständige Reihe von Wundern etwas Taugliches durch einen natürlichen großen Zusammenhang in ihr sollte geleistet werden können. Denn es müßte ein befremdliches Ungefähr sein: daß die Wesen der Dinge, die jegliches für sich seine abgesonderte Notwendigkeit hätten, sich so sollten zusammenschicken, daß selbst die höchste Weisheit aus ihnen ein großes Ganzes vereinbaren könnte, in welchem bei so vielfältiger Abhängigkeit dennoch nach allgemeinen Gesetzen unverbesserliche Harmonie und Schönheit hervorleuchtete. Dagegen da ich belehrt bin, daß darum nur, weil ein Gott ist, etwas anderes möglich sei, so erwarte ich selbst von den Möglichkeiten der Dinge eine Zusammenstimmung, die ihrem großen Principium gemäß ist, und eine Schicklichkeit, durch allgemeine Anordnungen zu einem Ganzen zusammenzupassen, das mit der Weisheit ebendesselben Wesens richtig harmoniert, von dem sie ihren Grund | entlehnen, und ich fi nde es sogar wunderbar163 : daß, sofern etwas nach dem Lauf der Natur gemäß allgemeinen Gesetzen geschieht oder gesche9 hat, ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I,
Schiele, Weischedel: hat: 28 das ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: daß
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hen würde, es Gott mißfällig und eines Wunders zur Ausbesserung bedürftig sein sollte; 164 und wenn es geschieht, so gehört selbst die Veranlassung dazu zu den Dingen, die sich bisweilen zutragen, von uns aber nimmermehr können begriffen werden. Man wird es auch ohne Schwierigkeit verstehen, daß, wenn man den wesentlichen Grund einsieht, weswegen Wunder zur Vollkommenheit der Welt selten nötig sein können, dieses auch von denjenigen gelte, die wir in der vorigen Betrachtung übernatürliche Begebenheiten im formalen Verstand genannt haben165 und die man in gemeinen Urteilen darum sehr häufig einräumt, weil man durch einen verkehrten Begriff darin etwas Natürliches zu fi nden glaubt. ¦ 2. Was aus unserem Beweisgrund zum Vorzug einer oder anderer Naturordnung geschlossen werden kann
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In dem Verfahren der gereinigten Weltweis|heit herrscht eine Regel, die, wenn sie gleich nicht förmlich gesagt, dennoch in der Ausübung jederzeit beobachtet wird: daß in aller Nachforschung der Ursachen zu gewissen Wirkungen man eine große Aufmerksamkeit bezeigen müsse, die Einheit der Natur so sehr wie möglich zu erhalten, das ist, vielerlei Wirkungen aus einem einzigen, schon bekannten Grund herzuleiten und nicht zu verschiedenen Wirkungen wegen einiger scheinbarer größerer Unähnlichkeit sogleich neue und verschiedene wirkende Ursachen anzunehmen.166 Man präsumiert demnach, daß in der Natur große Einheit sei in Ansehung der Zulänglichkeit eines einigen Grundes zu mancherlei Art Folgen, und glaubt, Ursache zu haben, die Vereinigung einer Art Erscheinungen mit denen von anderer Art mehrenteils als etwas Notwendiges und nicht als eine Wirkung einer künstlichen und zufälligen Ordnung anzusehen. Wie vielerlei Wirkungen werden nicht aus der einigen Kraft der Schwere hergeleitet, dazu man ehedem verschiedene Ursachen glaubte nötig zu fi nden: 167 das Steigen einiger Körper und das Fallen
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anderer. Die Wirbel, um die Himmelskörper in Kreisen zu erhalten, sind abgestellt, sobald man die Ursache derselben in jener einfachen Naturkraft ge|funden hat.168 Man präsumiert mit großem Grund: daß die Ausdehnung der Körper durch die Wärme, das Licht, die elektrische Kraft, die Gewitter, vielleicht auch die magnetische Kraft vielerlei Erscheinungen einer und ebenderselben wirksamen Materie, die in allen Räumen ausgebreitet ist, nämlich des Äthers,169 sei, und man ist überhaupt unzufrieden, wenn man sich genötigt sieht, ein neues Principium zu einer Art Wirkungen anzunehmen. Selbst da, wo ein sehr genaues Ebenmaß eine besondere künstliche Anordnung zu erheischen scheint, ist man geneigt, sie dem notwendigen Erfolg aus allgemeineren Gesetzen beizumessen und noch immer die Regel der Einheit zu beobachten, ehe man eine künstliche Verfügung zum Grunde setze. Die Schneefiguren sind so regelmäßig und so weit über alles Plumpe, das der blinde Zufall zuwege bringen kann, zierlich, daß man fast ein Mißtrauen in die Aufrichtigkeit derer setzen sollte, die uns Abzeichnungen davon gegeben haben, wenn nicht ein jeder Winter unzählige Gelegenheit gäbe, einen jeden durch eigene Erfahrung davon zu versichern.170 Man wird wenig ¦ Blumen antreffen, welche, soviel man äußerlich wahrnehmen kann, mehr Nettigkeit171 und Proportion | zeigten, und man sieht gar nichts, was die Kunst hervorbringen kann, das da mehr Richtigkeit enthielte als diese Erzeugungen, die die Natur mit so viel Verschwendung über die Erdfläche ausstreut. Und gleichwohl hat sich niemand in den Sinn kommen lassen, sie von einem besonderen Schneesamen herzuleiten und eine künstliche Ordnung der Natur zu ersinnen, sondern man mißt sie als eine Nebenfolge allgemeineren Gesetzen bei, welche die Bildung dieses Produkts mit notwendiger Einheit zugleich unter sich befassen.* *
Die den Gewächsen ähnliche Figur des Schimmels hat viele bewogen, denselben unter die Produkte des Pfl anzenreichs zu zählen.172 In31 hat ] 1763, Schiele, Ak 1905, Ak 1912, Buchenau, Weischedel,
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Gleichwohl ist die Natur reich an einer gewissen anderen Art von Hervorbringungen, wo alle Weltweisheit, die über ihre Entstehungsart nachsinnt, sich genötigt sieht, diesen Weg zu verlassen. Große Kunst und eine zufällige Vereinbarung durch freie Wahl gewissen Absichten gemäß ist daselbst augenscheinlich und wird zugleich der Grund eines besonderen Naturgesetzes, welches zur künstlichen Na|turordnung gehört. Der Bau der Pfl anzen und Tiere zeigt eine solche Anstalt, wozu die allgemeinen und notwendigen Naturgesetze unzulänglich sind. Da es nun ungereimt sein würde, die erste Erzeugung einer Pflanze oder Tiers als eine mechanische Nebenfolge aus allgemeinen Naturgesetzen zu betrachten, so bleibt gleichwohl noch eine doppelte Frage übrig, die aus dem angeführten Grund unentschieden ist: ob nämlich ein jedes Individuum derselben unmittelbar von Gott gebaut und also übernatürlichen Ursprungs sei und nur die Fortpflanzung, das ist, der Übergang von Zeit zu Zeit zur Auswicklung einem natürlichen Gesetz anvertraut sei, oder ob einige Individuen des Pfl anzen- und Tierreichs zwar unmittelbar göttlichen Ursprungs seien, jedoch mit einem uns nicht begreif lichen Vermögen, nach einem ordentlichen Naturgesetz ihresgleichen zu erzeugen und nicht bloß auszuwickeln.174 Von beiden Seiten zeigen sich Schwierigkeiten. Es ist vielleicht unmög|lich auszumachen, welche die größte sei; allein, was uns hier angeht, ist nur das Übergewicht der Gründe, insofern sie metaphysisch sind, zu bemerken. Wie z. B. ein Baum durch eine innere mechanische Verfassung soll vermögend sein, den Nahrungssaft so zu formen und zu modeln, ¦ daß in dem Auge der Blätter oder seinem Samen etwas entstände, das einen ähnlichen Baum im kleinen, oder woraus doch ein solcher werden könnte,
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dessen ist es nach anderen Beobachtungen viel wahrscheinlicher, daß die anschei|nende Regelmäßigkeit desselben nicht hindern könne, ihn A 97 so wie den Baum der Diane173 als eine Folge aus den gemeinen Gesetzen der Sublimierung anzusehen. 16 f. von Zeit zu Zeit ] Wille: von Leib zu Leib
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enthielte, ist nach allen unseren Kenntnissen auf keine Weise einzusehen. Die innerlichen Formen des Herrn von Buffon175 und die Elemente organischer Materie, die sich zufolge ihrer Erinnerungen den Gesetzen der Begierden und des Abscheus gemäß nach der Meinung des Herrn von Maupertuis176 zusammenfügen, sind entweder ebenso unverständlich als die Sache selbst oder ganz willkürlich erdacht. Allein, ohne sich an dergleichen Theorien zu kehren, muß man denn darum selbst eine andere dafür aufwerfen, die ebenso willkürlich ist, nämlich daß alle diese Individuen übernatürlichen Ursprungs seien, weil man ihre natürliche Entstehungsart gar nicht begreift? 177 Hat wohl jemals einer das Vermögen des Hefens, seinesgleichen | zu erzeugen, mechanisch begreif lich gemacht? Und gleichwohl bezieht man sich desfalls nicht auf einen übernatürlichen Grund. Da in diesem Fall der Ursprung aller solcher organischen Produkte als völlig übernatürlich angesehen wird, so glaubt man dennoch, etwas für den Naturphilosophen übrigzulassen, wenn man ihn mit der Art der allmählichen Fortpflanzung spielen läßt. Allein man bedenke wohl: daß man dadurch das Übernatürliche nicht vermindert, denn es mag diese übernatürliche Erzeugung zur Zeit der Schöpfung oder nach und nach in verschiedenen Zeitpunkten geschehen, so ist in dem ersteren Fall nicht mehr Übernatürliches als im letzten,178 denn der ganze Unterschied läuft nicht auf den Grad der unmittelbaren göttlichen Handlung, sondern lediglich auf das We n n 179 hinaus. Was aber jene natürliche Ordnung der Auswicklung anlangt, so ist sie nicht eine Regel der Fruchtbarkeit der Natur, sondern eine Methode eines unnützen Umschweifs. Denn es wird dadurch nicht der mindeste Grad einer unmittelbaren göttlichen Handlung bespart. Demnach scheint es unvermeid|lich: entweder bei jeder 22 f. in dem ersteren Fall nicht mehr Übernatürliches als im letzten ]
= Konj. Hg.; die anderen Ausgaben: in dem letzteren Fall nicht mehr Übernatürliches als im ersten. – In diesem Sinn übersetzt auch Theis 145: »[…] il n’y a, dans le dernier cas, pas moins de surnaturel que dans le premier […].«
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Begattung die Bildung der Frucht unmittelbar einer göttlichen Handlung beizumessen oder der ersten göttlichen Anordnung der Pflanzen und Tiere eine Tauglichkeit zuzulassen, ihresgleichen in der Folge nach einem natürlichen Gesetz nicht bloß zu entwickeln, sondern wahrhaftig zu erzeugen.180 Meine gegenwärtige Absicht ist nur, hierdurch zu zeigen, daß man den Naturdingen eine größere Möglichkeit, nach allgemeinen Gesetzen ihre Folgen hervorzubringen, einräumen müsse, als man es gemeiniglich tut.
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worin die Unzulänglichkeit der gewöhnlichen Methode der Physikotheologie181 gewiesen wird 1. Von der Physikotheologie überhaupt 15
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Alle Arten, das Dasein Gottes aus den Wirkungen desselben zu erkennen, lassen sich auf die | drei folgenden bringen. Entweder man gelangt zu dieser Erkenntnis durch die Wahrnehmung desjenigen, was die Ordnung der Natur unterbricht und diejenige Macht unmittelbar bezeichnet, welcher die Natur unterworfen ist, diese Überzeugung wird durch W u n d e r veranlaßt; oder die zufällige Ordnung der N a t u r , von der man deutlich einsieht, daß sie auf vielerlei andere Art möglich war, in der gleichwohl große Kunst, Macht und Güte hervorleuchtet, führt auf den göttlichen Urheber; oder drittens die n o t w e n d i g e Einheit, die in der N a t u r wahrgenommen wird, und die wesentliche Ordnung der Dinge, welche großen Regeln der Vollkommenheit gemäß ist, kurz das, was in der Regelmäßigkeit der Natur Notwendiges ist, leitet auf ein oberstes Principium nicht allein dieses Daseins, sondern selbst aller Möglichkeit.
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Wenn Menschen völlig verwildert sind oder eine halsstarrige Bosheit ihre Augen verschließt, alsdann scheint das erstere Mittel einzig und allein einige Gewalt an sich zu haben, sie vom Dasein des höchsten Wesens zu überführen.182 Dagegen | fi ndet die richtige Betrachtung einer wohlgearteten Seele an so viel zufälliger Schönheit und zweckmäßiger Verbindung, wie die Ordnung der Natur darbietet, Beweistümer genug, einen mit großer Weisheit und Macht begleiteten Willen daraus abzunehmen, und es sind zu dieser Überzeugung, sofern sie zum tugendhaften Verhalten hinlänglich, das ist, moralisch gewiß sein soll, die gemeinen Begriffe des Verstandes hinreichend.183 Zu der dritten Art zu schließen wird notwendigerweise Weltweisheit erfordert, und es ist auch einzig und allein ein höherer Grad derselben fähig, mit einer Klarheit und Überzeugung, die der Größe der Wahrheit gemäß ist, zu dem nämlichen Gegenstand zu gelangen. ¦ Die beiden letzteren Arten kann man physikotheologische Methoden nennen; denn sie zeigen beide den Weg, aus den Betrachtungen über die Natur zur Erkenntnis Gottes hinaufzusteigen. | 2. Die Vorteile und auch die Fehler der gewöhnlichen Physikotheologie Das Hauptmerkmal der bis dahin gebräuchlichen physischtheologischen184 Methode besteht darin: daß die Vollkommenheit und Regelmäßigkeit erstlich ihrer Zufälligkeit nach gehörig begriffen und alsdann die künstliche Ordnung nach allen zweckmäßigen Beziehungen darin gewiesen wird, um daraus auf einen weisen und gütigen Willen zu schließen, nachher aber zugleich durch die hinzugefügte Betrachtung der Größe des Werks der Begriff der unermeßlichen Macht des Urhebers damit vereinigt wird. Diese Methode ist vortreff lich: 185 Erstlich, weil die Überzeugung überaus sinnlich und daher sehr lebhaft und einnehmend
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und demnach auch dem gemeinsten Verstand leicht und faßlich ist; zweitens, weil sie natürlicher ist als irgendeine andere, indem ohne Zweifel ein jeder von ihr zuerst anfängt; drittens, weil sie einen sehr anschauenden Begriff von der hohen Weisheit, Vorsorge oder auch der Macht des anbetungswürdi|gen Wesens verschafft, welcher die Seele füllt und die größte Gewalt hat, auf Erstaunen, Demut und Ehrfurcht zu wirken.* Diese Beweisart ist viel praktischer als irgendeine andere, selbst in Ansehung des Philosophen. Denn ob er gleich für seinen forschenden oder grübelnden Verstand hier nicht die bestimmte abgezogene Idee der Gottheit antrifft und die Gewiߦheit selbst nicht mathematisch, sondern moralisch189 ist, so bemächtigen sich doch so viele Beweistümer, jeder von so großem Eindruck, seiner Seele, und die Spekulation folgt ruhig mit einem gewissen Zutrauen einer Überzeugung, die schon Platz genommen hat. Schwerlich würde wohl jemand seine ganze Glückseligkeit auf die ange*
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Wenn ich unter anderen die mikroskopischen Beobachtungen des Doktor Hill, die man im Hamb. Magaz. antrifft,186 erwäge und sehe: zahlreiche Tiergeschlechter in einem einzigen Wassertropfen, räuberi20 sche Arten, mit Werkzeugen des Verderbens ausgerüstet, die von noch mächtigeren Tyrannen dieser Wasserwelt zerstört werden, indem sie gefl issen187 sind, andere zu verfolgen; wenn ich die Ränke, die Gewalt und die | Szene des Aufruhrs in einem Tropfen Materie ansehe und er- A 105 hebe von da meine Augen in die Höhe, um den unermeßlichen Raum 25 von Welten wie von Stäubchen wimmeln zu sehen, so kann keine menschliche Sprache das Gefühl ausdrücken, was ein solcher Gedanke erregt, und alle subtile metaphysische Zergliederung weicht sehr weit der Erhabenheit und Würde, die einer solchen Anschauung eigen ist.188 1 und demnach auch ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz,
Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Weischedel: und dennoch auch 18 erwäge und sehe ] 1763, 1770, 1794, Schiele, Weischedel: erwäge, und sehe; 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann: erwäge, und sehr 22 gefl issen ] 1763, 1770, Ak 1905, Ak 1912: gefl ießen; Reich: befl issen
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maßte Richtigkeit eines metaphysischen Beweises wagen, vornehmlich wenn ihm lebhafte sinnliche Überredungen entgegenständen. Allein | die Gewalt der Überzeugung, die hieraus erwächst, darum eben, weil sie so sinnlich ist, ist auch so gesetzt und unerschütterlich, daß sie keine Gefahr von Schlußreden und Unterscheidungen besorgt und sich weit über die Macht spitzfi ndiger Einwürfe wegsetzt. Gleichwohl hat diese Methode ihre Fehler, die beträchtlich genug sind, ob sie zwar eigentlich nur dem Verfahren derjenigen zuzurechnen sind, die sich ihrer bedient haben.190 1. Sie betrachtet alle Vollkommenheit, Harmonie und Schönheit der Natur als zufällig und als eine Anordnung durch Weisheit, da doch viele derselben mit notwendiger Einheit aus den wesentlichsten Regeln der Natur abfl ießen. Das, was der Absicht der Physikotheologie hierbei am schädlichsten ist, besteht darin, daß sie diese Zufäl|ligkeit der Naturvollkommenheit als höchstnötig zum Beweis eines weisen Urhebers ansieht, daher alle notwendigen Wohlgereimtheiten der Dinge der Welt bei dieser Voraussetzung gefährliche Einwürfe191 werden. Um sich von diesem Fehler zu überzeugen, merke man auf Nachstehendes. Man sieht, wie die Verfasser nach dieser Methode gefl issen sind, die an unzähligen Endabsichten reichen Produkte des Pfl anzen- und Tierreichs nicht allein der Macht des Ungefährs, sondern auch der mechanischen Notwendigkeit nach allgemeinen Gesetzen der materialen Natur zu entreißen. Und hierin kann es ihnen auch nicht im mindesten schwer werden. Das Übergewicht der Gründe auf ihrer Seite ist gar zu sehr entschieden. Allein, wenn sie sich von der organischen Natur zur unorganischen wenden, so beharren sie noch immer auf ebenderselben Methode,192 allein sie fi nden sich daselbst fast jederzeit durch die veränderte Natur der Sachen in Schwierigkeiten befangen, denen sie nicht ausweichen können. Sie reden noch immer von der durch große Weisheit getroffenen Vereinbarung so 22 gefl issen ] 1763, 1770, Ak 1905, Ak 1912: gefl ießen; Reich: befl issen
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vieler nützlicher Eigenschaften | des Luftkreises, den Wolken, dem Regen, den Winden, der Dämmerung etc. etc., als wenn die Eigenschaft, wodurch die Luft zur Erzeugung der Winde auferlegt ist, mit derjenigen, wodurch sie Dünste aufzieht oder wodurch sie in großen Höhen dünner wird, ebenso ¦ vermittelst einer weisen Wahl wäre vereinigt worden, wie etwa bei einer Spinne die verschiedenen Augen, womit sie ihrem Raube auflauert, mit den Warzen, woraus die Spinnenseide als durch Ziehlöcher gezogen wird, mit den feinen Klauen oder auch den Ballen ihrer Füße, dadurch sie sie zusammenklebt oder sich daran erhält, in einem Tier verknüpft sind.193 In diesem letzteren Fall ist die Einheit bei allen verbundenen Nutzbarkeiten (als in welcher die Vollkommenheit besteht) offenbar zufällig und einer weisen Willkür beizumessen,194 da sie im Gegenteil im ersteren Fall notwendig ist und, wenn nur eine Tauglichkeit von den erwähnten der Luft beigemessen wird, die andere unmöglich davon zu trennen ist. Eben dadurch, daß man keine andere Art, die Vollkommenheit der Natur zu beurteilen, einräumt als durch die Anstalt der Weisheit, so wird eine jede ausgebreitete Einheit, in|sofern sie offenbar als notwendig erkannt wird, einen gefährlichen Einwurf ausmachen. Wir werden bald sehen, daß nach unserer Methode aus einer solchen Einheit gleichwohl auch auf die göttliche Weisheit geschlossen wird, aber nicht so, daß sie von der weisen Wahl als ihrer Ursache, sondern von einem solchen Grund in einem obersten Wesen hergeleitet wird, welcher zugleich ein Grund einer großen Weisheit in ihm sein muß, mithin wohl von einem weisen Wesen, aber nicht durch seine Weisheit.195 2. Diese Methode ist nicht genugsam philosophisch und hat auch öfters die Ausbreitung der philosophischen Erkenntnis sehr gehindert.196 Sobald eine Naturanstalt nützlich ist, so wird sie 1 f. den Wolken, dem Regen, den Winden, der Dämmerung ] Reich:
der Wolken, des Regens, des Windes, der Dämmerung 4 auferlegt ] Tieftrunk, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Erhardt: aufgelegt
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gemeiniglich unmittelbar aus der Absicht des göttlichen Willens oder doch durch eine besonders durch Kunst veranstaltete Ordnung der Natur erklärt; entweder weil man einmal sich in den Kopf gesetzt hat, die Wirkungen der Natur gemäß ihren allgemeinsten Gesetzen könnten auf solche Wohlgereimtheit nicht auslaufen, oder wenn man einräumte, sie hätten auch solche Folgen, so würde die|ses heißen, die Vollkommenheit der Welt einem blinden Ungefähr zuzutrauen, wodurch der göttliche Urheber sehr würde verkannt werden. Daher werden in einem solchen Fall der Naturforschung Grenzen gesetzt. Die erniedrigte Vernunft steht gern von einer weiteren Untersuchung ab, weil sie solche hier als Vorwitz ansieht, und das Vorurteil ist desto gefährlicher, weil es den Faulen einen Vorzug vor dem unermüdeten Forscher gibt durch den Vorwand der Andacht und der billigen Unterwerfung unter den großen Urheber, in dessen Erkenntnis sich alle Weisheit vereinbaren muß. Man erzählt z. B. die Nutzen der Gebirge, deren es unzählige gibt, und ¦ sobald man deren recht viele und unter diesen solche, die das menschliche Geschlecht nicht entbehren kann, zusammengebracht hat, so glaubt man, Ursache zu haben, sie als eine unmittelbare göttliche Anstalt anzusehen.197 Denn sie als eine Folge aus allgemeinen Bewegungsgesetzen zu betrachten (weil man von diesen gar nicht vermutet, daß sie auf schöne und nützliche Folgen sollten eine Beziehung haben, es müßte denn etwa von ungefähr sein), das würde ihrer Meinung nach heißen, | einen wesentlichen Vorteil des Menschengeschlechts auf den blinden Zufall ankommen lassen.198 Ebenso ist es mit der Betrachtung der Flüsse der Erde bewandt. Wenn man die physischtheologischen Verfasser hört, so wird man dahin gebracht, sich vorzustellen, ihre Laufrinnen wären alle von Gott ausgehöhlt.199 Es 8 zuzutrauen ] Ak 1905, 1912, Reich: zutrauen 25 f. einen wesentlichen ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: einem
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heißt auch nicht philosophieren: wenn man, indem man einen jeden einzelnen Berg oder jeden einzelnen Strom als eine besondere Absicht Gottes betrachtet, die nach allgemeinen Gesetzen nicht würde erreicht worden sein, wenn man, sage ich, alsdann sich diejenigen Mittel ersinnt, deren besonderer Vorkehrung sich etwa Gott möchte bedient haben, um diese Individual-Wirkungen herauszubringen. Denn nach demjenigen, was in der dritten Betrachtung dieser Abteilung gezeigt worden,200 ist dergleichen Produkt dennoch insofern immer übernatürlich; ja, weil es nicht nach einer Ordnung der Natur (indem es nur als eine einzelne Begebenheit durch eigene Anstalten entstand) erklärt werden kann, so gründet sich ein solches Verfahren zu urteilen auf eine verkehrte Vorstellung vom Vorzug der Natur an sich selber, wenn sie auch durch Zwang auf einen einzelnen | Fall sollte gelenkt werden müssen, welches nach aller unserer Einsicht als ein Mittel des Umschweifs und nicht als ein Verfahren der Weisheit kann angesehen werden.* Als Newton durch untrügliche Beweise sich überzeugt hatte, daß der Erdkörper diejenige Figur habe, auf der alle durch den Drehungsschwung veränderten Richtungen der Schwere senkrecht ständen, so schloß er: die Erde sei im Anfang flüssig gewesen und habe nach den ¦ Gesetzen der Statik vermittelst der Umdrehung gerade diese *
Es wäre zu wünschen, daß in dergleichen Fällen, wo die Offenbarung Nachricht gibt, daß eine Weltbegebenheit ein außerordentli25 ches, göttliches Verhängnis sei, der Vorwitz der Philosophen möchte gemäßigt werden, ihre physischen Einsichten auszukramen; denn sie tun der Religion gar keinen Dienst und machen es nur zweifelhaft, ob die Begebenheit nicht gar ein natürlicher Zufall sei; wie in demjenigen Fall, da man die Vertilgung des Heeres unter Sanherib dem Winde 30 Samyel beimißt.201 Die Philosophie kommt hierbei gemeiniglich ins Gedränge, wie in der Whistonschen Theorie, die astronomische Kometenkenntnis zur Bibelerklärung zu gebrauchen.202 23 Es wäre zu wünschen ] Tieftrunk, Rosenkranz: Die Theologen
wünschen 25 Verhängnis ] Ak 1912, Reich: Verhältnis
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Gestalt angenommen.203 Er kannte so gut wie sonst jemand die Vorteile, die in der Kugelrundung eines Weltkörpers liegen, und auch die | höchstnötige Abplattung, um den nachteiligen Folgen der Achsendrehung vorzubeugen. Dieses sind insgesamt Anordnungen, die eines weisen Urhebers würdig sind. Gleichwohl trug er kein Bedenken, sie den notwendigsten mechanischen Gesetzen als eine Wirkung beizumessen, und besorgte nicht, dabei den großen Regierer aller Dinge aus den Augen zu verlieren. Es204 ist also auch sicher zu vermuten, daß er nimmermehr in Ansehung des Baues der Planeten, ihrer Umläufe und der Stellung ihrer Kreise unmittelbar zu einer göttlichen Anstalt seine Zuflucht würde genommen haben,205 wenn er nicht geurteilt hätte: daß hier ein mechanischer Ursprung unmöglich sei, nicht wegen der Unzulänglichkeit derselben zur Regelmäßigkeit und Ordnung überhaupt (denn warum besorgte er nicht diese Untauglichkeit in dem vorher erwähnten Fall?), sondern weil die Himmelsräume leer sind und keine Gemeinschaft der Wirkungen der Planeten ineinander, ihre Kreise zu stellen, in diesem Zustand möglich ist. Wenn es ihm indessen beigefallen wäre zu fragen, ob sie denn auch jederzeit leer gewesen und ob nicht | wenigstens im allerersten Zustand, da diese Räume vielleicht im Zusammenhang erfüllt waren, diejenige Wirkung möglich gewesen, deren Folgen sich seitdem erhalten haben, wenn er von dieser allerältesten Beschaffenheit eine gegründete Vermutung gehabt hätte, so kann man versichert sein, daß er auf eine der Philosophie geziemende Art in den allgemeinen mechanischen Gesetzen die Gründe von der Beschaffenheit des Weltbaues gesucht haben würde,206 ohne desfalls in Sorgen zu sein, daß diese Erklärung den Ursprung der Welt aus den Händen des Schöpfers der Macht des Ungefährs überlieferte.207 Das berühmte Beispiel des Newton darf demnach nicht dem faulen Vertrauen zum Vorwand dienen, eine übereilte Berufung auf eine unmittelbare göttliche Anstalt für eine Erklärung in philosophischem Geschmack auszugeben.
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Überhaupt haben freilich unzählbare Anordnungen der Natur, da sie nach den allgemeinsten Gesetzen immer noch zufällig sind, keinen anderen Grund als die weise Absicht desjenigen, der gewollt hat, daß sie so und nicht anders verknüpft | werden sollten. Aber man kann nicht umgekehrt schließen: Wo eine natürliche Verknüpfung mit demjenigen übereinstimmt, was einer weisen Wahl gemäß ist, da ist sie auch nach den allgemeinen ¦ Wirkungsgesetzen der Natur zufällig und durch künstliche Fügung außerordentlich festgesetzt worden. Es kann bei dieser Art zu denken sich öfters zutragen, daß die Zwecke der Gesetze, die man sich einbildet, unrichtig sind, und dann hat man außer diesem Irrtum noch den Schaden, daß man die wirkenden Ursachen vorbeigegangen ist 208 und sich unmittelbar an eine Absicht, die nur erdichtet ist, gehalten hat. Süßmilch hatte ehedem vermeint, den Grund, warum mehr Knäbchen als Mädchen geboren werden, in dieser Absicht der Vorsehung zu fi nden, damit durch die größere Zahl derer vom Mannsgeschlecht der Verlust ergänzt werde, den dieses Geschlecht durch Krieg und gefährlichere Arten des Gewerbes vor dem anderen erleidet.209 Allein durch spätere Beobachtungen wurde ebendieser sorgfältige und vernünftige Mann belehrt: daß dieser Überschuß der Knäbchen in den Jahren der Kindheit durch den Tod so weggenommen werde, daß noch eine geringere Zahl männlichen als die des weiblichen Geschlechts in die Jahre gelangen, | wo die vorher erwähnten Ursachen allererst Gründe des Verlusts enthalten können.210 Man hat Ursache zu glauben, daß diese Merkwürdigkeit ein Fall sei, der unter einer viel allgemeineren Regel 12 f. die wirkenden Ursachen vorbeigegangen ist ] Reich: an den wir-
kenden Ursachen vorbeigegangen ist 13 und sich unmittelbar ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: und unmittelbar 22 f. den Tod so weggenommen ] 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I: den Tod weggenommen 24 des weiblichen Geschlechts in ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: des weiblichen in
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stehen mag, nämlich daß der stärkere Teil der Menschenarten auch einen größeren Anteil an der Zeugungstätigkeit habe, um in den beiderseitigen Produkten seine eigene Art überwiegend zu machen, daß aber dagegen, weil mehr dazu gehört, daß etwas, welches die Grundlage zu größerer Vollkommenheit hat, auch in der Ausbildung alle zur Erreichung derselben gehörigen Umstände antreffe, eine größere Zahl derer von minder vollkommener Art den Grad der Vollständigkeit erreichen werde als derjenigen, zu deren Vollständigkeit mehr Zusammentreffung von Gründen erfordert wird. Es mag aber mit dieser Regel eine Beschaffenheit haben, welche es wolle, so kann man hierbei wenigstens die Anmerkung machen: daß es die Erweiterung der philosophischen Einsicht hindere, sich an die moralischen Gründe, das ist, an die Erläuterung aus Zwecken, zu wenden da, wo es noch zu vermuten ist, daß physische Gründe durch eine Verknüpfung mit notwendigen allgemeineren Gesetzen die Folge bestimmen. | 3. Diese Methode kann nur dazu dienen, einen Urheber der Verknüpfungen und künstlichen Zusammenfügungen der Welt, aber nicht der Materie selbst und den Ursprung der Bestandteile des Universums zu beweisen. Dieser beträchtliche Fehler muß alle diejenigen, die sich ihrer allein bedienen, in Gefahr desjenigen Irrtums lassen, den man den feineren Atheismus nennt 211 und nach welchem Gott im eigentlichen Verstand als ¦ ein Werkmeister und nicht als ein Schöpfer der Welt, der zwar die Materie geordnet und geformt, nicht aber hervorgebracht und erschaffen hat, angesehen werde.212 Da ich diese Unzulänglichkeit in der nächsten Betrachtung erwägen werde,213 so begnüge ich mich, sie hier nur angemerkt zu haben. Übrigens bleibt die gedachte Methode jederzeit eine derjenigen, die sowohl der Würde als auch der Schwäche des menschlichen Verstandes am meisten gemäß sind.214 Es sind in der Tat unzählbare Anordnungen in der Natur, deren nächster Grund 7 Zahl ] Ak 1912, Reich: Anzahl
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eine Endabsicht ihres Urhebers sein muß, und es ist der leichteste Weg, der auf ihn führt, wenn man diejenigen Anstalten erwägt, die seiner Weisheit un|mittelbar untergeordnet sind. Daher ist es billig, seine Bemühungen vielmehr darauf zu wenden, sie zu ergänzen als anzufechten,215 ihre Fehler zu verbessern, als sie um deswillen geringschätzig zu halten. Die folgende Betrachtung soll sich mit dieser Absicht beschäftigen.
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1. Ordnung und Anständigkeit, wenn sie gleich notwendig ist, bezeichnet einen verständigen Urheber Es kann nichts dem Gedanken von einem göttlichen Urheber des Universums nachteiliger und zugleich unvernünftiger sein, als wenn man bereit ist, eine große und fruchtbare Regel der Anständigkeit, Nutzbarkeit und Übereinstimmung dem ungefähren Zufall beizumessen, dergleichen das Clinamen der Atome in dem Lehrgebäude des Demokrit und Epikur war. | Ohne daß ich mich bei der Ungereimtheit und vorsätzlichen Verblendung dieser Art zu urteilen verweile,216 da sie genugsam von anderen 217 ist augenscheinlich gemacht worden, so bemerke ich dagegen: daß die wahrgenommene Notwendigkeit in Beziehung der Dinge auf regelmäßige Verknüpfungen und der Zusammenhang nützlicher Gesetze mit einer notwendigen Einheit ebensowohl als die zufälligste und willkürlichste Anstalt einen Beweistum 218 von einem weisen Urheber abgebe; obgleich die Abhängigkeit von ihm in diesem Gesichtspunkt auf andere Art muß vorgestellt werden. Um dieses gehörig einzusehen, so merke ich an: daß die Ordnung und vielfältige vorteilhafte Zusammenstim-
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mung überhaupt ¦ einen verständigen Urheber bezeichnet, noch ehe man daran denkt, ob diese Beziehung den Dingen notwendig oder zufällig sei. Nach den Urteilen der gemeinen gesunden Vernunft hat die Abfolge der Weltveränderungen oder diejenige Verknüpfung, an deren Stelle eine andere möglich war, ob sie gleich einen klaren Beweisgrund der Zufälligkeit an die Hand gibt, wenig Wirkung, dem Verstand die Vermutung eines Urhebers zu veranlassen. Es wird dazu Philosophie erfordert, und selbst deren Ge|brauch ist in diesem Fall verwickelt und schlüpfrig. Dagegen macht große Regelmäßigkeit und Wohlgereimtheit in einem vielstimmigen Harmonischen stutzig, und die gemeine Vernunft selbst kann sie ohne einen verständigen Urheber nimmer möglich fi nden. Die eine Regel der Anständigkeit mag in der anderen schon wesentlich liegen oder willkürlich damit verbunden sein, so fi ndet man es geradezu unmöglich, daß Ordnung und Regelmäßigkeit entweder von ungefähr oder auch unter vielen Dingen, die ihr verschiedenes Dasein haben, so von selbst sollte stattfi nden, denn nimmermehr ist ausgebreitete Harmonie ohne einen verständigen Grund ihrer Möglichkeit nach zureichend gegeben.219 Und hier äußert sich alsbald ein großer Unterschied zwischen der Art, wie man die Vollkommenheit ihrem Ursprung nach zu beurteilen habe.
| 2. Notwendige Ordnung der Natur bezeichnet selbst einen Urheber der Materie, die so geordnet ist Die Ordnung in der Natur, insofern sie als zuf ällig und aus der Willkür eines verständigen Wesens entspringend angesehen 13 Die ] In der Erstausgabe von 1763 stand voran: Die Dinge selbst
mögen notwendig oder zuf ällig sein, die […]. – Laut Druckfehlerverzeichnis der Erstausgabe ist der Satzanfang zu tilgen, woran sich die Ausgabe 1797 und Tieftrunk jedoch nicht halten.
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wird, ist gar kein Beweis davon, daß auch die Dinge der Natur, die in solcher Ordnung nach Weisheit verknüpft sind, selbst von diesem Urheber ihr Dasein haben.220 Denn lediglich diese Verbindung ist so bewandt, daß sie einen verständigen Plan voraussetzt, daher auch Aristoteles und viele andere Philosophen des Altertums nicht die Materie oder den Stoff der Natur, sondern nur die Form von der Gottheit herleiteten.221 Vielleicht nur seit der Zeit, als uns die Offenbarung eine vollkommene Abhängigkeit der Welt von Gott gelehrt hat,222 hat auch allererst die Weltweisheit die gehörige Bemühung daran gewandt, den Ursprung der Dinge selbst, die das rohe Zeug der Natur ausmachen, als so etwas zu betrachten, was ohne einen Urheber nicht möglich sei. Ich zweif le, daß es jemandem hiermit gelungen ¦ sei,223 und ich werde in der | letzten Abteilung 224 Gründe meines Urteils anführen. Zum mindesten kann die zufällige Ordnung der Teile der Welt, insofern sie einen Ursprung aus Willkür anzeigt, gar nichts zum Beweis davon beitragen. Z. B.: An dem Bau eines Tiers sind Gliedmaßen der sinnlichen Empfi ndung mit denen der willkürlichen Bewegung und der Lebensteile so künstlich verbunden, daß man boshaft 225 sein muß (denn so unvernünftig kann ein Mensch nicht sein), sobald man darauf geführt wird, einen weisen Urheber zu verkennen, der die Materie, daraus ein tierischer Körper zusammengesetzt ist, in so vortreff liche Ordnung gebracht hat. Mehr folgt hieraus gar nicht. Ob diese Materie für sich ewig und unabhängig oder auch von ebendemselben Urheber hervorgebracht sei, das ist darin gar nicht entschieden. Ganz anders aber fällt das Urteil aus, wenn man wahrnimmt, daß nicht alle Naturvollkommenheit künstlich, sondern Regeln von großer Nutzbarkeit auch mit notwendiger Einheit verbunden sind und diese Vereinbarung in den Möglichkeiten der Dinge selbst liegt. Was soll man bei dieser Wahrnehmung ur21 kann ein Mensch nicht sein ] 1794, 1797: kann kein Mensch nicht
sein; Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann: kann kein Mensch sein
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teilen? Ist diese Einheit, diese fruchtbare Wohlgereimtheit ohne Abhängigkeit von einem weisen Urheber möglich? Das | Formale so großer und vielfältiger Regelmäßigkeit verbietet dieses. Weil indessen diese Einheit gleichwohl selbst in den Möglichkeiten der Dinge gegründet ist, so muß ein weises Wesen sein, ohne welches alle diese Naturdinge selbst nicht möglich sind und in welchem als einem großen Grund sich die Wesen so mancher Naturdinge zu so regelmäßigen Beziehungen vereinbaren. Alsdann aber ist klar, daß nicht allein die Art der Verbindung, sondern die Dinge selbst nur durch dieses Wesen möglich sind, das ist, nur als Wirkungen von ihm existieren können, welches die völlige Abhängigkeit der Natur von Gott allererst hinreichend zu erkennen gibt.226 Fragt man nun: Wie hängen diese Naturen von solchem Wesen ab, damit ich daraus die Übereinstimmung mit den Regeln der Weisheit verstehen könne? Ich antworte: Sie hängen von demjenigen in diesem Wesen ab, was, indem es den Grund der Möglichkeit der Dinge enthält, auch der Grund seiner eigenen Weisheit ist; denn diese setzt überhaupt jene voraus.* Bei dieser Einheit aber | des ¦ Grundes sowohl des Wesens aller Dinge als der Weisheit, Güte und Macht ist es notwendig: daß alle Möglichkeit mit diesen Eigenschaften harmoniere.
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Die Weisheit setzt voraus: daß Übereinstimmung und Einheit in den Beziehungen möglich sei. Dasjenige Wesen, welches von völlig unabhängiger Natur ist, kann nur weise sein, insofern in ihm Gründe selbst solcher m ö g l i c h e n Harmonie und Vollkommenheiten, die 25 A 123 seiner Ausführung sich darbieten, enthalten sind. | Wäre in den Möglichkeiten der Dinge keine solche Beziehung auf Ordnung und II, 126 Vollkommen¦heit befi ndlich, so wäre Weisheit eine Chimäre. Wäre aber diese Möglichkeit in dem weisen Wesen nicht selbst gegründet, so könnte diese Weisheit nimmermehr in aller Absicht unabhängig sein. 30 30 könnte ] 1763, 1770, 1794, Weischedel: konnte
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Ich fasse sie in folgendem kurz zusammen: Durch das Zutrauen auf die Fruchtbarkeit der allgemeinen Naturgesetze wegen ihrer Abhängigkeit vom göttlichen Wesen geleitet, suche man: 1. Die Ursache selbst der vorteilhaftesten Verfassungen in solchen allgemeinen Gesetzen, die mit einer notwendigen Einheit außer anderen anständigen Folgen auch auf die Hervorbringung dieser Wirkungen in Beziehung stehen. | 2. Man bemerke das Notwendige in dieser Verknüpfung verschiedener Tauglichkeiten in einem Grund, sowohl weil die Art, um daraus auf die Abhängigkeit von Gott zu schließen, von derjenigen verschieden ist, welche eigentlich die künstliche und gewählte Einheit zum Augenmerk hat, als auch um den Erfolg nach beständigen und notwendigen Gesetzen vom ungefähren Zufall zu unterscheiden. 3. Man vermute nicht allein in der unorganischen, sondern auch der organisierten Natur eine größere notwendige Einheit, als so geradezu in die Augen fällt. Denn selbst im Bau eines Tieres ist zu vermuten: daß eine einzige Anlage eine fruchtbare Tauglichkeit zu vielen vorteilhaften Folgen haben werde, wozu wir anfänglich vielerlei besondere Anstalten nötig fi nden möchten. Diese Aufmerksamkeit ist sowohl der Philosophie sehr gemäß als auch der physischtheologischen Folgerung vorteilhaft.227 4. Man bediene sich der offenbar künstlichen Ordnung, um daraus auf die Weisheit eines | Urhebers als einen Grund, der wesentlichen und notwendigen Einheit aber in den Naturgesetzen, um daraus auf ein weises Wesen als einen Grund, aber nicht vermittelst seiner Weisheit, sondern vermöge desjenigen in ihm, was mit dieser harmonieren muß, zu schließen. 5. Man schließe aus den z u f ä l l i g e n Verbindungen der Welt auf den Urheber der Art, wie das Universum zusammengefügt 11 sowohl weil ] = Konj. Hg.; die anderen Ausgaben: weil sowohl
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ist, von der ¦ n o t w e n d i g e n Einheit aber auf ebendasselbe Wesen als einen Urheber sogar der Materie und des Grundstoffes aller Naturdinge. 6. Man erweitere diese Methode durch allgemeine Regeln, welche die Gründe der Wohlgereimtheit desjenigen, was mechanisch oder auch geometrisch notwendig ist, mit dem Besten des Ganzen können verständlich machen, und verabsäume nicht, selbst die Eigenschaften des Raums in diesem Gesichtspunkt zu erwägen und aus der Einheit in dem großen Mannigfaltigen desselben den nämlichen Hauptbegriff zu erläutern.
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| 4. Erläuterung dieser Regeln Ich will einige Beispiele anführen, um die gedachte Methode verständlicher zu machen. Die Gebirge der Erde228 sind eine der nützlichsten Verfassungen auf derselben, und Burnet 229, der sie für nichts Besseres als eine wilde Verwüstung zur Strafe unserer Sünde ansieht, hat ohne Zweifel unrecht. Nach der gewöhnlichen Methode der Physikotheologie werden die ausgebreiteten Vorteile dieser Bergstrecken erzählt, und darauf werden sie als eine göttliche Anstalt durch große Weisheit um so vielfältig abgezielter Nutzen willen angesehen. Nach einer solchen Art zu urteilen wird man auf die Gedanken gebracht: daß allgemeine Gesetze ohne eine eigene künstliche Anordnung auf diesen Fall eine solche Gestalt der Erdfl äche nicht zuwege gebracht hätten, und die Berufung auf den allmächtigen Willen gebietet der forschenden Vernunft ein ehrerbietiges Schweigen. Dagegen ist nach einer besser unterwiesenen Denkungsart der Nutzen und die Schönheit dieser Naturanstalt gar kein Grund, die allgemeinen und ein|fältigen Wirkungsgesetze der Materie vorbeizugehen, um diese Verfassung nicht als eine Nebenfolge derselben 28–30 die allgemeinen und einf ältigen Wirkungsgesetze der Materie
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anzusehen. Es möchte vielleicht schwer auszumachen sein: ob die Kugelfigur der Erde überhaupt nicht von noch beträchtlicherem Vorteil und wichtigeren Folgen sei als diejenigen Unebenheiten, die ihre Oberfläche von dieser abgemessenen Rundung etwas abweichen machen. Gleichwohl fi ndet kein Philosoph einiges Bedenken, sie als eine Wirkung der allgemeinsten statischen Gesetze in der allerältesten Epoche der Welt anzusehen. Warum sollten die Ungleichheiten und Hervorragungen nicht auch zu solchen natürlichen und ungekünstelten Wirkungen gehören? Es scheint: daß bei einem jeden großen Weltkörper der Zustand, da er aus der Flüssigkeit in die Festigkeit allmählich übergeht, ¦ sehr notwendig mit der Erzeugung weitläufiger Höhlen 230 verbunden sei, die sich unter seiner schon gehärteten Rinde fi nden müssen, wenn die leichtesten Materien seines inwendigen, noch flüssigen Klumpens, darunter auch die Luft ist, mit allmählicher Absonderung bis unter diese emporsteigen, und daß, da die Weitläufigkeit dieser Höhlen ein Verhältnis zu der Größe des | Weltkörpers haben muß, die Einsinkungen der vorbeizugehen ] Reich: an den allgemeinen und einf ältigen Wirkungsgesetzen der Materie vorbeizugehen 1 schwer ] 1763 (Korr. durch Druckfehlerverzeichnis 1763), 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Hartenstein I: schwerer 16 Absonderung bis unter diese [sc. Rinde, Hg.] emporsteigen ] = Konj. Hg.; 1763, 1770, 1794, 1797, Schiele, Buchenau, Weischedel, Klaus: Absonderung unter diese emporsteigen; Erhardt: Absonderung unter dieser emporsteigen; Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Ak 1905, Ak 1912, Reich: Absonderung unter diesen emporsteigen. – Die vom Hg. vorgeschlagene Lesart stützt sich auf die Parallelstelle in der ANG : »Wenn die Oberfl äche sich härtet, indessen daß in dem flüssigen inwendigen Theile solcher Masse die Materien sich noch nach Maßgebung ihrer Schwere zum Mittelpunkte hin senken: so werden die Partikeln des elastischen Luft- oder Feuerelements, das sich in diesen Materien mit untergemengt befi ndet, herausgejagt und häufen sich unter der indessen festgewordenen Rinde, unter welcher sie große und nach Proportion des Sonnenklumpens ungeheure Höhlen erzeugen […].« Ak I, 32821–26.
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festen Gewölbe ebensoweit ausgebreitet sein werden. Selbst eine Art von Regelmäßigkeit, wenigstens die Kettenreihe dieser Unebenheiten, darf bei einer solchen Erzeugungsart nicht fremd und unerwartet scheinen. Denn man weiß, daß das Aufsteigen der leichten Arten in einem großen Gemisch an einem Ort einen Einfluß auf die nämliche Bewegung in dem benachbarten Teil des Gemengsels habe. Ich halte mich bei dieser Erklärungsart nicht lange auf, wie ich denn allhier keine Absicht habe, einige Ergebenheit in Ansehung derselben zu bezeigen, sondern nur, eine kleine Erläuterung der Methode zu urteilen durch dieselbe darzulegen. Das ganze feste Land der Erde ist mit den Laufrinnen der Ströme231 als mit Furchen auf eine sehr vorteilhafte Art durchzogen. Es sind aber auch so viele Unebenheiten, Täler und flache Gegenden auf allem festen Land: daß es beim ersten Anblick scheint notwendig zu sein, daß die Kanäle, darin die Wasser derselben rinnen, besonders gebaut und geordnet sein müssen, widrigenfalls nach der Unregelmäßigkeit alles übrigen Bodens die von den | Höhen laufenden Wasser weit und breit ausschweifen, viele Flächen überschwemmen, in Tälern Seen machen und das Land eher wild und unbrauchbar als schön und wohlgeordnet machen müßten. Wer wird nicht hier einen großen Anschein zu einer nötigen außerordentlichen Veranstaltung gewahr? Indessen würde aller Naturforschung über die Ursache der Ströme durch eine angenommene übernatürliche Anordnung 232 ein Ende gemacht werden. Weil ich mich hingegen durch diese Art der Regelmäßigkeit nicht irremachen lasse und nicht sogleich ihre Ursache außer dem Bezirk allgemeiner mechanischer Gesetze
22 f. Anschein zu einer ] Wille: Anschein einer 26 f. hingegen durch diese Art der Regelmäßigkeit ] = Konj. Hg.; 1763,
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erwarte, so folge ich der Beobachtung, um daraus etwas auf die Erzeugungsart dieser Ströme abzunehmen. Ich werde gewahr: daß viele Flutbette der Ströme sich noch bis jetzt ausbilden und daß sie ihre eigenen Ufer erhöhen, bis sie das umliegende Land nicht mehr so sehr wie ehedem überschwemmen. Ich werde gewiß, daß alle Ströme vor alters wirklich so ausgeschweift haben, als wir besorgten, daß sie es ohne eine außerordentliche Anstalt tun müßten, und ich nehme daraus ab, daß keine solche außerordentliche Einrichtung jemals ¦ vorgegangen sei. Der Amazonenstrom 233 zei|gt in einer Strecke von einigen hundert Meilen deutliche Spuren, daß er ehedem kein eingeschränktes Flutbett gehabt, sondern weit und breit das Land überschwemmt haben müsse; denn das Erdreich zu beiden Seiten ist bis in große Weiten flach wie ein See und besteht aus Flußschlamm, wo ein Kiesel ebenso selten ist wie ein Diamant. Ebendasselbe fi ndet man beim Mississippi 234. Und überhaupt zeigen der Nil 235 und andere Ströme, daß diese Kanäle mit der Zeit viel weiter verlängert worden, und da, wo der Strom seinen Ausfluß zu haben schien, weil er sich nahe zur See über den flachen Boden ausbreitete, baut er allmählich seine Laufrinne aus und fl ießt weiter in einem verlängerten Flutbett. Alsdann aber, nachdem ich durch Erfahrungen auf die Spur gebracht worden, glaube ich, die ganze Mechanik von der Bildung der Flutrinnen aller Ströme auf folgende einfältige Gründe bringen zu können. Das von den Höhen laufende Quell- oder Regenwasser ergoß sich anfänglich nach dem Abhang des Bodens unregelmäßig, füllte manche Täler an und breitete sich über manche flache Gegenden aus. Allein in demjenigen Strich, | wo irgend der Zug des Wassers am schnellsten war, konnte es der Geschwindigkeit wegen seinen Schlamm nicht so wohl absetzen, den es hergegen 236 zu beiden Seiten viel häufiger fallen ließ. Dadurch wurden die Ufer erhöht, indessen daß der stärkste Zug des Wassers seine Rinne erhielt. Mit der Zeit, als der Zufluß des Wassers selber geringer wurde (welches in der Folge der Zeit endlich geschehen mußte aus Ursachen, die den Kennern der Geschichte der Erde bekannt
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sind), so überschritt der Strom diejenigen Ufer nicht mehr, die er sich selbst aufgeführt hatte, und aus der wilden Unordnung entsprang Regelmäßigkeit und Ordnung. Man sieht offenbar, daß dieses noch bis auf diese Zeit, vornehmlich bei den Mündungen der Ströme, die ihre jüngsten Teile sind, vorgeht, und gleichwie nach diesem Plan das Absetzen des Schlammes nahe bei den Stellen, wo der Strom anfangs seine neuen Ufer überschritt, häufiger als weiter davon geschehen mußte, so wird man auch noch gewahr, daß wirklich an vielen Orten, wo ein Strom durch fl ache Gegenden läuft, sein Rinnsal höher liegt als die umliegenden Ebenen. | Es gibt gewisse allgemeine Regeln, nach denen die Wirkungen der Natur geschehen und die einiges Licht in der Beziehung der mechanischen Gesetze auf Ordnung und Wohlgereimtheit geben können, deren eine ist: Die Kräfte der Bewegung und des Widerstandes wirken so lange aufeinander, bis sie sich das mindeste Hindernis leisten.237 Die Gründe dieses Ge|setzes lassen sich sehr leicht einsehen; allein die Beziehung, die dessen Folge auf Regelmäßigkeit und Vorteil hat, ist bis zur Bewunderung weitläufig und groß. Die Epizykloide, eine algebraische Krümmung, ist von dieser Natur: daß Zähne und Getriebe, nach ihr abgerundet, die mindestmögliche Reibung aneinander erleiden. Der berühmte Herr Prof. Kästner 238 erwähnt an einem Ort: daß ihm von einem erfahrenen Bergwerksverständigen an den Maschinen, die lange im Gebrauch gewesen, gezeigt worden, daß sich wirklich diese Figur endlich durch lange Bewegung abschleife; eine Figur, die eine ziemlich verwickelte Konstruktion zum Grunde hat und die mit aller ihrer Regelmäßigkeit eine Folge von einem gemeinen Gesetz der Natur ist. Um etwas aus den schlechten Naturwirkungen anzuführen, was, indem es unter dem eben er|wähnten Gesetz steht, um deswillen einen Ausschlag auf Regelmäßigkeit an sich zeigt, führe ich eine von den Wirkungen der Flüsse an. Es ist wegen der großen Verschiedenheiten des Abschusses aller Gegenden des festen Landes sehr zu erwarten, daß die Ströme, die auf diesem Abhang
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laufen, hin und wieder steile Stürze und Wasserfälle239 haben würden, deren auch wirklich einige, obzwar selten, vorkommen und eine große Unregelmäßigkeit und Unbequemlichkeit enthalten. Allein es fällt leicht in die Augen: daß, wenngleich (wie zu vermuten) in dem ersten verwilderten Zustand dergleichen Wasserfälle häufig waren, dennoch die Gewalt des Absturzes das lockere Erdreich, ja selbst einige noch nicht genugsam gehärtete Felsarten werde eingegraben und weggewaschen haben, bis der Strom sein Rinnsal zu einem ziemlich gleichförmigen Abhang gesenkt hatte, daher, wo auch noch Wasserfälle sind, der Boden felsig ist und in sehr vielen Gegenden der Strom zwischen zwei steil abgeschnittenen Ufern läuft, wozwischen er sein tief liegendes Bett vermutlich selbst eingeschnitten hat. Man fi ndet es sehr nützlich, daß fast alle Ströme in dem größten Teil ihres Laufes einen gewissen Grad Geschwin|digkeit nicht überschreiten, der ziemlich mäßig ist und wodurch sie schiff bar sind. Obgleich nun dieses im Anfang von der so sehr verschiedenen Abschüssigkeit 240 des Bodens, worüber sie laufen, kaum allein ohne besondere Kunst zu erwarten stände, so läßt sich doch leichtlich erachten, daß mit der Zeit ein gewisser Grad der Schnelligkeit sich von selbst habe fi nden müssen, den sie nicht leichtlich übertreffen können, der Boden des Landes mag abschüssig sein, wie er will, wenn er nur locker ist. Denn sie werden ihn so lange abspülen, sich hineinarbeiten und ihr Bett an einigen Orten senken, an ¦ anderen erhöhen, bis dasjenige, was sie vom Grund fortreißen, wenn sie angeschwollen sind, demjenigen, was sie in den Zeiten der trägeren Bewegung fallen lassen, ziemlich gleich ist. Die Gewalt wirkt hier so lange, bis sie sich selbst zum gemäßigteren Grad gebracht hat und bis die Wechselwirkung des Anstoßes und des Widerstandes zur Gleichheit ausgeschlagen ist. Die Natur bietet unzählige Beispiele von einer ausgebreiteten Nutzbarkeit einer und ebenderselben Sache zu einem vielfältigen Gebrauch dar. Es ist sehr verkehrt, diese Vorteile sogleich als Zwecke | und als diejenigen Erfolge anzusehen, welche die Bewegungsgründe enthielten, weswegen die Ursachen
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derselben durch göttliche Willkür in der Welt angeordnet würden. Der Mond schafft unter anderen Vorteilen auch diesen, daß Ebbe und Flut 241 Schiffe auch wider oder ohne Winde vermittelst der Ströme in den Straßen und nahe beim festen Land in Bewegung setzen. Vermittelst seiner und der Jupiter-Trabanten fi ndet man die Länge des Meeres. Die Produkte aus allen Naturreichen haben ein jedes eine große Nutzbarkeit, wovon man einige auch zum Gebrauch macht. Es ist eine widersinnige Art zu urteilen, wenn man, wie es gemeiniglich geschieht, diese alle zu den Bewegungsgründen der göttlichen Wahl zählt und sich wegen des Vorteils der Jupitermonde auf die weise Anstalt des Urhebers beruft, die den Menschen dadurch ein Mittel, die Länge der Örter zu bestimmen, hat an die Hand geben wollen. Man hüte sich, daß man die Spötterei eines Voltaire nicht mit Recht auf sich ziehe, der in einem ähnlichen Ton sagt: Seht da, warum wir Nasen haben; ohne Zweifel, damit wir Brillen darauf stecken könnten.242 Durch die göttliche Willkür wird noch nicht genugsamer Grund ange|geben, weswegen ebendieselben Mittel, die einen Zweck zu erreichen allein nötig wären, noch in so viel anderer Beziehung vorteilhaft seien. Diejenige bewundernswürdige Gemeinschaft, die unter den Wesen alles Erschaffenen herrscht, daß ihre Naturen einander nicht fremd sind, sondern, in vielfacher Harmonie verknüpft, sich zueinander von selbst schicken und eine ausgebreitete notwendige Vereinbarung zur gesamten Vollkommenheit in ihren Wesen enthalten,243 das ist der Grund so mannigfaltiger Nutzbarkeiten, die man nach unserer Methode als Beweistümer eines höchst weisen Urhebers, aber nicht in allen Fällen als Anstalten, die durch besondere Weisheit mit den übrigen um der besonderen Nebenvorteile willen verbunden worden, ansehen kann. Ohne Zweifel sind die Bewegungsgründe, weswegen Jupiter Monde ¦ haben sollte, vollständig, wenngleich niemals durch die Erfi ndung
21 den ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: dem
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der Sehrohre dieselben zu Messung der Länge genutzt würden. Diese Nutzen, die als Nebenfolgen anzusehen sind, kommen gleichwohl mit in Anschlag, um die unermeßliche Größe des Urhebers aller Dinge daraus abzunehmen. Denn sie sind nebst Millionen anderen ähnlicher Art Beweistümer von der großen Kette244, | die selbst in den Möglichkeiten der Dinge die Teile der Schöpfung vereinbart, die einander nichts anzugehen scheinen; denn sonst kann man auch nicht allemal die Nutzen, die der Erfolg einer freiwilligen Anstalt nach sich zieht und die der Urheber kennt und in seinem Ratschluß mit befaßt, um deswillen zu den Bewegungsgründen solcher Wahl zählen, wenn diese nämlich auch unangesehen solcher Nebenfolgen schon vollständig waren. Ohne Zweifel hat das Wasser darum nicht die Natur, sich waagerecht zu stellen, damit man sich darin spiegeln könne. Dergleichen beobachtete Nutzbarkeiten können, wenn man mit Vernunft urteilen will, nach der eingeschränkten physischtheologischen Methode, die im Gebrauch ist, gar nicht zu der Absicht, die man hier vor Augen hat, genutzt werden. Nur einzig und allein der Zusatz, den wir ihr zu geben gesucht haben, kann solche gesammelten Beobachtungen zu Gründen der wichtigen Folgerung auf die allgemeine Unterordnung aller Dinge unter ein höchstweises Wesen tüchtig machen. Erweitert eure Absichten, soviel ihr könnt, über die unermeßlichen Nutzen, die ein Geschöpf in tausendfacher Beziehung wenigstens der Möglichkeit nach darbietet (der einzige Kokosbaum schafft dem | Indianer unzählige),245 verknüpft in dergleichen Beziehungen die entlegensten Glieder der Schöpfung miteinander. Wenn ihr die Produkte der unmittelbar künstlichen Anstalten geziemend bewundert habt, so unterlasst nicht, auch in dem ergötzenden Anblick der fruchtbaren Beziehung, die die Möglichkeiten der erschaffenen Dinge auf durchgängige Harmonie haben, und der ungekünstelten Abfolge so mannigfaltiger Schönheit, die sich 1 dieselben ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Hartenstein I, Ak
1905, Ak 1912, Buchenau, Weischedel, Klaus, Reich: dieselbe
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von selbst darbietet, diejenige Macht zu bewundern und anzubeten, in deren ewiger Grundquelle die Wesen der Dinge zu einem vortreff lichen Plan gleichsam bereit darliegen. Ich merke im Vorübergehen an, daß das große Gegenverhältnis, das unter den Dingen der Welt in Ansehung des häufigen Anlasses, den sie zu Ähnlichkeiten, Analogien, Parallelen und wie man sie sonst nennen will, geben, nicht so ganz flüchtig verdient übersehen zu werden. Ohne mich bei dem Gebrauch, den dieses auf Spiele des Witzes hat und der mehrenteils nur eingebildet ist, aufzuhalten, liegt hierin noch für den ¦ Philosophen ein, wie mich dünkt, wichtiger Gegenstand des Nachdenkens verborgen, wie solche Übereinkunft sehr verschiedener | Dinge in einem gewissen gemeinschaftlichen Grund der Gleichförmigkeit so groß und weitläufig und doch zugleich so genau sein könne. Diese Analogien sind auch sehr nötige Hilfsmittel unserer Erkenntnis, die Mathematik selber liefert deren einige. Ich enthalte mich, Beispiele anzuführen, denn es ist zu besorgen, daß nach der verschiedenen Art, wie dergleichen Ähnlichkeiten empfunden werden, sie nicht dieselbe Wirkung über jeden anderen Verstand haben möchten, und der Gedanke, den ich hier einstreue, ist ohnedem unvollendet und noch nicht genugsam verständlich. Wenn man fragen sollte, welches denn der Gebrauch sei, den man von der großen Einheit in den mancherlei Verhältnissen des Raums, welche der Meßkünstler erforscht, machen könnte, so vermute ich, daß allgemeine Begriffe von der Einheit der mathematischen Objekte auch die Gründe der Einheit und Voll-
6 f. Parallelen und wie man sie sonst nennen will, ] 1770, 1794, 1797,
Ak 1905, Ak 1912, Buchenau, Reich: Parallelen und, wie man sie sonst nennen will,; 1797, Tieftrunk, Rosenkranz: Parallelen, und, wie man sie sonst nennen will,; Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Weischedel: Parallelen, und wie man sie sonst nennen will, 7 geben, nicht ] Wille: geben, doch bestehen muß, nicht 10 aufzuhalten ] 1763, 1770, 1794, Weischedel: aufgehalten
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kommenheit in der Natur könnten zu erkennen geben. Z. B.: Es ist unter allen Figuren die Zirkelfigur diejenige, darin ebender Umkreis den größtmöglichen Raum beschließt, den ein solcher Um|fang nur befassen kann, darum nämlich, weil eine genaue Gleichheit in dem Abstand dieser Umgrenzung von einem Mittelpunkt darin durchgängig herrscht. Wenn eine Figur durch gerade Linien soll eingeschlossen werden, so kann die größtmögliche Gleichheit in Ansehung des Abstandes derselben vom Mittelpunkt nur stattfi nden, wenn nicht allein die Entfernungen der Winkelpunkte von diesem Mittelpunkt untereinander, sondern auch die Perpendikel aus diesem auf die Seiten einander völlig gleich sind. Daraus wird nun ein regelmäßiges Polygon, und es zeigt sich durch die Geometrie, daß mit ebendemselben Umkreis ein anderes Polygon von ebender Zahl Seiten jederzeit einen kleineren Raum einschließen würde als das reguläre. Noch ist eine und zwar die einfachste Art der Gleichheit in dem Abstand von einem Mittelpunkt möglich, nämlich wenn bloß die Entfernung der Winkelpunkte des Vielecks von demselben Mittelpunkt durchgängig gleich ist, und da zeigt sich, daß ein jedes reguläre Polygon, welches im Zirkel stehen kann, den größten Raum einschließt unter allen, der von ebendenselben Seiten nur immer kann beschlossen | werden. Außer diesem ist zuletzt dasjenige Polygon, in welchem noch überdem die Größe der Seite dem Abstand des Winkelpunkts vom Mittelpunkt gleich ist, das ist, das regelmäßige Sechseck, unter allen Figuren überhaupt diejenige, die mit dem kleinsten Umfang ¦ den größten Raum so einschließt, daß sie zugleich, äußerlich mit anderen gleichen Figuren zusammengesetzt, keine Zwischenräume übrigläßt. Es
20 reguläre ] Sämtliche eingesehenen Ausgaben: irreguläre. Treash
246, Fn. 33, weist darauf hin, daß der Kontext sowie die Regeln der euklidischen Geometrie ›regulär‹ verlangen. 20 f. den größten Raum einschließt unter allen ] Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann: unter allen den größesten Raum einschließt
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bietet sich hier sehr bald diese Bemerkung dar, daß das Gegenverhältnis des Größten und Kleinsten im Raum auf die Gleichheit ankomme. Und da die Natur sonst viele Fälle einer notwendigen Gleichheit an die Hand gibt, so können die Regeln, die man aus den gedachten Fällen der Geometrie in Ansehung des allgemeinen Grundes solches Gegenverhältnisses des Größten und Kleinsten zieht, auch auf die notwendige Beobachtung des Gesetzes der Sparsamkeit 246 in der Natur angewandt werden. In den Gesetzen des Stoßes ist insofern jederzeit eine gewisse Gleichheit notwendig: daß nach dem Stoß, wenn sie unelastisch sind, beider Körper Geschwindigkeit jederzeit gleich sei, daß, wenn sie elastisch sind, beide durch die Federkraft immer gleich gestoßen werden, und zwar mit einer Kraft, womit der Stoß ge|schah, daß der Mittelpunkt der Schwere beider Körper durch den Stoß in seiner Ruhe oder Bewegung gar nicht verändert wird etc. etc. Die Verhältnisse des Raums sind so unendlich mannigfaltig und verstatten gleichwohl eine so gewisse Erkenntnis und klare Anschauung, daß, gleichwie sie schon öfters zu Symbolen der Erkenntnisse von ganz anderer Art vortrefflich gedient haben (z. B. die Erwartungen in den Glücksfällen auszudrücken) 247, also auch Mittel an die Hand geben können, die Regeln der Vollkommenheit in natürlich notwendigen Wirkungsgesetzen, insofern sie auf Verhältnisse ankommen, aus den einfachsten und allgemeinsten Gründen zu erkennen. Ehe ich diese Betrachtung beschließe, will ich alle verschiedenen Grade der philosophischen Erklärungsart der in der Welt vorkommenden Erscheinungen der Vollkommenheit, insofern man sie insgesamt unter Gott betrachtet, anführen, indem ich von derjenigen Art zu urteilen anfange, wo die Philosophie sich noch verbirgt,248 und bei derjenigen endige, wo sie ihre größte Bestrebung zeigt. Ich rede von der Ordnung, Schönheit und Anständigkeit, insofern sie der Grund ist, die | Dinge der Welt 11 Geschwindigkeit ] 1763 (Korr. durch Druckfehlerverzeichnis 1763),
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auf eine der Weltweisheit anständige Art einem göttlichen Urheber unterzuordnen. E r s t l i c h , man kann eine einzelne Begebenheit in dem Verlauf der Natur als etwas unmittelbar von einer göttlichen Handlung Herrührendes ansehen, und die Philosophie hat hier kein anderes Geschäft, als nur einen Beweisgrund dieser außerordentlichen Abhängigkeit anzuzeigen. Z w e i t e n s , man betrachtet eine Begebenheit der Welt als eine, worauf als auf einen einzelnen Fall die Mechanik der Welt von der ¦ Schöpfung her besonders abgerichtet war, wie z. B. die Sintflut nach dem Lehrgebäude verschiedener Neueren.249 Alsdann ist aber die Begebenheit nicht weniger übernatürlich. Die Naturwissenschaft, wovon die gedachten Weltweisen hierbei Gebrauch machen, dient nur dazu, ihre eigene Geschicklichkeit zu zeigen 250 und etwas zu ersinnen, was sich etwa nach allgemeinen Naturgesetzen ereignen könnte und dessen Erfolg auf die vorgegebene außerordentliche Begebenheit hinausliefe. Denn sonst ist ein solches | Verfahren der göttlichen Weisheit nicht gemäß, die niemals darauf abzielt, mit unnützer Kunst zu prahlen, welche man selbst an einem Menschen tadeln würde, der, wenn ihn z. B. nichts abhielte, eine Kanone unmittelbar abzufeuern, ein Feuerschloß mit einem Uhrwerk anbringen wollte, wodurch sie in dem gesetzten Augenblick durch mechanische sinnreiche Mittel losbrennen sollte. D r i t t e n s , wenn gewisse Stücke der Natur als eine von der Schöpfung her dauernde Anstalt, die unmittelbar von der Hand des großen Werkmeisters herrührt, angesehen werden; und zwar wie eine Anstalt, die als ein einzelnes Ding und nicht wie eine Anordnung nach einem beständigen Gesetz eingeführt worden; z. B. wenn man behauptet, Gott habe die Gebirge, die Flüsse, die Planeten und ihre Bewegung 251 mit dem Anfang aller Dinge ziemlich unmittelbar geordnet. Da ohne Zweifel ein Zustand der Natur der erste sein muß, in welchem die Form der Dinge ebensowohl wie die Materie unmittelbar von Gott abhängt, so hat diese Art zu urteilen insofern einen philosophischen Grund.
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Indessen, weil es | übereilt ist, ehe und bevor man die Tauglichkeit, die den Naturdingen nach allgemeinen Gesetzen eigen ist, geprüft hat, eine Anstalt unmittelbar der Schöpfungshandlung beizumessen, darum, weil sie vorteilhaft und ordentlich ist, so ist sie insoweit nur in sehr kleinem Grad philosophisch. V i e r t e n s , wenn man einer künstlichen Ordnung der Natur etwas beimißt, bevor die Unzulänglichkeit, die sie hierzu nach gemeinen Gesetzen hat, gehörig erkannt worden, z. B. wenn man etwas aus der Ordnung des Pfl anzen- und Tierreichs erklärt, was vielleicht in gemeinen mechanischen Kräften liegt, bloß deswegen, weil Ordnung und Schönheit darin groß sind.252 Das Philosophische dieser Art zu urteilen ist alsdann noch geringer, wenn ein jedes einzelne Tier oder Pflanze unmittelbar der Schöpfung untergeordnet wird, als wenn außer einigem unmittelbar Erschaffenen die anderen Produkte demselben nach einem Gesetz der Zeugungsfähigkeit (nicht bloß des Auswicklungsvermögens) 253 untergeordnet ¦ werden, weil im letzteren Fall mehr nach der Ordnung der Natur erklärt wird; es müßte denn sein, daß dieser ihre Unzulänglichkeit in Ansehung dessen klar | erwiesen werden könnte. Es gehört aber auch zu diesem Grad der philosophischen Erklärungsart eine jede Ableitung einer Anstalt in der Welt aus künstlichen und um einer Absicht willen errichteten Gesetzen überhaupt und nicht bloß im Tier- und Pfl anzenreich;* z. B. wenn man vom Schnee und den Nordscheinen so redet, als ob die Ordnung der Natur, die beide hervorbringt, um des Nutzens des Grönländers oder Lappen willen (damit er in den langen Nächten nicht ganz im Finstern sei) eingeführt wäre, obgleich es noch immer zu vermuten ist, daß dieses eine *
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Ich habe in der zweiten Nummer der dritten Betrachtung dieses Abschnittes unter den Beispielen der künstlichen Naturordnung bloß 30 die aus dem Pfl anzen- und Tierreich angeführt. Es ist aber zu merken, A 147 daß eine jede Anordnung eines Gesetzes um | eines besonderen Nutzens willen, darum, weil sie hierdurch von der notwendigen Einheit mit anderen Naturgesetzen ausgenommen wird, künstlich sei, wie aus 35 einigen hier erwähnten Beispielen zu ersehen.
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wohlpassende Nebenfolge mit notwendiger Einheit aus anderen Gesetzen sei. Man ist fast jederzeit in Gefahr dieses Fehlers, wenn man einige Nutzen der Menschen zum Grunde einer besonderen göttlichen Veranstaltung angibt, z. B. daß Wald und Feld mehrenteils mit grüner Farbe bedeckt ist, weil diese unter allen Farben die mittlere Stärke hat, um das Auge in mäßiger | Übung zu erhalten.254 Hiergegen kann man einwenden, daß der Bewohner der Davisstraße255 vom Schnee fast blind wird und seine Zuflucht zu den Schneebrillen 256 nehmen muß. Es ist nicht tadelhaft, daß man die nützlichen Folgen aufsucht und sie einem gütigen Urheber beimißt, sondern daß die Ordnung der Natur, darnach sie geschehen, als künstlich und willkürlich mit anderen verbunden vorgestellt wird, da sie doch vielleicht mit anderen in notwendiger Einheit steht. F ü n f t e n s . Am mehrsten enthält die Methode, über die vollkommenen Anstalten der Natur zu urteilen, den Geist wahrer Weltweisheit, wenn sie, jederzeit bereit, auch übernatürliche Begebenheiten zuzulassen, imgleichen die wahrhaftig künstlichen Anordnungen der Natur nicht zu verkennen, hauptsächlich die Abzielung auf Vorteile und alle Wohlgereimtheit, sich nicht hindern läßt, die Grün|de davon in notwendigen allgemeinen Gesetzen aufzusuchen, mit großer Achtsamkeit auf die Erhaltung der Einheit und mit einer vernünftigen Abneigung, die Zahl der Naturursachen um derentwillen zu vervielfältigen. Wenn hierzu noch die Aufmerksamkeit ¦ auf die allgemeinen Regeln gefügt wird, welche den Grund der notwendigen Verbindung desjenigen, was natürlicherweise ohne besondere Anstalt vorgeht, mit den Regeln des Vorteils oder der Annehmlichkeit vernünftiger Wesen können begreif lich machen, und man alsdann zu dem 3 einige ] Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II,
Kirchmann: einigen 8 Davisstraße ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Hartenstein I, Hartenstein II, Schiele: Davidsstraße; Kirchmann: Davidstrasse
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göttlichen Urheber hinaufsteigt, so erfüllt diese physischtheologische Art zu urteilen ihre Pfl ichten gehörig.*
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Die Figur der Himmelskörper, die Mechanik, nach der sie sich bewegen und ein Weltsystem ausmachen, imgleichen die mancherlei Veränderungen, denen die Stellung ihrer Kreise in der Folge der Zeit unterworfen ist, alles dieses ist ein Teil der Naturwissenschaft geworden, der mit so großer Deutlichkeit und Gewißheit begriffen wird, daß man auch nicht eine einzige andere Einsicht sollte aufzeigen können, welche einen natürlichen Gegenstand (der nur einigermaßen dieses seiner Mannigfaltig|keit beikäme) auf eine so ungezweifelt richtige Art und mit solcher Augenscheinlichkeit erklärte.259 Wenn man dieses in Erwägung zieht, sollte man da nicht auch auf die Vermutung geraten, daß
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Ich will hiermit nur sagen, daß dieses der Weg für die menschliche Vernunft sein müsse. Denn wer wird es gleichwohl jemals verhü- 20 ten können, hierbei vielf ältig zu irren, nach dem Pope: A 149 | Geh, schreibe Gottes weiser Ordnung des Regimentes Regeln vor, Dann kehre wieder in dich selber zuletzt zurück und sei ein Tor. 257 15 dieses seiner Mannigfaltigkeit ] Reich: diesem in seiner Mannig-
faltigkeit 23 Dann ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Buchenau, Weischedel, Klaus: Denn 23 in dich ] 1763, 1770, 1794, 1797, Schiele, Weischedel: in dir
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der Zustand der Natur, in welchem dieser Bau seinen Anfang nahm und ihm die Bewegungen, die jetzt nach so einfältigen und begreif lichen Gesetzen fortdauern, zuerst eingedrückt worden, ebenfalls leichter einzusehen und faßlicher sein werde als vielleicht das mehrste, wovon wir sonst in der Natur den Ursprung suchen. Die Gründe, die dieser Vermutung günstig sind, liegen am Tage. Alle diese Himmelskörper sind runde Massen, soviel man weiß, ohne Organisation und geheime Kunstzubereitung. Die Kraft, dadurch sie gezogen ¦ werden, ist allem Ansehen nach eine der Materie eigene Grundkraft, darf also und kann nicht erklärt werden. Die Wurf bewegung, mit welcher sie ihren Flug verrichten, und die Richtung, nach der dieser Schwung ihnen erteilt worden, ist zusamt der Bildung ihrer Massen das Hauptsächlichste, ja fast das einzige, wovon man die ersten natürlichen Ursachen zu suchen hat: einfältige und bei weitem nicht so verwickelte Wirkungen, wie die meisten anderen der Natur sind, bei welchen gemeiniglich die | Gesetze gar nicht mit mathematischer Richtigkeit bekannt sind, nach denen sie geschehen, da sie im Gegenteil hier in dem begreif lichsten Plan vor Augen liegen. Es ist auch bei einem so großen Anschein eines glücklichen Erfolgs sonst nichts im Weg als der Eindruck von der rührenden Größe eines solchen Naturstücks, als ein Sonnensystem ist, wo die natürlichen Ursachen alle verdächtig sind, weil ihre Zulänglichkeit viel zu nichtig und dem Schöpfungsrecht des obersten Urhebers entgegen zu sein scheint. Allein könnte man ebendieses nicht auch von der Mechanik sagen, wodurch ein großer Weltbau, nachdem er einmal da ist, seine Bewegungen forthin erhält? Die ganze Erhaltung derselben kommt auf ebendasselbe Gesetz260 an, wonach ein Stein, der in der Luft gewor4 werde ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Hartenstein I, Harten-
stein II, Kirchmann, Schiele, Weischedel: werden 6 suchen. ] Rosenkranz: suchen? 24 nichtig ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: wichtig 29 der in der ] Rosenkranz, Reich: der in die
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fen ist, seine Bahn beschreibt; ein einfältiges Gesetz, fruchtbar an den regelmäßigsten Folgen und würdig, daß ihm die Aufrechterhaltung eines ganzen Weltbaues anvertraut werde. Von der anderen Seite, wird man sagen, ist man nicht vermögend, die Naturursachen deutlich zu machen, wodurch das verächtlichste Kraut nach völlig begreif lichen mechanischen Gesetzen erzeugt werde,261 | und man wagt sich an die Erklärung von dem Ursprung eines Weltsystems im großen. Allein ist jemals ein Philosoph auch im Stande gewesen, nur die Gesetze, wonach das Wachstum oder die innere Bewegung in einer schon vorhandenen Pflanze geschieht, dermaßen deutlich und mathematisch sicher zu machen, wie diejenigen gemacht sind, welchen alle Bewegungen der Weltkörper gemäß sind. Die Natur der Gegenstände ist hier ganz verändert. Das Große, das Erstaunliche ist hier unendlich begreif licher als das Kleine und Bewundernswürdige, und die Erzeugung eines Planeten zusamt der Ursache der Wurf bewegung, wodurch er geschleudert wird, um im Kreis zu laufen, wird allem Anschein nach leichter und deutlicher einzusehen sein als die Erzeugung einer einzigen Schneeflocke,262 in der die abgemessene Richtigkeit eines sechseckigen Sternes dem Ansehen nach genauer ist als die Rundung der Kreise, worin Planeten laufen, und an welcher die Strahlen viel richtiger sich auf eine Fläche beziehen, als die ¦ Bahnen dieser Himmelskörper es gegen den gemeinschaftlichen Plan 263 ihrer Kreisbewegungen tun. Ich werde den Versuch einer Erklärung von dem Ursprung des Weltbaues nach allgemeinen | mechanischen Gesetzen darlegen, nicht von der gesamten Naturordnung, sondern nur von den großen Massen und ihren Kreisen, welche die roheste Grundlage der Natur ausmachen. Ich hoffe, einiges zu sagen, was anderen zu wichtigen Betrachtungen Anlaß geben kann, obgleich mein Entwurf grob und unausgearbeitet ist. Einiges davon hat in meiner Meinung einen Grad der Wahrscheinlichkeit, der bei 12 welchen ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: welcher
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einem kleineren Gegenstand wenig Zweifel übriglassen würde und der nur das Vorurteil einer größeren erforderlichen Kunst, als man den allgemeinen Naturgesetzen zutraut, entgegenstehen kann. Es geschieht oft: daß man dasjenige zwar nicht fi ndet, was man eigentlich sucht, aber doch auf diesem Weg andere Vorteile, die man nicht vermutet, antrifft. Auch ein solcher Nutzen würde ein genugsamer Gewinn sein, wenn er sich dem Nachdenken anderer darböte, gesetzt auch, daß die Hauptzwecke der Hypothese dabei verschwinden sollten. Ich werde die allgemeine Gravitation der Materie nach dem Newton oder seinen Nachfolgern hierbei voraussetzen. Diejenigen, welche etwa durch eine Definition der Metaphysik nach ihrem Geschmack glauben, die Folgerung scharfsinniger | Männer aus Beobachtung und mathematischer Schlußart zu vernichten, werden die folgenden Sätze als etwas, das überdem mit der Hauptabsicht dieser Schrift nur eine entfernte Verwandtschaft hat, überschlagen können.264
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1. Erweiterte Aussicht in den Inbegriff des Universums
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Die sechs Planeten mit ihren Begleitern bewegen sich in Kreisen, die nicht weit von einem gemeinschaftlichen Plan, nämlich der verlängerten Äquatorfläche der Sonne, abweichen. Die Kometen dagegen laufen in Bahnen, die sehr weit davon abstehen, und schweifen nach allen Seiten weit von dieser Beziehungsfläche aus.265 Wenn nun anstatt so weniger Planeten oder Kometen einige tausend derselben zu unserer Sonnenwelt gehörten, so würde der Tierkreis als eine von unzähligen Sternen erleuchtete Zone oder wie ein Streif, der sich in einem blassen Schimmer verliert, erscheinen, in welchem einige nähere Planeten in ziemlichem Glanz, die entfernten aber | durch ihre Menge und 2 der ] Wille, Reich: dem 25 zu unserer ] Ak 1912: in unserer; Reich: in unsere
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Mattigkeit des Lichts nur eine ¦ neblige Erscheinung darstellen würden. Denn es würden bei der Kreisbewegung, darin alle diese insgesamt um die Sonne ständen, jederzeit in allen Teilen dieses Tierkreises einige sein, wenngleich andere ihren Platz verändert hätten. Dagegen würden die Kometen die Gegenden zu beiden Seiten dieser lichten Zone in aller möglichen Zerstreuung bedecken. Wenn wir, durch diese Erdichtung 266 vorbereitet (in welcher wir nichts weiter als die Menge der Körper unserer Planetenwelt in Gedanken vermehrt haben), unsere Augen auf den weiteren Umfang des Universums richten, so sehen wir wirklich eine lichte Zone, in welcher Sterne, ob sie zwar allem Ansehen nach sehr ungleiche Weiten von uns haben, dennoch zu einer und ebenderselben Fläche dichter wie anderwärts gehäuft sind, dagegen die Himmelsgegenden zu beiden Seiten mit Sternen nach aller Art der Zerstreuung bedeckt sind. Die Milchstraße, die ich meine, hat sehr genau die Richtung eines größten Zirkels, eine Bestimmung, die aller Aufmerksamkeit wert ist und daraus sich verstehen läßt, daß unsere Sonne und wir mit ihr uns in dem|jenigen Heer der Sterne mit befi nden, welches sich zu einer gewissen gemeinschaftlichen Beziehungsfläche am meisten drängt, und die Analogie ist hier ein sehr großer Grund zu vermuten: daß diese Sonnen, zu deren Zahl auch die unsrige gehört, ein Weltsystem ausmachen, das im großen nach ähnlichen Gesetzen geordnet ist als unsere Planetenwelt im kleinen; 267 daß alle diese Sonnen samt ihren Begleitern irgendeinen Mittelpunkt ihrer gemeinschaftlichen Kreise haben mögen und daß sie nur um der unermeßlichen Entfernung willen und wegen der langen Zeit ihrer Kreisläufe ihre Örter gar nicht zu verändern scheinen, obzwar dennoch bei etlichen wirklich einige Verrückung ihrer Stellen ist beobachtet worden; daß die Bahnen dieser großen Weltkörper sich ebenso auf eine gemeinschaftliche Fläche beziehen, von der sie nicht weit abweichen, 32 nicht weit abweichen ] 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz,
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und daß diejenigen, welche mit weit geringerer Häufung die übrigen Gegenden des Himmels einnehmen, den Kometen unserer Planetenwelt darin ähnlich sind. Aus diesem Begriff, der, wie mich dünkt, die größte Wahrscheinlichkeit hat, läßt sich vermuten, daß, wenn es mehr solche höhere Weltordnungen | gibt als diejenige, dazu unsere Sonne gehört, und die dem, der in ihr seinen Stand hat, die Erscheinung der Milchstraße verschafft, in der Tiefe des Weltraums einige derselben wie blasse, schimmernde Plätze werden zu sehen sein und, wenn der Beziehungsplan 268 einer solchen anderen Zusammenordnung der Fixsterne schief gegen uns gestellt ist, wie elliptische ¦ Figuren erscheinen werden, die in einem kleinen Raum aus großer Weite ein Sonnensystem, wie das von unserer Milchstraße ist, darstellen.269 Und dergleichen Plätzchen hat wirklich die Astronomie schon vorlängst entdeckt, obgleich die Meinung, die man sich davon gemacht hat, sehr verschieden ist, wie man in des Herrn von Maupertuis Buch von der Figur der Sterne sehen kann.270 Ich wünsche, daß diese Betrachtung mit einiger Aufmerksamkeit möchte erwogen werden; nicht allein weil der Begriff, der dadurch von der Schöpfung erwächst, erstaunlich viel rührender ist, als er sonst sein kann (indem ein unzählbares Heer Sonnen wie die unsrige ein System ausmacht, dessen Glieder durch Kreisbewegungen verbunden sind, diese Systeme selbst aber, deren vermutlich wieder unzählige | sind, wovon wir einige wahrnehmen können, selbst Glieder einer noch höheren Ordnung sein mögen),271 sondern auch weil selbst die Beobachtung der uns nahen Fixsterne oder vielmehr langsam wandelnden Sonnen, durch einen solchen Begriff geleitet, vielleicht manches entdecken kann, was der Aufmerksamkeit entwischt, insofern nicht ein gewisser Plan zu untersuchen ist. vorgeschlagene Lesart stützt sich auf die Parallelstelle in der ANG : »Wenn es am besten wäre, daß die Planetenkreise beinahe auf eine gemeinschaftliche Fläche gestellt wären, warun sind sie es nicht ganz genau?« Ak I, 33704–06.
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2. Gründe für einen mechanischen Ursprung unserer Planetenwelt überhaupt
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Die Planeten bewegen sich um unsere Sonne insgesamt nach einerlei Richtung und nur mit geringer Abweichung von einem gemeinschaftlichen Beziehungsplan, welcher die Ekliptik ist, gerade so als Körper, die durch eine Materie fortgerissen werden, die, indem sie den ganzen Raum anfüllt, ihre Bewegung wirbelnd um eine Achse verrichtet.272 Die Planeten sind insgesamt schwer zur Sonne hin, und die Größe des Seitenschwungs müßte eine genau abgemessene Richtigkeit haben, wenn sie dadurch in Zirkelkreisen zu laufen sollen gebracht werden; und wie bei dergleichen mechanischer Wirkung eine geo|metrische Genauigkeit nicht zu erwarten steht, so weichen auch alle Kreise, obzwar nicht viel, von der Zirkelrundung ab. Sie bestehen aus Materien, die nach Newtons Berechnungen,273 je entfernter sie von der Sonne sind, von desto minderer Dichtigkeit sind,274 so wie auch ein jeder es natürlich fi nden würde, wenn sie sich in dem Raum, darin sie schweben, von einem daselbst zerstreuten Weltstoff gebildet hätten. Denn bei der Bestrebung, womit alles zur Sonne sinkt, ¦ müssen die Materien dichterer Art sich mehr zur Sonne drängen und sich in der Nahheit zu ihr mehr häufen als die von leichterer Art, deren Fall wegen ihrer minderen Dichtigkeit mehr verzögert wird. Die Materie der Sonne aber ist nach des v. Buffon Bemerkung an Dichtigkeit derjenigen, die die summierte Masse aller Planeten zusammen haben würde, ziemlich gleich,275 welches auch mit einer mechanischen Bildung wohl zusammenstimmt, nach welcher in verschiedenen Höhen aus verschiedenen Gattungen der Elemente die Planeten sich gebildet haben mögen, sonst alle übrigen aber, die diesen Raum erfüllten, vermengt auf ihren gemeinschaftlichen Mittelpunkt, die Sonne, mögen niedergestürzt sein. | Derjenige, welcher dessen ungeachtet dergleichen Bau unmittelbar in die Hand Gottes will übergeben wissen,276 ohne
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desfalls den mechanischen Gesetzen etwas zuzutrauen, ist genötigt, etwas anzuführen, weswegen er hier dasjenige notwendig fi ndet, was er sonst in der Naturlehre nicht leichtlich zuläßt. Er kann gar keine Zwecke nennen, warum es besser wäre, daß die Planeten vielmehr nach einer Richtung als nach verschiedenen, nahe zu einem Beziehungsplan als nach allerlei Gegenden in Kreisen liefen. Der Himmelsraum ist anjetzt leer, und bei aller dieser Bewegung würden sie einander keine Hindernisse leisten. Ich bescheide mich gern, daß es verborgene Zwecke geben könne, die nach der gemeinen Mechanik nicht wären erreicht worden und die kein Mensch einsieht; allein es ist keinem erlaubt, sie vorauszusetzen, wenn er eine Meinung darauf gründen will, ohne daß er sie anzuzeigen vermag. Wenn denn endlich Gott unmittelbar den Planeten die Wurf kraft erteilt und ihre Kreise gestellt hätte, so ist zu vermuten, daß sie nicht das Merkmal der Unvollkommenheit und Abweichung, welches bei jedem Produkt der Natur 277 anzutreffen ist, an sich zeigen würden. War es gut, daß sie sich auf eine Fläche | beziehen sollten, so ist zu vermuten, er würde ihre Kreise genau darauf gestellt haben; war es gut, daß sie der Zirkelbewegung nahekämen, so kann man glauben, ihre Bahn würde genau ein Zirkelkreis geworden sein, und es ist nicht abzusehen, weswegen Ausnahmen von der genauesten Richtigkeit selbst bei demjenigen, was eine unmittelbare göttliche Kunsthandlung sein sollte, übrigbleiben mußten. Die Glieder der Sonnenwelt aus den entferntesten Gegenden, die Kometen, laufen sehr exzentrisch. Sie könnten, wenn es auf eine unmittelbare göttliche Handlung ankäme, ebensowohl in Zirkelkreisen bewegt sein, wenngleich ihre Bahnen von der 3 leichtlich ] Ak 1912, Reich: leicht 6 nahe zu ] Schiele: nahe zu [nach] 6 Beziehungsplan ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz,
Hartenstein I, Hartenstein II, Weischedel: Beziehungsplane, 17 ist ] = Konj. Reich
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Ekliptik noch so sehr abweichen. ¦ Die Nutzen der so großen Exzentrizität werden in diesem Fall mit großer Kühnheit ersonnen, denn es ist eher begreif lich, daß ein Weltkörper, in einer Himmelsregion, welche es auch sei, in gleichem Abstand immer bewegt, die dieser Weite gemäße Einrichtung habe, als daß er auf die große Verschiedenheit der Weiten gleich vorteilhaft eingerichtet sei; und was die Vorteile, die Newton | anführt,278 anlangt, so ist sichtbar, daß sie sonst nicht die mindeste Wahrscheinlichkeit haben, außer daß bei der einmal vorausgesetzten unmittelbaren göttlichen Anordnung sie doch zum mindesten zu einigem Vorwand eines Zwecks dienen können. Am deutlichsten fällt dieser Fehler, den Bau der Planetenwelt göttlichen Absichten unmittelbar unterzuordnen, in die Augen da, wo man von der mit der Zunahme der Entfernungen umgekehrt abnehmenden Dichtigkeit der Planeten Bewegungsgründe erdichten will. Der Sonnen Wirkung, heißt es, nimmt in diesem Maß ab, und es war anständig, daß die Dichtigkeit der Körper, die durch sie sollten erwärmt werden, auch dieser proportionierlich eingerichtet würde. Nun ist bekannt, daß die Sonne nur eine geringe Tiefe unter die Oberfläche eines Weltkörpers wirkt,279 und aus ihrem Einfluß, denselben zu erwärmen, kann also nicht auf die Dichtigkeit des ganzen Klumpens geschlossen werden. Hier ist die Folgerung aus dem Zweck viel zu groß. Das Mittel, nämlich die verminderte Dichtigkeit des ganzen Klumpens, begreift eine Weitläufigkeit der Anstalt, welche für die Größe des Zwecks überflüssig und unnötig ist.280 | In allen natürlichen Hervorbringungen, insofern sie auf Wohlgereimtheit, Ordnung und Nutzen hinauslaufen, zeigen sich zwar Übereinstimmungen mit göttlichen Absichten, aber auch Merkmale des Ursprungs aus allgemeinen Gesetzen, deren Folgen sich noch viel weiter als auf solchen einzelnen Fall erstrecken und demnach in jeder einzelnen Wirkung Spuren von einer Vermengung solcher Gesetze an sich zeigen, die nicht lediglich auf dieses einzige Produkt gerichtet waren. Um deswillen fi nden auch Abweichungen von der größtmöglichen Ge-
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nauigkeit in Ansehung eines besonderen Zwecks statt. Dagegen wird eine unmittelbar übernatürliche Anstalt, darum, weil ihre Ausführung gar nicht die Folgen aus allgemeineren Wirkungsgesetzen der Materie voraussetzt, auch nicht durch besondere sich einmengende Nebenfolgen derselben entstellt werden, sondern den Plan der äußerst möglichen Richtigkeit genau zustande bringen. In den näheren Teilen der Planetenwelt zum gemeinschaftlichen Mittelpunkt ist eine größere Annäherung zur völligen Ordnung und abgemesse¦nen Genauigkeit, die nach den Grenzen des Systems hinaus oder weit von dem Bezie|hungsplan zu den Seiten in Regellosigkeit und Abweichungen ausartet, gerade so, wie es von einer Verfassung zu erwarten ist, die mechanischen Ursprungs ist. Bei einer unmittelbar göttlichen Anordnung können niemals unvollständig erreichte Zwecke angetroffen werden, sondern allenthalben zeigt sich die größte Richtigkeit und Abgemessenheit, wie man unter anderem am Bau der Tiere gewahr wird.
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3. Kurzer Abriß der wahrscheinlichsten Art, wie ein Planetensystem mechanisch hat gebildet werden können Die eben jetzt angeführten Beweisgründe für einen mechanischen Ursprung sind so wichtig, daß selbst nur einige derselben vorlängst alle Naturforscher bewogen haben, die Ursache der Planetenkreise in natürlichen Bewegkräften zu suchen, vornehmlich weil die Planeten in ebenderselben Richtung, worin die Sonne sich um ihre Achse schwingt, um sie in Kreisen laufen und ihre Bahnen so sehr nahe mit dieser ihrer Äquatorfläche zusammen|treffen. Newton war der große Zerstörer aller dieser Wirbel,281 an denen man gleichwohl noch lange nach seinen Demonstrationen hing, wie an dem Beispiel des berühmten Herrn von Mairan 282 zu sehen ist. Die sicheren und überzeugenden Beweistümer der Newtonischen Weltweisheit zeigten augenschein-
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lich, daß so etwas, wie die Wirbel sein sollten, welche die Planeten herumführten, gar nicht am Himmel angetroffen werde und daß so ganz und gar kein Strom solcher Flüssigkeit in diesen Räumen sei, daß selbst die Kometenschweife quer durch alle diese Kreise ihre unverrückte Bewegung fortsetzen. Es war sicher, hieraus zu schließen: daß, so wie der Himmelsraum jetzt leer oder unendlich dünn ist, keine mechanische Ursache stattfi nden könne, die den Planeten ihre Kreisbewegung eindrückte.283 Allein sofort alle mechanischen Gesetze vorbeigehen und durch eine kühne Hypothese Gott unmittelbar die Planeten werfen zu lassen, damit sie in Verbindung mit ihrer Schwere sich in Kreisen bewegen sollten, war ein zu weiter Schritt, als daß er innerhalb des Bezirks der Weltweisheit hätte bleiben können.284 Es fällt alsbald in die Augen, daß noch ein Fall übrigbleibe, wo mechanische | Ursachen dieser Verfassung möglich seien: wenn nämlich der Raum des Planetenbaues, der anjetzt leer ist, vorher erfüllt war, um eine Gemeinschaft der Bewegkräfte durch alle Gegenden ¦ dieses Bezirks, worin die Anziehung unserer Sonne herrscht, zu veranlassen.285 Und hier kann ich diejenige Beschaffenheit anzeigen, welche die einzige mögliche ist, unter der eine mechanische Ursache der Himmelsbewegungen stattfi ndet, welches zur Rechtfertigung einer Hypothese ein beträchtlicher Umstand ist, dessen man sich nur selten wird rühmen können. Da die Räume anjetzt leer sind, so müssen sie ehedem erfüllt gewesen sein, sonst hat niemals eine ausgebreitete Wirkung der in Kreisen treibenden Bewegkräfte stattfi nden können. Und es muß demnach diese verbreitete Materie sich hernach auf die Himmelskörper versammelt
7 Ursache ] 1763, 1770, Hartenstein II, Kirchmann, Buchenau, Wei-
schedel, Klaus: Ursachen; Schiele: Ursache[n] 8 könne ] Hartenstein II, Kirchmann, Buchenau, Klaus: können 8 f. eindrückte ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Weischedel: eindruckte; Hartenstein II, Kirchmann, Buchenau, Klaus: eindrückten
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haben, das ist, wenn ich es näher betrachte, diese Himmelskörper selbst werden sich aus dem verbreiteten Grundstoff in den Räumen des Sonnenbaues gebildet haben, und die Bewegung, die die Teilchen ihres Zusammensatzes im Zustand der Zerstreuung hatten, | ist bei ihnen nach der Vereinbarung in abgesonderte Massen übriggeblieben. Seitdem sind diese Räume leer. Sie enthalten keine Materie, die unter diesen Körpern zur Mitteilung des Kreisschwungs dienen könnte. Aber sie sind es nicht immer gewesen, und wir werden Bewegungen gewahr, wovon jetzt keine natürlichen Ursachen stattfi nden können, die aber Überbleibsel des allerältesten rohen Zustandes der Natur sind.286 Von dieser Bemerkung will ich nur noch einen Schritt tun, um mich einem wahrscheinlichen Begriff von der Entstehungsart dieser großen Massen und der Ursache ihrer Bewegungen zu nähern, indem ich die gründlichere Vollführung eines geringen Schattenrisses dem forschenden Leser selbst überlasse. Wenn demnach der Stoff zu Bildung der Sonne und aller Himmelskörper, die ihrer mächtigen Anziehung zu Gebote stehen, durch den ganzen Raum der Planetenwelt zerstreut war, und es war irgend in dem Ort, den jetzt der Klumpen der Sonne einnimmt, Materie von stärkeren Anziehungskräften, so entstand eine allgemeine Senkung hierzu, und die Anziehung des Sonnenkörpers wuchs mit ihrer Masse. Es ist leicht zu ver | muten, daß in dem allgemeinen Fall der Partikeln selbst von den entlegensten Gegenden des Weltbaues die Materien dichterer Art in den tieferen Gegenden, wo sich alles zum gemeinschaftlichen Mittelpunkt hindrängte, sich nach dem Maß werden gehäuft haben, als sie dem Mittelpunkt näher waren, obzwar in allen Regionen Materien von allerlei Art der Dichtigkeit waren. Denn nur die Teilchen von der schwersten Gattung konnten das größte Ver27 hindrängte, sich nach dem Maß werden gehäuft haben ] 1763, 1770,
1794, 1797, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Weischedel: hindrängte, nach dem Maße werde gehäuft haben; Tieftrunk, Rosenkranz: hindrängte, nach dem Maße sich werden gehäuft haben
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mögen haben, in diesem Chaos durch das Gemenge der leichteren zu dringen, um in größere Nahheit zum Gravitationspunkt ¦ zu gelangen. In den Bewegungen, die von verschiedentlich hohem Fall in der Sphäre umher entsprangen, konnte niemals der Widerstand der einander hindernden Partikeln so vollkommen gleich sein, daß nicht nach irgendeiner Seite die erworbenen Geschwindigkeiten in eine Abbeugung ausschlagen sollten. Und in diesem Umstand zeigt sich eine sehr gemeine Regel der Gegenwirkung der Materien, daß sie einander so lange treiben oder lenken und einschränken, bis sie sich das mindeste Hindernis leisten; 287 welchem gemäß die Seitenbewegungen sich endlich in eine gemeinschaftliche Umdrehung nach einer und ebenderselben Gegend vereinigen mußten. Die | Partikeln demnach, woraus die Sonne gebildet wurde, kamen auf ihr schon mit dieser Seitenbewegung an, und die Sonne, aus diesem Stoff gebildet, mußte eine Umdrehung in ebenderselben Richtung haben.288 Es ist aber aus den Gesetzen der Gravitation klar: daß in diesem herumgeschwungenen Weltstoff alle Teile müssen bestrebt gewesen sein, den Plan, der in der Richtung ihres gemeinschaftlichen Umschwungs durch den Mittelpunkt der Sonne geht und der nach unseren Schlüssen mit der Äquatorfläche dieses Himmelskörpers zusammentrifft, zu durchschneiden, wofern sie nicht schon sich in demselben befi nden. Demnach werden alle diese Teile vornehmlich nahe zur Sonne ihre größte Häufung in dem Raum haben, der der verlängerten Äquatorfl äche derselben nahe ist.289 Endlich ist es auch sehr natürlich, daß, da die Partikeln einander so lange hindern oder beschleunigen, mit einem Worte, einander stoßen oder treiben müssen, bis eines des anderen Bewegung gar nicht mehr stören kann, zuletzt alles auf 13 Gegend ] Ak 1905, Ak 1912, Reich: Richtung. – Die Parallelstelle
in der ANG, Ak I, 26632–34 zeigt, daß Ak 1905, Ak 1912 und – ihnen folgend – auch Reich hier eine unnötige Konjektur vornehmen, wenn sie »Gegend« durch »Richtung« ersetzen. 23 befi nden ] Ak 1905, Ak 1912, Buchenau, Klaus, Reich: befanden
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den Zustand ausschlage, daß nur diejenigen Teilchen schweben bleiben, die gerade den Grad des Seitenschwungs haben, der erfordert wird in dem Abstan|d 290, darin sie von der Sonne sind, der Gravitation das Gleichgewicht zu leisten, damit ein jegliches sich in freier Bewegung in konzentrischen Zirkeln herumschwinge.291 Diese Schnelligkeit ist eine Wirkung des Falles und die Bewegung zur Seite eine Folge des so lange dauernden Gegenstoßes, bis alles in die Verfassung der mindesten Hindernisse sich von selbst geschickt hat. Die übrigen Teilchen, die eine solche abgemessene Genauigkeit nicht erreichen konnten, müssen bei allmählich abnehmender Bewegung zum Mittelpunkt der allgemeinen Gravitation gesunken sein, um den Klumpen der Sonne zu vermehren, der demnach eine Dichtigkeit haben wird, welche der von den übrigen Materien in dem um sie befi ndlichen Raum im Durchschnitt genommen ziemlich gleich ist; so doch, daß nach den angeführten Umständen ihre Masse ¦ notwendig die Menge der Materie, die in dem Bezirk um sie schweben geblieben, weit übertreffen wird. In diesem Zustand, der mir natürlich zu sein scheint, da ein verbreiteter Stoff zur Bildung verschiedener Himmelskörper in einem engen Raum zunächst der verlängerten Fläche des Sonnenäquators von desto mehrerer Dichtigkeit, je näher dem Mittel|punkt, und allenthalben mit einem Schwung, der in diesem Abstand zur freien Zirkelbewegung hinlänglich war, nach den Zentralgesetzen 292 bis in große Weiten um die Sonne sich herumschwang, wenn man da setzt, daß sich aus diesen Teilchen Planeten bildeten, so kann es nicht fehlen, daß sie nicht Schwungkräfte haben sollten, dadurch sie in Kreisen, die den Zirkeln sehr nahekommen, sich bewegen sollten, ob sie gleich etwas davon abweichen, weil sie sich aus Teilchen von unterschiedlicher Höhe sammelten. Es ist ebensowohl sehr natürlich, daß diejenigen Planeten, die sich in großen Höhen bilden (wo der Raum um sie viel größer ist, der da veranlaßt, daß der Unter schied der Geschwindigkeit der Partikeln die Kraft, womit sie zum Mittelpunkt des Planeten gezogen werden, übertreffe),
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daselbst auch größere Klumpen als nahe zur Sonne gewinnen.293 Die Übereinstimmung mit vielen anderen Merkwürdigkeiten der Planetenwelt übergehe ich, weil sie sich von selbst darbietet.* In den entlegensten Tei|len des Systems und vornehmlich in großen Weiten vom Beziehungsplan werden die sich bildenden Körper, die Kometen, diese Regelmäßigkeit nicht haben können. Und so wird der Raum der Planetenwelt leer werden, nachdem sich alles in abgesonderte Massen vereinbart hat. Doch können noch in späterer Epoche Partikeln aus den äußersten Grenzen dieser Anziehungssphäre herabgesunken sein, die forthin jederzeit frei im Himmelsraum in Kreisen sich um die Sonne bewegen mögen: Materien von der äußersten Dünnigkeit und vielleicht der Stoff, woraus das Zodiakallicht 294 besteht.
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Die Absicht dieser Betrachtung ist vornehmlich, um ein Beispiel von dem Verfahren zu geben, zu welchem uns unsere vorigen Beweise berechtigt ¦ haben, da man nämlich die ungegründete Besorgnis wegschafft, als wenn eine jede Erklärung einer großen Anstalt der Welt aus allgemeinen Naturgesetzen den boshaften Feinden der Religion eine Lücke öffne, in ihre Bollwerke zu dringen.295 | Meiner Meinung nach hat die angeführte Hypothese zum mindesten Gründe genug für sich, um Männer von ausgebreiteter Einsicht zu einer näheren Prüfung des darin vorgestellten Plans, der nur ein grober Umriß ist, einzuladen. Mein *
Die Bildung eines kleineren Systems, das als ein Teil zu der Planetenwelt gehört, wie des Jupiters und des Saturns, imgleichen die Achsendrehungen dieser Himmelskörper, werden wegen der Analogie unter dieser Erklärung mitbegriffen. 8 nachdem ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Weischedel: nach dem 20 den ] 1763, 1770, Weischedel: dem
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Zweck, insofern er diese Schrift betrifft, ist erfüllt, wenn man, durch das Zutrauen zu der Regelmäßigkeit und Ordnung, die aus allgemeinen Naturgesetzen fl ießen kann, vorbereitet, nur der natürlichen Weltweisheit ein freieres Feld öffnet und eine Erklärungsart wie diese oder eine andere als möglich und mit der Erkenntnis eines weisen Gottes wohl zusammenstimmend anzusehen kann bewogen werden.296 Es wäre übrigens der philosophischen Bestrebung wohl würdig, nachdem die Wirbel,297 das beliebte Werkzeug so vieler Systeme, außerhalb der Sphäre der Natur auf des Miltons Limbus der Eitelkeit 298 verwiesen worden, daß man gleichwohl gehörig forschte, ob nicht die Natur ohne Erdichtung besonderer Kräfte selber etwas darböte, was die durchgehend nach einerlei Gegend gerichtete Schwungbewegung der Planeten erklären | könnte, da die andere von den Zentralkräften in der Gravitation als einem dauerhaften Verband der Natur gegeben ist. Zum wenigsten entfernt sich der von uns entworfene Plan nicht von der Regel der Einheit, denn selbst diese Schwungkraft wird als eine Folge aus der Gravitation abgeleitet, wie es zufälligen Bewegungen anständig ist, denn diese sollen als Erfolge aus den der Materie auch in Ruhe beiwohnenden Kräften hergeleitet werden. Überdies merke ich an, daß das atomistische System des Demokrit und Epikur unerachtet des ersten Anscheins von Ähnlichkeit doch eine ganz verschiedene Beziehung zu der Folgerung auf einen Urheber der Welt habe als der Entwurf des unsrigen.299 In jenem war die Bewegung ewig und ohne Urheber und der Zusammenstoß, der reiche Quell so vieler Ordnung, ein Ungefähr und ein Zufall, wozu sich nirgend ein Grund fand.300 Hier führt ein erkanntes und wahres Gesetz der Natur nach einer sehr begreif lichen Voraussetzung mit Notwendigkeit auf Ordnung, und da hier ein bestimmender Grund eines Ausschlags auf Re|gelmäßig keit angetroffen wird und etwas, was die Natur im Gleis der Wohlgereimtheit und Schönheit erhält, so wird man auf die Vermutung eines Grundes geführt, aus ¦ dem die Notwendigkeit der Beziehung zur Vollkommenheit kann verstanden werden.
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Um indessen noch durch ein anderes Beispiel begreif lich zu machen, wie die Wirkung der Gravitation in der Verbindung zerstreuter Elemente Regelmäßigkeit und Schönheit hervorzubringen notwendigerweise bestimmt sei, so will ich eine Erklärung von der mechanischen Erzeugungsart des Saturnringes301 beifügen, die, wie mich dünkt, so viel Wahrscheinlichkeit hat, als man es von einer Hypothese nur erwarten kann. Man räume mir nur ein: daß Saturn in dem ersten Weltalter mit einer Atmosphäre umgeben gewesen, dergleichen man an verschiedenen Kometen gesehen, die sich der Sonne nicht sehr nähern und ohne Schweife erscheinen, daß die Teilchen des Dunstkreises von diesem Planeten (dem wir eine Achsendrehung zugestehen wollen) aufgestiegen sind und daß in der Folge diese Dünste, es sei darum, weil der | Planet verkühlte oder aus anderen Ursachen, anfi ngen, sich wieder zu ihm niederzusenken, so erfolgt das übrige mit mechanischer Richtigkeit. Denn da alle Teilchen von dem Punkt der Oberfl äche, da sie aufgestiegen, eine diesem Ort gleiche Geschwindigkeit haben müssen, um die Achse des Planeten sich zu bewegen, so müssen alle vermittelst dieses Seitenschwungs bestrebt gewesen sein, nach den Regeln der Zentralkräfte freie Kreise um den Saturn zu beschreiben.* Es müssen aber alle diejenigen Teilchen, deren Geschwindigkeit nicht gerade den Grad hat, die der Attraktion der Höhe, wo sie schweben, durch Zentrifugalkraft genau das Gleichgewicht leistet, einander notwendig stoßen und verzögern, bis nur diejenigen, die in freier Zirkelbewegung nach Zentralgesetzen umlaufen können, um den Saturn in Kreisen bewegt, übrigbleiben, *
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Saturn bewegt sich um seine Achse, nach der Voraussetzung. Ein jedes Teilchen, das von ihm aufsteigt, muß daher ebendieselbe Seitenbewegung haben und sie, zu welcher Höhe es auch gelangt, daselbst 30 fortsetzen. 12 diesem ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: diesen 23 nicht gerade den Grad hat, die ] Wille: den Grad hat, der 23 die der ] Buchenau, Klaus, Reich: der der
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die übrigen aber nach und nach auf dessen Oberfläche zurückfallen. Nun müssen notwendig | alle diese Zirkelbewegungen die verlängerte Fläche des Saturnäquators durchschneiden, welches einem jeden, der die Zentralgesetze weiß, bekannt ist; also werden sich endlich um den Saturn die übrigen Teilchen seiner vormaligen Atmosphäre zu einer zirkelrunden Ebene drängen, die den verlängerten Äquator dieses Planeten einnimmt 302 und deren äußerster Rand durch ebendieselbe Ursache, die bei den Kometen die Grenze der Atmosphäre bestimmt, auch hier abgeschnitten ist. Dieser ¦ Limbus303 von frei bewegtem Weltstoff muß notwendig ein Ring werden, oder vielmehr es können gedachte Bewegungen auf keine andere Figur als die eines Ringes ausschlagen. Denn da sie alle ihre Geschwindigkeit zur Zirkelbewegung nur von den Punkten der Oberfläche des Saturns haben können, von da sie aufgestiegen sind, so müssen diejenigen, die von dessen Äquator sich erhoben haben, die größte Schnelligkeit besitzen. Da nun unter allen Weiten von dessen Mittelpunkt nur eine ist, wo diese Geschwindigkeit gerade zur Zirkelbewegung taugt und in jeder kleineren Entfernung zu schwach ist, so wird ein Zirkelkreis in diesem Limbus aus dem Mittelpunkt des Sa|turns gezogen werden können, innerhalb welchem alle Partikeln zur Oberfläche dieses Planeten niederfallen müssen, alle übrigen aber zwischen diesem gedachten Zirkel und dem seines äußersten Randes (folglich die in einem ringförmigen Raum enthaltenen) werden forthin frei schwebend in Zirkelkreisen um ihn in Bewegung bleiben. Nach einer solchen Auf lösung gelangt man auf Folgen, durch die die Zeit der Achsendrehung des Saturns gegeben ist, und zwar mit so viel Wahrscheinlichkeit, als man diesen Gründen einräumt, wodurch sie zugleich bestimmt wird. Denn weil die Partikeln des inneren Randes ebendieselbe Geschwindigkeit haben wie diejenige, die ein Punkt des Saturnäquators hat, und 32 diejenige ] Reich: diejenigen. – Dieser Eingriff Reichs dürfte un-
haltbar sein. Denn mit »diejenige« nimmt Kant Bezug auf »Geschwin-
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überdem diese Geschwindigkeit nach den Gesetzen der Gravitation den zur Zirkelbewegung gehörigen Grad hat, so kann man aus dem Verhältnis des Abstandes eines der Saturn-Trabanten zu dem Abstand des inneren Randes des Ringes vom Mittelpunkt des Planeten, imgleichen aus der gegebenen Zeit des Umlaufs des Trabanten die Zeit des Umschwungs der Teilchen in dem inwendigen Rand fi nden, | aus dieser aber und dem Verhältnis des kleinsten Durchmessers vom Ring zu dem des Planeten dieses seine Achsendrehung. Und so fi ndet sich durch Rechnung: daß Saturn sich in 5 Stunden und ungefähr 40 Minuten um seine Achse drehen müsse,304 welches, wenn man die Analogie mit den übrigen Planeten hierbei zu Rate zieht, mit der Zeit der Umwendung derselben wohl zu harmonieren scheint. Und so mag denn die Voraussetzung der kometischen Atmosphäre, die der Saturn im Anfang möchte gehabt haben, zugestanden werden oder nicht, so bleibt diejenige Folgerung, die ich zur Erläuterung meines Hauptsatzes daraus ziehe, wie mich dünkt, ziemlich sicher: daß, wenn ein solcher Dunstkreis um ihn gewesen, die mechanische Erzeugung eines schwebenden Ringes eine notwendige Folge daraus hat sein müssen, und daß daher der ¦ Ausschlag der allgemeinen Gesetzen überlassenen Natur selbst aus dem Chaos auf Regelmäßigkeit abziele.
digkeit«, nicht etwa auf »Partikeln«, wie Reich durch seine Konjektur »diejenigen« insinuiert. Die Parallelstelle der ANG stellt das klar: »[…] die Geschwindigkeit, womit die Partikeln des Ringes in seinem inwendigen Rande umlaufen, ist derjenigen, die der Planet [sc. Saturn, Hg.] auf seinen Äquator hat, gleich.« Ak I, 29413–15.
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Die Summe aller dieser Betrachtungen führt uns auf einen Begriff von dem höchsten Wesen, der alles in sich faßt, was man nur zu gedenken vermag, wenn Menschen, aus Staube gemacht,306 es wagen, ausspähende Blicke hinter den Vorhang zu werfen, der die Geheimnisse des Unerforschlichen für erschaffene Augen verbirgt. Gott ist allgenugsam. Was da ist, es sei möglich oder wirklich, das ist nur etwas, insofern es durch ihn gegeben ist. Eine menschliche Sprache kann den Unendlichen so zu sich selbst reden lassen: I c h b i n v o n E w i g k e i t z u Ew ig keit, au ßer m i r ist n icht s, oh ne i n sofer n es d u r c h m i c h e t w a s i s t . 307 Dieser Gedanke, der erhabenste unter allen, ist noch sehr vernachlässigt oder mehrenteils gar nicht berührt worden. Das, was sich in den Möglichkeiten der Dinge zu Vollkommenheit und Schönheit in vortreff lichen Plänen darbietet, ist als ein für sich notwendiger Gegenstand der göttlichen Weisheit, aber nicht selbst als eine Folge von diesem unbegreif lichen Wesen ange|sehen worden. Man hat die Abhängigkeit anderer Dinge bloß auf ihr Dasein eingeschränkt, wodurch ein großer Anteil an dem Grund von so viel Vollkommenheit jener obersten Natur entzogen und ich weiß nicht welchem ewigen Unding beigemessen wird. Fruchtbarkeit eines einzigen Grundes an vielen Folgen, Zusammenstimmung und Schicklichkeit der Naturen, nach allgemeinen Gesetzen ohne öfteren Widerstreit in einem regelmäßigen Plan zusammenzupassen, müssen zuvörderst in den Möglichkeiten der Dinge angetroffen werden, und nur alsdann kann Weisheit tätig sein, sie zu wählen. Welche Schranken, die dem Unabhängigen aus einem fremden Grund gesetzt sein würden, wenn selbst diese Möglichkeiten nicht in ihm gegründet wären? 308 Und was für ein unverständliches Ungefähr, daß sich in diesem Feld der Möglichkeit ohne Voraussetzung irgendeines
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Existierenden Einheit und fruchtbare Zusammenpassung fi ndet, dadurch das Wesen von den höchsten Graden der Macht und Weisheit, wenn jene äußeren Verhältnisse mit seinem inneren Vermögen verglichen werden, sich im Stande sieht, große Voll |¦ kommenheit zuwege zu bringen? Gewiß, eine solche Vorstellung überliefert nimmermehr den Ursprung des Guten ohne allen Abbruch in die Hand eines einzigen Wesens.309 Als Huygens 310 die Pendeluhr erfand, so konnte er, wenn er daran dachte, sich diese Gleichförmigkeit, welche ihre Vollkommenheit ausmacht, nimmer gänzlich beimessen; die Natur der Zykloide, die es möglich macht, daß kleine und große Bogen durch freien Fall in derselben in gleicher Zeit beschrieben werden, konnte diese Ausführung lediglich in seine Gewalt setzen. Daß aus dem einfachen Grund der Schwere so ein großer Umfang von schönen Folgen auch nur möglich ist, würde, wenn es nicht von dem, der durch wirkliche Ausübung allen diesen Zusammenhang hervorgebracht hat, selbst abhinge, seinen Anteil an der reizenden Einheit und dem großen Umfang so vieler, auf einem einzigen Grund beruhender Ordnung offenbar schmälern und teilen. Die Bewunderung über die Abfolge einer Wirkung aus einer Ursache hört auf, sobald ich die Zulänglichkeit der Ursache zu ihr deutlich und leicht einsehe. Auf diesem Fuß kann keine Bewunderung mehr stattfi nden, wenn ich den mechanischen Bau | des menschlichen Körpers oder welcher künstlichen Anordnung ich auch will, als ein Werk des Allmächtigen betrachte und bloß auf die Wirklichkeit sehe, denn es ist leicht und deutlich zu verstehen: daß der, so alles kann, auch eine solche Maschine, wenn sie möglich ist, hervorbringen könne. Allein es bleibt gleichwohl Bewunderung übrig, man mag gleich dieses zur leichteren Begreifung angeführt haben, wie man will. Denn es ist erstaunlich, daß auch nur so etwas wie ein tierischer Körper möglich war. Und wenn ich gleich alle Federn und Röhren, alle Nervengefäße, Hebel und mechanische Einrichtung des19 beruhender ] 1763, 1770, 1794, 1797, Weischedel: berührender
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selben völlig einsehen könnte, so bliebe doch immer Bewunderung übrig, wie es möglich sei, daß so vielfältige Verrichtungen in einem Bau vereinigt worden, wie sich die Geschäfte zu einem Zweck mit denen, wodurch ein anderer erreicht wird, sowohl paaren lassen wie ebendieselbe Zusammenfügung außerdem noch dazu dient, die Maschine zu erhalten und die Folgen aus zufälligen Verletzungen wieder zu verbessern, und wie es möglich war, daß ein Mensch konnte ein so feines Gewebe sein und unerachtet so vieler Gründe des Verderbens noch so lange dauern.311 Nachdem ich auch endlich mich belehrt habe, daß so viel Ein|heit und Harmonie darum möglich sei, weil ein Wesen da ist, welches nebst den Gründen der Wirklichkeit auch die von aller Möglichkeit enthält, so hebt dieses noch nicht den Grund der Bewunderung auf. Denn man kann sich zwar durch ¦ die Analogie dessen, was Menschen ausüben, einigen Begriff davon machen, wie ein Wesen die Ursache von etwas Wirklichem sein könne, nimmermehr aber, wie es den Grund der inneren Möglichkeit von anderen Dingen enthalte, und es scheint, als wenn dieser Gedanke viel zu hoch steigt, als daß ihn ein erschaffenes Wesen erreichen könnte. Dieser hohe Begriff der göttlichen Natur, wenn wir sie nach ihrer Allgenugsamkeit gedenken, kann selbst in dem Urteil über die Beschaffenheit möglicher Dinge, wo uns unmittelbar Gründe der Entscheidung fehlen, zu einem Hilfsmittel dienen, aus ihr als einem Grund auf fremde Möglichkeit als eine Folge zu schließen. Es ist die Frage: ob nicht unter allen möglichen Welten eine Steigerung ohne Ende in den Graden der Vollkommenheit anzutreffen sei, da gar keine natürliche Ordnung möglich ist, über die nicht noch eine vortreff lichere könne gedacht werden; 312 ferner, | wenn ich auch hierin eine höchste Stufe zugäbe, ob nicht wenigstens selbst verschiedene Welten, die von keiner übertroffen werden, einander an Vollkommenheit gänz4 f. sowohl ] Hartenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Ak
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lich gleich wären.313 Bei dergleichen Fragen ist es schwer und vielleicht unmöglich, aus der Betrachtung möglicher Dinge allein etwas zu entscheiden. Allein, wenn ich beide Aufgaben in Verknüpfung mit dem göttlichen Wesen erwäge und erkenne, daß der Vorzug der Wahl, der einer Welt vor der anderen zuteil wird, ohne den Vorzug in dem U r t e i l ebendesselben Wesens, welches wählt, oder gar wider dieses Urteil einen Mangel in der Übereinstimmung seiner verschiedenen tätigen Kräfte und eine verschiedene Beziehung seiner Wirksamkeit ohne eine proportionierte Verschiedenheit in den Gründen, mithin einen Übelstand in dem vollkommensten Wesen abnehmen lasse, so schließe ich mit großer Überzeugung: daß die vorgelegten Fälle erdichtet und unmöglich sein müssen. Denn ich begreife nach den gesamten Vorbereitungen, die man gesehen hat: daß man viel weniger Grund habe, aus vorausgesetzten Möglichkeiten, die man gleichwohl nicht genug bewähren kann, auf ein notwendiges Betragen des vollkommensten Wesens zu schließen (welches so be|schaffen ist, daß es den Begriff der größten Harmonie in ihm zu schmälern scheint), als aus der erkannten Harmonie, die die Möglichkeiten der Dinge mit der göttlichen Natur haben müssen, von demjenigen, was diesem Wesen am anständigsten zu sein erkannt wird, auf die Möglichkeit zu schließen. Ich werde also vermuten, daß in den Möglichkeiten aller Welten keine solchen Verhältnisse sein können, die einen Grund der Verlegenheit in der vernünftigen Wahl des höchsten Wesens enthalten müßten; denn eben¦dieses oberste Wesen enthält den letzten Grund aller dieser Möglichkeit, in welcher also niemals etwas anderes, als was mit ihrem Ursprung harmoniert, kann anzutreffen sein. Es ist auch dieser über alles Mögliche und Wirkliche erweiterte Begriff der göttlichen A l l g e n u g s a m k e i t ein viel richtigerer Ausdruck, die größte Vollkommenheit dieses Wesens zu bezeichnen, als der des U n e n d l i c h e n , dessen man sich gemeiniglich bedient.314 Denn ob man diesen letzteren zwar auslegen kann, wie man will, so ist er seiner eigentlichen Bedeutung
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Von der göttlichen Allgenugsamkeit
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nach doch offenbar mathematisch. Er bezeichnet das Verhältnis einer Größe zu einer anderen als dem | Maß, welches Verhältnis größer ist als alle Zahl. Daher in dem eigentlichen Wortverstand die göttliche Erkenntnis unendlich heißen würde, insofern sie vergleichungsweise gegen irgendeine angebliche andere Erkenntnis ein Verhältnis hat, welches alle mögliche Zahl übersteigt. Da nun eine solche Vergleichung göttliche Bestimmungen mit denen der erschaffenen Dinge in eine Gleichartigkeit, die man nicht wohl behaupten kann, versetzt und überdem das, was man dadurch will, nämlich den unverringerten Besitz von aller Vollkommenheit, nicht gerade zu verstehen gibt, so fi ndet sich dagegen alles, was man hierbei zu denken vermag, in dem Ausdruck der Allgenugsamkeit beisammen. Die Benennung der Unendlichkeit ist gleichwohl schön und eigentlich ästhetisch 315. Die Erweiterung über alle Zahlbegriffe rührt und setzt die Seele durch eine gewisse Verlegenheit in Erstaunen. Dagegen ist der Ausdruck, den wir empfehlen, der logischen Richtigkeit mehr angemessen.
2 welches ] 1763, 1770, 1794, 1797, Hartenstein I, Hartenstein II,
Kirchmann, Buchenau, Weischedel, Klaus: welche
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Dritte Abteilung 316 ,
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worin dargetan wird: daß außer dem ausgeführten Beweisgrund kein anderer zu einer Demonstration vom Dasein Gottes möglich sei
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1. Einteilung aller möglichen Beweisgründe vom Dasein Gottes 317 Die Überzeugung von der großen Wahrheit: E s i s t e i n G o t t , wenn sie den höchsten Grad mathematischer Gewißheit 318 haben soll, hat dieses Eigne: daß sie nur durch einen einzigen Weg kann erlangt werden, und gibt dieser Betrachtung den Vorzug, daß die philosophischen Bemühungen sich bei einem einzigen 319 Beweisgrund vereinigen müssen, um die Fehler, die in der Ausführung desselben möchten eingelaufen sein, vielmehr zu verbessern, als ihn zu verwerfen,320 sobald man | überzeugt ist, daß keine Wahl unter mehr dergleichen möglich sei. Um dieses darzutun, so erinnere ich, daß man die Forderung nicht aus den Augen verlieren müsse, welche eigentlich zu erfüllen ist: nämlich nicht das Dasein einer sehr großen und sehr vollkommenen ersten Ursache, sondern des allerhöchsten Wesens, nicht die Existenz von einem oder mehreren derselben, sondern von einem einzigen und dieses nicht durch bloße Gründe der Wahrscheinlichkeit, sondern mit mathematischer Evidenz zu beweisen. Alle Beweisgründe für das Dasein Gottes können nur entweder aus den Verstandesbegriffen des bloß Möglichen oder aus 22 bloße ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Harten-
stein I, Schiele, Weischedel: große
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dem Erfahrungs¦begriff des Existierenden hergenommen werden. In dem ersteren Fall wird entweder von dem Möglichen als einem G r u n d auf das Dasein Gottes als eine Folge oder aus dem Möglichen als einer F o l g e auf die göttliche Existenz als einen Grund geschlossen.321 Im zweiten Fall wird wiederum entweder aus demjenigen, dessen Dasein wir erfahren, bloß auf die Existenz | einer ersten und u n a b h ä n g i g e n U r s a c h e , vermittelst der Zergliederung dieses Begriffs aber auf die göttlichen Eigenschaften derselben geschlossen, oder es werden aus dem, was die Erfahrung lehrt, sowohl das Dasein als auch die E i g e n s c h a f t e n desselben unmittelbar gefolgert.
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2. Prüfung der Beweisgründe der ersten Art
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Wenn aus dem Begriff des bloß M ö g l i c h e n als einem Grund das Dasein als eine Folgerung soll geschlossen werden, so muß durch die Zergliederung dieses Begriffs die gedachte Existenz darin können angetroffen werden; denn es gibt keine andere Ableitung einer Folge aus einem Begriff des Möglichen als durch die logische Auf lösung. Alsdann müßte aber das Dasein wie ein Prädikat in dem Möglichen enthalten sein. Da dieses nun nach der ersten Betrachtung der ersten Abteilung nimmermehr stattfi ndet, so er|hellt: daß ein Beweis der Wahrheit, von der wir reden, auf die erwähnte Art unmöglich sei. Indessen haben wir einen berühmten Beweis, der auf diesen Grund erbaut ist, nämlich den sogenannten Cartesianischen 322 . Man erdenkt sich zuvörderst einen Begriff von einem möglichen Ding, in welchem man alle wahre Vollkommenheit sich vereinbart vorstellt. Nun nimmt man an, das Dasein sei auch eine 19 müßte ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Weische-
del: mußte 24 diesen ] Reich: diesem
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Vollkommenheit der Dinge; also schließt man aus der Möglichkeit eines vollkommensten Wesens auf seine Existenz. Ebenso könnte man aus dem Begriff einer jeden Sache, welche auch nur als die vollkommenste ihrer Art vorgestellt wird, z. B. daraus allein schon, daß eine vollkommenste Welt zu gedenken ist, auf ihr Dasein schließen.323 Allein, ohne mich in eine umständliche Widerlegung dieses Beweises einzulassen, welche man schon bei anderen antrifft,324 so beziehe ich mich nur auf dasjenige, was im Anfang dieses Werks ist erklärt worden, daß nämlich das Dasein gar kein Prädikat,325 mithin auch kein Prädikat der Vollkommenheit sei, und daher aus einer Erklärung, welche eine will|kürliche Vereinbarung verschiedener Prädikate enthält, um den Begriff von irgendeinem ¦ möglichen Ding auszumachen, nimmermehr auf das Dasein dieses Dinges und folglich auch nicht auf das Dasein Gottes könne geschlossen werden. Dagegen ist der Schluß von den Möglichkeiten der Dinge als Folgen auf das Dasein Gottes als einen Grund von ganz anderer Art.326 Hier wird untersucht, ob nicht dazu, daß etwas möglich sei, irgend etwas Existierendes vorausgesetzt sein müsse, und ob dasjenige Dasein, ohne welches selbst keine innere Möglichkeit stattfi ndet, nicht solche Eigenschaften enthalte, als wir zusammen in dem Begriff der Gottheit verbinden. In diesem Fall ist zuvörderst klar, daß ich nicht aus der bedingten Möglichkeit auf ein Dasein schließen könne, wenn ich nicht die Existenz dessen, was nur unter gewissen Bedingungen möglich ist, voraussetze, denn die bedingte Möglichkeit gibt lediglich zu verstehen, daß etwas nur in gewissen Verknüpfungen existieren könne, und das Dasein der Ursache wird nur insofern dargetan, als die Folge existiert, hier aber soll sie nicht aus dem | Dasein derselben geschlossen werden, daher ein solcher Beweis nur aus der inneren Möglichkeit geführt werden kann, wofern er gar stattfi ndet. Ferner wird man gewahr, daß er aus der absoluten Möglichkeit 13 auszumachen ] 1763, 1770, Ak 1905, Ak 1912, Weischedel: aus zu
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aller Dinge überhaupt entspringen müsse. Denn es ist nur die innere Möglichkeit selbst, von der erkannt werden soll, daß sie irgendein Dasein voraussetze, und nicht die besonderen Prädikate, dadurch sich ein Mögliches von dem anderen unterscheidet; denn der Unterschied der Prädikate fi ndet auch beim bloß Möglichen statt und bezeichnet niemals etwas Existierendes.327 Demnach würde auf die erwähnte Art aus der inneren Möglichkeit alles Denklichen ein göttliches Dasein müssen gefolgert werden. Daß dieses geschehen könne, ist in der ganzen ersten Abteilung dieses Werks gewiesen worden.
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3. Prüfung der Beweisgründe der zweiten Art
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Der Beweis, da man aus den Erfahrungsbegriffen von dem, was da ist,328 auf die Existenz ei|ner ersten und unabhängigen Ursache nach den Regeln der Kausalschlüsse, aus dieser aber durch logische Zergliederung des Begriffs auf die Eigenschaften derselben,329 welche eine Gottheit bezeichnen, kommen will, ist berühmt und vornehmlich durch die Schule der Wolffi schen Philosophen sehr in Ansehen gebracht worden, 330 allein er ist gleichwohl ganz unmöglich. Ich räume ein, daß bis zu dem Satz: wen n ¦ et wa s d a ist, so ex ist ier t auch et wa s, wa s v o n k e i n e m a n d e r e n D i n g a b h ä n g t , alles regelmäßig gefolgert sei, ich gebe also zu, daß das Dasein irgendeines oder mehrerer Dinge, die weiter keine Wirkungen von einem anderen sind, wohl erwiesen darliege.331 Nun ist der zweite Schritt zu dem Satz, daß dieses unabhängige Ding s c h l e c h t e r d i n g s n o t w e n d i g sei, schon viel weniger zuverlässig, da er vermittelst des Satzes vom zureichenden Grund, der noch immer angefochten wird,332 geführt werden muß; allein ich trage kein Bedenken, auch bis so weit alles zu unterschreiben. Es existiert demnach etwas schlechterdings notwendigerweise. Aus diesem Begriff des absolut notwendigen Wesens sollen nun seine Eigen-
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Prüfung der Beweisgründe der zweiten Art
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schaften der höchsten Vollkommenheit und Einheit | hergeleitet werden. Der Begriff der absoluten Notwendigkeit aber, der hier zum Grunde liegt, kann auf zwiefache Art genommen werden, wie in der ersten Abteilung gezeigt ist.333 In der ersten Art, da sie die logische Notwendigkeit von uns genannt worden, müßte gezeigt werden: 334 daß das Gegenteil desjenigen Dinges sich selbst widerspreche, in welchem alle Vollkommenheit oder Realität anzutreffen, und also dasjenige Wesen einzig und allein schlechterdings notwendig im Dasein sei, dessen Prädikate alle wahrhaftig bejahend sind. Und da aus ebenderselben durchgängigen Vereinbarung aller Realität in einem Wesen soll geschlossen werden, daß es ein e i n z i g e s sei, so ist klar, daß die Zergliederung der Begriffe des Notwendigen auf solchen Gründen beruhen werde, nach denen ich auch umgekehrt müsse schließen können: Worin alle Realität ist, das existiert notwendigerweise. Nun ist nicht allein diese Schlußart nach der vorigen Nummer unmöglich, sondern es ist insonderheit merkwürdig, daß auf diese Art der Beweis gar nicht auf den Erfahrungsbegriff, der ganz, ohne ihn zu brauchen, vorausgesetzt ist, erbaut wird, sondern ebenso wie der Cartesia| nische lediglich auf Begriffe, in welchen man in der Identität oder dem Widerstreit der Prädikate das Dasein eines Wesens zu fi nden vermeint.* 335 *
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Dieses ist das Vornehmste, worauf ich hier ausgehe. Wenn ich die Notwendigkeit eines Begriffs darin setze, daß sich das Gegenteil wi25 derspricht, und alsdann behaupte, das Unendliche sei so beschaffen, so war es ganz unnötig, die Existenz des notwendigen Wesens vorauszusetzen, indem sie schon aus dem Begriff des Unendlichen folgt. Ja, jene vorangeschickte Existenz ist in dem Beweis selbst völlig müßig. Denn da in dem Fortgang desselben der Begriff der Notwendigkeit und Un30 endlichkeit als Wechselbegriffe angesehen werden, so wird wirklich darum aus der ¦ Existenz des Notwendigen auf die Unendlichkeit ge- II, 159 schlossen, weil das Unendliche (und zwar allein) notwendig existiert. 20 auf Begriffe ] 1763, 1770, 1794, 1797, Tieftrunk, Rosenkranz, Har-
tenstein I, Hartenstein II, Kirchmann, Schiele, Buchenau, Weischedel, Klaus: aus Begriffen
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III. Abteilung, 3. Nummer
¦ Es ist meine Absicht nicht, die Beweise selber zu zergliedern, die man dieser Methode gemäß bei verschiedenen 336 antrifft. Es ist leicht, ihre Fehlschlüsse aufzudecken, und dieses ist auch schon zum Teil von anderen 337 geschehen. Indessen, da man gleichwohl noch immer hoffen könnte, daß ihrem Fehler durch einige Verbesserungen abzuhelfen sei, so ersieht man aus unserer Betrachtung, daß, es | mag auch aus ihnen werden, was da wolle, sie doch niemals etwas anderes als Schlüsse aus Begriffen möglicher Dinge, nicht aber aus Erfahrung werden können und also allenfalls den Beweisen der ersten Art beizuzählen sind. Was nun den zweiten Beweis von derjenigen Art anlangt, da aus Erfahrungsbegriffen von existierenden Dingen auf das Dasein Gottes und zugleich seine Eigenschaften geschlossen wird, so verhält es sich hiermit ganz anders.338 Dieser Beweis ist nicht allein möglich, sondern auch auf alle Weise würdig, durch vereinigte Bemühungen zur gehörigen Vollkommenheit gebracht zu werden. 339 Die Dinge der Welt, welche sich unseren Sinnen offenbaren, zeigen sowohl deutliche Merkmale ihrer Zufälligkeit als auch durch die Größe, die Ordnung und zweckmäßige Anstalten, die man allenthalben gewahr wird, Beweistümer eines vernünftigen Urhebers von großer Weisheit, Macht und Güte. Die große Einheit in einem so weitläufigen Ganzen läßt abnehmen, daß nur ein einziger Urheber aller dieser Dinge sei, und wenngleich in allen diesen Schlüssen keine geometrische | Strenge hervorblickt, so enthalten sie doch unstrittig so viel Nachdruck, daß sie einen jeden Vernünftigen nach Regeln, die der natürliche gesunde Verstand befolgt, keinen Augenblick hierüber im Zweifel lassen.
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4. Es sind überhaupt nur zwei Beweise vom Dasein Gottes möglich
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Aus allen diesen Beurteilungen ist zu ersehen: daß, wenn man aus Begriffen möglicher Dinge schließen will, kein anderes Argument für das Dasein Gottes möglich sei als dasjenige, wo selbst die innere Möglichkeit aller Dinge als etwas angesehen wird, was irgendein Dasein voraussetzt, wie es von uns in der ersten Abteilung dieses Werks geschehen ist. ¦ Imgleichen erhellt, daß, wenn von dem, was uns Erfahrung von existierenden Dingen lehrt, der Schluß zu ebenderselben Wahrheit soll hinaufsteigen, der Beweis nur durch die in den Dingen der Welt wahrgenommenen Eigenschaften und die zufällige Anordnung des | Weltganzen auf das Dasein sowohl als auch die Beschaffenheit der obersten Ursache kann geführt werden. Man erlaube mir, daß ich den ersten Beweis den ontologischen, den zweiten aber den kosmologischen 340 nenne. Dieser kosmologische Beweis ist, wie mich dünkt, so alt wie die menschliche Vernunft. Er ist so natürlich, so einnehmend und erweitert sein Nachdenken auch so sehr mit dem Fortgang unserer Einsichten, daß er so lange dauern muß, als es irgendein vernünftiges Geschöpf geben wird, welches an der edlen Betrachtung teilzunehmen wünscht, Gott aus seinen Werken zu erkennen.341 Derhams 342 , Nieuwentyts 343 und vieler anderer Bemühungen haben der menschlichen Vernunft in dieser Absicht Ehre gemacht, obgleich bisweilen viel Eitelkeit mit untergelaufen ist, allerlei physischen Einsichten oder auch Hirngespinsten durch die Losung des Religionseifers ein ehrwürdiges Ansehen zu geben. Bei aller dieser Vortreff lichkeit ist diese Beweisart doch immer der mathematischen Gewißheit und Genauigkeit unfähig. Man wird jederzeit nur auf irgendeinen unbegreif lich großen Urheber | desjenigen Ganzen, was sich unseren Sinnen darbietet, schließen können, nicht aber auf das Dasein des vollkommensten unter allen möglichen Wesen. Es wird die größte Wahrschein-
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lichkeit von der Welt sein, daß nur ein einiger erster Urheber sei, allein dieser Überzeugung wird viel an der Ausführlichkeit, die der frechsten Zweifelsucht trotzt, ermangeln. Das macht: Wir können nicht auf mehr oder größere Eigenschaften in der Ursache schließen, als wir gerade nötig fi nden, um den Grad und Beschaffenheit der Wirkungen daraus zu verstehen; wenn wir nämlich von dem Dasein dieser Ursache keinen anderen Anlaß zu urteilen haben als den, so uns die Wirkungen geben. Nun erkennen wir viel Vollkommenheit, Größe und Ordnung in der Welt und können daraus nichts mehr mit logischer Schärfe schließen, als daß die Ursache derselben viel Verstand, Macht und Güte besitzen müsse, keineswegs aber, daß sie alles wisse, vermöge etc. etc.344 Es ist ein unermeßliches Ganzes, in welchem wir Einheit und durchgängige Verknüpfung wahrnehmen, und wir können mit großem Grund daraus ermessen, daß ein einiger Urheber desselben sei. Allein wir müssen uns bescheiden, | daß wir nicht alles Erschaffene kennen, und daher urteilen, daß, was uns bekannt ist, nur einen Ur¦heber blicken lasse, woraus wir vermuten, was uns auch nicht bekannt ist, werde ebenso bewandt sein; welches zwar sehr vernünftig gedacht ist, aber nicht strenge schließt. Dagegen wofern wir uns nicht zu sehr schmeicheln, so scheint unser entworfener ontologischer Beweis derjenigen Schärfe fähig zu sein, die man in einer Demonstration fordert. Indessen, wenn die Frage wäre, welcher denn überhaupt unter beiden der beste sei, so würde man antworten: Sobald es auf logische Genauigkeit und Vollständigkeit ankommt, so ist es der ontologische, verlangt man aber Faßlichkeit für den gemeinen richtigen Begriff, Lebhaftigkeit des Eindrucks, Schönheit und Bewegkraft auf die moralischen Triebfedern der menschlichen Natur, so ist dem kosmologischen Beweis der Vorzug zuzugestehen. Und da es ohne Zweifel von mehr Erheblichkeit ist, den Menschen mit hohen Empfi ndungen, die fruchtbar an edler Tätigkeit sind, zu beleben, indem man zugleich den gesunden Ver|stand überzeugt, als mit sorgfältig abgewogenen Vernunftschlüssen zu unterwei-
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sen, dadurch, daß der feineren Spekulation ein Genüge getan wird, so ist, wenn man aufrichtig verfahren will, dem bekannten kosmologischen Beweis der Vorzug der allgemeineren Nutzbarkeit nicht abzusprechen. Es ist demnach kein schmeichlerischer Kunstgriff, der um fremden Beifall buhlt, sondern Aufrichtigkeit, wenn ich einer solchen Ausführung der wichtigen Erkenntnis von Gott und seinen Eigenschaften, als Reimarus in seinem Buch von der natürlichen Religion 345 liefert, den Vorzug der Nutzbarkeit gern einräume über einen jeden anderen Beweis, in welchem mehr auf logische Schärfe gesehen worden, und über den meinigen. Denn ohne den Wert dieser und anderer Schriften dieses Mannes in Erwägung zu ziehen, der hauptsächlich in einem ungekünstelten Gebrauch einer gesunden und schönen Vernunft besteht, so haben dergleichen Gründe wirklich eine große Beweiskraft und erregen mehr Anschauung als die logisch abgezogenen Begriffe, obgleich die letzteren den Gegenstand genauer zu verstehen geben. | Gleichwohl, da ein forschender Verstand, wenn er einmal auf die Spur der Untersuchung geraten ist, nicht eher befriedigt wird, als bis alles um ihn licht ist und bis sich, wenn ich mich so ausdrücken darf, der Zirkel, der seine Frage umgrenzt, völlig schließt, so wird niemand eine Bemühung, die wie die gegenwärtige auf die logische Genauigkeit in ¦ einem so sehr wichtigen Erkenntnis verwandt ist, für unnütz und überflüssig halten, vornehmlich weil es viele Fälle gibt, da ohne solche Sorgfalt die Anwendung seiner Begriffe unsicher und zweifelhaft bleiben würde.
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5. Es ist nicht mehr als eine einzige Demonstration vom Dasein Gottes möglich, wovon der Beweisgrund oben gegeben worden
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Aus dem bisherigen erhellt: daß unter den vier erdenklichen Beweisgründen, die wir auf zwei | Hauptarten gebracht haben, der Cartesianische sowohl als der, so aus dem Erfahrungsbegriff vom Dasein 346 vermittelst der Auf lösung des Begriffs von einem unabhängigen Ding geführt worden, falsch und gänzlich unmöglich seien, das ist, daß sie nicht etwa mit keiner gehörigen Schärfe, sondern gar nicht beweisen. Es ist ferner gezeigt worden, daß der Beweis, aus den Eigenschaften der Dinge der Welt auf das Dasein und die Eigenschaften der Gottheit zu schließen, einen tüchtigen und sehr schönen Beweisgrund enthalte, nur daß er nimmermehr der Schärfe einer Demonstration fähig ist. Nun bleibt nichts übrig, als daß entweder gar kein strenger Beweis hiervon möglich sei oder daß er auf demjenigen Beweisgrund beruhen müsse, den wir oben angezeigt haben. Da von der Möglichkeit eines Beweises schlechthin die Rede ist, so wird niemand das erstere behaupten, und die Folge fällt demjenigen gemäß aus, was wir angezeigt haben. Es ist nur ein Gott und nur ein Beweisgrund, durch welchen es möglich ist, sein Dasein mit der Wahrnehmung derjenigen Notwendigkeit einzusehen, die schlechterdings alles Gegenteil vernichtigt: ein | Urteil, darauf selbst die Beschaffenheit des Gegenstandes unmittelbar führen könnte. Alle anderen Dinge, welche irgend da sind, könnten auch nicht sein. Die Erfahrung von zuf älligen Dingen kann demnach keinen tüchtigen Beweisgrund abgeben, das Dasein desjenigen daraus zu erkennen, von dem es unmöglich ist, daß er nicht sei. Nur lediglich darin, daß die Verneinung der göttlichen Existenz völlig Nichts ist, liegt der Unterschied seines Daseins 1 5. ] 1763, 1770, 1794, Weischedel: 6. 31 Nichts ] Weischedel: nichts
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von anderer Dinge ihrem. Die innere Möglichkeit, die Wesen der Dinge sind nun dasjenige, dessen Auf hebung alles Denkliche vertilgt. Hierin wird ¦ also das eigene Merkmal von dem Dasein des Wesens aller Wesen bestehen. Hierin sucht den Beweistum, und wenn ihr ihn nicht daselbst anzutreffen vermeint, so schlagt euch von diesem ungebahnten Fußsteig auf die große Heeresstraße der menschlichen Vernunft. Es ist durchaus nötig, daß man sich vom Dasein Gottes überzeuge; es ist aber nicht ebenso nötig, daß man es demonstriere.347
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Ende
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A N M E R K U NG E N DE S H E R AU S G E B E R S
In der metrischen Übersetzung Karl Büchners lauten diese zwei Verse (I, 52 f.) aus dem Lehrgedicht des Lukrez (ca. 97–55 v. Chr.): »Daß du meine Geschenke, in treuem Eifer gerichtet / nicht, bevor verstanden sie sind, verachtet zurückläßt« (Titus Lucretius Carus: De Rerum Natura. Welt aus Atomen. Lateinisch und deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort hg. von Karl Büchner. Stuttgart 1981, S. 11). Es ist die Meinung vertreten worden, daß erst aus der Fortsetzung dieses Zitats klar werde, weshalb Kant es seiner Abhandlung voranstelle; er habe die sich anschließenden zwei Verszeilen entweder aus Bescheidenheit oder aber in der Zuversicht weggelassen, daß seine Leser sie angesichts des Bekanntheitsgrades des Werks ohnedies leicht selbst ergänzen könnten (L’unique fondement possible d’une démonstration de l’existence de Dieu. Texte présenté, traduit et annoté par Sylvain Zac. In: Emmanuel Kant: Œuvres philosophiques I. Des premiers écrits à la »Critique de la Raison Pure«. Édition publiée sous la direction de Ferdinand Alquié avec, pour ce volume, la collaboration d’Alexandre J.-L. Delamarre, Jean Ferrari, Bernard Lortholary, François Marty, Jacques Rivelaygue, Sylvain Zac. Paris 1980, S. 1508 f.). Diese würden nämlich Kants anspruchsvolles Programm zu erkennen geben. Sie lauten: »nam tibi de summa caeli ratione deumque / disserere incipiam et rerum primordia pandam […].« (»Denn über letzten Grund will dir von Himmel und Göttern / ich zu sprechen beginnen, will zeigen der Dinge Atome […]«, ebd., S. 11). Auffällig ist jedenfalls, daß Kant diesem Werk, in dem er nichts weniger als den einzig möglichen Beweis für die Existenz Gottes bieten will, überhaupt ein Motto aus Lukrez voranstellt. Denn Lukrez galt damals wie heute als das Sprachrohr Epikurs, der als Atheist verschrieen war. Cf. Anm. 216, 217. 2 Mit der Auffassung, daß das Erkenntnisstreben des Menschen sein letztes und höchstes Ziel in der Erkenntnis vom Dasein Got1
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Anmerkungen des Herausgebers
tes fi nde, steht Kant keineswegs allein in der neuzeitlichen Philosophie. Eine ganze Reihe von Autoren, mit deren hier einschlägigen Werken Kant nachweislich vertraut war, teilen diese Ansicht mit ihm. So ist z. B. für John Locke (1632–1704) »The Knowledge and Veneration of Him [sc. God, Hg.] […] the chief end of all our Thoughts, and the proper business of all Understandings« (An Essay Concerning Human Understanding. II .vii.6. Ed. with an introduction, critical apparatus and glossary by Peter H. Nidditch. Reprinted [with corrections] Oxford 1979, S. 131). George Berkeley (1685– 1753) beschließt seinen Treatise Concerning the Principles of Human Knowledge in § 156 mit den Worten: »For after all, what deserves the fi rst place in our studies, is the consideration of God, and our duty […]« (The Works of George Berkeley, Bishop of Cloyne. Ed. by A. A. Luce and T. E. Jessop. Bd. II . Reprint London 1964, S. 113; H. i. O.). Pierre Louis Moreau de Maupertuis (1698–1759) weist im »Avertissement« seines Essay de cosmologie »la connoissance de l’Etre suprême« als »le but principal« aus, das er mit seinem Werk verfolge (Leiden 1751, S. [ IX ]). Christian Wolff (1679–1754) erklärt die natürliche Theologie als den eigentlichen Zweck aller seiner Darlegungen zur Metaphysik (Theologia Naturalis, Pars I .1. [= Christian Wolff: Gesammelte Werke. Hg. und bearbeitet von J. École, H. W. Arndt, Ch. A. Corr u. a., Hildesheim, New York 1965 ff. II . Abt., Bd. 7.1, S. 25*]). Hermann Samuel Reimarus (1694–1768) lobt zwar »alles übrige Wissen« als »angenehm« und »von vielfältigem Nutzen«, doch bleibe es »ohne Religion […] nur ein tändelnder Zeitvertreib, der unser Gemüth nicht ersättiget, nicht beruhiget« (Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion. Reprint der 3. verbesserten und stark vermehrten Aufl. Hamburg 1766. Mit einer Einleitung unter Mitarbeit von Michael Emsbach und Winfried Schröder hg. von Günter Gawlick. Göttingen 1985. Bd. I, S. 65), und noch Johann August Eberhard (1739–1809) sieht in seinem »Vorbericht zur neuen Auf lage« von Alexander Gottlieb Baumgartens Metaphysik das »[…] Ziel aller Erkenntniß des Verstandes […] in der Wissenschaft, Gott durch alle Handlungen seines Lebens zu verehren« (Alexander Gottlieb Baumgarten: Metaphysik. Ins Deutsche übersetzt von Georg Friedrich Meier. Nach dem Text der zweiten, von Joh. Aug. Eberhard besorgten Ausgabe
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1783. Mit einer Einführung, einer Konkordanz und einer Bibliographie der Werke A. G. Baumgartens von Dagmar Mirbach. Jena 2004, S. 5 [= Klassiker der Metaphysik Bd. 1]). Diese Überzeugung Eberhards teilte Baumgarten (1714–1762) selbst, wie sein Freund, Schüler, Nachfolger und Biograph Georg Friedrich Meier (1718–1777) mitteilt: »Er [sc. A. G. Baumgarten, Hg.] wandte seine ganze Weltweisheit zu ihrem letzten und vornehmsten Zwecke an, indem er dadurch die Erkenntniß von göttlichen Dingen auf klärte, und sich von den Wahrheiten der christlichen Relgion durch dieselbe besser überzeugte.« Alexander Gottlieb Baumgartens Leben. Halle im Magdeburgischen 1763, S. 35. 3 Durch den eröffnenden und den die Abhandlung beschließenden Satz rahmt Kant seine Darlegungen mit einem Bekenntnis zur Existenz Gottes ein, die unbeschadet ihrer philosophischen Demonstrierbarkeit feststehe. 4 ›Gemein‹ im Sinn von ›allgemein‹ oder ›gewöhnlich‹. Cf. Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Hg. von der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Bd. IV, 1. Abt., 2. Teil, 1. Lieferung. Leipzig 1962, Sp. 3170 (Nr. 2), Sp. 3209 (Nr. 7). 5 Verstand bzw. Vernunft sind also nicht durch den Sündenfall verderbt oder durch Vorurteile obstruiert, sondern zuverlässige und auf die Erzielung von wahren und nützlichen Einsichten angelegte Erkenntnisorgane. Deshalb können sie – ohne vorherige Prüfung ihrer Leistungsfähigkeit, wie dies beispielsweise von John Locke in seinem Essay Concerning Human Understanding, aber auch von anderen Philosophen angeregt worden war – unmittelbar zur Behandlung der vorliegenden Sachfrage eingesetzt werden. Diese Auffassung schärft Kant an späterer Stelle wiederholt ein, so in II .v.1; 07604–11. Die später in der Kritik der reinen Vernunft geäußerte Überzeugung Kants, wonach die sich selbst überlassene Vernunft infolge ihrer antinomischen Beschaffenheit nichts als »Auftritte des Zwiespalts und der Zerrüttungen« zustande bringt, liegt noch in weiter Ferne (KrV A 407 / B 434). 6 Kant verwendet die Substantive ›Dasein‹ und ›Existenz‹ synonym, bevorzugt aber – wie schon der Titel der Beweisgrundschrift zu erkennen gibt – deutlich den deutschen Ausdruck, der
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Anmerkungen des Herausgebers
117mal vorkommt und dem nur 23 Okkurrenzen von ›Existenz‹ entgegenstehen. Bei den – ebenfalls synonym verwendeten – Verbformen dominiert hingegen ›existieren‹ mit 48 vor 19 Vorkommensfällen von ›dasein‹. Cf. Lothar Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«. Erstellt in Zusammenarbeit mit Hans-Werner Bartz, Heinrich P. Delfosse und Michael Oberhausen. Unter Mitwirkung von Katja Weckesser. Stuttgart Bad-Cannstatt 2003, S. 35, 55 f. [= Kant-Index Bd. 38; FMDA III , 45]. 7 Mit den Worten »und den Eigenschaften dieses Wesens« nimmt Kant eine erhebliche Erweiterung der kurz zuvor aufgestellten Behauptung vor, in der lediglich von der Überzeugung der bloßen Existenz Gottes die Rede war, die keinerlei metaphysischer Absicherung bedürfe. Durch die nähere Angabe, wie diese sich auf die Eigenschaften Gottes ausdehnende Gewißheit zu erzielen ist – die sich innerhalb der Grenzen »gemeiner Einsichten« bewegende »gesunde Vernunft« –, gibt Kant zu erkennen, daß er hierbei an physikotheologische Betrachtungen denkt. Die Physikotheologie erlebte im deutschsprachigen Raum von den 1730er Jahren bis zur Jahrhundertmitte ihre Blütezeit. Ein Lehrer Kants, Martin Knutzen (1713–1751), hatte 1748 in Königsberg eine – freilich nur kurze Zeit bestehende – »Physikotheologische Gesellschaft« gegründet, der neben Kant u. a. auch Johann Georg Hamann (1730– 1788) angehörte. Cf. hierzu Hans-Joachim Waschkies: Physik und Physikotheologie des jungen Kant. Die Vorgeschichte seiner Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Amsterdam 1987, S. 13 f., 56–60 [= Bochumer Studien zur Philosophie Bd. 8]. 8 Könnte die »gesunde Vernunft« dies nicht leisten, dann wäre die Überzeugung vom Dasein Gottes und seinen Eigenschaften den Gelehrten vorbehalten, was mit der göttlichen Gerechtigkeit unvereinbar erscheint. 9 Im Sinn von lat. ›aequus‹, ›mit recht‹, hier also soviel wie ›berechtigt‹, ›legitim‹, ›angemessen‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. II , Sp. 28 (Nr.1). 10 In der zweiten Abteilung des Werks, wo Kant »Von dem weitläufigen Nutzen, der dieser Beweisart besonders eigen ist«, handelt, wird er ausführlich zeigen, daß die hier ausgesprochene Hoff-
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nung, der gesuchte Beweis könne seinerseits zur Quelle weiterer Erkenntnisse im Gebiet der Rationaltheologie werden, seine Berechtigung hat. 11 Kant verwendet die Ozean-Metaphorik von seinen Anfängen an bis ins Spätwerk hinein immer wieder zur Illustration der Unbeständigkeit metaphysischer Einsichten, so z. B. Monadologia Physica (Ak I, 475), De Mundi Sensibilis atque Intelligibilis Forma et Principiis (§ 22; Ak II , 410), Kritik der reinen Vernunft (A 235 f., A 396 f.), Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können (Ak IV, 262), Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik (Ak X X , 259); und auch in einigen Refexionen aus der zweiten Hälfte der 1770er Jahre wie der R 913 (Ak XV, 399) und der R 4949 (Ak XVIII , 038) macht er von diesem einprägsamen Bild Gebrauch. Es stammt jedoch nicht von ihm; er übernimmt es von Autoren, die es in ähnlicher Absicht verwendet hatten, darunter auch David Hume (1711–1776) in seinem Treatise of Human Nature, I .iv.7. Ed. with an analytical index, by L. A. Selby-Bigge. 2nd edition with text revised and variant readings by P. H. Nidditch. Oxford 1978, S. 263 f.; ebenso am Ende von Abschnitt VIII der Enquiry Concerning Human Understanding. Reprinted from the posthumous edition of 1777 and ed. with introduction, comparative tables of contents, and analytical index by L. A. Selby-Bigge. 3rd edition with text revised and notes by P. H. Nidditch. Oxford 1975, S. 103. Cf. hierzu Lothar Kreimendahl: Kant. Der Durchbruch von 1769. Köln 1990, S. 32 f., 92 f. 12 So z. B. von Johann Ernst Gunner: Beweis von der Wirklichkeit und Einigkeit Gottes aus der Vernunft. Nebst gründlicher Beurtheilung derer übrigen wichtigsten Beweise von beiden ans Licht gestellet. Jena 1748. Gunner hält den seinerzeit in hohem Ansehen stehenden Wolffschen Beweis »nicht für völlig gewis«, und die von ihm vorgenommene ausführliche Prüfung der »übrigen wichtigsten Beweise von der Einigkeit Gottes« zeige, »[…] daß ich keinen einigen, so mir bekant ist, für unumstöslich gewis halte, wenn man das Wort Gewisheit in dem strengsten logischen Verstande nimt« [!] (Vorrede, S. [XIII ]). 13 Man beachte, welchen enormen Anspruch Kant angesichts des soeben konstatierten Scheiterns aller bisherigen Versuche, Got-
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tes Dasein zu demonstrieren, erhebt. Er wird durch den einschränkenden Zusatz, hier werde »nur der Beweisgrund« zu einer solchen Demonstration geliefert, nicht wirklich gemildert. Kant verwendet den Ausdruck ›Beweisgrund‹ von den Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte (Ak I, 10734 ) an bis ins Opus postumum hinein recht häufig. In Johann Heinrich Zedlers Grosse[m] vollständige[n] Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste. Bd. 2, Halle, Leipzig 1732, Sp. 1377, liest man: »Argumentum heist überhaupt ein Beweiß-Grund […].« Diese Bedeutung schwingt in Kants Verwendung des Wortes sicherlich mit; insofern treffen die Übersetzungen der Abhandlung, die mit diesem Terminus arbeiten, wie Walford / Meerbote und auch Theis es tun, wohl die richtige Wahl. Kants Verwendung des Ausdrucks ›Beweisgrund‹ geht jedoch über die Bedeutung von ›Argument‹ im heutigen Sinne hinaus. Er lehnt sich vermutlich an die Bestimmung an, die Crusius in seiner Logik gegeben hatte. Crusius unterscheidet dort an einem Beweis die logische Form desselben von der »Materie des Beweises«. Diese besteht in »ein[em] oder etliche[n] als wahr angenommenen Sätze[n]«, die mit der im Schluß hergestellten Konklusion verknüpft sind und »Beweisgrund, (praemissae, principium)« genannt werden (Christian August Crusius: Weg zur Gewißheit und Zuverläßigkeit der menschlichen Erkenntnis. Reprografi scher Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1747. In: Die philosophischen Hauptwerke. Hg. von Giorgio Tonelli. Bd. III . Hildesheim 1965, § 517, S. 922). Auch Kant faßt ›Beweisgund‹ in diesem materialen Sinne auf, wenn er ihn an der vorliegenden Stelle mit einem »mühsam gesammelten Baugerät« vergleicht und die formale Demonstration betont von ihm trennt. In den frühen Reflexionen 3703–3705 des Jahres 1753–54, die vor dem Hintergrund der Preisfrage der Berliner Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1755 entstanden sind, in der es um eine Beurteilung des Optimismus Alexander Popes ging, hatte Kant den zentralen Gedanken seines ontotheologischen Gottesbeweises Pope zugeschrieben. Cf. Einleitung, S. X X XVIII ff. 14 Die hier präsentierten Überlegungen gehen also nicht etwa auf eine schlagartig gewonnene Einsicht Kants zurück, sondern sind das Ergebnis anstrengender Betrachtungen vieler Jahre, wor-
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auf Kant zu Beginn des folgenden Absatzes erneut hinweist. Cf. Anm. 19 sowie Einleitung, S. X XIII ff. 15 Der Adressatenkreis, an den sich Kant wendet, ist nicht das breite Publikum, sondern es sind die »Kenner«, die sachkundigen Leser also, die zu prüfen vermögen, ob sich die zentralen hier dargelegten Philosopheme – gegebenenfalls in modifi zierter Weise – zu einer förmlichen Demonstration des Daseins Gottes zusammenfügen lassen. Zur Errichtung des geplanten »Gebäudes« ist es aber nicht mehr gekommen; vornehmlich deshalb nicht, weil Kant schon bald nach Abschluß der Arbeiten am Beweisgrund zunehmend Zweifel an der Möglichkeit einer tragfähigen Metaphysik überhaupt kamen. An der Bauwerk-Metaphorik hält Kant jedoch auch weiterhin mit Hinblick auf die Errichtung einer Metaphysik fest. Cf. etwa KrV A 707 / B 735. 16 Kant verwendet ›dünken‹ sechsmal in der Beweisgrundschrift und konstruiert es, was hier vereinheitlicht wurde, sowohl mit dem Dativ wie dem Akkusativ. 17 Christian Wolff hatte in seinem deutsch-lateinischen »Register über einige Kunst-Wörter«, das er seinen Vernünftige[n] Gedanken von den Kräften des menschlichen Verstandes und ihrem richtigen Gebrauche in Erkenntnis der Wahrheit [= »Deutsche Logik«] beigegeben hatte, den Begriff ›Erklärung‹ mit ›defi nitio‹ wiedergegeben (abgedruckt bei Heinrich P. Delfosse / Berthold Krämer / Elfriede Reinardt: Wolff-Index. Stellenindex und Konkordanz zu Christian Wolffs »Deutscher Logik«. Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, S. 623 [= FMDA III , 19]). Dem haben sich die meisten Wolffi aner angeschlossen (cf. Onomasticon philosophicum. Latinoteutonicum et teutonicolatinum. Hg. von Ken Aso / Masao Kurosaki / Tanehisa Otabe / Shiro Yamauchi. Tokio 1989, S. 91 f.). Obwohl auch Kant diesen Sprachgebrauch mitunter übernimmt, sind ›Defi nition‹ und ›Erklärung‹ für ihn doch keine Synonyme. Er folgt ihm z. B. dann, wenn er von der »Wolffi sche[n] Erklärung des Daseins« spricht (02114 ), wie dieser sie ausdrücklich als solche in seiner Philosophia Prima Sive Ontologia [11730] bezeichnet hatte (zitiert in Anm. 51). Auch einige andere Stellen wie etwa 014 04, 03326 zeigen, daß Kant die Begriffe nur gelegentlich gleichbedeutend verwendet. In der Mehrzahl der Fälle, so auch im vorliegenden Zusammenhang, unterscheidet er
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aber sehr wohl zwischen diesen Ausdrücken. Die Erklärungen sind der weitere Begriff; sie können im günstigsten Fall Bausteine zu Defi nitionen liefern, denen Kant in dieser Phase seines Denkens jedoch sehr skeptisch gegenübersteht. Insofern verwundert es nicht, daß das Wortfeld ›erklären‹ vier Lemmata – nämlich ›erklären‹, ›Erklärte‹, ›Erklärung‹ und ›Erklärungsart‹ – mit insgesamt 41 Okkurrenzen kennt, wohingegen vom Wortfeld ›defi nieren‹ lediglich das Substantiv ›Defi nition‹ (5mal) vorkommt. Das Verb ›defi nieren‹ taucht übrigens im gesamten Wortschatz des vorkritischen Kant kein einziges Mal auf. Cf. Gottfried Martin (Hg.): Wortindex zu Kants gesammelten Schriften. Bearbeitet von Dieter Krallmann und Hans Adolf Martin. 2 Bde., Berlin 1967, Bd. 1, S. 228 [= Allgemeiner Kant-Index zu Kants gesammelten Schriften. Bde. 16, 17]. 18 Eine Anspielung auf die sprichwörtlich gewordene Demonstrationswut einiger Wolffianer, die alles und jedes – das Trinitätsdogma und die Jungfrauengeburt nicht ausgenommen – in das Korsett mathematisch strenger Beweise zwingen wollten. Derartige überzogene Beweisansprüche diskreditierten den Wolffi anismus und trugen schließlich zu seinem Untergang bei. Als Folge dessen geriet insbesondere die Metaphysik um die Jahrhundertmitte in eine Art skeptische Krise, die auch den frühen Kant erfaßte. 19 Damit stellt Kant nach den Worten vom »mühsam ge sammelte[n] Baugerät« zum zweiten Male die lange Entstehungsgeschichte der hier präsentierten ontotheologischen Überlegungen heraus. Er tut das jedoch in sehr unbestimmten Worten. Zur Vorgeschichte der Beweisgrundschrift cf. Einleitung, S. X X X– LX X X . 20 Kant hatte im Jahr 1762 neben der Beweisgrundschrift wenigstens drei weitere Arbeiten praktisch gleichzeitig unter den Händen. Cf. dazu Einleitung, S. X X–X XII . 21 ›Schlecht‹ im Sinn von ›einfach‹, ›schlicht‹ oder – als Gegensatz zu ›gut‹ – ›dem gegenstande, den umständen, dem endzweck, der bestimmung nicht gemäß‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. IX , Sp. 529 (Nr.13 a), Sp. 533 (Nr. 15), Sp. 536 f. (Nr. 17 a). In gleichem Sinn verwendet Kant ›schlecht‹ 04702 , 09430. Daneben setzt er das Wort jedoch auch schon in seiner heutigen Bedeutung ein. So etwa in der vorliegenden Schrift 030 03.
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Neben der femininen Form fi ndet sich bei Kant auch das Neutrum ›das Erkenntnis‹. Cf. etwa 04516. Grimm weist ausdrücklich darauf hin, daß Kant beide Genera unterschiedslos verwende (Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. III , Sp. 870). Für die Beweisgrundschrift scheint das indes nicht so eindeutig zuzutreffen, wie die Fälle zeigen, an denen Kant das Neutrum einsetzt, wie z. B. an der vorliegenden Stelle und ferner 04516, 13724–25. ›Erkenntnis‹ rückt dort an die Bedeutung von ›Wissen‹ in einem allgemeineren Sinn heran. Von einer Genusangleichung wurde deshalb in der vorliegenden Ausgabe abgesehen. 23 Im Sinn von ›alle umstände umfassend, ausführlich, eingehend, genau‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. XI , 2. Abt., Sp. 1178 (Nr. 1). 24 Tatsächlich geriet Kants Schrift bei einigen Lesern in diesen Verdacht. Daniel Heinrich Arnoldt berichtet in seinen Fortgesetzte[n] Zusätze[n] zu seiner Historie der Königsbergschen Universität, nebst Nachrichten von dreyhundert und elf Preußischen Gelehrten, auch Zusätzen zu des Herrn Profeßor Hambergers itztlebendem gelehrten Deutschland, und Verbeßerungen desselben. Königsberg 1769, S. 158 f.: »Wider den Tract. von dem Beweise des Daseyns Gottes hat M. Weymann geschrieben und er steht in dem zu Wien 1765 gedruckten Verzeichniß der verbotnen Schriftsteller.« Auch Borowski teilt in seiner Lebensbeschreibung Kants mit, daß die Beweisgrundschrift in Wien auf den Index librorum prohibitorum gesetzt wurde. Ludwig Ernst Borowski: Darstellung des Lebens und Charakters Immanuel Kants. Von Kant selbst genau revidiert und berichtigt. In: Immanuel Kant. Sein Leben in Darstellungen von Zeitgenossen. Die Biographien von L. E. Borowski, R. B. Jachmann und A. Ch. Wasianski. Hg. von Felix Groß. Berlin [1912], S. 31. 25 Abgesehen von der Widerlegung aller anderen Gottesbeweise in Abteilung III des Werks, setzt sich Kant tatsächlich nur an einer Stelle in I .i.3 anläßlich seiner Erklärung von ›Dasein‹ mit anderen Defi nitionen von ›Existenz‹ auseinander, nämlich denen von Christian Wolff, Alexander Gottlieb Baumgarten und Christian August Crusius (1715–1775), die er allesamt zurückweist. Trotz einiger kritischer Bemerkungen – etwa über Buffon oder auch Maupertuis und selbst Newton – verzichtet Kant auch bei der Behand22
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lung von Themen, die seiner zentralen Absicht untergeordnet sind, weitgehend auf polemische Auseinandersetzungen. 26 Damit erhebt Kant ein weiteres Mal (cf. 006 14–15 ) Anspruch auf Originalität. 27 Die voranstehende Passage präludiert das antithetische Verfahren, das Kant innerhalb der Behandlung der Antinomieproblematik in der Kritik der reinen Vernunft Jahre später entwickelt (A 420 / B 448 – A 425 / B 453). Das dazu vorbereitende und hier schon empfohlene Vorgehen, »sich in Gedanken in die Stelle« der gegnerischen Position zu versetzen, behält Kant bei und bringt es auch in den Träumen eines Geistersehers aus dem Jahr 1766 zur Anwendung: »Sonst betrachtete ich den allgemeinen menschlichen Verstand blos aus dem Standpunkte des meinigen: jetzt setze ich mich in die Stelle einer fremden und äußeren Vernunft und beobachte meine Urtheile sammt ihren geheimsten Anlässen aus dem Gesichtspunkte anderer« (Ak II , 34915–19 ). Cf. für den reifen Kant die Kritik der Urteilskraft: »An der Stelle jedes andern denken« (Ak V, 29417 ) und die gleichlautenden Formulierungen in der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (Ak VII , 22832 ) sowie in Immanuel Kant’s Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen (Ak IX , 05722–23 ). Die von Kant im kritischen Hauptwerk empfohlene »skeptische Methode« veranlaßt nämlich einen »Streit der Behauptungen«. Sie »[…] geht auf Gewißheit, dadurch, daß sie in einem […] auf beiden Seiten redlich gemeinten und mit Verstande geführten Streite, den Punkt des Mißverständnisses zu entdecken sucht, um, wie weise Gesetzgeber tun, aus der Verlegenheit der Richter bei Rechtshändeln für sich selbst Belehrung, von dem Mangelhaften und nicht genau Bestimmten in ihren Gesetzen, zu ziehen« (A 424 / B 451 f.). 28 Der Grund dafür liegt in dem Umstand, daß Kants Verleger während der Drucklegung bankrott ging und darauf hin dessen Warenbestand gerichtlich beschlagnahmt wurde. Infolgedessen gelangten nur wenige Exemplare des Kantischen Werks in Umlauf. 29 Diese Seitenzahlen beziehen sich auf die Erstauf lage von 1763. Gemeint ist II .vii.1, S. 107–109 der vorliegenden Ausgabe. 30 Der genaue Titel des genannten Werks von Johann Heinrich Lambert (1728–1777) lautet Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg 1761 (das Werk ist jetzt leicht greif-
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bar innerhalb der Philosophische[n] Schriften. Begonnen von Hans Werner Arndt. Fortgeführt von Lothar Kreimendahl. Bd. V: Kosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Hg. von Armin Emmel und Axel Spree. Hildesheim 2006). Es erschien somit sechs Jahre nach Kants Allgemeine[r] Naturgeschichte. Angesichts der von Kant konstatierten »Übereinstimmung der Gedanken« versichert Lambert Kant in seinem ersten Schreiben an diesen vom 13. November 1765, daß er auf den zentralen Punkt seiner Theorie der Milchstraße bereits 1749 gestoßen sei und dieselbe in seinen Kosmologische[n] Briefe[n] lediglich entfaltet habe (Ak X, 053). Lambert hatte kaum die Möglichkeit, diesbezüglich früher Kontakt zu Kant aufzunehmen. Zwar blieb Kants Verfasserschaft der Allgemeine[n] Naturgeschichte in Königsberg nicht lange ein Geheimnis, denn in den Wöchentliche[n] Königsbergische[n] Frag- und Anzeigungs-Nachrichten vom 1. Mai 1756 war zu lesen: »Bey dem Buchdrucker Herrn Joh. Friedr. Driest ist zu bekommen: M. Kants allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels« (zit. nach Ak I, 545). Aber das Werk fand wegen des Konkurses des Verlegers kaum Verbreitung, zudem bekennt sich Kant selbst dem allgemeinen Publikum gegenüber erst an dieser Stelle der Beweisgrundschrift als deren Autor. Zur Beziehung zwischen Kant und Lambert cf. Otto Baensch: Johann Heinrich Lamberts Philosophie und seine Stellung zu Kant. Tübingen, Leipzig 1902, Reprint Hildesheim 1978, sowie Wilhelm S. Peters: Kants Verhältnis zu J. H. Lambert. Kant-Studien 59 (1968), S. 448–453. 31 Kant ruft an späterer Stelle (107 11–16 ) noch einmal in Erinnerung, daß die kosmogonischen Darlegungen von II .vii überschlagen werden können, weil sie mit dem Hauptzweck seiner Darlegungen in keiner allzu nahen Verbindung stehen. 32 Die Erstauf lage enthielt ein 18 Einträge umfassendes Verzeichnis der Druckfehler. Diese wurden, sofern sie nicht trivialer Art sind, im textkritischen Apparat der vorliegenden Ausgabe als solche vermerkt. 33 Mit diesem Zugeständnis weicht Kant von der strengen Forderung Wolffs ab, der verlangt hatte, daß ausnahmslos alle philosophischen Termini defi niert werden müssen. Cf. seinen Discursus Praeliminaris de Philosophia in Genere, dessen § 116 die Überschrift
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trägt »Warum alle Ausdrücke erklärt werden müssen« und dessen These lautet: »In der Philosophie dürfen keine Ausdrücke verwendet werden, die nicht durch genaue Defi nition erklärt sind.« Wolff begründet seine Forderung mit dem Wissenschaftscharakter der Philosophie und der nur auf diese Weise zu erreichenden Gewißheit, die ihm am Herzen lag. Discursus Praeliminaris de Philosophia in Genere. Einleitende Abhandlung über Philosophie im allgemeinen [11728]. Historisch-kritische Ausgabe. Übersetzt, eingeleitet und hg. von Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl. Stuttgart-Bad Cannstatt 1996, S. 127 [= FMDA I, 1]. Der reife Kant äußert sich zum Status von Defi nitionen innerhalb der Philosophie in der Kritik der reinen Vernunft A 727 ff. / B 755 ff. 34 Kant deutet hier den Grund für das Scheitern des später ›ontologisch‹ genannten Gottesbeweises seiner Vorgänger an. In der III . Abteilung des Werks wird er eine systematische Kritik aller möglichen Beweise für das Dasein Gottes bieten und dabei insbesondere den cartesischen Beweis der fünften Meditation kritisieren. 35 Gemeint ist die ›Natürliche Theologie‹. Sie ist eine der drei Teildisziplinen der ›Speziellen Metaphysik‹ und stellt – worauf Kants Formulierung hinweist – für viele Philosophen des Zeitalters zugleich deren Krönung dar. Cf. Anm. 2, die Ausführungen zu Christian Wolff. Auch für Sigismund Storchenau (1731–1797) ist sie in seiner einflußreichen, mehrfach aufgelegten Darstellung der Metaphysik »nobilissima […] pars philosophiae« (Institutionum Metaphysicarum Libri IV. Wien 1769. Bd. II , Liber IV : Theologia Naturalis, S. 3). Die beiden anderen Teildisziplinen der Speziellen Metaphysik sind die ›Rationale Kosmologie‹ und die ›Rationale Psychologie‹. In der Kritik der reinen Vernunft wird die gesamte Spezielle Metaphysik innerhalb der »Transzendentalen Dialektik« einer schonungslosen Kritik unterzogen, und zwar unter folgenden Überschriften: »Von den Paralogismen der reinen Vernunft« (Rationale Psychologie), »Die Antinomie der reinen Vernunft« ( Rationale Kosmologie), »Das Ideal der reinen Vernunft« (Rationale oder Natürliche Theologie). Während die rationale Psychologie und Kosmologie dort unter jeweils vier thematischen Gesichtspunkten kritisiert werden, fokussiert Kant seine Ausstellungen an
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der rationalen Theologie ausschließlich auf die Gottesbeweise (KrV A 567 – A 642 / B 595 – B 670). 36 Diese zwei Beispiele vom Begriff des Raums und der Begierde verwendet Kant auch in der »Preisschrift« von 1762/64 zur Illustration seiner These in beinahe gleichem Wortlaut. »Ich bemerke demnach, daß darin [sc. im Raum, Hg.] vieles außerhalb einander sei, daß […] der Raum nur drei Abmessungen haben könne usw.« (Ak II , 28124–27 ). – »Wenn ich gleich niemals erklärte, was eine Begierde sei, so würde ich doch mit Gewißheit sagen können, daß eine jede Begierde eine Vorstellung des Begehrten voraussetze, […] daß mit ihr das Gefühl der Lust verbunden sei usw.« (Ak II , 28418–22 ). 37 Ganz ähnlich äußert sich Kant zu Beginn der Negative[n] Größen. Man sehe nicht, so sagt er dort, daß die Nachahmung der Methode der Mathematik »[…] bis daher von einigem Nutzen gewesen sei, so großen Vortheil man sich auch anfänglich davon versprach; und es sind auch allmählich die vielbedeutende Ehrennamen weggefallen, mit denen man die philosophische Sätze aus Eifersucht gegen die Geometrie ausschmückte, weil man bescheidentlich einsah: daß es nicht wohl stehe in mittelmäßigen Umständen trotzig zu thun und das beschwerliche non liquet allem diesem Gepränge keineswegs weichen wollte« (Ak II , 16702–11; H. i. O.). Zielscheibe dieser Kritik sind Wolff und seine Schüler, wenngleich Wolff nicht der erste war, der die Gewißheit verbürgende mathematische Methode von ihrem besonderen Gegenstand ablösen und in allen übrigen Problemfeldern zur Anwendung bringen wollte, um so auch dort zu unerschütterlich gewißen Erkenntnissen zu gelangen; Descartes, Spinoza, Leibniz und andere waren ihm hierin vorangegangen. Aus Kants Sicht, die er in der »Preisschrift« von 1762/64 ausführlicher dargelegt hat, muß dieses Verfahren aber zwangsläufig fehlschlagen, weil es Mathematik und Philosophie mit Begriffen ganz unterschiedlicher Art zu tun haben, die verschiedene Methoden verlangen. In der Mathematik entspringen die Begriffe allererst durch die Defi nition, in der Philosophie hingegen sind die Begriffe vorgegeben. Aufgabe der Mathematik ist es deshalb, die gegebenen Begriffe von Größen zu verknüpfen, in der Philosophie hingegen kommt es darauf an, die auf verworrene Weise ge-
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gebenen Begriffe zu zergliedern und dadurch deutlich zu machen. Folglich »[…] (gelangt) die Mathematik zu allen ihren Defi nitionen synthetisch, die Philosophie aber analytisch« (Ak II , 27605–06 ). Cf. zur frühneuzeitlichen Vorgeschichte des Methodenproblems von Descartes bis Wolff die Studie von Hans Werner Arndt: Methodo Scientifi ca Pertractatum. Mos geometricus und Kalkülbegriff in der philosophischen Theorienbildung des 17. und 18. Jahrhunderts. Berlin, New York 1971 [= Quellen und Studien zur Philosophie Bd. 4]. 38 Kant erhofft sich die Konsolidierung der Metaphysik, die er in der vorliegenden Schrift anhand des zentralen Themas der rationalen Theologie stellvertretend für die gesamte Disziplin vorführen will, also ausdrücklich von einer neuartigen Methode, nämlich dem Verfahren analytischer Begriffsdekomposition. Cf. hiermit die Kritik der reinen Vernunft. Auch dort will Kant der Metaphysik ein zuverlässiges Fundament durch ein neues Verfahren verschaffen und präsentiert sein kritisches Hauptwerk ausdrücklich als einen »Traktat von der Methode« (Vorrede zur zweiten Aufl., B X XII ). 39 Das Beispiel des Gaius Julius Cäsar (100–44 v. Chr.) dient auch Hume in thematisch ganz analogem Zusammenhang zur Erläuterung seiner These, wonach »das Nichtdaseyn irgend eines Wesens ohne Ausnahme […] ein so klarer und deutlicher Begriff (ist), als sein Daseyn. […] daß Cäsar […] niemals in der Wirklichkeit gewesen, mag ein falscher Satz seyn, doch ist er vollkommen begreif lich, und schließt keinen Widerspruch ein« (Philosophische Versuche über die menschliche Erkenntniß. Als dessen vermischter Schriften zweyter Theil. Nach der zweyten vermehrten Ausgabe aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen des Herausgebers begleitet. Hamburg, Leipzig 1755, S. 369 f.). Kant besaß die vier Bände der Vermischte[n] Schriften Humes, die 1754–56 in Hamburg und Leipzig erschienen waren. Cf. Arthur Warda: Immanuel Kants Bücher. Mit einer getreuen Nachbildung des bisher einzigen bekannten Abzuges des Versteigerungskataloges der Bibliothek Kants. Berlin 1922, S. 50 (Nr. 56). Angesichts der unbezweifelbaren Kenntnis dieses Werks Humes, wie sie in der Kritik an der Physikotheologie später in II .v.2 und III .iv zum Ausdruck kommt, liegt die Vermutung mehr als nahe, daß sich Kant bei der Wahl dieses Beispiels von dem
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schottischen Philosophen hat inspirieren lassen. Zur Hume-Rezeption Kants insgesamt cf. Günter Gawlick / Lothar Kreimendahl: Hume in der deutschen Aufklärung. Umrisse einer Rezeptionsgeschichte. Stuttgart Bad-Cannstatt 1987, S. 174–198 [= FMDA II , 4]. 40 So ausdrücklich z. B. Crusius. Cf. Anm. 55. 41 Gemeint ist der Narwal. Er zählt zu den Gründelwalen und trägt auf der Stirnmitte einen langen, spiralförmigen Stoßzahn. 42 Zur entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung dieser sprachphilosophischen Unterscheidung cf. Einleitung, S. CI ff. 43 Diese Annahme von sogenannten Endbegriffen muß Kant seinem Anfang der 1760er Jahre verfolgten begriffsdekompositorischen Programm beinahe zwangsläufig zugrunde legen, denn andernfalls liefe sein Verfahren auf einen unendlichen Regreß hinaus und würde sich eben dadurch als untauglich für die Konsolidierung der Metaphysik erweisen. Die Frage lautet nun, welche Begriffe ›unauf löslich‹ und damit Endbegriffe sind. Kant äußert sich in der »Preisschrift« von 1762/64 und auch in den Reflexionen dieser Zeit sehr zurückhaltend und in eher experimenteller Weise zu dieser Frage, meint aber, »[…] daß es deren ungemein viel geben werde […]«, und führt die zusätzliche Unterscheidung von unauf löslichen Begriffen ein, »[…] die es entweder an und für sich selbst oder für uns sein werden […]« (Ak II , 28017–18 ). Desgleichen gibt es »unerweisliche Sätze«, in deren Aufspürung das »wichtigste Geschäft der höheren Philosophie« besteht und die Kant gern in einer »Tafel« zusammengestellt sähe (Ak II , 28111–15). Cf. auch die R 3709 aus dem Zeitraum 1762–63, die ein der »Preisschrift« gegenüber differenziertes Tableau der Grundbegriffe und Grundurteile bietet, das gleichwohl unabgeschlossen bleibt. Zu den hierfür verantwortlichen Gründen cf. Kreimendahl: Kant. Der Durchbruch von 1769, a. a. O., S. 113–116. 44 Zu dieser – im übrigen abwegigen – Einschätzung kam schon Pierre Bayle (1647–1706) im Artikel Spinoza, Anm. N, Ziffer IV seines Dictionnaire historique et critique. Denn Baruch de Spinoza (1632–1677) hatte Gott als den Inbegriff allen Seins gefaßt und »auf die vollkommenste Einfachheit, auf die Einheit der Substanz, auf die Unteilbarkeit« mit der Folge reduziert, daß alle Veränderungen, die sich in der Welt abspielen, Veränderungen in Gott bedeu-
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ten. Wenn also die Türken mit den Ungarn Krieg führen, dann, so Bayle, ist es Spinoza zufolge im Grunde nur der eine Gott, der in der Modifi kation der Türken und in der Modifi kation der Ungarn Krieg gegen sich selbst führt (Historisches und critisches Wörterbuch. 4 Bde. Nach der neuesten Auf lage von 1740 ins Deutsche übersetzt; auch mit einer Vorrede und verschiedenen Anmerkungen sonderlich bei anstößigen Stellen versehen von Johann Christoph Gottsched. Bd. IV, Leipzig 1744, S. 270). Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Kant dieses Urteil über Spinoza aus Bayles Werk geschöpft hat, denn das Dictionnaire war die Hauptquelle für die Spinoza-Kenntnis des 18. Jahrhunderts. Jedenfalls gibt diese Stelle – die einzige, an der Spinoza im vorkritischen Werk Kants namentlich erwähnt wird – Anlaß zu der Vermutung, daß der Kant zumindest dieser Jahre keine gründlichere, eigenständige Kenntnis der Metaphysik Spinozas besaß. 45 Anspielung auf das von Gott gesprochene »Fiat«, mit dem er nach 1. Mose, Kap. 1 die Welt ins Dasein rief. Kants Formulierung läßt im übrigen die Frage offen, ob Gott aus den möglichen Welten die beste wählen mußte, wie Leibniz meinte, und ob ihm diese möglichen Welten in dem Sinn vorgegeben waren, daß seine Allmacht an ihnen bzw. den »ewigen Naturen« ihre Grenze fand. In diesem Fall wäre Gottes Allmacht eingeschränkt. Kant wendet sich in der R 3705, die er anläßlich der Preisfrage über den Optimismus 1753–54 niederschrieb, entschieden gegen Leibniz, der dieser Ansicht war (Ak XVII , 23720 ff.). Cf. Einleitung, S. X LIX f. 46 Im Sinn von ›anerkennen‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. III , Sp. 868 (Nr. 4). 47 Ein Dreieck. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. XI , 1. Abt., 2. Teil, Sp. 402 (Nr. 1). 48 Im Sinn von ›umschlossen‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. I, Sp. 1577 (Nr. 1). 49 Wiederholung der bereits in der Vorrede (008 24–25 ) geäußerten Absicht, auf polemische Auseinandersetzungen weitestgehend zu verzichten. Cf. Anm. 25. Tatsächlich aber ist mit dieser ersten Betrachtung nicht nur der Boden für die folgenden konstruktiven Überlegungen der ersten Abteilung bereitet, sondern auch ein gut Stück Gottesbeweiskritik erbracht. Das geht nicht nur aus der sich
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nun anschließenden Zurückweisung der Auffassung von Existenz hervor, wie sie sich bei Wolff, Baumgarten und Crusius fi ndet; Kant weist bei der Prüfung der Gottesbeweise in III .2 gleich zweimal ausdrücklich darauf hin, daß mit dem Ergebnis dieser ersten Betrachtung der ersten Abteilung dem später sogenannten ›ontologischen‹ Gottesbeweis des Descartes bereits der Boden entzogen ist. Cf. 13020–23, 13106–15. 50 Kant knüpft an Wolffs Theorie der Denkfreiheit an, wie dieser sie im Discursus Praeliminaris de Philosophia in Genere in Kap. VI gegeben und dabei der Sache nach das Selbstdenken zum Prinzip der Philosophie erklärt hatte. Denn zwar darf der Philosoph die Lehren anderer Denker – ganz oder teilweise – übernehmen, aber nur insofern, als dieselben mit seinem eigenen Urteil übereinstimmen, er sie selbst aus eigenen Prinzipien beweisen kann und sich dieselben insofern zu eigen gemacht hat. Cf. Discursus Praeliminaris de Philosophia in Genere. Einleitende Abhandlung über Philosophie im allgemeinen, §§ 156–160; a. a. O., S. 190–203. 51 »Es muß also ausser der Möglichkeit noch was mehreres dazu kommen, wenn etwas seyn soll, wodurch das Mögliche seine Erfüllung erhält. Und diese Erfüllung des Möglichen ist eben dasjenige, was wir Würklichkeit nennen« (Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt [ 11720], § 14 [= »Deutsche Metaphysik«, GW I .2, S. 9]). Cf. auch Philosophia Prima Sive Ontologia, § 174: »Hinc Existentiam defi nio per complementum possibilitatis« ( GW II .3, S. 143). Diese Defi nition war durch folgende Überlegung in § 173 vorbereitet worden: Wenn man annähme, daß nichts außer seiner Möglichkeit dazu erforderlich wäre, daß ein Etwas existiert, dann würde dieses Etwas existieren, weil es möglich ist, und folglich wäre die Möglichkeit der zureichende Grund für seine Existenz. Das aber ist absurd. Folglich ist irgend etwas außer der Möglichkeit dazu erforderlich, daß ein Etwas existiert. Durch dieses »complementum possibilitatis« wird Wolff zufolge dem zuvor bloß Möglichen nicht etwa eine weitere Bestimmung im Sinn eines neuen Prädikats hinzugefügt, sondern das zuvor nur Mögliche wird ins aktuale Sein überführt, und deswegen kann Wolff sagen: »Dicitur existentia etiam Actualitas« (§ 174; H. i. O.). – Zu Kants Auseinan-
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dersetzung mit Wolff in der Beweisgrundschrift cf. Robert Theis: Wolffkritik und -rezeption in Kants »Einzig möglichem Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«. In: Christian Wolff und die europäische Aufklärung. Akten des 1. Internationalen Christian-WolffKongresses, Halle (Saale), 4.–8. April 2004. Teil 3 […]. Hg. von Jürgen Stolzenberg und Oliver Pierre Rudolph. Hildesheim, Zürich, New York 2007, S. 111–123 [= Christian Wolff: Gesammelte Werke. Abt. III . Materialien und Dokumente, Bd. 103]. 52 In diesem Sinn kritisiert auch Herder Wolffs Defi nition: »Was ist Existenz? complementum essentiae sive possibilitatis internae. Gut! aber nicht vollständig; was ists, das dies complementum ausmacht und, sinnlich zu reden, dazu kommen muß, daß das Mögliche Würklich werde? Dies sagt mir nicht die Defi nition!« Johann Gottfried Herder: Von Baumgartens Denkart in seinen Schriften. In: ders.: Sämmtliche Werke. Hg. von Bernhard Suphan. Bd. 32., Berlin 1899. 3. Reprint Hildesheim, New York 1995, S. 181. 53 Alexander Gottlieb Baumgarten war der wohl selbständigste und originellste Wolffi aner. Kant legte dessen Metaphysica seinen Vorlesungen über Metaphysik mehr als vier Jahrzehnte lang als Handbuch zugrunde. Baumgarten defi niert »Existenz« in § 55 dieses Werks wie folgt: »EXSISTENTIA […] est complexus affectionum in aliquo compossibilium, i. e. complementum essentiae sive possibilitatis internae, quatenus haec tantum, ut complexus determinationum spectatur […].« (»Existenz […] ist der Inbegriff der in einem Etwas zusammen möglichen Folgebestimmungen, d. h. das Komplement des Wesens oder der inneren Möglichkeit, sofern diese nur als Inbegriff der Bestimmungen betrachtet wird […]«). Metaphysica / Metaphysik. Historisch-kritische Ausgabe. Lateinischdeutsch. Übersetzt, eingeleitet und hg. von Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl. Stuttgart-Bad Cannstatt 2011, S. 72/73 [= FMDA I, 2]. – Zu Baumgartens Bedeutung für die Entwicklung der Ontotheologie Kants cf. Einleitung, bes. LX X X I– XCVIII . 54 Die Formulierung des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten geht auf Aristoteles zurück (cf. Metaphysik IV, 7; 1011 b 23–24). Wolff bringt ihn in § 52 f. seiner Ontologia (a. a. O., S. 35 f.); in der Formulierung Baumgartens lautet er folgendermaßen: »Omne
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possibile est aut A, aut non-A, aut neutrum […], iam neutrum est nihilum, quia esset utrumque […]. Ergo omne possibile aut est A, aut non-A, seu, omni subiecto ex omnibus praedicatis contradictoriis alterutrum convenit. Haec praepositio dicitur principium exclusi tertii, seu medii, inter duo contradictoria.« (»Jedes Mögliche ist entweder A oder non-A oder keines von beiden […]. Was aber keines von beiden ist, ist nichts, weil es beides wäre […]. Folglich ist jedes Mögliche entweder A oder non-A, oder: Jedem Subjekt kommt jeweils eines von zwei einander widersprechenden Prädikaten zu. Dieser Satz heißt das Prinzip des ausgeschlossenen Dritten oder Mittleren zwischen zwei einander widersprechenden Prädikaten.«) Metaphysica / Metaphysik, § 10; a. a. O., S. 56/57; H. i. O. 55 Crusius war Professor zunächst für Philosophie (1744) und sodann (ab 1750) für Theologie in Leipzig. Er war der bedeutendste Anti-Wolffi aner seiner Zeit. Crusius steht in der Nachfolge Adolph Friedrich Hoffmanns, der seinerseits bereits 1729 Wolffs lateinische Logik, die Philosophia Rationalis Sive Logica, angegriffen hatte. Durch seinen Lehrer, den Leipziger Philosophen Andreas Rüdiger (1673–1731), kam Crusius frühzeitig mit der sensualistischen Philosophie in Berührung. Im Anschluß an John Locke entwickelte er eine empirisch-psychologistisch ausgerichtete Methode der Begriffsanalyse und polemisierte in einer eigenen Abhandlung gegen den in der Wolff-Schule hochgehaltenen Satz vom zureichenden Grund. Er übte durch seine dem Empirismus nahestehende Philosophie beachtlichen Einfluß auf Kant schon Mitte der 1750er Jahre aus, wie dessen Nova Dilucidatio zeigt. Seine Defi nition der Existenz, auf die Kant hier Bezug nimmt, gibt er in seiner Metaphysik, die den Titel trägt Entwurf der nothwendigen Vernunft-Wahrheiten, wiefern sie den zufälligen entgegen gesetzet werden. Unveränderter fotomechanischer Nachdruck der 2., vermehrten Aufl. Leipzig 1753 [ 11745], Darmstadt 1963, § 46; S. 73: »Wenn wir uns etwas als existirend vorstellen: So nöthigt uns das Wesen unseres Verstandes, ausser demjenigen, wodurch wir es denken und von andern unterscheiden, auch noch dieses hinzu zu denken, daß es irgendwo und irgend ein mal sey, und also ausser dem metaphysischen Wesen des Dinges auch noch ein ihm zukommendes ubi & quando hinzu zu denken. Daher ist die Existenz dasjenige Prädicat
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eines Dinges, vermöge dessen es auch ausserhalb der Gedanke[n] irgendwo und zu irgend einer Zeit anzutreffen ist« (H. i. O.). Kant besaß diese zweite Auf lage des Werks (cf. Warda: Immanuel Kants Bücher, a. a. O., S. 47 [Nr. 26]). Zum Einfluß von Crusius auf Kant zur Zeit der Abfassung der Beweisgrundschrift cf. Christian Kanzian: Kant und Crusius um 1763. Kant-Studien 83 (1993), S. 399–407, ferner Raffaele Ciafardone: Sul rapporto Kant–Crusius. Il Pensiero 12 (1967), S. 86–104 und Reinhard Finster: Spontaneität, Freiheit und unbedingte Kausalität bei Leibniz, Crusius und Kant. Studia Leibnitiana 14 (1982), S. 266–277. 56 Eine in einem Volksbuch von 1602 auftretende sagenhafte Gestalt. Dieser Quelle zufolge lebte Ahasverus als Schuster zur Zeit der Kreuzigung Jesu in Jerusalem und hatte das »Kreuzige ihn!« mitgerufen und Jesus mit barschen Worten fortgetrieben, als dieser sich auf dem Weg nach Golgatha unter der Last des Kreuzes bei seinem Haus ausruhen wollte. Darauf hin habe Jesus ihm geantwortet: »Ich will stehen und ruhen, Du aber sollst gehen bis an den Jüngsten Tag.« Seitdem wandere Ahasverus ruhelos in der Welt umher. 57 Zu den Quellen dieses Prinzips cf. Einleitung, S. LX X XVII f., CX f., CXVII , CX X . 58 In dieser einschränkenden Formulierung drückt sich Kants eingangs geäußerte Skepsis (014 04–07 ) Defi nitionen gegenüber aus. Da Wolff und dessen Schüler aber die Unmöglichkeit in dem angegebenen Sinn explizit defi nieren (cf. Anm. 51, 57), kommt hierin auch eine Kritik an Wolff und dessen Schule zum Ausdruck. 59 »Nichts ist so schlechterdings unmöglich zu denken, als dasjenige, was sich selbst widerspricht. Es lassen sich alsdenn nicht nur die einander selbst widersprechenden Gedanken nicht in einen Begriff verbinden, sondern es läßt sich auch überhaupt kein Verstand denken, welcher sich selbst widersprechende Dinge als wahr denken könne.« Crusius: Entwurf der nothwendigen VernunftWahrheiten, § 13; a. a. O., S. 23. Cf. auch §§ 56, 58; a. a. O., S. 99– 103, 104–109. 60 Plural des substantivierten Partizips Perfekt Passiv von lateinisch »dare«, also »die gegebenen [sc. Dinge]« bzw., wie Kant später kurz sagt, »das Gegebene«. Der deutsche Terminus taucht in der Beweisgrundschrift noch nicht auf, und selbst in der Kritik der
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reinen Vernunft dominiert die lateinische Form noch ganz eindeutig. Cf. Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund«, a. a. O., S. X XII . Die Singularform »datum« verwendet Kant in der Beweisgrundschrift wesentlich seltener als die plurale. Cf. ebd., S. 35 f. 61 Kant setzt das »Materiale« gelegentlich – wie auch an dieser Stelle – mit den »data« bzw. dem »datum« gleich. Genau genommen meint der Ausdruck aber den Inhalt der jeweiligen »data«. 62 Zum Hintergrund bei Baumgarten cf. Einleitung, S. LX X XVII ff., CIX ff., und das dort in Fn. 282 angeführte Zitat aus Metaphysica / Metaphysik, § 15; a. a. O., S. 58–61. 63 Im Sinn von ›gänzlich, in jeder hinsicht‹, ›insgesamt‹, ›überhaupt‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. XI , Sp. 127 (Nr. 2, 3), Sp. 128 (Nr. 4). 64 Zum Hintergrund dieser Überlegungen bei Leibniz und Baumgarten und ihrem Einsatz in der Nova Dilucidatio cf. Einleitung, S. LXVII –LX XIV. 65 Die Ausführungen von I .ii.3 stellen sozusagen das argumentative Zentrum des ontotheologischen Gottesbeweises dar, zu dem Kant die voranstehenden Ausführungen hier zusammenführt. 66 Die zweite der von Kant genannten Möglichkeiten trifft nämlich, wie sich zeigen wird, ausschließlich auf den einen Fall Gottes zu; und da der Gottesbegriff bislang noch nicht entwikkelt ist, scheidet eine beispielhafte Erläuterung derselben noch aus. 67 Diese Überlegungen durchlaufen in den folgenden Jahren eine Subjektivierung und werden zur Lehre vom ›Transzendentalen Ideal‹ oder ›Prototypon transzendentale‹ der Kritik der reinen Vernunft weiterentwickelt. Cf. KrV A 571–583 / B 599–611; bes. A 597 f. / B 607 f. 68 Zur Unterscheidung zwischen logischem und Realgrund bzw. logischer und realer Entgegensetzung, die insbesondere für die ontotheologischen Darlegungen der ersten Abteilung der Beweisgrundschrift von zentraler Bedeutung ist, cf. die zeitlich parallel entstandene Abhandlung über die Negative[n] Größen, besonders deren erster Abschnitt, Ak II , 171–178. 69 Die Verben ›dürfen‹ und ›müssen‹, das Kant wenige Zeilen später verwendet, haben im Vergleich zum heutigen Gebrauch
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im 18. Jahrhundert oftmals – wie auch an diesen Stellen – vertauschte Bedeutungen. Cf. für ›dürfen‹ Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. II , Sp. 1725 (Nr. 2): ›nötig haben, brauchen‹; für ›müssen‹ a. a. O., Bd. VI , Sp. 2750 (Nr. II , 1): ›freiheit haben, verstattet sein, können, dürfen‹. Insbesondere in verneinenden Sätzen hat ›müssen‹ häufig die Bedeutung ›nicht dürfen‹ (ebd., Nr. II , 2 a–c). 70 Die Unausweichlichkeit einer fi niten Dekomposition der philosophischen Begriffe stellt Kant auch in der »Preisschrift« von 1762/64 ( I . Betrachtung, § 3) heraus. In der Philosophie überhaupt, so sagt er dort, jedoch »[…] vornehmlich in der Metaphysik ist eine jede Zergliederung, die geschehen kann, auch nöthig […]. Allein man sieht gleich zum voraus, daß es unvermeidlich sei, in der Zergliederung auf unauf lösliche Begriffe zu kommen […]« (Ak II , 28012–17 ). Cf. Anm. 43. 71 Im Sinn von lat. ›probare, explorare‹, also ›wahr machen‹, ›dar tun‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. I, Sp. 1763. 72 Zum Hintergrund der Unterscheidung von Nominal- und Realerklärung bei Wolff und Baumgarten cf. Einleitung, S. CXVI – CX X . Im vorliegenden Werk verwendet Kant sowohl diese Bezeichnungen wie auch alternativ ›Wort-‹ und ›Sacherklärung‹ (cf. 032 06–07 ). In leicht modifi zierter Gestalt ist diese terminologische Unterscheidung bis in Immanuel Kant’s Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen (§ 106) aus dem Jahr 1800 beibehalten. Cf. Ak IX , 143 f. 73 »Diese« bezieht sich auf »die logischen Beziehungen«. 74 Kant verwendet den Ausdruck ›Betrachtung‹ in der Beweisgrundschrift in doppeltem Sinn. Zum einen bezeichnet er damit in buchkompositorischem Sinn die thematischen Einheiten unterhalb der Ebene der drei »Abteilungen«, in die er seine Abhandlung einteilt, und sodann dient er ihm als Synonym für die in dem Werk präsentierten Darlegungen selbst. Aus der hinzugefügten Spezifizierung »letzteren Betrachtung« ist zu entnehmen, daß Kant an der vorliegenden Stelle die erste Verwendungsmöglichkeit intendieren dürfte. In diesem Fall wäre ihm allerdings ein Irrtum in der Benennung unterlaufen, denn tatsächlich fi ndet sich die gemeinte Stelle in der dritten, letzten Abteilung des Werks, die im Unterschied zu den beiden ersten Abteilungen nicht in einzelne Betrach-
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tungen untergliedert ist. Cf. dort Nummer 3, 13231–13322 . Das ist die erste Stelle, an der Kant die Bezeichnungen seiner Texteinteilung verwechselt. Cf. Anm. 224. 75 Für Leibniz gibt es »[…] deux grands principes de nos raisonnemens; l’un est le principe de la contradiction, qui porte que de deux propositions contradictoires, l’une est vraye, l’autre fausse; l’autre principe est celuy de la raison determinante […]« (Essais de théodicée sur la bonté de Dieu, la liberté de l’homme et l’origine du mal. In: Die philosophischen Schriften. Hg. von C. I. Gerhardt. Reprint Hildesheim 1978. Bd. VI , S. 127; H. i. O.). Wolff folgt Leibniz zunächst, setzt dann aber infolge seiner Tendenz, ein aus einem einzigen Prinzip abgeleitetes philosophisches System von deduktiver Geschlossenheit zu entwerfen, den Satz vom Widerspruch als grundlegendes Prinzip an. Er wird von ihm ohne eigenen Beweis angenommen, da er die Struktur der menschlichen Rationalität ausdrückt, deren wir uns unmittelbar bewußt sind, wenn wir auf entsprechende Fälle oder Beispiele achten wie, daß wir nicht urteilen können, wir sähen eine Sache nicht, während wir sie sehen (cf. Ontologia, §§ 27 f., GW I .3, S. 15 f.). An der vorliegenden Stelle dient Kant der Satz des Widerspruchs dazu, die Brücke von dem Denkbaren zu dem Möglichen zu schlagen oder m. a. W. Epistemologie und Ontologie miteinander zu verbinden. 76 Zu der Frage, ob der Ausdruck der notwendigen Existenz ein Sach- oder vielmehr ein Scheinproblem der Philosophie markiert, cf. Einleitung, S. CXVII – CXIX . 77 Im Sinn von ›es existiert‹ oder ›es gibt‹ entsprechend den obigen Ausführungen Kants 02522–28. 78 Mit diesem Nachweis ist das Beweisziel dieser Nummer bereits erreicht und der angestrebte Gottesbeweis im Kern erbracht. Den nachfolgenden Nummern I .iii.3–6 f ällt hauptsächlich die Aufgabe zu, dem solchermaßen erwiesenen, notwendig existierenden Wesen die Prädikate der Einigkeit, Einfachheit, Unveränderlichkeit, Ewigkeit sowie der höchsten Realität zuzuweisen, damit in II .iv seine Identifi zierung mit Gott erfolgen kann. 79 So wie in I .iii.1 der Begriff der Notwendigkeit im Ausgang von seiner Nominal- und Realdefi nition erläutert wurde, geht es im folgenden darum, in analoger Vorgehensweise den Begriff
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der Zufälligkeit zu erörtern. Zum Hintergrund bei Baumgarten cf. Einleitung, S. CXIX f. 80 ›Einig‹ ist nicht ausschließlich im Sinn von ›einzig‹ zu verstehen, wenngleich die numerische Einheit mitgemeint ist. In dieser letzteren Bedeutung richtet sich diese Nummer gegen den Polytheismus, der mit David Humes 1757 publizierter Natural History of Religion neuen Aufwind erfahren hatte. Wie insbesondere aus der Metaphysik Herder hervorgeht, kannte Kant dieses Werk in der deutschen Übersetzung von F. G. Resewitz bereits zur Zeit der Abfassung der Beweisgrundschrift. Sie war 1759 in Quedlinburg und Leipzig unter dem Titel Vier Abhandlungen. I. Die natürliche Geschichte der Religion. II. Von den Leidenschaften. III. Vom Trauerspiel. IV. Von der Grundregel des Geschmacks erschienen. Cf. Gawlick / Kreimendahl: Hume in der deutschen Aufklärung, a. a. O., S. 184 f. Vorrangig drückt Kant mit dem Prädikat ›einig‹ den Umstand aus, daß alle Möglichkeiten in Gott ihren ersten Realgrund haben, in ihm also gleichsam gebündelt und insofern in einem Wesen geeint vorliegen. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. III , Sp. 207 (Nr. 2). In diesem Sinn verwendet Kant ›einig‹ z. B. 040 03, 04315. Daneben trägt es aber gelegentlich auch die Bedeutung von ›einzig‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, ebd., (Nr.3). So z. B. 01513. 81 Der Nachweis der Einfachheit des notwendig existierenden Wesens dient der Abwehr des Materialismus, der mehr noch als der Polytheismus als religionsfeindlich galt, weil dieser ja immerhin die Existenz von Gottheiten annahm. 82 Die Unveränderlichkeit des notwendig existierenden Wesens muß metaphysisch sichergestellt sein, weil es andernfalls fraglich sein könnte, ob das göttliche Wesen Modifi kationen durchläuft, die auch seine Heilszusagen zweifelhaft oder unverläßlich erscheinen lassen könnten. 83 Die Ewigkeit des notwendig existierenden Wesens ergibt sich – neben dem von Kant sogleich geltend gemachten Argument – als zwangsläufige Folge aus seiner Unveränderlichkeit: Wenn kein Wechsel in seinem Wesen stattfi ndet, dann bleibt es auf immer mit sich selbst identisch. – Unveränderlichkeit und Ewigkeit dürften die beiden Eigenschaften aus dem in II .iii.3–6 hergeleiteten Ka-
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talog der Prädikate des notwenigen Wesens sein, die in besonders großer Nähe zum Gottesbild christlicher Prägung stehen. Cf. Einleitung, S. XCVII , CX X . 84 Nach den wiederholten vorbereitenden Formulierungen des Gedankens (02305, 02502–03, 03123 ) wird hier nun das auf den ersten Blick befremdlich erscheinende Ergebnis vorgetragenen, daß im Falle Gottes – und nur in diesem einen Fall – sein Dasein seiner eigenen Möglichkeit vorausliegt und deren Bedingung ist. 85 Die folgende Alternative greift auf den Anfang von I .ii.4 zurück. 86 Hinsichtlich der Realitäten Verstand und Wille bringt Kant diese Frage in I .iv.3 in dem Sinn zur Entscheidung, daß diese dem notwendig existierenden Wesen als Bestimmungen und nicht nur als Folgen zukommen, ihm also wesentlich zugehören. 87 Gott ist »das realste unter allen möglichen« Wesen oder, wie Kant an einer Stelle dieser Schrift sagt, das »allerrealste Wesen« (03622–23 ). Er fi ndet den traditionsbeladenen Ausdruck »ens realissimum« also grundsätzlich passend zur Bezeichnung Gottes und behält ihn bei. Cf. Einleitung, S. CX XI f. 88 Dieser Vorwurf trifft auch Baumgarten und die in der Metaphysica / Metaphysik, § 807, a. a. O., S. 439, gegebene Versicherung der Kompossibilität aller Realitäten in einem Ding. Cf. dazu Einleitung, S. LX XVIII , und das dort in Fn. 186 angeführte Zitat des § 807 sowie S. CX XI . 89 Obwohl mit dem Begriff Gottes schon vorher operiert wurde, wird er erst hier und auf eher beiläufige Art in den ontotheologischen Beweisgang eingebracht. Auffällig ist dabei, daß Kant den Begriff ›Gott‹ als synonyme Bezeichnung für das notwendig existierende Wesen einführt. Diese terminologische Gleichsetzung erscheint aber an dieser Stelle verfrüht, denn ein wesentliches Charakteristikum Gottes, nämlich seine Geistigkeit, wird erst in II .iv.1 erwiesen. 90 So schon Descartes (1596–1650). In der dritten der Meditationes de Prima Philosophia von 1641 hatte er den Realitätsgehalt der Vorstellungsinhalte auf Gott zurückführen und in diesem alle Realitäten vereinigen wollen. Gott ist dort die Substanz, »in qua […] omnis realitas vel formaliter vel eminenter inesse debet, quae est
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objective in ideis […]« (Œuvres de Descartes. Publiées par Charles Adam et Paul Tannery. Nouvelle présentation, en co-édition avec le Centre National de la Recherche Scientifique. Bd. VII . Reprint Paris 1996, S. 79). In den Principia Philosophiae von 1644 wiederholt Descartes diesen Gedanken, nur daß er jetzt nicht mehr von Realitäten, sondern von Vollkommenheiten spricht, die in Gott vereint seien. Gott ist dort als dasjenige Ding bestimmt, »[…] in qua sit revera omnium perfectionum complementum […]« (a. a. O., Bd. VIII , Pars I, § 18, S. 11). Leibniz fand, daß in dem Gottesbeweis des Descartes wegen der von diesem nur angenommenen, nicht aber dargelegten Vereinbarkeit aller positiven Bestimmungen eine Lücke klaffe, die er durch den Nachweis der tatsächlichen Widerspruchsfreiheit des so gefaßten Gottesbegriffs schließen wollte. Das Blatt, auf dem Leibniz diesen Versuch unternimmt, trägt die Überschrift Quod Ens Perfectissimum Existit und ist abgedruckt in: Die philosophischen Schriften, a. a. O., Bd, VII , S. 261 f. Freilich zeigt Leibniz die Vereinbarkeit nur für logisch wahre bzw. falsche Sätze, bezüglich derer Kant die Vereinbarkeit einräumt, nicht aber für solche, die Tatsachenfragen betreffen. Letztere aber stehen im Focus des Kantischen Interesses, und bei diesen ist die ›Real repugnanz‹ der Prädikate unvermeidbar, wie er anhand des Beispiels der gegensätzlichen Bewegungstendenzen eines Körpers zeigen will. 91 Hier klingt die auf Augustinus zurückgehende und von Kant sogleich kritisierte Privationstheorie an, der zufolge Beschränkungen, Negationen, aber auch Schmerz und Leid nichts ontologisch Selbständiges sind, sondern einen Mangel an Gutem darstellen. 92 Zum Erweis der Geistigkeit des notwendig existierenden Wesens cf. Einleitung, S. CX XIII – CX XVII . 93 Er führt im folgenden deren drei an: 038 06–17, 03818 – 039 06 , 039 07–27. 94 Trotz der unmittelbar voraufgegangenen Feststellung in I .iii.6, wonach nicht alle Realitäten kompossibel sind, beläßt Kant es hier bei der schlichten Versicherung, ein »unmittelbares Urteil des Verstandes« stelle sicher, daß Verstand und Wille mit anderen Realitäten in ein und demselben Wesen zusammenbestehen können. Er wird im ersten Absatz von I .iv.3 darauf zurückkommen.
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Die voranstehende Überlegung erinnert an den Gottesbeweis, den Descartes in der dritten Meditation geführt hat. 96 Dieser dritte »Beweis« für die Behauptung, das notwendige Wesen sei ein Geist, weist durch den Rekurs auf »Ordnung, Schönheit, Vollkommenheit« eine besonders deutliche Abhängigkeit von empirischen Faktoren auf. Tatsächlich ist es das physikotheologische Argument, dessen Kant sich hier bedient, um die Geistigkeit Gottes sicherzustellen. Zwar operiert er mit ihm zunächst nur auf der Ebene der Möglichkeiten, wechselt dann aber auf die Ebene der Wirklichkeit über, indem er es auch auf wirkliche Dinge wie Pfl anzen und dergleichen bezieht. 97 Wie Kant selbst einräumt, kann aufgrund dieser drei Beweisführungen der Nachweis für die in der Überschrift behauptete Geistigkeit Gottes strenggenommen noch nicht als erbracht gelten. Da er jedoch zuversichtlich ist, daß sich Verstand und Wille als Prädikate des notwendigen Wesens werden herleiten lassen, verfährt er im folgenden so, als sei dieses Ergebnis bereits erbracht. Cf. 040 04. 98 Wiederholung des in der Vorrede 007 30–31 dargelegten gemäßigten Beweisanspruchs. 99 Kant beschließt die zweite Abteilung und damit seine konstruktiven Ausführungen zur Physikotheologie mit der Behandlung des Begriffs der göttlichen Allgenugsamkeit, der er eine eigene Betrachtung ( II .viii) widmet. Cf. Anm. 305. 100 Aufgrund seiner zuvor aufgewiesenen Prädikate kann das schlechterdings notwendig existierende Wesen nun mit Gott identifi ziert werden. Damit ist die eigentliche Aufgabe erfüllt, die sich Kant in dieser Schrift gestellt hatte. Die Aufzählung der göttlichen Eigenschaften folgt nicht der Abfolge ihrer Herleitung; das Prädikat der höchsten Realität fehlt, aber die Allgenugsamkeit wird bereits in die Reihe aufgenommen, obgleich diese Eigenschaft erst in II .viii behandelt wird, außerdem fi ndet sich der Geistcharakter Gottes in dem Katalog der Prädikate wieder. Sieht man von der Geistigkeit und der Allgenugsamkeit ab, dann bezeichnen die hier zum Gottesbegriff vereinten Prädikate ausschließlich transzendentale oder physische Eigenschaften Gottes. Von den moralischen Eigen schaften Gottes wie seiner Gerechtigkeit, Heiligkeit und Güte wird lediglich die letzte in der Beweisgrundschrift erwähnt, 95
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und zwar fünfmal (06707, 07523, 08820, 13422 , 13612 ), doch eher beiläufig und in der ritualisierten Sprechweise üblicher physikotheologischer Abhandlungen. Hergeleitet wird sie jedenfalls nicht. Die moralischen Attribute Gottes liegen außerhalb der eigentlichen Blickrichtung der Beweisgrundschrift. Einen noch anderen Katalog, in dem Gott zusätzlich als das »höchste Gut« bezeichnet wird, bietet die R 3733; Ak XVII , 274 f. 101 Eine abermalige Wiederholung des sich bescheiden gebenden Anspruchs, den Kant mit seiner Schrift verfolgt. 102 Dieser Abschnitt I .iv.3 bietet in seinem ersten Absatz eine »Anmerkung« nicht etwa zu der voranstehenden Nummer I .iv.2, sondern zu Nummer I .iii.6 und näherhin zu deren erstem Satz. War dort die Frage noch offen gelassen worden, ob dem notwendigen Wesen Verstand und Wille selbst zukommen und nicht nur als dessen Folgen an anderen Wesen zutage treten, so wird hier eine Präzisierung in dem ersteren Sinn vorgenommen. Freilich war Kant bereits in I .iv.1 unter Punkt 2 seiner dortigen Darlegungen de facto von diesem Ergebnis ausgegangen, 103 Gemeint ist die strenge Variante der stoischen Schicksalslehre, die jegliche Form der Freiheit ausschließt und für die gilt: »fato fieri omnia«. 104 Diese Behauptung ist nur cum grano salis zutreffend. Zwar hat Kant bei seinen ontotheologischen Darlegungen in der Tat nirgendwo auf den Begriff des ›ens perfectissimum‹ zurückgegriffen, aber in dem soeben in I .iv.1 angeführten physikotheologischen Argument, mit dem er nachweisen wollte, daß das notwendig existierende Wesen seiner Natur nach ein Geist ist, hat er den Begriff der Vollkommenheit zweimal verwendet (039 07,17). Nun fragt sich, ob dieses Argument für Kants Beweisgang so zentral ist, daß es zu den »zu meinem Beweis gehörigen Gründe[n]« zu zählen ist. Als lediglich randständig kann es wohl kaum gelten, wie aus II .iv.1 hervorgeht und wie diese Nummer 3 selbst unterstreicht, in der Kant im ersten Absatz mit der Frage, in welchem Sinne von Verstand und Wille mit Blick auf das allerrealste Wesen zu sprechen ist, ein weiteres Mal dessen Geistigkeit thematisiert. 105 Dieser Ansicht war auch Leibniz: »Existit ergo perfectissimum, cum nihil aliud sit quam quantitas realitatis« (Die philoso-
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phischen Schriften, a. a. O., Bd. VII [Ohne Überschrift. {Nr. VIII }], S. 290). Cf. auch die folgende Stelle aus dem ersten Teil der Essais de Théodicée: »En general la perfection est positive, c’est une realité absolue […]« (Die philosophischen Schriften, a. a. O., Bd. VI , § 33; S. 122). Ebenso »Monadologie« § 41: »[…] la perfection n’étant autre chose que la grandeur de la realité positive prise precisement […]« (ebd., S. 613; H. i. O.). Spinoza hatte in Buch II , Def. 6. seiner Ethica Ordine Geometrico Demonstrata [ 11677] Realität und Vollkommenheit gleichgesetzt: »Per realitatem, et perfectionem idem intelligo« (Opera. Bd. II . Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften hg. von Carl Gebhardt. 2. Aufl. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1925. Heidelberg [o. J.], S. 85). Für Wolff ist das vollkommenste Wesen dasjenige, »[…] cui insunt omnes realitates compossibiles in gradu absolute summo.« Theologia Naturalis, Pars II , § 6, GW II .8, S. 4. 106 Wolff hatte ›Vollkommenheit‹ in seiner »Deutschen Metaphysik« wie folgt defi niert: »Die Zusammenstimmung des mannigfaltigen machet die Vollkommenheit der Dinge aus« (§ 152, GW I .2, S. 78; H. i. O.). Cf. ebenso dessen Ontologia, § 503, wo es heißt: »Perfectio est consensus in varietate, seu plurimum a se invicem differentium in uno.« Unter »consensus« versteht er dabei »tendentiam ad idem aliquod obtinendum« ( GW I .3, S. 390; H. i. O.). Kant dürfte an der vorliegenden Stelle indes eher an Baumgarten denken, dessen Defi nition von Vollkommenheit stark an Leibniz orientiert ist. Zunächst defi niert Baumgarten sie ohne Bezugnahme auf Realitäten im Sinne Wolffs: »Si plura simul sumpta unius rationem sufficientem constituunt, CONSENTIUNT. Consensus ipse est PERFECTIO […].« (»Wenn Mehreres zusammengenommen den zureichenden Grund für Eines ergibt, STIMMT ES ZUSA MM EN . Die Zusammenstimmung selbst ist die VOLLKOMM ENHEIT […]«) (Metaphysica / Metaphysik § 94; a. a. O., S. 88/89; H. i. O.). Dann aber heißt es in § 141: »Omne ens est perfectum […] et reale […], hinc eius perfectio, qua talis, est consensus realitatum ad unam […].« (»Jedes Ding ist vollkommen […] und real […], folglich ist seine Vollkommenheit als solche das Zusammenstimmen von Realitäten zu einer […]«) (ebd., S. 104/105). Friedrich Christian Baumeister weist in seinen Institutiones Metaphysicae.
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Ontologiam, Cosmologiam, Psychologiam, Theologiam Denique Naturalem Complexae. Methodo Wolfii Adornatae. Wittenberg, Zerbst 1738, § 202, S. 149 f. [= Christian Wolff: GW III .25] darauf hin, daß die Defi nition der Wolffschen Schule auch vor Kant bereits auf Widerspruch stieß. Namentlich führt er in seiner Philosophia Definitiva […]. Editio nova aucta et emendata. Wien 1775 [= Christian Wolff: GW III .7, S. 88 f.] Joachim Lange und Daniel Straehler mit ihren Einwänden an. Zu diesen Kritikern zählt auch Crusius: Entwurf der nothwendigen Vernunft-Wahrheiten, § 180; a. a. O., S. 302 f. 107 Kant hat mit dieser Alternative die zwei gängigen Auffassungen von ›Vollkommenheit‹ benannt, die Gunner in seinem Beweis von der Wirklichkeit und Einigkeit Gottes aus der Vernunft. a. a. O., S. 10, wie folgt unterscheidet: »Die neuere Weltweisen nemen das Wort [sc. Vollkommenheit, Hg.] in einem doppelten Verstande. Einmal sehen sie den Begrif von der Volkommenheit als einfachen Begrif an, worinn man keine Merkmale unterscheiden oder sich klar vorstellen kann, und alsdenn nennen sie die Volkommenheit eine Realität (realitatem). In diesem Verstande wird die Volkommenheit genommen, wenn man behauptet, GO tt besitze alle mögliche Volkommenheiten in dem höchsten Grade […]. Zweitens nemen sie die Volkommenheit vor einer [!] Zusammenstimmung des mannigfaltigen in einem Dinge.« In seiner Vorlesungsankündigung für das Herbstsemester 1759, dem Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus, hatte Kant noch selbst mit diesem doppelten Vollkommenheitsbegriff gearbeitet. Vollkommenheit im »respektiven Verstande« liege vor, wenn damit »die Zusammenstimmung des Mannigfaltigen zu einer gewissen Regel« bezeichnet sein soll; die »absolute Vollkommenheit« hingegen liege »in dem Grade der Realität«, das ein Ding aufweist (Ak II , 03030 – 03102 ). Diese Auf fassung von absoluter Realität, so fährt er dort fort, werde von den meisten Weltweisen geteilt und könne »sehr leicht« gerechtfertigt werden (Ak II , 03102–04 ). In der Beweisgrundschrift distanziert er sich also von dieser Ansicht, ohne dem Leser über die hierfür ausschlaggebenden »wichtige[n] Ursachen« Aufschluß zu geben. 108 In gewisser Spannung zu der vorliegenden Stelle heißt es kurz darauf, »das Gute und die Vollkommenheit« bestehe in der
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»Zusammenstimmung« der Möglichkeiten der Dinge mit dem göttlichen Willen (044 04–05). In diesem Sinn auch 07911–13. 109 Im Sinn von ›insgesamt‹, ›im allgemeinen‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. IV, 2. Abt., Sp. 2142 (Nr. 1, 2). Kant verwendet den Ausdruck außer an der vorliegenden Stelle nur zwei weitere Male im Druckwerk (Ak I, 13917; Ak IX , 45122 ). 110 Im Sinn von franz. ›en particulier‹, also ›im besonderen‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. IV, 2. Abt., Sp. 2138. 111 Es war in der Tradition rationaltheologischer Abhandlungen nicht unüblich, dem Beweis von Gottes Dasein unmittelbar Ausführungen über den im weiteren Sinn ideologischen Nutzen dieser Erkenntnis folgen zu lassen. So war Leibniz etwa in De Rerum Originatione Radicali (Die philosophischen Schriften, a. a. O., Bd. VII , S. 302 ff. [erstmals publiziert 1840]) verfahren, und auch Wolff hat gleich das diesbezügliche Verdienst seines kosmologischen Gottesbeweis in der »Deutschen Metaphysik« (§§ 939 ff.; a. a. O., S. 579 ff.) herausgestellt. Auch Kant sieht seinen Beweis in mehrfacher Hinsicht als eine Art Bollwerk an; sowohl der Solipsismus wie der Materialismus als auch der Pantheismus und der Spinozismus sind durch ihn als unmöglich erwiesen. 112 Kant ist nachdrücklich darum bemüht, die Apriorität seines Beweises herauszustellen. Er tut dies, indem er auf das bloß Mögliche als dessen Grundlage hinweist und drei andere, häufig gewählte Ausgangspunkte für Gottesbeweise zurückweist. Der erste ist die Existenz des eigenen Ich als eines denkenden Wesens. Sie war von Wolff zur Basis seines Beweises in der »Deutschen Metaphysik« (§ 928; a. a. O., S. 574) gewählt worden. Wenn, so hatte Wolff argumentiert, ich selbst existiere, dann existiert infolge der Allgemeingültigkeit des Satzes vom zureichenden Grund auch etwas, das seinen Grund nicht wiederum in etwas anderem fi ndet, sondern in sich selbst trägt: Gott. Alternativ dazu konnte man – das ist die zweite von Kant erwähnte Möglichkeit – die Existenz einer anderen »res cogitans« als meiner selbst zur Grundlage des Beweises wählen. Drittens schließlich stand der schon von Leibniz beschrittene Weg offen, den Beweis – ebenfalls unter Zuhilfenahme des Satzes vom zureichenden Grund – zu führen, indem man die unstrukturierte Erfahrung von der Existenz der Welt zugrunde
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legte (De Rerum Originatione Radicali, a. a. O., S. 302). Dem Leibnizschen Ansatz verdankt dieser Beweistyp seinen Namen; man nannte ihn den Beweis ›e contingentia mundi‹ oder kurz ›Kontingenzbeweis‹. Später wird dieser Beweis, der »irgendein Dasein empirisch zum Grunde« legt, von Kant als der ›kosmologische Beweis‹ bezeichnet (cf. KrV A 590 f. / B 618 f.). Insofern Kant seinen Ansatz von den drei genannten Alternativen abgrenzt und ihnen gegenüber auszeichnet, antizipiert er ein Stück weit die Gottesbeweiskritik der dritten Abteilung. 113 Wolff hatte die genetische Defi nition in der Defi nitionslehre seiner lateinischen Logik folgendermaßen bestimmt: »Definitio genetica dicitur, quae rei genesin seu modum, quo ea fieri potest, exponit. Ut adeo appareat, defi nitiones geneticas esse reales« (Philosophia Rationalis Sive Logica, § 195; GW II .1, S. 214). In diesem Sinn fiel bereits in den Elementa Matheseos Universae der Realdefi nition die Aufgabe zu aufzuzeigen, wie die betreffende Sache entstehen kann. Dort hatte Wolff dafür das Beispiel eines Kreises angeführt, der durch die Bewegung einer geraden Linie um einen Fixpunkt erzeugt wird ( GW II .29, S. 7). Vermutlich stand Kant Georg Friedrich Meiers Auszug aus der Vernunftlehre. Halle 1752 vor Augen, wie Theis S. 200 f. seiner Edition annimmt, denn dieses Kompendium diente Kant als Grundlage seiner Vorlesungen über Logik. Meier nimmt dort in der Nachfolge Wolffs ebenfalls eine begriff liche Zusammenführung von realer und genetischer Defi nition vor: »Eine Erklärung stelt [!] entweder das Wesen der erklärten Sache vor, oder nicht […]. Jene ist eine Sacherklärung (defi nitio realis, genetica), diese aber eine Worterklärung (defi nitio nominalis)« (§ 280; a. a. O., S. 77). Für die frühe Fassung des ontotheologischen Arguments in der Nova Dilucidatio hatte Kant den Anspruch, einen genetischen Beweis im obigen Sinn geführt zu haben, ausdrücklich nicht erhoben: »[…] quamvis geneticae locus proprie non sit […].« Ak I, 39527. 114 Im Sinn der reflexivischen Bedeutung ›in sich zu erkennen geben‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. IV, Sp. 869 (Nr. 7 d). 115 ›Einfältig‹ kommt insgesamt 11mal in der Beweisgrundschrift vor (cf. Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig
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mögliche Beweisgrund«, a. a. O., S. 44), jedesmal im Sinn von ›einfach‹, ›schlicht‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. III , Sp. 173 (Nr. 1, 2). 116 Kant verwendet die Begriffe ›Kreis‹ und ›Zirkel‹ synonym. 117 Das erste dieser Beispiele hat den sogenannten ›Sehnensatz‹, das zweite den sogenannten ›Sekantensatz‹ zum Inhalt. In Euklids Formulierung lauten die Sätze wie folgt: »Schneiden im Kreise zwei Sehnen einander, so ist das Rechteck aus den Abschnitten der einen dem Rechteck aus den Abschnitten der anderen gleich« (Buch III , § 35). »Wählt man außerhalb eines Kreises einen Punkt und zieht von ihm aus zum Kreis zwei Strecken, von denen die eine den Kreis schneidet, die andere ihn berührt, so muß das Rechteck aus der ganzen schneidenden Strecke und dem außen zwischen dem Punkt und dem erhabenen Bogen abgegrenzten Stück dem Quadrat über der Tangente gleich sein« (Buch III , § 36). Euklid: Die Elemente. Buch I–XIII. Hg. und ins Deutsche übersetzt von Clemens Thaer. Darmstadt 1962, S. 72, 73. 118 Einen mathematisch ausformulierten Beweis hierfür bieten Walford / Meerbote in den Erläuterungen CE 431 f. 119 Der Terminus ›Bewunderung‹ ist hier wie auch an einer späteren Stelle der Beweisgrundschrift (12420, 23 ) negativ besetzt. Damit greift Kant eine Überzeugung auf, die in die Anfangsphase seines Denkens zurückweist. Denn schon eingangs der Vorrede zu seiner Erstlingsschrift heißt es in auf klärerisch selbstbewußtem Ton über die Bewunderung, die ihm dort – ganz im Sinn der vorliegenden Stelle – ein überlebtes Relikt dunkler Zeiten zu sein scheint: »[…] ich bilde mir ein, die Zeit sei nunmehr vorbei, und der menschliche Verstand habe sich schon der Fesseln glücklich entschlagen, die ihm Unwissenheit und Bewunderung ehemals angelegt hatten« (Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte, Ak I, 00710–13 ). Ansonsten ist der Terminus jedoch in der Beweisgrundschrift, wo er insgesamt 9mal vorkommt, positiv konnotiert oder ohne eindeutig auszumachende Wertung. Das gilt auch für die überwiegende Zahl der insgesamt 26 Okkurrenzen im vorkritischen Werk (cf. Wortindex zu Kants gesammelten Schriften, a. a. O., Bd. 1, S. 163). Insgesamt tragen nur fünf davon eine eindeutig negative Bedeutung, nämlich Ak I, 00710–13, Ak II , 00306–07,
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09437, 15214,16. Es ist also reine und an der Sache vorbeigehende Spekulation, wenn Reinhard Brandt – übrigens ohne jeden Beleg – schreibt, daß sich »[…] in den frühen Schriften […] neben der negativen zuweilen eine positive Bewertung der Bewunderung (fi ndet) […].« Kommentar zu Kants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798). Hamburg 1999, S. 261; H. v. Hg. [= Kant-Forschungen Bd. 10]. Das Gegenteil ist der Fall. 120 Daß die Bewunderung eine Tochter des Nichtwissens sei, ist ein geflügeltes Wort. Im Jahr 1678 wurde in Jena eine Dissertation unter dem Vorsitz von Johann Andreas Schmidt mit dem Titel Admiratio Ignorantiae Filia Mater Philosophiae verteidigt. Voltaire zitiert die Sentenz in seiner Ode IX. A Messieurs de l’Académie des Sciences, qui ont été sous l’équateur et au cercle polaire mesurer des degrés de latitude mit dem Wortlaut »Et l’Admiration, fi lle de l’Ignorance, chanta de vains exploits.« Œuvres complètes de Voltaire. Nouvelle édition. Bd. 8. Paris 1877. Reprint Nendeln 1967, S. 440. 121 Im Sinn von ›geschickt‹, ›elegant‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. I, 1. Lieferung, Sp. 573. 122 Mit 28 Okkurrenzen ist das Wort ›künstlich‹ recht häufi g in der Beweisgrundschrift vertreten (Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund«, a. a. O., S. 88). Es ist positiv besetzt und meint hier das, ›wozu besondere kunst gehört‹, was ›schwierig‹ ist (cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. V, Sp. 2712 [Nr. 2 c], Sp. 2715 [Nr. 5 a]). Gelegentlich dient es auch im Sinn von ›nicht auf natürliche Weise zustande gekommen‹ oder ›artifi ziell‹ als Gegenbegriff zu ›natürlich‹ oder ›notwendig‹. In diesem letzteren Sinn kommt es an folgenden Stellen vor: 08728, 09023, 10230,34. 123 Einen mathematisch ausformulierten Beweis hierfür bieten Walford / Meerbote in den Erläuterungen CE 432. 124 Wie schon dieses Beispiel deutlich macht, liegen Kant evolutionstheoretische Überlegungen im Sinn der Lehre Darwins selbstredend noch fern. 125 Im Sinn von ›voll eifer‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. VII , Sp. 1529 (Nr. I . 4). In dieser Bedeutung verwendet Kant ›peinlich‹ z. B. auch in den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen des Jahres 1764 (Ak II , 22925, 30 ).
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Das ist die in der »Preisschrift« von 1762/64 entwickelte und proklamierte Methode. Cf. Ak II , 286. 127 Den Begriff ›Luftkreis‹ verwendet Kant von seinen Anfängen an bis in die Physische Geographie hinein recht häufig (cf. Ak IX , 282–295: »Geschichte des Luftkreises«). Die Theorie der Winde behandelt er dort allgemein unter der Überschrift »Atmosphäre«, die See- und Landwinde im besonderen in § 68, a. a. O., S. 290. Der Ausdruck ›Luftkreislauf‹ ist ihm noch fremd. 128 Mit diesem Beispiel greift Kant auf die Ausführungen über die große Nützlichkeit der Winde zurück, über die er bereits in der Vorrede zu seiner Allgemeine[n] Naturgeschichte gehandelt hatte (cf. Ak I, 223 f.). Das Thema der Luftzirkulation verfolgte er nach 1755 weiter und veröffentlichte kurz darauf seine Vorlesungsankündigung für das Sommersemester 1756 unter der Überschrift Neue Anmerkungen zur Erläuterung der Theorie der Winde (Ak I, 489– 503). Schon bei Wolff spielte es eine bedeutende Rolle. Er hatte in seiner »Deutschen Teleologie«, den Vernünfftigen Gedancken von den Absichten der natürlichen Dinge [ 11724], ausführlich »Von dem Nutzen der Lufft«, dem Wind und anderer klimatischer Faktoren gehandelt ( GW I .7, S. 152–310); ebenso bereits in den Vernünfftige[n] Gedancken von den Würckungen der Natur [ 11723], seiner »Deutschen Physik« ( GW I .6, S. 272–304). 129 Cf. Neue Anmerkungen zur Erläuterung der Theorie der Winde, Erste Anmerkung, Ak I, 492–494. 130 Maupertuis wurde von Friedrich II . mit der Reorganisation der Berliner Akademie der Wissenschaften beauftragt und 1746 von ihm zu deren Präsidenten ernannt. Er war ein Anhänger Newtons und zog von diesem Standpunkt aus gegen den damals in Deutschland noch vorherrschenden Wolffi anismus zu Felde. Für die Lebensgeschichte von Maupertuis cf. die Studie von David Beeson: Maupertuis. An intellectual biography. Oxford 1992, für seine Stellung innerhalb der Philosophie seiner Zeit Giorgio Tonelli: La pensée philosophique de Maupertuis. Son milieu et ses sources. Hildesheim, Zürich, New York 1987 [= Studien und Materialien zur Geschichte der Philosophie Bd. 25]. Das von Maupertuis als »principe de la moindre quantité d’action« bezeichnete ›Prinzip der kleinsten Wirkung‹ besagt, daß die für eine Veränderung erforder126
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liche Aktionsmenge stets ein mathematisches Minimum anstrebt, wobei unter »quantité d’action« das Produkt aus Masse, Geschwindigkeit und dem zurückgelegten Weg der beteiligten Körper verstanden wird (cf. Gereon Wolters: Art.: »Maupertuis«. In: Jürgen Mittelstraß [Hg.]: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 2. Unter ständiger Mitwirkung von Siegfried Blasche, Gottfried Gabriel, Herbert R. Ganslandt u. a. Mannheim, Wien, Zürich 1984, S. 813). In seinem Essay de cosmologie lautet das Prinzip wie folgt: »Dans le choc des corps, le mouvement se distribue de manière, que la quantité d’action, que suppose le changement arrivé, est la plus petite qu’il soit possible. Dans le repos, les corps, qui se tiennent en équilibre, doivent être tellement situés, que s’il leur arrivoit quelque petit mouvement, la quantité d’action seroit la moindre« (Leiden 1751, S. 21 f.). Eine modifi zierte, verkürzte Fassung des Prinzips fi ndet sich in: Œuvres. Avec une introduction par Giorgio Tonelli. Bd. I, Reprint der Ausgabe Lyon 1758, Hildesheim, New York 1974, S. 42. Die deutsche Übersetzung, die 1751 in Berlin unter dem Titel Versuch einer Cosmologie von dem Herrn Maupertuis erschien, folgt der Leidener Ausgabe von 1751 (das Zitat dort S. 57). Eine frühe Fassung des Prinzips der kleinsten Aktion hatte Maupertuis in der Abhandlung Recherche des lois du mouvement publiziert, die 1748 in den Mémoires de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres in Berlin erschienen war. Bezeichnet als das »principe général« lautet es: »Lorsqu’il arrive quelque changement dans la Nature, la quantité d’action, nécessaire pour ce changement, est la plus petite qu’il soit possible« (Œuvres, a. a. O., Bd. IV, S. 29– 42; hier: S. 36). Welche dieser Fassungen des genannten Prinzips Kant vor Augen hat, kann nicht mit Sicherheit ausgemacht werden. Zur Darstellung Maupertuis’ in Kants Werk cf. Jean Ferrari: Kant. Maupertuis et le principe de moindre action. In: Hartmut Hecht (Hg.): Pierre Louis Moreau de Maupertuis. Eine Bilanz nach 300 Jahren. Berlin 1999, S. 225–234 [= Schriftenreihe des Frankreich-Zentrums der Technischen Universität Berlin Bd. 3]. Maupertuis wollte mittels dieses Prinzips nicht nur die von ihm verworfenen üblichen metaphysischen wie physikotheologischen Beweise für das Dasein Gottes ersetzen, sondern auch organisches Wachstum sowie das sittliche Handeln erklären. Johann Samuel
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König glaubte indes auf eine ganz ähnliche Formulierung dieses Gesetzes schon bei Leibniz gestoßen zu sein und verwickelte Maupertuis darauf hin in einen Prioritätsstreit, der sich zu einer heftig geführten Auseinandersetzung an der Berliner Akademie auswuchs und deren umfangreiche Beiträge von keiner Geringeren als Gottscheds Frau Luise Adelgunde Victorie bald übersetzt und publiziert wurden: Vollständige Sammlung aller Streitschriften, die neulich über das vorgebliche Gesetz der Natur, von der kleinsten Kraft, in den Wirkungen der Körper, zwischen dem Präsidenten von Maupertuis zu Berlin, Herrn Professor König in Holland, und andern mehr, gewechselt worden. Die zweite Aufl. dieser Sammlung erschien bereits 1753 in Berlin. Zum Streit mit König cf. Herbert Breger: Über den von Samuel König veröffentlichten Brief zum Prinzip der kleinsten Wirkung. In: Hecht (Hg.): Pierre Louis Moreau de Maupertuis, a. a. O., S. 363–381, sowie Helmut Pulte: Das Prinzip der kleinsten Wirkung und die Kraftkonzeptionen der rationalen Mechanik. Eine Untersuchung zur Grundlegungsproblematik bei Leonhard Euler, Pierre Louis Moreau de Maupertuis und Joseph Louis Lagrange. Stuttgart 1989, S. 216–225 [= Studia Leibnitiana. Sonderheft 19], mit weiterer Literatur. Kants Ausführungen in der Beweisgrundschrift stehen in bisweilen frappierender Nähe zu den Überlegungen von Maupertuis. Beispielsweise will schon Maupertuis wie Kant dann auch Gottes Wesen nicht aus den Werken der Natur selbst erkennen, sondern vielmehr aus den von Gott gestifteten und aufeinander abgestimmten Gesetzen herleiten, durch welche die Natur geleitet wird: »L’Etre suprême est par-tout; mail il n’est pas par-tout également visible. Nous le verrons mieux dans les objets plus simples: cherchons le dans les prémières loix qu’il a imposées à la Nature; dans ces règles universelles, selon lesquelles le mouvement se conserve, se distribue, ou se détruit; et non pas dans des Phénomènes, qui ne sont que des suites trop compliquées de ces loix.« Essay de cosmologie. Leiden 1751, S. X X XII . 131 Kant bezeichnet das Gesetz des Maupertuis hier und an späterer Stelle der Beweisgrundschrift (100 08 ) als »Regel« bzw. »Gesetz der Sparsamkeit«. Ähnlich hatte sich Maupertuis selbst schon ausgedrückt, z. B. wenn er im Essai de cosmologie den Begriff ›action‹ als eine ›force‹ bestimmt, die, »[…] créée pour ainsi dire à
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chaque instant, est toujours créée avec la plus grande économie qu’il soit possible« (zitiert nach der Fassung der Abhandlung, die in die Œuvres einging. Bd. I, a. a. O., S. X XVI ). Die von Kant hier gewählte Bezeichnung, die er übrigens schon in der Allgemeine[n] Naturgeschichte (Ak I, 34432 ) verwendet, geht auf Leonhard Euler (1707–1783) zurück, der das von Maupertuis erstmals mathematisch formulierte Prinzip in seiner Abhandlung Sur le principe de la moindre action (1751) als das »Principe d’Epargne« bzw. als »principium parsimoniae« bezeichnet hatte (»Traduit du latin« und publiziert in den Mémoires de l’Académie des Sciences de Berlin 7 [1753], S. 199–218; hier: S. 201 u. ö.). Von da an setzt sich der Ausdruck »Regel« oder »Gesetz der Sparsamkeit« zur Bezeichnung des Prinzips der kleinsten Aktion schnell durch. In der Beweisgrundschrift versteht Kant das Sparsamkeitsprinzip noch in einem realistischen Sinn als einen objektiv gültigen Verfahrensgrundsatz der Natur. Die Dissertation von 1770 spricht bereits eine andere Sprache; in der dort gewählten Formulierung kündigt sich die Wende zur Transzendentalphilosophie an. Denn der Grundsatz »principia non esse multiplicanda praeter summam necessitatem« (Ak II , 41828–29 ; H. i. O.), hinter dem sich nichts anderes als das Sparsamkeitsprinzip verbirgt, wird als zweites von insgesamt drei »principia convenientiae« vorgestellt, »[…] quibus libenter nos submittimus et quasi axiomatibus inhaeremus […]«, und zwar aus dem Grunde, »[…] quia, si ab iis discesserimus, intellectui nostro nullum fere de obiecto dato iudicum liceret« (Ak II , 41809–12 ; H. i. O.). Angewendet auf das Sparsamkeitsprinzip heißt das konkret, daß wir ihm nicht etwa deshalb zustimmen, »[…] quia causalem in mundo unitatem vel ratione vel experientia perspiciamus, sed illam ipsam indagamus impulsu intellectus, qui tantundem sibi in explicatione phaenomenorum profecisse videtur, quantum ab eodem principio ad plurima rationata descendere ipsi concessum est« (Ak II , 41829– 33 ). In der Kritik der reinen Vernunft werden transzendentale und realistische Aspekte zusammengeführt. Denn nun wird die »[…] Ersparung der Prinzipien nicht bloß ein ökonomischer Grundsatz der Vernunft, sondern inneres Gesetz der Natur« (A 650 / B 678). In ebendiesem Sinn äußert sich Kant auch an späterer Stelle des kritischen Hauptwerks, wenn er die »[…] Sparsamkeit der Grund-
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ursachen, die Mannigfaltigkeit der Wirkungen, und eine daherrührende Verwandtschaft der Glieder der Natur […]« als »[…] an sich selbst für vernunftmäßig und der Natur angemessen […]« ausgibt, so daß »[…] diese Grundsätze […] direkt und nicht bloß als Handgriffe der Methode ihre Empfehlung bei sich führen« (KrV A 661 / B 689). Das auch als »Ockham’s Razor« bekannte metaphysische Ökonomieprinzip ist weder eine neuzeitliche noch eine mittelalterliche Entdeckung. Der Sache nach fi ndet es nämlich schon bei Platon Beachtung, so etwa im Dialog Parmenides 132 d. 132 Diesen sehr weitreichenden Anspruch, wonach die Bewegungsgesetze unabhängig von aller Erfahrung aus dem bloßen Begriff der Materie deduzierbar sein sollen, gibt Kant schon sehr bald auf. Cf. die »Allgemeine Anmerkung« zur Schrift über die Negative[n] Größen (Ak II , 201–204). Dort versteht er aufgrund der skeptischen Strudel, in die er durch die Lektüre Humes hineingeraten ist, nicht einmal mehr, »[…] wie durch die Bewegung eines Körpers die Bewegung eines andern aufgehoben werde, da diese mit jener doch nicht im Widerspruche steht […].« Ak II , 20325–27. 133 Die folgenden Sätze fassen die einschlägigen Überlegungen von Maupertuis zusammen, wie sie sich in der »Einleitung, worinne die Beweise des Daseyns Gottes, welche man aus den Wundern der Natur herleitet, untersuchet werden« zu seiner Abhandlung Versuch einer Cosmologie, a. a. O., S. 19–42, fi nden. 134 Die 1756 für das Jahr 1758 ausgeschriebene Preisfrage lautete: »Si la vérité des principes de la Statique et de la Méchanique est nécessaire ou contingente« (zit. nach Adolf Harnack: Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Im Auftrage der Akademie bearbeitet. Bd. II , Berlin 1900, S. 306). Die Preisfrage wurde bis 1760 verlängert, ohne daß eine Arbeit prämiert worden wäre. 135 Mit dem in Abteilung I erbrachten Nachweis, daß in diesem »gemeinschaftliche[n] Principium« nicht nur die Wirklichkeit, sondern selbst schon die Möglichkeit der Materie und die wesensmäßige Konstitution der Körper gründen, geht Kant den entscheidenden Schritt über die Position von Maupertuis hinaus, der Gott in den »premieres loix qu’il a imposées à la Nature« erblicken wollte. Essay de cosmologie, a. a. O., S. X X XIII .
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Im folgenden Satz skizziert Kant, wie er die Preisfrage der Berliner Akademie für das Jahr 1758 jetzt, d. h. im Jahr 1762, beantworten würde. In gleichem Sinn hatte er sich bereits kurz zuvor geäußert (05305–10 ). 137 Kant bereitet mit den Betrachtungen II .ii und besonders II .iii die Erörterung der Wunderproblematik vor, die sich in II .iv anschließt. Der Ausdruck ›Wunder‹ fällt in den zwei vorbereitenden Betrachtungen jedoch noch nicht. 138 Die Ausdrücke ›moralisch‹ und ›unmoralisch‹ sind nicht als sittliche Kategorien mißzuverstehen. ›Moralisch‹ bedeutet in diesem Zusammenhang soviel wie ›von einem Willen abhängend‹, nämlich dem göttlichen; ›unmoralisch‹ – was dem ›nicht-moralisch‹ des modernen Sprachgebrauchs entspricht – ist dessen Negation und meint eine Abhängigkeit, die nicht auf einem vorgängigen Willensakt – Gottes –, sondern in den intrinsischen Gesetzmäßigkeiten der betreffenden Sache selbst gründet. In Kants Werk spielt diese begriff liche Unterscheidung nur an der vorliegenden Stelle eine Rolle. Kant verwendet die Begriffe ›moralisch‹ und ›unmoralisch‹ an dieser Stelle in einem sehr exklusiven Sinn. In den drei Bedeutungen, die das Grimmsche Deutsche Wörterbuch kennt, ist er nicht erfaßt (cf. a. a. O., Bd. VI , Sp. 2527), wohl aber in der weitesten Bedeutungsmöglichkeit, die Johann Christoph Adelungs Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber des Oberdeutschen. Mit D. W. Soltau’s Beyträgen, revidirt und berichtiget von Franz Xaver Schönberger. Theil III , Wien 1808, Sp. 280, anführt. ›Moralisch‹ bedeutet demnach »[…] wobey eine freye Wahl Statt fi ndet, was durch eine in allgemeiner Erkenntniß gegründete Wahl geschehen kann.« Einen Eintrag ›unmoralisch‹ hat auch Adelung nicht. 139 In II .i.2. 140 Gemeint ist der Regenbogen, dessen Erklärung die Naturphilosophen seit jeher beschäftigte. Bereits Aristoteles hatte sich in Buch III seiner Meteorologie mit dem Thema auseinandergesetzt. In der Neuzeit waren u. a. Descartes (in Kap. 8 seiner Abhandlung Les météores unter der Überschrift De l’arc en ciel) und in 136
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dessen Nachfolge Spinoza (Stelkonstige Reeckening van den Regenboog) darum bemüht, dieses Phänomen in das moderne, mathematisch-naturwissenschaftlich geprägte Weltbild zu integrieren. Auch Wolffs mehrfache Behandlung des Regenbogens erfolgt unter naturwissenschaftlicher Perspektive (»Deutsche Physik«, §§ 291–305, GW I .6, S. 391–403; »Deutsche Teleologie«, §§ 171–174, GW I .7, S. 310–320). Kant steht in dieser Traditionslinie. Auch für ihn ist der Regenbogen, der ja dem biblischen Bericht zufolge (1. Mose 9, 8–17) das sichtbare Zeichen des Bundes ist, den Gott mit den Menschen geschlossen hat, eine natürliche Begebenheit, die mit den allgemeinen Naturgesetzlichkeiten erklärt werden kann. Wie stark dieses Thema um die Mitte des 18. Jahrhunderts noch theologisch befrachtet war, belegt eindrucksvoll der Artikel »Regenbogen« in Zedlers Grosse[m] vollständige[n] Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste. Bd. 30, Leipzig, Halle 1741, Sp. 1750–1755. Etwa die Hälfte des Artikels behandelt den Gegenstand unter Fragestellungen, die von der Religion vorgegeben waren; etwa, ob die sich aus der naturwissenschaftlichen Sichtweise ergebende Konsequenz, daß es den Regenbogen schon von der Sintflut gegeben haben muß, mit der biblischen Lehre vereinbar sei. 141 Cf. Christian Wolff: »Contra naturae ordinem fi eri dicitur, quod ordini naturae contrariatur, seu eodem salvo fieri nequit, quemadmodum ex adverso secundum naturae ordinem fi eri dicitur, quod ordini naturae convenit, seu eodem stante fieri debet« (Cosmologia Generalis, § 565; GW II .4, S. 440; H. i. O.). Was unter ›natürlich‹ und ›übernatürlich‹ mit Blick auf die vorliegende Welt zu verstehen ist, hatte Wolff zuvor in § 509 und § 510 folgendermaßen defi niert: »Naturale in genere dicitur, cujus ratio in essentia et natura entis continetur. In mundo autem adspectabili materiali Naturale appellatur, cujus ratio in essentia et natura corporum continetur« (a. a. O., S. 396; H. i. O.). »Supernaturale est, cujus ratio sufficiens in essentia et natura entis non continetur. Respectu autem corporum in hoc mundo adspectabili et ipsius mundi Supernaturale appellatur, cujus ratio sufficiens in essentia et natura corporum non continetur. Dicitur etiam Miraculum« (a. a. O., S. 396; H. i. O.). Ähnliche Definitionen fi nden sich bei vielen Wolffianern, so z. B. bei Baumeister in Kap. VI der »Cosmologia generalis« innerhalb seiner Institutiones
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Metaphysicae unter der Überschrift »De naturali et supernaturali« (§§ 456–466, a. a. O., S. 311–326), ebenso bei Baumgarten in seiner Metaphysica, cf. dort die Abschnitte »Naturale« (§§ 466–473; a. a. O., S. 248–255) und »Supernaturale« (§§ 474–481; a. a. O., S. 254–259) innerhalb des Teils über die Kosmologie. 142 Cf. Clarkes drittes Schreiben an Leibniz in ihrer Korrespondenz. Hinsichtlich des Ungewöhnlichen (Unusual) gilt: »[…] ’tis equally a Miracle, whether it be effected immediately by God himself, or mediately by any invisible Created Power« (Leibniz: Die philosophischen Schiften, a. a. O., Bd. VII , S. 371; H. i. O.). Auf die letztere Art von Wundern, die Kant im folgenden ausführlich exponiert, kommt er am Ende von II .iv.1 zurück und läßt dabei deutlich erkennen, daß er mit Wundern generell nicht wirklich rechnet, die hier vorgestellten »übernatürliche[n] Begebenheiten im formalen Verstand« (07108–09 ) ausdrücklich eingeschlossen. 143 Damit ist die Zeit vor der Sintflut gemeint, die Gott nach 1. Mose, Kap. 6–8 als Strafe für die verderbte Lebensweise der Menschen schickte und durch die alles menschliche Leben mit Ausnahme Noahs und seiner Angehörigen ausgetilgt wurde. 144 Kant hatte sich bereits in der »Schlußbetrachtung« seiner 1756 verfaßten Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens, welches an dem Ende des 1755sten Jahres einen großen Theil der Erde erschüttert hat gegen die Meinung gewendet, Naturkatastrophen wie Erdbeben seien als göttliche Strafen für die sündhaften Vergehen der Menschen anzusehen. Man verstoße, so schreibt er dort, gegen die den Opfern schuldige Menschenliebe und Anteilnahme an ihrem Leid, »[…] wenn man dergleichen Schicksale jederzeit als verhängte Strafgerichte ansieht, die die verheerte [!] Städte um ihrer Übelthaten willen betreffen, und wenn wir diese Unglückselige [!] als das Ziel der Rache Gottes betrachten, über die seine Gerechtigkeit alle ihre Zornschalen ausgießt« (Ak I, 45930–34 ). Es sei nämlich, so lautet seine Begründung dort, »sträf licher Vorwitz«, so zu sprechen, weil man sich damit anmaße, Gottes Absichten einzusehen und sie nach eigenen Einsichten auszulegen. Mit der hier vorgenommenen Bestreitung eines natürlichen Zusammenhangs zwischen dem moralischen Fehlverhalten der Men-
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schen und Naturereignissen wie Erdbeben oder Sturmfluten als den dafür vorgesehenen Bestrafungen leistet Kant einen beträchtlichen Beitrag zur Befreiung des Menschen von Vorurteilen. Den darüber hinausgehenden Schritt tut er mit der später ausgesprochenen, aber hier bereits zu berücksichtigenden faktischen Bestreitung aller Wunder (070 02–07, 07105–12 ). Denn damit ist klar, daß Kometen, Epidemien und Naturkatastrophen jeglicher Art auch nicht auf übernatürliche, d. h. durch Gott bewirkte Weise mit dem Verhalten der Menschen in Verbindung gebracht werden können, sondern schlicht als das zu nehmen sind, was sie sind: Ereignisse der natürlichen Welt ohne jedweden Ankündigungs-, Lohn- oder Sanktionscharakter. Damit reiht sich Kant, ohne große Gesten und insofern unspektakulär, aber in der Sache entschieden und auf gute Gründe gestützt in die Reihe der auf klärerischen Philosophen ein, die in der Nachfolge Pierre Bayles Aberglauben und Vorurteil bekämpfen. 145 Kant folgt der Schreibweise des Titelblatts der Übersetzung und gibt den Verfassernamen mit Raj an. 146 John Ray: Sonderbahres Klee-Blätlein / Der Welt Anfang / Veränderung u. Untergang; Oder / nebst allerhand mit eingeschalteten / hochwichtig- und spitzfindig erörterten Fragen / hauptsächlich drey / so wol aus Geist- und Weltlichen Schrifften gnugsam betrachtete / als auch aus natürlichen Uhrsachen gründlich untersuchte / neue / gelehrte Handlunge: Betreffendt: I. Den anfänglichen Mischmasch / und die Erschaffung Himmels und Erde; II. Die allgemeine Sünd-Fluth / derselbigen Vermittelungund Würckungen; so dann III. Die endliche Vertilgung dieses gantzen grossen Alles, sampt unterschiedlichen Muthmassungen / wie solche geschehen / und was für ein Zustand hernach seyn werde. Alles sehr Lehrreich / nütz- und erbaulich. Hamburg 1698. Ein ausführlicher Bericht über das Erdbeben, das am 7. Juni 1692 (hier S. 217 irrtümlich auf den 17. Juni datiert) diese Insel erschütterte, sowie seine Begleitumstände fi ndet sich S. 217–226. Er ist von Ray auf der Grundlage zweier Briefe eines dortigen Predigers an einen Freund in England erstellt und um einige eigene Anmerckungen (S. 226– 243) vom Verfasser ergänzt worden. Eine neue Übersetzung dieses Werks von Theodor Arnold erschien 1732 ohne Ortsangabe in Leipzig unter dem Titel Drey PhysicoTheologische Betrachtungen, von
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der Welt Anfang, Veränderung und Untergang. Worinnen I. Das erste Chaos, oder der unförmliche vermischte Klumpen, und die Erschaffung des Himmels und der Erden, II. Die allgemeine Sündfluth, deren Ursachen und Würckungen, III. Die Auflösung der Welt und zukünfftige Verbrennung; insbesondere aber die Herfürbringung und Nutzen der Berge […] abgehandelt sind. Eine »neue um vieles verbesserte Auf lage« hiervon wurde 1756 ebenfalls in Leipzig veranstaltet. Das Original war 1692 in London unter dem Titel Miscellaneous Discourses Concerning the Dissolution and Changes of the World, wherein the primitive chaos and creation, the general deluge, fountains, formed stones, sea-shells found in the earth, subterraneous trees, mountains, earthquakes, vulcanoes, the universal confl agration and future state, are largely discussed and examined publiziert worden. Der britische Theologe, Botaniker und Zoologe John Ray (1627–1705) unternahm eine Reihe von Forschungsreisen, auf denen er sich um botanische Katalogisierungen sowie um eine Beschreibung der Welt, vornehmlich aus der Perspektive des Naturforschers, bemühte. Er zählt zu den bedeutendsten Mitbegründern der neuzeitlichen natürlichen Theologie, die gestützt auf physikotheologische Betrachtungen die Existenz und Güte Gottes sicherstellen wollten. Ray erblickte in der funktionalen Zweckmäßigkeit der spezifi schen Organe der Lebewesen und deren Schönheit einen hinlänglichen Beweis für die Existenz eines höchsten Wesens und seiner Eigenschaften. Kant hatte auf Ray bereits 1756 innerhalb seiner kurzen Schrift Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens, welches an dem Ende des 1755sten Jahres einen großen Theil der Erde erschüttert hat (Ak I, 429–461; hier: 44427 ) anläßlich seiner Theorie über die Ausbreitungsrichtung von Erdbeben als Gewährsmann hingewiesen. 147 Von William Whistons (1667–1752) Werk A New Theory of the Earth, from its Original, to the Consummation of all Things, wherein the Creation of the World in Six Days, the Universal Deluge, and the General Confl agration, as laid down in the Holy Scriptures, are Shewn to be Perfectly Agreeable to Reason and Philosophy. London 1696, erschien eine deutsche Übersetzung erstmals 1713 unter dem Titel Nova Telluris Theoria: Das ist: Neue Betrachtung der Erde, nach ihren [!] Ursprung und Fortgang biß zur Hervorbringung aller Dinge, oder: Eine gründliche, deutliche und nach beygefügten Abrissen eingerichtete Vorstel-
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lung, daß so wohl die sechstägige Schöpffung und darauf erfolgte Sündfluth, als auch die annoch zukünfftige Confl agration der Welt, wie solche in Heil. Schrifft beschrieben werden, mit der gesunden Vernunfft und wahren Philosophie keineswegs streite, sondern von beyden gar wohl begriffen und folglich um so viel mehr, als untrügliche Wahrheiten angenommen werden können. Nebst einer Vorrede obbesagten Auctoris von der eigentlichen Beschaffenheit der Mosaischen Geschichte von der Schöpffung. Wegen besondern darinnen enthaltenen Anmerckungen aus dem Englischen übersetzt von M. M. S. V. D. M. [= Michael Swen]. Franckfurt 1713. Gut vierzig Jahre später erlebte diese Übersetzung eine – text- und seitenidentische – Neuauf lage unter dem Titel Gründlicher Beweis daß die in der Offenbahrung befi ndliche Geschichte von der Schöpfung der Welt und die allda geschehene Verkündigung von dem Untergange der Welt mit der gesunden Vernunft keinesweges streite. Aus dem Englischen übersetzt. Wittenberg [1755]. Whiston führte die Entstehung der Welt, geologische Veränderungen wie auch die Sintflut und das im Neuen Testament angekündigte Weltenende in Form eines globalen Brandes (2. Petr., 3, 7–12) auf die Wirkung von Kometen zurück und vertrat damit Auffassungen, die auch schon zu seiner Zeit nicht mehr als wissenschaftlich fundiert gelten konnten; man denke etwa an die Abrechnung, die Pierre Bayle in seinem 1682 erstmals erschienenen Lettre sur la comète mit dem Kometenglauben vorgenommen hatte. Gleichwohl genoß Whiston die Schätzung von Isaac Newton und John Locke. Kant gibt ein ausführlicheres Referat der Ansichten Whistons bezüglich der Entstehung der Erde in der Physische[n] Geographie (Ak IX , 30207–23 ) und merkt dabei etwas maliziös an, daß Whiston »[…] zu einer Zeit (lebte), da die Kometen in Ansehen kamen.« Ein erster spöttischer Seitenhieb auf Whistons Theorie, die Sintflut mittels eines Kometen zu erklären, war bereits in der Allgemeine[n] Naturgeschichte erfolgt, doch ohne daß Whiston in diesem Werk namentlich genannt worden wäre. Dort zählt Whiston für Kant zu denjenigen, »[…] welche die Ehre der Offenbarung nicht zu entweihen, sondern zu bestätigen glauben, wenn sie sich ihrer bedienen, den Ausschweifungen ihres Witzes dadurch ein Ansehen zu geben« (Ak I, 30320–22 ). Mit deutlich kritischer Distanz zitiert er ihn dann ein Jahr später in der Fortgesetzte[n] Betrachtung der seit einiger
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Zeit wahrgenommenen Erderschütterungen von 1756 (Ak I, 4659–11), wo Whistons Ansichten wegen des von ihm angenommenen Einflusses der Kometen in die Nähe der »Träume eines verrückten Kopfs« gerückt werden. Whistons Ansicht, daß die Sintflut von einem Kometen herrührte, geht aus mehreren Stellen seines Werks unmißverständlich hervor, besonders deutlich in Buch IV, § X LVI . Dort heißt es über die zur Sintflut führenden Regenmengen: »[…] die Quelle aller dieser Regen (ist) einer von diesen Obern oder himmlischen Cörpern, welche wir Cometen nennen; oder mehr absonderlich die Luft-Kugel und der Schweiff desselben« (S. 447 in der Ausgabe Wittenberg 1755). Die ursprünglich göttliche Anordnung der Planeten- und Kometenbahnen, durch die dieses Ereignis erst möglich wurde, war zuvor von Whiston herausgestellt worden. Cf. etwa Buch I, § LIV, Coroll., a. a. O., S. 43; ferner Buch IV, § II , Ziff. 2, a. a. O., S. 365 f. – Einen allgemeinen Überblick über Absicht und Inhalt von Whistons New Theory of the Earth bietet Waschkies: Physik und Physikotheologie des jungen Kant, a. a. O., S. 475–482. 148 Im Sinn von lat. ›extra ordinem, mirifice, eximie‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. I, Sp. 1037. 149 Das vergleichende ›als‹, hier im Sinn von ›(ebensowenig) wie‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. I, Sp. 248 f. (Nr. I, 1). 150 Zum Status der Naturgesetze hatte sich Kant 053 05–10 und ausführlicher 05417–28 bereits geäußert. 151 Kants äußert an dieser Stelle vorsichtig die Vermutung, daß man auf notwendige Einheit auch in den organischen Produkten der Natur, also in der Pfl anzen- und der Tierwelt treffen könnte. In der Allgemeine[n] Naturgeschichte war er angesichts der Komplexität des Organischen noch deutlich pessimistischer. »Ist man im Stande zu sagen: Gebt mir Materie, ich will euch zeigen, wie eine Raupe erzeugt werden könne? Bleibt man hier nicht bei dem ersten Schritte aus Unwissenheit der wahren innern Beschaffenheit des Objects und der Verwickelung der in demselben vorhandenen Mannigfaltigkeiten stecken? Man darf es sich also nicht befremden lassen, wenn ich mich unterstehe zu sagen: daß eher die Bildung aller Himmelskörper, die Ursache ihrer Bewegungen, kurz,
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der Ursprung der ganzen gegenwärtigen Verfassung des Weltbaues werde können eingesehen werden, ehe die Erzeugung eines einzigen Krauts oder einer Raupe aus mechanischen Gründen deutlich und vollständig kund werden wird.« (Ak I, 23016–26 ; H. i. O.). Cf. auch 07911–14, 10604–07. 152 Abgesehen von zwei eher beiläufi gen Erwähnungen zuvor (04634–35, 04704 ), erfolgt die Einführung des Begriffs des Wunders nach den vorbereitenden Darlegungen in II .ii und II .iii erst an dieser Stelle. Die Wunderproblematik durchzog die gesamte Philosophie der Auf klärung. In der Frage, ob es Wunder im eigentlichen Sinn überhaupt geben könne, kulminierte gleichsam die Debatte um die Wahrheit der christlichen Religion, die sich ja in zentraler Weise auf die von Jesus und den Aposteln gewirkten Wunder stützte und insbesondere auf das Wunder der Auferstehung. Insofern konnte die Position, die ein Autor in der Wunderfrage bezog, als Indikator für seine Stellung zur christlichen Religion und darüber hinaus zu jeder Offenbarungsreligion gelten. Spinoza eröffnet die frühneuzeitliche Wunderdebatte mit einem Paukenschlag. In Kap. VI seines Tractatus Theologico-Politicus von 1670 will er zeigen, daß nichts gegen die Natur geschieht, die vielmehr einen »aeternum fi xum, et immutabilem ordinem« einhält. Die allgemeinen Naturgesetze sind für Spinoza »[…] decreta Dei, quae ex necessitate et perfectione naturae divinae sequuntur.« Es kann daher nichts der Natur bzw. den Naturgesetzen zuwiderlaufen, denn dies liefe auf die Behauptung hinaus, daß Gott seiner eigenen Natur zuwider handelte, was widersinnig wäre (Opera, a. a. O., Bd. III , S. 82, 83). Die deutsche Auf klärung ist nicht so radikal; vielmehr wird die Möglichkeit von Wundern von der überwiegenden Mehrzahl auch der philosophischen Autoren eingeräumt, darunter von Leibniz, Wolff, Baumgarten, Crusius. Eine Position wie die des Reimarus, der sich in seiner Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes zu einer radikalen Destruktion des Wunderglaubens vorgearbeitet hatte, blieb ein eher randständiges Phänomen innerhalb der deutschen Auf klärung. Aus gutem Grund sah Reimarus angesichts des geistigen Klimas hierzulande von einer Veröffentlichung des Werks ab, das erst Gotthold Ephraim Lessing in den 1770er Jahren auszugsweise
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der Öffentlichkeit bekannt machte. Mit historisch-kritischem und philologischem Sachverstand prüft Reimarus die biblischen Wunderberichte und kommt zu dem Ergebnis, das keiner von ihnen glaubwürdig ist; darüber hinaus deckt er auch die Mechanismen auf, die zu Wunderberichten Anlaß geben: »Die Schwachheit der Menschen, ihre künftige Schicksale zu erforschen, oder sich durch gewisse Mittel den Segen von Gott zu erwerben, oder die Unglücks-Fälle abzukehren, ist von eigennützigen und herrschsüchtigen Leuten gemißbraucht worden, den großen Hauffen mit allerley Blendwerk von Wahrsagungen und Wundern zu hintergehen, ihm manchen thörichten Wahn einzupfl antzen, ihn in banger Furcht zu unterhalten, und ihm viele unnütze, unvernünftige ja unmenschliche Gebräuche und Ceremonien aufzubürden« (Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes. Im Auftrag der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften Hamburg hg. von Gerhard Alexander. Frankfurt am Main 1972. Bd. I, S. 767). Kant reiht sich insofern in die affi rmative Stellung der deutschen Auf klärung zur Wunderfrage ein, als er nicht soweit geht, Wunder grundsätzlich auszuschließen und ihre prinzipielle Möglichkeit auf der Textoberfl äche ausdrücklich zugesteht. Der Gedankengang macht jedoch klar, daß er tatsächlich nicht mit ihnen rechnet. Die Tendenz seiner Überlegungen in der Beweisgrundschrift läuft faktisch auf die Bestreitung der Möglichkeit von Wundern hinaus. Wunder, so sagt er, sind »entweder gar nicht oder nur selten nötig« (070 04–05). 153 Zu diesen zählt Wolff. Für ihn »[…] ist es nicht möglich, daß er [sc. Gott, Hg.] durch Wunderwercke etwas ausrichtet, was natürlicher Weise geschehen kan. Der natürliche Weg muß als der bessere […] dem Wege der Wunderwercke beständig vorgezogen werden […], und fi nden dannenhero die Wunderwercke nicht eher statt, als bis er [sc. Gott, Hg.] seine Absicht natürlicher Weise nicht erreichen kan« (»Deutsche Metaphysik«, § 1041; GW I .2, S. 641). Reimarus schmiedet diese Überlegung in ein Argument gegen die Möglichkeit von Wundern um: Ist etwas dem biblischen Bericht zufolge durch ein Wunder geschehen, was auch auf natürliche Weise hätte bewirkt werden können, dann spricht
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bereits dieser Umstand gegen die Wahrheit des Berichts. Apologie, a. a. O., S. 345, 350. 154 Cf. hiermit 067 21–24. 155 Die Überlegenheit des ontotheologischen Ansatzes, so wird sich nun zeigen, manifestiert sich auch darin, daß durch ihn und ihn allein die Annahme von Wundern grundsätzlich unnötig ist. 156 Dieser Überzeugung hatte Kant bereits in der Vorrede zur Allgemeine[n] Naturgeschichte Ausdruck verliehen und sein dortiges Vorhaben, »das Systematische, welches die großen Glieder der Schöpfung in dem ganzen Umfange der Unendlichkeit verbindet […]« (Ak I, 2215–7 ), gegen den leicht vorhersehbaren Vorwurf zu verteidigen gesucht, dahinter verberge sich »eine Schutzrede des Gottesleugners« (Ak I, 22115). 157 Bereits in der Allgemeine[n] Naturgeschichte hatte Kant die Ansicht von Isaac Newton (1642–1727) zitiert, die Natur sehe einem »allmählichen Verfall« (Ak I, 31733 ) entgegen, aber es ist nicht völlig klar, inwiefern Newton die hier skizzierte Position wirklich vertreten hat, wonach der zu erwartende »Stillstand« nur durch göttliches Intervenieren vermieden werden kann. Jedenfalls hat Gottfried Wilhem Leibniz in seiner mit Samuel Clarke (1675–1729) geführten Auseinandersetzung Newton die Auffassung zugeschrieben, Gott müsse von Zeit zu Zeit in den Weltenlauf eingreifen, um durch erneute energetische Zufuhr diese Konsequenz zu vermeiden. Kant dürfte seine Auffassung mit großer Wahrscheinlichkeit aus dieser schon bald auch ins Deutsche übersetzten Korrespondenz zwischen Leibniz und Clarke geschöpft haben, die wie kein anderer gelehrter Briefwechsel das 18. Jahrhundert bewegte. Leibniz schreibt in seinem ersten Brief an Clarke: »Der Herr Newton und seine Anhänger haben eine sehr seltsamme Meinung von den Wercken Gottes. Ihrer Lehre nach hat Gott Ursache seine Uhr von Zeit zu Zeit aufzuziehen, in Ermangelung deßen sie ihre Bewegung nicht fortsetzen könnte. Er hat nicht Vorsicht genu[g] gehabt, um eine unverrückte und stets aneinander hangende Bewegung in sie zu legen. Nach ihren Grundsätzen ist diese Maschine Gottes so unvollkommen, daß er solche von einer Zeit zur andern durch einen außerordentlichen Einfluß säubern und in ihren richtigen Gang wieder bringen muß, und zwar nach Art eines Uhr-
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machers, der für einen desto schlimmern Künsteler muß gehalten werden, je mehr er genöthigt ist, sein Werk zu ändern und in einen bessern Stand zu bringen« (Gottfried Wilhelm Leibniz / Samuel Clarke: Merckwürdige Schrifften, welche […] zwischen dem Herrn Baron von Leibnitz und dem Herrn D. Clarcke über besondere Materien der natürlichen Religion in Frantzös. und Englischer Sprache gewechselt, und nunmehro mit einer Vorrede Herrn Christian Wolffens […] nebst einer Antwort Herrn Ludwig Philipp Thümmigs auf die fünffte Englische Schrifft, wegen ihrer Wichtigkeit in teutscher Sprache heraus gegeben worden von Heinrich Köhlern. Franckfurth und Leipzig 1720, S. 2 f.). Mit dieser Kritik bezog sich Leibniz, wie auch Clarke in seinem dritten Antwortschreiben vermutet, allem Anschein nach auf Query 31 von Newtons Optics. Dort hatte Newton gesagt: »Seeing therefore the variety of motion, which we fi nd in the world, is always decreasing; there is a necessity of conserving and recruiting it by active principles: such as are the cause of gravity […] and the cause of fermentation […]« (Optics: Or, a Treatise of the Refl ections, Refractions, Infl ections and Colours of the Light. In: Opera Quae Exstant Omnia. Faksimile-Neudruck der Ausgabe von Samuel Horsley, London 1779–1785, in fünf Bänden. Bd. IV, Stuttgart-Bad Cannstatt 1964, S. 259). Die sich aus diesem stetigen Verlust an Bewegung ergebende Konsequenz meint Newton, wenn er kurz darauf sagt, daß die Welt »[…] though being once formed, it may continue by those laws for many ages […], till this system wants a reformation« (ebd., S. 261 f.). Diese ›Reformation‹ kann aber nach Lage der Dinge nur durch Gott vorgenommen werden, denn »[…] we meet with very little motion in the world, besides what is owing to these active principles«, nämlich »gravity« und »fermentation« (ebd., S. 259 f.). So ist der Wortlaut der zweiten englischen Ausgabe der Optics von 1717. In der lateinischen Ausgabe dieses Werks von 1706, die Leibniz gelesen hat, fährt der soeben zitierte Satz aus Query 31 mit der zusätzlichen Bestimmung fort: »[…] owing either to these active principles or to the dictates of a will«, womit im letzteren Fall allein, wie Leibniz mit gutem Grund annahm, der göttliche Wille gemeint sein kann. So erklärt sich Leibnizens eingangs zitiertes Urteil, das Kant allem Anschein nach von diesem übernahm. Cf. hierzu H. G. Alexander in der Einleitung zu seiner Ausgabe der
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Leibniz–Clarke Correspondence. Together with Extracts from Newton’s »Principia« and »Opticks«. Manchester, New York 1956, S. XVIII . Für diese Quelle spricht auch, daß der zitierte Zusatz in der lateinischen Fassung der Optics durch Samuel Clarke, die Kant besaß, fehlt: Optice, Sive de Refl exionibus, Refractionibus, Infl exionibus et Coloribus Lucis Libri Tres. Latine reddidit Samuel Clarke. Editio secunda, auctior. London 1719, S. 407 (cf. Warda: Immanuel Kants Bücher, a. a. O., S. 35 [Nr. 24]. Die Philosophiae Naturalis Principia Mathematica besaß er in der editio ultima auctior et emandatior. Amsterdam 1714 [ebd., Nr. 23]). Die Interpreten vermuten im übrigen, daß der Zusatz schon für die englische Ausgabe von 1717 aufgrund eben der Leibnizschen Kritik gestrichen wurde. 158 Dieses kompensatorische Argument, das Kant in gleichem Kontext schon in der Allgemeine[n] Naturgeschichte (Ak I, 31816–17 ) eingesetzt hatte, weist auf Leibniz zurück. Er hatte die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß die Übel dieser Welt durch Güter in anderen möglichen Welten ausgeglichen oder gar überwogen werden und ihre Anstößigkeit dadurch zu depotenzieren gesucht. Cf. Essais de Théodicée. Teil I, § 19. Die philosophischen Schriften, a. a. O., Bd. VI , S. 113 f. 159 Die Rede von der Zusammenstimmung der Dinge, auf die man allenthalben stoße, bezieht Kant stets auf die physische Welt; die Disharmonien und Unordnungen oder, wie er später sagen wird, das »Zweckwidrige« (Ak VIII , 25610 u. ö.), das in der moralischen Welt feststellbar ist und das Theodizeeproblem virulent werden läßt, bleibt in der Beweisgrundschrift – abgesehen von der kurzen Reminiszenz in II .iv.1 – praktisch unberücksichtigt, wie er 06930 –070 04 offen eingesteht. Seine knappen Ausführungen zur Handlungsfreiheit sind von der Absicht geleitet, diese zwar anzuerkennen, sie aber gleichwohl in eine umfassende Naturordnung einzubinden, so daß die aus ihr resultiereden Folgen ebenfalls mit der »Regel des Besten« zusammenstimmen. 160 Kant denkt an den später (083 ) auch namentlich genannten 14 Probst Johann Peter Süßmilch (1707–1767) und dessen Werk Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts, aus der Geburt, Tod, und Fortpfl antzung desselben erwiesen. Nebst einer Vorrede Herrn Christian Wolffens. Berlin 1741. Kant besaß die
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»zwote und ganz umgearbeitete Auf lage« davon, die in zwei Teilen in Berlin 1761/62 erschienen war (cf. Warda: Immanuel Kants Bücher, a. a. O., S. 44 [Nr. 11]). Cf. dort Teil I, Kap. IV: »Verhältniß der jährlich getrauten Paare zu der Zahl der Einwohner eines Ortes […]«. Die von Kant genannte Zahl 110 klingt zunächst verblüffend. Deshalb haben einige Herausgeber (cf. die textkritische Fn. zu 06916 ) gemeint, statt 110 müsse es 10 heißen. So verfährt stillschweigend auch Zac 374 in seiner Übersetzung. Andernfalls nämlich, so wird dieser Texteingriff begründet, würde Kant sagen, daß einem Ehepaar 108 unverheiratete Menschen gegenüberstünden. Diese Konjektur dürfte indes unbegründet sein, denn, worauf Walford / Meerbote in CE 433 zu Recht hinweisen, Kant will ganz offenbar sagen, daß unter 110 aus einer begrenzten Region ausgewählten Menschen beiderlei Geschlechts sich zwei fi nden, die miteinander verheiratet sind. Das stellt S. 146 f. der Zweitauf lage der Schrift Süßmilchs klar. Dort kommt Süßmilch auf das Problem der quantitativen Bestimmung des Verhältnisses »der Heyrathenden zur Zahl der Lebenden« zu sprechen, wagt angesichts der lokalen Schwankungen aber keine genauen zahlenmäßigen Angaben zu machen. Denn »[…] es ist gezeigt, daß an einigen Orten unter 80, an andern unter 100, 110, 115 Eine Ehe jährlich entstehe […]« (H. v. Hg.). Mit Blick auf »[…] Dörfer, die vom Ackerbau leben, wie unsre Brandenburgische […]«, gibt Süßmilch das Verhältnis mit »1 zu 108 bis 115« an. Daraus hat Kant allem Anschein nach die Zahl 110 als eine Art Mittelwert gebildet. 161 Wenngleich Kants »Augenmerk […] mehr auf den Verlauf der Naturveränderungen gerichtet […]« ist (070 02–03 ), so zeigt er sich doch erkennbar darum bemüht, Gesetzmäßigkeiten auch in der sozialen Welt zu konstatieren und diese, zu deren Erfassung Süßmilch auf dem Gebiet der Bevölkerungsstatistik erstmals wissenschaftliche Schritte eingeleitet hatte, als mit seinem Ansatz einer durchgängig geregelten Einheitlichkeit in der Ordnung der Dinge vereinbar zu erweisen. Da Kant vor dem Auf kommen der Sozial- und Geisteswissenschaften schreibt, klafft hier freilich eine erhebliche Lücke. Doch es spricht für seine methodische Umsicht, diese Felder mit zu bedenken und ihre grundsätzliche Kompatibilität mit seinem Programm zu betonen.
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Die nun geäußerte Kritik wird 12329 –124 05 wiederaufgenommen und verschärft. Cf. Anm. 308. 163 Im Sinn von ›außerordentlich‹, ›erstaunlich‹, näherhin in der Bedeutung, daß darin ein »moment der ›befremdung‹ enthalten« ist. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. XIV, 2. Abt., Sp. 1845 (Nr. 5). 164 Kant spielt in einer an Hume erinnernden Weise den Begriff des Wunderbaren gegen den Begriff des Wunders aus. Hume war in der Wunderfrage zu dem Resultat gekommen, »[…] daß kein Zeugniß zureichend ist, ein Wunderwerk zu bestätigen und fest zu setzen, wofern nicht das Zeugniß von einer solchen Art ist, daß die Falschheit desselben noch ein größeres Wunder wäre, als die geschehene Sache, welche dieses Zeugniß fest zu setzen sich bemühet.« Philosophische Versuche über die menschliche Erkenntniß, a. a. O., S. 266. 165 II .iii.1 (060 29–31). 166 Kant kommt an dieser Stelle erneut auf das Sparsamkeitsprinzip zu sprechen (cf. Anm. 131). 167 Anspielung auf Newtons Entdeckung des Gravitationsgesetzes und die dadurch ermöglichte Vereinfachung der Physik. 168 René Descartes glaubte, mit seiner Theorie der Wirbel die Planetenbewegung erklären zu können. Die gesamte Himmelsmaterie, innerhalb derer sich die Planeten einschließlich der Erde befi nden, dreht sich ihm zufolge wie ein Wirbel, der die Sonne zu seinem Zentrum hat; derart, daß sich die der Sonne nahen Körper schneller und die weiter von ihr entfernten langsamer drehen (Principia Philosophiae, Teil III , §§ 30, 46–48). Newton hatte die Wirbeltheorie Descartes’ in den Philosophiae Naturalis Principia Mathematica (Buch II , Sect. 9, Prop. li–liii) geprüft und zurückgewiesen, denn die »[…] hypothesis Vorticum cum Phaenomenis Astronomicis omnino pugnat, et non tam ad explicandos, quam ad perturbandos motus coelestes conducit« (Buch II , Sect. 9, Prop. liii, Theor. lxi, Schol.; Opera, a. a. O., Bd. II , S. 459). Cf. auch das »Scholium Generale« am Ende der Principia Mathematica, wo er gleich eingangs noch einmal die Unhaltbarkeit der cartesischen Wirbeltheorie herausstellt (Opera, a. a. O., Bd. III , S. 170). Mittels seiner Gravitationstheorie hatte Newton eine neue, zukunftsweisende 162
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Erklärung der Planetenbewegungen gegeben. Kant kommt in der Beweisgrundschrift wiederholt auf die Wirbeltheorie zu sprechen und lehnt sie als durch Newtons Physik überholt ab (cf. 11328 – 114 05, 119 09–11). 169 Der Äther wurde in der Neuzeit physikalisch interpretiert und als ein mit feinster Materie angefülltes Medium konzipiert, das, so Newton, »[…] readily pervade[s] all bodies […] and is […] (by its elastick force) expanded through all the heavens« (Optics, Buch III , Query 18; Opera, a. a. O., Bd. IV, S. 223). Mittels der Ätherhypothese war es somit möglich, durch Gravitation zustandegekommene Fernwirkungen sowie die Ausbreitung des Lichts zu erklären. In Kants frühen naturphilosophischen Schriften spielt die Äthertheorie eine bemerkenswert marginale Rolle. Cf. aber die Meditationum Quarundam de Igne Succincta Delineatio (Ak I, 37716, 37912 , 38034 ) und auch die Negative[n] Größen (Ak II , 18728 ). 170 Schneetheologien hatten u. a. verfaßt: Christian Philipp Leutwein: Theologia Nivis Physico-Mysticae Dogmatico-Practica; das ist: Geistliche Lehr-Schul vom Schnee; oder Christliche Schnee-betrachtungen: darinnen nach Beschreibung der natürlichen Ursachen, einfältig gezeiget worden, welcher Gestalt ein andächtiger Christ den Schnee zu einer Veranlassung, aller Glaubens-Articul, aus Gottes Wort, sich zu erinnern, ihme dienen lassen, und in seinem Leben, Leiden und Sterben, erbauliche Gedancken dabey haben könne; zusamt einer historischen Erzehlung unterschiedlicher Exempel von einigem ungemein grossen und tiefgefallenen Schnee, was gemeiniglich darauf gefolget; wie auch einigen andern an- und mit dem Schnee sich ereigneten Begebenheiten. Mit einem kurtzen Anhang von etlichen Schnee- und Winter-Gebeten, wolmeinend verabfasset und zusammen getragen, auch in Hoffnung guter Erbauung, zum Druck befördert […]. Nürnberg 1693, sowie Balthasar Heinrich Heinsius: Chionotheologie, oder erbauliche Gedanken vom Schnee, als einem wunderbaren Geschöpfe Gottes zu mehrerer Nachspur der Fußstapfen der Allmacht, Weisheit und Güte Gottes. Züllichau 1735. 171 Im Sinn von ›zierlichkeit, eleganz‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. VII , Sp. 634 (Nr. 1). 172 Als vermutliche Quelle geben Menzer (Ak II , 472) und ihm folgend CE 433 an: Des Herrn Joseph Monti Abhandlung vom Schimmel. In: Hamburgisches Magazin, oder gesammelte Schriften, zum Unter-
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richt und Vergnügen, Bd. 19 (1757), S. 563–587. Monti diskutiert das von Kant genannte Problem unter der Fragestellung, ob zur Bildung von Schimmel Samen erforderlich ist oder nicht, kommt aber angesichts der Vielzahl der beobachteten Phänomene zu keinem eindeutigen Ergebnis (a. a. O., S. 582, 586). Vielmehr berichtet er von seinen Experimenten und trägt Gründe für beide Ansichten vor (a. a. O., S. 582–585), wobei er selbst der Auffassung zuneigt, »[…] daß der Schimmel von sich selbst entstehe […]« (a. a. O., S. 586 f.). 173 Der Dianenbaum (›Arbor Dianae‹ oder ›Arbre de Diane‹) ist das Resultat einer chemischen Reaktion, bei der man eine baum artige Auskristallisierung von Silberteilchen erhält, die zuvor in Salpetersäure gelöst und durch Quecksilber ausgefällt werden. Das Kristallisationsprodukt trägt den Namen ›Dianenbaum‹, weil ›Diana‹ der Name der Alchemisten für das Silber ist. Eine ursprünglich 1710 in französischer Sprache veröffentlichte Anleitung zur Erzeugung eines Dianenbaums durch Wilhelm Homberg erschien unter der Überschrift Von den künstlichen Vegetationen oder Gewächsen in: Der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Paris anatomische, chymische und botanische Abhandlungen. Aus dem Französischen übersetzt von Wolf Balthasar Adolph von Steinwehr. Bd. 3, Breslau 1751, S. 653–663. Möglicherweise stand Kant aber auch folgende Stelle aus Kap. XVII der Vénus physique von Maupertuis vor Augen, in der dieser unter der Überschrift »Conjectures sur la formation du foetus« die chemische Erzeugung eines ›Baumes der Diana‹ beschrieb: »Lorsque l’on mêle de l’argent et de l’esprit de nitre avec du mercure et de l’eau, les parties de ces matieres viennent d’elles-mêmes s’arranger pour former une végétation si semblable à un arbre, qu’on n’a pu lui en refuser le nom (›Arbre de Diane‹). Depuis la découverte de cette admirable végétation, l’on en a trouvé plusieurs autres: l’une, dont le fer est la base, imite si bien un arbre, qu’on y voit non seulement un tronc, des branches et des racines, mais jusqu’à des feuilles et des fruits« (Œuvres, Bd. II , a. a. O., S. 86). Zum Einfluß dieses Werks auf Kants Begriff der menschlichen Natur cf. Clara Carvajal: Pour une anthropologie des extrêmes. Échos de la »Venus physique« dans la définition du concept de nature humaine chez Kant. In: Robert Theis / Lukas K. Sosoe (Eds.):
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Anmerkungen des Herausgebers
Les sources de la philosophie kantienne aux XVIIe et XVIIIe siècles. Paris 2005, S. 303–311. 174 Die hier recht knapp formulierte Alternative hat Kant in der Methodenlehre der Kritik der Urteilskraft aus dem Jahr 1790 ausführlicher dargestellt und die entsprechenden Theorien unter den Bezeichnungen ›Okkasionalismus‹ und ›Prästabilismus‹ diskutiert. Der Theorie des Okkasionalismus zufolge »[…] würde die oberste Weltursache ihrer Idee gemäß bei Gelegenheit einer jeden Begattung der in derselben sich mischenden Materie unmittelbar die organische Bildung geben […]« (KU § 81; Ak V, 42224–26 ). Diese Auffassung verzichtet also völlig auf eine vernunftgemäße Beurteilung des vorliegenden Problems, so daß »[…] man voraussetzen kann, daß niemand dieses System annehmen wird, dem es irgend um Philosophie zu tun ist« (ebd., Ak V, 42234–35). Zufolge des Prästabilismus hingegen würde die oberste Weltursache »[…] in die anfänglichen Producte dieser ihrer Weisheit nur die Anlage gebracht haben, vermittelst deren ein organisches Wesen seines Gleichen hervorbringt und die Species sich selbst beständig erhält, imgleichen der Abgang der Individuen durch ihre zugleich an ihrer Zerstörung arbeitende Natur continuirlich ersetzt wird« (ebd., Ak V, 42226–31). Da der Prästabilismus nun »[…] ein jedes von seines Gleichen gezeugte organische Wesen entweder als das Educt, oder als das Product des ersteren« (ebd., Ak V 42237–42301; H. i. O.) betrachten kann, sind hier zwei Unterarten zu unterscheiden. Werden die Zeugungen »als bloße Educte« aufgefaßt, spricht Kant vom System der »individuellen Präformation«, das auch den Namen »Evolutionstheorie« trägt, besser aber als »Involutionstheorie (oder die der Einschachtelung)« bezeichnet würde; werden die Zeugungen hingegen »als Producte« angesehen, handelt es sich um das »System der Epigenesis« bzw. »der generischen Präformation«. Kant erklärt sich für die Theorie der Epigenesis, weil sie »[…] mit dem kleinst-möglichen Aufwande des Übernatürlichen alles Folgende vom ersten Anfange an der Natur überläßt (ohne aber über diesen ersten Anfang, an dem die Physik überhaupt scheitert, […] etwas zu bestimmen)« (ebd., Ak V, 42414–16). Dem entspricht die an der vorliegenden Stelle genannte zweite Alternative, für die Kant sich am Ende dieser Nummer ausspricht, weil sie mit seiner Leit-
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idee einer möglichst umfassenden Einheit der Natur auch in ihren organischen Produkten am besten zusammenstimmt. Cf. John Zammito: Kant’s Early Views on Epigenesis. In: Justin E. H. Smith (Ed.): The Problem of Animal Generation in Early Modern Philosophy. Cambridge 2006, S. 317–354; hier: S. 342. Kant kommt in II .vi.4 (10208 ff.) erneut auf diese der Biologie seiner Zeit entstammenden Theorien zu sprechen und beurteilt sie dort unter dem Gesichtspunkt des in ihnen zum Ausdruck kommenden Grades philosophischer Erklärung. 175 Die Theorien von George Louis Leclerc, Comte de Buffon (1707–1788), und Maupertuis werden von Kant als Beispiele für den von ihm in der Kritik der Urteilskraft sogenannten ›Prästabilismus‹ (cf. Anm. 174) angeführt. Buffon hatte seiner Histoire naturelle, générale et particulière unter der Überschrit »Exposition des systèmes sur la génération« einen detaillierten Bericht über die von Aristoteles bis Maupertuis vorgetragenen Theorien der Fortpfl anzung beigegeben. Zuvor hatte er seine eigene Theorie in Kap. 2 unter der Überschrift »De la Reproduction en général« vorgestellt und dort mit dem, wie er sagt, neuartigen und widersprüchlich erscheinenden, aber auf »de bonnes analogies« gegründeten Konzept sogenannter ›moules interieurs‹ zur Erklärung der Reproduktionsfähigkeit gearbeitet. »De la même façon que nous pouvons faire des moules par lesquels nous donnons à l’extérieur des corps telle figure qu’il nous plaît, supposons que la Nature puisse faire des moules par lesquels elle donne non seulement la figure extérieure, mais aussi la forme intérieure, ne seroit-ce pas un moyen par lequel la reproduction pourroit être opérée?« (Bd. III , 5. Aufl. Paris 1752, S. 48 f.). Den Begriff ›moule intérieur‹ erläutert er a. a. O., S. 51 ff. Zu Buffons Fortpfl anzungstheorie cf. Jacques Roger: Les sciences de la vie dans la pensée française du XVIIIe siècle. Seconde édition complété. Paris 1963, S. 542–558, zu Buffons Einluß auf Kant und zum Begriff ›moule interieur‹ cf. Christiaan Doude van Troostwijk: Buffon catalyseur de la critique? Moule intérieur et premier fondement de différenciation. In: Theis / Sosoe (Eds.): Les sources de la philosophie kantienne, a. a. O., S. 353–360. Die Zeugungstheorie von Maupertuis behandelt Roger: Les sciences de la vie, a. a. O., S. 474–487 sowie Tonelli: La pensée philosophique de Maupertuis, a. a. O., S. 48–50.
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Anmerkungen des Herausgebers
Schon zur Erklärung der Bildung einfachster organischer Körper wie dem Auge und dem Ohr reicht Maupertuis zufolge die Annahme nur mechanischer Gesetze nicht aus. Zu diesem Zweck, so sagt er in § 14 des Systême de la Nature, »[…] il faut avoir recours à quelque principe d’intelligence, à quelque chose semblable à ce que nous appelons desir, aversion, mémoire« (Œuvres, a. a. O., Bd. II , S. 147; H. i. O.). In § 28 wiederholt er diese Auffassung bezüglich der Entstehung belebter Körper (ebd., S. 155), bevor er sie ab § 31 näher ausführt und dabei den »[…] élémens propres à former le foetus […] une espece de souvenir de son ancienne situation […]« zubilligt (§ 33, ebd., S. 158). Zu den biologistischen Ansichten von Maupertuis cf. Ilse Jahn: Maupertuis zwischen Präformations- und Epigenesistheorie. Sein Beitrag zu biologischen Fragen des 18. Jahrhunderts. In: Hecht (Hg.): Pierre Louis Moreau de Maupertuis, a. a. O., S. 89– 101, sowie Mary Terrall: The Man who Flattened the Earth. Maupertuis and the Sciences in the Enlightenment. Chicago 2006, Kap. 7: »Towards a Science of Living Things«, S. 199–230. 177 Das ist die in der Kritik der Urteilskraft (Ak V, 422 24–26 ) als ›Okkasionalismus‹ bezeichnete Theorie, die von Kant – hier wie dort – als gänzlich unphilosophisch verworfen wird (cf. Anm. 174). Die Praxis, angesichts der Schwierigkeiten, die den naturwissenschaftlichen Theorien zur Erklärung der Phänomene anfangs immer entgegenstehen, ganz auf solche zu verzichten und statt dessen Zuflucht zu Gott als Erklärungsgrund zu nehmen, wird von Kant auch an dieser Stelle scharf gegeißelt. Cf. ebenso 07930 –08016. In gleichem Sinn ist schon in der Allgemeine[n] Naturgeschichte von der »faulen Weltweisheit« die Rede, »[…] die unter einer andächtigen Miene eine träge Unwissenheit zu verbergen trachtet […]« (Ak I, 33422–23 ). Im kritischen Hauptwerk wird diese Kritik mittels der begriff lichen Opposition eines konstitutiven und regulativen Gebrauchs der Vernunft präsentiert und zum Lehrstück von der »faulen Vernunft« weiterentwickelt. Diese dokumentiert sich in dem »Fehler«, »[…] daß man die Idee eines höchsten Wesens nicht bloß regulativ, sondern […] konstitutiv braucht […]« (KrV A 689 / B 717, cf. A 773 / B 801). Ein solches Verfahren macht es »der Vernunft zwar sehr bequem«, weil sie von aller mühsamen Detailforschung entbunden wird, bewirkt aber auch, daß es »[…] 176
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allen Naturgebrauch derselben nach der Leitung der Erfahrungen ganz verdirbt und zugrunde richtet« (KrV A 690 / B 718). 178 Dieser Gedanke kehrt bei der Erörterung des Themas in der Kritik der Urteilskraft wieder: »[…] gleich als wenn es nicht einerlei wäre, übernatürlicher Weise im Anfange oder im Fortlaufe der Welt dergleichen Formen entstehen zu lassen […]« (§ 81; Ak V, 42320–22 ). 179 Im temporalen Sinn von ›wann‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. XIV, 1. Abt., 2. Teil, Sp. 52, Sp. 53 f. (Nr. I . A. 1). 180 In diesem Sinn äußert sich Kant auch in II .vi.4 gegen die Annahme einer unmittelbaren Schöpfungstat Gottes bei der Erzeugung neuer Lebewesen (10212 ff.). 181 Das ist die erste Belegstelle in der Beweisgrundschrift und überdies in Kants Druckschriften überhaupt für den Terminus ›Physikotheologie‹. Das Substantiv kommt 7mal in diesem Werk vor, das entsprechende Eigenschaftswort 6mal (cf. Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund«, a. a. O., S. 366 f.). Kant führt den Begriff in dieser Nummer nicht historisch ein, sondern exponiert ihn unter systematischem Gesichtspunkt. Er bezeichnet mit ihm unter Absehung von den Wundern, die nicht an einen reflektierenden Kopf appellieren, zwei philosophische Wege, um aus Gottes Wirkungen sein Dasein zu erschließen. Historisch betrachtet ist der physikotheologische Beweis »[…] der älteste, klarste und der gemeinen Menschenvernunft am meisten angemessene« (KrV A 623 / B 651), ja er ist nach Aussage der Beweisgrundschrift »[…] so alt wie die menschliche Vernunft« (13518–19 ). Tatsächlich fi nden sich Belege für physikotheologische Überlegungen schon in der Antike, etwa bei Sokrates, und auch im Alten Testament kommen sie vor. So heißt es im apokryphen Buch Weisheit 13, 5: »Denn es wird an der Größe und Schönheit der Geschöpfe ihr Schöpfer wie in einem Bild erkannt werden« (Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. Mit Apokryphen und Wortkonkordanz. Bibeltext in der revidierten Fassung von 1984. Hg. von der Evangelischen Kirche in Deutschland und vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR . Stuttgart 1990). Der Be-
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griff ›Physikotheologie‹ ist eine Prägung des 17. Jahrhunderts. Er kommt in England auf und bezeichnet, wie die zwei Bestandteile des Wortes schon zu erkennen geben, den Versuch, aus der Schönheit und Zweckmäßigkeit der Natur (φύσις ) die Existenz und Attribute Gottes ( θεός ) zu erschließen. Im Hintergrund derartiger Bemühungen steht der immense Aufschwung, den die Naturwissenschaften im 17. Jahrhundert genommen hatten, und namentlich das Werk Isaac Newtons, das die Natur als ein geordnetes Ganzes von großer struktureller Einheitlichkeit erwies, hinter der man Gottes planende Hand zu sehen meinte. Da physikotheologische Betrachtungen unabhängig von konfessionell gebundenen religiösen Überzeugungen sind, gleichwohl aber zur Anerkennung von Gottes Existenz und Eigenschaften führen, eignen sie sich zur Grundlegung einer natürlichen Religion, wie sie der Deismus im Auge hatte. Infolgedessen fallen die Blütezeit der Physikotheologie und des Deismus zusammen. Sie erstreckt sich in England etwa von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, als Hume ihr den Boden entzieht. In Deutschland setzt die physikotheologische Bewegung später ein und erstreckt sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Wolffs Werk zur Physikotheologie erscheint 1724 unter dem Titel Vernünfftige Gedancken von den Absichten der natürlichen Dinge zu einer Zeit, als die Bewegung auch in Deutschland bereits in vollem Gange ist. Allenthalben erblickt man in der Natur Fingerzeige für Gottes Dasein und Güte, und so erscheinen in reicher Flut z. B. »Ichthyo-« (Fisch-), »Bronto-« (Donner-), »Litho-« (Stein-), »Locusta-« (Heuschrecken-)Theologien, die auch erbaulichen Zwecken dienen sollen, eben dadurch aber die ursprüngliche physikotheologische Idee verwässern. Waschkies behandelt die physikotheologischen Autoren, die Kant gelesen haben mag: Physik und Physikotheologie des jungen Kant, a. a. O., S. 46 ff., erfaßt diese aber keineswegs, was wohl auch schwerlich möglich sein dürfte, vollständig, wie ein Vergleich mit den von uns allein für die Beweisgrundschrift aufgewiesenen Quellen Kants zeigt. Unter den von ihm benannten Autoren weist er Martin Knutzen herausgehobene Bedeutung zu. Ebd., S. 61. 182 Lessing zufolge bezeugte sich Gott den Juden der vorexilischen Zeit, die er in Übereinstimmung mit der Ansicht des Reima-
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rus und anderer als das »ungeschliffenste, das verwildertste [Volk]« ansah, durch Wunder als der mächtigste aller Götter. Die Erziehung des Menschengeschlechts, §§ 12–13. In: Werke. Bd. VIII : Theologiekritische Schriften III. Philosophische Schriften. In Zusammenarbeit mit Karl Eibl, Helmut S. Göbel, Karl S. Guthke u. a. hg. von Herbert G. Göpfert. München 1979, S. 491 f. 183 Bereits eingangs der Vorrede war der »natürliche gemeine Verstand« (00511–12 ) als taugliches Instrument zur Erlangung der Gewißheit der Existenz Gottes und seiner Eigenschaften bezeichnet worden. 184 Kant bildet das Adjektiv zu ›Physikotheologie‹ fünfmal auf ›physischtheologisch‹ (in der Schreibweise der Akademieausgabe: physisch-theologisch) und nur einmal auf ›physikotheologisch‹; ein Bedeutungsunterschied geht damit nicht einher. Cf. Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund«, a. a. O., S. 366 f. 185 Ein erstes ausdrückliches Lob auf die Physikotheologie, das in manchem an die deutliche Herausstellung ihrer Vorzüge erinnert, die Kant innerhalb der Kritik der reinen Vernunft (A 623 f. / B 651 f.) vornimmt. Positive Würdigungen der Verdienste der Physikotheologie fi nden sich an mehreren Stellen der Beweisgrundschrift (cf. etwa 08430 –08506, 13414–28 ), und auch schon in der Allgemeine[n] Naturgeschichte stellt Kant ihre Bedeutung wiederholt anerkennend heraus, freilich ohne sich dieses Terminus’ dort zu bedienen. Gleich in der Vorrede zu diesem Werk heißt es: »Ich erkenne den ganzen Werth derjenigen Beweise, die man aus der Schönheit und vollkommenen Anordnung des Weltbaues zur Bestätigung eines höchstweisen Urhebers zieht« (Ak I, 22228–30 ). Ebenso im zentralen 8. Hauptstück des 2 Teils: »Man kann das Weltgebäude nicht ansehen, ohne die treff liche Anordnung in seiner Einrichtung und die sicheren Merkmaale [!] der Hand Gottes in der Vollkommenheit seiner Beziehungen zu kennen. Die Vernunft, nachdem sie so viel Schönheit, so viel Treff lichkeit erwogen und bewundert hat, entrüstet sich mit Recht über die kühne Thorheit, welche sich unterstehen darf, alles dieses dem Zufalle und einem glücklichen Ungefähr zuzuschreiben« (Ak I, 33125–31). In der letzten Abteilung der Beweisgrundschrift ( III .iv) wird Kant die Vorzüge der Physiko-
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theologie noch einmal im Zusammenhang herausstellen und dabei insbesondere ihren positiven Einfluß auf die Sittlichkeit betonen. 186 Von John Hill (1714–1775) war ein zweibändiges Werk mit dem Titel A General Natural History. London 1748–1752, erschienen. Das Hamburgische Magazin, oder gesammelte Schriften, zum Unterricht und Vergnügen machte das deutsche Publikum mit Hills Arbeiten in den Jahren 1753–1758 bekannt. Für die vorliegende Stelle ist einschlägig die III. Fortsetzung der microscopischen und physikalischen Beobachtungen des Herrn Dr. Hill, die dort in Bd. 19 (1757), S. 233–290 unter der Überschrift Der XIII. Versuch. Beschreibung eines Insects, das in frischem Wasser gefunden wird, und der Art wie sich selbiges nähret erschien. 187 Im Sinn von ›befl issen‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. IV, 1. Abt., 1. Hälfte, Sp. 2144 (Nr. 2). In diesem Sinn kommt ›gefl issen‹ nur zweimal in Kants Druckwerk vor, beide Male in der Beweisgrundschrift; außer an der vorliegenden Stelle noch 07822 . Daneben kennt bereits der vorkritische Kant auch das moderne ›befl issen‹ (z. B. Ak II , 042 08, 04337 ). 188 Diese Zeilen knüpfen einerseits an das nur von »edle[n] Seelen« empfundene Vergnügen an, das »der Anblick eines bestirnten Himmels bei einer heitern Nacht« verschafft, von dem im »Beschluß« der Allgemeine[n] Naturgeschichte die Rede ist (Ak I, 36727– 29 ), und weisen andererseits bereits auf das Pathos des »Beschlusses« der Kritik der praktischen Vernunft von 1788 voraus. Die eine Quelle der das Gemüt erfüllenden »Bewunderung und Ehrfurcht«, von der Kant im späteren Werk spricht (Ak V, 16134 ), ist hier wie dort der »bestirnte Himmel über mir«; die andere Quelle ist hier freilich noch nicht das Bewußtsein des Sittengesetzes, sondern die Ordnung, die sich selbst in der kämpferischen Auseinandersetzung der Tiere in der mikrokosmischen Wasserwelt dokumentiert. 189 ›Mathematische‹ und ›moralische Gewißheit‹ sind evidenztheoretische Fachtermini der frühneuzeitlichen Philosophie. Unter ›moralischer Gewißheit‹ versteht man spätestens seit Descartes eine Evidenz, die zwar nicht den hohen Grad mathematischer Sicherheit erreicht, bei der es undenkbar ist, daß sich die Sache anders verhalten könnte als vorgestellt, weil nämlich ihr Gegenteil einen Widerspruch einschlösse, die aber für die alltägliche Lebenspraxis
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hinreicht und von niemandem mit gesundem Verstand bezweifelt wird. Im Discours de la méthode defi niert Descartes sie folgendermaßen: »[…] une assurance morale de ces choses [sc. comme d’avoir un cors {!}, et qu’il y a des astres et une terre, et choses semblables], qui est telle, qu’il semble qu’a moins que d’estre extravagant, on n’en peut douter, toutefois aussy, a moins que d’estre déraisonnable […].« Œuvres de Descartes, a. a. O., Bd. VI , S. 37 f. 190 Zu der nun folgenden Kritik der Physikotheologie cf. das entsprechende Kapitel »Von der Unmöglichkeit des physikotheologischen Beweises« in der Kritik der reinen Vernunft (A 620–630 / B 648–658), in dem Kant hier bereits geäußerte Argumente wieder aufnimmt. 191 Diese Gefahr hatte Kant bereits in der Allgemeine[n] Naturgeschichte gesehen: »Wird der Feind der Vorsehung nicht eben so viel Siege […] davon tragen, als er Übereinstimmungen aufweisen kann, welche die allgemeinen Wirkungsgesetze der Natur ohne alle besondere Einschränkungen hervorbringen?« Ak I, 33323–27. 192 Wer so verfährt, berücksichtigt also nicht den von Kant in II .iii.2 herausgearbeiteten Unterschied zwischen der notwendigen Einheit der Naturgesetze, die man hauptsächlich im anorganischen Bereich der Natur antrifft, und der zufälligen Einheit derselben, die im organischen Bereich dominiert. 193 Kant greift aus der schier unerschöpf lichen Menge an Themen, welche die physikotheologischen Schriftsteller im Bereich der belebten Natur fanden, die Spinne und den kunstvollen Bau ihres Körpers heraus. Das ausgewählte Beispiel weist möglicherweise auf eine Abhandlung von Gerhard Mejer hin, der dem norddeutschen Zentrum der physikotheologischen Bewegung um Johann Albert Fabricius zuzuzählen ist. Mejer hatte 1697 in einer Hamburger Dissertation mit dem Titel Aranearum Tela[e] Divinae Existentiae Testes eine Spinnentheologie vorgetragen und sie mit den Worten eröffnet: »In aranearum telis cum utilitate certat subtilitas« (§ 1). Mejer beschreibt die Organe der Spinne ausführlich und stellt dann die entscheidende Frage, auf die auch Kant mit diesem Beispiel hinauswill: Sind die Organe der Spinne mit Notwendigkeit aufgrund einer »prima necessitas materiae« bzw. eines »fortuito atomorum concursus« (§ 14) so zweckmäßig gestaltet oder realisiert
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sich im Bau des Spinnenkörpers das absichtsvolle Handeln einer höheren Intelligenz? Für Mejer, der die Abhandlung mit einem in Majuskeln gesetzten »Soli Deo Gloria« beschließt, steht das Ergebnis von Anfang an fest: Die feinen Spinnennetze liefern den gottesfürchtigen Menschen ein Höchstmaß an Gewißheit bezüglich der Wahrheit ihrer Überzeugung (§ 1). Kant schließt sich Mejers Ansicht insofern an, als er den kunstvollen Bau der Spinne »einer weisen Willkür« zuschreibt. Wahrscheinlicher aber steht im Hintergrund dieses Kantischen Beispiels die Abhandlung Observationen von den Spinnen von Wilhem Homberg, die ursprünglich im Jahr 1707 in französischer Sprache publiziert und auch dem deutschen Publikum zugänglich gemacht wurde (Der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Paris physische Abhandlungen. Aus dem Französischen übersetzt von Wolf Balthasar Adolph von Steinwehr. Bd. 3, Breslau 1749, S. 1–16). Dafür spricht zum einen der Umstand, daß Kants oben angeführtes Beispiel vom ›Baum der Diane‹ ebenfalls auf diesen Autor und dieses in Breslau erscheinende Organ mit Übersetzungen der Pariser Akademieabhandlungen hinweist (cf. Anm. 173). Zum anderen konnte Kant dort auch die Abhandlung von Mairan fi nden, auf die er weiter unten anspielt (cf. Anm. 282). Sodann aber liefert Homberg in diesen Observationen eine detaillierte Beschreibung von sechs Arten von Spinnen und bedient sich dabei einer Terminologie, die der Kantischen sehr ähnlich ist. Schließlich werden auch die Zwecke, denen die beschriebenen ›Werkzeuge‹ oder ›Organe‹ der Spinnen dienen, bei Homberg in ganz analoger Weise wie bei Kant benannt (cf. hierzu bes. S. 3 f. seiner Abhandlung). Im Unterschied zu Mejer fi ndet sich bei Homberg jedoch keine Rückführung dieses zweckmäßigen Baues des Spinnenkörpers auf einen göttlichen Willensbeschluß. 194 Wiederholung der schon in der Allgemeine[n] Naturgeschichte vertretenen und hier in II .iv.1 ausgesprochenen Überzeugung von der höheren Komplexität der ›organischen‹ gegenüber der ›unorganischen‹ Natur (cf. Anm. 151). Kant tendiert deshalb dazu, die Einrichtung der belebten Organismen auf entsprechende Anordnungen Gottes zurückzuführen und spricht diese Auffassung am Ende von II .vii.2 sehr dezidiert aus (11313–17 ). Gleichwohl schärft er ein, auch bei der Betrachtung der belebten, ›organischen‹ Na-
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tur die Maxime der Einheitlichkeit der Natur zu unterstellen, wodurch manches auf den ersten Blick frappierend erscheinendes Naturphänomen als Konsequenz allgemeiner Gesetzmäßigkeiten erkannt werden mag. Cf. 064 08–18, 08917–24. 195 Das ist in beinahe gleichem Wortlaut eine Wiederholung der am Ende von II .ii bereits vorgetragenen Überlegung. Kant verschärft sie hier durch den Hinweis auf die in der gewöhnlichen Physikotheologie liegende Gefahr, die durch seine Verbesserung derselben allererst ausgeräumt werde. Weit davon entfernt also, daß man hinter dem Plan seiner Abhandlung einen getarnten Angriff auf die Religion erblicken könne, führen seine Darlegungen vielmehr zu einer Konsolidierung der Physikotheologie. 196 Mit dieser Kritik knüpft Kant abermals an immer wieder geäußerten Warnungen an, nicht überstürzt zur Erklärung noch rätselhafter Phänomene auf Gott zu verweisen, weil ein solches Verfahren die Erkenntniskräfte erlahmen läßt und dem Wissenserwerb behindernd im Wege steht. Denn die Antwort steht immer schon fest, noch ehe die Frage eigentlich gestellt ist. Mit Philosophie hat ein solches vorschnelles Rekurrieren auf den göttlichen Willen jedenfalls nichts zu tun. Das schärft auch Pierre Bayle seinen Lesern immer wieder ein, so z. B. im Art.: Sennert, Daniel, Anm. C: »Will man zu Gott, als der unmittelbaren Ursache, die Zuflucht nehmen, so heißt das nicht philosophier[en].« Historisches und critisches Wörterbuch, a. a. O., Bd. IV, S. 196 a. 197 In diesem Sinn hatte Johann Christoph Wolf (1683–1739) ein physikotheologisches Werk mit dem Titel verfaßt: Orotheologie, oder natürliche Betrachtung über die Berge, als wichtige Zeugen der allmächtigen Weisheit, Vorsehung und Güte Gottes, und Leiter der Menschen zur schuldigen Verehrung und Anbetung, Lob und Dank, Gehorsam, Liebe und Vertrauen gegen denselben. Hof 1756. Die gewöhnliche Physikotheologie frönt damit der soeben angesprochenen ›Philosophie der Faulen‹, die Baumgarten als diejenige defi niert hatte, »[…] die das relative Erste für das absolut Erste hält […]« (Metaphysica / Metaphysik, § 423; a. a. O., S. 227). In gleichem Sinne wie hier hatte Kant die »faule Weltweisheit« bereits in der Allgemeine[n] Naturgeschichte gegeißelt, weil diese »[…] unter einer andächtigen Miene eine träge Unwissenheit zu verbergen trachtet […].« Ak I, 33422–23.
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Zur Entstehung der Gebirge cf. R 97 (Ak XIV, 596–615), R 99, R 100 (Ak XIV, 617) sowie Physische Geographie, §§ 42–43, Ak IX , 241–248. 199 Zur Entstehung des Flußbettes cf. R 87 »Von dem Wasserbette der Ströme«, R 88 »Von der Figur des Wasserbettes der Ströme«, R 89 »Von dem Nutzen dieser Figur« (Ak XIV, 546–553), ferner die R 93 bis R 97 sowie Physische Geographie, deren §§ 55– 62 unter der Überschrift »Geschichte der Flüsse« stehen (Ak IX , 276–281). Erich Adickes weist in seinen Erläuterungen zur R 87 darauf hin, daß Buffons Histoire naturelle Kants Auffasung von der Bildung der Flußbette in den 1750er Jahren stark beeinflußt hat (Ak XIV, 548). Die Quellennachweise hat Adickes in seiner Studie Kants Ansichten über Geschichte und Bau der Erde. Tübingen 1911, S. 38–44, 58–60, geliefert. Die geäußerte Kritik trifft im Kern auch Wolff. Bevor dieser in § 187 seiner »Deutschen Teleologie« ( GW I .7, S. 359) über den »Nutzen der Flüsse« handelt, legt er die Unverzichtbarkeit des Wassers und die aus seiner überall gegebenen Vorhandenheit zu ersehende Güte Gottes dar, der durch den Bau der Erde enstprechende Fürsorge traf: »Weil nun das Wasser für Gewächse, Menschen und Thiere […] höchst nöthig ist; so ist auch dasselbe durch den Erdboden so vertheilet, daß man nirgends daran einen Mangel fi ndet. […]. Es ist gnung [!], daß auf dem Erdboden überall ein solcher Vorrath vorhanden, damit Regen und Thau kan unterhalten und künstliche Brunnen können reichlich versehen werden. Und hieraus erkennet man die Vorsorge GO ttes, der die Erde mit Weißheit zubereitet […]. Denn die Erde ist das Wohnhauß für Menschen und Thiere […]. Es ist aber auch so zubereitet, daß nichts dazu fehlt, welches sie wohnbahr macht« (ebd., § 187, S. 357). 200 Näherhin 060 –061 . 31 17 201 Sanherib war von 704 bis 681 v. Chr. König von Assyrien. Als er Jerusalem belagerte, schickte Gott nach Jesaja 37, 36 und 2. Könige 19, 35 zum Schutz der Stadt des Nachts einen Engel in das Lager seiner Truppen, der 185 000 Mann tötete, so daß Sanherib schmachvoll abziehen mußte. Profane Berichte führen den überraschenden Rückzug Sanheribs auf andere Gründe zurück. So sollen Feldmäuse in einer einzigen Nacht der ganzen Armee die 198
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Köcher, Bogen, Schilde sowie das Zaumzeug der Pferde zernagt haben, so daß die Soldaten des morgens die Flucht ergriffen. Der britische Theologe Humphrey Prideaux (1648–1724) hat in seinem Werk The Old and New Testament Connected in the History of the Jews and Neighbouring Nations. 2 Bde., London 1716–1718, unter Hinweis auf den Reisebericht Jean de Thevenots die von Kant zitierte Meinung vertreten, daß unter dem Engel, von dem in den genannten alttestamentarischen Büchern die Rede ist, der gef ährliche Wind Samiel zu verstehen sei. Prideaux hält der im Talmud vertretenen Ansicht, die Vernichtung der Armee sei auf ein Unwetter zurückzuführen, entgegen, »[…] es ist wahrscheinlicher, daß der heiße Wind über sie geschickt wurde welcher in dieser Gegend gar gemein ist, und öffters, wenn er unter einem Hauffen wehet, eine große Anzahl Menschen unter ihnen in einen [!] Augenblicke hinreißet […]. Und die Worte Jesaiä mit welchen er dem Sennacherib einen Wind bedrohlich vorhält, den GO tt über ihn schicken wolle, scheinen diß zu bedeuten« (Humphrey Prideau’x Alt- und Neues Testament in eine Connexion mit der Jüden und benachbarten Völkker Historie gebracht, von Verfall der Reiche Israel und Juda an, biß auf Christi Himmelfarth, worinnen die Biblische Geschichte durch die Weltliche vortrefflich bestätiget, alle Begebenheiten in ihre richtige Ordnung und Zeit eingewiesen, verschiedene rare Anmerckungen und Antiquitäten beygefüget, und in Summa durchgehends der Schrifft, insonderheit den Propheten, ein unvergleichlich Licht gegeben wird. Aus dem Englischen ins Hochdeutsche übersetzet durch August Tittel. Erster Theil, Dresden 1721, S. 32). Kant konnte einen Hinweis auf diese Interpretation von Prideaux bei Caspar Abel fi nden: Hebräische Alterthümer. Worinnen nicht allein die Geschichte des Volckes Gottes und der benachbarten Nationen, vom Anfange der Welt bis auf die letzte Verstöhrung, sowol aus der heiligen Schrifft, als aus Jüdischen, Mahumedanischen und Heydnischen, wie auch Christlichen Büchern und Nachrichten gründlich und zulänglich vorgestellet […]. Leipzig 1736, Buch I, Kap. 3, S. 456. 202 Cf. Anm. 147. 203 Wie mir Herr Dr. Volkmar Schüller (Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin) in seinem Brief vom 2. Okt. 2007 freundlicherweise bestätigt, kann Kant hiermit nur die Stelle Principia Mathematica, Buch III , Prop. xviii. Opera, a. a. O., Bd. III ,
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S. 34 f. im Auge haben, da sich Newton nirgendwo sonst zum Thema der Erdgestalt äußert. Kants Wiedergabe der Newtonschen Ansicht ist aber zumindest zweifelhaft, wenn nicht gar irrig, wenn er tatsächlich diese Stelle aus Newtons Principia Mathematica im Auge und seine diesbezügliche Auffassung nicht aus einer sekundären Quelle geschöpft haben sollte. Newton setzt nämlich den ursprünglich flüssigen Zustand der Erde voraus und zeigt sodann, daß sie infolge der Erdrotation eine ellipsoidale und keine kugelförmige Gestalt annehmen mußte. Er schließt also nicht, wie Kants Text verstanden werden könnte, von der Gestalt der Erde auf ihren vormals flüssigen Zustand zurück. – Schon in dem Aufsatz des Jahres 1754 Die Frage, ob die Erde veralte, physikalisch erwogen versichert Kant wiederholt, daß »die Erde, als sie sich aus dem Chaos erhob, unfehlbar vorher in flüssigem Zustande (war)« (Ak I, 199 01–02 , cf. 199 07–08, 19920–21), ohne dort diese Ansicht mit dem Namen Newtons in Verbindung zu bringen. Auch in der Allgemeine[n] Naturgeschichte kommt er auf dieses Modell mehrmals zu sprechen (Ak I, 28823–36, 32737–32821), das nach Auskunft von Herrn Dr. Schüller das damals übliche war und auch von Huygens vertreten wurde. 204 Der Inhalt dieses Absatzes ist übernommen aus der Allgemeine[n] Naturgeschichte (Ak I, 33829 –339 07 ). 205 So Newton im »Scholium Generale« der Principia Mathematica: »Planetae sex principiales revolvuntur circum Solem in circulis Soli concentricis, eadem motus directione, in eodem plano quamproxime. […]. Et hi omnes motus regulares originem non habent ex causis Mechanicis […]. Elegantissima haecce Solis, Planetarum et Cometarum compages non nisi consilio et dominio Entis intelligentis et potentis oriri potuit. Et si stellae fi xae sint centra similium systematum, haec omnia, simili consilio constructa, suberunt Unius dominio […].« Opera, a. a. O., Bd. III , S. 171; H. i. O. 206 In diesem Fall also, so vermutet Kant, hätte Newton bereits getan, was Kant sich in der Allgemeine[n] Naturgeschichte vorgenommen hatte, nämlich eine streng mechanistische Erklärung des Ursprungs des Universums und der Bewegungen der Himmelskörper mittels der Gesetze der Attraktion und Repulsion sowie unter der Voraussetzung einer ursprünglich sich im gesamten Universum ungeordnet verteilten Materie zu liefern (Ak I, 22532 –22615).
Anmerkungen des Herausgebers
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Es ist allerdings fraglich, ob sich Newton dieser Vereinnahmung durch Kant nicht widersetzt hätte, denn tatsächlich mißt er dem Eingreifen Gottes in seiner Naturphilosophie unter vielf ältigen Gesichtspunkten eine weit größere Bedeutung zu, als Kant hier erkennen läßt. Das belegt etwa das »Scholium Generale« der Principia Mathematica und auch Query 31 der Optics. In II .vii wird Kant seine Absicht »einer Erklärung von dem Ursprung des Weltbaues nach allgemeinen mechanischen Gesetzen« (10626–27 ) auf der Grundlage von Newtonschen Prämissen wiederholen und einen Abriß seiner so gearbeiteten Kosmogonie von 1755 präsentieren. 207 Die in der Vorrede zur Allgemeine[n] Naturgeschichte formulierte und dem überängstlichen Verteidiger der Religion zugeschriebene Befürchtung, »[…] daß diejenigen Übereinstimmungen, die sich aus einem natürlichen Hang der Materie erklären lassen, die Unabhängigkeit der Natur von der göttlichen Vorsehung beweisen dürften«, ist also unbegründet. Ak I, 22316–19. 208 Im Sinn von ›nicht achten‹, ›übergehen‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. XII , 2. Abt., Sp. 873 (Nr. d), Sp. 874 (Nr. g, ß). 209 In der Erstauf lage seiner Göttliche[n] Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts von 1741 hatte Süßmilch in Kap. V unter der Überschrift »Von der Fortpfl anzung und Verhältniß des Männl. und Weibl. Geschlechtes« als Ursache für den Geburtenüberschuß an Knaben mehrere Gründe angeführt und in § 61 resümiert: »Es ist nicht sowohl der Mangel der Kräfte als die Verringerung der Kräfte durch Arbeit, Strapazen und Unmäßigkeit im Trinken, die Ursach der geringern Dauer des Lebens bey denen Manns-Personen. […]. Hiezu kommen noch ferner die vielen und fast nie überall auf hörenden Kriege, die nur hauptsächlich das männliche Geschlecht betreffen und sehr verringern.« Da überdies besonders in katholischen Orten »[…] so viel mehr Männer [sc. als Frauen, Hg.] in denen Clöstern stecken […]«, würden andernfalls »[…] nicht nur die Frauens-Leute in Europa, […] sondern es würde auch das Land selbst, sonderlich der Ackerbau […] große Noth leiden.« Deshalb sei es »[…] wohl ohnstreitig die göttliche Absicht […], daß diesen Unordnungen und Ubeln durch die größere An-
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Anmerkungen des Herausgebers
zahl der gebohrnen Knaben vorgebeuget werde.« Süßmilch weiß sich in dieser Beurteilung mit »alle[n]« einig, »[…] die hierüber gedacht haben« (a. a. O., S. 172 f.). 210 In der zweiten Auf lage seines Werks von 1761/62 geht Süßmilch weiterhin von einem Geburtenüberschuß von Knaben gegenüber Mädchen im Umfang von 4–5 % aus. Durch die jetzt von ihm konstatierte höhere Sterblichkeitsrate der Knaben »schon in der Kindheit« wird dieser jedoch aufgezehrt (Teil II , § 409; a. a. O., S. 241 f.), so daß mehr junge Frauen als junge Männer ins heiratsf ähige Alter gelangen, und zwar wiederum 4–5 % (§§ 423 f.; a. a. O., S. 269 f.). In § 424 nimmt Süßmilch, worauf Kant hinweist, die vormals von ihm selbst vertretene Auffassung zurück, daß durch die höhere Geburtenrate des männlichen Geschlechts die u. a. durch Krieg und gefährliche Unternehmungen entstehenden Verluste kompensiert werden sollten. Seine neue Erklärung dieses Umstands liegt in »[…] der größern Zahl der Wittwen, die wegen moralischer Hindernisse unverheyratet bleiben […]« (a. a. O., S. 270). Durch die quantitativ »kleine Ungleichheit« zugunsten des weiblichen Geschlechts fi nden nämlich nicht nur so gut wie alle jungen Männer eine Frau, »[…] sondern es sind auch noch einige [sc. Frauen, Hg.] für die Wittwer vorhanden, die noch im Stande sind, Kinder zu zeugen und zu versorgen« (§ 430; a. a. O., S. 276). Süßmilch spricht diesem Grund zwar noch nicht letzte Gewißheit zu, meint aber, er könne »[…] abermals ein Beweiß seyn, wie das Auge des Regierers der Welt den Zusammenhang der Welt und des moralischen Zustandes der Menschen eher als wir übersehen, und also auch dem Schaden der Bevölkerung durch die Mehrheit der mannbaren Jungfern vorgebeuget habe« (§ 430; a. a. O., S. 275). 211 Cf. die R 6019 aus dem Zeitraun 1785–89, wo der Ausdruck ›feiner Atheismus‹ im Kontext der Schöpfungsproblematik im gleichen Sinn abermals verwendet wird: »Creatio mundi, non emanatio, nec ut architectus. Atheismus subtilis« (Ak XVIII , 42520–21). Das 17. und 18. Jahrhundert kannte eine ganze Reihe von Klassifi kationsschemata zur Einteilung und Beschreibung des Atheismus. Cf. etwa Jacob Friedrich Reimmanns Historia Universalis Atheismi et Atheorum Falso et Merito Suspectorum. Hildesheim 1725, Cap. I, § 8, S. 12–14. Der Artikel ›Atheisterey‹ in Zed-
Anmerkungen des Herausgebers
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lers Grosse[m] vollständige[n] Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste führt die hier einschlägige »Eintheilung […] in grobe, und feine oder Philosophische [!] Atheisten« an dritter Stelle innerhalb seines Klassifi kationsschemas auf (Bd. 2, Halle, Leipzig 1732, Sp. 2017). Die Quelle hierfür dürfte innerhalb der frühneuzeitlichen Atheismus-Debatte Gijsbert Voetius (1589–1676) sein, der in einer Abhandlung De Atheismo den ›feinen Atheismus‹ wie folgt defi niert hatte: »[…] atheismus subtilis et palliatus seu tectus: quando […] verus Deus […] indirecte negatur«, was – unbeschadet der Anerkennung der Existenz Gottes – durch die Leugnung bestimmter seiner Attribute geschehe (In: Gijsbert Voetius: Selectarum Disputationem Theologicarum Pars Prima. Utrecht 1648, S. 122. – Den Hinweis auf Voetius verdanke ich Herrn Prof. Dr. Winfried Schröder, Marburg. Zum neuzeitlichen Atheismus insgesamt cf. dessen Studie Ursprünge des Atheismus. Untersuchungen zur Metaphysik- und Religionskritik des 17. und 18. Jahrhunderts. Stuttgart-Bad Cannstatt 1998 [= Quaestiones. Themen und Gestalten der Philosophie Bd. 11]). Schon bald wurde dieser Begriff bei den konfessionellen Streitigkeiten innerhalb des Christentums und zur Diskreditierung heterodoxer Strömungen wie etwa des Arminianismus und Sozinianismus verwendet. 212 Diese Kritik an der Physikotheologie wird der Sache nach unverändert in die Kritik der Gottesbeweise innerhalb des kritischen Hauptwerks übernommen. Cf. KrV A 627 / B 655. Sie stammt jedoch nicht ursprünglich von Kant, sondern fi ndet sich auch bereits bei Bayle an mehreren Stellen, etwa im Artikel Epikur, Anm. S (Historisches und critisches Wörterbuch, a. a. O., Bd. II , S. 398–401). Innerhalb der Kritik der reinen Vernunft arbeitet Kant mit der eingängigen begriff lichen Unterscheidung eines »Weltbaumeisters«, der die vorfi ndliche Materie lediglich sinnvoll strukturiert und ordnet, und eines »Weltschöpfers«, der auch die Materie selbst hervorgebracht hat. Durch das physikotheologische Argument könne, wie er an der vorliegenden Stelle bereits hervorhebt, bestenfalls das erstere bewiesen werden, nicht aber auch das letztere, worauf es jedoch eigentlich ankomme. Die Vorstellung Gottes als eines lediglich gestaltenden Architekten der Welt ohne im eigentlichen Sinn schöpferische, hervorbringende Kraft
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Anmerkungen des Herausgebers
lehnt Kant durchgängig ab. Cf. etwa De mundi sensibilis, § 20; Ak II , 40819 : »[…] neque est mundi architectus, qui non sit simul creator« (H. i. O.). Cf. für die Beweisgrundschrift ferner 088 08–13, 08931– 090 03, 10133–34. 213 Näherhin in II .vi.2. 214 Dies ist eine weitere Stelle, an der sich Kant positiv zur Physikotheologie und ihrem Nutzen äußert. 215 Hume hatte an der Physikotheologie in Abschnitt XI seiner Philosophische[n] Versuche über die menschliche Erkenntniß unter der Überschrift »Von einer besondern Fürsehung und von einem künftigen Lebenszustande« (a. a. O., S. 302–332) derart radikal Kritik geübt, daß dem konstruktiven Deismus damit der Boden entzogen und sein Ende eingeläutet war. Cf. Gawlick / Kreimendahl: Hume in der deutschen Aufklärung, a. a. O., S. 20–22. Die in ausschließlich destruktiver Absicht geführte Unternehmung Humes wird von Kant also nicht gebilligt. Gleichwohl macht er sowohl hier beim Aufweis der Schwächen der gewöhnlichen Physikotheologie – insbesondere bei Punkt 3 – als auch im folgenden von dessen kritischen Einwänden Gebrauch. Im Gegensatz zu Hume läßt Kant es jedoch nicht beim Aufweis der Mängel der üblichen Physikotheologie bewenden, sondern sucht dieselbe in den Grenzen der Beweislast, die sie zu tragen vermag, zu retten, indem er sie stärkt. 216 Kants Formulierung suggeriert, daß die Lehre Demokrits (um 460–370 v. Chr.) bereits das Clinamen kenne. Das dürfte aber kaum der Fall sein. Vielmehr stellt die Einführung dieses Theoriestücks eine der wichtigsten Innovationen Epikurs (342/1– 271/70 v. Chr.) gegenüber der Atomlehre seiner Vorgänger Leukipp (5. Jahrh. v. Chr.) und Demokrit dar, wenngleich es sich in seinen überlieferten Schriften selbst nicht fi ndet. Lukrez handelt aber davon in seinem Werk De Rerum Natura (Buch II , 216–250). Das Clinamen oder die Parenklisis bezeichnet die unprognostizierbaren und nicht kausal verursachten minimalen Abweichungen der Atome von den Bahnen, in denen sie sich ansonsten mit naturgesetzlicher Notwendigkeit bewegen. So kommt es zu Kollisionen unter ihnen, die zu Atomzusammenballungen und damit zur Bildung von Körpern führen. Epikur benötigt diese Zusatzhypothese also zur Erklärung der Entstehung der Körperwelt einerseits so-
Anmerkungen des Herausgebers
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wie der menschlichen Handlungsfreiheit anderseits, die für seine Ethik unabdingbar ist. Indes steht diese Annahme nicht nur in eklatantem Widerspruch zu seiner materialistischen Metaphysik; er konnte auch keinen Grund für diese Atomabweichung benennen, was ihm schon bald spöttische Kritik und den Vorwurf eintrug, daß er inkonsequent philosophiere und in seinem System der bloße Zufall regiere. Das ist die von Kant angesprochene »Ungereimtheit« der Epikureischen Lehre. Auf die mit ihr verbundene »vorsätzliche Verblendung« kommt er in der nächsten Nummer II .vi.2 zu sprechen; sie manifestiert sich für Kant in der »boshaften« Verkennung eines weisen Urhebers, der die Tierkörper so zweckmäßig gestaltet hat, wie es bloße mechanische Naturgesetzmäßigkeiten niemals vermocht hätten (08717–24 ). Den eigentlichen Grund aber, weshalb die epikureische Atomtheorie diskreditiert war, benennt Kant hier nicht ausdrücklich, sondern darf ihn begründeterweise als dem zeitgenössischen Leser bekannt voraussetzen. Es ist das der christlichen Religion entgegenstehende atheistische Weltbild, zu dem der atomistische Materialismus Epikurs führt. 217 Tatsächlich sind die Namen der Gegner Epikurs Legion. Zu der bereits in der Antike geäußerten Kritik an seiner Metaphysik und Ethik trat in der christlich-abendländisch geprägten Tradition die ideologisch motivierte Zurückweisung des atheistischen Weltbilds, zu dem der Epikureismus zu führen schien. Insofern ging die europäische Auf klärung Hand in Hand mit einer Rehabilitierung der Philosophie Epikurs. Daß auch Kant es noch im Jahr 1762 für erforderlich erachtet, sich vom Epikureismus zu distanzieren, zeigt, welch langen Schatten diese verfemte antike Philosophie bis weit in die Neuzeit hinein warf. An der vorliegenden Stelle begnügt sich Kant damit, die demokriteisch-epikureische Lehre unter Hinweis auf die Arbeiten anderer – namentlich nicht genannter – Autoren zurückzuweisen; später wird er einen knappen Vergleich seiner hier vorgetragenen Theorie mit ihr in der Absicht anstellen (11922–35), sich hinreichend von ihr abzusetzen und so dem Vorwurf vorzubeugen, eine im Grunde gottlose Lehre zu vertreten. Vor diesem leicht vorhersehbaren Einwand suchte sich Kant bereits in der Allgemeine[n] Naturgeschichte nach Kräften zu schützen. Cf. dort insbesondere die Vorrede, Ak I, 222–227.
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Anmerkungen des Herausgebers
Der Terminus ›Beweistum‹ kommt im Singular insgesamt sechsmal bei Kant vor und ist auf den vorkritischen Sprachgebrauch bis zum Jahr 1762/63 beschränkt. Er ist ein Synonym für ›argumentum‹ und ›Beweisgrund‹ und wird von Kant durchgängig als maskulines Nomen behandelt. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. I, Sp. 1780 f. 219 Cf. Anm. 159. 220 Das ist eine Wiederolung des oben 084 18–21 bereits vorgetragenen Arguments. 221 Aristoteles (384/83–322 v. Chr.) legt seine kosmologischen Ansichten in der Schrift Vom Himmel, Buch I, bes. Kap. 10 ff., dar. Er vertritt die Auffassung, daß der Himmel und die Materie ungeschaffen und ewig sind. Da Kants Aristoteleskenntnisse aller Wahrscheinlichkeit nach allesamt nicht auf die Lektüre von dessen Schriften selbst zurückzuführen sind, wird er auch hier aus einer sekundären Quelle geschöpft haben, etwa dem Artikel ›Atheisterey‹ im Suppl.-Bd. 2 von Zedlers Grosse[m] vollständige[n] Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Leipzig 1751. Dort heißt es: »Denn es lehrte Aristoteles, daß, nachdem Gott mit der ewigen Materie nothwendig verknüpft gewesen, so wäre die Welt auch von Ewigkeit her, jedoch so, daß sich Gott dabey nur nach Art einer ›formae assistentis‹, wie etwa ein Schiffmann bey einem Schiffe, verhalten« (Sp. 619); ebenso bereits der Artikel »Atheisterey« in Johann Georg Walchs Philosophische[m] Lexicon. 2 Bde. 4. Aufl. Leipzig 1775 [ 11726]. Reprint Hildesheim, New York 1968, Bd. I, Sp. 213. Freilich wurde die kosmologische Position des Aristoteles in der zeitgenössischen Atheismusdebatte allenthalben zitiert, so daß Kant in einer Vielzahl von Werken auf sie stoßen konnte. Die Fragestellung, unter der sie hier virulent wurde, lautete, ob sie tatsächlich als atheistisch zu gelten habe. Dieser Ansicht war neben Walch auch Joachim Lange (1670–1744), der pietistische Gegenspieler Christian Wolffs in Halle, der seinen Lesern die aristotelische Ansicht in seiner Caussa Dei et Religionis Naturalis Adversus Atheismum vorträgt, um im Anschluß daran eben diesen Nachweis ihrer Gottlosigkeit zu führen (Halle 1737 [= Christian Wolff: GW III .17, S. 84–87]). Diogenes Laertius zufolge war Anaxagoras der erste Denker, der annahm, daß ein Geist die vorgefun218
Anmerkungen des Herausgebers
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dene Materie ordnete (Leben und Meinungen berühmter Philosophen. Buch II , Kap. 3, § 6). Bayle diskutiert diese These des Anaxagoras unter Berücksichtigung der aristotelischen Position ausführlich in Anm. D des ihm gewidmeten Artikels, der ebenfalls als eine mögliche Quelle für Kants sekundär vermittelte Kenntnis in Betracht kommt. Historisches und critisches Wörterbuch, a. a. O., Bd. I, S. 212 f. 222 Dem griechischen Denken war die Vorstellung der Hervorbringung der Materie durch Gott fremd, Gott und Materie galten ihm als gleichursprünglich und voneinander unabhängig. Erst das Christentum hat diesen Gedanken in das philosophische Denken eingeführt und Gott – in Kants späterer Terminologie – sowohl als ›Weltschöpfer‹ wie auch als ›Weltbaumeister‹ gedacht (KrV A 627 / B 655). Cf. Johannes Köhler: Art. »Schöpfung III «. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Unter Mitwirkung von mehr als 1200 Fachgelehrten hg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer. Bd. 8. Darmstadt, Basel 1992, Sp. 1395–1399. 223 Damit spricht Kant die Schwierigkeiten der Kosmogonien an, die – wie es auch die christliche Sichtweise war – die Schöpfungstat Gottes über die strukturierende Zusammenfügung der Materie auf die Hervorbringung des »rohen Zeugs« selbst ausdehnte. Er hält die sich hier ergebenden Probleme für zumindest bislang noch nicht bewältigt. Cf. damit die fünfte Regel der »verbesserten Methode der Physikotheologie«, die Kant II .vi.3 aufstellt. In ihr ergeht die Anweisung, aus der notwendigen Einheit der Verbindungen innerhalb der Welt auf Gott als Urheber auch der Materie zu schließen. – Bayle hatte die mannigfachen Schwierigkeiten der christlichen Kosmogonie an mehreren Stellen seines Werks aufgedeckt, besonders eindringlich und ausführlich im Artikel Ovid, Anm. G und H (Historisches und critisches Wörterbuch, a. a. O., Bd. III , S. 567–573). 224 Dieser Vorverweis dürfte am ehesten noch auf die letzte Betrachtung der zweiten Abteilung zutreffen, in der Kant über die göttliche Allgenugsamkeit handelt. In diesem Fall wäre dies die zweite Stelle, an der er sich in der Nomenklatur der Textebenen der Beweisgrundschrift geirrt hätte. Cf. Anm. 74. Eine eingehendere Auseinandersetzung mit diesem kosmogonischen Thema, wie man sie nach den hier ankündigenden Worten erwarten dürfte,
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Anmerkungen des Herausgebers
fi ndet jedoch auch dort nicht statt, so daß Anlaß zu der Vermutung besteht, Kant habe dieses Textstück entweder gar nicht verfaßt oder es bei der Schlußredaktion wieder gestrichen und den Hinweis darauf versehentlich nicht getilgt. 225 Angesichts der überwältigenden Zweckmäßigkeit, wie sie im Bereich der ›organischen Natur‹ und hier insbesondere innerhalb der Tierwelt zutage tritt, erhebt Kant gegen den Leugner der Existenz Gottes den moralischen Vorwurf der intellektuellen Unaufrichtigkeit. Denn entgegen seiner eigenen, besseren Einsicht beharrt der Atheist auf seiner Position und streitet einen »weisen Urheber« ab, auf den die Gestaltung des tierischen Körperbaues zurückzuführen ist. Insofern Demokrit und Epikur trotz dieser im Bereich der organischen Körperbildung hervorleuchtenden unbestreitbaren Evidenz eines göttlichen Schöpfungsplanes an dem Lehrstück des Atomwirbels zur Erklärung körperlicher Gestaltung festhalten, ziehen sie sich den Vorwurf der »vorsätzlichen Verblendung« (08519 ) zu. 226 Der ontotheologische Ansatz Kants verbessert also nicht nur die Physikotheologie, sondern er gestattet erstmals den überzeugenden Nachweis, daß auch die Materie selbst, das »rohe Zeug der Natur«, von Gott hervorgebracht worden ist. Angesichts des zuvor behaupteten Scheiterns aller anderen kosmogonischen Erklärungsversuche hierfür (08713 ) und der herausgehobenen Bedeutsamkeit dieses Lehrstücks verblüfft es, daß Kant diesen Vorzug seiner Theorie in der Folge nicht gebührend nachdrücklich herausstellt, sondern lediglich in der fünften Regel zur Verbesserung der Physikotheologie noch einmal in kargen Worten darauf zurückkommt (08931–090 03 ). 227 Zur Beachtung dieser heuristischen Maxime hatte Kant bereits II .iii.2 (06411–18 ) aufgefordert. 228 Über die Gebirge handelt Kant ausführlich in der Physische[n] Geographie, § 43, Ak IX , 243–248. 229 Thomas Burnet (1635–1715), ein anglikanischer Theologe, verfaßte unter dem Titel Telluris Theoria Sacra: Orbis Nostri Originem & Mutationes Generales, Quas Aut Jam Subiit, Aut Olim Subiturus Est, Complectens. Libri Duo Priores de Diluvio et Paradiso. London
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1681, eine einflußreiche, spekulative Geogenie, die nicht ohne Widerspruch blieb und den Verfasser zu einer Verteidigung derselben veranlaßte. Im Jahr 1689 erschien eine um die Bücher III und IV (De Confl agratione Mundi, et de Futuro Statu) erweiterte und in Teilen umgearbeitete Fassung des Werks, das ins Englische und auch ins Deutsche übersetzt wurde: Theoria Sacra Telluris, das ist heiliger Entwurff oder biblische Betrachtung des Erdreichs: begreiffende nebens dem Ursprung die allgemeine Enderungen welche unser Erd-Kreiß einseits allschon ausgestanden und anderseits noch auszustehen hat. Anfangs von […] Herrn Thomas Burnet in Latein zu London heraus gegeben. Anjetzo aber ins Hochteutsche übersetzt und […] erläutert durch M. Joh. Jacob Zimmermann. Hamburg 1698. Bereits in seiner Vorlesungsankündigung Entwurf und Ankündigung eines Collegii der physischen Geographie aus dem Jahr 1757 hatte Kant unter der Überschrift »Geschichte der großen Veränderungen, die die Erde ehedem erlitten hat«, die Frage prüfen wollen, »ob eine einzige allgemeine Überschwemmung wie die Noachische alle diese Veränderungen habe hervorbringen können« (Ak II , 00822–23 ). Dabei sollten neben den Meinungen anderer Gelehrter ausdrücklich auch die Hypothesen von Whiston und Burnet einer Beurteilung unterzogen werden. In der Physische[n] Geographie kommt Kant in § 77 auf diese Theorien zurück und resümiert dort die einschlägigen Hypothesen verschiedener Autoren, darunter auch diejenige Burnets, über die es heißt: »Burnet bildete sich die erste Erde als platt und eben, ohne Meer und Berge, vor. Unter der obersten Rinde war eine große Wasserversammlung. Der Äquator der Erde war nicht gegen die Ekliptik geneigt, sondern fiel vielmehr mit ihr zusammen. Die oberste Rinde stürzte ein und machte Berge, den Boden der See und festes Land. Allein hieraus können die nach und nach geschehenen Revolutionen nicht erklärt werden« (Ak IX , 30130–35). Mit Blick auf die vorliegende Stelle ist anzumerken, daß Kant die Position Burnets insofern nicht völlig zutreffend wiedergibt, als Burnet die Sintflut ausdrücklich nicht als Strafe Gottes für die Sünden der Menschen bezeichnete, sondern sie auf natürliche Ursachen zurückführte. »Notandum vero, quamvis mundi veteris dissolutionem et rationes diluvii secundum ordinem causarum naturalium explicemus, quod eo magis clare et
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distincte intelligantur, non ideo in poenam humani generis ordinatum fuisse diluvium, singulisque ipsius motibus praefuisse providentiam, inficiamur: imo in eo elucet maxime sapientia divina, quod mundum naturalem morali ita coaptet et attemperet, ut hujus ingenio, illius ordo et dispositio semper respondeat« (Editio tertia, recognita et contracta, London 1702, S. 40). Dennoch ist der von Kant hervorgehobene Aspekt der Strafe, an welche die Berge erinnern, in Burnets Theorie angelegt. Denn zum einen hat es die göttliche Weisheit, wie es in der zitierten Stelle heißt, so eingerichtet, daß eine strikte Korrespondenz zwischen der physischen und der moralischen Welt besteht. Zum andern aber sind die Gebirge durch die Sintflut entstanden, indem die vormals glatte und ebene Erdoberfl äche auf brach und die Wassermengen hervorschießen ließ, welche die Überflutung des Landes bewirkten. Nachdem sich die Wasser zurückgezogen hatten, blieben die Berge an den Bruchstellen der Erdkruste zurück und gemahnen insofern an die Schönheit, welche die Welt vor dem Sittenverfall besaß, der die Sintflut herauf beschwor. »Verum quidem est, nihil aliud esse montes terrae, quam magna rudera et compages confractas: sed quae monstrant quondam naturae magnificentiam […]« (a. a. O., S. 62). 230 Zu den Höhlen cf. auch Kants frühe Schriften Von den Ursachen der Erderschütterungen bei Gelegenheit des Unglücks, welches die westliche Länder von Europa gegen das Ende des vorigen Jahres betroffen hat (Ak I, 42013–29 ) sowie Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens, welches an dem Ende des 1755sten Jahres einen großen Theil der Erde erschüttert hat (Ak I, 43217–43304 ). Cf. auch Physische Geographie, § 47, Ak IX , 256–260. 231 Zu den Flüssen cf. Physische Geographie, §§ 55–62, Ak IX , 276–281. 232 Bereits in II .v.2 hatte Kant gegen die sich aus der gewöhnlichen Physikotheologie ergebende naheliegende Ansicht polemisiert, die »[…] Laufrinnen [sc. der Flüsse, Hg.] wären alle von Gott ausgehöhlt« (08030 ). 233 Zum Amazonas cf. Physische Geographie, §§ 58–60, Ak IX , 278–280; § 74, Ak IX , 297. 234 Zum Mississippi cf. Physische Geographie, § 58, Ak IX , 278; § 74, Ak IX , 297.
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Zum Nil cf. bereits die frühe Schrift des Jahres 1754 mit dem Titel Die Frage, ob die Erde veralte, physikalisch erwogen (Ak I, 200). Cf. ferner Physische Geographie, § 26, Ak IX , 207; § 31, Ak IX , 215; § 58, Ak IX , 278; § 61, Ak IX , 280 f.; § 74, Ak IX , 296. – Die auf Flüsse zurückzuführenden Veränderungen in der Gestalt der Erde erläutert Kant schon in der Vorlesungsankündigung für 1757 vorzugsweise an den drei Beispielen des Nil, Amazonas und Mississippi. Cf. Entwurf und Ankündigung eines Collegii der physischen Geographie, Ak II , 00730. 236 ›Hergegen‹ ist in Kants Druckschriften nur zweimal belegt, in seinem ersten Werk Gedanken von der wahren Schätzung von 1746/49 (Ak I, 17725) und an dieser Stelle im Beweisgrund. In beiden Fällen hat es adversative Bedeutung im Sinn von ›hingegen‹, ›dagegen‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. IV, 2. Abt., Sp. 1099 (Nr. 3). 237 Erneute Bezugnahme auf das ›Prinzip der kleinsten Wirkung‹ von Maupertuis. Cf. das in Anm. 130 angeführte Zitat aus dessen Abhandlung Recherche des lois du mouvement. 238 Abraham Gotthelf Kästner (1719–1800) war Professor für Mathematik und Physik in Göttingen und betätigte sich auch als Epigrammatiker. Innerhalb der Mathematik hat er sich hauptsächlich didaktische Verdienste erworben. Kant schätzte ihn und besaß außer den Vermischte[n] Schriften. Altenburg 1758, auch zwei seiner mathematischen Werke, nämlich die Anfangsgründe der Arithmetik […]. Göttingen 1758, sowie die Anfangsgründe der angewandten Mathematik. Göttingen 1759 (cf. Warda: Immanuel Kants Bücher, a. a. O., S. 22 [Nr. 13], 39 [Nr. 10, 11]). Im zweiten Teil des letztgenannten Werks heißt es S. 32 f., Fn. 76: »Wenn die Zähne des Rades und des Getriebes sich an einander hinschieben sollen, daß immer zusammengehörige Theile des Zahnes und des Triebstocks an einander passen, so müssen sie besondere Anstalten haben, die sich nur durch die höhere Geometrie bestimmen lassen. […] Rad und Getriebe (gehen) so lange schutternd und stoßend einander, bis sich die Zähne an einander abgeschliffen und einander gegenseitig selbst die gehörige Gestalt gegeben haben. […] Ihre Wichtigkeit und Brauchbarkeit im großen, kann man bey Maschinen des Herrn Bergraths Borlachs in den Salzwerken zu 235
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Anmerkungen des Herausgebers
Kösen bey Naumburg sehen.« Bei dem »erfahrenen Bergwerksverständigen« handelt es sich also, wie Menzer (Ak II , 473) schon richtig vermutete, um den Bergrat Gottfried Borlach, dessen Verdienste ein anonymer Autor in einem Schreiben an Kästner Jahre zuvor deutlich herausgestellt hatte. Auszug aus einem Schreiben an Professor Kästnern, eine besondere Vorrichtung eines Göpels betreffend. In: Hamburgisches Magazin, oder gesammelte Schriften, zum Unterricht und Vergnügen Bd. 7 (1751), S. 210. 239 Zu den Wasserf ällen cf. Physische Geographie, § 60, Ak IX , 279 f. 240 Kant bevorzugt in seinen frühen Schriften noch das ältere ›Abschießigkeit‹ und das analoge ›abschießig‹ vor ›abschüssig‹ und den von dort abgeleiteten Wortformen. Letztere dominieren in den späten Schriften. Cf. Wortindex zu Kants gesammelten Schriften, a. a. O., Bd. 1, S. 18. 241 Zum Mond als hauptsächliche Ursache von Ebbe und Flut – und damit als Ursache der Verlangsamung der Erdrotation – cf. Kants Aufsatz Untersuchung der Frage, ob die Erde in ihrer Umdrehung um die Achse […] einige Veränderungen seit den ersten Zeiten ihres Ursprungs erlitten habe […], Ak I, 187. 242 Eine Anspielung auf Voltaires (1694–1778) bissige Kritik der Teleologie, wie er sie in Kapitel I seines Candide ou l’optimisme von 1759 vorträgt. Dort läßt er den Philosophen Pangloss (was soviel wie ›Großmaul‹ bedeutet), der die Metaphysiko-Theologo-Kosmologo-Nigologie lehrt, folgendermaßen argumentieren: »Il est démontré […] que les choses ne peuvent être autrement: car tout étant fait pour une fi n, tout est nécessairement pour la meilleure fi n. Remarquez bien que les nez ont été faits pour porter des lunettes; aussi avons-nous des lunettes.« Œuvres complètes de Voltaire, a. a. O., Bd. 21, S. 138. Menzer und die ihm folgenden Editoren wie Zac 1524 verweisen zur Erläuterung dieser Stelle auf Voltaires Dictionnaire philosophique. Es ist zwar zutreffend, daß dasselbe Beispiel auch im Artikel »Causes Finales« (Section II ) in Voltaires dort vertiefter Kritik am Lehrstück der Zweckursachen vorkommt, als Quelle für Kant scheidet das Werk jedoch wegen seines Erscheinungsjahres 1764 aus. Cf. Œuvres complètes de Voltaire, a. a. O., Bd. 18, S. 102 f.: »En
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vain dirait-il que les jambes sont faites pour être bottées, et les nez pour porter des lunettes.« 243 Der Anfang dieses Satzes erscheint infolge der zweifachen Verwendung des Begriffs ›Wesen‹ sprachlich wie sachlich etwas schwierig. 244 Ursprünglich kosmologischer Herkunft, entfaltet die Metapher der ›großen Kette der Wesen‹ ihre Wirksamkeit bald auch in anderen Disziplinen und erlebt ihre Blüte im 18. Jahrhundert. Seit der Antike dient sie zur Bezeichnung der wechselseitigen Verflochtenheit der Dinge und drückt in der Neuzeit die tragende Überzeugung des optimistischen Weltbildes aus, wonach alle Elemente der Schöpfung miteinander verknüpft sind und ihren Platz in einem einheitlichen kosmologischen Gesamtentwurf haben. Es gibt kein isoliertes Sein; die noch nicht entdeckten Phänomene spielen im Ensemble der Schöpfung schon jetzt ihre konstitutive Rolle für das Gesamte, und die Dinge stehen auch dort in Beziehung zueinander, wo sie prima facie voneinander unabhängig zu sein scheinen. Es gibt keine Lücke in der Schöpfung, und weil das Ganze gut ist, trägt noch der unscheinbarste Baustein desselben zur Vollkommenheit des Ganzen bei und ist als ein Glied eben dieser ›Kette‹ seinerseits in eine grundsätzlich gute Weltordnung eingebettet. In der Neuzeit preist Alexander Pope diese geistesgeschichtlich äußerst wirksame Idee in seinem Gedicht An Essay on Man – ihre zugleich wohl einflußreichste Quelle – mit folgenden Worten: »Vast Chain of Being! which from God began, / Natures aethereal, human, angel, man, / Beast, bird, fi sh, insect! what no eye can see, / No glass can reach! from Infi nite to thee, / From thee to Nothing! On superior pow’rs / Were we to press, inferior might on ours: / Or in the full creation leave a Void, / Where, one step broken, the great scale’s destroy’d; / From Nature’s chain whatever link you strike, / Tenth or ten thousandth, breaks the chain alike.« Zinck übersetzt: »Welch’ eine Kette, die von Gott den Anfang nimmt! Was vor Naturen / Von himmlischen und irdischen! der Engel, und der Mensch, das Vieh, / Die Vögel, Fisch’ und das Gewürm! O Weite, die das Auge nie, / Und ja so wenig die Gesicht-Kunst, erreichen und betrachten kann, / Von dem Unendlichen zu Dir von Dir zum Nichts! Woferne man / Sich zu den Hö-
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hern konnt erheben: / So würden auch die untern sich, nach uns sich zu erhöhn, bestreben. / Sonst blieb’ ein Leeres in der Schöpfung, wo, wenn man einen Grad nur nehme, / Die Gleichmaaß aller andern, gleich verschoben, in Verwirrung käme, / Wo, wär’ auch nur ein Glied zerbrochen, den Augenblick die große Kette / Zerrissen wär’ und wenn das Glied den Millionsten Rang gleich hätte« (Zitiert nach: Barthold Hinrich Brockes: Aus dem Englischen übersetzter Versuch vom Menschen des Herrn Alexander Pope, Esq. […]. Nebst einer Vorrede und einem Anhange von Briefen […] übersetzt von B. J. Zinck. Hamburg 1740, Brief I, Vers 229–238, S. 24– 28). Die Wirkmächtigkeit dieser Metapher dokumentiert sich auch in der Häufigkeit ihres Vorkommens im Schrifttum der deutschen physikotheologischen Literatur, so z. B. bei Johann Georg Sulzer (1720–1779) in seinem Versuch einiger moralischen Betrachtungen über die Werke der Natur. Mit einer Vorrede von A.[ugust] F.[riedrich] W.[ilhelm] Sack. 2., etwas vermehrte Aufl. Berlin 1750, S. 10, und in dessen Unterredungen über die Schönheit der Natur. Berlin 1750, wo ein Kapitel unter der Überschrift »Harmonische Kette der Geschöpfe« steht (S. 27–31). Kant selbst war spätestens durch die Preisaufgabe der Berliner Akademie mit Popes Gedicht vertraut, denn diese verlangte »[…] eine Untersuchung des Systematis des Herrn Pope, welches sich in dem Satze befi ndet: Alles ist gut […]« (zit. nach Ak XVII , 22917 ff.). So verwundert es nicht, wenn Kant dieses Bild bereits in den ganz frühen Preisschriftreflexionen 3703–3705 verwendet, die 1753/54 im Zusammenhang mit dieser Preisfrage über den Optimismus entstanden sind, wenn er dort von der »Kette der Wesen« (R 3704; Ak XVII , 23505) spricht. Auch in der Vorrede zu seiner Allgemeine[n] Naturgeschichte kommt er auf »das Systematische, welches die großen Glieder der Schöpfung in dem ganzen Umfange der Unendlichkeit verbindet […]«, zu sprechen (Ak I, 22105–07 ). Er zitiert dort aus den obigen Versen Popes (Ak I, 36515–20 ) und verwendet wiederholt das Bild der Kette (cf. etwa Ak I, 30814, 31102 , 319 07. Zum Wortbestand der Allgemeine[n] Naturgeschichte cf. jetzt Michael Albrecht / Heinrich P. Delfosse: Stellenindex und Konkordanz zur »Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels«. Erstellt in Zusammenarbeit mit Irina Lepp. Unter Mitwir-
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kung von Bernd Straßburg und Michael Trauth. 2 Bde. StuttgartBad Cannstatt 2009 [= Kant-Index Bd. 37; FMDA III , 44.1/2]). Die Bedeutung, die Pope zur damaligen Zeit für Kant hatte, belegt auch der Umstand, daß er den drei separaten Titelblättern zu den drei Teilen der Allgemeine[n] Naturgeschichte jeweils ein Zitat aus Popes Essay on Man beigibt, dem ersten Teil die folgenden Zeilen: »Seht jene große Wunderkette, die alle Theile dieser Welt / Vereinet und zusammenzieht und die das große Ganz’ erhält« (Ak I, 241; H. i. O.). – Zur Metapher der ›großen Kette der Wesen‹ cf. die einschlägige Studie von Arthur O. Lovejoy: The Great Chain of Being. A study of the history of an idea. The William James lectures delivered at Harvard University. Harvard 1933, bes. Kap. VI : »The Chain of Being in Eighteenth-Century Thought, and Man’s Place and Rôle in Nature«. 245 Cf. Physische Geographie, Ak IX , 357 01–05 : »Der Kokosbaum gehört unter die Palmenarten. Seine Blätter dienen wie die von den andern Palmen zur Bedeckung der Häuser. Die Rinde der Nuß dient zu Stricken, die Nuß selbst zu Gefäßen, und die darin enthaltene Milch ist ein angenehmes Getränke.« (H. i. O.) 246 Cf. Anm. 130, 131. 247 Gemeint sind Wahrscheinlichkeitsannahmen, wie sie beim Glücksspiel angestellt werden. 248 Die Philosophie ist in den ersten beiden der folgenden fünf Fälle noch nicht involviert, weil in diesen eine Rückführung der zu erklärenden Phänomene auf Gottes Willen durch Angabe eines Wunders vorliegt; im ersten Fall als einer materialiter, im zweiten Fall als einer formaliter übernatürlichen Begebenheit im Sinn von II .iii.1. Philosophischen Anspruch spricht Kant ausdrücklich erst der dritten Erklärungsart zu. In diesem Sinn hatte er sich bereits in II .v.1 bei der Aufzählung der drei Möglichkeiten geäußert, Gottes Dasein aus seinen Wirkungen zu erkennen, als er den Weg des Wunders als unphilosophisch von der Physikotheologie abgrenzte. 249 Eine Anspielung u. a. auf William Whistons A New Theory of the Earth, deren hier einschlägige Lehren Kant zuvor erwähnt hatte. Cf. 06103 ff. sowie Anm. 147. 250 Wiederholung des bereits 081 23–26 geäußerten Vorwurfs, daß mancher physikotheologische Schriftsteller die Erklärung der ver-
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meintlich von Gottes langer Hand eingerichteten Wunder gern zum Anlaß nimmt, dem Publikum seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse zu demonstrieren. Zu der Feststellung derartiger Prahlereien paßt Kants 13527–29 ausgesprochene Diagnose, daß einige Gelehrte der Versuchung erlegen seien, aus Eitelkeit »[…] allerlei physischen Einsichten oder auch Hirngespinsten durch die Losung des Religionseifers ein ehrwürdiges Ansehen zu geben.« 251 Letzteres ist eine an Newton adressierte kritische Bemerkung, der sich außer Stande sah, Entstehung und Gesetzmäßigkeiten des Sonnensystems und der Planetenbewegung allein mittels physikalischer Prinzipien zu beschreiben und zu diesem Zweck auf einen göttlichen Willensakt zurückgriff. Cf. das in Anm. 205 angeführte Zitat aus dem »Scholium Generale« der Principia Mathematica. 252 Dieses Verfahren hatte Kant in II .v.2 als die »gewöhnliche Methode« der Physikotheologie bezeichnet und kritisiert. 253 Anknüpfung an die oben (073 07–25 ) erwähnten Zeugungstheorien, die an dieser Stelle aus dem Gesichtspunkt des mit ihnen verbundenen philosophischen Explikationswertes eine eindeutige Bewertung erfahren Cf. Anm. 174, 175 sowie Kritik der Urteilskraft, § 81; Ak V, 422–424. 254 Mit dem Grün der Bäume und Pfl anzen greift Kant ein häufig erörtertes Thema physikotheologischer Betrachtungen auf, das auch in der »Deutschen Teleologie« Christian Wolffs eine Rolle spielt: »Das Auge wird ergötzet durch den Anblick der Wälder, der Felder und Wiesen, absonderlich wenn ausser dem grünen von der Menge der Blumen noch andere Farben vorhanden, die eine Unterscheid machen. Man darff nicht zweiffeln, daß die Menschen daran Vergnügen haben: denn deßwegen gehen sie ins Grüne spatzieren, und rechnen diese Spatziergänge mit zu ihrem Vergnügen« (§ 231, GW I .7, S. 465). Das dem Auge angenehme Grün des Grases stellt auch Johann Daniel Denso in seiner Chortotheologie heraus. Er lobt am Gras u. a. das folgende: »[…] Nicht durch den Samen nur allein / Zu allen Zeiten grün zu seyn / Das ungezählte Vieh zu nähren / Und auch bei Gottergebnen Blickken / Ein achtsam Auge zu erquikken« (Beweis der Gottheit aus dem Grase. Amsterdam 1750, S. 185). Kant kannte diesen Autor und zitierte gelegentlich aus ei-
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nem von diesem übersetzten mineralogischen Werk (cf. Warda: Immanuel Kants Bücher, S. 30 [Nr. 32]). In Johann Georg Sulzers Unterredungen über die Schönheit der Natur. Berlin 1750, S. 8 liest man über »[…] die unendliche, aber harmonische Verschiedenheit der Farben, womit die Hügel und Felder belegt waren, und endlich das allererquickende Grüne der Fluren und Saaten, das sich in so verschiedenen Schattierungen zeigte.« Johann Albert Fabricius hatte der von ihm herausgegebenen deutschen Übersetzung von William Derhams (1657–1735) Physicotheologie, die erstmals 1730 in Hamburg erschien und bis zum Jahr 1750 bereits sechs Auf lagen erlebte (1732, 1736, 1739, 1741), einen im Untertitel bereits angekündigten Text von Charles Rollin (1661–1741) unter der Überschrift »Physique des enfans – Kinder-Physica« vorangestellt. Physicotheologie, oder Natur-Leitung zu Gott, durch aufmercksame Betrachtung der Erd-Kugel und der darauf sich befi ndenden Creaturen, zum augenscheinlichen Beweiß, daß ein Gott, und derselbige ein Allergütigstes, Allweises, Allmächtiges Wesen sey. In die deutsche Sprache übersetzt von C.[hristian] L.[udwig] W.[iener], jetzo aber nach der siebenden englischen Ausgabe mit Fleiß von neuem übersehen und nebst einer Aufmunterung des Herrn Carol Rollins, die Jugend bey Zeiten zur Liebe ihres Schöpffers durch Betrachtung der Creaturen anzuführen, zum Druck befordert von Johann Albert Fabricius. Hamburg 1730. Dort heißt es S. XIV: »Ist wohl etwas das mehr verdienet von uns bewundert zu werden, als die Wahl welche Gott getroffen hat von der allgemeinen Farbe, welche alle Pfl antzen schmücket. Wenn er alle Felder Weiß oder Roth gefärbet hätte, wer hätte den Glantz davon ertragen, oder in die Länge es ansehen können? hätte er durch dunckle Farben sie fi nster gemacht, wer hätte aus einem so betrübten und traurigen Gesichte sich eine Lust machen können? Nun hält ein angenehmes Grün das Mittel zwischen den zwey eusersten Farben, und hat eine solche Verwandtschafft mit der Bildung unsers Auges, daß es dasselbige nicht müde macht sondern erquicket, und dessen Kräfte nicht erschöpfet sondern nehret und unterhält.« Diese Stelle fi ndet sich zitiert bei Julius Bernhard von Rohr: Phyto-Theologia, oder: Vernunfft- und Schrifftmäßiger Versuch, wie aus dem Reiche der Gewächse die Allmacht, Weisheit, Güte und Gerechtigkeit des grossen Schöpfers und
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Erhalters aller Dinge von den Menschen erkannt und sein allerheiligster Nahme hiervor gepriesen werden möge. Franckfurt, Leipzig 1740, S. 358. Als eine weitere nicht unwahrscheinliche Quelle Kants für diese Stelle kommt das im physikotheologischen Geist verfaßte voluminöse Lehrgedicht des Barthold Hinrich Brockes Irdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physikalisch und Moralischen Gedichten, nebst einem Anhange verschiedener dahin gehöriger Uebersetzungen in Betracht. In dessen Teil II , der in vierter Aufl. 1739 in Hamburg erschienen war, hatte Brockes einen Text der englischen Zeitschrift The Spectator (Bd. V, Nr. 387) aufgenommen und eine Übersetzung unter der Überschrift »Gedanken von der Welt Schönheit« beigegeben, in der es heißt: »Verschiedne große Geister meynen, / Daß es durchaus nicht sey von ungefähr geschehen, / Wann Gott, den Kreis der Welt zu schmücken, / Beschlossen hat, das holde Grün / Den andern Farben vorzuziehn. / Ach nein! Das Grün, woran wir uns erquicken, / Ist ein so süß Gemisch vom Dunkeln und vom Licht, / Daß es das menschliche Gesicht / Nicht schwächt durch gar zu hellen Schein. / Die Farben, welche heller seyn, / Die machen stumpf, zerstreuen und zertheilen / Die Körperlichen Geisterlein, / Die um zu sehen, stets aus unsern Augen eilen. / Was aber dunkel ist, bewegt die Geister nicht. / Da uns im Gegentheil die Strahlen, / Die unserm Sinn das Grüne malen, / In unsrer Augen spiegelnde Crystallen / So wohl gemischt, so sanft gemindert fallen, / Daß Sie / den Geistern, die wir Thierisch nennen, / Ein angenehmes Spielwerk gönnen; / Indem durch dieses Gleich-Gewicht, / In welches sie sich stets durch sanften Stoß bewegen / Sie unserm emsigen Gesicht’ / Ein angenehm Gefühl erregen« (Nachdruck Bern 1970, S. 595). Brockes, aus dessen Gedicht Kant im Sommer 1762, also während der Arbeit an der Beweisgrundschrift, vier Verse für einen Eintrag in das Stammbuch eines Studenten entlehnte (Ak XII , 415), kommt an vielen Stellen auf das Grün des Grases und der Pfl anzen sowie seiner physiologisch vorteilhaften Wirkung auf das menschliche Auge zu sprechen, so etwa unter der Überschrift »Die mit großem Nutzen verbundene Schönheit des Grases« (a. a. O., Teil VIII , Hamburg 1746, S. 32 f.). Die Beliebtheit dieses Themas bei den physikotheologischen Autoren steht also außer Frage und dürfte der Grund gewesen sein, weshalb Kant sein
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Beispiel aus diesem Bereich wählt. Noch spät im Jahrhundert stellt Christoph Christian Sturm den 18. Mai in seinen Betrachtungen über die Werke Gottes im Reiche der Natur und der Vorsehung auf alle Tage des Jahres. 2 Bde. Neueste vermehrte Aufl. Reutlingen 1803 [ 11772], Bd. I, S. 379–381, unter die Überschrift »Betrachtung über das Gras« und wiederholt dabei beinahe wörtlich die oben zitierte Passage aus Rollins’ Werk (ebd., S. 380 f.). 255 Die Davisstraße ist die Meerenge zwischen Grönland und der kanadischen Baffi n-Insel. Sie verbindet die nördlich gelegene Baffi n-Bay mit der südlichen Labrador-See. Benannt ist sie nach dem britischen Seefahrer John Davis (1550–1605), der sie 1585 erstmals durchfuhr. 256 Solche verwenden deshalb auch die Eskimos. Cf. den Aufsatz des Jahres 1775 Von den verschiedenen Racen der Menschen, Ak II , 43637–43701. 257 Kant zitiert aus dem Essay on Man von Alexander Pope (1688–1744), Buch II , Vers 29–30 nach der zweisprachigen Ausgabe von Barthold Hinrich Brockes: Aus dem Englischen übersetzter Versuch vom Menschen des Herrn Alexander Pope, Esq., a. a. O. Der englische Text lautet dort: »Go, teach Eternal Wisdom how to rule – / Then drop into thy-self, and be a fool!« Die Übersetzung hat folgenden von Kants Fassung leicht abweichenden Wortlaut: »Geh, schreibe Gottes ewger Weisheit des Regimentes Regeln vor, / Denn kehre wieder in dich selbst zuletzt zurück, und sey ein Thor!« (S. 34–35). Pope, der in seinem Lehrgedicht ein metaphysisches Weltbild im Sinn des Optimismus vertrat, wird von dem jungen Kant häufig zitiert. Besonders zahlreich sind die Bezugnahmen auf Pope in der Allgemeine[n] Naturgeschichte, was sicherlich im Zusammenhang mit der Preisaufgabe der Berliner Akademie für das Jahr 1755 zu sehen ist. Cf. Anm. 244 sowie Einleitung, S. X X XII –LII . 258 Die siebte Betrachtung der zweiten Abteilung gibt eine mit Blick auf das vorliegende Thema gedrängte Zusammenfassung der Allgemeine[n] Naturgeschichte des Jahres 1755 und ist nach Kants wiederholten Worten (010 09 –01101, 10711–16 ) für das Verständnis des zentralen Argumentationsgangs der Beweisgrundschrift weitestgehend verzichtbar. Am Ende dieser Texteinheit ( II .vii.4) recht-
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fertigt Kant die Aufnahme dieser »Betrachtung« mit seiner Absicht, mittels ihrer zu zeigen, daß naturwissenschaftliche Erklärungen entgegen den bekannten Befürchtungen nicht zu Lasten der Religion gehen und folglich nicht dem Atheismus Vorschub leisten. Angesichts dieser geläufigen theologischen Vorbehalte will er der »natürlichen Weltweisheit ein freieres Feld« eröffnen und fordert damit größere Rechte für die ›libertas philosophandi‹. 259 Nicht ohne triumphalen Unterton stellt Kant den Erfolg der neuzeitlichen Astronomie heraus. Die Vorgänge am Firmament sind nicht länger Gegenstand obskurer astrologischer Spekulationen, sondern in das szientifische Weltbild integriert. Angesichts der Komplexität ihres Gegenstandes kann die Astronomie aufgrund der dennoch möglichen Plausibilität ihrer gegebenen Erklärungen sogar eine herausgehobene Stellung innerhalb der Naturwissenschaften beanspruchen. Dieser Fortschritt ist aus Kants Sicht in erster Linie mit dem Namen Newtons verknüpft. 260 Nämlich das Newtonische Gravitationsgesetz. 261 Mit dem Beispiel des »verächtlichste[n] Kraut[s]« operiert Kant in gleichem Zusammenhang bereits in der Allgemeine[n] Naturgeschichte Ak I, 23016–26 (cf. die in Anm. 151 zitierte Stelle aus diesem Werk). Kant knüpft an der vorliegenden Stelle an die in II .iii.2 erfolgte Unterscheidung der ›organischen‹ und ›anorganischen‹ Natur und die in II .iv.2 darauf auf bauenden Überlegungen an, in denen er eine Erklärung für die Bildung von Pfl anzen und Tieren mittels – mechanischer – Naturgesetze ausschloß (073 01–12 ). Noch in der Kritik der Urteilskraft ist er dieser Meinung: »Es ist nämlich ganz gewiß, daß wir die organisirten Wesen und deren innere Möglichkeit nach bloß mechanischen Principien der Natur nicht einmal zureichend kennen lernen, viel weniger uns erklären können; und zwar so gewiß, daß man dreist sagen kann: es ist für Menschen ungereimt, auch nur einen solchen Anschlag zu fassen, oder zu hoffen, daß noch etwa dereinst ein Newton aufstehen könne, der auch nur die Erzeugung eines Grashalms nach Naturgesetzen, die keine Absicht geordnet hat, begreif lich machen werde […].« Ak V, 40013–20. 262 Die organischen Produkte der Natur sind also bei weitem schwerer zu erklären als die unorganischen, und unter den letzte-
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ren bereiten die kleineren mehr Schwierigkeiten als die größeren und gar die großen wie der Sternenhimmel. Daß Kant als Beispiel eines kleinen, aber schwer zu erklärenden Naturgegenstandes die Schneeflocke und ihre Gestalt wählt, hat guten Grund, wie der Artikel »Schnee« in Zedlers Grosse[m] vollständige[n] Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 35, Leipzig und Halle 1743, Sp. 513–517; hier: Sp. 513, zeigt: »Die Gestalt des Schnees hat den Natur-Lehrern viel zu thun gemacht, aus welchem Grund sie selbige leiten sollen. Denn wenn wir die Schneeflocken ansehen, so haben sie eine eckichte und einem Stern gleich kommende Gestalt.« Der Artikel bezieht sich auf Johann Jacob Scheuchzers Werk Physica oder Natur-Wissenschaft (11729), 4. Aufl. Zürich 1743, wo der Verfasser dieses Werks u. a. auch über den Schnee handelt und seinen Ausführungen seinerseits die Klage voranstellt, daß die Gestalt des Schnees »[…] die Naturforscher zu allen Zeiten sehr gequälet hat […]« (Buch II , Kap. 3, § 19, S. 249). Scheuchzer führt eine Reihe von Gelehrten namentlich an, die sich vergeblich um die Erklärung der Schneekristalle bemüht haben, und präsentiert sodann die Theorie, die Descartes im sechsten Kapitel von Les Météores entwickelt hatte (ebd. § 20, S. 250). Dabei ist er jedoch bescheiden genug, die Vorläufigkeit der von ihm leicht modifi zierten cartesischen Theorie einzuräumen (ebd. § 20, S. 251). Der Artikel in Zedlers Lexikon teilt Scheuchzers Vorsicht, wenn es dort heißt: »[…] die eigentliche Zeugung des Schnees sey noch so verborgen, daß GO tt bey dem Hiob wohl fragen möchte: Bist du gewesen, da der Schnee herkömt?« (a. a. O., Sp. 514), und unterstreicht damit seinerseits die von Kant behauptete explikatorische Schwierigkeit, der sich die zeitgenössische Wissenschaft bei diesem Naturprodukt gegenübersah. Kant besaß Scheuchzers Helvetiae Stoichoiographia, Orographia et Oreographia oder Beschreibung der Elementen, Grenzen und Bergen des Schweitzerlands. Erster Theil, Zürich 1716 (Warda: Immanuel Kants Bücher, a. a. O., S. 26 [Nr. 22]) und zitiert gelegentlich aus verschiedenen Werken dieses Autors; so bereits in dem Aufsatz Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens des Jahres 1756 (Ak I, 43516) und noch in der späten Physische[n] Geographie (Ak IX , 24821, 30027 ). Cf. die Zusammenstellung bei
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Katharina Holger / Eduard Gerresheim (Hgg.): Personenindex 2. Stufe zu Kant’s Gesammelte Schriften. Buchstabe S, I . Teil. Bonn 1969, S. 23. 263 Kant verwendet den Begriff ›Plan‹ in doppelter Bedeutung. Zumeist bezeichnet er damit in einem seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlichen Sinn den ›entwurf und anschlag zu einer arbeit oder unternehmung der verschiedensten art‹. So etwa 08704, 094 06, 09803 u. ö. Daneben verwendet er den Begriff aber auch noch in der älteren Bedeutung für ›die ebene, fl äche‹, hier insbesondere im astronomisch übertragenen Sinn für ›die fl äche oder den raum der erde, des himmels, äthers, meeres‹. Cf. Grimm: Deutsches Wörterbuch, a. a. O., Bd. VII , Sp. 1885 (Nr. 6), Sp. 1883 (Nr. 1, 2). Das ist außer an der vorliegenden Stelle noch 10720 und 11619 der Fall. Entsprechendes gilt für das Kompositum ›Beziehungsplan‹. 264 Wiederholung des bereits am Ende der Vorrede 010 –011 09 01 gegebenen Hinweises, daß die folgenden, aus der Allgemeine[n] Naturgeschichte übernommenen kosmologischen Darlegungen für den zentralen Gedankengang der Beweisgrundschrift von bestenfalls randständiger Bedeutung sind und insofern übergangen werden können. 265 Cf. Allgemeine Naturgeschichte, Ak I, 243 05–09, 24708–10. 266 Dieses Gedankenexperiment stellt Kant auch in der Allgemeine[n] Naturgeschichte, Ak I, 250 f. an. 267 Die Parallelität der Gesetzmäßigkeiten hatte Kant in der Allgemeine[n] Naturgeschichte, Ak I, 231, 247, angesprochen. 268 Cf. Anm. 263. 269 Die Anregung, »[…] die Fixsterne nicht als ein ohne sichtbare Ordnung zerstreutes Gewimmel, sondern als ein System anzusehen, welches mit einem planetischen die größte Ähnlichkeit hat […]«, führt Kant in der Allgemeine[n] Naturgeschichte auf die Abhandlung von Thomas Wright of Durham (1711–1786) mit dem Titel An Original Theory or New Hypothesis of the Universe, Founded upon the Laws of Nature, and Solving by Mathematical Principles the General Phaenomena of the Visible Creation, and Particularly the Via Lactea. Compris’d in nine familiar letters from the author to his friend. London 1750, zurück, auf die er durch die Besprechung in den Freye[n] Urtheile[n] und Nachrichten zum Aufnehmen der Wissenschaften und
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Historie überhaupt. Bd. 8, Hamburg 1751 ( I . Stück vom 1. Januar, II . Stück vom 5. Januar, III . Stück vom 8. Januar 1751) aufmerksam gemacht worden sei (Ak I, 23105–08 ). Diese Besprechung ist wiederabgedruckt in Immanuel Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Mit einem wissenschaftshistorischen Nachwort hg. von Fritz Krafft. München 1971, S. 199–211. 270 Gemeint ist Maupertuis’ Discours sur les différentes fi gures des astres, où l’on essaye d’expliquer les principaux phénomenes du ciel. In: Œuvres, a. a. O., Bd. I, S. 79–170. Die Abhandlung, die – unter etwas anders lautendem Titel – erstmals 1732 in Paris erschienen war, hatte Kant bereits in der Allgemeine[n] Naturgeschichte wiederholt angeführt. Er schöpft aus ihr nicht nur die einschlägige Meinung von Maupertuis selbst, sondern nutzt sie auch als Quelle für ein ausführliches Referat der Ansichten von Christian Huygens, Edmund Halley und William Derham, auf die er hier anspielt und die Maupertuis in Kap. VI seiner Abhandlung, a. a. O., S. 142–148, vorgestellt hatte. Cf. Ak I, 232 f., 254 f. 271 Wie die zweimalige Verwendung des Ausdrucks ›Glieder‹ zeigt, wendet Kant die zuvor geäußerte Idee der »großen Kette« hier ausdrücklich auf Himmelskörper an, um deren systematische Verflochtenheit sowohl untereinander als auch mit dem kosmischen Gesamtplan des Universums zu betonen. 272 Anspielung auf die cartesische Wirbeltheorie. Cf. Anm. 168. 273 Principia Mathematica, Buch III , Prop. viii, Theor. viii und Corr. 3 (Opera, a. a. O., Bd. III , S. 21, 23 f.). Zur relativen Dichtigkeit von Erde und Mond cf. Buch III , Prop. xxxvii, Prob. xviii, Corr. 3 (ebd., S. 108 f.). 274 Cf. Allgemeine Naturgeschichte, 2. Teil, 2. Hauptstück: »Von der verschiedenen Dichtigkeit der Planeten und dem Verhältnisse ihrer Massen«, Ak I, 269–277. 275 Im Kapitel »De la formation des planètes« seiner Naturgeschichte hatte Buffon geschrieben: »Une autre analogie, et qui mérite quelqu’attention, c’est la conformité entre la densité de la matière des planètes et la densité de la matière du soleil. […] la conformité de la densité de la matière des planètes et de la densité de la matière du soleil est telle, que sur 650 parties qui composent la totalité de la matière des planètes, il y en a plus de 640 qui sont
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presque de la même densité que la matière du soleil, et qu’il n’y a pas dix parties sur ces 650 qui soient d’une plus grande densité. […] On doit donc dire que la matière dont sont composées les planètes en général, est à peu près la même que celle du soleil […].« Histoire naturelle, générale et particulière. Bd. I, 5. Aufl. Paris 1752, S. 201 f. Dieses Ergebnis Buffons hatte Kant auch in der Allgemeine[n] Naturgeschichte (Ak I, 27720–23, 34509 ) mit Angabe des zahlenmäßigen Verhältnisses der Dichtigkeiten referiert. 276 Kant kritisiert im folgenden abermals implizit die Ansicht Newtons, der eine rein mechanische Erklärung der Himmelsmechanik für ausgeschlossen hielt. Denn zwar bewegen sich die Planeten und Kometen in den durch die mechanischen Gesetze vorgeschriebenen Bahnen und verharren in ihnen »per leges gravitatis«, aber sie hätten ursprünglich diese Bahnen niemals auf Grund jener Gesetze einnehmen können (»Scholium Generale« der Principia Mathematica. Opera, a. a. O., Bd. III , S. 171). Newton hatte deshalb, wie Kant bereits in einer gleichlautenden Formulierung in der Allgemeine[n] Naturgeschichte sagte, »die unmittelbare Hand Gottes« hierfür ins Spiel gebracht (Ak I, 26213, cf. 22114, 33616 ), die durch die Plazierung der Fixsterne auch dafür sorge, daß diese infolge ihrer Schwere nicht aufeinander stürzen: »Et ne Fixarum systemata per gravitatem suam in se mutuo cadant, hic eadem immensam ab invicem distantiam posuerit.« Damit hatte Newton die ursprüngliche Gestaltung wie auch die Erhaltung des Universums unmittelbar auf Gottes Willen zurückgeführt und dies mit den Worten bekräftigt: »Hic [sc. Deus, Hg.] regit omnia.« Gott ist für Newton der »Pantokrator« (ebd., S. 171). Cf. auch Optics, Query 31. 277 Kant spielt hier offensichtlich nicht auf das ›malum metaphysicum‹ an, das jedem Kreatürlichen als solchem anhaftet und ihm daher grundsätzlich nicht zu nehmen ist. Dieses Übel hat seinen Ursprung »[…] dans la nature ideale de la creature, autant que cette nature est renfermée dans les verités eternelles qui sont dans l’entendement de Dieu, independamment de sa volonté. Car il faut considerer qu’il y a une imperfection originale dans la creature […] parceque la creature est limitée essentiellement […]« (Leibniz: Essais de Théodicée, Teil I, § 20. Die philosophischen Schriften, a. a. O., Bd. VI , S. 114 f.). Unter den Prämissen Newtons wären die Plane-
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tenbahnen nämlich insofern kein »Produkt der Natur«, als sie von Gott selbst installiert worden sind. Dann aber müßten sich die Planeten auch streng entsprechend der ihnen von Gott vorgeschriebenen geometrischen Gesetzmäßigkeiten – gleichgültig, welche er gewählt haben mochte – bewegen, weil eine Handlung Gottes, die außerhalb der natürlichen Wirkgesetze steht, von diesen gar nicht beeinflußt werden kann und Abweichungen deswegen ausgeschlossen sind. Dieses Argument hat Kant bereits an der entsprechenden Stelle der Allgemeine[n] Naturgeschichte geltend gemacht und dort die Abweichungen der Planeten von den idealen geometrischen Bahnen als Hinweis darauf gewertet, daß die »Hand der Natur« hier im Spiele sei. »Wenn es am besten wäre, daß die Planetenkreise beinahe auf eine gemeinschaftliche Fläche gestellt wären, warum sind sie es nicht ganz genau? […]. Ist nicht das gewöhnliche Verfahren der Natur hieran zu erkennen, welches durch die Dazwischenkunft der verschiedenen Mitwirkungen allemal von der ganz abgemessenen Bestimmung abweichend gemacht wird?« (Ak I, 33704– 06, 21–24 ). In diesem Sinn äußert sich Kant auch im letzten Absatz dieser Nummer 2. 278 Kant meint die im »Scholium Generale« der Principia Mathematica präsentierten astronomischen, daneben wohl aber auch die rationaltheologischen Ergebnisse Newtons. Zu den ersteren zählt beispielsweise, daß die Kometen aufgrund der ihnen von Gott verliehenen Bewegung schnell und leicht die Umlauf bahnen der Planeten passieren können und die Fixsterne trotz ihrer Schwere nicht aufeinander stürzen, weil Gott sie in gehörig große Entfernungen voneinander gesetzt hat. Zu den letzteren gehört das mit den astronomischen Annahmen in Verbindung gebrachte Gottesbild selbst, demzufolge »Deus summus est Ens aeternum, infi nitum, absolute perfectum.« Darüber hinaus ist er »[…] Infi nitus, Omnipotens et Omnisciens; id est, durat ab aeterno in aeternum, et adest ab infinito in infi nitum: omnia regit; et omnia cognoscit, quae fiunt aut fieri possunt« (Opera, a. a. O., Bd. III , S. 171 f.). 279 Cf. Allgemeine Naturgeschichte: »[…] die Sonne nur in eine so geringe Tiefe unter der Oberfl äche durch ihre Strahlen wirkt […].« Ak I, 34137–342 01.
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Diesem »Fehler« war also auch Newton erlegen. Kant hat ihn ihm schon in der Allgemeine[n] Naturgeschichte anhand des auch hier gewählten Themas der hypostasierten abnehmenden Dichtigkeit der Planeten nach Maßgabe ihrer Entfernung von der Sonne vorgehalten (Ak I, 27111–29 ). Die Bezugstelle ist Principia Mathematica, Buch III , Prop. viii, Theor. viii, Corr. 4: »In diversis utique distantiis a Sole collocandi erant Planetae, ut quilibet, pro gradu densitatis, calore Solis majore vel minore frueretur.« Opera, a. a. O., Bd. III , S. 24. 281 Cf. oben, Anm. 168. 282 Jean-Jacques d’Ortous de Mairan (1678–1771), ein französischer Physiker und Mathematiker, Mitglied der Académie Royale des Sciences sowie später deren Direktor, war Herausgeber des Journal des Scavans und wird von Kant in seiner Erstlingsschrift, den Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte, häufig zitiert. Als Cartesianer vertrat er im Streit um die ›lebendigen Kräfte‹ den Standpunkt des Descartes gegen Leibniz und dessen Anhänger. Cf. seine Dissertation sur l’estimation et la mesure des forces motrices des corps. Nouvelle edition, Paris 1741 sowie den Lettre de M. Mairan […] à Madame *** [La Marquise du Châtelet] sur la question des forces vives, en réponse aux objections qu’elle lui fait sur ce sujet dans ses »Institutions de Physique«. Paris 1741, bes. S. 44 ff. Nicht anders als viele andere französische Cartesianer, die sich angesichts der epochalen Bedeutung der Philosophie des Descartes und der überzeugenden Überlegenheit seiner Naturphilosophie gegenüber der aristotelisch-scholastisch geprägten von ihren mittlerweile überlebten Lehrstücken nur mühsam zu trennen vermochten, blieb auch Mairan weiterhin ein Anhänger der cartesischen Wirbeltheorie, als diese durch Newtons Kritik längst überholt war. In seiner Astronomische[n] Abhandlung von der Bewegung des Mondes und der Erde: darinn man untersuchet, welcher Planete von beyden sich um den andern als sein Trabante bewege. Nebst Anmerkungen von den Trabanten überhaupt, hält er an diesem Lehrstück fest und operiert mit ihm bei der Prüfung seiner Ansicht entgegenstehender astronomischer Theorien. Abgedruckt in: Der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Paris physische Abhandlungen. Achter Theil, welcher die Jahre 1727, 1728, 1729, 1730 in sich hält. Aus dem Französi280
Anmerkungen des Herausgebers
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schen übersetzet von Wolf Balthasar Adolph von Steinwehr. Breslau 1752, S. 99–144; hier: S. 139–143. 283 Cf. Allgemeine Naturgeschichte, Ak I, 262. 284 Wiederholte Kritik an Newtons Bemühung der »unmittelbaren Hand Gottes« zur Erklärung der Planetenbewegung. 285 Cf. Allgemeine Naturgeschichte, Ak I, 262 f. 286 Cf. Allgemeine Naturgeschichte, Ak I, 263. 287 Erneute Anspielung auf das ›Prinzip der kleinsten Wirkung‹ von Maupertuis. Cf. Anm. 130, 131. 288 Cf. Allgemeine Naturgeschichte, Ak I, 265 f. 289 Cf. Allgemeine Naturgeschichte, Ak I, 267. 290 Seitenumbruch 1763: »Abstan-de«. Das Dativ-e wurde den Prinzipien der vorliegenden Edition entsprechend getilgt. 291 Cf. Allgemeine Naturgeschichte, Ak I, 267. 292 Der Terminus ›Zentralgesetze‹ kommt in Kants Druckwerk insgesamt siebenmal und innerhalb der Beweisgrundschrift dreimal vor; außer an der vorliegenden Stelle noch 12026 und 12104. Kant verwendet ihn stets im Plural; das gilt übrigens auch für die übrigen Okkurrenzen innerhalb des Briefwechsels und im handschriftlichen Nachlaß. Das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm kennt das Wort nicht, und zwar weder im Singular noch im Plural. Den – häufig bei Kant vorkommenden – Ausdruck ›Centralkraft‹ setzt er selbst in der Allgemeine[n] Naturgeschichte ausdrücklich mit ›Gravität‹ gleich (Ak I, 24505). Doch wird mit ›Centralgesetz‹ deshalb kaum, wie CE 187 unter Hinweis auf die im Deutsche[n] Wörterbuch für ›Centralkraft‹ angegebene Bedeutung von ›Anziehungskraft, Gravitation‹ (Bd. XV, a. a. O., Sp. 641) vermutet, das Gravitationsgesetz gemeint sein. Dagegen spricht bereits die plurale Form bei Kant und auch die Fußnote B X XII in der Vorrede zur Zweitauf lage der Kritik der reinen Vernunft, wonach die »Newtonische Anziehung« durch die »Centralgesetze der Bewegungen der Himmelskörper« bewiesen wurde. Kant scheint den Ausdruck vielmehr als Oberbegriff für die Zentrifugal- und Zentripetalkraft zu gebrauchen. In diesem Sinn hatte Wolff von ›Central-Kräfften‹ gesprochen: »Vires centrales, Central-Kräffte, Werden diejenigen genennet, welche man sonst Vires centrifugas und centripetas zu nennen pfleget« (Mathematisches Lexicon, GW I .11, Sp. 1459; H. i. O.).
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Anmerkungen des Herausgebers
Wolff verweist an dieser Stelle auf die Ausführungen in seinen Elementa Mechanicae, wo man auf die entsprechende lateinische Fassung der Defi nition stößt: »Vires centrales communi nomine dicuntur vis centrifuga atque centripeta.« Elementa Matheseos Universae, Def. 67, GW II .30, S. 198 f.; H. i. O. 293 Cf. Allgemeine Naturgeschichte, Ak I, 268. 294 Über das Zodiakallicht cf. ausführlich Allgemeine Naturgeschichte, 2. Teil, 6. Hauptstück, Ak I, 304–306. 295 Wiederholung der 105 20–25 angeführten Befürchtung. 296 Ein abermaliger Versuch Kants, voraussehbaren Vorbehalten gegen sein naturphilosophisches Programm seitens der Religion entgegenzuwirken. Cf. Anm. 191. 297 Cf. Anm. 168. 298 Dieselbe Formulierung »Limbus der Eitelkeit« kehrt in den Träume[n] eines Geistersehers wieder (Ak II , 36919 ), in der Beweisgrundschrift ist vom Limbus in astronomischer Bedeutung ein weiteres Mal die Rede (12110,20 ). In der katholischen Theologie wird unter ›Limbus‹ der Vorraum oder der äußerste Kreis der Hölle verstanden. In John Miltons (1608–1674) Epos Paradise Lost (1667) wird »Limbo« als »the Paradise of Fools« bezeichnet (The Poetical Works of John Milton. Vol. I: Paradise Lost. Ed. by Helen Darbishire. Oxford 1952. Buch III , Vers 495; S. 66). Miltons Werk lag u. a. in der Übersetzung durch Johann Jacob Bodmer unter folgendem Titel vor: Johann Miltons Verlust des Paradieses. Ein Helden-Gedicht. In ungebundener Rede übersetzet. Zürich 1732. An der genannten Stelle wird geschildert, wie Unwürdige, die glauben, unmittelbar vor dem Eintritt ins Paradies zu stehen, plötzlich von einem Sturmwind erfaßt werden und ihr ganzer wertloser Plunder, mit dem sie sich maskiert haben, in alle Winde zerstreut wird: »Dann könnte man sehen Kappen, Zipfel, Creutzstangen und Kutten, samt ihren Tragern, in Stücke gebrochen auffl iegen und verstieben, Heilig thümer, Reliquien, Rosenkräntze, Indulgenzen, Dispensationen, Ablaßbriefe, Bullen, das Spiel der Winde werden. Alle diese Dinge fl iegen im Wirbel bunt über die Ecke, über die auswendige Seite der Welt hin, ferne weg, in einen geraumen und breiten Limbo, so damahlen noch unbevölckert und unbetreten ware; seithero aber das Paradieß der Narren ge-
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nannt werden, und heut zu Tag wenig Leuten unbekandt ist« (ebd., S. 103 f.). 299 Das ist nach dem Anfang von II .vi.1 die zweite Stelle innerhalb der Beweisgrundschrift, an der sich Kant vom Atomismus und Materialismus der demokriteisch-epikureischen Lehre zu distanzieren sucht. Schon in der Allgemeine[n] Naturgeschichte sieht sich Kant angesichts der »viele[n] Ähnlichkeit«, welche die epikureische Lehre und die der Vorgänger Epikurs mit der seinigen habe, genötigt, auf den »wesentliche[n] Unterschied« zwischen jener »alten Kosmogonie« und seinem hier gebotenen Entwurf zur mechanischen Erklärung der Weltentstehung hinzuweisen (Ak I, 226–228; cf. Anm. 216, 217). Hier wie dort steht die Besorgnis im Hintergrund, die Nähe zu der verfemten atomistischen Lehre Epikurs könnte den Verdacht des Kryptoatheismus auf ihn lenken. 300 Cf. Anm. 216. 301 Über die Entstehung des Saturnringes hatte Kant ausführlich in der Allgemeine[n] Naturgeschichte, 2. Teil, 5. Hauptstück (Ak I, 290–304) gehandelt. Entdeckt worden war der Saturnring 1656 durch Christian Huygens mittels eines von ihm selbst konstruierten, verbesserten Teleskops. 302 CE 438 merkt zu dieser Stelle an: »In fact the rings of Saturn do not occupy the elongated equator of the planet. The plane of the ring is inclined about 27o to the planet’s orbit and about 28o to the ecliptic.« 303 In der astronomischen Sprache des 17. und 18. Jahrhunderts dient ›Limbus‹ zur Bezeichnung von Himmelsregionen oder -zonen. 304 In der Allgemeine[n] Naturgeschichte hatte Kant das Ergebnis seiner Berechnungen noch mit 6 Stunden, 23 Minuten und 53 Sekunden angegeben (Ak I, 29421–23 ). Tatsächlich sind beide Angaben sehr ungenau. Im Jahr 1794 gelang es Friedrich Wilhelm Herschel, die Umdrehungszeit des Saturns auf 10 Stunden, 16 Minuten, 44 Sekunden zu bestimmen. Damit wich er um nur ca. zwei Minuten von dem tatsächlichen Wert ab. 305 Die Herkunft des Begriffs ›Allgenugsamkeit‹, in den für Kant alle hier vorgetragenen rationaltheologischen Überlegungen münden und der von ihm als der dem Menschen angemessene Begriff
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bezeichnet wird, den er auf Gott anwenden kann, ist noch nicht zureichend aufgehellt. Im Onomasticon philosophicum, a. a. O., kommt der Begriff ›Allgenugsamkeit‹ gar nicht vor. Adelungs Grammatisch-kritisches Wörterbuch kennt das Adjektiv beziehungsweise Adverb ›allgenugsam‹, das in der Bedeutung von ›allen genug‹ »[…] einige Neuere eingeführet, eine Eigenschaft des göttlichen Wesens auszudrucken […]. Daher die Allgenugsamkeit« (a. a. O., Theil I, Sp. 217). Das Grimmsche Deutsche Wörterbuch gibt als ersten und einzigen Beleg für ›Allgenugsamkeit‹ die Stelle 12522 aus der Beweisgrundschrift an (a. a. O., Bd. I, Sp. 235). Kant verwendet diesen Begriff jedoch bereits in der ganz frühen Reflexionsphase α, d. h. etwa 1753–54. In den Entwürfen zur Preisschrift über den Optimismus taucht er gleich zweimal auf (cf. R 3705; Ak XVII , 23818 [›allgenugsam‹] und XVII , 23910 [›Allgenugsam keit‹]), und auch in der Allgemeine[n] Naturgeschichte fi ndet der Begriff ›allgenugsam‹ schon Verwendung (Ak I, 22315). Das übersehen auch die beiden Artikel des Historische[n] Wörterbuch[s] der Philosophie, in denen dieser Begriff zur Sprache kommt (Bd. 11, Sp. 143, Bd. 12, Sp. 648; cf. aber Albrecht / Delfosse: Stellenindex und Konkordanz zur »Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels«, a. a. O., S. XIV ). Vermutlich ist ›Allgenugsamkeit‹ die Übersetzung des lateinischen ›omnisufficientia‹. Dafür spricht zum einen, daß Gottlieb Friedrich Hagen in den Registern seiner 1742–45 erschienenen Übersetzung der Theologia Naturalis Wolffs »Omnisufficientia Dei« wiederholt mit »Allgenugsamkeit Gottes« wiedergibt (Christian Wolff: Natürliche Gottesgelahrtheit I .3., GW I .23.3, [Verzeichniß {n.p.}]; Natürliche Gottesgelahrtheit II .2., GW I .23.5; [Verzeichniß {n.p.}]); zum anderen übernimmt Kant diese Übersetzung in der um 1764–66 entstandenen R 3815: »Die Gottliche Allgnugsamkeit ist entweder omnisuffi cientia interna vel externa« (Ak XVII , 30214–15), und noch im späten Opus Postumum notiert er: »Allgenugsames (omnisufficiens) [sc. Wesen, Hg.]« (Ak X XII , 12709 ). Womöglich war Kant der Begriff von Jugend an aus der pietistischen Kirchenliedtradition bekannt. Von Gerhard Tersteegen (1697–1769) stammt das Lied »Allgenugsam Wesen, das ich hab erlesen mir zum höchsten Gut«. Es wurde erstmals 1729 in Tersteegens Geistliches Blumengärtlein inniger Seelen publiziert und fand von dort seinen Weg in die pro-
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testantischen Gesangbücher (cf. Evangelisches Gesangbuch für Rheinland und Westfalen. Dortmund 1962, Lied 187. Zu Tersteegens Lied cf. Johannes Kulp: Die Lieder unserer Kirche. Eine Handreichung zum Evangelischen Kirchengesangbuch. Bearbeitet und hg. von Arno Büchner und Siegfried Fornaçon. Göttingen 1958, S. 423 f. [= Handbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch. Sonderband]). – Die Dissertation von Horst Frankenberger: Kant und die Frage nach der göttlichen Allgenugsamkeit. Zur transzendentalen Wende in der philosophischen Gotteslehre. Frankfurt am Main, Bern, Nancy usw. 1984 [= Europäische Hochschulschriften, Reihe 20, Bd. 153] wird ihrem Thema weder unter begriffsgeschichtlicher noch unter systematischer Perspektive gerecht. 306 Anspielung auf 1. Mose 3, 19: »Denn Du bist Erde und sollst zu Erde werden.« Von Kant als der »[…] demüthigendste Ausspruch, der über ein vernünftiges Wesen nur gefällt werden kann […]«, auch im Streit der Facultäten zitiert. Ak VII , 09932–33. 307 In Anlehnung an die Selbstbezeugungen Gottes nach Jesaja, Kap. 45 und Offenbarung 1, 8: »Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.« 308 In Wiederaufnahme der bereits 070 08–13 anklingenden Kritik gilt dieser Absatz dem Aufweis der Insuffi zienz des Leibnizschen Gottesbegriffs. Kant knüpft hier an seine Einwände an, die er bereits in den Entwürfen zur Beantwortung der 1753 gestellten Preisfrage der Berliner Akademie zu dem Satz Alexander Popes »Alles ist gut« geäußert hatte. In seinen Essais de Théodicée hatte Leibniz nämlich die Auffassung vertreten, daß Gottes Wirkmächtigkeit an den ewigen Wesenheiten ihre Grenze fi ndet, da selbst er dieselben nicht zu ändern vermag. So heißt es dort in Teil I, § 53: »[…] puisque le decret de Dieu consiste uniquement dans la resolution qu’il prend, apres avoir comparé tous les mondes possibles, de choisir celuy qui est le meilleur, et de l’admettre à l’existence par le mot tout-puissant de ›Fiat‹, avec tout ce que ce monde contient; il est visible que ce decret ne change rien dans la constitution des choses, et qu’il les laisse telles qu’elles étoient dans l’état de pure possibilité, c’est à dire qu’il ne change rien, ny dans leur essence ou nature, ny mème dans leurs accidens, répresentés déja parfaite-
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ment dans l’idée de ce monde possible« (Die philosophischen Schriften, a. a. O., Bd. VI , S. 131). Deutlicher noch sagt Leibniz in Teil III , § 335: »Le mal vient plustost de Formes mêmes, mais abstraites, c’est à dire des idées que Dieu n’a point produites par un acte de sa volonté, non plus que les nombres et les figures, et non plus (en un mot) que toutes les essences possibles, qu’on doit tenir pour eternelles et necessaires; car elles se trouvent dans la region ideale des possibles, c’est à dire dans l’entendement Divin. Dieu n’est donc point auteur des essences, entant qu’elles ne sont que des possibilités […]« (ebd., S. 313 f.). In den genannten Entwürfen zur Preisschrift über den Optimismus diagnostiziert Kant Leibnizens Fehler darin, daß dieser »[…] den Plan der besten Welt einestheils in eine art einer Unabhängigkeit, andern theils in einer Abhängigkeit von dem Willen Gottes (versetzt). Alle Moglichkeit ist vor Gott ausgebreitet. Gott sieht, überlegt, prüfet sie; er wird durch die ihnen beywohnende Bestimmungen nach Maasgebung ihrer besondern Vollkommenheiten auf eine Seite gelenkt und nach demjenigen, was sie in Verbindung ausmachen, auf die andere Seite; diese Vergleichung veranlaßt seinen Rathschluß. Die Welt ist eigentlich nicht so, weil sie Gott so haben will, sondern weil es sich nicht thun läßt, sie anders zu machen. Die Unabhängigkeit der ewigen naturen geht voran« (R 3705; Ak XVII , 23721–238 01). Konsequenterweise vertritt Kant schon in der kurz darauf publizierten Allgemeine[n] Naturgeschichte die gegen Leibniz gerichtete Auffassung, die er ausführlich in der Beweisgrundschrift zur Geltung bringt, daß nämlich Gott »[…] sogar die Quelle der Wesen selber und ihrer ersten Wirkungsgesetze in sich hat« (Ak I, 22611–12 ). Cf. Einleitung, S. X X XIV –X X XVII , X LIX–LIII . 309 Insofern nämlich, als einiges Gute die zwangsläufi ge Folge von Wirklichkeiten und Möglichkeiten ist, die in diesem Wesen – Gott – gegründet sind, und das deshalb nicht auf einen besonderen Willensakt desselben zurückzuführen ist. Das nachfolgende Beispiel erläutert das Gemeinte. 310 Der niederländische Mathematiker, Astronom und Physiker Christian Huygens (1629–1695) hatte Untersuchungen zu den Pendelbewegungen angestellt und 1657 die erste Pendeluhr gebaut. Er publizierte seine Ergebnisse abschließend in einer Abhandlung
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mit dem Titel Horologium Oscillatorium sive de Motu Pendulorum ad Horologia Aptato Demonstrationes Mathematicae, die im Jahr 1673 in Paris erschien. Die von Huygens gebauten Uhren wiesen infolge der am Zykloidenpendel gewonnenen und für die Konstruktion nutzbar gemachten Erkenntnisse über den Isochronismus der Pendelbewegungen eine Ungenauigkeit von nur ca. zehn Sekunden pro Tag auf. – Kant schreibt den Namen des Gelehrten unterschiedlich, an der vorliegenden Stelle als Hugen. 311 Kant teilt die – auch von Leibniz vertretene – Auffassung, daß es nicht eigentlich verwunderlich ist, daß der menschliche Leib angesichts der Komplexität seines Baues und der Fährnisse des Lebens von mannigfaltigen Gebrechen heimgesucht wird, sondern vielmehr, daß er sich überhaupt eine nicht unbeträchtlich lange Zeit zu erhalten vermag. Noch im späten Streit der Facultäten begründet er »die Pfl icht, das Alter zu ehren«, nicht etwa damit, »[…] weil Nestorjahre […] Weisheit zur Leitung der jüngeren Welt bei sich führen […], sondern […] weil […] der Mann, welcher sich so lange erhalten hat, d. i. der Sterblichkeit […] so lange hat ausweichen und gleichsam der Unsterblichkeit hat abgewinnen können, weil, sage ich, ein solcher Mann sich so lange lebend erhalten und zum Beispiel aufgestellt hat.« Ak VII , 09929–36 ; H. i. O. 312 Eine Formulierung, die an das »quo maior cogitari non potest« des Anselm von Canterbury (1033–1109) erinnert. Proslogion. Anrede. Lateinisch / deutsch. Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Robert Theis. Stuttgart 2005, Kap. IV, S. 26. 313 Diese zwei Fragen, ob eine Steigerung der Vollkommenheit einer Welt ins Unendliche vorstellbar ist und ob es zwei oder mehrere Welten von gleich großer Vollkommenheit geben kann, hatte Kant bereits in seiner Vorlesungsankündigung für 1759, dem Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus, aufgeworfen und dort im gleichen Sinn wie hier beantwortet. Cf. Ak II , 030–033. 314 Auch Wolff hatte die Eigenschaft des Unendlichen zu den konstitutiven Prädikaten des vollkommensten Wesens gezählt: »Ens perfectissimum est infi nitum« (Theologia Naturalis, Pars II , § 10, GW II .8, S. 7). Ebenso Baumgarten: »Deus est ens necessarium […] et infi nitum […].« Metaphysica / Metaphysik, § 851, a. a. O., S. 456.
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Das ist die einzige Belegstelle für den Begriff ›ästhetisch‹ in Kants Druckschriften bis zum Jahr 1781. 316 Die dritte Abteilung verzichtet auf eine Untergliederung in »Betrachtungen« und teilt ihren Stoff gleich in fünf »Nummern« ein. 317 Dieser frühe Klassifi kationsversuch aller möglichen Gottesbeweise präludiert die systematische Erfassung derselben, wie sie in der Kritik der reinen Vernunft im Abschnitt »Das Ideal der reinen Vernunft« (bes. A 584 ff. / B 612 ff.) vorgenommen wird. Er weist als solcher auf die lange Beschäftigungszeit Kants mit diesem Gegenstand bereits um 1762/63 hin. Cf. Anm. 19. 318 Insofern Kant seinen eigenen ontotheologischen Gottesbeweis von I .iv.2 mit diesem Gewißheitsanspruch ausstatten möchte, scheint er hier zu übersehen, daß er in I .iv.1 ausdrücklich eingeräumt hatte, der Nachweis der Geistigkeit Gottes, die eins seiner wesentlichen Prädikate ausmacht, könne »[…] nicht füglich zu derjenigen Deutlichkeit gebracht werden […], welche logisch vollkommene Beweise erfordern« (03816–17 ). 319 Die Überzeugung, daß es, wenn überhaupt, dann nur einen einzigen Beweis zur philosophisch befriedigenden Sicherstellung der Existenz Gottes geben kann, behält Kant bei – selbst dann noch, als er vom Scheitern aller derartigen Unternehmungen längst überzeugt ist: »[…] so ist der ontologische Beweis, aus lauter reinen Vernunftbegriffen, der einzige mögliche, wenn überall nur ein Beweis von einem so weit über allen empirischen Verstandesgebrauch erhabenen Satze möglich ist.« KrV A 630 / B 658. 320 Mit diesen Ausführungen knüpft Kant an die um Unterstützung bzw. Korrektur seitens der Gelehrten bittenden Worte der Vorrede an. Cf. 00716 –00816. Hier zeigt sich nun, daß zwar eine Verbesserung des gebotenen Beweisgrundes denkbar ist, nicht aber eine Verwerfung desselben, weil es keine Alternative zu ihm gibt. In diesem Sinn äußert sich Kant auch in der letzten Nummer der gesamten Abhandlung (13816–24 ). 321 Beide Beweise des ersten Typs basieren also auf der GrundFolge-Beziehung. Damit wird deren Gültigkeit selbst virulent. Kant äußert sich zu ihr jedoch nur sehr summarisch in Nummer 3 dieser Abteilung. Zum eigentlichen Thema macht er diese Relation erst in der Schrift über die Negative[n] Größen, und zwar mit 315
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einem für ihre vermeintlich uneingeschränkte Zuverlässigkeit desaströsen Ergebnis. So heißt es in deren »Allgemeine[r] Anmerkung«: »Was nun diesen Realgrund und dessen Beziehung auf die Folge anlangt, so stellt sich meine Frage in dieser einfachen Gestalt dar: wie soll ich es verstehen, daß, weil Etwas ist, etwas anders sei?« (Ak II , 20219–21; H. i. O.) Zur Bedeutung dieser Einsicht für Kants philosophische Entwicklung in den 1760er Jahren cf. Kreimendahl: Kant. Der Durchbruch von 1769, a. a. O., S. 113–116. 322 Descartes hatte in den Meditationes zwei Gottesbeweise geführt; einen in der dritten Meditation und sodann den später sogenannten ontologischen Gottesbeweis in der fünften Meditation. Auf den letzteren spielt Kant hier an. Cf. bes. Meditation V, 7. Œuvres de Descartes, a. a. O., Bd. VII , S. 65. 323 Diese Kritik Kants erinnert an den Einwand, den Gaunilo gegen den ontologischen Gottesbeweis des Anselm von Canterbury erhob, wie dieser ihn in seinem Proslogion präsentiert hatte. Gaunilo entwickelte seine Widerlegung anhand des Beispiels der vollkommensten Insel, deren notwendige Existenz man den Anselmschen Überlegungen zufolge ebenso erweisen könne wie das Dasein Gottes. Cf. Kann Gottes Nicht-Sein gedacht werden? Die Kontroverse zwischen Anselm von Canterbury und Gaunilo von Marmoutiers. Übersetzt, erläutert und hg. von Burkhard Mojsisch. Mit einer Einleitung von Kurt Flasch. Mainz 1989 [= Exzerpta classica 4], S. 51– 55 für Anselms Argument und S. 75 f. für Gaunilos Kritik. Anselm weist diese Kritik an seinem Argument (ebd., S. 83 ff.) jedoch zurück. Sollte dies, wie einige Autoren meinen, mit gutem Grund geschehen, dann würde auch Kants Argument ins Leere laufen. 324 Paul Menzer hat in seinen Erläuterungen Ak II , 473 hierzu auf Baumeister: Institutiones Metaphysicae, § 781, a. a. O., S. 545, sowie auf Crusius: Entwurf der nothwendigen Vernunft-Wahrheiten, § 235, a. a. O., S. 436–439, hingewiesen. Baumeister bezieht sich seinerseits bereits auf die Einwände – namentlich nicht genannter – anderer Gelehrter. Daß auch Kant die von ihm gemeinten Kritiker nicht mit Namen nennt, dürfte neben seiner bekundeten Zurückhaltung in der Polemik mit der begründeten Annahme zusammenhängen, daß diese seinen Lesern aus den einschlägigen Debatten der Zeit hinreichend bekannt waren. Cf. etwa Gun-
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ners Beweis von der Wirklichkeit und Einigkeit Gottes aus der Vernunft, a. a. O., S. 7 f., und die den bei weitem größten Teil seines Werks beanspruchende Prüfung der von anderen vorgetragenen Gottesbeweise (ebd., S. 151–380, 399–533). Tatsächlich wurde der ›ontologische‹ Gottesbeweis des Descartes schon lange vor der bekannten Kritik Humes ablehnend diskutiert, so auch unmittelbar von Zeitgenossen des Descartes wie Johannes Caterus und Pierre Gassendi, die ihre Bedenken in den »Objectiones« zu den Meditationen formulierten. In England trat Samuel Clarke als Kritiker dieses Beweises auf, und zwar in seinen 1704 gehaltenen Boyle-Lectures, die ein Jahr später unter dem Titel A Demonstration of the Being and Attributes of God in London erschienen und 1756 in deutscher Übersetzung vorlagen. Sein Einwand setzt beim Begriff des vollkommensten Wesens an: »Denn was hilft es mir, daß ich in meinem Verstande einen Begriff habe von dem Satze: ›Es ist wirklich ein Wesen, das alle nur mögliche Vollkommenheit besitzt‹ […], wenn ich nicht auch einen Begriff von dem Dinge oder dem Wesen selbst habe? Ich muß einen Begriff von so einem Etwas haben, das außer mir wirklich da ist, Ich muß sehen, warum es schlechterdings unmöglich sey, mich dieses Begriffs zu entschlagen, und folglich das Daseyn des Dinges zu leugnen, ehe ich aus eben diesem Begriffe urtheilen kann, daß das Ding wirklich da sey« (D. Samuel Clarkes Abhandlung von dem Daseyn und den Eigenschaften GOTTES , von den Verbindlichkeiten der Natürlichen Religion, und der Wahrheit und Gewißheit der Christlichen Offenbarung. Aus dem Englischen übersetzt und mit seiner Lebensbeschreibung begleitet. Braunschweig, Hildesheim 1756, S. 27). Dieter Henrich macht neben dem genannten Werk von Crusius zwei Anmerkungen Johann Lorenz von Mosheims zu dessen Übersetzung des Systema Intellectuale Ralph Cudworths als die Quellen aus, die Kant bei seiner Kritik des ontologischen Gottesbeweises »im Sinn haben (muß)« (Der ontologische Gottesbeweis. Sein Problem und seine Geschichte. 2., unveränderte Aufl. Tübingen 1967, S. 106). Das ist, zumal Kant diese Übersetzung besaß (cf. Warda: Kants Bücher, a. a. O., S. 47 [Nr. 28]), freilich nicht ausgeschlossen, wenngleich er den seinerzeit berühmten lutherischen Theologen und Kirchenhistoriker Mosheim (1693–1755) nirgends in seinem
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Werk erwähnt und diese Kritik an recht versteckter Stelle steht. Einen schlüssigen, aus den Quellen geführten Beleg für seine Behauptung erbringt Henrich nicht. 325 Das war in I .i.1 gezeigt worden. 326 Damit kommt Kant auf seinen eigenen ontotheologischen Beweis der ersten Abteilung zu sprechen. 327 Das war in I .i.1 gezeigt und anläßlich der Kritik an Baumgartens Unterscheidung des Möglichen vom Wirklichen in I .i.3 in Erinnerung gerufen worden. 328 Diese erste Variante des zweiten Beweistyps hebt also lediglich auf den durch Erfahrung festgestellten Umstand ab, daß etwas da ist, nicht etwa, wie es die zweite Variante tut, auf die Struktur oder den Inhalt des empirisch Vorfi ndlichen. In Kants späterer Terminologie gesprochen, repräsentiert die erste Variante den kosmologischen, die zweite den physikotheologischen Gottesbeweis. 329 Kant stellt den Mischcharakter dieses Typs von Gottesbeweis, den er am Ende des ersten Absatzes dieser Nummer betont, gleich bei seiner Präsentation heraus: Der Beweis nimmt seinen Ausgang zwar von der Erfahrung, wechselt dann aber zu einer Begriffsanalyse über und täuscht damit eine durchgängige Empiriegebundenheit vor, die tatsächlich gar nicht gegeben ist. Diese Einsicht behält Kant bei und drückt sie in der Kritik der reinen Vernunft schärfer aus, wenn er dort über den kosmologischen Beweis sagt, in ihm halte sich »[…] ein ganzes Nest von dialektischen Anmaßungen verborgen […].« KrV A 609 / B 637. 330 Die neuzeitliche Präsenz dieses Gottesbeweistyps ist fest mit dem Namen von Leibniz verknüpft, der ihn an mehreren Stellen seines Werks einsetzt. So etwa in der Abhandlung De Rerum Originatione Radicali von 1697 (a. a. O., S. 302–308, bes. S. 302 f.) und auch in § 7 der Essais de Théodicée (Die philosophischen Schriften, a. a. O., Bd. VI , S. 106 f.). Wolff selbst hatte den Beweis in seiner »Deutschen Metaphysik« (§§ 928 ff.; a. a. O., S. 574 ff.) vorgetragen. Angesichts seiner weiten Verbreitung innerhalb der Wolffschen Schule lassen sich eine ganze Fülle von Belegen seines Vorkommens anführen: Georg Bernhard Bilfi nger: Dilucidationes Philosophicae de Deo, Anima Humana, Mundo, et Generalibus Rerum Affectionibus. Tübin-
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gen 1725, §§ 385–415, S. 416–447 [= Christian Wolff: GW III .18]; Ludwig Philipp Thümmig: Institutiones Philosophiae Wolfi anae. Bd. I . Frankfurt, Leipzig 1725, § 1, S. 211 [= Institutiones Theologiae Naturalis. Christian Wolff: GW III .19.1]; Johann Peter Reusch: Systema Metaphysicum Antiquorum atque Recentiorum item Propria Dogmata et Hypotheses Exhibens. Jena 1735, §§ 853–868, S. 589–600 [= Christian Wolff: GW III .27]; Friedrich Christian Baumeister: Institutiones Metaphysicae, § 780 f., a. a. O., S. 535–548; Baumgarten: Metaphysica / Metaphysik, §§ 308–310, a. a. O., S. 174–177; Israel Gottlieb Canz: Philosophia Fundamentalis. Tübingen 1744, §§ 891, 897–899, S. 123–125 [= Christian Wolff: GW III .33]; Joachim Georg Darjes: Elementa Metaphysices. Bd. II [ Jena] 1744, § 44, S. 194; Andreas Böhm: Metaphysica in Usum Auditorii Sui Ordine Scientifi co Conscripta. Editio II . Auctior hinc inde et emendatior. Gießen 1767 [ 11753], § 685–718, S. 489–513 [= Christian Wolff: GW III .42]; Jean Louis Samuel Formey: La belle wolfi enne. Tome sixième, contennat l’abregé de la théologie naturelle. La Haye 1753, S. 1–18 [= Christian Wolff: GW III .16.2]; Johann Christoph Gottsched: Erste Gründe der gesamten Weltweisheit. Bd. I . Siebente vermehrte und verbesserte Aufl., Leipzig 1762, §§ 1101–1110, S. 562–565 [= Christian Wolff: GW III .20.1] Die Reihe der hierher gehörenden Autoren ließe sich mühelos fortsetzen. Die übliche Begründung für die Vorzugsstellung, die der kosmologische Beweis unter den Gottesbeweisen in Anspruch nehmen darf, fi ndet sich auch bei Gottsched. Er ist nämlich »[…] nicht nur gründlicher, sondern auch um ein vieles leichter, als die andern Beweise, daß ein Gott sey. Er gründet sich bloß auf den deutlichen Begriff von einem selbständigen Wesen, auf den Satz des zureichenden Grundes, und auf die Zufälligkeit unserer Welt.« Der cartesische Beweis hingegen ist »fast überall mangelhaft«, und »die andern gemeinen Beweise« bedürfen eines weit höheren explikatorischen Aufwandes (Erste Gründe der gesamten Weltweisheit § 1110; a. a. O., S. 565). – Die Beliebtheit des kosmologischen Beweises unter den Wolffi anern fand mit dem Erscheinen von Kants Beweisgrundschrift und der in ihr geäußerten Kritik an ihm keineswegs ihr Ende. Cf. etwa Johann Franz Coing: Institutiones Philosophicae de Deo, Anima Humana, Mundo et Primis Cognitionis Hu-
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manae Principiis. Marburg 1765, § 281; S. 281 [= Christian Wolff: GW III .44]. 331 Das sind zwei sehr großzügige Zugeständnisse an den Beweis, die Kant nicht lange aufrecht erhalten und in der Kritik der reinen Vernunft endgültig verabschieden wird. Denn zum einen räumt er damit die uneingeschränkte, d. h. nicht auf die Erfahrungswelt restringierte Gültigkeit des Kausalitätsprinzips ein, und zum anderen akzeptiert er den Abbruch des kausalen Regresses bei einem nicht wiederum als Wirkung einer vorausliegenden Ursache aufzufassenden Etwas. Ein solcher willkürlicher Abbruch der Ereigniskette durchbricht aber die im Kausalgesetz behauptete durchgängige Gültigkeit desselben, wonach eben ausnahmslos jedes Ereignis die Wirkung einer ihr vorausliegenden Ursache ist. Da dieses Erste der Kausalreihe nicht in die Erfahrung f ällt, schwärmt die Vernunft hierbei in transzendente Gefi lde aus und verläßt damit den ihr angestammten Platz der Erfahrungswelt, innerhalb derer sie allein zu verläßlichen Ergebnissen gelangen kann. 332 Crusius war mit einer Dissertatio Philosophica de Usu et Limitibus Principii Rationis Determinantis Vulgo Suffi cientis. Leipzig 1743, hervorgetreten, in der er die vorgeblich uneingeschränkte Gültigkeit des von Leibniz und Wolff hochgehaltenen Satzes vom (zureichenden) Grunde angriff (wiederabgedruckt in: Christian August Crusius: Die philosophischen Hauptwerke. Bd. IV, Teil I: Kleinere philosophische Schriften. Hg. von Sonia Carboncini und Reinhard Finster. Hildesheim, Zürich, New York 1987, S. 182–324). Ein Jahr darauf wurde sie ins Deutsche übersetzt und ebenfalls in Leipzig publiziert unter dem Titel Ausführliche Abhandlung von dem rechten Gebrauche und der Einschränkung des sogenannten Satzes vom zureichenden oder besser determinirenden Grunde. Aus dem Lateinischen […] übersetzt und mit Anmerkungen nebst einem Anhange begleitet von Christian Friedrich Krause. Kant kannte diese Abhandlung, wie aus seiner Nova Dilucidatio zweifelsfrei hervorgeht. In dieser Abhandlung hatte Kant sich zum Ziel gesetzt, die beiden ersten Grundsätze metaphysischer Erkenntnis, d. h. den Satz vom Widerspruch und den Satz vom zureichenden Grund, in konsolidierender Absicht einer Prüfung zu unterziehen. In diesem Zusammenhang hatte er bereits dort die Schwierigkeiten erörtert, die dem Satz
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vom zureichenden Grund entgegenstehen und sich dabei hauptsächlich auf die Einwände von Crusius gestützt. Cf. Ak I, 39319, 39324, 39705, 39814, 39836, 40517, 41227. 333 I .iii.1. 334 Die nun folgende Überlegung war 030 16–21 angekündigt worden. 335 Kants hier vorgetragene Überlegung ist in praktisch unveränderter Form in die Kritik am kosmologischen Beweis übernommen worden, wie sie in der Kritik der reinen Vernunft knapp zwanzig Jahre später vorgetragen wird (cf. KrV A 608 / B 636). Insofern liegt diesen Ausführungen eine frühe, noch rudimentäre Form der aus dem kritischen Hauptwerk bekannten sogenannten ›Domino-Theorie‹ vor, wonach der physikotheologische Beweis auf den kosmologischen zurückgeführt werden kann, der seinerseits im ontologischen gründet, so daß, wenn der ontologische Beweis als nicht stichhaltig erwiesen ist, die beiden anderen Beweistypen damit ineins zu Fall gebracht sind (cf. KrV A 629 / B 657). Dieser Einsicht entspricht Kants Argumentationsstrategie in der Gottesbeweiskritik von 1781, die deshalb mit der Widerlegung des ontologischen Beweises einsetzt. In der Beweisgrundschrift hat er sich bereits zu der Einsicht vorgearbeitet, daß der kosmologische Beweis tatsächlich nichts anderes als der verkappte ontologische Beweis cartesischer Prägung ist (cf. KrV A 606 / B 634), sieht aber überraschenderweise noch nicht die, wie es scheint, leichter zu durchschauende Abhängigkeit des physikotheologischen Arguments vom kosmologischen. 336 In erster Linie also – cf. 132 18–19 – bei den Autoren der Wolffschen Schule, mit deren Werken Kant durch seine universitäre Ausbildung wohlvertraut war. 337 Cf. Anm. 324. 338 Damit ist der physikotheologische Beweis gemeint. 339 Wie diese Vervollkommnung des physikotheologischen Beweises, soweit seine Natur es gestattet, in Angriff zu nehmen ist, hatte Kant in II .vi ausgeführt. Sie läuft darauf hinaus, durch ein reduktionistisches Forschungsverfahren die zur Erklärung der Phänomene der Natur in ihrem anorganischen wie organischen Bereich erforderlichen Gesetzmäßigkeiten zu minimieren sowie
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deren Verflechtungen untereinander aufzuzeigen. Dieses Projekt ist angesichts der Mannigfaltigkeit der Naturobjekte in der Tat von einem Einzelnen allein nicht zu bewältigen und erfordert die »vereinigte[n] Bemühungen« der Forscher. 340 Das ist die erste Stelle, an der das Wort ›kosmologisch‹ in der Beweisgrundschrift auftaucht. Kant verwendet es, um mit ihm den in der Kritik der reinen Vernunft so genannten ›physikotheologischen‹ Beweis zu bezeichnen. Das stellen auch die Charakteristika klar, mit denen Kant ihn ausstattet, darunter sein Alter und seine leichte Faßlichkeit (cf. KrV A 623 f. / B 651 f.), denn diese dienen ihm später allesamt zur Kennzeichnung des physikotheologischen und nicht etwa des kosmologischen Argumentes. Der Terminus ›physikotheologisch‹ taucht in der Beweisgrundschrift noch nicht zur Bezeichnung eines Gottesbeweistyps auf, sondern dient zur Kennzeichnung einer Methode, Dasein und Eigenschaften Gottes zu erschließen. Cf. 07511–12 , 07616–17, 23–24, 08509, 089 02 , 09018, 09716–17, 104 01–02 . Zum terminologischen Wandel in der Bezeichnung der Gottesbeweistypen cf. Kreimendahl: Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund«, a. a. O., S. XVII –X X . 341 Trotz aller Kritik, die Kant dem – hier noch ›kosmologisch‹ genannten – physikotheologischen Beweis nicht erspart, lobt er ihn an dieser Stelle, wie auch im letzten Absatz der vorigen Nummer und auch schon oben in II .v.2 bei der Besprechung der »Vorteile und Nachteile der gewöhnlichen Physikotheologie«, auf das Nachdrücklichste und stellt seine Vorzüge innerhalb des Rahmens seiner möglichen Leistungsfähigkeit heraus. Ebenso verfährt er in der Kritik der reinen Vernunft. Dort heißt es über ihn: »Dieser Beweis verdient jederzeit mit Achtung genannt zu werden. Er ist der älteste, klarste und der gemeinen Menschenvernunft am meisten angemessene. Er belebt das Studium der Natur, so wie er selbst von diesem sein Dasein hat und dadurch immer neue Kraft bekommt. Er bringt Zwecke und Absichten dahin, wo sie unsere Beobachtung nicht von selbst entdeckt hätte, und erweitert unsere Naturkenntnisse durch den Leitfaden einer besonderen Einheit, deren Prinzip außer der Natur ist. Diese Kenntnisse wirken aber wieder auf ihre Ursache, nämlich die veranlassende Idee, zurück, und vermehren den Glauben an einen höchsten Urheber bis
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zu einer unwiderstehlichen Überzeugung. Es würde daher nicht allein trostlos, sondern auch ganz umsonst sein, dem Ansehen dieses Beweises etwas entziehen zu wollen. Die Vernunft, die durch so mächtige und unter ihren Händen immer wachsende, obzwar nur empirische Beweisgründe, unablässig gehoben wird, kann durch keine Zweifel subtiler abgezogener Spekulation so niedergedrückt werden, daß sie nicht aus jeder grüblerischen Unentschlossenheit, gleich als aus einem Traume, durch einen Blick, den sie auf die Wunder der Natur und der Majestät des Weltbaues wirft, gerissen werden sollte, um sich von Größe zu Größe bis zur allerhöchsten, vom Bedingten zur Bedingung, bis zum obersten und unbedingten Urheber zu erheben. Ob wir aber gleich wider die Vernunftmäßigkeit und Nützlichkeit dieses Verfahrens nichts einzuwenden, sondern es vielmehr zu empfehlen und aufzumuntern haben […]« (KrV A 623 f. / B 651 f.). Kants dauerhaft positive Einstellung zur Physikotheologie noch jenseits der Abfassung der Kritik der Urteilskraft (Ak V, 476 f.) geht aus einer Begebenheit hervor, die sein Biograph E. A. Ch. Wasianski aus Kants späten Lebensjahren berichtet: »Es war die Rede vom bewundrungswürdigen Instinkt der Tiere und der Fall folgender: Kant hatte in einem kühlen Sommer, in dem es wenig Insekten gab, eine Menge Schwalbennester am großen Mehlmagazin am Lizent wahrgenommen und einige Jungen auf dem Boden zerschmettert gefunden. Erstaunt über diesen Fall wiederholte er mit höchster Achtsamkeit seine Untersuchung und machte eine Entdeckung, wobei er anfangs seinen Augen nicht trauen wollte, daß die Schwalben selbst ihre Jungen aus den Nestern würfen. Voll Verwunderung über diesen verstandähnlichen Naturtrieb, der die Schwalben lehrte, beim Mangel hinlänglicher Nahrung für alle Jungen, einige aufzuopfern, um die übrigen erhalten zu können, sagte dann Kant: ›Da stand mein Verstand stille, da war nichts dabei zu tun, als hinzufallen und anzubeten‹ […].« In: Immanuel Kant in seinen letzten Lebensjahren. Ein Beitrag zur Kenntnis seines Charakters und häuslichen Lebens aus dem täglichen Umgange mit ihm. In: Immanuel Kant. Sein Leben in Darstellungen von Zeitgenossen, a. a. O., S. 293; H. i. O. 342 Obwohl der britische Geistliche und Naturphilosoph William Derham nicht am Anfang der physikotheologischen Bewe-
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gung stand, verfaßte er doch – neben dem von Kant sogleich genannten Bernard Nieuwentyt – die einflußreichsten der hierher gehörenden Werke, die vielfache Auf lagen erlebten und mit denen er zum Namengeber der auf wissenschaftliche Erkenntnisse gestützten Theologie wurde. Zunächst veröffentlichte er im Jahr 1713 die aus den Boyle-Lectures von 1711 und 1712 hervorgegangene Physico-Theology or, a Demonstration of the Being and Attributes of God, from his Works of Creation. London 1713 (Reprint Hildesheim, New York 1976). Dieses Werk erschien 1730 erstmals in deutscher Übersetzung (cf. Anm. 254). Zwei Jahre später erschien ebenfalls in London seine Astro-Theology or, a Demonstration of the Being and Attributes of God, from a Survey of the Heavens. (Reprint der Ausgabe 1731, Hildesheim, New York 1976). Auch diese Abhandlung, die ihre teleologischen Argumente im Unterschied zur ersten Abhandlung, die gleichsam die gesamte Schöpfung in den Blick nahm, nun konkret aus der Astronomie zog, wurde dem deutschen Publikum zugänglich gemacht: Astrotheologie, oder Himmlisches Vergnügen in Gott, bey aufmercksamen Anschauen des Himmels, und genauer Betrachtung der Himmlischen Cörper, zum augenscheinlichen Beweiß, daß ein Gott, und derselbige ein Allergütigstes, Allweises, Allmächtiges Wesen sey. Aus der fünfften vollständigeren englischen Ausgabe in die deutsche Sprache übersetzt und mit einer Nachricht von den Scribenten vermehret von Jo. Alberto Fabricio. Hamburg 1728. Welches der beiden Werke Derhams Kant hier im Auge hat, läßt sich nicht mit Sicherheit ausmachen; für die Astro-Theologie spricht, daß er in der Allgemeine[n] Naturgeschichte zweimal auf eine Stelle aus diesem Buch anspielt (Ak I, 23319, 25419 ), ihm diese Abhandlung also mit Sicherheit bekannt war. 343 Bernard Nieuwentyt (1654–1718), ein niederländischer Philosoph, Mathematiker, Mediziner, Physiker und Politiker, war ursprünglich als Anhänger Descartes’ ein Gegner Spinozas und verfaßte ein physikotheologisches Werk mit dem Titel Het regt gebruik der werelt beschouwingen, ter overtuiginge van ongodisten en ongelovigen aangetoont. Amsterdam 1715. Das Werk erlebte viele Auf lagen (1721, 1724, 1730, 1745). Tatsächlich zählt Nieuwentyt ausweislich vergleichender Untersuchungen von Bibliotheksbeständen des 18. Jahrhunderts zu den meistgelesenen naturwissenschaftlichen
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Autoren seiner Zeit; von Kant wird er jedoch nur an der vorliegenden Stelle erwähnt. Das Werk wurde ins Englische, Französische und gleich zweimal ins Deutsche übersetzt, zunächst unter dem Titel Die Erkänntnüß der Weißheit, Macht und Güte des göttlichen Wesens, aus dem rechten Gebrauch derer Betrachtungen aller irdischen Dinge dieser Welt: zur Überzeugung derer Atheisten und Unglaubigen vorgestellt […] samt einer Vorrede von Herrn Christian Wolffen […] aus dem Holländischen […] ins Hoch-Teutsche treulich übergebracht, und mit nützlichen Registern vermehret von Wilhelm Conrad Baumann. Frankfurt, Leipzig 1732. Eine zweite deutsche Übersetzung erschien unter dem Titel Rechter Gebrauch der Welt-Betrachtung. Zur Erkenntnis der Macht, Weisheit und Güte Gottes, auch Ueberzeugung der Atheisten und Ungläubigen. In einer freien Übersetzung abermal ans Licht gestellet, und mit einigen Anmerkungen erläutert von Joh.[ann] Andreas Segner. Jena 1747. Den Forschungen Wolfgang Philipps zufolge wurde Nieuwentyts Werk im deutschen Sprachraum hauptsächlich in Gestalt dieser zweiten deutschen Übersetzung rezipiert. Metaphysik und Glaube. Die Grundgedanken der Physikotheologie Bernhard Nieuwentyts (1654–1718). Neue Zeitschrift für systematische Theologie 2 (1960), S. 97. 344 Diese Ausführungen Kants stehen in so großer Nähe zu Humes Kritik an der Physikotheologie, wie dieser sie in Abschnitt XI der ersten Enquiry geäußert hatte, daß man hier begründeterweise von einer manifesten Hume-Rezeption bei Kant sprechen darf. Cf. dazu bereits ansatzweise Gawlick / Kreimendahl: Hume in der deutschen Aufklärung, a. a. O., S. 183, Fn. 61, und neuerdings Robert Theis: Le moment humien dans la critique kantienne de l’argument physico-théologique. In: Theis / Sosoe (Eds.): Les sources de la philosophie kantienne, a. a. O., S. 125–133. Ein Vergleich mit der zeitgenössischen Übersetzung des Humeschen Werks stellt das bis in die Sprachwahl hinein außer Frage. Der Analogieschluß, welcher der Physikotheologie zugrunde liegt, wird von Hume zunächst auf die der Gottheit beizulegenden Prädikate sowie deren graduelle Stufung angewendet: »Wenn wir irgend eine besondere Ursache aus der Wirkung schließen: so müssen wir die eine mit der andern in ein gleiches Verhältniß setzen; und man kann uns nicht zugeben, der Ursache irgend einige Eigenschaften zuzuschreiben,
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als nur solche, welche genau zureichend sind, die Wirkung hervor zu bringen. […]. Die gleiche Regel bleibt fest, die angegebene Ursache mag eine todte, sich selbst nicht bewußte Materie, oder ein vernünftiges und verständiges Wesen seyn. Wenn die Ursache nur allein aus der Wirkung bekannt ist: so müssen wir derselben niemals einige Eigenschaften über dasjenige zuschreiben, was eben genau erforderlich ist, die Wirkung hervor zu bringen […]. Wenn wir also gestehen, die Götter seyn die Urheber der Wirklichkeit oder der Ordnung der Welt: so folget, daß sie genau denjenigen Grad der Macht, des Verstandes, der Weisheit und der Gütigkeit besitzen, welcher sich in ihrem Werke zeiget; aber nichts ferner kann je erwiesen werden […]. So weit die Spuren einiger Eigenschaften sich gegenwärtig zeigen, so weit können wir schließen, daß diese Eigenschaften wirklich vorhanden sind. Die Voraussetzung fernerer Eigenschaften ist eine bloß willkürlich angenommene Meynung […]. Die Gottheit ist uns nur allein durch ihre Hervorbringungen bekannt, und sie ist in der ganzen Welt ein einzelnes Wesen, welches unter gar keiner Art oder Gattung begriffen wird, aus deren durch die Erfahrung bekannten Eigenschaften oder Beschaffenheiten wir durch die Aehnlichkeit einige Eigenschaft und Beschaffenheit in demselben schließen und folgern könnten. So wie die Welt Weisheit und Güte zeiget, folgern wir Weisheit und Güte: so wie sie einen besondern Grad dieser Vollkommenheiten zeiget, folgern wir einen besondern Grad derselben, der sich genau zu der Wirkung schicket, die wir untersuchen« (Philosophische Versuche über die menschliche Erkenntniß, a. a. O., S. 310, 310 f., 312, 313, 325). Dann aber untersucht Hume abschließend, ob sich mit dem Analogieschluß die Existenz eines Gottes als Schöpfer dieser Welt sicherstellen läßt, und die Antwort fällt so aus, wie Kant sie wiedergibt. »Nur allein, wenn wir fi nden, daß zwey Arten von Gegenständen beständig mit einander verknüpfet sind, können wir den einen aus dem andern folgern; und wenn sich eine Wirkung zeigete, die gänzlich einzeln wäre, und unter keiner bekannten Art begriffen werden könnte: so sehe ich gar nicht, wie wir überall irgend eine Muthmaßung oder Folgerung in Ansehung ihrer Ursache machen könnten.« Die Welt ist aber eine solche »einzelne«, d. h. singuläre Wirkung. »Ich überlasse es ihren eigenen Ueberlegungen,
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den Folgen dieses Grundsatzes ferner nachzuspüren« (ebd., S. 331). Denn diese auszusprechen, würde in allzu heikle Überlegungen führen, wie Hume sehr wohl weiß. Kant aber tut dies: Die Physikotheologie kann das monotheistische Weltbild nicht sicherstellen, sondern stärkt vielmehr den Polytheismus. Für weitere Rezeptionsspuren dieses Werks Humes in der Beweisgrundschrift cf. die Anm. 11, 39, 164, 215. 345 Der Hamburger Gymnasialprofessor für orientalische Sprachen Hermann Samuel Reimarus war eine der zentralen Gestalten der deutschen Spätauf klärung. Im Jahr 1754 publizierte er in Hamburg ein im Geist des Deismus verfaßtes Werk mit dem Titel Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion in zehn Abhandlungen auf eine begreifliche Art erkläret und gerettet, die in der Folge wiederholt aufgelegt wurden (6. Aufl. mit den Anmerkungen des Sohnes, Hamburg 1791). Reimarus setzt sich in diesem Werk das Ziel, die natürliche Religion mit den Mitteln physikotheologischer Überlegungen als einzig mögliche Religion zu erweisen und zu etablieren; eine über sie hinausgehende Offenbarungsreligion hält er für unmöglich (cf. Anm. 152). Obschon Reimarus in der Wolffschen Tradition steht, verzichtet er auf die dort hochgehaltene philosophische Methode und will sich lieber an »gemeine Erfahrungen und bekannte Grundsätze« halten, wie er im Vorbericht sagt (a. a. O., Bd. I, S. 63). Dem entspricht eine elegante, lebhafte Darstellungsweise, die dem praktischen Interesse der Religion gerecht zu werden sucht und Einfluß auf das Handeln der Menschen nehmen will; Religion ist für Reimarus weniger eine spekulative Angelegenheit als vielmehr »lebendiges Erkenntniß von Gott« (1. Abh., § 1; a. a. O., S. 69). Diesen Vorzug des Werks des Reimarus stellt Kant noch in der Kritik der Urteilskraft innerhalb seines Lobes der Physikotheologie deutlich heraus. Dort heißt es: »Dieses aus der physischen Teleologie genommene Argument ist verehrungswerth. Es thut gleiche Wirkung zur Überzeugung auf den gemeinen Verstand, als auf den subtilsten Denker; und ein Reimarus in seinem noch nicht übertroffenen Werke, worin er diesen Beweisgrund mit der ihm eigenen Gründlichkeit und Klarheit weitläufig ausführt, hat sich dadurch ein unsterbliches Verdienst erworben« (Ak V, 47634 –47702 ; H. i. O.). Freilich wird
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die Existenz Gottes bei Reimarus nicht durch das physikotheologische Argument sichergestellt; er bedient sich zu diesem Zweck vielmehr einer Variante des kosmologischen Beweises, wie er aus der Leibniz-Wolffschen Tradition bekannt ist (1. Abh., § 2). Dieser bemerkenswerte Umstand belegt auf seine Weise die Richtigkeit der obigen Behauptung Kants (13217–19 ), wonach der kosmologische Beweis in der Wolffschen Schule eine dominierende Rolle einnahm; so dominierend offenbar, daß selbst der scharfsinnigste deutsche vorkantische Theoretiker der Physikotheologie sich nicht von ihm trennen mochte. Der Physikotheologie fällt bei Reimarus vielmehr die Aufgabe zu, bestimmte Prädikate Gottes zu erweisen. 346 Analoge Formulierung zu 132 13–14. Gemeint ist also der – in moderner Terminologie – kosmologische Beweis. 347 Dieser die Abhandlung beschließende Satz legt einen Vergleich der Grundüberzeugungen Anselms und Kants nahe. Wie für Anselm, steht auch für Kant die Existenz Gottes von vornherein fest. Für Anselm ist sie durch den Glauben verbürgt; Kant zufolge ist sie »dem natürlichen gemeinen Verstand unmittelbar« einsichtig (00511–12 ), nämlich auf Grund physikotheologischer Betrachtungen. Dementsprechend sind auch die Gründe, aus denen heraus beide Denker dennoch einen philosophisch stringenten Beweis für die bereits feststehende Wahrheit suchen, anders gelagert. Anselm »[…] will ein wenig Deine [sc. Gottes, Hg.] Wahrheit verstehen, die mein Herz glaubt und liebt. Ich suche ja […] nicht zu verstehen, um zu glauben, sondern glaube, um zu verstehen« (Proslogion. Anrede, a. a. O., S. 21). Für Kant hingegen ist der Wunsch des forschenden Verstandes nach klarer Einsicht und deutlichem Begreifen des Gegenstandes sowie die Hoffnung, daß sich aus der angestrebten Erkenntnis weitere nützliche rationaltheologische Einsichten ergeben mögen, das treibende Motiv für seine Untersuchung (cf. Vorrede, 00523 – 00606, 13719–23 ). Beide aber stimmen darin überein, daß es eine dem jeweils angestrebten Beweis vorausliegende und von ihm unabhängige Evidenzquelle für die Existenz Gottes gibt.
A N H A NG
A. Werke, aus denen Kant zitiert oder auf die er anspielt Es ist nicht in jedem Fall eindeutig auszumachen, welche Auf lage oder Ausgabe eines bestimmten Werks Kant vorlag, ebensowenig, ob er ggfs. das fremdsprachige Original oder eine Übersetzung in Händen hielt. In diesen Fällen beziehen sich die Angaben auf die im Anmerkungsteil verwendeten Editionen. Baumgarten, Alexander Gottlieb: Metaphysica. 4. Aufl., Halle im Magdeburgischen 1757. Bayle, Pierre: Historisches und critisches Wörterbuch. 4 Bde. Nach der neuesten Auf lage von 1740 ins Deutsche übersetzt; auch mit einer Vorrede und verschiedenen Anmerkungen sonderlich bei anstößigen Stellen versehen von Johann Christoph Gottsched. Leipzig 1741–44. Reprint Hildesheim, New York 1974–78. Buffon, George Louis Leclerc, Comte de: Histoire naturelle, générale et particulière. Bde. I, III. 5. Aufl. Paris 1752. Burnet, Thomas: Telluris Theoria Sacra: Orbis Nostri Originem & Mutationes Generales, Quas Aut Jam Subiit, Aut Olim Subiturus Est, Complectens. Libri Duo Priores de Diluvio et Paradiso. London 1681. Crusius, Christian August: Entwurf der nothwendigen Vernunft-Wahrheiten, wiefern sie den zufälligen entgegen gesetzet werden. Unveränderter fotomechanischer Nachdruck der 2., vermehrten Aufl. Leipzig 1753 [11745], Darmstadt 1963. Derham, William: Astrotheologie, oder Himmlisches Vergnügen in Gott, bey aufmercksamen Anschauen des Himmels, und genauer Betrachtung der Himmlischen Cörper, zum augenscheinlichen Beweiß, daß ein Gott, und derselbige ein Allergütigstes, Allweises, Allmächtiges Wesen sey. Aus der fünfften vollständigeren englischen Aus-
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Anhang
gabe in die deutsche Sprache übersetzt und mit einer Nachricht von den Scribenten vermehret von Jo. Alberto Fabricio. Hamburg 1728. oder: Physicotheologie, oder Natur-Leitung zu Gott, durch aufmercksame Betrachtung der Erd-Kugel und der darauf sich befindenden Creaturen, zum augenscheinlichen Beweiß, daß ein Gott, und derselbige ein Allergütigstes, Allweises, Allmächtiges Wesen sey. In die deutsche Sprache übersetzt von C.[hristian] L.[udwig] W.[iener], jetzo aber nach der siebenden englischen Ausgabe mit Fleiß von neuem übersehen und nebst einer Aufmunterung des Herrn Carol Rollins, die Jugend bey Zeiten zur Liebe ihres Schöpffers durch Betrachtung der Creaturen anzuführen, zum Druck befordert von Johann Albert Fabricius. Hamburg 1730. Descartes, René: Meditationes de Prima Philosophia [11641]. In: Œuvres de Descartes. Publiées par Charles Adam et Paul Tannery. Nouvelle présentation, en co-édition avec le Centre National de la Recherche Scientifique. Bd. VII. Reprint Paris 1996. Hill, John: III. Fortsetzung der microscopischen und physikalischen Beobachtungen des Herrn Dr. Hill. In: Hamburgisches Magazin, oder gesammelte Schriften, zum Unterricht und Vergnügen Bd. 19 (1757), S. 233–290. Huygens, Christian: Horologium Oscillatorium Sive de Motu Pendulorum ad Horologia Aptato Demonstrationes Mathematicae. Paris 1673. Kästner, Abraham Gotthelf: Anfangsgründe der angewandten Mathematik. Zweyter Theil. Göttingen 1759. Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg und Leipzig 1755. In: Kant’s gesammelte Schriften. Hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften [und Nachfolgern]. Bd. I: Vorkritische Schriften I. 1747–1756. Berlin 1902. Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg 1761. In: Philosophische Schriften. Begonnen von Hans Werner Arndt. Fortgeführt von Lothar Kreimendahl. Bd. V: Kosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Hg. von Armin Emmel und Axel Spree. Hildesheim 2006.
Werke, aus denen Kant zitiert
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Lukrez [Titus Lucretius Carus]: De Rerum Natura. Welt aus Atomen. Lateinisch und deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort hg. von Karl Büchner. Stuttgart 1981. Mairan, Jean Jacques d’Ortous de: Astronomische Abhandlung von der Bewegung des Mondes und der Erde: darinn man untersuchet, welcher Planete von beyden sich um den andern als sein Trabante bewege. Nebst Anmerkungen von den Trabanten überhaupt. In: Der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Paris physische Abhandlungen. Achter Theil, welcher die Jahre 1727, 1728, 1729, 1730 in sich hält. Aus dem Französischen übersetzet von Wolf Balthasar Adolph von Steinwehr. Breslau 1752, S. 99–144. Maupertuis, Pierre Louis Moreau de: Discours sur les différentes fi gures des astres, où l’on essaye d’expliquer les principaux phénomenes du ciel. Paris 1732. In: Œuvres. Bd. I. Reprint der Ausgabe Lyon 1768 und Berlin 1758. Avec une introduction par Giorgio Tonelli. Hildesheim, New York 1974. – Essay de cosmologie. Leiden 1751. oder: Versuch einer Kosmologie. Berlin 1751. – Recherche des lois du mouvement. [urspr. in: Mémoires de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres. Berlin 1748]. In: Œuvres. Bd. IV. Milton, John: Johann Miltons Verlust des Paradieses: Ein Helden-Gedicht. In ungebundener Rede übersetzet von Johann Jacob Bodmer. Zürich 1732. Newton, Isaac: Philosophiae Naturalis Principia Mathematica [11687]. In: Opera Quae Exstant Omnia. Faksimile-Neudruck der Ausgabe von Samuel Horsley, London 1779–1785, in fünf Bänden. Bde. II/III. Stuttgart-Bad Cannstatt 1964. Nieuwentyt, Bernard: Rechter Gebrauch der Welt-Betrachtung. Zur Erkenntnis der Macht, Weisheit und Güte Gottes, auch Ueberzeugung der Atheisten und Ungläubigen. In einer freien Übersetzung abermal ans Licht gestellet, und mit einigen Anmerkungen erläutert von Joh.[ann] Andreas Segner. Jena 1747. Pope, Alexander: [Barthold Hinrich Brockes:] Aus dem Englischen übersetzter Versuch vom Menschen des Herrn Alexander Pope, Esq. […]. Nebst einer Vorrede und einem Anhange von Briefen […] übersetzt von B. J. Zinck. Hamburg 1740.
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Ray, John: Sonderbahres Klee-Blätlein / Der Welt Anfang / Veränderung u. Untergang; Oder / nebst allerhand mit eingeschalteten / hochwichtig- und spitzfindig erörterten Fragen / hauptsächlich drey/ so wol aus Geist- und Weltlichen Schrifften gnugsam betrachtete / als auch aus natürlichen Uhrsachen gründlich untersuchte / neue / gelehrte Handlunge: Betreffendt: I. Den anfänglichen Mischmasch / und die Erschaffung Himmels und Erde; II. Die allgemeine Sünd-Fluth / derselbigen Vermittelung- und Würckungen; so dann III. Die endliche Vertilgung dieses gantzen grossen Alles, sampt unterschiedlichen Muthmassungen / wie solche geschehen / und was für ein Zustand hernach seyn werde. Alles sehr Lehrreich / nütz- und erbaulich. Hamburg 1698. oder: Drey PhysicoTheologische Betrachtungen, von der Welt Anfang, Veränderung und Untergang. Worinnen I. Das erste Chaos, oder der unförmliche vermischte Klumpen, und die Erschaffung des Himmels und der Erden, II. Die allgemeine Sündfluth, deren Ursachen und Würckungen, III. Die Auflösung der Welt und zukünfftige Verbrennung; insbesondere aber die Herfürbringung und Nutzen der Berge […] abgehandelt sind. Aus dem Englischen übersetzt von Theodor Arnold. Leipzig [1732]. oder: Neue um vieles verbesserte Auf lage, Leipzig 1756. Reimarus, Hermann Samuel: Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion. Reprint der 3. verbesserten und stark vermehrten Aufl. Hamburg 1766 [11754]. Mit einer Einleitung unter Mitarbeit von Michael Emsbach und Winfried Schröder hg. von Günter Gawlick. 2 Bde. Göttingen 1985. Spinoza, Baruch de: Ethica Ordine Geometrico Demonstrata [11677]. In: Opera. Bd. II. Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften hg. von Carl Gebhardt. 2. Aufl. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1925. Heidelberg [o.J.]. Süßmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts, aus der Geburt, Tod, und Fortpfl antzung desselben erwiesen. Nebst einer Vorrede Herrn Christian Wolffens. Berlin 1741. – Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts, aus der Geburt, dem Tode und der Fortpfl anzung desselben
Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden
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erwiesen. Zwote und ganz umgearbeitete Ausgabe. 2 Bde. Berlin 1761/62. Voltaire, François Marie Arouet de: Candide ou l’optimisme [11759]. In: Œuvres complètes de Voltaire. Nouvelle édition. Bd. 21. Paris 1879. Reprint Nendeln 1967. Whiston, William: Gründlicher Beweis daß die in der Offenbahrung befindliche Geschichte von der Schöpfung der Welt und die allda geschehene Verkündigung von dem Untergange der Welt mit der gesunden Vernunft keinesweges streite. Aus dem Englischen übersetzt. Wittenberg [1755]. Wolff, Christian: Discursus Praeliminaris de Philosophia in Genere. Einleitende Abhandlung über Philosophie im allgemeinen [11728]. Historisch-kritische Ausgabe. Übersetzt, eingeleitet und hg. von Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl. Stuttgart-Bad Cannstatt 1996 [= FMDA I, 1]. – Philosophia Prima Sive Ontologia [11730]. [= Christian Wolff: Gesammelte Werke. Hg. und bearbeitet von J. École, H. W. Arndt, Ch. A. Corr u.a. II. Abt., Bd. 3. Hildesheim, New York 1965 ff.]. – Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt [11720] [= »Deutsche Metaphysik«; GW I.2].
B. Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden Die am Ende eines jedes Eintrags in eckigen Klammern stehenden Ziffern verweisen auf die Anmerkungen der vorliegenden Ausgabe. Abel, Caspar: Hebräische Alterthümer. Worinnen nicht allein die Geschichte des Volckes Gottes und der benachbarten Nationen, vom Anfange der Welt bis auf die letzte Verstöhrung, sowol aus der heiligen Schrifft, als aus Jüdischen, Mahumedanischen und Heydnischen, wie auch Christlichen Büchern und Nachrichten gründlich und zulänglich vorgestellet […]. Leipzig 1736. [201]
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Adelung, Johann Christoph: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber des Oberdeutschen. Mit D. W. Soltau’s Beyträgen, revidirt und berichtiget von Franz Xaver Schönberger. Wien 1808. [138, 305] Adickes, Erich: Kants Ansichten über Geschichte und Bau der Erde. Tübingen 1911. [199] – Erläuterungen zu Kant’s handschriftlicher Nachlaß. Bd. I: Mathematik – Physik und Chemie, Physische Geographie. Berlin, Leipzig 1925 [= Kant’s gesammelte Schriften Bd. XIV]. [199] [Anonym:] Auszug aus einem Schreiben an Professor Kästnern, eine besondere Vorrichtung eines Göpels betreffend. In: Hamburgisches Magazin, oder gesammelte Schriften, zum Unterricht und Vergnügen Bd. 7 (1751), S. 209–218. [238] Anselm von Canterbury: Proslogion. Anrede. Lateinisch / deutsch. Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Robert Theis. Stuttgart 2005. [312, 347] Anselm von Canterbury / Gaunilo von Marmoutiers: Kann Gottes Nicht-Sein gedacht werden? Die Kontroverse zwischen Anselm von Canterbury und Gaunilo von Marmoutiers. Übersetzt, erläutert und hg. von Burkhard Mojsisch. Mit einer Einleitung von Kurt Flasch. Mainz 1989 [= Exzerpta classica 4]. [323] Aristoteles: Metaphysik. Griechisch / deutsch. In der Übertragung von Hermann Bonitz. Neu bearbeitet, mit Einleitung und Kommentar hg. von Horst Seidl. Griechischer Text in der Edition von Wilhelm Christ. 2 Bde. 3., verbesserte Aufl. Hamburg 1991. [54] – Meteorologie. In: Aristoteles: Werke in deutscher Übersetzung. Deutsche Aristoteles-Gesamtausgabe. Begründet von Ernst Grumach. Hg. von Hellmut Flashar. Bd. 12, Teil 1 und 2: Meteorologie. Über die Welt. Übersetzt von Hans Strohm. 3. Aufl. Darmstadt 1984. [140] – Vom Himmel. In: Aristoteles: Vom Himmel. Von der Seele. Von der Dichtkunst. Eingeleitet und neu übertragen von Olof Gigon. 2. Aufl. Zürich, München 1983. [221] Arndt, Hans Werner: Methodo Scientifi ca Pertractatum. Mos geometricus und Kalkülbegriff in der philosophischen Theorienbildung des
Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden
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17. und 18. Jahrhunderts. Berlin, New York 1971 [= Quellen und Studien zur Philosophie Bd. 4]. [37] Arnoldt, Daniel Heinrich: Fortgesetzte Zusätze zu seiner Historie der Königsbergschen Universität, nebst Nachrichten von dreyhundert und elf Preußischen Gelehrten, auch Zusätzen zu des Herrn Profeßor Hambergers itztlebendem gelehrten Deutschland, und Verbeßerungen desselben. Königsberg 1769. [24] Aso, Ken / Kurosaki, Masao / Otabe, Tanehisa / Yamauchi, Shiro (Hgg.): Onomasticon philosophicum. Latinoteutonicum et teutonicolatinum. Tokio 1989. [17, 305] Baensch, Otto: Johann Heinrich Lamberts Philosophie und seine Stellung zu Kant. Tübingen, Leipzig 1902. Reprint Hildesheim 1978. [30] Baumeister, Friedrich Christian: Institutiones Metaphysicae. Ontologiam, Cosmologiam, Psychologiam, Theologiam Denique Naturalem Complexae. Methodo Wolfii Adornatae. Wittenberg, Zerbst 1738 [= Christian Wolff: GW III.25]. [106, 141, 324, 330] – Philosophia Definitiva […]. Editio nova aucta et emendata. Wien 1775 [= Christian Wolff: GW III.7]. [106] Baumgarten, Alexander Gottlieb: Metaphysica / Metaphysik. Historisch-kritische Ausgabe. Lateinisch-deutsch. Übersetzt, eingeleitet und hg. von Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl. Stuttgart-Bad Cannstatt 2011 [= FMDA I, 2]. [53, 54, 62, 88, 106, 141, 197, 314, 330] Bayle, Pierre: Historisches und critisches Wörterbuch. 4 Bde. Nach der neuesten Auf lage von 1740 ins Deutsche übersetzt; auch mit einer Vorrede und verschiedenen Anmerkungen sonderlich bei anstößigen Stellen versehen von Johann Christoph Gottsched. Leipzig 1741–44. Reprint Hildesheim, New York 1974–78. [44, 196, 212, 221, 223] – Pensées diverses écrites à un Docteur de Sorbonne à l’occasion de la comète qui parut au mois de décembre 1680 [11683] [= Lettre sur la comète {11682}]. Œuvres diverses. Reprint der Ausgabe Den Haag 1727. Avec une introduction de Elisabeth Labrousse. Bd. III. Hildesheim 1966. [147] Beeson, David: Maupertuis. An intellectual biography. Oxford 1992. [130]
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Anhang
Berkeley, George: A Treatise Concerning the Principles of Human Knowledge. In: The Works of George Berkeley, Bishop of Cloyne. Ed. by A. A. Luce and T. E. Jessop. Bd. II. Reprint London 1964. [2] Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. Mit Apokryphen und Wortkonkordanz. Bibeltext in der revidierten Fassung von 1984. Hg. von der Evangelischen Kirche in Deutschland und vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. Stuttgart 1990. [45, 140, 143, 147, 181, 306, 307] Bilfi nger, Georg Bernhard: Dilucidationes Philosophicae de Deo, Anima Humana, Mundo, et Generalibus Rerum Affectionibus. Tübingen 1725 [= Christian Wolff: GW III.18]. [330] Bodmer, Johann Jacob: Johann Miltons Verlust des Paradieses. Ein Helden-Gedicht. In ungebundener Rede übersetzet. Zürich 1732. [298] Böhm, Andreas: Metaphysica in Usum Auditorii Sui Ordine Scientifi co Conscripta. Editio II. Auctior hinc inde et emendatior. Gießen 1767 [11753] [= Christian Wolff: GW III.42]. [330] Borowski, Ludwig Ernst: Darstellung des Lebens und Charakters Immanuel Kants. Von Kant selbst genau revidiert und berichtigt. In: Immanuel Kant. Sein Leben in Darstellungen von Zeitgenossen. Die Biographien von L. E. Borowski, R. B. Jachmann und A. Ch. Wasianski. Hg. von Felix Groß. Berlin [1912]. [24] Brandt, Reinhard: Kommentar zu Kants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798). Hamburg 1999. [119] Breger, Herbert: Über den von Samuel König veröffentlichten Brief zum Prinzip der kleinsten Wirkung. In: Hartmut Hecht [Hg.]: Pierre Louis Moreau de Maupertuis. Eine Bilanz nach 300 Jahren. Berlin 1999, S. 363–381 [= Schriftenreihe des Frankreich-Zentrums der Technischen Universität Berlin Bd. 3]. [130] Brockes, Barthold Hinrich: Aus dem Englischen übersetzter Versuch vom Menschen des Herrn Alexander Pope, Esq. […]. Nebst einer Vorrede und einem Anhange von Briefen […] übersetzt von B. J. Zinck. Hamburg 1740. [244, 257] – Irdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physikalisch und Moralischen Gedichten, nebst einem Anhange verschiedener dahin gehöriger Uebersetzungen. 4. Aufl. Teil II, VIII. Hamburg 1739, 1746. Reprint Bern 1970. [254]
Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden
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Buffon, George Louis Leclerc, Comte de: Histoire naturelle, générale et particulière. Bde. I, III. 5. Aufl. Paris 1752. [175, 199, 275] Burnet, Thomas: Telluris Theoria Sacra: Orbis Nostri Originem & Mutationes Generales, Quas Aut Jam Subiit, Aut Olim Subiturus Est, Complectens. Editio tertia, recognita et contracta, London 1702 [11682]. [229] – Theoria Sacra Telluris, das ist heiliger Entwurff oder biblische Betrachtung des Erdreichs: begreiffende nebens dem Ursprung die allgemeine Enderungen welche unser Erd-Kreiß einseits allschon ausgestanden und anderseits noch auszustehen hat. Anfangs von […] Herrn Thomas Burnet in Latein zu London heraus gegeben. Anjetzo aber ins Hochteutsche übersetzt und […] erläutert durch M. Joh. Jacob Zimmermann. Hamburg 1698. [229] Canz, Israel Gottlieb: Philosophia Fundamentalis. Tübingen 1744 [= Christian Wolff: GW III.33]. [330] Carvajal, Clara: Pour une anthropologie des extrêmes. Échos de la »Venus physique« dans la définition du concept de nature humaine chez Kant. In: Robert Theis / Lukas K. Sosoe (Eds.): Les sources de la philosophie kantienne aux XVIIe et XVIIIe siècles. Paris 2005, S. 303–311. [173] Ciafardone, Raffaele: Sul rapporto Kant-Crusius. Il Pensiero 12 (1967), S. 86–104. [55] Clarke, Samuel: cf. Leibniz, Gottfried Wilhelm / Clarke, Samuel – Abhandlung von dem Daseyn und den Eigenschaften GOTTES, von den Verbindlichkeiten der Natürlichen Religion, und der Wahrheit und Gewißheit der Christlichen Offenbarung. Aus dem Englischen übersetzt und mit seiner Lebensbeschreibung begleitet. Braunschweig, Hildesheim 1756. [324] Coing, Johann Franz: Institutiones Philosophicae de Deo, Anima Humana, Mundo et Primis Cognitionis Humanae Principiis. Marburg 1765 [= Christian Wolff: GW III.44]. [330] Crusius, Christian August: Ausführliche Abhandlung von dem rechten Gebrauche und der Einschränkung des sogenannten Satzes vom zureichenden oder besser determinirenden Grunde. Aus dem Lateinischen […] übersetzt und mit Anmerkungen nebst einem Anhange begleitet von Christian Friedrich Krause. Leipzig 1744. [332]
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Dissertatio Philosophica de Usu et Limitibus Principii Rationis Determinantis Vulgo Suffi cientis. Leipzig 1743. In: Die philosophischen Hauptwerke. Bd. IV, Teil I: Kleinere philosophische Schriften. Hg. von Sonia Carboncini und Reinhard Finster. Hildesheim, Zürich, New York 1987, S. 182–324. [332] – Entwurf der nothwendigen Vernunft-Wahrheiten, wiefern sie den zufälligen entgegen gesetzet werden. Unveränderter fotomechanischer Nachdruck der 2., vermehrten Aufl. Leipzig 1753 [11745], Darmstadt 1963. [55, 59, 106, 324] – Weg zur Gewißheit und Zuverläßigkeit der menschlichen Erkenntnis. Reprografi scher Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1747. In: Die philosophischen Hauptwerke, a.a.O., Bd. III. [13] Darjes, Joachim Georg: Elementa Metaphysices. Bd. II. [ Jena] 1744. [330] Delfosse, Heinrich P. / Krämer, Berthold / Reinardt, Elfriede: Wolff-Index. Stellenindex und Konkordanz zu Christian Wolffs »Deutscher Logik«. Stuttgart-Bad Cannstatt 1987 [= FMDA III, 19]. [17] Denso, Johann Daniel: Beweis der Gottheit aus dem Grase. Amsterdam 1750. [254] Derham, William: Astro-Theology or, a Demonstration of the Being and Attributes of God, from a Survey of the Heavens. London 1731. [342] – Astrotheologie, oder Himmlisches Vergnügen in Gott, bey aufmercksamen Anschauen des Himmels, und genauer Betrachtung der Himmlischen Cörper, zum augenscheinlichen Beweiß, daß ein Gott, und derselbige ein Allergütigstes, Allweises, Allmächtiges Wesen sey. Aus der fünfften vollständigeren englischen Ausgabe in die deutsche Sprache übersetzt und mit einer Nachricht von den Scribenten vermehret von Jo. Alberto Fabricio. Hamburg 1728. [342] – Physico-Theology or, a Demonstration of the Being and Attributes of God, from his Works of Creation. London 1713. [342] – Physico-Theologie oder Natur-Leitung zu Gott durch aufmercksame Betrachtung der Erd-Kugel und der darauf sich befi ndenden Creaturen; zum augenscheinlichen Beweiß, daß ein Gott und derselbige ein allergütigstes, allweises, allmächtiges Wesen sey. In die deutsche Sprache übersetzt von C.[hristian] L.[udwig] W.[iener],
Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden
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jetzo aber nach der siebenden englischen Ausgabe mit Fleiß von neuem übersehen und nebst einer Aufmunterung des Herrn Carol Rollins, die Jugend bey Zeiten zur Liebe ihres Schöpffers durch Betrachtung der Creaturen anzuführen, zum Druck befordert von Johann Albert Fabricius. Hamburg 1730. [254, 342] Descartes, René: Discours de la méthode. In: Œuvres de Descartes. Publiées par Charles Adam et Paul Tannery. Nouvelle présentation, en co-édition avec le Centre National de la Recherche Scientifique. Bd. VI. Reprint Paris 1996. [189] – Les Météores. In: Œuvres Bd. VI. [140, 262] – Meditationes de Prima Philosophia. In: Œuvres Bd. VII. [90, 95, 322, 324] – Principia Philosophiae. In: Œuvres Bd. VIII. [90, 168] Diogenes Laertius: Leben und Meinungen berühmter Philosophen. Buch I–X. Aus dem Griechischen übersetzt von Otto Apelt. Unter Mitarbeit von Hans Günter Zekl neu hg. sowie mit Vorwort, Einleitung und neuen Anmerkungen zu Text und Übersetzung versehen von Klaus Reich. 2. Aufl. Hamburg 1967. [221] Doude van Troostwijk, Christiaan: Buffon catalyseur de la critique? Moule intérieur et premier fondement de différenciation. In: Robert Theis / Lukas K. Sosoe (Eds.): Les sources de la philosophie kantienne aux XVIIe et XVIIIe siècles. Paris 2005, S. 353–360. [175] Eberhard, Johann August: »Vorbericht zur neuen Ausgabe«. In: Alexander Gottlieb Baumgarten: Metaphysik. Ins Deutsche übersetzt von Georg Friedrich Meier. Nach dem Text der zweiten, von Joh. Aug. Eberhard besorgten Ausgabe 1783. Mit einer Einführung, einer Konkordanz und einer Bibliographie der Werke A. G. Baumgartens von Dagmar Mirbach. Jena 2004 [= Klassiker der Metaphysik Bd. 1]. [2] Euklid: Die Elemente. Buch I–XIII. Hg. und ins Deutsche übersetzt von Clemens Thaer. Darmstadt 1962. [117] Euler, Leonhard: Sur le principe de la moindre action. In: Mémoires de l’Académie des Sciences de Berlin 7 (1753), S. 199–218. [131] Ferrari, Jean: Kant. Maupertuis et le principe de moindre action. In: Hartmut Hecht (Hg.): Pierre Louis Moreau de Maupertuis. Eine Bilanz nach 300 Jahren. Berlin 1999, S. 225–234. [130]
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Finster, Reinhard: Spontaneität, Freiheit und unbedingte Kausalität bei Leibniz, Crusius und Kant. Studia Leibnitiana 14 (1982), S. 266– 277. [55] Formey, Jean Louis Samuel: La belle wolfi enne. Tome sixième, contennat l’abregé de la théologie naturelle. La Haye 1753 [= Christian Wolff: GW III.16.2]. [330] Frankenberger, Horst: Kant und die Frage nach der göttlichen Allgenugsamkeit. Zur transzendentalen Wende in der philosophischen Gotteslehre. Frankfurt am Main, Bern, Nancy usw. 1984 [= Europäische Hochschulschriften, Reihe 20, Bd. 153]. [305] Freye Urtheile und Nachrichten zum Aufnehmen der Wissenschaften und Historie überhaupt. Bd. 8, Hamburg 1751 (I. Stück vom 1. Januar, II. Stück vom 5. Januar, III. Stück vom 8. Januar 1751). [269] Gaunilo von Marmoutiers: cf. Anselm von Canterbury / Gaunilo von Marmoutiers Gawlick, Günter / Kreimendahl, Lothar: Hume in der deutschen Aufklärung. Umrisse einer Rezeptionsgeschichte. Stuttgart-Bad Cannstatt 1987 [= FMDA II, 4]. [39, 80, 215, 344] Gottsched, Johann Christoph: Erste Gründe der gesamten Weltweisheit. Bd. I. Siebente vermehrte und verbesserte Aufl. Leipzig 1762 [= Christian Wolff: GW III.20.1]. [330] Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Vollständige Sammlung aller Streitschriften, die neulich über das vorgebliche Gesetz der Natur, von der kleinsten Kraft, in den Wirkungen der Körper, zwischen dem Präsidenten von Maupertuis zu Berlin, Herrn Professor König in Holland, und andern mehr, gewechselt worden. 2. Aufl. Berlin 1753. [130] Grimm, Jacob / Grimm, Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bde. Hg. von der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Leipzig 1854–1962. [4, 9, 21, 22, 23, 46, 47, 48, 63, 69, 71, 80, 109, 110, 114, 115, 121, 122, 125, 138, 148, 149, 163, 171, 179, 187, 208, 218, 236, 263, 292, 305] Groß, Felix (Hg.): Immanuel Kant. Sein Leben in Darstellungen von Zeitgenossen. Die Biographien von L. E. Borowski, R. B. Jachmann und A. Ch. Wasianski. Berlin [1912]. [24, 341] Gunner, Johann Ernst: Beweis von der Wirklichkeit und Einigkeit Gottes aus der Vernunft. Nebst gründlicher Beurtheilung derer übrigen
Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden
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wichtigsten Beweise von beiden ans Licht gestellet. Jena 1748. [12, 107, 324] Harnack, Adolf: Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Im Auftrage der Akademie bearbeitet. Bd. II. Berlin 1900. [134] Heinsius, Balthasar Heinrich: Chionotheologie, oder erbauliche Gedanken vom Schnee, als einem wunderbaren Geschöpfe Gottes zu mehrerer Nachspur der Fußstapfen der Allmacht, Weisheit und Güte Gottes. Züllichau 1735. [170] Henrich, Dieter: Der ontologische Gottesbeweis. Sein Problem und seine Geschichte. 2., unveränderte Aufl. Tübingen 1967. [324] Herder, Johann Gottfried: Von Baumgartens Denkart in seinen Schriften. In: ders.: Sämmtliche Werke. Hg. von Bernhard Suphan. Bd. 32., Berlin 1899. 3. Reprint Hildesheim, New York 1995. [52] Hill, John: A General Natural History. 2 Bde. London 1748–1752. [186] – III. Fortsetzung der microscopischen und physikalischen Beobachtungen des Herrn Dr. Hill. – Der XIII. Versuch. Beschreibung eines Insects, das in frischem Wasser gefunden wird, und der Art wie sich selbiges nähret. In: Hamburgisches Magazin, oder gesammelte Schriften, zum Unterricht und Vergnügen. Bd. 19 (1757), S. 233–290. [186] Holger, Katharina / Gerresheim, Eduard (Hgg.): Personenindex 2. Stufe zu Kant’s Gesammelte Schriften. Buchstabe S, I. Teil. Bonn 1969. [262] Homberg, Wilhelm: Observationen von den Spinnen. In: Der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Paris physische Abhandlungen. Aus dem Französischen übersetzt von Wolf Balthasar Adolph von Steinwehr. Bd. 3, Breslau 1749, S. 1–16. [193] – Von den künstlichen Vegetationen oder Gewächsen. In: Der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Paris anatomische, chymische und botanische Abhandlungen. Aus dem Französischen übersetzt von Wolf Balthasar Adolph von Steinwehr. Bd. 3, Breslau 1751, S. 653–663. [173] Hume, David: An Enquiry Concerning Human Understanding. Reprinted from the posthumous edition of 1777 and ed. with introduction, comparative tables of contents, and analytical index
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by L. A. Selby-Bigge. 3rd edition with text revised and notes by P. H. Nidditch. Oxford 1975. [11, 344] – Philosophische Versuche über die menschliche Erkenntniß. Als dessen vermischter Schriften zweyter Theil. Nach der zweyten vermehrten Ausgabe aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen des Herausgebers begleitet. Hamburg, Leipzig 1755. [39, 164, 215, 344] – A Treatise of Human Nature. Ed. with an analytical index, by L. A. Selby-Bigge. 2nd edition with text revised and variant read ings by P. H. Nidditch. Oxford 1978. [11] – Vier Abhandlungen. I. Die natürliche Geschichte der Religion. II. Von den Leidenschaften. III. Vom Trauerspiel. IV. Von der Grundregel des Geschmacks. Aus dem Englischen übersetzt (von F. C. Resewitz). Quedlinburg, Leipzig 1759. [80] Huygens, Christian: Horologium Oscillatorium sive de Motu Pendulorum ad Horologia Aptato Demonstrationes Mathematicae. Paris 1673. [310] Jahn, Ilse: Maupertuis zwischen Präformations- und Epigenesistheorie. Sein Beitrag zu biologischen Fragen des 18. Jahrhunderts. In: Hartmut Hecht (Hg.): Pierre Louis Moreau de Maupertuis. Eine Bilanz nach 300 Jahren, Berlin 1999, S. 89–101. [176] Kästner, Abraham Gotthelf: Anfangsgründe der Arithmetik […]. Göttingen 1758. [238] – Anfangsgründe der angewandten Mathematik. Zweyter Theil. Göttingen 1759. [238] – Vermischte Schriften. Altenburg 1758. [238] Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. In: Ak I. [30, 128, 131, 147, 151, 156, 157, 158, 177, 185, 188, 191, 194, 197, 203, 204, 206, 207, 217, 222, 244, 257, 258, 261, 264, 265, 266, 267, 269, 270, 274, 275, 276, 277, 279, 280, 283, 285, 286, 288, 289, 291, 292, 293, 294, 299, 301, 304, 305, 308, 342] – Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. In: Ak IX. [27] – Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen. In: Ak II. [19, 125] – De Mundi Sensibilis atque Intelligibilis Forma et Principiis. In: Ak II. [11, 131, 212] – Der Streit der Facultäten. In: Ak VII. [306, 311]
Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden
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Die Frage, ob die Erde veralte, physikalisch erwogen. In: Ak I. [203, 235] Entwurf und Ankündigung eines Collegii der physischen Geographie. In: Ak II. [229, 235] Fortgesetzte Betrachtung der seit einiger Zeit wahrgenommenen Erderschütterungen. In: Ak I. [147] Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte. In: Ak I. [13, 119, 236, 282] Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfälle des Erdbebens, welches an dem Ende des 1755sten Jahres einen großen Theil der Erde erschüttert hat. In: Ak I. [144, 146, 230, 262] Immanuel Kant’s Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen. In: Ak IX. [27, 72] Kritik der praktischen Vernunft. In: Ak V. [188] Kritik der reinen Vernunft. In: Ak III/IV; hier abweichend zitiert nach: Kritik der reinen Vernunft. Nach der ersten und zweiten Original-Ausgabe neu hg. von Raymund Schmidt. Um das Sachregister von Karl Vorländer ergänzter Nachdruck Hamburg 1971. [5, 11, 15, 27, 33, 35, 38, 42, 60, 67, 112, 131, 177, 181, 185, 190, 212, 292, 317, 319, 329, 331, 335, 340, 341] Kritik der Urteilskraft. In: Ak V. [27, 174, 175, 177, 178, 253, 261, 341, 345] Meditationum Quarundam de Igne Succincta Delineatio. In: Ak I. [169] Metaphysik Herder. In: Ak XXVIII.1. [80] Monadologia Physica. In: Ak I. [11] Neue Anmerkungen zur Erläuterung der Theorie der Winde. In: Ak I. [128, 129] Opus Postumum. In: Ak XXI/XXII. [13, 305] Physische Geographie. In: Ak IX. [127, 147, 198, 199, 228, 229, 230, 231, 233, 234, 235, 239, 245, 262] Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik. In: Ak XX. [11] Principiorum Primorum Cognitionis Metaphysicae Nova Dilucidatio. In: Ak I. [55, 64, 113, 332] Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. In: Ak IV. [11] [Reflexionen aus dem Nachlass]. In: Ak XIV–XIX: R 87 [199]; R 88 [199]; R 89 [199]; R 93-97 [199]; R 97 [198]; R 99 [198];
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R 100 [198]; R 913 [11]; R 3703-3705 [13, 244]; R 3705 [45, 305, 308]; R 3709 [43]; R 3815 [305]; R 4949 [11]; R 6019 [211] – Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik. In: Ak II. [27, 298] – Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodicee. In: Ak VIII. [159] – Untersuchung der Frage, ob die Erde in ihrer Umdrehung um die Achse […] einige Veränderungen seit den ersten Zeiten ihres Ursprungs erlitten habe […]. In: Ak I. [241] – Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral. In: Ak II. [36, 37, 43, 70, 126] – Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen. In: Ak II. [37, 68, 132, 169, 321] – Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus. In: Ak II. [107, 313] – Von den Ursachen der Erderschütterungen bei Gelegenheit des Unglücks, welches die westliche Länder von Europa gegen das Ende des vorigen Jahres betroffen hat. In: Ak I. [230] – Von den verschiedenen Racen der Menschen. In: Ak II. [256] Kanzian, Christian: Kant und Crusius um 1763. Kant-Studien 83 (1993), S. 399–407. [55] Köhler, Johannes: Art. »Schöpfung III«. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Unter Mitwirkung von mehr als 1200 Fachgelehrten hg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer. Bd. 8. Darmstadt, Basel 1992, Sp. 1395–1399. [222] Kreimendahl, Lothar: Kant. Der Durchbruch von 1769. Köln 1990. [11, 43, 321] – Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«. Erstellt in Zusammenarbeit mit Hans-Werner Bartz, Heinrich P. Delfosse und Michael Oberhausen. Unter Mitwirkung von Katja Weckesser. Stuttgart-Bad Cannstatt 2003 [= Kant-Index Bd. 38; FMDA III, 45]. [6, 60, 115, 122, 181, 184, 340] Kulp, Johannes: Die Lieder unserer Kirche. Eine Handreichung zum Evangelischen Kirchengesangbuch. Bearbeitet und hg. von Arno Büchner und Siegfried Fornaçon. Göttingen 1958. [305] Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrich-
Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden
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tung des Weltbaues. Augsburg 1761. In: Philosophische Schriften. Begonnen von Hans Werner Arndt. Fortgeführt von Lothar Kreimendahl. Bd. V: Kosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Hg. von Armin Emmel und Axel Spree. Hildesheim 2006. [30] Lange, Joachim: Caussa Dei et Religionis Naturalis Adversus Atheismum. Halle 1737 [= Christian Wolff: GW III.17]. [221] Leibniz, Gottfried Wilhelm: De Rerum Originatione Radicali. In: Die philosophischen Schriften. Hg. von C. I. Gerhardt. Reprint der Ausgabe Berlin 1875–90. Hildesheim, New York 1978. Bd. VI. [111, 112, 330] – Essais de théodicée sur la bonté de Dieu, la liberté de l’homme et l’origine du mal. In: Die philosophischen Schriften, a.a.O., Bd. VI. [75, 105, 158, 277, 308, 309, 330] – »Monadologie«. In: Die philosophischen Schriften, a. a. O., Bd. VI. [105] – Quod Ens Perfectissimum Existit. In: Die philosophischen Schriften, a.a.O., Bd. VII. [90] – [Ohne Überschrift. (Nr. VIII)]. In: Die philosophischen Schriften, a.a.O., Bd. VII. [105] Leibniz, Gottfried Wilhelm / Clarke, Samuel: Merckwürdige Schrifften, welche […] zwischen dem Herrn Baron von Leibnitz und dem Herrn D. Clarcke über besondere Materien der natürlichen Religion in Frantzös. und Englischer Sprache gewechselt, und nunmehro mit einer Vorrede Herrn Christian Wolffens […] nebst einer Antwort Herrn Ludwig Philipp Thümmigs auf die fünffte Englische Schrifft, wegen ihrer Wichtigkeit in teutscher Sprache heraus gegeben worden von Heinrich Köhlern. Franckfurth und Leipzig 1720. [157] – The Leibniz-Clarke Correspondence. Together with Extracts from Newton’s ›Principia‹ and ›Opticks‹. Ed. with introduction and notes by H. G. Alexander. Manchester, New York 1956. [142, 157] Lessing, Gotthold Ephraim: Die Erziehung des Menschengeschlechts. In: Werke. Bd. VIII: Theologiekritische Schriften III. Philosophische Schriften. In Zusammenarbeit mit Karl Eibl, Helmut S. Göbel, Karl S. Guthke u.a. hg. von Herbert G. Göpfert. München 1979. [182]
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Anhang
Leutwein, Christian Philipp: Theologia Nivis Physico-Mysticae Dogmatico-Practica; das ist: Geistliche Lehr-Schul vom Schnee; oder Christliche Schnee-betrachtungen: darinnen nach Beschreibung der natürlichen Ursachen, einfältig gezeiget worden, welcher Gestalt ein andächtiger Christ den Schnee zu einer Veranlassung, aller GlaubensArticul, aus Gottes Wort, sich zu erinnern, ihme dienen lassen, und in seinem Leben, Leiden und Sterben, erbauliche Gedancken dabey haben könne; zusamt einer historischen Erzehlung unterschiedlicher Exempel von einigem ungemein grossen und tiefgefallenen Schnee, was gemeiniglich darauf gefolget; wie auch einigen andern an- und mit dem Schnee sich ereigneten Begebenheiten. Mit einem kurtzen Anhang von etlichen Schnee- und Winter-Gebeten, wolmeinend verabfasset und zusammen getragen, auch in Hoffnung guter Erbauung, zum Druck befördert […]. Nürnberg 1693. [170] Locke, John: An Essay Concerning Human Understanding. Ed. with an introduction, critical apparatus and glossary by Peter H. Nidditch. Reprinted [with corrections] Oxford 1979. [2, 5] Lovejoy, Arthur O.: The Great Chain of Being. A study of the history of an idea. The William James lectures delivered at Harvard University. Harvard 1933. [244] Lukrez [Titus Lucretius Carus]: De Rerum Natura. Welt aus Atomen. Lateinisch und deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort hg. von Karl Büchner. Stuttgart 1981. [1, 216] Mairan, Jean-Jacques d’Ortous de: Astronomische Abhandlung von der Bewegung des Mondes und der Erde: darinn man untersuchet, welcher Planete von beyden sich um den andern als sein Trabante bewege. Nebst Anmerkungen von den Trabanten überhaupt. In: Der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Paris physische Abhandlungen. Achter Theil, welcher die Jahre 1727, 1728, 1729, 1730 in sich hält. Aus dem Französischen übersetzet von Wolf Balthasar Adolph von Steinwehr. Breslau 1752. [282] – Dissertation sur l’estimation et la mesure des forces motrices des corps. Nouvelle edition, Paris 1741. [282] – Lettre de M. Mairan […] à Madame *** [La Marquise du Châtelet] sur la question des forces vives, en réponse aux objections qu’elle lui fait sur ce sujet dans ses »Institutions de Physique«. Paris 1741. [282]
Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden
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Martin, Gottfried (Hg.): Wortindex zu Kants gesammelten Schriften. Bearbeitet von Dieter Krallmann und Hans Adolf Martin. 2 Bde. Berlin 1967. [17, 119, 240] Maupertuis, Pierre Louis Moreau de: Discours sur les différentes fi gures des astres, où l’on essaye d’expliquer les principaux phénomenes du ciel. Paris 1732. In: Œuvres. Bd. I. Reprint der Ausgabe Lyon 1768 und Berlin 1758. Avec une introduction par Giorgio Tonelli. Hildesheim, New York 1974. [270] – Essai de cosmologie. In: Œuvres, a.a.O., Bd. I. [130, 131] – Essay de cosmologie. Leiden 1751. [2, 130, 133, 135] – Recherche des lois du mouvement. Berlin 1748. In: Œuvres, a.a.O., Bd. IV. [130, 237] – Systême de la Nature. In: Œuvres, a.a.O., Bd. II. [176] – Vénus physique. In: Œuvres, a.a.O., Bd. II. [173] – Versuch einer Cosmologie von dem Herrn Maupertuis. Berlin 1751. [133] Meier, Georg Friedrich: Alexander Gottlieb Baumgartens Leben. Halle im Magdeburgischen 1763. [2] – Auszug aus der Vernunftlehre. Halle 1752. [113] Mejer, Gerhard: Aranearum Tela[e] Divinae Existentiae Testes. Hamburg 1697. [193] Menzer, Paul: »Sachliche Erläuterungen« zu Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes. In: Ak II. [172, 238, 242, 324] Milton, John: The Poetical Works of John Milton. Vol. I: Paradise Lost. Ed. by Helen Darbishire. Oxford 1952. [298] Monti, Joseph: Abhandlung vom Schimmel. In: Hamburgisches Magazin, oder gesammelte Schriften, zum Unterricht und Vergnügen. Bd. 19 (1757), S. 563–587. [172] Newton, Isaac: Optice, Sive de Refl exionibus, Refractionibus, Infl exionibus et Coloribus Lucis Libri Tres. London 1706. [157] – Optice, Sive de Refl exionibus, Refractionibus, Infl exionibus et Coloribus Lucis Libri Tres. Latine reddidit Samuel Clarke. Editio secunda, auctior. London 1719. [157] – Optics. Or, a Treatise of the Refl ections, Refractions, Infl ections and Colours of the Light. In: Opera Quae Exstant Omnia. FaksimileNeudruck der Ausgabe von Samuel Horsley, London 1779–
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Anhang
1785, in fünf Bänden. Bd. IV. Stuttgart-Bad Cannstatt 1964. [157, 169, 206, 276] – Opticks. Or, a Treatise of the Refl ections, Refractions, Infl ections and Colours of the Light. The second edition, with additions. London 1717. [157] – Philosophiae Naturalis Principia Mathematica. In: Opera, a.a.O., Bde. II/III. [157, 168, 203, 205, 206, 251, 273, 276, 278, 280] – Philosophiae Naturalis Principia Mathematica. Editio ultima auctior et emandatior. Amsterdam 1714. [157] Nieuwentyt, Bernard: Die Erkänntnüß der Weißheit, Macht und Güte des göttlichen Wesens, aus dem rechten Gebrauch derer Betrachtungen aller irdischen Dinge dieser Welt: zur Überzeugung derer Atheisten und Unglaubigen vorgestellt […] samt einer Vorrede von Herrn Christian Wolffen […] aus dem Holländischen […] ins HochTeutsche treulich übergebracht, und mit nützlichen Registern vermehret von Wilhelm Conrad Baumann. Frankfurt, Leipzig 1732. [343] – Het regt gebruik der werelt beschouwingen, ter overtuiginge van ongodisten en ongelovigen aangetoont. Amsterdam 1715. [343] – Rechter Gebrauch der Welt-Betrachtung. Zur Erkenntnis der Macht, Weisheit und Güte Gottes, auch Ueberzeugung der Atheisten und Ungläubigen. In einer freien Übersetzung abermal ans Licht gestellet, und mit einigen Anmerkungen erläutert von Joh.[ann] Andreas Segner. Jena 1747. [343] Peters, Wilhelm S.: Kants Verhältnis zu J. H. Lambert. Kant-Studien 59 (1968), S. 448–453. [30] Philipp, Wolfgang: Metaphysik und Glaube. Die Grundgedanken der Physikotheologie Bernhard Nieuwentyts (1654–1718). Neue Zeitschrift für systematische Theologie 2 (1960), S. 90–122. [343] Platon: Parmenides. In: Platonis Opera. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit Ioannes Burnet. Bd. II. Oxford 1976 [11901]. [131] Pope, Alexander: [Barthold Hinrich Brockes:] Aus dem Englischen übersetzter Versuch vom Menschen des Herrn Alexander Pope, Esq. […]. Nebst einer Vorrede und einem Anhange von Briefen […] übersetzt von B. J. Zinck. Hamburg 1740. [13, 244, 257]
Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden
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Prideaux, Humphrey: Humphrey Prideau’x Alt- und Neues Testament in eine Connexion mit der Jüden und benachbarten Völcker Historie gebracht, von Verfall der Reiche Israel und Juda an, biß auf Christi Himmelfarth, worinnen die Biblische Geschichte durch die Weltliche vortrefflich bestätiget, alle Begenbenheiten in ihre richtige Ordnung und Zeit eingewiesen, verschiedene rare Anmerckungen und Antiquitäten beygefüget, und in Summa durchgehends der Schrifft, insonderheit den Propheten, ein unvergleichlich Licht gegeben wird. Aus dem Englischen ins Hochdeutsche übersetzet durch August Tittel. Erster Theil, Dresden 1721. [201] – The Old and New Testament Connected in the History of the Jews and Neighbouring Nations. 2 Bde. London 1716–1718. [201] Pulte, Helmut: Das Prinzip der kleinsten Wirkung und die Kraftkonzeptionen der rationalen Mechanik. Eine Untersuchung zur Grundlegungsproblematik bei Leonhard Euler, Pierre Louis Moreau de Maupertuis und Joseph Louis Lagrange. Stuttgart 1989 [= Studia Leibnitiana. Sonderheft 19]. [130] Ray, John: Sonderbahres Klee-Blätlein / Der Welt Anfang / Veränderung u. Untergang; Oder / nebst allerhand mit eingeschalteten / hochwichtig- und spitzfindig erörterten Fragen / hauptsächlich drey/ so wol aus Geist- und Weltlichen Schrifften gnugsam betrachtete / als auch aus natürlichen Uhrsachen gründlich untersuchte / neue / gelehrte Handlunge: Betreffendt: I. Den anfänglichen Mischmasch / und die Erschaffung Himmels und Erde; II. Die allgemeine Sünd-Fluth / derselbigen Vermittelung- und Würckungen; so dann III. Die endliche Vertilgung dieses gantzen grossen Alles, sampt unterschiedlichen Muthmassungen / wie solche geschehen / und was für ein Zustand hernach seyn werde. Alles sehr Lehrreich / nütz- und erbaulich. Hamburg 1698. [146] – Miscellaneous Discourses Concerning the Dissolution and Changes of the World, wherein the primitive chaos and creation, the general deluge, fountains, formed stones, sea-shells found in the earth, subterraneous trees, mountains, earthquakes, vulcanoes, the universal conflagration and future state, are largely discussed and examined. London 1692. [146] Reimarus, Hermann Samuel: Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes. 2 Bde. Im Auftrag der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften Hamburg hg. von Gerhard Alexander. Frankfurt am Main 1972. [152, 153]
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Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion. Reprint der 3. verbesserten und stark vermehrten Aufl. Hamburg 1766 [11754]. Mit einer Einleitung unter Mitarbeit von Michael Emsbach und Winfried Schröder hg. von Günter Gawlick. 2 Bde. Göttingen 1985. [2] – Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion in zehn Abhandlungen auf eine begreifliche Art erkläret und gerettet. 6. Aufl., durchgesehn, und mit einigen Anmerkungen begleitet von Joh. Alb. Hinr. Reimarus. Hamburg 1791. [345] Reimmann, Jacob Fridrich: Historia Universalis Atheismi et Atheorum Falso et Merito Suspectorum. Hildesheim 1725. [211] Reusch, Johann Peter: Systema Metaphysicum Antiquorum atque Recentiorum item Propria Dogmata et Hypotheses Exhibens. Jena 1735 [= Christian Wolff: GW III.27]. [330] Ritter, Joachim / Gründer, Karlfried (Hgg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. 12 Bde. Unter Mitwirkung von mehr als 1200 Fachgelehrten. Darmstadt, Basel 1971–2004. [222, 305] Roger, Jacques: Les sciences de la vie dans la pensée française du XVIIIe siècle. Seconde édition complété. Paris 1963. [175] Rohr, Julius Bernhard von: Phyto-Theologia, oder: Vernunfft- und Schrifftmäßiger Versuch, wie aus dem Reiche der Gewächse die Allmacht, Weisheit, Güte und Gerechtigkeit des grossen Schöpfers und Erhalters aller Dinge von den Menschen erkannt und sein allerheiligster Nahme hiervor gepriesen werden möge. Franckfurt, Leipzig 1740. [254] Scheuchzer, Johann Jacob: Helvetiae Stoichoiographia, Orographia et Oreographia oder Beschreibung der Elementen, Grenzen und Bergen des Schweitzerlands. Erster Theil, Zürich 1716. [262] – Physica oder Natur-Wissenschaft. 4. Aufl. Zürich 1743 [11729]. [262] Schmidt, Johann Andreas (Praeses): Admiratio Ignorantiae Filia Mater Philosophiae. Jena 1678. [120] Schröder, Winfried: Ursprünge des Atheismus. Untersuchungen zur Metaphysik- und Religionskritik des 17. und 18. Jahrhunderts. Stutt gart-Bad Cannstatt 1998 [= Quaestiones. Themen und Gestalten der Philosophie 11]. [211] Spinoza, Baruch de: Ethica Ordine Geometrico Demonstrata [11677]. In: Opera. Bd. II. Im Auftrag der Heidelberger Akademie der
Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden
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Wissenschaften hg. von Carl Gebhardt. 2. Aufl. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1925. Heidelberg [o.J.]. [105] – Stelkonstige Reeckening van den Regenboog. In: Opera, a.a.O., Bd. IV. [140] – Tractatus Theologico-Politicus [11670]. In: Opera, a.a.O., Bd. III. [152] Storchenau, Sigismund: Institutionum Metaphysicarum Libri IV. Wien 1769. [35] Sturm, Christoph Christian: Betrachtungen über die Werke Gottes im Reiche der Natur und der Vorsehung auf alle Tage des Jahres. 2 Bde. Neueste vermehrte Aufl. Reutlingen 1803 [11772]. [254] Süßmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts, aus der Geburt, Tod, und Fortpfl antzung desselben erwiesen. Nebst einer Vorrede Herrn Christian Wolffens. Berlin 1741. [160, 209] – Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts, aus der Geburt, dem Tode und der Fortpfl anzung desselben erwiesen. Zwote und ganz umgearbeitete Ausgabe. 2 Bde. Berlin 1761/62. [160, 210] Sulzer, Johann Georg: Unterredungen über die Schönheit der Natur. Berlin 1750. [244, 254] Sulzer, Johann Georg: Versuch einiger moralischen [!] Betrachtungen über die Werke der Natur. Mit einer Vorrede von A.[ugust] F.[ried rich] W.[ilhelm] Sack. 2., etwas vermehrte Aufl. Berlin 1750. [244] Terrall, Mary: The Man who Flattened the Earth. Maupertuis and the Sciences in the Enlightenment. Chicago 2006. [176] Tersteegen, Gerhard: Geistliches Blumengärtlein inniger Seelen. Franckfurt, Leipzig 1729. [305] Theis, Robert: Le moment humien dans la critique kantienne de l’argument physico-théologique. In: Robert Theis / Lukas K. Sosoe (Eds.): Les sources de la philosophie kantienne aux XVIIe et XVIIIe siècles. Paris 2005, S. 125–133. [344] – L’unique argument possible pour une démonstration de l’existence de Dieu. Introduit, traduit et annoté par Robert Theis. Paris 2001. [13, 113]
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Wolffkritik und -rezeption in Kants »Einzig möglichem Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes«. In: Christian Wolff und die europäische Aufklärung. Akten des 1. Internationalen Christian-Wolff-Kongresses, Halle (Saale), 4.–8. April 2004. Teil 3 […]. Hg. von Jürgen Stolzenberg und Oliver Pierre Rudolph. Hildesheim, Zürich, New York 2007, S. 111–123 [= Christian Wolff: Gesammelte Werke. Abt. III. Materialien und Dokumente, Bd. 103]. [51] Thümmig, Ludwig Philipp: Institutiones Philosophiae Wolfi anae. Bd. I. Frankfurt, Leipzig 1725 [= Christian Wolff: GW III. 19.1]. [330] Tonelli, Giorgio: La pensée philosophique de Maupertuis. Son milieu et ses sources. Hildesheim, Zürich, New York 1987 [= Studien und Materialien zur Geschichte der Philosophie Bd. 25]. [130, 175] Voetius, Gijsbert: De Atheismo. In: Selectarum Disputationem Theologicarum Pars Prima. Utrecht 1648. [211] Voltaire, François Marie Arouet de: Candide ou l’optimisme [11759]. In: Œuvres complètes de Voltaire. Nouvelle édition. Bd. 21. Paris 1879. Reprint Nendeln 1967. [242] – Dictionnaire philosophique. In: Œuvres, a.a.O., Bd. 18. [242] – Ode IX. A Messieurs de l’Académie des Sciences, qui ont été sous l’équateur et au cercle polaire mesurer des degrés de latitude. In: Œuvres, a.a.O., Bd. 8. [120] Walch, Johann Georg: Philosophisches Lexicon. 2 Bde. 4. Aufl. Leipzig 1775 [11726]. Reprint Hildesheim, New York 1968. [221] Walford, David / Meerbote, Ralf: Immanuel Kant: Theoretical Philosophy, 1755–1770. Translated and ed. by David Walford in collaboration with Ralf Meerbote. Cambridge (UP) 1992. [13, 118, 123, 160, 172, 292, 302] Warda, Arthur: Immanuel Kants Bücher. Mit einer getreuen Nachbildung des bisher einzigen bekannten Abzuges des Versteigerungskataloges der Bibliothek Kants. Berlin 1922. [39, 55, 157, 160, 238, 254, 262, 324] Waschkies, Hans-Joachim: Physik und Physikotheologie des jungen Kant. Die Vorgeschichte seiner Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Amsterdam 1987 [= Bochumer Studien zur Philosophie Bd. 8]. [7, 147, 181]
Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden
281
Wasianski, E. A. Chr.: Immanuel Kant in seinen letzten Lebensjahren. Ein Beitrag zur Kenntnis seines Charakters und häuslichen Lebens aus dem täglichen Umgange mit ihm. In: Immanuel Kant. Sein Leben in Darstellungen von Zeitgenossen. Die Biographien von L. E. Borowski, R. B. Jachmann und A. Ch. Wasianski. Hg. von Felix Groß. Berlin [1912]. [341] Whiston, William: A New Theory of the Earth, from its Original, to the Consummation of all Things, wherein the Creation of the World in Six Days, the Universal Deluge, and the General Confl agration, as laid down in the Holy Scriptures, are Shewn to be Perfectly Agreeable to Reason and Philosophy. London 1696. [147, 249] – Gründlicher Beweis daß die in der Offenbahrung befi ndliche Geschichte von der Schöpfung der Welt und die allda geschehene Verkündigung von dem Untergange der Welt mit der gesunden Vernunft keinesweges streite. Aus dem Englischen übersetzt. Wittenberg [1755]. [147, 249] – Nova Telluris Theoria: Das ist: Neue Betrachtung der Erde, nach ihren [!] Ursprung und Fortgang biß zur Hervorbringung aller Dinge, oder: Eine gründliche, deutliche und nach beygefügten Abrissen eingerichtete Vorstellung, daß so wohl die sechstägige Schöpffung und darauf erfolgte Sündfluth, als auch die annoch zukünfftige Confl agration der Welt, wie solche in Heil. Schrifft beschrieben werden, mit der gesunden Vernunfft und wahren Philosophie keineswegs streite, sondern von beyden gar wohl begriffen und folglich um so viel mehr, als untrügliche Wahrheiten angenommen werden können. Nebst einer Vorrede obbesagten Auctoris von der eigentlichen Beschaffenheit der Mosaischen Geschichte von der Schöpffung. Wegen besondern darinnen enthaltenen Anmerckungen aus dem Englischen übersetzt von M.M.S.V.D.M. [= Michael Swen]. Franckfurt 1713. [147] Wolf, Johann Christoph: Orotheologie, oder natürliche Betrachtung über die Berge, als wichtige Zeugen der allmächtigen Weisheit, Vorsehung und Güte Gottes, und Leiter der Menschen zur schuldigen Verehrung und Anbetung, Lob und Dank, Gehorsam, Liebe und Vertrauen gegen denselben. Hof 1756. [197] Wolff, Christian: Cosmologia Generalis [= GW II.4]. [141] – Discursus Praeliminaris de Philosophia in Genere. Einleitende Abhandlung über Philosophie im allgemeinen. Historisch-kritische
282
Anhang
Ausgabe. Übersetzt, eingeleitet und hg. von Günter Gawlick und Lothar Kreimendahl. Stuttgart-Bad Cannstatt 1996 [= FMDA I, 1]. [33, 50] – Elementa Matheseos Universae [= GW II.29–33]. [113, 292] – Mathematisches Lexicon [= GW I.11]. [292] – Natürliche Gottesgelahrtheit nach beweisender Lehrart abgefasset. […]. Ins Deutsche übersetzet von Gottlieb Friedrich Hagen [= GW I.23.1–I.23.5]. [305] – Philosophia Prima Sive Ontologia [= GW II.3]. [17, 51, 54, 75, 106] – Philosophia Rationalis Sive Logica [= GW II.1.1–1.3]. [55, 113] – Theologia Naturalis [= GW II.7–8]. [2, 105, 305, 314] – Vernünfftige Gedancken von den Absichten der natürlichen Dinge [= »Deutsche Teleologie«; GW I.7]. [128, 140, 181, 254] – Vernünftige Gedanken von den Kräften des menschlichen Verstandes und ihrem richtigen Gebrauche in Erkenntnis der Wahrheit [= »Deutsche Logik«; GW I.1]. [17] – Vernünfftige Gedancken von den Würckungen der Natur [= »Deutsche Physik«; GW I.6]. [128, 140] – Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt [= »Deutsche Metaphysik«; GW I.2]. [51, 106, 111, 112, 153, 330] Wolters, Gereon: Art.: »Maupertuis«. In: Jürgen Mittelstraß [Hg.]: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 2. Unter ständiger Mitwirkung von Siegfried Blasche, Gottfried Gabriel, Herbert R. Ganslandt u.a. Mannheim, Wien, Zürich 1984, S. 813. [130] Wright of Durham,Thomas: An Original Theory or New Hypothesis of the Universe, Founded upon the Laws of Nature, and Solving by Mathematical Principles the General Phaenomena of the Visible Creation, and Particularly the Via Lactea. Compris’d in nine familiar letters from the author to his friend. London 1750. [269] Zac, Sylvain: L’unique fondement possible d’une démonstration de l’existence de Dieu. Texte présenté, traduit et annoté par Sylvain Zac. In: Emmanuel Kant: Œuvres philosophiques I. Des premiers écrits à la »Critique de la Raison Pure«. Édition publiée sous la direction de Ferdinand Alquié avec, pour ce volume, la col-
Werke, die für die Erläuterungen herangezogen wurden
283
laboration d’Alexandre J.-L. Delamarre, Jean Ferrari, Bernard Lortholary, François Marty, Jacques Rivelaygue, Sylvain Zac. Paris 1980. [1, 160, 242] Zammito, John: Kant’s Early Views on Epigenesis. In: Justin E. H. Smith (Ed.): The Problem of Animal Generation in Early Modern Philosophy. Cambridge 2006, S. 317–354. [174] Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste. 64 Bde. und 4 Suppl.-Bde. Halle, Leipzig 1731–1754. [13, 140, 211, 221, 262]
NA M EN R EGISTER
Kursiv gesetzte Seitenzahlen verweisen auf Erwähnungen in Kants Fußnoten.
Ahasverus 22 Aristoteles 87
Lukrez [Titus Lucretius Carus] 5
Baumgarten, Alexander Gottlieb 21 Buffon, George Louis Leclerc, Comte de 74, 110 Burnet, Thomas 90
Mairan, Jean-Jacques d’Ortous de 113 Maupertuis, Pierre Louis Moreau de 52 f., 74, 109 Milton, John 119
Cäsar, Gaius Julius 15 Crusius, Christian August 22, 23
Newton, Isaac 68, 81-82, 107, 110, 112, 113 Nieuwentyt, Bernard 135
Demokrit 85, 119 Derham, William 135 Descartes, René 130, 133, 138 Diane 73
Pope, Alexander 104
Epikur 85, 119
Samyel 81 Sanherib 81 Spinoza, Baruch de 18 Süßmilch, Johann Peter 83
Hill, John 77 Huygens, Christian 124 Kant, Immanuel 3, 10 Kanter, Johann Jakob 3 Kästner, Abraham Gotthelf 94 Lambert, Johann Heinrich 10
Ray, John 60 Reimarus, Hermann Samuel 137
Voltaire, François Marie Arouet de 96 Whiston, William 61, 81 Wolff, Christian 21, 132
S AC H R E G I S T E R
Für eine vollständige Erfassung des Wortbestandes der Beweisgrundschrift cf. Stellenindex und Konkordanz zu »Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes« [= Kant-Index Bd. 38; FMDA III, 45].
Abhängigkeit – aller Dinge von Gott 59–65 – moralische A. derselben 55– 58 – unmoralische A. derselben 55–58 – der inneren Möglichkeit der Materie von Gott 54, 55, 67 – der Natur von Gott 88 – der Naturgesetze von Gott 89 – der Welt von Gott 87 – der Wesen der Dinge von Gott 49, 67, 69 – freiester Handlungen 69 – vermittelst der Naturordnung 59–65 – ohne dieselbe 59–65 Absicht s. Zwecke Äther 72 Akademie der Wissenschaften in Berlin 53 allgenugsam 40, 123 Allgenugsamkeit 123–127 Allmacht 18 allmächtig 18, 90
Allmächtiger 124 a priori 42, 44 a posteriori 44, 45 Atheismus, feinerer 84 Atome 19, 85 Baum der Diane 73 Begriff – Auf lösen der B.e 6, 19, 138 – unauf lösliche B.e 17 f., 28 – Zergliederung der B.e 25, 28, 130, 132 Bestimmung, durchgängige 15 f., 21, 34 Beweisgrund 6, 11, 13–44, 65, 71, 86, 101, 113, 129, 130, 132, 138 bewundern 97 f. Bewunderung 47, 49, 94, 124, 125 bewunderungswürdig 56, 58, 63, 96, 106 Bibelerklärung 81 Chaos 116, 122 Clinamen 85
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Sachregister
Dasein 13–22 – absolut notwendiges 13, 16, 29–31, 32, 33 – dasselbe kein täuschender Begriff 31 f. – zwei Kriterien desselben 31 – als absolute Position eines Dinges 17–19 – Baumgartens Erklärung des D.s 21 f. – Crusius’ Erklärung des D.s 22 – kein Prädikat 15–17, 20, 30, 32, 131 – Setzung ins D. 20 f. – Setzung durch D. 20 f. – Verneinung des D.s 25, 30, 31 – Wolffs Erklärung des D.s 21 – zuf älliges 13 Data 24, 26, 27, 28, 31, 33, 34, 35, 39, 54 Datum s. Data Defi nition 6, 14, 107 Demonstration 5, 6, 7, 11, 13, 38, 39, 113, 129, 136 Denkungsart 90 – vorurteilsfreie 21
Erkenntnis – genetische 43 – göttliche 127 – Gottes 10, 76, 119 – menschliche 8, 45, 98 – philosophische 79 – Symbole der 100 – wichtige bzw. wichtigste 5, 137 Erklärung s. auch Defi nition, 6, 10, 13, 14, 18, 21, 23, 29, 32, 33, 40, 82, 92, 100, 102, 104, 106, 118, 119, 120, 131 – Nominalerklärung 29 – Real- 20 – Sach- 32 – Wort- 32 Erklärungsart – mechanische 104 – philosophische 100, 102 Evidenz s. Gewißheit Existenz s. Dasein
Eigenschaften, reale 35, 37 Einheit des Mannigfaltigen 45–54 Erdbeben von Port Royal 60 Erfahrung 28, 44, 69, 72, 93, 130, 134, 135, 138 Erfahrungsbegriff 16, 130, 132, 133, 134, 138
Gebirge 80 f., 90–92, 101 Geburtenstatistik 83 f. Geistigkeit Gottes 38 f., 40 Gesetze s. auch Naturgesetze – allgemeine 52, 57, 60, 66 f., 70, 72, 75, 78, 80, 81, 83, 84, 89, 90, 102, 103, 112, 122, 123
Flüsse 80 f., 92–96, 101 Fortpfl anzung 73–75, 102 – allmähliche 74 Freiheit 10, 69 – Handlungen aus F. 68 f. – Gesetze der F. 69
Sachregister
– der Bewegung 52–54, 57, 67, 80 – der Freiheit 69 – der Gravitation 116, 122 – der Natur 61, 65–68 – der Sparsamkeit 52 f., 100 – der Statik 81, 91 – des Stoßes 100 – der Ursachen und Wirkungen 61 – der Zeugungsf ähigkeit 102 – einf ältige 49, 58, 105, 106 – eingepfl anzte 70 – mechanische 46, 82, 92 f., 94, 106, 111, 114 – natürliche 23, 60, 73, 75, 104 – notwendige 52, 67 f., 89 – unmittelbar göttliches G. 62 – wahres G. der Natur 119 – wesentliche 68 Gewißheit 14, 53, 104 – demonstrativische 19 – größte 13, 14 – mathematische 77, 129, 135 – moralische 76, 77 Glückseligkeit 5, 77 Gott s. auch Abhängigkeit, Dasein, Geistigkeit, Güte, Urwesen, Weisheit, Wille, Wesen – Grund aller Möglichkeit 32 f., 125 – Schöpfer der Welt 82, 84 – Urheber der Materie 84, 86–88, 90 – Werkmeister 84, 101
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Gottesbeweise, Einteilung derselben 129 f. – Abwägung des ontologischen und kosmologischen G.s 136 f. – Benennung derselben 135 – cartesianischer G. 130 f., 133 – G. der Wolffschen Schule 132 f. – Kants eigener G. 13–44, 131 f. – kosmologischer G. 135 f., 137 – ontologischer G. 135, 136 – Prüfung derselben 130–134, 135 f. Grade – der Deutlichkeit 18 – der Macht und Weisheit 124 – der unmittelbaren göttlichen Handlung 74 – der Vermögen unseres Verstandes 18 – der Vollkommenheit 125 – fünf G.e der philosophischen Erklärungsart 100–104 – größte G.e des Verstandes u. Willens 43 – größter G. realer Eigenschaften 35 – höchste G.e der Realität 38 – höchster G. mathematischer Gewißheit 129 – höherer G. der Weltweisheit 76 Grund s. Realgrund
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Sachregister
Gute, das 44, 65, 66, 124 Güte Gottes 67, 75, 88, 134, 136 Himmelsräume 82, 111 f., 114, 118 Irrglauben 8 Jupiter 96, 118 – monde 96 Körper, Möglichkeit des K.s 28 f. Komet 60 f., 81, 107–109, 111, 114, 118, 120–122 Kosmogonie 104–122 Laster s. auch Strafe, Sünde – kein natürlicher Grund für Naturkatastrophen 60 Limbus 119, 121 Luftkreislauf 50–52, 55 f., 56 f., 62, 64, 79 Mängel, Grund derselben 36 f. Materiale, das 23 f., 25, 26, 27, 31, 32, 53 Metaphysik 6, 10, 14, 107 metaphysisch 5, 73, 77, 78 Methode 14, 50, 74, 134 – der gewöhnlichen Physikotheologie 75–85, 90, 97 – der verbesserten Physikotheologie 85–104 – der Naturwissenschaft 10 – des Mathematikers 14 Methodensucht 14
Milchstraße 10, 108, 109 Mittelursachen 49, 60 Möglichkeit – das Formale (Logische) der M. 24, 25, 27 – das Materiale (Reale) der M. 24, 25 – innere M. 26–29, 70 – logischer (formaler) Grund derselben 27, 31 – Realgrund derselben 27, 31 moralisch – m.e Abhängigkeit s.d. – m.e Gewißheit s.d. – m.e. Triebfedern 136 – m.er Grund 55 f., 84 – m.es Verderben 60 – m.es Verhalten 60 f., 76 Natur, organische 39, 49, 63 f., 73 f., 78 f., 87, 89, 102, 124 f. – unorganische 64, 68 f., 78, 89 Naturforschung 80, 92 Naturgesetze 62, 65 – notwendige Einheit derselben 62 f., 89, 102 – zuf ällige Einheit derselben 62 f. Naturwissenschaft 10, 101, 104 Negationen, Grund derselben 37 f. notwendig, Nominal- u. Realerklärung 29 Notwendigkeit 33, 43, 47, 48, 52, 62, 63, 70, 85, 119, 133, 138
Sachregister
– – – – –
absolute 42 f., 133 innere 29 logische 30, 54, 133 mechanische 78 Real-N. 30
Offenbarung 69, 81, 87 Ordnung – der Natur 59–75, 76, 80 f. 86–88, 102 f. – selbst in den Möglichkeiten der Dinge 39, 44 – Strafen u. Belohnungen gemäß derselben 61 f. Pendeluhr 124 Pfl anzenreich 63 f., 72, 73, 75, 78, 102, 102 Philosophie s. Weltweisheit Physikotheologie 75–104 – gewöhnliche Methode der P. 75–85, 90, 97 – Fehler derselben 78–85 – Vorteile derselben 76–78 – verbesserte Methode der P. 85–104 – Regeln derselben 89 f. Planeten 82, 101, 106, 107– 122 Raum 13, 14, 20, 28 f., 45–48, 54, 56, 72, 77, 82, 90, 98– 100, 109, 110 f., 114, 115– 118, 121 Realerklärung 29 Realgrund 37, 39 – erster (letzter) R. 27, 31–33, 35, 36
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Realität 35–37, 38–42, 133 – Grade der 35, 38 – höchste 35–37, 38, 42 – Vereinbarkeit von R.en 35 f. – wahre 38 Realnotwendigkeit, absolute 30 Realverstand 32, 53, 54 Regenbogen 57 Religion 81 – Feinde der 118 Religionseifer 135 Repugnanz, formale (logische) 23, 36 – reale 36 Saturn 118 – mechanische Erklärungsart der Entstehung des S.rings 120–122 Satz – der Identität 37 – des ausgeschlossenen Dritten 22, 31 – des Widerspruchs 21, 24, 25, 26, 27, 29, 30 f. 37 – des zureichenden Grundes 132 Schicksal, ewiges 41 Schimmel 72 f. Schmerz 36 Schnee 72, 102 f., 106 Schöpfung 61, 74, 97, 101, 102, 109 Schöpfungsrecht 105 Sein 17 f., 25 Sinflut 61, 101 Spinne 79
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Strafe 60, 61, 90 Substanz 33 f., 34, 42 – einfache S. 38, 39, 40 Sünde 90 System, atomistisches 119 Tierreich s. Pfl anzenreich Universum 53, 57, 68, 68, 84, 85, 89 – mechanische Erklärung seines Ursprungs 104–122 – Vollkommenheit des U.s 65 Urwesen 37, 40, 53, 54 Vernunft – erniedrigte 80 – forschende 90 – gemeine 86 – gemeine gesunde 86 – gesunde 5, 65 – gesunde und schöne 137 – unverstellte 9 Verstand s. auch Realverstand – forschender 77, 137 – gesunder 27, 136 – grübelnder 77 – natürlicher gemeiner 5, 77 – natürlicher gesunder 134 Vollkommenheit – Ausdruck der 41 – Grade der s.d. Vorsehung 5, 51, 83 Wahrheit 6, 46, 76, 130, 135 – große 129 – Regel der 24
Wechselbegriffe 133 Weisheit Gottes 51, 58, 62, 63, 67, 70, 76, 77, 78, 79, 80, 82, 85, 87, 88, 88, 89, 96, 101, 123 f., 134 Weltbegebenheiten, natürliche u. übernatürliche 59–62 Welten gleicher Vollkommenheit 125 f. Weltweisheit 13 f., 73, 76, 87, 101, 114 – höhere 53 – natürliche 119 – Newtonsche 113 – praktische 41 – wahre 103 Wesen – allerhöchstes 129 – allerrealstes 36 – notwendiges 32–39, 40, 42 – Prädikate desselben 32–39 – realstes 35, 37 – unendliches 126 f. Widerlegungen 8, 21, 131 Wille Gottes 38 f., 40, 43 f., 55 f., 66–68, 76, 80, 90 – Grade des, s.d. Wirbel 72, 113 f., 119 Wunder 65–71, 75 f., 81, 101, 103 Zufall 72, 80, 81, 85, 89, 119 zuf ällig, Nominal- u. Realerklärung 32 Zwecke 48, 49, 50, 55, 56, 57, 64, 65, 66, 83–85, 95 f., 111, 112, 113, 119, 125