De apice theoriae. Die höchste Stufe der Betrachtung: Zweisprachige Ausgabe (lateinisch-deutsche Parallelausgabe, Heft 19) 9783787332632, 9783787306527

Kurz vor seinem Tod (1464) verfaßt Nikolaus von Kues eine Schrift, die den schon vermeinten Abschluß seines Denkens noch

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German Pages 169 [204] Year 1986

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De apice theoriae. Die höchste Stufe der Betrachtung: Zweisprachige Ausgabe (lateinisch-deutsche Parallelausgabe, Heft 19)
 9783787332632, 9783787306527

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Schriften des

NIKOLAUS VON KUES in deutscher Übersetzung

Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften herausgegeben von ERNST HOFFMANN † · PAUL WILPERT † und KARL BORMANN Heft 19 Lateinisch-deutsche Parallelausgabe

NICOLAI DE CUSA

De apice theoriae

IN AEDIBUS FELICIS MEINER HAMBURGI

NIKOLAUS VON KUES

Die höchste Stufe der Betrachtung Auf der Grundlage des Textes der kritischen Edition übersetzt und mit Einleitung, Kommentar und Anmerkungen herausgegeben von HANS GERHARD SENGER

Lateinisch - deutsch

FE LI X M EI NE R VE R LAG H AMB U RG

P HILOS OP H IS C HE B IB LIO T HE K B AND 383 Der lateinische Text ist der kritischen Edition der Heidelberger Ausgabe entnommen: Nicolai de Cusa opera omnia, vol. XII: De venatione sapientiae, De apice theoriae, ediderunt commentariisque illustraverunt Raymundus Klibansky et Iohannes Gerhardus Senger, Hamburgi in aedibus Felicis Meiner MCMLXXXII, p. 115-136.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet abrufbar über ‹http://portal.dnb.de›. ISBN: 978-3-7873-0652-7 ISBN eBook: 978-3-7873-3263-2

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1986. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. www.meiner.de

INHALT

Einleitung. Von Hans Gerhard Senger . 1. Der Aufbau des Dialogs . . . . . . 2. Die Spekulation über das Können . 3. Apex theoriae . . . . . . . . . . . 4. Der Titel der Schrift . . . . . . . . 5. Zur Übersetzung und zum Kommentar .

VII IX XII XVI . XXIV . XXV

NIKOLAUS VON KUES

Die höchste Stufe der Betrachtung De apice theoriae . . . . . . . . . . Die höchste Stufe der Betrachtung . Kommentar und Anmerkungen . . . . . . . . 1. Dialog und Dialogpartner . . . . . . . . . . 2. Kommentar des Textes und Anmerkungen . Materialsammlung zur Verwendung des Begriffs apex in der theologia mystica Verzeichnis der Siglen Quellennachweis . . . . . . Literaturnachweis . . . . . . Von Nikolaus zitierte Namen und Schriften Register der zitierten Handschriften . . . . . Register der in Einleitung und Kommentar zitierten Autoren. . . . . . . . . . . . . . .

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EINLEITUNG

Anfang April, an den Ostertagen des Jahres 1464, vier Monate vor seinem Tod also, verfaßte Nikolaus von Kues die kleine Schrift De apice theoriae. Wenn auch in Dialogform verfaßt, ist sie das Ergebnis solitärer Meditation, deren Einsicht der Verfasser als etwas Neues und Großartiges beurteilt, das den schon vermeinten Abschluß seines Denkens noch einmal weiterführt. Denn noch einmal greift Nikolaus von Kues die verschiedenen Ergebnisse seiner fünfundzwanzigjährigen Denkarbeit auf, knapper und konziser, als er es kurz zuvor in der umfangreicheren Schrift De venatione sapientiae unternommen hatte. Bei dem jetzt mitgeteilten Neuen handelt es sich nicht um eine Korrektur seiner bisherigen Denkergebnisse, eher schon um deren relativierende, weil andere Akzente setzende, autogenetische Analyse, vor allem aber um die letztmalige Formulierung eines integralen Seins- und Erkenntnisprinzips, mit dem ein Bezugsverhältnis von Gott und Welt monistisch begründet werden soll. De apice theoriae ist also eine Prinzipienschrift, die ebensogut einen Titel wie De principio oder De primo principio - Vom Urgrund tragen könnte, wenn man darunter die wechselseitigen Verhältnisbestimmungen eines letztbegründenden, transzendenten Prinzips, vielfältiger innerweltlicher, auf ein solches reduzierbarer Seins-, Erkenntnis-, Produktions- und Handlungsprinzipien und allem kosmosimmanenten Prinzipiiertem verstehen

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Hans Gerhard Senger

will. Aus anderer Denkrichtung heißt das: Ein jedes und den gesamten Befund des Universums in seinem vielfältigen Verweischarakter auf ein für alles und jedes gleicherweise notwendiges und gleichbenennbares Immanenzprinzip zu denken, das seinerseits in seiner Vielfalt ein ihm vorgängiges Letztprinzip manifestiert: Alles, was ist (der Befund), muß sein können; dieses Können eines jeden und gleichgeartete Können von verschiedenerlei Vielem (Können als ding- und weltimmanente Prinzipien) erfordern, wenn die diversen Könnensprinzipien einen einheitsstiftenden Sinn für die vielheitliche Welt haben sollen, ein Einheitsprinzip, aus dem sie selbst real ermöglicht und intellektual verstehbar werden sollen (das Können allen Könnens als nicht weiter reduzierbares transzendentes Letztprinzip). Nicht das Schema einer deszendierenden und vice versa aszendierenden Hierarchie von Prinzipien und Prinzipiiertem ist das Neue in dieser Schrift; sie war Nikolaus von Kues urid der gesamten platonischen Tradition vertraut, aus der er sie schöpfte. Auch nicht die Beschreibungsformel von Welt und Weltvorkommnissen als Manifestation eines einen Weltprinzips, das sich in jenen manifestiert, macht das Neue der Schrift aus. Durch die Kosmologie und Ideenlehre Platos vorgeprägt, war sie seit patristischer Zeit vielen, und dann auch Nikolaus von Kues, als geeignetes philosophisches Beschreibungsmodell christlicher Weltschöpfungstheologie und eschatologischer Teleologie der Welt erschienen. Neu ist die Bezeichnung des einen, letztbegründenden Prinzips als Können, genauer, und zur Unterscheidung von allem imma-

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nenten Können, als Können selbst (passe ipsum). Neu ist dann auch- zumindest in der dominierenden Akzentuierung - der durch diesen Ansatz allerdings logisch notwendige Versuch, Welt und alles in ihr Vorkommende prinzipienmonistisch als Können und aus dem Können zu erklären. Das ist etwas anderes als die platonische Weltformel. Das ist vor allem etwas ganz anderes als die aristotelische und scholastische Potenzlehre im Gefüge eines Prinzipienpluralismus, in dem dynamis und energeia, Akt und Potenz, ein entscheidendes Prinzipienpaar unter anderen darstellen. Wir kommen darauf zurück.

1. Der Aufbau des Dialogs Der Dialog, dessen Struktur und Argumentationsschema im einzelnen im Kommentar aufgewiesen werden, besteht aus zwei Teilen. Teil 1 entwickelt in Dialogform, allerdings mit überlegener Autorität des selbst auftretenden Verfassers, argumentativ ein prinzipiell unbezweifelbares und darum unerschütterliches und gewisses Seins- und Erkenntnisprinzip, das als "Können allen Könnens" und als »Können selbst" bestimmt wird (n. 1-16). Teil II entwickelt monologisch, Teil 1 in Kurzfassung (Memoriale) zusammenfassend und konkretisierend, auf der Grundlage eines Grundsatzes (Hypothesis; suppositio) axiomatisch 28 Sätze (propositiones), in denen das Können selbst als welthaft manifestiertes Prinzip von allem und alles als prinzipiierte Manifestationsweise dieses Könnens behandelt werden.

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Hans Gerhard Senger Teill

1. Nach der Dialogeröffnung, in der der szenische Rahmen (Dialogsituation) skizziert und der Dialogpartner kurz charakterisiert werden, wird zunächst die Fragerichtung bestimmt, die dem Dialog seine Wendung gibt: Was ist das Was oder die Washeit, nach der in jeder Frage gesucht wird (n. 1-3)? 2. Sodann wird nach der Selbstkorrektur früherer Bestimmungen und nach Festlegung der Methode (koinzidentell; suprarational; zirkulär; n. 4f.) das Können als die einzige washeitliche Grundbestimmung von allem als die Entdeckung jener Tage bestimmt (n. 4). Damit liegt das Thema der Untersuchung fest. 3. n. 6f. präzisiert dihairetisch den Begriff des intendierten Könnens: Nicht jedwedes bestimmte Einzelkönnen noch irgendein arthaftes, gattungshaftes oder sonstwie universales Können ist das Gesuchte, sondern dasjenige Können, das all solche determinierten Können (ab n. 17 als »Können mit Beifügung" bezeichnet) ermöglicht: das Können allen Könnens oder das Können selbst. - Kennzeichnung des Könnens durch mutuell vertauschbare, als Transzendentalbegriffe erfaßte absolute Prinzipien (n. 6; Forts.

n.19). 4. Erhellung des Könnens durch die Lichtmetapher; Lichtmetaphysik und Festlegung des Verhältnisses von Können als Prinzip zu allem prinzipiierten Sein, Werden, Wirken und Handeln als das hier angewandte Manifestationsschema (n. 8f.). 5. Präzisierung der geforderten Erkenntnismethode: die einfache, intelligible, mentale Schau eines re-

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gresslosen, kognitiv Unbegreifbaren. - Der unbegrenzte menschliche Geist als supreme Erkenntnismöglichkeit und als höchste Manifestation des Könnens selbst (n. 10 f.). Teleologie des Geistes als eines allgemein kosmisch-naturhaften Strebens (n. 11 f.). 6. Die in Abweis des skeptischen Zweifels zu gewinnende unbezweifelbare Grundgewissheit des unhinterfragbaren Könnens (n. 13 ). 7. Prüfung der wichtigsten Philosopheme und Theologumena der Philosophiegeschichte; Konkordierungsversuch antithetischer Positionen mit der resolutiven Methode (n. 14f.). 8. Einbindung dieser Schrift in frühere Schriften des Nikolaus von Kues (n.16).

Teil II 1. Grundsatz (Hypothesis) der 28 Folge-Sätze: Das Können selbst als Gegenstand theoretischer Betrachtung und als Erkenntnisprinzip aller sonstigen Theorie (n.17). 2. Der Prinzip-Charakter des Könnens selbst (n.17-19). 3. Abbild- und Manifestationscharakter allen determinierten Könnens, verdeutlicht durch die Buchmetapher (n. 20-22). 4. Einzelerweise für (3): - der Geist (n. 22; n. 21-26 die 'Philosophie des Geistes' des Nikolaus von Kues); - Wahl- und Willensfreiheit im somatischen, sensitiven und kognitiven Bereich (n. 23);

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der Geist in seiner intelligiblen Struktur als Erkenntnisort des Intelligiblen überhaupt und seiner selbst (n. 24); Körperwelt, Körper; mathematische Theorie; der Symbolwert der mathematischen Theorie und des sie konstituierenden Geistes für die trinitarische Struktur des Könnens selbst (n. 25); menschliche Handlungs- und Produktionswelt; der sie konstituierende Mensch als Abbild und Symbol Gottes (n. 26). 5. Plädoyer gegen einen erkenntnisdefizitären Prinzipienpluralismus (Hylemorphismus; Formen-, Ideen- und Gestalten -Pluralismus) und für einen Prin zipienmonismus (n. 27); 6. Seinsdefizienz des Bösen und Defekten als Manifestationsdefekt (n. 2 7). 7. Das passe ipsum als relativ beste Gottesbezeichnung; Christus als Mittler und perfekteste Manifestation des trinitarischen Gottes.

2. Die Spekulation über das Können Die Reflexion über das Können ist für die vorliegende Schrift so zentral, daß sie auch den Titel 'Über das Können• (etwa: Dialogus de passe ipso) tragen könnte. Ähnliche Titel zu verwenden hatte Nikolaus sich nie gescheut (De aequalitate; Deli non aliud); und wenige Jahre zuvor hatte er der Schrift, in der Gott als Aktualität allen Könnens, als Können-ist bezeichnet wird, den Titel Trialogus de passest gegeben. Die Spekulation über das Können hatte Nikolaus

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von Kues schon öfters beschäftigt, eigentlich seit De docta ignorantia; in anderen Schriften hatte er sie wieder aufgegriffen (Idiota de mente; De visione dei; De Judo globi). In De venatione sapientiae hatte er sie dann stärker in den Mittelpunkt gerückt, und im Compendium schließlich hatte er das passe ipsum als realitätsbegründendes Können-Sein (passe esse) selbst als ursächliche Realität zu begründen versucht. (Näheres hierzu in der Anmerkung zu n. 4,11-14.) Daß Nikolaus von Kues seinen jetzigen Könnens begriff aus der Spekulation des tradierten »Möglichkeitsgedankens" (A. FAUST) heraushalten will, macht seine Kritik des aristotelischen und scholastischen Hylemorphismus deutlich (s. unten, Anmerkung zu n. 27, 1-3). Daß es ihm jetzt um etwas anderes geht als um den Prinzipcharakter von d"Ynarnis/potentia, mit dem der aktive Wirkursprung wie der passive Erleidensursprung von Veränderung prozessual-ontologisch erklärt werden könnte, daß es nun auch um etwas anderes geht als um die für seine Ontologie, Kosmologie und Theologie wichtige Possibilitätslehre von De docta ignorantia, wird in jeder Zeile unserer Schrift deutlich. Zwar geht es noch immer darum, alle innerweltlichen Seins- und Erkenntnisvermögen (omnes potentiae aut essendi aut cognoscendi; n. 10, 6f.) als das Können eines jeden, als sein Sein-können und als ein dieses oder jenes Sein-können (passe esse et passe esse hoc et illud; n. 13,13) zu erheben und solch ein jeweiliges Können als Voraussetzung von Existenz und Sein zu erweisen ("Nur das, was sein kann, existiert«; n. 18,1); aber jedes determinierte Können verweist ihn auf ein all solchen Können vor-

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gängiges Können als das Könnensprinzip von allem. Um das einzig undeterminierte passe ipsum geht es also, das allerdings nur in seinen finiten Manifestationsweisen erfahrbar ist, gleichwohl aber von einer sich auf ihrem Höhepunkt befindenden Theorie als Prinzip von allem gesehen wird. Der theoretisierende Geist kann aufgrund seiner Selbsterfahrung und Selbstreflexion (n. 25, Ende) gar kein anderes Betrachtungsschema für Welt- und Gotteserkenntnis gewinnen: "Der Betrachter sieht daher in allem das Können selbst und zwar so, wie im Abbild die Wahrheit erkannt wird." (n. 20,9-11 ). In welthafter Erfahrung gewinnt der Geist die Spuren seines und aller anderen Dinge unsichtbaren und rational nicht erkennbaren Prinzips, aus dem er sich die Welt erklärt. Es geht Nikolaus von Kues hier also nicht um eine Ontologie, die in Akzentuierung weltimmanenter Könnens-Prinzipien eine monistische Ontologie des Möglichen eröffnete. Indem es aber um das transzendente Prinzip des >Könnens allen Könnens• geht, handelt es sich um den Versuch einer Transzendenzbegründung durch eine theologia naturalis, aus der alle Weltbereiche einheitlich verstehbar werden sollen: der Seins- wie der Erkenntnisbereich einschließlich der dazu geschaffenen Erkenntnisinstrumente, der Bereich menschlichen Handelns und seiner Normen wie der des Produzierens von Artefakten. Daß dieser Versuch in Übereinstimmung mit der Offenbarungsund Verkündigungstheologie unternommen wird, braucht für Nikolaus von Kues eigentlich nur angemerkt zu werden. Man muß also seine Können-Spekulation abheben

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vom aristotelischen ·Möglichkeitsdenken•. In seiner Aristoteles-Kritik rechnete Nikolaus von Kues es diesem als Manko an, daß der, der „alles in Wirklichkeit und Möglichkeit auflöste", nicht neine Verursachung des Werden-Könnens durch das, was ihm vorausgeht", durch ndas Ewige" nämlich, beachtete (De ven. sap. 9 n. 24-26); so fand er nicht das washeitliche Wesen der Dinge, nach dem er so intensiv gesucht hatte (ebd., 12 n. 31. Wie Nikolaus den aristotelischen Potenz- und Könnensbegriff aufgefaßt wissen will, zeigt sich in einer Anmerkung zu Metaphysik E> 1 1046a4-6, die er zur BESSARION-Übersetzung in cod. Harleianus 4241, fol. 50', machte: „Nota tot sunt genera potencie quot informationis hoc verum prout adiungi potest vt potest esse potest fieri potest generari potest corrumpi"; (vgl. R. RAUBST, in MFCG 12 (1977) 41). Mit seiner Können-Spekulation steht Nikolaus von Kues aber AUGUSTINUS nahe, der im Kommentar zum Johannes-Evangelium die Identität von Sein und Können in Gott gegenüber der Differenz von Können und Sein des Menschen hervorgehoben hatte: „Homo aliud est quod est, aliud quod potest ... itaque aliud est esse ipsius, aliud passe ipsius. (Deus autem) ... consubstantiale illi est quidquid eius est, et quidquid est, quia Deus est, non alio modo est, et alio modo potest, sed esse et passe simul habet, quia velle et facere simul habet." (Jn Johannis Evangelium, tract. XX, 3; CCSLXXXVI, S. 205). DerSohnistBildkonsubstantialen Könnens des Vaters: ntotum quod potest, de Patre est" (ebd., 9, S. 208). Die von Augustin genannte Identität von Sein und

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Können bei Gott und deren Verschiedenheit bei den Menschen, das ist die Differenz von passe ipsum und passe cum addito bei Nikolaus von Kues, der die Identität von göttlichem Können und Sein in der Wortbildung passest verbalisiert hatte. Diese Koinzidenz von Können und Sein im passest-Begriff sollte demnach im Lichte der bisher nicht beachteten AugustinusStelle gesehen werden: nposse esse est tantum quantum passe esse actu. Puta vocetur passest." (De passest, n.14,6f.; vgl. n.8,4--8; h XI, 2, S.8f. und S.18). Nikolaus von Kues kannte nämlich die Traktate zum Johannes-Kommentar, er besaß sie in cod. Cusanus 32 und zitierte sie mehrfach (e. g. De berylla n. 42; H. 2, S. 50; De canc. cath. II 18 n. 15; 34 n. 251; III, Prooemium, n. 289). Augustinus ist im übrigen neben Paulus der einzige Autor, der hier in De apice theariae zitiert wird.

3. Apex theoriae Obgleich die Können-Spekulation im Mittelpunkt der Schrift steht, erhielt sie einen Titel, der auf die spezifische Erkenntnisintention und deren Erkenntnismethode abhebt, wie Nikolaus von Kues dies schon bei mehreren seiner Werke gehalten hatte (e. g. De dacta ignorantia; De coniecturis; De quaerendo deum; De visione dei; Directio speculantis). Der theoria-Begriff, über den weiter unten gehandelt wird (s. Anmerkung zu n. 2,6 f., zu n. 11, 1-8 und zu n. 17,3-6; dort finden sich auch die Belege), steht hier für das, was sonst speculatio, meditatio oder con-

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templatio bezeichnen - Betrachtung. Speculatio als lateinisches Äquivalent für griech. {}Ewg(a bedeutet traditionsgemäß seit ARISTOTELES zunächst einmal die in Abhebung von den praktischen Wissenschaften sogenannten theoretischen Wissenschaften, dann deren vornehmste und höchste, die prima philosophia, d. h. die Wissenschaft vom Göttlichen oder Metaphysik, der BOETHIUS die suprarationale intellectualiterMethode zugeordnet hatte. Nikolaus von Kues hatte sie die unanschauliche, über aller Einsicht, also nicht komprehensive, und über jeder Lehrbarkeit stehende Intellektualität genannt. Sie ist ihm durch Scharfsichtigkeit und Einfachheit gekennzeichnet (De passest, n. 63). Sehen (videre/visio), einfache Schau des Geistes (simplex visio mentis) ist der methodische Zugang zum Gegenstandbereich der Theorie, der als der des Intelligiblen, d. h. des nur dem Geist Sichtbaren (sola mente visibile) umgrenzt wird. Dazu gehört vornehmlichst Gott; dazu gehören dann aber auch alle innerweltlichen Sachverhalte, sofern sie auf die Ebene der Intelligibilität gehoben werden (s. Anmerkung zu n. 8, 10 f. und zu n. 24, 1 ). Insofern Nikolaus die Intelligibilität der Welt und der Weltdinge aufspürt, unternimmt er dies, um damit die kognitiv nicht aufhebbare Inintelligibilität Gottes zu kompensieren, indem er das Intelligible als Spuren Gottes und als Hinweise auf ihn nimmt. Soweit seine •Theorie• auf ein Wissen über den inintelligiblen Gott zielt, ist sie Theologie im Sinne der mystica theologia des PROKLOS und des PS.-DIONYS und dessen mittelalterlicher Gefolgsleute (s. die Anmerkung zu n. 5, 11 u. 12). So handelt diese Schrift nicht schlechthin von der

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Theorie, auch nicht von den verschiedenen theoretischen Wissenschaften der aristotelischen TheorieTrias und nicht einmal von der spekulativen Theorie des Göttlichen im Sinne der aristotelischen episteme theologike oder der scholastischen theologia naturalis. Die hier vorgetragene Theorie ist auf die Spitze getriebene Theorie - apex theoriae -, die ihr Kennzeichen durch ihre Defizienz gewinnt, weil ihr Gegenstand ihre überforderte intelligible Fassungskraft übersteigt (n. 10, 13 ff.). Ihr officium ist »Schau des Unbegreifbaren" (n. 11,3) und das heißt auch sehen, daß sie nicht begreift. Es mag absurd erscheinen, diese defiziente Leistung und die Einsicht in ihre Defizienz als »höchstes Können des Geistes" zu bezeichnen (s. Anmerkung zu n. 11,9-12 und zu n. 17,3-6). Aber diese Absurdität ist gewollt, weil sie notwendig erscheint: Die Ignoranz, die das menschliche Wissen vom Göttlichen kennzeichnet, war Nikolaus von Kues schon früh als gelehrte Ignoranz - docta ignorantia - erschienen. Mit solcher Absurdität geht die Absurdität der propagierten Methode einher: die durch Resolution und Zirkelhaftigkeit zu gewinnende Leichtigkeit und Kürze der Rede, die die Frage kurzerhand in Aussage verwandelt und differente Aussagen ihres Widerspruchs enthebt, indem sie auf differenzloser Ebene harmonisiert (s. Anmerkung zu n. 5, 11 u. 12). Rede und Aussagen werden so kurz, daß bald ganz auf sie verzichtet werden kann und nur noch der Grund des Schweigens benannt werden braucht. Mit Schweigen schließt nach Proklos die Theorie über das Eine (ParmenidesKommentar, Ende des siebten Buches), im Dunkel

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und Schweigen die mystica theologia des Ps.-Dionys (De mystica theologia; PG 3). passe ipsum -, die Seinsweisen der Erscheinung des passe ipsum resp. Sein als Manifestationsweisen des passe ipsum - und die in Korkordanz auflösbaren und aufzulösenden Erkenntnisdifferenzen - das sind die drei Hauptpunkte der letzten Spekulation des Nikolaus von Kues, der schon zu Lebzeiten bei seinen Zeitgenossen als der Philosoph der Konkordanz galt: "Wer von den gelehrten Lateinern nämlich vermochte, wie Du, alles über Gott Sagbare, so konträr es auch sei, richtig zu konkordieren?" (JOHANNES KECK, 1450 an Nikolaus von Kues; AC 1, Nr. 905, S. 633). apex - (äußerste) Spitze, Gipfel, Höhepunkt, Erhabenheit, auch Krone oder Krönung und wie die Übersetzungsmöglichkeiten sonst noch sind (s. Beleg 3 der Materialsammlung unten, S. 157 f.) -nennt Nikolaus von Kues seine Art von Theorie-Zugriff. Sonst nicht zu seinem Wortschatz gehörend (vgl. aber De Judo globi In. 49; p 1 fol. 158r, 26f.), war ihm der Begriff in bestimmter Wendung vertraut, wie sie in der mystischen Theologie verwendet wurde: apex mentis. Das bezeugt der Tegernseer Benediktiner-Abt KASPAR AYNDORFFER, der ihm 1452 die Frage vorlegte, die ausgangs des 13. Jahrhunderts HUGO VON BALMA formuliert hatte (Beleg 20; vgl. E. voN 1vANKA, Plato christianus, Einsiedeln 1964, S. 343 ff.): Kann eine fromme Seele Gott erreichen und unvermittelt auf ihn hinbewegt oder getragen werden ohne Vernunfteinsicht oder auch ohne vorherigen oder begleitenden Denkakt, bloß affektiv oder per mentis apicem, den man Synderesis nennt? (Beleg 20) Die im Geiste Bonaventuras

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und Gersons gestellte Frage markiert den größeren Rahmen, innerhalb dessen sich die Frage überhaupt stellte: die Kontroverse darüber, ob das Seelenheil eher in einer vita activa oder besser in einer vita contemplativa zu erreichen sei und dann spezieller, falls eherinder Kontemplation, eher affektiv oder eher kognitiv. Mit apex mentis bezeichneten Bonaventura und Gerson, der auch vom apex rationis spricht, eine sechste und letzte Stufe des Erkenntnisvermögens in der Reihung sensus, imaginatio, ratio, intellectus, intelligentia und apex mentis, den sie als synderisis scintilla bestimmten (Belege 18f., 25). Der cusanische apex theoriae ist aber nicht diesem •Fünkchen affektiv-voluntativen Erkenntnisstrebens zum Guten•, wie man scintilla synderisis paraphrasieren kann, kongruent. (Was apex theoriae vom apex mentis unterscheidet, ist in der kritischen Edition dargelegt worden; h XII, S. 162f.) Nikolaus von Kues ·betont den kognitiven Aspekt stärker, als dies gemeinhin beim apex mentis üblich war. Er steht der von Proklos und Ps.-Dionys vertretenen Anschauung näher. Bei Proklos hatte Nikolaus über das intellektuale Vermögen der Erkenntnisseele gelesen, intelligible Formen zu erfassen. Dieses Vermögen bezeichnete Proklos als akr6teta tou nou, als Gipfel der Vernunft, was PETRUS BALBUS in seinem Übersetzungsentwurf der Theologia Platonis von 1462 mit apex intellectus wiedergab (Beleg 14; zur Theol. Plat. I 3 s. cod. Cus. 185, fol. 7', 10). In der Invokation seiner Schrift De mystica theologia (I l; Dionysiaca I, S. 566) bittet Ps.-Dionys um Geleit zu dem höchst unbekannten, überaus leuch-

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tenden und höchsten Gipfel (akrotaten koryphen; in den Nikolaus bekannten Übersetzungen allerdings mit vertex wiedergegeben) der mystischen Geheimnisse; an anderer Stelle ist von der Spitze (summitas; ebd. 13; Dionysiaca 15 75) der göttlichen Aufstiege die Rede. Diesen Gipfel der Gotteserkenntnis nannte der Dionys-Kommentator THOMAS VON ST. VIKTOR (TH. GALLUS oder TH. VON VERCELLI, t 1246) apex synderesis (Beleg 31 ); dessen Dionys-Extrakte hatte Nikolaus von Kues in cod. Cusanus 45 gelesen (s. Brief vom 14. 9. 1453 an die Tegernseer Mönche, bei E. VANSTEENBERGHE, Autor de Ja docte ignorance, Münster 1915, S. 116). Wichtig jedoch ist die von Thomas Gallus gemachte Unterscheidung zwischen apex intelligentiae und apex affectionis, mit der er kognitive und supraintellektuelle, affektive Gotteserkenntnis auseinanderhält (Beleg 5 ). Wenn es bei ihm dann heißt: „Qptimus ergo modus querendi Deum est recte sursum superintellectualiter extendi, donec mentis apex ab omni ente separatus super omnia existentia supersubstantialem intelligat et per plenam ignorantiam superignotum cognoscat ... hoc est cum Moyse (Exodus 24,18) ingredi nebulam sive caliginem.", wird deutlich, daß Nikolaus von Kues seinen Begriff des apex theoriae von Proklos, Ps.-Dionys und der ps.dionysischen Tradition herleitet, wie sie vor allem in der Viktoriner-Mystik fortlebte. Insofern nämlich der apex theoriae "mit dem Auge des Geistes" (mentis oculus; n.16,1) im "ganzen Scharfsinn der Spekulation" (omnis praecisio speculativa; n. 14, 7f.) erreicht wird, ist das Ziel mentaler, jede

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kognitive Erkenntnis und alles intelligible Vermögen (n. 10) transzendierender Theorie-Schau auch der apex mentis, zu dem man durch contemplatio, meditatio oder speculatio - drei Äquivalente für theoria- gelangen soll. Insofern der apex mentis der mystischen Theologie vor allem die kognitiv-intellektuale Komponente vor der affektiven meint, war auch er apex theoriae. De apice theoriae kann also auch als späte und letzte Antwort auf die oben bezeichnete kontroverse Frage gelten, die hier zugunsten des kognitiven Anteils entschieden wird, zugunsten freilich einer suprarationalen und supraintellektualen ·Erkenntnis< aus betrachtender Theorie-Schau. Das affektive Element, das Nikolaus in seinem Antwortschreiben an Ayndorffer vor 22. September 1452 unter Hinweis auf seine Predigt >Sedete quoadusque induamini< (5. Juni 1446; demnächst als Sermo LVII in h XVII) stärker betont hatte (kein geistiger Affekt ohne Liebe und Entscheidung zum Guten, die in der Kenntnis des Guten gründe; keine Affektion ohne Wissen; kein vollendetes Wissen ohne Affektion; Affekt und Wissen gehen ineins), kommt hier in der Aussage zur Geltung, daß das natürliche affektive Verlangen des Geistes nur gestillt werden kann, wenn der Geist auch begreift (n.11 f.; s. Anmerkung zu n.11, 31). Daß apex mentis unter den Zeitgenossen des Nikolaus von Kues zum weitverbreiteten Begriff geworden war, beweisen die weiteren Belege unten. Der Kartäuser DIONYS VON RIJKEL- der ·doctor ecstaticus' war ein langjähriger Vertrauter des Nikolaus, der einige seiner zahlreichen Schriften besaß (cod. Cus. 12, 64 und 107)

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- trug viel zur Verbreitung dieser mystica theologia der Kontemplation, der Gotteserfahrung (experimentalis cognitio dei; vgl. Anmerkung zu n. 23,22) und der sapida dei notitia bei (Beleg 21 ). apex mentis ist für ihn zugleich auch affektiv apex voluntatis. Während HEINRICH ARNOLDI, der Prior der Basler Kartause, wieder ganz auf das affektive Moment abstellt, wenn er den apex mentis auf die Spitze der affektiven Seelenkräfte hebt (Beleg 23), versteht der •Mystiker< HEINRICH HERP die einfache Schau des Geistes (simplex viso mentis, von der Nikolaus n. 11,1 redet) als das Vermögen der simplex intelligentia, das bald Geist (mens), bald scintilla vel apex ipsius rationis genannt werde (Beleg 26). - Ein schönes Beispiel für die Verbreitung der apex mentis-Vorstellung in den Kreisen der theologia mystica und unter den Theologen der Mystik (mystice theologizantes) - E. von Ivanka nennt es eindrucksvoll, aber nicht ganz zutreffend, »eine echt gotische Idee« (a.a.O. S.315) - gibt die symbolhafte Bibliotheksstruktur der Kartause Salvatorberg zu Erfurt, die in dem Bibliothekskatalog des auch um die Tradierung der Cusanus-Schriften verdienten Bibliothekars JAKOB VOLRADI beschrieben wird. Die Beschreibung, in der man das den Erfurter Mönchen vertraute Cusanische Denken wiederfindet, nimmt alle Merkmale der apex mentis-Lehre auf und setzt sie in sinnbildhafte Raumarchitektur und bibliothekarische Aufstellungssystematik um (Belege 24, 28f.). Der Begriff apex theoriae, den Nikolaus, soweit wir bisher sehen, selbst geprägt zu haben scheint, bezeichnet bei ihm aber nicht nur als »einfache Schau des

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Geistes" den Vollzug des höchsten Vermögens des Theorie betreibenden Geistes (s. Anmerkung zu n. 17,3-6) und die dem zugeordnete Methode. Denn vom apex theoriae heißt es auch: Apex theoriae est posse ipsum (n. 17,2) - höchste Stufe der Betrachtung ist zugleich auch ihr Gegenstand, das Können selbst, nicht zuletzt deshalb, weil es als das Prinzip von allem auch als Prinzip aller Theorie zu gelten hat. Das soll der Titel der Schrift auch ausdrücken.

4. Der Titel der Schrift Was der Titel zum Ausdruck bringen will, ist einer Analyse der Schrift zu entnehmen. Die Übersetzung vermag das ebensowenig wiederzugeben wie der Werktitel selbst. Die Übersetzung Die höchste Stufe der Betrachtung, für die ich mich entschieden habe, versucht dem Rechnung zu tragen, indem sie den übersetzten Titel offenhält, so daß der methodische Aspekt, der Vollzugsakt und der Gegenstandsbereich der hier gemeinten theoria darunter verstanden werden können. Warum theoria nicht mit >Theorie• wiedergegeben werden kann, wird weiter unten im Kommentar begründet. Die durchaus richtige Wiedergabe von apex mit >Gipfel,, für die sich andere Übersetzer entschieden hatten - Vom Gipfel der Betrachtung oder Der Gipfel der Schau; (die Nachweise unten, S. 169) -, habe ich mir nicht zueigen gemacht, um die mit der scalaVorstellung der Tradition zum Ausdruck gebrachte Stufung zu betonen. Von den Autoren des 19. Jahrhun-

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derts hatte F. A. SCHARPFF den Titel mit Höhepunkt der Speculation wiedergegeben (Der Cardinal u. Bischof Nicolaus von Cusa als Reformator in Kirche, Reich und Philosophie ... , Tübingen 1871, S. 214). J. UEBINGER bezeichnete ihn als ndie Krone der Erkenntnis« (Die Gotteslehre des Nikolaus Cusanus, Münster u. Paderborn 1888, S. 150). - Den italienischen Übersetzern nahm ihre Sprache solche Überlegungen ab: L'apice della teoria heißt die Schrift bei ihnen. M. DE GANDILLAC schließlich schlägt für eine französische Übersetzung vor: Le sommet de Ja contemplation (CEuvres choisies de Nicolas de Cues, Paris 1942, S. 46) und jüngst De 1a pointe de la contemplation (Nicolas de Cues, Lettres aux moines de Tegernsee sur Ja docte ignorance. Du jeu de la boule . .. , par M. de Gandillac, Paris 1985, S. 18 ).

5. Zur Übersetzung und zum Kommentar nDifficile est alienas lineas insequentem non alicubi excedere, arduum, ut quae in aliena lingua bene dicta sunt eundem decorem in translatione conservent." Das Hieronymus-Zitat aus dem Vorwort zur EusebÜbersetzung De temporibus (= Chronicon) vor Augen, das Petrus Balbus seinem Vorwort zur Übersetzung von Proklos' Theologia Platonis einfügte (cod. Bergamo, Gamma IV 19, fol. 1'), habe ich mich bemüht, in der Übersetzung möglichst nicht den Sinn "der fremden Zeilen zu verlassen". Den decor zu bewahren schien jedoch nicht immer möglich. Die Wortspiele, die die Wortfelder von videre und passe

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Hans Gerhard Senger

eröffneten, sind im Deutschen nicht gegeben. Die vergleichsweise knappe Rede, die unvollständigen Sätze machten es erforderlich, bei richtiger Wiedergabe der Wortbedeutungen die Aussageintention wiederzuspiegeln. Eine interpretierende Übersetzung schien daher bisweilen angebracht. Die konzise Gedankenführung und die zum Teil auf Andeutungen reduzierte Argumentationsweise einer heute nicht unbedingt vertrauten metaphysischen Spekulation legten es nahe, den Text durchgehend zu kommentieren. Die gedrängte philosophiehistorische Kritik der wichtigsten philosophischen Lehren von Plato bis zum 15. Jahrhundert (n. 14f., n. 27) setzen beim Leser deren Kenntnis voraus. Dem wurde in den Anmerkungen des Kommentars Rechnung getragen. Die ebenfalls knapp gehaltene Selbstkritik des Nikolaus (n. 4), die Hinweise auf einzelne seiner Schriften (n. 5, n. 16) und schließlich die Wiederaufnahme von Früherem erfordern gute Vertrautheit mit dem Gesamtwerk, aus dem heraus diese kleine Schrift verstehbar werden soll, auch in ihrer Einzigkeit und in ihrer behaupteten Neuheit. "Wer nämlich das Verstehen des Autors in irgendeiner Angelegenheit erforscht, muß alle Schriften aufmerksam lesen und in einen konkordierenden Sinn auflösen." (Apologia doctae ignorantiae, n. 24; hll, S.17,4-6) Wert wurde deshalb auch darauf gelegt, den Text in seiner gedanklichen Gliederung und die einzelnen Argumentationseinheiten in Analyse und durch Querverweise innerhalb des Textes offenzulegen. Diesen Zielen will der Kommentar dienen, der so den Umfang der Schrift notwendigerweise übertrifft.

Einleitung

XXVII

Im übrigen wurden Kommentar und Anmerkungen ganz auf den Charakter einer Studienausgabe abgestellt. Auf einen textkritischen Apparat wurde verzichtet; er steht in Band XII der Opera omnia Nicolai de Cusa zur Verfügung, deren Seitenzählung der Wiedergabe des dort veröffentlichten lateinischen Textes hier in den Kolumnentiteln beigefügt wurde. Zusammen mit der Foliierung der Pariser Edition von 1514 ist damit eine Seiten-Konkordanz der wichtigsten Editionen gegeben. Der Quellen- und Parallelen-Apparat der kritischen Edition wird zur Vervollständigung von Kommentar und Anmerkungen dieser Ausgabe empfohlen; zusammen mit den dort abgedruckten Adnotationes der Herausgeber bieten sie, entsprechend der Aufgabe einer historisch-kritischen Edition, zum Teil andere, zum Teil mehr Belege. Wo mich die neuerliche Beschäftigung mit der Schrift zu ergänzenden und weiterführenden Einsichten gebracht hat, habe ich solche hier aufgenommen. Soweit möglich, werden die Schriften des Nikolaus von Kues in den im Quellennachweis genannten Übersetzungen dieser Reihe zitiert; die Zitate aus den anderen Schriften sind jeweils an Ort und Stelle bibliographiert, wie auch die benutzte Literatur, so daß auf das sonst übliche Literatur-Verzeichnis verzichtet werden konnte. Dasselbe gilt für das •Verzeichnis wichtiger Begriffe,, die in den entsprechenden Anmerkungen jeweils zusammengefaßt werden; im übrigen wird auf den Index verborum der kritischen Edition verwiesen (hXII, S. 241 ff.).

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Hans Gerhard Senger

Zu Dank verpflichtet fühle ich mich Raymond Klibansky, Oxford, von dem ich bei der gemeinsamen Vorbereitung der vor drei Jahren erschienenen kritischen Edition dieser Schrift vieles gelernt und viele wertvolle Hinweise erhalten habe. Bereitwillig hat er seine Zustimmung zum Abdruck des kritischen Textes an dieser Stelle gegeben. Erneut darf ich dem Herausgeber dieser Schriftenreihe, Karl Barmann, Köln, für vielseitige Unterstützung danken. Er war erster Leser und kompetenter Kritiker von Übersetzung und Kommentar. Darüber hinaus hat er mir jederzeit alle erbetene Hilfe gewährt. Seine Anregungen und Hinweise sind in die Arbeit miteingegangen. Ich danke ihm herzlich dafür. Mein Dank gilt schließlich dem Felix Meiner Verlag, Hamburg, seinen Verlegern Richard und Manfred Meiner und Adolf Beland, dem Betreuer der Drucklegung, die mit Verständnis meine Arbeit begleiteten. Köln, im September 1985

Hans Gerhard Senger

NIKOLAUS VON KUES DE APICE THEORIAE DIE HÖCHSTE STUFE DER BETRACHTUNG

2 Ed. paris. I, fol. 219'

h XII, p.

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DE APICE THEORIAE

1

lnterlocutores: Reverendissimus dominus Cardinalis Sancti Petri et Petrus de Ercklentz Canonicus Aquensis

Petrus: Video te quadam profunda meditatione ali- s quot dies raptum adeo quod timui tibi molestior fieri, si te quaestionibus de occurrentibus pulsarem. Nunc, cum te minus intentum et quasi magni aliquid invenisses laetum reperiam, ignosces spe10 ro, si ultra solitum te interrogavero. Cardinalis: Gaudebo. Nam de tua tarn longa taciturnitate saepe admiratus sum, maxime qui iam annis quattuordecim me audisti multa publice et private de studiosis inventionibus loquentem et plura quae scripsi opuscula collegisti. Utique, post- 15 quam nunc dono dei et meo ministerio divinum adeptus es sacratissimi sacerdotii locum, tempus venit, ut loqui et interrogare incipias.

Petrus: Verecundor ob imperitiam. Tarnen pieta- 2 te tua confortatus peto, quid id novi est, quod his Paschalibus in meditationem venit. Credidi te per-

3 1

DIE HÖCHSTE STUFE DER BETRACHTUNG

Dialogpartner: Der hochwürdigste Herr Kardinal von St. Peter und Peter von Erkelenz, Kanoniker in Aachen s Peter: Seit ein paar Tagen sehe ich dich in so tiefer Betrachtung entrückt, daß ich befürchtete, dir allzu lästig zu fallen, wenn ich dich mit Fragen anginge, die mich bedrängen. Da ich dich nun etwas entspannter und frohgemut antreffe, so als hättest 10 du irgend etwas Großartiges entdeckt, wirst du hoffentlich Nachsicht üben, wenn ich dir einige ungewöhnliche Fragen vorlege. Kardinal: Das würde mich freuen. Denn ich habe mich über dein so langes Schweigen oft gewundert, 15 vor allem, weil du mich nun doch schon seit vierzehn Jahren öffentlich und privat eine ganze Menge über wissenschaftliche Entdeckungen bei meinen Studien hast reden hören und mehrere meiner Schriften gesammelt hast. Nachdem du nun durch 20 Gottes Gnade und durch meine Amtshandlung die Würde des gottgegebenen hochheiligen Priestertums erlangt hast, ist für dich durchaus die Zeit gekommen zu reden und Fragen zu stellen. 2 Peter: Unerfahren wie ich bin, scheue ich mich, das zu tun. Durch deine freundliche Gesinnung ermuntert, frage ich denn, was das Neue ist, das in diesen Ostertagen in deine Überlegung einging. Ich s habe bisher angenommen, du hättest in deinen so

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De apice theoriae

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fecisse omnem speculationem in tot variis tuis co5 dicibus explanatam. Cardinalis: Si apostolus Paulus in tertium caelum raptus nondum comprehendit incomprehensibilem, nemo umquam ipsum qui maior est omni comprehensioni satiabitur quin semper instet, ut melius comprehendat. 10 Petrus: Quid quaeris? Cardinalis: Recte ais. Petrus: Ego te interrogo, et tu me derides. Cum peto, quid quaeras, tu dicis •recte ais•, qui nihil aio, 15 sed quaero. Cardinalis: Cum diceres •quid quaeris•, recte dixisti, quia quid quaero. Quicumque quaerit, quid quaerit. Si enim nec aliquid seu quid quaereret, utique non quaereret. Ego igitur - sicut omnes studiosi - quaero quid, quia scire valde cupio, quid sit 20 ipsum quid seu quiditas, quae tantopere quaeritur. Petrus: Putasne quod reperiri possit? Cardinalis: Utique. Nam motus, qui omnibus studiosis adest, non est frustra.

I

Petrus: Si hactenus nemo repperit quid, ultra 3 cunctos tu conaris? 1 Cardinalis: Puto multos aliqualiter et vidisse et in scriptis visionem reliquisse. Nam quiditas, quae semper quaesita est et quaeritur et quaeretur, si 5 esset penitus ignota, quomodo quaereretur, quando

Die höchste Stufe der Betrachtung

5

verschiedenartigen Schriften das Ergebnis all deiner Betrachtung abschließend dargestellt. Kardinal: Wenn der Apostel Paulus, in den dritten Himmel entrückt, nicht einmal den Unbegreif10 liehen begriff, dann wird keiner je überdrüssig werden, stets auf besseres Begreifen dessen auszusein, der alles Begreifen übersteigt. Peter: Was suchst du denn? Kardinal: Das sagst du richtig. 15 Peter: Ich stelle dir eine Frage, und du hast mich zum besten. Wenn ich wissen will, was du suchst, sagst du, wo ich doch gar nichts sage, sondern eine Frage stelle: Das sagst du richtig. Kardinal: Als du sagtest 'was suchst dUKönnen selbst< wird der dreifache und eine Gott bezeichnet, dessen Name Allkönnend oderKönnenallen Vermögens ist, beidemallesmög-

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De apice theoriae

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apud quem omnia possibilia et nihil impossibile et qui fortitudo fortium et virtus virtutum, significatur. Cuius perfectissima apparitio, qua nulla potest s esse perfectior, Christus est nos ad claram contemplationem ipsius passe verbo et exemplo perducens. Et haec est felicitas, quae solum satiat supremum mentis desiderium. Pauca haec sola surrt, quae sufficere possunt. I 10

Die höchste Stufe der Betrachtung

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lieh und nichts unmöglich ist, der die Stärke der s Starken und die Kraft der Kräfte ist. Seine vollkommenste Erscheinung, im Vergleich mit der es keine vollkommenere geben kann, ist Christus, der uns durch Wort und Beispiel zur reinen und klaren Anschauung eben dieses Könnens führt. Diese An10 schauung ist die Glückseligkeit, die allein das höchste Verlangen des Geistes sättigt. Einzig diese wenigen Worte sind es, die zureichend sein können.

KOMMENTAR UND ANMERKUNGEN

1. Dialog und Dialogpartner Nikolaus von Kues hat eine Reihe seiner Schriften, etwa ein Viertel seines Werkes nämlich, als Dialog, Trialog oder Tetralog verfaßt. Dazu wählte er unterschiedliche Formen. In der kleinen Verteidigungsschrift Apologia doctae ignorantiae (1449), die Nikolaus in der Kontroverse mit dem Heidelberger Theologie-Professor Johannes Wenck von Herrenberg (t 1460) gegen dessen Invektive Ignota litteratura verfaßte, berichtet ein Schüler einem nicht in Erscheinung tretenden Mitschüler, der die RezipientenFunktion des Lesers einnimmt, von einem Dialog, den er mit dem Meister geführt habe. In der Schrift Über den verborgenen Gott (De deo abscondito, vor 1445), in der Nikolaus sich zum zweiten Male in der literarischen Gattung des Dialogs versucht - der erste Versuch ist der Dialogus concludens Amedistarum errorem von 1441 -, diskutiert ein Christ mit einem Heiden über die Erkennbarkeit Gottes, um den Nichtchristen davon zu überzeugen, daß weder das Wesen Gottes erkennbar noch dessen Name wißbar sei, da er ein verborgener Gott ist. Am bekanntesten sind wohl die drei Dialoge und der Trialog der vier Bücher Der Laie (Idiota, 1450), in denen ein klassisch gebildeter römischer Redner (Orator) mit einem Laien (Idiota de sapientia 1 und 11; Idiota de staticis experimentis; in einem Druck vom Jahre 1550 wird - wissenschaftshistorisch nicht uninteressant aus dem Laien ein Mechaniker, aus dem Redner ein Philosoph gemacht) und - in der Schrift Der Laie über den Geist (Idiota de mente) - diese beiden mit einem Philosophen diskutieren. In der unter dem Eindruck der Eroberung Konstantinopels im Mai 1453 durch die Türken verfaßten Schrift über den Glaubensfrieden (De pace fidei) stellt Nikolaus von Kues die Vision eines Mannes vor, die dieser niedergeschrieben hatte: Unter der Leitung des Allmächtigen findet anläßlich der Religionskämpfe ein Konzil im Himmel statt, auf dem über die sich aus der Verschiedenheit der Religionen ergebenden Kämpfe mit dem Ziel beraten wird, trotz und bei aller Verschiedenheit der Religionen eine

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Kommentar und Anmerkungen

Übereinstimmung (concordantia) zu schaffen und auf ihr einen "ewigen Religionsfrieden" (in religione perpetuam pacem) zu gründen. Zu diesem Behufe wird unter Leitung des fleischgewordenen Wortes (verbum caro factum, n. 8, nach foh. 5,33), also Christus, dem später Petrus und Paulus assistieren, im "Konzil der Himmlischen" (n. 2,2sq.) unter Beteiligung der Vertreter verschiedener Nationen und Religionen nim Himmel eine Eintracht der Religionen beschlossen" (n.68,19), deren Durchführung auf Erden dann an dem „dazu besten geeignet erscheinenden Ort, Jerusalem," vollzogen werden soll (n. 9,21 f.). In diesem Religionsgespräch kommen nacheinander zu Wort: ein Grieche, Römer, Araber, Inder, Chaldäer, Jude, Skyte, Franzose, Perser, Syrer, Spanier, Türke, ein Deutscher, ein Tartar, ein Armenier, ein Böhme und ein Engländer. In der Hälfte seiner Dialoge (De genesi, 1447; De Judo gJobi I und De Judo gJobi II, 1462; in dem Trialog De passest, 1460, und im Tetralog Directio specuJantis seu de li non aJiud, 1461, der am meisten von allen Dialogen die Form eines peripatetischen Dialogs aufweist, in dem die Dialogpartner unterschiedliche Schulrichtungen vertreten) tritt der Autor selbst auf; in ihnen führt er die Unterhaltung mit Zeitgenossen. Seine Mitunterredner sind nicht immer die Großen seiner Zeit, mit denen er in Kontakt stand, sondern eher Vertraute seines engeren Umkreises. Auch in dem vorliegenden Dialog De apice theoriae tritt der Autor selbst als "Kardinal von St. Peter" auf. Noch bevor Papst Nikolaus V. am 26. April 1450 Nikolaus von Kues, den er zum Bischof von Brixen erwählt hatte, in Rom die Bischofsweihe erteilte (s. AC, Nr. 887 u. 872), hatte er ihn am 16. Dezember 1446 zum Kardinal in petto erhoben (AC, Nr. 727); im Konsistorium am 20. Dezember 1448 war Nikolaus von Kues dann zum Kardinal kreiert worden (AC, 776f.); am 3. Januar des folgenden Jahres wurde ihm als Titelkirche St. Petrus ad vincula zugewiesen (AC, Nr. 787f.), jene am Kolosseum gelegene Basilika, in der Nikolaus auch begraben wurde. Sein Dialogpartner in dieser Schrift ist der "Aachener Kanoniker Peter von Erkelenz", über den Nikolaus hier mitteilt, daß der Kardinal ihm in diesen Ostertagen des Jahres 1464 die Priesterweihe erteilt habe. Über Peter von Erkelenz erfahren wir aus der vorliegenden Quelle noch mehr: Seit 14 Jahren, also seit et-

'Ff"'J"ut\ ~r-:f ''~~f'"'2 tn•JJ.4\y r.fnr~ ~~~„-o' 1~t& ~1"~ „~, ~~'~f" ~~.,,.\fl ttlo 1~ ')~" ~·~ )l~~ 'l"" „~·tti~'.'7 ~ ~~ ~_,·~m ·~ ~t-r~·n ·)~~ur~~'\m1(n~~tufh.461l1~~~~/ct-']'c

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Al~-!-""~ t.t.~ lntuimini quantus sit iste< (23. 12. 1453; p II 1, fol. 79'): visio cum diligenti attentione; De docta ign. IIl 11 n.247 (S. 78f.) und die Anmerkungen zu n.246,3 und zu n. 247,2 und 2f. intuitio, das lateinische Äquivalent für griech. emßol.~, ist seit Boethius in der lateinischen Tradition bekannt. Im Rückgriff auf griechische Vorgaben bestimmte er intuitus als reine Anschauung, durch die der Mensch mit einer einfachen, d. h. nicht zusammengesetzten Vernunfteinsicht (simplex intelligentia) begreift, und zwar einfache Begriffe (simplices intellectus) ohne jede Zusammensetzung und Trennung ( Commentaria in librum Aristotelis Peri hermeneias, Prima editio, I 1, ed. K. Meiser, Leipzig 1877, S.42f.). Vernunfteinsicht (intelligentia) bedeutet für Boethius eine die Sinneswahrnehmung, die Imagination und die diskursiv-rationale Erkenntnis umfassende (comprehendere), alles mit einem Blick des Geistes erfassende Erkenntnisweise der einfachen Formen (uno ictu mentis formaliter cuncta prospiciens; Consolatio Philosophiae V, prosa 4,32 f.; CSEL LXVII 4, S. 118). In Abgrenzung vom diskursiven, partiellen Erkennen des rationalen Verstandes zeigt er die Sonderstellung des intuitiven Erkennens der Vernunft auf, von der Plotin und Proklos gesprochen hatten; s. dazu Historisches Wörterbuch der Philosophie, s. v. •Intuition•, Bd. V, col. 524ff. Nikolaus von Kues übernimmt diese Erkenntnisvorstellung, fügt sie

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Kommentar und Anmerkungen

seiner Lehre von der docta ignorantia ein und verbindet sie mit seiner Lehre von der Vergöttlichung des Menschen (s. u.). Zur einfachen, nicht erfassenden geistigen Schau (simplex visio mentis non comprehensiva) s. unten, Anm. zu n.11,1-8. Wenn auch diese intuitiv-schauende Einsicht als die höchste Erkenntnisweise gilt, die menschenmöglich ist, so bleibt sie doch, als innerweltliche Erkenntnis gebunden an das Sinnfällige und an die aus diesem gewonnenen Vorstellungsbilder (Phantasmen; Imaginationen), verschränkt (kontrakt). Sie bleibt dadurch in der intuitiven Schau der absoluten Wahrheit, in der Erkenntnis des Absoluten, behindert und gelangt folglich nur zu schattenhaft-dunkler Erkenntnis in verschränktem, änigmatischen Erkennen. - Diese innerweltliche Intuition unterscheidet Nikolaus von Kues De filiatione dein. 54 (S. 78 f.) von jener anderen, der visio intuitiva (ebd., n. 52; S. 77), die er als eine von den innerweltlichen Erkenntnisbedingungen und von der damit verbundenen Erkenntnisbehinderung befreite Intuition in der jenseitigen Gotteskindschaft (filiatio dei) erhofft. Diese Intuition im Zustand der Vergöttlichung des Menschen im Jenseits (deificatio, griech. theosis) geht über jede innerweltliche Intuitionsweise hinaus; von ihr erhofft er sich die unbehinderte Schau der Wahrheit. Man muß demzufolge die beiden intuitio-Weisen bei Nikolaus auseinanderhalten: (1) eine innerweltliche, sinnen- und phantasiegebundene, suprarationale und supraintellektuale, aber dennoch kontrakte und änigmatische Wahrheitsschau und (2) eine diese übersteigende, sie vollendende jenseitige, inkontrakt-faziale apprehensive Wahrheitsschau und -erfassung; s. die Anmerkungen zu n. 11,29 f. und zu n. 11,31. Der Begriff der meditatio, wie Nikolaus ihn hier verwendet, hat nichts zu tun mit meditierender Betrachtung über geistliche Texte oder bildhafte geistliche Gegenstände noch mit geistlichen Übungen im Sinne der devotio moderna (Gerhard Groote, Thomas von Kempen); er bezeichnet vielmehr eine spezifische Reflexionsart, die als Forschungsmittel zum Erkenntnisprozeß selbst gehört, mit der neue Erkenntnis gewonnen werden kann (n. 2,3 ). Thomas von Aquin hatte meditatio definiert als ein Nachdenken, das offensichtlich zum Verstandesprozeß gehört, in dem von gewissen Prinzipien zur Betrachtung einer Wahrheit ausgegangen wird (meditatio vero pertinere videtur ad processum rationis ex principiis aliquibus pertinentibus ad veritatis alicuius contemplationem; S. th. II II, q. 180, a. 3, ad l; IV Sent. 15,4 ad 1). - Näher scheint der Cusanische

Kommentar und Anmerkungen

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Meditationsbegriff jedoch der Bestimmung zu stehen, die Hugo von St. Viktor im 12. Jahrhundert gegeben hatte, als er drei Sehweisen der vemunfthaften Seele (tres animae rationalis visiones) zu systematisieren suchte und meditatio- zwischen cogitatio und contemplatio - bestimmte als "assidua et sagax retractatio cogitationis, aliquid, vel involutum explicare nitens, vel scrutans penetrare occultum." (In Salomonis Ecclesiasticen homiliae, hom. I; PL 175, col. 116D-117AJ. Sie geht nur auf Erkennen der Sachverhalte, die vor der Erkenntnis (intelligentia) verborgen sind (ibid.); sie ist eine Geisteskraft, neugierig-aufmerksam und scharfsichtig das im Dunkel Verborgene zu erforschen und das Unergründliche zu ergriinden (vis quaedam mentis curiosa ac sagax obscura investigare et perplexa evolvere; De modo dicendi et meditandi libellus, PL 176, col. 879B). Es ist die Tradition der mystischen Theologie, wie sie bei dem Kartäuser Guigo II (der Jüngere; 12. Jh.J zum Ausdruck kommt - Meditatio als die »eifrige Aktion des Geistes, die unter Leitung einer besonderen Vernunft eine Kenntnis der verborgenen Wahrheit zu erforschen sucht" (studiosa mentis actio, occultae veritatis notitiam ductu propriae rationis investigans; Ep. de vita contemplativa II, Sources chretiennes 163, S. 84,33-35) - wie auch in der ps.augustinischen Schrift De spiritu et anima (cap. 50; PL40, col. 816): Meditation erzeugt Wissen; denn sie »ist das wiederholte Bedenken, neugierig-aufmerksam und scharfsichtig das Dunkle zu erforschen und das Verborgene in das Begreifen zu heben" (frequens cogitatio, curiosa et sagax obscura investigare, et occulta ad notitiam trahere). Nikolaus von Kues war mit dieser Tradition vertraut; er besaß Schriften und Kommentare des Hugo von St. Viktor (cod. Cus. 45 und 64) ebenso wie die ps.-augustinische Schrift (cod. Cus. 55) und einen Guigo-Text (cod. Cus. 53). 1,9f.: ALS HÄTTEST DU IRGEND ETWAS GROSSARTIGES ENTDECKT) In dieser Schrift geht es tatsächlich um eine Entdeckung, die sich in die Reihe der in den Jahren zuvor öffentlich und privat geäußerten Entdeckungen (n. l,16f.; zum Wortgebrauch inventiol invenire s. unten, Anm. zu n. 1,17 f.) als die jüngste - und letzte einreiht und die etwas Neues (n. 2,3) zum Inhalt hat. Es ist eine Entdeckung besonderer Art, da sie über einen seit Aristoteles schon immer erforschten, bisher aber noch nicht voll aufgeklärten Sachverhalt geht (n.5,13f.). Es ist die Antwort auf die Frage, was ein Gegenstand oder was eine Sache ist. Nikolaus glaubt, eine Lösung

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Kommentar und Anmerkungen

für die bisher unbefriedigenden Antworten auf diese Fragen nach dem Was einer Sache oder nach der Washeit von Dingen gefunden zu haben. Die Frage nach dem Was-ist einer Sache ist eine alte Frage, wie Nikolaus und auch schon Aristoteles (Met. Z 1, 1028b2-4) weiß (n. 3,1-6; vgl. De ven. sap. 12 n. 31; S.46 f.). Dabei geht es nicht um die konkrete Frage, was irgend etwas ist; vielmehr steht in Frage, was denn das Was sei, das in jeder Was-Frage erfragt wird. Die Fragerichtung geht also nicht auf irgendein oder jedes Was einer Sache, sondern auf das Was selbst, das in jeder, auf irgendeine Sache gerichteten Was-Frage erfragt werden soll. Man kann sagen, es geht um eine substantielle Bestimmung des Was oder um die Washeit (ipsum quid seu quiditas; n. 2,21). Dabei steht die Fragbarkeit dieser Frage, die von vielen vor ihm bereits als im Ansatz falsch und daher als unnütz oder als fragbar, aber unbeantwortbar genannt worden war (dazu s. unten, Anm. zu n. 2,22-25), für Nikolaus außer Frage: "Jeder der sucht, sucht was"' (n. 2, 20f.) Das suchende Fragen und Erforschen geht nach Meinung des Nikolaus von Kues immer auf irgend etwas, also, wie ihm scheint, auf ein Was. Es gibt andere Antworten auf die Frage, worauf ein Forschungsprozeß abzielt. Aristoteles hat Met. A 1, 98 lal2 ff. zwei Wissensformen unterschieden. Am Beispiel des Feuers demonstriert er dies (98lbll-13): wissen, daß Feuerwarmist und wissen, warum Feuer warm ist. Warum-Wissen geht auf die Ursachen von etwas; unter dieser Fragerichtung wird also nach Ursachenwissen gesucht, das Aufklärung über den Grund geben soll, warum etwas ist. (Über verschiedene Formen von Ursachewissen, die das Wissensspektrum differenzierend verbreitern, handelt Aristoteles u. a. Met. A 3, 983a24ff. und Met. !!!. 2, 1013a24ff.) Diese Wissensform wertet er höher als die andere, die nur ein Daß konstatiert und zu Erfahrungswissen führt, das Voraussetzung für Ursachenwissen ist. "Denn bei der Frage nach dem Warum muß das Daß und damit die Existenz schon als bestehend bekannt sein (d. h. zum Beispiel: daß sich der Mond verfinstert).das und das' ein >jenes< sei (ob ein >Mensch< ein >musischer' sei), weil wir dann das eine (den Gegenstand) auf eine Was-Frage hin von einem anderen her bezeichnen. Nikolaus von Kues scheint nun nicht die Frage stellen zu wollen, die Aristoteles inkriminiert hatte (Was ist der Mensch?); vielmehr geht es ihm um die Frage nach dem Was selbst oder nach der Washeit, die auch Aristoteles gestellt hatte. (Zur Was-Frage bei Aristoteles s. unten, Anm. zu n. 2,22-25.) Die Lösung trägt Nikolaus erst n. 4 ff. vor. Denn zunächst wird eine andere Entdeckung mitgeteilt, die Erkenntnis nämlich, daß jede Frage zirkelhaft ist (s. unten, Anm. zu n. 5, 11 u. 12). Diese Erkenntnis führt Nikolaus dann aber zu dem eigentlich Neuen seiner Entdeckung, von dem weiter unten zu reden ist. Da über das zur Was-Frage vermeldete Neu-Entdeckte weiter unten zu handeln ist (s. Anm. zu n. 4, 11-21), bleibt hier nur noch die Frage, welcher Art die Invention ist und wie sie methodisch gewonnen wird. Die Entdeckung der Antwort auf die gestellte Frage war bisher trotz planmäßigen Suchens anderer noch nicht gelungen. Dennoch handelt es sich nach Nikolaus von Kues nicht um ein PseudoProblem, dem fälschlich nachgestellt wurde. Im planmäßigen Suchen wurde sie auf diese oder jene Weise, aber noch vage gesehen und behandelt (n. 3,4-13). Nikolaus selbst hatte sich, wie er hier (n.4,1-14) bezeugt, lange vergebens darum bemüht; seine damaligen Erkenntnisse erwiesen sich in der weiteren hartnäckigen Verfolgung des Problems im nachhinein als unzureichend. Es war ihm bereits seit langem klargeworden, daß diese Erkenntnisbemühung jede kognitive Fähigkeit überfordert (n. 4,1-4); deshalb war er dann zu der Ansicht gelangt, daß er die Wahrheit auf die Frage »besser im Dunkeln finden« werde (n. 5,16-18; s. unten, Anm. zu n. 5,15-18), bis ihm "in diesen Ostertagen" (n. 2,4) die Entdeckung gelang. Seine vorherigen, inzwischen jedoch als unzureichend erkannten Erkenntnisse werden dadurch nicht aufgehoben und wertlos. Etwa 20 Jahre früher war Nikolaus von Kues schärfer mit sich selbst ins Gericht gegangen, als er in De coniecturis die Notwendigkeit eines Methodenwechsels begründete (De coni. I 6 n. 24; S. 26-29). An

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Kommentar und Anmerkungen

langwierige, erfolglose Bemühungen hatte er sich von Anfang an zu gewöhnen gehabt (vgl. De docta ign. III n. 263; S. 98-101 und S. 157, Anm. 5). Nach dieser Schrift über Die höchste Stufe der Betrachtung bleiben aber seine methodischen Wege (s. Anm. zu n. 4,1-14 und zu n. 4, 11-14) wie auch die der anderen (s. dazu unten, Anm. zu n. 15,33-35) gültig und erhalten; das zeigt auch die Empfehlung seiner früheren Schriften und Predigten zur Lektüre (n. 16); das beweist desweiteren die Aufnahme der Erkenntnisgehalte seiner verschiedenen Schriften in den zehn Jagdfeldern der kurz zuvor verfaßten Schrift über Die Jagd nach Weisheit (Kap. 12-32; S.46-149). 1,14: DEIN so LANGES SCHWEIGEN] Das Schweigen des Peter von Erkelenz ist ganz einfach das äußere Schweigen (taciturnitas) des in solch spekulativer Betrachtung Ungeübten (n. 2, 1), vielleicht auch das Schweigen dessen, der ihr scheu oder skeptisch gegenübersteht. In anderer Funktion tritt das belehrte, innere Schweigen (silentium) auf, das am Ende der theoretischen Betrachtung steht, von dem Nikolaus von Kues De ven. sap. 33 n. 100,7 (S. 152f.) sagt, daß man in ihm und im Schauen "eher als in Geschwätzigkeit und im Zuhören" die Washeit finde. Es ist das Schweigen aus Weisheit (si tacuisses!), aus dem Weisheit kommt. Das ist "das Schweigen in der Betrachtung" (silentium contemplationis), in das der Betrachter gleichsam wie "in ein geheimnisvolles und verborgenes Schweigen eintritt, wo nichts von Wissenschaft und Begriffsbildung" bleibt, weil diese überschritten werden, wie es De vis. dei heißt (c. 6 f.; p 1 fol. 102',26; 101v,10-12); De dato patr. lum. n. 107 (h IV 79). Diese Funktion des Schweigens als 'Ausdruckswert•, das •Komplement der Sprache· ist (U. Ruberg, Beredtes Schweigen in lehrhafter und erzählender deutscher Literatur des Mittelalters, München 1978, S. 9), war Nikolaus von Kues aus der Tradition her bekannt: die wortlose Kontemplation, in der sich nach neuplatonischer Ansicht die Theorie als Schau vollendet. Dies ist die Bedeutung, die das Wort Theorie hier in dieser Schrift trägt: die einfache intellektuale Schau des Geistes (vgl. n.11,1 und die Anm. zu n.11,1-8). Proklos hatte die Untersuchung, die sich auf das oberste Prinzip richtet, als Theorie bezeichnet, die im Schweigen endet 1Commentarium in Parmenidem, Buch VII, dessen Schluß nur in lateinischer Übersetzung überliefert ist; s. Plato latinus III S. 76; vgl. auch die Praefatio zur kritischen Ausgabe von De apice theoriae, h XII, S.XIIIf.). Nikolaus kannte die lateinische Moerbeke-Übersetzung

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des Parmenides-Kommentars des Proklos, den er in cod. Cus. 186 besaß, mehrfach las und mit Anmerkungen versah !Edition der Marginalien des Nikolaus von Kues zum Parmenides-Kommentar des Proklos in Proclus, Commentaire sur Je Parmenide de Platon, Tome II, ed. C. Steel, Leuven 1985, S. 530-555; ferner von K. Bormann in CT III 3, Heidelberg 1986). Von Proklos übernahm Ps.Dionys die Schweige-Lehre; vgl. De theol. myst. 1,1; De div. nom. 11,1; Brief VIII an Demophilus IDionysiaca I, S.566, 498f.; II 1510). - Vgl. auch Hieronymus, EpistoJa XXIV ad Marcellam IPL 22, col. 428): sermo silens et silentium loquens. 1,17 f.: ÜBER WISSENSCHAFTLICHE ENTDECKUNGEN BEI MEINEN STUDIEN] Um zu erkennen, welche Bedeutung der Begriff der Entdeckung linventio) hier hat, muß man den Gebrauch des Wortes und den verwandter Wörter im Werk des Nikolaus von Kues untersuchen, da er in dieser Schrift nur einmal verwendet wird. Das Verb invenire findet in den Schriften des Nikolaus von Kues häufig Verwendung. Neben der unspezifischen Bedeutung im Sinne von ,finden', auffinden oder auch lpss.) befunden werden, findet es als terminus technicus eine spezifische Verwendung für den Vorgang wissenschaftlichen Entdeckens und für das positive !wie negative) Ergebnis dieses Vorgangs, das Entdeckte !oder !noch) nicht Entdeckte). Wie vor der sprachlichen Unterscheidung von wissenschaftlichem Entdecken und künstlerisch-technischem Erfinden seit dem 18. Jahrhundert !Beleges. Histor. Wörterbuch der PhiJos., Bd. IV, s. v. Invention', col. 544ff.) üblich, können invenire und inventio auch bei Nikolaus von Kues beide Bedeutungsgehalte meinen. inventio bezeichnet so l l) die Erfindung, z.B. die Erfindung lebensnotwendiger Dinge linventiones in rebus vitae necessariis; De docta ign. I 25 n. 83; S.104f.) oder neuer wissenschaftlicher und künstlerischer Instrumente wie Astrolab, Leier oder dergleichen, die die Erfinder linventores) durch einen geistigen Prozeß in und aus ihrem Geist erschaffen icreare). !De Judo gJobi II n. 94; S. 74). So stellt sich Nikolaus von Kues selbst als den Erfinder eines Spiels, des Globusspiels als eines Weisheitsspiels, dar !De Judo gJobi In. 34 und n. 50; S. 23 und 38), dessen Regeln durch rationales Denken icogitare) erfunden wurden lebd., n. 31; S. 23 f.). Die Erfinder-Invention ist eben dieser geistige Prozeß selbst, nicht dessen Produkt, das aus irgendeiner sinnenfälligen Materie gemacht ist. Die Invention ist aber auch dadurch gekennzeichnet, daß durch den geistigen 1

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Schöpfungsakt ein neues Produkt entsteht. Invention beschränkt sich also auf Erfindung (oder auch Entdeckung) von etwas Neuem (inventio novi; De ludo globi In. 30; vgl. II n. 94; S. 23 und 74; De apice theoriae, n. 2,2), wie etwa die Erfindung einer neuen Kunst (ars) im Sinne technischer Fertigkeit (Compendium 10 n. 28,1; S. 38 f.; vgl. De ven. sap. 4 n. 10, l; S. 16 f.). inventio bezeichnet (2) dann auch den Akt und Vorgang des Entdeckens wie auch das Ergebnis des Akts, das Entdeckte (inventum), wie es in der Theologie, Philosophie oder Mathematik vorkommt (De ven. sap. 17 n.50; S. 74f.). Im Akt des Aufdeckens "entdeckt (der Verstand) die mathematischen Disziplinen, z.B. Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie", die Entdeckungen des menschlichen Geistes sind (De Judo globi II n. 93; S. 73). Daß es sich um ·Entdeckungen• handelt und nicht um Erfindungen, wird aus dem Kontext klar: Der Verstand legt nämlich diese Wissenschaften, die komplikativ in ihm bereits angelegt sind, durch einen Explikationsprozeß frei, der explikatorisches Unterscheiden (explicatorie discemere; ebd., n. 92) ist. Als einen solchen Prozeß nämlich sieht Nikolaus den Inventionsprozeß an und bestimmt ihn dadurch ganz anders, als es im Konventionalismus geschieht. Beide Momente, das des Erfindens und das des Entdeckens, kommen zur Sprache, wenn Nikolaus De ludo globi I die Rationalität des Menschen (rationalis anima) unter anderem als die Kraft zur Erfindung und Entdeckung neuer Künste und Wissenschaften bestimmt, die sie aus ihr selbst bewegt und im Inventionsprozeß (motus inventivus) auf Neues richtet (n. 28; S. 22; p 1, fol. 155.,14-16). Der Entdeckungsprozeß selbst findet in einem Forschungsprozeß statt, wie das häufige Vorkommen des Verbs invenire im Zusammenhang mit den Verben quaerere/inquirere - (unter)suchen/ (er)forschen-anzeigt (z.B. De ven. sap. 12 n. 31; S. 46f. über Aristoteles; vgl. auch De apice theoriae n. 5,11 f.). Daß das ErforschenEntdecken-Schema von Nikolaus von Kues auch für den nicht rationalen, außer- oder oberhalb der rationalen Wissenschaft sich vollziehenden Erkenntnisprozeß gilt, der auf das verborgene Göttliche (deus absconditus) gerichtet ist, zeigt neben vielen anderen Stellen der Traktat Vom Gottsuchen (De quaer. deum n. 46, 18 f.; s. 73). Der Forscher (inquisitor; vgl. De genesi, n. 172,5; h IV, S. 122) entdeckt-oder auch nicht im Falle des Scheiterns- Neues, weil ihn

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ein natürlicher Entdeckungsimpuls zur Forschung antreibt: das durch ein sich verwunderndes Staunen geweckte Verlangen zu entdecken (desiderium inveniendi), von dem Aristoteles eingangs der Metaphysik spricht (Met. A 1 f.). Gerade weil ein solcher Forschungs- und Entdeckungswille in beständigem Suchen besteht, wie es De ven. sap. 17 n. 50 (S. 74 f.) heißt, und methodisch-planmäßig geleitet ist, wie u. a. De genesi verdeutlicht (a.a.0., n. 172: gründliche Forschung mittels Verhältnisbestimmungen, Differenzund Übereinstimmungsfestlegungen und intensives diskursives Studium der Fakten), darf man den Entdeckungsprozeß, von dem Nikolaus hier n. 3 f. berichtet, als wissenschaftlichen Prozeß ansehen. Er muß als wissenschaftlich im Sinne des Wissenschaftsverständnisses gelten, das metaphysische Erkenntnisgegenstände wie den hier vorliegenden- die Washeit der Dinge- als einen objektiven und vom Erkennenden unabhängig bestehenden Tatbestand zuließ. 1,19-22: S. oben, S. 46-48, und die folgende Anmerkung. 2,3 f.: IN DIESEN OSTERTAGEN] Ostern fiel 1464, im Abfassungsjahr dieser Schrift, auf den 1. und 2. April. Das •Gespräch• wird also an diesen oder den darauffolgenden Tagen der Osterwoche stattgefunden haben; die Priesterweihe des Peter von Erkelenz, die in Rom stattgefunden haben muß, weil Nikolaus von Kues dort weilte, fand wahrscheinlich am Samstag vor Ostern (E. Meuthen, a.a.O., S. 719), also am 31. März 1464 statt. 2,6 f.: ALL DEINER BETRACHTUNG] speculatio ist das lateinische Äquivalent für 'ltEoog(a und bedeutet soviel wie Betrachtung, dann aber als terminus technicus die betrachtende, d. i. die theoretische Wissenschaft, die nach Aristoteles neben der Wissenschaft, die vom Vollbringen handelt, der praktischen Wissenschaft also, und der, die vom Hervorbringen handelt, der poietischen Wissenschaft also, die höchste und beste Wissenschaft ist (vgl. Met. !\ 7, 1072b24). Aristoteles unterscheidet Met. E 1 und K 7 (1026al8-23; 1064bl-5) drei Gattungen theoretischer Wissenschaften (theoretikai epistemai; speculativae scientiae in den lateinischen Übersetzungen): Mathematik, Physik, d. i. Naturphilosophie, und Theologie, d. i. Wissenschaft vom Göttlichen; von diesen dreien wiederum gilt ihm die theologische Wissenschaft als die vornehmste, weil sie vom ehrwürdigsten aller Dinge handelt. Bevor die Terme speculatio und speculativus im 12. Jahrhundert Eingang in Philosophie und Theologie für die Beschreibung abstrak-

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ter Denkprozesse fanden, hatte Boethius bereits im 6. Jahrhundert ihre technische Verwendung in die lateinische Terminologie eingebracht, als er im Porphyrius-Kommentar zwei Philosophie-Arten unterschied, philosophia speculativa und activa; so übersetzte er griech. theoretike und praktike der aristotelischen Zweiteilung (Met. a 1, 993b20) in seinem Kommentar In Isagogen Porphyrii commenta, CSEL XXXXVIII, Leipzig 1906; S. 8,1). Die aristotelische Dreiteilung der spekulativen Wissenschaften hatte er ebenfalls übernommen und tradiert (De trinitate 2; The Theological Tractates, ed. Stewart, Rand, Tester, London 1973, S. 8,5 ff.). Daraus ergaben sich für ihn wie auch für seine Kommentatoren im 12. Jahrhundert aus der Schule von Chartres, Gilbert von Poitiers und Thierry von Chartres, drei nach den verschiedenen Objekten der theoretischen Wissenschaft unterschiedene Spekulationsarten oder Methoden: rationaliter in der Naturphilosophie, disciplinaliter in der Mathematik und intellectualiter in der Metaphysik und Theologie. In weiterer Differenzierung theoretischer Gotteserkenntnis paßte noch im selben Jahrhundert Hugo von St. Viktor den speculatio-Begriff ein. (Zur historischen Entwicklung des Terms s. G. R. Evans, Speculatio and Speculativus: Boethius and the Speculative Theology of the Twelfth Century, in: Classical Folia 32 (New York 1978) 69-78.) Anselm von Canterbury jedoch brachte schon im 11. Jahrhundert speculatio im spezifischen Sinn in Verbindung mit rationaler Gottesschau (Monologion, cap. 16; Opera omnia, ed. F. S. Schmitt, vol. I, S. 77,24). Diese Theorie übernahmen die Philosophen der Scholastik, z.B. Albertus Magnus (Met. I tract. 1 c. l; Opera omnia, vol. XVI 1, S. 1-3; VI tract. 1 c. 2; vol. XVI 2, S. 305a25-28) und Thomas von Aquin (Expositio super librum Boethii De trinitate, q. V a. l; ed. B. Decker, Leiden 2 1965, S. 161 ff.). Auch Nikolaus von Kues machte sich diese Lehre zu eigen; vgl. dessen Spekulationstheorie im Dreiergespräch über das Können-Ist (Thalogus de passest, n. 62 f.; S. 78 f. ). Als die Wissenschaften des Intellekts (intellectuales artes) bestimmt er speculatio in De coniecturis II 17 n. 178 (S. 210). Der Gesprächspartner Peter bringt hier nun seine Verwunderung über die neugewonnene Erkenntnis zum Ausdruck, weil er der Ansicht ist, daß Nikolaus seine Spekulation, und das heißt seine Theorie, abgeschlossen und in den verschiedenen Büchern dargelegt habe. Dazu hatte Peter von Erkelenz durchaus Grund. Denn kurze Zeit zuvor hatte Nikolaus unter dem Eindruck seines bald-

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möglichen Lebensendes in erneuter Auseinandersetzung mit den Philosophen und Theologen der Antike und des Mittelalters die Summe seiner über zwanzigjährigen spekulativen Betrachtungen als seine Theorie (speculatio) unter dem Titel fagd nach Weisheit zusammengetragen (De venatione sapientiae, n. l; S. 2 f.). Wenn Nikolaus von Kues jetzt erneut zur Feder greift, dann tut er dies einmal in dem Bewußtsein, daß sein in De venatione sapientiae vorgelegtes theoretisches Konzept noch roh und nicht ganz geläutert ist (De ven. sap. 39 n. 124; S. 186-189); zum anderen aber, weil er etwas Neues, zuvor noch nicht öffentlich Mitgeteiltes darlegen will, was die theoretische Reflexion selbst betrifft, die Erkenntnis nämlich, daß letztlich alles theoretische Bemühen nur auf die spekulativ-theoretische Präzisierung des 'Können selbst' und dessen Erscheinungsweisen (s. dazu unten, Anm. zu n. 9, 13 und zu n. 14, 17) zu richten ist (n. 14,6-11 ). Das Ergebnis dieser neuen Erkenntnis gilt ihm als der Gipfelpunkt höchster Theorie, als die 'höchste Stufe der Betrachtung'. Man muß jedoch beachten, daß der von Nikolaus von Kues verwendete Theorie-Begriff nicht ganz der aristotelisch-scholastische ist, da Momente der neuplatonischen Theorie-Bestimmung in ihm aufgehoben sind (s. oben, Anm. zu n.1,14). So erklärt es sich auch, daß neben theoria (n.1,1; 4,16; 16,10; 17,2) und speculatio/ speculativus (n. 2,4; 14,8) der Begriff der meditatio auftritt (n. 1,5; 2,3), der auch De ven. sap. (n. l,14sq.; n. 97,3; S. 2 und 148) in Zusammenhang mit speculatio vorkommt. Eine strikte begriffliche Unterscheidung zwischen speculatio, meditatio und contemplatio, wie sie von der Viktorinischen Mystik getroffen wurde, ist hier allerdings nicht erkennbar. Hugo von St. Viktor legte eine solche z.B. vor in De modo dicendi et meditandi (PL 176, col. 879C; vgl. auch das zum meditatio-Begriff des Hugo von St. Viktor in Anm. zu n. l,Sf. Gesagte). 2,8-12: Die Logik des Arguments ist folgende. Der Apostel Paulus, der 2 Kor. 12,2 berichtet, daß ein Mensch in den dritten, d. h. bis in den höchsten, Himmel entrückt wurde und dort "unsagbare Worte vernahm, die einem Menschen auszusprechen versagt sind", hat nach eigenem Bekenntnis die Unbegreifbarkeit und Unerforschbarkeit Gottes (Röm. 11,33) erkannt, so daß er Phil. 3,13 gestehen muß: Ich denke von mir noch nicht, daß ich es begriffen habe. - Wenn aber dem Apostel Paulus trotz aller >Visionen' und trotz der "Größe der Offenbarung" (vgl. 2 Kor. 12,1 und 7) den

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Unbegreiflichen nicht begriff, dann muß erst recht derjenige, der über derartige Erfahrungen nicht verfügt, die Unbegreifbarkeit Gottes erfahren. Diese Erfahrung führt aber nicht zu Überdruß und Resignation, sondern zu dem unablässigen Bemühen, das Unbegreifliche immer besser zu begreifen, und sei es durch das Wissen des Nichtwissens der docta ignorantia. Diese Haltung kennzeichnet auch Nikolaus von Kues selbst, dessen spekulative Gotteserkenntnis schon abgeschlossen schien, bevor er jetzt wieder neu mit ihr anhebt In. 2,3-7), getragen von der Überzeugung, die er mit Aristoteles teilt !Met. a 11 993a30-bl4), daß keine Erkenntnisbewegung ganz vergeblich ist und daß über alle eigenen und fremden Erkenntnisversuche hinaus ein erneuter Erkenntnisversuch vonnöten ist In. 2,27-3,13). 2,11 f.: DESSEN, DER ALLES BEGREIFEN ÜBERSTEIGT] Die lateinische Formulierung ipsum qui maior est omni comprehensioni erinnert an die von Anselm von Canterbury im ontologischen Gottesbeweis verwendete Gottesformel: aliquid quo nihil maius cogitari possit IProslogion c. 2), die Nikolaus unter Hinweis auf Anselm De ven. sap. 26 n. 77,6f. aufgreift lmaius quam concipi possit; S.116). Doch während Anselms Formulierung von dem spricht, dem gegenüber nichts Größeres gedacht werden kann, nimmt Nikolaus sie für seine Aussage in Anspruch, daß Gott ein über alles Begreifen hinausgehendes Größtes ist. !Vgl. dazu K. Flasch, Die Metaphysik des Einen bei Nikolaus von Kues, Leiden 1973, S. 162 ff.) Neben diesem Unterschied in der Aussage ist auch die unterschiedliche Funktion in der Argumentation zu beachten. Die von Nikolaus hier verwendete Formel ipse qui maior est omni comprehensioni' hat ihre Funktion ebensowenig wie die andere in einem Beweisargument für die Existenz Gottes; diese gilt als vorausgesetzt. Vielmehr dienen sie dazu, die unaufhebbare Unbegreifbarkeit Gottes angesichts jeden Versuchs zu begreifen festzustellen, um zugleich das Vergeblichkeitsgefühl in einem natürlichen Verlangen nach solchen Verstehensversuchen aufzufangen. 2,13-25: Nach der Gesprächseröffnung nimmt nun der Weg zur höchsten Stufe der Betrachtung seinen Anfang mit der scheinbar simplen Frage: Was suchst du? Statt erwartungsgemäß eine Antwort auf seine Was-Frage zu erhalten, wird dem Fragenden die Richtigkeit seiner Aussage I!) bestätigt. Düpiert will dieser auf dem Unterschied zwischen Frage und Aussage bestehen bleiben. 1

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Das Fragen Nikolaus zieht seinen Mitunterredner und den Leser in eine Überlegung über das Fragen. Die Was-Frage war für die Gesprächssituation durchaus angemessen, weil sie das wesentliche Moment allen Fragens verdeutlichte: Jeder, der fragt und sucht - Nikolaus spielt mit der Doppelbedeutung des lateinischen quaerere, das suchen und fragen bedeutet-, sucht was und fragt nach etwas. Jedes Fragen ist dadurch bestimmt, daß es auf ein Erfragtes gerichtet ist. Die Bezüglichkeit der Frage auf einen Frageinhalt, kognitiv als ein Nichtwissen bestimmbar, macht sie zur Frage. Ein Suchen oder ein Fragen ohne Richtung auf etwas Erfragtes ist deshalb keine Frage (n. 2,21 f.). Das Fragen geht darauf aus, ein Noch-nicht-Gewußtes, von dem aber immerhin ein vorgängiges Wissen besteht, schließlich zu wissen. Das ist die Erkenntnissituation des Menschen überhaupt (n. 2,21-23). Es ist nämlich nach Nikolaus das Kennzeichen jeder Wissensbemühung, daß sie, wie das alltägliche Suchen nach irgend etwas, auf ein bestimmbares Etwas geht, das gewußt werden soll (n. 2,22-24 ). Das fragende Suchen geschieht um des Wissens willen; Wissen kommt aus der Frage (n. 2,24). Die Bedingung dafür, daß eine Frage überhaupt aufkommt, liegt im Fragenden selbst, genauer in der Natur der menschlichen Vernunft, die ndurch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgeben", wie Kant später formulierte (KrV, A VII). Mit Aristoteles (Met. A 1, 980a21) nennt Nikolaus von Kues dies ein natürliches "Verlangen des Geistes" (mentis desiderium; n. 11,25; vgl. De docta ign. In. 1,21-24; c. 1n.2,3-9; S. 2-7; De ven. sap. c.12 n.32,12f.; S.48f.), das erst im Finden und Entdecken (reperire und invenire; vgl. n. 2,22-3, 1. 7 und n. 1,9; 5, 12) zur Ruhe kommt, wenn es glaubt, das vorher Unbekannte (incognitum; ignotum; n.3,6f.) entdeckt und erkannt zu haben. -Zur Was-Frage s. oben, Anm. zu n. 1,9 f. In der zunächst scheinbar ein Mißverständnis andeutenden Rede des Kardinals zeigt sich sogleich eine erstaunliche Wende. Denn die Frage des Mitunterredners nwas suchst du denn?" wird nicht als Frage aufgenommen, sondern in eine Feststellung verkehrt: 'du suchst was', weil, wie schon dargelegt, jedes Suchen und Fragen auf etwas geht. Ganz im Sinne der aristotelischen Mahnung vor den einfachen Was-Fragen (s. oben, Anm. zu n. l,9f.) wendet Nikolaus die Was-Frage, die auf ein bestimmtes Was ging, nämlich auf dieses

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Etwas (aliquid), das Nikolaus nach Meinung des Fragenden gerade zu erforschen suchte, radikal um in seiner Feststellung: Das, was ich suche, ist das Was, aber nicht das jeweilige Was einer spezifischen Frage, sondern das Was, das in jeder Frage auftaucht. Es zeigt sich aber bald, daß diese Frage nach dem Was einerjeden Frage nicht die Frage ist: Was ist denn das Was, das in jeder Was-Frage erfragt wird. Es geht nicht um die Bestimmung etwa einer Meta-Frage: Was sind Was-Fragen? in erkenntnistheoretischer oder (interrogativ-)logischer Absicht. Die Fragerichtung ist vielmehr von einem spekulativ-theoretischen Interesse bestimmt, das sich als metaphysischontologisches Interesse erweist. Nikolaus von Kues sucht das Was aller washeitlichen Bestimmtheiten aller Dinge. Er nennt es im Unterschied zu dem Was einer Sache (quid oder aliquid) das Wasselbst und Washeit (ipsum quid seu quiditas ipsa; n. 2,21; 4,14; vgl. auch n. 11,26; zur Deutung s. unten, Anm. zu n. 2,22-25 und zu n. 4, 19-21 ). Seine Frage geht darauf, was dieses Was-selbst oder was diese Washeit selbst ist, von der er behauptet, daß sie von jedem Geist (n.12,14f.) so sehr gesucht wird (n.2,25), und zwar schon immer, noch immer und künftig immer wieder (n. 3, 7-9), aber dennoch nie ganz entdeckt wurde (n. 5,13f.). Später wird die von allen, auf methodisch so unterschiedliche Weise stets erfragte Washeit als diejenige bestimmt, »ohne die irgend etwas überhaupt nicht sein kann" (n. 4,19-21). Diese Bestimmung weist nicht nur auf die Fragerichtung hin, sondern auch auf die Art der Frage. Etwas, von dem gesagt werden kann, daß nichts ohne es überhaupt sein kann, wäre die erste Existe=-Bedingung für alles; d. h. 1 es wäre der Seinsgrund für alles oder das Seinspri=ip von allem. Damit erweist sich die Frage, um die es hier geht, als eine metaphysische, präziser als die ontologische Frage. Als dasjenige, das die Bedingung erfüllt, Seinsgrund für alles zu sein, bestimmt Nikolaus dann näherhin das Können selbst (posse ipsum; n. 11,30-33 u. ö; s. dazu unten, Anm. zu n.4,11-21).Damit ist klar, daß es in dieser Schrift um eine metaphysische Fragestellung geht, für die die spekulative Betrachtung (s. oben, Anm. zu n. 2,6f.) eine angemessene Methode ist. 2,22-25: ICH ALSO SUCHE WAS - DIESES WAS ODER DIE WASHEIT] Dreierlei ist hier auseinanderzuhalten: (1) dasjenige, was der Autor nach der Frage des Mitunterredners in seinen Untersuchungen sucht, ein vermeintlich objekthaftes Etwas (quid; aliquid). (2) Nikolaus belehrt den Frager darüber, was er sucht. Der Gegenstand seiner Suche ist nicht irgendein beliebiges Etwas, sondern genau

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und eben das Was, das in jeder Was-Frage immer gesucht wird, dasjenige Was, welches jedem gesuchten 'Was-ist