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German Pages 658 [660] Year 1997
WERNER KRAUSS Das wissenschaftliche Werk 8
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WERNER KRAUSS Das wissenschaftliche Werk Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Manfred Naumann
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1997
WERNER KRAUSS Sprachwissenschaft und Wortgeschichte Herausgegeben von Bernhard Henschel Mit einer Bibliographie von Horst F. Müller
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1997
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Die Deutsche Bibliothek — ClP-Einheitsaufnahme Krauss, Werner: Das wissenschaftliche Werk / Werner Krauss. Hrsg. im Auftr. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Manfred Naumann. — Berlin ; New York : de Gruyter. Bis Bd. 6. hrsg. von Werner Bahner. - Teilw. im Akad.-Verl., Berlin und Aufbau-Verl., Berlin, Weimar ISBN 3-05-000850-4 (Akad.-Verl.) ISBN 3-351-00627-6 (Aufbau-Verl.) NE: Bahner, Werner [Hrsg.]; Naumann, Manfred [Hrsg.]; Krauss, Werner: [Sammlung] Bd. 8. Sprachwissenschaft und Wortgeschichte / hrsg. von Bernhard Henschel. Mit einer Bibliogr. von Horst F. Müller. - 1997 ISBN 3-11-015136-7
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Zur Bedeutungsgeschichte von romanesque im 17. Jahrhundert
Die Bedeutungsgeschichte von romanesque und romantique im 18. und am Anfang des 19. Jahrhunderts ist neuerdings vielfach beleuchtet worden. Die literarhistorische Stilforschung fand in den vorromantischen Jahrzehnten den Ursprung zweier Begriffe, die dann als ästhetische Typengegensätze, als Formen der dichterischen Anschauung ins 19. Jahrhundert getragen worden [sind]. Eine Auseinandersetzung mit diesen Arbeiten kann erst sinnvoll werden, wenn die geschichtlichen Voraussetzungen für die erweiterte Bedeutung des Romanesken und des Romantischen offen liegen. Der Versuch einer solchen Klarstellung muß den Rahmen der bisherigen Untersuchungen in doppelter Weise durchbrechen. Die Wortgeschichte verknüpft sich auf der einen Seite mit der Wirkungsgeschichte des Romans in der Welt des 17. Jahrhunderts, während andererseits die Anlagerung von -esgwe-Bildungen (arabesque, grotesque usw.) im 16. und 17. Jahrhundert den äußeren Umkreis der Bedeutungssphäre aufzeigt. Die Semasiologie erweist sich bei dieser Fragestellung wie bei allen anderen als Wegbereiterin der Literaturgeschichte; im Rückgang auf die Wortbildungslehre ist sie angewiesen auf die Ergebnisse der linguistischen Forschung, die sich ihrerseits erst in der semantischen Ausrichtung geschichtlich auslegen lassen. Romantique und romanesque, die „ein gutes Halbjahrhundert lang" synonymisch gebraucht worden waren (Monglond, Le preromantisme francais I, p. 111) gabeln sich in der berühmten Analyse des Naturgefühls, die Senancours „Obermann" ist. In der romantischen Landschaft wird die Innerlichkeit heimisch, in der romanesken entzündet sie sich am Erleben aufgebrochener und geheimnisvoll übermächtiger Naturbilder. „Le romanesque seduit les imaginations vives et fleuries; le romantique suffit seul aux ämes profondes, a la veritable sensibilite. La nature est pleine d'effets romantiques dans les pays simples, dans les terres vieillies, surtout dans les plaines dont Thomme s'assujettit facilement routes les parties."
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Romantique war aus dem Englischen ins Französische eingedrungen. In England kommt es von den fünfziger Jahren des 17. Jahrhunderts an für den ganzen Bedeutungsumfang des gleichzeitigen französischen romanesque auf 1 . Im Deutschen läßt sich eine „Romansche Schreibart" 1663, romantisch in derselben Bedeutung „romanhaft" von 1698 an nachweisen. (Kluge, Ausg. 1934, S. 486.) It. romanzesco ist in humanistischer Zeit nicht sehr lebensfähig, solange der romanzo mit dem Epos zusammenfällt und unter der Gesetzlichkeit dieser Gattung begriffen wird. Tommaseo belegt vereinzelt romanzesco bei Gravina („poema romanzesco^}. Überall schließt sich romanesk an die Vorstellung „Roman". Außer den von Littre erbrachten Belegen läßt sich romanesque für das 2. Drittel des 17. Jahrhunderts in größter Dichtigkeit aufweisen. Im 16. Jahrhundert bildete schon Du Bellay ein romanesque „nach Römer Art". Zwischen diesem romanesque des 16. Jahrhunderts und dem späteren romanesque „romanhaft" besteht offenbar eine lediglich negative Beziehung. Die Ausbreitung und Verfestigung der späteren Bedeutung hat eine Nachbildung der Du Bellayschen Spontanschöpfung verhindert. In formeller Hinsicht freilich ist die Gleichläufigkeit der Wortbildung um so beachtlicher, gerade wenn die Annahme einer begrifflichen oder assoziativen Anlehnung der neueren an die ältere Wortbildung ausscheidet. In beiden Fällen wurde das Suffix -esque zur Kennzeichnung einer Vorstellung verwendet, deren Bedeutsamkeit und Problematik durch das Nebeneinander von sporadischen Gelegenheitsbildungen (romanique, romanise, romanserie usw.) unterstrichen wird. Du Bellays romanesque bekundet ohne Frage die romfeindlichen Gefühle, die den Plejadedichter, zumal seit dem Aufenthalt in der päpstlichen Residenz, befielen. Im CXXI. Sonett der „Regrets" gibt er ein satirisches Bild der römischen Feste: Dresser un grand apprest, faire attendre longtemps Puis donner a la fin un maigre passetemps: Voilä tout le plaisir des festes romanesque. (ed. Chamard, II, p. 150.)
Romanesque, an das vorausgehende Reimwort Tudesques gelehnt, steht hier offenbar für ein zu erwartendes romaines, in einem pejorativen Sinn, die Leere einer inhaltlos gewordenen Welt evozierend. Ein zweites romanesque tritt in Du Bellays „La vieille courtisane" substantivisch für Romaine, „Römerin": A cest effect je tenoy pour fantesque Une rusee et vieille Romanesque. (Le cabinet secret du Parnasse. Paris 1928, p. 114.)
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Das Suffix dient als verzerrendes Augmentativ und kündigt zugleich die listigen Winkelzüge, das heimliche Wesen dieses Faktotums an: Trouvoit moyen de faire l'entreprise Secrettement, et comme bien apprise.
Das Suffix -esque, dessen einst auch französische Form schon lange verdunkelt war, wird durch Du Bellays Spontanbildung romanesque gleichsam seiner italienischen Heimat zurückgegeben. Eine verwandte Bedeutung besitzt ein span, romanesco, das in Fr. Delicados 1524 entstandener „Lozana Andaluza" vorkommt. Die römischen Hetären werden in dem Courtisanenkatalog als romanescas verzeichnet. (Ed. Madrid 1916 p. 83, dazu auch tudesca und p. 123: andaba a la romanesca vestida). Rabelais kennt kein romanesque; wohl aber bildet er romanique (broderie ä la romanique}, und Cholieres' „nymphes Romanseesu (CEuvres I, Paris 1879 p. 277) verweist schon in die Bedeutungssphäre, in der sich romanesque im Laufe des 17. Jahrhunderts verdichten wird. Romanesque in der bei Du Bellay ermittelten Ausgangsbedeutung erschließt zu romain einen intensiv abwertenden Aspekt. Das Suffix bewirkt eine besonders innige Verknüpfung der Eigenschaft mit ihrem Träger, ganz so als wäre der Träger nur durch diese einzige Eigenschaft bestimmbar. Wir sehen hier die Sprache das Verfahren der Karikatur einschlagen. Sie verengt das Wesen, indem sie die Wesensbekundung symptomatisch verallgemeinert. Die spezifische Bedeutung, die das Suffix mitbekommen hat, läßt sich nun ohne weiteres aus seiner ursprünglichen Verwendung für ein Besitzverhältnis und im übertragenen Sinne für den Besitzer und seine aus dem Besitz erwachsenden Eigenschaften herleiten. Diese Bedeutung haftet an einem germanischen -isk, während sie aus dem griechischen, ursprünglich diminutiven nur sekundär entwickelt werden könnte. Von den spärlichen lateinischen -/scws-Bildungen (vgl. Kühner, Ausf. Grammatik der lateinischen Sprache I, Hannover 1912, S. 978 u. 989) sind nur lentiscus und mariscus in die Vulgärsprachen eingedrungen, und für marais steht wohl Meyer-Lübkes neuere Ableitung aus frank, marisk im Vordergrund (REW gegen früher Gramm, d. Roman. Spr. II, 520). Im Osten liegt der griechische Ursprung des Suffixes auf der Hand (rum. barbesc, domnesc, ruminesc usw.). Die diminutive Bedeutung ist völlig abgeblaßt, wie das Meyer-Lübke schon an dem spätlateinischen Beispiel syriscus aufgezeigt hat. Im Westen ist der fränkische Ursprung klar. Gröhler (Über den Ursprung der frz. Ortsnamen II, 6) und Gamillscheg (Romania Germanica I, 90) verzeichnen Ortsnamen wie das als franciscas villas zu deutende Fran-
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seches, ferner Fransaches, Francescas usw. Aus dem Besitzverhältnis entstehen die Merkmale für die als Besitzende im Wesentlichen gekennzeichnete und gegen ihre Umwelt zunächst scharf sich abgrenzende Nation. Im Süden und Südwesten sind griechisches mit germ, -isk zusammengetroffen, aber sowohl in Italien wie auf dem Gebiet der iberischen Halbinsel scheint sich die Weiterbildung an das germanische Suffix zu lehnen. It. Tedesco greift auch ins Rätoromanische über (Gr. Gr. I, 620) und ruft im 16. Jahrhundert frz. tudesque und spanisch tudesco hervor. Span. morisco ist schon ein Wort des 12. Jahrhunderts („Cantar de mio Cid" 178: una piel vermeja morisca e ondrada), wozu frz. morisque neben moresque im 15. Jahrhundert (Littre III, p. 628 neben 630). Ein parentesco in dem Sinn von „Verwandtschaft" kennen schon die „Partidas" (P. VI, Tit. XIII, ley II: Tres grados o linas son de parentesco). Während das französische Suffix sich frühzeitig fortentwickelt hatte (frangois, bretois, galois, sarasinois), das Maskulin -esch mit -ense zusammengefallen war (vgl. Meyer-Lübke, Hist. frz. Gramm. II, 139) und erst durch fremde Einflüsse wieder restituiert wurde, verzeichnet das Wörterbuch der Crusca einen fortgesetzten Zuwachs von -esco-Adjektiven. Schon aus früher Zeit wird belegt: arabesco (Boccaccio), cavalleresco (Boccaccio), cittadinesco (Boccaccio), contadinesco (Dante); wozu ein weiteres „ragionare popolarescamente" bei Bembo („Le prose", ed. Vinegia 1561 p. 6) und villanesco (G. Detti). Das Suffix dient nunmehr vor allem der Kennzeichnung der sich differenzierenden sozialen Gruppen. Die an einem contadinesco oder villanesco haftende despektierliche Note deutet auf die von keinem Streben nach menschlicher Allgemeinheit erlöste Befangenheit und Absonderung, die dem Landvolk in der Enge seines Lebenskreises eigentümlich ist. Auf der anderen Seite entsteht Bedeutungserhöhung, wo das Fürsichsein die Allgemeinheit der menschlichen Natur zu repräsentieren beansprucht und eine gesellschaftlich normative Geltung besitzt. Cavalleresco und cittadinesco treten bei Boccaccio bezeichnenderweise synonymisch füreinander ein, die aristokratische Lebensgesinnung orientiert sich an bürgerlich städtischer Lebensführung: „Si per la sua nobilta, si per la sua scienza, cittadinescamente vivesasi" (Crusca). — „Sempre della nostra Citta e stato nobile cittadino, liberale, e vita cittadinesca tenendo" (Crusca). Das Suffix -esco ist nicht mehr wertneutral, sondern ambivalent. Es besitzt ein affektives Element, das sich um zwei Pole lagert, je nachdem der Bezeichnende die Fremdheit oder die Zugehörigkeit ins Auge faßt, wobei naturgemäß das Bedürfnis der Bezeichnung stärker durch den negativen Pol angezogen wurde. Allerdings verliert sich der affektische Anstoß im Gebrauch; die
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charakterisierende Funktion des Suffixes kann zu einer lediglich objektiv spezifizierenden verblassen, um dann wiederum durch die aus dem Bedeutungsgebiet sich einstellenden Assoziationen (etwa niedrig-gemein und gehoben-hochsinnig) neue Wertgefühle an sich zu ziehen. Neubildungen, insbesondere wenn sie sich in fremdes Sprachgebiet einlagern, bringen den affektischen und überwiegend pejorativen „Charakter" des Suffixes wieder in Erinnerung. So etwa Chapelain: „Je voudrais, qu'il employast moins de ces termes pompeux, nouveaux, et comme ils s'appellent, cortigianesques, lesquels derogent ... ä cette Majeste negligente que l'historien doit montrer quand il parle de luy meme." (Lettres, ed. Tamizey de Larroque, I, p. 14.)
Das Lehnwort courtisanesque, von Huguet (Dictionnaire de la langue fr. du XVIe siecle, II, p. 610) reich belegt, war zu abgegriffen für die angezielte, spezifische Bedeutung und mußte durch ein neues Fremdwort ersetzt werden. Gegenüber einem „ersten" francesk oder einem auf den Fremden weisenden Tedesco ist, wie wir sahen, die Sphäre der größten -esco-Verbreitung im späten Mittelalter die ständische geworden. Wobei in Italien schon von Anfang an diese neu hervorgebrachten Nomina um die Antithese von Städter und Landmann schwingen. Die neue -esco-Welle, die das 16. Jahrhundert erfaßt, kennzeichnet nicht mehr so sehr bestimmte Lebenskreise, als vielmehr Lebensweisen, Charaktere, Moden, Muster, Stilarten: arabesque, baragouinesque, barabaresque, bougresque, bourdonnesque — bei Pasquier in einer charakteristischen Wendung: langage b. —, brigandesque, auch calvinesque, cannibalesque und natürlich crotesque. Zu diesen von Huguet angeführten Adjektiven könnte man noch hinzufügen bei Cholieres porchesque (I, p. XLII), priapesque (I, 160) und eine »dislocation riponesque' (I, 143), turquesque (überall zu belegen), Rabelais' gigantesque für gigantal, livresque, Montaignes batteleresque (vgl. Brunot II, 212 u. 214). Bei Verville forfantesque („Le moyen de parvenir", ed. Royer I, p. 111). Neuer sind charlatanesque, dantesque (Littre); statt burlesque kennt Huguet nur burler. Aber gerade diese neueren Bildungen zeigen das Fortbestehen der im 16. Jahrhundert befestigten Bedeutung des Suffixes. Die Verlockung der neuen Sprachmittel löste den großen Wortrausch, die ekstatischen Suffixlitaneien Rabelais' aus. Es ist eine mit rhapsodischer Begeisterung zusammengetragene Liste von verschiedenen Suffixen, die einen Wortstamm in seine Bedeutungsschattierungen auseinanderlegen, von bunt zusammengewirbelten Wortstämmen, deren innere Zusammengehörigkeit durch gleichgebildete Suffixe nachgewiesen wird und jeweils ganze
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Bedeutungskomplexe zu entwerfen scheint. Freilich wäre es verkehrt, in diesem Verfahren ein impressionistisches Evozieren von Bedeutungen zu erblicken. Der Schlüssel der Rabelaisschen Wortkunst liegt durchaus in dem rhythmischen Verhältnis der Wortreihen und Satzglieder. Die Sprache besitzt Immanenzcharakter: sie ist durchwirkt von beseelenden Kräften, an die der Dichter nur zu rühren braucht. Nach Rabelais hat Cervantes die größte Zahl von -esco-Adjektiven gebildet. Es handelt sich, wie bei Rabelais, überwiegend um Spontanschöpfungen (vgl. die Zusammenstellung J. Cejadors, La lengua de Cervantes I, Madrid, 1905, p. 184) andantesco, azotesco, cristianesco — wohl in Anlehnung an morisco, im Munde eines solchen! — duenesco, gatesco, gobernadoresco, hechiceresco, labradoresco, matrimoniesco, tobosesco u. a.). Wenn Rabelais' enthousiastisches Weltbild nunmehr bei Cervantes in die Reflexion eintritt und sich abklärt, indem die menschlichen Losungen als Entscheidungen und Motive einer unausweichlichen Auseinandersetzung begriffen werden, so ist auch die Sprache nicht mehr ein protoplasmatischer und urschöpferischer Zustand, sondern sie gibt das Material, das sich erst durch die Ausformung von bestimmten Gesinnungen und Bestrebungen gliedert. Die ironischen -e5Co-Bildungen sind Fixierungen einer episodischen Situation durch die Typisierung der Situationsträger. Ein coloquio duenesco z. B. charakterisiert die unvermeidliche duena als ein Wesen, das seine besonderen Züge einer jeden Begebenheit in unverkennbarer Weise aufprägt; zugleich aber erschließt duenesco das an und für sich abstrakte coloquio dem Verständnis als eine für den Austrag der scheinbar unaufhebbaren Gegensätze ganz wesentliche Situation, in der sich gerade die verborgenen, in den Volkskräften schlummernden Züge echter, ja urchristlicher Menschlichkeit mitteilen und einverleiben. Dem cervantinischen andantesco und caballeresco entspricht in Charles Sorels parodistischem Hirtenroman ein romanesque. Im „Berger extravagant" erscheint der Ausdruck an mehreren Stellen und stets in derselben Bedeutung: „... et d'ailleurs nos Autheurs Romanesques et nos Poetes, ne sont ils pas chacun de vrais Bergers Extravagans" (L'Antiroman ou l'histoire du berger Lysis ... par Jean de la Lande Poitevin. Paris. 1633. I, p. 103).
Eine andere Stelle hat Brunot, III, 212 gefunden: „... avoir l'esprit aussi romanesque et aussi poetique que Lysis". Wäre auch durch Du Bellays romanesque die sprachliche Aufnahmewilligkeit für diese Schöpfung bereitet worden — ein Zusammenhang oder
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Ineinanderspielen der beiden Bedeutungen bleibt unbeweisbar. Die einzige Stelle, die hierfür zu sprechen scheint, ist schon in ihrer eingeschränkten Reichweite wenig schlüssig: „C'estoit un francois italianise, Francese romanescato, comme on dit ä Rome" (Tallemant des Reaux, „Historiettes", ed. Garnier IV, p. 196).
Sie zeigt umgekehrt, daß für das Du Bellaysche romanesque im 17. Jahrhundert kein Lebensraum mehr war. Die weitere Annahme, daß roman zu Sorels Zeiten ein romanzo in der Vorstellung erregte, wird von diesem Autor selbst entschieden abgelehnt (op. cit. p. 122). Sorel widerlegt unter Verweis auf Fauchet (dessen gelehrte Betrachtungen über frz. romanz auch Menage und Huet übernehmen sollten) die Behauptung „que le mot de Roman vient du mot espagnol, Romanzo (sie!), qui signifie un conte fabuleux, veu qu'il y en a assez qui soustiennent que la langue Francoise est plus ancienne que l'Espagnole."
Trotz seiner spanischen Orientierung weiß Sorel nicht mehr zu unterscheiden zwischen span, romance und it. romanzo. Selbst wenn man in der Feststellung der französischen Priorität eine Äußerung des vulgärhumanistischen Nationalismus im Sinne der Henri Estienneschen „Precellence" erblikken möchte, bleibt die Tatsache bestehen, daß der Begriff des Romans schon lange festgelegt war, nicht nur als Bezeichnung einer Gattung, sondern als französischer Ausdruck einer literarischen Erlebnisform. Die italienische Romanliteratur des 17. Jahrhunderts ist überwiegend an französischen Vorbildern orientiert. (Magendie, Le roman fran£ais au 17e siecle, p. 40 ff.) Schon Pierre Camus fühlte sich bemüßigt, den Einbruch des Romans in das Lebensgefühl der tonangebenden Gesellschaft abzuwehren, und zwar nicht etwa durch eine entschlossene Absage an diese dem humanistischen Empfinden einst tiefverhaßte Gattung 2 , sondern durch einen Versuch der Veredelung: „Ce genre d'ecrire Historique a des Graces toutes particulieres selon mon jugement, des Honnestetez, des Utilitez, et des Delices nonpareilles." (Nachwort zu „Agatonphile ou les martyrs siciliens". 3. Aufl. Paris 1693, p. 837.)
Und Mareschal schrieb 3 Jahre nach dem Erscheinen des „Berger extravagant" in seiner Komödie „Le Railleur", um auf die Tirade eines Liebhabers vorzubereiten: „Voyons les, ecoutons, leurs discours de romans". (Ed. E. Fournier, Le Theatre fran9ais au et au XVIF siecle, I, p. 150.)
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Nicht weniger charakteristisch ist die Wendung in Desmarets' „Visionnaires": Car vous autres jugez qui scavez les romans" (ebenda p. 378), der man an die Seite stellen kann ein parier roman Cyrano de Bergeracs. („Les oeuvres diverses de Monsieur Cyrano de Bergerac", Paris 1659, p. 226.) Die Scheinwelt des Romans wird zu einem Bestandteil der wirklichen Welt. Sie greift über ein Gebiet, dessen zunehmende Ausbreitung durch eine schwellende Suffixreihe umschrieben wird: La Romanie (Furetiere, „Nouvelle Allegorique ou Histoire des derniers troubles arrivez au Royaume d'Eloquence". Paris, 1659 p. 39 und 140), Romancie (zitiert bei Magendie a. a. O. p. 37), Chapelains Romancerie (ebenda p. 130), Romanserie (Brunot III, 209), Romanesquerie (Retz, „Lettres et Memoires", ed. Regnier VII p. 448). Auch für den Romanverfasser müssen verschiedene Suffixe herhalten. Romancier ist wohl hauptsächlich durch Boileaus Beispiel durchgedrungen, aber daneben gab es einen Romaniste (Rene Bary, „L'esprit de cour ou les conversations galantes", Paris 1662, conv. XXXI, „du roman", p. 198 ff. und Furetiere, „Le roman bourgeois"), und noch Gordon de Percel bringt Romanciens auf („De l'usage des Romans", Amsterdam 1734, I, p. 27). Wie Sorel, so wählt auch Cyrano de Bergerac für den Romandichter die Umschreibung: „Les Autheurs Romanesques que vous connoissez donnent bien des Empires a tel qui souvent n'avoit pas possede deux arpens de terres" (CEuvres diverses p. 157). Zwar schließt sich hier romanesque noch unmittelbar an die literarische Erscheinung der Romanschriftstellerei, aber wenn schon Sorel von einem ^esprit romanesque'' spricht und Moliere den verliebten Etourdi charakterisiert: „Vous etes romanesque avec votre chimere" (Ed. Moland, I, p. 15), so beweist das eben, daß die Loslösung des Begriffes romanesque von der ihn erzeugenden literarischen Gattung zugleich mit dem Einbruch des Romans erfolgt ist3. Die Feststellung der Zugehörigkeit einer bestimmten Haltung, einer Gesinnung zu Dichtung und Roman wurde von Sorel in der Absicht getroffen, den Lebensanspruch des Romanesken auf den Bereich der Literatur zurückzuweisen, und vor allem den fordernden Wirkungskreis des bürgerlichen Menschen freizumachen von einem Fiktionalismus, in dem Müßiggang sein Herrenrecht finden mochte. Naturgemäß bildet zunächst die Sprache die Vermittlung für eine Literatur, die „gelebt" wurde. Daher richtet sich die Kritik des Romans vor allem auf einen literarischen Stil, der das Vorbild eines gesellschaftlichen Sprachstils lieferte. Der Ursprung der galanten Konversation wurde in der Rückschau von La Bruyere aufgezeigt: „II y a regne pendant quelque temps une sorte de conversation fade et puerile, qui roulait toute sur des questions frivoles, qui avaient relation au cceur, et ä ce qu'on appelle passion
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ou tendresse. La lecture de quelques romans les avait introduites parmi les plus honnetes gens de la ville et de la cour: ils s'en sont defaits, et la bourgeoisie les a refues avec les pointes et les equivoques" (ed. Regnier I, p. 238).
Louis Petit fand für diese Inkubation der Gefühlsausdrücke in der imaginären Welt des Romans ein glückliches Wort: II n'est rien de si sot que ces beaux sentimens En termes si fleuris couchez dans les Romans, N'aimer que pour aimer, sans fruit, sans esperance, Tient du visionnaire, et de l'extravagance. (Discours satyriques et moraux. Paris 1686, p. 21.)
Der Roman war also mit einem Anspruch der Vorbildlichkeit an den Leser herangetreten, und für die Kritik des Romans war im 17, Jahrhundert dieser Anspruch viel entscheidender als die ästhetischen Mängel der ganzen Gattung. Die verschiedenartige Stellungnahme der Zeitgenossen gibt ein genaues Bild des Wirkungsumfangs, den diese Literatur behielt, auch als sie vor einem ästhetischen geläuterten Kriterium abzufallen begann. Bekanntlich machte Lafontaine keinen Hehl aus seiner Vorliebe für die alten Romane. Die Romane haben eine erzieherische Eignung: an ihrem Heldentum bilden sich Charaktere. Das sagt der Chevalier Mere im 2. Discours de la vraie Honnetete: „... il faut s'y preparer, et rechercher cette maniere de precede noble et constante, qui ne se dement point. Les anciens Heros, et memes les Aventuriers des vieux Romans peuvent beaucoup servir ä ce dessein, du moins voit-on presque toüjours dans leurs entreprises, des marques d'une extreme valeur." (CEuvres completes, ed. Boudhors, Paris 1930, III, p. 98.)
Noch im Jahre 1662 wägt Rene Bary das Für und Wider des Romans gegeneinander ab. Sein pädagogischer Einsatz wird entschieden gefordert, die Ansicht vertreten, daß solche Lektüre die Tätigkeit des Erziehers in glücklicher Weise ergänze: sie lassen in der Seele „des images heroiques" zurück. Man erfährt aus ihnen „comment les conditions s'expriment, et comment les Sexes se reglent". Während der Hauslehrer nur Lehren erteilt, geben die „Romanistes des exemples ... Les gouverneurs sont quelquefois negligents, et les Romanistes sont toüjours exacts; les Gouverneurs troublent souvent par la severite de leurs visages les idees qu'ils impriment, et les Romanistes fixent toüjours par la douceur de leurs personnages les images qu'ils laissent ... On peut adjouster ... que les Romanistes abreuvent l'esprit de cent accidens surprenans, et que par le judicieux demelement des choses, ils luy decouurent les moyens d'estre present ä but." („L'esprit de cour", Paris 1662, conversation XXXI, „du roman", p. 198 ff.)
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Der Briefwechsel Ninon de Lenclos' mit dem Marquis von Sevigne verrät, wie die Motive des Romans für eine ganze Generation die Richtlinien der erotischen Annäherung gegeben und die Beziehungen der Geschlechter durch eine gewollte und um so hoffnungslosere Tragik belastet hatten: „Si marchant sur les traces de nos anciens Heros de Roman, vous allez jusqu'aux grands sentiments, vous verrez que cet heroisme pretendu ne fait de l'amour qu'une folie triste et souvent funeste." („Lettres de Ninon de Lenclos au Marquis de Sevigne", Amsterdam, 1769, p. 9.)
Immer wieder sieht die erfahrene Psychologin ihr Erziehungswerk gefährdet durch verderbliche Vorurteile: Je serois tentee de croire que les Romans vous ont gäte l'esprit." (p. 11). „Mais souvenezvous bien que tant d'agitation deviendra votre supplice, si vous traitez l'amour en Heros de Romans, et que vous eprouverez un sort tout contraire, si vous le conduisez en homme raisonnable." (p. 51).
Die Raison, die hier angesprochen wird, verlangt vor allem Einsicht in die mechanische Gesetzlichkeit der menschlichen Natur, der sich die Liebe nicht entzieht. „Puisque vous n'etes pas libre de n'avoir point un appetit attache ä la construction mechanique de votre etre, bien different de nos anciens Romanciers ..." (p. 31).
Der menschliche Freiheitstrieb übernimmt sich in „galanteries mystiques", in „passions gigantesques" (p. 33). Was Moliere an dem Geschick der Precieuses ridicules dargestellt hatte, das bringt Ninon ihrem Schützling zu Bewußtsein: die Verlorenheit an die idealische Welt der Romane unterwirft ihn einem schlimmeren Schematismus als das Eingeständnis der Naturbedingtheit unserer Leidenschaften. Die schlechte Unendlichkeit führt zur gespenstischen Wiederkehr romanesker Ursituationen: „Mais apres tout, quelle necessite trouvez-vous done ä faire en forme une declaration d'amour? Seroit-ce parce que vous avez lu dans nos anciens Romanciers, que procedoit aussi regulierement dans la galanterie que dans les Tribunaux? C'est etre trop exact." (p. 75).
Deutlich spricht aus Ninon de Lenclos' Worten das Veralten einer Gattung, die nunmehr in eine fast heroische Vergangenheit zurückgebettet erscheint: „... nos anciens romans\" Der Verfall einer jahrzehntelang den gesellschaftlichen Raum beherrschenden Literatur schloß Reaktionen des Bedauerns nicht aus. Menage vermißte an den modischen Kurzgeschichten den Mangel an emotionalem Gehalt, der die erzieherische Mitgift des „großen Romans" gewesen sei:
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„ce ne sont que de petites Nouvelles tout au plus, qui ne fönt rien concevoir a nötre idee ni d'utile ni de majestueux. Ce qu'a fait Mademoiselle de Scudery forme dans notre äme les grands sentimens de vertu que ces sortes de pieces doivent inspirer." (Menagiana, Paris, 1729, II, p. 10.)
Im übrigen hatten die „Clelie", der „Grand Cyrus" und „Polexandre" noch immer ihren Leserkreis. In dem 1687 von den Italienern aufgeführten Schwank „La cause des femmes" streitet Colombine als Vertreterin der „neuen Sinnlichkeit" mit einem Mädchen, das im „Grand Cyrus" den Richtpunkt der Lebensgestaltung sucht: „II n'y a que les Poetes et les Romanciers qui arment nötre sexe de Pointes et de griffes, parce qu'ils ont presque tous les mines qu'il nous convient a les faire enrager." („Le theatre Italien de Gherardi", Amsterdam, 1701, II, p. 27.)
Gerade das ästhetische Veralten dieser Literatur macht ihren Lebensraum sichtbar. Sie gab nicht nur eine Norm des Verhaltens, sondern enthält die Psychologie einer ganzen Generation, die im Roman ihre innere „Wirklichkeit" aufgebaut hatte. Die Nachwirkung dieser literarischen Symbiose ist an den geistlichen Angriffen zu ermessen. Bourdaloue rief seinen Hörern zu: „Car ce que je puis encore compter parmi les divertissements criminels, et ce que je mets dans le meme rang, ce sont des histoires fabuleuses et romanesques dont la lecture fait une autre occupation de l'oisivete du siecle."
Durch solch eine Lektüre bemächtigt sich die Welt des Menschen, und die anerzogenen christlichen Grundsätze, „les heureux principes de votre premiere education", geraten ins Schwanken. (OEuvres, Paris, 1856, p. 599.) Nicole findet nichts verderblicher, „rien de plus pernicieux, que la Morale Poetique et Romanesque" („Essais de morale" III, La Haye, 1689, p. 221). Roman und Schauspiel erregen eine „disposition toute romanesque", die vor allem den Frauen den Kopf verdreht, sie ihrer wirklichen Bestimmung entfremdet und ihre Phantasie so sehr in Anspruch nimmt, „que les petites affaires leur deviennent insupportables" (p. 231). Die Feststellung der nachhaltigen Wirkungsweise des Romans zieht eine weitere Frage nach sich. Wer sind die Menschen, die durch solche Vorbilder sich aufrichten oder gefährden lassen? In welchem Abschnitte der Gesellschaft lagen die Voraussetzungen für diese romaneske Überwelt bereit? Für den Anfang des Jahrhunderts scheinen die Verhältnisse ziemlich klar zu sein. Der Roman sucht ein aristokratisches Publikum und antwortet seinen Bedürfnissen. Camus wendet sich, wie schon sein Lehrer Fran£ois
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de Sales es tat, an die gehobene Welt. In den Bibliotheken der Standesherren waren alle wichtigen Werke dieser Art vertreten, während sie bei den Legisten und „robins" fehlen. (Magendie a. a. O. p. 121 f.) Endlich spricht Sorel im „Berger extravagant" den Sachverhalt mit dürren Worten aus: „Ces Livres lä sont bons ä ces Houbereaux qui n'ont rien ä faire tout le long d'un jour qu'ä piquer un coffre dans une antichambre, mais, pour le fils d'un bon bourgeois, il ne faut point qu'il Use autre chose que les Ordonnances Royaux, ou la Civilite puerille, et la Patience de Griseldis pour se rejouyr aux jours gras." („Antiroman" I, p. 27.)
Aber wie schon das Beispiel des „Berger Extravagant", später Desmarets' „Visionnaires" und Molieres Preziösen zeigen, ist der Roman dem gesellschaftlichen Umlaufprozeß nicht entgangen. Denn hier haben wir es mit Bürgern zu tun, die ihr Lebensgefühl „romanesk" überhöhen und durch die unvermeidlichen „Hyperkorrekturen" den Widerspruch zu ihrem Wesen auftun. Im „Roman bourgeois" zeigt Furetiere, wie die Preziosität den bürgerlichen Ursprung bloßlegt, über den ein glückliches Naturell — zumal in der Atmosphäre von Versailles erzogen — sonst mühelos hinauswüchse. Die Romanideologie wird geradezu angesehen als „grimasses et affectations bourgeoises". Während Bary den Roman für die Erziehung junger Adliger empfiehlt, denkt Nicole viel mehr an die zerstörende Wirkung auf den Alltag der Durchschnittsmenschen. Unzweifelhaft zeugt der Roman von einer gehobenen Welt, will seinen Lesern eine Vorbildhaltung nahebringen. Darauf gründet — wie wir sogleich sehen werden — sein Anspruch auf die epische Würde. Aber die gesellschaftliche Reichweite des Romans hat sich in demselben Maß ausgedehnt, in dem die aristokratischen Verkehrsregeln allgemein wurden, das Ganze der Gesellschaft durchdringend, und dadurch freilich ihren auszeichnenden Charakter allmählich abschwächten. Der Roman, einst nur ein ständischer Zeitvertreib, war nunmehr dazu berufen, die Gesinnung der Elite in die Allgemeinheit zu tragen. Er gibt der sich zusammenfassenden Gesellschaft ein erstes Element der Bewußtseinsbildung, indem er den Anspruch der Norm an den überlegenen Formen einer fiktiven und doch allgemein zugänglichen Überwelt aufweist. Mit der Verdichtung der gesellschaftlichen Beziehungen mußte indessen diese Vorstellungswelt unhaltbar werden. Wie die Honnetete zunächst als ein stoisch-christliches Autarkieideal, als abstrakte Vorbildgesinnung begriffen wurde und dann später die Bereitschaft forderte, die nicht nur Verständnis, sondern das Einvernehmen mit den Mitlebenden voraussetzt, die Fähigkeit, die bewegenden Inhalte des geistigen Lebens im freien Umgang zu reproduzieren, so hängt
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auch die Verwerfung des „großen Romans" mit einem neuen Wirklichkeitsgefühl zusammen, aus dem die neuen literarischen Formen entstehen mußten. Auch hier wird uns erst die Kritik aus einer schon losgelösten Haltung das volle Verständnis dessen erschließen, was mit dem Roman eigentlich gemeint war. Grundlegend ist die nunmehr vollzogene Trennung von Roman und Epos. Die Romantheorie des gelehrten Huet, die in dieser Unterscheidung gründet, ist als das Ergebnis des großen literarischen Umschwungs zu verstehen. „Les Romans sont plus simples, moins eleves, moins figures dans l'invention et dans l'expression." („De l'origine des Romans". Wiederabgedruckt in CEuvres de Madame de Lafayette. Amsterdam 1786, I, p. V.)
Damit sind alle jene Romane preisgegeben, die ihr Daseinsrecht aus der Nachfolge der Epopöe ableiteten. Man fand sich in der epischen Weite nicht mehr zurecht: die Prosa sollte jetzt ein anderes Formgesetz verlangen. Was den großen Roman in Verruf brachte, das war seine Ausdehnung und kompositioneile Unabgeschlossenheit und die beständige Verzögerung der Lösung, bei der man häufig von einer Fortsetzung auf die andere vertröstet wurde. Segrais, der die absprechende Beurteilung der Romane Mademoiselle de Scuderys mit seinem jüngeren Zeitgenossen durchaus nicht teilte, hat doch selbst als Erzähler die Erfahrung gemacht, daß die Gestaltung einer kurzen Novelle den Künstler vor eine weit schwierigere Aufgabe stellte: „II est plus difficile de faire des Nouvelles qu'un Roman, parce qu'il faut trouver un denouement pour chaque Nouvelle, et qu'il n'en faut qu'un pour finir un grand Roman." (CEuvres diverses. Amsterdam 1723, I, p. 74.)
Schon hier wird ein inneres Moment aufzeigbar an der veränderten geistigen Struktur einer Gesellschaft, die dem Aufschwung der Seele keine unübersehbare Dimension mehr zubilligt, sondern sich auch literarisch ausspricht in der Begrenztheit des Episodischen: „Etre infatue de soi, et s'etre fortement persuade qu'on a beaucoup d'esprit, est un accident qui n'arrive guere qu'ä celui qui n'en a point, ou qui en a peu ... S'il conte une nouvelle, c'est moins pour l'apprendre ä ceux qui l'ecoutent, que pour avoir le merite de la dire, et de la dire bien; eile devient un roman entre ses mains ..." (La Bruyere, ed. Regnier, I, p. 219.)
Die Fiktion des Romanes schmeichelte in unerlaubter Weise dem Verlangen eines über allen Bedingungen des menschlichen Verkehrs sich hinweg-
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setzenden Selbstgefühls. Die französische Gesellschaft, die ihre tiefsten Erfahrungen dem politischen Zusammenbruch der Fronde verdankte, mußte gerade den Anspruch der Vorbildlichkeit ablehnen, der in der Scheinwelt des Romanes zur Erfüllung kam. Wurde nicht durch den Roman der Aufstand des Selbstgefühls gegen die schicksalhaften Ordnungen verewigt? Zugleich war in eine schlechte Unendlichkeit verworfen der Anteil an Freiheit, den der Einzelne durch die Anerkennung des Gegebenen im geistigen Austausch mit seinesgleichen gewinnen konnte. Die Kritik am Roman mußte mit der Anfechtung des epischen Anspruches die Problematik aller modernen Annäherungsversuche an die Epopöe sichtbar machen. Die Klassizisten des 17. Jahrhunderts erneuerten den Kampf, den zuvor die italienischen Humanisten gegen das nationale Epos entfesselt hatten. Wenn Boileau Tassos „Modernismus" verwarf, so erklärt Rapin die Epik der Italiener schlechthin für romanesque („Reflexions sur la Poetique", 1675, p. 16 und 79): Der Ursprung der „poesie romanesque" liege schon bei Pulci. Diese Dichter kannten keine anderen Gesetze „que celles qu'inspiroit la chaleur du genie"; besonders im „Orlando" herrsche „un air de chevalerie romanesque, plutöt qu'un esprit hero'ique." Wie Boileau und seine Anhänger, so sahen auch die „Modernes" im Roman des 17. das Epos des 16. Jahrhunderts weiterwirken, nur daß sie die Erbschaft der Antike dem Fortschritt der Zeit anheimgaben und daher bejahen konnten, was den „Anciens" als Zeichen des Niedergangs galt. Allein dieser Glaube an die Kontinuität macht den Ausspruch eines Perrault verständlich, daß der moderne Roman die innersten Intentionen aus der antiken Epopöe herausgeholt habe. („Parallele des anciens et des modernes", Paris 1693, p. 102 ff.) „Les Anciens n'ont fait qu'ebaucher la Poesie ... et il etoit reserve aux Modernes d'y mettre la derniere main" (p. 210).
Wie immer die Einschätzung des „großen Romans" war, Freund und Feind sind sich darüber einig, daß er unter den epischen Anspruch fällt. Das entspricht ja durchaus dem Gesichtspunkt der Verfasser dieser Romane. Magendie hat im einzelnen nachgewiesen, wie man den Roman des beginnenden 17. Jahrhunderts unter der epischen Gesetzlichkeit begriff. („Le roman fran9ais au XVII e siecle", p. 125 ff.) Uns fällt es schwer, diesen Gedanken mitzuvollziehen. Im Hinblick auf spätere Formen des Romans kann man allenfalls feststellen, daß der Roman im 17. Jahrhundert seinen Stoff nicht aus der Welt hernimmt, sondern der Welt eine normative Geltung zumutet, die, aus einem tradierten Bereich der Formen herausgehoben, für
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das höhere Leben richtunggebend sein soll. Durch dieses Streben nach einer die Zerspaltung des Daseins übergreifenden Sinngebung könnte die epische Prätention allein gerechtfertigt werden. Die epische Gesinnung ist hier eine Tendenz, die sich in einem völlig unepischen Weltgefühl auflöst. Die Erkenntnis des Bruches in der Kontinuität zwischen Epos und Roman konnte daher auch schließlich im 17. Jahrhundert nicht ausbleiben. Sie spricht einen Sachverhalt aus, der uns selbstverständlich erscheint. Die epischen Gestalten wirkten einst aus der Mitte ihres Seins auf das Nachleben und hielten dieses im Glauben oder in der Ehrfurcht in ihrem Bannkreis. Die epische Wirklichkeit wirkte fort auf das Leben der folgenden Geschlechter, auch wenn dieses sich durch das Bewußtsein des Abfalls bestimmte. Epos und Roman hatten aber diese bindende Gewalt schon lange verloren. Das Verhältnis zum Überlieferten wurde ersetzt durch die bloße Gegebenheit einer literarischen Tradition, die sich jedem beliebigen Zugriff erschloß. Im Ritterroman erscheint das epische Leben gebannt in eine ziellose Dynamik und zerstreut durch das abenteuernde Treiben des heldischen Menschen. Seine rein subjektive Bestimmtheit verwandelt die weltlichen und geschichtlichen Geschehnisse in bloße Gelegenheiten der Bewährung, in Etappen einer nur durch ein unendliches Leben zu erfüllenden Sehnsucht. Dem blinden Gehalt des Ritterromans entspricht seine trügerische Form: das erborgte Gewand der Chronik. Durch die Anlehnung an die Geschichte erhält er eine Scheinlegitimierung, die durch die Anfechtung der Zuverlässigkeit aller geschichtlichen Darstellung nötigenfalls verteidigt wurde. Die Schwäche der Ritterromane wurde im 17. Jahrhundert durchaus gesehen. Durch die Kritik dieser veralteten Gattung wurde gerade der Boden bereitet für den heroisch-galanten Roman. Das 17. Jahrhundert begegnete dem 16. in den Ritterromanen, die, wenn auch um alles literarische Prestige gebracht, in den Niederungen der Literatur doch weiterwucherten. Ihr Zauber auf die Phantasie der Jugend blieb ungebrochen. Wie Sorel in seinem „Francion" berichtet, lagen die alten Folianten, ein „Morgant le Geant", eine „Melusine", ein „Robert le Diable" in den Antiquariaten aufgestapelt und wurden für billiges Geld von Studenten erworben („Histoire comique de Fr.", ed. Roy I, p. 179). Der Ritterroman ist im Lauf der Zeit auf die unterste Stufe der Belletristik herabgesunken; er war nicht mehr entwicklungsfähig, wie die anderen dem 17. aus dem 16. Jahrhundert überkommenen Literaturgattungen. Einem hoffnungslosen Ruhmverlangen al-
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lein konnte er Nahrung geben, den ungeordneten Alltag des Menschen phantastisch überhöhend. Langlois weiß von Offizieren „qui fönt attendre ä leur porte ceux qui les vont demander, feignans d'estre fort empressez en leur cabinet, toutesfois ils ne lisent que les Romans des Amadis".
Romane dieser Art konnten keine bildende Macht über die Formen der Welt erlangen; sie schmeicheln allein der Phantasie. Jeder hat sie gelesen, jeder kann von ihnen zeugen. Die Heimlichkeit ist ihr Reich. Mit Recht nennt darum Langlois die aus solcher Lektüre entspringenden Ergötzungen „vicieux et illegitimes". (Langlois, dit Fancan, „Le Tombeau des Romans", Paris 1626, p. 3 f.) Sie halten den Leser im Stand der reinen Subjektivität gefangen, sie machen seine Langeweile erträglich und verhindern es, daß aus diesem Gefühl ein metaphysischer Zustand hervorgeht. Wie alle humanistische Romankritik feststellt, läßt sich diese anspruchsvolle Subjektivität im Roman nicht entfalten, sondern nur durch das Unmaß zerdehnen, durch eine unwahrscheinliche Ballung des Erlebnisstoffes. Der Fortschritt vollzieht sich durch eine Reihung der quantitativ übersteigerten Geschehnisse, ohne daß die Kargheit des Grundvorgangs bereichert oder vertieft würde. Perrault stellt uns in der „Parallele des anciens et des modernes" (ed. 1693 p. 81) einen jugendlichen Liebhaber der Ritterromane vor: II me vint trouver un matin charme d'avoir lu dans Primaleon de Grece, qu'un chevalier, presse par un Geant, avoit fait un saut de 18 pieds en l'air. O le beau livre! s'escrioit-il. Qu'en dites-vous? Un saut de 18 pieds! Le lendemain, il vint me retrouver encore plus transporte de joye. J'ay trouve, me dit-il, un Chevalier dans Palmerin d'Olive, qui a fait un saut de 22 pieds. Qu'on ne me parle plus de Primaleon de Grece; je l'ai jette au feu. Vive Palmerin d'Olive!"
Es liegt im heroisch-galanten Roman der folgenden Zeit das Bestreben, die für eine Elite gültige Haltung einer Allgemeinheit von Lesern verständlich zu machen, also gewissermaßen die epische Situation wiederherzustellen. Aber diese Intention wird erkauft — literarhistorisch gesehen — mit einem neuerlichen Abstieg von der epischen Gestaltung. Die mittegebende Einheit des Subjekts — auf der Stufe des Ritterromanes festgehalten — verflüchtigt sich nunmehr zu einem rein formalen Element der Darstellung. Es bleibt eine allgemeine, zwischen Leser und gelesenem Werk vermittelnde emotionale Bereitschaft. Der Held erscheint nur noch als Träger bestimmter, ideal-gesellschaftlicher Situationen. Die epische Vielheit der Gestalten wirft ihren letzten Schatten in ein imaginäres Bereich, in der die Gesinnung sich in wechselnden Kostümen großtut. Angebahnt wurde diese Entwicklung durch die Rezeption des griechischen Romans, ferner durch die aus den Amadisbüchern herausgezogenen
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Gesprächs- und Briefrepertoires, die unter dem Namen des Tresors, des Tesoretto, des Schatzkästleins durch die verschiedenen Literaturen gingen. (Hierüber W. Mulertt, „Studien zu den letzten Büchern des Arnadisromanes", Halle, 1923.) Das Wesen dieser Helden geht unter im Verlauf stereotyper Begebnisse, unausweichlicher Begegnungen, festgelegter Situationen, die sich durch einen allverbindlichen Redestil und eingestreute Musterbriefe kundtun. Überall findet der Leser leicht Gelegenheit, die eigene Lebenslinie in die Vorstellung heldischen Treibens hinüberzuziehen und aus den unbestimmt schillernden Zügen zugleich die Rückstrahlung gegenwärtiger Welt, das Porträt, zu empfangen. Im „Argument de la Carithee" (1621) gibt Gomberville den (angeblich) historischen Schlüssel seines Werkes, um den Anspruch der Leser, die sich selbst zu entdecken glaubten, abzuwehren. Er ist von seinem Erfolg durchaus befriedigt: „... j'ay este au dela et voicy comment: Un gentilhomme que je ne veux pas nommer ayant eu quelques morceaux de ce livre, persuade par la similitude des choses ... creut que je parlois de luy."
Und dann die Paranthese, die als Kennwort für die ganze Gattung zu gelten hat: „Car tu sqays, que les Romans ont autant de visages que l'ont veut" Namen der Romanhelden, in enkomiastischer Absicht diesem oder jenem Zeitgenossen zugesprochen, lassen sich beliebig auswechseln. Chapelain brachte dieses unbestimmte und ins Allgemeine verflüchtigte Wesen des Romanhelden einmal zum Ausdruck: „Cependant jamais general fran9ois ne fut si glorieux aux pa'is estrangers et je ne S£ay si je me flatte mais je voy dans ce Prince au cours de sä fortune et par ses peregrinations de guerre qu'il y a bien en luy de Thesee et mesme de l'Hercule ou, si vous ne souffrez pas la comparaison en prose, qu'il y a bien de l'Artus et de l'Amadis et de ces fabuleux modernes ehe di sogni empion le carte." (Lettres, a. a. O. p. 659.)
Nicht mehr die Vorbildgestalt, sondern der namenlose Romanheld tritt als Inbegriff der Tugend in den Vergleich: Du brave monsieur Saint-Agnan, Plus preux qu'un heros de roman ... (J. Loret, la muze historique. Ed. 1857, I p. 382.)
Wo aber durch den berühmten Namen eine bestimmte Lebensauffassung sich bekundet, da sind es typische Eigenschaften, in denen die Polarität
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eines bestimmten Wertzusammenhangs sich kristallisiert hat, so Celadon und Hylas, die Ambivalenz galanter Gesittung repräsentierend: Mais luy, pour montrer en ce cas Qu'il n'etoit point parent d'Hilas, Tranche si bien, en faveur d'elle, Du genereux et du fidelle, Qu'il sera mis dans les romans Au nombre des loyaux amans. (Ebenda I, p. 23)
Furetiere zeigt in seinem „Dictionnaire" die verschiedenen Aspekte von romanesque auf: „Qui tient du roman, qui est extraordinaire, peu vraisemblable. Cette adventure est risquee et incroyable. II ecrit en style romanesque."
Man sieht daraus, wie die verschiedenen Bedeutungsaspekte aus der Welt des Romans in die Sprache des Umgangs einstrahlen. Die Bestimmung „extraordinaire" fällt durchaus mit dem zusammen, was die Handlung des Romans wie aller hohen Kunst verheißt: bedeutsames und singuläres Geschehen. Adventure ist die Erlebnisform dieses Ereignens. Das Abenteuer, das gewagt wird, führt den Helden über das für möglich Geglaubte hinaus, entreißt ihn der mechanischen Verkettung der Umstände, in der das gewöhnliche Dasein verläuft, bzw. für das 17. Jahrhundert deutbar wird. Wenn wir solch ein Abenteuer unbeteiligt miterleben, so wird es die Quelle einer geistigen Emotion, einer „joie intellectuelle" („Traite des passions"). Diese Emotion kommt nun, wie Descartes weiter ausführt, dadurch zustande, daß wir uns selbst im Erleiden der wechselnden, körperbedingten Passionen fühlen. Die Exemplifizierung der Emotion durch das ästhetische Erleben hat keine unmittelbare philosophische Bedeutung für den cartesianischen Erkenntnisprozeß 4 . Aber das vorwissenschaftliche Urteil sieht im Abenteuer des Romans dieselbe Entrückung wie in der philosophischen Umdeutung des Alltags: beide tragen das Merkmal der Flucht. Dieser Zusammenhang wurde von Moliere in den Brennspiegel seiner Preziösenkritik gefaßt. Für die „Precieuses ridicules" wie für die „Femmes savantes" ist der philosophische Dualismus die Voraussetzung einer Überwelt, in der die imaginären Verkehrsregeln des Romans herrschen. Und wenn Ninon de Lenclos die Naturwidrigkeit der romanhaften Vorbilder beklagte, so hat Saint-Evremond die Ablehnung des Cartesianismus nicht anders begründet. Der peinliche Offenbarungsanspruch, mit dem Descartes — wie Saint-Evremond meinte, — als Fortführer des stoischen Rationalismus eine alte Lehre
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wiederverkündigt (CEuvres melees VI, p. 114), läßt den Eindruck entstehen, daß hier offene Türen eingerannt wurden. Die innere Spannung, in der sich das cartesianische Philosophieren vollzog, der Kampf zwischen Vernunft und Leidenschaft, lag nicht mehr im Bereich einer ernüchterten Welterfahrung: Je puis dire de moi une chose assez extraordinaire et assez vraye: c'est que je n'ai presque jamais senti en moi meme ce combat interieur de la Passion et de la Raison: la Passion ne s'opposoit point ä ce que j'avois resolu de faire par devoir, et la Raison consentoit volontiers ä ce que j'avois envie de faire par un sentiment de plaisir." (III, 28)
Durch das Abenteuer erweist sich im Roman die Vorbildlichkeit des Helden: er ist Held, indem er Abenteuer besteht. Indessen, mag auch der Roman den ganzen Menschen erheben und das Wesen des Helden durch die Fähigkeit zu solcher Erhebung gekennzeichnet sein, so zeigt doch gerade die außerordentliche Anspannung, daß die aneinandergereihten Höhepunkte seines Handelns nicht die ganze Existenz des Helden umgreifen. So, wie die Innewerdung der Seele in einer gespaltenen Substanz klarer Hinweis ist auf das übergeordnete und vollkommene Sein, so müssen auch die Antriebe des heldischen Handelns außerhalb der heldischen Natur liegen. In traditioneller Troubadour-Weise wird die Wertquelle des Mannes in das Frauentum verlegt: „Ces aventures ... sont les effets de la beaute des Dames" — sagt Desmarets de SaintSorlin in der Widmung seiner „Ariane" (Leyde, 1644, Epistre).
Das ist freilich noch keine Bestätigung der späteren Forderung Huets, daß die Liebe „doit etre le principal sujet du Roman'''' (a. a. O. p. III). Die Liebe war im heroisch galanten Roman nicht dieses einzige Sujet, durch das die Handlung der Lafayetteschen Erzählungen sich einengte und zugleich das Gericht beschwor — wohl aber Gesinnung, aus der das Abenteuer Wert und Sinnkraft erhielt. Auch außerhalb des Literarischen erobert der romaneske Impuls die verschiedenen Lebensbereiche und ergibt — für den rückschauenden Betrachter — die Einheit einer Haltung. So sieht der Abbe Villiers nicht ohne leise Selbstgefälligkeit auf seine vertane Jugend: „Plus je faisois de reflexion a tout ce qui m'etoit arrive depuis deux ans, plus je trouvois ma vie romanesque, tant du cote de l'amour que du cote de la guerre." (In CEuvres melees de Saint-Evremond. Londres 1708, I, p. 148.)
Diese Einheit eines Lebensstils war durch die Berührung der Jugendkräfte mit einer allverbindlichen literarischen Sinngebung geglückt. Sie enthüllte
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sich dem rückwärtsgewandten Auge als Illusion. Liegt aber nicht in dieser Illusion das Geheimnis der Lebensmacht verborgen? Mme de Sevigne schrieb einmal über Lauzun, sein Stern sei im Erbleichen, „il n'a point ses anciennes entrees; on lui a ote le romanesque et le merveilleux de son aventure". Romanesque nähert sich hier einem Charisma, umschreibt einen Nimbus, der die Welt gefangen nimmt und das Glück für jede gewagte Unternehmung verbürgt. Das Romaneske gerät in den geheimnisvollen Umkreis von Je ne sais quoi, dessen platonische Grundbedeutung Bouhours in einem seiner Dialoge aufzeigte. („Les entretiens d'Ariste et d'Eugene", ed. Lyon 1682 p. 320 ff., Le je ne S£ay quoi.) Bezeichnenderweise gibt für das unübersetzbare despejo die französische Gracianbearbeitung ein "je ne sais quoi". („L'homme de la Cour de B. Gracian", traduit et commente par Amelot de la Houssoie, Paris 1685, p. 155 ff.) Dieses irrationale Irgendetwas, aus dem jeder Erfolg ausstrahlt, und das doch keinen erklären kann, ist der ungelöste Rest einer Gesellschaft, die außer dem eigenen Seinsgrund alle Voraussetzungen ihres Bestehens ins Bewußtsein gehoben hat. „Je ne sais quoi" konnte daher grundsätzlich den Schlüssel für ein optimistisches wie für ein pessimistisches System hergeben. Die Entwicklung der geschichtlichen Verhältnisse führte mit dem Wechsel der Generationen auf die Schattenseite hinüber. La Rochefoucauld verrät in der Auffassung von Retz, wie dieses „je ne sais quoi" aus einem universalen Antrieb eine allseitige Hemmung wurde. Ist nicht die Misanthropic des Maximenverfassers, die Melancholie, zu der er sich bekennt, die Antwort auf den Untergang der romanesken Illusionen, auf das Verlöschen des Sternes? „Je ne sais quoi" kann zur unbestimmten Ursache des beschattenden und vergiftenden „Ennui" werden: „... je ne say quoy de delicat que j'ay dans le cceur ou dans 1'esprit, fait que rien ne me divertit longtemps". ("De l'Ennuy sans sujet" in Scudery, „Conversations nouvelles", La Haye 1685, II, p. 5).
Für dieses Ennui, das eine Empfindung unserer metaphysischen Zuständlichkeit geben kann, gibt es viele Zerstreuungen, aber, wie Pascal glaubte, nur eine Heilung. Frau von Sevigne, geschützt durch ein glückliches Temperament, hat diese Zerstörung des Lebens durch den Einbruch des Unbekannten niemals erfahren. Ihr romanesque besitzt in der positiven Richtung den größten Bedeutungsumfang. Außer dem Genius des Erfolges bezeichnet es die Sprache, den Stil („eile a un style romanesque"}, die Erlebnisform der Liebe, auf der männlichen Linie das Abenteuer und schließlich das Sprechende
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und Bannende eines Menschenbildes: „La princesse etoit romanesquement belle, et paree, et contente." Die Begegnung mit einer überraschenden Erscheinung evoziert das Porträt. Dieses war integrierender Bestandteil des Romans. Noch im 18. Jahrhundert wird das Porträt als unlösbares Attribut einer Literatur angesehen, deren Verfall dem Roman eine neue Möglichkeit bereitete. Prevost glaubte, dem vorgeblichen Memoirencharakter seines Werkes dadurch Rechnung zu tragen, daß er auf Porträtschilderungen ausdrücklich verzichtet: „Je tracerois ici sans peine les charmes de son visage ... si ces sortes de descriptions ne convenoient plus ä un roman qu'ä une histoire serieuse." („Memoires d'un Komme de qualite" in CEuvres, Paris 1823, I, p. 20.)
Wenn Furetiere weiterhin „invraisemblable" als Eigenschaft des Romanesken anspricht, so ist damit die in allen Romantheorien des 16. und 17. Jahrhunderts wie ein dogmatischer Bestandteil festliegende Vorstellung von „vraisemblance" aufgegeben, ja, in der Anwendung auf außerliterarische Charaktere zu ihrem Gegensatz umgekehrt. Eine Wendung La Bruyeres zeigt, daß der Zusammenhang von „roman" und „vraisemblance" noch keineswegs in Vergessenheit geraten war: „Sa vie est un roman: non, il lui manque le vraisemblable" (I, p. 335). Indessen gibt ja das Dictionnaire keinen ästhetischen Wegweiser, sondern ein lebendiges Denkmal des Sprachgebrauchs. Ganz abgesehen davon, daß am Ende des 17. Jahrhunderts die Welt des Romans auch innerlich unwahrscheinlich wurde, aus den Formen des Bewußtseins herausfiel, ist vom Leben her gesehen die Fiktion der Kunst, selbst wenn sie die Nachahmung des Lebens zum Ziel hat, immer „unwahrscheinlich". Sie verkettet die im gelebten Alltag zerstreuten Elemente zu einer Sinneinheit. Für den im Leben Stehenden ist aber die Sinneinheit nicht ohne weiteres gegeben — sie erwächst aus der Betrachtung oder im Bewußtsein des Handelns, immer also dadurch, daß er aus dem Leben heraustritt. Von hier aus erklärt sich die doppelte Bedeutung der Vraisemblance, je nachdem die Wahrheit, das Ziel der Annäherung verstanden wird: als bloße Gewißheit des seine eigene Gesetzlichkeit verdeckenden Lebens oder als Wahrheit im Sinne dieser Gesetze selbst, die sich in der Reflexion abbilden. Die Kunsttheorie konnte natürlich allein von dieser letzteren Bedeutung ausgehen, wenn sie die Bedingung der Mimesis in die Wahrscheinlichkeit verlegte. Aus der humanistischen Interpretation des aristotelischen hat sich bei aller Verdunkelung der ursprünglichen Einsichten doch dieser Gesichtspunkt deutlich herausgeklärt. Die Wahrheit des Wahrscheinlichen liegt an den Formen der Dinge, bzw. an den Normen des
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Verhaltens. Aristoteles hatte die dichterische Wahrscheinlichkeit von dem geschichtlichen Wahrheitsanspruch geschieden, für den sein Weltbild nur das Bereich der partikulären Tatsachen freimachen konnte. Wenn im 16. Jahrhundert, vor allem aus der Tassopolemik und aus dem Kampf gegen die Ritterromane, nun doch Geschichtlichkeit als ein Element der Mimesis gefordert wurde, so ist das weder ein Mißverständnis des Aristoteles, noch ein vermessener Abfall von seiner Lehre. Die Abweichung von Aristoteles trägt der veränderten Zeit Rechnung. Der Rang der Geschichte ist ein anderer geworden, gerade durch die Entdeckung der Antike als einer Vergangenheit, die auf die Gegenwart einwirkt. Die Sinnkräfte, die der antike Dichter im Mythos fand, können sich dem modernen allein aus der Geschichte offenbaren. Magendie hat im einzelnen gezeigt, wie der französische Roman in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sich geschichtlich gewandete (Op. cit. p. 129 ff.) 5 . Indessen konnte diese Geschichtlichkeit nicht wohl eine historisch treue Rekonstruktion dieser oder jener Zeit anstreben — ihr Anliegen war vielmehr das Verständnis bedeutsamen, geschichtlichen Lebens überhaupt. Daher war der Dichter befugt, die Lücken geschichtlicher Tatsachenkenntnis durch die Arbeit der Phantasie zu schließen. La Calprenede sagt im Vorwort zum zweiten Teil seiner „Cassandre" (1643): „Je croy toutes-fois que si les autres beautez y manquent au moins y treuvera-t-on peu de choses qui puissent choquer, ny la vray-semblance, ny la bien-seance: mesme jusqu'ä ce point que celles qui me donnent le plus de peine ä accomoder ä l'apparence, sont celles qui sont veritablement de l'Histoire, il me semble qu'elle n'est pas mal meslee dans le Roman, et que des evenemens inventez, il y en a peu, desquels on me puisse dementir, quand je les voudray faire passer pour veritables."
Die Fiktion hatte vor allem die Aufgabe, die geltende Sitte, insofern sie sich selbst als sittlich empfand, das heißt die Bienseance in die geschichtliche Handlung einzuführen und die Vorgänge dadurch auf die Stufe zeitgenössischen Bewußtseins emporzuheben: „Ils sont pleins de feintes parmy la verite, plus ils sont beaux et profitables, pour ce que la feinte vraysemblable est fondee sur la bienseance et sur la raison." (Desmarets, „Rosane", 1639, Vorwort. Bei Magendie p. 132.)
Es ist selbstverständlich, daß durch diese Forderung schon ein Kriterium der Auswahl darstellbarer Stoffe gewiesen war. Diese mußten eine innere Konformität mit den durch Bienseance gegebenen Verständnismöglichkeiten haben. Der ideale Stoff war derjenige, der aus der Geschichte selbst die Gesetze moderner Bienseance hervorzubilden schien. Die romanhafte
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Behandlung allbekannter antiker Stoffe konnte sich auf die Dauer nicht behaupten gegen den historischen Kritizismus der Humanisten. Die Fiktion hörte auf, wahrscheinlich zu sein, wenn sie gegen im Gemeinbewußtsein liegende Geschichtswahrheiten verstieß. Man bevorzugte spätantike Stoffe, wandte sich mit Vorliebe der Peripherie des antiken Geschichtsraumes zu und fand schließlich in den schon von den spanischen Romanzen und Romanen des 15. bis 16. Jahrhunderts verklärten Maurenreichen einen historischen Idealraum. Im Vorwort zu ihrer „Almahide" setzt die Scudery diese Schwierigkeit auseinander. Die Historiker fordern von einem Roman eine verläßliche Darstellung vergangenen Lebens, aber die Empfindsamen sträuben sich gegen die Zumutung solcher Schilderungen, die der Bienseance häufig ins Gesicht schlagen. Der maurische Stoff hatte schon durch die Spanier eine galante Stilisierung erhalten, während auf der anderen Seite exotische Namen und Kostüme so etwas wie ein historisches Kolorit gewährleisteten. Furetiere spricht von der „galente et romanesque ville de Grenade". („Le roman bourgeois".) Es ist die Gegenwelt des bürgerlichen Romans, die sich in den maurischen Exotismus verflüchtigt. Mit dem Untergang des alten Romans hat romanesque seinen ursprünglichen Boden verloren, aber gerade dadurch wurde es frei für die Erschließung neuer Perspektiven6. Wenn Gordon de Percel von Quevedos Visionen sagt, „il a fait dans ses Ouvrages une Satire ingenieuse et romanesque de la plüpart des Etats de la vie" („Bibliotheque des Romans", Amsterdam 1734, II, p. 263), so ist hier das Außergewöhnliche gestürzt in die Dämonie des unerlösbaren Soseins, das die Fesseln seiner Mißgestalt nicht mehr abstreift; es klingt schon an die Bedeutung des Bizarren und Schaurigen. Die romaneske Situation wird auf den Naturrahmen übertragen, und der Reiz der Ruinen wirkt zurück auf die menschlichen Verhältnisse: „Les vaisseaux relacherent vers les ruines de Troie; le lieu etait trop romanesque pour y resister; ils mirent pied a terre et s'epouserent." (Saint-Simon 39, 200 — Littre —.)
Schließlich verfällt auch die Landschaft, das Kunstwerk der Natur, der Belehnung durch romanesque. Wie Montesquieu im „Essai sur le goüt" ausführt, gibt es Schönheiten, die die Seele in der Betroffenheit wahrnimmt. So etwa, wenn man beim Austritt aus den Bergen den Lago Maggiore vor sich liegen hat: „L'äme est etonnee de ce contraste romanesque, de rappeller avec plaisir les merveilles des romans, ou apres avoir passe par des rochers et des pays arides, on se trouve dans un lieu fait par les Fees." (CEuvres, V, Paris an IV, p. 481.)
Die Anspielung auf den Ritterroman dient hier nur zur Ausdeutung eines völlig neuartigen und nie beschriebenen Erlebens. Im Ritterroman war einst
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die heroische Landschaft verschmolzen mit dem Wirken des Helden, Dimension seines Abenteuers. Hier aber hat die Landschaft ihren Betrachter absorbiert. Der Kontrast ist nicht die Antwort auf die unausgesetzte Bereitschaft, den Einsatz in das Unbekannte zu wagen, vielmehr zwingt er den Wanderer zur Hingabe an die Überraschung, die Geheimnisse des Wechsels als außer ihm wirksame Macht der Natur zu verehren. Wem dies Erleben zufällt, der fühlt sich dadurch bestimmt und einsam, weil es außerhalb aller menschlichen Maßstäbe liegt. Es gibt ihm nichts wieder von dem, was er ist, sondern überwältigt und verläßt ihn mit der Sehnsucht, die Kommunikation mit der außermenschlichen Natur wiederaufzunehmen und ihr den Verkehr mit der Mitwelt völlig zu opfern. Daher ist der Träger solch eines Erlebnisses schließlich ein Robinson. D'Alembert nennt in der Tat dieses einsam auf einer Insel erwachsene Wesen „etre romanesque" und fragt sich, wie es "s'instruisoit de ses devoirs envers des etres inconnus" (D'Alembert, CEuvres philosophiques, I, Paris 1805, p. 178).
Anmerkungen 1 Hierüber Logan Pearsall Smith, Four Romantic Words, Kap. Ill in: „Words and Idioms", London 1928. 2 Vgl. im Bezug auf Spanien die Untersuchung „Die Kritik des Siglo de oro am Ritter- und Schäferroman" in: „Homenatge a Antoni Rubio i Lluch". Miscellänia d'estudis literaris, histories i linguistics. Barcelona 1936, vol. I, p. 225 ff. 3 Für diese erweiterte Bedeutung von romancier zeugt auch eine Strophe aus Lemaistre de Sacys berüchtigten „Enluminures du fameux Almanach des Jesuites": „Mais qui dira les incartades, / Les joustes, les rodomontades, / De ce Pere brave et guerrier, / Le Romanesque Brisacier? / Cet Escrivain ä toute outrance, / Ce Matamore en eloquence, / Devoit par ses exploits hardis / Effacer tous les Amadis" (zit. nach der Ausg. Liege, 1683, p. 16). 4 Natürlich konnte der ästhetische Zustand höchstens eine paradigmatische Stelle, und keinen methodischen Rang im Prozesse der Bewußtseinsbildung einnehmen. Denn wenn es darauf ankommt, die Selbstmacht der Seele vorzubereiten durch die beständige Erzeugung von Emotionen, in denen sie ihren Stoff tätigt („pourvu que notre äme ait toujours de quoi se contenter en son interieur"), so kann sie nur im Ergreifen der eigenen Substanz und nicht im Verfall an einen für die Imagination bereitgestellten Stoff erstarken. Der bloße Wahrscheinlichkeitscharakter der Wissenschaft, der Descartes dem neoscholastischen Lehrbetrieb der Jesuiten entfremdete, ist in noch höherem Grad das Stigma des Literarischen: „ceux qui reglent leurs moeurs par les exemples qu'ils en tirent sont sujets ä tomber dans les extravagances des paladins de nos romans et ä concevoir des desseins qui passent leurs forces." („Discours de la methode" I.) Ähnlich D'Aubignacs Äußerung gegen die Romanhelden „si parfaits qu'ils les rendent inimitables" (Arnauld, D'Aubignac, p. 329). 5 Segrais glaubt, im Vorwort zu seinen „Nouvelles Francaises" den Roman in Schutz nehmen zu müssen und zwar gerade mit dem Hinweis auf seine geschichtliche Ausrichtung. Zu
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bemängeln sei allerdings die Ausführung, die hinter den fremden Namen doch immer die französischen Verhältnisse erscheinen lasse. So kommt Segrais dazu, im Namen der geschichtlichen Wahrscheinlichkeit die Wahl französischer Stoffe zu fordern. (Ed. La Haye, 1741, I, p. 15 f.). Der Begriff der „Vraisemblance" vermittelt somit den Übergang zu jener realistischen Prosa, die der jüngere Crebillon geben wollte: „Phomme enfin verroit rhomme tel qu'il est ..." (CEuvres I, Londres 1779, p. 6), zu dem „Vraisemblable et Naturel", das nach den Worten des Marquis d'Argens die „Idees gigantesques" des alten Romanes ablösen sollte. („Le Mentor Cavalier", Londres 1736. Avertissement.) 6 Marivaux' Marianne erzählt, „on s'imaginait remarquer dans mes traits quelque chose qui sentait mon aventure; on se prenait de moi d'un goüt romanesque". (Ed. Garnier, p. 6.)
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Im Mittelpunkt der sprachwissenschaftlichen Diskussion steht gegenwärtig die Frage des Alters und der Verschiebung der germanisch-französischen Sprachgrenze. Die Auseinandersetzung ist im wesentlichen angeregt worden von zwei um die Gesamtprobleme der sprachlichen Romania kreisenden Arbeiten: des Berliner Romanisten Ernst Gamillschegs „Romania Germanica" (1) und des Leipziger Walther von Wartburg „Die Ausgliederung der Romanischen Sprachräume" (2). Gamillscheg hat im ersten Band seines Werkes auf Grund eines umfassenden siedlungsgeschichtlichen Materials die Überzeugung gebildet, daß die fränkische Landnahme nach Chlodwigs Eroberung Galliens nur im Nordwesten zu einer kompakten Germanisierung führte. Dort, am Pas de Calais, schob sich ein flämischer Sprachstreifen vor, der im Hochmittelalter der Rückromanisierung verfallen ist. W. von Wartburg hat den fränkischen Einfluß auf die Schicksale der westlichen und südlichen Romania höher bewertet als Gamillscheg (der ihn vor allem in der lexikographisch-kulturgeschichtlichen Wortübertragung erblickt): Wartburg hält die fränkischen Sprachgepflogenheiten Nordgalliens und die langobardischen des nördlichen Italiens für die artikulatorische Basis verschiedener lautlicher Erscheinungen der neuen Idiome. Auch die Germanisten haben in den Streit eingegriffen. Frings glaubt, daß die fränkische Siedlungswelle bis zur Loire vorgetrieben wurde (Anzeiger f. deutsches Altert. 55, 1936, 6 ff.) und Wartburg kommt seiner These zu Hilfe (Zeitschrift für Roman. Phil. 1937, 193 und dazu die Antwort Gamillschegs Zeitschr. f. franz. Sprache und Lit. LXII, 1938, Iff.) 1 . Auf der einen Seite wird die bruchlose Weiterbildung der „Tochtersprachen" festgehalten, während man auf der anderen im Französisch ein „fränkisch artikuliertes Latein" erkennt. Die Debatte, über die hier nur sehr flüchtig referiert werden konnte, verläuft in mancher Hinsicht parallel zu dem alten Widerstreit in der mittel-
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alterlichen Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Bekanntlich kämpft seit Jahren die Schule des Wiener Historikers Alfons Dopsch gegenüber dem, was sie die Katastrophentheorie nennt (totale Zerstörung der römischen Einrichtungen durch die Germaneneinfälle) für eine Kontinuität der römischen Institutionen innerhalb der jungen germanischen Welt bis in die Karolingerzeit hinein. Die Schüler Dopschs legen jetzt eine Festschrift vor: „Wirtschaft und Kultur. Festschrift zum 70. Geburtstag v. Alfons Dopsch (3). Die Grundgedanken des Meisters bemüht sich Erna Patzelt zusammenzufassen. Höchst aufschlußreich ist die Teilveröffentlichung des bekannten spanischen Rechtshistorikers Claudio Sanchez Albornoz, aus einem noch ungedruckten Werk „Los ärabes y las origenes del feudalismo", über die iberische und westgotische Kavallerie (La caballeria visigoda). W. Goetz zeichnet die „Entstehung der italienischen Nationalität" im Umriß. Die langobardischen Elemente werden, ähnlich wie bei Wartburg im Sprachlichen, nicht gering veranschlagt. Es ist ein wichtiges Ferment des neuen italienischen Typus, der sich, wie alle entstehenden modernen Kulturnationen, als Erzeugnis einer Legierung ausweist. Bis tief ins 10. Jahrhundert hinein bleiben Langobarden führend. Ihre dann rasch vollzogene Verschmelzung mit dem bodenständigen Romanentum hängt nicht nur zusammen mit der neuen Entwicklung der Städte (welche die Vormacht der Grundherren brach), sondern vor allem mit einer territorialen Interessengemeinschaft aller Bevölkerungsschichten in der Abwehr gegen den deutschen Kaiser und die deutschen Heere. Für die Prägung der modernen Nationen waren territoriale Bande stärker gewesen als solche des Blutes. Das posthume Werk des belgischen Historikers Henri Pirenne „Mahomet et Charlemagne" (4) ist mit der Dopschen Lehre unvereinbar. Die merovingische Epoche erscheint zwar auf allen Gebieten als, wenn auch unzulängliche, Fortführung römischer Überlieferungen: Die Vorherrschaft Ostroms bleibt, wenigstens theoretisch, unangefochten; die alten wirtschaftlichen Beziehungen verbinden nach wie vor alle Küsten der römischen Provinzen. Aber die Sarazeneneinfälle bringen den großen Einschnitt, mit dem das Mittelalter beginnt. Die Verbindung der alten Welt im Mittelmeer ist jetzt zerschnitten. Für Papyrus wird Pergament Ersatzstoff, und der spärliche Handel zwischen den autarken Grundherrschaften wird nur von Juden betrieben. Der Schwerpunkt des neuen karolingischen Kaisertums verlagert sich nach Norden und hier wird der Charakter der mittelalterlichen Monarchie modelliert. Im Verfolg dieser Darlegungen mußte Pirenne die von Dopsch bis in die Karolingerzeit hinein angenommene römische Kontinuität in
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Frage stellen, die Fortführung der Handels-, Steuer- und Geldpolitik bezweifeln und das neue Gottesgnadentum von den merovingischen Auffassungen abrücken. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß von beiden Theorien aus ein Licht auf die Vorgeschichte des volkssprachlichen Epos fällt, insbesondere auf die von Voretzsch in Deutschland, von dem Italiener Rajna vor etlichen Jahrzehnten und von Menendez Pidal vertretene Annahme, daß die französische und spanische Epik eine fränkische bzw. westgotische Wurzel haben müsse. Für die Genese der Epopöe wie für das Gesamtgebiet der romanischen Dichtungs- und Geistesgeschichte legt Ernst Robert Curtius in einer Aufsatzserie „Zur Literarästhetik des Mittelalters" (Zeitschrift, f. Rom. Phil. 1938) einen entscheidenden Beitrag vor. Die Arbeit, von einer heute singulären Kenntnis der mittellateinischen Literatur getragen, gewinnt zunächst mit der Niederlegung der in Glunz' „Literarästhetik des europäischen Mittelalters" (5) ausgeführten Thesen den Gesichtskreis für einen Grundriß der mittellateinischen Ästhetik, aus dem eine Art von Prolegomena zur Romanistik hervorgehen. Dem historischen Konstruktivismus und der sie heimlich beseelenden „Gnostik" hält Curtius eine deskriptive Geschichtsanschauung entgegen: „Nur im dauernden Kontakt mit der Fülle des geschichtlich Gegebenen kann man hoffen, das Universale zu erfassen." Sätze wie diese umreißen den programmatischen Impuls ebenso wie das betonte Bekenntnis zu der Erbschaft Gröbers. Aber im Verfolg der Darstellung erweist sich gerade die geistesgeschichtliche Tragweite der Methode. Der Positivismus ist durch seine Krisis hindurchgegangen und hat sich durch sie bereichert. Kernstück der Curtiusschen Darlegungen ist die Forderung einer „historischen Topik", in der das romanische Nachleben der Antike thematisiert wird: sie gehört in die „Prinzipienlehre der Literaturwissenschaft". An einzelnen Beispielen („puer senex", „anciens et modernes", „natura mater generationis" usw.) wird dieses Prinzip entfaltet und der von den Stilforschern unterstützte Zugriff auf die Romanistik als ein „neusprachliches Fach" zurückgewiesen. Die Topoi erscheinen als die wahren Träger von „Stilkontinuitäten"; ihre historische Zeugungskraft läßt sich bis in die Zeit hinein darstellen, in der aus provinzialen Stilen sich schon lange die verschiedenen nationalen Charaktere der Romania herausgegliedert hatten. Curtius behandelt im Sinne seiner Lehre den Ursprung zweier großer mittelalterlicher Gestengesänge, der französischen „Chanson de Roland" und des spanischen Cidcantar. In beiden Fällen sieht Curtius den entscheidenden Anteil der mittellateinischen Dichtungstheorie, eine Auffassung, die sich nachdrücklich unterscheidet von der neuklassizistischen Gestenauslegung
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einiger moderner französischer Epenforscher. Für das Cidcantar bedeutet die Annahme der Curtiusschen Auffassung die vollständige Verwerfung der herrschenden Theorie des großen spanischen Forschers Ramon Menendez Pidal. Dieser hatte vor allem auf Grund einer sorglichen Rekonstruktion des „Itinerario" des Cid und der geschichtlichen Verhältnisse die Historizität der spanischen Epopöe als ihren kennzeichnenden Zug herausgestellt. Menendez Pidal nimmt in einem Aufsatz „La epica espanola y la ,Literarästhetik des Mittelalter' de E. R. Curtius" (Zeitschrift f. Rom. Phil. 1939, l ff.) Stellung. Die mittelalterliche Provenzalistik ist immer in der Enge der Fachgelehrsamkeit betreut worden. Adolf Kolsen, der verdienstvolle Herausgeber des Giraut de Borneil, bringt „Beiträge zur altprovenzalischen Lyrik" (6). Es werden zugänglich gemacht Schöpfungen des Kataloniers Serveri de Girona (dichtete zwischen 1260 und 1280), des Gaucelm Faidit (aus Uzerche, 1185 — 1220), des Raimon de Miraval (ab 1180) und des Marseiller Bürgers Raimon de las Salas, also lauter Werke der noch wenig erforschten Spätzeit des Toubadourgesangs, deren Würdigung unter dem Vorurteil leidet, daß das Spätgeborene immer im Zeichen der Dekadenz begriffen werden müsse. Kolsen gibt zu den restaurierten Texten eine deutsche Übersetzung und einige sprachliche Erläuterungen, aber keinerlei historische Kommentare. — Das Verhältnis der altfranzösischen und der provenzalischen Epik behandelte eine Dissertation aus der Schule von K. Voretzsch: „Einheimische epische Stoffe in provenzalischen Texten des Mittelalters" von Wilhelm Doerk (7). Auf dem Gebiet der Bedeutungsgeschichte befaßt sich eine Prager Arbeit von Erhard Preißig (8) unter dem Titel „Verschiebungsdynamik im französischen Wortschatz" mit der Wortwahl der Himmelsrichtungen und in einem zweiten Teil mit den ständischen Bezeichnungen in neuerer Zeit, vor allem mit der oft behandelten generosite: Man vermißt in dieser behutsam auseinandergelegten Studie das Eingehen auf die antiken Voraussetzungen, die , worüber von ganz verschiedenen Standpunkten aus eine mannigfache Literatur besteht (außer den Arbeiten H. Naumanns oder andererseits Gilsons etwa der wichtige Aufsatz von G. Krüger „Die Herkunft des philosophischen Selbstbewußtseins" in Logos, XXII, H. 3). An eine Fortsetzung des monumentalen Gröberschen „Grundrisses der Romanischen Philologie", dessen literaturgeschichtlicher Teil mit der Darstellung der mittelfranzösischen Zeit von der Hand des Meisters abschloß, wagt sich jetzt Walter Mönch, „Frankreichs Literatur im XVI. Jahrhundert" (9), nachdem zuvor St. Hofer die mittelalterliche Literatur einer sorgsamen und pietätvollen Neubearbeitung unterzogen hatte. An zusammenfassenden
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Darstellungen der französischen Renaissanceliteratur war man auf deutscher Seite bisher angewiesen auf diejenigen H. Morfs und Fr. Neuberts. Mönch gibt ein ergänzendes Literaturverzeichnis, das aber den Mangel einer systematischen Bibliographie (gerade im Rahmen eines Grundrisses) nicht ersetzt. Die Ergebnisse der Habilitationsschrift Walter Mönchs „Die italienische Platorenaissance und ihre Bedeutung für Frankreichs Literaturund Geistesgeschichte" (10) sind in das neue Werk hineingearbeitet. Einzelanalysen, biographische Zusammenfassungen usw. treten bewußt zurück zugunsten einer stark spekulativen Gliederung, die an Wechsslers Generationentheorie orientiert ist und im Dreitakt der sich ablösenden religiösphilosophischen, künstlerischen und politischen Weltbilder jede Erscheinung in einem Unterstand einhegt. Daß M. sich bemühte, überall die antiken Quellen der französischen Renaissance aufzuspüren, ist gewiß ein Verdienst. Manche Urteile werden Widerspruch erregen und sind auch vielleicht darauf angelegt — es hätte hier die Tradition des Grundrisses zu äußerster Zurückhaltung verpflichten müssen. Das Verhältnis zu Mallarme und Rimbaud hat sich noch nicht so abgeklärt, daß eine Stellungnahme aus der Mitte der eigenen Zeit ein sicheres Ergebnis heraufführen könnte. Vielmehr ist man noch immer gehalten, eine weite Strecke in der Exegese des Dichtertextes zurückzulegen. Wertvoll war die thematische Analyse W. Naumanns, „Der Sprachgebrauch Mallarmes" (11) (Bonner Diss.) und in einer anderen Richtung für Baudelaire die Züricher, im Soziologischen fest verankerte These der Spörrischülerin Gerda Anhegger, „Charles Baudelaire, der Dichter des Spleens" (12). Dieser und der mit ihm verflochtene Begriff des Ennui wurde für den jungen Mallarme noch bedeutsam, während Rimbaud, Bürger eines neuen Äons, niemals an ihm krankte. — Kurt Wais, „Mallarme" (13), ist ein überaus farbig geschriebenes, im Episodischen ebenso breit verweilendes und schillernd ausgesponnenes wie zu scharfsinnigen Interpretationen zugespitztes Kompendium der „Mallarmekunde". Eine Fülle von Literaturreminiszenzen tönt den zeitgeschichtlichen Hintergrund, von dessen Getriebe Mallarmes gesammelter und fordernder Ernst sich abhebt, und verdichtet sich in einer erschöpfenden Wirkungsgeschichte. Die Gestalt des Dichters wird in ein System von Begegnungen verstrickt und gerade aus dem Reichtum der Perspektiven das Einmalige seiner Sendung begriffen. Bei aller Vielfalt der Gesichtspunkte hat das Buch doch einen klaren inneren Baugedanken, und zwar die mittegebende Erkenntnis der Bedeutung des „Igitur". Hier wurde die abendländische Philosophie (über Mallarmes Hegelstudien möchte man eine besondere Abhandlung haben!) zum Schicksal und zur Bestimmung: der Sieg des „Ha-
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zard" reißt den Menschen nach dem Scheitern der durch die Geistestradition ihm auferlegten Entkörperung aus der Unendlichkeit in seine Existenz zurück, die nun freilich nicht ein Rückfall in das beliebige „Leben", sondern bewußt ergriffener Standpunkt ist. Die Rimbaudarbeit von Enid Starkie (14) berührt im wesentlichen eklektisch vermittelnd etwa zwischen J. Riviere, Coulon und dem geistvollen und wohl bisher hochstehendsten, wenn auch fragwürdigsten Rimbaudbuch Rolland de Renevilles, „Rimbaud le Voyant", Paris 1929.2 Selbständig ist der Beitrag über Rimbauds Leben im Harrar, worüber die Verf. eigene Forschungen angestellt hat. Überhaupt entbehrt das Buch, besonders in den biographischen Partien, nicht der Anschaulichkeit und einer gewissen psychologischen Penetration. Indessen macht es sich nicht völlig frei von Endurteilen wie „Versagen", „Fluch der Unbeständigkeit", pathologischer Wandertrieb usw., womit der zukunftsweisende Sinn von Rimbauds Erfahrung verdunkelt wird. — Der Hans von Hugo-Verlag hat das Buch in Übersetzung unter dem Titel „Das trunkene Schiff" herausgebracht. Einige peinliche Stellen sind in dankenswerter Fürsorge für das Publikum beschnitten. Weniger leicht findet man sich ab mit den oft sehr ungenauen Ammerschen Übersetzungen und mit der Auslassung einer Bibliographie, zumal eine solche über Rimbaud in Deutschland noch nicht existiert. Doch pflegen Verleger in dieser Hinsicht die Bedürfnisse ihrer Leser nicht allzu hoch einzuschätzen. Über den Nachteil der Historic für das Leben braucht man trotz der seit über einem Jahrzehnt anhaltenden Flut geschichtlicher Monographien nicht in Sorge zu geraten. Oft handelt es sich — auf dem bei allem geistigen Abstand noch wirksamen Hintergrund Carlyles, Treitschkes und Georges — um Lebensläufe von epochemachenden Figuren, deren heroisches Schrittmaß eine geschickte Psychologie auf der Grenze zwischen Roman und Geschichte hält. Das Eigentümliche (d. h. das Traditionsbedingte und Vorwärtswirkende in einem) eines Zeitalters wird dann häufig als triumphale Drapierung den geschichtemachenden Genien umgeworfen, die „mit allen Schwierigkeiten" fertig wurden, und die Historic fällt einem verklärungsbedürftigen Alltag anheim. Gegenüber dem zu oft erreichten Grenzfall der „Vie romancee" müssen die Bemühungen um ein echtes Geschichtsverständnis besonders gewürdigt werden. Die Neigungen des Publikums hat vor allem der Münchener Callwey-Verlag zu bilden und zu veredeln unternommen und unter der kundigen Leitung von Hermann Rinn durch eine Auswahl gehaltvoller Monographien auf höhere Ziele verpflichtet. Nach dem großen und berechtigten Erfolg von Carl Burckhardts „Richelieu", dem
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weniger theologisch, als kulturgeschichtlich orientierten „Calvin" Imbart de la Tours erlebt Louis Barthous [Biographie] des ermordeten französischen Staatsmanns „Mirabeau" (15) eine neue Auflage. Die wie alle Werke des Verlags gediegen ausgestattete und sorgsam übersetzte Biographie ist ein interessanter Querschnitt durch die ersten Revolutionsjahre. Die Abgründe und Nachtseiten dieser titanischen Natur werden schonungslos beleuchtet, seine Bestechung durch den König unumwunden zugegeben. Die dadurch bedingte Zweideutigkeit der Rolle des Deputierten spiegelt freilich seine innerste Überzeugung wider, und Barthou findet als Ergebnis, daß das Schicksal diesem Genius durch sein schnelles Ende seinen gebührenden Platz und die Vollstreckung seiner Aufgabe vorenthalten hätte, die „mittlere Lösung", die konstitutionelle Monarchie durchzusetzen. Mit Heinrich IV. beschäftigen sich zwei gleichzeitig erschienene Biographien, die von Hermann Rinn selbst betreute Übersetzung Saint-Rene Taillandiers (16) und Walter Tritsch (17). Während der Franzose das Bild des ersten Bourbonen im Widerstreit und in der Erfüllung einer Geschichtsepoche und ihrer Träger gewinnt, ist die temperamentvolle Lebenserzählung von Tritsch mehr eine Charakterstudie über den ersten modernen Franzosen, der die neue Prägung dieser Menschenart und des modernen Individuums überhaupt darstellt. Saint-Rene Taillandier wird nicht nur dem oft verkannten Sully gerecht, sondern zeigt auch die Reife der politischen Einsicht, die Heinrich III. allen menschlichen Schwächen abrang, indem er die religiöse Toleranz zur Maxime machte und neidlos dem Bearner den Weg bereitete. Die wesentlichen Quellen über den großen König liegen seit langem offen, nur der Kriegsplan gegen Habsburg am Lebensende hat Zweifel erregt, so bei dem Historiker Pfitzner, der das Ganze für eine Geschichtsklitterung Sullys ansah, während Mariejol (Lavisse VI,2) doch zu der Überzeugung kommt, daß die Mordtat Ravaillacs den König vor einem unabsehbaren Abenteuer bewahrte. Die beiden neuen Biographen sehen den König zaudern vor diesem Abgrund. Tritsch meint, er hätte selbst nach einem Sieg für den dauernden Ausgleich zwischen Frankreich und Habsburg gewirkt. Callwey bringt in seiner Reihe Biographien der Feldherrn Turenne und des Prinzen Eugen. Höchst interessant ist die Lebenserzählung Jominis, dem waadtländischen Strategiker und Schatten Napoleons, von der Feder eines Nachfahren „des Mannes, der Napoleons Gedanken las" und 1813 ins russische Lager überging: Xavier Comte de Courville, „Jomini" (18). Über Jomini handelte ferner Fritz Ernst (Neue Schweizer Rundschau, August 1938, IV, S. 193 ff.). Der sympathisch und anspruchslos erzählte Lebensweg Königin Hortenses von Alphons Nobel (19) erhellt ebenso die Sippenbin-
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düngen des ersten Napoleon wie die Anfänge des dritten, der Hortensens Erziehungskünsten anvertraut war. Außerhalb des vielbeackerten Feldes der historischen Monographie hat Paul Wiegler (20) die sehr lohnende Aufgabe übernommen, dem deutschen Publikum zwei Jahrhunderte französischer Geschichte (von Heinrich IV. bis zur Revolution) aus den Quellen zugänglich zu machen. Benutzt wurden natürlich die Historiettes Tallemant des Reaux', die Memoiren Saint-Simons, die Briefe Frau von Sevignes, Liselottes usw. Auf eine Richtigstellung der zum Teil als unhaltbar erwiesenen Angaben dieser Zeugen wurde verzichtet (ebenso, wie bei so vielen deutschen Büchern dieser Zeit, auf einen Quellenhinweis, der den Lesern den Weg einer weiteren Vertiefung ermöglicht), indessen sollte ja gerade aus der Mitte der Zeitgenossenschaft ein buntes Lebensbild entstehen. Nicht so ganz reich wie die historisch biographische Literatur sind Übersetzungen aus vergangenem Schrifttum, über deren erwünschten Publikumserfolg noch nichts feststeht. Es seien hier nur zwei Anthologien französischer Essayisten und Moralisten herausgegriffen: Gustav R. Hocke, „Der französische Geist" (21) und Fritz Schalk, „Französische Moralisten" (22) (La Rochefoucauld, Vauvenargues, Montesquieu, Chamfort, Rivarol). Während Hockes Übersetzungen das Original begleiten und in knapper Auswahl den ganzen Zeitraum von Montesquieu bis zur Gegenwart umspannen, bietet Schalk die Übersetzungen La Rochefoucaulds und der vier Moralisten des 18. Jahrhunderts ungekürzt. In seiner Einleitung macht er Erasmus' Kampf gegen die Scholastik und darüber hinaus den Kampf einer auf das Ganze des Menschen bezogenen Anthropologie gegen jede Systematik zum Ausgangspunkt dieser in Frankreich zu klassischer Reinheit und äußerster Differenzierung durchgebildeten Form. Die beiden Denkformen waren durch den mittelalterlichen Universalismus zusammengehalten. Sie brachen erst auseinander (und mit diesem Moment beginnen in der Tat erst die Ansätze der von Schalk umgrenzten „Moralistik"), als die Systematik selbst partikulär wurde (Naturphilosophie, Descartes usw.), und insofern kann Schalk mit Recht Pascal, den Schöpfer der Pensees, als „den Wendepunkt einer neuen Entwicklung fassen". Der Jansenismus wendet sich vor allem gegen die Kasuistik als den modernen Abhub der Scholastik, die säkularisierte, mit all ihren systematischen Ansprüchen behaftete Moralphilosophie. Dem Gesetz tritt, wie schon in den Evangelien, das weckende und lebendige „Wort" entgegen. Der Abstand der Ehrfurcht, den die Jansenisten zwischen dem unbegreiflichen Schöpfer und den von ihm ergriffenen Geschöpfen errichten, „säkularisiert" sich im 18. Jahrhundert zur Gottferne,
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und alles Systemdenken wird zersprengt durch einen zentralen, menschlichen Behauptungswillen. Die Bedingungen und Möglichkeiten der Moralisten in diesem Zeitraum hat Schalk eindringlich gezeichnet. Wir schließen diesen Bericht mit einem Hinweis auf die zweite Auflage von Karl Voßler, „Romanische Dichter" (23). Die Kunst der Nachdichtung vermittelt dem Nichtkenner einen vollen Klang der dichterischen Bewegung durch die Jahrhunderte, dem Kenner der Voßlerschen Schöpfungen gibt sie eine Partitur zu den unvergänglichen Deutungen der romanischen Geisteswelt, die, in vierzigjähriger Arbeit entstanden, ihr Licht durch die unerforschten Regionen des Portugiesischen tragen.3
Anmerkungen 1 Vgl. auch E.Gamillscheg, Germanische Siedlungen in Nordfrankreich. I, Abh. d. Preuß. Ak. d. W. 1937, 12. 2 Vgl. neuerdings auch die Arbeit von Tr. Fuchs, La premiere poesie de Rimbaud in: Istanbul Universitesi Edebiyat Fakültesi Yayinlari II, Romanologij Semineri Dergisi I, Istanbul 1937, p. 84 ff. 3 Zuletzt „Eufrosina" in: Corona VIII (1937/38), H. 5.
Bibliographie (1) Ernst Gamillscheg, Romania Germanica. 1.—3. Bin: de Gruyter '34—36. (= Grundriß der germ. Phil. 11). 38,(2) W. v. Wartburg, Die Ausgliederung d. roman. Sprachräume. Halle: Niemeyer '36. 48 S. 6,(3) Wirtschaft und Kultur. Festschrift z. 70. Geburtstag v. Alf. Dopsch. Baden b. Wien: Rohrer '38. (4) Henri Pirenne, Mahomet et Charlemagne. Paris: Alcan '37. X, 261 S. (5) Hans H. Glunz, Literarästhetik des europäischen Mittelalters. Bochum: Pöppinghaus '37. XVI, 608 S. (= Abendland 2). 20,(6) Ad. Kolsen, Beiträge zur altprovenzal. Lyrik. Florenz: Olschki '39. 244 S. (= Biblioteca dell'Archivum Romanicum 1,27). 80 L. (7) W. Doerk, Einheimische epische Stoffe in provenzalischen Texten des Mittelalters. Halle: Niemeyer '37. (8) Erh. Preißig, Verschiebungsdynamik im franz. Wortschatz. Brunn: Rohrer '38. 302 S. (= Schriften d. Philos. Fak. d. Dt. Univ. in Prag 16). 17,(9) Walt. Mönch, Frankreichs Literatur im 16. Jahrhundert. Bin: de Gruyter '38. 333 S. (= Grundriß d. roman. Philologie. NF 5). 15,50 (10) Walt. Mönch, Die ital. Platorenaissance und ihre Bedeutung f. Frankreichs Lit.- und Geistesgeschichte. Bin: Ebering '36. XXIV, 399 S. (= Roman. Studien 40). 16,-
Anmerkungen
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(11) W. Naumann, Der Sprachgebrauch Mallarmes. Marburg: Bauer '36. XX, 230 S. (Phil. Diss. Bonn). (12) G. Anhegger, Charles Baudelaire, Phil. Diss. Zürich '37. (13) Kurt Wais, Mallarme. Mchn: Beck '38. 548 S. 16,(14) E. Starkie, Rimbaud. London: Faber Faber '37. (15) L. Barthou, Mirabeau. Mchn: Callwey '38. 430 S. 8,50 (16) S.-R. Taillandier, Heinrich IV. Mchn: Callwey '38. 551 S. 12,50 (17) W. Tritsch, Heinrich IV. Frauenfeld: Huber '38. 452 S. 6,90 (18) Xav. Comte de Courville, Jomini. Bin: Kiepenheuer '38. 343 S. 7,— (19) Alph. Nobel, Königin Hortense. Frft/M.: Soz.-Verl. '38. 251 S. 5,40 (20) P. Wiegler, Glanz und Niedergang der Bourbonen. Bin: Hobbing '38. 308 S. 8,40 (21) G. R. Hocke, Der französische Geist. Lpz: Rauch '38. 276 S. 8,50 (22) Fritz Schalk, Französische Moralisten. Lpz: Dietrich '38. 362 S. 4,50 (23) K. Voßler, Romanische Dichter. Mchn: Piper '38. 182 S. 5,-
Die Stellung des Spanischen unter den romanischen Sprachen
In der sprachlichen Entfaltung der drei romanischen Großräume — Italien, Spanien, Frankreich — haben sich verschiedene Phasen einer gemeinsamen Entwicklung abgestuft: ein Jahrhunderte währender Vorgang, mit der rhythmisch ausgreifenden Wucht seiner Verlagerungen einem erdgeschichtlichen Prozeß vergleichbar. Ihren Herd muß diese Bewegung in elementarsten Schichten des sprachlichen Lebens besessen haben. Nicht die geschriebene Sprache liegt im Ursprung des romanischen Sprechens, sondern das gesprochene Latein. Denn neben den unverrückbaren Normen der Grammatik, wie sie noch heute die Schule lehrt, gab es natürlich immer, ihr eigenes Leben führend, gesprochene Sprache! — Oder glaubt man, daß im klassischen Rom die dicke Luft der Fischmärkte durch die Perioden Ciceros zerteilt worden wäre? Je mehr nun der Schwerpunkt des Reiches von Rom auf Italien und von Italien auf die Provinzen übersprang, desto fühlbarer vertiefte sich der Abstand zwischen geschriebenem und gesprochenem Latein. Indessen wirkten rückläufige Nebenströmungen dem vollkommenen Bruch entgegen. Die bestehende Norm machte auch den nichts mehr verstehenden Sprecher im ungezügelten Drang seines Wortschwalls befangen. Es entstand ein Schwanken, das jeden Absatz zur Festigung wieder aufhob. Daher ist, richtig verstanden, dieses Vulgärlateinische eigentlich keine Sprache, sondern nur ein fluktuierender sprachlicher Zustand. Wenn ihm Charakter eigen ist, so nur der des lebendigen Widerspruches gegen die Regeln der Grammatik. Die wichtigsten Linien des Vulgärlateinischen lassen sich mithin nur in der Stoßrichtung gegen das grammatische Denken nachziehen. Neben den lautlichen Veränderungen beeindruckt zunächst vor allem der rettungslose Zusammenbruch des gesamten lateinischen Flexionssystems. In Trümmer gelegt sind die lateinischen Konjugationen, verschüttet das Pas-
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siv. Für cantatur heißt es jetzt einfach cantatum est, für cantabo vernimmt man nunmehr cantare habeo (woraus die romanischen Futura hervorgehen werden: span, cantare). Die Zerrüttung der lateinischen Deklination führt zur Einebnung aller Formen. Statt murorum heißt es zunächst einfach muros. Der Kasus obliquus (Akkusativ) übernimmt fast die ganze Erbschaft. Aber das Bedürfnis nach Unterscheidungen, der primäre Impuls jedes Sprechers, zwingt, die abgestumpften und einander angeglichenen Wortformen durch eigene Unterscheidungswörter zu ersetzen. Die Präpositionen müssen den jeweiligen Kasus zum Ausdruck bringen: de muros heißt nun der Genitw\ Und aus dem Pronomen wird der bestimmte Artikel. Außerdem tritt das hinweisende Fürwort (ille und Nebenformen) in feste Verbindung mit jedem Hauptwort von konkreter Bedeutung. So ist aus dem lateinischen hinweisenden Pronomen der grammatische Artikel entstanden, der sein charakteristisches Zeichensystem über die meisten neueren Sprachen ausbreitet. Der griechische Artikel läßt sich als das Gebot der griechischen Syntax erklären. Aber auf slawischem Gebiet wiederholt sich der Vorgang, daß eine Sprache (das Bulgarische nämlich) mit dem Verlust des Kasussystems den Artikel ausbildet, während die anderen Sprachen, die im Besitz des alten Deklinationsschemas blieben, bis heute den Artikel nicht kennen. Diese und andere Veränderungen sind bald in der ganzen Romania stetig geworden. In der Katastrophenzeit der Völkerwanderungen, durch die das Band der Hauptstadt mit den einzelnen Reichsteilen gelockert oder zerrissen wurde, sondern sich die romanischen Umgangssprachen aus dem Vulgärlatein. Während naturgemäß das italienische Lautsystem die größere Nähe Roms noch bekundete, wurde Gallien auf eigene Wege gedrängt, nachdem die fränkische Eroberung das Gebiet aus der Einheit des Reiches herausgesprengt hatte. Schon zuvor war in Gallien das Gefalle vorhanden für einen schnellen Absturz vom Kanon: es fehlten die Städte, in Spanien Haftpunkte der sprachlichen Zucht. Legionen aus den entlegensten Randgebieten wurden hinter der brennenden Grenze Roms in Bereitschaft gehalten, Soldaten und Veteranen erhielten in Gallien ihre Sitze als Hüter des Reichs, doch schwerlich als die berufenen Wächter der sprachlichen Orthodoxie. Infolge der verknappten Sklavenmärkte wurde die bisher betriebene Plantagenwirtschaft in der mittleren Kaiserzeit unrentabel. Man ging dazu über, die unfreien Arbeitskräfte an die Scholle, mit dem Anteil an ihrem Arbeitsertrag, zu binden. Lange ehe die Franken kamen, war Gallien ein autarkes Bauernland geworden. Die Verbindung mit der Metropole lockerte sich, und es gab kein Gegengewicht der kulturellen Zusammenfassung gegen die überstürzten Tendenzen der provinzialen Umgangssprache. Der fränkische
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Ansturm erschütterte sie bis in ihre Wurzeln. Man konnte soweit gehen und das Ergebnis dieser Schicksale — das Französische — ein „fränkisch artikuliertes Romanisch" nennen. Der fränkische Vorstoß hat auch das Schicksal Spaniens miterfaßt. Die in Südfrankreich wohnenden Westgoten wichen dem fränkischen Druck und suchten im Süden eine neue Heimat. Die römische Regierung bequemte sich um so leichter zur Anerkennung einer unabwendbaren Tatsache, als dieses Volk schon erprobt war durch ein langes Zusammenleben mit römischen Menschen: zuerst im Balkan und zuletzt in der Provence. Als Föderaten des Reichs erschienen 414 n. Chr. die Eroberer Spaniens. Ihre Volkszahl — 300 000 — war so verschwindend gering gegenüber den etwa 9 Millionen Iberoromanen, daß die sprachlichen Spuren nicht tief dringen konnten. Der straffe Zentralismus im westgotischen Spanien verstärkte noch die Praxis der römischen Provinzialverwaltung, und man hat Gründe zu glauben, daß auch umgangssprachlich die Hauptgebiete des Reiches ihre Einheit wahrten. Diese iberoromanische Landessprache hatte nicht die Entwicklungstendenzen, die das Französische fortriß, während Italien naturgemäß seinem ursprünglichen Lautsystem am nächsten blieb. Noch heute scheidet der sehr bald einsetzende Sonorisierungsprozeß der stimmlosen Explosivlaute die drei Sprachen: Lat., Ital.: catena aqua, acqua
Span.: cadena agua
Franz.: chatne eau
Eine Mittelstellung zwischen dem Osten und dem Norden fällt dem Spanischen auch in der Behandlung der nachtonigen lat. Vokale zu. Während Italien die Neigung hat, sie zu erhalten, verdrängt der tonangebende französische Akzent jeden Laut aus dieser Stellung. Die Spanier retten regelmäßig das unbetonte -a, und halten es sonst wie der Norden. So tritt neben die Reihe: Lat., Ital., Span.: raphanum („Rettich"), rafano, rabano
Franz.: rave
eine zweite: Lat., Ital.: saeculum, secolo antma
Franz., Span.: siede, siglo äme, alma
Die über Spanien hereinbrechenden Völkerschicksale haben eher eine stabilisierende Wirkung auf die iberoromanische Umgangssprache ausgeübt. Siebenhundertjährige arabische Fremdherrschaft bereicherte zwar den spanischen Wortschatz mit den Sachgebieten einer weit überlegenen
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Kultur — indessen war die fremde Sprache zu verwickelt und wesensverschieden, um den romanischen Lautstand, die Formbildung oder Syntax anzutasten. — Als einziges Beziehungswort gibt das Arabische die span, und port. Präposition hasta, ate „bis" (usque ad] her! — Wie zuvor unter den Goten, bilden auch jetzt die christlichen Romanen unter den Arabern die kompakte Mehrheit. Sie heißen: mozarabes. Ihre Sprache wahren sie in der Väter Weise. Die arabische Intelligenz und Führerschicht ist doppelsprachig, während den Christen, selbst in gehobener Stellung oder nach dem Übertritt zum Islam, die Erlernung des Arabischen nicht zugemutet wurde. Immerhin stand die Fremdherrschaft stark genug im Bewußtsein, um die Werthaltung der Überlieferungen bei den Spaniern zu begründen. Andererseits war die Strahlung der unabhängig gebliebenen Küstenreiche im Nordwesten noch zu schwach für eine Ausbreitung der hier beginnenden sprachlichen Neuerungen. Viel stärker blieb — zumal in der langen Zeit des Friedens und der Freundschaft zwischen Kreuz und Halbmond — die kulturelle Strömung von Süden nach Norden. Das Übergewicht der mozarabischen Sprechweise ließ die im Gotenreich bestehende Sprechweise unangetastet. Die große geschichtliche Zäsur fällt ins 11. Jahrhundert. Im Süden wurde jetzt die Lage der Mozaraber durch die neuen Herrn der Halbinsel, die fanatische Almoravidendynastie, in unvorhergesehener Weise verschärft. Im Norden festigte sich die Rumpfmonarchie, die Pelayo im Schutz der kantabrischen Berge mit den zersprengten Teilen des geschlagenen Christenheeres begründet hatte, und bereitete sich — unter der neuen Führung Kastiliens — auf die Rückeroberung des verlorenen Reiches vor. 1085 fällt Toledo, die alte Hauptstadt, in die Hände eines kastilischen Königs. Noch im 10. Jahrhundert mußte die kleine Burgenlandschaft ihre Autonomie vor dem Übermut der mächtigen asturoleonesischen Könige schützen. Zwischen dem Südrand der mit allen gotischen Reichsüberlieferungen geschwellten Rumpfmonarchie und dem umstrittenen Niemandsland eingeklemmt, hatte das straffgegliederte Volk von gemeinfreien Kastiliern seine Energien entwickelt und sich in dem Stil erzogen, der dem spanischen Wesen in Bälde seine Endform aufzuprägen bestimmt war. Zeitgenossen rühmen den ehernen Klang, das Zwingende und Mitreißende der kastilischen Mundart. Ihre größere Entschiedenheit machte den sprachlichen Schwankungen der leonesischen Sprechweise ein wirksames Ende. Der höfische Anspruch Leons hatte das Ausreifen der Volkssprache verzögert und zugleich die seltsamen Früchte eines dünkelhaften Halbwissens gezeitigt. Wie damals im Frankenreich, so war in den Amtsstuben der leonesischen Regierungsräte und Notare ein sicheres Wissen um die Schriftsprache nicht mehr
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verbreitet, sondern gewissermaßen nur noch ihr schlechtes Gewissen. Auf den beschrifteten Pergamenten erscheinen Ruinen der lateinischen Flexion, überwachsen von volkssprachlichen Lauten. Da die gesuchte Rückzugsstraße zur wirklichen Latinität versperrt ist, gefällt man sich in dieser letzten und zuchtlosesten Berührung von Vulgarität und pedantischer Erudition: ein sprachlicher Bastard entsteht, den die folgende Generation mit berechtigtem Abscheu verleugnen wird; für die moderne Philologie indessen ein wahrer Fund. Dokumente in romanischer Sprache auf dem Rückweg zum Latein sind nichts anderes als eine Art von Spiegelschrift dessen, was das vulgärlateinische Sprechen vor Jahrhunderten gewesen sein mochte! Sichtbar — wegen des unverlierbaren Vorbildes der Schrift — schwankt die leonesische Diphthongierung: neben lat. terra stellt man tiarra (die erste Diphthongstufe, bei der z. B. Rumänien geblieben ist) und tierra; neben bonu tritt entsprechend buono (wobei Italien bekanntlich verharrt) und bueno. Für beide Endformen, tierra wie bueno, findet Kastilien das Gewicht der Entscheidung. Durch diese Fixierung wird die gesprochene Sprache ein taugliches Werkzeug der schriftlichen Formung. In jeder Weise wirkt Kastilien wie das siegreiche Gegenprinzip gegen die gotisch-mozarabischen Reichsüberlieferungen. Der Sieg der kastilischen Schriftsprache geht Hand in Hand mit der Wiederherstellung der korrekten Latinität. Auch darin muß man eine der geschichtlichen Wirkungen des neuen hegemonialen Prinzips erkennen. Nur ein kastilischer König konnte es wagen, den altspanischen, durch die Erinnerung an das gotische Reich verklärten Traditionen untreu zu werden und die mozarabische Kultform durch die fränkische zu ersetzen. Ferdinand I. (der „Große"), der dies im 11. Jahrhundert durchsetzte, hat im Zuge der kluniazensischen Reform das Gespenst der kanzellarischen Mischsprache aus Spanien verjagt und damit auch die Volkssprache von falscher Knechtschaft befreit. Seit dem 12. Jahrhundert folgt die sprachliche Expansion unmittelbar der Linie des politischen Angriffs. Wie ein Keil dringt die neue Vormacht über die Meseta hinweg ins andalusische Flachland und verbreitet sich im Süden von einer Küste zur anderen. Aber das Schwert der neuen spanischen Einheit muß die ursprüngliche iberoromanische Ganzheit zerreißen. Wo der kastilische Einfluß nicht vordringt, da bilden sich auf der archaischen, von Kastilien verlassenen Basis, eigene Sprachen. Daher erklärt sich die auffallende Verwandtschaft gewisser Artikulationserscheinungen zwischen dem äußersten portugiesischen Westen und dem katalonischen Osten. Sprachliche Einwirkung ist bei solcher räumlichen Entlegenheit und dem gänzlichen Fehlen gemeinsamer Grenzen ausgeschlossen. Die westöstliche Affinität
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gibt vielmehr ein lebendiges Zeugnis der vorkastilischen iberoromanischen Spracheinheit. So ist das im Kat. obligate // (= ly) am Wortanfang (llengua, Hoc usw.) in westspanischen Dialekten gleich charakteristisch. Gemeinsam ist dem Port, und Kat. die Wandlung des vortonigen -o- in -u-. Beide Sprachen haben die Diphthongierung nicht, in die sich die kastilische Dynamik mit größter Wucht einläßt. Daher heißt es: Port.: terra Kat.: mulher feito leituga boa noite Janeiro
terra gegen Käst.: tierra muller mujer (Frau) fet hecho (gemacht, factum) lletuga lechuga (Salat) bona nit buenas noches (gute Nacht) janer enero
Fügt man noch hinzu, daß nach überlieferten Urkunden aus mozarabischem Gebiet auch hier dieselben Erscheinungen — wie heute noch im Osten und Westen — die Lautung der Umgangssprache tönten, so rundet sich das Bild einer iberoromanischen Spracheinheit, gegen die als neues Prinzip dynamischer Einheit das Kastilische durchdringt. Mit der andalusischen Landnahme im 13. Jahrhundert hatte Kastilien seine europa-spanische Mission erfüllt. Ein Ungeheures war erreicht: von Meer zu Meer das Land zur sprachlichen Einheit verschmolzen, von der nur die zerklüfteten Randgebiete des Nordens in unbesiegbarem Partikularismus abfielen und gegen die im Westen andererseits das Katalanische und das Portugiesische, unter dem Schütze einer starken Staatlichkeit, Grenzen setzten. Es war leichter, ganze Erdteile zur kastilischen Sprache zu bekehren als jene beiden urspanischen Regionen. Nur die nordfranzösische Expansion hat eine im ganzen ähnliche bedeutungsvolle Leistung vollbracht. In Italien gibt es — dank Florenz — das Italienische, aber man braucht sich nur wenige Meilen aus der Toskana zu entfernen, und schon hört Italienisch auf, die gesprochene Sprache zu sein. Der Sieg des Florentinischen hat die dialektale Vielgestalt Italiens nicht vereinheitlicht; denn niemals konnte sich hier der Schwerpunkt für die unbestrittene politische Führung Italiens bilden. Es waren die großen toskanischen Dichter, durch die sich Italien erobern ließ. In der Zeit, als Dante schrieb, dichteten jedoch die kastilischen Minnesänger am Hofe von Toledo noch in galizischer Sprache! Näher schon liegt der Vergleich mit dem Altfranzösischen, obwohl die kulturelle Geltung, die diese Sprache im hohen Mittelalter besaß, das Kastilische in den Schatten stellt. Aber die Art ihrer
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Expansion in dem ihr unterworfenen französischen Raum konnte ebensowenig wie in Spanien die Sonderhaltung der Dialekte brechen, und im Süden zog das Provenzalische ihrer Herrschaft eine unüberwindbare Grenze. Trotz der Verschiedenheit ihres Lautstandes steht das Kastilische dem Altfranzösischen — vor allem in der syntaktischen Gliederung — unvergleichlich näher als das moderne Spanisch dem modernen Französisch. Dieses Auseinanderwachsen der beiden Sprachen ist die Folge eines späteren in Frankreich durchgeführten Prozesses: der seit dem 17. Jahrhundert betriebenen Rationalisierung der grammatischen und syntaktischen Mittel. Während sich das Spanische in der ursprünglichen Fülle seiner Ausdrucksmöglichkeiten erhielt, haben die Franzosen den Reichtum ihres Wortschatzes und die Freiheit der Syntax geopfert, um das bezwingende Instrument der Logik in die Hand zu bekommen. Mit dem Charakter universaler Verwendbarkeit ebnete die französische Sprache dem französischen Geist und der französischen Macht die Wege. Das Französische ist zu einer Weltsprache geworden, während das Spanische — auch als Madrid die Hauptstadt der Welt, und wie die Italiener damals klagten, der liebe Gott zum Spanier geworden war — doch immer nur, trotz seiner unvergleichlich größeren Verbreitung im Weltraum, eine Nationalsprache blieb.
Das Problem einer spanischen Synonymik
Wenn man zu den jetzt erfreulicherweise immer häufigeren und dichteren Darstellungen der Synonymik greift, so wird man doch jedesmal durch die eigentümliche Lage dieser philologischen Disziplin betroffen. Was vor Jahren Gabelentz vorgeschwebt hatte, „eine nationale Synonymik" — das liegt heute offenkundig auf dem Schnittpunkt mancher lexikographischer und semantischer Arbeiten. Die Synonymik schickt sich an, ihre Rechte allenthalben in Anspruch zu nehmen. Eine deutsch-fremdsprachliche Synonymikreihe, wie sie der Verlag Winter in loser Folge herausbringt und zuletzt durch den vorliegenden Band 1 des langjährigen spanischen Lektors in Gießen bereichert hat, erfüllt nicht nur Bedürfnisse der Praxis, sondern erregt die größte Erwartung der Lernenden und aller um Probleme der Sprache Bemühten. Die Semantik will heute den Vorstoß bis zu dem bedeutungsverleihenden Grundakt der Sprache wagen. Eine Synonymik könnte in diesem Vorsatz ein sprachliches Weltbild entfalten. Sie hat ja das Ganze der Sprache vor sich: Sie hat die Sprache auch ganz, wofern sie sich nur auf einem kleinen Ausschnitt vollendet. Indessen hat es mit einem solchen das Ganze allseitig umfassenden Gegenstand eine besondere Bewandtnis. Die bestimmende Energie des wissenschaftlichen Fragens greift hier nicht ein, sie findet kein umgrenztes Gebiet für den Fortschritt einer Methode. Auch in der heroischen Vorzeit der modernen Philologie war Synonymik überall spürbar, im Wettstreit der Sprachen ein auftrumpfendes Argument und die selbstverständliche Mitgift der großen lexikographischen Werke, von der Crusca bis zu Menage oder dem span. „Diccionario de Autoridades" — doch konnte damals so wenig wie in neuerer Zeit die Synonymik durch eine runde Leistung von sich überzeugen. Von seinen spanischen Vorgängern findet Ruppert nicht viel Rühmenswertes zu berichten: Zumeist wird unter einem Stichwort eine bunte Reihe mehr oder weniger begriffsver-
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wandtet Wörter versammelt. Demgegenüber will seine deutsch-spanische Synonymik das Unterschiedliche jeder Bedeutung fassen. Der Name Synonymik wird offenbar jetzt auf einen anderen Tatbestand der Sprache gewendet, auf ihre unendliche Differenziertheit, während zuvor die Konvergenz der mannigfaltigen Bahnen des Ausdrucks in ein und derselben Bedeutung gemeint war. Noch Gabelentz hatte diese Art von Synonymik im Auge, als er die Sprache ein „ungeheures Wortarsenal mit unzähligen Werkzeugen" nannte, „deren immer mehrere den gleichen Zwecken dienen". Wörterbücher mit gleichbedeutenden Synonymengruppen werden ihre relative Nützlichkeit immer behalten. Die Prozesse der unterscheidenden Synonymik haben in solchen Sammlungen keinen Raum der Entfaltung, aber die Reminiszenzen, die ein Nebeneinander von Begriffen in jedem Gedächtnis aufrührt, können dem individuellen Vermögen den Antrieb des Stiles erteilen, indem die Vorzugsgesetze zur Herrschaft gelangen und die Bedeutungen ihre Differenzierung wiedergewinnen. Solche Hilfeleistung gewähren natürlich nur so durchgearbeitete Werke wie z. B. das bündige „Diccionario hispanoamericano de voces sinonimas y analogas", von Vergara Martin (1930) (bei Ruppert unerwähnt). Ihr nutzbarer Gebrauch setzt eine Herrschaft über die Sprache voraus, die eine deutsch-spanische Synonymik als Endziel vor Augen hat. So lag hier von vorneherein nur die Synonymik als Lehre von den ungleichen Ähnlichkeiten im Gesichtskreis. Ruppert konnte bei zwei seiner spanischen Vorgänger Spuren für ein solches Verfahren benützen. Eine solche Synonymik wird keine Ausdrucksmodelle zu bieten haben, sondern in den empirisch oder begrifflich verwandten Gruppen den Gegensatz der Bedeutungen ausarbeiten, falsche Analogien entlarven und den mißverständlichen Anspruch zunichte machen, der an den Schein der Bedeutungsgleichheit appelliert. So wird die Synonymik selbst von der Einsicht auszugehen haben, daß Synonyma eigentlich für die Sprache gar nicht existieren2. Im Zeichen dieser Problematik war schon die erste beachtenswerte spanische Synonymik, die Ruppert als Quelle benutzt und in seinem sehr summarischen Vorwort nennt, J. de Moras „Coleccion de Sinonimos de la lengua castellana" (1855) erschienen. In einer kurzen Einführung legt Hartzenbusch die beiden Begriffe der Synonymik auseinander. Der Tatbestand echter Synonymik sei der nicht wegzuleugnende Sündenfall aller empirischen Sprachen. Für die reine Universalsprache würde allerdings jedes Wort seine eigene Bedeutung besitzen, aber seit dem Aufbau des babylonischen Turms, d. h. seit es eine Geschichte von Sprachen gibt, erscheinen sie mit der leidigen Erbschaft der „Wortdubletten" behaftet. Dieser Einführung widerstrei-
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tet indessen Anlage und Ergebnis der Sammlung J. de Moras. In ihr hat die differenzielle Synonymik ein erstes und folgerichtiges Vorbild bekommen. Sinnverwandte Begriffe wie advertir—avisar, agradar— complacer grenzen sich jeweils ab in der gegensätzlichen Richtung ihres Bedeutens. Ruppert verwendet einige Definitionen (z. B. entero—completo] als Beispiele seiner Sammlung. Aber die wichtigste Quelle ist eine spätere Synonymik, die den skizzenhaften Versuch J. de Moras im ganzen Umfang der Sprache erweitert, für die deutsche Arbeit gewesen: Roque Barcias „Sinonimos castellanos". Wenn manche geistvolle Aphorismen, die Ruppert übernommen hat, den Charakter des schon merklich entrückten Wortguts tragen, so ist eine Richtigstellung der Erscheinungsdaten nicht überflüssig. Bei Ruppert wird nur eine Ausgabe von 1921 erwähnt — das Werk war aber schon 1870 erschienen und in posthumer von letzter Hand des Verfassers überarbeiteter Auflage 1890; dazwischen liegt das mehrbändige berüchtigte „Erste etymologische Wörterbuch der kastilischen Sprache" (1880ff.). Die Ausgabe von 1890 enthält als Vorwort eine Grundlegung für die Synonymik, die jedem heutigen Versuch auf diesem Gebiet Ehre machen könnte. Das Gespenst einer Wortkollektion wird sogleich von der Stelle gewiesen: „El vocablo es nada, no vale nada, nada significa sino en el alma cuanto es anuncio de algo que sucede en el alma del hombre. Quitemos a un vocablo su idea, y dejarä de ser vocablo, como si quitamos a un jeroglifico su misterio, dejarä de ser jeroglifico ..."
Eine isolierte Wortmonographie kann daher nichts für die Kenntnis der Sprache leisten: „Definid las voces, propuestas de una manera aislada, olvidaos de referirlas a las ordenes a que pertenecen, por mäs talento que tengäis, no hareis otra cosa que divagar."
Ein Funke von Roque Barcias konzeptistischem Geist ist auch auf die äußerst knappen und sachhaltigen Worterklärungen Rupperts übergesprungen, und zuweilen überrascht der Glanz scholastischer Begriffskunst in der ernüchterten Umgebung einer deutsch-spanischen Synonymik. So z. B. die von Roque Barcia hereingenommenen Abschnitte Nr. 18 (abominable—detestable—execrable] und Nr. 356 (aburrirse—hastiarse—fastidiarse). Eine spanische Synonymik für Deutsche hatte pädagogische Ziele: sie endet günstigenfalls da, wo die Synonymik für Spanier ansetzt, bei der Beherrschung des Wortmaterials. So stand auch die Auswahl der Wortgruppen unter einem verschiedenen Gesichtspunkt. Die spanische Arbeit konnte an die Muttersprache appellieren und paradigmatisch vorgehen, lexikalische Erscheinungen bevorzugen, in denen die Sprache gleichsam mit ihrem Den-
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ken zutag tritt. Die deutsch-spanische Synonymik mußte stoffliche Vorarbeit leisten und die materiellen Gebiete, in denen die Sprache sich abbildet, in kennzeichnender Auswahl zusammenstellen. Der äußere Rahmen war für die spanische Synonymik schon durch die früher erschienene französische von W. Gottschalk erprobt worden. Auf eine Mehrzahl fremdsprachlicher Bedeutungen wirft, jeweils eine Wortgruppe thematisierend, das deutsche Stichwort ein sammelndes Licht. Unter dem Stichwort findet man die bedeutungsverwandten Begriffe neben den gänzlich fremden Bedeutungen in der bloßen Gemeinschaft des Namens, d. h. neben Homonymien. Unter dem Kennwort Stock hat man beispielsweise den Stock zum Prügeln, das Symbol der Befehlsgewalt, Takt-, Opfer-, Spazier-, Meß-, Bienen- und Blumenstock und schließlich: stockfinster (übrigens unbefriedigend wiedergegeben durch completamente obscuro, wo doch ein span, lobrego existiert, noche cerrada usw.), über Stock und Stein. Solche Zusammenstellungen gehören als Übersetzungshilfen zum Stil der Grammatik, sie werden ja auch von den gängigen Wörterbüchern geboten. Wichtiger als die äußere Reihung sind die knappen dem spanischen Grundwort mitgegebenen Definitionen, die sich mit französischen Äquivalenten begegnen und durch eine Zitatenreihe den spezifischen Umkreis ihrer Verwendung zeigen. Die französischen Äquivalenzen — in einem Register sorgsam aufgearbeitet — mögen für manchen die Brücke vom Bekannten zum Unbekannten schlagen. Das Buch wendet sich an „Studierende und Lehrer", an Neusprachler, die zumeist vom Französischen kommen. Aber ist gerade die Rücksicht auf solche Leser bei der konsequenten Ausschaltung jeglicher wortgeschichtlichen Erklärung maßgebend gewesen? Oder liegt es an dem, daß die Wortgeschichte für die Bedeutung keinerlei klärenden Beitrag leistet? Ruppert tadelt Roque Barcia, weil er in seinem genannten Buch „sich allzu sklavisch an die Etymologie der Wörter" gehalten habe und „nicht immer darauf achtet, daß die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes sich manchmal mit der heute üblichen nicht mehr deckt" (S. VII). Es ist richtig, daß die Sklavendienste dieses Etymologen nicht nur die Sache der Synonymik, sondern den ehrlichen Namen der Philologie belasten. Aber kann der zum letzten entschlossene Dilettantismus überhaupt die Entscheidung bringen über Wert oder Unwert der Wortgeschichte für die Bedeutungslehre? Schon nach dem Erscheinen der ersten Lieferungen von Roque Barcias Wörterbuch setzte sich die spanische Wissenschaft zur Wehr (siehe darüber Costa Alvarez, „El castellano en la Argentina", La Plata 1928, S. 279), und seitdem ehrt das Schweigen der Zunft sein Gedächtnis am besten. Noch in
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der Ausgabe der Synonymik von 1890 wird pachorra „Phlegma" — man weiß nicht, mit welchem Ernst — mit pascere, pan zusammengebracht, der Faulpelz als Brotesser entlarvt. Pilo—pelo „Haar" wurzelt in piel — „Haut"! Lecho hat seinen Ursprung in Letum — „Tod"!, weswegen es abwegig sei, von einem lecho (statt talamo) nupdal zu sprechen. ]efe kommt von gerere her, don der „Herr" ist der Schenkende (donum). Aus dem englischen safe wurde zafo „sicher" übernommen. In Wahrheit liegen diese „Wurzeln" im Schwingungsbereich der Bedeutungen. Es sind ideale Zusammenhänge, wie sie auch den sog. Volksetymologien zugrundeliegen. Die Sprachgeschichte, wie sie sein müßte! D. h. ein Derivat der Bedeutungslehre. Und auf diesem Gebiet erweist Roque Barcia sein ganzes Können. Ketten je paarweise verbundener Wörter legen sich um den ganzen Horizont der Bedeutungen. In der philosophischen Kunst des Definierens läßt Barcia J. de Mora weit hinter sich und vor allem sieht er die gleichläufigen Erscheinungen der bedeutungsverleihenden Akte. So erscheint Sprache in dieser Synonymik als der überlegene Plan, der sich der Einfalt des Seienden aufprägt. Sprache rüttelt an die Dinge als Wachheit ihres Bewußtseins. Ohne Zweifel gehört der Autor der spanischen Synonymik als verspäteter Schüler in die glorreiche Reihe Quevedos, Graciäns, Bouhours' und La Bruyeres. An die „Caracteres" knüpfen Abschnitte wie docto—sabio — erudito, tonto — necio—fatuo unmittelbar an. Seine innere Zugehörigkeit zur anthropologischen Sprachbetrachtung gibt Roque Barcia gelegentlich zu erkennen, wenn er eine semantische Reihe bis in die Ausdrucksbewegung fortsetzt und für jeden einzelnen Typus das charakteristische Kennwort findet: El El El El El El
impasible insensible indolente esceptico indiferente apätico
levanta el freute se encoge de los hombros se despereza lee se sonne no se ntueve
aqui estoy jpaciencia! jbueno! jQuien sähe? iQue me importa? jPara que?
Trotz der etymologischen Schrullen, über denen zuweilen ein Irrlicht der Ironie aufblitzt, sind in der spanischen Vorlage sprachliche Vorgänge glücklich ausgewertet, vor allem in der Wortbildungslehre: Doppelformen von Adjektiven wie espanol neben hispano — griego und helenico lassen sich scheiden als Stammesattribute und Attribute der dem Territorium zugehörigen Eigenschaften (S. 58). Durative Bedeutung der Nominalsuffixe auf -ton (concepto zu conception) (S. 291). Klargelegt wird die stets nur konkrete Bedeutung der gelehrten Attributbildung mit der Endung -ifero:
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mortifero im Gegensatz zu mortal (vgl. Ruppert Nr. 570, wo mortuario — z. B. casa mortuaria — und letal — z. B. aburrimiento letal — fehlen), fructifero zu fructuoso (beide Ausdrücke gehören zu Ruppert Nr. 222, wo feraz einen zu breiten Raum hat). Eine beträchtliche Rolle gebührt für die Präzision der Bedeutungserklärung den Antonymien. Ruppert hat einige mit Glück aus Roque Barcia übernommen (Nr. 17 „alt": viejo und anejo zu joven und nuevo), doch hätte diese Linie überall kräftig nachgezogen werden dürfen. Irrtümern wie Nr. 621, wo diverso definiert wird: „lo que no es identico", ist schon in den „Sinonimos castellanos" vorgebaut durch die Gegensatzpaare: diverso— semejante, diferente—identico, vario—monotono. — Jede sprachliche Setzung bringt ihren eigenen Gegensatz mit sich. Manche Wortfiguren stehen von vornherein auf dem Gegenpol ihrer Bedeutung. Das sind die im Span, besonders häufigen Fälle der Litotes (no es despredable, auch Wendungen wie no obsta — für obstar wird Nr. 301 kein Beispiel positiver Verwendung vorgebracht), der Euphemismen (regulär = „mäßig", „nicht ganz wie es sein sollte" — einschränkend zuweilen razonable) und die ironische Spiegelschrift in den am Satzanfang emphatisch gespreizten Attributen menudo, pequeno, poco, die alle in der Bedrohung vor etwas Riesenhaftem hervorgebracht werden. Wenn schon das schwankende Fundament der Wortbildungstheorien Roque Barcias soviel brauchbaren Baustoff an die Synonymik brachte, hätte der Kenntnisstand der heutigen Sprachwissenschaft auf diesem Gebiet zu ganz ändern Erwartungen berechtigt. Schon die schlichte Scheidung der volkssprachlichen Wortgestalt von einem gelehrt restituierten Pendant (lucro—logro, capital—caudal, clamar— llamar, lignito „Holzkohle" — leno) setzt ganze Reihen von Bedeutungsdifferenzen in ein klärendes Licht und würde vor allem die Lehre vom span. Attribut, dessen Bevorzugung der gelehrten Form bis tief in die Volkssprache reicht (vgl. flamante), gefestigt haben. Es war natürlich eine Frage der inneren Ökonomie, wie weit man die Materialfülle zugunsten einer größeren Dichtigkeit des Gebotenen beschneiden wollte. Zur Raumersparnis hätten einige Ausdrücke mit ubiquärer Geltung wie agresion, aspecto, espectäculo, panorama, talamo u. a. füglich geopfert werden können. Ihren Wert erhält die Ruppertsche Arbeit m. E. durch die schon bei R. Barcia so lebendig angelegte Einsicht, daß die Bedeutung eines Worts nur aus der Kenntnis seiner funktionellen Stellung verstanden werden kann. R. verknüpft das spanische Grundwort in seinen geläufigen Verbindungen, deren Umkreis die Bedeutung umschreibt. Das gewaltsame, spekulative Ver-
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fahren Barcias konnte hier kein ersprießliches Vorbild geben. Das Pneuma der Sprache widerstrebt den begrifflichen Resultanten, die in den „Sinonimos castellanos" den Wortgrund erschließen wollen. Im einzelnen wünschte man sich manchmal präzisere Wahl des Epithetons. Bei Nr. 303 „höflich" wird zu Unrecht ein abwertender Gebrauch von cumplido „übertrieben höflich" behauptet. Dieser Bedeutung entspricht ein cumplimentero. Cumplido gehört zu Nr. 630 „vollkommen": un caballero cumplido, auch cabal, aber weniger, was R. anführt, completo caballero. Statt loco completo: loco acabado oder besser rematado. Letzterer Ausdruck fehlt und ebenso consumado: Hecho consumado ist fait accompli. — Für die drei Ausdrücke „wild" (Nr. 654) salvaje, fiero, feroz muß dreimal der Tiger einspringen. Fiero als Tierattribut ist laut „Dice. Ac." berhaupt veraltet. Mit feroz verbindet sich geläufig: un odio feroz. Die wenig lebendigen agreste, silvestre sind allzu breit behandelt — dagegen vermißt man Ableitungen von salvaje wie salvajismo, salvajada, und barbaric, barbaridad (die R. Barcia feinsinnig zergliederte) durften hier auch nicht fehlen. Das gebotene Wortmaterial wird von R. sporadisch seiner Sprachsphäre zugeordnet. Die einzelnen Sprachkreise des Spanischen (familiäre und literarische Diktion vor allem) laufen in jedem einzelnen Sprecher zusammen und werden eben darum deutlicher als sonst im Bewußtsein auseinandergehalten. Viele Redensarten und Vokabeln sind nur umgangssprachlich möglich und auch die literarische Sprache hat ihre unübertragbaren Bestände. Nr. 49 proferir gehört zur Schriftsprache, während Nr. 53 tener cara de „aussehen wie" eine familiäre Wendung ist. Innerhalb der Sprachsphären gibt es natürlich in jeder Bedeutungsgruppe gewisse hegemoniale Redeweisen, Schlüsselwörter des heutigen Spanisch, die durch die Mode in ihre beherrschende Stellung gelangten. Sie liegen schon [von sich] aus in der Atmosphäre der Gespräche und ein solches Wort braucht nicht mehr vernommen zu werden, es bedarf nur, wie ein Signal, der Beachtung. Auch in der literarischen Diktion, in der spanischen Zeitungssprache, die nichts Papierenes hat, sind solche Profilunterschiede im Wortgebrauch zu beachten. Auch hier gibt es das elektrisierende Wort, das trotz seiner zuweilen pedantisch anmutenden lateinischen Vermummung in der Fülle der Zeitbezogenheit ausschwingt. Rupperts spanische Synonymik versagt sich jede Akzentuierung des gebotenen Wortguts, so daß die Intensität eines Worts, die Kraft seiner Geltung in dieser oder jener Ebene trotz der einvernommenen Bedeutungen unentschieden bleibt, ja der Eindruck des Bestehens eines artikulierten Sprachniveaus überhaupt verwischt wird. Was die literarische Diktion an-
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geht, so trägt die Bevorzugung der Tageszeitung ABC unter allen modernen Zitatenquellen die Mitschuld an diesem Umstand. Der einstige Glanz dieser Zeitung ist seit langem verblaßt. Sie versagte sich jeden Anteil an der modernen im Raum eines Unamono und Ortega y Gasset wurzelnden und von der gehobenen Presse tatkräftig geförderten Metamorphose des spanischen Schriftstils. An der ändern Seite hielt sich R. für die Aufnahme umgangssprachlichen Wortguts zu sehr an die Topik der Wörterbücher, statt sich etwa der unschätzbaren Dienste der Sammlungen von W. Beinhauer zu versehen, wo das Sperrgut der spanischen Umgangssprache gehoben und zur Übersicht gebracht ist. Ein kurzer Streifzug durch die Ruppertsche Synonymik ist für die Bestimmung seines Standorts und seiner Nützlichkeit unerläßlich: Nr. 3. Nr. 5.
Nr. 6. Nr. 11. Nr. 13.
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Abholen: Es fehlt recoger, geläufig für „etwas liegen Gelassenes abholen". Ablenken: Zu ergänzen: despistar „auf die falsche Spur bringen". Unter desviar: desviar una cuestion; echar la conversation por otros cauces: „ablenken" (die Unterhaltung). Abneigung: Neben nicht erklärungsbedürftigem aversion, antipatia vermißt man desapego, despego. Achtung: Zu estima: acatamiento. — „Rücksicht" auch: miramiento. Z. B. Sin miramiento alguno. Ahnen: Fehlt: vislumbrar „etwas noch unbestimmt kommen sehen". — Entrever ist nicht identisch mit prever, sondern heißt „durchblicken", „herauslesen", „herauserkennen" und bezieht sich auf ein Verborgenes der Gegenwart, nicht der Zukunft. Ferner: „Keine Ahnung haben": no teuer idea (vislumbre). Alt: In schonender Rücksichtnahme heißt es umgangssprachlich nicht viejo, sondern je nach Lage des Falls entrado en anos („gesetzten Alters"), anciano („betagt"), provinziell auch fulano es mayor oder gar es muy mayor. — „Das Alter" las canas (z. B. con esas canas). — Es fehlt ferner: inveterado („alt" = „seit langem eingewurzelt", abwertend: vicios inveterados). — Für „veraltet" der Gallizismus demodado; von Wörtern: obsoleto (seltener Latinismus) oder häufiger caido en desuso. — „Das alte Lied" heißt heute umgangssprachlich oft el disco de siempre. Unter disco fehlt die Bedeutung „Schallplatte"! — Die Unterscheidung von libros antiguos und viejos ist nicht ganz genau. Es muß heißen: libros antiguos = „Bücher aus einer früheren Zeit" — libros viejos = „antiquarische Bücher" (oder de viejo, de lance) dagegen sind „durch den Gebrauch alte Bücher": libros usados.
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Nr. 22.
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Anfangen: Fehlt estrenar — „einweihen", „erstaufführen", „erstmals tragen" (estrenar un traje). Ponerse a (frz. se mettre a) — acometer. — Iniciar bedeutet vor allem „einweihen" (in einen Ritus, ein Geheimnis usw.). Nr. 27. Anmut: Andere zu erklärende Ausdrücke: desenvoltura, desgaire, desenfado, donosura. Nr. 34. Anziehen: viste de paisano, viste de militar und nicht wie R.: se viste. Nr. 37. Arbeiter: „Der Arbeitslose" als Subst. = el sintrabajo oder el parado. Nr. 39. Ärger: Das geläufige Wort ist disgusto (disgustillo, disgustado, matar a disgustos). Nr. 40. Art: Hier gibt es eine Skala mehr oder weniger abwertender (weil entindividualisierender) Wörter: de la misma calana, cepa, laya, jaez\ del mismo tipo, molde. — A este tenor „auf diese Art". Nr. 43. Aufhören: = „ablaufen" vencer, caducar. Nr. 44. Aufnehmen: Zu acoger, acogida das so geläufige acogedor (fulano es muy acogedor „sehr gastlich"). Nr. 50. Ausgang: einer Krankheit, frz. issue = desenlace (fatal). Nr. 51. Ausgezeichnet: Fehlen die modischen Schriftwörter descollante, destacado, egregio, excelso, selecto, senero und umgangssprachlich formidable, estupendo, barbaro, fabuloso (un negocio fabuloso) bestial (un traje bestial), opiparo (vom Essen una comida opipara). Nr. 55. Austauschen: Intercambio, intercambiar analog zu frz. interchanger hat sich durchgesetzt für die Begriffe intercambio intelectual, de idiomas. Recambiar = „auswechseln" der Ersatzteile einer Maschine. Nr. 71. Bekannt: Charakteristische Ausdrücke: consabido, manifiesto, patente, esta a la luz del dia. Nr. 75. Bemerken: schrift- und umgangsspr. percatarse de („gewahren"). Nr. 81. Berühmt: (fam.) es muy celebre = „er ist ein Original". Nr. 85. Bestehen auf: empenarse und schriftspr. encastillarse. Nr. 100. Bezahlen: devolver nur „zurückgeben" von einem konkreten Gegenstand. „Zurückbezahlen" = restituir, reintegrar. — Disolver una deuda ist unmöglich! Allenfalls resolver, liquidar. Nr. 107. Blenden: obcecar. — Obcecado „verblendet". Nr. 109. Blitz: chispa fam. vor allem „Gedankenblitz", „Einfall" (auch chispazo), tener chispa „Geist, Witz haben".
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Das Problem einer spanischen Synonymik
Nr. 111. Boden: Bodenlos! (das ist bodenlos! Eine bodenlose Gemeinheit usw.) heißt nicht einfach excesivo, sondern: no tiene nombre, no tiene limite, no tiene termino, pasa de la raya usw. Nr. 112. Brechen: „refrangir" (los rayos) ist kein span. Wort. Auch das von dem Dice. Ac. gebotene refringir ungebräuchlich. Dafür refractar (techn.), reverberar, reflejar, auch repercutir. — Der aus dem „Dice. Ac." übernommene fam. Ausdruck estar hecho un cascajo wäre mindestens als solcher zu kennzeichnen, ist aber weder charakteristisch noch empfehlenswert. Nr. 137. Dunkel: Sombrio = frz. ombrageux (vom Charakter adusto = „düster"). — Caliginoso (schriftspr. = „finster, undurchdringlich"), lobrego. — Tetrico = „verdüstert, verfinstert" (vom Gemüt). Nr. 139. Echt: De buena ley. — Autentico sehr häufig auch im übertragenen Sinn für das etwas vergriffene castizo: un espanol autentico = „wie er im Buch steht". — Propio, con propiedad = „stilecht". Ferner stark betontes muy: es muy aleman = „das ist echt deutsch". — Arraigado „wurzelecht". — Innato „angeboren". — La verdad escueta = „die ungeschminkte Wahrheit". — Sin empacho = „gerade heraus". Nr. 147. Einbildung: aprensiones, preocupaciones. — Obsesion „beständige Einbildung". — „Eingebildet, aufgeblasen" engreido, engallado. Nr. 181. Erleichtern: umgangsspr. geläufig desahogar. Nr. 184. Ernte: fam. es de mi cosecha — „das ist auf meinem Beet gewachsen". Nr. 188. Erscheinen: asomarse. Nr. 203. Feind: Zu rival „Nebenbuhler" emulo („ein edler Wette if er er"), competidor („Konkurrent"). Nr. 207. Feuer: foco „Brennpunkt". Nr. 218. Freigebigkeit: fehlt die typische rumbosidadl Nr. 236. Gefahr: trance (Krise einer Krankheit). Nr. 250. Geist: Hier fehlen wichtige Begriffe wie sentido commun, neben poner mientes und die interessanten volkssprachlichen Kultismen sinderesis, caletre, mollera = discrecion, discernimiento. Seso = „Gehirn", „Verstand" wird in seinem ganzen Umfang von sensus her erhellt. Die Bedeutung „Gehirn" ist eine nachträgliche Lokalisierung, die in zahlreichen Wendungen mit seso (auch sesudo = „verständig") nicht mitvollzogen wird.
Das Problem einer spanischen Synonymik
Nr. 252. Nr. 263.
Nr. 265. Nr. 282. Nr. 283. Nr. 291.
Nr. 293.
Nr. 298.
Nr. 300.
Nr. 310.
Nr. 312. Nr. 315. Nr. 316.
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Gelehrte: entendido heißt auch „sachverständig", ebenso perito, ducho, versado, experto. Geschrei: fam. chillido. — Chillar = „ein einzelner schreien", „keifen" (/wo chilles!). — „Schreiend", von Farben usw. chillante, estridente. — Gritar, grito hat durch die Falange Espanola eine gehobene Bedeutung bekommen: piden a gritos, se resuelve en el grito usw. — Vocingleria = „Geschrei" (schriftspr.) (z. B. vocingleria callejera). Gewalt: zu violencia gehören mit ihrer jeweiligen Nuance: coaccion, extorsion, desafueros, desmanes. Grenze: Dazu die Adj. limitrofe, fronterizo. Groll: „Groll hegen" = tener ojeriza. Handlung: fehlen proeza (prouesse), hazana (oft iron.), fechorta („Missetat"), gesto = „gute Tat". (Nr. 265 unter „Gebärde" zu eng gefaßt. — „Grimasse" ist nicht gesto, sondern mueca.) Haut: (fam.) arrancarle el pellejo mußte erklärt werden: „über einen Abwesenden herfallen, losziehen". — Jugarse el pellejo (= la cabeza). Zu zurrar el pellejo vgl. Beinhauer, Umgangssprache S. 150. — Desollarle vivo a uno (vulg.) auch als Drohung. Heiß: Nicht nur caluroso, auch calido wird fig. gebraucht, wie frz. chaleureux: calidos elogios, neben aplauso caluroso. „Heiße Bemühung", „Eifer": celo ardiente, ardoroso (schriftspr.). Herr: Es ist unrichtig, daß Don ,se usa sin distincion de rango'. Don Antonio legt Wert darauf, von dem senor Antonio, seinem Portier, unterschieden zu werden. — Dueno auch adj. (z. B. jes Ud muy dueno!}. — „Der große Herr" = el procer. — El senorito ist der Mann, von dem die Dienerschaft spricht. Hund: Zu perro gehört perruno wie zu can, canino. Neben dem hambre canina steht die vida perruna, auch vida perra. Viele Substantive, die lebende Wesen bezeichnen, werden adj. verwendet (vgl. dueno, cochino). Inhalt: eines Buchs = tndice (= table de matteres). „Inhaltlich" = material. Irrtum: Zu desaäerto: desatino, disparate, desatinado, disparatado (= „Unsinn"). Jugend: Zu Jugend der Plur. las juventudes = „die junge Generation" (discurso a las juventudes de Espana}. „Junggeselle" ist soltero und nicht mozo, was u. a. „noch unverheirateter Bursche" heißen kann, ferner: „Wehrdienstpflichtiger". Es fehlen Wörter wie mancebo, (mancipium), (zig.) chaval, cbavala; zagal, zagala usw.
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Nr. 322.
Nr. 325. Nr. 376.
Nr. 378. Nr. 385. Nr. 400.
Nr. 423. Nr. 432.
Nr. 442.
Nr. 452. Nr. 453.
Das Problem einer spanischen Synonymik
Kern: fig. nucleo = le noyau (ei nucleo del ejercito national), grano = „das Wesentliche"; al grano = „zur Sache!" — Für grano fam. ei. busilis: „Kern eines Landes" (Castilla, rinon de Espana ...). Kindlich vom Aussehen: aninado. Lüge: „Lügt wie gedruckt" = miente mäs que habla. Embuste ist nicht „mentira disfrazada con artificio", sondern ohne moralisches Schwergewicht, oft auch scherzhaft: „Schwindel". jQue embustero! kann man zu einem Kind sagen, niemals mentiroso. Ruppert hat Barcia mißverstanden, der durch seine Definitionen von embuste gerade diesem verharmlosenden Sprachgebrauch entgegenwirken wollte. Weitere Ausdrücke für Lüge: patrana („Lügenmärchen"), especie = „Zwecklüge" (mit Absicht in Umlauf gesetzt), dazu auch especioso, das aber nicht mehr in dem Sinn von spetiosus =· „schön" vorkommt (trotz Dice. Ac.!), falacia — „lügenhaftes Wesen" (schriftspr., etwas geschraubt). „Unglaublich!" heißt nie eso parece mentira, sondern jparece mentira! „Lügen strafen" convencer, desmentir. — Un mentis rotundo „ein glattes Dementi" (zeitungsspr.). Ähnlich desvirtuacion grosera. Macht: facultad („Fähigkeit"), resortes („Machtmittel"), virtud („innere Macht"). Mäßig: = mediocre wird gern durch Euphemismen umschrieben, wie regulär, razonable, discreto. Müssen: Diese Reihe gehört eher in eine Grammatik. Es fehlen aber die unpersönl. Ausdrücke es de rigor, fuerza, requisite; conviene, cumple usw. Opfer: „Opferbereitschaft": abnegation, espiritu de entrega, dazu die Adj. abnegado, desinteresado. Pension: Neben retirarse, „in den Ruhestand treten", von Offizieren: separado del servitio, cuerpo (= „verabschiedet"), Jubilar von Beamten. — Pensionado heißt nicht „Pensionat", wofür man internado sagt. Pension ist auch „Stipendium", pensionado = „Stipendiat". „Einmaliges Stipendium" = bolsa. Pracht: Für ostentation fehlen konkrete Beispiele wie de pura ostentation. Im übrigen zu der Sammlung entlegener Ausdrücke, die hier zusammenkommen: boato, aparato. Recht: eso no estä bien por parte suya würde span, besser heißen: Ud no hace bien en ... Rede: La conferencia = „Rede als Vortrag". Peroration „Rede i. a.", encomio — „Lobrede", diatriba = „Schmährede".
Das Problem einer spanischen Synonymik
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Nr. 465. Richten: s'adresser, briefspan. besser als dirigirse: acudir, recurrir a. Nr. 497. Scherz: fam. guasa (guason), cuchufleta, chocarreria = „grober Scherz" (zufolge Toro, Fragm. de Dice. gral. de la lengua esp. S. 67, von aragon. chocar < jocarf). Nr. 498. Schmutz: Neben sucio fehlt volkssprachliches soez in ähnlicher Bedeutung wie das viel zu breit behandelte obsceno, das sehr wenig gebräuchlich ist. Etwas schwächer torpe, das daneben die Bedeutung „ungeschickt" (= desmanado) entwickelt. Verde entspr. frz. vert, z. B.: una novela verde (studentensprachlich: picante) „schlüpfrig". Nr. 502. Schön: Hermoso, auf Frauen bezogen, gewöhnlich nur noch in dem Sinn von „stattlich". Pulcher lebt im Spanischen in dem fig. Sinn von „sauber" (un anciano pulcro). Nr. 511. Schweigsam: Es fehlen die Zwischenbedeutungen zwischen „stumm" (mudo) und „schweigend": monosilabico schriftspr. = „einsilbig", tacito = „stillschweigend" (z. B. un acuerdo tacito}, implicito = „stillschweigend vorausgesetzt". Neben mudo die gelehrte schriftspr. Wendung mutismo „das Verstummen" (z. B. der Presse über ein bestimmtes Ereignis, Unterbrechung der Korrespondenz). Nr. 512. Schwein: Unter den Namen des Schweins fehlt das gängige guarro. Außerdem ist zu unterscheiden zwischen cochinerta und cochinada, ersteres wie im Deutschen und bei R., cochinada betrifft aber gewöhnlich eine niedrige, heimtückische Handlungsweise, die einem jemand zufügt. Dagegen cochino als substant. Adjektiv „miserabel", Beinhauer, Span. Umgangssprache S. 15: por tres cochinos duros ... „für drei lumpige Taler!" — Una porqueria de heißt auch „erbärmlich klein" (por la porqueria de}. Nr. 513. Schwer: Zu pesado (lourd): pelma, pelmazo, latoso plomo „ein Bleigewicht von einem Menschen". Nr. 528. Spott: ludibrio (= escarnio). sorna = „verhaltener Spott". Nr. 550. Streit: Die zahlreichen hier aufgenommenen Ausdrücke sind einer Sichtung bedürftig. — Pendencias gibt es nur im Wirtshaus, das aus dem It. übernommene camorra in der Unterwelt. Neben einigen seltenen Argotausdrücken fehlen die so geläufigen agarrada, bronca („Scheltrede"), cisco. Nr. 592. Unfall: fracaso ist nicht la deroute, sondern echec, „Mißerfolg". Nr. 593. Unglück: Calamidad ist durch Abnutzung in seiner Bedeutung verengt und kann nicht mehr als „desgracia grande" angesehen
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Nr. 595. Nr. 625.
Nr. 627. Nr. 647.
Nr. 661.
Das Problem einer spanischen Synonymik
werden, sondern besagt nicht mehr als das deutsche Fremdwort. Zu infeliz — „armer Tropf" wäre auch die fam. Wendung es un desgraciado zu stellen, in der keine Spur von Mitleid wirkt, sondern Verachtung allein: „ein Mißratener". Unterhaltung: Fehlt charla (fam. für platica), charlar, cbarlista („Vortragsredner"). Vertrag: Hier fehlen tregua (= treue), estipulacion, concierto. Daß zum Abschluß eines acuerdo nicht mehrere gehören, sondern zwei genügen, beweist die Rede: ponerse de acuerdo. Verwandtschaft: Die Verwandten los familiäres („Anverwandten", „Angehörigen"). Weiblich: Neben femenino das elegantere femenil in ähnl. Bedeutung wie mujeril. Hembra (femina) ist durchaus nicht auf die Tier- und Pflanzenwelt beschränkt. Vgl. den pop. Ausdruck \es buena hembra! Wort: Hier fehlen: verbo (ei verbo de Cnsfo), verbosidad, verboso — „wortreich", consigna = „Losungswort", concepto — „Wort" = „Gedanke", mote u. lema — „Sinnspruch", dictamen „Urteil", topico „Schlagwort", dicho (del dicho al hecho gran trecho).
Dieser Querschnitt ließe sich natürlich nach Belieben verbreitern. Das Ergebnis wird sich nicht anders formulieren lassen als durch die Fehlanzeigen der nicht gebotenen oder unzureichend in ihrem Geltungsraum charakterisierten Ausdrücke. Andererseits ist der Ausschlag zwischen Treffern und Fehlern erheblich geringer, als wenn mit größerer Entdeckerfreude das Betreten sprachlichen Neulands gewagt worden wäre. Der Ton einer temperierten Korrektheit ist durch das Ganze gehalten. Zugleich spricht daraus freilich auch eine gewisse Unsicherheit gegenüber dem Geltungsbereich und der Wirksamkeit der jeweils zusammengestellten Synonyma. Die ausführliche Behandlung allbekannter oder aus anderen Sprachen in gleicher Verwendung leicht zu erschließender Ausdrücke erweckt den Eindruck, daß die spanische Sprache von der Seite ihres geringsten Widerstands erschlossen werden soll. In der Tat wird man in diesem sorgsam und gediegen durchgearbeiteten Wortmagazin nicht fehl gehen. Aber eine sichere und zielbewußte Führung wird man ebenso vermissen. Ungeschieden steht das eine neben dem anderen. Intensität, Frequenz und mittegebende Bezugskraft eines führenden Worts ist nicht abgehoben von den sterbenden oder verblaßten oder denen, die niemals außerhalb der dünnen Luft der Vokabulare ein rechter Leben führen durften.
Das Problem einer spanischen Synonymik
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Die Zurückhaltung in der Aufnahme von sog. Amerikanismen und reinen Argotausdrücken ist dem Zwecke des Werkes entsprechend verständlich. Die gänzliche Abwehr gegenüber allen Neologien der modernen technischen oder technisierten bzw. an die Technik anempfundenen Lebensbereiche hat den Platz für eine Menge wertbeständigen Wortguts erhalten. Dennoch hätte sich eine kleine Konzession hier gelohnt. Während die meisten ändern Sprachen sich willig auf die Konventionen der über den Erdball gehenden Gebrauchsbezeichnungen einlassen, hat das Spanische hier seine eigene Würde gewahrt und seine Baugedanken gerade in der kräftigen Umformung dieses angeschwemmten Materials geoffenbart: man denke nur an solche Bildungen wie autopista, alquitranadora, autogiro, hacienda, paracaidista usw. Sprachlichen Nutzen können solche Beiträge natürlich nur stiften, wo eine Synonymik an den Gesetzen der Wortbildung orientiert ist. Ein Buch, das sich dergestalt in die Mitte einer Sprache versetzt, wird unfehlbar vielseitige Reaktionen auslösen, wenn es nicht gerade von vorneherein autoritäre Geltung beansprucht. Oft ist es das Schicksal der lange erwarteten Werke, daß sie statt dankbar hingenommen zu werden nur neue Gelüste erregen. Und vielleicht ist das nicht die geringste Leistung, die sie vollbringen.
Anmerkungen 1 Siehe Richard Ruppert y Ujaravi, Spanische Synonymik. (Winter) Heidelberg 1940. 637 S. 8°. 2 Das ist auch die Ansicht von P. Martin Abellän gewesen, dessen z. T. scharfsinnige Unterscheidungen („Ortografia, Homologia y regimen de la lengua castellana". Madrid.) R. leider unbekannt blieben. I, 25 zufolge wäre das Vorhandensein gleichbedeutender Sprachzeichen ein „lujo absurde que ninguna lengua se ha podido permitir jamäs".
Spanien — wehrhaft Ein Lesebuch für den Sprachmittler
Vorbemerkung In den vorliegenden Übungstexten ist hauptsächlich von der spanischen Wehrmacht die Rede. Mit der besonderen Zielsetzung ergab sich auch ein besonderer Gesichtspunkt der Auswahl — doch sollte damit keine spezialistische Schranke gegen den nichtmilitärischen Leser aufgerichtet werden! Maßgebend war vielmehr für die Gestaltung des Heftes die Ansicht, daß auch der Spezialist, der Sprachmittler „in besonderer Verwendung", den unerläßlichen technologischen Wortschatz nur durch die Kenntnis der sprachlichen Baugesetze meistern kann, und daß zum Einblick in ein Teilgebiet die übergreifende Schau über die Lebensvorgänge im ganzen Raum der Nation gehört. Eine zulängliche Vorstellung der spanischen Wehrmachtsverhältnisse läßt sich allein aus dem Ausschnitt der Spanienkunde gewinnen. Für die heutigen Verhältnisse gilt im selben Maß die Umkehrung dieser Behauptung: ohne die Würdigung des entscheidenden Beitrags der Armee bleiben die spanischen Verhältnisse für jede Betrachtung undurchdringlich. Wenn Salvador Madariaga vor Jahren in seinem ausgezeichneten Spanienbuch die verhaltene und hintergründige Rolle des Heeres im Kräftespiel der spanischen Politik hervorhob, so ist durch das Drama des Bürgerkriegs diese vordem hinter einer liberalen Fassade verborgene Dominante vollends in Erscheinung getreten und zur absoluten Verantwortlichkeit auf die Neuordnung des nationalen Lebens verpflichtet worden. In Deutschland ist die Kenntnis dieser Zusammenhänge wenig verbreitet. Überblickt man zum Beispiel die nicht sehr zahlreichen Anleitungen für die militärischen Dolmetscher, so wird man immer wieder durch eine auffallende Lücke betroffen. Auf die spanischen Verhältnisse pflegen sich diese Führer meist gar nicht einzulassen. Und doch kann eine sinngemäße Verwendung des spanischen Sprachschatzes natürlich nur von dem Ort seiner ursprünglichen Geltung her erfolgen. Erst die sprachliche Vertrautheit mit den spanischen Ein-
Vorbemerkung
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richtungen kann dazu befähigen, den annähernden Gegenwert auch in der Bezeichnung der deutschen Verhältnisse zu treffen. Selbst wo es sich lediglich um die Wiedergabe technischer Neubegriffe handelt, bleibt das Einbürgerungsverfahren der bloßen Übernahme sprachlicher Fremdkörper in das heimische Formen- und Lautsystem ein Notbehelf. Nur gezwungen erkennt ihn die Sprache an. Man wird immer wieder gewahren, wie sie nach dem ihr vertrauten, ursprünglichen Feld der Benennung zurücktastet. Die Versuche des Sprachpurismus sind nichts anderes als ein bewußter Rückgang in der unwillkürlich von der Sprache eingeschlagenen Richtung. Um gleich ein Beispiel zu nennen: In der Zeitschrift „Escorial" ist jüngst der Vorschlag aufgetaucht, die gesamte Terminologie des Winterkriegs (in den sich bekanntlich die „Blaue Division" verstrickt sah) der Mundart einer nordwestspanischen Gebirgslandschaft zu entnehmen, beispielsweise das bisher gebräuchliche germanische Lehnwort esqui „Schneeschuh" durch ein regionales Erbwort barayon; esquiar „schifahren" durch entsprechendes abarayonar zu ersetzen. Vermutlich wird die Breitenwirkung des nordischen Wortes den enggebundenen spanischen Regionalismus nicht mehr aufkommen lassen. Die bewußte Sprachbesinnung kommt fast immer zu spät, doch verschlägt das nichts an der methodischen Richtigkeit ihrer Orientierung, die dem spontan von der Sprache eingehaltenen Weg nachgeht. Andere spanische Idiomatismen, wie z. B. alza, alferez, mando, haben sich gegen die in den ändern Sprachbereichen durchgedrungene Bezeichnung (Visier, Leutnant, Kommando) behauptet. Wieweit sich im übrigen ein regionaler Ausdruck in der Art von barayon noch nachträglich durchsetzen läßt, das hängt natürlich von der Lebenskraft und dem Verbreitungsradius der durch ein solches Wort angezielten Gegenstandssphäre ab. Sprach- und Sachforschung sind eben unlöslich miteinander verkettet. Übersetzen ist daher nicht einfach ein Umbenennen eines unverrückbaren Gegenstandes, sondern das Umdenken des Gemeinten aus einer Gegenstandssphäre in die andere. Dieser Einsicht suchen die jetzt immer zahlreicher erscheinenden Anthologien mit landeskundlichem Inhalt gerecht zu werden. Doch wird dabei die sachliche Bereicherung zumeist durch eine gänzliche Verkümmerung des sprachlichen Übungszweckes erkauft. Gewöhnlich muß man mit Übersetzungshilfen vorliebnehmen, die jede Schwierigkeit geschwind überbrücken und dem Sprachbeflissenen die eigene Überlegung abschneiden. Sollte man nicht gerade an den Gefahrenpunkten einer Übersetzung den Sprachverstand üben? Diese Mängel konnten bei der Knappheit des gesteckten Rahmens nur ansatzweise behoben werden. Ein tieferes Eindringen in das Wehrwesen erleichtert die „Spanische Militärbibliographie" (S. 66—70), in der Erschei-
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Spanien — wehrhaft
nungen bis zum Jahr 1941 berücksichtigt sind. Veröffentlichungen jüngeren Datums findet man regelmäßig angezeigt in der Monatsschrift der spanischen Wehrmacht „Ejercito" und in der „Revista de Bibliografia Nacional" (Madrid, 1940ff.). Eine Stellung für sich beansprucht der Abschnitt 15, S. 71 ff. „Zur älteren Geschichte des spanischen Heeres", der die bibliographischen Versuche aus älterer Zeit ergänzt und durch die deutsche Standortsanzeige seltener Werke des 16. und 17. Jahrhunderts der Spanienkunde z. T. überhaupt erst zugänglich macht. Den dringenden Wunsch nach einem bibliographischen Führer durch das Labyrinth der modernen Spanienkunde wird der Verlag in einem zweiten, in Vorbereitung befindlichen Heft erfüllen. Stoffliche und sprachliche Anregung für eine fortlaufende Beschäftigung mit allen Problemen und Gegenständen der spanischen Sprachvermittlung gewähren die monatlich erscheinenden „Sprachmittler-Studienhefte" (von 1942 an als Fortsetzung der seit Anfang 1941 von der Reichsfachschaft für das Dolmetscherwesen herausgegebenen „Dolmetscherbereitschaft"). Ein phraseologisches Wörterbuch der spanischen Militärsprache, das hier angegliedert werden sollte, mußte wegen seines Umfangs einer gesonderten Veröffentlichung vorbehalten bleiben. Dagegen fand ein „Wörterverzeichnis zur Stilsprache von Falange Espanola" S. 42 ff. Aufnahme. Die letzte Aufklärung über die Herkunft dieses oft manieristisch anmutenden Wortgebrauchs setzt eine gewisse Kenntnis der neueren spanischen Geistesgeschichte voraus. Wenn damit ein Vorgriff auf den in dem angekündigten zweiten Spanienheft vorgesehenen Überblick gewagt wurde, so geschah dies hauptsächlich, um den Lesern der heutigen spanischen Zeitungen die größten Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Denn die Phraseologie von Falange dringt im täglichen Umlauf der Presse durch die spanische Welt. Das sprachliche Niveau, der oft hochgeschraubte Stil einer in literarischen Anspielungen und Erinnerungen verschlungenen Diktion muß jeden fremdsprachigen Leser in Erstaunen setzen. Die Presse greift offenbar ganz anders als irgendwo sonst in das Kulturleben der Nation. Ihre Aufgabe ist grundsätzlich anders gestellt als in den Ländern mit weiter fortgeschrittener technischer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Spezialisierung. Schon vor zwei Jahrzehnten hatte Rudolf Grossmann ein spanisches Übungsbuch aus Zeitungsausschnitten verfertigt und sich dabei auf den „Spiegel der Volksseele" berufen, den er in der spanischen und südamerikanischen Presse zu finden glaubte. Tatsächlich ist diese Presse, mehr als ein Spiegel, die Vorhut zur Sammlung der zukunftweisenden Werte. Oft ist sie bahnbrechend vorangegangen, um eine neue Wahrheit zu erproben, um einem schwierigen Gedanken oder einem uneingeführten Denker die Schwingen ihrer Popularität zu leihen. In der kontinentalspanischen Presse fordert
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heute das Weltbild der Falange Espanola Gehör: Der gespannte Wille zu einer neuen Stilisierung des gesamten spanischen Daseins greift zu den gewagtesten Formulierungen, die keine Akademie ermächtigt und die in der Umgangssprache keinen Widerhall haben. Der Erfolg scheint aber darunter keineswegs zu leiden, sondern, nach der Behauptung der „Libertad" von Valladolid („Periodismo nuevo" 6 III, 1942), alles in den wahlverwandten mitteleuropäischen Nationen Erreichte in den Schatten zu stellen: „En la vida del periodismo no se ha dado el caso de una Prensa que, habiendo nacido en la mäs absoluta de las inopias dinerarias y con toda la demäs Prensa hostigando a sus flancos, avanzase como la Prensa nacional-sindicalista en tan escasos anos a hegemonizar las rotativas y la avidez de los publicos. De decenas subio a millares la tirada en dos lustros. Es una leccion de vitalidad desusada. Hoy la Falange cuenta con la mäs poderosa empresa periodistica del mundo. Ni el nacional-socialismo ni el fascio italiano nos alcanzan. Sin pretender desorbitar la importancia de semejante hecho, cabe deducir de el esta consecuencia: La Falange tiene en su mano el arma mäs poderosa y apta para rendir la fortaleza de la indiferencia ..."
Der Anspruch der sprachlichen Neutöner stößt aber nicht nur an die Grenze der Indifferenz, an jene „staatsfreie" Zone, in der sich die Sprache der Individuen bewegt und nur noch mittelbar durch eine politische Diktion dieser Art beeinflussen läßt — auch innerhalb des Staatlichen hat sie mit konkurrierenden, durch die Überlieferung besonders verfestigten Sprachgebräuchen zu rechnen. Die Knappheit militärischer Rede versagt sich dem Aufschwung der politischen Rhetorik, und die spanische Amtssprache fährt unbeirrbar fort, in den Schlingen ihrer Gerundialkonstruktionen die Tatbestände zu fassen, oder die Täter zu überführen. Das gesprochene Spanisch zerfällt in eine noch viel größere Anzahl von Sprachen, die nicht schichtenweise auseinanderliegen, sondern sich alle im Sprecher überschneiden. Der nationale Sprachstil läßt sich nur auf dem Schnittpunkt von nationalen Stilsprachen begreifen. Eine solche Feststellung hat für den Übersetzer und für den mündlichen Sprachmittler ihre besondere Bedeutung. Sie wird auf den folgenden Seiten nicht unberücksichtigt bleiben, doch liegt eine systematische Darstellung außerhalb dieses Gesichtskreises. Das Anliegen dieser Veröffentlichung wäre schon erfüllt, wenn der besondere Gegenstand in der ganzen Weite seines Gebiets sichtbar würde. Die brennenden Probleme des heutigen Spaniens müssen ebenso an den Horizont eines militärischen Sprachmittlers geraten, wie auf der ändern Seite die spanische Landes- und Kulturkunde die Kenntnis der spanischen Heerestradition und ihrer seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wieder bestimmenden Wirkung fordert. Diese Einflüsse machen sich in einer wesentlich
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Spanien - wehrhaft
anderen Richtung als etwa in Deutschland oder sonst einem modernen Militärstaat geltend. In Jahrzehnten der inneren Zerrissenheit blieb dem Heer die undankbare und mit wechselndem Glück gespielte Rolle überlassen, bald nach rechts, bald nach links die Kontinuität des ständig bedrohten spanischen Staatsgedankens zu verkörpern. Eine solche Rolle konnte nur verantwortet werden, weil in den Augenblicken der Krise der Appell an die ungebundene Volkskraft niemals ungehört verhallte. Spanien hatte (von der unheilvollen Verwicklung mit den Vereinigten Staaten, 1897/98, zu schweigen) außerhalb Afrikas keine äußeren Kriege zu führen. Dafür wurde die spanische Landschaft zum Schauplatz einer beständigen Kriegführung. „Unsere Landkarte ist keine geographische Karte, sondern der strategische Aufriß einer unendlichen Schlacht. Unsere Berge sind Schützengräben, und darum von Bäumen wohlweislich entblößt. Was wir Friede nennen, ist hierzulande etwa wie die Kälte in der Physik, ein negativer Zustand, das Ausbleiben der Wärme, der Stillstand des Krieges."
So schildert Perez Galdos den Zustand der spanischen Seele in der Zeit der karlistischen Bürgerkriege des 19. Jahrhunderts. Und Angel Ganivet, der heute als Seher verehrt wird, hatte 1897 das soldatische („guerrero") Wesen des spanischen Menschen beleuchtet: „Espana es por esencia, porque asi lo exige el espiritu de su territorio, un pueblo guerrero, no un pueblo militar."
Unter diesem Gesetz trat das spanische Heer bei jeder entscheidenden Krise in jene spontane Volkskraft zurück, die den individuellen Stil einer Kampfesweise zu den höchsten soldatischen Leistungen zu steigern vermochte. Bis zu einem gewissen Grad war diese Probe auch noch im letzten Bürgerkrieg zu erbringen, wennschon die Gesetze des technisierten Krieges sich nunmehr unabweisbar aufdrängten. In einer Bürgerkriegschronik von 1937 konnte Fr. de Cossio den Beitrag des Heeres noch ganz im Sinne der organisierten Volksbewegung festlegen: „Siempre que Espana ha reaccionado con un aliento liberador, en aras de la integridad de su sentido historico y su independencia, se ha ofrecido al mundo como un pais en armas ... Cuando ha faltado la potencia por falta de motivo o de oportunidad, ha surgido el motin o el pronunciamiento, y de este modo la hora solemne en nuestra historia se ha revelado por la unanimidad en el impulso, alzändose el pueblo en masa ..."
Inwieweit es nunmehr dem neuen Staat gelingt, die Bürgerkriegssituation von innen heraus zu überwinden und die Kraft seiner Wehrmacht für die Stärkung seiner äußeren Stellung frei zu bekommen, das ist die Schicksalsfrage Europas an Spanien, und Spanien weiß sich für eine nahe Zukunft zur Antwort gesammelt.
Caudillo
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Caudillo von lat. capitellum „Führer, Heerführer". Lat. caput ergibt span, cabo [...] und das daraus gebildete dim. cabecilla heißt „Häuptling". ]efe stammt von frz. chef, was wiederum auf caput zurückgeht. Gegenbegriff zu Caudillo: Cacique (aus dem Karib.) „Bonze, der alle politischen und wirtschaftlichen Machtmittel einer Region vereinigt, ohne die Verantwortung zu tragen". Der Kampf gegen den caciquismo steht in Spanien schon lange auf allen Parteiprogrammen: Erst Primo de Rivera machte einen ernstlichen Versuch, das Übel auszumerzen. In der Zeitschrift „Espana", 1922 (322,10) wird der cacique definiert: „Es el hombre que se apodera de una institucion politica o de un organismo administrative, y le hace servir a sus fines y a su provecho ... es el parasitismo, por virtud del cual se enquista en los principales organos y centres de actividad de las sociedades, y all! absorbe las energias colectivas ... La mayor dificultad para distinguirle estriba en su apariencia, igual a la de un hombre cualquiera; es precise observarle algun tiempo para poder calificarle."
Zum Ausgleich seines Eigennutzes gefällt sich der c[acique] in der „exaltacion de sus virtudes domesticas: nadie mejor esposo, ninguno mejor padre." Die Erscheinung des cacique war den spanischen Verhältnissen eigentümlich: Die Differenzierung des wirtschaftlichen Handelns ist hier nicht so weit fortgeschritten wie im übrigen Europa, so daß eine geschickte Hand viele Fäden vereinigen kann. Es herrscht nicht das Monopol der Spezialisten, sondern ein Personalismus, die Auslese der bedenkenlosen Machtgier. Gegen den organisierten Eigennutz des caciquismo (der sich wie ein unsichtbares Netz über ganz Spanien ausbreitete) erhebt sich das nationale Gewissen in dem Verlangen nach einem Führer über alle spanischen Abgründe. Besonders nach der Niederlage im Kubakrieg (1898) drängt sich alle Besinnung in diesem Wunsch zusammen: „Este, precisamente este, o jamäs lo hubo en la vida, es el momento para Espana de la aparicion de un hombre, del hombre historico, del hombre genial, encarnacion de un pueblo y cumplidor de sus destines" (Macias Picavea).
Ähnliche Stimmungen gehen durch die Werke von Ganivet und Unamuno, der führenden spanischen Geister. Auch Ortega y Gasset sah die Aufgabe einer autoritären Führung, aber zugleich das spanische Erbübel in der Unfähigkeit seines Volkes, eine selecta minoria zu bilden und zu tragen. Ortegas Gedanken erreichten auf vielen Wegen, vor allem durch den Kanal der Presse, das Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit. Es ist die Haltung,
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Spanien — wehrhaft
aus der ein populärer Schriftsteller wie Jose Bergua 1934 das tragische Scheitern der Diktatur Primo de Rivera begründen möchte: „El verdadero caudillo espanol debiera de haber sido ... un caudillo de caudillos (weil die Masse der Beherrschten eine Masse von Herrschern wären) y de haber existido efectivamente (und wenn es ihn wirklich gegeben hätte) se hubiera gastado, se hubiera inutilizado antes de alcanzar la jerarquia definitiva."
Dieser pessimistischen Auffassung tritt die jüngere, etwa um 1900 geborene Generation der Gründer von Falange Espanola entgegen, mit dem Glauben an die spanische Sendung. Gimenez Caballero, ein abtrünniger Schüler Ortegas, will in seinem „Genio de Espana" dem erneuerten Spanien sein Vademecum geben: Stolzes Geschichtsbewußtsein soll in dieser unbeschwerten Jugend das Instrument für ein neues Reich (impend) gefunden haben. In dem ersten nationalsyndikalistischen Bund der JONS (Junta de Ofensiva Nacional Sindicalista, 1932 von Ledesma Ramos gegründet) war von keinem Caudillo die Rede, da die bündische Kraft gerade in dem spontanen Zusammenschluß wirkte. Jose Antonio Primo de Rivera, dessen Falange Espanola die JONS 1934 aufsog, sieht in der milicia, im Wehrverband, die Zelle des neuen Staates, „una necesidad ineludible de los hombres y de los pueblos que quieren salvarse, un dictado irresistible para quienes sienten que su Patria y la continuidad de su destine piden en chorros desangrados de gritos, en oleadas de voces imperiales e imperiosas su encuadramiento en una fuerza jerärquica y disciplinada bajo el mando de un jefe, con la obediencia de una doctrina, en la accion de una sola tactica generosa."
Der Jefe wird benötigt als Werkzeug der Selbsterziehung des Bundes. Er ist noch nicht, wie es 1938 die Zeitschrift FE ausdrücken wird, im Genuß eines schrankenlosen Willens, der nur sich selbst eine Grenze geben kann und dadurch Partei und Bewegung erst möglich macht, d. h. indem er sie zuläßt: „Pero esta voluntad limitativa es justamente la razon de existir (der Daseinsgrund) del Movimiento, del Partido y de su Doctrina."
Der Caudillo steht also nicht innerhalb der Bewegung, sondern außer und über ihr. Als der Retter Spaniens hat er die razon de existir für die Bewegung erkämpft. Die überragende Stellung Francos ist im Parteiprogramm nicht verankert. Sie entstand aus der Notwendigkeit, den Raum für die Verwirklichung der Lehre überhaupt erst zu gewinnen. Zu diesem Zweck mußten die gegensätzlichen Kräfte im nationalen Lager gebunden werden, was nur die zwischen Traditionalisten und Falangisten ausmittelnde Autorität des parteilosen Feldherrn und Caudillo vermochte. Er gibt
Quinta columna
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der Partei die rote Baskenmütze der Karlisten (Traditionalisten) über dem blauen Falangistenhemd, so wie der Name — nach Art der spanischen Familiennamen — die verschiedenen Züge ihrer Herkunft verbindet: FE Tradicionalista y de la JONS.
Quinta columna Im russischen Bürgerkrieg 1918 kämpfte die fünfte revolutionäre Armee bei Kasan gegen die Zaristen. Die Kämpfer dieser Gruppe blieben auch nach Abschluß des Krieges in Fühlung und bildeten einen Kern der Opposition. Fünfte Kolonne wurde dann zum Sammelbegriff für die Zersetzungstätigkeit der Trotzkisten und Anarchisten, wie in Rußland, so im spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Volksfrontregierung. Schließlich wurde das Wort für die bewußte innerpolitische Unterwühlung eines Landes durch die feindliche Spionage verwendet. Die Nationalisten nahmen in Spanien das Stichwort auf. Als General Mola die Meldung erhielt: jCuatro columnas contra Madrid!, ergänzte er: La quinta, la tenemos en Madrid. Die sechste Kolonne ist eine Gelegenheitsschöpfung im Lager der Linken für Dissidenten, die nicht bis zum Verrat gingen. Die nationale Presse machte sich über dieses von Prieto erfundene Wort lustig: „Antagonismos politicos, terriblemente perjudiciales en estas circunstancias, y a cuyo corrosivo ha dado en denominarse, con gran justeza, la Sexta Columna."'
Dieselbe Presse erwähnt auch eine neuartige quinta columna^ von der sich der Feind bedroht fühlte: „Esa Quinta columna no la componen soldados, ni falangistas nisiquiera hombres. La compone el agua que a torrentes cae del cielo y la que desborda los rios, inundando huertas y campos."
Politische Ideologie: Imperium und Hispanität [...] Mit den neuen politischen Losungen ist Sprache und Stil der Falangistenbewegung durchgedrungen und hat, dank ihrer größeren Spannungskraft, die Ideen des traditionalistischen (karlistischen, konservativen) Anhangs aufgesogen. Literarische Einflüsse der Nachkriegszeit, das Vorbild der aufwühlenden Denksprache Unamunos und der alle Denkstile ver-
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Spanien — wehrhaft
schmelzenden Sprachkunst des Philosophen Ortega y Gasset, die Wiederentdeckung der barocken Lyrik Gongoras, die Kühnheit der Futuristen, all diese Elemente wirken in der Gegenwartssprache von Falange espanola. 'Wortverzeichnis zur Stilsprache von Falange espanola Abkürzungen: Rub. D. = Rüben Dario, aus Nicaragua (Dichter der „Hispanität", 1867 bis 1916). - UN. = Miguel de Unamuno. - O. = Ortega y Gasset. — Gim. Cab. = Ernesto Gimenez Caballero. — JA. = Jose Antonio Primo de Rivera. — OR. = Onesimo Redondo. — JAP. = Juan Aparicio. — R. = Dionisio Ridruejo. — GONG. = „Gongorismus" (Stileigentümlichkeit Luis de Gongoras [gest. 1627], die schon von den Zeitgenossen vermerkt wurde. Gongoras preziöser und latinisierender Stil hat die größte Wirkung auf die gehobene Sprache der spanischen Gegenwart erlangt, vor allem auf Ridruejo). Die übrigen Belege stammen aus „Haz", „Escorial", „Jerarquia", „FE", aus „Arriba", „Solidaridad Nacional" und anderen Tageszeitungen. acechante Enemigo todavia acechante. „Der Gegner auf der Lauer" (Vorliebe für lat. Partizipia wie amenazante, anhelante, candente, ejemplificante, purificante, riente, saltante, sonante, vergonzante, vigilante). actitud Actitud ante la vida — „Haltung". — Permanente actitud de servicio. — Es hora de actitudes ciaras y rotundas. actuation „medida". — Norma de actuaciones inmediatas. actuante „wirkend". — Voluntad actuante de la Espana de Franco. afirmaciones „Thesen, Forderungen der FE-Bewegung". — Adaptar esas afirmaciones doctrinales a la actuation de cada dia. (OR.) — Un llanto sin aplanamiento rigurosamente levantado e afirmaciones de lucha. (R. anl. der Trauerfeier um den gefallenen OR.) — Un patriotismo de robusta fe y henchido de afirmaciones constructivas. (OR.) — Afirmacion audaz y rotunda. aleccionamiento „Unterweisung". Die Parteilehre („Dogma") wird wie ein Katechismus gelehrt. Aleccionamiento de nacionalsindicalismo. alegrarse, alegro, alegria „Grundstimmung der Falange, im Sinne ihrer mystischen Hoffnung auf die Erneuerung Spaniens": Si morimos y nos sepultan en esta tierra madre de Espana, ya queda en vosotros la semilla y pronto nuestros huesos resecos se sacudirän de alegria, y haran nacer flores
Wortverzeichnis zur Stilsprache von Falange espanola
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sobre nuestras tumbas cuando el paso resuelto de nuestras Falanges nutridas nos traiga el buen anuncio de que otra vez tenemos a Espana. (JA.) — Alegria imperial. — Por la alegria la claridad del orden nuevo. — Hay que entregar a Espana a su propio genio, para que la fecunde, la temple y la alegre. (JA.) — En vigilancia tensa ya presentimos el amanecer en la alegria de nuestras entranas. (JA.) — asi dice el Mandato que canto la alegria: l Alegrate en tus huesos, y tendräs carne joven, / Alegrate en tus huertos y tendräs nueva vida / Alegrate en tus secos silogismos / tendräs versos epicos y alados. / Alegrate y tendräs la Audacia y la Locura / Para tener razon en este siglo. (J. M. Pemän, „La Bestia y el Angel", p. 184.) — Ausgangspunkt für die Sinngebung von alegria für die spanische Erneuerung war der mit Jubel begrüßte und später bald enttäuschende Tag der zweiten Republik (14. IV. 1931). Hierüber JA.: „Como todas las alegrtas populäres era imprecisa, no percibia su propia explicacion; pero tenia debajo como todos los movimientos populäres muy exactas y muy hondas precisiones. La alegria del 14 de Abril, una vez mäs era el reencuentro del pueblo espanol con la vieja nostalgia de su revolucion pendiente." amabilidad als reaktionärer Unwert iQuien ha dicho que el supremo valor sea la amabilidad'? (JA.) — Desde luego no es seuista la amabilidad. — Rodeado de una amabilidad esteril, en la que un resto de educacion liberal pretende adormecernos. (HAZ) ambicion
(eigentl.: „Ehrgeiz") „Ziel, Vorsatz" (GONG.)
amenazante „bedrohlich" — Rusia eternamente amenazante (im Gegensatz zum klassischen Stilgesetz ist in der heutigen Prosa eine Konsonanz wie obiges eternamente amenazante nicht selten). angustia „Sorge". — Modewort, aus der deutschen Existenzphilosophie nach Spanien gelangt. — Angustiados y resueltos a la maxima oblacion por la Patria. (JAP.) — Una angustia y un jubilo dentro de sus entranas. (JAP.) — Sufre con las angustias del mundo. (Rub. D.) aportar, aportacion „Beitrag, Einsatz" (neues Verhältnis des Einzelnen zur Gemeinschaft). — Aportar sus genios. — Aportaciones simbolicas. apretar las filas
„die Reihen dicht schließen".
ardiente „begeistert". — Vuelva el espiritu ardiente. /Asi los manes heroicos de los primitivos abuelos, / De los egregios padres que abrieron el surco pristino. („die frühe Furche durch den Ozean", das heißt die Entdekkung Amerikas. Rub. D.)
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ardoroso
Spanien — wehrhaft
„eifrig, begeistert".
larriba Espana! das abgegriffene jViva! wird durch dieses Wort ersetzt. JA. sagte, Spanien müsse den Sprung über die Gegensätze wagen: saltar por arriba. Die Vertikale [ist] die Lebensrichtung des Falangisten, daher die Vorliebe für Ausdrücke wie erecto, erguir, vertice. astrologia
vgl. orto
austero „ernst, verantwortungsbewußt". Austero recuerdo („zum Ernst verpflichtendes Gedächtnis"). — Vida exaltada y austera (R.). — Acervos (= patrimonio) de abnegada austeridad (das Gegenmotiv zu alegria). autentico „echt, bodenständig". — Autentico revolucionario. — Autenticidad revolucionaria y falangista. — La Universidad, organo de autentico rejuvenecimiento. — Gargandoles sangre autentica en las entranas de la vocacion. azul In neuer Verwendung zunächst aus dem dichterischen Symbolismus. La mano azul del viento va entre ellas. (Valle Inclan). — Yo soy aquel que ayer no mäs decia / Que el verso azul y la cancion profana. (Rub. D.). — Para nosotros todo el azul (Jose Maria Peman). — La alborada de este nuevo amanecer espanol esta esmaltada con notas de la sinfonia azul. Azul en el cielo, estimulo de nuestros ideales y compendio de nuestra fe ... y azul en Falange ... canto azul, saludo de la construccion y armonia ... (E. Perez Hervada 1937). — Blau ist bekanntlich das Falangistenhemd. cadete jahr.
Angehöriger der Jugendorganisation von FE bis zum 18. Lebens-
camaraderia y hermandad, como solo la entendemos nosotros, entre todos los hombres y las tierras de Espana. (HAZ). cara al sol
Beginn der Falangistenhymne: Cara al sol con la camisa nueva Que tu bordaste en rojo ayer Me hallarä la muerte si me lleva Y no te vuelvo a ver. (Diese Strophe stammt von Foxä, Jose Antonio und Alfaro). Cara al mär (die Studenten in den Sommerlagern der Küste).
careta sonriente
„lächelnde Maske" (der heimtückischen Feinde).
Castilla als Kernland des Imperio: Castilla la llevan dentro las camisas azules, Castilla se asoma al mär cuando ellos llegan (HAZ). — Un aire desnudisimo que era el seco mandado de Castilla (R.).
Wortverzeichnis zur Stilsprache von Falange espanola
Caudillo
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„Spaniens Führer", vgl. 1,1.
clamar „rufen nach". Bevorzugung der lat. Wortformen: clamar statt gewöhnliches llamar, piano statt llano, rotundo statt redondo usw. — Clamaban por un orden nuevo, una jerarquia. clamoroso gente. (R.)
(Falange) presente con presencia terrible, damarosa, exi-
compromiso „Verpflichtung". Esta jurado nuestro compromiso con 20 dias de hermandad (betr. ein Schulungslager). — Estan comprometidos en una tarea irrevocable. concavo „hohl, geheimnisvoll". Lo que se diria en lenguaje concavo y profesional ... conducido gido).
„gelenkt". Verdad realizada y condudda (im Sinne von diri-
confeccionar (Gallizismus) „erstellen". — Confecdonar directrices cada vez mäs firmes y seguras. consigna
„Parteilosung". — Mis consignas y doctrina de siempre. (JA.)
continuidad „Zusammenhang mit Geschichte und Vergangenheit". Ledesma Ramos verwirft sie: „El progreso es hijo y producto de la colaboracion, de la continuidad, precisamente las dos cosas que son negadas bajo el Imperio de las juventudes". — Dagegen erklärte die am 18. Juli 1936 gebildete Junta de Defensa Nacional (Nationaler Verteidigungsausschuß, später durch die Führerstellung des Caudillo abgelöst): „Espana no ha roto el hilo de su continuidad gloriosa". contumaz „verstockt". Enemigo contumaz. — (contumaces nannte die Inquisition die Ketzer, die nicht abschwören wollten.) creacion crucial
Politica de creadon „schöpferische Politik". Hora crucial „Schicksalsstunde".
cruzada Bürgerkrieg gegen Kommunismus und Liberalismus 1936— 1939, „Kreuzzug". cucos „Schlauköpfe", die falangistische Ziele zur Tarnung ihrer Sonderzwecke vorgeben. definir „bekunden, herausgestalten" (den Stil oder die Ziele von FE). „Definidor de todas las verdades espanolas" nannte der Caudillo 1936 in seinem Nachruf den toten Jose Antonio. — Entusiasmo definido. — Esta impresicion exige de nosotros que nos esforcemos con nuestra obra y con nuestra idea por delimitarnos y definirnos. (Lain Entralgo).
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Spanien — wehrhaft
dificil „schwierig", und die Schwierigkeit, insofern sie den neuen Zielen zugleich den Preis gibt: Queremos un paraiso dificil (JA.). — Espana exacta y dificil (JA.). dilaciones de la revolucion nacionalsindicalista. „Aufschub, Verzögerung" bei der Ausführung des Parteiprogramms. dirigido vgl. conducido, „gelenkt". — La juventud de Espana extiende el clamor de su voluntad, dirigida y mandada, por todo el ämbito de la Patria (Arriba). Solch charakteristische Ballung zweier scheinbar unvereinbarer Haltungen des freien Willens und des Gehorsams, des Jubels und der Disziplin gebraucht die Sprache der Falange häufig als Ausdruck des neuen Lebensgefühls. Im selben Zusammenhang wird gesprochen von „una inquietud, regida y ordenada". disciplinado Sentido recto y disciplinado de la obra sindical. — Almas egregiamente disciplinadas. (O.) doctrina dogma dominante
„die Parteilehre". Los dogmas proclamados „die verkündeten Parteigrundsätze". „siegreich über" Espana dominante de la tirania.
Don Quijote „Heraldo de Aragon" berichtete am 3. 8. 1939 von einer Vereidigung auf den Staat: „Y todos ellos van a jurar sus cargos sobre el Evangelio y el Don Quijote." 1905 war Unamunos „Leben Don Quijotes und Sancho Panzas" erschienen, in dem Spanien auf den idealistischen Geist Don Quijotes verpflichtet werden sollte. Rüben Dario schrieb damals eine „Letania de nuestro senor Don Quijote in derselben Gesinnung. ecoar „quaken" (polemisch). — Charca en que ecoan las viejas y enlodadas ranas. eficiente egregio gangen.
= eficaz; labor eficiente y apretada. wie excelso, selecto, senero von Ortega auf Falange überge-
empresa Nuestra empresa „unsere (polit. od. geschichtl.) Leistung". Auch dieser Begriff stammt aus dem Geschichtsbild Ortega y Gassets, der im Gegensatz zu den Traditionalisten die Nation als eine Verabredung eines gemeinsamen Unternehmens begreift und nicht als eine Gemeinschaft in der Pflege von Erinnerungen. encarnarse Encarnarse en plenitud. — Por eso encarno Espana siempre en estilos y guerrilleros. — Im falangistischen Spanien soll alles Geistige sich durch den „Stil" physiognomisch erkenntlich machen. Vgl. den Satz
Wortverzeichnis zur Stilsprache von Falange espanola
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[in] „Arriba", anläßlich der Begegnung des Caudillo mit dem deutschen Führer: „Espana, como corresponde a su mejor tradicion y renacimiento actual, acusa su presencia en la nueva era, y encarada („die Stirn bietend") con los problemas mundiales, ha de imprimirles su alma, su fisionomia, su experiencia, y su voluntad al nuevo orden que se estä forjando." entender, entendimiento „Wissen um etwas, das man vernimmt", im Gegensatz zu comprension, dem unverantwortlichen „Verstehen". — No estaria entendido nuestro movimiento. (JA.) — Un entendimiento sacro y sacramental de Espana. (JA.) — Lo militar y lo religiose son los dos unicos modos de entender la vida. (JA.) erecto „aufgerichtet" (GONG.). Gehört zu den Lieblingsausdrücken aus dem vertikalen Lebensgefühl der FE. — Queremos un paraiso dificil, erecto, implacable. (JA.) Ebenso: erguido
La juventud erguida vigilaba (R.).
escoltar „geleiten, wachsam beobachten". — Wie viele milit. Ausdrücke wird auch dieser durch Sinnübertragung zur Metapher: Factores, que escoltan, limitan y definen los contornos de FE. escuadrista
„Angehöriger einer Schar" (escuadra) der FE-Miliz.
[Espana — una — grande — libre! Vor dem Wegtreten antwortet die Mannschaft die drei Worte auf die jedesmalige Anrufung von „Espana" durch den Führer der Abteilung. esperanzado Falange.
„mit heißer Erwartung". — Esperanzada posicion de la
esperanzador doras.
„verheißungsvoll". — Palabras animosas y esperanza-
estilo Grundwort der FE: Stil und Tat entstehen aus derselben Haltung, die den früheren Generationen abgehe. — El estilo de Falange; muchachos que venian con änimo y estilo. (Vgl. Pedro Lain Entralgo: „Meditacion apasionada sobre el estilo de la Falange" — „Jerarquia", Oct. 1937, p. 164ff.). — Lo falangista es dejar que suene la voz sola del Mando y correr träs ella con estilo y rigor. (Arriba) estraperlo, estraperlista „Hochstapler, der den Staat und die Volksgemeinschaft schädigt" (gebildet aus Strauss, Perez, zwei Namen, deren Träger im Trüben zu fischen suchten). estupidamente y snob.
„stur". — In der Polemik: Estupidamente turbio, frivolo
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Spanien - wehrhaft
exacto Auch dieses milit. Wort geht durch Bedeutungsübertragung in überraschende Verbindungen ein: Tienen el verbo exacto de la raza (JA.). — Convertir en caricatura esta cosa exacta delicada de Espana (JA.). ~ La exacta nobleza de la cruz (J. M. Peman). — Sobre su exacta tumba. — Formacion consumida y exacta. — Doctrina prendida de exactas formulas. excelso senalan.
Estos episodios de categoria excelsa son las que nos definen y
exquisite tos.
„ausgesucht, gewählt". — Refinadamente traidores y exquisi-
Falange Um 1930 legen sich faschistische und syndikalistische Kampfverbände das Wort zu. falangistizar fe
Para lograr falangistizar la educacion. (HAZ)
Encendida la fe. — La fe del pueblo abierta.
fecundar, fecundizar, fecundo Sangre de Hispania fecunda (Rub. D.). — Savia (Lebensstrom) que fecundiza nuestra empresa revolucionaria. filas
(mil.) „Reihen". — Filas ardorosas.
firmes (mil.) „Stillstehn!" — „Fest, unbeirrbar". — Sus pasos firmes y seguros. — La andadura firme. — firmes postulados. flecha
Angehöriger der fal. Jugendorganisation bis zum 15. Jahr.
formacion a) (mil.) „das Antreten, die angetretene Mannschaft", b) „geistige Bildung und Ausbildung". In dieser Doppelbedeutung strebt FE nach formacion: „en su döble aspecto de perfeccion del individuo y de ordinacion colectiva en lineas militantes." frente de juventud 1941 geschaffene vormilit. Zusammenfassung der Jugendorganisationen. fuero de trabajo
„Arbeitsgesetz".
fundacion Grundlegender Begriff Jose Antonios: Politica de fundacion. — Nuestro heroismo ha de distinguirse de todo otro heroismo en ser un heroismo para fundar, realizado para una obra de fundacion, no una obra de opinion. — Esta tarea de fundar y fundir a Espana se prefigura en la tarea de fundarnos y fundirnos a nosotros mismos. fundacional „stifterisch, schöpferisch". Neubildung ähnlich wie zu generacion ein generacional und zu creacion ein creacional. — Genio fundacional (JA.). — En esta etapa fundacional de valores (HAZ). fundador
wird Jose Antonio genannt.
Wortverzeichnis zur Stilsprache von Falange espanola
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fundirse „verschmelzen". — se fundieron con los demas camaradas de su generation en armas casi anonimamente (JAR). fusilable (fam.) „jemand, der sich infolge seiner politischen Einstellung auf alles gefaßt machen muß". fusilamento provisional Verfahren".
In der Zeit des Standrechts „Erschießung ohne
generation Dieser in Ortegas Geschichtsbild ausgearbeitete Begriff gewinnt für FE grundlegende Bedeutung. Die Bewegung fühlt sich a) als Jugendgemeinschaft, b) berufen zur Ausführung des zeitlich begrenzten Auftrags, die Schicksalswende in Spanien durchzuführen. Vgl. A. Garcia Valdecasas: „En nuestra generation hay una nueva actitud ante el pensamiento y ante la vida y a decir ,generacion' sigo hablando de nuestro Movimiento ... siempre nos hemos visto, con absoluta claridad, como generacion." (FE, 4, 1937, p. 160) geometrico (GONG.) Wie linea, recto, exacto soll dieser Ausdruck die militärische Präzision auf die Bewegung der ganzen Nation übertragen, wobei das Militärische mit dem ästhetischen Wert der reinen Form belehnt wird. — La pura position geometrica de FE sobre la vida espanola. gozo, gozoso Wie alegre Ausdruck des neuen Lebensgefühls. — Este gozo („Pracht") de banderas en la manana. — Muchachotes sanos y gozosos. — FE cerraba apretadamente sus filas entre gozosa y dolorida (R.). grito
grito sagrado. — (Rub. D.) grito de angustia ante la historia.
gusanera Polemisch: „Gewürm" (die Horizontale als Feinddimension). Toda la gusanera de germenes, piojos, y agentes. (JAP. von den Freunden der URSS). haz y yugo Embleme von Partei und Staat: Bündel und Joch. Haz = lat. fascis, ital. fascio. — Schon am Ende des 15. Jahrhunderts heraldisches Symbol der Verbindung der kath. Könige und der beiden span. Reichsteile Kastilien und Aragon. Rüben Dario forderte die spanische Einheit: „Formen todos un solo haz de energia ecumenica." henchido
„geschwellt". — Doctrina henchida de pensamientos.
hispanidad Der spanische Gedanke in der Welt, als geistiges Band zwischen Spaniern und Südamerikanern. Zuerst gebraucht von Zacarias de Vizcarra im „Eco de Espana" (Buenes Aires, 1931), und Ramiro Maeztu verbreitete den Begriff in seinem programmatischen Buch „Defensa de la Hispantdad". Der neue Staat, der sich dazu bekennt, schuf einen „Consejo de la Hispanidad", in dem u. a. auch Ortega y Gasset vertreten sein sollte.
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horda In der Sprache der Kampfzeit die Marxisten. inquietudes häufiger Ausdruck des verantwortlichen Geschichtsbewußtseins, der Besorgtheit: Inquietud, regida y ordenada. internarse „eindringen". — Las palabras se internaron en las almas.
(R.) ira, iracundo Casi por segundos, en una pleamar clamorosa, se levanta la ira del mundo („Arriba" nach Ausbruch des deutsch-russischen Krieges). — Han sido las masas mäs aferradas a una uniformidad y a una fe politica las que han polarizado en torno suyo, reflexivamente, la iracunda expresion de todo el pueblo espanol. jerarquia „Hierarchie, gegliederte Ordnung"; Jerarquizacion de Espana, von Ramiro de Maeztu zum Programm erhoben gegenüber demokratischer Nivellierung. Jerarquias heißen auch die „Parteispitzen, oberste Parteibeamte". Jons, Jonsista Junta de Ofensiva Nacional Sindicalista, 1931 von R. Ledesma Ramos, Juan Aparicio, Onesimo Redondo u. a. gegründeter nationalrevolutionärer Kampfbund, 1934 unter Führung Jose Antonios mit FE verbunden. juvenil, juventud Die Jugend zur Führung Spaniens berufen. R. Ledesma Ramos spricht von ihrer messianischen Sendung (Discurso a las Juventudes de Espana, 1935), von ihrer „conciencia operante". — Nuestra revolucion juvenil — nuestra posibilidad juvenil. — Y esta hazana la cumplio la juventud con estilo plenamente juvenil. lecciones „Unterweisungen". — Hemos de injertar („einschärfen") las lecciones que aprendamos del Maestro (von Jose Antonio). ley de amor „das Gesetz aller schöpferischen Erkenntnis, und Politik", zufolge Jose Antonio. linea Im Sinn von „Tradition, ausgerichtem Glied", für das Verhältnis des einzelnen zur Gemeinschaft usw. — En linea del Imperio y de cada uno en su punto. — Linea constante y verdadera de Espana. (JA.) — Nuestra generacion en linea de combate. malsinante „Verleumder". manera de ser „Seinsweise". — FE no es un modo de pensar es una manera de ser (keine Weltanschauung, eine Seinshaltung). meditacion aus der religiösen Sphäre übertragen: Med. über die Worte Jose Antonio usw.
Wortverzeichnis zur Stilsprache von Falange espanola
mimetico, mimetismo ticas provincias (JAR).
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„nachäffend; Nachäffen": Madrid y las mitne-
minoria selecta die nach Ortega y Gassets Lehre immer Geschichte vollzieht. FE fühlt sich als eine solche Minderheit, auch nach der Machtergreifung. Vgl. HAZ (VIII, 1941). „La juventud espanola, al dar los primeros pasos por el camino de la revalorizacion [de la] patria, se encontro sola, pasada la Jornada belica (d. h. nach dem gewonnenen Bürgerkrieg). La Juventud espanola vuelve a encontrarse, frente a su destino, completamente sola ... Nadie puede comprender la alta empresa que se emprendio, y nadie, por tanto, puede tendernos la mano." oblacion
„Hingabe, Opfer"
operante = „actuante, eficiente". — Conciencia juvenil operante. (Ledesma Ramos). — Virtud operante y expresiva. (JA.) oportunidad Oportunidad operante y fulminea. — Die günstige Gelegenheit zu erspähen und zu ergreifen, ist die wichtigste Aufgabe Falanges. orbita „Planetenbahn; Sphäre, zugehöriger Wirkungsraum". Von Ortega als kosmisches Gleichnis denkerischer Operationen gebraucht. — Fuera de su orbita. orden Dieron su vida por una Espana unida y en orden. (JA.) orto „Aufgang, Erscheinen (nach kosmischem oder geschichtlichem Gesetz)". — Quienes obedecian a la astrologia de su orto. (JAR) — Zu orto wurde ein neues Adjektiv gebildet: ortal. personalismo El nacionalsindicalismo es ... la forma mas seria de ser personalista y humanista ... el nacionalsindicalismo es la realidad concreta del personalismo y del humanismo; es el modo mas serio de respetar al hombre en cuanto hombre (Jerarquia, 1938). plenitud „Erfülltheit". — encarnarse en plenitud. — metas de plenitud. Plenitud expansiva, con que Espana llega. poesia, poetico, poeticamente JA. erklärte in seiner ersten Rede: „Ahora vamos a defenderla (la bandera) alegremente, poeticamente." Und seitdem oft: „Con este sentido preciso, poetico, y combatiente." — Poesie als schöpferische Kraft, die Verwandlung im Menschen zu bewirken, daher der Kampfstil Falanges poetisch ist und sein will. — La Poesia, quiza el unico autentico presentimiento de lo que el hombre es (HAZ). — „Guerra de poetas" nannte J. M. Peman den Bürgerkrieg 1936—1939. postulado, postular Permanente postulado de FE. — Postular auch vom Beitragsammeln für ,Auxilio social'.
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precise, precision
Spanien — wehrhaft
wie exacto, riguroso.
portador de valores eternos
nannte JA. den Menschen.
prendido „ergriffen, entflammt". — Ideal santo, prendido en vuestros corazones. — Doctrina prendida de exactas formulas. presente, presencia Bei Nennung der Opfer der Bewegung wird der militärische Ruf hinzugefügt: „jPresente!" Hier! D. h. deren Geist zugegen ist. Über eine Parteifeier wird berichtet: „Un acto eminentemente falangista sera la lectura de la parte doctrinal del testamento de Jose Antonio y la renovacion del juramento de ser siempre fieles a su doctrina. A continuacion, sera leida la oracion por Jose Antonio, propia de la O. J. (Organizacion Juvenil), cantandose luego el ,Cara al Sol' (das Parteilied) y, por ultimo, las voces reiteradas de Jose Antonio contestado con el jPresente! ritual." — Presente con presencia terrible, clamorosa, exigente (R. über den gefallenen Kämpfer als Vorbild der Lebenden). profeta wird Jose Antonio heute genannt. protomartir heißt gewöhnlich Calvo Sotelo, Führer der traditionalistischen Cortesfraktion, dessen Ermordung im Juli 1936 das Signal zum Bürgerkrieg gegeben hatte. puesta en marcha
„Ingangsetzung". — La integra puesta en marcha.
rabiar „vor Ungeduld vergehen". — El Estado rabia de tirar por la borda esos falsos postulados del capital liberal. rectilineo „gut ausgerichtet, linientreu". — Falangistas honestos, puntuales, rigurosos, rectilineos. reespanolizar r. Espana „Spanien wieder spanisch machen". Forderung R. Maeztus in „Defensa de la Hispanidad" (1934). remembranza „recuerdo". Von Jose Antonios Grab: „esmaltarän por siempre con su remembranza el estrecho reducto lobrego de este recinto sagrado." rigido, riguroso häufige Epitheta, im Sinn der militärischen Grundhaltung. Schon 1929 nannte R. Ledesma Ramos in der „Gaceta Literaria" (III) einen neuen Studentenbund „una autentica y rigurosa agrupacion". — Un llanto rigurosamente levantado (um den gefallenen O. Redondo) en afirmaciones de lucha. (R.) robusto Das neue Lebensgefühl! Rüben Dario sprach von dem „coro de västagos, robustos y fuertes". — Robustas sind die Hände, die Flamme der Idee haltend („llama de la idea"), robustos die Füße, „que aplastan las viboras acechantes ..."
Wortverzeichnis zur Stilsprache von Falange espafiola
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rotundo rotunda mentis „glatte Widerlegung". — Unidad rotunda y altisima de FE (R.). — Con rotunda seguridad (R.). saltar, salto JA. erklärte des öfteren, für Spanien gebe es keinen Ausweg, sondern nur den „Sprung": saltar por encima. senero „erhaben" (O.) — Espanoles, seneros de seleccion (von den Märtyrern der Bewegung). servicio Estado Servicio — von R. de Maeztu gefordert. — Consigna de servicio permanente. — La muerte es servicio. — Actitud de servicio en el sentido militar y ascetico de la vida (JA.) seuista
Adj. zu SEU (Sindicato Espanol Universitario)
sincere, sinceridad R.Dario: „Por esto ser sincero es ser potente." — Si hay un alma sincera, esa, es la mia. — Gegenüber der individualistischen sinceridad der vorhergehenden Generation kennzeichnet Ledesma Ramos die sinceridad der neuen Jugend, für die es keine verborgene Innerlichkeit gebe, als Treue zur einmal gewählten Fahne, zu den Symbolen der Gemeinschaft, in der das Ich sich überhöht finde. — Se ven los rostros apretados, sinceros, de los viejos camisas, fieramente expresivos ... (R.) sindicacion
s. obligatoria verlangte das Programm der JONS (1931).
sindicato s. vertical (Vgl. S. 38 f. [Abschnitt: Die nationalsyndikalistischen Rahmengesetze]) signo sino
„Zeichen, Hinweis" (O.) „Schicksal, Bestimmung". — Sino militar (JAP.)
sonrisa „Lächeln". — „Franco es la sonrisa ... La sonrisa de Franco ha conquistado a Espana ... Es el signo que el pueblo de Espana y los combatientes necesitaban para alcanzar el triunfo ... La sonrisa de Franco tiene algo de manto de la Virgen tendido sobre los pecadores. Tiene ternura paternal y maternal a la vez." (Gimenez Caballero: „Espana y Franco", 1938, p. 22) subversive „umstürzend". — Bei R. Ledesma Ramos: „manifestacion cabal de juventudes subversivas" — „gigantesco espiritu subversivo que hoy opera con jurisdiccion mundial" — „gran fenomeno de la subversion moderna que a crecido y ha triunfado". tenso vigilia.
„gespannt". — Tensa y constante labor politica (JA.). — Tensa
tremendo El tremendo misterio (R.) — Con la tretnenda persistencia de quedarse sembrado en las almas. — Tremenda labor.
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trilema
Spanien — wehrhaft
t. de nuestra consigna fundamental (= Patria, Pan, Justicia).
unidad de destino
„Schicksalsgemeinschaft" ist die Nation (JA.).
verbo „das geheiligte Wort". Bei Rüben Dario, Valle Inclan, Unamuno in neuer Bedeutung, von FE auf ihre Lehre übertragen: Redoblada fortaleza del pensamiento y del verbo nacionalsindicalista. — Fue el verbo autentico de la Hispanidad. vertical, vertice Die Grundrichtung, in der FE ihre Zielsetzung vornimmt: El paraiso esta contra el descanso. En el Paraiso no se puede estar tendido. En el paraiso se estä verticalmente. (JA.) — Llanura vertical y torreada. (R.) — „La palabra vertice, verticilar (!) es otro termino que me intereso propagar para la nueva terminologia del Movimiento." (Gimenez Caballero: „Genio de Espana", p. 41). vigilante vigilantes.
„wachsam" (GONG.) — El alivio de nuestras duras almas
vivificar „zum Leben erwecken". — Hemos vivificado las letras de molde que dormian.
Langenscheidts Taschenwörterbuch der spanischen und deutschen Sprache Neubearbeitung 1941
Seit dem Erscheinen der letzten Auflage dieses bewährten Sprachführers (1927) hat sich das Gesicht der spanischen Lexikographie in Deutschland so grundlegend verändert, daß eine vollständige Umgestaltung erforderlich wurde. In einer Besprechung des trotz methodisch richtiger Einsichten aus Sprachunkenntnis gänzlich verfehlten „Neuen Wörterbuchs der spanischen und deutschen Sprache" von Pfohl (Brockhaus, 1931) mußte noch die Feststellung getroffen werden: „Die Geschichte der deutsch-spanischen Wörterbücher ist eine trübe Geschichte" (Harri Meier in „Herrigs Archiv", 161 1/2, S. 130). Damals war man auf den großen Tolhausen mit all seinen Mängeln angewiesen (letzte Auflage 1926), und daneben empfahl sich durch größere Zuverlässigkeit das Langenscheidtsche Taschenwörterbuch für alle Bedürfnisse. Diesem Notstand wurde durch das Erscheinen des Slaby-Grossmann (1932, 1937. = Sl. G.) ein Ende bereitet. Der gewaltige Aufschwung des Hispanismus hatte ein durch seine Aufgeschlossenheit charakteristisches Werkzeug geschaffen. Ein Ausgangspunkt war gewonnen für jede neue spanische Wörterbucharbeit, und zwar nicht nur in Deutschland. Das wachsende Interesse an den spanischen Angelegenheiten schlägt sich mit seinen verschiedenartigen Motivierungen in einer Reihe von Fachwörterbüchern nieder: Reders „Technisches Spanisch" (Essen 1941), Carstenns „Militärwörterbuch" (Franckh, 1938), das „Deutsch-spanische Marinewörterbuch" (1939) und dazu die mehrsprachigen Spezialwörterbücher von Ahrens, Krupp, Strom. Indessen wurde der wissenschaftliche Horizont der spanischen Sprachwortbeschäftigung durch dialektgeschichtliche und volkskundliche Forschung, vor allem aber durch die systematische Auswertung der Umgangssprache nach allen Seiten erweitert. Auch in den Wörterbüchern kam es zu einem wahren Einbruch der gesprochenen Sprache
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(Rohlfs fand schon 1932 in seiner Besprechung von Moesch und Diercks, „Taschenwörterbuch d. deutschen und span. Spr." in „Herrigs Archiv", 163, S. 318, Anlaß, die Übertreibung dieser Tendenz zurückzuweisen). Im Gegensatz zu dieser gelockerten Haltung blieb die Lexikographie in Spanien durch die müde Abwehr des Akademiewörterbuchs (die enttäuschende letzte Ausgabe 1936/1939) gefesselt. Zwar verspricht die geschichtlich erschöpfende Sammlung von Wortmonographien, als welche das neu bearbeitete „Diccionario de Autoridades" zu begrüßen ist, ein sprachenzyklopädisches Monument ohnegleichen zu erstellen — aber die Größe des Unternehmens, die Schwächung und Zerstreuung der spanischen Wissenschaft muß die Erwartung auf unabsehbare Zeiten vertrösten. Dagegen hat der Wettstreit der südamerikanischen Nationen, durch die Diskussion um Malarets Amerikanismensammlung (zuletzt San Juan 1930) in eine neue Richtung gedrängt, die Fülle sprachlichen Rohstoffs für die Lexikographie ans Licht gezogen (zuletzt Benvenutto Murrieta, „El lenguaje peruano", Lima 1936, und dazu M. L. Wagner in VKR XI, S. 48 ff.). Die Neubearbeiter eines Handwörterbuchs waren durch diesen Stoffandrang in die größte Verantwortlichkeit gesetzt. Die praktische Bestimmung des Werkes verlangte Aufnahmen bezeichnender Amerikanismen, wie auf der anderen Seite die Wandlungen der Madrider Umgangssprache mit ihrem andalusischen Zustrom nicht zurückstehen durften. Dazu kamen die unabweislichen Beiträge aus der technischen und politischen Sphäre. Schließlich war dieser ganze vielschichtige Wortschatz auf dem Stand der heutigen Lexikographie zu bewältigen: statt einer bloßen Wortsammlung erwartet man jedes Wort mit einem Stück seiner „Umwelt" kennenzulernen. Eine schwierige Aufgabe, die vor allem durch die präzise Ausarbeitung der Bedeutungsunterschiede eine glückliche Lösung gefunden hat. Was zunächst die Phonetik angeht, so gewährt das Langenscheidtsche Verfahren durchgehender Aussprachebezeichnung der Einzelwörter den Spielraum für genaueste Festlegung der Nuance. Bei der Behandlung des -rmüßte vor Liquida das Zeichen für -rr-: r verwendet werden, damit nicht invierno, tierno mit dem abgeschwächten Halbkonsonanten der Infinitivendung ver, tener zusammenfallen. Jesuita wird wohl allgemein mit Hiatus gesprochen und nicht „jes w ita" (vgl. Navarro Tomas, Pronunciacion espanola, p. 167). Einzelne seltene Buchwörter (z. B. abalienacion, das weder Dice. Ac. noch Sl.-G. anführen) hätten füglich unterdrückt werden können. Wenn entgegen der im Vorwort gemachten Ankündigung die politische Gegenwartsterminologie nur schwach vertreten ist und gewisse Ausdrücke, die
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der Zeitungsleser auf Schritt und Tritt begegnet, wie z. B. crucial (bora crucial „Schicksalsstunde"), cruzada („nat. Befreiungskrieg"), cupon („Lebensmittelabschnitt"), camisa vieja, consejero national, erecto, escuadrista („Scharangehöriger der Miliz"), estraperlo („Schiebung"), flecha („Jungfalangist"), frente de juventud, fuero de trabajo, fundacional, generational, mimetico, pelayo („Jungvolkangehöriger"), senero (schon bei Ortega y Gasset häufig), seuista (zu Sindicato Espanol Unwersitarto), sindication, sindical, sindicato, vertical, unidad de destino usw. keinen Raum gefunden haben, so erklärt sich diese Zurückhaltung aus dem Wunsch, nicht zu schnell überholt zu werden und in dem Raum der spanischen Sprachgeltung nicht zu einseitig festgelegt zu erscheinen. — An Argotausdrücken, die umgangssprachlich geworden sind, vermißt man vor allem das piri = coci („cocido"), rajarse „bereuen", „genug haben" (nur Andalusien übernommen). Zu radio müßte gestellt werden: radiooyente, radioemisora, zu onda corta und larga: onda normal („Mittelwelle"). Für die Lektüre eines spanischen Fahrplans gibt das Wörterbuch nur fragmentarische und vage Auskünfte. In der Umgangssprache ist nicht tren omnibus, sondern mixto — „Bummelzug". Tatsächlich entspricht der mixto unserem Güterzug mit Personenbeförderung, der fehlende tren tranvia = „Nahstreckenzug" (z. B. zwischen Madrid und Escorial), tren correo = „Postzug, beschleunigter Personenzug auf langen Strecken", tren ligero = „ohne Gepäckbeförderung". Rapido („Schnellzug") und expreso („Eilzug") sind nicht geschieden. Unter den Interjektionen vermißt man jchas! (= „Päng!"). Vor allem in lebhafter Erzählung wiederholt, markiert es die Tempi eines plötzlichen Vorgangs. Bei jarrea! fehlt die geläufige Bedeutung zwischen Überraschung und ärgerlicher Abwehr, ähnlich wie ein japrieta! dem Erzähler mit einem Ordnungsruf in die Rede fällt. Unter jha! als Interjektion kann man sich nichts vorstellen. Das Gelächter lautet, auf der spanischen Artikulationsbasis: ija! ija! — ije! jje!, (entsprechend unserem Haha! Hehe!). Wie die Stichproben abanto, academico zeigen (richtig mit „schreckhaft", „unberechenbar" für „blindwütend" bei Sl.-G.; „Akademiemitglied" neben dem von Sl.-G. allein vorgebrachten „Akademiker" übersetzt), wurde bei der Festlegung der Bedeutungen die Vorlage nicht kritiklos übernommen, sondern auch die Ausbeute der Besprechungen verwertet. (In diesem Fall die Rezension H. Meiers in ZRPh, 1933). Es versteht sich von selbst, daß nicht alle lexikalischen Traditionen, die sich mit einem Wort nun einmal, wenn auch zu Unrecht, verknüpfen, mit einem Schlag weggeräumt wurden. Hier seien nur ein paar Fälle genannt, in denen die Linien anders verlaufen, oder deutlicher nachzuziehen wären:
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Abatir: fehlt „abschießen" (fliegerisch). Acendrado amor nicht „innige" Liebe (wie auch Sl.-G.), sondern „lautere". Achaque: die Hauptbedeutung „Altersgebrechen" fehlt. Adusto für „mürrisch", „sauertöpfisch": „düster" (vgl. Dice. Ac.). Aficionado: fehlt die Bedeutung „Dilettant". America, americano hat nicht die deutsche Grundbedeutung, sondern „Südamerika, Südamerikaner". America del Sur ist weniger gebräuchlich als America latina. Cacarear: nicht nur „gackern", sondern auch „krähen". Cachazudo hat nicht die Nebenbedeutung „pomadig", sondern es bleibt bei der bedächtigen Zurückhaltung. Coger: me coge al paso heißt gewöhnlich „es liegt auf meinem Weg". Charanga: ist Militärmusik, aber despektierlich „Blechmusik", nicht „Regimentsmusik". Enchufe, enchufista, bei Sl.-G. im übertragenen Sinn noch gar nicht, bei L. „Pöstchen". Es muß aber heißen „Schiebung", „Stellenjäger durch rücksichtslose Ausnützung persönlicher Beziehungen", und, entsprechend, fehlendes, sehr gebräuchliches enchufismo „Cliquenwesen". Endilgar: kommt vor allem vor in der Verbindung endilgar un discurso „eine Rede schwingen". Espanas, las gehört neben Espana: „Sp. beiderseits des Ozeans". Expectoraciones hat auch die übertragene Bedeutung „Redeergüsse". Feudo: heißt vor allem „Lehensgebiet" (fam. es mi feudo „das ist mein Revier!") Picha bedeutet außerdem „Polizeivermerk" eines anrüchigen Individuums (lleva ficha, esta fichado). Gargajo nicht „Schleim" sondern „Sputum" (vgl. echar gargajos]. Maleante fast nur noch als Polizeibegriff.· „Vertreter der Unterwelt des Verbrechens" (auch Sl.-G. nannte nur im moral. Sinn „Bösewicht", „Spitzbube"). Malogrado: „zu früh verstorben" hat nicht die Nebenbedeutung „infeliz", worauf schon Toro y Gisbert, „Tesoro de la lengua espanola", Paris 1911, p. 213, hinwies. Mecate: „Bindfaden", fälschlich von Sl.-G. übernommen statt „Seil", „Lasso", wie M. L. Wagner in seiner Besprechung nachwies (VKR, V, 374). Medico: auch allgemein „Mediziner" wie abogado „Jurist". Vgl. H. Meier, ZRPh LIII (1933), p. 425.
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Pingüe: „fettlich" (wofür adiposo, grasiente, tnugriente) leuchtet nicht ein. Pingüe heute haupts. nur übertr. zu Gewinn, Einnahmen. Meter en un puno nicht: „ins Bockshorn jagen", sondern „einschüchtern". Jeder Spanier ist in seiner eigenen Sprache vielsprachig, aber eben darum unterscheidet er sehr genau die verschiedenen Sprachkreise, die sich bei ihm berühren, und ein Wörterbuch müßte den Spanienreisenden ebenso davor bewahren, sich zu vergreifen wie zu hoch zu greifen. Es ist Langenscheidt kein Vorwurf zu machen, daß er kein eigenes Zeichen für die Zuordnung eines literatur- oder zeitungssprachlichen Wortes einführt, ehe auch die Standardwerke sich zu einer solchen Praxis bequemen. Aus Marokko übernommene und nur für Marokko zugelassene Fremdwörter, wie etwa jarca (das sich in Spanien durchgesetzt hat: „Kampfschar"), mejala, tebib (aus dem Berberischen tbib für ar. tabib „Arzt") fanden überhaupt keinen Zugang, so daß sich das Abkürzungszeichen für Arabismen erübrigte. Dagegen vermißt man ein solches für die zigeunersprachlichen Worte. Selbstverständlich kann es sich in Anbetracht des praktischen Zweckes nicht um etymologische Hinweise handeln, sondern allein um die Bezeichnung der durch das Sprachgefühl getroffenen Entscheidung. Dabei könnten selbst falsche Etymologien aufnahmebedürftig erscheinen. Z. B. wird das (bei L. ausgelassene) oft gehörte Argotwort churumbel „Kind" allgemein als zigeunerisch empfunden, ganz ebenso wie mit Recht cani, chaval, chipen, die L. als Popularismen anführt. Churumbel ist nun aber, wie M. L. Wagner unlängst nachwies (RF£, 1941, XXV, 178), tatsächlich eine Ableitung von ar. churumbela, bei L. übersetzt mit „Schalmei". Die unteren Stockwerke der Sprache gliedern sich, wie üblich, in F (familiäre), P (populär) und V (vulgär). Das letztere Zeichen hat als Warnungszeichen zu gelten. Es wurde aber zu spärlich ausgeteilt. Pijotero, punetero, cabron dürften nicht ohne Zensurvermerk erscheinen — während fehlendes cabronada „übler Streich" nicht mehr anstößig klingt. Auch zarra „Dirne" könnte mit F passieren. Der Einblick in den deutsch-spanischen Teil bestätigt das Ergebnis der bisher gemachten Stichproben, zumal, wenn man bemerkt, daß die Treffer hier immer eine geringere Chance haben als bei dem umgekehrten Versuch, die fremde Sprache im muttersprachlichen Wissen zu bergen. Auch hier überwiegt der Eindruck einer weitgehend geglückten Annäherung. Die noch zurückgebliebenen Details ließen sich leicht dem im ganzen erreichten Stand entgegenführen. Was man gelegentlich beanstanden könnte, sind keine Übersetzungsfehler, sondern Ersatzlösungen durch weithergeholte Umschreibung. Die beste Übersetzung ist immer die, die Übereinstimmung
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der Bedeutungen mit den gleichen morphologischen und syntaktischen Mitteln herbeiführt. Warum z. B. „ausdruckslos" sin expresion, wo doch inexpresivo auch sinngemäß besser zusammenstimmt? Oder: „Erzfeind" enemigo mortal (was „Todfeind" heißt), statt el peor enemigo. „Erzfaul" mit muy perezoso „lahm" übersetzt, statt etwa: vago, gandul solemne. „Etwas abbekommen" nicht recibir, sondern coger, tocarle a uno. „Alltäglich" ist nicht trivial, sondern corriente. „Abziehen" (vom Lohn) gibt retener nicht wieder, was „zurückbehalten" heißt und etwas anderes ist als descontar. „Abgebrannt": statt siniestrado por un incendio heißt es gewöhnlich reducido a ceniza, a escombros.
Lehrbücher der spanischen Sprache
Lehrbücher der spanischen Sprache bilden seit langem ein stattliches und von Jahr zu Jahr anschwellendes Kontingent in der deutschen Bucherzeugung. Eine Übersicht über dieses von der Sprachwissenschaft nur argwöhnisch gestreifte Gebiet hat es eigentlich nie gegeben, obwohl der Wandel der sprachgeschichtlichen Anschauungen sich auch hier vorzüglich abbilden ließe. Die ununterbrochene Folge der schnell sich ablösenden Lehrbücher verrät den ständig zunehmenden Lernbetrieb: ein prosaisches, oft kunstarmes, aber im ganzen höchst eindringliches Zeugnis deutscher Anteilnahme an der spanischen Welt! Im 17. Jahrhundert, später im Zeitalter Lessings und dann in der Frühromantik hatte der deutsche Hispanismus den exklusiven Charakter einer literarischen Mode der „gebildeten Stände". Aber schon 1829, unmittelbar nach der Aufrichtung der südamerikanischen Republiken, erscheint ein deutsch-spanisches Wörterbuch für den besonderen Gebrauch der überseeischen Kaufleute. Ein neuer Antrieb vermischt sich mit dem Bildungsanliegen der Deutschen: das wirtschaftliche Interesse an dem letzten, noch offenstehenden Großraum der Welt. Seitdem ist die Produktion von spanischen Sprachführern aller Art ins Unabsehbare gestiegen. Erst eine Bücherverknappung, wie sie vorübergehend die Kriegsverhältnisse mit sich bringen, lenkt die Besinnung nach rückwärts und gibt auch dem antiquarischen Strandgut einen gewissen Gebrauchswert wieder. Die Frage erhebt sich, ob alles Vergangene auf diesem Gebiet schon überholt ist und inwieweit das Erscheinungsjahr eines Werkes über seinen gegenwärtigen Nutzen entscheidet. Zunächst muß man hier scheiden zwischen jenen Werken, die sich anheischig machen, die lebende Sprache bis in ihre gegenwärtigen Schwingungen zu vermitteln, d. h. den Wörterbüchern und Lehrbüchern der Umgangssprache, und den Grammatiken, denen die Darstellung des beständigeren
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Sprachgefüges obliegt. Unter den Wörterbüchern besteht — caeteris paribus — ein selbstverständliches Vorrecht der Neuerscheinung. Die Auswahl wird hier zudem erleichtert durch ein viel geringeres Angebot gleichartiger Werke. Die Autorität eines lexikalischen Standardwerks bestimmt das Gepräge einer ganzen Reihe von kurzgefaßten Nachschlagebüchern. Dieser Vorrang gebührt heute Slaby-Grossmanns spanisch-deutschem (1932) und deutsch-spanischem (1937) Wörterbuch, mit denen der Tauchnitz-Verlag den überalterten Tolhausen (9. Aufl. 1926) ablöste und dem darin gänzlich vernachlässigten wirtschaftlichen und technischen Wortschatz Raum gab. Die charakteristische sprachliche Aufgeschlossenheit dieser Zeit führte zu einem breiten Einstrom von Argotwörtern und umgangssprachlicher Phraseologie. Großmann hatte zuvor den deutsch-spanischen Teil zu Lebouchers spanisch-deutschem Taschenwörterbuch (Tauchnitz) verfaßt. Unter den Handwörterbüchern empfiehlt sich heute in erster Linie Langenscheidts 1941 in der Neubearbeitung von Th. Schön und Teodosio Noeli herausgebrachtes „Taschenwörterbuch der spanischen und deutschen Sprache": Der gebotene Wortschatz wurde hier durch schärfste Abgrenzung der Wortbedeutungen sofortigem Zugriff erschlossen, Moesch-Diercks' „Taschenwörterbuch der spanischen und deutschen Sprache", Leipzig (O. Holtze) 1932 (in erster Auflage 1896!), das nun schon, nach dem Urteil eines Rezensenten, „zu stark im Bereich der Vulgärsprache" sich festmacht. Ein gänzlicher Fehlgriff war dagegen Pfohls „Neues Wörterbuch der spanischen und deutschen Sprache", Leipzig (Brockhaus), 1931, wo trotz einer vorbildlichen Raumökonomie bei der Aufgliederung des Wortmaterials der Lernende auf Schritt und Tritt durch unbegreifliche Sprachfehler mißleitet wird (vgl. „Archiv f. d. Studium d. neueren Spr." 161, 1—2, S. 130ff.). Leider kann auch das spanische Wörterbuch in der Reihe des Verlages Juncker (dieselbe Ausgabe mit verschiedenem Titelblatt o. J. von Dr. Josef Wanninger u. 1936, von Dr. Bernhard Klein) den elementaren Bedürfnissen, die es befriedigen will, kaum Genüge tun. Es befremdet nicht nur die Willkür der Anordnung (ist es z. B. ein galanter Zug, wenn zuweilen ein Adj. in der weiblichen Endung erscheint wie sonolienta?), falsche Silbentrennung (wie ve-spero), ungenaue und fehlerhafte Bedeutungsangaben und Übersetzungen (unter sordidez findet man „Schmutz" ohne Hinweis auf die nur übertragene, moralische Bedeutung des spanischen Wortes, während Schmutz lapidarisch durch porquerta belegt wird), ungebräuchliche und mundartliche Ausdrücke (llicta [?], lleuda „Gäre") — beide Sprachen müssen sich die unerwünschten Gaben von Neubildungen gefallen lassen, wie Abgeschliffenheit (cortesia) oder für strafen statt des nicht belegten castigar ein punir, zu dem
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sich nicht einmal Gongora verstiegen hatte: Im neueren Spanisch sind nur als juristische Adjektiva punible, punitiro und, geläufiger, impune zulässig. Das Synonymikwörterbuch hat in Spanien eine lange Vorgeschichte. Bei uns hat zuerst Fromms Sprachlehre, 1826, dann Booch-Arkossy „Ausführliches Lehr- und Lesebuch" eine Synonymik aus der Feder des spanischen Grammatikers March mit flüchtiger Angabe der deutschen Entsprechungen geboten; ein knappes Wortverzeichnis dieser Art gibt Carl Dernehl, „Spanisch für Schule, Beruf und Reise", Leipzig (Teubner) 1922. Als erster und umfassender Versuch einer deutschen „spanischen Synonymik" verdient die in Heidelberg (Winter) 1940 erschienene Arbeit Richard Rupperts Beachtung. Besprechungen im „Archiv für das Studium der neueren Sprachen" 1942 (G. Rohlfs), Volkstum und Kultur der Romanen, 1942 (W. Beinhauer) und Romanische Forschungen, 1941 (Krauß). Mannigfaltiges Interesse an den spanischen Angelegenheiten bekunden die Fachwörterbücher der letzten Jahre. 1930 erschien Günther Wolf, Medizinisches Wörterbuch (spanisch-deutsch und deutsch-spanisch), Leipzig—Wien, 1931. Eine sprachlich und sachlich gleich hervorragende Einführung ist Reders „Technisches Spanisch", Essen (Girardet) 1941. Spanische Definitionen wurden aus spanischen Fachzeitschriften herausgearbeitet. Der Verfasser weiß, daß man nicht einfach das Stückgut aus der Fremdsprache beziehen kann. Erschließbar sind die sprachlichen Elemente nur innerhalb der Vorstellungswelt, die sie vertreten. Die Anwendung dieser Einsicht mutet freilich dem Benutzer etwas mehr zu als andere Fachwörterbücher über zwei oder mehrere Sprachen. Unter diesen haben ihre Bedeutung Offingers gewissenhaft durchgearbeitetes „Technologisches Wörterbuch: Spanisch-deutsch-englisch", Stuttgart, 1930, und Christel Oloff, „Deutsch-spanisches Marinewörterbuch", Berlin (Mittler & Sohn), 1937. (Vgl. Romanische Forschungen 1938 [Grossmann], sowie Sprachmittler 1940 [Nr. 3]). Über Erwin I. Hoene „Wörterbuch der Elektrizität und Fernmeldetechnik", Stuttgart-Barcelona 1940, siehe Sprachmittler 1942, [6]. Unter den mehrsprachigen Militärwörterbüchern mit spanischem Teil sei noch genannt: Lothar Ahrens, „Taschenwörterbuch Flugwesen Fünfsprachig", Berlin (VDI) 1939. In der Reihe von Franckhs Militärwörterbüchern (Franckh'sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart) wurde 1938 ein spanisch-deutscher und deutsch-spanischer Band (besorgt von Carstenn) vorgelegt; reichhaltiges und übersichtlich angeordnetes Wortmaterial ohne Berücksichtigung der Kolonialfeldzüge in Afrika und der nach 1936 in Spanien eingetretenen Entwicklung. Behelfsweise können die deutsch-spanischen Wörterbücher aus früherer Zeit herangezogen werden, ihre Grenze liegt in den technischen Gebieten
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und bei dem stärkerem Wandel unterworfenen umgangssprachlichen Wortgut, dessen Erfassung freilich überhaupt erst zu den grundsätzlichen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte gehört. A. E. Schmidt: Diccionario espanol y aleman. Leipzig: I. SpanischDeutsch. 1795. II. Deutsch-Spanisch. 1805. J. D. Wagner: Spanisch-deutsches Wörterbuch. Hamburg 1798. 2 Bde. — Nuevo Diccionario espanol-aleman y aleman-espanol. Hamburg 1800. Th. von Seckendorff: Diccionario de las lenguas espanola y alemana. Nürnberg. I. Aufl. Nürnberg 1823-1824. II. Aufl. 1831. (3 Bde.) Mit einer kritischen Betrachtung seiner Vorgänger. C. F. Franceson: Neues spanisch-deutsches und deutsch-spanisches Wörterbuch. Leipzig. I. Aufl. 1829. II. Aufl. 1862. III. Aufl. 1906. Berücksichtigt in der Hauptsache nur das Wortgut der älteren Literatur. P. Deranco: Spanisch-portugiesisch-deutsches Taschenwörterbuch für Kaufleute, Correspondenten und Sachführer. Hamburg 1829. J. W. Beneke: Spanisch-deutsches Wörterbuch zum „Don Quixote". Berlin 1842. Das Erscheinen dieses für die deutschen Cervantesfreunde noch heute nützlichen Wörterbuchs beweist den Grad der Beliebtheit, den der Roman damals in Deutschland erreicht hatte. Von demselben Verfasser war schon vorher erschienen: Erklärung aller im Don Quixote vorkommenden und diesem Werke vorzüglich eigenen schweren Wörter und Redensarten. Leipzig. 1808 und 1821. Booch-Arkossy: Neuestes und vollständiges spanisch-deutsches und deutsch-spanisches Handwörterbuch. II. Aufl. Leipzig (Teubner) 1862. Auch in späteren Auflagen, die aber nur unzulänglich umgearbeitet wurden. H. Ossig: Spanisch-deutsches und deutsch-spanisches Taschenwörterbuch. Leipzig (Reclam) 1894. Stromer: Neues spanisch-deutsches und deutsch-spanisches Wörterbuch, auf Grund des Wb. der Span. Akademie. Berlin (Herbig) 1897-1900. Mußte seinerzeit als das zuverlässigste gelten, teilt aber mit seiner Quelle die abwehrende Haltung gegenüber der gesprochenen Sprache. Vgl. R. Grossmann, Wörterbuch für Spanisch Treibende. In: Philologie und span. Unterricht. — Beiblatt für Iberica, Nr. 3, 1924, S. 4 ff. Die grammatischen Lehrbücher zerfallen in zwei Grundtypen, zwischen denen es natürlich Verbindungen gibt. Die historisch beschreibende Lautlehre setzt lateinische Vorkenntnisse voraus und bereitet die Grundlage für ein philologisches Studium. Die Laut- und Formenlehre steht im Vordergrund, während die Syntax — in Ermangelung sicherer Prinzipien — oft zu
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kurz kommt. Darstellungen dieser Art auf anspruchsvollem wissenschaftlichem Niveau sind die spanischen Sprachlehren von Foerster (1880), Baist (1906) und Hanssen (1913). Auf dem Gegenpol der Praxis steht der historischen Grammatik das systematische Lehrbuch gegenüber. Das Ganze der zu erlernenden Sprache wird hier in einem Netzwerk von unbesehen übernommenen Regeln eingesponnen. Mit den zahlreichen, durch die Maschen fallenden Ausnahmen bleibt dem Lernenden freilich eine lange Nachlese überlassen. Da nun etliche Fälle dieses ungelösten Erdenrestes in den Regeln der historischen Grammatik ohne weiteres aufgehen (z. B. durch das schlichte Gesetz, daß ein lat. e, e, i, ö, ö, u, ü nur in betonter spanischer Stellung zum Diphthong wird, also recordar gegen recuerdo), so drängt sich ein kombiniertes Lehrsystem für alle Lateinkundigen auf. In dieser Weise wird eine Brücke von der historischen zur praktischen Grammatik geschlagen durch die noch heute äußerst schätzenswerte „Grammatik der spanischen Sprache" von Julius Wiggers, Leipzig (Brockhaus), 1860, II. Auflage: 1884, und Weigands „Spanische Grammatik", Leipzig (Niemeyer), 1922. Daneben stehen die Versuche, die beiden Pole der grammatischen Darstellung durch systematische Textinterpretation zu umfassen — ein Verfahren, dessen sprachpädagogischer Vorrang vielfach noch verkannt wird. Seit jeher allerdings suchten die Grammatiker ihren spröden Stoff durch fremdsprachliche Anthologien zu beleben (so etwa schon Gomez de Mier, „Lese- und Schulbuch der spanischen Sprache", Hamburg, 1840, Booch-Arkossy usw.). Aber erst Langenscheidt ist in seinen Unterrichtsbriefen dazu übergegangen, die Interessenrichtung durch ein zusammenhängendes, in Fortsetzungen gebotenes Lesewerk festzuhalten. Unter diesem Gesichtspunkt brachte Eberhard Vogel „Einführung in das Spanische für Lateinkundige", Paderborn 1914, II. Aufl. 1921, den fortlaufenden Kommentar zu Alarcons Novelle „El Capitan veneno" und Fr. Krüger: „Einführung in das Neuspanische", Leipzig (Teubner) 1924, eine mehrstöckige Spracherklärung von Valeras „Pepita Jimenez". Mit der Fixierung des Lesers auf den spanischen Text ist die analytische Grundhaltung der herkömmlichen systematischen Grammatik durchbrochen. Trotzdem hat diese traditionelle Form auch heute noch den Hauptanteil und die Gunst des voraussetzungslosen Publikums. In der Tat hat sich hier eine längst überholte Anschauung, als ob eine grammatische Begrifflichkeit jeder sprachlichen Ordnung zugemutet werden könnte, sprachpädagogisch noch immer bis zu einem gewissen Grad bewährt. Auch im Anfang der Sprachwerdung steht das Schema. Warum soll die Sprachlehre diese Erfahrung nicht nutzen? So wenig die Regeln der Grammatik von der
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Natur einer Sprache besitzen, so wenig haltbar sie vor dem geschärften Blick der Wissenschaft erscheinen, so behält doch die Ordnung als solche schon ihre Nützlichkeit für die Aneignung eines unabsehbaren Stoffes. Die Tauglichkeit, aber auch die Grenzen dieses Verfahrens macht am deutlichsten der Einblick in Sauer-Rupperts „Spanische Konversationsgrammatik", die jetzt in 18. Aufl. vorliegt (Heidelberg, J. Groos, 1941). Ein nicht gering zu veranschlagender Vorzug ist die leichte Übersicht in den erschöpfend ausgeführten grammatischen Kategorien. Aber welcher Ballast wird dem Lernbeflissenen nicht aufgeladen! Z. B. die Blütenlese lateinischer Superlative (S. 133), die er mit auf den Weg nimmt: integerrimo, munificentisimo, pulquerrimo, asperrimo, und dazu das doch ganz regelmäßig gebildete terntsimol Zur Einübung jeder Regel müssen besondere Sätze gebildet werden, die das Leben der Sprache natürlich niemals hervorbringt: „Jene Männer rufen die Kinder meines Vaters". Die gesprochene Sprache kann in einer solchen hermetischen Atmosphäre unmöglich gedeihen. Zuweilen stößt man auf bedenkliche Germanismen: corresponder „korrespondieren", lo encuentro muy caro „ich finde es sehr teuer" (statt: me parece). Oder, einer Kellnerin in den Mund gelegt: „das macht zusammen" = en conjunto (statt: en total, total}. Die Frage an einen Unbekannten eingeleitet durch Perdone Vd. = „Verzeihung!" usw. Weniger systematisch, aber dichter und feiner durchgearbeitet ist das „Praktische Lehrbuch der spanischen Sprache" (in I. Auflage von S. Gräfenberg, Frankfurt, 1897), neubearbeitet von Heinermann und Fr. Palau Casamitjana, zuletzt Leipzig, 1938. Die sonst so stark vernachlässigte Syntax tritt in den Vordergrund bei Llorens, II. Aufl., Hamburg (Otto Meißner), 1923. An Stelle der Papierblüten eines grammatischen Stils werden hier überall Autorenzitate klassischer und moderner spanischer Schriftsteller geboten. Eine Auflockerung der grammatischen Konventionen ist auch in der vorzüglichen „Spanischen Sprachlehre" von Gertrud Wacker, Leipzig (Teubner) 1924 erreicht worden und vor allem bei Willy Schulz, „Spanisches Lehr- und Lesebuch" (Westermann), 1937. Alle diese Werke reißen den Lernenden sofort in die sprachliche Umwelt, in der ihm die Flügel von selber wachsen. In den umgangssprachlichen, oft in Dialogform gehaltenen Handbüchern hat sich eine ähnliche Entwicklung Bahn gebrochen. Während früher stereotype Situationen in der Praxis des Reisenden („beim Friseur", „auf Zimmersuche" usw.) fremdsprachlich „belegt" wurden, verpflichtet man heute lieber den Lernenden auf phraseologische Grundsituationen. Einen ersten Schritt in dieser Richtung ist schon Roman y Salamero und R. Krön, „El castellano actual", Freiburg, 1916, mit vorzüglichen Proben hauptstäd-
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tischer Umgangssprache, ebenso der Langenscheidts Unterrichtsbriefen beigebene Beitrag Pedro de Mugicas, „Eco de Madrid". Die umgangssprachliche Phraseologie in systematischer Breite erschlossen und für den doppelten Gebrauch von Theorie und Praxis dargestellt zu haben, ist das Verdienst von Werner Beinhauers „Spanische Umgangssprache", Berlin—Bonn (Dümmler), 1930, „Spanischer Sprachhumor", Bonn (Röhrscheid), 1932, „Präses y dialogos de la vida diaria", Berlin-Schöneberg (Langenscheidt), 1935, „1000 idiomatische spanische Redensarten", Berlin-Schöneberg (Langenscheidt), 1935, „Beiträge zu einer spanischen Metaphorik" (Romanische Forschungen, Erlangen, 1941). In einigen dieser Arbeiten wurde das Sprachmaterial in die charakteristischen Züge einer Nationalphysiognomik auseinandergebreitet, ein Verfahren, das vor allem Eugen Lerch in seinem auch für Nichtphilologen äußerst lehrreichen Beitrag zum Handbuch der Spanienkunde, Frankfurt, 1932: „Spanische Sprache und Wesensart", einschlägt. Es ist nicht verwunderlich, daß eine so hellhörig geschriebene Grammatik wie Willy Schulz' „Spanisches Lehr- und Lesebuch" alle Errungenschaften der modernen Spanienkunde, angefangen bei der von Tomas Navarro Tomäs (Deutsche Übersetzung von Fr. Krüger, „Handbuch der spanischen Aussprache", Leipzig 1923) ausgearbeiteten Phonetik und den Gesetzen der Intonation, die Lehre des Vokalismus und schließlich auch die sprachlichen Darstellungsversuche der Stilkundler für den Lehrzweck fruchtbar machen möchte. Solange es dabei bleibt, daß sprachliche Erscheinungen sprachlich aufgehellt werden, sind solche Beiträge nur zu begrüßen. So erklärt sich bei W. Schulz die Entsprechung des deutschen Passivs durch rückbezügliche spanische Wendungen aus dem Bedürfnis, mit dem Subjekt den Träger der Handlung herauszustellen (S. 304), und im Sinne von R. Lenz („La oracion y sus partes", Madrid 1920) wird dem spanischen Zeitwort die Aufgabe zugeschrieben, eine Bewegung zu beschreiben und ihre Richtung festzulegen, im Gegensatz zu der zielhaften Zuspitzung im Deutschen (S. 302). Für einen Begriff wie „herkommen" (= venir) gibt es kein Äquivalent. Will das aber besagen, daß man hier an eine charakterologische Grenze des sprachlichen Ausdrucks gerät und sich im Fall der Übersetzung durch irgendwelche Umschreibung behelfen müßte? Der Lernende könnte sich leicht zu einem solchen Eindruck verführen lassen. In Wahrheit stellt das Spanische für die fehlenden morphologischen Mittel im Ausdruck des perfekten Aspekts, der dem Deutschen und Slawischen eigentümlich ist, den größeren Reichtum an lexikalischem Wortgut bereit: herkommen = acudir u. a. Sobald man ein sprachliches Mittel aus dem Funktionszusammenhang der Sprache herauslöst, um den Grenzwert eines nationalen Sprachstils zu erlangen, hat man sich schon aus der Bewegung der Sprache
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herausbegeben und einen außerordentlich fühlbaren Abstand eingenommen. Die Ausdrucksmittel verwandeln sich, ihrer Zeichennatur beraubt, zum Ornament, zum verräterischen Symptom einer unbewußten seelischen Richtung. Der Lernende aber läuft Gefahr, Erkenntnisse über die Sprache mit Sprachkenntnis zu verwechseln. Der bescheidene, mitunter geistlose Ernst des grammatischen Lehrbuchs älteren Stils kann diesem vorschnellen Anspruch of heilsam entgegenwirken. Tatsächlich will natürlich keine Sprache sich selbst zum Ausdruck bringen, sondern jede will das Ganze der Welt auf dem jeweiligen Ausschnitt des Erlebens in ihre Verantwortung nehmen. Und wer eine Sprache lernt, hat sie in dieser Weise auch ernst genommen, indem er die Mitteilung seiner eigenen Welt an ihren fremdartigen Ausdrucksmitteln versuchen will. Weitere spanische Grammatiken: Fernando Navarro: Grundsätze zur Erlernung der spanischen Sprache. Wien 1777. Gediegener als die beiden folgenden Grammatiken von Bahrdt und Wagner. Verf. war Lektor an der Universität Wien. Bahrdt: Kurzgefaßte spanische Grammatik. Erfurt 1778. II. Aufl. 1788. III. Aufl. 1797. IV. Aufl. 1807. Gänzlich veraltet. Bettuch: Manual de la lengua espanola. Leipzig, 1790. Calvi: Spanische Sprachlehre und Chrestomathie. Helmstedt, 1790. Verf. war Lektor der span, und ital. Sprache an der Universität Göttingen. Joh. Dan. Wagner: Spanische Sprachlehre. Leipzig 1795. III. Aufl. 1828. Veraltet. J. F. Sandvos: Spanische Sprachlehre. Berlin, 1804. C. F. Franceson: Grammatik der spanischen Sprache nach einem neuen System bearbeitet. Berlin (Voss), 1822. Verf. war 1818-1859 Lektor der romanischen Sprachen an der Universität Berlin. D. J. Lindner: Vgl. Grammatik der lat., ital., span., port., franz. u. engl. Sprache. Leipzig 1827. — Interessanter, aber wissenschaftlich unzulänglicher Versuch, die romanischen Sprachen auf der Grundlage des Lateinischen darzustellen. J. G. Keil: Spanische Satzlehre für die Gymnasien. Gotha, 1817. II. Aufl. Leipzig, 1837. Schon 1813 abgefaßt. Verf. gab Calderons Werke heraus. J. B. Fromm: Vollständige spanische Sprachlehre nebst einer Abhandlung über die Prosodie und einem Verzeichnis sinnverwandter Wörter. Leipzig, 1826. C. A. F. Mahn: Lehrbuch der spanischen Sprache. Berlin, 1834. Verf. war namhafter Provenzalist. Possart: Grammatik der spanischen Sprache. Stuttgart, 1836.
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August Fuchs: Lehrbuch der spanischen Sprache. Leipzig, 1837. Verf. war Schüler des Indogermanisten Bopp und brachte 1840 eine einschlägige sprachwissenschaftliche Abhandlung heraus: „Über die sogen, unregelmäßigen Verben in den rom. Sprachen." Bei der Abfassung seiner spanischen Grammatik leitete ihn der beachtliche Gesichtspunkt, „die Erscheinungen der span. Sprache durch Vergleichungen mit der Mutter- und den Schwestersprachen zu erleichtern und manche Spracherscheinungen dadurch zu erhellen." H. J. M. Saez de la Huerta: Spanische Sprachlehre für Teutsche. Gratz, 1837. H. W. A. Katzenberg: Grammatik der spanischen Sprache. Bremen, 1855. II. Aufl. 1862. O. Pfaffenbach: Kurzgefaßte Grammatik der spanischen Sprache. Remscheid, 1867. Rothwell und N. Montana: Neue vollständige theoretisch-praktische Grammatik der spanischen Sprache. Stuttgart, 1874. Resenmair: Lehrbuch der spanischen Grammatik. München, 1879. (Dr. Brauns Lehrbuch in II. Aufl.) Töpfer: Lehrgang der spanischen Sprache. Berlin, 1882. Beckmann: Kurzgefaßtes Lehrbuch der spanischen Sprache. Altona, 1884. Hoyermann: Grammatik der spanischen Sprache. Bremen, 1886. Sanchez: Perfekt spanisch sprechen. Berlin, 1898. Heinrich Runge: Lecciones castellanas. Leipzig (Teubner), 1904. A. Keller: Spanisch für Kaufleute. Leipzig (Reisland), 1921. Carl Dernehl: El Comerciante. Berlin —Leipzig (Teubner), IV. Aufl. 1921. Werdegang eines jungen Kaufmanns. J. Schilling und H. Ammann: Neubearbeitete spanische Grammatik. Leipzig (G. A. Glöckner), XXII. Aufl. 1922. R. Grossmann: Praktisches Lehrbuch des Spanischen unter Berücksichtigung des südamerikanischen Sprachgebrauchs. Hamburg (Bangert), 1922. — Auf Grund spanischer und südamerikanischer Zeitungsausschnitte. Karl Heine: Kleines Lehr- und Lesebuch der spanischen Sprache. Hannover 1922. W. Mulertt: Anleitung und Hilfsmittel zum Studium des Spanischen. Halle (Niemeyer), 1922, 43 S. Erfaßt nur das Schrifttum zwischen 1914 und 1922. Liane Becker: Spanisch. München-Gladbach, 1924. Adalbert Hämel: Spanisches Lehr- und Übungsbuch. Leipzig (Botzenmayer), 1927.
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W. Lommatzsch: Spanischer Sprachführer. Sammlung von Gesprächen. Leipzig (Hesse & Becker), 1927. Heine-Pedrosa: Lehr- und Lesebuch der spanischen Sprache. München, 1929. C. Roman y Salamero: El Castellano actual. Ettlingen—Leipzig (Bielefelds Verlag), 1930. Melsheimer: Spanische Sprachlehre. Essen (Bädecker), 1930. Carl Voretzsch: Die spanische Sprache und Literatur in der deutschen Romanistik der Frühzeit (in: Estudios eruditos in memoriam de Adolfo Bonilla y San Martin, II, Madrid, 1930). Aniceto Sardo y Vilar: Die 200 gröbsten Fehler, die der Deutsche in der spanischen Sprache macht. Marburg (N. G. Elwert), um 1931. Sehr empfehlenswert auch zur Selbstkontrolle Vorgerückter. Hermann Tiemann: Das spanische Schrifttum in Deutschland, von der Renaissance bis zur Romantik. Hamburg, 1936 (Ibero-romanische Studien VI). Behandelt hauptsächlich die schöne Literatur. Mit reichhaltigen bibliographischen Hinweisen. Victor Doreste: Einführung in die spanische Sprache. Leipzig (Teubner), 1939. W. O. Frohberg: Spanisch in Verbindung mit amerikan.-spanisch. Berlin (Schultze), 1940. Unzulänglich. 1000 Worte Spanisch (Deutscher Verlag): Berlin, o. J. Unterhaltsame Methode, die dauernd auf den Lernenden eingeht und bei einem geringen Aufwand von Konzentration die Grundlage für ein ernsthafteres Studium abgeben kann. Duden espanol. Diccionario ilustrado de la lengua castellana, por Th. Scheppelmann. Leipzig (Bibliograph. Institut), 1940. Bildlexikon mit einem Aufriß aller deutschen Kultur- und Lebensgebiete, mit korrekter spanischer Beschriftung. Johannes Rosette: Die spanische Schullektüre. Eine Besprechung des vorhandenen Lesestoffes. Schriftenreihe zur Gestaltung des Unterrichts, Heft 148. Berlin, 1940, 36 S. Kritischer Überblick über die in den letzten 15 Jahren in Deutschland gedruckten Anthologien und für den Unterricht geeigneten Klassikerausgaben. Hans Karl Schneider: Spanische Sprachlehre. Hamburg (Hanseatische Verlagsanstalt), 1941. — Auf 62 Seiten zusammengedrängtes Elementarbuch in systematischer Darstellung. Das ist nur eine Musterschau der den deutschen Studierenden gebotenen Hilfsmittel. Wendet man nun von hier aus einen Blick auf die spanische
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Seite, so wird man natürlich ein ähnliches Aufgebot sprachlicher Werkzeuge für den Deutschunterricht in Spanien nicht erwarten dürfen. Durch das neue Kulturabkommen ist der Pflege des Deutschen ein weiter Rahmen geschaffen worden, aber es müssen dafür die Grundlagen erst gewonnen werden. Während in Deutschland die spanische Sprachwissenschaft sich seit mehr als hundert Jahren als ein wesentliches Teilgebiet der romanischen Philologie begreifen konnte und ihre Anregungen bis heute auch auf den Hispanismus der Spanier entscheidend einwirkten, liegt ein Fach wie die germanische Philologie ganz außerhalb des spanischen Bildungshorizontes. Der Entwurf der neuen Unterrichtsreform legte den größten Wert auf den Aufschwung der klassischen Sprachen, vor allem des Lateinischen. Die Stundenzahl des Lateinunterrichts allein sollte der von zwei obligaten neueren Sprachen gleich sein, von denen Italienisch neben Französisch und Englisch neben Deutsch zur Wahl stehen. Unter dem Einfluß des Kulturabkommens dürfte innerhalb dieses Rahmens der Vorrang des Deutschen gesichert sein. Die spärlichen, bisher vorhandenen Lehrmittel bedürfen aber dringend einer eingehenden Würdigung von deutscher Seite. Der Erfüllung dieses Anliegens sollen hier nur in vorbereitender Weise ein paar bibliographische Stichworte dienen: Castans y Bonelli (Atalo): El traductor militar. Vocabulario alemanespanol. Madrid 1900. Donato King: Gramätica alemana. 1917. War an zahlreichen Schulen und Hochschulen eingeführt. Unglücklich gewählte und sprachlich unebene Übungssätze führen den Lernenden, der sich mühevoll durch Regeln und Übungsstücke durchwindet, in den Geist unserer Sprache nicht ein. Martinez Amador (Emilio Maria): Diccionario manual AlemänEspanol. Barcelona, 1935 I. Auflage, 1939 II. Auflage, 1941 III. Auflage. Vorzüglich und zuverlässig gearbeitetes Werk, das manchem deutschen Verlag als Vorbild hätte dienen können: vor allem die in der Reihenfolge ihrer Geläufigkeit aufgeführten Bedeutungen der durch mehrfache Äquivalente übersetzten Ausdrücke. Masse (Raoul): Deutsches Lehrbuch. Metodo de Aleman. Madrid 1940. 168 S. Moll (Francisco de Borja): Gramätica alemana. Primer curso. Segundo curso. 2 vols. Palma de Mallorca, 1939. 236 u. 245 S. Parejo y Santos (Ildefonso): Guia-Diccionario de la conversacion en aleman. Sevilla 1939. 237 S. Pinol (Francisco): El alemän en colores. Madrid 1940. 75 S. Pequeno Diccionario alemän-espanol. Barcelona (Sopena) 1940. 628 S.
Macht und Ohnmacht der Wörterbücher „On peut dire, que les perroquets ont des
mots sans avoir du langage." Leibniz
Philologische Anfechtungen können die Autorität der Wörterbücher nicht leicht erschüttern. Außer ihren ungebetenen, zünftigen Lesern haben die Wörterbücher überhaupt nicht mit Lesern zu rechnen, die Beweise für eine Behauptung fordern, sondern lediglich mit der Angewiesenheit ihrer Benutzer. Diese sind stets bereit, den vorgefundenen sprachlichen Wert oder Gegenwert für bare Münze zu nehmen. Wie und warum etwas so oder anders heißt — diese Frage unterbleibt, wenn auf die Frage, was da zu stehen hat, irgendeine verwertbare Auskunft erfolgt ist. Auch die unbestimmte oder verfängliche Antwort befestigt nur das Vertrauen, wie die Rätselsprüche das Ansehn antiker Orakelstätten erhöhten. Wörterbücher bilden eben die letzte Instanz der sprachlichen Appellationen. Daher sind sie für jedes Begehren wie ein ausgebreiteter Bazar geöffnet, und man kann in der Tat hier alle Spiel-, Ab- und Unarten des Umgangs mit Sprache studieren. Wörterbücher leihen sich auch zum Mißbrauch in der Hand eines Prüflings, der seinen Notschrei an das verbotene Hilfsmittel richtet. Nur die unfehlbare Autorität des Wöterbuchs brachte dieses Verbot zustande: fürchtet man doch, es könne mit seiner Hilfe aus der unzulänglichen Leistung zum Schaden der Allgemeinheit noch etwas Rechtes entstehen! Selbst die verbohrteste Sprachunkenntnis triumphiert mit dem Beistand eines Miniaturlexikons inmitten einer fremden Sprachgemeinschaft. Solche Reisende (Sybariten der Pflicht oder Märtyrer ihres Vergnügens) fühlen sich wie von einem Wunder betroffen, wenn das künstlich memorierte oder abgelesene Klanggebilde seine vorgesehene Wirkung ausübt. Eine Zauberformel hat den Anschluß an die fremde Lebensgemeinschaft gewonnen! In den Wörterbüchern wird der „Sprachschatz" verfügbar. Das ist wenigstens die Meinung, die schon seit Jahrhunderten mit dem empfehlenden Titel eines „thesaurus linguae" hervortritt. Offenbar gilt der „Sprach-
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schätz" als teilbar, da sich eine Sprache nicht nur in den verschiedenen Ausschnitten von Spezialwörterbüchern mitteilt, sondern nach Umfang und Größe einen unabsehbaren Spielraum zwischen Zwergwuchs und Mammutbildung einnimmt. Hier die Liliputwörterbücher mit ihren grob geschnittenen Mustern einer Kasuistik des Alltags — dort die unabschließbare Reihe unhandlicher Folianten, an denen sich mehr als ein Gelehrtenleben verzehrte und auf deren Abschluß oft Generationen vergeblich warten. Der Verfasser des „Thesaurus linguae et sapientiae germanicae" (1616) starb schon vor Abschluß des Buchstaben H. Und im selben Jahrhundert verblich der Verfasser eines ersten angelsächsischen Glossars, noch ehe das L unter Dach gebracht werden konnte. Das Grimmsche Wörterbuch der deutschen Sprache war beim Tod der Verfasser gerade bis zum G gediehen, und bis zur Vollendung des weitschichtigen Unternehmens ging noch ein Jahrhundert dahin. Vielsprachige Wörterbücher waren im 16. Jahrhundert besonders beliebt. Die romanischen, slawischen, indogermanischen etymologischen Wörterbücher der Neuzeit umfassen ganze Sprachfamilien. Aber der Umfang eines Wörterbuchs kann auch zusammenschrumpfen auf die Mundart einer Landschaft, eines Dorfes oder selbst auf die Sprache eines einzigen Menschen. Die romanischen Völker nennen in der Tat auch den individuellen Wortschatz eines Menschen sein „Wörterbuch" (vocabulaire, vocabulario). Vor allem schien es den Franzosen verlohnend, die sprachliche Ausbeute ihrer klassischen Autoren in Einzelmonographien zu sammeln. Wenn sich in dieser Zeitschrift ein „Wörterbuch des Unmenschen" auftut, so wird hier freilich dem „Sprachschatz" eines Typus zu Leibe gegangen, der sich mit den berühmten Worten des Evangeliums vorstellen müßte: „Mein Name ist Legio!" Eine ganze Rubrik könnte sich überschreiben lassen: „Was nicht im Wörterbuch steht!" Hierher gehören vor allem die Wortlisten des Argots, der Verbrecher-, Gauner-, Zigeuner-, Soldaten-, Scholarensprachen. Ein erstes Muster dieser Art ist auf spanischem Boden schon im 16. Jahrhundert entstanden. Ein französisches „Dictionnaire comique" folgt in längerem, zeitlichen Abstand. Da die Sprache der niedrigen Stände durch die klassische Stilgrenze in den realistischen Schwank verbannt war, mußte sich ein zweifellos schon aufkeimendes soziologisches Interesse ästhetisch bemänteln. — Dazu kommt die nicht abreißende Kette der Spezialwörterbücher, deren Erzvater Karl der Große mit der botanischen Wortliste seines „Capitulare de villis" gewesen ist. Alle diese lexikalischen Ausschnitte müssen wohl oder übel etwas von dem geheimnisvollen „Schatz" auskramen. Aber wie läßt sich Sprache in einem Lexikon fassen? Sprache verwirklicht sich offenbar nur im Zugriff
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und in der Wendung zu den Dingen. Liegt im einzelnen Wort schon die Bürgschaft solcher Entsprechung? Wörterbücher geben nicht Sprache, sondern, wie der Name schon sagt, eben nur Wörter. Ihre Anwartschaft auf den Sprachschatz läßt sich daher nur aufrechterhalten, wenn man im Wort den Kern der Sprachbewegung erfassen könnte. Durch die Zwangsordnung der alphabetischen Folge ist der Wortschatz auseinandergerissen, und das einzelne Wort kann aus solcher Zerstreuung nur wirken, wenn sich in ihm die letzte Einheit der Sprache bietet. Allerdings blieb die alphabetische Worteinteilung in der lexikalischen Überlieferung keineswegs unwidersprochen. Zwar existiert schon aus klassisch-römischer Zeit eine alphabetisch geordnete Wortliste. Aber im Mittelalter ist begriffliche Ordnung nach Seins- oder Lebensgebieten nicht selten. Und im 16. Jahrhundert erschien ein italienisches Wörterbuch unter dem Titel „La fabrica del mondo" — das waren Stichworte einer Kosmologie, zu der die gebiethaft zusammengefaßten Wortgruppen den Baustoff lieferten. Auch in neuester Zeit versuchte man zuweilen, dem Zwang des Schematismus zu entrinnen und zu einer sachlich-sprachlichen Klassifizierung des Wortschatzes nach Begriffssphären zurückzukehren. Wörterbücher dieser Art haben Sanders und Schlessing für Deutschland, Boissiere und Bally für Frankreich, Roget für England und Ponard für Italien geschaffen. Aber solche Versuche konnten das Bedürfnis einer klaren Übersicht über ein gigantisch angewachsenes Wortmaterial nicht widerlegen. Alle lexikalischen Standardwerke bringen in der Tat schon im 16. und 17. Jahrhundert ihren Wortschatz in die alphabetische Folge. Diese Form der Stoffgliederung hat auch außerhalb der rein lexikalischen Gattung seit dem Mittelalter eine sehr bestimmte Bedeutung besessen. Der Typus des Realienwörterbuchs verzweigt sich über alle mögliche Gebiete. So erschienen Berufs- und Ständespiegel (wie zum Beispiel das berühmte Werk Garzonis im 16. Jahrhundert), Götter- und Heroinenkataloge, Ikonologien, aber auch moralische, asketische und mystische Traktate, zuweilen unter dem Namen eines Abecedaire oder Abecedario. Auch zusammenhängende Darstellungen, selbst belletristische Werke, Romane und Epen, erschließen mit Vorliebe ihre antiken Quellen durch Autoren- und Problemregister. Ein entfernter Abglanz des platonischen Ideenglaubens fällt auf diesen ungeheuren Schuttplatz eines vergangenen Wissens, den die großen enzyklopädischen Werke des Aufklärungszeitalters mit einem neuen Geist erfüllen werden. Der innere Zusammenhang einer „wortrealistischen", das heißt begriffsgläubigen und daher sprachoffenen Auffassung mit der Vorrangstellung des Wortes in der Sprachbewegung ist leicht zu erhärten. Sol-
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ehe idealistische Sprachtheorien haben auch heute noch ihre Verfechter: „Am Anfang der Sprache war das Wort. Das Tier spricht darum nicht, weil es das Wort nicht besitzt ... Das Wort ist Urphänomen." (Max Scheler.) So sehr diese Lehre der heutigen Einsicht in das Wesen der Sprache widerstreitet, so muß auch sie mit dem Gewicht ihrer alten biblischen und antiken Autorität irgendeinen Ausgangspunkt in der sprachlichen Wirklichkeit besitzen. Fraglos gibt es ganze Tatsachenreihen, die einer „nominalen" Sprachschicht zugehören. Ethnologen haben die leichte Isolierbarkeit des Wortes schon in sehr primitiven Sprachen wahrgenommen. Auch die Kindersprache scheint von der Wortfindung auszugehen. Die Zuordnung von Wort und Ding bezeichnet einen Akt der Besitzergreifung, der mit berechtigtem Triumph vermerkt wird. Das Besitzgefühl steigert sich, wenn die Zuordnung eines Wortes zu einem reproduzierten Gegenstand (zum Beispiel dem Hund im Bilderbuch) gelingt. Der einzelwortsprachliche Zustand wird abgelöst durch den Übergang zur Wortreihe, die sich nicht syntaktisch oder logisch zusammenschließt, sondern durch sogenannte Kontaktstellung, das heißt durch einfache Anlehnung der jeweils konkretesten Vorstellung an die nächstkonkrete (zum Beispiel: „Wauwau —Bubi —hauen") verwirklicht. Immerhin ist dieser Beweis nicht zwingend für die behauptete Priorität des Wortes. Die Wortübungen des Kindes können möglicherweise nur eine weckende Bedeutung für den Durchbruch wirklicher Sprache (wie sie schon in einem einfachen „Komm her!" kund wird) besitzen. Aber die Ausbreitung und Wirkungsmacht der nominalen Vorstellungen ist natürlich durchaus zu scheiden von der Frage ihres zeitlichen Vorrangs. Man kann in Worten die Relikte oder Torsen ehemaliger Sätze erblicken. Das Wort entsteht dann aus der Stauung des Satzes. Die Ausgliederung des Wortes aus dem Rhythmus des Satzes erscheint wie eine magische Konzentration der seelischen Redeenergie. Und wenn das erste Wort die Erfindung des ersten Priesters wäre, so würde die Macht in diesem sprachlichen Fund nur unterstrichen. Die nominale Sprachschicht umschließt vor allem die beiden Pole von Name und Begriff, von individualisierender Nennung und generalisierender Bezeichnung. Der Name wird dem Einmaligen, Individuellen zugesprochen als sein fester Besitz, mit dem der Träger des Namens eins wird, während der Begriff nur einen allgemeinen Tatbestand bezeichnet. Unter Name darf man nur den Eigennamen verstehen, den Namen, auf den gehört wird, und an dem psychische Wirkungen haften. Der Name ist nur Name, „sofern einer darunter gerufen und zitiert werden kann" (Lipps). Pflanzen- oder
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Tiernamen sind in Wahrheit natürlich Gattungsbezeichnungen. Andererseits können Begriffe leicht in den Bannkreis des Namens verfallen. Namengebung mit abstrakten Begriffen ist nicht nur den semitischen Völkern eigentümlich, sondern auch an vielen spanischen Frauennamen erkennbar, so zum Beispiel Conception (die unbefleckte Empfängnis) oder Gloria. Außerdem haben die Volkssprachen aller Nationen eine Reihe alltäglicher Eigennamen zu humoristischer Typisierung verwendet. Zu einem Kasper, Hans Dampf oder Hans Narr, einem wahren Jakob gesellt sich, neuerdings durch die verflossene Wehrmacht gefördert, in der Tölpelrolle der komische Heini. Der Gescholtene erhielt die unwirsche Anweisung auf das „mystische Partizipieren" an dem Charaktersubjekt mit diesem kennzeichnenden Namen, den der Volksmund schon immer mit Teufel-Tod (Sensenheinrich} und schrattähnlichen Wesen zusammenbrachte, worauf ein gleichfalls vernommenes Waldheini besonders schließen läßt. Die Form dieser Schelte ist das genaue Gegenteil einer begrifflichen Zuordnung. Sie ist Namengebung. Man wird jetzt nicht mehr auf Grund der anstößigen Eigenschaft kaltherzig in eine namenlose Reihe von Gattungswesen eingereiht (wie etwa von „Dummköpfen" oder „Tölpeln"), sondern der Scheltende nimmt durch die Umbenennung die verzweifelte Einsicht auf sich, daß hier ein individuelles Wesen sich in der fatalen und unwiederbringlichen Konsequenz seines Charakters so und nicht anders bis ans Ende seiner Tage verhalten wird. Statt den Dummkopf in diese namenlose Reihe zu verbannen, steigert sich die Kraft der Benennung durch die Umbenennung mit einem der Beschränktheit noch enger anliegenden mythologischen Charakternamen, mit dem der Benannte sich selbst zur Definition wird. Namen und Flüche haben in den meisten Wörterbüchern nur wenig Raum. Namen ragen aus der Sprache heraus, in der sie nur gastweise wie Fremdkörper oder besser wie fremde Seelen umgehen. Gegen die Aufnahme der volkskundlich so wissenswerten Flüche sperrt sich der selektive Auftrag, den sich jedes gediegene Wörterbuch im Dienst der Sprachveredelung zuschreibt. Die großen Wörterbücher des 16. und 17. Jahrhunderts verdankten diesem Vorsatz den Impuls ihrer Entstehung. Die gute Sprache, die Klassikersprache, die Sprache der Höfe und der Hauptstädte galt es zu sammeln und zu standardisieren. Im 19. Jahrhundert wandte sich die lexikalische Arbeit grundsätzlich der umfassenden Beschreibung von sprachlichen Phänomenen zu. Die Ausbildung der öffentlichen Meinung und ihrer neuartigen Instrumente beeinträchtigte seit der französischen Revolution sowieso die Ausstrahlung eines Wörterbuchs, die noch im 17. Jahrhundert die ganze Nation durchdringen konnte. Dennoch gelten für alle wissenschaftlich noch
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unbearbeiteten Gebiete stillschweigend die moralischen Richtlinien einer früheren Zeit. Das betrifft vor allem die soziale Sprachschichtung. Wortklassifizierungen wie „familiär", „populär", „vulgär" und „obszön" sind Warnungsschilder gegen den Gebrauch und keine Hinweise der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Sprachkreis.
Es versteht sich von selbst, daß zweisprachige Wörterbücher in erster Linie die Praxis bedienen. Einem praktischen Bedürfnis wird in den allermeisten Fällen Rechnung getragen. Jedes Wort erscheint wie ein Soll mit seinem fremdsprachlichen Haben, und die eine Sprache wird mit der anderen verrechnet. Ein System der Äquivalenzen fügt sich zusammen, dem in der Tat ein klar faßbarer Ausschnitt sprachlicher Wirklichkeit zufällt. Technische Wörterbücher lassen bei oft engster Umgrenzung ihres Sachbereichs das Sprachliche in der größten Offenheit gegen das Universale. Sprache löst sich hier auf in ein allgemeines Bezeichnungssystem, dessen Garderobe durch die verschiedenen nationalsprachlichen Formen gebildet wird. Alle Sprachen erscheinen auf diesem Ausschnitt ohne weiteres vertauschbar, und zwar einfach darum, weil man sich außerhalb der Sprache in festgelegten Benennungen über festliegende Dinge verständigt. Über den bezeichneten Gegenstand (sagen wir zum Beispiel Telephon) ist ein Zweifel schlechterdings ausgeschlossen, auch wenn der Purismus der einen oder anderen Sprache einen „artgerechten" Namen erfindet, etwa Fernsprecher. Auf solche Gegenstände können die verschiedensten Sprachen bezogen werden, und es verschlägt nichts, daß die Bezeichnungen aus verschiedenen geschichtlichen Ursprüngen stammen. Durch die Gemeinsamkeit der Zeichenrichtung wird der sprachliche Ausdruck zur Nomenklatur. Daß die Germanen vom Tag der Sonne, die Romanen vom Tag des Herrn (dimanche, domenica, domingo), die Slawen vom Tag der Auferstehung reden, ergibt keine unterschiedliche Tönung für den allerorten kalendarisch anerkannten Sachverhalt „Sonntag". Sonntag weist eindeutig auf eine Realität, die überall wöchentlich einmal eintritt. Daher stimmt die Geltung des deutschen Wortes vollständig zusammen mit der Geltung der andersgebildeten, fremdsprachigen Ausdrücke. Die Verschiedenheit in den Wortmaterialien greift auf die festgelegte begriffliche Einheit nicht über. Sprache erscheint hier als ein Zeichensystem, in vollem Maß übersetzbar. Geht man in dieser Richtung bis zum Letzten, so gelangt man zu der von Leibniz geforderten Konstruktion einer universalen Sprache „nach geometrischem Verfahren". Niemand kann die Wünsch-
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barkeit einer solchen Entwicklung bestreiten, und sie würde auch unaufhaltsam hinweggehen über den Einspruch aller verletzten Lokalinteressen und ebenso leicht über die romantische Vorliebe für eine verwinkelte und malerisch vielseitige Welt — wenn nicht die Sprache selbst dem Drang zur allgemeinen Verständigung eine unüberschreitbare Schranke entgegenstellen würde. * Nationale Schranken des Verständnisses brauchen indessen keineswegs zur nationalistischen Absperrung führen. Daß die Verständigung hier eine Anstrengung fordert, ist vielleicht schon die erste und unerläßliche Bürgschaft des Gelingens. Umgekehrt hat die Einebnung der technologischen Sprachgrenzen keine Internationale der Techniker verwirklicht. Auch der Nationalsozialismus ist in seinem Kern die Ideologie einer wesentlich technokratischen Staatsdoktrin gewesen. Einige seiner Parolen verraten dies deutlich, im Zusammenwirken einer maschinellen und militärischen Menschenbeherrschung: so der unvermeidliche Einsatz, die Ausrichtung und die Gleichschaltung. Aber es ist kein Zufall, daß gerade die Gleichschaltung nach einem beispiellosen Anfangserfolg aus dem nationalen Raum unmerklich zurückgenommen wurde. Es ging nicht an, den realen Zustand des Menschen in programmatischen Formeln widerzuspiegeln. Aufgabe einer politischen Ideologie war vielmehr die Vermittlung der Realität an die ständig wachsenden Gemütsbedürfnisse der gescheuchten und ausgeschöpften deutschen Menschen. So stieg man tief herab in einen offen gebliebenen Spalt des deutschen Neandertals und versuchte es mit den magischen Kräften der Sprache. Die Gefolgschaftsmitglieder bildeten den Ring der verschworenen Gemeinschaft. Über dem Gedankengut der Bewegung lag nicht nur der weihevolle Nebel aus romantischen Sümpfen, sondern die Macht der Behexung durch eine psychisch geladene Sprache der Versprechungen. Auch die alltägliche Grußentbietung hatte keinen anderen Sinn als die Bewerkstelligung einer millionenfachen Verbindung aller Untertanen mit den im Gnadenschatz ihres Heilsmanns vermuteten Kräften. Aber Zauber ruft Gegenzauber hervor. Während das charismatische Wort auf allen Lippen lag, fiel zugleich durch die „faszinierende Schrecklichkeit" des Mannes ein Tabuverbot auf seinen schicksalbringenden Namen. Man sprach nun nicht mehr unumwunden vom Hitler, sondern behutsam vom Führer, und das vergriffene Wortbild auf den umlaufenden Scheidemünzen des Hitlergrußes wurde in einem über die ominöse Nennung forsch hinweggleitenden Tonfall bis zur Unkenntlichkeit desartikuliert und entstaltet. Ja, dieser Name konnte die Gelegenheitsbedeutung eines Fluches an sich ziehen. Wenn zwei deut-
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sehe Menschen in Streit gerieten, und sich feindlich trennten, wurde der Namensgruß in die schärfste Betonung zurückgeworfen wie eine zugeknallte Tür, hinter der eine nicht mißzuverstehende Drohung lauert. Statt des segnenden wünschte man sich den strafenden Hitler auf den Heimweg, auf daß die Furien seiner Rächergewalt hinter dem Volksgenossen dreinziehen mochten. Offensichtlich bezeichnet hier der Name nicht mehr einfach seinen Träger, er bedeutet völlig Verschiedenes, nicht nur in verschiedener sprachlicher Umgebung, sondern je nach dem verschiedenen Bedeutungsakzent, den auch ein und dieselbe sprachliche Figur in verschiedenartigen Situationen annehmen kann. Selbst rein technische Begriffe können, in diese plastische Sprachschicht geratend, neue, schwer festzulegende Wortbedeutungen haben. Eine Panne bezeichnet einen technischen Unfall eindeutig und überall verständlich — aber der übertragene Ausdruck eine Panne haben besitzt eine Anwendung, die nur ein minutiöses Verhör über eine Reihe typischer Fälle einer gesellschaftlichen Panne begrifflich ins Reine bringen könnte. Ähnliches gilt von populären Wendungen wie: eine Niete oder, soldatensprachlich, ein Blindgänger sein. Über ihre Bedeutung war sich der also Angesprochene und Beschimpfte keinen Augenblick im Zweifel. Es genügte ihm vollauf, die Meinung des Sprechenden mitvollzogen zu haben. Das enthob ihn der mühsamen Arbeit einer begrifflichen Klärung, wie sie der technische Gebrauch von Niete oder Blindgänger ohne weiteres nahelegt. Hier ist das Wort eine bloße sprachliche Schatzanweisung auf eine Sache oder auf ein Sachverhältnis, während die Realisierung der Wortbedeutung in der vorigen Redewendung das Eingehen auf die sprachliche Intention voraussetzt. Das Verständnis erwächst dann nicht aus einfacher Kenntnis der Sache und ihrer Bezeichnung, sondern nur aus vollem Besitz der Sprache, die einen solchen Ausdruck erzeugte. Übrigens zeigt es sich hier, daß die Sprache immer etwas mehr Geist hat als ihre Sprecher. Die begriffliche Vermittlung einer solchen Wortbedeutung ist aber nur im weitesten Umkreis ihrer Verwendung erfolgreich. Wortbedeutungen können nur in einer hellhörigen Kontrastierung bedeutungsverwandter Ausdrücke abgesucht und vernommen werden. Ihre genaue Definition wäre allein von einer ausgebildeten Vernehmungstechnik zu leisten. Um den steigernden Sinn eines furchtbar nett oder schrecklich gern zu ermitteln, muß man nicht nur den Unterschied der Tonhöhe hören (im Gegensatz etwa zu einem schrecklichen Kerl), sondern das ganze Bedeutungsfeld von furchtbar, schrecklich, entsetzlich und so weiter abgesteckt haben. Wortbedeutungen haben also einen Stellenwert im Ganzen der Sprache: sie lassen sich nicht isolieren wie die Bezeichnungen von Begriffen und Na-
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men. Einmal gefundene Begriffe sind Kristalle der Sprache, während die Wortbedeutungen sich im Fluß der Rede verändern. Aus dem Strom der Rede gelassen, zerfällt die Sprache in Wörter, und der Wortschatz eines Wörterbuchs kann in dieser Hinsicht nur die Totenkammer der Sprache enthalten. Lipps zufolge sind Worte „nur die festen Verknotungen der Rede". Die entscheidende Einsicht liegt aber bei Vossler, der erkannt hat, daß Bedeutung und Akzent ein und dasselbe meinen: „beide bezeichnen den psychischen Gehalt, die innere Intuition, die Seele der Sprache." Es ist seelisches Land, in dem sich die Sprachen eigensinnig gegeneinander verschließen. Freilich bleibt auch hier ein weites Feld der gemeinsamen Begriffsbildung überlassen. Neben Begriffen, die eine universale Anstrengung des Geistes in alle zivilisierten Räume verpflanzt hat, widerstreben Ausdrücke für Gefühlszustände wie etwa Stimmung, Sehnsucht, Gemütlichkeit jedem Versuch zu exakter Übertragung in fremde Sprachbereiche. Wieder andere Affektausdrücke weisen auf einen Zeitstil mit der sondernden Note der an ihm beteiligten nationalen Ausdrücke. Ein berühmtes Beispiel gibt die romantische Langeweile. Französisch ennui ist schon zu Pascals Zeiten in die Tiefe gedrungen. Solch ein ennui zielte im 17. Jahrhundert auf die christlich verstandene Krankheit der Menschennatur, mit dem Begleitton der weltlichen Einsicht, daß nur die Zerstreuung von der unerträglichen Erkenntnis eigener Nichtigkeit abbringt. Eine geschickte Regiekunst des Lebens mußte dem gefährlichen Zustand entgegentreten, den die Philosophen methodisch zu ergründen suchten. In der Romantik versippt sich die Langeweile mit dem Weltschmerz. Trotz des Einverständnisses zwischen den romantischen Geistern aller Nationen bleibt doch die Bedeutung in der verschiedenen Bestimmtheit ihrer sprachlichen Tönung befestigt. Englisch spieen heißt eigentlich „Milz" und dann „Milzsucht": in seiner weltschmerzlerischen Bedeutung gelangt das Wort durch Baudelaire in die französische Dichtung: als deutsches Fremdwort wahrt es die Beziehung zu der Nation seiner Herkunft. Die deutsche Langeweile ist die eindeutige Erschließung eines Zeiterlebnisses. Demgegenüber fallen russisch skuka, durch Puschkin romantisiert, und das neugriechische darin zusammen, daß sie die Gefühlsgebärde der Beklemmung übertragen auf den Inhalt des Gefühls. Französisch ennui, italienisch noia gehen zurück auf inodiare, und beide Ausdrücke sind immer bereit, diese ursprüngliche Bedeutung der Verärgerung wiederherzustellen (besonders ennuyeux — „ärgerlich"). Dabei treffen sie zusammen mit dem spanischen, aus derselben Wurzel lautgerecht entwickelten enojo = „Ärger, Zorn". Jedoch blieb die-
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ses enojo so fest in seiner Bedeutung, daß es den Ausdruck der Langeweile nicht hergab. Die iberischen Sprachen griffen dafür zu einem anderen Substrat: abhorrescere, abhorrere = „verabscheuen"; spanisch aburrir. In diesem aburrir = „langweilen" liegt mehr passiver Überdruß (= fastidio), Widerwille, Abscheu als Ärger, Zorn oder nervöse Gegenwehr wie in ennui und noia. Das spanische aburrimiento ist ein Zustand der Lähmung, der keine aggressive Spitze besitzt wie ennui und in keine metaphysische Tiefe vorstößt. Von horror, horrere hat der romanische Osten urit gebildet: dieses rumänische Langeweilen wahrt den Horror, das Grauen, als Nebenton. Etymologische Interessen beschränken sich keineswegs auf den fachlich-philologischen Umgang mit Wörtern. Vielmehr hat bei der Bedeutungsverleihung neben dem schwer kontrollierbaren Einfluß des Klangbilds und vielleicht selbst des Schriftbilds die gewußte oder vermeintlich bekannte Etymologie die stärkste Zugkraft. Man ist gewohnt, ein Wort von seinem Ursprung her zu erklären, und das bestätigen gerade die falschen Etymologien, die sich an die Stelle der richtigen schieben und die Bedeutung des Wortes unmerklich in eine neue Richtung lenken. So wird zum Beispiel Geschichte von Schicht statt von geschehen hergeleitet, pflaumweich von Pflaume statt von Flaum, Knote von Knoten statt von Genösse, Bauchgrimmen von Grimm statt von krümmen, Sucht von Suchen statt von siech und so weiter.
Etymologische Wörterbücher gehören nicht nur in die Hand der Gelehrten. Sie sind unentbehrlich für jedes aufmerksamere Vernehmen der Bedeutungstöne in der eigenen oder in einer fremden Sprache. Damit hätte man freilich das zweisprachige Wörterbuch aus der Hand gegeben und an seiner Stelle zu dem Typus des Akademie-Wörterbuchs gegriffen. Dieser Typus ist die Schöpfung der italienischen „Accademia della Crusca", mit ihrem Bestreben, nicht nur die gebräuchliche Sprache Toskanas aufzuzeichnen, sondern den Sprachgebrauch auf die Beispiele der drei als „klassisch"empfundenen Schriftsteller Dante, Petrarca und Boccaccio zu verpflichten. Es wurde in allen Sprachbereichen nachgeahmt und sehr bald bereichert durch die Autorität des Volkswissens, durch Sprichwörter, Adagia. Ein solches Wörterbuch der Autoritäten ist kein autoritäres Wörterbuch. Es gibt und belegt nur den Sprachgebrauch, während die kurzen zweisprachigen Wörterbücher von Wort zu Wort eine prinzipielle Übereinstimmung zwischen den beiden Sprachen vortäuschen. Indessen existieren auch zweisprachige Wörterbücher, die einen tieferen Einblick ins Innere der Sprachnatur gewähren. Es handelt sich zumeist um
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den Versuch, das Wissen der Akademiewörterbücher für die fremde Sprache zu erschließen. Dazu tritt als unerreichbares Vorbild in einer abgeschlossenen Sprache Georges' lateinisch-deutsches Wörterbuch, wo eine umfassend belegte Phraseologie, die Fülle der Wortmonographien und stilgeschichtlichen Ausschnitte zusammenstreben zu einem überwölbenden Denkmal der Latinität. Das zweisprachige Wörterbuch gibt in solchen Fällen seinen Typus auf zugunsten des einsprachigen Worterklärungssystems, in das die zweite Sprache hineinführt. Seine Bestimmung des Vermitteins wird jetzt durch die Absicht ergänzt, die Verhältnisse der gefragten Sprache zum gründlichen Verständnis zu bringen. An Stelle der gesuchten Äquivalenzen erhält man einen Umkreis sinnverwandter Bedeutungen, aus denen der passende Ausdruck erst herausgelöst werden muß. Der Übersetzer geht leer aus, wenn er eine eindeutige Antwort verlangt, und findet sich statt dessen belastet mit der Verantwortung vor dieser ungebetenen Instanz: dem Sprachgeist! Einfacher sind die Fachwörterbücher zu Rate zu ziehen. Sie verlangen freilich mehr Kenntnis der Sache, wenn die umfassend angelegten tiefer zum Umgang der Sprache verpflichten. Zwischen diesen beiden Polen gibt es natürlich genug vermittelnde Lösungsversuche. Sie enttäuschen gewöhnlich nach beiden Seiten. So findet man oft in kürzer gefaßten Vokabularen, in aller Unbestimmtheit belassen, eine Mehrzahl von Äquivalenzen zu dem Ausdruck der fragenden Sprache. Der Benutzer bleibt in der Qual der Wahl, es bietet sich keinerlei Fingerzeig für die verschiedene Verwendung der nebeneinandergereihten Ausdrücke. Soll man die Wahl vom Gefühl, vom Wohlklang abhängig machen oder im ersten das Beste erblicken?
Synonyma? Auf dem Gebiet seelischer Bedeutungen gibt es jedenfalls keine Doubletten des Ausdrucks. Auch das Leben der Sprache verschwendet sich im Reichtum der Spielarten — doch hat es keine Neigung, zu wiederholen oder sich zu verdoppeln. Die Beseitigung der sogenannten „Synonymik" ist eine Forderung, die vom Standpunkt der heutigen Sprachkunde aus an die Wörterbücher der Synonymik (wie sie in der letzten Zeit für eine Reihe von Sprachen auftauchten) ergehen muß. Sie verbinden mit diesem irreführenden Namen die verdienstliche Absicht, die Bedeutungsdifferenz herauszuarbeiten und jedes Wort in seine besondere Wortumwelt zu begleiten.
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Eine scheinbare Ermächtigung erhält die Synonymik als Aufreihung gleichbedeutender Ausdrücke durch die humanistischen Regeln des Stils und der Periodenführung. In der ganzen romanischen Welt beherrscht die schöne Kunst des Satzbaues auch heute die Durchschnittsbildung. Der gute Stil muß mannigfach sein, das Verbot der Häufung gleichlautender Worte beachten. Den germanischen und slawischen Sprachen bleibt diese Sorge erspart, da sie gerade durch Wiederholung eine steigernde Wirkung erzielen: durch „Thematisierung". Die humanistische Rede fordert dagegen selbst die Vermeidung der Wiederholung eines Namens, wofür als Ausweg die sogenannte Autonomasie geboten ist. Für Cäsar hat im Wiederholungsfall etwa einzutreten: der unvergleichliche Feldherr, für Nero: das gekrönte Scheusal, für Homer: der blinde Sänger. Ebenso müssen natürlich die Epitheta ausgewechselt werden. Aber die tiefere Absicht der klassischen Redekunst zielte keineswegs auf die möglichst große Auswahl der Synonyme, vielmehr wollte sie mit dem Wechsel des Ausdrucks die Bedeutung allseitig aufweisen und entfalten. Die Rede hatte — nach dieser Auffassung — einen „diskursiven" Charakter (französisch: discours, italienisch: discorso, spanisch: discurso = „Rede"), das heißt den Charakter einer Bewegung, worin der „erörterte" Gedanke zum Austrag gelangen sollte. Nur aus rein mechanischem Mißverständnis (wie es freilich schon bei den mittellateinischen Schulfüchsen die Regel war) führte das Prinzip der „variatio" zur synonymischen Ballung, zur sinnlosen Parade einer Vielzahl gleichbedeutender Ausdrücke. Es läßt sich indessen nicht leugnen, daß im Bereich der Begriffe zuweilen zweierlei Zeichen für ein und denselben Gegenstand bestehen: wie will man zum Beispiel zwischen Fernsprecher und Telephon unterscheiden? Der Sprachgebrauch zeigt sich hier unentschieden, er hat die Neubildung zwar willkommen geheißen, ohne aber das ältere Fremdwort völlig zu verdrängen. Das Bestehen zweier Bezeichnungen ist ein Überfluß, der indessen mit der Funktion des Bezeichnens nicht so unvereinbar erscheint, wie die bloße Annahme einer Ersetzbarkeit oder Doppelung des in seine Bedeutung eingelassenen symbolhaften Ausdrucks. Auch die Bedeutung von Treue und Loyalität können sich wohl streckenweise berühren oder überschneiden, doch fallen ihre Kreise nicht zusammen, und ihre Anwendung bestimmt sich von einem verschiedenen Mittelpunkt her. Die zweispurige Bezeichnung eines Gegenstandes wie Telephon, Fernsprecher ist das Ergebnis des Versuchs rein sprachlicher (puristischer) Bestrebungen, in das Beziehungsfeld der Begriffe reinigend einzugreifen. Solche Tendenzen haben zunächst die Konvention, die Bezugskraft einer un-
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ausgesprochenen Verabredung gegen sich. Ein Erfolg ist nur denkbar, wenn der angesprochene Begriff selbst sich in einer sprachlichen Bewegung befindet, sich verreichert und in ein neues Bedeutungsfeld hineinwächst. Im vorigen Weltkrieg wollte wohlgemeinter Patriotismus das welsch belautete Lehnwort Friseur verbannen und durch Barbier oder Haarer ersetzt haben. Der erstere Vorschlag trug aber selbst die lautlichen Zeichen fremdsprachlicher Entlehnung, und als Lehnwort war Barbier schon „vergeben" in seiner altertümlichen Sphäre. Eine Neubildung drang nicht durch, weil kein Bedürfnis nach neuer Differenzierung das Beharrungsvermögen der Konvention hinlänglich erschütterte, um das harmlose Lehnwort aus seinem nur in Deutschland beheimateten Gebrauch zu drängen. Dagegen hat die Verbreitung des Fernsprechwesens ein Unterscheidungsbedürfnis geweckt. Wenn das deutschstämmige Wort durchaus mit der Absicht gekommen war, seinen Vorgänger auf der ganzen Linie abzulösen, so ist ihm doch nur ein Teilsieg beschieden gewesen. Der Widerstandspunkt, auf dem die alte Bezeichnung sich ihres Konkurrenten erwehrte, ist offenbar die Form des Zeitworts telephonieren gewesen. Zu dem Vorgang des Sprechens scheint personenhafte Vertretung, zum Gespräch die begleitende Ausdrucksfülle unerläßlich. So befindet jedenfalls das Sprachgefühl. In der Umgangssprache hat sich fernsprechen nicht durchsetzen können.
Wo die Technik sich in den Spielraum ihrer alltäglichen Anwendung einläßt, wird auch ihre kahle Nomenklatur in die Schlingen der lebendigen Sprache verwickelt. Scheinbare Ausdrucksdoubletten dienen dem Bedürfnis nach genauerer Unterscheidung. Aber außer dem Nebeneinander der sich berührenden oder überschneidenden Sachbedeutung gibt es noch eine vertikale Richtung, in der sich die Bedeutungen soziologisch abstufen lassen. Das Verhältnis der Sprache von Ober- und Unterschicht berührt sich scheinbar weitgehend mit dem von Hochsprache und Mundart. In zahlreichen Gebieten, so in Süddeutschland und in der Schweiz, bleiben allerdings die patrizischen Familien mundartgebunden trotz erworbener Kenntnis der Hochsprache, die sich zur „Honoratiorenmundart" verfärbt. Allgemein kann man sagen, daß die meisten Menschen innerhalb ihrer Muttersprache vielsprachig sind. Auch ein Bauer spricht vor Gericht eine andere Sprache als auf dem Felde. Die Erfassung der Mundart in den vorhandenen, zum Teil vorzüglichen Dialektwörterbüchern leidet, wie der Wortschatz der meisten Lexica, an der fehlenden sozialen Differenzierung. Freilich liegen entscheidende Merkmale
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außerhalb ihrer Möglichkeiten. Nicht nur der Wortschatz, auch die grammatische Formung und der Satzbau bringen mundartliche und damit soziale Tatbestände zum Ausdruck. Es bedeutet etwas völlig anderes, wenn ein Alemanne und ein Mecklenburger im einfachen Imperfekt (er ging) reden. Für den Niederdeutschen ist diese Form geläufig, während der Oberdeutsche, dessen Mundart sie längst zugunsten der zusammengesetzten Form (er ist gegangen) verdrängt hat, mit dem Gebrauch der einfachen Form den Usus seiner Sprachgemeinschaft zugunsten eines schriftlichen oder mündlichen Bildungsmusters aufgibt. Häufig unterläuft ihm dabei die falsche Verwendung von ich gmg, wo in Wahrheit das ihm vertraute ich bin gegangen am Platz war. Diese mißglückte Assimilierung zeigt die heimische Mundart in ihrem unwillkürlichen Widerstand gegen den überlegenen Einfluß. Die Grammatiker sprechen dann von „Hyperkorrekturen", von „mirages phonetiques" oder „Überentäußerung". Mundarten sind darum immer fortschrittlicher als die Hochsprache, weil sie den Hemmungen der die Hochsprache sprechenden Oberschicht nicht erliegen. Eine Oberschicht läßt sich ganz allgemein als eine Schicht definieren, deren Tätigkeit in der Sprache verläuft und daher mehr oder weniger Sprachbewußtsein hervorbringt. Wie im Fall des Präteritums, so eilen die Mundarten der Hochsprache auch in der konsequenten Abstoßung des Kasus voraus. Eine einfache Wendung wie das Haus des Vaters wird man auf oberdeutschem Gebiet nur in gehobener Rede vernehmen. Die Mundart verlangt hier die Umschreibung mit der Präposition: das Haus vom Vater. Umgekehrt läßt der Norden, vor allem Berlin, den Dativ und den Akkusativ zusammenfließen. Würde diese Entwicklung freigegeben, so würde das Deutsche bald den Zustand der romanischen Sprachen erreichen, die bekanntlich den Kasus durch die präpositionelle Umschreibung völlig ersetzen. Aber der Mundart sind nicht nur äußere Grenzen gezogen: auch von innen her ist ihr Verbreitungsgebiet aufs stärkste bedroht. Menschen in städtischer Ballung sind dem hochsprachlichen Einfluß der öffentlichen Meinung und ihrer Umlaufsmittel weitgehend verfallen, und die Mundart ist hier, trotz dauerhafter struktureller Hinterlassenschaften, im ständigen Rückzug. Vor allem hat das Industrieproletariat seine Nöte in der Hochsprache zu formulieren gelernt. Träger von Klassenkämpfen lassen sich überhaupt nur insofern nach sprach-soziologischen Merkmalen fassen, als ihr Eintritt in die Geschichte eine Bewußtseinsbildung voraussetzt, die mit dem Aufschwung auf das Sprachniveau das Eingehen auf die geistige Kampfbedingung der herrschenden Schichten ermöglicht.
Die Flucht ins Argot Betrachtungen über den Zustand unserer Sprache
Wenn man sich an den ungeheuren Wortverschleiß der Hitlerischen Megaphone erinnert, wenn man bedenkt, wie die unseligen „deutschen Menschen" von morgens bis mitternachts in die Propagandazange genommen und bis in die stillsten Fluchtwinkel ihres vegetativen Lebens von dröhnenden Nebengeräuschen erschüttert wurden — dann muß man sich allerdings wundern, daß die Lawine der offiziösen Parolen überhaupt noch soviel deutsche Sprache bestehen ließ. Gewiß sind manche Ausdrücke aus dem Ungeist des totalitären Systems bis heute an der Sprache der Publizistik hängen geblieben, und ein paar mutige Männer zeigen sich bemüht, die Denazifizierung unseres vaterländischen Wortgutes zu betreiben. Es sind meistens Ausdrücke, die sich sozusagen unter der Oberfläche verstecken und wie gewisse Parasiten dem Zugriff immer wieder entrinnen. Aber diese schwarze Wortliste erweist sich zum Glück nicht als unerschöpflich. Freilich darf man nicht vorschnell die schwer berührbare Sprache zum entlastenden Anwalt für die Sprecher machen. Sicher konnten die nazistischen Parolen keinen breiteren Einbruch in die deutsche Umgangssprache erzielen. Dies kann aber ebenso in geringer umgangssprachlicher Eignung, wie in den besonderen Intentionen jener politischen Parolen begründet liegen. Tatsache ist, daß es dem Faschismus versagt blieb, trotz seines Anspruchs auf totale Verwandlung des Menschen eine sprachliche Tiefenwirkung zu üben, die den entferntesten Vergleich mit der sprachlichen Wirkung der französischen oder der russischen Revolution erlauben würde. Durch die Macht der Prinzipien war hier eine neue Lebensordnung auch sprachlich befestigt worden. Nationalismus und Faschismus, die an Prinzipien nicht glaubten, konnten auch keine wirkliche Sprache besitzen. Die Faschisten haben ihre radikale Skepsis gegenüber allen Prinzipien nicht immer verbor-
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gen. „Alle Ideen sind möglich!" — sagte Mussolini, und er meinte damit, daß Ideen auf keine Wirklichkeit zielen, sondern nur bestimmte Wirkungen üben und nur als Mittel für die egoistischen Zwecke eines Nationalismus Bedeutung bekämen. Damit hatte die herrschende Klasse den Niedergang ihrer Ideologie durch die offene Bankrotterklärung besiegelt und das Faustrecht (den Ausnahmezustand) zur inner- und zwischenstaatlichen Norm erhoben. Überall führte der Faschismus seinen ersten Staatsstreich gegen den Bürokratismus und in Deutschland wurde mit dem Schlagwort System nicht nur die Weimarer Verfassung befehdet, sondern das populäre Vorurteil gegen alles vermittelnde Wesen in Recht und Verwaltung gestachelt. Dem Husarenritt gegen die Jurisprudenz folgte eine wahre Springflut neu geschaffener Begriffe. Sprachlich und sachlich blieben sie — vom Erbhofbauern bis zur Rassenschande — gegen die überkommenen Rechtsgedanken deutlich geschieden, aber sie waren selbst mit den Keimen einer neuen, schrecklichen Kasuistik behaftet. Die Fiktionen des Rechtsstaats wurden durch eine Mythologie der legal gewordenen Gewalttat zerrissen, und die schleichende Krise der Sprache enthüllte sich jetzt erst als die unheilbare Krankheit der Sprecher. Für ein feineres Sprachgewissen waren die Symptome schon seit längerer Zeit vernehmlich. Man bemerkte die allgemeine Flucht der Sprache aus dem Zeitwort. Eine Grundkraft des menschlichen Wortes schien damit erschüttert. In der Tat war die Stellung des Verbums vor langer Zeit im Abbau begriffen. Selbst die Dichtersprache war an diesem Vorgang beteiligt. Rilkes weitwirkendes Vorbild hat den Prozeß, wie in geheimem Auftrag des Zeitgeists, auch in den geistigen Höhenlagen gefördert. Was die Beobachter unseres sprachlichen Zustands seit einiger Zeit beunruhigt, ist das scheinbar unaufhaltsame Umsichgreifen der substantivierten Zeitwortfigur. Daß man z. B. nicht mehr betrachtet, sondern allenfalls noch in Betracht zieht, statt etwas auszudrücken, es zum Ausdruck bringen möchte, und wenn man's nicht vermag, nicht im Stande, nicht in der Lage ist. Ein geblähter Kanzleistil, in dem nun auch die winzigsten Händel zum Austrag gelangen. Kommt nicht in Frage ist eine solche Weigerungsformel von unüberbietbarer Grobheit, die den bloßen Anspruch auf ein Vernommenwerden von der angemaßten Höhe eines Weltgesetzes zurückstößt. Der Verlust der mittegebenden Kraft in dem verdinglichten, von abstrakten Gewalten beherrschten und zerspaltenen Bewußtsein läßt sich an dem Versumpfungsgrad der verbalen Ströme ermessen. Durch das Verbum werden die Dinge gezeitigt: menschliche Kraft tritt bewegend in ihre Mitte.
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Verben reißen zusammen und verbinden das Mannigfaltige mit der Energie der Beseelung. Aber im Zustand der menschlichen Selbstentfremdung wird alles Handeln als Leiden empfunden, weil die zerteilte, zweckfern betriebene, auseinandergegliederte Arbeit den Menschen nur noch passiv an seinen eigenen Werken beteiligt. Nur in dieser vollendeten Ohnmacht konnte eine Vielheit den neuen Parolen verfallen. Das Gefühl, überhaupt eines Anrufs gewürdigt zu werden, machte die Auftragsempfänger für jede Leistung willfährig. Zu der Macht des Appells gehörte indessen die sorgsam berechnete Wirkung durch Wortwahl und Mischung der sprachlichen Elemente. Neubegriffe werden zumeist durch Wortehen zwischen ungleichen Partnern gebildet. Ein gefühlsbeladenes Symbolwort durchdringt die neu gefundene Bezeichnung mit einer erregenden Welle: Sachbezeichnungen werden zugleich als ein Hinweis auf die alles erzeugende Macht der Bewegung verständlich. Dieses Schema ist das Seriengeheimnis einer Menge neu getönter Begriffe: Rassenschande, Trewverhältnis, Freizeitgestaltung, Junglehrer, Jungarbeiter, Blutreserve, Gebärfreudigkeit, Erzeugungsschlacht, Warenhortung usw. Die gesteigerte Wirkung kommt in solchen und ähnlichen Fällen durch ein sogen. „Zeugma" zustande, d. h. durch eine überraschende Verbindung, in der sich begrifflich und sprachlich entgegengesetzte Pole berühren — ob der gemütvolle Firnis der Vorzeit den grauen Arbeitsalltag durchleuchtet, oder eine Fluchgewalt über die Verletzung des nüchternen Staatsgesetzes verhängt war. Außer der Aufgabe des Bezeichnens mußten all diese Koppelworte noch einen zusätzlichen Auftrag der Werbung oder Verwerfung erfüllen: mit ihrer Nennung wurde zugleich die anempfohlene Wertung vollzogen. Jahre vor der „Machtergreifung" las man in einem berühmten nationalistischen Buch eines auch heute noch vielgenannten Schriftstellers: „Das erste Kaiserreich hat die individuelle Freiheit nicht radikal genug unterdrückt ... es hat den modernen Krieg nicht nach Art eines Reklamechefs größten Formats vorbereitet."
Das dritte Reich hat diese Lehre nicht überhört. Alle Erfahrungen der privatwirtschaftlichen Reklame wurden verwertet und ihr Prinzip durch den Wegfall der Konkurrenz zur absoluten Wirkung gesteigert. Die Reklame ist unlösbar mit dem Sphinxcharakter der Ware verbunden. Durch Reklame wird der Verbrauch der Waren unabhängig von den Bedürfnissen der Verbraucher geregelt. Einem Überschuß an Waren wird durch die Suggestion von bisher nicht bestehenden Bedürfnissen ein künstlich vermehrter Absatz erschlossen. Die Reklame will übersättigte Konsumenten zu
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neuen Konsumen verleiten. Umgekehrt müssen im Fall der Warenverknappung sehr reale Bedürfnisse dem Publikum ausgeredet werden. Wissenschaftler beginnen jetzt plötzlich vor den Gefahren der Überernährung zu warnen — andere entdecken an dem selbst vom Kleinvieh mit Füßen getretenen Abfall eine Konzentration der kostbarsten Vitamine. Die Reklame reguliert je nach den wechselnden Bedürfnissen der „Wirtschaft" den Verbrauch durch ihre überall ausgestreuten Parolen. Blitzartig wird das Interesse der Gesamtheit auf einen beliebigen Punkt versammelt. Der Zwang zur Kenntnisnahme wirkt unwiderstehlich. Allerdings werden nicht alle Losungen sogleich befolgt. Oft versickern sie schnell im Bewußtsein, um dann erst bei der rechten Gelegenheit wieder im Gedächtnis hervorzutreten. Stets aber wird die Urteilskraft des Publikums durch ein suggestives Werbungsverfahren überlistet. Es wird mit einem Publikum ohne eigene Urteilskraft und Sacherfahrung gerechnet. Propaganda wendet sich an die Allgemeinheit. Sie verzichtet auf den Beifall der Wissenden, auf die Zustimmung der Spezialisierung, deren Augurenlächeln sie kalt läßt. Die Parolen des totalitären Staates sind Stationen, Marksteine für einen unendlichen, alle Räume aufbrechenden Ausgriff: „Räder rollen für den Sieg". Hier übernimmt eine Parole statt der Werbung die Funktion des Abwinkens. Zwar wird für den Sieg geworben, aber als Beitrag wird nur eine Unterlassung gefordert. Der Staat ist der Impresario der Gelüste seiner Bürger geworden. Er bestimmt, welche Bedürfnisse es geben darf und welche nicht: „Lieber Kanonen als Butter." Solche Parolen sind von bloßen Befehlen deutlich zu unterscheiden. Die Suggestion der Parole richtet sich auf den ganzen Menschen. Es genügt ihr nicht, daß er folgt, sie will, daß er mitgebt. Wo einfache Befehle genügen, wäre die Anbringung einer Reklame oder Parole lächerlich. Das Militär braucht die Idee des Gehorsams nicht zu propagieren. Der Staat braucht keine Werbung zum Steuerzahlen zu entfalten oder zum Aufsuchen seiner Gefängnisse und Richtplätze. Der entsprechende Befehl ist durch alle möglichen Drohungen oder durch die unmittelbare Wirksamkeit der brachialen Gewalt vorzüglich gedeckt. Dagegen kann man niemandem befehlen, gemeinnützig statt eigennützig zu sein, so wenig, wie Kukirol oder Persil in rauhen Mengen zu verbrauchen. Man kann in solchen Fällen nur überreden, wenn man die nötige Stimmkraft hat, und daran hat es in der vergangenen Epoche nicht gehapert. Wie die Techniker der Reklame, so waren sich auch die Schöpfer der politischen Parole der Sterblichkeit ihrer Leistungen durchaus bewußt. Abgegriffene Parolen wurden systematisch aus dem Verkehr gezogen. Ein solches Schicksal hat der 1933 mit beispiellosem Erfolg in Umlauf gesetzte
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Begriff des Gleichschaltens erlitten. Er hatte sich eines Tages überlebt, als der äußere Widerstand gegen die neue Herrschaft erstickt war. Er wurde später ersetzt durch das mehr militärische Ausrichten, wobei dem individuellen Aufwand ein größerer Spielraum verblieb, als durch die Vorstellung einer durch einfachen Hebelgriff vollzogenen Gleichschaltung. Diese Verdrängung entsprach durchaus einer Veränderung der deutschen Lage, dem Übergang einer politischen zu einer militärischen Situation. Die Abtötung des Eigenwillens durfte jetzt nicht mehr als bloßes Ergebnis einer Umstellung gelten, sondern mußte das Ziel der Disziplinierung darstellen. Sicher war diese Propaganda hellhörig genug, um ihre Losungen im richtigen Augenblick auszuwechseln. Aber sie konnte dem inneren Widerspruch eines Regimes nicht entrinnen, das die Restauration mit den Mitteln der Revolution zu bringen versuchte. Immer wieder bemühte man sich um die Aufwertung des grausam gesunkenen Wortguts. „Das Gedankengut der Bewegung" — klingt das nicht nach einem Gnadenschatz, den seine Spender wie eine Köstlichkeit hüten? In der Tat war ein besonderes Gesetz gegen Mißbrauch und Verächtlichmachung erlassen. Nicht jeder Deutsche wurde für würdig befunden, die Nazisprache zu führen: den Gefangenen des dritten Reichs war die Entbietung des Hitlergrußes verboten. Maßloser Banalisierung wirkte die plötzliche Verknappung des Redeumlaufes entgegen und der offenen Inflation der Worte gab ein weise berechneter Terror die heimliche Deckung. Wie auf einer Wolke kam der Führer auf seinem drohend geballten Vokabular geritten — aber die Wolke konnte sich ohne Gefährdung des Reiters nicht in befruchtenden Regen verwandeln. Man begriff, daß es ohne fremden sprachlichen Vorspann nicht ging. Was die Jugend berauschte, war gewiß nicht der homöopathisch verdünnte Georgianismus der Baldure von Schirach, sondern die eisgekühlte Romantik des technischen Abenteuers, wie sie, wenigstens probeweise, in den Schullesebüchern des dritten Reiches zu finden war. So zum Beispiel in der Deutschkunde von Florstedt-Siebers für Quartaner. Ein besonderes Stilmuster sollte die Knaben in „Geist und Sprache der Großdeutschen Wehrmacht" einweihen und das kurze Beispiel kann hier für viele gelten: „Wenn der Flieger eine Notlandung baut, setzt er sich einfach hin oder rotzt die Mühle hin, wenn er dabei Bruch macht ... Emil schiebt die Pulle rein und zischt los. Ein Jäger setzt sich hinter ihn, schießt aus allen Knopflöchern und rotzt ihm den Laden voll. Als ein eigener Jäger kommt, saust dem Tommy der Frack. Er nimmt das Schwänzchen hoch und geht träumen, um nicht abgeknipst zu werden. Wir haben inzwischen unsere Eier gelegt und fahren nach Hause. Da meckert der rechte Motor, dann kotzt er und schließlich verreckt er ..."
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Was bei diesen Sätzen am meisten befremdet, ist der nicht zu verhehlende Eindruck, daß hier in der Tat etwas Authentisches vorliegt. Unbeschadet der fliegerischen Spezialisierung gibt diese Prosa ein richtiges Dessin jener lebendigen, wirklich gesprochenen Sprache, die Millionen von Landsern täglich im Munde führten. Allerdings kann man zugunsten der individuellen Sprecher einen Vorbehalt machen. Es sind immer nur wenige, charakteristische Situationen, die man landsersprachlich verhandelt. Das Argot ersetzt für niemand die Sprache. Wohl aber werden gewisse Ausdruckstendenzen, die sich in den Argotfiguren drastisch verknoten, in einer sprachschöpferischen Weise auch auf neue Situationen übertragen. So kann das Argot zum Rahmen einer sprachlichen Haltung werden. Gerade durch die Zugespitztheit seiner Stilmittel zwingt das Argot sein Weltbild allen auf, die es sprechen. Solange einer die Landsersprache sprach, war er auch dem Landserglauben verfallen. Das Mysterium dieses merkwürdigen Glaubens ist darum nur durch die Kenntnis der sonderbaren Sprache durchdringlich. Und es entsteht der Verdacht, daß man überhaupt nur als Sprecher von Landsersprache zur Gilde der also Genannten gehörte. Aber — noch liegt die Erscheinung der Sprache im selben Nebel vor uns wie die gemeinschaftsbildende Gesinnung ihrer Sprecher. Kann man denn hier überhaupt noch von Sprache reden? Das Argot durchsetzt seine Muttersprache, ohne sie anzutasten: es gehört zu ihren besonderen Gesichtern, zu den Fratzen, die sie schneidet. Die Soldatensprache gleicht mit ihren sprachlichen Tendenzen oder Grimassen genau so dem Gaunerargot wie dem Argot der Scholaren und Studenten. Sie steht zwischen beiden in der Mitte, an beide seit langem aufs tiefste verschuldet. Ihre Gegengaben sind unerheblich, doch kann sie dafür das Geliehene in weiteste Geltung versetzen. Denn die heutigen Soldatensprachen sind von diesen und anderen Gruppensprachen nur durch den ungeheuren Umfang ihrer Ausbreitung verschieden, die sie offenbar ohne ernstliche Gefährdung ihres sprachlichen Sondercharakters erreichten. Durch die Lager- und Landsersprache wurde Millionen männlicher Deutscher ein sprachliches Massenschicksal bereitet. Eine heutige Sprachbetrachtung kann an einer solchen Erscheinung nicht einfach vorbeisehn. Selbst wenn der Zusammenbruch des Heeres das natürliche Ende der Heeressprache herbeigeführt hätte, wäre hier immer eine wirksamste Vorgegebenheit unserer sprachlichen Gegenwart zu beachten. Aber in Wahrheit sind die unheimlichen Zeichen des Überlebens schon lange erkennbar. Eine Übersicht über die zweite Weltkriegssprache kann sich auf keine Vorarbeit, sondern nur auf die Erinnerungen von Selbstgehörtem stützen.
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Der totale Staat hatte offenbar keine Schätzung für diese staatsfrei gebliebene und politisch undurchdringliche Sprachform seiner Soldaten besessen. Schon die Anfangsfrage, welche umgangssprachlichen Wörter zum Besitzstand der Landsersprache gerechnet werden können, bereitet einiges Kopfzerbrechen. Nicht in allen Fällen kann die Herkunft eines Wortes oder die Art der Vergleiche darüber entscheiden. Zwischen den verschiedenen Formen des Argot, der Mundart und Umgangssprache verfließen die Grenzen. Jedes Wort kann in jeder Sondersprache Bürgerrechte besitzen. Um das im Einzelnen zu ermitteln, ist die Frequenz des Gebrauchs und die Typik der damit bezeichneten Situation zu beachten. So ist zum Beispiel das Wort fechten (= „bettelnd herumstreichen") etwas gehobener als schnorren, trotz seiner längst vorher besessenen Verbreitung unter den besonderen Verhältnissen der letzten Kriegsjahre an die Landsersprache gekommen. Aber man wird auch den umgekehrten Vorgang nicht übersehen dürfen: durch den Erfolg kann ein Wort seiner ursprünglichen Zugehörigkeit zum Argot für immer entfremden. Längst verbreitete Redensarten wie verduften, verknakken, versieben, Zinken (= „Nase"), Kaktus (= „Fäkalie") wurden zu Unrecht für die Soldatensprache des 1. Weltkriegs in Beschlag genommen. Auch die Wendung durch den Kakao ziehen klingt geläufig allen deutschen Ohren — aber sie steht mit Recht in den feldgrauen Wortregistern. Bald nach Kriegsende sieht man sie allerdings in dem breiten Strom von argotischem Schwemmgut treiben, das die deutsche Umgangssprache damals begierig aufnahm. Da der Grund der euphemistischen Übermalung verdrängt werden konnte, wie man z. B. den wenig schicklichen Ursprung einer Strohwitwe mit galantem Vergessen bedeckt hat, war der Weg in die beste Wortgesellschaft geöffnet. Damit hatte der Ausdruck seine unappetitliche Herkunft für immer verloren. Auch der gelegentliche Gebrauch im Mund neuer Kriegsteilnehmer brachte keine Gefahr der Entlarvung. Mochten diese sooft wie ihre Kollegen vom 1. Weltkrieg einander durch die Sch...e ziehen — der Zusammenhang zwischen beiden Figuren war verschüttet und ihn wieder aufzugraben ist ein philologischer Kunstgriff und keine der Sprache zuzutrauende Leistung. Das Argot berührt sich streckenweise mit der gebildeten Umgangssprache, aber in jedem Fall ist ihm die Mundart das Schicksal. Zwischen beiden besteht der schärfste Zwiespalt. Das Argot besitzt nur seinen besonderen Wortschatz und nicht, wie die Mundart, eine eigene Grammatik mit eigener Syntax. Dialekt und Argot entfalten sich in verschiedenen Dimensionen. Das Argot hat als Wandersprache die Neigung, alle Dialekte zu übergreifen, während die jeweilige Mundart keinen zollfreien Einbruch in ihr Gebiet
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gestattet. Je stärker die Kraft einer Mundart noch wirkt, desto leichter verfällt ihr auch das Argot, das sich auf solchen ( vor allem oberdeutschen) Gebieten wie eine mundartliche Spielart anläßt. Den Anstoß der deutschen Soldatensprache erteilte die lockere Atmosphäre Berlins und des sächsischen Landes. Im süddeutschen Mund hat sich ihr Charakter grundlegend verändert. Die Mundart ist hier zum sprachlichen „Substrat" des Argots geworden. Sie steuert bodenständige Ausdrücke bei, die freilich den Kreis der mundartlich gebundenen Sprecher nur selten überschreiten. So z. B. oberdeutsch Kluft für Uniform, aus dem Neuhebräischen stammend und in den Mundarten für jede Obergewandung allgebräuchlich. Schwäbische Soldaten des I.Weltkrieges sagten von einer ergötzlichen Situation in unpersönlicher Rede: das ist glatt, gewandt, kühn, gewiegt oder gediegen1. Zu besonderer Verwendung nimmt das dialektgebundene Argot selbst mundartfremdes Wortgut in Pflege. Kühn ist kein schwäbisches Erbwort und gewiegt (zu frz. berce) aus der Hochsprache gegriffen. Hierher gehört auch die mundartliche Verbiegung des zugewanderten Argotworts, die Fälle einer schöpferischen Mißdeutung, die das Leben der Sprache zum Schreckbild der Logiker machen. Um auch dafür ein Beispiel zu nennen: zur Eröffnung der Rede und als emphatisches Verlegenheitswort erscheint die Ansprache mein lieber Spitz\, womit sich die Eingeweihten zu erkennen geben. Daß die Bedeutung des Pfiffigen in dem Anruf steckt, ist aus Spitzbube und etwas spitz bekommen ersichtlich, darum überrascht es, auf die schwäbische Schimpfrede tauber Spitz! zu stoßen. Das schmückende Beiwort taub in der hier kräftig weiterlebenden Bedeutung von tumb (niederdeutsch doof] steht im unaufhebbaren Widerspruch zu dem Rufwort. Also ein Wortwitz? Witzig gewiß nur für den, der eine zweite sehr verschiedene schwäbische Grundbedeutung dieser Anrede wittert. Das Verbindende der gemeinsamen Mundart ist der Hinweis auf die bestehende Gemeinschaft des Stammes, der Sitte, der Landschaft. Mundart wird nur in Ausnahmefällen ins Bewußtsein gehoben. Demgegenüber wird Argot stets mit einer gemeinschaftsstiftenden Absicht gesprochen. Das Bewußtsein der sprachlichen Sonderrolle ist hier überhaupt entscheidend beteiligt. Durch das Argot werden spürbare Überwertigkeitsgefühle gegenüber der uneingeweihten Außenwelt gezüchtet. Das beweist schon die kindliche Erbsensprache, die den Erwachsenen ein übermütiges Paroli gebietet. Dauzat zufolge ist „das Argot ein Element des Zusammenhalts für eine geschlossene Gruppe und ein Abwehrverfahren gegen die äußeren Funktionen ihrer Zersetzung".
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Diese Gemeinschaft fällt allerdings im Fall der Soldatensprache keineswegs mit der anbefohlenen Zwangsgemeinschaft zusammen. Die Soldatensprachen bilden das Werkzeug einer Notgemeinschaft, die sich oft in geheimem Widerspruch mit ihrer offiziellen Zielsetzung befindet. Ihre Wortgebung ist das Ergebnis der Spannung zu den Gepflogenheiten der Muttersprache: Das Argot hat ohne Frage ursprünglich den Sinn eines Sichversteckens vor der eigenen nationalen Sprachgemeinschaft. Dieser Anfangscharakter der bewußten Geheimhaltung enthüllt sich häufig in einer gewissen Vorliebe für exotisches Wortgut. Der französischen Argotforschung war es besonders aufgefallen, daß die französischen Kriegsgefangenen in Deutschland ihre Sprache mit einer Masse deutscher Lehnwörter durchsetzten. Wäre es ihre Absicht gewesen, ihre deutschen Wächter zu täuschen, so hätten sie nicht sinnloser verfahren können. Wenn hier eine Täuschungsabsicht vorlag, war sie spielerisch gegen die eigene Sprache gerichtet. Als eine „Gegensprache" übt sie an allem Kritik, was in ihren Gesichtskreis fremd und fordernd hereinragt. Ihre Vorgesetzten nannten die 1. Weltkriegssoldaten den inneren Feind, während dieses Thema im letzten Krieg nur an der Oberfläche gestreift wird: Lametta, Lamettahengst usw. Sicher ließ die Soldatensprache bei vollem Ohnmachtsbewußtsein etwas wie psychischen Widerstandswillen gegen den fortgesetzten Anschlag auf die menschliche Freiheit aufblitzen. Allerdings übte sie damit zugleich die einzig konzessionierte Freiheit des Heeres, dem man lieber die Zunge freiließ als die Gedanken. Eine Autorisierung oder schweigende Duldung verwandelt das stärkste Freiheitsgelüste in Spieltrieb, und noch einmal bewährt sich die alte, klassische und der herrschenden Klasse so wohl angemessene Formel, daß der Mensch nur im Spiel die verlorene Einheit seines Wesens zurückzugewinnen vermöchte. Aber man darf nicht übersehen, daß auch dieses Argot dazu helfen mußte, eine gefährdete Daseinsform abzuschirmen. Das gilt schon von der Einreihung in die uniformierte Masse, die zumeist ein völliger Verlust des Wirklichkeitsempfindens begleitet. Eine neu gehörte Sprache gibt in dieser verzweifelten Lage die erste Orientierung. Einer bedrohlichen Umwelt setzt man die Freiheit einer spielerischen Namengebung entgegen. Die Metapher, der Vergleich, bilden die großen Tricks dieser neuen Vorbildsprache, die eine neue Sicherheit über ihre mit kühnen Griffen zurechtgerückten Objekte vorspielt. Durch Vergleiche wird eine Ähnlichkeit schlüssig. Wenn die Poilusprache mit einer wissenschaftlich falschen Etymologie eblouir auf etre bleu
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(= „Neuling, Rekrut sein") zurückführt, so wird, was Verblüffung ist, an der unvergeßlichen Haltung eines Rekruten durchsichtig. Viele Vergleiche haben eine besondere Neigung zum Beschönigen an sich. Die Grammatiker sprechen dann von „Euphemismen". Durch die Umbenennung werden die Dinge aus ihrem bedrückenden Ernst in die Freiheit des Sprachstils gehoben. Euphemistisch ist schon die Bezeichnung der empfindlichen Morgenkühle mit schattig oder eines gefährlichen Einsatzes mit Himmelfahrtskommando. Eine gewisse Art des Entwendens wird großspurig zum organisieren, die Franzosen nennen in ihrem Argot „stehlen" travailler (= arbeiten). „Betteln" wird vornehm mit fechten umschrieben. Solche Euphemismen entstehen vor allem, wenn die innere Zensur eine Achtungsminderung fürchtet. Euphemistisch ist in der Poilusprache die Bildung marquise aus marque (= „Erkennungsmarke der Prostituierten"), ein Titel, den die Pariser übrigens auch an die Obolus fordernde Vorstandsdame einer öffentlichen Toilette verleihen. Abreibung (= „Rüge eines Vorgesetzten" aus dem 1. Weltkrieg) war das Gegenteil eines beschönigenden Vergleiches; aber durch das gefängnissprachliche kalte Abreibung (= „Tracht Prügel") ist auch dieses Wort in der Hitlerzeit zum Euphemismus geworden. Als Euphemismus hat ein französisches taxi (= „Pferdewurst") zu gelten. Der Vergleich kann hier die Sache nur bessern. Aber bei näherem Zusehen wird der bezeichnete Gegenstand durch das Vergleichswort in doppelter Weise verknotet. Die teilbare Länge der Dünnwurst erinnert zugleich an die Meßbarkeit der Zeit durch das eingebaute Taximeter einer Stundendroschke. In derselben Richtung liegt französisch kilometres (— „Makkaroni"), deutsch eine lange Stange in der Bedeutung von „viel Zeit". Der 2. Weltkrieg hat den Schmalspurleutnant (= „Sonderführer") geschaffen. Auch dieser Ausdruck verknüpft zwei Vergleiche. Zunächst wird das äußere Merkmal festgehalten: schmälere Achselstücke. Darüber lagert sich das Bild einer Schmalspurbahn im Sinne einer kurzfristigen Laufbahn im Hinterland des militärischen Ruhmes. Bildüberlagerung kann, wenn beide Vorstellungen lebendig bleiben, zwei Oktaven einer Bedeutung zusammengreifen. Wurde dagegen die eine verdrängt und vergessen, so wird ein Ersatzbild erzeugt, eine „falsche Etymologie", wie die Sprachwissenschaft mit geringem Recht behauptet, da doch zwischen falsch und richtig stets nur die Geltung entscheidet. Aus dem neuhebräischen go/ (= „Rede") stammte Kohl reden, kohlen, was (wie das anders abzuleitende Kohldampf schieben) die meisten Sprecher mit dem Suppenkohl in Verbindung brachten. Das galt zunächst auch von dem weiterhin gebildeten verkohlen (= „veralbern"). In dem Zeitwort hat sich jedoch eine zweite Bedeutung entwickelt, die nahe an
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verpfeifen herankommt, und die nur aus einem neuen Bildmißverständnis hervorgehen konnte. Offenbar wird nun statt des Suppenkohls die „Kohle" hineingelegt, so daß verkohlen sich mit anschwärzen berührte und in weiterer Spezifizierung und mit derselben Bedeutung das ganoven- und gefängnissprachliche verk.ok.sen aufbrachte. (Landsersprachliches koxen — „pennen" steht als ein bloßes Schallwort außerhalb dieser Reihe). Es gibt Bildvergleiche, die entschieden darauf angelegt sind, ihren Gegenstand „zutreffend" zu schildern — andere wollen ihn übertreffen und durch eindrucksvolle Steigerungen dem Sprachgedächtnis aufzwingen. Diese übersteigernde Absicht kann sich auch in einem negativen Wertsturz aussprechen und zum Schimpf- oder Schmähwort greifen. Dies ist der gewöhnliche und vulgäre Weg, in dem sich unsere Sondersprachen gefallen. Die Gepflogenheit, jede Räumlichkeit wahllos einen Puff zu nennen, gründet vielleicht auf der harmlosen Ursprungsbedeutung des Hinundherschiebens und meint so etwas wie „Raum mit viel Bewegung". Aber natürlich hat das Bewußtsein die obszöne Bedeutung unterschoben. Dazu gesellte sich noch der Anreiz des schnittigen, einsilbigen Klangkörpers mit dem energischen Stakkato, der solche Ausdrücke wie Puff, Piß (= „der ganze Bettel"), Hack (= „Arbeit") dem zackigen Rhythmus der Sprecher nahelegte. Solche Ausdrucksexzesse sind immer mit einem starken Verschleiß an Sprachbedeutung verbunden. Haufen bedeutet zunächst „Ersatzhaufen" und dann „Einheit" schlechthin, so daß die ursprüngliche Schimpfbedeutung durch andere Ausdrücke wiedergegeben werden mußte wie übersteigerndes Sauhaufen, Verein, komischer (ulkiger) Verein usw. Eine Neigung besteht in jedem Argot, das Illegale verschönend und euphemistisch einzubürgern, der Sprache mundgerecht zu machen, und umgekehrt, das Legale und Normale mit einer sprachlichen Fratze zu versehen, ins Fragwürdige, Gewagte oder Verbotene hinüberzuspielen. Mit der prahlerischen Neigung, den Hörern durch sprachliche Kraftleistungen das Gruseln beizubringen, geht die nach außen abdeckende Wirkung solch ungehemmter Rede vorzüglich zusammen. Der wohlverdiente Inhalt des Picknapf es: der Schlag oder Nach schlag wird verdrückt als würde es sich um einen verstohlen zu verzehrenden Mundraub handeln. Man geht nicht, sondern haut ab, man türmt, womit noch im 1. Weltkrieg nur die „unerlaubte Entfernung", das Sichverdrücken bezeichnet wurde. In Verbalvergleichen überwiegt das dynamische Element. Einfachste Bewegungen werden in einen motorischen Strudel hineingerissen: anbrausen, anschwirren, ansegeln ist gang und gäbe für „kommen" oder „erscheinen", während losrauschen, loswetzen, loszwitzschern1 oder abschwirren den Ab-
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gang ankündigt. Durchwetzen bedeutet dagegen die durchgehende Fahrt. Dieses stürmische Sichinszenesetzen hat trotz des fühlbaren Untertons von Selbstironie doch den vollen Erlebnisakzent, den der sinnleere Kommißbetrieb den Grundvorgängen des Kommens und Gehens zuspielt. „Mehr Schein als Sein" war offenes Geheimnis dieser militärischen Erziehung. Es kam weniger darauf an, vorhandene Eigenschaften zu entwickeln als nicht vorhandene vorzuspiegeln, und durch scharf zusammengerissene Haltung die vorgesetzten Augen über dauernde Mängel hinwegzutäuschen. Auch diskretere Formen einer individuellen Absetzbewegung sind durch eine Fülle von verbalen Figuren sprachlich vertretbar: Ausbüchsen, sich verdrükken, und angelehnt an sich verdünnen ein sich verpissen, wobei die bildhafte Verwandlung des Flüchtlings in ein zerrinnendes Element über den Grundvorgang hinwegspielt, den ein künstlich verlängertes Austreten als Sprungbrett für die unerlaubte Dienstentfernung darstellt. Dieses übelriechende Zeitwort wäre begrifflich nicht anders gebildet als das berühmte mittelhochdeutsche verliegen. Auch das Spanische bekundet seine Sympathien für heilsame Rückzugsbewegungen durch eine Reihe verwegener Bilder: apretarse ei gorro (= „sich die Mütze festdrücken"), pelar el castano (= „die Kastanie schälen") usw. Das begehrte Kommando zum betriebsamen Nichtstun umschreibt eine Kugel schieben. Friedliche Reminiszenz an den gemütlichen Kegelverein liegt nahe.2 Das Martyrium des Sisyphos wird hier ein beneidetes Vorbild. Der total gewordene Krieg machte diese Wendung allerdings unhaltbar, genau so wie das Druckpunkt nehmen vom 1. Weltkrieg zu entblößend wirkte: neue, weniger provozierende Sicherungsformen konnten keine sprachliche Kristallisierung mehr finden. Im Aragonesischen heißt ein solcher „Kugelschieber": un vivalavirgen (wörtlich: Es lebe die Jungfrau!) Fortgesetzte Anrufungen der Mutter Gottes müssen die Eigenmacht des menschlichen Handelns in einer dem Ruhebedürftigen angemessenen Weise entwerten. Charakteristik durch leitmotivartige Rede liegt vor im französischen faire camarade (= „die Waffen wegwerfen"), in Anlehnung an die deutsche Gepflogenheit, sich bei dieser Gelegenheit empfehlend als Kamerad vorzustellen. Dasselbe Verfahren veranlaßt die Deutschen, ihre Feinde mit dem eigenen Namen zu nennen: Tommy, Russki, Iwan usw. Umgekehrt die Deutschen im Mund der Russen und Franzosen les Fritz. Es versteht sich von selbst, daß die Soldatensprache im Gegensatz zu manchem ändern Argot gegenständliche Bilder bevorzugt. Nach dem Verlust des Lebenssinnes klammert sich ungebrochener Lebenswille mit aller Leidenschaft an die bloße Lebensbewegung. Sprachlicher Ausdruck bewegt sich hier in äußerster Entfernung von allem Ideologismus.
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Stellt man unsere kleine, soldatensprachliche Musterkarte wieder hinein in ihre Sprachumwelt, so wird sich im Hinblick auf die zahllosen Werbeprospekte zum 1000jährigen Reich nicht leugnen lassen, daß hier ein anderer Geist herrscht, daß hier eigentlich alles höchst illusionslos gesagt und gesehen wurde. Dem Nazideutsch wurde die pathetische Blase aufgestochen. Auch die eigene Kampfbeteiligung des Erzählers wird nicht wie ein Heldenstückchen herauspoliert, sondern nur als Teilstück eines größeren Vorgangs vernommen. In der hingegebenen Spannung auf den Ablauf eines Geschehens bleibt die Reflexion vollständig ausgeschaltet. Durch das dichte Aufgebot leibverhafteter Metaphern rückt der Vorgang in eine fast bedrückende Nähe. Abgeschossene Flugzeugteile werden zu amputierten Gliedern, Waffen und Maschinen rotzen und kotzen und benehmen sich wie von Riesenimpulsen geladene Organismen. Die Prozesse der Technik werden in dieser lebenslustigen Verwandlung spielend bewältigt. Maschinen gehorchen wie Pferde dem Reiter — sie werfen ihn ab, doch weiß er sie als ihr wachsamer Beobachter immer wieder zu nehmen. In den animalischen Vorgängen scheint sich das durchgängige Prinzip für eine Erklärung der eigenen Daseinserfahrungen aufzudrängen. Auch der Mensch ist ja nichts anderes als der Schauplatz dieser unablässig wiederkehrenden Prozesse. Lädt man ihm etwas auf, so führt er auch den gefährlichsten Auftrag hingebungsvoll aus, weil heute eben der Preis für Essen und Schlafen so hoch liegt. Unentwegte Identifizierung aller Daseinsvorgänge mit der eigenen Körpererfahrung läßt sich auch bei anderen Kollektivzuständen gewahren, die Argot erzeugen: Häufung animistischer Metaphern ist hier eine merkmalbildende Erscheinung. Schon die Kaserne war eine Brutstätte des sprachlichen Animismus. Menschen kommen hier nicht als Personen vor, sondern als abzurichtende Träger von Bewegung. Durch den sprachlichen Überschwang ihrer subalternen Beherrscher verwandeln sich die Kasernenhöfe in zoologische Gärten. Schon in der Anrufung der untauglichen Erziehungsobjekte werden alle Register gezogen. Die Anrede schwillt auf und ab zwischen Mammutflüchen und hämischen Koseworten wie etwa einem Frettchen. Die spanische Soldatensprache geht hier denselben Weg: cachorros (junge Hunde = „junge Mannschaft"), pipi (Küken = „Rekrut"), pisahormigas (Ameisentreter = „Infanterist"), auch Flugzeugtypen haben Tiergesichter: bueyes (Rinder = „Bomber"), „rata" (Ratte) und chato (Stumpfnase) für „kleine russische Aufklärer". Bulle ist der Sammelname für die gefürchteten und allmächtigen Gehilfen der Truppenverwaltung: Kammerbulle, Küchenbulle. Der Name ist hier
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ein Programm. Ähnlich, aber mehr im Hinblick auf den Vollgenuß der errungenen Stellung, als auf die Art, sie aufrecht zu erhalten, zeichnet Hengst (Schreibstubenhengst, Etappenhengst), während Hase das Zeugnis der durch Erfahrung gereiften und ausgewogenen Routine für die besonders Gewitzigten ausstellt (Etappenhase, alter Lagerhase im KZ, Kommißhase usw.). Arrestanten oder Wehrmachtsgefangene, die von Tierbändigern bewacht wurden, nannten sich gegenseitig je nach Länge der Strafzeit verächtlich oder bewundernd kleine Fische oder große Fische. Ihre begangenen Straftaten waren Zicken, die sie gemacht hatten. Junge Mädchen, an denen die geschlossene Truppe vorüberzieht, heißen Rehe: Wild in der Schonzeit. Die KZ-Gefangenen nannten ihre schwarzen Wächter, je nach Geschlecht Mistbienen bzw. Saftbienen. Frontschwein und Frontsau war eine mit Stolz getragene Bezeichnung, aus dem Gegensatz zu Etappenschwein gewonnen und verstärkt durch die Bezeichnung sauen (= „Blut verlieren").3 Auch eine Stadt wurde unter dem Bombenhagel zur Sau, doch hörte man auch sagen sie wird zur Schnecke. Das Einigeln kommt mit dem Stellungskrieg seit 1915 in Gebrauch und gelangte in die Dienstsprache des Heeres. Affe (= „Tornister") ist älteste Soldatensprache. Der Franzose macht aus dem Revolver an seiner Seite ein gi'goi (= Hammelkeule). Selbstverständlich treffen auch leblose Vergleichsbilder den Eindruck einer besonderen Haltung, so zum Beispiel, wenn man die unbeweglichen Kameraden verzweifelt ansprach: Ihr Säcke! oder wenn man sie stur wie ein Panzer schalt oder stur wie eine Panzerfamilie. Bildhafte Anleihe an Gestalt und Wirkung der Waffen lag nahe: Blindgänger (im 2. Weltkrieg meist nur noch Kennzeichnung hoffnungsloser Untauglichkeit im Sinne von „Versager, Niete"), Mündungsschoner „das letzte und kleinste Glied einer marschierenden Gruppe"). Glimpf- und Schimpfworte wie Flegel (von Dreschflegel), bayrisch Batzi (zu Batzen, Klumpen, wozu norddeutsch patzig) spanisch paleto, zoquete (beide = Holzklotz im Sinne von „Holzkopf", „Grobian"), pan duro (altes Brot, in derselben Bedeutung) sind allen Sprachen geläufig. Gegenüber der organischen Bildkraft des Argots überwiegen sie in der Mundart. Animistisch ist die Beseelung des Gegenstandes durch den Namen des Besitzers: so wird Aktive, die „fabrikfertige Vollzigarette", durch den Anspruch der aktiven Truppe begründet, während der Ersatzhaufen in Zeiten äußerster Verknappung sich mit selbstgewickelten Surrogaten behelfen mußte. 4 Eine verstärkende Bedeutungsverleihung kann schon durch die einfache Vergegenständlichung abstrakter Tatbestände erfolgen: wegen „Zersetzung
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der Wehrkraft" angeklagte Offiziere gaben sich selbst die bildhafte Titulatur der Fundamentrüttler.5 Arbeit heißt Hack: hier spezialisiert die Sprache in symptomatischer Auswahl. Das Durchsuchen der Gefangenen nach verbotenen Gegenständen heißt filzen. Der ironisch abgefertigte Vorgesetzte wurde verflachst, auf den Arm (auf die Schippe) genommen, in demselben Bedeutungsfeld stehen die auch sonst populären Verben: veralbern, veräppeln, verarschen, verkohlen6, verpflaumen, versch...ern usw. Die Bestrafung bezeichnet: vergipsen, versilbern, die Rüge eine Zigarre verpassen7 oder anrotzen, vermutlich aus der übertragenen Bedeutung „Beschüß" abgeleitet. Wenn etwas stimmt, in Ordnung gebracht ist, so spurt es oder funkt es. Es haut hin gilt soviel wie „es reicht aus", ein Ausdruck, der bei Tauschhandlungen das Einverständnis mit einem Angebot bekundet und sinngemäß in die Friedenszeit übernommen werden konnte. Wie man sieht, ist die verbale Zeugungskraft im Argot nicht erloschen. Selbst die abstrakte Zeiteinheit kann sich einen sichtbaren Maßstab zulegen: eine lange Stange wurde etwa gesagt für die Dauer der abzubüßenden Strafzeit. Mattscheibe haben bezeichnet zunächst den Zustand geistiger Verwirrung, aber darüber hinaus auch den eines geistig minderbemittelten Kameraden, der zu lange Leitung hat, bei dem der Groschen erst spät fällts. Wer Mattscheibe hat, wird auch selbst so genannt, oder mit einem durch eine charakteristische Kreisbewegung vor der Stirn begleitendem Glimpfwort Kamerad Balla Balla9; sein Bestimmungsort, das Irrenhaus, heißt überliefertermaßen Klapsmühle. Für „angeben", „renommieren" boten sich die vergegenständlichenden Verbalfiguren in großen Bögen spucken, auf die Pauke hauen und auf die Tube drücken — alle drei mit Spreewasser getauft. 10 Anrotzen für „beschießen" ist zugleich eine stoische Herabminderung eines dramatischen Vorgangs, genauso, wie wenn der Verwundete sagt, er hätte einen Wisch bezogen oder umgekehrt im 1. Weltkrieg der Unterstand Heldenstollen, Kunsthonig Heldenbutter genannt wurde. Dieselbe Gesinnung kann bestimmt durch vielleicht ersetzen: „Da war vielleicht etwas los!" oder: „Du hast vielleicht Nerven!" Die Grammatiker nennen ein solches Stilmittel zur ironischen oder selbstironischen Verkleinerung eine Litotes, und unsere westlichen Nachbarn, die solche Wendungen besonders lieben, erklären ihre geringe Verwendung für einen menschlichen Mangel der deutschen Sprache. Das schauerliche Pathos der Nazisprache gibt ihnen Recht — jedoch das Landserdeutsch legt wiederum die Vermutung nahe, daß die verschwiegenen Möglichkeiten humaner Selbstironie im Wesen des Menschen und daher in allen Sprachen ruhen.
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Konkretisierung ist nicht das einzige Verfahren der Argotbildung. Es gibt sehr konkrete Tatbestände, die doch nur durch eine abstrakte Vernebelung aussprechbar werden. Niemand wird von sich selbst zugeben, daß er stiehlt oder gar klaut, wohl aber, daß er etwas organisiert hat. Umorganisieren bezeichnet eine zweifelhafte Tauschhandlung, ohne Wissen des Besitzers und zu seinen Ungunsten unternommen. 11 Wirksamer als der Befehl den Mund zu halten, ist die Heischerede: Nun mach aber Punkt!; durch den Verweis auf das Schriftbild verstärkt sich die Warnung zu einer hintergründigen Drohung. Eine Sprache hat immer mehr Witz und Geist als ihre einzelnen Sprecher, und die Landsersprache kommt auch den karg Bedachten mit ihrem Mutterwitz zu Hilfe. Wie in jedem Argot, liegen ihre Schöpfungen auf der Oberfläche der Mode, schnellem Veralten ausgesetzt. Ihre Aktualität macht sie, ohne Gedächtnisaufwand, jedem Zugriff mühelos zugänglich. Auch wird der Wortgebrauch dadurch erleichtert, daß Wortstellung, Akzent, Tonstärke und Modulation für die charakteristischen Argotfiguren unveränderlich festliegt, so daß Sprechen hier mehr ein Nachahmen von Vorgesprochenem ist als eine freie Verbindung der gegebenen Elemente. Vor allem haben die Interjektionen ein einmaliges Klangbild, und auch dialogische Flickund Kautschukwörter oder drastisch untermalende, zusammenfassende, abschließende Wendungen wie ehern! oder eisern!, nur! (= „etwas anderes kommt gar nicht in Frage!"), frage nicht! (komisch-pathetische Modewendung im 1. Weltkrieg als abschließende Bekräftigung einer unangenehmen Mitteilung) oder als Inbegriff des Vollkommenen da ist alles dran! (wenn zum Beispiel in der Wehrmachtssuppe der Löffel steht oder ein Mädchen sich bewundern macht), für eine abgeschaffte Vergünstigung oder einen Mißbrauch: Der Bart ist ab!, zur verstärkenden Bejahung: klar, Mensch!, als besorgter Einwand über eine unbesonnene Handlung: Mein lieber Mann!, die altertümelnden Anreden Du Knecht!, Ihr Recken!, das Glimpfwort Kadetten, die Schelte Knallkopp für einen unbesonnenen Untergebenen oder auch in den Wind hinein an seine Adresse, während der ist richtig! meist von unten nach oben sich richtet und trotz möglicher, leise sarkastischer Unterbetonung meist entschieden bewundert, all diese Argotfiguren lassen sich in ihrem letzten Sinn nur durch die Begleitgebärde vom Hintergrund der Begleitumstände erhellen. Festgelegt ist der Tondruck, die Klanghöhe, nicht nur in der gefühlszerdehnten oder die Konsonanten zerschmelzenden Sprechung einer Interjektion wie picobello! (als Ersatz für das abgedroschene prima), sondern genauso der akustische Rahmen der Bilder, Vergleiche, Metaphern. Dement-
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sprechend ist auch die Bedeutung oft nur gültig in der besonderen Verknüpfung mit einem zuvor gesprochenen Gedanken. Nur in dieser gewohnten Ordnung von Wort und Gedanken wird der Aufwand des Sprechens belohnt und der Stromkreis von Rede und Gegenrede geschlossen. Daß jemand ganz klein und häßlich ist, kann nur für den gestürzten Hochmut eines mächtigen Angebers gelten, während die Schelte lächerlicher Zwerg nur mit dem Kleinen, der sich nie anders fühlte, zu Gericht geht. Auch Vergleiche sind also genau in ihrem Stellenwert zu beachten. Daher können gerade die bildhaften und scheinbar so phantasievollen Wendungen im Dauergebrauch den Eindruck einer gewissen Starrheit erhalten. Vergleiche wie die Radieschen von unten sehen (= „tot sein, verenden"), wie die ersten Menschen! (als begleitende Scheltrede zu den mißlungenen Griffen der Rekruten), keine jüdische Hast! (= „nicht drängeln!"), sicher wie in Abrahams Schoß, stehlen wie ein Rabe, eingehen wie eine Primel, Weihnachtsmänner (= „gebrechliche Reservisten") verlieren ihren Reiz durch wiederholten Gebrauch, in dem die lähmende Wiederkehr der gleichen Situationen durchscheint. Übrigens war dieser Wort- und Vergleichsschatz, auf seinen Ursprung betrachtet, keineswegs immer eigenständiger Besitz der Soldaten. Die Mehrzahl der Ausdrücke stammt aus anderen und älteren sprachlichen Zuständen, vor allem aus der spritzigen Sprachatmosphäre der deutschen Hauptstadt. Nur die Häufigkeit des Gebrauchs entscheidet über die Zugehörigkeit eines Worts zum Wörterbuch des Argots, mag es auch in anderen Sprachzusammenhängen als geläufig belegt sein. Durch seine Bildkraft übertrifft das Argot zuweilen die Kühnheit der Dichter. Unsere gewöhnliche Sprache ist überhaupt bildlos. Ihr Ausdruck kann mit dem Vorwissen aller Sprechenden rechnen. Sie hat in jedem Fall eine schon gebahnte Richtung des Bedeutens vor sich. Wort und Bedeutung sind so eng verkettet, daß man beim Wort nicht erst eine bildhafte Erklärung zu suchen hat, sondern den Hinweis, der sofort hinausverweist auf die Sache und für den Sprecher den Charakter eines Signals der Gegenstandswelt annimmt. Sprache ist — mit einem Fachwort gesagt — intentional. Auf den durch Worte erregten Bildvorstellungen liegt nur noch ein verschwommener Begleitakzent, der, bei größter individueller Verschiedenheit, im Bewußtsein fast immer unterschwellig bleibt. Was stellt man sich unter einer bildhaften Wendung vor, wie etwas im Stich lassen? Meist ist der Wortursprung für den Sprecher vollständig verdunkelt. Der Deutsche, der Kopf sagt, sieht heute ebensowenig die etymologisch hier zugrundeliegende Bildform eines Bechers (von lat. cuppä), wie der Franzose einen Scherben beim Aussprechen von tete (von testa}. Aber die Einführung dieser
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Worte in den Sprachgebrauch verrät den schöpferischen Beitrag des bildfreudigen Argots. Durch den Erfolg einer solchen Neuschöpfung erlischt seine Bildkraft allmählich. Nur in der Dichtersprache und im Argot bleibt sie ursprünglich gewahrt. Diese Stilsprachen bedürfen nämlich der Vermittlung von Bildern, während die gewöhnliche Sprache die Krücke der Vergleiche abtut und mit ihrem beständigen Wortrepertoire unmittelbar auf die Gegenstandswelt hinzielt. Wenn das Argot für „Kopf" Birne, Rübe oder dergleichen sagt, (etwa in den Wendungen eine zu weiche Birne haben (= „nicht ganz normal sein"), deutsche Normalbirne oder seine Rübe verlieren (= „hingerichtet werden"), so sehen wir die betreffenden Früchte des Feldes völlig bildhaft erscheinen: man ist gezwungen, den humorigen Vergleich mitzuvollziehen wie der erste Gesprächspartner jenes Spaßvogels, der vor anderthalb Jahrtausenden den Kopf einen Scherben genannt und mit dieser Schöpfung den Beifall des ganzen romanischen Galliens gefunden hatte. Manchmal drängt ein im Bewußtsein verloren gegangenes Bild durch einen verstärkenden Ausdruck erneut an die Oberfläche. So ist das schwer zu erklärende boche an ein provenzalisches bocko (= „Kugel") gelehnt; neben boche erscheint nun, wie zur Bestätigung dieser Herkunft: tete de boche (vgl. im Deutschen Kindskopf, Dummkopf usw.). Warum aber greift die Sprache zu solchen Bildern? Gewiß nicht, um sich möglichst blumenreich auszudrücken, sondern aus dem tiefergreifenden Ehrgeiz, dem Gegenstand eine neue Seite abzugewinnen oder die genauere Weise der an ihm gemachten Erfahrung zu schildern. Sprachbilder erscheinen im Argot selten in der Form des Vergleichs. Der Vergleich würde nur sagen, daß ein A wie ein B ist. Dagegen herrscht im Argot die Metapher, die A und B zur Identität bringt, Becher oder Scherben steht für Kopf. Aus dem losen Gelegenheitsbund des Vergleichs hat die Metapher ein festes Dauerverhältnis geschaffen. Da aber im Bewußtsein die beiden Dinge noch getrennt bleiben, ist die Wirkung der Metapher unfehlbar die Wirkung eines Sprachwitzes. Jeder Witz läßt sich auf den Nenner einer falschen Identifizierung bringen. Die einfache Formel A = B umfaßt eine unendliche Reihe humoristischer Phänomene, vom gewöhnlichen Kalauer bis zur erhabenen Epiphanie des liebegierigen Göttervaters in der Gestalt eines thebanischen Offiziers. Damit eine Metapher den Witz entzünden kann, muß man den Gegensatz im Verständnis zusammenhalten können. Der Witz kann unmöglich mit einer Unbekannten operieren. Wer nie in seinem Leben Motorengeräusche vernehmen mußte, für den ist die schwellende, organologische Vergleichsreihe der Fliegersprache eine witzlose Häufung ungereimter Symbole.
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Gerade hier wird der Doppelcharakter jedes Argots erkennbar. Auf der einen Seite verbindet die metapherngeladene Sprache die Sprecher: sie verhilft zur Aktualisierung ihrer Gemeinschaft. Die Metaphern wirken hier wie Signale von Erlebtem, wie ein fortgesetzter Appell an den Bestand gemeinsamer Erfahrung. Aber zugleich erhält diese Vertrautheit im Verhältnis zur Außenwelt den abschließenden Charakter des Geheimnisses. Das Argot dichtet ab: es schützt die Sprecher vor dem unwillkommenen Verständnis. Die Landsersprache war durchaus nicht die Sprache des Heeres und sie war keineswegs die Sprache seiner Gesinnungsträger: die Offizierssprache strebte viel eher nach urbaner Glätte, ihre Vorbilder lagen in Verwaltung und Bürokratie, trotz der durch den Grabenkrieg gelegentlich hervorgerufenen Vermischungen. Die verantwortungslose Gesinnung in der Landsersprache ist nicht die Gesinnung, die „Kriege macht", aber mit dieser Gesinnung ließ sich ebensowenig ein Widerstand gegen die Kriegsmacher betreiben. Auch die Soldatensprache ist insofern das Erzeugnis des Gehorsams, als sie jede eigene Stellungnahme zum Weltlauf fatalistisch aufgibt oder als nutzlos verwirft und die Flucht aus jeder sachlichen Anteilnahme in die nackte Daseinssorge vollendet. Die Landsersprache dient wie jedes Argot dem Zusammenhalt einer bündischen Lebensweise. Ein ungeschriebenes Gesetz der Geheimhaltung knüpft sich an ihren Gebrauch. Ihre Grenzen dehnten sich freilich mit der fortschreitenden Militarisierung des deutschen Lebens bis an die Grenzen der deutschen Nation. Eine verschworene Sprechergemeinschaft hatte sich gebildet, die das genaue Kehrbild der von den Goebbelssendern geforderten Schwurgemeinschaft darstellt: ein fatalistisches Einvernehmen zwischen Entwurzelten, die vom Leben nichts mehr zu erwarten haben als den Proviant für die Reise ins Nichts, als das, was sie durch Überlistung ihrem unholden Schicksal noch entreißen können. Die Selbsterhaltung ist zu einer Geheimwissenschaft geworden. Hier herrscht dieselbe bittere Moral, die den klassischen Schelmenroman durchätzt. Es bleibt nicht zu verwundern, daß die Landsersprache, wie jedes Argot, die Grenzen zur Gaunersprache und zum Gefängnisargot weit geöffnet hält. Diese Wahlverwandtschaft wurde durch die Schicksale sehr vieler Sprecher noch tiefer befestigt. Seit 1943 war nach vorsichtiger Schätzung — unter Einbeziehung der disziplinarischen Fälle — jeder dritte Soldat in Deutschland ein Vorbestrafter und mithin dem sprachschöpferischen Einfluß der Gefangenschaft verfallen. Ausdrücke wie Masche (= „profitliche Gelegenheit", in Wendungen wie eine Masche drehen oder eine Masche reißen und die abgeleitete Namengebung Maschör für einen, der Köpfchen hat) sind fraglos diesen Weg vom Gefängnis zur Wehrmacht gegangen.12
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Es ist erstaunlich, daß die Soldatensprache trotz ihrer fortgesetzten Dementis immer wieder als ein besonderes Paradestück des Militarismus zur Schau gestellt werden konnte. Fast alle während und nach dem 1. Weltkrieg auf deutscher Seite erschienenen Monographien wollten einen Beitrag zur Pflege des Frontkämpfergeistes erbringen und den Anschluß der jüngeren Generationen an die bedrohte oder versunkene Überlieferung sichern. Aber es konnte auch den Herausgebern nicht wohl entgehen, daß ihr eigenes Material sie überall Lügen strafte und ihre fromme Ansicht auf Schritt und Tritt mit Ingrimm durchkreuzte. Die unheldische Sprachgesinnung mußte entschuldigt werden: „Für den Soldaten" — so liest man in einem solchen Zusammenhang — „ist der eigene Wert und die eigene Tüchtigkeit etwas so Selbstverständliches, daß er auch durch die strengste Selbstkritik nichts von diesem inneren Kraftbewußtsein verlieren kann." Damit wird eigentlich zugegeben, was wir hier immerfort behaupten: in der Soldatensprache ist nicht Soldatentum zum Ausdruck gekommen, sondern eine völlig andere Gesinnung, die aus der Formulierung desselben Verfassers deutlich genug hervorgeht: „Die Soldatensprache ist das natürliche Gebiet, auf dem sich der Freiheitsdrang des einzelnen ohne Schaden auch beim Militär ausleben kann." 13 Damit ist alles Wünschenswerte gesagt. Für die Soldatensprache blieb dann nur noch, wie in einem ähnlichen Zusammenhang schon 1917 vorgebracht wurde, eine „Aufgabe des Ausgleichs", zur „Wiederherstellung des gestörten seelischen Gleichgewichts", überlassen. In den militärischen Kreisen hatte man also schon lange begriffen, daß die Soldatensprachen als Spiegel soldatischer Tugend sich wenig empfehlen, sondern einer systematischen Erziehung zur Entmenschung und Selbstentfremdung mit der unbenommenen Freiheit des Wortes begegnen. Offenbar ist diese Reaktion so tief in der menschlichen Natur begründet, daß wohl zu allen Zeiten und in allen Nationen ein Argot als Begleiterscheinung des Heereszwangs aufkam. Gleichheit der spracheerzeugenden Situation muß auch zu ähnlichen Sprachergebnissen führen. In der Tat sind überraschende Gemeinsamkeiten vorhanden. Es ist nicht zu verwundern, daß die Gleichheit der spracheerzeugenden Situation zu ähnlichen Ergebnissen führte und eine Reihe bemerkenswerter Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen nationalen Slangs hervorbringen konnte. Die Argotbildung gehorcht denselben Gesetzen der Stilisierung, und sehr oft greift sie auch zu denselben Vergleichen und Bildern, wo es zu keiner Beeinflussung kommen konnte. Umlegen wurde zuweilen als Symptom der deutschen Gemütsverrohung gewertet. Nun bietet aber das französische Argot ein völlig sinn- und bildverwandtes descendre und das spani-
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sehe ein ebensolches bajar. Dazu aus den südamerikanischen Soldatensprachen: arreglar (= einen in Ordnung bringen) oder blanquear (= einen weiß machen). Das Besondere der deutschen Situation war nicht in der Wortwahl gelegen, sondern in der vielsagenden Übernahme des Wortes durch Sprecher in gehobenen Sphären. Landserischem kalten Arsch entsprechen französisch refroidir („einen kalt machen") und spanisch dejarle a uno fiambre ( = „einen zur kalten Platte machen"). — In drei Heeressprachen gilt für Bajonett Zahnstocher französisch curedents englisch tooth pick.14 Wenn im spanishen Argot die Füße quesos (= Käse) heißen, so verzeichnet das französische ein entsprechendes gruyere und die deutsch-böhmische Militärsprache Laufkäseln, Käspakeln, Käsfabrik und andere mehr. Heckenschützen nennen die Spanier Paco (Kurzform zu Francisco) und genau so die bayerischen Alpenjäger Franzl. Ebenso trifft die Feindbenennung in der Wahl einer Koseform auf -i weitgehend zusammen. Der Poilu verkindlicht sich selbst als bibi, der Engländer bildet zu der Eigenbezeichnung Tommy ein Jerry (aus German?). Und die deutsche Reihe geht von Tommi über den Ruski zum Ami. Dazu gesellt sich noch eine Reihe charakteristischer Namenworte: les Fritz (— die Deutschen), der Iwan und in humoristischer Mehrzahlbildung die Iwane, ähnlich wie Preußens (= „Kommiß, Barras"). Man hat aus dieser Gepflogenheit einer verniedlichenden Feindbenennung so etwas wie Sympathie oder Achtung für den Gegner heraushören wollen.15 Aber in Wahrheit war hier dasselbe Stilverfahren (die Litotes) wirksam, welches auch gefürchtete Feindgeschütze durch familiäre Namengebung ihrer Schreckgewalt zu entkleiden versuchte.16 Das Bestehen übernationaler Gemeinsamkeiten in allen Heeressprachen wird durch Dauzats Entdeckung eines überall durch die Argotbildung erfolgten Stilverfahrens noch schärfer beleuchtet. Demnach wäre die ganze Erscheinung als Ergebnis der Häufung, Überspitzung und Verdichtung aller an und für sich gebräuchlichen Ausdrucksmittel zu fassen. Damit sind aber die Ausdrucksmittel zum Selbstzweck geworden und die welthafte Offenheit der natürlichen Sprache schrumpft zu einem Register von sprachlich reparierten Standardsituationen zusammen. Solche Redensarten werden von den Sprechern sozusagen fabrikfertig übernommen, ihre Betonung ist ihnen angeschrieben und sie bleiben unlösbar mit ihrer gewohnten Sprachumgebung verbunden. Dieser Hang zur Kristallisierung konnte natürlich nicht hindern, daß eine bestimmte Sprachfigur auf der Wanderung zwischen Garnison, Etappe, Front oder Gefängnis in ein jeweils sehr verschiedenes Blickfeld geriet und von daher jedesmal sich in einer verschiedenen Bedeutung verfestigen mußte. Da jedoch die Sprecher das Wort auf seinem weiteren Wege nicht
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verfolgten, blieb es unberührt in seiner jeweils gültigen Bedeutung bestehen. Der verschiedene Gebrauch eines Wortes bewirkte daher keine Erweiterung des Bedeutungsumfangs. Auf der anderen Seite führte die starke Vernutzung der Rede bei ständiger Wiederholung öfters als sonst zum Worttod und damit zur schnelleren Umdekorierung mit einem neuen Schaustück der sprachlichen Mode. Solcher Neubesitz konnte viel rascher und ungehemmter in den Blutbahnen der Landsersprache treiben als ein Neuwort in dem vielfach verschränkten Raum der bürgerlichen Gesellschaft. Zwischen Soldaten gab es kein Wortband und nur wenige Wortreservate infolge technischer Spezialisierung. Durch das Mitteilungsbedürfnis wird auch der Wortschatz einer Sprache lange in seiner vollen Verbindlichkeit erhalten. Änderungen beschränken sich meist auf die langsame Arbeit begrifflicher Differenzierung. Im Argot wird dagegen der Wortschatz häufig erneuert und umgeboren, aber man kann hier nichts von der tastenden Annäherung an die Wirklichkeit spüren. Das Argot verschmäht es, Annäherungswerte in der Richtung der Gegenstandswelt zu bilden. Es besitzt seine Deckung, seinen sprachlichen Gegenwert im Einvernehmen zwischen den Sprechern. In den Neuschöpfungen wird der sprachliche Nachschub für die erlahmende Schlagkraft eines abgegriffenen Wortes herangezogen. Dieser Gegensatz im Verhältnis der gewöhnlichen Sprache zum Argot kann nur daraus entspringen, daß im Argot die Sprache als Ausdruck waltet und ihren Mitteilungszweck vollkommen zurückdrängt. Das Argot hat auf keinen realen Gegenwert zu verweisen. Es vertritt kein unmittelbares Sachverhältnis. Sprache bezieht sich hier vielmehr selbst wieder auf Sprache. Sprechen wurde daher zu einem wesentlich mimischen Vorgang, und der Sprecher war zu einem Darsteller von Sprache geworden. Die Persönlichkeit eines Sprechers machte sich nur im Kreis des Einvernehmens mit der Sondersprache fühlen, durch die Art, wie er sich aufzuspielen verstand, wie der zugeworfene Ball in die Hand des Gebers zurückfiel, wie der ächzenden Tastatur der ausgeleierten Sageform noch immer ein letztes Bravourstück entlockt werden konnte. Ein totales System, wie die verflossene Wehrmacht, konnte alles zu ihren höheren Zwecken gebrauchen. Freiheit der Sprache war das billigste Entgelt für die aufgedienten oder bewährten Soldaten, insofern sie sich immerfort aus sich selbst bezahlten. Nicht nur auf Kasernenhöfen war die Landsersprache das Blut, das die Schatten der verängstigten Neulinge tränkte. Auch Schreibstuben konnten als Zellen der Heeresordnung eine tonangebende Stellung behaupten. Schreibstubenhengste, die nicht lebenslänglich gegen
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jeden militärischen Anschlag auf ihre Person gefeit und abgeschirmt waren, pflegten aus ihrer Schwäche eine Kraft zu machen und mit homerischem Wortgetön die Wolken am Horizont zu verjagen. In der Landsersprache war es zu einem überraschenden Durchbruch der alten Landsknechtsgesinnung gekommen. Der besondere Kampfstil des 2. Weltkriegs erzeugte diesen alten soldatischen Typus in zeitgemäßer Verwandlung. Auf dem Vormarsch im Osten wurde die Beutelust skrupellos in ihm gestachelt. Aber nur in höheren Sphären war es möglich, die Beute ungescheut in die Heimat zu bringen. Für den kleinen Landser besaß dagegen ein Beutestück oft nur den Tauschwert, der sich durch eine Reihe von Transaktionen schließlich in der am leichtesten zu bergenden Gestalt versteckte. Alles wurde in dieser bedrängten Lage verschachert, Geldwert, Leistung und Ware gegeneinander verrechnet, angefangen beim rettenden Flugzeugplatz bis zum dringlichsten Kälteschutzmittel, dessen Ausgabe an die Truppe die Planung des Oberkommandos so wenig vorgesehen hatte, wie den Eintritt des Winters. Die Armee glich immer mehr einem Riesenschwarm von fliegenden Händlern, von verzweifelter Beutesucht über Länder und Kontinente geworfen. Schließlich war sauve qui peut zur allgemeinen Losung geworden, und es gehörte viel Köpfchen dazu, um aus einem solchen Zusammenbruch etwas mehr als das nackte Leben zu retten. Wachsame Typen brachten dies auch im Wehrmachtsgefängnis eingebuchtet oder in Kriegsgefangenenlagern zuwege, und wo immer noch als Musterzelle der Heeresbürokratie eine Schreibstube Dienst tat, war das eine phäakische Insel, die inmitten der oft unter die Lebensgrenze gesunkenen Verknappung ihren Wohlstand unverdrossen zur Schau trug. All diese überlebenden Vertreter des Landsertums suchten natürlich, so lang wie möglich die Stellung zu halten. Nach der Entlassung waren sie vollends entschlossen, die gewohnte Höhe eines privilegierten Lebensstandards aufrechtzuerhalten. Ihr Betriebskapital war, außer verschleppten Warenlagern, ein durch heiße Erfahrungen abgebrühter Realismus, der seine neuen Kreise zog, von keiner Hemmung und Rücksicht belastet. Auch die Landsersprache wurde in diesen neuen Zustand übernommen. Wie die Landser des 2. Weltkriegs, so waren nunmehr die Marodeure der 2. Nachkriegsepoche zu einem Verein von Kumpeln geworden. Ein verfänglicher Glanz der alten Kriegskameradschaft fällt auf die sporadisch geschlossene Interessengemeinschaft, die sich heute in neuer Dienstverpflichtung zusammenfindet, wo man neue Ware zum schnellen Umsatz erbeutet, morgen die Risikoprämie für einen gemeinsamen Streifzug über die grünen Grenzen unter sich austeilt. Dieses ganze Treiben fällt in den verlängerten Schatten des Krieges, dessen chaotische Gewalt in einer verwilderten, trüb gewordenen Lebenslust fortgärt.
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Eine so starke Nachwirkung der Landsersprache über das Ende des 2. Weltkriegs hinaus, braucht darum noch nicht als Zeichen für das — an und für sich leider unbestreitbare — Fortwirken eines militärischen Geistes zu gelten. Zwischen Landsersprache und Militarismus hatte von vorneherein innere Angewiesenheit nur aus dem Gegensatzverhältnis bestanden. In der Landsersprache hatte sich die Gemeinschaft aller zentrifugalen Bestrebungen herausgebildet, und die in der Sprache durchscheinende allgemeine Abwehrhaltung wirkte wie eine parodistische Umkehr der offiziellen soldatischen Gemeinschaft, welche das Heer ist. Nach dem 1. Weltkrieg sind die Slangs, die Poilusprache, das feldgraue Deutsch sehr schnell ins Dunkel zurückgetreten. In Deutschland geht die Verbindung zwischen der 1. und der 2. Weltkriegssprache durch die unterirdischen Kanäle der schwarzen Reichswehr und all der legalen und illegalen halbmilitärischen Formationen, die den zivilen Sinn des republikanischen Deutschland von allen Seiten unterwühlten. Die Nachwirkung der 1. Weltkriegssprache auf die breite Umgangssprache ist bei alldem unvergleichlich geringer als das heute zu gewahrende Nachleben des Landserdeutsches, das auch die entscheidende Krise der Entmilitarisierung überdauern konnte. Die Gründe für diese auffallende, ja alarmierende Tatsache wurden zum Teil schon berührt, sie liegen nicht allzu weit hinter uns: vor allem in dem totalen Charakter des 2. Weltkriegs, in der militärischen Erfassung aller Altersklassen und beider Geschlechter, in der konsequenten Militarisierung der noch verbliebenen Reste eines zivilen Lebens, in der schon Jahre zuvor einsetzenden Angewöhnung großer Bevölkerungskreise an den Stil des militärischen Lagerlebens. Der Ausbreitung der Landsersprache waren keine Schranken gesetzt. Die immer offenkundiger werdende Kontaktlosigkeit unserer Bildungsschichten, die Aufhebung aller Parteien und der Gewerkschaften, die Unterbindung aller Vereine und Koalitionen entzog die Massen dem vordem überall wirksamen Vorbild der Gebildetensprache. Wenn der Nazismus auf der einen Seite nicht erfolglos an die Pöbelinstinkte gegen die Bildung appellieren konnte, so hat er durch sein eigenes Jargon das Mißtrauen gegenüber aller öffentlichen Rede in Wort und Schrift ins Bodenlose gesteigert. Das Argot ist ein wesentlich mündliches Phänomen. In ihm ist der Unglaube an die offiziellen Ideologien geradezu sprachbildendes Prinzip geworden. Das Argot — und das gilt auch für die Soldatensprache — gewährt seinen Sprechern zugleich einen Halt durch das Gefühl der heimlichen Überwertigkeit, das sich immer mit der Skepsis und dem konsequenten Fatalismus verbindet, das Gefühl einer Unangreifbarkeit, die sich bei dem
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ganzen Wanderstrom flüchtiger, wurzel- und bodenloser Menschen in der 2. Nachkriegszeit bewähren sollte. Das Argot hat diese Zeitenschwelle umso leichter überschreiten können, als es gleichsam einen weißen Fragebogen vorzuweisen hatte. Naziworte sind auch ohne detektivischen Spürsinn ein Freiwild, und waren sie gestern selbst bei der Wehrmacht verabscheut, so werden sie heute in den Kreisen der nazistischen Notgemeinschaft wie das Feuer gemieden. Während die Naziparolen die Menschen in eine beständige Feierstimmung versetzen wollten, war die Landsersprache eine intime Erscheinung, die sich selbst nur zum sprachlichen Bewußtsein brachte. Daher kann auch die Fortführung dieser sprachlichen Tendenzen kein bewußtes politisches Vorzeichen haben. An und für sich ist das Nachleben eines jahrelang von Millionen gesprochenen Massenargots überhaupt kein abnormer Vorgang, so wenig, wie die Tatsache, daß sich umgefärbte Uniformstücke oder militärische Kopfstücke noch eine Zeitlang als Fremdkörper des bürgerlichen Alltags behaupten. Die Relikte der Landsersprache präsentieren sich heute in unbewaffnetem Zustand. Die Abrüstung ihres Wörterbuchs erfolgte ohne jeden Zensureingriff. Sie war die einfache Folge der Demilitarisierung des deutschen Lebens. Aber gerade durch diese Umstellung auf den Frieden, durch seine Fähigkeit, neue Inhalte an die vergangenen anzugleichen, hat das Argot einen Beweis seiner bedrohlichen Lebenskraft geliefert. Es verrät einen Zustand und eine Gesinnung: eine noch unkonsolidierte Lebensweise sieht sich noch immer in die Situation des fatalen Kriegsabenteuers geworfen und die trotzige Überzeugung hat sich bei zu vielen Menschen verfestigt, daß auch der Friede den allgemeinen Kriegszustand des Lebens gegen das Individuum nur mit anderen Mitteln weiterführen würde. Man kann leicht beobachten, daß auch unsere allerjüngste Generation schon von ihrem ersten Ausflug in die Welt eine Fülle von angeschwemmtem Sprachgut mit nach Hause bringt. Ihre kaum erlernte Muttersprache wird durch diese Sprengkörper auf die härteste Probe gestellt. Was bedeutet es, wenn zum Beispiel ein siebenjähriger Knirps jede Ansprache an seine Eltern mit der Interjektion Kerl o Kerl! einleitet? Über dieser Apostrophierung liegt ein Seufzer von überlegener Skepsis und abgründigem Fatalismus. Schwerlich möchte der kleine Mann seine Eltern provozieren. Vielmehr möchte er sie zu Kameraden haben und in den großen Strom hineinziehen, der schon bei der ersten Zufallsberührung den Charakter einer stärkeren Realität, den Charakter der eigentlichen Welt verspüren ließ. Gerade im kindlichen Sprachgebrauch zeigt sich die kollektive Gewalt der Sprache, die ihre Gedanken auch ohne klares Bewußtsein des Sprechers durchsetzt. Die
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aufgeschnappten oder abgehörten Sprachmuster werden in dem dunkeln Gefühl weitergetragen, daß sie durch eine tiefere Wirklichkeit gedeckt sind als die erlernten Worte in Schule oder Familie. Es ist wahrhaftig kein Grund, diese Lebensrichtung der heutigen Umgangssprache zu preisen, und versöhnen könnte nur in etwas der längst erwartete Stern eines neuen Grimmeishausen über der chaotischen deutschen Erde. Es ist klar, daß die zentralisierende Wirkung der Landsersprache durch den nachhaltigen Einfluß des Argots auch weiterhin zunehmen wird. Insofern gehört diese Sprachbewegung zu den bejahenden Realitäten der deutschen Einheit. Sie gehört dazu aber nur in einer negativen und bedrückenden Weise, in der kollektive nationale Wesenszüge heute notwendig erscheinen müssen. Bei der Vermischung ganzer Stämme und Mundartgruppen, zwischen denen es bis heute keine gemeinsame Grenze und daher keine Berührung gab, wird die allen auch gefühlsmäßig verständliche Landsersprache vielfach vermitteln, freilich wiederum nur als ein Hinweis auf gemeinsames Verhängnis, auf die verhängnisvolle Gemeinschaft. Auch der sprachliche Reformwille einer humanistisch gebliebenen Intelligenz wird es schwerlich vermögen, die Umgangssprache in eine neue Richtung zu bringen, ehe die große Richtung des deutschen Lebens sich ändert, die Nomaden seßhaft werden, die vergrabenen anonymen Existenzen aus Kellern, Bunkern, Ruinen und Wartesälen wieder ans Licht kommen, ehe es gelingt, den ungeheuren Wanderstrom der Heimatlosen, Flüchtlinge, Verschleppten, Besprisorny, Vaganten, ambulanten Schwarzhändler und bestimmungslosen Schwarzreisenden zum Stillstand zu bringen, ehe es möglich sein wird, all diese richtungslosen Existenzen in die Geleise einer produktiven Lebensordnung zurückzulenken und ihr unruhiges Drängen hinter einen einleuchtenden Arbeitsplan zu bringen. Daß die sprachlichen Normen der führenden Intelligenz nicht beachtet werden, ja, überhaupt nicht zur Kenntnis der Massen dringen, liegt natürlich nicht nur am Zustand der Massen, sondern nicht minder in der geistigen Verfassung dieser Intelligenz begründet. Kaum eine sprachliche oder stilistische Tradition konnte in gerader, ungebrochener Linie durch die schlimmen Jahre gehalten werden. Die rettende Flucht ins innere Reich, in die gemüthafte Stille des verwinkelten Landes, in die mannigfachen weltanschaulichen Gehäuse und sektiererischen Verkapselungen, in alle nur erdenklichen partikularistischen Lagen und hermetischen Zustände hat den Neutralisierungsprozeß des Geistes in unserem Lande vollendet. Neutralität ist aber kein gedeihliches Klima der geistigen Gesundung. Jede Berührung mit der passionalen Daseinserfahrung läßt dagegen die Unentschiedenheit unhaltbar werden, Neutralität als gei-
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stige Dauerhaltung unannehmbar erscheinen. Nur unter solcher Bedingung könnte die Sprache der Intelligenz in ein allgemeines Vernehmen gelangen. Solange sie unerfüllt bleibt, kann die Sprache des Geistes auch für sich nichts mehr zu sagen haben. Die gefährliche Emigration der Sprache ins Argot wird der deutsche Geist nicht eher zu wenden vermögen, als er sich selbst aus seiner heillosen Rückzugsbewegung herauszieht.
Anmerkungen 1 Loszwitschern wird mit dem von den deutschen Böhmen häufig gebrauchten zwitschern um so weniger in Beziehung gebracht werden können, als es sich hier offenkundig um die Entlehnung aus tschech. cvicit handelt. Vgl. Eugen Rippl, Die Soldatensprache der Deutschen im ehemaligen tschechoslowakischen Heer, Reichenberg—Leipzig, 1943, S.564. 2 Herr Georg O. Klein, Düsseldorf, schreibt, anläßlich meines Aufsatzes in der „Gegenwart", der Vergleich eine Kugel schieben würde dem Soldaten „das Bild der gesättigten bürgerlichen Behaglichkeit, die er sich ersehnt und die angedeutet wird durch das Bild einer gemächlichen Kegelbruderschaft", vor Augen halten. Allerdings scheint sich der Vergleich von diesem Bild, wenn Kugel schlechthin oder ruhige, gediegene Kugel für das begehrte Kommando gesagt werden konnte, gelöst zu haben. 3 Über die Wendung zur Sau machen schreibt Herr Georg O. Klein: „Dieses Bild stammt aus der unmittelbaren Kriegserfahrung. Ein Feuerüberfall des Gegners zwingt den Soldaten auf die Erde, ja in die Erde, und es fliegt ihm eine Menge Dreck um die Ohren. Wenn die so überfallene Mannschaft aufsteht, sieht jeder einzelne buchstäblich ,saumäßig' aus. Von daher dürfte sich das Bild übertragen haben, sogar auf vernichtete Städte." 4 Die von mir in der „Gegenwart" vorgeschlagene Bedeutungserklärung von Aktive war abwegig und läßt sich nicht aufrechterhalten. 5 Gehört im Berliner Wehrmachtsgefängnis Lehrterstr. 61, 1943. 6 Verkohlen, kohlen, Kohl reden von hebr. quol, durch Volksetymologie aber an Kohlgemüse angeschlossen, ebenso wie Kohldampf schieben, das anders abzuleiten ist. 7 Verpassen schon im I. Weltkrieg mit Vorliebe von Verwundungen, wodurch der Bildzusammenhang von Vorgesetztenrüge und Frontbeschuß mit verletzender Wirkung bestätigt wird. Der normale Ausdruck für Anpfiff war aber Ansch...ß mit seinem entsprechenden Verbum. 8 Herr Georg O. Klein gibt folgende Beispiele für den Gebrauch von Mattscheibe: „Zum Beispiel ein übermüdeter Soldat, der eine Situation oder einen Auftrag nicht mehr klar durchschauen konnte oder ein Soldat, der feststellte, daß die eigene Denkfähigkeit und auch das eigene Gedächtnis gelitten hatte (ein Zustand, der gegen Kriegsende häufig war), erklärte: Bei mir ist Mattscheibe. Oder es wurde auch gelegentlich ein Kamerad, der augenblicklich begriffsstutzig schien, gefragt: Bei dir ist wohl Mattscheibe heute?" 9 Durch die erwähnte Kreisbewegung ist der Zusammenhang mit Ball, Bollen usw. eindeutig. Balla ist mir als Glimpf- und Scheltwort aus dem Schwäbischen, gleichbedeutend mit Bobbel vertraut. Urverwandtschaft, ist lat. follis, griech. phallos. 10 Herr Georg O. Klein betont, daß „auf die Tube drücken aus dem Wörterbuch der Kraftfahrer stammt und wurde, soweit es mir begegnet ist, als Bild für Steigerung der Beschleunigung gebraucht. Der Kraftfahrer, der mit seinem LKW durch Artilleriebeschuß muß,
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drückt auf die Tube, d. h. er tritt den Gashebel, damit er schneller durch gefährdetes Gebiet kommt. Das hat sich übertragen auf alle soldatischen Ereignisse, die verstärkte Beschleunigung erfordern." — Demgegenüber ist aber die andere häufig gehörte Bedeutung „angeben", „einen Krampf machen", „zu viel Theater, Wirbel machen" usw. zwanglos mit dem einfachen Bild der gepreßten Tube zusammenzubringen; der Vergleich erinnert an die typisch Berlinischen Wendungen von der Art des zu spät gefallenen Groschens. Es liegt nahe, an eine Kreuzung der beiden Bilder zu denken. Ähnlich wie bei Puff liegt obszöne Volksetymologie vor, wenn für umorganisieren ein umficken erscheint. Oberdeutsche Mundarten halten an der Grundbedeutung „hin und her bewegen" fest und diese Bedeutung ist auch für den Vorgang des „Umorganisierens" zutreffend. Zwar ist dem Zeitwort in den Dialekten keine Pönschranke gezogen (sowenig wie einer Ficktnühle, die norddeutsch durch Zwickmühle ersetzt werden mußte). Trotzdem war im argotischen Gebrauch obszönes Mißverständnis unausbleiblich, wie aus einem synonymisch dazugebildeten umv...ln eindeutig hervorgeht. Die Soldatensprache hat es nicht nötig, einen obszönen oder vulgären Ausdruck durch Euphemismen zu verdrängen. Wo dies aber dennoch vorkam, wie z. B. mit der Übernahme des niederdeutschen Schit! durch die oberdeutsche Soldatensprache, ist ein Abwechslungsbedürfnis gegenüber dem vielstrapazierten, militärischen Grundwort, beteiligt. Über Masche schrieb mir Herr Dr. Werner Steinke, Hannover: „Ich darf hierzu berichten, daß dieser Ausdruck um 1936 in Berlin aufgekommen ist und damals in demselben Sinne wie Tour verwendet wurde. Als erste Sätze, in denen diese Bezeichnung verwandt wurde, hörte ich etwa folgende: ,Er hat die und die Tour (Masche)', ,Seine Tour (Masche) war folgende ...'." - Diese Angleichung an das in seinem Ursprung eindeutig gauner- oder eigentlich dirnensprachliche Tour würde meine Behauptung bestätigen, daß der Ausdruck über das Wehrmachtsgefängnis ins Heer gelangt ist. Zitiert bei Rippl, S. 11. — Verfasser der Zeilen ist ein Oberstleutnant a. D. Miller. Angeführt in der Diss. von Rolf Greifelt, Der Slang der englischen Soldaten im Weltkrieg 1914-1918. Marburg, 1937, S. 40, wo noch andere Übereinstimmungen verzeichnet wurden. Diese Erklärung bot Greifelt, S. 30. Dagegen herrscht in der Farbsymbolik stärker Differenzierung. In der frz. Soldatensprache heißt bleu = „Rekrut", im span. Militärargot bianco (Weißer) = „Memme".
Quellennachweis Deutsch: Paul Hörn, Die deutsche Soldatensprache. Gießen 1905 Gustav Hochstetter, Der feldgraue Büchmann. Berlin 1916 Otto Maußer, Deutsche Soldatensprache, Berlin 1917 Theodor Imme, Die deutsche Soldatensprache der Gegenwart und ihr Humor, Dortmund 1917 Eugen Rippl, Die Soldatensprache der Deutschen im ehemaligen tschechoslowakischen Heer, Reichenberg 1943 = weitere Arbeiten über den 1. Weltkrieg bei Rippl, S. 15 f. vermerkt; von den obenerwähnten werden wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht die von Hörn, Maußer (aber mit fast ausschließlich bayrischem Sprachmaterial) und Rippl. Englisch: Rolf Greifelt, Der Slang des englischen Soldaten im Weltkrieg 1914-1918, Marburg 1937 (und die darin enthaltene Bibliographie!)
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Französisch: A. Dauzat, Les Argots, Paris 1929 A. Dauzat, L'Argot de la guerre. Paris 1918 Marcel Cressot, Le parier des deportes frar^ais du camp de Neuengamme; in Le Fra^ais moderne, I, 1946 und wiederabgedruckt in Pages francaises, 12, 1946 p. 51 —55 Italienisch: Leo Spitzer, Die Umschreibungen des Begriffs Hunger im Italienischen, Halle 1921 (= Beihefte der Zeitschrift für Romanische Philologie LXVI) Spanisch: R. Salillas, El delincuente espanol: el lenguaje. Madrid 1896 Malaret, Diccionario de Americanismos. San Juan 1931
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Das dialektische Wesen der Sprache wird durch die Antinomien des sprachwissenschaftlichen Denkens erkennbar. Schon die Griechen stritten darum, ob Sprache in der Konvention oder im Naturverhältnis des Menschen begründet wäre — in neuerer Wendung, ob Sprache bezeichnet oder etwas bedeutet. In unserem Jahrhundert wurde das Spannungsfeld von Begriff und Wortbedeutung für die Sprache erschlossen. Sie spaltet sich durch den Gegensatz von Ausdrucksbedürfnis und Mitteilungszweck in zwei verschiedene Bereiche, und ihre Tätigkeit tritt in der doppelten Richtung von individueller Schöpfung und kollektiver Entwicklung auseinander. In der Sprache ist alles Tradition, und doch ist die Sprache nur wirklich im Sprechen, in dem sie sich vorwagt und aktualisiert wird. Der Gegensatz von Sprache und Sprechen liegt auch dem Begriffspaar „langue — langage" zugrunde, mit dem seit Saussure fast alle Sprachbetrachtung den Zwiespalt in ihrer Natur zu erklären versuchte. Auf der einen Seite ergibt ein System von Entsprechungen ein Register von Sachbezügen. Die sprachlich verrechnete Welt umdrängt fortwährend den Sprecher; die Freiheit der eigenen Entscheidung verkürzt sich in sprachgebundenen Situationen, in denen der unablässige Zwang der Objektwelt gespürt wird. Durch die Sprache überwältigt die Sache; das Sein spricht durch den Appell der Sprache zu unserem Bewußtsein. In der Sprache hat sich die Sachwelt gleichsam verschworen. Aber auch umgekehrt kann man von einer Verschwörung des Sprechens reden, einem Anschlag, in dem sich die Sprache fortwährend gegen alles noch sprachfremde Sein befindet. Durch die Sprache macht man gemeinsame Sache. Das ist die andere Seite der Medaille! Wie aber entsteht der konspiratorische Charakter der Sprache? Indem sich die Sprecher fortwährend mit ihrer Sachwelt vermessen. Und damit ist schon die Verknüpfung der beiden Sei-
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ten von Sprache gefunden. Die Sprache kann nur für eine sachbezogene Gemeinschaft gelten: in der Sprachgemeinschaft wird der jeweilige Ausschnitt von gemeinsam bezogenen Sachverhältnissen sichtbar. Die Verschwörung des Schweigens entspringt nicht aus irgendeinem Verstehensbedürfnis zwischen den Sprechern. Das Einvernehmen zur Bildung der Sprachgemeinschaft entsteht durch das Einverständnis, das eine fortgesetzte Verständigung über die Sachwelt allmählich herbeiführt. Man versteht sich, indem man sich auf die Sache verständigt, aber die Sache wird erst gesichtet, wo schon zuvor das Gesichtsfeld durch eine solidarische Linie, durch einen gemeinsamen Anschlag gesteckt war. Das Entstehen der Sprachgemeinschaft verbirgt sich im Dämmer der Frühe, den noch kein Strahl von sicherem Wissen zerteilte. Wenn selbst der Endweg zur vollen Sprachentwicklung noch nicht in ungebrochener Linie hervortrat, bedeckt ein undurchdrungenes Dunkel die um Äonen längere Entwicklung vom sprachlosen Zustand zum ersten Ansatz von Sprachgemeinschaft. Fest steht nur der tiefe Einschnitt durch sprachlich gesteuertes Leben. Und es liegt nahe, den Anstoß für diesen Fortschritt in einem Notzustand zu suchen. Man kann vermuten, daß für ein fortwährend gewachsenes Bedürfnis der Spielraum der freien Nahrungsentnahme sich unerträglich verengte. In dieser Lage vermochte nur ein methodischer Zugriff den Vorstoß in widerstrebendes Neuland zu wagen. Nur eine „abgesprochene" Praxis war diesem völlig veränderten Weltverhältnis gewachsen. Vorgreifende Planung empfahl sich. Im Vorgriff der Sprache wurden Hindernisse beseitigt, Gefahren durch Vorberechnung verringert. Das Leben war mit dem Sprachgebrauch ins Stadium der Planung getreten: Organisches Leben hat damit die Spitze der organisierten Lebensgemeinschaft gebildet. Im Tierreich hat sich bis heute kein Hinweis auf das Bestehen gefestigter Zeichensprache bestätigt. Was an sprachähnlicher Leistung verzeichnet wurde, erwies sich als eine Leistung der Adaptierung an eine schon sprachdurchdrungene Umwelt. Im Umgang mit Menschen wurden Fähigkeiten erworben und die erworbenen vererbt: das Haustier hat damit eine eigene Spezies gebildet, zu der als Merkmal die sprachverwandten Lautgebärden gehören. So will man im Bellen des Hundes das Zugeständnis an einen sprachlichen Zustand erkennen. Die Litaneien bettelnder Hunde sind oft eine Meisterleistung berechneter Werbung und Mitleidserregung, ein Mimikry sprachlichen Anklangs in akrobatischen Modulationen des Ausdrucksregisters. Im Umgang mit seinesgleichen wird sich das Tier den nutzlosen Aufwand ersparen. Das ist nur in der Natur der Sache gelegen: doch eben
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darum beweist es, daß Tiere nicht sprechen und keine Sprache haben, auch wenn sie Appelle an die Sprache des Menschen zu richten versuchen. Der Vorgang der Domestizierung verlängert die menschliche Sprache ins Tierreich. Der scheinbare Ansatz von tierischer Sprache beweist nur, wie tief der Einbruch der menschlichen Sprachgemeinschaft auch in das naturhafte Leben hineingreift. An sprachlich gesteuertem Leben scheint somit ein Grundzug der menschlichen Lebensführug erkennbar. Hängt doch die Sprache als unzertrennliche Mitgift am Leben der Menschen! Und dennoch: Der Mensch mag ein Wesen sein, das Politik treibt, Gesellschaft bildet — ein philosophisches Tier, das manchmal zu Göttern betet — all dies scheint mit seiner Würde besser vereinbar, als wenn man behaupten würde, der Mensch sei zum Sprechen geboren. Nein, nicht zum Sprechen leben die Menschen — und dennoch verknüpft sich ihr ganzes Leben in einer unabreißbaren sprachlichen Kette. Von der Wiege bis zur Bahre bleibt alles Menschliche in einen Mantel von Sprache eingeschlagen. Es wird alles sprachlich verrichtet, durch Sprache verbucht und sprachlich verrechnet. Ob einer bettelt, betrügt, ein Geschäft treibt, betet, etwas ans Herz drückt — er muß mit der Währung der guten Worte bezahlen. Die Wahrheit verpflichtet zum Bekenntnis, sie fordert den Zoll des Wortes, selbst wenn die Todesstrafe darauf gesetzt ist. Doch auch die Lüge kann nur durch den Schein der Wahrheit, mit dem sie die Sprache anstrahlt, in Ehren bestehen. Die Sprache gibt schließlich selbst zu verstehen, daß es darauf ankommt, ob einer „etwas zu sagen hat", ob er „mitzureden" versteht und möglichst zu den „tonangebenden" Kreisen gezählt wird. Auch mit dem Abbruch der Rede ist man dem sprachlichen Zustand noch lange nicht entronnen. Es gibt keinen Urlaub von diesem Zustand und keine Entpflichtung. Nur Tiere sind stumm. Auch das Verstummen gehört zur Sprache, wie etwa die Pausen zu einem Tonstück gehören. Zuweilen fällt auf ein Schweigen der volle Akzent der Bedeutung: so wird ein nichtssagendes Reden durch ein vielsagendes Schweigen verurteilt. Es gibt ein beredtes Schweigen, durch das mit einem Augenzwinkern der letzte iPunkt gesetzt wird, und schließlich ein Schweigen, das wie ein Lineal durch den chaotischen Leerlauf der Sprache den Strich zieht. Zwar werden im Sprechen beständig Wirkungen ausgelöst, in denen aber die sprachliche Kette nicht abreißt. Der Strom der Sprache versiegt nicht im Handeln. Die Tat erscheint als Endziel des Wortes. Sie gilt nur so viel wie die Begleitung einer unterstreichenden Geste. Die Sprache hält sich für eine Unendlichkeit der Gespräche offen.
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Mitunter wird aber dennoch der psychische Sperrkreis der Sprache durchbrochen. Es gibt auch Worte, die ihren Sinn nicht mehr in Sprache erfüllen, die eine außersprachliche Wirkung bezwecken. Durch sie entsteht ein Kurzschluß im Kreislauf der Sprache. In solchen Worten scheint die magische Hebelwirkung zur materiellen Gewalterregung zu stecken. Ein strikter Befehl dringt nicht auf Antwort und Stellungnahme: er fordert widerspruchslose Befolgung. Gehorsam ist — nach jesuitischer Meinung — ein Vorgang der Willensübertragung, durch den ein Befehl von außen wie eine innere Stimme befolgt wird. Es gibt auch Gespräche, in denen ein tätlicher Vorsatz sich immer deutlicher ausspricht. In einen Wortstreit „vermint" sich die Sprache, bis alle mühsam verhaltenen Gefühle den tätlichen Ausbruch erzwingen. Das Drama kann solche Wirkungen nicht entbehren. Die sogenannte „Stichometrie" verkürzt den Spielraum von Rede und Gegenrede zuerst auf Verseslänge: bei steigender Spannung zerfällt auch der einzelne Vers in einen Wechselstreit der duellierenden Worte. Der Wortsinn ist nunmehr in der bedrohlichen Gestik untergegangen, und Sprache hat nur noch den Sinn, das Vorfeld für den Austrag des tätlichen Kampfes zu vermessen. Der Wortschimpf treibt schließlich zur Spitze, in einem Schimpfwort, das auf die wortlose Rache in provozierender Absicht schon abhebt. Dem Partner verlegt ein unüberbietbarer Ausdruck den Rückzug erneuter Widerrede, in der sich nur seine Ohnmacht verriete. Ein spanischer Schimpf, der nur durch Blut geheilt wird, besagt, in etwas abgemilderter Übersetzung: „Ich spucke auf deine Toten!" (Me cago en tus muertos!) Es ist der Schimpf, den man mir auf Befragen als unüberbietbar benannte. Er übertrifft den sakrilegischen Anruf der Mutter Gottes, Beschimpfung der leiblichen Mutter des Partners und seiner gesamten Sippschaft (... en tu parentela!). Erst durch den Ring der Lebenden mit den Toten kann sich — nach primitiver Meinung — das gegenwärtige Dasein versichern. Wenn der Beschimpfte den Schimpf nicht durch die Vernichtung seines Beleidigers entkräftet, so ist die Kette, die sein Leben verklammert, zerbrochen. Gewiß hat sich in den Seelen der meisten Spanier der Ahnenglaube verflüchtigt. Der Schimpf wird vielmehr als bloßes Zeichen einer tödlich provozierenden Absicht verstanden. Im bloßen Appell der Sprache hat sich die Wirkung der magischen Macht, die Blut zieht, erhalten! In allen Sprachen gibt es noch immer Redefiguren genug, die unverblümt von diesem magischen Ursprung zeugen. Auch bei uns hat man Angst vor dem „Beschreien" oder „Berufen" des befürchteten Geschehens durch unbesonnene sprachliche Nennung. Wo sie dennoch erfolgt, sucht man die Wir-
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kung durch Gegenzauber mit einem dreimaligen Klopfen zunichte zu machen. Der Gegenzauber wird nach demselben Glauben auch dort schon wirksam, wo sich der Bruch des Tabuverbotes durch ein unberufen oder unbeschrieen vor dem verwirkten Verhängnis im voraus sichert. Der Begleitton einer verlegenen Ironie beweist nur den tief verwurzelten Aberglauben, den eine sprachliche Situation ans Licht bringt. Im Namen steckt das Genannte — das ist der magische Glaube. Der Namensträger wird daher durch jede Nennung in seinem innersten Wesen getroffen. Die Nennung ermächtigt sich des Genannten, wofern nicht die stärkere Macht des Widerstrebens auf den Rufer zurückfällt. Das Kind greift mit dem Arm nach dem Mond — der Primitive versucht die magische Macht des Wortes, um in die Ferne zu greifen. Die Sprache kann diesen Ursprung auch heute nicht völlig verbergen. Sie ist, wie Schelling sagte, „verblichene Mythologie". Das ist kein Wunder. Die magische Form der Naturerklärung entspricht dem Zustand, in dem die Sprache als wirksamste Waffe der Naturbeherrschung gebraucht wird. Schon Friedrich Engels erkannte, wie eng der Anfang der Sprachentwicklung sich mit dem Anfang der Werkzeugbildung verbindet. Der Mensch hat sich selbst als sprechendes Wesen zum ersten Werkzeug der planenden Daseinsgestaltung verwandelt. Die Sprache ist Mediatisierung der Widerstandswelt im Vorgriff auf die Erkenntnis. Die sprachliche Allmacht wird erst durch die Überwindung der magischen Stufe gebrochen. Die Selbstenthebung des sprachlichen im begrifflichen Denken begleitet den Übergang aus der Zerstreuung der Sippen zur systematischen Arbeitsteilung. In den großen Systemen der entwurzelten Weltreligionen wird die Magie methodisch verdrängt. Sie lebt noch in Schöpfungsmythen; das Wort besitzt noch welterzeugende Kräfte: „Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht." Indessen verliert die Magie, zum Vorrecht der Priesterklasse erhoben, den normativen Anspruch auf Daseinsbewirkung. Die Sprache selbst belehnt nun ihre magischen Elemente mit neuer Bedeutung. So ist aus magischem „Worttabu" der sprachliche Euphemismus entsprungen. Der Glaube an die Wortmacht liegt allem Tabu zugrunde. Das Tabu begnügt sich nicht damit, die Nennung unter Strafe zu stellen. Nur eine schlechte Zensur verrät sich durch weiße Lücken. Nicht nur das Verschwiegene, auch das Verschweigen muß vor der unbefugten Neugier verborgen werden. Für das verbotene Wort wird der Ersatz in sprachlicher Währung geliefert. Nur Sprache kann die Spuren eines Wortverbotes verwischen. Der Euphemismus umschreibt die verbotene Nennung. Durch Umschrift der Laute und Sinnverkehrung verliert sich in ihm die gefürchtete Wirkung.
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Ein Sakrament wird durch Sapperment, ein Gottes Tod! durch Potztausend gelindert. Der Euphemismus kann auch durch verharmloste Wortwahl entstehen. In Gift steckt die unschuldige Bedeutung von „Gabe" im französischen poison ein potio, was einfach „Trank" heißt. Die Euphemismen des Totschlags: um die Ecke bringen, umlegen, im Französischen descendre, im Spanischen bajar, hat ein systematisches Regime des Mordes weidlich bereichert (abspritzen usw.). Der Name der Schlange wird umschrieben serpens („die Kriechende") und der des gefürchteten Bären bero („Brauner"). Die romanischen Sprachen scheuen, die Krankheit bei ihrem alten Namen morbus zu belassen. Abschwächend heißt es dafür infirmitas (spanisch enfermedad). Ein euphemistischer Zug liegt auch in der höflichen Mehrzahl. Das Du wirkt als Entblößung; der Angesprochene ist diesem Zugriff unausweichlich verfallen. Durch den pluralischen Anruf wird von vornherein ein breiterer Spielraum des Reagierens gelassen. Um jeden beängstenden Zwang in einem Mahnwort zu tilgen, schließt man sich selbst mit ein in die Reihe der Angesprochenen. Einem Kind wird gütlich zugesprochen: „Jetzt wollen wir aber unsere Suppe essen!". Die höfliche Mehrzahl setzt nur die Sphäre, in der sich der Angesprochene findet, und meidet damit den Zugriff auf den verletzlichen Kern des individuellen, „unteilbaren" Wesens. Auf dem Höhepunkt der französischen Revolution kam eine Bestrebung auf, das monumentale „Du" aus dem Geist der Antike zu erneuern. Doch Robespierre selbst empfand diese Neigung für stillos. Der Abstand, in dem die Träger der bürgerlichen Gesinnung voneinander verbleiben, war sprachlich unüberbrückbar. Die euphemistische Mehrzahl entspricht den distanzgebietenden Spielgesetzen der bürgerlichen Gesellschaft. Der Euphemismus kann alles. In der Form einer Bitte kann er die Kraft des Befehls erwerben. Durch einen Euphemismus wird dem Verlangen nach Abbruch eines Gesprächs der unwiderstehliche Nachdruck verliehen. Ein ungezügelter Ausbruch wie „Pack dich!" oder „Hinaus!" oder „Scher dich zum Teufel!" wirkt weniger schneidend und unwiederbringlich als die vereiste Korrektheit: „Würden Sie die Güte haben, mein Haus zu verlassen?" Hier ist ein Letztes getan, um jede Widerrede unmöglich zu machen. Und doch bleibt die Form des Gespräches vollkommen gewahrt; die Einkleidung in die rhetorische Frage läßt eine scheinbare Alternative bestehen, und der Appell an die Güte scheint Tür und Tor für tiefer begründete Gegenargumente zu öffnen. Die Sprache äußert nur Wünsche, wo sie in Wahrheit Unversöhnliches fordert. Mit diesem Bestreben, die sprachliche Würde zu wahren, wird alle Schuld für den unvermeidlichen Übergang zur Gewalt dem widerspenstigen Partner aufgebürdet.
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Der Euphemismus legt in die ironische Wertung den Ausdruck der unbedingtesten Wertverneinung. So z. B. französisch „la belle affaire!". Entsprechend in unserer Sprache: „Eine nette Geschichte!" Und ähnlich: „Ein angenehmer Zeitgenosse!" „Ein freundlicher Empfang!" „Das ist ja lieblich!" „Du bist eine Pracht von einem Menschen!" „Du bist ein Gemütsmensch!" „Auf dich kann man sich verlassen!" „Auf dich braucht man nur zu bauen!" „Auch ein Genösse!" „Auch ein Soldat!" (Woraus dann der Auch-Soldat gebildet wurde.) In euphemistischer Weise wird die Stoßkraft des Tadels aufgefangen durch Rückverlegung auf einen mythischen Vorgang: „Du hast auch das Arbeiten nicht erfunden!". Natürlich haftet der Euphemismus am stärksten der Unterwelt an. Im Argot „verbergen sich die Gedanken". Ein System der Chiffrierung führt ungebetene Neugier in die Irre. Der entblößende Spiegel der Sprache wird auch von einem verhärteten Gemüt nicht ertragen. Die Wortscham überdauert auch eine schamlose Lebensführung. In dieser Sphäre „vergreift" sich der Euphemismus in eine Sphäre der verlorenen Ehre. Cervantes gibt dafür ein hübsches Beispiel in seinem Schauspiel „Der gottselige Zuhälter" (El rufian dichoso). Ein würdevoller Inquisitionsrat entdeckt ein sevillanisches Freudenmädchen in seiner Wohnung. An ihrer konfusen Erzählung macht ihn ein einziges, oft wiederholtes Wort aufs tiefste betroffen. Das Mädchen spricht unaufhörlich von ihrem Vater — ein Zeichen, daß auch in einem verworfenen Leben nicht alle gottgewollten Bande zerreißen. Wie groß ist aber das Entsetzen des würdigen Kirchenbeamten, als ihm erklärt wird, daß mit dem „Vater" nach sevillanischem Sprachgebrauch ein Bordellwirt gemeint war. Ein wahres Schreckerlebnis, ein Trauma — durch den Zusammenprall zweier Welten in einem homonymischen Ausdruck. Der unterweltliche Euphemismus führt, in die Umgangssprache erhoben, zur sprachlichen „Kanaillierung". So hört man häufig ganz harmlos in spanischer Rede Vaya un tio! etwa in der Bedeutung: „Ein seltsamer Patron!" Dem Wortsinn nach heißt aber i/o „Onkel", und übertragen auf die Sprache der Halbwelt: der Partner in einem Kurzverhältnis der käuflichen Liebe. Die Umgangssprache vollbringt also durch Veralberung eines „tio" die Gleichsetzung mit dem Niveau der Prostituierten. In derselben Richtung ist die entschiedene Abwehr ni por cinco duros! (wörtlich: „nicht für fünf Taler" und dem Sinn nach: „um keinen Preis der Welt") zu verstehen. Jeder Spanier spürt, was gemeint ist: nichts anderes nämlich, als der landesübliche Tarif für eine bezahlte Schäferstunde. Die pathetische Abwehr versetzt sich also wiederum auf den Standpunkt käuflicher Liebe,
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auf dem nur unbezwinglicher Widerwille sich einem „ernst gemeinten" Antrag verweigert. Wo sich eine Sprache so häufig „entblößt", muß auch die Gegenwirkung der euphemistischen Schleierrede die stärkste Verbreitung erlangen. Der Anprall der Worte wird durch ein System der sprachlichen Höflichkeit aufgefangen. Durch sprachlichen Euphemismus verwandelt sich der verletzende hierarchische Abstand in scheinbare Gleichheit. Schon im 16. Jahrhundert ist amigo („Freund") im Munde eines spanischen Granden für jede beliebige Zuwendung zu einem nichtadligen Individuum üblich geworden. Den Bettler nennt man hermano („Bruder"). In Spanien, wo der Adel zum Menschenrecht wurde, entstand das Vorfeld für die euphemistischen Höflichkeitsregeln der bürgerlichen Gesellschaft. Der krasseste Tatbestand kann durch den sprachlichen Euphemismus auf sein erträgliches Maß herabgestimmt werden. Auch das „Unsagbare" läßt sich noch sprachlich verrechnen. Die Sprache kann auch sprachwidrige Ausdrucksmittel für ihre Zwecke gebrauchen. Auf einer abgebrochenen Linie der Worte führt manchmal ein Räuspern, Trällern oder Lachen die Rede vielsagend weiter. Der Ausdruckslaut wird mit forcierter Artikulierung ins Leben der Sprache genommen. Man wird den Gewaltstreich der Sprache immer aus ihm herausvernehmen. Doch kann das gerade die sprachliche Wirkung noch steigern: wenn etwa das Schwert feindseliger Rede in höhnischem Lachen gespitzt wird. Empfindungslaute können zu einem Haftpunkt der Sprache befestigt werden; sie können als Umstandswörter und Konjunktionen der gänzlichen „Grammatikalisierung" verfallen. Ach ja! bringt alles, nur keine Schmerzgefühle zum Ausdruck! Ein schon vergessener Vorsatz kann damit bestätigt, die Bahn des Gesprächs für den Einsatz des ins Gedächtnis zurückgefallenen Gedankens gefordert werden. Vom Ausdruck der Empfindung ist nur die Signalbedeutung zu funktioneller Bedeutung geblieben. Man kann diesen Vorgang in allen Sprachen belegen. Wenn der Spanier einen verneinenden Wunschsatz mit ojala einführt, so kommt es ihm nicht in den Sinn, daß seine Sprache den Beistand Allahs erbittet! Die Sprache entläßt nicht aus ihren Banden. Doch kommt auch dem Sprecher die sprachliche Haftpflicht zugute. Die Deckung der Sprache macht auch die Folgen aus eigener Verschuldung erträglich. Ein freies Geständnis tilgt schon den schwereren Teil der Schuld. „Hättest du nur ein Wort gesagt!" Das mußte schon mancher hören, als es zu spät war, das rettende Wort zu sprechen. Was im Umgang der Sprache bleibt, ist durch Verstehen schon zur Hälfte verziehen. Die Worte
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haben die Macht, das Schwere leicht zu machen. Im Wirbel der Laute wird selbst das drückendste Gewicht von Akrobatenkräften emporgeworfen. Im Gespräch tritt auch eine unumstößliche Wirklichkeit in die Schwebe der Entwürfe. „Wer nicht spricht, den hört Gott nicht" — sagt ein spanisches Sprichwort und will damit sagen, daß, wenn selbst der gütige Gott für stummes Leiden kein Ohr hat, wieviel mehr das Anrecht auf menschliche Hilfeleistung nur aus dem immer erfüllten Anspruch auf sprachlichen Gegenwert hervorwächst. Es gibt keinen Feierabend der Sprache, solange der Mensch sich in seinem unkündbaren Verhältnis zur menschlichen Mitwelt befindet. Nur Schläfern und Toten, die auf den Anteil an Mitwelt verzichten, wird Ruhe gelassen. Wo aber sprachfreie Prozesse wie etwa die Nahrungsaufnahme gemeinsam vor sich gehen, begegnet ein allgemeines Gespräch mit Anmut und Würde der trüben Neigung zum vegetativen Versinken, dem schmählichen Trieb, mit dem erbeuteten Gegenstand des Genusses sich zu vereinzeln. Die Sprache reitet in allen Sätteln. Sie kann enthüllen, was kaum ein Gedanke gestreift hat. Mit Herrenwitzen und Zotenreißen wagt sich die Sprache viel weiter vor als die Sprecher. Sie nimmt gewissermaßen ein Schlammbad auf eigene Kosten. Zwar zieht das Obszöne den Bann des Sprachgerichts auf sich nieder. Doch pflegt der Sprachbann so wenig wie der Bannstrahl der Kirche zu töten. Im Fluchen versucht die Sprache den Gegenzauber zu üben. Das Fluchen bietet dem Tabu Trotz: der Fluch steckt dahinter, dem eben ein Schweigegebot zu entrinnen versuchte. In manchen Sprachen sind Flüche mit gröbster sexueller Verknotung ein förmliches Stilelement im Umgang der Alltagsrede. Auch das Vulgäre kann vorbildgebend auf die Sprachgesinnung wirken. Ein überheblicher Adel wahrt seine Herrenrechte mitunter in einer verlumpten Sprache. Dagegen fordert ein heftiges Triebverlangen zuweilen die Überglänzung durch eine zweideutige Sprachkunst. Hier ist die Sprache von vornherein zur Selbstaufgabe, wenn nicht zu schlimmsten Kupplerdiensten berufen. Tartuffe, das geile Vorbild des Heuchlers, ist doppelzüngig — zwar nicht mit dem Munde, in dem die erbauliche Rede nicht abreißt, indessen die Hände im Mieder der Beichtbefohlenen eine besondere Sprache beginnen. Die wahre Technik des Verführers versteht es, mit einer sich selbst entwaffnenden Sprache zum Ziel zu gelangen. Die Sprache eines Don Juan bezaubert, indem sie sich zum bloßen Echo der werbenden und begehrenden Stimme hergibt. An der Stimme erkennt man den Sprecher und nicht an der Sprache, die ihn an der Sprachgemeinschaft beteiligt, noch auch am wechselnden Tonfall, der die verschiedensten Situationen anschlägt. Man kann verschiedene Sprachen sprechen
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und muß seinen Tonfall beständig wechseln — nur die Stimme ist die unverwechselbare und persönliche Mitgift, die als das Fließband der Worte sich immer gleichbleibt. Man spricht von „Gottes Stimme" und der „Stimme des Volkes". Hier fällt schon der Ansatz des Sprechens ein weltgeschichtliches Urteil, das keine stärkeren Argumente als eine solche Willensbekundung benötigt. Die schmeichelnde Stimme des Don Juan bedarf der Worte nur zur galanten Präambel. So wenig gilt ihm die Sinnkraft verbindlicher Sprache, daß er in seinem erotischen Jagdregister den Wert seiner Beute nach Nummern beziffert. Erst in Mozarts musikalischem Drama kann die geniale Stimme Don Juans Triumphe feiern. Vermessen tritt Don Juan vor das Standbild, im Vollbesitz seiner gleisnerischen Rhetorik, vor der auf Erden noch keine Himmelsbraut standhielt. Doch nun begibt sich das neue Wunder der Sprache: Das Standbild nickt vielsagend mit seinem steinernen Kopfe. Es ist die Antwort, die eine Laufbahn der galanten Worte für immer beendet. Mit dem Höllensturz des letzten feudalen Ritters verkünden Mozarts Töne den Frühling der neugeborenen, humanisierten Gesellschaft. Mit Don Juan ist die barocke Hofwelt gerichtet. Der Überhang der ornamentalen Worte muß der für alle verpflichtenden Sprache des Bürgertums weichen. Nicht nur die untersprachlichen Elemente, auch übersprachliche Zeichen für begriffliche Konventionen erliegen der allesergreifenden sprachlichen Assimilierung. Ein krasses Beispiel gibt das aus Initialen und Anfangssilben geklitterte Sparwort vom Typus o. k. (o kay), Gestapo, Uno usw. Es handelt sich dabei um Wortstenogramme, die nur abstrakte Zeichenfunktion besitzen und ihre Bastardgeburt einer bloßen Übereinkunft zur Zeit- und Raumersparnis verdanken. Im Dauerkontakt mit sprachlicher Umwelt wird schließlich auch einem solchen Robotwort das Surrogar für die fehlende Seele verliehen. So lange freilich die Leimspur an diesen Klitterworten noch allzu sichtbar hervortritt, kann ihnen kein Gott das sprachliche Bürgerrecht geben. Indessen beschleunigt die Sprache die Neigung im Sprecher, das Wissen durch eine beliebige Evidenz zu ersetzen. Es reicht schon aus, daß der wirkliche Ursprung einer solchen Bezeichnung in die Reserve der nicht mehr bewußten, sondern bloß noch gewußten Zusammenhänge verdrängt wird. Wer die „Gestapo" beim Namen nannte, der wußte auch, was sich in diesen Silben des Schreckens an ausgebreitetem Wortsinn versteckte: Er wußte es — aber es brauchte ihm nicht bei jeder Nennung mehr einzufallen. Den Vorgang der Verdrängung bezeugt ja die übliche Wortbetonung Gestapo, wobei die Reminiszenz an den Ursprung „Geheime" schon spürbar zurücktritt. Doch das ist nicht alles. Sprachwidrig geknüpfte Zusammenhänge
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werden vergessen; an ihre Stelle tritt aber das unbewußte Streben nach neuer Verbindung durch sprachlichen Anklang von evidenter Symbolkraft. Oft bleiben die Wege verborgen, auf denen der Sprecher das Wort mit unbewußten Bezügen verbindet. Auf diese Weise kann eine abstrakte Wortverbindung sich mit der stärksten Emphase beladen. Das gilt, wie Bally gezeigt hat, für ein französisches infini, illimite, incommensurable, colossal, monumental, microscopique, imperceptible, imponderable, infinitesimal. Bei einem spanischen irremisible („unwiederbringlich") glaubt man, die Schwingen des Schicksals rauschen zu hören: die billigste Rhetorik versieht sich solcher Effekte. Wo aber durch Klangverwandtschaft sich dem Bewußtsein eine Verknüpfung aufdrängt, da tritt schon der Tatbestand einer „Volksetymologie" in seine volle, erst in den letzten Jahrzehnten gebührend beachtete Geltung. Zunächst seien beispielshalber nur unumstrittene Fälle erwähnt — nur Fälle also, in denen ein Ausdruck seine zähe Lebenskraft aus einem etymologischen Mißverständnis bestreitet. Wer wird in Hängematte (von spanisch-mittelamerikanisch hamaca) nicht „hängen", in kostspielig (zu französisch [gaspiller) nicht] ein kostenreiches „Spiel", in dämlich oder damisch (zu indisch tamyal = „betäubt") [nicht] eine Dame vermuten wollen, wie sie in der Tat einem katalanischen dameta und der italienischen Wendung fare il damo zugrundeliegt? Irrig ist die populäre Christologie, die versöhnen mit „Sohn" statt mit „Sühne" verbindet. Wer an Bauchgrimmen leidet, dem krümmt sich der Bauch, wenn er auch seinem Ingrimm die Schuld gibt. Über die lebensverstärkende Kraft dieser begleitenden etymologischen Phantasien ist ein Zweifel nicht möglich. In der Sprachwissenschaft geht der Streit nicht mehr um die Wirksamkeit dieses Motivs, sondern um seine Bewertung. Für die einen (wie noch für Saussure) kann eine vulgäre Verirrung nur sprachlichen Ausschuß, nur neue Entartung erzeugen, während die anderen, vor allem Gillieron, hier eine schöpferische Grundkraft erkennen wollten. So hat Gillieron zufolge französisch fermer (von firmare — „sichern") seine sprachliche Schlagkraft erst durch die Kreuzung mit fer, dem einzuführenden Eisen des Schlüssels, bekommen; oder die dem Lautgesetz widersprechende Wahrung von -5- im französischen respirer und esperer würde nach der Meinung desselben Gelehrten mit der Wahlverwandtschaft von „esprit" zusammenhängen. Damit war der entscheidende Beitrag des Volkes an aller Sprachbetrachtung von neuem gesichert: „Das Volk steht nicht mit verschränkten Armen vor dem Teig der Sprache, sondern rührt und knetet ihn unablässig." (K. Jaberg)
Und doch vermochte auch Gillierons Schule noch nicht das Vorurteil von sich zu schütteln, daß die Sprachgesetze sich gleichsam hinter dem Rücken
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der Sprecher nach ihrer immanenten Bestimmung erfüllen. Für Gillieron wird die Sprachentwicklung im Kampf ums Dasein zwischen den Wörtern getätigt. Der Einwand Vosslers bleibt hier in voller Geltung bestehen: „Wer die Wortforschung etwa nach der Art von Gillieron betreibt und nachweist, wie gewisse Bezeichnungen für gewisse Gegenstände sich auf gewissen Gebieten durchsetzen, ausbreiten und andere Bezeichnungen desselben Gegenstandes (Synonyma) aus dem Felde schlagen oder eine Zeitlang mit ihnen konkurrieren, um sich schließlich, einer gewissen Wortökonomie zufolge, von ihnen verdrängen und ablösen zu lassen, der arbeitet mehr oder weniger unbewußt mit der zweifelhaften Voraussetzung, daß die Wörter eine Art gesellschaftlicher Wesen oder Personen seien, die ihre Interessen zu wahren, ihre Herrschaftsgebiete und Gerechtsame zu verteidigen oder auszudehnen wünschen. In Wahrheit aber hat zwischen zwei oder mehreren Wörtern noch nie, solange die Erde sich dreht, ein Rechtsstreit oder Wirtschaftskrieg oder sonstige Feindseligkeit stattgehabt. Die Menschen, nicht die Wörter noch die Sprachen an und für sich, geraten einander in die Haare ..."
Von hier aus wird auch der Irrtum erkennbar, der Gillieron dazu trieb, im Wortkampf einen Konkurrenzkampf der Bedeutungen um die Wörter zu sehen. Nach dieser Meinung muß sich die Sprache in ihrem Streben nach Unterscheidung der Homonymien erwehren; sie müßte sich gegen jeden Zusammenfall verschiedener Bedeutungen in einer einzigen Lautverbindung empören. Sie müßte sich daran stoßen, daß „heute" bald einen Zeitpunkt bestimmt, bald als die Mehrzahl von Haut zu verstehen ist, daß ein und derselbe französische Laut — trotz verschiedener Schreibung — Vers, Wurm und Glas bedeutet. Von der „Sprache" her gesehen sind das gefährliche Konfusionen. Doch ist es der Sprecher und nicht die Sprache, die unterscheidet. Er hält eine Vielheit der Bedeutungen auseinander, auch wenn sie denselben Bedeutungsträger besitzen. Ein Franzose wird trotz des Gleichklangs, wenn er von Versen spricht, nicht an Würmer oder Wassergläser erinnert. Nur eine Homonymie verwandter Bedeutungen kann zu Verwechslungen führen und drängt daher über kurz oder lang zu neuer Verknüpfung mit neuen Bedeutungsträgern. Die Gleichheit des Klangs verdeckt die verschiedene Herkunft. Nur schwäbisch wird heute noch korrekt zwischen gräulich und greulich durch offenen und geschlossenen Diphthongen geschieden. Trotz der Verwischung der lautlichen Differenzierung blieb aber der Unterschied der Bedeutung. Kein Zweifel, daß in dem Satz „die gräuliche Katze macht eine greuliche Musik" das gleichgelautete Kennwort auf völlig Verschiedenes hinweist. Nur bei den Wortschatzsammlern sind Homonymien verpönt: sie bilden ein fortgesetztes Ärgernis bei jedem Versuch der sauberen Klassifizierung. In Wirklichkeit braucht das Bestehen einer Homonymie noch keinen Bürgerkrieg zwischen Wörtern heraufzubeschwören. Die Sprache entwickelt sich
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unbekümmert um philologische Sorgen. Sie kann nur in der Verantwortlichkeit der Sprecher bestehen. Die Natur der Sprache ist die Natur ihrer Sprecher. Gerade der Naturalismus hat diese Binsenwahrheit verkannt und die Entwicklung der Sprache in ein Bereich der außermenschlichen Naturgesetze verschoben. Die Sprache ist weder ein erdgeschichtlicher Vorgang, noch, wie man früher vermeinte, ein Arsenal der logischen Akrobatik. In der Begrifflichkeit hat sich die Sprache über sich selbst erhoben, was sie nicht hindert, Begriffe fortwährend in ihr Bedeutungssystem zurückzuversetzen. Der Satz „Die Erde bewegt sich" liegt in der Sphäre des Urteils. Wenn aber Galilei seinen Henkern ins Angesicht schleudert: „Und sie bewegt sich doch!" (eppur si muove), so wird das Urteil mit einem Schlag zum Haftpunkt spannungsreicher Beziehungen zwischen den Menschen. Wenn Bally, der dieses Beispiel anführt, affektische Tönung geradezu zum Kriterium des sprachlichen Lebens erheben wollte, so zielt das am Wesen der Sache vorbei. Natürlich begleiten Gefühle das Leben des Menschen, und auch das sprachliche Leben ist von Gefühlen durchdrungen. Die Skala der Affekte ergibt auch die Temperierung der Rede. Doch war es ein Trugschluß, die Wurzel der Sprache im Ausdrucksverlangen zu suchen. Die Ausdruckslage ist vielmehr durch den in der Sprache bezogenen Zustand schon überwunden. Auch in der Glut des Affekts geht niemals der Hinweischarakter im Sprechen verloren. Das „Du" wird nur im Hinblick auf eine Gemeinsamkeit sprachlich betroffen. Die Sprache kann nur im Visieren auf Sachen Kontakte erzeugen. Dieser Umweg kann auch bei wachsender Intensität der Gefühle nicht abgekürzt werden. Für Nietzsche stand fest, daß die Sprache jeglicher Kompetenz gegenüber den tieferen Gefühlen entbehre: „Daß die Sprache uns nicht zur Mitteilung des Gefühls gegeben ist, sieht man daraus, daß alle einfachen Menschen sich schämen, Worte für ihre tieferen Erregungen zu suchen: die Mitteilung derselben äußert sich nur in Handlungen, und selbst hier gibt es ein Erröten darüber, wenn der andere ihre Motive zu erraten scheint."
Zur Tönung ihrer Affekte muß sich die Sprache an der Bemessung von Sachverhältnissen orientieren. Der Intimität der Beziehungen entspricht in den meisten Sprachen die Diminuitive, wogegen die Augmentative den Abstand aus verachtender Abwehr errichtet. Die Sprache kann nicht die Gefühle wiedergeben, sondern nur auf Verhältnisse weisen, mit denen sich diese Gefühle verhaften. Ein Letztes bleibt auch für die Sprache der Leidenschaft unaussprechlich. Die Sinnkraft des einfachen Vorgangs, daß sich zwei Menschen in die Arme schließen, erreicht kein sprachlicher Ausdruck. Im Ausdruck der Gefühle macht sich die Sprache dazuhin der Heuchelei
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verdächtig. Gefühle sind außer sich selbst nicht bezweckt und begründet: „Wenn ich dich lieb', was geht's dich an?" Das Sprechen dagegen ist stets ein gerichteter Vorgang. Die Rede geht von „etwas" zu „einem". Gefühle bedürfen keiner solchen Adresse. Im Drang zum Bekenntnis strebt das Gefühl, sich von sich selbst zu entlasten. Das Leiden erleichtert sich in der Klage. Schon in der Sphäre der Sprache liegt die Befreiung. Die Sprache kann diese heilende Kraft nur aus der Gegenkraft zum Gefühl gewinnen. Allein die Mitleidsfrage würde das Leid des Gralsbesitzers beenden (in dem sich das Leiden an der Menschheit erneuert). Der junge Tor, der die Frage verfehlt, weil es ihm die Sprache verschlägt, wird der Verfehlung seiner menschlichen Sendung bezichtigt. In der Tat kann die entlastende Anteilnahme nur sprachgewordenes Mitleid bekunden. Das bloße Mitgefühl der Klageweiber vermehrt nur den Schmerz, in dem sich nun eine Vielzahl trostloser Menschen betroffen findet. Erst in der sprachlichen Mitleidsbezeigung spricht solidarische Haftung an allem Leiden. Wenn es heißt, „geteiltes Leid ist halbes Leid", so wird auch diese Hälfte im sprachlichen Anteil der Allgemeinheit entlastet. Im Wort verbürgt sich kein von den Toten erborgtes Lehen. Das Wort kann sich damit keine Tradition akkreditieren. Es hat nur die Geltung, die ihm die Sprachgemeinschaft gewährt, und Traditionen gelten nur, wo sie die gegenwärtige Relevanz für diese Sprachgemeinschaft noch haben, nur, wo diese Sprachgemeinschaft für den Fortbestand ihrer Geltung noch gut steht. Die Einsicht, daß diese solidarische Haftung für den gemeinsam bezogenen Ausschnitt von Sachbezügen das Wesen der Sprache ausmacht, ließ sich im Fortgang der Sprachbetrachtung nicht völlig verdunkeln. Schon die Romantik betont den kollektiven Charakter der Sprachprozesse. Und auch in der folgenden Zeit, in der sich die Sprachwissenschaft erst durch den Positivismus konstituierte, beherrschte die Mundart, die Sprache des Volkes — die trotz der hemmenden Wirkung der Oberklassen sich durchsetzen konnte — in ihrer überindividuellen Entwicklung den ganzen Gesichtskreis der Forschung. Der Verzicht auf Spekulation, auf metaphysische Kenntnis der Welt und Einsicht in ihren Bauplan bewirkte, daß ein im letzten undurchdringliches Sein die subjektiven Kräfte des Willens und der Erkenntnis zurückstieß. Die Welt verriet von ihrem Charakter allein den starren Zug der objektiven Verkettung. Die Fakten der Sprache sind damit eigengesetzlich geworden. Der Sprecher scheint nur noch passiv an diesen Prozessen beteiligt, von denen der Eindruck entsteht, als könnte allein ein kosmischer Maßstab und nicht der kurze Atem der Menschengeschichte in ihrer Gesetz-
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lichkeit wirken. Zum Höhepunkt und zur Hybris gelangt diese Lehre, indem sie die ausnahmslose Geltung der Lautgesetze behauptet. Die Sprache verklammert den Menschen in ein Bereich der entmenschten Naturgesetze. Dem Dogma der ausnahmslosen Entwicklung gesellt sich ein zweites Dogma, in dem der unverrückbare Rahmen für alle Entwicklung erstellt wird. Nur physischer Zwang kann demnach die unverbrüchliche Bindung der Individuen an ihre Sprachgemeinschaft erklären. Die Natur der Sprachwerkzeuge (eine durch Gewöhnung erworbene Natur) erzeugt das unabweisbare Lautsystem einer Sprachgemeinschaft, mit dem die natürliche Sprache der Sprecher sich unzerlöslich verkettet. Wohl war eine intelligentere Forschung fortwährend bemüht, den so gebildeten Fetisch der „Artikulationsgrundlage" von einem geschichtlichen Wendepunkt her verständlich zu machen. Wir greifen eine Betrachtung heraus, die Leo Jordan in seinem Beitrag zur Max-Weber-Festschrift angestellt hatte. Die Psychologie drängt sich nun sichtbar in die durch die positivistische Sprachentrückung entstandenen Lücken. Dem Volkscharakter läßt Jordan zwar keinen unmittelbaren Anteil an der Lautentwicklung, wohl aber scheint er nicht unbeteiligt an der Entstehung der Artikulationsgepflogenheiten, die sich dann als mittleres Glied in den Sprachprozeß schieben. Für Jordan ist es evident, daß der Engländer beim Sprechen eine impassible Maske anstrebt. Historisch ist der Vorgang natürlich so zu verstehen, daß einst solche Individuen der Allgemeinheit vorbidlich wurden, die mit der geschilderten Artikulationsgewohnheit aus beliebigem Grund (der vorbildliche Stand mag meist den Ausschlag geben) zu reden pflegten. Das ursprünglich Individuelle wurde generell, vielleicht nun erst stärker prononziert, und es bleibt einem Wechsel des Geschmacks vorbehalten, daß Individuen, die sich vom Generellen wieder unterscheiden, erst einer Gruppe, einer Mundart, einer Provinz, schließlich dem Volke eine neue Gewohnheit diktieren. Ebenso evident ist, daß der Franzose seinen Affekt mimisch recht deutlich machen will. Die Gebärde, die der Engländer so weit als möglich unterdrückt, wird von ihm unterstrichen, seine Lippen arbeiten konvulsivisch. Und nun müssen wir uns fragen: Ist der Engländer auch so impassibel, wie er beim Sprechen tut? Ich glaube nicht; denn wenn er es wäre, so brauchte er auf die Maske nicht solches Gewicht zu legen. Er spielt den Impassiblen, weil diese Impassibilität gesellschaftlich sein Ideal, kaufmännisch seine Methode, kurz seine Konvention ist, nach der er sich modelt. Und der Franzose? Ist er so offen, so freimütig, wie seine lebhafte Mimik dies zu zeigen scheint, oder zeigt er nicht auch hier mehrere Jahrhunderte geselliger Erziehung, welcher der lebhafte, nicht zurückhaltende Causeur
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das Ideal scheint? Der Franzose will wirken, er setzt sich in Szene! Innerlich ist im Durchschnitt kein Mensch so argwöhnisch, fremdenscheu, wie gerade dies Bauern- und Rentnervolk. Kurzum: Das Primäre des formalen Teils der Sprache, die Artikulationsgewohnheit, ist eine jener „Hypocrisies Balzacs" und führt nicht zur Psychologie — sondern zur Soziologie. Plausibel erscheint hier die Vorbildwirkung der herrschenden Klasse auf das Entstehen der Artikulierung. Indessen empfiehlt sich das sprachliche Vorbild allein schon dadurch, daß es die Sprache der vorbildgebenden Klasse hervorbringt. Die Sprache der Herrschenden bedarf nicht der Empfehlung durch irgendwelche Charakterzüge; sie spricht — wie gesagt — für sich selbst als Sprache der nachzueifernden Vorbildklasse. Doch Jordan begnügt sich nicht damit, den psychologischen Einfluß auf den Ursprung der Artikulierung zu behaupten, er läßt ihm noch eine fortgesetzte Wirkung, als würde der Volkscharakter in jedem Sprechakt zum selbstbewußten, ja provokatorischen Ausdruck gelangen. Demgegenüber mag es genügen, an Vosslers lapidaren Satz zu erinnern: „Die Franzosen sprechen nicht deshalb französisch, weil sie französische Gesinnung, Gemütsart, Charakteranlage haben, sondern lediglich deshalb, weil sie sprechen." Der Naturalismus der Sprache ergänzte sich durch den Psychologismus. Was an Erscheinungen sich dem naturgesetzlichen Erklärungsschema der Lautgeschichte nicht fügte, fiel an die Psychologie, die ihrerseits völlig mechanistisch eingestellt war und alle sprachliche Tätigkeit des Menschen z. B. mit dem Trieb zur Analogie verbindet. Gewiß hat Hermann Paul in den „Prinzipien der Sprachwissenschaft" als erster ihre gesellschaftswissenschaftliche Orientierung gefordert. Doch lag der Begriff der Gesellschaft zu tief im gedanklichen Trümmerstaub des Positivismus verschüttet, als daß man berechtigt wäre, den Willen zu einer bahnbrechenden Entscheidung aus diesem Wort zu erspüren. Auch der berühmte Genfer Sprachwissenschaftler Saussure sah in der Sprache (langue), die er der Rede (parole) gegenübersetzte, das überlieferte und fortwirkende Erzeugnis gesellschaftlicher Kräfte. Im Grunde war Sprache die erschöpfende Summe, die jeweils durch Einzelakte der Rede vergegenwärtigt wurde. Trotz allen Aufgebots an Scharfsinn vermochte Saussure die Widersprüche von Dauer- und von synchronischer Struktur und diachronischer Entwicklung in keinem Punkt zu beheben. Kein Wunder, daß der neuerstandene Idealismus sich als eine heilsame Reaktion die Sporen verdienen konnte, indem er den Menschen wieder zum Zentrum der Sprachgeschehnisse machte. In einem genialen Anlauf versuchte Vossler, die ganze Sprachentwicklung durch die besee-
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lende Macht des Akzents zu erklären. Es fehlten aber die nachdrängenden Impulse der Einzelforschung, um den geplanten Staatsstreich der idealistischen Ästhetik über die Sprachwissenschaft zu verhängen. Auch zeigte es sich bald, daß der Idealismus die positivistische Sprachentrückung noch überbot und den Anspruch an die Forschung, den Menschen ihre lebendige Sprache zurückzubringen, als Blutzoll an die Schatten einer emanenten Metaphysik verkaufte. Das neuerliche Bedürfnis nach einem Vorspann der Spekulationen, die dünkelhafte Mißachtung der kostbaren Sammlerarbeit vergangener Generationen, die fatale Neigung, Forschererlebnisse mit Forschungsergebnissen zu verwechseln, die reaktionäre Umkehr von den elementaren und kollektiven Gemeinschaftskräften zum individuellen Bildungsgesetz der herrschenden Klasse — das war ein hoher Kaufpreis auch für die glänzendsten Anfangserfolge der neuen Schule. Die überkommenen Fragmente für eine Entwicklungsgeschichte der menschlichen Sprache ließ man auf sich beruhen. Man machte sich lustig über den verdächtigen Drang der älteren Sprachgelehrten, fortwährend um die Dämmergründe der Urgeschichte zu schleichen, statt in den vollen Tag des geistigen Nebels zu treten. Wenn zuvor unter Sprachgeschichte stets nur die Mundartgeschichte verstanden wurde, wird jetzt bei Vossler, Burdach usw. die Stil- und Entstehungsgeschichte der Schrift- und Bildungssprache gewürdigt. Auf idealistischer Basis versuchte die phonologische Prager Schule die innere Einheit der Lautsysteme zu beweisen. Was die Lehre von der Artikulationsgrundlage aus physiologischem Ursprung erklärt, erscheint jetzt als funktionelle Einheit von lautlichen Korrespondenzen. Trubetzkoj und seine Schüler waren von der Entdeckung ausgegangen, daß Lautveränderungen niemals vereinzelt bleiben und daß die Wirkung eines vereinzelten Vorgangs auf alle zurückwirkt. Das ganze System wird in die Bewegung gerissen, bis ein neuer Ausgleich eine neue Entsprechung zwischen den einzelnen Lauten hervorbringt. Das phonologische System ist unteilbar. Und darin erschöpft sich der Beitrag der phonologischen Schule; eine klare und konsequente Erklärung für den gesichteten Vorgang blieb im Bereich der frommen Wünsche. Auf der einen Seite erblickt sie den Anstoß der Lautentwicklung in dem Bedürfnis nach sprachlicher Differenzierung. Als Standpunkt der Sprachentwicklung wird damit der Standpunkt der sprachbewußten Individuen bezogen. Bezeichnenderweise wird ferner der sprachliche Ausgleichsvorgang als innersprachlicher Vorgang ästhetisch gewürdigt. Die neuidealistische Philologie sah sich gezwungen, die Frage nach dem Verhältnis von Ober- und Unterschicht neu zu formulieren. In jedem Fall
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wird eine Umkehr der Werte vollzogen. Die Individuen und mit ihr die Oberklasse, aus der sie sich degagieren, erhalten den Vorrang, ob ihre Leistung in der Bewahrung (Lerch) oder im Anstoß zur Schöpfung erblickt wird. Wo sich der Sprachentwicklung keine hemmenden Bildungsmächte entgegenstemmten, sieht Lerch die Gefahr eines hemmungslosen Versinkens der Sprache in einen die Unterscheidung verwischenden und verschleifenden Lautstand. Man kann dem entgegenhalten, daß manchmal die führenden Klassen sich an die Spitze der sprachlichen Fortschrittsbewegung stellen. Durch die ganze Skala der deutschen Dialekte gehen nebeneinander archaische Lautund Formenrelikte — der alemannische Lautstand, Erhaltung der Dualformen in bayrischer Mundart — mit progressiven, zum sicheren Sieg in der Umgangssprache bestimmten Tendenzen: der Schwund der Deklinationen, im Oberdeutschen totale Verdrängung des Imperfekts durch die zusammengesetzten Perfektformen usw. Der Vorgang des Ausgleichs war in der Lerchschen Konzeption des sprachlichen Schicksals vergessen. Gerade dieser Begriff hat aber seit Schuchardt seine führende Stellung für die Entwicklung der Sprache behalten. Der Ausgleich ist nicht nur Ergebnis eines unentschiedenen Kampfes: im Ausgleich wird erst der durchgekämpfte Sieg zum Anspruch auf Herrschaft und Dauer ermächtigt. Ein vorbildlicher Ausgleich begleitet den Sieg der kastilischen Mundart, der seit dem Ende des 12. Jahrhunderts die hegemoniale Bedeutung für Spanien erlangen sollte. Die Ausgleichsbewegung versöhnte den konservativen Süden mit den durch Waffen vorangetragenen Fortschrittstendenzen des Nordens. Im Zeichen des Ausgleichs wird der neue Status befestigt: der Anspruch der triumphierenden Partei, das Vorbild für die Gesamtheit zu geben, erforderte Kompromisse. Denn nur der Austritt aus der Parteiung gewährte den Siegern die Herrschaftsrechte. Der Ausgleich bedeutet die unerläßliche Selbstbegrenzung der sprachlichen Fortschrittsbewegung, allein im Schutz dieser Grenzen war das Errungene zu sichern. Bei jeder großen geschichtlichen Entwicklung wird auch um die Entscheidung eines sprachlichen Schicksals gerungen. Auf jeder neuen Stufe muß auch die Sprache die Elemente für ein zusammenhängendes Weltbild liefern. Das sprachliche Weltbild läßt keine blinden Flecken entstehen. Es prägt seine Hoheitszeichen auf alles, was seinen Umkreis bildet. Dem unverbildeten Sprecher gilt seine angeborene Sprache als Sprache schlechthin, die keinen anderen sprachlichen Zustand neben sich duldet: das Fremdwort wird rücksichtslos an den heimischen Lautstand angeglichen. Beginnt durch
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übergewaltigen Bildungseinfluß der Glaube an die Muttersprache zu wanken, so wird das neu begriffene Gesetz sofort als bedingungslos geltende Regel der Sprache gehandhabt. Die Fehler, die hier den Drang zur sprachlichen Totalität verschuldet haben, bezeichnet die Sprachwissenschaft als „Hyperkorrekturen" oder als „Überentäußerung". Die Franzosen sprechen witzig von einem „mirage phonetique". Ein solches Lautwunder beschert uns z. B. ein niederdeutscher Text mit einem Zeufel für Teufel. Der Schreiber verrät sich, indem er die niederdeutsch ungeläufige, weil unverschobene Konsonanz mit dem Fanatismus des Neubekehrten überall anbringen möchte. Ein anderes Wunder vollführt der junge Schiller mit der erstaunlichen Variation zerschieden. Man muß zur Aufklärung wissen, daß die Vorsilbe zer- in schwäbischer Mundart kein Heimatrecht hat, vielmehr durch ver- in allen Fällen ersetzt wird. Die Schwaben sagen verreiben und nicht zerreiben. So führt dann ein Übereifer des Bildungsstrebens in neue Verirrung, durch die sich das ängstlich verhehlte Geheimnis der Mundart noch peinlicher bloßstellt. Im Vorbild der herrschenden Klasse entdeckt sich dem Sprecher die Norm, für die er unbedingte Verbindlichkeit fordert. Er weiß nichts von der Vielheit gleichberechtigter Sprachen und nichts von konkurrierender Sprechart. Die Einheit der Sprache ist ihm noch ganz in der eigenen Spracherfahrung verwurzelt. Diese Denkart trat mir in unvergeßlicher Kraft vor Jahren in Spanien bei Menschen der älteren Generation entgegen, die selbst im Herzen Madrids sich unberührt von allem Auftrieb städtischer Bildung hielten. Ich werde niemals den schrecklichen Auftritt in meiner bescheidenen Dachbehausung vergessen, wo ich bei einer siebzigjährigen Analphabetin zur Miete wohnte. Ich hatte das volle Vertrauen der seelenguten und wahrhaft lebensklugen Alten, bis sie zufälliger Zeuge eines mit einem Besucher deutsch geführten Gespräches wurde. Die Panik-Reaktion war unverkennbar durch den Eindruck hervorgerufen, daß dieser werwolfhafte Austritt aus dem verständlichen Sprachbereich einem Austritt aus der menschlichen Gesellschaft gleiche und jeder Besorgnis über mein künftiges Verhalten Nahrung geben müsse. Doch trat die Sorge um mich ganz offenbar noch zurück vor dem Gefühl eines Dammbruches aller bisherigen Welterfahrung. Erst nach Tagen war ihr Entsetzen in ängstliche Neugier verwandelt. Ich wurde gefragt, was es mit diesem Deutschland für eine Bewandtnis habe. Ob es eher Madrid oder Barcelona gleiche. Die Anknüpfung an Barcelona ergab sich aus dem vagen Wissen um katalonische Sprache, die nicht nur wie ein Abfall von der wirklichen und richtigen Sprache, sondern als ein Abfall von Treu und
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Glauben gewertet wurde. Die weitere Frage, warum man in Deutschland nicht wie überall spreche, gab die Erklärung für dieses „imago mundi", nach der die Menschheit nur eine einzige Sprachgemeinschaft bildet und daher auch keine Ländergrenzen besitzen könnte. Es ist dieselbe Meinung, mit der die biblische Sprachursprungslehre und die romantische Theorie der Herkunft aller Sprachen aus einer einzigen Wurzelsprache hervortrat. Die Sprachen hätten sich demnach auf dem Trümmerfeld der einen Menschensprache gesondert. Gegen diese mythologische Meinung hat Marr und seine Schule am schroffsten Stellung bezogen. Kein Zweifel: die weitzersplitterte Urgesellschaft war auch in einzelne Stammessprachen zerfallen. Gleichheit der Produktionsverhältnisse ließ doch auf ein und demselben Niveau die verschiedensten Wege der Sprachgestaltung offen. Trotz der modernen Tendenz zur sprachlichen Nivellierung überlagert noch heute eine Vielfalt sprachlicher Kreise auch die geschlossensten nationalen Gebiete. In Wahrheit stehen fast alle Menschen auf dem Schnittfeld verschiedener, sich auch individuell berührender, durchdringender und überschneidender Sprach- und Mundartkreise. Die Erfahrung lehrt, daß den verschiedenen jeweils bezogenen gesellschaftlichen Situationen mit sehr verschiedener Sprechart und mannigfacher Mundart entsprochen wird. Doch kommt es dem Sprecher dabei nur selten zum Bewußtsein, daß er mit verschiedenen Partnern auch selbst verschiedenartige Sprachen redet. Auch die zwei- oder mehrsprachigen Grenzbewohner sind sehr weit davon entfernt, aus der Praxis ihrer Sprachenkunde Sprachvergleichung zu treiben. Die erstaunliche Mehrsprachigkeit von geistig wenig differenzierten Naturen erklärt sich durch die unbedingte Geltung, die Sprache schlechthin als Instrument zur Mitwelterschließung beansprucht. Diese absolute Geltung von Sprache wird im Gebrauch auf die jeweils gesprochene Sprache übertragen. Die Kenntnis der jeweils gebräuchlichen Sprache ergibt sich von selbst aus der Intensität des Kontaktes. Die Macht des gesellschaftlichen Vorbilds bewirkt es, daß fremde Substrate durch modische Geltung in die Sprache eingeschleppt werden und daß eine breitere Schicht von Menschen in ihrer eigenen Sprache mehrsprachig zu reagieren gewohnt ist. Die Rolle des Griechischen unter den gebildeten Römern glich aufs Haar der Rolle, die das Französische für alle aufgeklärten Nationen der Neuzeit spielte. Die spanischen Bürgersfrauen halten es heute noch für graziös, auf andalusische Weise zu artikulieren. Man erinnert sich an das „Wienern" der ehemaligen deutschen Diplomaten; die „Preußische Schnauze" war auch süddeutschen Rekrutenschindern durch
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den „sprachschöpferischen" Zustand der Kasernenhöfe gewachsen. Eine selbstbewußte Verwaltungssprache hat die Bestrebung, von ihrem politischen Zentrum auf fremde Mundartgebiete überzugreifen: so kam es zu den beachtlichen Überlagerungen des Bayrischen in Bayrisch-Schwaben und in Bayrisch-Franken. Auch das ist eine Wirkungsweise des „Münchner Zentralismus", über den man in Nürnberg und Augsburg so heftig Beschwerde führt wie anderwärts in Deutschland über den bayrischen Partikularismus. An solche und ähnliche Verhältnisse muß man denken, um die kühne Ursprungstheorie des Französischen zu ermessen, an die sich der Schweizer Romanist v. Wartburg gewagt hat. Er erklärte nämlich die Entstehung des Französischen aus der neuen Vorbildwirkung einer fränkischen Herrenklasse, deren Artikulationsgepflogenheiten von den vornehmen Romanen in ihre eigene Sprache übernommen worden seien. Eine Reihe kennzeichnender französischer Lauterscheinungen, vor allem der starke expiratorische Druck, war damit durch einen einzigen Vorgang erklärlich geworden. An Wartburgs Auffassung besticht die bestimmende Rolle, die er dem gesellschaftlichen Vorbild beim Eindringen fremder Substrate und neuer Artikulationsgesetze beimißt. Zu solchen geschichtlichen Phänomenen gesellt sich das sprachliche Bild der Grenzgebiete, wo Zwei- und Mehrsprachigkeit durchaus nicht mit dem Besitz von höherer Bildung verknüpft ist. Im Grenzland des Elsaß und der Schweiz wird keineswegs alemannisch auf französischer Artikulationsgrundlage und ebensowenig französisch mit alemannischer Lautung gesprochen. Es wird überhaupt nicht geradebrecht, sondern sowohl der deutsche Dialekt wie die französische Sprache werden gesprochen. Die von den Mitweltverhältnissen hervorgerufene Vielsprachigkeit scheint keine höheren Ansprüche an den Durchschnitt der Sprecher zu stellen, als sie die Einsprachigkeit in einem ungemischten Sprachgebiet fordert. Nicht das spontane Sprechenlernen, nur das Erlernen einer fremden Sprache verlangt ein Mindestmaß an abstrakter Intelligenz. Struktur hemmt Strukturbildung nach der Meinung der Biologen. Die Entsprechung zur Mitwelt setzt den Menschen in ein Naturverhältnis und befähigt ihn zu Leistungen, ohne daß es der zusätzlichen Gedankenarbeit bedürfte. Wenn eine Berliner Familie nach Stuttgart oder München versetzt wurde, so sprachen die Kinder ohne jedes Gedankentraining nach kurzer Zeit neben der Berliner Stadtmundart stadtmünchener Bayrisch oder Stuttgarter Schwäbisch in der ganzen Pracht der entsprechenden Lautsysteme, aber auch mit dem vollen lexikalischen Blütenreichtum. Wenn die Eltern dieser Kinder niemals ein Wort Bayrisch oder Schwäbisch sprachen, so lag das nur zum Teil an der herabgeminderten Bildsamkeit des Gedächtnisvermögens der
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Erwachsenen. Es lag vor allem daran, daß die Eltern im Gegensatz zu ihren Kindern keine unwiderstehliche Anziehung von ihrer neuen sprachlichen Mitwelt empfingen, weil ihre mitgebrachte Sprache dort wohl oder übel verstanden und hingenommen wurde. Häufig erhalten Kinder noch die zusätzlichen Weihen in die verrufenen Mysterien der Vorstadtdialekte: es sind Errungenschaften weitschweifiger Expeditionen. Und nicht grundlos geraten die Eltern in Entsetzen über das „mitgebrachte" Sprachgut, über die aus der Gosse gezogenen Redeperlen. Aber solche Fälle von sprachlicher Taktverfehlung bilden nicht die Regel. Sie mögen aus übermütigen Versuchen entspringen, die Geltungsgrenzen der neu errungenen Wortmacht bis in den Bannkreis des Elternhauses zu tragen. Im allgemeinen aber kommt es nur selten zu einer peinlichen Überschneidung. Die Beziehung zur Sprachgemeinschaft zieht den Sprecher in feste Grenzen, die ihn wie ein Schutzring vor dem Gelüste gefährlicher Übergriffe bewahren. Wo die Mitwelt mit stärkeren Armen nach uns greift, ist man schon unwiderstehlich in die Bewegung der neuen Sprachgemeinschaft gerissen. Wäre Sprachfertigkeit eine philologische Leistung, so wäre der ABC-Schütz der unübertroffene Meister dieses Faches. Aber der Spiegel der Philologie hält sich in weitem Abstand hinter dem Leben der Sprache. Und niemals wäre das erstaunliche Ergebnis möglich geworden, wenn die Sprache mit ihrem verwikkelten lautlichen Schema gleichsam den Lehrstoff gebildet hätte. Nicht die Sprache mit ihren Lauten stellte das eifrig nachgeahmte Modell vor den Schüler, sondern allein das unwillkürliche Vorbild des Sprechers mit seinem Akzent. Dieser Sprecher galt also nicht als Träger oder Repräsentant der zu erlernenden Sprache, sondern die Sprache wurde erlernt, weil jener Sprecher sie sprach und weil man mit ihm in Austausch zu treten bestrebt und seinem Vorbild in allen Stücken nachzueifern gewillt war. Gepflogenheiten der Artikulierung bleiben so lange in Kraft, bis sich der Anreiz zu einer neuen Lautgestaltung aufdrängt. Wird solch ein Anreiz durch die Autorität eines Vorbilds mächtig, so werden die ältesten Traditionen ohne Rücksicht beseitigt. Tiefwurzelnde Traditionen sind überhaupt nur in der Metapher vorhanden. Die Tradition gleicht einem losen Blatt, das in langen windlosen Wochen nicht von der Stelle gerührt wird. Ein kurzer Windstoß hebt es von hinnen. Die Schwerkraft der Tradition liegt in dem Widerwillen begründet, bewährte Verhältnisse ohne zwingende Not zu verändern. Fortdauer einer Tradition bedeutet das Fortbestehen ihrer Geltung im Ausschnitt des gegenwärtigen Weltbilds. Nur dadurch kann die Sprache ein gemeinsames Sachverhältnis erschließen, daß sie jeweils den gegenwärtigen Standpunkt der Gemeinschaftsbil-
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düng einnimmt. Daher muß man das unmittelbare Motiv für jede sprachliche Wandlung in einer Wandlung der gesellschaftlichen Vorbildsuggestionen erkennen. Der letzte Anstoß hinter solchen sprachlichen Prozessen oder Revolutionen wird erst erkennbar, wenn die den Anstoß vermittelnde Bewegung erkannt ist. Die „Wort- und Sachenforschung" verstößt gegen diese Erkenntnis; das Gerumpel der Sachwelt, die diese Forschung auf ihren kostenreichen Expeditionen zu Tag bringt, scheint nur die materielle Entsprechung für den atomisierten lexikalischen Sprachschutt zu liefern. Zwei gleichläufige Sprachvorgänge können aus verschiedenartigen Wurzeln stammen. Man würde hier größter Täuschung verfallen, wenn man von der Gemeinsamkeit eines sprachlichen Prozesses sofort auf das Bestehen gemeinsamer Seinsverhältnisse schlösse. So ist z. B. der Schwund der morphologischen Deklination und ihr Ersatz durch den obligatorisch gewordenen Artikel in sehr verschiedenen Sprachbereichen durchgedrungen. Am klarsten läßt sich der Vorgang als einer der charakteristischen Phänomene im Übergang zu den romanischen Sprachen erkennen; in den germanischen Sprachen tritt dieser Prozeß erst jetzt in sein letztes Stadium ein; von allen slavischen Sprachen ist nur die bulgarische zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert dazu übergegangen, die verschiedenen Kasusformen zusammenzuwerfen und durch den festgelegten Artikel mit eventueller Präposition zu ersetzen. Wo liegt hier der gemeinsame Nenner? Im hellen Tageslicht der Geschichte vollzog sich die Umwälzung in den lateinischen Tochtersprachen, die von den neuentstandenen autarken Bauernvölkern gesprochen wurden. Man glaubte hier ohne weiteres, die neue Wendung der Sprache aus einem neuen Arbeitsverhältnis erklären zu können. Man dachte den Ausgangspunkt bei der Feldbestellung zu finden, mit dem Bedürfnis nämlich, sich über weite Strecken vernehmlich zu machen. So wäre die Sprache, statt sich wie bisher ins Korsett der Grammatik zu verschnüren, auf drastische Weise dazu übergegangen, mit ihrer neuerworbenen Gestik zu argumentieren. Was sollten auch Bauern auf ihren Feldern noch groß deklinieren? Und dennoch — wirft man den Blick nun nach Osten herum, so findet man hier bulgarische Bauern, die sehr viel längere Zeit das Deklinieren nicht lassen konnten, und schließlich benachbarte Bauernvölker, die, wie die Serben, bis heute in Feld und Wiese nicht müde wurden, verwickelte Operationen in ihrer formenreichen Grammatik zu betreiben. Es gibt keinen sprachlichen Kamm, um alle Bauernvölker darüber zu scheren. Und es gibt kein Sprachsystem, das zu verwickelt wäre, als daß es nicht auf irgendeinem Feld der Erde gesprochen würde! Für die Katastrophe der alten bulgarischen Deklination ergab sich eine andere Erklärung als für dieselbe
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Erscheinung im europäischen Westen. Die Bulgaren wären demnach dem Einfluß der albanesischen oder rumänischen Nachbarn verfallen. Doch ist auch dieser Zusammenhang erst durch die Erklärung dieser besonderen Einflußmacht zu erhärten. Auch andere slavische Völker standen in engem Konnex mit Nachbarvölkern, die den Artikel eingeführt haben, und doch ist keine andere slavische Sprache der Wirkung des fremden Substrats erlegen. Die Einflußmacht erklären, heißt aber, die Vorbildwirkung der fremden Sprachgemeinschaft verständlich machen. Denn die Suggestion rührt nicht von der Sprache, sondern stets von den Sprechern. Man spricht ihnen nach, weil ihr Vorbild überzeugte, nicht aber, weil man ihre Sprache für nachahmenswert erachtet. So wird auch die geringe Bereitschaft der meisten Menschen erklärlich, auf sprachlichen Rat zu achten, wiewohl sich die wenigsten einem sachlichen Rat verschließen. Man macht sich aus vielerlei ein Gewissen; doch sind es nicht viele, die ein Sprachgewissen besitzen; die unverkennbare sprachliche Wirkung der literarischen Werke kommt nur durch die Suggestion zustande, die von dem dargestellten Weltverhältnis ausgeht. Die Wirkung der Sprache ist somit einer sprachlich gemeisterten Welt zu verdanken. Dagegen begleitet der heimliche Fluch der Nachwelt meist unverschuldet jene Autoren, aus denen man Sprachmodelle herauspräpariert hat. Als fruchtloser Aufwand bleibt alle saure Mühe der Sprachformer verschwendet: vergeblich, wie der Irrwahn, durch Thesaurisierung von Wörtern den Wortschatz und mit dem Wortschatz die — Sprache zu heben. Der Sprache ist nur von der Meinung der Sprecher her beizukommen. Durchgreifende Sprachkritik kann letzten Endes allein durch Kritik an den Zielen der Sprachgemeinschaft gelingen. Nur sprachlicher Aberglaube hält es für möglich, im Zugriff der Worte ein sicheres Wissen um die Dinge erwerben zu können. Nur im Verzicht auf das Wissen kam die Bestandsaufnahme des Seins durch die Sprache zuwege. Die Sprache verhilft wohl zum Bewußtsein über die Dinge. Doch haftet an ihr kein weiteres Wissen von dem, was sie nennt, als das Bewußtsein seines Bestandes. Und doch läßt seit jeher eine tief verwurzelte Neigung der Sprache grenzenlosen, ja unbedachten Kredit gewähren. Als ob uns die Sprache die Last des Denkens abnehmen könnte! Was durch Erfahrung feststeht, ist sprachliche Gebundenheit der Gedankenführung. Gefangene, die durch Einzelhaft und Leseverbot in einen sprachfremden Zustand geraten, sind ernstlich gefährdet, mit der Entwöhnung von Sprache auch den Verstand zu verlieren. Es gibt kein Denken, das gänzlich aller sprachlichen Gewöhnung enthoben wäre. Gewiß: das Denken erhebt sich fortwährend über die Sprache,
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die in der abstrakten Bezeichnung verkümmert und denaturiert wird. Das Wort vermünzt sich im Begriff, und die zielhaft gespannte Meinung beruhigt sich in der entäußernden Form des Urteils. Die Abstraktion war aber im Fortgang noch immer zur Rückkehr auf ihren sprachlichen Ausgangspunkt genötigt. Für den Gedanken bildet die Sprache das Medium seiner Entfaltung. Das Band ist elastisch, doch unzerreißbar, mit dem das Denken an seinem sprachlichen Schicksal haftet. Was nicht in die Sprache eingeht und nicht zur Sprache zurückkehrt, hat keine gedankliche Relevanz. Nur in der Sprache kann sich das Denken konsolidieren, weil nur ein sprachverhaftetes Denken durch solidarische Haftung der Sprachgemeinschaft gedeckt ist. Das Verhältnis von Denken und Sprechen verwirrt sich unheilbar, wenn man im sprachfreien Denken nicht zwei entgegengesetzte Verhaltungen scheidet: Vorsprachliches, sprachlich noch ungeknüpftes Denken im Drang nach Entlastung und nach Bewährung durch Sprache. Wogegen begriffliches Denken erst aus der Sprache hervorwächst. Nicht alles wird an Worte gewagt; nicht alles für wert befunden, gesagt zu werden. Was sich der Sprache versagt, sind Fluchtgedanken, die bald verfliegen und bald in einen brütenden Zustand versacken. Sprachscheue Gedanken sind nur der Traumbesitz der ungebundenen Seelen. Das Denken wird Wort. Der Gedanke ist angewiesen auf die Vermittlung der Sprache. Der Gedanke hat Blitzesschnelle. Doch um zu zünden, muß ihn das Wort berühren. Ein wortfreies Denken gleicht einem bloßen gedanklichen Wetterleuchten. Soweit der Gedanke dem Wort auch vorausläuft — er ist zur Rückkehr gezwungen. Er muß sich aus seinem unendlichen Spielraum entheben, um sich der Schwerkraft des verankernden Worts zu versehen. Sprachfreies Denken ist deckungslos und daher ohne Gewichte. Es entbehrt der solidarischen Haftung. Es fehlt ihm der lange Atem, zu dem sich erst durchgesprochene Gedanken weiten. Daher der Kurzstil, die „Breviloquenz", zufolge Pu§cariu die „äußere Erscheinung unseres gewöhnlichen inneren Sprechens" und, wie derselbe Sprachgelehrte noch ausführt: „Für gewöhnlich geben wir unsere innere Sprache in unvollständigen Sätzen nach außen kund, indem wir von Gipfel zu Gipfel springen und den Weg unserer Gedanken gewissermaßen nur abstecken, da uns die Gebärde, der Tonfall und andere Ausdrucksmittel zur Verfügung stehen (die dem Schreibenden fehlen) und unser Zuhörer aus der ganzen Situation das ergänzen kann, was mit Worten unausgedrückt geblieben ist."
Das Denken schießt in die Sprache ein; und nur im Durchgang durch die Sprache ergreift es die Chance, sich selbst zu begreifen, indem es Begriffe bildet.
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Doch ist nicht jedem sprachgewordenen Gedanken eine weitergreifende Zielkraft verliehen. In der Sprache wird der Gedanke gefährdet und keiner befördert, der diese Gefahr nicht bestanden hätte. Die solidarische Macht, die dem Gedanken durch Sprachwerdung zuwächst, gibt ihren Anteil auch den Parasiten der Sprachgemeinschaft. Sie sprechen nichts durch, sondern bleiben bei dem bloßen Ansatz der Sprachgedanken hängen. Sie sprechen in einer zerredeten Sprache, in einer Aura von Worten sich geräuschvoll verbergend; sie schlagen sich Sprache wie einen akustischen Mantel um ihre Blöße. Die fortgesetzte Gefahr der Mißleitung durch Worte und des Verfalls der Sprache ins bloße Gerede erregte schon immer den philosophischen Zweifel. Zuletzt hat Husserl die Sprache auf ihre begriffliche Tragkraft vernommen. Die Husserlsche Analyse der Wortbedeutungen eröffnet in Deutschland eine neue Epoche der Sprachbetrachtung, von daher rührt (wenn auch in völliger Umkehr der Impulse des Husserlschen Philosophierens) sowohl die sprachliche Orientierung der phänomenologischen Denker von Scheler zu Heidegger wie andererseits der Versuch einer gewissen Sprachtheorie (Weisgerber, Ipsen, Schmidt-Rohr), der sprachlichen Denkform ein Monopol zu verleihen und damit die letzte Brücke zwischen Wortbedeutung und Begriff zu sprengen. Schmidt-Rohr hat diesen Bruch bis zu den letzten Konsequenzen getrieben. Erkenntnis ist außerhalb der sprachlichen Bahnen undenkbar. Doch ist der Sprache keine Erkenntnisfunktion im traditionellen Sinne zu eigen. Die Sprachgemeinschaft bereitet den Horizont ihres abgeschlossenen Weltbilds. Zur selben Zeit, in der man verkünden konnte, es gebe keine Weltgeschichte, sondern nur die konkreten Nationen mit ihrer Geschichte, zerschneidet man auch das menschliche Band der Gedankengemeinschaft, indem man Verständigung nur in den Grenzen der Muttersprache für möglich erachtet. Begriffe sind nichts mehr, und Worte bedeuten hier alles. Wenn der Idealismus und die Romantik den Geist oder Volksgeist zum Schöpfer der Sprache gemacht hat, so wird jetzt die Volksgemeinschaft als Schöpfung der Sprache begriffen. Die sprachliche Allmacht erreicht den Zenith. So fordert wie bisher Staat oder Geist oder Recht die blinde Unterwerfung des Menschen. Die Sprache wird zur Urerscheinung, die wie eine Ahnfrau auf den verängsteten Bewohnern eines verwunschenen Schlosses lastet. Ist nicht in der Muttersprache die graueste Vorzeit des Volkes noch gegenwärtig? Aus unergründlichem Dunkel regiert sie seine Münder und Herzen. Der Anschluß an die Muttersprache führt „heim" ins Reich der Mütter, der Archetypen, der nationalen Genien und Urbildgespenster. Im sprachlichen Denken wird die gestürzte Hierarchie von Blut und Leben
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über Geist und Intellekt wieder aufgerichtet. Doch ach! — auch sprachliches Denken ist seiner Bestimmung entwachsen und war der zerstörenden Wirkung des begrifflichen Denkens in allen späteren Stadien der Entwicklung verfallen. Schmidt-Rohr behält nur die archaische Seele der Muttersprache, sein widerwilliges Zeugnis bestätigt nur, was so emphatisch verleugnet wurde: daß ein System von Wortbedeutungen sich erst in der Ausprägung einer Begrifflichkeit „vollendet". Vielfältig sind die Beziehungen zwischen Begriff und Wortbedeutung: man kann sie nicht einfach in einer kontradiktorischen Formel erschöpfen. Gewiß: Die Wortbedeutung ist nur durch die Wahl eines Standorts erschließbar, der Kurswert der Begriffe dagegen ist nicht an Situationen gebunden. Der Standpunkt der Wortbedeutung (man denke etwa an ein Wort wie Gemütlichkeit oder Sehnsucht) wird nur im Einvernehmen der Sprachgemeinschaft gewonnen, wogegen die Sprachform der Begriffe nur ihre abstrakte Bezeichnungsfunktion verkleidet. Begriffe bilden das Kapital der Sprachgemeinschaft, die sich zur Freiheit von sprachlicher Orientierung durchringt. Begriffe sind auf die Spitze der Wortbedeutungen gehoben: sie sind der solidarischen Haftung nicht mehr bedürftig: ihre Deckung liegt in der Sache, die sie erfassen: bei ihnen hat sich die Objektivierung der sprachlichen Welt vollendet. Der Werkzeugcharakter der Sprache wird dadurch erklärlich: im solidarischen Zugriff auf die Dingwelt visiert man Bedeutungen, in denen der Wille zum Begreifen sich festmacht. In dem Begriffenen erweist sich die Sprache als sachbezwingendes Werkzeug. Die Mediatisierung der Sprache vollbringt die fortgesetzte Verwandlung der Seinswelt zur menschlichen Gegenstandssphäre. Am Werkzeugcharakter der Sprache kann man die ganze Sprachentwicklung erkennen. Auch das sprachliche Werkzeug drängt danach, wie Jespersen sagt, ein „Höchstmaß der Wirksamkeit mit dem Mindestmaß der Anstrengung zu erreichen". Durch das Prinzip der Materialersparung wird jeder wirkliche Fortschritt errungen. Die Ur- und Vorgeschichte der Menschen fällt völlig mit der Erfindungsgeschichte des Werkzeugs zusammen. Der immerwährende Antrieb der ganzen Entwicklung war, Friedrich Engels zufolge, in der Erschöpfung der Nahrungsräume begründet. Als die einstigen Baumbewohner ihren abgeweideten Hochraum mit der horizontalen Lebensrichtung vertauschten, da konnte nur engster Zusammenschluß helfen und eine Chance im Kampf mit der feindlich überlegenen Mitwelt gewähren. Auch straffste Zusammenfassung gewährte nicht unbesiegbare Waffen. Es blieb nur ein Weg, aus der geschärften Erfahrung der bisher geleisteten Arbeit ein Mittel gesteigerter Leistung zu machen. Das Werkzeug
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entstand, mit dem die nunmehr vervielfachten Kräfte der Hand einen tiefen Ausschnitt dem bisher unbezwungenen Naturraum entrangen. Die Werkzeugerfindung erzielte mit kleinstem Aufwand an Kräften gewaltige Wirkung. Mit dem Werkzeug hatten die Menschen ein Ding geschaffen, daß aussah, als ob ihm nichts mehr mit einem Naturding gemeinsam wäre. Die menschliche Arbeit, die darin steckte, verstärkte bei jedem Schlag die beinah drucklos erzielte Wirkung. Durch den Gebrauch des Werkzeugs war auch der einzelne in der Lage, den Vorspann der Gemeinschaftskräfte in Anspruch zu nehmen, und jeder einzelne wurde selbst durch seine vermehrte Arbeit zum Werkzeug der ganzen Gemeinschaft. Nicht alle Formen des kollektiven Lebens sind auf das Werkzeug, auf eine sprachliche Kommunizierung verwiesen. Die lockeren Verbände, mit einem allseitig unerschöpflichen Umkreis der Bedürfniserfüllung, wie die gefiederten Luftbewohner, sind trotz ihrer stimmlichen Talentierung zu keinem sprachlichen Ansatz gekommen. Man kann die Vögel genau so viel Sprache lehren, als menschlicher Wortsinn an ihre Ausdruckslaute gehängt wird. Die Sprache wird nur aus einem Notstand geboren. Die Menschheit muß in der sprachlichen Kohäsion eine Planung ihrer Bedürfniserfüllung versuchen. Der Werkzeugcharakter der Sprache erfordert die Artikulierung, damit sie aus einer widerstrebenden Welt Objekte in wiederholbarer Formung herausholt. Diese sprachliche Artikulierung besteht zunächst einfach darin, daß sich der ganze Körper des Menschen in ein einziges Zeichenfeld der gestikulierten Sprache verwandelt. Noch heute benutzen einige Negerstämme die Zehen, die Finger, die Nase, den Nabel als Haftpunkt für den komplizierten Vorgang des Zählens. Der Mensch ist in seiner ganzen Leiblichkeit zum Werkzeug eines sprachlichen Vorgangs geworden. In dem Unmaß des Aufwands ist die Plumpheit der primitivsten Werkzeugbehandlung noch spürbar. Das Sinnfeld verengt sich allmählich und zwingt zu größerer Präzision des Bezeichnens. In Australien existieren noch heute Übergangsformen einer wechselweise gestikulierten und gelauteten Sprache. Wenn die Gebärden zuerst ihr Ziel im Gesichtskreis hatten, so ist es der nächste Schritt, das Unsichtbare in die volle Erinnerung zurückzubringen. Schon Wundt hatte darauf verwiesen, daß mit einem ausgestreckten Zeigefinger der Urakt des Sprechens vollbracht wird. Aus der Hand ist ein Richtungsweiser geworden. Die Hand verweist die Blicke in eine vorgesehene Richtung. Man folgt wie gebannt, und niemand wird in dem ausgestreckten Finger noch ein Zubehör einer Leiblichkeit finden. Mit der Beschränkung der Sprache auf die verkleinerte, aber lebhaft durchgegliederte
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Zeichenfläche der Hände tritt schon der rationelle Zug in aller Werkzeugbildung zum Vorschein. Das vollendete Werkzeug bestreitet aus einem Mindestmaß an Material ein Höchstes an materieller Wirkung. Auch die Sprache braucht immer weniger Mittel für eine immer reicher differenzierte Wirkung. Von der sichtbaren Fläche greift sie ins Innere über, wo ihr die Stimme mit neuer Wirkungsmacht beisteht. Wenn das „Spiel" der Finger ihre natürliche Arbeitsbewegung schon ablöst, so vollendet sich durch die sprachliche Atem- und Stimmbeherrschung die Umkehr des naturhaften Ausdrucks. Die Tendenz zur äußersten Rationierung hat sich nunmehr in der unüberbietbaren Weise der durchdringenden Sprachwerkzeuge verwirklicht. Doch damit beginnt erst die Entwicklung, die nunmehr die Sprache im Innern ergreift und allmählich in ihrem Wesen verwandelt. Die Entwicklung verläuft vom äußersten Reichtum der singenden, keuchenden, schnalzenden, fauchenden Lautentfaltung zur straffsten Zusammenfassung des Zeichensystems in einer beschränkten Skala der Töne. Während vor allem die Negersprachen noch mit verschwenderischem Reichtum der Laute operieren, ist der sprachliche Fortschritt von einer beständigen Schrumpfung der Zeichenskala und der Verknappung des Lautregisters begleitet. Der Fortschritt entsteht durch Verarmung der Ausdruckszeichen, die einen größeren Reichtum an Beziehungsformeln erzeugen. Die Fülle konkreter Differenzierung, die beispielsweise in einer Sprache an fünfzig Verbalbegriffe für die verschiedenen Variationen des Gehens hervorbringt, wird durch die beständige Arbeit des Abstrahierens und Klassifizierens vereinfacht. Auch Synonymik, d. h. das Nebeneinanderbestehen gleichbedeutender Worte, kann sich nur sporadisch durch die Verwischung der unerkennbar gewordenen Bedeutungsdifferenzen behaupten. Auf die Dauer erträgt die Sprache keine parasitären Elemente. Sie stößt sie ab, sofern sie sich nicht in einer neuen Eigenbedeutung befestigen konnten. Im Gegensatz zur Synonymic beherrscht die sogenannte Homonymie, d. h. das Bestehen gleichlautender Worte mit verschiedener Bedeutung, die fortgeschrittensten Phasen der Sprachentwicklung. In analytisch fortgeschrittenen Sprachen wie im Englischen oder NeuChinesischen genügt zuweilen ein einziges Wort, um alle Wortkategorien in einer oder gar mehreren Wortbedeutungen zu bezeichnen. Was jeweils gemeint ist, muß durch syntaktische Steuerung oder durch die Modulierung der Tonart zum Ausdruck kommen. Die allgemeine Sprachentwicklung scheint also im Sinne der wachsenden Meisterung des sprachlichen Zeichenmaterials zu verlaufen. Jedoch sind bis heute fast alle Phasen der Sprachentwicklung im Nebeneinander von Raum und Zeit noch lebendig. Jahrhunderttausende liegen zwischen der Sprache
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der zeitgenössischen Urbewohner Australiens und zwischen der Sprache der herrschenden englischen Kolonisten. Nicht minder gewaltig ist der Zeitraum, den die Berührung von Chinesen und Polynesiern verbindet. In der Kindersprache sind allenthalben Momente der frühesten Sprachentwicklung erfaßbar. Der Weg liegt offen vor unserer Erkenntnis. Die Sprache kann ihre Geltung nur aus dem Einvernehmen der Sprachgemeinschaft beziehen. Nur in der Entsprechung der vernommenen Rede wird Sprache verbindlich. Wir sahen, daß Redeformen bestehen, die auf Antwort verzichten, doch offenbar darum, weil sich der Anruf mit der vorweggenommenen Antwort verstärkt hat. So findet stummer Gehorsam die erwartete Antwort schon im Befehl erhalten, und der Befehlende seinerseits erwartet keine andere Antwort als die Befehlserfüllung. Dabei zeigt sich schon deutlich die außersprachliche Intention alles Sprechens. Die Sprache erfüllt sich in Sachbezügen, und wo die Sache schon für sich selbst spricht, ist auch die sprachliche Sendung beendet. Wo Sprache das nicht beachtet, verfällt sie ins leere Gerede. Wenn Sprache die Instrumentierung des Daseins verstärkt und mithilft, das menschliche Leben in seine Zwecke zu setzen, so kann es auch keinen Fall von sprachlicher Autarkie und Selbstgenügsamkeit geben. Die Sprache lenkt unser Denken auf das Koordinatenfeld gemeinsamer Lebenserfahrung. Auch im Grenzfall des Monologs folgt auf die Rede die Gegenrede, und im gesprochenen Wort bekundet sich die vernommene Antwort. Der Monolog ist ein Vorgriff des Bewußtseins auf kommende Gespräche, wenn er nicht im Widerhall des überwertigen Eindrucks vergangener Gespräche zustande kommt. Man muß den Monolog aus dem Gespräch erklären und nicht, wie es noch immer geschieht, aus einer monologischen Situation das Bestehen von sprachlichem Austausch herauskonstruieren. Man verfährt sonst nach der Art der Philosophen, die sich seit Jahrtausenden mit der unlösbaren Aufgabe quälen, das Bestehen der Menschheit als ein Moment des Bewußtseins zu finden. Es geht auch nicht an, wie Saussure und seine Schule es tat, das objektive Gewirke der „Sprache" in die vergangenen Traditionen zurückzuverlegen. Die Sprache wird nicht aus der philologischen Krypta bezogen und uns aus keinem „Wortschatz" verpfändet. Das Wort ist kein von den Toten erborgtes Lehen. Das Wort wird aus der Spannung zur Sache erinnert. Es akkreditiert sich durch seine vernehmliche Wirkung, durch seine noch unerschöpfte Kraft, sich in immer neue Bezüge zu versetzen, nicht aber erwächst ihm die Autorität aus seiner vergangenen Leistung.
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Das Interesse spannt den Bogen der Worte, und das Vergessen der Worte hängt immer mit dem erschlaffenden Interesse zusammen. Man klagt über schlechtes Sprachgedächtnis, um sich das schlimmere Übel, die Schrumpfung der Sachbezüge, nicht einzugestehen. Wie schnell wird eine völlig gemeisterte Sprache vergessen, sobald man mit dem Verlassen der Sprachgemeinschaft auch das Interesse verliert, bei ihrem Zugriff zur Dingwelt noch weiter Gefolgschaft zu leisten! Es gibt keinen Rückstrom, durch den sich der Kreis der Sprache zur Selbstgenügsamkeit schlösse. Die Sprache drängt aus sich heraus. Die gemeinsam bezogene Linie der Sprecher wird als Visier der Dingwelt entgegengeschoben. Man hat vergeblich geglaubt, die Sprache mit einem Hinweis auf ihre Erfüllung durch Literatur und Dichtung dem Zweckbereich zu entziehen. Nicht Sprache wird in der Dichtung zum Selbstzweck, sondern die durch Sprache in ihrem Weltverhältnis versicherte Gemeinschaft. In der Dichtung wird durch den Rückstrahl der Sprache die Gemeinschaft zum vollen Bewußtsein gehoben. „Der Dichter" — sagte Hegel — „ist ... der erste, welcher der Nation gleichsam den Mund öffnet." Die Dichtung führt eine erinnernde Sprache, die mit dem Wissen um Ursprung und Schicksal der Menschengesellschaft noch einmal die Entzauberung der schreckenerregenden Naturgewalten feiert. Mit der Kenntnis der Zeit erwarb sie die Kenntnis der Dimension des menschlichen Schicksals. Diese Kenntnis erstreckt sich auch auf die verborgenen Zeiten, auf das Kommende wie auf das Entschwundene und auf den Schnittpunkt beider, auf dem die Gegenwart ihre Ermächtigung findet. So wird im Vernehmen der Dichtung der zeitliche Ablauf als menschliche Daseinsbedingung erkennbar. Und der Anschein der Dinge zerstreut sich in dieser Betrachtung: aus dem Licht der inneren Gewißheit erhebt sich ein zweites Gesicht, das Gesicht der Gemeinschaft. Daher wird Blindheit zur Öffnung des inneren Auges den Dichtern und Sehern als Schicksal beschieden. Ihre führungsbedürftige Armut trägt sich mit dem verborgenen Reichtum des Volkes. Der moderne Dichter bezeugt dieses Wissen mit den lapidaren Worten: „Nicht ich denke, sondern es denkt mich" und mit den anderen: „Ich bin der andere" (A. Rimbaud). Es ist eine relativ neue Entdeckung, daß man die Literatur gewissermaßen auf Band spricht und sie damit dem beliebigen Gebrauch eines unkontrollierbar wechselnden Publikums aufspart. Schwebt nicht auch dem einsamen Dichter die Wirkung auf einen konkreten Kreis von Menschen vor Augen? Muß er sein Publikum durch einen zweiten Akt der Schöpfung sich selbst erzeugen, indessen die Inspiration des primitiven Dichters durch die
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erregende Gegenwart eines festlichen Kreises hervorgelockt wurde? Der moderne Dichter kann sich die Mühe wohl sparen. Sein Publikum ist schon in größter Unmittelbarkeit an dem sprachlichen Formungsprozeß beteiligt. In der Stilisierung vollzieht sich gewissermaßen die Innewohnung der Sprache durch die Stilart ihrer Empfänger. Stil bedeutet dann das Übergreifen der Allgemeinheit auf das besondere sprachliche Werkzeug, das sich in einem Dichter bereithält. Im Verhalten des Publikums zu den vorgeführten Werken wird eine ursprüngliche Anteilnahme noch einmal bestätigt: Beifall, nicht Lob — Mißfallen und nicht Kritik bezeugen das Maß der einfachen Anerkennung, insoweit sich die Wortgestaltung in den Besitz der authentischen Sprache einer Gesellschaft versetzte. Das Verhältnis von Dichtung und Sprache bot in den letzten Jahrzehnten der idealistischen Forschung die Angriffsstellung gegen Zweckbestimmung und Werkzeugcharakter der Sprache. Wie die Sprache, so wurde die Dichtung zur zweckfreien Schöpfung des Geistes, der sich nach dem Vorbild des Schöpfers in der wiedergeschaffenen Welt zu spiegeln gewillt war. Die Sprache wurde damit zum Abbild der Dinge und schließlich, wie in der gnostisch-christlichen Lehre, zu ihrem Ursprung. Es ist klar, daß die Zweckgestaltung des sprachlichen Werkzeugs in Frage gestellt wird, wenn in der Sprache das Bilderbuch der Dinge angelegt wäre, wenn Sprache und Dichtung die Wiederschöpfung der Welt zu betreiben hätten. Schon früher glaubte man die Sprache bald als Spiegel der logischen Seinsverhältnisse deuten zu müssen, bald glaubte man, daß sie im Klangbild die Dinge zu schildern versuche. Nicht anders wollte Klaatsch die Jagdgemälde der Höhlenbewohner von Altamira als ein Erzeugnis der reinen Anschauungsfreude erklären, wie man etwa in Holland ein Jagdstück von Hals als Prunkgemälde in einem gepflegten Patrizierhaus bewundern konnte. Zur selben Zeit, als ein „naiver" Naturalismus die urgeschichtliche Kunstbetrachtung durchsetzte, war in der Sprachbetrachtung allerdings schon die Nachahmungstheorie mit unwiderleglichen Gründen entkräftet worden: „Eine unmittelbare Beziehung zwischen Laut und Eindruck" — sagt Wundt — „findet überhaupt nicht statt, sondern der Laut selbst ist immer erst die Wirkung der Artikulationsbewegungen. Ihnen gegenüber sind die Laute etwas Sekundäres, auf das weder die Aufmerksamkeit noch irgendein willkürlicher Trieb direkt gerichtet sein kann. Die Affinität kann allein darin beruhen, daß die Bewegungen den durch den Eindruck wachgerufenen Vorstellungen und Gefühlen angepaßt werden."
Ein und dieselbe Wortbedeutung kann in verschiedenem Zeichenmaterial erscheinen: als Lautgebilde, in der zusammengreifenden Bewegung der Ge-
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ste, im Schriftbild. Die Einheit der Wortbedeutung wäre in der Verschiedenheit der Zeichengebung undenkbar, wenn schon im Zeichenstoff die innere Beziehung zu der bezeichneten Sache sich fände. Kein Zweifel kann über die sprachliche Orientierung des magischen Denkens bestehen. Die Sprache, in der sich der Mensch zum Werkzeug gemacht hat, entspricht in unvermittelter Wirkungsmacht der Vorstellung eines von seelischen Kräften durchwalteten Naturgeschehens. Der ungeheuren und fürchterlichen Verstrickung, in die sich die Menschen mit dieser Auffassung begaben, setzt man die gewaltig überhöhte Wirkungsmacht der menschlichen Sprache entgegen. Das magische Weltbild ist primitives Naturverständnis. Es konnte sich wohl mit religiöser Denkform verquicken, doch hatte es vorher von religionslosen Völkern Besitz ergriffen. Es ist begreiflich, daß man der Sprache wie jedem Werkzeug gesteigerte Kräfte beimaß. Schon die Hand wird in diesem Sinn als Werkzeug betrachtet und bis in die römische Zeit hinein mit Faszination versehen. Abdrücke von Händen in Höhlen sind keine Visitenkarten — sie weisen auf den Versuch, den schützenden Ring der Gemeinschaft durch magische Machtembleme um sich zu ziehen. Schmiedehammer und Hacke werden als Geister verehrt, in denen seelische Kräfte den Menschen zur Hilfeleistung versteckt sind. In diesem Glauben liegt ebenso das Wissen um den kollektiven Ursprung der Werkzeugbildung enthalten wie in der Sprachmagie der richtig erkannte Charakter der Sprache als einer gemeinsamen Schöpfung, in der man die Kräfte der ganzen Gemeinschaft anzuwenden versuchte. Es läßt sich aus all dem wohl schließen, daß die Magie aufs engste an erste Spracherfahrungen gelehnt war. Zur wirksamen Zauberentfaltung des Wortes gehört, wie Preuß hervorhob, „zunächst nicht die möglichst vollkommene Nachahmung, die vollendete sprachliche Darstellung, sondern die innige Konzentration des Gedankens". Nicht nur im Hinterland des Aberglaubens blieben die Reste des magischen Weltbilds lebendig. Magie wirkt selbst in einem einfachen, zeugenlos gewährten „Versprechen", wo das „vorgesprochene" Wort schon allein die Bürgschaft der Erfüllung leistet. Der Refrain in der Dichtung, die formelhaft epische Wiederholung ergeben den Anhalt für die innere Beziehung des Zauberspruchs mit der Dichtersprache. In den Sageformen der Dichtung fand man die Formeln der magischen Praxis verborgen. Immer wieder berichten die Ethnologen von der verblüffenden Fähigkeit der Primitiven, sich tierischer Laute zu bedienen. Auch in diesem Fall ist nicht an die Reproduktion eines lautlichen Vorgangs zu denken. Vielmehr ist Lockung und Anreiz das Ziel, und dem Tierimitator war vor allem
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daran gelegen, durch ein wirksames Zeichen, einen charakteristisch herausgegriffenen Laut die Beute in seinen Bannkreis zu ziehen. Man ist versucht, schon hier das Verfahren der magischen Namensgebung zu erkennen. Wenn Sprache Wirklichkeit nachzuahmen bestrebt ist, so scheint die Wirklichkeit im primitiven Gesichtskreis vorzüglich durch Bewegungsbilder vertreten. Als Wirkungsträger werden Menschen und Dinge bezeichnet. Auch die Gebärdensprache bemüht sich nicht, abzubilden, wo sie viel leichter eine merkmalbildende Bewegung schildert. Nach M. Iljin bedeutet z. B. in primitiver Zeichensprache „der Fisch - die senkrecht gestellte Handfläche und eine Zickzackbewegung ... der Frosch — die Finger werden, wie um eine Prise zu nehmen, zusammengehalten und springen über den Tisch".
Auch in der Kindersprache ist nichts von dem verzweifelten Versuch zu bemerken, mit naturgetreuer Lautgestaltung an die sprachlich angezielte Objektwelt heranzukommen. Wenn sich die Terrorwirkung der Schreie auf den Erwachsenen allmählich erschöpft hat, beginnt der Versuch, durch Sprachbeschwörung in den Besitz der ersehnten Dinge zu kommen. Das Kind, das nach dem fliehenden Mond greift, erweitert den Wirkungsraum seines greifenden Ärmchens. Die kindliche Sprachbildung bleibt lange auf die Bewegung der Dinge gerichtet; sie findet in sprachlicher Reduplizierung die angemessene Bezeichnung für jede Art der Bewegung und jeden Bewegungsträger: Töff-töff, Wau-wau und Hott-hott. Man hat schon in den früh gebildeten Begriffen des Kindes so etwas wie Gattungsbegriffe erkennen wollen. In der Tat, mit Papa oder Onkel werden alle Männer bezeichnet, Wau-wau kann etwa als Klassenbegriff für die Säugetiere gelten. Damit würde eine sprachlich-gedankliche Leistung vollzogen, die das Kind mit einem Schlag um Jahrhunderttausende über den geistigen Standort der Ursprachbildung erhöbe. Es ist richtig, daß die Kindersprache unter dem Einfluß einer hochentwickelten Sprachwelt über Äonen in ganz wenigen Jahren hinwegspringt. Und dennoch handelt es sich bei den vermeintlichen Gattungsbegriffen um eine völlig andere, ja entgegengesetzte Operation der Gedanken: nicht um die begriffliche Generalisierung, indem sich ein Merkmal zur Klassenbezeichnung heraushebt. In der mangelhaft ausgebildeten Merkwelt genügt die Ähnlichkeit eines dynamischen Vorgangs zur Identifizierung der ungleichartigsten Dinge. Auf einer späteren Stufe werden trotz fraglos eingetretener Differenzierung die Erscheinungen noch immer im Sinne einer Bewegungseinheit sprachlich zusammengeworfen. Preuß und Danzel verweisen auf das Vorstellungsleben der Indianer,
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die oft eine Reihe von Gegenständen oder Teile mehrerer Gegenstände in sprachlicher und gedanklicher Einheit fassen. Nur in wenigen Fällen ist uns das einheitgebende Prinzip einer solchen Gruppierung geläufig, so etwa bei der Zusammenstellung von Haaren, Nägeln und mit allen möglichen Ausscheidungen des Körpers, die alle in magischer Einheit mit dem Ich verbleiben. Auch die kindliche Vorstellung sieht die Grenzen zwischen den Dingen anders als wir verlaufen. Hier nur ein Beispiel: ein Kind, in dessen Wortschatz für „schlafen" heia machen stand, gebrauchte eines Tages denselben Ausdruck für die Ruhelage eines parkenden Wagens. Unter „schlafen" wurde offenbar hier das Einschlafen und Eingeschlafensein begriffen, so daß dieser Vorgang auch für die Stoppbewegung des parkenden Wagens paßte. Immer wieder ist es also ein Vorgang und eine Bewegung, die sich in den primitiven Gesichtskreis drängen und den ersten Antrieb zur sprachlichen Schöpfung bilden. Die Sprache legt hier wie überall einen Vorgang zugrunde, sie sucht Bewegung zu bannen, und darin bewährt sich ihr Ursprung in der Gebärde. Man konnte in den Gebärden die zu Reflexen verkümmerten Handlungsantriebe gewahren, etwa mit dem Hinweis auf ein durch die Entfernung gegenstandsloses Greifen, woraus dann der erste Ansatz einer Vergegenständlichung durch Begriffe hervorging. Den inneren Zusammenhang der Laut- und Gestensprache hat schon die Aufklärung und Diderot vor allen mit genialem Spürsinn herausgefunden. Mit der Gebärde ist der Wesenszug der Sprache, sich selbst zu übergreifen, zu transzendieren, schon vorgezeichnet. Von Sprachgebärden sind reine Ausdrucks- und Empfindungsbewegungen strengstens zu scheiden. Wenn ein Taubstummer mit der flachen Hand seine linke Backe berührt, so stenografiert er vielleicht einen ganzen Komplex von miteinander verhängten Zeichen. Dieselbe Geste wird durch einen plötzlichen Zahnschmerz hervorgerufen. Dem Leidenden ist es keineswegs darum zu tun, seinen kläglichen Zustand durch eine Gebärde kenntlich zu machen. Er läßt sich eben gehen und findet in diesem Sichüberlassen an ungehemmte Reflexe die Linderung seiner Schmerzen, die sich mit jeder Willkürbewegung verstärken würden. Fast alles Sprechen wird eskortiert durch einen Umkreis wohlgezielter Gebärden. Auch in der Kindersprache sind stehengebliebene Gebärden von teils bedenklicher, aber längst verdrängter Symbolik lebendig: eine lange Nase drehen, sich an die Stirn tippen, jemandem mit herausgestreckter Zunge den Abschied geben, zum Zeichen der Schadenfreude die beiden Zeigefinger wie zwei Messer aneinander wetzen mit dem aufdringlichen
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Begleitton Ätsch — all das ist ältestes Sprachgut, das meist mit den Kinderschuhen abgestreift wird. An den Rändern des Mittelmeers dient bei den meisten Nationen ein großer Reichtum der Raumgebärden zur Ausschöpfung der sprachlich angezielten Situationen. Es gibt hier Gebärden, die jedes Schimpfwort überspielen und eine tödliche Provozierung erstreben. Die Doppelung optischer und akustischer Zeichen begleitet diese Sprachen beständig. Hier fordert das Gesetz der Gesellschaft, auch fehlende Anteilnahme durch die Gebärden der Leidenschaft vorzuspiegeln. Nicht überall gilt es für fein, mit den Händen zu reden. Die stoisch und aristokratisch vorgeformte Gesellschaftlichkeit der Angelsachsen verbirgt beim Sprechen jede Gefühlsbewegung. Zugleich entspricht die Tendenz der Ausdrucksverknappung dem konzentrierten Zustand einer verengten Sprache, die nicht mehr die leiseste Unterstreichung für die Erreichung präzisester Stellenwerte benötigt. In den Gebärden scheint zunächst der Sinn der Abwehrgeste zu überwiegen. Man grenzt sich ab von dem Ereignis, das man heraushebt. Insofern gilt, was Hebbel über die Sprache sagte: „Durch die Sprache sucht der Mensch sich selbst von der Welt zu unterscheiden, noch mehr als die Welt von sich." Doch wird gerade durch die gemeinsame menschliche Stellungnahme der erste Schritt zu einer Fixierung der wahrgenommenen Erscheinung vollzogen. Der Abstand vergegenständlicht, schon mit der ersten Sprachbewegung hat die Verwandlung einer Welt von Widerständen in eine Objektwelt begonnen. Es gibt keine Sprachgemeinschaft, so wenig wie irgendeine Gesellschaftsbildung, die außerhalb ihrer Zwecke bestehen könnte. Das wechselseitige Ausdrucksverlangen hat nicht die Macht, ein dauerndes Einvernehmen herbeizuführen. La Rochefoucauld, der Zeuge und Sproß einer substanzentleerten Gesellschaft, gibt einmal zu ermessen, wie schnell die Neugier auf fremdes Bekenntnis dem tödlichen Gefühl der Lähmung Platz macht. Im bloßen Ausdrucksverlangen versinkt unfehlbar die Linie aller Gespräche. Schon die Art, wie sich der Sprachlaut verlautbart, rückt den bloßen Ausdruck, der an den Rhythmus der Natur gelehnt bleibt, noch vor den Anfang des wirklichen Sprachprozesses. Es gibt sprachliche Phänomene, die tief in die Ausdruckssphäre greifen: das sind vor allem Empfindungslaute (Interjektionen). Etwas von Sprache kann selbst noch die einfache Ausdrucksbewegung des Seufzers begleiten. Das Seufzen ist dann ein Vorgang, in dem sich die Rückzugsbewegung der Sprache noch einmal bekundet. Aus der Ohnmacht des Versinkens wird ein letztes Rettungszeichen vernehmlich, ein Zeichen, das selbst nicht mehr sprachlich ist und doch noch sprechend genug, um das zu lange verweigerte Mitgefühl erzwingen zu können.
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Hier am Grenzfall der Sprache kann man sehr deutlich den Grundverlauf des Sprechens als einer Gegenbewegung zu dem naturhaften Vorgang des Ausdrucksverströmens erkennen. Man erkennt, wie die Sprache im Untergehen durch ihre zielgerichtete Absicht sich immer wieder herausreißt. Schon im Ansatz des Sprechens wirkt die Sprache dem einfachsten Lebensrhythmus, der Atembewegung, entgegen. Das ist der viel zuwenig beachtete Beitrag, den Humboldt für die Erkenntnis der sprachlichen Grundgesetze erbrachte. Die Laute entstehen in der Verkehrung des Atems und bilden gewissermaßen die Spiegelschrift, die sich im Vernehmen, durch die ausgelöste Antwort, entziffert. Schon der Laut läßt Humboldt das Wesen der Sprache in der Entsprechung erkennen, als einem Vorgang, der nicht am selbstgenügsamen Ausdruck des Sprechers beteiligt, der seinen Haftpunkt erst im Vernehmen findet. „Der zurückgegebene Laut reißt sich aus der Brust los, um im anderen Individuum einen zum Ohr zurückkehrenden Anklang zu finden." Zum Wort gehört die Antwort. In der Antwort kommt die Spannung des Worts zur Entspannung. Gewiß ist die Sprache des Ausdrucks unverkennbar und unwiderstehlich in ihrer Wirkung auf jedes lebendige Wesen. Zwischen dem Knurren und dem Gebell eines Hundes liegt eine dichte Skala der Töne und Zwischentöne, in denen die seelische Regung die unverkennbare Ausdrucksentsprechung findet. J. J. Rousseau hat aus der sympathetischen Wirkung der Ausdruckslaute das Entstehen der sprachlichen Bindung erklären wollen. Aber er konnte die Bildung wirklicher Sprache doch wieder nur durch die Verbindung des Ausdrucks mit sprachlich bewußter Gebärde verständlich machen. Im Labyrinth der Sprache sind Mißverständnisse unvermeidlich. Man „redet aneinander vorbei". Die Sprache vermittelt; sie kann die Beziehung zum Adressaten und das Verhältnis zur Sache mit ihrer Adresse verfehlen. Die Ausdrucksbewegung wird mitempfunden. Reflexe sind unfehlbar. Es gibt keine Täuschung darüber, wie es dem Ausdruckssender zumut ist. Ein Wonnegeheul wird nicht mit dem Schmerzensgewinsel verwechselt. Die Stärke der Mitempfindung bedarf keiner tieferen Spur des Erinnerns. Wenn der Ausdruck verstummt, zerfällt das Verhältnis der Sympathie, das in spontaner Affektverknüpfung beruhte. Den Ausdruck kann man nicht kommandieren, indessen das Wort sich stets wiederholbar in einer vertauschbaren Situation des Gesprächs verwirklicht. Der Ausdruck kann nur den schon verhängten Situationen einen Begleitton verleihen. Im Sprechen dagegen wird eine Situation der Verständigung jeweils geschaffen. Das Sprechen ist ein Sich-verantwortlich-machen, d. h. die Rede muß sich im Vorgriff auf die erwartete Antwort verstärken. Der Standort der
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Rede greift immer auf den des Vernehmens schon über. Selbst in der Unart und Entartung der Rede zum bloßen Gerede bestätigt sich nochmals der Sinn des Entäußerns in jedem sprachlichen Vorgang: die Rede begnügt sich damit, in flüchtiger Allgemeinheit einherzutreiben. Sie macht sich nicht fest. Sie greift weder hierhin noch dorthin. Sie kann sich zum Ernst der Verantwortung nicht entschließen. Doch bleibt sie ängstlich an die geltende Meinung gebunden. Die Rede, in der die Allgemeinheit keinen Haftpunkt mehr findet, ist ihr in haltloser Prostituierung verfallen. Gerade in ihrem Zerfall bekundet die Sprache häufig noch einmal triumphierend ihr Wesen. Als Beispiel kann noch das Reden der Betrunkenen dienen. Dem Trunkenen wird „die Zunge gelöst". Im beständigen Wechsel äußerster Ablenkbarkeit und eines besessenen „Perseverierens" scheint hier ein Ausdruck, bar jeder sprachlichen Objektbeziehung, sein unbekümmertes monologisches Spiel zu betreiben. Zwar sind alle Worte, die ein solcher Zustand hervorbringt, nur als Smyptom eines Wollens noch sinnvoll, in ihrer besonderen Bedeutung aber fortwährend den größten Schwankungen überlassen und — wie es scheint — beliebig vertauschbar. Und doch wird diese verwahrloste Sprache auch ohne Kompaß in ihre unwiderstehliche Richtung gerissen. Je mehr die Gegenstandswelt in der Vernebelung des Bewußtseins entschwindet, desto stärker und wüster kommt der Anspruch zum Vorschein, Gehör zu finden und den beliebig herangezogenen Partner sich nicht mehr entgleiten zu lassen, als könnte man sich in ihm der ganzen Menschheit verklammern. Diese Sprache, die alle Konturen verliert und nur noch akustische Masse statt der gegliederten Laute hervorbringt, die keinen Gegenstand greift und ordentlich im Bewußtsein befestigt, sie bleibt ihrer zähen Neigung ganz überlassen, sich an die Mitwelt zu heften, sich überall anzukitten und anzuverkleben. Die Sprache, die nicht mehr zielt, kann nur noch als Bindestoff wirken. Sie bleibt indessen auf solidarische Mitwelt verwiesen, in der sich die einzige Vorbedingung des Weltverstehens und der Naturmacht voraussetzt.
Anmerkung l In diesem Aufsatz konnte die große sprachwissenschaftliche Diskussion in der Sowjetunion mit dem endgültig klärenden Beitrag Stalins nicht mehr berücksichtigt werden. Die Grundtendenzen meiner Arbeit bewegen sich in der Richtung, die Stalins genialer Querschnitt bis in die letzten Konsequenzen erkennbar gemacht hat: vor allem der Grundcharakter der Sprachen als ein die Klassengrenzen übergreifendes Werkzeug der Gesellschaft.
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Es ist kein Zweifel, daß die bis zur letzten Klarheit durchdringende Stellungnahme Stalins zu der großen Diskussion der sowjetischen Sprachgelehrten die entscheidende Wendung für die künftige Entwicklung der Sprachwissenschaft herbeigeführt hat. Mit diesem Wendepunkt beginnt erst die sprachwissenschaftliche Zuwendung zum Marxismus-Leninismus, wofür erst durch Stalins grundlegende Kritik an den bisherigen Versuchen einer marxistischen Erneuerung der Zugang geöffnet wurde. Wenn Stalin am Eingang dieses wahrhaft historischen Dokuments erklärt, kein Sprachwissenschaftler zu sein, so muß man die absolute Beherrschung dieses außerordentlich komplizierten Gebietes um so mehr bewundern. Stalin erweist sich darin von neuem als ein Meister der konstruktiven Kritik. Es zeigt sich darin von neuem, daß auf der Spitze des marxistischleninistischen Bewußtseins auch die verwickeltsten Probleme der Einzelwissenschaften gelöst werden können. Das Dokument ist somit ein neues Zeugnis für die Schlagkraft der marxistischen Methode. Die Wissenschaftler, die sich noch weiterhin mit Recht so nennen wollen, werden sich künftig veranlaßt fühlen, ihre Wissenschaft mit allen Mitteln auf die Höhe dieser Argumentierung emporzuheben.
[Das geht jeden an] Durch Stalins genialen Querschnitt der Sprachwissenschaft wird jeder historische Wissenschaftler auf seinem eigenen Gebiet aufs tiefste betroffen. Als erstes Problem hat Stalin mit sicherem Griff das marxistische Kernproblem aus der ganzen Debatte herausgelöst: ob nämlich die Sprache zum
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Überbau oder zur Basis rechnet. Die Erfahrung zweier Revolutionen, der bürgerlichen in Frankreich und der proletarischen in Rußland, haben bewiesen, daß der Grundbestand und das Grundgefüge der Sprache durch alle Umwälzungen der Produktionsverhältnisse überhaupt nicht angetastet wurden. Kein Zweifel also: die Sprache gehört zu den Grundelementen der menschlichen Gesellschaftsbildung. „Die Sprache wird nicht" — nach Stalins Worten — durch diese oder jene Basis, durch eine alte oder eine neue Basis innerhalb einer gegebenen Gesellschaft hervorgebracht, sondern durch den gesamten Verlauf der Geschichte der Gesellschaft und der Geschichte der Basen im Laufe von Jahrhunderten. Sie ist nicht durch irgendeine einzelne Klasse geschaffen worden, sondern durch die ganze Gesellschaft, durch alle Klassen der Gesellschaft, durch die Bemühungen Hunderter von Generationen."
In der Tat: welches Interesse sollte eine herrschende Klasse an der Ausbildung und Verbreitung einer besonderen Klassensprache besitzen? Das Interesse jeder herrschenden Klasse ist darauf gerichtet, ihre Herrschaft auch bei den Beherrschten wie eine unverrückbare Naturerscheinung zu befestigen. Daher liegt der Gebrauch der allgemeinen und klassenlosen Sprache auch im Interesse einer herrschenden Klasse. Das Wort von Marx, daß es keine chinesischen Mauern zwischen den Klassen gibt, gilt auch für die Sprache und muß vor allem für die Sprache Geltung besitzen. Die Sprache ist nicht das Erzeugnis einer besonderen Gesellschaftsordnung. Wie Stalin sagt, ist „die Struktur einer Sprache, ihr grammatikalischer Aufbau und ihr grundlegender Wortschatz das Produkt einer ganzen Reihe von Epochen".
So erscheint die Sprache als das Werk der menschlichen Gesellschaft überhaupt. In der Sprache hat sich die Menschheit ein Werkzeug zur Gesellschaftsbildung geschmiedet. Dieser Werkzeugcharakter der Sprache wird von Stalin aufs stärkste unterstrichen: „Die Sprache ist ein Mittel, ein Werkzeug, mit dessen Hilfe die Menschen miteinander in Beziehung treten, ihre Gedanken austauschen und eine Verständigung erreichen. Unmittelbar mit dem Denken verbunden, registriert und fixiert die Sprache in Worten und in zu Sätzen verbundenen Wörtern die Ergebnisse der Denkarbeit, die Erfolge der zur Erkenntnis führenden Arbeit des Menschen und macht damit den Gedankenaustausch in der menschlichen Gesellschaft möglich." Und weiter: „Die Sprache als Werkzeug der Verständigung" ist „gleichzeitig ein Werkzeug des Kampfes und der Weiterentwicklung der Gesellschaft."
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[Anpassung der Sprache an die Zwecke] Die Entwicklung des Werkzeugs der Sprache ist eine Entwicklung zu einer immer größeren Anpassung an die Zwecke. Die Entwicklung vollzog sich „nicht durch Abschaffung der bestehenden Sprache und Begründung einer neuen Sprache, sondern durch Entfaltung und Vervollkommnung der Grundelemente der bestehenden Sprache."
Die Sprachentwicklung geschieht nicht durch Sprünge. Der Sprung besteht vielmehr im Übergang der Natur zur Organisierung des Bewußtseins in solidarischer Sprache. Eine Sprache, die ihre Zeichen nicht festlegt und nicht nach Regeln verfährt, ist keine Sprache. Die Lehre von einem „amorphen" Zustand der Sprache fällt in sich zusammen. „Man muß annehmen" — sagt Stalin — , „daß die Elemente der modernen Sprache schon im grauesten Altertum, vor der Epoche der Sklaverei, gebildet wurden. Das war eine unkomplizierte Sprache mit einem knappen Wortschatz, aber mit einem eigenen grammatikalischen Aufbau, der zwar primitiv war, aber doch einen grammatikalischen Aufbau darstellte."
Die Sprachwissenschaft muß dementsprechend „die innere Entwicklung der Sprache" als ihre Hauptaufgabe in Angriff nehmen. Die neue, von Stalin eröffnete Perspektive der Sprachwissenschaft vertieft sich durch eine Reihe weiterer Erkenntnisse: vor allem über das Verhältnis von Wortbestand und Grammatik, Volkssprache und Dialekt, über das Problem der „Mischsprachen" und über viele andere Momente, die sich als Knotenpunkte einer künftigen Forschung erweisen werden. Wenn ich das mir am nächsten gelegene romanische Sprachgebiet übersehe, so findet sich hier die Grundauffassung Stalins in überraschender Weise bestätigt. Längst hat man begriffen, daß nicht eine Sprachrevolution den Geburtsakt der lateinischen Tochtersprachen herbeigeführt hat, sondern daß in ihnen die Entwicklungstendenzen des immer gesprochenen vulgären Latein zum Austrag gelangten. Daher kann auf diesem Gebiet der Antrieb, die Sprachen aus ihrer inneren Entwicklung zu erklären, sich aller entgegengerichteten Forschungstendenzen erfolgreich erwehren. Auch in der weiteren Geschichte der romanischen Sprachen erweist sich die Sprache als Werkzeug der nationalen Gesellschaft. Bekanntlich hatte der Humanismus das sprachliche Leben zu einem nie wieder erreichten Grad der Bewußtheit getrieben. Doch eben in der Erkenntnis der Zwecke menschlicher Sprache vermaß man sich nicht, die Regeln der Sprache vom allgemeinen Sprachgebrauch loszulösen. Die Italiener machten die populären Werke ih-
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rer volkssprachlichen Meisterdichter zum sprachlichen Vorbild, die Spanier das anonyme Sprichwort des Volkes, und auch im absolutistischen Frankreich, wo die Sprachreform des 17. Jahrhunderts systematisch in den Dienst der gesellschaftlichen Restauration gestellt wird, muß die sprachliche Fügung und Wortwahl Verständlichkeit der Rede auch für die Lastenträger verbürgen. Durch die These von der klassengebundenen Sprache, durch den von Stalin als idealistisch entlarvten Schematismus der Stadienlehre von Marr hatte diese Schule das Band zu aller bisherigen Wissenschaftstradition zerschnitten. Gerade dieses Verhältnis zur vormarxistischen Wissenschaft bedurfte einer marxistischen Klärung. Zu dieser Klärung hat uns Stalin verholfen. Nicht alles Vergangene ist tot oder sinnleer, nicht alles Gegenwärtige ist vor dem schnellen Veralten gesichert. Die gesunde und lebendige, d. h. die jeweils fortgeschrittenste Wissenschaftstradition von der überlebten und verbrauchten zu unterscheiden, heißt nicht, die eklektische Rückkehr zur Wissenschaft einer überwundenen Gesellschaftsordnung betreiben. Im kritischen Umgang mit dem überlieferten Wissen versetzt der Marxismus die positiven Elemente der Tradition in eine neue qualitative Bestimmtheit. Wie Marx und Engels — nach Stalins Worten — der Ansicht waren, „daß ihr dialektischer Materialismus ein Produkt der Entwicklung der Wissenschaften, darunter auch der Philosophie, in den vorangegangenen Perioden war",
so muß sich auch die marxistische Sprachwissenschaft als das Produkt des sprachwissenschaftlichen Denkens der ganzen Menschheit begreifen.
Der marxistische Standpunkt in den Sprachwissenschaften Rede zu den philologischen Studenten der Universität Leipzig anläßlich des 71. Geburtstags von Josef Wissarionowitsch Stalin
Man wird wohl an Stalins Beitrag die besonders hohe Schätzung der Sprachwissenschaften erkennen. Doch was vor allem die Uneingeweihten zuerst mit Staunen gewahren, das ist die Beschäftigung eines Mannes wie Stalin mit einer solchen Fragestellung, d. h. die Hochschätzung, die dem Wissen überhaupt im Zustand des verwirklichten Sozialismus zuteil wird. Gewiß ein Vorgang, für den die bürgerliche Gesellschaft in ihren eigenen Erinnerungen kein Beispiel besitzt. Kann denn die Sprachwissenschaft wie eine Staatskunst mit veränderten Mitteln betrieben werden? Geschäft und Wissenschaft sind sorgsam auseinander zu halten. Das Geständnis Bismarcks, daß er kein Buch zu Ende zu lesen vermochte, hat die Bewunderung nicht geschmälert, so unermeßlich ist der Abgrund von Praxis und Theorie geworden, in den sich die äußersten Gegensätze der Klassengesellschaft verwandeln. Wie auf der anderen Seite die Einheit von Praxis und Theorie das erste Geheimnis der klassenlosen Gesellschaft bildet! Wie Stalins Beispiel und Vorbild wie immer auch diesmal beglaubigt, kann diese Einheit durchaus keine Schwächung der wissenschaftlichen Theorie gegenüber bloßer Routine und praktizistischer Lebensweise bewirken. Die Theorie wird keinesfalls aufgehoben, sie wird aus ihrer Ungewißheit zu ihrem bis dahin unerkennbaren Standpunkt, zum Standpunkt der Praxis erhoben. Die menschliche Praxis muß den Gesichtspunkt der gültigen Theorien ergeben. Im Lande des Sozialismus hat in der Tat das Bewußtsein eine bestimmende Macht und Bedeutung gewonnen, von der kein Idealismus zu träumen wagte! Nur von der Herrschaft des Materialismus kann das Bewußtsein die volle Geltung einer Seinskraft beziehen. Die Steigerung der Bewußtseinsmomente und des Bewußtseinsanteils am Aufbau der sozialistischen Gesellschaft veranlaßt Stalin, für die Epoche, die seinen Namen trägt, die Frage nach dem Verhältnis von Ober- und Unter-
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bau, d. h. von Sein und Bewußtsein noch einmal von Grund auf zu stellen. Der stürmische und unentwegte Vorgriff aller Bewußtseinskräfte stellt sich schon jetzt als Signatur für diesen mit keinem anderen vergleichbaren Zeitraum heraus. „Zum ersten Mal" — sagt Stalin — in der Geschichte wird eine Entwicklung durch das Bewußtsein einer Gesellschaft gesteuert und vorwärtsgetrieben. Ihr Weg ist nicht mehr der Schicksalsweg der dialektischen Widersprüche. Mit dem Sieg des Sozialismus ist die Geschichte dem blinden Verhängnis entzogen. Das Reich der Freiheit beginnt, von dem schon Friedrich Engels sagte, daß mit ihm erst die eigentliche Geschichte der Menschheit begönne. Das Reich der Not war die menschliche Vorgeschichte der klassenbeherrschten Gesellschaft gewesen. Diese Vorgeschichte war zwar von Menschen gemacht, doch nicht mit Bewußtsein getätigt, sondern im Bewußtsein erlitten worden. Im Reich der Not war der Katastrophenweg durch das Gesetz der sprunghaften Dialektik bezeichnet. Etwas Ungeheures ist somit geschehen: indem die Gesellschaft sich freikämpft und nunmehr darangeht, in der fortschreitenden Festigung ihrer solidarischen Einheit die dialektische Auseinandersetzung mit den Naturgewalten zu wagen."
Durch die Perspektive des stetigen Fortschritts der sozialistischen Gesellschaft war einmal erwiesen worden, daß alle Erscheinungen der immer breiter und tiefer erfaßbaren Wirklichkeit nicht ein und demselben Bewegungsgesetz gehorchen. Man greift wohl nicht fehl, in dieser neu erschlossenen Perspektive den Maßstab für eine neue Spracherkenntnis zu sehen. Die Möglichkeit, einen kollektiven Vorgang in einer undialektischen Vorwärtsbewegung zu fassen, drängt sich zum ersten Mal mit der Macht des Selbsterlebten in den marxistischen Gesichtskreis. Zum Verständnis der neuen Konstellation, in die sich nunmehr die Spracherkenntnis einläßt, müßte demnach bei allen Wissenschaftlern das Verständnis der Stalinschen Epoche, und das bedeutet: das Verständnis der gesamten Entwicklung der Menschheit zum Kommunismus vorausgesetzt werden. Gewiß wird auch der bloße Spezialist durch Stalins sachgründig-überlegene Beweisführung sich alsbald überzeugen lassen. Wie aber soll er diese Erkenntnis meistern und anzuwenden verstehen, wenn er die Methode nicht kennt und den Standpunkt verleugnet, die ihr Verhältnis zum wirklichen Sein erst vermitteln? Und diese Methode besagt ja nichts anderes als Anteilnahme an der Bewegung der sozialistischen Praxis, an der sich die wissenschaftliche Wahrheit bemißt. In einem kurzen Vorspruch zu seinem Interview hat Stalin, der in allem kristallklare Verhältnisse fordert, auch sein Verhältnis zu den Sprachwissenschaften in kürzester Formulierung durchleuchtet. Wenn er es ablehnt, als Sprachwissenschaftler im Sinne einer technisch differenzierten Wissensmeinung hervorzutreten, so ist es gerade der Marxismus, der auch die Autorität
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eines sprachwissenschaftlichen Urteils turmhoch über philologisches Spezialistentum heraushebt. „Was freilich den Marxismus in der Sprachwissenschaft betrifft, so fällt das unmittelbar in mein Fach." Man kennt die Stalinsche Meisterprobe in diesem Fach, das für die weltenweite Praxis des Sozialismus den Kompaß bildet! Es war nicht das erste Mal, daß Stalin persönlich an dem Prozeß einer Wissenschaft teilnahm. Es sei nur erinnert, wie er zusammen mit Kirow und Shdanow in den Kampf um die Methode der neueren Geschichte eintrat, wo die Schule Pokrowskijs genauso die Alleinmacht errungen hatte, wie die Schule des Akademikers N. J. Marr auf dem Gebiet der Sprachwissenschaften. Die Lehre Pokrowskijs beschränkte sich auf einen kämpferischen Soziologismus, bei einem Mindestaufwand an Begriffen, in die sich der ganze historische Ablauf streckte. Die ganze Theorie der Geschichte war letzten Endes bestimmt, mit einer Art der strategischen Lehre des Klassenkampfes zusammenzufallen. Die 1934 geführte ideologische Auseinandersetzung ergab eindeutig die Schädlichkeit solcher in einem allrussischen Maßstab durchgedrungener Lehren. Ein Jahr nachdem die Beseitigung dieser historischen Richtung erfolgt war, starb Marr, doch währte die Herrschaft seiner Schüler noch weitere 15 Jahre. Heute liegt die Verwandtschaft der historischen Irrlehre von Pokrowskij und der pseudo-marxistischen Theorien Marrs auf der offenen Hand: vor allem die beiden gemeinsamen Reminiszenzen an den „Proletkult", der Stalin zufolge nicht fassen konnte, daß sich sowjetische Menschen nicht schämten, in den von Kapitalisten gebauten Eisenbahnen zu fahren. Der Schnitt mit allen Traditionen des Wissens ließ jede spekulative Willkür offen, jedoch unterschied sich die sprachwissenschaftliche Schule durch wissenschaftliche Autorität und eine unbestreitbare Leistung, die Marr und sein Schüler Mestschaninow trotz aller methodologischen Wirrungen darstellt[en]. Dazu kam auch die undurchsichtige Lage dieses ungeheuer verzweigten Wissensgebietes, dessen letzte Erklärungsprinzipien gerade durch die erstaunlichen Erfolge bei ihrer Anwendung in ein noch tieferes Unglück geraten waren. Für das Gebiet der Lautentwicklung hatte schon Friedrich Engels den ernsthaften Zweifel geäußert, ob es jemals gelingen würde, „den Ursprung der hochdeutschen Lautverwandlung, die die geographische Scheidewand zu einem förmlichen Riß durch Deutschland erweitert, ökonomisch zu erklären, ohne sich lächerlich zu machen". Das gilt zunächst als eine Mahnung zur Vorsicht. Dabei scheint Engels schon ernstlich gesonnen, die Sprachentwicklung von dem Bewegungsgesetz der klassenkämpferischen Gesellschaft zu unterscheiden.
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Schon einmal hatte die Erwartung getrogen, daß die Bewegung der Sprache dem Anstoß einer gewaltigen Umwälzung der Gesellschaft nachgibt: in der Zeit der bürgerlichen französischen Revolution, die trotz der irrigen Lehre Lafargues den Umsturz in einer schon längst gefestigten Sprache betrieb. Dieselbe Enttäuschung brachte die proletarische russische Revolution für alle sprachliche Umstoßerwartung. Erst Stalin hat einen klaren Schluß aus dieser doppelten Erfahrung gezogen, wogegen Marr beharrlich an einer doppelten Täuschung festhielt. Marr wurde 1912 in die kaiserliche Akademie berufen, in einer Epoche, in der die russische Sprachwissenschaft zu einer bedeutenden Höhe des Leistungszieles gelangt war. Neben altrussischer Lautgeschichte, Phonetik, [steht] besonders Syntax und allgemeine Grammatik [im Vordergrund, vertreten] von Forschern wie Porzezinskij, Schachmatow und Winogradow, der noch in unsere Zeit hineinragt. Marr wird durch sein springendes Temperament, seine ungehemmte Rezeptivität für die verschiedensten Sprachzustände und grammatikalischen Phasen dazu getrieben, die neue Theorie der sogenannten „japhetitischen" Ursprachgemeinschaft aufzustellen, deren Zeugnisse in dem Spannungsraum zwischen den westeuropäischen Basken und den Kaukasiern gefunden wurden. Marr hatte damit das Leitmotiv seiner Lebensarbeit schon aufgenommen, den Kampf mit den indogermanistischen Wissenschaftstraditionen. Zunächst wurde freilich der von der Indogermanistik eingenommene Boden noch festgehalten, auf dem nur die Verschiebung zugunsten der älteren japhetitischen Sprachgemeinschaft erfolgte. Doch seine gröbsten Irrtümer begannen erst in der Revolutionszeit, „als er in die Sprachwissenschaft Elemente des Marxismus in entstellter Form hineintrug". Wie war der von Stalin so scharf hervorgehobene Sachverhalt bei einem Gelehrten von solcher Intelligenz und Erfahrungsbreite zu erklären? Den Durchbruch zum Materialismus ersetzt eine Revolution in den Begriffen, z. B. die Klasse. Die Klasse begleitet die Sprache von der Wiege bis zum Grab, über das ein menschliches oder geistiges Leben hinausführt. Erst durch die klassenmäßige Differenzierung soll das Bedürfnis nach Sprache entstehen, und zwar mit dem Verlangen der Priester, die Wortmagie in den Dienst ihrer Herrschaftsmacht zu stellen. Die Sprache haftet auch in dem weiteren Fortgang der Geschichte an einzelnen Klassen. Wenn Marr die Sprachen nach „Stadien" oder Entwicklungsstufen (amorph, agglutinierend, flexivisch) unterscheidet, so wird in jedem Fall die Entsprechung zu einer Gesellschaftsschicht oder Klasse aufrechterhalten. Die Tendenz besteht für jede Gemeinschaft, in richtiger Reihenfolge durch alle Stufen zu
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gehen. Die Existenz von Völkern oder Nationen tritt sprachwissenschaftlich nicht in Erscheinung. Ist Sprache starr an apriorische Klassenbegriffe gebunden, so wird die sprachliche Natur der klassenlosen Gesellschaft zum unauflöslichen Rätsel. Marr hatte den Zustand der proletarischen Revolution in dem leidenschaftlichen Glauben durchlebt, daß die noch heute gesprochene Sprache in Kürze nicht mehr verstanden würde. Die idealistische Konsequenz seiner Lehre hätte den sprachlichen Zustand mit der Klassengesellschaft beenden müssen, aus dem dann die Überwindung der sprachlichen Unzulänglichkeiten im Sinne des Leibnizschen Zeichen- oder Begriffssystemes entspringen müßte. In der Tat ist das Band zwischen Sprache und Denken bei Marr zuweilen gelockert, worin sich die idealistische Gesinnung unmißverständlich bekundet. Nicht alle diese Theorien behielten den Glanz ihrer ersten Schöpfungstage. Sie wurden stillschweigend aus dem Gebrauch der Forschung herausgezogen, doch blieben sie weiter im theoretischen Lehrgut der Schule bestehen. Das war es auch, was den „Marrismus" am tiefsten von dem Marxismus unterschied: der fehlende Mut zur Selbstkritik, die immer stumm blieb, auch wo man eine unhaltbare These im Innern verworfen hatte. Die Lage war darum äußerst verwickelt, weil nichts als die ideologische Theorie der Marristen dem Anspruch auf das sprachwissenschaftliche Monopol am Marxismus zugrunde lag. Nur so ist es erklärlich, daß ein so vorzüglicher Philologe wie Mestschaninow sich trotz aller Brüche und Einbrüche am Anfang der Diskussion noch darauf versteifte, daß ein Neudruck der Werke von N. J. Marr und eine Blütenlese aus ihm als Vademecum der Spracherkenntnis als dringendstes Gebot der Stunde zu fordern wäre. Trotz der schon offensichtlichen Empörung fand sich die Schule Marrs im ruhigen Besitz einer unzerstörbaren Waffe, solange die klassengesetzliche Dialektik der stadialen Sprachbewegung die Rückkehr zu einer historisch vergleichenden Methode mit dem Bannstrahl der unmarxistischen Verleugnung der sprunghaften Bewegungsgesetze einer jeden Klassengesellschaft belegen konnte. In der Tat entbrannte der Kampf sofort um die historisch vergleichende Methode, die als gemeinsames Erbe für alle sprachwissenschaftlichen Schulen die höchste Geltung besaß. Die Debatte wurde dadurch vergiftet, daß die historisch vergleichende Methode von ihren Gegnern mit der romantischen Theorie der indogermanischen Völkerund Sprachenwiege und diese mit der faschistischen Rassentheorie verkoppelt wurde! [...] die Verlegung des Schwerpunkts der marxistisch-leninistischen Wissensbemühung auf die entschlossene Durchdringung der Einzelwissenschaft fordert. Der Marxismus wird nur im konkreten Stoff lebendig und diesen
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Engpaß muß Erziehung zum Sozialismus passieren. Die wunderbaren und tiefgefühlten Worte, mit denen der großherzige Kalinin die sowjetische Jugend beschenkt, sind eine fortgesetzte Ermahnung, den Sinn des Kommunismus in der besonderen Berufung zur fachlichen Leistung zu suchen. Am Produkt der Arbeit erfüllt sich zuerst der Sinn des Sozialismus. Hier nur ein einziges Beispiel, das man durch viele vermehren könnte: Gesetzt den Fall ihr werdet in der Landwirtschaft tätig sein, ist es dann von Vorteil, wenn ihr es versteht, euch der marxistischen Methode zu bedienen? Natürlich ist es von Vorteil. Damit ihr aber die marxistische Methode anwenden könnt, müßt ihr auch die Landwirtschaft studieren, müßt ihr landwirtschaftliche Spezialisten sein. Sonst bleibt die Anwendung des Marxismus in der Landwirtschaft ein unfruchtbares Beginnen. Das dürft ihr nicht vergessen, wenn ihr den Marxismus in die Praxis umsetzen wollt, wenn ihr Kämpfer und nicht Buchstabengelehrte des Marxismus sein wollt. Was heißt denn Marxist sein? Das heißt, eine richtige Linie beziehen können. Damit ihr aber eine richtige marxistische Linie beziehen könnt, müßt ihr auch hervorragende Fachleute auf dem Gebiet sein, auf dem ihr arbeitet.
Es hat natürlich seine guten Gründe, daß Stalin, wie Lenin zuvor und wie Marx und Engels, nur in der exaktesten Ausarbeitung der jeweils fälligen Einzelprobleme sich dazu hergibt, die großen Prinzipien der Methode zur Geltung zu bringen. In den wenigen Spalten von Stalin steckt denn auch mehr marxistische Philosophie als in allen bisher unternommenen Versuchen der philosophierenden Marxisten zusammen. Der Weg, den Stalin vorangeht, müßte allen Wissenschaftlern zu bedenken geben, daß ihre Wissenschaft auch das Feld ihrer Praxis, das Feld der marxistisch-leninistischen Bewärung bildet. Ich glaube, es gibt keine bessere Ehrung für Stalins Genius als seinem Vorbild zu folgen und der Verwirklichung seines großen Lebensziels nicht nur eine Feierstunde zu weihen, sondern mit dem ganzen Alltagsgewicht unserer Lebensarbeit zu dienen.
Die Bedeutung der sprachwissenschaftlichen Arbeiten Stalins für die Weiterentwicklung der Theorie des Marxismus-Leninismus Disposition /. Der sprachwissenschaftliche Ausgangspunkt der neuen Stalinschen Erkenntnisse 1. Stand der sprachwissenschaftlichen Forschung in der SU nach 1917. Versuch einer Anwendung des Marxismus durch die Schule des Akademikers Marr. Berührungspunkte der Marrschen Lehre mit der Geschichtsauffassung Pokrowskijs. Die besonderen Aufgaben der sowjetischen Sprachwissenschaft für die Hebung des nationalen Bewußtseins rückständiger Nationalitäten. Erfolge und Mißerfolge der Marr-Schule. Die Dringlichkeit einer umfassenden Klärung. 2. Die große sprachwissenschaftliche Diskussion in der Prawda. Vorbild einer verantwortungsbewußten Diskussion auf der Basis des Parteidemokratismus. Querschnitt durch die wichtigsten Meinungen der sowjetischen Sprachgelehrten. 3. Stalins Eingreifen in die Diskussion zieht die Summe der vorgebrachten Meinungen: die Unhaltbarkeit der Marrschen Methoden hat sich eindeutig erwiesen. Stalins Beitrag vertieft die Resultate, indem er ihren Standort in der allgemeinen Theorie des Marxismus-Leninismus ermittelt und die methodologischen Folgerungen in der Bestimmung der besonderen Bewegungsgesetze der Sprache herausarbeitet. Durch Stalins Beitrag wird ein fruchtbarer Fortgang der sprachwissenschaftlichen Arbeit gewährleistet, zugleich in beispielhafter Weise das Verhältnis der marxistisch-leninistischen Sprachwissenschaft zu den Traditionen der bürgerlichen Sprachwissenschaft festgelegt und der Sprachwissenschaft der ihr zukommende weltpolitische und nationalpolitische Rang beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaft verliehen. 4. Konsequenzen des Stalinschen Vorbilds für die deutschen Sprachwissenschaften. Inwieweit kann von den bürgerlichen Sprachwissenschaftlern erwartet werden, daß sie sich die Lehren Stalins zu eigen machen und inwieweit ist es möglich, ohne durchgreifende Kenntnis des Marxismus-
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Leninismus dem sprachwissenschaftlichen Vorbild nachzufolgen? Die Beantwortung dieser Frage hat die größte grundsätzliche Bedeutung, da sie für die Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Wissenschaftlern entscheidend ist. Wie Lenin schon im Empiriokritizismus gezeigt hat, werden manchmal die Wissenschaftler durch die Schwerkraft der objektiven Wahrheit auch ohne Kenntnis des Marxismus zu unbewußten Verfechtern des dialektischen Materialismus. Ein konsequenter Fortschritt ist aber nur auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus als dem Höchststand der objektiven wissenschaftlichen Wahrheit möglich. Ein wirkliches Verständnis der Stalinschen Sprachwissenschaft setzt das Verständnis der marxistisch-leninistischen Grundkonzeption voraus. Und zwar darum: weil Stalin nur auf dem Standpunkt der fortgeschrittensten gesellschaftlichen Praxis den Höchststand der theoretischen Erkenntnis erreichen konnte.
//. Die marxistische Tragweite der Stalinschen Erkenntnisse über die Sprachwissenschaften 1. Bedeutung der Sprachwissenschaft für die Stalinsche Theorie und Praxis der Nation. Erst der Sozialismus führt zur Erfüllung der Nation und damit zur höchsten Reifung der nationalen Sprachen. Zugleich jedoch wird dadurch gerade die Voraussetzung für eine künftige Verschmelzung geschaffen. 2. Durch die sowjetische Praxis wurde erst die Möglichkeit einer nicht sprunghaft verlaufenden gesellschaftlichen Entwicklung denkbar, die durch die Macht des Bewußtseins in der sozialistischen Gesellschaft und durch das Absterben der Klassengegensätze geschaffen wurde. Entsprechend wird der Verlauf der Sprachentwicklung als eines Werkzeugs der menschlichen Gesellschaft erkannt. Verbindung der Stalinschen Sprachbetrachtung mit der Friedrich Engelsschen Entwicklungslehre des Menschen. 3. Die Rolle der Wissenschaften in der sozialistischen Gesellschaft. 4. Das Verhältnis der sozialistischen zur bürgerlichen Wissenschaft. Objektivität contra Objektivismus.
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[Textfragmente] Stalins Beitrag zur Diskussion der sowjetischen Sprachwissenschaftler eröffnet eine neue Epoche für die Sprachwissenschaften: durch diesen Beitrag ist die Anwendung der m.-l. Methode auf dieses Wissenschaftsbereich gesichert worden. Wieder ist damit ein großes Gebiet aus dem Gehege der bürgerlichen Wissenschaft herausgetrennt und zwar ein Gebiet mit stärkster Ausstrahlung im weitesten Umkreis der historisch-philologischen Disziplinen. In der Sowjetunion war dieses Gebiet ein verborgenes Bollwerk der untergehenden Klasse — für den Erdenrest der kapitalistischen Staaten war es eine Hochburg der bürgerlichen Wissenschaftstraditionen. Die Niederlegung dieser Bastion gibt der SU einen neuen Aufschwung auf dem Weg zum Kommunismus, für die bürgerliche Intelligenz bedeutet er den Verlust eines wissenschaftlichen Monopols und die trübe Erkenntnis der Unhaltbarkeit aller ideologischen Reservate. Selbstverständlich hätte Stalin seine kostbare Arbeitskraft nicht dafür hergegeben, nur um irgend eine Wissenschaft aus dem Engpaß zu führen — es sei denn, daß diese Wissenschaft einen neuen und erhöhten Rang in der sozialistischen Lebensordnung gewonnen, daß durch sie eine der Lebensadern der sowjetischen Gesellschaft berührt worden wäre. In der Tat ist die Stalinsche Theorie der Sprache aufs engste mit der Stalinschen Theorie der Nation verbunden: Stalins sprachwissenschaftliche Erkenntnisse machen es möglich, daß die Forschung ihre volle Aufmerksamkeit auf die Erforschung der Nationalsprachen hinlenkt. Die Bedeutung des Stalinschen Beitrags ist damit noch nicht erschöpft.
Es genügt also nicht, in Stalins Beitrag einen Wendepunkt für die Sprachwissenschaft zu erkennen. Es genügt nicht, dieses neueste und glänzendste Beweisstück der Schlagkraft und unüberwindlichen Stärke der marxistischleninistischen Lehre zu bewundern. Stalins Stellungnahme ist als ein entscheidender Beitrag für die Weiterentwicklung der m.-l. Lehre zu werten. Einmal dadurch, daß die Grundbegriffe des historischen Materialismus in ein neues Verhältnis geraten: Überbau Basis und Produktion. Ferner daß durch die Anwendung der Bewegungsgesetze dialektische und kontinuierliche Entwicklung gegeneinander abgegrenzt werden. — Man kann sagen, daß durch Stalins Beitrag die marx.-len. Theorie auf die Höhe der Stalinschen Epoche gelangt ist. Und es zeigt sich dabei, daß
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jede echte Neuerung zugleich auch eine [...] Rückkehr zu den Grundprinzipien darstellt. [Dadurch] fällt ein neues Licht [auf die] Ideen [von] Friedrich Engels zur Entwicklungsgeschichte des Menschen. Schon in [„Der Marxismus und die nationale Frage"] hatte Stalin die Wesenszüge der menschlichen Gesellschaft herausgestellt und damit [Anregung gegeben], die Rolle des Menschen in der Naturentwicklung zu begreifen. Durch die Sprachtheorie verstärkt sich diese Betrachtungsweise, in der Sprache als Attribut der gesellschaftlichen [...] und damit als Attribut des Menschen gefaßt wird. Mit diesen Zügen ist die Perspektive bezeichnet, in der wir Stalins Beitrag zu sehen haben. In der führenden Zeitschrift unserer französischen Bruderpartei, La Pensee, rät der Gen. Georges Cogniot seinen Lesern, sich einmal vorzustellen, daß M. Pleven oder gar Mr. Truman die Feder ergreifen würden, um einen Gegenstand von ähnlicher wissenschaftlicher Tragkraft zu meistern! Gewiß ein lächerlicher Gedanke! Doch eben daran kann man den unermeßlichen Abstand begreifen: den Abgrund zwischen dem Ungeist der kapitalistischen Knechtschaft und dem Genius des fortgeschrittensten Volkes der Weltgeschichte. Auf diese Jammergestalten paßt der Aphorismus eines vergangenen Psychologen: „Den fadesten Charakter besitzt der Charakterlose." Ihre Heimat ist das Nichts und nur die allgemeine Vernichtung kann ihre berechtigten Ängste vor dem Urteil des künftigen Menschheitsgerichtes zerstreuen. Demgegenüber erscheint die unbeirrbare Erkenntnisarbeit Stalins als Krönung seines gewaltigen Friedenswerkes.
Die signalisierte Hochschätzung der Wissenschaft läßt sich nicht besser bezeugen als durch die bloße Tatsache, daß Stalin die Zeit aufwendet in einer Zeit der höchsten Krisenanspannung, sich einer tiefdringenden wissenschaftlichen Arbeit zu widmen. [Die] auch für uns noch unvorstellbare Geltung der Wissenschaften im Lande des Sozialismus hat nichts gemein mit dem sogen. Scientismus, mit dem Wissenschaftsglauben einer längst verflossenen Fortschrittsperiode der bürgerlichen Gesellschaft. Der Mensch und nicht die Wissenschaft ist das Endziel der sozialistischen Wissensbemühung. Die Wissenschaft gewinnt ihr Ansehen daraus, daß sie die machtvolle Waffe für die Vewirklichung einer menschlichen Lebensordnung darstellt. In Stalins Person ist die Einheit von Theorie und Praxis einmalig und unvergleichlich verkörpert. Daher liegt auch der Schlüssel des Verständnisses der sprachwissenschaftlichen Arbeit Stalins in seiner politischen Praxis, d. h. in der politi-
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sehen Praxis der sozialistischen Gesellschaft, vor allem in ihrer [Tätigung] der von Stalin aufgestellten nationalen Prinzipien. Diese Einheit von Praxis und Theorie stellt dem Nichtmarxisten den ärgsten Widerstand bei seinen gelegentlichen Verständigungsversuchen entgegen. Als der Stalinsche Beitrag zur Sprachwissenschaft veröffentlicht wurde, befand ich mich in einem Kreis von gewiß nicht marxistischen Fachgelehrten. Es waren relativ aufgeschlossene Männer. Sie waren durchaus bereit, den Staatsmann in Stalin anzuerkennen und sie fanden sich nunmehr gezwungen, auch dem Linguisten und Philosophen Stalin recht zu geben. Daß aber ein guter Staatsmann ein guter Philologe sein konnte, ging über ihr Fassungsvermögen. In denselben Kreisen schmückt man in der Stille des Herzens den Altar von Bismarck. Und dem Bismarck wird es nicht verübelt, daß er schon hochbetagt bemerkte, er hätte in seinem Leben noch nie ein Buch bis zu Ende gelesen. In der Tat: was brauchte der Mann von Blut und Eisen den Contrat social oder gar Marxens Kapital zu lesen. Was folgern wir daraus? Daß Stalin als Vorhut des Marxismus-Leninismus und nicht als sprachwissenschaftlicher Spezialist befähigt war, die Sprachwissenschaft aus ihrem bisherigen Kopfstand zu befreien.
Die Sprachgeschichte, die Stalin im Auge hat, ist eine der wichtigsten Perspektiven der allgemeinen Gesellschaftsgeschichte. Der Rückgang auf die vergleichende Sprachgeschichte der vorrevolutionären Zeit kann nur den Sinn einer kritischen Auseinandersetzung haben. Die Politik der verbrannten Brücken, die Marr den bürgerlichen Wissenschaften gegenüber verfolgte, verriet ein bedenkliches Unverständnis des Kampfcharakters der marxistisch-historischen Methode. Statt dem Gegner unaufhörlich auf den Fersen zu sein, will man ihn wegdisputieren oder durch Exorzismus, durch Zauber verdrängen. Die Kontaktangst, die fortgesetzte Furcht vor der Ansteckungsgefahr verrät ein wenig gefestigtes Selbstvertrauen. Die Immunisierung kann man allein durch das Wagnis der Auseinandersetzung erreichen. Auch für den Umgang mit den vergangenen Wissenschaftstraditionen hat Stalin eine unmißverständliche Formulierung gefunden. Ich will hier wörtlich eitleren: Marx und Engels waren bedeutend bescheidener; sie waren der Ansicht, daß ihr dialektischer Materialismus ein Produkt der Entwicklung der Wissenschaften, darunter auch der Philosophie, in der vorangegangenen Periode war.
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Ein Produkt der Entwicklung also! Natürlich ist das Produkt nicht bloß das Zusammensein aller Glieder in einer Entwicklungskette. Im Produkt wird eine neue Reihe eröffnet. Im Produkt steckt mehr als die bloße Summierung. Im Produkt wird das Ganze der abgeschlossenen Reihe erst wirksam. Nur im Abfall von dieser Methode wird die Gefahr der objektivistischen Nivellierung bedrohlich. Der Abfall bedeutet eben, daß die Methode sich selbst als bloßes Element neben ändern Elementen in einer langen Entwicklungsreihe preisgibt. Dagegen weiß sich die Methode im vollen Besitz der Ganzheit der vergangenen Entwicklungsprozesse, da die marxistische Methode nach Stalins Wort nichts anderes darstellt als das Produkt des ganzen Prozesses. Der umfassende Reichtum der dieser Methode verfallenen Erkenntnis kann freilich zur Süffisanz verleiten und schlimmstenfalls führt er dazu, daß man sich mit einem nichtsdurchbohrenden Proklamationsstil bescheidet, daß man sich damit begnügt, in einer bloßen Rahmenstellung die undurchdrungene Wissenschaft zu umfassen. Der Gesichtspunkt der Totalität wird nur durch die durch Sprache verbundenen Menschen vollzogen. Man sieht, wie sich auf der Spitze der Menschheitsentwicklung das Denken mit ihrem Anfang verbindet. Es ist wohl kein Zufall, daß in diesem Vergleich der Sprung der Natur zu einem sprachlich organisierten Leben sich mit dem Sprung der Menschheit aus ihrer Klassengeschichte und ihrer damit freigegebenen Entfaltung zu höheren Formen der Naturbeherrschung verbindet. Der [Mensch] beginnt damit, sich in der Sprache dem Prozeß einer blinden Naturgesetzlichkeit zu entziehen, doch erst auf der Höhe seiner Entwicklung kann er sich selbst durch das Gesetz eines stetigen Fortschritts bestimmen, indem die Bewegung der Gesellschaft durch den Kompaß seines Bewußtseins gelenkt wird. Man könnte auch hier an Friedrich Engels erinnern, dessen sprachgeschichtlichen Intuitionen sich Stalin mit dem ganzen Reichtum einer neuerworbenen Erfahrung nähert. Von Engels wurde vor allem der tiefe Einschnitt der Sprache in der Entwicklung zum Menschsein beleuchtet. In der Sprache erschließt sich die neubezogene horizontale Dimension nach der Erschöpfung der alten Nahrungsräume, die bisher im Schutz der Bäume dem unentwickelten Bedürfnis Genüge taten. Der dialektische Sprung der Natur zum sprechenden Menschen hat so für Engels einen drastischen Wortsinn besessen. Ein kurzer Ausschnitt aus Stalins Gedanken läßt schon einen unermeßlichen Horizont seines Weltverständnisses sichtbar [werden]. Der ungeheure Reichtum in einer gedrängten Fülle ist dabei unerschöpft, ja überhaupt noch unangebrochen geblieben. Auch war es unmöglich, ein Bild der zu
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erneuernden Sprachwissenschaft unter Stalins Impuls zu entwerfen. Wenn sich die Darstellung eines einzelnen Wissenszweiges bei diesem Anlaß verbietet, so scheint es mir völlig unerläßlich, gerade in diesem Kreis die Nutzanwendung aus dem von Stalin gegebenen Vorbild auf unsere besondere Wissenschaftslage zu ziehen. Und zwar wird unsere Wissensbemühung in einer doppelten Richtung durch Stalins Betrachtung betroffen: in ihrem Verhältnis zum überlieferten Wissen und in dem unmißverständlichen Hinweis auf den entscheidenden Schauplatz der Einzelwissenschaften, auf dem die wertbeständigen Siege der marxistisch-leninistischen Theorie erkämpft werden müssen. * Die kontinuierliche Geschichte der Sprachgeschichte bedeutet noch keine Gewähr, daß die Geschichte der Sprachwissenschaft ohne generelle [Sprünge] und Brüche verlaufen würde. Die Marrsche Lehre hat ihre tiefste Schwäche durch eine überhebliche Abkehr von allem vorgegebenen Wissen bekundet. [...] Erst durch den Marxismus-Leninismus wird eine kritische Aufarbeitung der Wissenschaftstraditionen ermöglicht, weil erst durch ihn das (hinter aller Tradition) verborgene Prinzip an den Tag tritt. [...] Die Marrsche Lehre lag schon zerzaust und durchlöchert am Boden, als Stalin das Wort nahm. Die Partie der Marrschen Neuen Sprachwissenschaft war nach allen Regeln verloren.
Es ist kein Zufall und keine persönliche Liebhaberei, die Stalin veranlassen konnte, sein volles Augenmerk den äußerst verwickelten Problemen der Sprachwissenschaft zu schenken. Zu den größten Errungenschaften der Stalinschen Epoche gehört bekanntlich die Lösung der nationalen Frage, die organische Einbeziehung der freigekämpften Nationen in die gesellschaftliche Dynamik des Sozialismus: Stalin erkannte, daß nur durch den Anteil an der sozialistischen Lebensordnung das Schicksal der Nationen erfüllt wird, und Stalin befreite die Nationen, indem sie zu Trägern der neuen Sowjetgesellschaft werden. Die nationale Einheit ist damit zur Form einer sozialistisch verbundenen Gesellschaft geworden. Die Zuwendung zum nationalen Problem gab Stalin den Antrieb für eine Stellungnahme zu den Problemen der Sprache. Zwischen Sprache und Nation besteht doch wohl ein nahes Verhältnis. Stalin hat dieses Verhältnis genauestens beschrieben, und zwar in seiner genialen und für die sowjetische Wirklichkeit zukunftweisenden Schrift: „Der Marxismus und die na-
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tionale Frage". Die Gemeinschaft der Sprache gibt hier ein erstes Merkmal der nationalen Gemeinschaft. Für die Nation besitzt die gemeinsame Sprache sogar den Vorrang vor der Gemeinschaft des Staates. „Das bedeutet natürlich nicht" — sagt Stalin wörtlich, „daß verschiedene Nationen immer und überall verschiedene Sprachen sprechen, oder daß alle, die ein und dieselbe Sprache sprechen, unbedingt eine Nation bilden. Gemeinsame Sprache für ein und dieselbe Nation, aber nicht unbedingt verschiedene Sprachen für verschiedene Nationen."
Durch das Beispiel England—Amerika wird dieser Gedanke noch schärfer beleuchtet. Engländer und Nordamerikaner haben sich in verschiedenen Staaten organisiert und bilden heute auch völlig verschiedene Nationen. Das politische Auseinanderleben war eine einfache Folge der territorialen Getrenntheit. Der Satz behält daher seine Geltung, daß die gemeinsame Sprache die erste wenn auch nicht die einzige Bedingung für das Entstehen der Nationen ausmacht. Es braucht nicht näher ausgeführt zu werden, welch ungeheure Bedeutung dieses Ergebnis für die praktische Nationalitätenpolitik der SU besitzen mußte, die unter Stalins maßgebender Führung verwirklicht wurde. Die sowjetische Sprachwissenschaft sieht sich in die einzigartige Lage versetzt, den noch unentwickelten Völkern mit einer fixierten Sprache die Basis des nationalen Selbstbewußtseins und einer nationalen Anteilnahme an den Zielen des Sozialismus zu schenken. Es kam darauf an, die Begriffe der fortgeschrittenen sozialistischen Wirklichkeit aus dem Bestand der zurückgebliebenen Sprachen zu schöpfen. Das Gelingen dieses Werkes hing davon ab, ob es gelang, das Verhältnis von Sprache und Nation, das Verhältnis der Sprache zur menschlichen Gesellschaft und das will sagen die Verhältnisse des sprachlichen Lebens überhaupt in angemessener Weise zu erfassen. Und eben auf diesem Punkt versagte die bisher dominierende, sprachwissenschaftliche Schule von Marr und Mestschaninow. Indem sie die Sprache als eine Erscheinung des kulturellen Überbaus definierten, blieb die Sprache an die sprunghafte Dialektik in der Entwicklung der Klassengesellschaft gebunden. Das hieß in letzter Konsequenz, das Dasein von nationalen Sprachen abzustreiten. Es würde demnach nur Klassensprachen geben und keine gemeinsame nationale Sprache, die doch in Wahrheit dem Austrag der Klassengegensätze zugrundeliegt. Marr hatte sich nicht gescheut, die praktische Konsequenz aus seiner Lehre zu ziehen. Aus einer Aufzeichnung Marrs geht nämlich hervor, daß er in den Tagen der großen Revolution allen Ernstes überzeugt war, die russische Sprache würde sich in Kürze unter dem Anstoß
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der ungeheuren Verwandlung des ökonomischen Unterbaus bis zur Unverständlichkeit durch die gegenwärtigen Sprecher verwandeln. Man kann hier alle Folgen eines wissenschaftlichen Irrtums ermessen. Überspringen der nationalen Sprache bedeutet in Wahrheit die Leugnung der Möglichkeit, den Sozialismus im Rahmen einer Nation zu erbauen. Und, wie wir heute wissen: weil die Erfüllung der nationalen Freiheit und eine Gleichberechtigung für alle Sprachen der unterdrückten Nationen noch nicht erreicht ist. Nur eine undialektische rabulistische Logik kann aus dem Gegensatz zweier verschiedener von Stalin beschriebener Entwicklungszustände einen Widerspruch im Gedanken Stalins gewahren. Das marxistische Denken muß sich im Strom der Geschichtlichkeit fortbewegen. Nur das Gesetz der Bewegung selbst bleibt unverrückbar. Dasselbe Entwicklungsgesetz, das heute der Vollendung der nationalen Einzelsprache zustrebt, wird morgen zum Ergebnis ihrer Annäherung und schließlich ihrer Verschmelzung führen. [...]
Wie Stalin nachweist, ist das Argot, die Klassensprache mit privativer Geltung in der Beschränkung auf eine einzige Klasse als eine bloße Randerscheinung des sprachlichen Lebens zu werten. Und das ist leicht zu begreifen. Die Klassenherrschaft kann nur durch die allen verständliche Sprache errichtet werden. Der Egoismus, der sich der allgemeinen Sprache verpflichtet, wird damit selbst in den Dienst der sprachlichen Allgemeinheit verpflichtet. Zugleich hat Stalin damit die solidarische Herkunft des an die Sprache verwiesenen Denkens von neuem bestätigt. Trotz Marr war diese Einsicht in die sprachbedingte Natur der Gedanken Gemeinbesitz aller echten Marxisten. So findet man in einer Rede Kalinins an die Absolventen der Mittelschule im Jahre 1941 folgende Stelle: „Die höchsten Errungenschaften des menschlichen Denkens, die tiefsten Weisheiten und feurigsten Gefühle bleiben den Menschen vorenthalten, wenn sie nicht klar und deutlich in Worte gekleidet werden. Die Sprache ist das Instrument, Gedanken auszudrücken. Der Gedanke wird erst dann zum Gedanken, wenn er ausgesprochen ist, wenn er durch das Medium der Sprache Ausdruck gefunden hat, wenn er - wie ein Philosoph sagen würde - ändern vermittelt und objektiviert worden ist."
Es gibt kein sprachentbundenes Denken. Denn nur in der Sprache bleibt der Gedanke der menschlichen Mitwelt verhaftet. Es gibt ein spanisches Sprichwort, das diesen Gedanken auf seine besondere Weise recht deutlich ausspricht: „Wer nicht spricht, den hört Gott nicht." Bekanntlich war nach mittelalterlichem Glauben die Existenz der Gesellschaft in Gott begründet,
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da diese Gesellschaft sich nur im Verhältnis zu Gott der in ihr bestehenden Knechtschaft entledigen konnte. Unter dieser Voraussetzung hat das schlichte Sprichwort eigentlich alles gesagt: das menschliche Wesen wird durch die Sprache als solidarisches Wesen bestimmbar. So erklärt sich der entschiedene Widerspruch Stalins gegen eine Verwischung der sprachlichen Grenzen durch Einbeziehung von Sprachsurrogaten und der vorsprachlichen Verständigungsweise der Gesten. Er sagt darüber: „Die Gestensprache kann man ebensowenig mit der Lautsprache gleichsetzen, wie man die primitive hölzerne Hacke mit dem modernen Raupentraktor, mit dem fünffachen Pflug und der gewöhnlichen Traktorenmaschine gleichsetzen kann."
Gewiß wird in beiden Fällen ein Instrument gehandhabt. Doch sind sie durch die gesamte Entwicklung der menschlichen Produktionskraft geschieden. Sie bilden ihre beiden Extreme.
Zwei Monate währte die Diskussion der russischen Sprachwissenschaftler. Die Prawda stand jeden Donnerstag mit 2 Seiten für alle Gelehrten offen, für Freunde und für die Feinde von Marr. Das Aufgebot an Intelligenz, die Höhe der Fragestellung und das Niveau der Diskussion gab einen einzigartigen Querschnitt durch den Reichtum der sowjetischen Wissenschaft. Der erste, der Marr energisch zu widersprechen wagte, war der Kandidat Serebrjannikow. Der magische Ursprung der Sprache wird als Willkür entlarvt: die These der Sprachmischung wird verworfen und ebenso die Behauptung Marrs, daß die Zweigliedrigkeit aller sprachlichen Erscheinungen aus Sprachmischung hervorgegangen sei. Hier wird dann mutig und energisch die Rückkehr zur vergleichenden Methode gefordert: „Sie ist weit geeigneter als ein Beweismittel für die marxistische Idee der Entwicklung als alle in die Luft gebauten Hypothesen der Marrschule zusammen."
Auch die Behauptung der von allen Sprachen durchlaufenen oder zu durchlaufenden Entwicklungsstufen sei eine leere Abstraktion, und damit ist die Marrsche Lehre in ihrem Kern verworfen. Mit diesem ersten und mutigen Angriff war das Eis gebrochen. In den folgenden Diskussionsbeiträgen sind sich alle Gegner Marrs darin einig, daß nur [in der] Wiederherstellung der vergleichenden historischen Sprachgeschichte das Heil der sowjetischen Sprachwissenschaft liegen [könne]. In der Tat, nur die vergleichende historische Methode macht es möglich, einen Zusammenhang verwandter Sprachen aufzustellen und damit z. B. ein Fach wie die Germanistik, die Roma-
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nistik, oder die Slawistik zu betreiben. Ohne Slawistik gibt es keine russische Sprachgeschichte. Und so kann man sagen, daß in der Diskussion die russische Sprachgeschichte vor allem als Gegenstand der sowjetischen Forschung erkämpft werden mußte! Und das bedeutet, daß auch auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft die schein-radikale Geschichtsfeindlichkeit einer geschichtlichen und das heißt einer marxistischen Auffassung weichen mußte. Vereinzelt wird allerdings noch die Befürchtung geäußert, die Sprachwissenschaft würde mit der Preisgabe der dialektischen Entwicklung im Übergang der Stadien auch ihre marxistische Klammer verlieren. Die systematische Diffamierung der vergleichenden und historischen Methode war nicht erfolglos gewesen. Marr hatte den Zusammenhang der historischen Methode mit dem der indogermanischen Theorie dazu benutzt, um der vergleichenden geschichtlichen Methode den Glauben an die Priorität des indogermanischen Urvolks unterzuschieben und sie damit in die Mitschuld der reaktionären oder gar faschistischen Rasselehre zu verstricken. Kein Wunder, daß man auf Seiten der historisch-vergleichenden Richtung mit derselben Waffe antwortete. [...]
Selbstverständlich kann die Freiheit der Forschung nicht bis zur Loslassung von ihrem marxistischen Fundament getrieben werden, und zwar darum, weil der Sinn der Wissenschaft nicht durch die Freiheit zum Unsinn erfüllt wird, weil sich die Wissenschaft aufgibt, wenn sie die Wissenschaftler zur Einnahme eines unwissenschaftlichen Standpunkts ermuntert. In der Tat blieb es Stalin vorbehalten, die Marrsche Theorie bis in ihre idealistischen Voraussetzungen zu entblößen. Sprechen und Denken werden in dieser Lehre auseinandergerissen, und die angenommene Priorität des Gedankens gegenüber der Sprache mündet im Wunschtraum der endlichen Überwindung des sprachlichen Zustands durch eine Gedankensprache. Sprachentbundenes Denken erweist sich in Wahrheit als die Selbstbegegnung eines vereinsamten Bewußtseins. Wo das Bewußtsein in idealistischer Weise auf sich selbst gestellt wird, erübrigt sich in der Tat das Sprechen, weil sich die Mitwelt als lästige Störerscheinung erübrigt. Wenn die Dinge so liegen, so war auch die Lehre der Sprachentstehung an keine Rücksicht auf ein besonderes Bedürfnis gebunden, und Marr fand hier ganz organisch den Anschluß an die Gedanken der so verabscheuten sprachwissenschaftlichen Traditionen. Die Sprache wird wieder einmal dem magischen Priestertum untergeschoben. Statt die Magie auf dasselbe Naturverhältnis zurückzuführen, das die magische Naturerklärung hervorrief, war der ideologische
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Faktor an den Anfang des ganzen Prozesses getreten, das Verhältnis von Wirkung und Ursache in den Kopfstand versetzt. Zwischen solche Extreme legt sich der breite Strom der dialektischen Sprachentwicklung, durch den sich die Schule marxistisch legitimiert sah. Sicher war damit allen sprachwissenschaftlichen Traditionen Paroli geboten, aber leider auch den Sprachtheorien von Friedrich Engels, die dem Einzug der Dialektik entgegentraten. Der marxistische Anspruch hat diese Lehre noch tiefer geschädigt als ihr Rückfall in die ausgetretenen idealistischen Bahnen. Dennoch hielt Stalin seine entlarvende Kritik solange zurück, bis die letzte Chance der Selbstkritik von den Schülern Marrs verwirkt war. Stalins Kritik hat dann noch einmal das Wesen aller scheinradikalen und ultralinken Verirrungen durchdrungen. Rechts vom Marxismus beginnt die sozialistische Nachhut sich abzusetzen, aber links vom Marxismus hat sich die Vorhut der Reaktion schon wieder befestigt. Das Ergebnis der kritischen Auseinandersetzung ist also dieses: Die Entwicklung der Sprache vollzieht sich stetig und nicht in dialektischen Sprüngen. Wenn schon die hochgetriebene Dynamik der Revolutionszeit es nicht vermochte, den stetigen Gang der Sprachentwicklung zu stören, so braucht man den Nachweis nicht erst aus dem schwächer bewegten Verlauf der Durchschnittsepochen zu führen. Durch die stetige Sprachentwicklung wird der Fortschritt der menschlichen Gesellschaft untermauert. Stalin betont, daß dadurch ein größerer Reichtum des Ausdrucksvermögens und eine schärfere Präzision der Gedanken erreicht wird. Die Entwicklung der Sprache geht nicht mit der Vollendung der Einzelsprachen zuende. Hatte doch Stalin bei einem früheren Anlaß die Zukunft der Sprachen nach dem errungenen Weltsieg des Sozialismus in ihrer allgemeinen Verschmelzung gesichtet. In der Zeit vor dem Weltsieg des Sozialismus sind solche Verschmelzungsbestrebungen aber zum Scheitern verurteilt. Darum nämlich: weil das Verhältnis der Einzelsprachen genauso vom Geist der Rivalität und Bedrückung beherrscht wird wie das Verhältnis zwischen den Einzelnationen. Sprachkreuzungen können in diesem Zeitraum zu keiner Verschmelzung führen. Sie verbergen nur das Hegemoniegelüste, und sie müssen daher in einem völligen Sieg und in einer völligen Niederlage enden. Insbesondere bemäntelt der Kosmopolitismus die Annexionsbegierden der vom Geschichtsgeist und von den Monopolisten zur Führung der Menschheit berufenen Nationen. Als Beispiel nennt Stalin das Pinguinenglisch, dessen rasche Verbreitung in Asien die Stärkung der Eingeborenensprachen verhindert. Wirkliche Zelle der künftigen Einheit bleibt in einer solchen Epoche die nationale Sprache, deren Pflege den wirklichen Fortschrittswillen bekundet.
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Aber hat Stalin sich damit nicht selbst widersprochen? Wo er doch einmal erklärte, die Sprachvermischung sei nur der Schein des zwischen den Sprachen entbrannten Kampfes, während Stalin ein anderes Mal den Zustand der Sprachverschmelzung zu einer einzigen Menschheitssprache im Auge hat? In der Tat hat diese Meinung einen ehrlichen Zeitgenossen aufs schwerste beunruhigt und schließlich in Form einer bangen brieflichen Frage den Weg zu Stalin gefunden. Stalins Antwort ist ein Lehrstück über das ABC der marxistischen Weltbetrachtung. Stalin scheut keine Mühe, den Kernpunkt der Lehre verständlich zu machen. Immer wieder versucht die Rabulistik, die begriffliche, formalistische Logik, den bewegten Prozeß des seinsbezogenen Denkens zu unterbrechen. Stalin legt den Finger auf diese gefährliche Schwäche. Diktatur ist nicht gleich Diktatur, und die Sprachvermischung bedeutet unter der Herrschaft des Kapitalismus ein anderes als unter der Herrschaft einer befreiten und sozialistisch verbundenen Menschheit. Immer wieder zeigt Stalin, wie sich der Sinn der Begriffe und Formen mit der Verwandlung der Gesellschaft wandelt. In der einfachen Formulierung: „Was unter gewissen geschichtlichen Umständen richtig ist, kann sich unter anderen geschichtlichen Umständen als falsch erweisen!" Eine Frage ist nunmehr aber berechtigt, ja sie ist für die Erkenntnis der wahren Bedeutung von Stalins wissenschaftlichem Beitrag ganz unerläßlich: nämlich die Frage, was Stalin zu dieser neuen Erkenntnis der permanenten Bewegungsgesetze des menschlichen Sprachprozesses ermächtigt. War doch selbst Friedrich Engels noch am Lebensende von tiefstem Zweifel über die Erkennbarkeit der Lautbewegung befallen. Wie schon angedeutet, mußte im Lichte der Revolutionserfahrung der störungslose Fortgang der Sprachentwicklung betroffen machen. Die Erfahrung der Russischen Revolution gab auch den Anlaß, die Auswertung der Sprachvorgänge in der Französischen Revolution zu revidieren. Schon in der Französischen Revolution hatte sich die Erwartung der Zeitgenossen auf einen tief einschneidenden Wandel der Sprache gerichtet. Die Versuche blieben nicht aus, das Leben der Sprache in den stürmischen Rhythmus der Umwälzung hineinzureißen. Aber wie später in Rußland, so war auch diesmal das Ergebnis verblüffend. Der Einschlag des großen Geschehens dringt nicht bis zum Nerv der Sprache und läßt ihr Gerüst unverändert bestehen. Wohl hinterläßt er im Wortschatz und durch verschobene Bedeutungen einige Spuren. Lag es daran, daß die Sprache in reaktionärer Verstrickung sich gegen den Fortschritt der Sprecher sträubte? Oder vielleicht entsprach sie aus eigener Kraft dem neuen Bedürfnis? Robespierre fand in der Tat in der Sprache Pascals das
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Werkzeug, mit dem er die Menschen antrieb, ihren geschichtlichen Sollstand zu überschreiten. Lenin und Stalin fanden in der Sprache von Puschkin und Tolstoi ein vorzügliches Mittel, um das russische Proletariat an die Spitze der Menschheit zu führen. An der Wende der Zeiten wird der Verlauf der Entwicklung nach vorwärts und rückwärts erkennbar. Aber dazu trat nunmehr noch eine neue Erfahrung auf einem anderen Gebiet, auf dem der Gesellschaft in ihrem von Stalin schon früher geklärten Verhältnis von Produktion, von der Basis und ihrem Überbau. Diese Erfahrung einer bis dahin kaum gedachten Gesellschaftsbewegung glich der Erfahrung über den stetigen Fortgang der Sprachbewegung in einer Hinsicht: hier wie dort lagen Entwicklungen vor, die sich dem dialektischen Kurzschluß widersetzten. Dabei stellte sich heraus, daß man mit einer schematisch angewandten Dialektik nicht auskommt. [...] Die Stadiallehre bricht zusammen mit der These der Klassengebundenheit der Sprache[; dies] ist der schlechteste Kernteil der Marrtheorien. [...] im Fortgang verschärft sich die idealistische Note, und zwar durch den Apriorismus der zu durchlaufenden „Stadien", in denen die soziologische Typisierung der sprachlichen Grundgefüge versucht wird. Solche Stadien bilden der „amorphe", der „agglutinierende", der „flexivische" Zustand, dem später noch die „analytische" Stufe angereiht wurde. Aber die Wirklichkeit verhält sich zu diesem Sollstand einer fahrplanmäßig gedachten Entwicklung in einem beklagenswerten Rückstand. So entwickelt sich z. B. der Feudalismus, unbekümmert um die ihm verhängten Gesetze, auf den verschiedenartigsten Stufen der Sprachentwicklung. [...] Die Sprache begleitet die Geschichte des Menschen in ihrem ganzen Verlauf. Wenn auch das Wortmaterial einem fortschreitenden Wandel unterliegt, so ist das Material der Wortbildung doch stetig und die Grundstruktur der Grammatik schwer beweglich. Immer wieder spricht Stalin von der „kolossalen Widerstandskraft der Sprecher" gegen alle Veränderungen. Die Stetigkeit, die ihre Natur ist, muß auch die Gesetze ihrer Bewegung bestimmen. Stalin nennt die entscheidenden Geschichtserfahrungen, die diese Einsicht ermöglichen. Das ist der zähe Widerstand der Minderheitssprachen gegen alle staatliche Unterdrückung; und dann das Erlebnis der Revolution, die alles verändert und nur die Sprache in ihrem Grundgefüge nicht anrührt. Die sowjetische Gegenwart selbst kann schließlich als Beweis dafür dienen, daß die Dialektik nicht allen Erscheinungen der Gesellschaft anhängt. * Beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaft muß man sich fortgesetzt der Macht der Sprache versichern. Die verwahrloste Sprache bezeugt die Ohn-
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macht zur begrifflichen Präzision. Verschwommene Begriffe gehören zu den Sünden, für die der Sozialismus keine Verzeihung kennt. Doch ist nicht nur Mißachtung der Sprache von Übel — nicht minder die Überschätzung. So etwa wenn man die Sprache den Produktionsmitteln gleichsetzt. Auch diese verfehlte These steht im Schuldbuch von Marr. Stalin verkennt nicht die hier bestehenden Analogien. Die Produktionsmittel dienen genau so wie die Sprache der ganzen Gesellschaft. Jedoch mit dem Unterschied, daß, wie Stalin sagt, die Produktionsmittel materielle Güter hervorbringen, die Sprache nichts oder allenfalls Worte hervorbringt. „Wenn diese These zu Recht bestünde, so wären die größten Schwätzer die reichsten Menschen der Erde." Die wichtige Abfuhr Stalins darf nicht dazu verführen, daß wir diese Art des verfehlten Umgangs mit Sprache bagatellisieren. Denn dieser Irrtum sitzt an der Wurzel der falschen Rhetorik der Schönrednerei und aller hochstaplerischen Betrugsmanöver, die jeden Mangel mit dem ungedeckten Schein des Wortes verbergen möchte. Die Sprache stiftet Sachbezüge zwischen Menschen. Daher kann dieser richtige Umgang mit der Sprache nur aus dem richtigen Verhältnis zur Sache erwachsen. Die Inflation der Worte erzeugt nicht den Reichtum der Sprache. Der Formalismus der Sprache besaß ein Gegenstück in mancher Methode der Sprachwissenschaft. Der Positivismus trug sich im vorigen Jahrhundert mit der vergleichenden Methode der Sprachgeschichte, mit derselben Methode also, die nach dem Bankrott der Marrschule in der SU im Triumph zurückgeholt wurde. Doch gilt es hier einen Unterschied scharf zu beachten, der über den sozialistischen Gebrauch derselben Methode entscheidet. Für den Positivismus vollzieht sich die Sprachentwicklung gewissermaßen im luftleeren Raum, d. h. in der Abstraktion und Entfremdung der Sprache von ihren Sprechern. Die Sprache ist sich hier Selbstzweck: ihr höherer Zweck ist allenfalls im Bestehen der Sprachwissenschaft gelegen. [...] Die Sprache ist ein gespenstischer Vorgang, an dem die Sprecher lediglich partizipieren. Es ist charakteristisch, daß, wo die experimentellen Lautgesetze versagen, zur Erklärung von Regelverstößen die Psychologie bemüht wird. D. h. dem Menschen wird nur in Ausnahmefällen die Einwirkung auf die sprachlichen Prozesse zugesprochen. Von unserer Perspektive aus wäre die Frage denkbar: ob der Umgang mit der bürgerlichen Sprachwissenschaft nicht die Gefahr des Objektivismus
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Die Bedeutung der sprachwissenschaftlichen Arbeiten Stalins
enthalte? Wer die Summe besitzt, für den kann der Reiz nicht groß sein, die Teile in objektivistischer Weise zu überhöhen. Viel stärker als bei uns ist im sowjetischen Bewußtsein der Richtpunkt des Marxismus mit dem der objektiven Wahrheit verkettet. Die objektivistische Leugnung der übergreifenden Wahrheit der marxistisch-leninistischen Methode wird dann zur akuten Gefahr, wo wie bei uns die Werbekraft der bürgerlichen Konzeptionen noch aus der Nähe Wirkungen übt und Illusionen hervorbringt. Der Objektivismus, den Shdanow in Alexandrows Philosophiegeschichte vorfand, bezog sich nicht auf die Grundauffassung sondern nur auf einzelne unzulänglich durchreflektierte und kritiklos übernommene Teile. Er tritt nicht als ein Defekt der sozialistischen Gesinnung in die Erscheinung. Ich komme zum Schluß. Der Gegenstand wurde natürlich in keiner Weise erschöpfend behandelt. Es kam mir nur darauf an, den Reichtum des politischen Unterrichts und des politischen Lehrstoffs zu zeigen, den man am Rande dieses räumlich so knappen sprachwissenschaftlichen Beitrags eingepackt findet. Es ist gewiß kein Zufall, daß Stalin den entscheidenden Beitrag zur Weiterbildung der marxistischen Theorie mit der Haltung einzelwissenschaftlicher Spezialisierung vereinbart. Auch das kann uns eine tiefe Belehrung geben. Sieht man genau zu, so steht auch hier hinter Stalin die ganze Tradition der klassischen Lehrer des Marxismus. Durch äußerste Präzision der die Begrenztheit durchdringenden Analyse wird auch der Durchblick aufs Ganze eröffnet.
Versuche zur Sprachtheorie
I. Sprache und Sprachen Um den günstigsten Standort der Sprachtheorie zu ermitteln, wird zuallererst festgelegt werden müssen, in welcher Bedeutung von Sprache die Rede sein soll. Wenn wir nämlich von Sprache sprechen, so kann dieses Wort auf ganz verschiedene Tatbestände zielen. Einige Beispiele dafür. Wir nennen Französisch oder Englisch eine Sprache. Wir entrüsten uns darüber, daß man eine solche Sprache zu führen wagt. Wir hören behaupten, der Mensch sei ein Tier, das spricht, d. h. ein wesentlich mit Sprache begabtes Lebewesen. Es gibt die Sprache der Musik, der Liebe, des Hasses oder Neids. Auch die Tiere haben Sprache, wennschon man sich nur ungern zu dem Eingeständnis bequemt, daß Tiere spre[chen]. Im ersten Fall war von einem bestimmten Idiom die Rede, von Sprache, die sich gegen eine fremdsprachliche Umwelt abhebt. Dann wieder galt Sprache als eine von einer Tendenz gefärbte oder gestimmte Redeweise. In der dritten Wendung erschien dagegen die Sprache als ein Tätigkeitsbereich, das sich gegen andere außersprachliche Aktivitäten abgrenzt. Zu diesen Bedeutungen gesellen sich noch die Bedeutungsübertragung, in die sich „Sprache" einläßt. So etwa Gesten-, Gebärden- oder Flaggensprache. In zahlreichen Sprachen wird die Vielfalt der Bedeutungen von Sprache in der Polarität von zwei entgegengesetzten Grundbedeutungen aufgefangen. Zur ersten Bedeutung tritt dann eine zweite hinzu, die auch mit einem eigenen Wort belehnt werden kann. So hat Sprache außer dem eigentlichen Sinn auch die Bedeutung von Rede, im Sinn von Gespräch oder Sprechen. Es wird viel geredet. Wovon ist die Rede? Den Unterschied von Sprache und Rede bezeichnet: lateinisch französisch italienisch
lingua langue lingua
und und und
sermo parole (langage) linguaggio
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spanisch englisch holländisch schwedisch
Versuche zur Sprachtheorie
lengua language taal spraak
und und und und
hablo speek rede tal
Eine Unterscheidung, die durch so viele Sprachen hindurchgeht, muß doch wohl in der Natur der Sache begründet sein. So lag denn nahe, daß sich die Sprachwissenschaftler dieser in der Sprache selbst schon vorgezeichneten Zweiteilung bemächtigten, um ihren Gegenstand in seinen Grundrichtungen aufzudecken. Der erste, der von dieser doppelten Buchführung der Sprache ausging, war der Genfer Ferdinand Saussure, 1857—1913, ein Name, mit dem auch heute noch jede Behandlung der sprachlichen Phänomene beginnen muß. Für Saussure war Sprache, als „langue" genommen, ein zusammenhängendes und abgeschlossenes System von Zeichen, in dem eine kollektive Leistung erkannt werden mußte. Die Sprache ist ein gesellschaftliches Phänomen — dagegen können nur Individuen sprechen. Sprache in dieser letzteren Bedeutung als „parole" gefaßt, gehört somit in den Bereich der einzelnen Individuen. Im Sprechen (parole] haben auch alle Sprachveränderungen ihre Quelle; sie werden indessen nur dann in das System der Sprache aufgenommen werden, wenn sich die Sprachgemeinschaft dafür entscheidet. Der dem Marxismus nahestehende französische Sprachphilosoph M. Cohen ist der Meinung, daß die von Saussure eingeführte Zweiteilung der Sprache notwendig zu einer idealistischen Verdoppelung führen und darum aufgegeben werden müsse. Tatsächlich lassen sich aus Saussures gegensätzlichen Begriffen idealistische Konsequenzen ziehen, wennschon es nicht richtig ist, daß sie gezogen werden müssen und daß schon Saussure sie gezogen hätte. Schon bei Humboldt treten die beiden Typen von Sprache gegeneinander wie die Idee ( ) im Verhältnis zur Erscheinung ( ). Bei Vossler dagegen ist Sprache als Entwicklung das Produkt der Gesellschaft, während Sprache als Schöpfung auf die individuelle Sphäre verweist, in der die Sprache als Ausdruck frei getätigt wird, in der die Sprache als eine spontane Geistestat sich vollendet! Indessen war Saussure keinesfalls gewillt gewesen, in dieser Richtung einen Schritt zu gehen. Nur Sprache als Erzeugnis der Gesellschaft, nur Sprache als ein System erweckte sein Interesse — in der Sprache als individueller Verwirklichung sah er die wissenschaftlich unfaßbaren Willkürakte walten. Wir werden allerdings feststellen müssen, daß der Versuch, die doppelte Rolle der Sprache auf den angeblichen Gegensatz von Gesellschaft und Individuum hinauszuspielen, schon im Ansatz verfehlt war. Gesell-
I. Sprache und Sprachen
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schaft und Individuum sind Komplementärbegriffe — sie können sich normalerweise nicht feindlich begegnen. Die Gesellschaft kann sich nur in den Individuen, im Bewußtsein der einzelnen, verknoten und organisieren. Sie ist nicht eine mystische Macht, die hinter dem Rücken ihrer Glieder sich bildet. Daher ist es richtig, daß nur Individuen sprechen, daß die Gemeinschaft nur in ihnen getätigt werden kann. Kein Zweifel, daß eine glückliche Sprachschöpfung nicht kollektiv, sondern jeweils von einem sprachbegabten Individuum hervorgebracht wird. Was heißt aber sprachbegabt? Das heißt, daß in diesem individuellen Bewußtsein die Präsenz der Sprachgemeinschaft ihren maximalen und dringlichsten Ausdruck findet. Das Individuum kann hier (wie auch in anderen Bereichen) seine Freiheit nur durch die Wahl des Notwendigen sicherstellen. Eine Richtigstellung der Saussureschen Auffassung gibt der Pariser Indogermanist J. Vendryes: „L'usage que fait chaque individu de la parole, est regle par les conventions sociales, celles du groupe auquel il appartient".
Die Einsicht, daß auch die gesprochene Sprache (parole) als ein gesellschaftlicher Tatbestand gelten muß, vertrat auch Saussures Schüler Charles Bally (1865 — 1947). Das System des Meisters war schon mit Ballys Zuwendung zur „parole" zur französischen Gegenwartssprache durchbrochen. Um aber diese Wendung in ihrer ganzen Tragweite abzuschätzen, ist ein Hinweis auf Saussures weiten Systemgedanken unumgänglich. Die junggrammatische Schule, die bis zum Auftreten Saussures die Sprachwissenschaft beherrschte, war überzeugt davon, daß alles Sprachliche nur geschichtlich gefaßt werden kann. Ihre Unzulänglichkeit lag freilich nicht in der Entscheidung für die Geschichtlichkeit, sondern in der Art, wie sie getätigt wurde: Die Einheit der Sprache wurde in der Betrachtung von einzelnen Lautveränderungen zerrissen. Die Reaktion auf die junggrammatischen Thesen schoß wiederum übers Ziel, indem sie mit den fragmentarischen Ergebnissen die Geschichtlichkeit selbst in Frage stellte. Diese Gefahr ist schon bei Saussure selbst erkennbar. Der geschichtlichen Diachronie setzt er die auf simultane Erscheinungen gerichtete ganzheitsbezogene Synchronie entgegen. Und diese letztere allein ist für Saussure wissenschaftlich relevant. Der Gedanke erwies sich als überaus fruchtbar; doch liegt er zugleich den Betrachtungen der neueren Strukturalisten zugrunde, den Zusammenhang der Sprache als „reines System" gegen alle Geschichtlichkeit abzudichten. Während ein Teil der Sprachforscher sich zu noch weiteren Konsequenzen hinreißen ließ, fehlte es nicht an Bemühungen um eine neue Verbindung
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Versuche zur Sprachtheorie
von Geschichtlichkeit und synchronistischer Methode. Wenn Bally die Erkenntnis Saussures teilte, daß eine umfassende Darstellung der Sprache nur auf synchronischem Wege möglich sei, so sah er doch das letzte Ziel in einer geschichtlichen Verbindung einer Vielzahl von synchronisch erarbeiteten Zustandsbildern der Sprache. Bally entschied sich für die Bearbeitung der französischen Gegenwartssprache, und diese Entscheidung hat ihre prinzipielle Seite. Nur in der gewohnheitsmäßig gesprochenen Sprache sind die feineren Tönungen, sind die spezifisch sprachlichen Momente erkennbar. In der Tat erwies sich der Standpunkt der jeweils gesprochenen Sprache auch in sprachtheoretischer Hinsicht als ungemein fruchtbar. Das gilt für Bally, für die Forschungen Gillierons und von R. Lenz, der von den Beschreibungen des Chilenisch-Spanischen zu weitgehenden Folgerungen allgemeiner Natur fortschreitet. Bei Lenz wird der Aspekt von Geschichtlichkeit besonders sichtbar, den die synchronistische Betrachtung der Sprache abgewinnt. Der Sprachwandel erscheint als ein unabgeschlossener Vorgang, von dem der Blick auf künftige Entwicklungsmöglichkeiten gelenkt wird. Die Totalität der sprachlichen Erscheinungen ist uns allein in der eigenen Sprache, die wir sprechen und stets Gegenwartssprache sein muß, gegeben. Demgegenüber muß der Versuch, ein Modell von Sprache aus den Elementen aller Einzelsprachen aufzurichten, von vorneherein als abwegig verworfen werden. Wo eine Vielzahl von Sprachen miteinander verrechnet wird, kann das nur gröbste Typisierung [...] ergeben. Dieses Schicksal ist auch dem glänzenden Vertreter einer solchen Sprachbetrachtung, Ernst Cassirer, widerfahren, als er mit einem unüberbietbaren Aufwand an konstruktivem Scharfsinn und weltenweiter Gelehrsamkeit versuchte, aus dem Formenschatz der verschiedenartigsten Sprachen die Grundstrukturen des menschlichen Bewußtseins nachzubilden. Das Sprachliche ist zum Baustoff einer philosophischen Spekulation erniedrigt. Noch niemals ist mit einer solchen Fülle der sprachlichen Materialien so wenig über das Wesen der Sprache ermittelt worden. Die Sprache, deren Funktionen den Gegenstand einer sprachtheoretischen Untersuchung bilden, ist nicht mehr diese besondere im Unterschied von jener anderen Sprache, sondern Sprache in dem unmittelbaren Sinn, den alle Menschen, die sprechen, darunter verstehen: was gesprochen wird also, im Gegensatz zu dem, was man empfindet, fühlt, denkt oder ausführt. Der Reichtum an solchen Spracherfahrungen, den jeder aus seiner eigenen Lebenserfahrung beizusteuern vermag, kann weder durch die erlernte Kenntnis anderer Sprachen noch durch das Studium ihre[r] Gesetzlichkeit
I. Sprache und Sprachen
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und Struktur überboten werden. Die Kompetenz braucht hier nicht erst durch mühsame Spezialisierung erworben zu werden — sie liegt bei allen Menschen, die sprechen. Die Schwierigkeit beginnt erst mit der geistigen Aneignung dieses in Situationen des Alltags weit verstreuten Besitzes. Je häufiger und alltäglicher eine Erfahrung, desto vielfältiger die sich anbietende Erklärung und desto schwieriger die Erkenntnis der wirklich ausschlaggebenden Faktoren. Die Sprache hat sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte über alle Bereiche unseres Lebens ausgebreitet. Wo liegt der Ansatz ihrer Ursprünglichkeit? Wie läßt sich die sprachgeborene Situation von der mit Sprache nur belehnten oder verkleideten unterscheiden? Die Schwierigkeit ist nicht gering. Tatsächlich sieht es so aus, als wäre dem sprachlichen Ausdruck keine Grenze gezogen. Von der Wiege bis zur Bahre bleibt alles Menschliche in einen Mantel von Sprache eingeschlagen. Es wird alles sprachlich verbucht und durch Sprache verrichtet. Ob einer bettelt, betrügt, ein Geschäft treibt, betet, etwas ans Herz drückt — er muß mit der Währung der guten Worte bezahlen. Auch mit dem Abbruch der Rede ist man dem sprachlichen Zustand noch lange nicht entronnen. Es gibt keinen Urlaub von diesem Zustand und keine Entpflichtung. Auch das Verstummen gehört zur Sprache, wie etwa die Pausen zu einem Tonstück gehören. Zuweilen fällt auf ein Schweigen der volle Akzent der Bedeutung: so wird ein nichtssagendes Reden durch ein vielsagendes Schweigen verurteilt. Es gibt ein beredtes Schweigen, durch das mit einem Augenzwinkern der letzte i-Punkt gesetzt wird, und schließlich ein Schweigen, das wie ein Lineal unter den chaotischen Leerlauf der Sprache den Strich zieht. Und dennoch wäre es falsch, aus der schicksalhaften Bedeutung der Sprache die Definition des Menschen als eines per essentiam redenden Wesens abzuleiten. Wir müssen uns entschließen, den Sachverhalt von Sprache überall da anzuerkennen, wo eine Mehrzahl von fixierten Zeichen in unauflöslicher Sachverknotung betrachtet werden kann. Sowenig wie die Genialität der Papageien und damit die Nachahmung menschlicher Sprachlaute schon selbst als Sprache gelten kann, sowenig kann der vereinzelt ausgestoßene Kontaktlaut, der hysterische Warnungsruf, der die Herde ergreift, als Rudiment aller kommunikativen Systeme gelten. Ein Zweifel bleibt über das Verhalten der durch Licht erschreckten Insekten, der Ameisen bestehen. Das Kreuzen der Vorderfüße hat offenbar als Signal zu gelten. Das Auge geht [... und] erfolgt blitzartig, nachdem die Kundschafterin ihren Bericht abgegeben hat. Man könnte in diesem Zusammenhang noch die neuerlichen Versuche über die Sprache der Del-
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Versuche zur Sprachtheorie
phine erwähnen, die über eine Art von Redeanlage zu verfügen scheinen und dazuhin sich geläuteter Töne bedienen. Die Versuche einzelner Gelehrter, den „Wortschatz" der Anthropoiden zusammenzustellen, mußte mit an der mangelhaften Konstanz der beobachteten [Affektjlaute scheitern. Im ganzen aber sind wissenschaftlich gesehen die ganzen Kapitel der Tiersprache mit einem non liquet zu beenden. Nur dürfen wir nicht in den gegenteiligen Irrtum verfallen und die Menschensprache gegenüber der vorausgehend anzunehmenden [Tierverständigung] als ein der Natur entzogenes Bereich zu isolieren. Daß eine neue qualitative Stufe mit der Menschensprache beginnt, besagt ja gerade das Bestehen einer Vorerfahrung, für die uns nur leider die zureichenden Mittel der Selbsterkenntnis noch fehlen [...] Nur leider hat sich keine wirklich primitive Sprache erhalten. Was wir heute so nennen, sind doch ausnahmslos die Produkte einer längeren Entwicklung. Das Alter der Sprache zählt allenfalls nach Jahrtausenden, nicht aber nach Jahrzehntausenden oder gar nach Jahrhunderttausenden, nach denen wir das Alter der Menschensprache bemessen können. Es war eine bestechende und im Sinne des Evolutionismus großartige Konstruktion, die Wundt veranlaßte, die Vorform einer Gestensprache, wie sie bei australischen Stämmen noch im Schwang ist oder war, an die Spitze der gesamten Bewegung zu stellen, die dann mit der Ausbildung der artikulierten Sprache zu größter Wirksamkeit gelangte. Dem Werkzeugcharakter entspricht es ja, daß anfängliche Materialverschwendung durch größtmögliche Materialbeschränkung abgelöst wird. Das Ausdrucksspiel der Gestensprache erfaßt noch den ganzen Körper — erst mit der lautlichen Sprache ist der Standpunkt der äußersten Reduktion des Zeichenfeldes erreicht. Die schönen und so einleuchtenden Lehren von Wundt scheitern aber an dem schon erwähnten Umstand, daß die Primitivität der Australneger weit davon entfernt ist, an den Anfang der Menschheit zu rühren. Es handelt sich auch hier um komplizierte Prozesse, wobei die Gestensprache offenbar nur als sprachlicher Notstand zur Verständigung zwischen verschiedensprachigen Stämmen vorkommt. Zufolge einer Mitteilung des Leipziger Ethnologen Dr. [Helmut Reim] ist der Wundtsche Ansatz auch vom völkerkundlichen Material her nicht vertretbar. Mag sich das ganze Leben in den Gleisen der Sprache bewegen — man wird doch versuchen müssen, die erst nachträglich versprachlichten Situationen von denen zu unterscheiden, die das Walten von Sprache voraussetzen und darauf aufbauen müssen, und diese wiederum von den der Sprache angehörigen Momenten. Eine bloße versprachlichte Situation wird durch den Affektlaut gebildet, der sich den artikulatorischen Gepflogenheiten anpaßt. Das Gelächter wird
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im Deutschen durch Aspirata, im Spanischen durch den entsprechenden Rachenlaut eröffnet: Hahahaha! gegen jjajajaja! Der Seufzer Ach! heißt französisch Helas! und spanisch jAy! Der wichtigste Fall einer an die Sprache gelehnten Tätigkeit muß zweifellos in der Operation der Logik gesehen werden. Die Logik setzt die Fixierung der Gegenstände voraus, die durch die sprachliche Solidarisierung zustandekommt. Daneben aber gibt es Situationen, die aus der Sprache stammen und ihre Sprachverbundenheit niemals [verleugnen]: z.B. der Anruf, der auf die Antwort gespannt ist. Die Probleme der Sprache müssen im Ganzen der menschlichen Lebensführung behandelt werden. Dazu muß man Sprache in ihrem umfassendsten und lebendigsten Sinn in seinem Gesichtsfeld haben. Wir glauben die optimale Voraussetzung in der Sprache, die man gewohnheitsmäßig spricht, gefunden zu haben. Parallelen aus anderen Sprachbereichen können den Sinn der Einzelaussage präzisieren helfen, wobei aber die Zentrierung der Untersuchung durch die gesprochene Sprache unbedingt weiterbestehen muß. Der Einwand, daß in der einzelnen Sprache sich jeweils nur bestimmte Aspekte des sprachlichen Lebens ausmachen, erledigt sich, wenn man gerade in der gesprochenen Sprache die Sprache der Menschheit, Sprache schlechthin, erschließt. In jeder Einzelsprache ist das ganze des Menschenlebens zugegen, in jeder sind die entscheidenden sprachlichen Möglichkeiten verwirklicht, so verschieden die Wege der Realisierung erscheinen mögen. Als Beispiel seien die Verbalaspekte und die sogenannten Aktionsarten genannt: beide dienen einer Festlegung der zeitlich gestuften Handlung. Durch die beiden gegensätzlichen Verbalaspekte, den imperfektiven, unvollendeten, und den perfektiven, vollendeten, wird eine Handlung in ihrem Verhältnis zur Zeit festgelegt. Im einen Fall ist die Handlung in den Zeitablauf einbezogen, im ändern wird sie gegen den Zeitablauf abgegrenzt. Mit den Aktionsarten wird die zeitliche Bedeutung genau charakterisiert. Man kann u. a. ingressive, durative, iterative, terminative Aktionsarten aufstellen. [...] Die sogenannten Verbalaspekte (z. B. Beginn oder Fortdauer einer gegenwärtigen Handlung, mittelbar noch der Gegenwart zugehörige Vergangenheit, kontinuierliche Wiederholung der Handlung) gehen ebenso wie die Zeitwörter auf Raumvorstellungen zurück. Ursprünglich bekunden sie im Raum zu denkende Bewegungen. Der Verbalaspekt gehört zu den charakteristischen in den meisten Sprachen angelegten Eigentümlichkeiten der Sprache. Die einzelnen Sprachen bedienen sich dazu ganz verschiedener Mittel, aber die sprachliche Grundvorstellung bleibt dieselbe.
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Versuche zur Sprachtheorie
Die slawischen Sprachen drücken Verbalaspekte entweder durch Präfixe aus oder durch besondere Verben. Die romanischen Sprachen bedienen [sich] des Hilfsverbs, dem das eigentliche Zeitwort im Gerundium oder in der Form der abhängigen Rede nachfolgt: // vient de partir, acaba de marcharse — esta comiendo, H finit par avouer son crime. Im Deutschen werden diese Aspekte durch Adverbien wiedergegeben: Er ist soeben abgereist; er ist noch beim Essen — Schließlich hat er sein Verbrechen eingestanden. Für die Nuancierung der Zeitvorstellungen verfügen wir über ganze Schwärme von Adverbialbestimmungen, deren grundsätzliche Bedeutung von den Grammatikern fast immer verkannt wird. Die Prosa Thomas Manns zeigt sich diesem Phänomen gegenüber besonders hellhörig. [...] Wenn von der gewohnheitsmäßig gesprochenen Sprache die Rede ist, so wird es sich im Normalfall um die Muttersprache handeln. Wir zögern aber mit diesem Begriff zu operieren, der durch die Wirksamkeit jüngst vergangener Sprachtheorien in eine exklusive und hermetische Bedeutung verschoben wurde. Auf der einen Seite sah man in der Muttersprache ein physiologisches Schicksal, indem man annahm, daß jede Sprache sich in den Sprechern durch eine besondere Artikulationsbasis verfestigt. Man wollte andererseits in der Muttersprache die Trägerin der jeweiligen nationalen Gedankenordnung erkennen, womit man die geistigen Möglichkeiten der Menschen auf ihren Umgang mit ihrer jeweiligen Sprache beschränkt haben wollte. Die Sprache wird zum Selbstzweck erhoben, als würde sie nicht der Vermittlung der menschlichen Verhältnisse dienen, als würde sie in sich selbst schon den Inbegriff einer geistigen Leistung erfüllen. Eine genaue Analyse der menschlichen Sprechwerkzeuge läßt Unterschiede im Artikulationsvermögen nicht erkennen. Ohne Zweifel gibt es Artikulationsgepflogenheiten, in die man unwillkürlich mit dem Sprechen der Sprache getrieben wird. Der geistvollen Erklärung Leo Jordans zufolge sind diese Artikulationsgepflogenheiten in ihrem Ursprung Verhaltensgesten, woraus man dann schließen könnte, das das sprachliche Vorbild durch das Vorbild der Verhaltensgesten seine fortgesetzte Wirkung übt. Es wird der Sprache gegenüber eine Bereitschaftshaltung bezogen. „Ist das lothringische Diphthongieren eine Folge der lothringischen Mentalität? Man hat Versuche, derartiges nachzuweisen, gelesen. Die Versuche mußten mißlingen, weil der Lautwandel als etwas Primäres, Gewelltes, von der Psyche Abhängiges hingestellt wurde.
I. Sprache und Sprachen
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Nun wollen wir einmal sehen, wie die Dinge liegen. Daß der Lautwandel an den Wechsel der Generationen gebunden ist, scheint gesichert. Das Erstaunliche daran ist, daß die Richtung einer Zungenhebung etwa in Generationen beibehalten wird, also erblich ist, bis das Erreichen eines extremen Punktes zur Umkehr zwingt. Volle Klarheit ist nicht zu gewinnen. Wohl aber ist deutlich zu sehen, daß der Lautwandel selber ein Abhängiges ist. Das Primäre scheint vor allem das zu sein, was wir ,Artikulationsgewohnheit' nennen. Nehmen wir gleich zwei praktische Beispiele, um das Gemeinte zu verdeutlichen. Der Engländer schiebt zum Sprechakt den Unterkiefer etwas vor; aus dieser Stellung erklärt sich seine ruhige Lippenhaltung, die sekundär zur Anstandsregel wird, kurz das ganze äußere Bild, das der Deutsche mit dem treffenden Namen Double-w-Mund kennzeichnet. Ahmt man diese Organstellung nach, so wird man alsbald bemerken, daß die englischen Lautfärbungen, vor allem das ständige Detonieren der Vokale nach der Enge zu eine natürliche Folge dieser Zwangsstellung sind. Der Franzose macht es gerade umgekehrt; er spreizt die Lippen für e und /', als ob die Lippenecken die Ohren erreichen möchten, rundet sie für o und u (respektive o und M), als ob er schmollte. Man sehe einen Franzosen un pot-au-feu oder c'est ici artikulieren: sein Gesicht ist in heftiger mimischer Bewegung, alle Arbeit konzentriert sich auf die vordere, dem Zuhörer sichtbare Muskulatur. Und so wundern wir uns nicht, wenn sich aller Vokalismus nach vorn verschiebt, a zu e, o zu ö, u zu ü wurden. Wir sehen daraus, daß der Schluß von Vorgängen spontaner Lautentwicklung auf den ,Volkscharakter' insofern trügerisch ist, als ein Zwischenglied, die Artikulationsgewohnheit, ausgelassen wurde. Erst sie kann zu ,Menschlichem' direkt in Beziehung gesetzt werden." (S. 353 f.)
So sehr sich die Artikulationsgepflogenheiten befestigt haben mögen, so ist doch der Mensch durchaus befähigt, im Bedarfsfall neben der eigenen Sprache eine fremde lautgerecht zu artikulieren. Es gibt in der Tat Gebiete, in denen Zweisprachigkeit die Regel ist. So etwa in Katalonien, im Baskenland oder im Elsaß. Nicht nur, daß die Menschen in zweierlei Sprachbereiche hineingeboren werden — die Dringlichkeit der Verständigung in beiden Sprachen wird durch die Situation des Alltags fortwährend an die Sprecher herangetragen. Ihr geistiger Aufwand ist offenbar ebenso gering wie für die Beherrschung der einzigen Sprache in den weiter einwärts gelegenen Gebieten. Er ist mit dem Opfer an Zeit und Gedächtniskraft nicht zu vergleichen, die die Erlernung einer fremden Sprache durch grammatischen Unterricht kostet. Die Sprache mit ihren komplizierten Lautgesetzen und Formensystemen wird überhaupt nicht den Gegenstand einer solchen Bemühung bilden. Nicht die Sprache, sondern die Sprecher werden nachgeahmt. Und dieser Sprecher gilt nicht als Träger und Repräsentant der zu erlernenden Sprache, sondern die Sprache wird übernommen, weil jener Sprecher sie spricht, mit dem die Verständigung angestrebt wird. Die Sprachaneignung ist im Bedarfsfall nichts weiter als ein Vorgang der gesellschaftlichen Adaptierung. Die Beherrschung der Spra-
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ehe ist dann der Preis und das Ergebnis der lebhaften Anteilnahme an den sprachlich verhandelten Situationen und Zielen. Mehrsprachigkeit ist auch in ein- und derselben Sprache möglich. Es gibt Standes-, Stadt- und Familiensprache. Umgangssprache [ist] Adaptierung der Dialektsprachen mit der Hochsprache. Es fragt sich nun, ob das Prinzip der Mehrsprachigkeit nicht eine viel größere Geltung besitzt als es die Beschränkung auf bestimmte geographische Gebiete vermuten läßt. Vor allem müßte das Verhältnis von Hochsprache, Umgangssprache und Mundart beachtet werden. Natürlich hat sich dieses Verhältnis in den verschiedenen Sprachbereichen verschiedenartig gestaltet. Wir können aber zweierlei typische Verhaltensweisen der Sprachgemeinschaft unterscheiden: 1. Die Hochsprache ist aus einem hegemonialen Dialekt entstanden. Das gilt für die Herkunft des Französischen aus der lie de France, des Italienischen aus der toskanischen Mundart, des Spanischen aus dem altkastilischen Dialekt. In all diesen Fällen, vor allem in den beiden zuletzt genannten besteht der siegreiche Dialekt, der die Hochsprache hergab, in rein territorialen Grenzen als Mundart weiter. [...] 2. Die Hochsprache ist in einer Kanzlei geschaffen worden oder aus einer die Mundarten überlagernden Verkehrssprache entstanden. Beide Thesen werden für die Entstehung des Nationaldeutsch von der heutigen Forschung gegeneinander abgewogen. In jedem Fall ist die Hochsprache in keiner der [...] lebenden Mundarten verwurzelt. Da es aber in Deutschland keinen dialektfreien Raum gibt, so wird die Umgangssprache, die an der Hochsprache orientiert ist, in Wirklichkeit ihre mundartliche Basis nicht verleugnen. Immerhin kann gleichzeitige Beherrschung von Umgangssprache und Dialekt einem an Zweisprachigkeit grenzenden Zustand verglichen werden — einem Zustand des labilen Gleichgewichts, wie er den sprachlichen Normalfall für viele Deutsche bildet. Man könnte mit einer gewissen Einschränkung die Behauptung wagen, daß 3. alle Deutschen an irgendeinem Dialekt partizipieren. Die Umgangssprache ist entweder die unwillkürlich an den Dialekt angelehnte Hochsprache oder sie stellt einen mehr oder weniger bewußten Kompromiß zwischen beiden dar, vornehmlich in Gebieten mit Dialekten, die eine gewisse Machtstellung erlangten (Schweizerdeutsch [...], Bayrisch). Das sprachwissenschaftliche Interesse der Mundart, das für eine frühere Forschergeneration im Vordergrund stand, muß heute gegen idealistische Verdunkelungsversuche mit Nachdruck herausgestellt werden. Die Mund-
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art besitzt ein offenes Fenster zur Sprachgeschichte. Sie leuchtet zurück in eine von der Hochsprache verdeckte Vergangenheit und nach vorwärts durch „progressive" Tendenzen, gegen die freilich die Hochsprache einen Riegel vorgeschoben hat. Nur wenige Beispiele mögen dies verdeutlichen. In der vom Deutschen angesteuerten analytischen Richtung liegt der Schwund des Präteritums, im Oberdeutschen (Er ist gekommen für Er kam), der Verlust des Genitivs in denselben mundartlichen Breitengraden (Das Buch vom Vater für Vaters Buch), währen weiter nördlich Dativ und Akkusativ zusammenfällt. Ein ehrwürdiges Relikt eines früheren Sprachzustands wird in der bayrisch-Österreichischen Mundart durch die Dualform enk und ös gewahrt. Im Norden und im Südwesten bleiben die alten Längen Hüs, Schwiz bestehen, die in den anderen Dialekten zum Teil schon in mittelhochdeutscher Zeit zum Diphthong verwandelt wurden (Haus, Schweiz) und dann mit der [den] alten Diphthong erhaltenden Lautung zusammenfielen (Frau < vrouive, Geist < ahd. mhd. geist). Einen eigenen und besonders beachtlichen Weg ist hier das Schwäbische gegangen. In den beschriebenen und in anderen Fällen wird die Diphthongierung — im Gegensatz zum Alemannischen — mitgemacht, doch wird die alte Länge durch einen geschlossenen Diphthong von der urprünglichen Diphthongierung, die einen offenen Diphthong hervorbringt, geschieden. So entstand im Schwäbischen ein zweiseitiges System der Diphthongierung: geschlossen au Laus < lus Haus < hus kraus < krus ei
offen au (a-o) Frau < vrouwe genau < genou blau < blawo
ei, ai (a-e) Für diesen Diphthong besteht auch die Lautung -oi-
gescheit < geschite Eis < is leiden < lidan
feig (schon mhd.) Geist (schon ahd.) Leid, leider (schon ahd.)
eu Beute < bäte heute < hüte
eu, äu Freude (schon mhd.) streuen < strouen
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Versuche zur Sprachtheorie
Solche Verhältnisse widerlegen die immer wieder auftauchende Behauptung, in den Mundarten würde ohne die regelnde Macht der Gebildetensprache die Lautentwicklung bis zur Konfusion getrieben. Der Zusammenfall der ursprünglich getrennten Laute ist hier, im Gegensatz zur Mundart, in der Hochsprache durchgedrungen. Die schwäbische Unterscheidung von alten Längen und alten Diphthongen ist aber noch in anderer Hinsicht beachtlich. Sie erweist sich als das stabilste Element der Mundart, das auch in der noch so „gereinigten" und akzentfrei gesprochenen Umgangssprache nicht verleugnet wird. Diese Unterscheidung kann als ein Steckbrief für die sprachgeographische Herkunft des Sprechers gelten. Da sie dem nichtphilologischen Sprecher kaum zum Bewußtsein kommt und da die Sprecher anderer Dialekte oder dialektischer Umgangssprache eine Unterscheidung, die es bei ihnen nicht mehr gibt, unmöglich heraushören können, so bleibt das Merkmal im Gegensatz zu denen bestehen, die auch dem Nichtphilologen die schwäbische Mundart untrüglich verraten: die Nasalierung, die Palatalisierung von st zu st auch nach Vokalen, Entsonorisierung von z zu 5, Ersatz des Relativpronomens durch das räumlich zurückverweisende wo (der Mensch wo, das Buch wo) usw. Im Laufe der Entwicklung war aus der alten Stammessprache die Mundart geworden, die nunmehr Gegenstand einer sozialen Differenzierung bildet. Die intakt gebliebene Mundart wird im Gegensatz zur Hoch- und Umgangssprache als spezifische Eigentümlichkeit der Unterklassen angesehen, d. h. sie wird als Klassensprache gewertet. Die französische Umgangssprache wird im Gegensatz zur deutschen nicht mehr von den Dialekten her bestimmt. Vielmehr ist es hier die Pariser Volkssprache, die dem Einbruch des Argots häufig erliegt. Argotausdrücke wie camouflage geraten über die Volkssprache in die Umgangssprache. In der Volkssprache kann man die gesamte Entwicklungstendenz erkennen, die das Bild des Französischen in absehbarer Zeit umgestalten würde, wenn die Reaktion der Bildungsträger ihre Wirksamkeit verlöre. Stellt man diese Tendenzen zusammen, so ergibt sich eine ähnliche Wandlung, wie sie die Mundarten im Deutschen anstreben. Auch hier bemerkt man die Neigung zu einer radikalen Vereinfachung des Konjugations- und Deklinationsschemas. Der Konjunktiv des Imperfekts ist auch schriftsprachlich so gut wie ausgemerzt. Die Schriftsprache meidet das Futurum; außer im frankoprovenzalischen Süden ist das passe defini zum Archaismus [geworden]. Auch der Konjunktiv des Präsens wird nach Möglichkeit durch den Indika-
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tiv (c'est embetant que je ne peux pas le voir) oder durch einen Infinitiv ersetzt (// lui a donne ce jouet pour eile s'amuser). Überall ist die Analogie am Werk: vous disez nach disons, disent für vous dites; in der Steigerung plus hon statt meilleur, plus mauvais statt pire; in der Pluralbildung chevals für chevaux. Wie in zahlreichen deutschen Mundarten ist in der französischen Volkssprache der Genitiv so gut wie verschwunden (la femme ä Eugene = dem Eugen seine Frau; le livre ä Pierre = dem Peter sein Buch). Die Volkssprache erweist sich hier von neuem als schöpferischer oder wenigstens als vorwärtstreibender Faktor, wogegen die Gebildeten eine hemmende oder zügelnde Funktion ausüben. Es wurde schon angedeutet, daß die französische Volkssprache dem Argot gegenüber eine gewisse Offenheit zeigt. Andererseits ist das Argot, das nur in lexikalischer Hinsicht eine eigene Sprache bildet, in der Volkssprache verwurzelt. Man hat, sehr zu Unrecht, als den enscheidenden Antrieb zur Ausbildung des Argot den Wunsch — etwa einer Diebeszunft oder Verbrecherbande — nach Geheimhaltung ihrer Praktika hingestellt. Der Anschein des Esoterischen ist nicht der Motor, sondern die Wirkung der Sondersprachen auf diesem Milieu nicht angehörige Menschen. Nennenswerten Einfluß hat im Deutschen das-Argot durch die Soldatensprache gewonnen. Da fast die gesamte erwachsene und halberwachsene Bevölkerung in die Wehrmacht getrieben wurde, war dem Einfluß der Soldatensprache auf die deutsche Umgangssprache Tür und Tor geöffnet. Diese unerfreuliche Erscheinung ist erst im Abstand der Jahre etwas zurückgedrängt worden; unerfreulich, nicht etwa aus sprachlichen Gründen, sondern wegen des unlösbaren Zusammenhangs dieser Armee mit der faschistischen Kriegsführung. Trotzdem muß festgestellt werden, daß politische Konzeptionen in die Soldatensprache keinen Eingang [gefunden haben]. Wendungen wie aufkreuzen („erscheinen"), losbrausen, loswetzen, loszwitschern, abschwirren („abgehen"), eine Kugel schieben („eine geruhsame Stellung einnehmen"), sich verdrücken („in aller Stille sich aus dem Staub machen"), große fische — kleine Fische („in Strafhaft mehr oder weniger hoch bestrafte Vergehen"), Mattscheibe („bornierter Mensch"), schattig („kühl"), zackig („schneidig"), es spurt, es funkt, es haut hin — solche und andere Wendungen sind in der saloppen Umgangssprache noch immer zu hören. Das Zunftgeheimnis dieser Armee, die das Volk im Zwangskleid darstellte, war nicht aufrecht zu erhalten. Es gibt keine Geheimnisse, um die alle wissen.
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Durch die Betrachtung von Mundart, Volkssprache und Argot wird aber ein weiterer Aspekt der Vielsprachigkeit berührt: die Klassensprache. In der Sowjetunion war der Begriff der Klassensprache von der Schule Marrs aufgestellt worden. Im Ergebnis der großen 1950 geführten sprachwissenschaftlichen Diskussion glaubte dann die Mehrzahl der sowjetischen Forscher, die Existenz von Klassensprachen überhaupt leugnen zu können. Wir möchten aber im Angesicht eines erdrückenden Materials aus allen möglichen Sprachbereichen das Vorhandensein der Klassensprachen nur für den letzten Abschnitt der Klassengesellschaft in Abrede stellen. Wenn Marx feststellte, daß Bourgeoisie und Proletariat eine verschiedene Sprache reden, so galt hier „Sprache" im metaphorischen Sinn für Weltbild, weltanschaulichen Stil, Verhältnis zum Leben. Die sprachliche Gemeinsamkeit wurde von den beiden kämpfenden Klassen nicht angetastet. Schon im Verhältnis zur Mundart verschiebt sich die Perspektive. Die Klassensprache spielt in primitiveren Gesellschaftsformen eine oft dominierende Rolle. Im alten Hindustaat sprachen die fürstlichen Persönlichkeiten Sanskrit, die übrige Bevölkerung ein sozial verschieden gestuftes „Prakrit". Im Javanischen wurden dreierlei Klassensprachen geschieden. Es läßt sich nicht leugnen, daß der Durchbruch des Vulgärlateinischen mit dem Aufstand der niederen Klassen und mit dem Niedergang der die Bildung monopolisierenden Schichten zusammenhängt. Als erster hatte schon Dante den Blick auf den Ursprung und die Verbreitung der großen mittelalterlichen Adelssprachen hingelenkt. Sie waren unter demselben Gesetz in Deutschland, in Sizilien, in der Provence und im Norden Frankreichs entstanden. Diese Sprachen bildeten, dem Naturbund durch stilisierende Absicht entrissen, ein weitmaschiges Netz, in Burgen und Herrenhöfen sich verknotend. Über den wirklichen Zustand einer allgemeinen Zerklüftung in unzählige regionale Dialekte schien sich diese Dichtersprache wie ein Schleier des Traums von künftiger Einheit zu breiten. Es war dies der Traum, den Dante, der Genius zwischen zwei Welten, dem Fortschritt seines eigenen Volkes und seiner Befreiung aus politischer Zerrissenheit entgegenbrachte. Dante hatte auf die nationale Einheit der Sprache gehofft und seine Hoffnung auf die entrückte Stilkunst eines volksfremden Standes beziffert, ein Irrtum, der Dantes zwiespältiges Weltverhältnis aufs grellste beleuchtet. Die Existenz zweier revalisierender Klassensprachen hat im englischen Mittelalter eine Sprachengrenze errichtet. Die schrittweise Verdrängung der
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französischen Adelssprache begleitet den politischen Aufstieg des englischen Bürgertums. Indessen wird auch bei der Befestigung der Landessprache der Kompromiß mit der überwundenen Adelssprache eingegangen: Das verdrängte Französisch gewinnt im Innern der englischen Sprache neuen Boden, und zwar nicht durch lexikalische Anleihen, sondern durch eine Übernahme syntaktischer Einzelheiten aus der altfranzösischen Vorbildsprache. Dieser Vorgang besagt, daß auch das englische Bürgertum seinen revolutionären Lebensstil noch nicht gefunden hatte, sondern im Begriff war, eine „Gentry" zu bilden, d. h. die errungenen Machtpositionen in adlige Lebensformen überzuspielen. 1362 ist die große Jahreszahl der englischen Sprachgeschichte: Damals wurde die erste Parlamentsverhandlung in der Landessprache geführt und zugleich das Französische aus den Gerichten verbannt. Dieses normierte Englisch ist die Stadtsprache des Londoner Bürgers, so wie später die Handelsempore Amsterdam das sprachliche Zentrum der neuentstehenden holländischen Nation werden sollte. Die moderne Tendenz zur Normierung einer die ganze Sprachgemeinschaft erfassenden Nationalsprache kann nur auf dem Hintergrund des ursprünglichen Zerfalls in Mundarten und in Klassensprachen begriffen werden. Es zeigt sich von neuem, daß eine synchronische Sprachbetrachtung der diachronischen Ergänzung bedarf. [...] Auch wenn man mit gewissen Einschränkungen die synchronische Methode für fruchtbar ansieht, so wird doch auch innerhalb einer solchen Behandlung der Sprache ihre geschichtliche Vielschichtigkeit zum Vorschein kommen. Das trifft nicht nur auf den Lautbestand zu, sondern auch auf syntaktische Formen, wie sie beispielsweise der Humanismus mit dem accusativus cum infinitive in unserer Sprache zurückgelassen hat. Ammer weist auf zwei Reliktwörter hin, die trotz geänderter Sachverhältnisse auch weiterhin Geltung haben: Schreibfeder für „Stahlfeder" und das Licht auslöschen für „ausknipsen". Weit primitivere Schichten verweisen auf Wortmagie. Wie das Kind mit dem Arm nach dem Mond greift, so glauben die Primitiven, [durch] die magische Fernwirkung des Wortes in den Besitz der besprochenen Sache zu gelangen. Um dies gleich vorauszuschicken: die Annahme des sowjetischen Sprachgelehrten Marr, die Sprache sei die Erfindung der Priesterklasse zur Ausübung magischer Macht gewesen, ist weder beweisbar noch hat sie den Schein der Wahrheit für sich. Die Ausbildung einer eigenen, hermetisch sich abschließenden Priesterklasse ist zweifellos erst aus einem schon reicher entfalteten Gemeinschaftsleben hervorgegangen. So gewiß die Sprache ma-
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gischem Machtgebrauch oder Mißbrauch verfiel, so wenig können wir in der Anwendung magischer Macht ihren Ursprung erkennen. Es sei nicht verschwiegen, daß die sprachliche Existenz von magischen Vorstellungen, die einem primitiven Geisteszustand entsprochen haben muß, trotz ihrer Frequenz und Evidenz bestritten wurde. So macht Gertrud Patsch in ihren sehr lesenswerten „Grundfragen der Sprachtheorie" geltend: „... der erste Mensch hätte sich niemals zur wahren Erkenntnis der Welt erheben können, wenn er nicht in seiner tätigen Auseinandersetzung mit ihr, im Kampf um seine tägliche Existenz von seinen durch die Objektivität der Welt bestimmten Erfahrungen ausgegangen wäre, wenn er, anstatt sich mit seiner Waffe zu verteidigen und seinen Lebensunterhalt zu erjagen, sich auf magische Beschwörungsformeln verlassen hätte. Damit kann aber der Zauber nicht die Grundhaltung des menschlichen Daseins sein, niemals kann er das Denken und damit die Sprache wesenhaft bestimmen." (S. 87)
Bei dieser ganzen Argumentierung wird ein kontinuierlicher Fortschritt der Entwicklung vom Urmenschen bis zur heutigen Stufe angenommen. In Wirklichkeit aber kann es als gesichert angesehen werden, daß die eigentlich geschichtliche Entwicklung zu höheren Formen der Produktion und Erkenntnis erst sehr spät einsetzt, und daß demgegenüber die ungeheure Mehrzahl der von der Menschheit durchlebten Jahre im Zustand einer Stagnation verliefen. Des weiteren wird zu Unrecht die Alternative einer Betrachtung der religiösen Phänomene und des ökonomischen Verhaltens behauptet. Magie und Religion gehören zu einem Grundbestand des Überbaus, der sich zu einer bestimmten Produktionsstufe gebildet hatte. Das Gleichgewicht zwischen Über- und Unterbau wird aber immer wieder aufgehoben. Der Überbau eilt in gewissen Zeiten dem Unterbau um eine ganze Entwicklungsstufe voraus — das ist der Fall der europäischen Aufklärung im 18. Jahrhundert: in ändern Fällen überdauert er den Übergang zu einer höheren ihm nicht mehr angemessenen Stufe. Gewiß ist der Überbau erst auf der Grundlage bestimmter Produktionsverhältnisse entstanden. Das schließt jedoch nicht aus, daß zeitweise vom Überbau eine Rückwirkung auf die Produktionsverhältnisse ausgeübt wird, und zwar bald in reaktiver entwicklungshemmender, bald in einer die Entwicklung fördernden progressiven Richtung. Fast sieht es so aus, als würden gewisse Marxisten die bloße Erwähnung der religiösen Erscheinungen als einen Rückfall in die bürgerlich-idealistische Auffassung verdammen. In Wahrheit ist eine solche Anschauung, die vor den wirklich bestehenden Überbauverhältnissen die Augen zumacht, mit den Grundprinzipien des historischen Materialismus unvereinbar. [...]
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II. Der sprachliche Grundvorgang und die Elemente der Sprache Die Mannigfaltigkeit der sprachlichen und sprachlich belehnten Situationen veranlaßte immer wieder die Theoretiker, die Sprache in eine Polarität oder Trinität von getrennt zu behandelnden Sprachfunktionen auseinanderzureißen. Man unterscheidet etwa die expressive, die kommunikative und die deklarative Funktion der Sprache. Im ersten Fall gilt Sprache als Ausdruck, im zweiten als Mitteilung, als Mittel der Verständigung und schließlich als „reine" objektive Kundgabe. Zuerst muß über das Verhältnis von Sprache und Ausdruck Klarheit geschaffen werden. Die Sprache kann alle möglichen Zustände „zum Ausdruck bringen". Ein anderes aber ist die Frage, ob der bloße Ausdruck, der auf Entladung zielt, zum Wesen der Sprache gehört. Die Befriedigung solcher Ausdrucksbedürfnisse gehört zum Alltag des Menschen und kann auch bei Tieren beobachtet werden. Eine gepfiffene, gesummte oder gesungene Melodie, aber auch die Marotte des Selbstgesprächs. Gemeinsam ist diesen so verschiedenen Ausdrucksbewegungen der monologische Charakter. Ein Partner wird gar nicht oder höchstens als äußerer Haftpunkt herangezogen. Nach der Meinung des Philosophen Max Scheler zeigt „zwischen Ausdruck und Sprache der phänomenologische Befund eine absolute Kluft. Zwischen erleben und ausdrücken besteht ein symbolischer Zusammenhang. Das Wort aber verweist nicht auf ein Erlebnis, sondern verweist auf einen Gegenstand der Welt". Zuvörderst muß festgestellt werden, daß ein Bedürfnis nach Ausdruck in diesem Sinn erst in einer bestimmten geschichtlichen Konstellation entstehen konnte, in einer objektivierten oder mechanisierten Welt, in der das Menschliche in den normalen Funktionen des Menschen nicht mehr sprechen konnte. Rousseau und die von ihm beeinflußten Sprachtheoretiker haben mithin eine späte Erscheinungsform ganz an den Anfang des Menschenlebens gerückt. Während der reine Ausdruck in der natürlichen Atembewegung verwurzelt ist, wirkt schon im Ansatz des Sprechens die Sprache dem einfachen Lebensrhythmus entgegen. Das ist der viel zu wenig beachtete Beitrag, den Humboldt für die Erkenntnis der sprachlichen Grundgesetze erbrachte. Die Laute entstehen in der Verkehrung des Atems und bilden gewissermaßen die Spiegelschrift, die sich im Vernehmen, durch die ausgelöste Antwort entziffert. Schon der Laut läßt Humboldt das Wesen der Sprache in der Entsprechung erkennen, als einen Vorgang, der nicht am selbstgenügsamen
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Ausdruck des Sprechers beteiligt, der seinen Haftpunkt erst im Vernehmen findet. „Der zurückgegebene Laut reißt sich aus der Brust los, um im anderen Individuum einen zum Ohr zurückkehrenden Anklang zu finden". Zum Wort gehört die Antwort. In der Antwort kommt die Spannung des Worts zur Entspannung. In der „Ausdrucksfunktion" der Sprache geht sowohl der angesprochene Partner der Rede wie die besprochene Sache unter. Um einen expressiven Ausnahmezustand im Sprachlichen aufrechtzuerhalten, hat man auf den Monolog und auf die Lyrik hingewiesen. Monologe sind ihrer poetischen Form entkleidete Selbstgespräche, wie sie entweder im lebhaften Vorgriff auf künftige Situationen gehalten werden, oder aber den Widerhall überwertiger vergangener Erlebnisse darstellen. In jedem Fall wird die Kurzschlußsituation, in die man geraten ist, durch den Appell an die Sprache aufgehoben. Man ruft sich selbst ins Gespräch und damit in den Strom des menschlichen Einvernehmens zurück. Was nun das lyrische Gedicht betrifft, so wird es aus der Sphäre des bloßen Ausdrucks schon durch das Streben nach sprachlich überzeugender Fassung der Gefühle herausgehoben. Der Appellcharakter der Rede, der Anruf zur Sache ist in dieser wie in jeder anderen Form der sprachlichen Kundgabe deutlich herauszuhören. Nur in der Entsprechung der vernommenen Rede wird die Sprache verbindlich. Es gibt Redeformen, die auf Antwort verzichten, aber nur, weil sich der Anruf durch die vorweggenommene Antwort verstärkt hat. Stummer Gehorsam ist als erwartete Antwort schon im Befehl enthalten: der Befehlende erwartet keine andere Antwort als die Befehlserfüllung. Sowenig die Sprache einem bloßen Ausdrucksbedürfnis gehorcht, sowenig kann sie sich mit bloßen Konstatierungen befassen. Zum Wesen der Sprache gehört die Auslösung des Appell[s], mag er sich auf einen einzelnen Partner richten oder die Entsprechung bei einer anonymen Leserschaft suchen. Sprache kann nicht lediglich einer Reproduktion von Seiendem dienen. Sie will darüber Einverständnis erzielen. Etwas sprachlich festmachen heißt immer zugleich sich für den Tatbestand gegenüber dem Partner verbürgen [...] Sprache ist ein gerichteter Vorgang. Die Adresse des Empfängers darf unterwegs nicht verlorengehen. Sprache hat daher immer den Charakter des Appells. Sieht man im Appell das subjektive Moment der Sprachfunktion, so wird doch allein durch ihn die Gegenstandsbeziehung erfüllbar. Gewiß kann man Sätze zusammenstellen, die in einem Gegenstandsverhältnis beschlossen erscheinen: Das Pferd ist ein Säugetier. Der Mensch besitzt zwei Arme und zwei Beine. Es sind Sätze, die sich die Grammatiker] als Kleiderhaken für ihre zahllosen Paradigmata
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ausgesucht haben — Sätze, die niemals in einer wirklichen Sprache gesprochen werden. Niemand fühlt sich durch selbstverständliche Tatbestände betroffen. Stelle ich fest: „Der Wal ist ein Säugetier", so habe ich dagegen [...] den Boden der Sprache wieder bezogen. Dieser Satz impliziert die Ergänzung: „und nicht, wie man meinen sollte, ein Fisch"; er appelliert an diejenigen, die sich durch den Augenschein täuschen lassen. Nicht mehr als Selbstverständliches wird auch bedeutet, wenn ich bei strahlendem Wetter meinem Nachbarn zurufe: „Schönes Wetter heute!" Aber der Sinn dieser Rede liegt in ihrem Charakter als einer Gesprächseröffnung. Die kontaktherstellende Formel glaubt mit dem Hinweis auf einen evidenten Sachverhalt den Fortgang der Rede zu sichern. Der gemeinsame Sachverhalt setzt das Gespräch in Gang. Der Appell erweist sich von neuem als ein in jedem Fall sachbezogener Anruf. Dieser Appell verfügt über eine große Spannweite von Modulationen, die sich bald mit lexikalischen, bald mit syntaktischen Mitteln verwirklichen lassen. Hierher gehören vor allem die Modi und die Tempora. Der Modus gibt dem Partner das besondere Verhältnis zu dem besprochenen Gegenstand zu erkennen. Wenn im Deutschen die oratio obliqua den Konjunktiv fordert, so wird zu der wiedergegebenen Behauptung ein mißtrauischer Abstand gewonnen. Der Angesprochene soll erfahren, daß es sich keineswegs um eine beglaubigte Behauptung handelt. Mit der Wahl der Zeitstufe wird zunächst nur das Zeitverhältnis bekundet, in dem sich der Sprecher gegenüber der besprochenen Sache befindet. Zeitverhältnisse sind wahrscheinlich aus der räumlichen Richtungsbezeigung und Lokalisierung entstanden: dieses und jenes, hier und dort. Bei dem Übergang zu Zeitverhältnissen wurde bald die Möglichkeit einer differenzierten Festlegung der verschiedenen Perspektiven geschaffen. Zwischen dem märchenerzählenden Plusquamperfekt und dem Gehorsam heischenden Imperativischen Futurum hat sich ein ganzes System von Zeitfolgen im verbalen Ausdruck ausgebreitet. Das Deutsche hat allerdings, wie auch andere Sprachen, dieses System der Tempora auf radikale Weise vereinfacht. Das Futurum mit werden ist nicht nur in den Dialekten verschwunden, sondern auch aus der Umgangssprache herausgedrängt worden. Die oberdeutschen Dialekte haben auch das Präteritum beseitigt, das durch das zusammengesetzte Perfekt ersetzt wird; umgekehrt besteht in den Mundarten und in der Umgangssprache des Nordens die Tendenz, das Präteritum auch mit der perfektivischen Funktion zu belasten. Dieser Bergrutsch, der das System der Zeitfolge im Verbum niederlegte, war aber nur die Folge, daß die anderweitigen Mittel des zeitlichen Aus-
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drucks schon bereit gehalten wurden. Solche Veränderungen traten nicht ein, um unverständlich Gewordenes zu ersetzen, sondern weil andere in der Sprache schon angelegte Möglichkeiten bevorzugt wurden. Im Deutschen dient der nuancierten zeitlichen Einstufung eine Fülle von Ausdrucksbestimmungen, die den Tempusgebrauch im Verbum entbehrlich erscheinen lassen. Unmittelbar der Kontakterhaltung müssen in die Rede gestreute Figuren dienen wie etwa: Wien sür! Certainement! Mais out! Je le crois bien. Auch das spanische jhombre! (Mensch!) bekundet die lebhafte Reaktion des Angesprochenen. Durch die Verschiebung des Akzents kann dieser Ausruf auf ganz verschiedene Weise die Bereitschaft oder Nichtbereitschaft zum Einschwenken auf die vorgebrachte Redelinie bekunden: ombre
ommbre
ombre
Steigender Akzent und Tonfall bekundet die Ablehnung, die sich unter einem partiellen Zugeständnis verbirgt, z. B. jHombre! No te digo yo ... „das nicht, aber ..."; mit dem Höhepunkt auf der Wortmitte drückt äußerstes Erstaunen aus, Überraschung, die ebenso freudig gestimmt sein kann wie besorgt; Fallender Ton und Akzent ist einem ablehnenden Resume vergleichbar; nur die Kontakterneuerung mildert die unwiderrufliche Entscheidung.
Ein Humanist wie Juan de Valdes konnte in den eingeschobenen Flickwörtern nur die Parasiten der Sprache erkennen. Immerhin registriert er getreulich Wendungen wie sie z. T. noch heute zur Kontaktverstärkung gebräuchlich sind: ^Entendeisme? — /No se si m'entendeis! — jpues! — tal — aqueste — asi. Wenn die Sprache nichts ist als logisch gegliederte Darstellung eines Sachverhalts, so sind die sich eindrängenden Zwischenrufe als sinnloser Wortballast zu verurteilen. Die Sprache ist in Wahrheit fortwährend bestrebt, die Bürgschaft des Angesprochenen für den authentischen Sinn der Rede zu gewinnen. Die eingeschalteten Zwischenrufe sollen die Überzeugungskraft der Rede verstärken, über sie die Aufmerksamkeit des Hörers durch entsprechende Hinweise auf die entscheidenden Gesichtspunkte hinlenken. Kontaktwörter dieser Art existieren in allen Sprachen, vielleicht in keiner so mannigfach wie in der spanischen Umgangssprache; sie ist zumindest die erste Sprache, in der diese Redewendungen systematisch aufgezeichnet wurden: Es handelt sich um verbale Eröffnungen wie /mira!
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„schau!", jmira a ver! „sieh doch mal!", \vera Od! „Sie werden gleich sehen"; eingeschaltetes digo „sage ich" oder dice „sagt er"; auf den Hauptumstand des Sachverhalts zielen: con que, vamos al grano „um der Sache auf den Grund zu kommen". Einleitendes \nadal will imaginäre Einwände von vornherein beseitigen. Aufmunternd ist \andal wogegen jvamos! in den verschiedensten Tönungen schillert. Daß solche Figuren teilweise schon einen grammatikalischen Stellenwert erlangt [haben], erhöht die sprachwissenschaftliche Dringlichkeit dieses ganzen Komplexes. Die Bewegung der Sprache, die in dem an den Partner gerichteten Aufruf zu einer Stellungnahme gegenüber einer Erscheinung der Gegenstandssphäre ansetzt, ist nicht in der fixierten Wortbedeutung, sondern ursprünglich nur in einem — wenn auch noch so verkürzten — Bewegungsvorgang, d. h. im Satz zu erkennen. Statt aus Worten Sätze zusammenzufügen, müssen wir der ursprünglichen Bewegung der Sprache folgend in der Einheit der Kundgabe die Voraussetzung sehen, die der isolierenden Operation in der Kristallisierung von Wortbedeutungen vorangeht. Erst durch den Sinn, den die gesamte Satzbewegung trägt, werden die einzelnen Wortbedeutungen erkennbar und erfüllbar. Das in den germanischen Sprachen waltende akzentuierende Prinzip fällt mit dem Wort zusammen, während in den romanischen und slawischen Sprachen der Satzton über alle Wortgrenzen hinwegfließt. Schon aus der Fügung der Sätze kann aber erschlossen werden, daß sich zuerst der Sinn des Ganzen erschließt, ehe die einzelnen Bedeutungen herausgehoben werden. Die Auffassung wird vor allem durch die Sinnkraft des Verbums gefangen genommen. Der Überblick über das Ganze wird am bequemsten durch die Stellung des Verbums am Satzbeginn eingeleitet. Drängt aber das Verbum, wie in unserer eigenen Sprache, zum Satzschluß, so greift der Sinn zunächst ins Leere — die Spannung wächst, die ihre Auflösung erst am Ende der Rede findet. Die Unterscheidung zwischen Bedeutung und Sinn geht auf eine Anregung des Sprachwissenschaftlers Ettmayer zurück, der in einer Arbeit „Über das Wesen der Dialektforschung" (p. 27) die durch das isolierte Wort erregte Vorstellung von derjenigen abgrenzte, die das Wort unter dem Einfluß der Nachbarwörter annimmt. Wir bezeichnen mit Sinn den Gehalt des Satzes, mit Bedeutung die Intention des Wortes. Es ist klar, daß der Zugriff auf den Satzsinn sich nicht über eine kunstvoll verschachtelte, periodisierte Satzbildung erstrecken wird. Der Humanismus, der diese Ausweitung des Satzes und die damit notwendig ver-
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knüpfte Verselbständigung der hypotaktischen Sätze verschuldete, hat doch wieder auf seiner eigenen Basis entscheidende Momente zur Wiederherstellung der Satzeinheit hervorgebracht. Das ist die humanistische Forderung nach Variation des Ausdrucks durch Synonyme oder synonymische Umschreibung. Eintönigkeit verletzt die Satzharmonie: durch Variation wird der harmonische Vielklang gesichert. Dazuhin kommt die Einführung der stark betonten obligatorischen Rhythmik am Ende der Sätze. Der Cursus (z. B. Daktylus + Spondeus) unterwirft die zersplitterte Einheit des Satzes einer einprägsamen Zusammenfassung. Demgegenüber ist zu beachten, daß Relativsätze ursprünglich Einschübe in die Rede waren, die zunächst mit demonstrativen Pronomina eingeleitet wurden (der = „dieser"). Die Umgangssprache kennt selbstverständlich keine Nebensätze. Seitdem die Schriftsprache dem Einfluß der Umgangssprache geöffnet wurde, gehören Perioden — wie sie noch Goethe und Kleist zu bauen liebten — zum schlechten Stil. Auch die französische Umgangssprache scheint trotz der verstärkten Bemühung der Sprachpuristen auf ähnlichen Wegen zu gehen. Immer häufiger werden Sätze, in denen statt der Unterordnung die beiden Satzglieder asyndetisch aneinandergereiht werden. Z.B. Je vous demande oü voulez-vous en venir? „Ich frage Sie, wie weit wollen Sie gehen?" statt Je vous demande oü vous voulez en venir „Ich frage Sie, wie weit Sie gehen wollen".
III. Bedeutung — Sinn — Begriff Das Primat des Satzes ist auch in der vorgängigen sprachtheoretischen Literatur häufig verteidigt worden. So sagt Hans Lipps: „Das gesprochene Wort hat um sich einen Hof von Unausdrücklichem. Aus dem Moment heraus spricht man. Und etwas wörtlich nehmen bedeutet daher zumeist: hängenbleiben am Wort und dieses zumeist in einer ihm fremden Bedeutung verstehen. Denn der tragende Grund für das Verständnis des Worts ist in dem vorverstandenen Sinn der Rede bezeichnet ... im Ton aus der Stimme ... aus der Situation ... Worte treten nicht als Träger einer autonomen Bedeutung auf ... Worte sind nur die festen Verknotungen der Rede ... Sie geben ihr den Halt." (S. 71)
Und an anderer Stelle: „Wo wir Worte machen — die Worte sich vordrängen, verdecken sie mehr, als daß sie enthüllen." (S. 115 ff.)
III. Bedeutung - Sinn - Begriff
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Von einer ganz anderen Seite her war Wundt zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Der unter seinem Einfluß stehende chilenische Sprachwissenschaftler R. Lenz sagt in seiner grundlegenden Arbeit „Über den Satz und seine Teile": „Die natürliche Einheit der Sprache ist nicht, wie man früher glaubte, das Wort, sondern die Rede (oracion) oder besser gesagt: der Satz (fräse), die Mitteilung, wobei wir von allen grammatischen Zügen absehen."
In seiner „Einführung in die Sprachwissenschaft" hat Karl Ammer darauf hingewiesen, daß die grammatischen und syntaktischen Leitschemata völlig automatisch erzeugt werden, während die bedeutungstragenden Elemente noch jederzeit durch bewußte Lautung [?] modifiziert werden können. Damit wird zwar nicht das genetische aber das wesensmäßige Primat des Satzes gegenüber dem Wort von neuem erhärtet. Der Satz als letzte Redeeinheit begriffen, darf nicht mit der logischen Satzinterpretation verwechselt werden. Man hat daher zwischen „Aussage" als letzte Redeeinheit und dem dann nur noch für logische Verhältnisse zu gebrauchenden „Satz" unterscheiden wollen. Die Logik läßt als Sätze nur solche gelten, in denen offenkundig eine Prädikation vorliegt. Sprachlich gesehen ist das Verbum kein unerläßliches Satzelement. Das Russische bildet ganz geläufig zeitwortlose Sätze. Im Deutschen haben wir sprichwortähnliche Wendungen wie: Ein Mann — ein Wort! Aus den Augen, aus dem Sinn. Keine Rose ohne Dornen. Von der Sprache her gesehen ist jeder Satz, der einen Vorgang bezeichnet, denkbar. Der Ausdruck des Satzes kann sich zu einem einzelnen Wort zusammenziehen: Herein! Willkommen! Unglaublich! usw. Die Sprache des Kindes geht aus von Bewegungsbegriffen. In Bildungen wie Papa, Wau-wau, Töff-töff usw. werden viele Gattungsbegriffe geschaffen. [...] Die Worteinheiten erhalten ihre Bedeutung erst durch die Realisierung des Satzsinnes. Ebenso muß man verfahren, wenn man, wie die Semasiologie und die Lexikologie, die Intention der einzelnen Wortbedeutungen zu ergründen versucht. Man kann die Bedeutung nur in ihrer Wortumwelt vernehmen. Daher ist in den bedeutenden lexikalischen Unternehmungen die phraseologische Umschreibung der Wortbedeutung ein seit langem, wenn auch [nicht] als theoretische sprachwissenschaftliche Einsicht, befolgtes Verfahren: Das Wörterbuch der Crusca, im Lateinischen der Georges, der Littre sind nach dieser Methode angeordnet. Gute Dienste leisten auch Wörterbücher bestimmter festgefügter Redeteile. Bestimmte Nomina werden gewohnheitsmäßig mit bestimmten Epi-
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theta verbunden. Es scheint so, daß sie „engrammatische" Einheiten bilden, d.h. daß sie aufs engste assoziiert sind. [...] Ein erstes Wortverzeichnis, das zu den Nomina die durch Gebrauch festgelegten Attribute vorbringt, erschien 1759 in Lyon, Daires „Les epithetes fran9oises rangees sous leurs substantifs". Da werden etwa zusammengestellt: Abdication: Absurdite: Circulation: Equilibre: Heretique:
honorable, prudente enorme, grossiere, insupportable aisee, genee, interrompue juste, parfait declare, impenitent, imfäme, perseverant, relaxe, temeraire
Auch im Spanischen gibt es eine Reihe von obligatorischen Verbindungen zwischen Nomen und Attribut. Franquelo y Romero verzeichnet: obrero honorado, sensation enorme, personale ilustre, calamidad espantosa, templo suntuoso, catedratico sabio, tertulia animada, escändalo monumental [...] Fürs Deutsche lassen sich gewohnheitsmäßige Verbindungen feststellen wie: niederträchtiger ausgedehnte unerhörte bange blinder unabsehbare bodenlose fürstliches
Anschlag Belehrung Dreistigkeit Frage Eifer Folgen Gemeinheit Gehalt
feiger übler dichter bittere unersetzbarer schnöder grober löblicher
Geselle Kunde Nebel Not Schaden Undank Unfug Vorsatz
Zahlreiche umfangreiche Wortgruppen lassen sich überhaupt [auf] keine Bedeutung festlegen: sie [scheinen] lediglich eine Satzfunktion auszuüben. Was bedeutet denn oder 50? Hierher gehört das ganze Heer der Konjunktionen, Präpositionen, Adverbialbestimmungen, Hilfsverben, mit denen die modernen flexionsmüden Sprachen mit Vorliebe hantieren. Aber vielleicht noch bedeutsamer ist die Gruppe der Homonyme, deren unterschiedliche Bedeutung nur der Satzzusammenhang erschließen kann. Was bedeutet «? Ein Wohnhaus, die Höhle des Fuchses, den Vorgang des Bauens, die Zunft der Bauarbeiter? Was englisch /Von?
III. Bedeutung - Sinn - Begriff
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Mit der analytischen Richtung, für die sich zahlreiche Sprachen entschieden haben, ist das Anwachsen homonymischer Verhältnisse unausbleiblich. Worte, die auf Gattungsbegriffe zielen, können nur in bloßer Allgemeinheit gelten. Was konkret damit bedeutet werden soll, muß denn auch der jeweilige Wortzusammenhang oder Satzsinn entscheiden. Es bestätigt nur unsere Auffassung, daß die präzise Wortbedeutung am engsten mit jenen Worten verbunden wird, die durch Anreicherung von Suffixen oder Bestimmungswörtern eine Mehrzahl von Vorstellungen verbinden: erbauen, anbauen, Schnellzug usw. Der Gefahr einer atomistischen Bedeutungslehre wollte der Germanist Trier durch die Aufstellung seiner Feldtheorie entgegentreten. Solch eine Feldeinheit umfaßt den Begriff und den Gegenbegriff, sowie seine synonymen Bedeutungsverwandten. Indem aber Trier den Zusammenhang nur in dem bedeuteten Begriff sehen wollte, versagt dieser fruchtbare Einfall in seiner praktischen Anwendung. Die Distinktionen müssen natürlich am Zustand der Sprache vorgenommen werden, damit man sprachlich Zusammengehöriges sprachlich erfassen kann. So etwa: „Das Wetter" Ein Wetter — Schönwetter — Wettermantel — Witterung — wittern usw. Eine weitere Methode zur Erfassung zusammengehöriger Wortbedeutungen ist die Onomasiologie. Sie geht von uns geläufigen fixierten Begriffen [aus], für den sie dann ein Äquivalentesystem in dem untersuchten Sprachbereich darbietet. Die Onomasiologie beschränkt sich darauf, das Sinnfeld zu umreißen, um dann einer semasiologischen Methode Platz zu machen. Die Onomasiologie hat keinesfalls als ein selbständiger Wissenszweig neben der Semantik [zu] gelten. Um sinnvolle Gruppierung einer Wortgruppe, die um einen einheitlichen Lebensbereich entsteht, bemüht sich die sogenannte Wort- und Sachenforschung, [die von den auffallenden] innersprachlichen Zusammenhängen absieht [und] aus den verschiedenartigsten Bereichen der Gegenstandskultur die einschlägigen Bezeichnungen zusammenstellt. Der Versuch einer Einteilung von Wortklassen bewegt sich immer zwischen den beiden Polen des Zeitworts, der verbalen Vorstellung und der nominalen substantivischen Reihe. Doch herrscht auch innerhalb dieser Grundtypen ein weiter Spielraum der Gegensätze. Im extremen Gegensatz zur Allgemeinheit der Gattungsbegriffe erreicht die Sprache im Eigennamen ein Maximum an Konkretion. Der Eigenname bedeutet nicht, er bezeichnet nicht, sondern er nennt mit demselben Wort, mit dem der Genannte angesprochen (angerufen) werden kann und über den er sich selbst vorstellt.
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Wenn ich von jemand namens Meier spreche, so ist es derselbe Name, den der Besucher bei der Vorstellung gebraucht: „Mein Name ist Meier", und auf den er angerufen — „Hallo Meier!" — unfehlbar reagiert. Der Name hat fast etwas von einem Besitz, ist persönliches Zubehör, und daher wird [auf] Namenwitze meist als üble Geschmacksverirrung auch empfindlich, ja feindselig reagiert. Es ist leicht verständlich, daß die Sprachmagie gerade im Eigennamen ein Mittel zur unfehlbaren Wirkung auf die Benannten fand und daß sie daraus schloß, daß Namen mit dem Wesen deren identisch ist; daß man sich also mit Namen in die Hand bekommt. Darin ist das Namentabu begründet, das die Religionen übernehmen. Wie ist es zu erklären, daß gerade der Eigenname am leichtesten vergessen wird, daß das Unverlierbare am leichtesten verlorengeht? Eine Erfahrung, die in der Psychopathologie des Alltags wohnt, d. h. die auch in der Erfahrung normaler Menschen eine Rolle spielt. Bergson erklärt diese leichte Anfälligkeit der Eigennamen mit ihrer Entferntheit von den motorischen Zeichen [...] Wundt geht dagegen davon aus, daß man zuerst vergißt, was am ehesten noch umschrieben werden kann. Abgesehen von den Fällen pathologischer Verdrängung, die ein überwertiges Interesse verraten, hängt die leichte Vergeßbarkeit der Namen gewiß mit der Interessenermüdung zusammen, der naturgemäß das Vereinzelte leichter verfällt als die generellen Bezeichnungen und als die Funktionswörter der Sprache, ohne die die sprachliche Verfügung über die Welt verlorengeht. Auch der Eigenname ist indessen gegenüber dem wirklichen Sein des Genannten oder sich Nennenden ohne Relevanz. Man entäußert sich nicht, wenn man sich als Meier vorstellt. Der Eigenname hat mit allen anderen sprachlichen Benennungen den Zeichencharakter gemeinsam. Er hat keinen sicheren Bezug zum Gegenstand. Die Gruppierung der Wortbedeutungen ist ein Problem, das seit langem im Vordergrund des sprachwissenschaftlichen Interesses steht. Über das Verhältnis der sprachlichen Benennungen zu den angezielten Objekten ist der Zeichencharakter der Sprache eindeutig umrissen. Das Lautsystem als sachbezogenes Zeichensystem will von den Dingen, auf die es hinweist, kein Abbild geben. Die Anzahl der onomatopoetischen Benennungen ist in allen Sprachen ganz unerheblich. Der Ursprung solcher Benennungen bezeugt sich noch daher, daß er [als] ein akustisches Phänomen gelten kann. Zweifellos werden die Wortbedeutungen nach ihrer Zusammengehörigkeit assoziiert. Einen Beweis dafür gibt die sogenannte „Volksetymologie". Der Weg, den die Wissenschaft zur Aufdeckung der Herkunft und der Ver-
III. Bedeutung - Sinn - Begriff
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wandtschaften eines Wortes beschreitet, wird auch vom unverbildeten Sprecher begangen. Daß er sein Ziel verfehlt, das Hegt an dem Mangel einer diachronisch-historischen Auffassung, die die Sprachwissenschaft vor dem einfachen Sprecher voraus hat. Aber die Volksetymologie erweist sich trotz ihrer sachlichen Unhaltbarkeit als weiterbildende Kraft. Beispiele sind aus allen Sprachbereichen zu entnehmen. Wir erwähnen nur: Attentat davon Attentäter, als steckte in frz. attentat „Tat"; Einöde < ernöte, durch Einwirkung von öd; Greif < grip < semit. Kherub, offensichtlich angelehnt an ahd. gripan „greifen"; Griffel < , wobei auch gripan „greifen" hereinspielt; Hängematte < karib. hamaca, auf „hängen" und „Matte" bezogen; Karneval < carnelevare „den Fleischgenuß aufheben", wobei carne vale mitwirkte; frz. fermer „schließen" < lat. firmare unter Einwirkung von fer < ferrum „Eisen, Schlüssel". Die Bedeutungen werden spontanerweise aus dem Zeichenmaterial erschlossen. Eine andere nicht minder volkstümliche Sprachtheorie, die in den Worten die Abbilder der Dinge [sieht], erweist sich von vorneherein als ein Irrweg. Die Sprache könnte sich niemals zu einem System der Entsprechungen zusammenschließen, wenn sie nichts anderes wäre als eine Sammlung der Abdrücke der Dinge. Schon in der Sprache des Kleinkindes, das Gattungsbegriffe durch Reduplikation erzeugt, ist der Anreiz des Abschilderns überwunden. Würde die Sprache versuchen, die Gegenstände abzubilden oder nachzuahmen, so könnte sie niemals zur Begrifflichkeit aufsteigen. Ja die einfachste Prädikation müßte den Horizont einer so verstandenen Sprache übergreifen. Obwohl nur vereinzelte Schallwörter sich mit Sicherheit aufzeigen lassen, spielt diese Art der Wortbildung in der Vorstellung der Sprecher eine bedeutsame Rolle. Die Aussprache vieler berufsmäßiger Sprecher und Schauspieler läßt das Bestreben erkennen, die besprochenen Dinge durch möglichst plastische Artikulation nachzubilden. Mag es ihnen auch in vielen Fällen gelingen, ihre Sprachauffassung den Hörern aufzusuggerieren, es handelt sich ja doch in jedem Fall, und auch im einzelnen Sprechakt, um eine Verfehlung des wirklichen Charakters der Sprache, die ein System von lautlichen Entsprechungen darstellt.
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Versuche zur Sprachtheorie
IV. Die Sprache als Werkzeug In welchem Sinn kann Sprache als ein Werkzeug gelten? Das Werkzeug ist ein Ding, dazu bestimmt, in vorgesehener Weise auf andere Dinge verändernd einzuwirken. Der Sprache ist eine solche Eignung nicht verliehen. Sie hat keine Möglichkeit, auf die besprochenen Gegenstände in unmittelbarer Weise einzuwirken. Sie bildet nur die Voraussetzung: Verständigung muß einer systematischen Anwendung von Werkzeugen vorausgehen. Die Sprache ist aber das einzigartige Werkzeug der Verständigung. Der Gebrauch der Sprache begleitet von allem Anfang an den Gebrauch des Werkzeugs. Ein zeitgenössischer Autor, Bernhard Rosenkranz, erklärt indessen in seinem „Ursprung der Sprache" (Heidelberg 1961), daß die Sprachentstehung nicht notwendig mit der Phase der Werkzeugerschaffung zusammengefallen wäre. Die Hilfe, die der Mensch von der Sprache zu gewärtigen habe, konnte er auch vor der Epoche der Werkzeugbildung gebrauchen. Dieses Argument ließe sich aber genauso gut für die tierische Gesellschaft geltend machen. Man kann hier höchstens von einem Signalsystem, nicht aber von Sprache sprechen. Tatsächlich fällt die Ur- und Vorgeschichte des Menschen vollständig mit der Erfindungsgeschichte des Werkzeugs zusammen. Der immerwährende Antrieb der ganzen Entwicklung war, Friedrich Engels zufolge, in der Erschöpfung der Nahrungsräume begründet. Als die einstigen Baumbewohner ihren abgeweideten Hochraum mit der horizontalen Lebensrichtung vertauschten, da konnte nur engster Zusammenschluß helfen und eine Chance im Kampf mit der feindlich überlegenen Mitwelt gewähren. Auch straffste Zusammenfassung gewährte nicht unbesiegbare Waffen. Es blieb nur ein Weg, aus der geschärften Erfahrung der bisher geleisteten Arbeit ein Mittel gesteigerter Leistung zu machen. Das Werkzeug entstand, mit dem die nunmehr vervielfachten Kräfte der Hand einen tiefen Ausschnitt dem bisher unbezwungenen Naturraum entrangen. Während eine werkzeuglose Gesellschaft (ein Rudel oder eine Meute) nur durch die vereinzelte oder zusammengelegte Körperkraft Wirkungen ausübt, kann der Gebrauch des Werkzeugs mit weit geringerem Aufwand von Kräften die vielfache Wirkung erzielen. Mit dem Werkzeug hatten die Menschen ein Ding geschaffen, das aussah, als ob ihm nichts mehr mit einem Naturding gemeinsam wäre. Die menschliche Arbeit, die darin steckte, verstärkte bei jedem Schlag die beinah drucklos erzielte Wirkung. Durch den Gebrauch des Werkzeugs war auch der einzelne in der Lage, den Vorspann der Gemeinschaftskräfte in Anspruch zu nehmen, und jeder einzelne wurde selbst durch seine vermehrte Arbeit zum Werkzeug der ganzen Gemeinschaft.
IV. Die Sprache als Werkzeug
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Für eine planmäßige Anwendung des Werkzeugs wie für die systematische Durchführung der Arbeitsteilung ist aber die sprachliche Verständigung unerläßlich. Als Werkzeug der Verständigung drängt auch die Sprache danach, wie jedes andere Werkzeug, ein „Höchstmaß der Wirkung mit einem Mindestmaß an Anstrengung zu erreichen". Die Leistungsfähigkeit des Werkzeugs erhöht sich mit zunehmender Materialersparnis. Die Entwicklung scheint vom äußersten Reichtum der singenden, keuchenden, schnalzenden, fauchenden Lautentfaltung zur straffsten Zusammenfassung des Zeichensystems in einer beschränkten Skala der Töne zu verlaufen. Während vor allem die Negersprachen noch mit verschwenderischem Reichtum der Laute operieren, ist der sprachliche Fortschritt von einer beständigen Schrumpfung der Zeichenskala und der Verknappung des Lautregisters begleitet. Der Fortschritt entsteht durch Verarmung der Ausdruckszeichen, die einen größeren Reichtum an Beziehungsformeln erzeugen. Die Fülle konkreter Differenzierung, die beispielsweise in einer Sprache an fünfzig Verbalbegriffe für die verschiedenen Variationen des Gehens hervorbringt, wird durch die beständige Arbeit des Abstrahierens und Klassifizierens vereinfacht. Auch Synonymik, d.h. das Nebeneinanderbestehen gleichbedeutender Worte, kann sich nur sporadisch durch Verwischung der unerkennbar gewordenen Bedeutungsdifferenzen behaupten. Auf die Dauer erträgt die Sprache keine parasitären Elemente. Sie stößt sie ab, sofern sie sich nicht in einer neuen Eigenbedeutung befestigen konnten. Das Vorhandensein gleichbedeutender Lautgebilde ist „ein absurder Luxus, den keine Sprache jemals sich hat leisten können" (P. Martin Abellän). Nicht immer hat man in den Synonymen einen von der Sprache nur widerwillig geduldeten Grenzfall gesehen. Der Humanismus bezifferte den Wert der Sprache auf den Reichtum des Ausdrucksmittels. Das Aufgebot der endlosen Synonymiklitaneien bei Rabelais und Fischart, diese gigantischen Heerscharen von gleichbedeutenden und aneinanderklingenden Wortgebilden entstanden in dem Bestreben, den Reichtum des Seins im sprachlichen Abbild auszuschöpfen. In jener Epoche galt die Synonymik als Maßstab und Inbegriff der sprachlichen Prosperität. Der Reichtum der Sprachgemeinschaft bestand im Überhang der Wörter über die Sachen. Das kommt in den Worten des vulgärhumanistischen Philologen Nardi (15[...]) eindeutig zum Ausdruck: „Dunque la bontä d'una lingua consiste nell'abbondanza delle parole e dei modi del favellare ...".
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Versuche zur Sprachtheorie
Der spanische Humanist Juan de Valdes hält die Synonymic für einen besonderen Schmuck der Sprache: Er führte eine Liste von angeblich vollständig bedeutungsgleichen Synonymen vor, deren Gebrauch besonders empfohlen wird: doliente cada parte fenestra conviene letra hinojos cama mohino candela
— — —
enfermo cada canto ventana cumple carta rodillas lecho melanconico vela
tapete mascara cuello ™na presto antorda can manana
— —
alhombra carätula pescuezo sarna aina hacha perro eras
Auch im 17. und 18. Jahrhundert erschienen Wortlisten oder Wörterbücher von Synonymen. Aber im Lauf der Zeit hatte der Begriff Synonymik [sich] in eine entgegengesetzte Richtung verschoben. Die Synonymik sollte nun nicht mehr Ausdrucksdoubletten zusammenstellen, sondern umgekehrt ein Bild der fein getönten Bedeutungsdifferenzen in dem scheinbar bedeutungsgleichen oder bedeutungsverwandten Material entwerfen. Das gilt schon für Girards 1736 erstmals erschienene „Synonymes francais". Die Ausarbeitung der Bedeutungsdifferenz ist ebenso hellhörig wie schlagkräftig. Das wird schon aus dem Paradigma Nro l ersichtlich: Avoir acces. Aborder. Approcher. On a acces entre. On aborde les personnes a qui l'on veut parier. On approche celles avec qui on est souvent ...
Sehr grundsätzlich wird die Aufhebung der Synonyma durch die Synonymik von Jovellanos, dem berühmten spanischen Staatsmann und Aufklärer gefordert: „Aber nichts widerstreitet der Forderung nach Präzision so sehr wie der unmäßige Gebrauch von sogenannten Synonyma: Diese treffen zwar im Ausdruck einer Hauptbedeutung zusammen, aber regelmäßig wenn nicht ausnahmslos kommt in ihnen ein Unterschied in den Nebenumständen zur Geltung. Schwerlich wird man in einer Sprache zwei Wörter finden, die dieselbe Bedeutung besitzen. Der Sprachkenner wird immer etwas Unterschiedliches herausfinden."
Als Beispiele solcher Synonyma [mit ...] nennt Jovellanos: gozo (moralisch) und gusto (physisch); joven (absolut) und mozo (komparativisch); auxilio (wer schon Hilfe bekommen hat, aber noch mehr braucht) — soccorro (wem zuwenig geholfen wurde) — amparo (wem noch gar keine Hilfe geleistet wurde).
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So war die Synonymik berufen, den erschöpfenden Nachweis zu führen, daß in der Sprache Synonyme nicht existieren, daß sich unter ihrem Anschein die feineren Bedeutungsnuancen verbergen. Der Reichtum der Sprache kann nicht in einer inflatorischen Aufschwemmung des Wortguts bestehen, sondern nur in der immer wachsenden Fähigkeit, mit einfachsten Mitteln auf die unendliche Vielfalt der Dinge und Situationen einzugehen. Der Reichtum der Sprache würde demnach vergeblich in dem Reichtum des Zeichenmaterials gesucht, statt in dem Reichtum der erschlossenen Bedeutungen. Die Homonymie ist also keineswegs als ein Symptom des sprachlichen Pauperismus zu fürchten. [...] Wir zählen zu den Homonymien sowohl die Fälle von lautlichem Zusammenklang zweier oder mehrerer Wörter mit völlig verschiedener Bedeutung und verschiedenen Wurzeln (z. B. franz. vers „Vers", vert „grün", vers „gegen, nach", verre „Glas", ver „Wurm") wie auch die Anreicherung eines Wortes mit neuen Bedeutungen und schließlich den Zusammenfall mehrerer Wortklassen in einem Wort (engl. iron a) „Eisen", b) „mit Eisen beschlagen", c) „eisern"). Homonymien entstehen dementsprechend entweder durch Lautveränderungen (lat. viridem wurde zu vert und vitrium zu verre usw.) oder durch Bedeutungsverschiebungen. Der Vokalismus der aus dem Vulgärlateinischen hervorgegangenen romanischen Sprachen ergab eine große Anzahl von Homonymien. Der Ersatz der flexivischen Systeme durch analytische Bezeichnungen hat bewirkt, daß in einer Reihe von Sprachen die Homonymie als Normalfall anzusehen [ist] (im Englischen und Chinesischen). Was jeweils gemeint ist, wird durch syntaktische Steuerung oder durch die Modellierung der Töne oder [noch] einfacher durch die jeweilige Wortumgebung hinreichend verdeutlicht. Trotzdem hat die Vorstellung, daß durch Homonymien Verwechslungen entstehen können, eine Reihe von Sprachforschern veranlaßt, in der Vermeidung von Homonymien durch neue Wortwahl einen der entscheidenden Faktoren der Sprachentwicklung begreifen zu wollen. Die Homonymie wird dann zum sprachpathologischen Phänomen, dessen Heilung die Sprache selbst zu übernehmen hätte. [...] Tatsächlich ist von einer Anstrengung der Sprache zur Beseitigung solcher Koinzidenzen keine Rede. Trotz des Gleichklangs ist die Befürchtung gering, daß ein Franzose, wenn er von Versen spricht, sich an Würmer oder Wassergläser erinnert. In den modernen Sprachen, in denen die Homonymien sich immer mehr häufen, scheint jedenfalls völlige Immunität gegenüber der Gefahr von Konfusionen zu bestehen.
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Wie sehr in der französischen Umgangssprache die Homonymie zur Norm geworden ist, beschreibt der Genfer Bally: „Dans le langage journalier il n'est pas un mot qui n'ait plusieurs sens et ne prete ä la confusion; on ne sait jamais exactement ce que c'est qu'une table, puisqu'il y a des tables ä ecrire, des tables de logarithmes, etc.; une colonne (colonne de temple, de Journal, etc.), un aufrage (ouvrage manuel, en dix volumes, etc.), jouer (du piano, aux cartes), relier (un livre, deux objets), essuyer (un meuble, une tempete), et ainsi de suite. Bien que dans la pratique les confusions soient evitees grace au contexte et ä la situation, le vocabulaire suffit a montrer que le langage ne progresse pas dans le sens de la clarte logique."
Wir möchten allerdings in Abrede stellen, daß die Homonymik die logische Klarheit beeinträchtigt. Indessen wird man die Meinung vertreten, daß sich die Sprache in irgendeinem früheren Zeitpunkt empfindlicher gegen die Homonymien erwies als heute? Für Gillieron war das Ausweichen vor der Homonymie geradezu die Schlüsselstellung für die französische Lautund Wortgeschichte. Er erklärt die gültige Wortform foin („Heu"), für lautgesetzlich zu erwartendes '"'fein, aus dem Bestreben, den lautlichen Zusammenfall mit fin („fein") zu verhindern. Ebenso wird der Übergang von minus zu moins statt zu ''meins mit Rücksicht auf main („Hand"), der von avena zu avoine statt zu *aveine mit Rücksicht auf veine („Ader") begründet. Gillieron stellt einen Satz zusammen: „Le cheval mange s'aveine (son avoine) et aussi du fein (foin) fin, mais meins (moins)". Aber ein solcher Satz kann entschieden keine Beweiskraft besitzen. Eher widerlegt er, was er beweisen sollte. Wenn es nur möglich ist, die angeblich von der Homonymik drohende Konfusion an einem mühsam zusammengestückelten sprachunüblichen Satz zu demonstrieren, so weist das eben darauf hin, daß in normal gesprochenen Sätzen die Homonymien sehr wohl auseinandergehalten werden. Gillieron hat einen großen Teil der lexikalischen Veränderungen aus der Furcht vor Homonymik hergeleitet und damit eine Reihe von Fällen erklärt, für die eine andere Auslegung bisher noch nicht gefunden wurde. Indessen [ist] die Kritik an einer philologischen Erklärung so wenig von dem Vermögen des Erklärers, eine bessere Auslegung zu bieten, abhängig wie die Kritik einer Dichtung voraussetzt, daß der Kritiker sich durch eigene Schöpfungen ausgezeichnet haben müßte. Immerhin lassen sich zahlreiche Fälle von Wortwandlung ausfindig [machen], auf die die Gillieronsche Erklärung keinesfalls zutrifft. Occidere „töten" ergibt altfrz. occire, ital. uccidere und würde spanisch *occidar hervorgebracht haben. Das Spanische hat jedoch die Fortbildung von occidere zugunsten von matar ausgeschaltet; für das altfrz. occire setzte sich tuer durch. Occidere kann hier keineswegs der Furcht vor Homonymien erlegen sein, da solche im weiten Umkreis des Wortes überhaupt nicht zustande kamen.
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Es wird ferner behauptet, lat. caput > frz. chief/span, cabo hätte die Bedeutung „Kopf" preisgegeben, weil diese Polysemie zu Verwechslungen Anlaß gegeben hätte. Span, cabo erhielt sich in der Bedeutung „Ende", was aber nicht hindert, daß neue Bedeutungen wie cabo „Kap" und cabo „Unteroffizier" sich wieder anreihten. Gerade mit dieser letzten Bedeutung ist der ursprünglich preisgegebene Bedeutungsumkreis von caput wieder relevant geworden. Man könnte auch an neueren Beispielen zeigen, daß auch die bedeutungsmäßig am meisten strapazierten Wörter noch immer fähig sind, neue zusätzliche Bedeutungen an sich zu ziehen. So das Allerweltswort geben durch die Bedeutung „Spielkarten austeilen" und setzen durch „seinen Einsatz am Spieltisch aushändigen". Zusammenfassend kann es als gesichert gelten, daß die Homonymien mit dem Prinzip der Materialreduktion zusammenhängen, das für die Werkzeuggestaltung eine ausschlaggebende Rolle spielt. Der Werkzeugcharakter der Sprache ist in der wachsenden Differenzierung der Bedeutungen begründet, die mit einem verringerten Wortbestand ausgedrückt werden können. Durch die Homonymie wird das Streben nach eindeutigen Bezügen nicht gefährdet. Der Gesichtspunkt der Knappheit und Präzision ist auch für die sprachliche Behandlung der Vergleiche und Metaphern bestimmend. Ganz allgemein kann man sagen, daß Vergleiche Stilerscheinungen sind, die eine funktionelle Bedeutung in der Sprache nicht übernehmen können. Die Bedeutungen können nicht zwischen zwei Vorstellungen, der verglichenen Sache und der Vergleichsmaterie in der Schwebe gehalten werden. Vergleiche oder Metaphern werden durch einen Prozeß der Versprachlichung grammatikalisiert; sie verlieren ihren Bildgehalt zugunsten einer rein grammatischen Funktion, die meistens auf steigende Intensivierung hinausläuft. Ganz wenige Vergleiche sind als solche in den Bestand des Wortschatzes eingegangen. Z.B. treu wie Gold, wobei der Zusammenhang von Treue und Gold überhaupt nicht realisiert wird. Das gilt in noch höherem Maß für die in den Wortbestand übernommene Vergleichsmaterie: sackgrob, stockdunkel, leichenblaß, grasgrün usw. Was „stock" mit „dunkel" zu tun hat, kann vom philologisch ungeschulten Sprecher unmöglich erraten werden. Stockdunkel wird dennoch als ein besonders hoher Grad von Dunkelheit verstanden. Wir hatten schon darauf hingewiesen, daß auch sachlich überlebte Ausdrücke unverändert mit der erneuerten Bedeutung verknüpft werden: das Licht anzünden für „anknipsen" usw.
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Dieses zähe Festhalten an den einmal eingeführten Zeichen, das für die Sprache so charakteristisch ist, dient zweifellos der Einsparung von geistigen Energien. Zum Werkzeugcharakter der Sprache gehört auch die Kontinuität des Sprachgebrauches, ohne die der Automatismus des Sprechens nicht zustande kommen könnte. Der gegebene Wortbestand steht gleichsam kostenlos zur Verfügung; seine Ausbesserung ist nicht ohne erheblichen Aufwand möglich. [...]
Sprache ist ein gerichteter, ein gezielter Vorgang — [sie ist] intentional. Sie setzt einen Sender voraus, von dem der Appell ausgeht, und einen Adressaten oder Empfänger. Damit aber Sprache sich am Gespräch entzündet, muß der Sender zugleich Empfänger sein [...] Dieser Gesprächscharakter geht bei den herkömmlichen Sprachdefinitionen unter: Sprache als Botschaft. Eine Botschaft ist jedoch nicht auf Antwort angelegt, sie wird in Stummheit hingenommen: sie ist sprachlich gewandet, aber sie nimmt nicht teil an der sprachlichen Realisierung im Gespräch. Dasselbe gilt für die Sprache als Mitteilung. Eine Mitteilung durchbricht den Kreislauf des Gesprächs und fordert die Anerkennung ihres objektiven Sinnes, die eine subjektive Reaktion des Empfängers ausschließt. Der Empfänger könnte höchstens behaupten, daß die Botschaft falsch sei, d. h. daß sie gar keine Botschaft ist und daß die Mitteilung den ihr inhärenten Sinn vermissen läßt, und das heißt ebenfalls, daß sie als Mitteilung fragwürdig ist. Schließlich Sprache als Ausdruck. Ausdruck um des Ausdrucks willen ist sinnlos. Wer ein Inneres ausspricht, will es vergegenständlicht haben, was aber wiederum nur durch den Appell an den bisher unbeteiligten Empfänger gelingen kann. Man „drückt etwas aus", um es jemandem (eventuell sich selbst) verständlich zu machen, da man die Teilnahme, das Einvernehmen benötigt. Daß es Selbstgespräche geben kann, monologische Situationen gibt, geht auf den Doppelcharakter des Senders als Empfänger und des Empfängers als Sender zurück. So konnte man auf den Gedanken kommen, im Monolog den Ausgangspunkt aller sprachlichen Tätigkeit zu erblicken und das Gespräch von da aus als eine Projektion des Selbstgesprächs zu deuten. Eine solche Theorie verstößt aber gegen einen evidenten, das Gespräch konstituierenden Sachverhalt. Das Gespräch hat zumeist in einer Frage seinen Ursprung. Durch die auf Antwort angelegte und Antwort heischende Frage bekundet sich die Angewiesenheit auf die Reaktion eines Empfängers. Man kann sich natürlich selbst fragen, aber das ist eine Projektion von außen nach innen. Die Selbstbefragung setzt ja gerade die Vergegenständlichung im Gespräch voraus.
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Botschaft und Mitteilung könnten freilich auch umgekehrt als Beweis der mangelnden Priorität und des mangelhaft fundierten Charakters des Gesprächs und der Gesprächssituation gelten. Aber beide, Botschaft und Mitteilung, sind in Wahrheit aus dem Sprachprozeß herausgehoben. Sie haben den Charakter des Befehls, der eben darin besteht, daß gegenüber dem gewöhnlichen Hin und Her des Gesprächs Gehorsam verlangt wird. Der Befehl setzt das Gespräch, das er ausdrücklich verneint, schon voraus. Man wird sagen, Mitteilung braucht nicht in der schroffen Form des Befehls zu verlaufen, sondern [sei] die einfache Autorität verlangende Feststellung eines Sachverhalts, dessen Gültigkeit auch bei der Ausklammerung des Hörers oder Lesers fortbestünde. Man wird daraus folgern, daß ein großer Teil der wirklich geschriebenen oder gesprochenen Sprache außerhalb jeder Gesprächssituation zustande kommt. Aber in Wahrheit ist auch dieser Typus der Mitteilung in doppelter Weise mit Sprache verknüpft. Primär im Erwartungshorizont des Autors, mit dem ein bestimmtes ihm „vorschwebendes" Publikum angesprochen wird. Dann aber in der Auseinandersetzung mit dem, was vor der Eruierung dieser mitteilenswerten Tatbestände Geltung hatte.
Sprache und Sprachen. In der Sprache, die man unwillkürlich spricht und gebraucht, werden die spezifischen Mittel, z. B. die Syntax der Sprachgest[altung], nicht bewußt, während der Sprecher fremder Sprachen gerade aus diesem Bewußtsein seine Sprechversuche bestreitet. Solange aber die Regeln der fremden Sprache noch im Bewußtsein stehen, wird sie konstruiert, nicht aber eigentlich gesprochen. Erst wenn die Regeln ins Unterbewußte zurücktreten, wird die Sprache „gekonnt". Sprache ist nicht im Sprachwissen oder Sprachbewußtsein fundiert, sondern in der Angewiesenheit der Menschen aufeinander.
Um über die Sprache selbst Untersuchungen anzustellen, muß man auch von der Sprache schlechthin ausgehen. Sie ist uns in dem, was [wir] ohne Rücksicht auf diese eine oder die andere Sprache sprechen, gegeben. Daher ist es ein Irrtum, Sprachphilosophie auf der äußeren Umfassung aller Sprachen zu begründen, wie Cassirer [es] tut.
Wenn Sprache nur einem Ausdrucksbedürfnis gehorchte, so würde das Sprechen in dieser Sprache zum Selbstzweck werden. Die Sprache ist aber
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ganz wesentlich durch ihren Zweck bestimmbar. Die Sprache, die sich Selbstzweck, die Sprache um der Sprache [willen] wäre ein Vorgang, der jede Relevanz vermissen ließe. Die Sprache selbst charakterisiert das Sprechen um des Sprechens willen, das Reden um zu reden abschätzig.
Was gemeint ist, wird daraus klar, daß die Rede, das wirkliche Gespräch seinen Charakter sehr viel schneller verantwortet als die Struktur der Sprache, ihren Formenbestand, ihre Syntax usw. Daraus folgert man, die diachronische oder geschichtliche Methode entspreche der schnell sich ändernden Rede, die synchronisch zeitfrei das Gefüge der Sprache untersuchende Methode werde der Sprache in ihrer Gesetzlichkeit am ehesten Rechnung tragen. Auf der anderen Seite sind Umwälzungen im Sprachgefüge viel tiefer und radikaler als die Wandlungen der Rede. Trubetzkoj hat das Gesetz aufgestellt: Es gibt keinen vereinzelten Wandel in der Sprache, z. B. einen Lautwandel, der nicht auf eine Änderung des gesamten Systems hinweist. [...] Sprachgeschichte hat also diese Wandlungen zu untersuchen. Letzten Endes setzt sie, diachronisch betrieben, erst den Rahmen zum synchronischen Verständnis des in einer bestimmten Phase sich bietenden sprachlichen Zustands. Die synchronische Betrachtung setzt die Diachronie voraus: durch die Diachronie wird die Möglichkeit der Synchronie erst geschaffen.
Zugunsten der Ausdruckstheorie ließe sich die Tatsache des Überschusses in allen sprachlichen Verlautbarungen anführen. Die Sprache sagt immer mehr aus [als] dies für die schlichte Verständigung erforderlich wäre. Die Sprache ist sowenig wie die Stimme linear; der Hauptton wird von Vibrationen begleitet, in denen sich Nebentöne verbergen. Das heißt aber nichts anderes, als daß mit jeder sprachlichen Eröffnung Nuancen, Unter- und Nebentöne angeschlagen werden, die eine weiter fortgeführte oder eine nur widerwillig zurückgedrängte Intention bekunden. Durch die Übernahme von Sprache wird die Gesprächssituation erweitert und vertieft.
Damit die Ansprache durchdringt, muß sie vernommen werden. Als Sender kommt immer nur ein vereinzelter Träger von Sprache und Stimme in Frage, dagegen kann dieser Sender von einer Vielheit von Empfängern ver-
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nommen werden. Dadurch entsteht die Möglichkeit, daß der Empfänger in seiner Gegenrede, von der Meinung einer Vielfalt von Vernehmenden getragen, an Nachdruck gewinnt. Das Gespräch will letzten Endes nicht nur vernommen werden, es strebt nach Einvernehmen, mit dessen Erreichen [denn auch die] Grundbewegung des unendlichen Gesprächs zwischen allen Menschen und Dingen endigt. Aber das Einvernehmen kann von einer anderen Seite her in Frage gestellt werden, und das Gespräch beginnt, auf einer neuen Stufe, von neuem.
[...] Man kann sich an einem lebendigem Gespräch nicht als Sprachpsychologe beteiligen, ohne daß die ursprüngliche sprachliche Ausrichtung auf die Sache bedroht wird. Daraus ergibt sich, daß sich lebendige Sprache in jedem Experiment verflüchtigt. Fixierung von einzelnen Zügen ist nur durch ein Überraschungsmanöver möglich. In Ansehung dieser Schwierigkeiten wird auch der Rückstand der Sprachwissenschaften erklärlich. Es gibt grundlegende Phänomene, die erst in dem 100. Lebensjahr der Sprachwissenschaft überhaupt beachtet wurden. So etwa die Existenz von verschiedener Männer- und Frauensprache, zu denen noch die Sprache der Jugendlichen hinzutritt. Die Phonologie hat diesen Unterschied zunächst nur bezeichnet und keineswegs in vollem Umfang darzustellen vermocht. Man wird sich nicht wundern, daß uns die Sprachwissenschaft über viele entscheidende Probleme noch Auskunft schuldet. Noch immer fehlt z. B. eine Arbeit über das deutsche Bestimmungswort. Es gibt eine Fülle von deutschen Mikrowörtern, deren Winzigkeit ein besonderes Schwergewicht für die Satzgestaltung verheimlicht. Es ist eine unscheinbare Wortgesellschaft, die aber für die deutsche Prosodik den Punkt auf dem i ist. Seltsamerweise hat man sich überhaupt nicht um dieses Phänomen gekümmert. [...] Diese Umstandswörter übernehmen gewichtige grammatische Funktionen, z. B. umschreiben sie den Verbalaspekt, erleichtern in anderen Fällen eine genaue Festlegung des zeitlichen Verlaufs. In ein und demselben Mikrowort lassen sich die verschiedensten Bedeutungen fassen. Zuweilen wird die Unterscheidung noch durch den Hoch- bzw. Nebenton verdeutlicht, in den meisten Fällen aber gibt es keine Unterscheidung der unterschiedlichen Bedeutungen ein und desselben Ausdrucks. Man könnte sagen, daß hier ein Unterfall von Homonymie bzw. Polysemie vorliegt. Ein neuer Beweis dafür, daß die Homonymik nicht wie Gillieron will ein pathologisches, sondern
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ein normales Phänomen in der Sprache ist. Verwechslung ist durch die verschiedene Wortumgebung ausgeschlossen, in der ein solches Adjunktiv reproduziert wird. [...]
Gerade die unterschiedliche Methode der sprachwissenschaftlichen und der sprachphilosophischen (oder -psychologischen) Forschung macht eine Konvergenz der auf verschiedenen Wegen angestrebten Effekte doppelt erstrebenswert. Sie müßte vor allem im Angesicht der grundlegenden und entscheidenden Fragestellungen in Erscheinung treten: In welchem Verhältnis stehen die gestikulatorischen oder Signal-Zeichensysteme zur gelauteten Sprache? [...] Die Sprachwissenschaft hat hier eine Vorentscheidung getroffen, die keineswegs von allen sprachphilosophischen Richtungen bestätigt wird: Die allgemeine Sprachwissenschaft unternimmt doch kaum den Versuch, durch die Erfassung der archetypischen Sprachenzweige den Sinn und die Richtung der Gesamtentwicklung zu bestimmen. Die philosophische Psychologie und die anthropologische Spracherkenntnis ist ihrerseits bestrebt, die für Sprache erforderliche Ursprungssituation von den nachträglich mit Sprache belehnten Situationen zu unterscheiden, um damit den Schwerpunkt der Entwicklung der Sprache zu gewinnen.
Daß der soziale Zufall der Gesellschaft — Klassen, kein sprachliches Korrelat hat, wird man als festes Ergebnis übernehmen können. Der Klassenkampf setzt die gemeinsame Sprache voraus! Der Lauf der Geschichte wäre allzu gemütlich, wenn aus dem gegenseitigen Unverstehen die Spaltung entspringen würde. Der Klassenkampf wird umgekehrt durch das unbegrenzte Verstehen einer tödlichen Interessenentzweiung total. Eine Klasse, die auf Totalität dringt, spricht bis zum letzten Atemzug die Sprache der nationalen Einheit. [...]
Die allgemeine Sprachwissenschaft hat in der Sowjetunion eine Reihe von sprachtheoretischen Thesen aufgestellt. Gegenüber der Stadienlehre von Marr wurde der Klassencharakter des sprachlichen Phänomens vollständig geleugnet. In der Tat fordert der Klassenkampf die Existenz eines irgendwelchen Zusammenhangs der feindlichen Klassen. Der Klassenkampf wird ja gerade gegen die Usurpation der Gesamtinteressen durch eine herr-
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sehende Minderheit ausgetragen. Die Bildung großräumiger nationaler Staaten mußte der Verbreitung gesamtnationaler Idiome dienen. Verläßt man allerdings das Gebiet der neueren Geschichte, so fordern die ganz anders gelagerten Sprachverhältnisse auch eine andere Erklärung. [...]
[...] Die Rolle der Sprache im Ganzen der Lebensführung bedarf der Ermittlung. Auch in der Sprachwissenschaft hat man die Dringlichkeit einer solchen Fragestellung eingesehen. Unter dem Namen der „allgemeinen Sprachwissenschaft" wird der Versuch unternommen, die Schlüsselstellung für alle Einzeluntersuchungen in die Hand zu bekommen. Indessen entpuppte sich meist die allgemeine Sprachwissenschaft als eine mit Recht und Unrecht unternommene Generalisierung von sprachwissenschaftlichen Aspekten, die sich am Forschungsgebiet des Sprachwissenschaftlers gewinnen ließen. Es ist eine unerlaubte Generalisierung, wenn das Verhältnis der deutschen Dialekte zur deutschen Schriftsprache auf eine Definition von Mundart und nationalem Idiom übertragen wird und wenn man versucht, aus der sprachwissenschaftlichen Erschließung der russischen Verhältnisse die Mundarten als sekundäre Phänomene zurückzustufen. Die These Hermann Pauls, daß „alle natürliche Sprachentwicklung zu einem unbegrenzten Anwachsen mundartlicher Verhältnisse führt", verliert im Augenblick der Entwicklung in der SU ihre beanspruchte Allgemeingültigkeit.
Für ein erweitertes Weltbild wird nicht in allen Epochen die Erweiterung des Wortbestandes zeugen. In Frankreich fällt seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts mit dem gewaltigen Zuwachs der anthropologischen und gesellschaftlichen Erkenntnis eine merkliche Neigung zur lexikalischen Kapitalverminderung zusammen. Ein selektives Verfahren entspricht dem erhöhten Anspruch auf sprachliche Qualifizierung. Die analytische Sprachtendenz bleibt nicht bei dem Veto gegen Neologismen stehen. Der Kampf mit der Synonymik erfordert zwangsläufig zuweilen schwerwiegende Eingriffe am überlieferten Wortbestand. Der Klassizismus des 18. Jahrhunderts wird sich des Andrangs der lexikalischen Neuerungen erwehren müssen. Der Kampf des 17. Jahrhunderts entbrennt um den als überfällig verurteilten Wortgebrauch. Die Preziösen treiben die analytische Tendenz auf die Spitze: das verbalistische Aufgebot
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darf über den hier entfachten Wortkampf nicht täuschen. Begriffe wie „Stuhl" oder „Lakai" sind nicht nur ob ihrer Vulgarität anrüchig; ein preziöses Sprachgefühl ersetzt die unzugehörigen Wesensbegriffe durch eine Umbewertung der funktionellen Positionen. Vom Übel des Dieners wird nichts als das unumgängliche Übel festgehalten. [...]
[...] Wortgeschichte ist, wenn sie nicht auf die lautlichen Prozesse beschränkt bleibt, immer Bedeutungsgeschichte. Die Bedeutungsgeschichte hat erst am Anfang dieses Jahrhunderts ihr Haupt erhoben, als die Sprachwissenschaft die Grenzen der Lautgesetze erkannte. [...] Die Lautlehre kann diese Verstöße der Sprache gegen ihre Gesetze nicht erklären, sondern muß den Blick vom Wort als Lautkörper auf die Bedeutung des Wortes hinlenken. Avoine heißt „Hafer". Der Hafer wurde aus dem Südosten von champagnischen Bauern nach Paris gebracht und mit ihrer Ware setzten sie auch die Bezeichnung durch. Tatsächlich führt champagnische Mundart e bedingungslos zu oi: pome, auch in anderen Fällen (conseil — consoil usw.; Brunot I, 318). Der Beitrag der Bedeutungsgeschichte beschränkt sich in diesem Beispiel darauf, eine unregelmäßige Erscheinung in einem Lautsystem (dem französischen) durch Übernahme aus einem ändern (dem champagnischen) historisch zu erklären. Oder ein anderes Beispiel: Schuchardt stellt die Etymologie für mauvais < vlt. malifatius „unselig" auf. Andere Forscher fanden eine Schwierigkeit in der Labialisierung von f zu v. Zur Bekräftigung seiner Etymologie spielte Schuchardt auf den Bedeutungswandel an, der einen vom Unglück Verfolgten „böse" werden läßt. Derselbe Bedeutungswandel liegt vor in mechant „böse" (mecheant „übel fallend"), ein ähnlicher in deutsch elend „heimatlos, arm, erbärmlich", im it. cattivo „schlecht" < captivus „der Gefangene, Los des Gefangenen" usw. Versuchen wir, auf Grund dieser einfachen Beispiele, an der Schwelle der Bedeutungsgeschichte schon eine erste Folgerung zu ziehen. Die Lautgesetze sehen den Sprachprozeß durch eine mechanische Gesetzlichkeit gewirkt, die Bedeutungsgeschichte faßt die Sprache als Schöpfung, als einen geschichtlichen Vorgang, sie hat den Willen des Sprechers zur Kundgabe vor Augen und nicht die Schicksale des Sprachmaterials. Daß z. B. für den menschlichen Kopf testa „Scherbe" anstelle von caput aufkam, ist ein sprachschöpferischer Akt, eine Metapher aus dem Volkswitz geboren. Solche Metaphern werden noch heute spontan hervorgebracht, wenn etwa für „Kopf" die Rede ist von Birne, Melone, Apfel usw. Indessen denkt natürlich kein Franzose mehr, wenn er tete sagt, an den sprachschöpferischen Ursprung aus dem Volks-
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witz, während wenn von Apfel oder Birne gleich Kopf gesprochen wird, der Wortwitz als eine bewußte Leistung des Sprechstils einleuchtet. Die Bedeutungsgeschichte will also die unbewußt gewordene Schöpfung im Bedeutungswandel bewußt machen. Da aber die Sprache mit gefestigten und gültigen Bedeutungen operiert, muß die Bedeutungslehre die Schöpfung unter diesem Gesichtspunkt des Durchdringens, der allgemeinen Verbindlichkeit ansehen und die Elemente vor allen in den gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen und den sie begleitenden religiösen, ideologischen, weltanschaulichen Wandlungen bereit halten. [...] Gegen die Semasiologie hat man in den letzten Jahren verschiedene Einwände vorgebracht, vor allem, daß sie den Begriff Bedeutung jenseits der Sprache verlegt und damit zurückfällt in die Auffassung, als wäre Sprache nur die lautphysiologischen Prozesse, zu denen dann ein Inhalt, eine Bedeutung jenseits der Sprache gesucht würde. Beispiel: inodiare — ennuyer — enojar. Dieses Wort inodiare hat seine ursprüngliche Bedeutung „hassen" zunächst zu „ärgern" verschoben, dabei blieb span, enojar stehen, während frz. ennuyer weiter ging und die Bedeutung „langweilen" an sich zog. Das Wort inodiare darf nicht als ein Lautkomplex angesehen werden, mit dem sich dann eine Bedeutung assoziiert hätte, vielmehr konstituiert sich mit dem Lautzeichen die Bedeutung. Man braucht darum das eingebürgerte Wort „Bedeutung" nicht zu verwerfen, sondern muß sich umgekehrt bewußt sein, daß die Bedeutungslehre die Sprache nur als ein Bedeuten auffaßt. Dazu differenzieren die verschiedenen Sprachen Worte und Wörter: [...] Von philosophischer Seite wird heute einhellig betont, daß Sprache niemals als ein Komposit aus Sinnlichkeit (artik. Material) und Verstand begreifbar wird. Scheler: „Die Artikulationseinheiten des akustischen Materials leben und sind von Gnaden der Sinneinheiten, die wir verstehend aus ihnen herauslesen". Ähnlich etwa Karl Vossler: „Silben, Stämme, Suffixe, Wort und Satzglieder sind sozusagen die Gelenke, in denen die lebendige Rede sich biegt und bewegt. Wenn man aber behauptet, daß Laute die Silben, diese die Worte, Worte den Satz und der Satz die Rede bilden, hat man einen ähnlichen Unsinn ausgesprochen wie mit der Behauptung: ,die Glieder des Körperbaus bilden den Menschen'."
— Man fühlt sofort, daß die Auffassung weitreichende Bedeutung hat. Sie unterwirft auch die bisher mechanisch naturgesetzlich erklärten Lautprozesse unter die Semantik. Vossler selbst hat einige Schritte in dieser Richtung getan und die Lautveränderung in den romanischen Sprachen aus einer seelischen Haltung, dem Satzakzent heraus erklärt. „Der Akzent ist Geist",
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schreibt Vossler, „in ihn muß die ganze Lautlehre eingehen". Und als Beispiel gibt er an: Während der Franzose die einzelnen Silben eher durch die Qualität des Akzents, also Tonhöhe oder Tontiefe differenziert, liebt es der Italiener, seine Rede vorzugsweise nach Quantitätsunterschieden zu gliedern, d. i. Tonstärke und Tondauer. So wird fidem fede, afrz. feis. So stark ist die italienische Sucht zu längen, daß sie auch mit einem mechanischen Hindernis fertig wird. Stellt sich ein Doppelkonsonant in den Weg, so ist Längung des Vokals artikulatorisch unmöglich: bello, donna. Der Italiener längt nun einfach die Doppelkonsonanz bello, donna und bleibt somit bei seiner Quantität.
Gegen die synchronische Darstellung ist geltend zu machen, daß die Sprachgeschichte nicht nur im Verlauf der Zeit sich abspielt, sondern daß Sprache auch einen jeweils erreichten Zustand hinterläßt. Jeder Sprachzustand besitzt sowohl progressive wie regressive Elemente. Doch nur durch die Diachronie des Ausgangspunktes wird er synchronische Darstellung eines Zustands bleiben. Wenn die Sprache ein System ist, so ist es ein System mit unaufhebbaren Spannungen, voller unausgeglichener Gegensätze. Nicht jeder syntaktisch korrekte Satz ist sprachlich vereinnehmbar. Eine jede Darstellung der Struktur der Sprache bevorzugt ihren fixierten normativen Aspekt, in dem sich am ehesten die Einheit eines Systems erkennen läßt: dialektal umgangssprachliche Redewelt wird nur als Variante zugelassen. Die Synchronie ist doch nicht nur geschichtsfremd sondern anachronistisch. [...]
Das Verhältnis von Sprache und Denken wird von zwei entgegengesetzten Thesen in gleicher Weise verkannt. Der rationalistische Zweifel an der Sprache geht häufig in völlige Skepsis. Die Sprache, die die Vernunft bedienen soll, müßte im Geist der Mathematik erst neu erfunden werden. Es wird dabei übersehen, daß das sprachlich gebundene Denken sich zu der höchsten Leistung erhoben hatte und auch noch weiterhin erheben könnte. [...] Der rationalistischen Hyperkritik setzt sich der irrationale Glaube an die Allmacht der Sprache entgegen: Die Sprache selbst ist schon unser gedankliches Weltbild. Im Grunde können wir über unsere Sprache hinaus nicht philosophieren. Die Sprache ist unser Schicksal; der einzelne übernimmt sein Weltbild schon aus der Sprache, an ihr ist das Weltbild der Sprachgemeinschaft geformt. Weisgerber nennt die Muttersprache „einen wesentli-
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chen Faktor, ja den wesentlichsten Faktor des kulturellen Lebens und des Menschseins überhaupt". Die Sprache bietet ein Werkzeug zur Verständigung. Um sich zu verständigen, braucht man sich nur der Sprache zu bedienen. Der Verständigung wird freilich durch die jeweilige Sprache eine unüberschreitbare Grenze gezogen. Zwischen den von ihr sprachlich durchdrungenen Nationen kann es weder ein Verschiedenes noch eine Gemeinsamkeit [geben]. Das ist die falsche Konsequenz, der sich der vor Weisgerber von Schmidt-Rohr verfochtene Sprachabsolutismus nicht entziehen kann. Man müßte weitere Folgerungen aus dieser absurden Lehre ziehen: Die Sprache denkt für uns. Das Weltbild, das die Sprache darstellt, kann nicht nur im Lexikalischen und Semantischen liegen, auch die Strukturgesetze und Operationen der Sprache sind an dem Aufbau der Weltanschauung beteiligt. Die Franzosen sprechen nicht französisch, weil sie Franzosen sind, sondern weil sie sprechen. Sowenig der Versuch, den Beistand der Sprache bei dem Gedanklichen radikal abzuleugnen, stichhält, sowenig kann die Subsumierung des Denkens unter die Sprache gelten. Zwischen Sprechen und Denken besteht ein dialektisches Wechselverhältnis. Der Sprechakt leistet die erste Voraussetzung des Denkens mit der Objektfindung: Wie der Grundverlauf der sprachlichen Äußerung in der Einheit des Satzes gipfelt, so wird durch die logische Analyse der Satz zum Träger von gültiger Aussagekraft erhoben. Durch die Fixierung der Wortbedeutungen zu Begriffen erhält die Sprache einen konzeptuellen Überbau, von dem her fortgesetzt die umgekehrte Bewegung zur Rückkehr ins sprachliche Leben einsetzt. Die Tendenz moderner Sprachen zur präzisen Festlegung aller Satzglieder und der Wortfolge ist zumeist dem Bedürfnis nach logischer Klarheit entsprungen und kann ihm weitgehend entgegenkommen. Die Angewiesenheit des Denkens auf die Sprache kehrt sich auf einer höheren Stufe um, auf der die sprachliche Gliederung sich schon als Vorform einer gedanklichen Ordnung ausweist. Greift man jedoch weiter zurück, so fragt es sich, ob die Angewiesenheit des Denkens nicht von vornherein auf die Realisierung der Sprache abhebt, ob es überhaupt möglich ist, sich ein außersprachliches Denken vorzustellen. Der Tatbestand läßt sich nicht leicht in Abrede stellen. Es gibt nicht nur Gedanken, die dem Wortstrom vorauseilen, sondern auch solche, die überhaupt nicht in Sprache münden. Z. B. technische Reparaturen, die ein hohes Maß an Kombinationsvermögen voraussetzen. Und schließlich gibt es Intuitionen, die nicht spontan, sondern nur durch unendliche Gedankenarbeit sich in Sprache umsetzen lassen. Auf der anderen Seite ist das in der gesprochenen Sprache meist völlig dominierende Gerede und Geplauder, in
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Versuche zur Sprachtheorie
das nur dann und wann ein zum Reflex reduzierter Gedanke einfließt. Die Psychopathologie des Alltags beweist, daß der vergessene Name oder die vergessene Bezeichnung keineswegs von einem Verblassen der damit verknüpften Vorstellung gefolgt sind. Bei Aphasien, bei denen nur das sprachliche Zeichen getroffen ist, ist die Schwächung der Verstandeskraft nichts Primäres, sondern nur eine Folge der Kontaktlosigkeit und des Verlustes der Fähigkeit, komplizierte Sprachprozesse mitzuvollziehen. Aus all dem geht hervor, daß Sprache und Denken nicht ein und dieselbe Funktion sind, sondern zweierlei Vorgänge, deren Konvergenz und gegenseitiges Verhältnis einer genaueren Untersuchung bedarf.
Betr.: Olaf Deutschmann .Zum Adverb im Romanischen"
Die Arbeit von Olaf Deutschmann ist die Frucht einer über lange Jahre betriebenen Materialforschung. Die Arbeit behauptet neben der vorher erschienenen deskriptiven Behandlung des Adverbs auf -mente von Hans Nilsson-Ehle (Les Adverbes en -ment, Lund 1941) durch die spezialisierte Untersuchung der intensivierenden Funktion („il est terriblement riche") ihren selbständigen Wert. Aus einem lebendigen Verhältnis zur französischen Sprache und zum gesprochenen Französisch gelingt es Deutschmann, das Phänomen zu verdichten und anhand des ausgedehnten französischen (d. i. galloromanischen) Materials die Verwirklichung einer durch die Adverbialbildung -mente schon bereitgestellten und nahegelegten Ausdrucksmöglichkeit auf einem breiten Ausschnitt aufzuzeigen. Für die Bewertung der Arbeit fällt entscheidend ins Gewicht der Reichtum an scharf beobachteten idiomatischen Einzelzügen, wogegen der Versuch einer Auswertung im Sinne einer vergleichenden Sprachbetrachtung der rechten Konsequenz ermangelt. Wenn Deutschmann aufgrund der dargestellten Erscheinung Beziehungen zwischen dem von ihm untersuchten Sprachgebiet und anderen Sprachbereichen aufdecken zu können glaubt, so mußte er zu allererst auf dem schon gebahnten Weg die nächsten Sprachverwandten und Verwandtschaftssprachen abhören: er müßte in dem von ihm gezogenen Rahmen zu allererst die romanischen Sprachen in Betracht ziehen und nur für den Fall, daß die zunächst gelegene Erwartung eines ähnlichen Ergebnisses getrogen hätte, die andersartigen Wege jener Sprachen zur Erreichung desselben Ausdrucksziels sichtbar machen. Solange dieser Weg nicht beschritten wird, kann der von Deutschmann angedeutete Adverbialgebrauch der germanischen Sprache[n] für ähnliche Ausdruckszwecke keine Beweiskraft besitzen. Italien und Spanien wird aber von Deutschmann nur am Rande behandelt, wobei nicht einmal die für jene Gebiete schon gemachten Vorarbeiten in
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Betr.: Olaf Deutschmann, „Zum Adverb im Romanischen"
erschöpfender Weise herangezogen wurden. Auf keinem Punkt der Arbeit wird die Perspektive der romanischen Philologie eröffnet. Nicht einmal hinsichtlich der Bibliographie, in der die benutzten Vorarbeiten und nicht verzettelte Arbeitsanzeigen Gewicht besitzen. So wird die Arbeit von Harri Meier (Ensaios de filologia romänica, Lisboa 1948) auch methodisch nicht ausgewertet, obwohl gerade hier die adverbiale Wortbildung den Mittelpunkt der Erörterung bildet. Ihren Tiefpunkt erreicht jedoch die Deutschmannsche Arbeit bei der Besprechung der spanischen, dem Französischen so nahekommenden Fälle consumadamente = entera o perfectamente, wenn er die unliebsame Annäherung mit der erstaunlichen Bemerkung abwehren möchte: „jedoch kaum Verstärker"! (S. 16, 1). Diese entscheidungsvolle Begegnung verliert ihr Gewicht nicht dadurch, daß sie zur Fußnote herabgedrückt wird. Im übrigen läßt sich für das Spanische schon seit dem 16. Jahrhundert die affektivische Verwendung der Adverbialbildung auf -mente als Ausdrucksintensivierung auf Schritt und Tritt belegen. Z. B. Fr. de Rioja: El aura, respirando blandamente. — ... a tus ojos dulcemente fieros. — el horrendo metal que noche y dia en torno al pie molestamente suena. — Ferner aus neueren Zusammenhängen: terriblemente, desmesuradamente, estupidamente, gigantescamente. Beinhauer beschreibt das Phänomen eingehendst in seiner „Spanischen Umgangssprache", in der Deutschmann sich hätte durch Wendungen überraschen lassen können wie inmensamente rico, extraor dinar iamente avaro, un negocio sumamente importante, es verdaderamente espantoso, exactamente igual, completamente opuesto, bermeücamente cerrado usw. Die Neigung zu solchen -raenie-Bildungen war schon in den Zeiten Quevedos ein solcher Sprachmißbrauch geworden, daß dieser Dichter ihnen ein paar Seiten seiner Sprachkritik widmet. Auch heutzutage stellt man Übersättigung fest und eine gewisse Tendenz, die ausgefahrenen Geleise der -raenfe-Bildung zu vermeiden (vgl. Criado de Val, Fisionomia del idioma espanol, Madrid 1954, S. 150f.). Ein schlagender Beweis gegen die Behauptung, im Spanischen würde hier lediglich ein Gallizismus sein Wesen treiben, erhellt aus Benito Fentanes, Espulgos de lenguaje, Madrid 1925, S. 147, wo die schauerliche Wendung „el teatro estaba materialmente lleno de mujeres" mit vollem Recht gerügt wird. Was aber schlägt der Purist als Korrektur vor: „el teatro estaba totalmente lleno de mujeres"!
Zur Lexikologie der Aufklärung I
Bei der geschichtlichen Anwendung von Matores1 lexikologischer Programmschrift hat sich von neuem gezeigt, daß von den geschichtlichen Jahrhunderten der neueren Zeit das Jahrhundert der Aufklärung, das uns zeitlich am nächsten kommt, von einer gesicherten Kenntnis noch am weitesten absteht. Wohl ließ sich mit den Markierungen der Bedeutungsgeschichte der klar durchmessene Ablauf der klassischen Literaturepoche in neue Beweiskraft versetzen. Das Wagnis der Sprachgeschichte begann erst auf dem schwankenden und heute allseitig umstrittenen Geschichtsfeld des 18. Jahrhunderts. Das zeigt schon die überraschende Fehldatierung einer Grundbedeutung, die wir als unentbehrliches Zeugnis für einen ersten Aufriß der Aufklärung nicht vermissen möchten. Der tief einschneidenden Neubelehnung von magasin „Laden, Warenhaus, Bazar" aus magasin „Lager", glaubt Matore mit folgendem Gedankengang gerecht zu werden: „La naissance de magasin est aussi caracteristique, eile marque une nouvelle conception du commerce: ä partir de 1820 ou 1825 les necessites de la concurrence incitent les commerfants (qui prennent frequemment le titre plus noble de negotiants) ä acheter directement au fabricant et ä entreposer en grande quanrite des marchandises dans ce qu'on baptise alors des magasins." (Matore, p. 66).
Kein Zweifel, daß hier ein Knotenpunkt der Entwicklung getroffen wurde; für die Geburt der neuen Bedeutung kann diese Erklärung jedoch nicht den geringsten Anhalt gewähren. Es war keine beliebige Wortbedeutung, die durch die anachronistische Geburtsanzeige Matores der Frühaufklärung entrissen wurde. Mit ihren ausgebreiteten Wurzeln erreicht sie noch vor der Jahrhundertmitte die literarische Sphäre in der Bedeutung des neuen Typus der Bildung vermittelnden Journalistik, in der sich ein neuer Stil der Werbung des Konsumenten von neuem bekräftigt.
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Zur Lexikologie der Aufklärung I
Auf das Prinzip der Konkurrenz braucht sich nicht erst der beginnende Kapitalismus zu besinnen. Im 18, Jahrhundert ist dieser klar erkannte Hebel der Produktionserhöhung gerade auf dem Gebiet des Einzelhandels so unbestritten, daß sich die ökonomische Theorie ein näheres Eingehen auf die Entwicklung des Einzelhandels ersparen zu können glaubte: „Si je ne park point ici du commerce interieur, c'est que je me persuade qu'on est d'accord aujourd'hui sur la necessite de le faire jouir de la plus grande liberte." (Mercier de La Riviere, „L'ordre naturel et essentiel des societes politiques", Londres—Paris 1767, T. II, p. 250.)
Man müßte in der Tat bis zu der Zeit der Zunftmonopole zurückgehen, um an den Ursprung der freien Konkurrenz im Einzelhandel zu rühren. Das waren naheliegende Erwägungen. Noch näher lag der Zugang zum Kompendienwissen, in denen ein Ausgangspunkt des Wissensstandes fixiert ist. Bei Littre wird eine Stelle von Mme de Sevigne erschlossen, bei Brunot aber der Übergang von magasin zu boutique durch klare Belege für das beginnende 18. Jahrhundert erhärtet. Trotz des überwiegend getrennten Wortgebrauchs von boutique „Laden" und magasin „Warenlager" hat sich der Umschwung schon im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts vollzogen. Dafür spricht eine königliche Verordnung vom 28. Februar 1723: „Ne pourront les libraires avoir plus d'une Boutique ou d'un Magazin ouvert pour la vente de leurs livres ... Veut S, M. qu'au devant de leur Boutique ou Magazin ouverts, ils soient tenus de mettre un Ecriteau ou Tableau (indiquant) ... qu'il s'y vend des livres."
Id., art. 12: „Les Libraires qui auront Imprimerie et Boutique ou Magazin ouvert de Librairie les tiendront dans le quartier de PUniversite ..."
Tatsächlich scheint der geringste Anstoß für den Übergang der einen zur anderen Bedeutung genügt zu haben. Zufolge einem Beleg von Littre wäre die Ausbildung der zweiten Stufe schon im Arabischen erreicht worden: „La estoient les boutiques des marchandises, que les Sarrasins appellent magasins, bien garnies." (Boucic. II, 46.)
Bei der Übernahme ins Spanische und Italienische stand aber die Grundbedeutung im Vordergrund. In den beiden südromanischen Sprachen wird erst durch französischen Anstoß die neue Bedeutung gefestigt. Weder die Crusca noch Menage läßt einen Anhaltspunkt dafür erkennen. Dagegen scheint sich bei Furetiere eine neue Entwicklungsmöglichkeit abzuzeichnen, wenn
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beispielsweise magasin als volkspariserischer Ausdruck im Sinne von „marchand" belegt wird. Das spanische „Diccionario de autoridades" bekundet die wachsende Ausbreitung des Wortes durch den Hinweis auf den gallizistischen Solözismus „almagazan usado de algunos autores castellanos sin necesidad". Tatsächlich war in Frankreich die neue Bedeutung damals schon aufgekommen. Der Weg zu der neuen Sinnbelehnung von magasin ist deutlich erkennbar. Das Warenlager rückt mit dem Verkaufsraum zusammen. 2 Die Sprache schenkt diesem Vorgang die größte Beachtung. Der Durchschnittsmensch begegnet den Produktionsvorgängen meist nur auf ihrem Endpunkt. Die Verbreiterung des Wohlstands wird ihm durch die gewandelten Formen der Organisierung des Konsums vor Augen geführt. Der Konsument hat diese Entwicklung selbst erzwungen. Das Bedürfnis nach reicherer Auswahl war auf dem üblichen Weg der Klientenbesuche nicht mehr erfüllbar. Die Kundschaft mußte den Warenmarkt selbst besuchen. Die Modegeschäfte werden zum Treffpunkt der eleganten Gesellschaft. Ein Glanzlicht von diesen Mode- und Luxusgeschäften ist in dem satirischen Feenroman des Claquemeisters La Morliere, Ch.-J., „Angola, Histoire indienne". 1748, P. II, p. 78 f. aufgefangen: „... eile la mena au palais et chez les marchands de modes choisir les dentelles et les petites soies les plus elegantes; eile passa ensuite au chagrin de Turquie, et se fournit d'aigrettes, de girandoles, de boucles d'oreilles, d'esclavages, et de rivieres de diamants. Elle commen£a par trouver tout detestable, et finit par prendre tout ce qu'on lui avait vante pour etre le plus beau, demeura trois heures chez le marchand, changea cent fois d'avis sur le choix des pierreries, lui fit mille questions sur les diamants qu'il vendait aux femmes de la cour, lui demanda avec distraction le prix de ceux qu'elle ne manqua pas de profiter pour les voler impunement, quoiqu'avec toute rhumilite et le respect possible."
Und Nolivos St.-Cyrs „Tableau du siecle" (1760) führt eine Szene in einem der modischen Galanteriewarengeschäfte vor Augen. Ein eleganter Stutzer, eine Halbweltdame und der unvermeidliche Abbe betreten den Schauplatz. Der junge Stutzer öffnet eine goldene Tabaksdose; die Dame bedient sich mit einer blasierten Gebärde, und währenddessen beginnen im Hintergrund zwischen dem Abbe und der hübschen Verkäuferin die Präliminarien. Bei diesem Handel wurde der Absatz ins Ungemessene gesteigert: „J'ai rencontre des femmes qui se faisaient un revenu de toutes les pretintailles qu'elles ramassaient les quinze premiers jours de l'an. J'ai vu d'aimables sots qui avaient pour vingt mille francs de comptes ouverts au Palais, sans pouvoir se vanter d'avoir eu la moindre faveur en echange des flacons, des eventails et des necessaires. Certain Abbe tresconnu, et qui re$ut l'annee passee les etrivieres par les Domestiques du P + + + a vecu pen-
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dant trois ans aux depens d'une Marchande de Mode chez qui il a place quatre jeunes tendrons a qui il avait donne les premieres legons d'amour. Quoi qu'on puisse dire centre les Modes, parce qu'elles entretiennent un esprit de prodigalite et de dissipation parmi une foule de jeunes gens des deux sexes, je suis ravi qu'elles soient plus abondantes dans ce siecle qu'elles n'ont jamais ete. C'est une preuve de notre aisance. Il y a deux ans que me promenant au Palais la veille du premier de Janvier ä huit heures du soir, jour oü rencontre un concours prodigieux de monde qui s'empresse a acheter mille bagatelles, ou ä jouir du coup d'oeil ravissant que presentent toutes les boutiques de bijouterie, j'acostai un grave personnage que je reconnus pour un farneux Predicateur, qui venait de remplir la chaire de saint G. pendant l'Avent. Cet Komme dont la severite est outree, s'etait fort etendu dans un de ses Sermons sur la frivolite des Modes, qu'il regardait, disait-il, comme le tombeau de l'innocence chretienne. Il est certain que les boutiques des Marchands du Palais etaient beaucoup moins brillantes il y a deux ans qu'elles n'ont coutume d'etre, ä raison de la misere des temps, suite inevitable de la guerre. Je liai conversation avec lui; et comme je lui faisais remarquer cette difference: Helas! me dit-il, Monsieur, avec le ton le plus pathetique et le plus capable d'inspirer de la douleur, nous devons gemir sur nos malheurs; cette diminution de gaiete et d'affluence de monde dans toutes ces boutiques, doit penetrer un bon Citoyen. Mon premier mouvement fut d'applaudir son sentiment, et venant ä reflechir sur le chagrin qu'il temoignait de voir les Marchands de Mode etaler et vendre beaucoup moins de pompons, de mouches et d'aigrettes qu'ä l'ordinaire, je concluai qu'il aimait encore mieux qu'on laissät l'innocence chretienne au tombeau, que de la voir ressusciter aux depens de notre bien-etre." (Nolivos St.-Cyr, Tableau du siecle. Geneve, 1760, p. 183 ff.)
Das nationalökonomische Schrifttum ist allerdings weit entfernt, dem Aufschwung des Einzelhandels auch nur einen mittelbaren Einfluß auf die Produktion zuzubilligen. Die Meinung Forbonnais' ist für die allgemeine Einschätzung der „detailleurs" bezeichnend: „Cette occupation plus commode que necessaire pour la societe concourt ä la circulation Interieure."
Die Blüte des Einzelhandels wird daher als eine Randerscheinung behandelt, die ihre Spuren in den sittengeschichtlichen Schilderungen der moralistischen oder beschreibend-realistischen Literatur hinterlassen hat. Die unzulängliche Darstellung Brunots ergänzen die folgenden Ausschnitte, mit denen noch keineswegs das Ergebnis eines erschöpfenden Zugriffs vorgelegt werden konnte. 1. 1692: (Regnard, J.-Fr.), „La precaution inutile", in: Gherardi, „Le Theatre Italien". T. I, Amsterdam 1701, p. 435: „Gaufichon: Avez-vous-lä quelque chose d'extraordinairement beau? — Mezzetin (en marchand anglais): Dans tous les magasins du monde vous ne trouvez pas d'aussi bon ouvrage ..."
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2. 1699: (Riviere Dufresny), „Amüsements serieux et comiques", p. 63: „C'est lä que le luxe vous conduit dans des Perous en magazin, ou les lingots d'or et d'argent se mesurent ä l'aune; et teile femme apres y avoir voyage avec quelque etranger liberal, porte sur eile plus que son mari ne gagne, et traine ä sä queue tout le bien d'un creancier." 3. um 1700: (Le Noble), „L'Ecole du monde", in: CEuvres, T. II, 1718, p. 191: „ —: Vous avez done vu le gros Stephanides dans ses Magazins, en robe de chambre legere et petit bonnet, donnant ses ordres de tous cötes. Vous avez vu un Komme qui sait bien apäter les goüts differents des femmes, et leur faire valoir la nouveaute. Avez-vous admire l'activite de quinze gar9ons aussi fiers avec l'aune ä la main, qu'un Carabinier avec sä carabine, et qui ont autant de plaisir ä passer leur vie ä deplier et replier des pieces d'etoffes, qu'un docteur ä feuilleter ses livres? Avez-vous remarque leur eloquence ä louer le dessin et la bonte d'une etoffe; le melange agreable de ses couleurs, et la force dont eile est: et cette complaisance perpetuelle d'applaudir toujours au penchant de l'acheteur pour arriver au debit; mais sur-tout cet ordre etabli dans ces Magazins, en sorte que la main se porte toujours sur ce que desire? —: Voilä le portrait du magazin de Stephanides; mais la fortune qu'il a faite dans son negoce, le bei ordre de ses magazins, Pobeissance de ses garcons, la maniere dont tout s'y gouverne comme dans un petit royaume, et cette pluie de Danae qui tombe continuellement sur le comptoir, tout cela m'a engage dans de grandes reflexions sur cette profession, et me donnait en meme temps de l'impatience de revenir ä l'entretien que vous avez bien voulu m'en promettre pour aujourd'hui." 4. 1727: (Le Grand), „La Nouveaute", in: „Repertoire du theatre franfais", T. 60, p. 65: „Momus: Tu es au service de la Nouveaute? ah, mon eher ami, que tu es heureux! tu sers pourtant lä une grande friponne. Mercure: Pourquoi? Momus: C'est qu'elle vole tous les jours les anciennes marchandises de nos magasins, qu'elle deguise le mieux qu'elle peut pour les faire passer; ... mais eile a beau faire, on reconnait toujours ses larcins." 5. 1728: (Labadie), „Les Aventures de Pomponius ...", Rome 1728, T. II, p. 91 ff.: „La premiere chose, qui frappa les yeux de Pomponius, fut un grand et vaste Magasin de Pucelages, tres-bien garni, et si plein, qu'ä peine pouvoit-on marcher dedans. Nos Romains ne S9avoient ce que c'etoit. Ils vo'ioient certaines choses, faites d'une certaine fa$on, qu'il est plus facile d'imaginer que de decrire. II y en avoit de Kubans, de Dragees, de Confitures, d'Or, d'Argent, de Pain, de Bled, de Toile, de Pois, de Feves, d'Esperance, de bleus, de verds, de rouges, de gris, de blancs, de noirs, d'amarillis, de Satin, de Dantelle, de Collation, de Vin, de Fruits, de Poesie, de Musique, de Peinture, de belles paroles, de bonne mine, etc. II y en avoit qui portoient cinq, six ou sept crans, et quelque fois davantage. ... II est, Monsieur, de plus de cent crans de toutes les couleurs et de toutes les especes imaginables. C'est en verite quelque chose de fort curieux. Les Administrateurs 1'ont fait mettre dans une boete de coton pour le conserver; et ils Pont depose dans le Cabinet secret, ou 1'on garde les Pucelages des Rois, Reines, Princes et Princesses. ... Enfin le Custode des Pucelages Royaux arriva, et apres les premieres civilitez, il introduisit les Romains dans le Cabinet secret, II etoit fort propre, et bien garni. Pison lui
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demanda son Pucelage. Pendant que le Custode ouvroit la boete et developpoit le Pucelage, Egnatius dit ä la Compagnie: si Pomponius avoit voyage, je croirois avoir trouve quelque chose qui l'interesse; voici un Pucelage intitule: Amise Princesse de Tyr et Pomponius. Celui-ci fut curieux de voir la piece. Tout le monde l'admira, parce qu'elle avoit bonne mine et etoit d'une beaute exquise. ... La Compagnie remercia le Custode, en sortant du Magasin aux Pucelages, et Menas la fit passer par un endroit du Vallon tout plein de Bouteilles et de Phioles." 6. 1756: (Coyer, abbe), „La noblesse commercante", in: CEuvres, T. II, Londres 1765, p. 131 f.: „Le commerce en detail presente, il est vrai, des objets revoltants pour une Noblesse si delicate en honneur, objets dont on n'a pas manque d'exagerer l'indecence. Ce Tablier d'apprentissage, cette balance ä peser, cette aune ä mesurer, cette poussiere d'un magasin, cet assujetissement aux volontes d'un Roturier, ces caprices, ces propos de PAcheteur; voilä encore de ces sujets intarissables de bonnes plaisanteries ..." 7. 1760: (Nolivos St.-Cyr, P.-A.), „Le tableau du siecle", Geneve 1760, p. 57: „Est-il done plus deshonorant de vendre des etoffes, ou quelque genre de denree que ce soit, qu'il ne l'est de debiter les bois qu'on fait abattre, et dont on fait le marche souvent avec plus de lezine qu'aucun commis de magasin?" 8. 1768: Grimm, „Correspondance litteraire", T. VIII, Paris 1879, p. 321: „Je ne lis point les drogues du magasin de Marc-Michel Rey, parce que j'en redoute l'ennui." 9. 1771: (Mercier, Seb.), „L'an 2440", Londres 1776, p. 18: „II me fit entrer dans une boutique me proposa de changer de vetement. Le siege sur lequel je me reposai n'etait point de ces chaises chargees d'etoffes, qui fatiguent au lieu de delasser; c'etait une espece de canape court, revetu de matte, fait en pente, et qui se pretait sur un pivot au mouvement du corps. Je ne pouvais me croire chez un frippier, car il ne parlait point d'honneur et de conscience, et son magasin etait fort clair."
10. In Lavallees „Lettres d'un Mameluck", 1803, p. 356 f., wird erzählt, daß in der Nähe des Louvre ein Maler im Auftrag eines Weinhändlers dessen Schild mit den Worten beschriftete: „Magasin de vin fains". Ein Spaßvogel machte den Handwerker auf seinen orthographischen Irrtum aufmerksam und veranlaßte ihn, die Schreibung von fains in feints umzuwandeln. Was denn auch wirklich geschah. Wenn man versucht, die Kurve der Bedeutungen nachzuziehen, so fällt eine rückläufige Bewegung auf, die auf dem Höhepunkt der Glanzentfaltung einsetzt und magasin tief unter boutique herabdrückt. Die Stelle in der Polemik um Coyers „noblesse comme^ante" gibt dieser Nebenlinie den Sinn eines Krämerladens und der commis de magasin ist nur noch der Schatten der eleganten Konfektionsjünglinge, die den Modepalast des Favoriteschneiders verschönten. Die Wirtschaftsgeschichte wird das Geheim-
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nis dieser Metamorphose nicht enthüllen können. Tatsächlich hat sich an den Verhältnissen nichts geändert. Nur daß die neu befestigte Bedeutung von magasin dem Schicksal aller strahlenden Dinge verfiel und durch ironischen Bedeutungstausch in den Staub gezogen wurde. Im Gegensatz zu dem traurigen Los, das in derselben ehrfurchtslosen Epoche der academic bereitet wurde, hat magasin wenigstens seinen unbefleckten Leumund erhalten können. Im übrigen kann hier das Goethewort gelten, daß jeder Sinn den Gegensinn hervorruft. Die Ironie ist zum Hebel dieser fatalen Dialektik geworden. Sie wacht darüber, daß nicht alle Bäume in den Himmel wachsen und die Sprache nicht durch die Inflation der pathetischen Ausdruckssteigerung Schaden erleidet. Nur in den Grundbedeutungen läßt sich das einheitliche Gepräge, der überall wirksame Sinn der Epoche vernehmen. Der Weg vom „Warenlager" zum „Warenhaus" fällt in den letzten Abschnitt der Manufakturepoche, in dem die Ausweitung der Warenerzeugung tiefgreifende Wandlungen hervorrief. In derselben Zeit hat sich der Typus der literarischen Produktion gewandelt. Die Journalistik vollbringt die Anpassung an die neuen literarischen Marktverhältnisse. Eine Unzahl von Traktaten über den „Geschmack" dient dem Studium der literarischen Absatzverhältnisse. Der Warencharakter wird in der mannigfaltigen Serienproduktion der Literaturjournale sichtbar. Der Name des literarischen Magazins bezeugt es schon frühe. Das wird in Hatins noch immer nicht überholter Darstellung der holländischen Aufklärungspresse in französischer Sprache für das Jahr 1741/42 verzeichnet: „Le tnagazin des evenements, de tous genres, passes et futurs, historiques politiques et galantes ..."
Ein Überblick über die Titelverzeichnisse der anonymen Schriften der zahlreichen und erstaunlich zuverlässigen Bibliographien des 18. Jahrhunderts kann eine Vorstellung von der schnell und üppig aufgesproßten Magazinblüte geben. Seit den 50er Jahren hat das Magazin durch Madame de Beaumont seinen Typus befestigt. Der Mtfgdzmartikel ist ihre besondere Leistung, ist ihre Denkform. Und sie verknüpft sich mit der keineswegs zu unterschätzenden Sendung, die Aufklärung in die noch unerschlossene Dimension der reifenden Menschheit zu tragen. In Madame de Beaumont ist aus der Aufklärung ein Jugendartikel geworden. Der Name des Magazins verband sich mit ihrem Namen und galt als eine sichere Bürgschaft. Der Typus des Literatur-Magazins fällt unter das Grundgesetz der Absatzvermehrung. Die neue Form der Warenerzeugung bestimmt nun auch
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die Absatzprobleme der Literaturprodukte, in der die Rücksicht auf rationale Bedürfnisse beseitigt wurde. Die „magische" Verheißung scheint durch den Anklang des Wortes geweckt zu werden, vielleicht auch die Reminiszenz an die Thronbesteigung der „imagination", mit der die Aufklärung den Bruch mit der Klassik vollendet. — Und damit berühren wir die Bedeutungssphäre der ästhetischen Stammbegriffe, in denen Matore die Aufklärung zu umfassen versuchte. Ein Höhepunkt dieser Auseinandersetzung würde durch den Zusammenfall der neu aufkommenden Verunglimpfung charlatanisme mit den zur Oberfläche drängenden Grundbegriffen eines unterschwelligen Irrationalismus erreicht sein. Der „Rationalismus der Aufklärung" hätte das Bannwort geschaffen, mit dem er der Krise der Zeit entschlossen begegnen wollte: „De meme esoterique qui apparait en 1755 marque le debut d'une reaction contre le rationalisme des lumieres qui repond en qualifiant de charlatanisme (1752) cette manifestation de l'esprit irrationnel." (Matore, p. 66.)
Die sinnreiche Konstruktion fällt schon mit dem Nachweis in sich zusammen, daß charlatanisme bereits Jahrzehnte vor jener ominösen Begegnung in Schwang war. Die bereicherte Wortbedeutung gibt schon ein unmißverständliches Lebenszeichen in dem 1716 erschienenen Buch des Leipziger Professors J. B. Mencke, der schon als Herausgeber der epochemachenden „Acta eruditorum" den Anspruch besitzt, zu den Vorkämpfern der Aufklärung gerechnet zu werden. Der Titel des Werkes beweist, daß die Pfeilrichtung des Schimpf- und Glimpfwortes Scharlatanismus von einem Kampf mit dem Irrationalismus gar weit entfernt war; in ihm scheint sich der Scheidebrief der Aufklärung an den Humanismus zu betiteln. „De charlatanena eruditorum declamationes duae" ist schon durch die Dedikation als eine Stellungnahme zu dem in Frankreich damals auf die Spitze getriebenen literarischen Bürgerkrieg zwischen anciens und modernes bezeichnet. Es braucht nicht erwähnt zu werden, daß „charlataneria" und das gleichwertig gebrauchte „charlatanismus" als Gallizismen ins Neulateinische kamen. Wir sind also, weit entfernt vom Geburtspunkt des Wortes, auf einem Höhepunkt seiner Entfaltung. Hier ist der weiteste Umkreis der Wortbedeutung gezogen. Für den Leipziger Humanisten sind alle Sünden wider den Geist darunter betroffen. Das Werk, das 1716 in Amsterdam erschienen war, wurde 1727 und 1747 wiederaufgelegt und außerdem in vier oder fünf französischen Ausgaben verbreitet3. Der Welterfolg eines so betitelten Werkes kann selbstverständlich nur durch den Welterfolg der Wortbedeutung erklärlich werden. Hier ist ein erschöpfendes Repertoire
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aller wissenschaftlichen Sünden gegen den Geist, aller unverzeihlichen Blamagen und Bloßstellungen der Wissenschaftler, die von der Wissenschaft nichts übrig lassen als einen Widerhall von leerem Gerede, von „ciarla". Das italienische Wort ist also durch französische Lombardisierung in die neuhumanistische Wechselkasse gekommen. Eine Stelle in Molieres „Tartuffe" legt die Vermutung ununterbrochener Geltung vom 16. zum 18. Jahrhundert nahe. Wie stark das Erscheinungsbild des ersten Charlatans aus der „Satyre Menippee" nachwirkt, läßt sich aus einem Werk von 1787, also für die Zeit nach Matores erster Datierung, erschließen. Jedermann kennt die Hampelmänner, die mit marktschreierischen Faxen und ohrenbetäubendem Stimmenaufwand ihre giftige Ware an den Mann bringen wollten.4 Der mystische Scharlatanismus ist Gegenstand dieser ungöttlichen Komödie. Der Scharlatan bleibt in allen Verwendungen auf den Wortsinn verpflichtet. Er ist ein Betrüger mit Worten. Sehr häufig sogar besteht sein Betrug darin, daß er mit der Währung der Worte seine Schulden bezahlt. Das ist der lebendige Beweis dafür, daß Sprache keine Deckung in der Sache haben kann. Die Deckung kann nur bei dem Ernst der Sprecher liegen. Und hier ist Täuschung möglich. Die Scharlatanerie ist ein System der Täuschung und der Scheinerzeugung durch konsequenten Mißbrauch der stets willfährigen Sprache. Die Vortäuschung von Kunst wird durch Geschick und Routine eine Kunst der Täuschung. Ein hohes Maß an sprachlicher Technik ist für den Tatbestand des Scharlatanismus unerläßlich. Der Kampf der sensualistischen Aufklärung hat nicht gewagt, den Rationalismus Descartes' des Scharlatanismus zu zeihen.5 Es war ein Unterschied der Nuance, indem man seine „romaneske Philosophie" für ein Produkt der übermächtigen Phantasie erklärte: „Qu'on ne savait plus ä quoi s'en tenir depuis que M. Descartes avait public son Roman de la nature ..." (P. G. Daniel, „Voyage du monde de Descartes", T. 2, La Haye 1739, p. 161.)
Der Übersetzer von Algarottis sensualistischer Boudoirphilosophie sah sich veranlaßt, im Vorwort für den allzu schnöde mißachteten Descartes eine Lanze einzulegen. Aus seiner Apologie wird erst ersichtlich, wie schlimm es um den Ruhm seiner Helden bestellt war. Er klagt darüber, daß die Häupter der rationalistischen Schule als „esprits romanesques, livres a la temerite des conjectures, entraines par la fureur de fabriquer des systemes" verschrien seien. (Duperron de Castera in der Preface zu Algarottis „Le Newtonisme pour les Dames", Paris 1738). Das ist noch der höflichste Vorwurf an diese Adresse. Der in die Minderheit gedrängte Rationalismus war
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nicht mehr in der Lage, so grobe Geschütze gegen eine Welt von Gegnern zu verschießen. Der Vorwurf des Scharlatanismus sinkt mehr und mehr zu einem Gewürz der Kapuzinerpredigten, die wie eine Sündflut die Wege der Aufklärung überschwemmten. Für sie macht sich der ganze Vorsatz, das Reich der Menschen herbeizuführen, der Gaukelei verdächtig, ein Vorwurf, den erst die französische Revolution mit Nachdruck widerlegte. Scharlatanerie ist die emanzipierte Vernunft, die den Aberglauben im Schatten des verdrängten Gottesglaubens ermächtigt. Zwei unverdächtige Kämpfer im Kreuzzug wider das philosophische Jahrhundert, der Marquis von Caraccioli und der fanatische Klassizist Rigoley de Juvigny, sind hier die berufenen Zeugen. „Le temps croyait aux sorciers serait-il revenu? Car il n'y a gueres de difference entre les sorciers et les somnambulistes. Ne dirait-on pas que les loges des petites maisons sont restees ouvertes, que les fous en sont sortis pour troubler la societe par de nouvelles folies, plus dangereuses que celles qui les avaient auparavant fait enfermer? - C'est pourtant au milieu d'un siede philosophe, dont on vante les lutnieres, que renait la folie des sciences occultes, et qu'on en impose aussi effrontement au public, toujours avide de nouveautes! Qu'on ne s'imagine pas cependant que le peuple, les gens simples et peu instruits soient seuls les dupes de ce grossier charlatanisme?" (Rigoley de Juvigny, „De la decadence des lettres et des moeurs", Paris 1787, 2e ed., p. 469.)
Nicht anders, wenn auch im Ton gemäßigter, der Marquis von Caraccioli: „Quant ä tous ces ouvrages philosophiques ou il n'y a point de philosophic, je les faisais aussi facilement qu'un roman; et voila tout le secret du charlatanisme. On debile des reves qu'on assure etre des decouvertes toutes neuves, et couvre de ridicules ceux qu'on a interet de rabaisser. L'imagination s'echauffe, la plume court, et un ouvrage se trouve fini sans qu'on sache meme comment on l'a commence." („Voyage de la Raison", in: „Voyages imaginaires, Songes, Visions, et Romans Cabalistiques", 1788, T. 27, p. 356 f.)
Es bleibt uns noch übrig, die Grundbegriffe der „irrationalen Unterströmung" abzuhören, die Matore erst in der Jahrhundertmitte vernommen hatte. In Wahrheit hatte die Lockerung des klassizistischen Rationalismus mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts den Spielraum der Intuition gewonnen, die sich reihum der alten Begriffe der Poetik bemächtigt und in der alten Bedeutung die neu getönten Modeworte in Kurs setzt. Sie bilden die Erbschaft Diderots und nicht seine Schöpfung, womit die nachgewiesene Datierung des Wortgebrauchs das Anrecht auf die Erstgeburt verliert. Die Zugverspätung, mit der die Ankunft von creation, magie, enthousiasme usw.
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in den Schicksalsjahren der angebrochenen Jahrhunderthälfte von Matore registriert wird, erklärt nur eine irrige literarhistorische Konzeption. Den Nachweis des wahren Ursprungs für jeden einzelnen Begriff zu erbringen, bedeutet, den richtigen Fahrplan zu entwerfen, die umzuschreibende Geschichte der Aufklärung vorwegzunehmen. Wir werden uns wohlweislich auf den Nachweis gesicherter Lebenszeichen beschränken. Am augenfälligsten steht enthousiasme im Mittelpunkt der seit dem Jahrhundertbeginn um die Poetik entbrannten Diskussionen: La Motte besingt den Enthousiasmus in einer Ode (1711). J. B. Rousseau nimmt wenig später das Wort als Stammbegriff für die lyrische Bewegung in Anspruch, wofür die Belege aus seinen Oden leicht zu entnehmen sind. 1720 erschien in französischer Übersetzung ein Auszug aus Lockes „Essai sur l'entendement humain" mit einer umfassend geführten Polemik gegen „enthousiasme", von dem gesagt wird, „qui dedaignant la raison voudroit sans eile etablir la Revelation" („Abrege", p. 229). Die Abwehr des mystischen Erkenntnisanspruchs vermochte die Geltung von enthousiasme nicht einzuschränken. Auf dem Höhepunkt der ästhetischen Diskussion spricht Saint-Mard 1734 von einem poetischen „abandon plus entier ä V enthousiasme" („Reflexions sur la poesie"). In derselben Weise ist der Ansatz von createur, creation um mehr als ein Menschenleben verspätet, wie die einfache Feststellung in dem „Dictionnaire neologique" von Bei und Desfontaines (1728) bekundet: „on ignore l'heureux createur de ce mot." Für magie ist schon ein Beispiel von Moncrif bezeichnend: „Ce don (gemeint ist conversation) parait quelquefois une espece de magie, il y a des gens, dont le langage fascine." Die seit dem Anfang der 30er Jahre zur Epidemie anwachsenden Feenerzählungen verweisen hier auf das entscheidende Feld der Neubelehnung, mit dem der junge Diderot als Autor der „Bijoux indiscrets" ans Ende einer literarischen Tradition tritt. Der Kampf der Aufklärung mit dem Rationalismus hat die Bezeichnung des Rationalisten geschaffen und damit frühzeitig die Angriffsrichtung der philosophischen Aufklärung bezeichnet. Die Kennzeichnung dient offensichtlich dem tendenziösen Versuch, die Beschränktheit einer monomanischen Thematisierung festzunageln. Die Absicht der Minderung und Karikierung ist unverkennbar. Der Cartesianismus hätte sein ontologisches Streben verleugnet, wenn er die Bezeichnung des Rationalismus angenommen hätte. In der Zeit des Niedergangs einer solchen Bewegung geht die Sprache über den Einspruch der minoritär gewordenen Gruppe hinweg und zeichnet, indem sie bezeichnet, verurteilt, indem sie urteilt. Das für die Charakteristik herausgegriffene Symptom wird dann zur fixen Idee, zum karikieren-
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den Sparren. Und so beglaubigt sich in der Tat die Schöpfung des Wortes Rationalismus als eine Verunglimpfung durch die sensualistische Frühaufklärung. Die holländische Journalistik, bei der in den ersten Jahrzehnten die wichtigsten Fäden zusammenliefen, erweist sich auch hier als Hauptquartier der aufklärerischen Bedeutungsmache. Gewiß, die Rationalisten sind noch nicht ausgestorben. Sie bilden aber eine Sekte am Rand des geistigen Lebens, gegen die der Hebel der öffentlichen Meinung bedenkenlos angesetzt wird. So schreibt der Holländer Justus van Effen, der Frankreich nicht kannte und doch an vorgerücktester Stelle der aufklärerischen französischen Sprachschöpfung stand, in einer Zeitschrift von 1718: „Le temps, que j'ai passe ä l'Universite, aurait pu me defaire d'une bizarrerie si pernicieuse, si malheureusement je n'y avais lie commerce avec 3 ou 4 jeunes rationalistes, qui m'ont ramene par force ä mon ridicule, en m'empechant de profiter dans une si bonne ecole, autant que je l'aurais pu: il est vrai que d'un cöte, les liaisons que j'ai faites avec ces animaux-lä, ne me sont pas tout-a-fait inutiles; j'ai appris leur maniere de raisonner, et verra dans la suite que cette connaissance me servira parfaitement bien, ä les vaincre par leurs propres armes." (Van Effen, J., „La Bagatelle ou discours ironiques". T. I, Amsterdam 1718, No V, La Bagatelle du Jeudi, 19 Mai 1718, p. 39.)
Aus demselben Werk die weiteren Belege: „Cependant, pour empecher les rationalistes de se donner sur ce sujet ces airs de triomphe, qui leur sont si familiers, je veux bien les combattre ici ä armes egales (p. 62) ... Me voilä ä deux de jeu avec les rationalistes: ils sont dans une extremite, et moi dans une autre; et voilä ce que c'est que de raisonner." (p. 63.)
Daß der Kampf mit dem Rationalismus sich gegen die konsequente Verkettung der philosophischen Systematik richtet, erhellt bei Effen schon aus der folgenden Wendung: „... J'entends ici me semble aboyer quelqu'un de ces rationalistes, de ces gens presque sans liberte, et toujours bornes dans Petroite carriere de leurs consequences." (p. 11.)
Seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts wird in der Tat das „System" zum Mittelpunkt einer der Konsequenz nicht entbehrenden Angriffsunternehmung, in der sich der volle Akzent der neuen Weltanschauung Gehör verschafft. Daß bei Diderot und seinen Zeitgenossen systematisches Denken in Mißkredit gefallen war, ist bekannt und bedarf nicht der Belege. Ebenso kennt man die Condillacsche Position, in der das systematische Denken eine systematische Widerlegung findet. Um den Tatbestand zu erhärten, muß das Kampfmotiv vom Ursprung der Aufklärung her erleuchtet werden. Wieder stehen Dufresnys „Lettres siamoises" (1699) an der Spitze, wo der
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Wanderer vor einem „pays des systemes" gewarnt wird. Und im „Dictionnaire neologique" (1728) wird ein Satz von Houtteville festgehalten: „II sut se defendre de l'appas du Systeme particulier exclusif de quelques verites connues ou ä connaitre."
In der Dichtung La Mottes glaubt man ein Zeugnis der Entzweiung in der Wortbedeutung von Systeme zu erhäschen. La Motte hat die Konsequenz des Rationalismus bis zum Umschlag getrieben. Er ist der Sänger des Fortschrittsgedankens, auf der mechanischen Linie der cartesianischen Begriffswelt dem Tagtraum der alles verwandelnden Zukunft verschrieben. Und La Motte, der mit Verständnis der umwälzenden politischen Praxis des Regenten und seines vielgeschmähten Ministers Dubois nachging, mußte auch das „System" (worunter die Zeitgenossen der Regence die episodische Diktatur von Law verstanden) für preisenswürdig erachten, ähnlich wie Terrasson und andere cartesianische Nachhutkämpfer. Nicht die leiseste Ahnung der schon im Anzug befindlichen Inflation beschattet die immer strahlende Dichterseele: Son Systeme plus efficace Semble par sa sublime audace, Plutöt revele que choisi. Ce Systeme tu sais l'entendre, Philippe, tu sais le goüter; Mais le goüter et le comprendre, En esprit ne pour l'inventer: Ses suites ä tes yeux tracees, Te montrent tes propres pensees Distraites par mille autres soins; Et tu decouvres dans sa cause Cette heureuse metamorphose, Dont nous ne sommes que temoins.
Im Nachruf auf den Regenten steigt nochmals das Bild der Verlockungen aus der Nacht des Zusammenbruchs, in dem die kurze Herrlichkeit des Systems versinken sollte: Ce Systeme tu sais Tentendre, Philippe, tu sais le goüter; Mais le goüter et le comprendre, En esprit ne pour l'inventer: Ses suites ä tes yeux tracees, Te montrent tes propres pensees Distraites par mille autres soins; ...
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Die letzte Phase dieser Bedeutungsentwicklung zeigt La Motte in die große Front der Aufklärung einschwenken. Die Vernunft verwirft den ihrer natürlichen Hoheit abträglichen Denkzwang des Systems: De cet injurieux Systeme J'entends la raison murmurer ... (La Motte)
Vor einem Menschenalter war man zum Sturmlauf gegen die falschen Idole der Antike angetreten. Es war die mangelnde Kraft der systematischen Durchdringung, die man auf der von Descartes gewonnenen Höhe an den Relikten antiker Kunst und antiker Gedankenbildung bemängeln wollte. Die Antike blieb in Entwürfen stecken. Erst die Berührung mit dem modernen Systemgeist vermochte den Zug der Vollendung im Torso und in der abgerissenen Skizze erkennbar zu machen. Der Aufklärung mußte diese „geometrische" Kritik an der Antike bald hoffnungslos veraltet erscheinen. Die Keckheit der großen Entwürfe schien keine Vollendung zu fordern, nachdem der Sensualismus die unbegrenzten Möglichkeiten der natürlich vermittelten Geistesprozesse erschlossen hatte.
Anmerkungen 1 Matore, Georges: „La methode en lexicologie", Paris 1953. 2 (Vgl. das berühmte Bild von Velazquez „Las Hilanderas".) 3 Über Burchard Mencke vgl. de La Baume-Dedossat: „L'Arcadie moderne", Paris 1757, p. 109: Auteur ingenieux du Livre de „la Charlatanerie des Sfavans", connu d'ailleurs par la publication des „Acta Eruditorum", qu'il a continues depuis 1707 jusqu'en 1732. Il fut le Restaurateur de l'universite de Leipsick, et en quelque sorte le Fondateur de la nouvelle Societe des beaux arts de cette Ville, qui tint sa premiere seance publique le 5 Septembre 1752, prenant pour epoque le jour anniversaire de la naissance du Prince Royal et Electoral de Pologne, Mecene, et tout a la fois rival des doctes Membres de cette Societe, dont il n'est pas moins lOrnement que la Princesse Royale et Electorale son epouse. 4 „Nous sommes plus que jamais sous le regne de la folie et du charlatanisme. Est-il rien de plus extravagant que cette foule de gens de tout age, de tout rang et de tout etat, qui assiegent la maison d'un charlatan, courent ä lui en aveugles, et en reviennent plus aveugles encore et plus dupes?" (Rigoley de Juvigny, „De la decadence des lettres et des mceurs". Paris 1787, 2e ed., p. 467 f.) 5 Ganz offensichtlich tritt die antirationalistische Kampfrichtung von Scharlatanerie in Bachaumonts Literaturmemoiren zum Vorschein: „La charlatanerie de Maupertuis avait mis la geometric ä la mode" (1772). Korrekturnote. Zur Etymologie von charlatan cf. Malkiel, Romance Philology II (1948 — 49), 317-326 und Henry and Renee Kahane, ib., V (1951-52), 177f.
El desarrollo del castellano en Espana y del espanol en America
Si la historia de las lenguas no fuese otra cosa que la historia de unos cuantos sonidos deberiamos disuadir a todos los estudiantes de perder su tiempo con una ciencia de tan nimio provecho. Sin embargo, las fuerzas que transforman las lenguas y hacen cuajar los idiomas nacionales son las mismas que las que entran en la plena luz de la historia. La historia de las lenguas no es obra de fuerzas ocultas sino de los mismos pueblos sometidos a un destino comun y obligados, por lo tanto, a crear un instrumento y sistema de comunicacion. En Espana la historia del castellano se enlaza estrechamente con el proceso historico que decidio la supremacia de Castilla en la Peninsula Iberica. Veremos que los diferentes rasgos que caracterizan el habla en America dependen de las condiciones especiales, en las que se realizo la colonizacion espanola del nuevo continente. El espanol pertenece al grupo o a la familia de los idiomas romances, los que se formaron en territorios o provincias completamente romanizadas y latinizadas, la mayoria de ellas ya en la epoca de la Republica de Roma: Italia, las Galias, donde se formara el frances, la Peninsula Iberica y Dacia, donde se formara el rumano. El origen inmediato de las lenguas romances no fue, sin embargo, el latin clasico sino el latin vulgar, producto lingüistico de la disgregacion del imperio romano y de la independizacion de las provincias a causa de las invasiones bärbaras y germanas. AI aflojarse e interrumpirse por completo las relaciones con la Metropoli romana, desaparecieron las remoras que la norma cläsica habia opuesto hasta entonces a la tendencia de la lengua de transformarse. He aqui los cambios mas llamativos introducidos por el latin vulgar: Se simplifica el sistema de las conjugaciones y declinaciones. Se liquida el pasivo latin sustituyendose por construcciones reflexivas. En lugar del
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El desarrollo del castellano en Espana y del espanol en America
latin ocdditur (= es matado) se dice ahora se occidit (= se mata). El antiguo futuro se reemplaza por el verbo auxiliar habeo compuesto con el infinitivo: amare habeo en lugar del latin amabo. La forma amare habeo es el germen del futuro romance amare. Las desinencias de los casos van desapareciendo poco a poco, los casos se expresan mediante preposiciones como de, ad: de patre por el genitivo latin patris. El demonstrativo latin iste, ille (espanol ese, aquel) se va convirtiendo en articulo: el, la, /o, en espanol. El camino abierto por el latin vulgar es el que constituye las lenguas romances. Para explicar las diferencias en el desarrollo de los idiomas romances algunos investigadores han acudido a los llamados substratos, es decir a influencias ejercidas por otros idiomas en las condiciones mäs diversas. El exemplo mäs llamativo del papel que se atribuia a los substratos, lo ofrecio el erudito suizo Walther von Wartburg. Segun este antes el frances estaria profundamente influido por la costumbre de articulacion germana. Cuando, en el siglo V, los francos se apoderaron de las Galias, debian amoldarse a la lengua de sus subditos de lengua romance. Conservaron, sin embargo, la acentuacion usada en todas las lenguas germanas, entonando las silabas acentuadas con mucha fuerza, reduciendose las ätonas a un balbuceo. El acento germano produjo, segun Wartburg, ciertos diptongos como can = chien, caput = chief. Pero Wartburg va mas alia presumiendo que el frances fuese una lengua romance pronunciada con articulacion germana usada tambien por la poblacion de procedencia romana. No es de nuestra incumbencia criticar esta teoria puesto que resulta inaplicable al desarrollo del castellano. Los visigodos no conservaron su habla germana al apoderarse de Espana; ya habian llevado una vida anterior en Borguna rodeados de pueblos de habla romance. El romance hablado en la epoca visigoda, es decir, hasta el siglo VIII:
Dazu Rez. in: Referatedienst zur Literaturwissenschaft (Berlin), 25. Jg. (1993), Heft 4, S. 465-472 (Peter Jehle).
1078
Peter Jehle: Zur literaturwissenschaftlichen Corneille-Rezeption im deutschen Faschismus. In: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte (Heidelberg), 18. Jg. (1994), Heft 1/2, S. 126-149.
1079
Peter Jehle: Die Herausforderung der konservativen Romanistik durch Werner Krauss. In: Das Argument (Berlin), 37. Jg. (1995), Nr. 209, Heft 2/3 (März-Juni), S. 335-344.
1079A Peter Jehle: Die Politik der Philologen. Neuere Ansichten zur Geschichte der literaturwissenschaftlichen Romanistik im NS-Staat [Forschungsbericht]. In: Grenzgänge (Leipzig), Nr. 4 (2. Jg., 1995), S. 105-132. 1080
Peter Jehle: Werner Krauss und die Romanistik im NS-Staat. Hamburg, Berlin: Argument-Verlag 1996. 283 S. (Argument-Sonderband N. F. AS 242; Ideologische Mächte im deutschen Faschismus, Band 8) [Phil. Diss. FU Berlin 1994].
X. Zum wissenschaftlichen Umfeld 1081
Absurdes Reden über absurdes Theater. Ein Romanist auf dem falschen Dampfer [Rez. zu Walter Mönch: Französisches Theater im 20. Jahrhundert] (Hans Mayer). In: Die Zeit, 30. Juni 1965 (Nr. 31), S. 13-14.
1082
Hans Saner: Karl Jaspers in Selbstzeugnissen und Dokumenten. Reinbeck b. Hamburg: Rowohlt 1970. 181 S.
1083
Hans Georg Gadamer: Marburger Erinnerungen. In: Alma mater philippina (Marburg/Lahn), III. Niemandsjahre, Sommersemester 1974, S. 15 — 19; IV. Dozentenjahre, Wintersemeser 1974/75, S. 21-24.
1084
Hans Georg Gadamer: Philosophische Lehrjahre. Frankfurt/M.: Vittorio Klostermann, 1. AuO. 1977. 244 S.
1085
Hermann Ley: Vom Beginn philosophischer Arbeit. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 27. Jg. (1979), Heft 9, S. 1078-1086.
1085A E. K[lostermann]: Vittorio Klostermann und sein Verlag. In: Vittorio Klostermann Frankfurt am Main. Verlagskatalog 1930—1980. Frankfurt/M.: Vittorio Klostermann 1980, S. VII-XX.
X. Zum wissenschaftlichen Umfeld
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1086
Hans Mayer: Ein Deutscher auf Widerruf. Erinnerungen I, II, 2 Bde. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag 1982/1984. 429; 411 S. (Suhrkamp-Taschenbuch 1500; 1501).
1087
Walter Dietze: Erleben, Erfahren, Erkennen. Akademiemitglied Walter Dietze gibt zu Protokoll. In: Spektrum, 14. Jg. (1983), Heft 2, S. 15.
1088
Jürgen Kuczynski: Dialog mit meinem Urenkel. Berlin und Weimar: AufbauVerlag 1983. 285 S.
1089
Heinrich Scheel: Zum Tod von Wolfgang Heise. In: Sinn und Form (Berlin), 39. Jg. (1987), Heft 6, S. 1229-1231.
1089A Peter Zudeick: Der Hintern des Teufels. Ernst Bloch - Leben und Werk. Moos und Baden-Baden: Elster-Verlag 1987. 381 S. 1090
Kurt Baidinger: Die Romanistik in Berlin. Der Wiederaufbau nach 1945. In: Jürgen Trabant (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der Romanischen Philologie in Berlin. Berlin: Colloquium Verlag 1988, S. 83-98.
1091
Karlheinz Barck: 5 Briefe Erich Auerbachs an Walter Benjamin in Paris. In: Zeitschrift für Germanistik, 9. Jg. (1988), Heft 6 (Dezember), S. 688-694.
1092
Walter Markov: Zwiesprache mit dem Jahrhundert. Dokumentiert von Thomas Grimm. Berlin: Aufbau-Verlag 1989. 278 S.
1093
Tilman Krause: Man muß sie ermutigen. Die Romanisten in der ehemaligen DDR tagten in Leipzig. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. Dezember 1990 (Nr. 283).
1094
OBST (Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie), Nr. 45 (September 1991): Romanistik zwischen Engagement und Verweigerung. 176 S.
1095
Uwe Schoor: Das geheime Journal der Nation: Die Zeitschrift „Sinn und Form", Chefredakteur Peter Huchel 1949-1962. Berlin, Bern usw.: Peter Lang 1992. 252 S.
1096
V. Caysa/P. Caysa/K.-D. Eichler/E. Uhl (Hrsgg.): „Hoffnung kann enttäuscht werden". Ernst Bloch in Leipzig. Frankfurt/M.: Anton Hain 1992. 339 S.
1097
Die goldenen Leipziger Jahre. Reminiszenzen anhand eines Kafka-Motivs (Gerhard Zwerenz). In: Neues Deutschland (Berlin), 30. April 1993, S. 22.
1097A Guntolf Herzberg: Ernst Bloch in Leipzig: Der operative Vorgang „Wild". In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (Berlin), 42. Jg. (1994), Heft 8, S. 677-693.
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1098
B. Literatur über Werner Krauss
Helmut Lethen: Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1994 (edition Suhrkamp; 1884 = Neue Folge Band 884). 299 S.
1098A Anna-Sabine Ernst/Gerwin Klinger: Von „bürgerlichen Gelehrten" und „braven Parteisoldaten". Ernst Bloch an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. In: Bloch-Almanach 14/1995. Ernst-Bloch-Archiv Ludwigshafen 1995. S. 93-125. 1098B Silvia Müller/Bernd Florath (Hrsgg.): Die Entlassung. Robert Havemann und die Akademie der Wissenschaften 1965/66. Eine Dokumentation, hrsg. von Silvia Müller und Bernd Florath. 1. Aufl., Berlin: Robert-HavemannGesellschaft e. V. 1996. 453 S. (Schriftenreihe des Robert-Havemann-Archivs, 1).
XI. Zum Umfeld des Widerstands 1099
Freie Aussprache: Menschenschinder Remmlinger (W. H. Weyland, Offenbach-Bürgel). In: Frankfurter Rundschau, 15.Januar 1946.
1100
Wer andere verleumdet [Verleumdung gegen den Berliner Universitätsprofessor Dr. Viktor Müller-Hess]. In: Neue Zeit, 14. Dezember 1947.
1101
9 Monate Gefängnis für Denunzianten. Ehemaliger Gestapospitzel als gemeiner Verleumder [Verleumdung des Gerichtspsychiaters Prof. Müller-Hess]. In: Telegraf, 14. Dezember 1947.
1102
„Fähnleinführer" wollte sich rächen (b.). In: Tagesspiegel, 14. Dezember 1947.
1103
Karl Vossler: Gedenkrede für die Opfer an der Universität München [2. November 1946]. München: R. Pflaum-Verlag 1947, 21 S.
1104
Karl Schirdewan: Ein gerechter Kampf. In: Unser Appell. Halbmonatsschrift der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Sonderdruck Berlin, 1. Januar 1948, Faltblatt, 6 Seiten.
1105
Günter Weisenborn: Memorial. Berlin, Hamburg: Rowohlt 1948, 32 S., A3.
1106
Widerstandsgruppe Schulze-Boysen/Harnack. Hrsg. von der Zentralen Forschungsstelle der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN. Bearbeitet von Klaus Lehmann. Berlin: VVN Verlag G. m. b. H. 1948. 88 S. (Widerstand im Dritten Reich. Männer und Frauen des illegalen antifaschistischen Kampfes, 1).
XI. Zum Umfeld des Widerstands
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1107
Was war die „Rote Kapelle"? Der frühere Generalrichter Roeder bezeichnet ihre Mitglieder als Hochverräter [Erklärung auf einer Versammlung der Sozialistischen Reichspartei in Lüneburg]. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. April 1951.
1108
Porträt des Dr. Manfred Roeder (Dr. Adolf Grimme). In: Frankfurter Rundschau, 1. Mai 1951.
1109
Günther Weisenborn: Der lautlose Aufstand. Bericht über die Widerstandsbewegung des deutschen Volkes 1933-1945. Hamburg 1953. 348 S.
1110
John Gimbel: Eine deutsche Stadt unter amerikanischer Besatzung. Marburg 1945-1952. Köln/Berlin: Kiepenheuer & Witsch 1964. 311 S.
1111
Karl Heinz Biernat/Luise Kraushaar: Die Schulze-Boysen/Harnack-Organisation im antifaschistischen Kampf. Berlin: Dietz-Verlag 1970. 184 S.
1112
Heinz Höhne: Kennwort Direktor. Die Geschichte der Roten Kapelle. Frankfurt/M.: S. Fischer 1970. 335 S.
1113
Martin Franzbach: Plädoyer für eine kritische Hispanistik. Frankfurt/M.: Klaus Dieter Vervuert 1978. 197 S. (Editionen der Iberoamericana, Reihe III, Monographien und Aufsätze, 1).
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Manfred Schulz: Dr. John Rittmeister — Nervenarzt und Widerstandskämpfer. Med. Diss. Humboldt-Universität, Berlin 1981. 129 Bl.
1115
Rainer Geißler/Wolfgang Popp (Hrsgg.): Wissenschaft und Nationalsozialismus. Eine Ringvorlesung an der Universität-Gesamthochschule Siegen. Essen: Verlag Die Blaue Eule 1988. 300 S.
1116
John Rittmeister: Hier brennt doch die Welt. Aufzeichnungen aus dem Gefängnis 1942—1943 und andere Schriften. Herausgegeben von Christine Teller. Gütersloh: Verlag van Hoddis 1992. 179 S., 111.
1117
Spuren des Unrechts. Wehrmachtsgefängnis „Brückenkopf" und „Fort Zinna" (1939-1945), Sowjetisches Internierungslager (1945-1947) in Torgau. [Hrsg.:] DIZ Förderverein. Dokumentations- und Informationszentrum Torgau „Fort Zinna"/„Brückenkopf" e. V., o. O., 1992. 60S.
1118
Norbert Haase/Brigitte Oleschinski (Hrsgg.): Das Torgau-Tabu. Wehrmachtsstrafsystem, NKWD-Speziallager, DDR-Strafvollzug. Herausgegeben im Auftrag des Fördervereins Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Torgau „Fort Zinna"/„Brückenkopf" e. V. Redaktionelle Mitarbeit: Bernward Dörner. Leipzig: Forum-Verlag 1993. 272 S.
1119
Heinrich Scheel: Vor den Schranken des Reichskriegsgerichts. Mein Weg in den Widerstand. Berlin: edition q 1993. 416 S., 111.
622
B. Literatur über Werner Krauss
1120
Rez. zu: Erich Auerbach: Philologie der Weltliteratur. Sechs Versuche über Stil und Wirklichkeitswahrnehmung. Frankfurt/M.: Fischer 1992. In: Zeitschrift für Germanistik. N. F. 3 (1994), S. 699-703 (Martin Viaion).
1121
Martin Viaion: Erich Auerbach: Zu Leben und Werk des Marburger Romanisten in der Zeit des Faschismus. In: Lendemains (Berlin), Nr. 75/76 (19. Jg. 1994), S. 135-155.
Register der Schriften von Werner Krauss Die fett gedruckten Titel sind Sammlungen
Abhandlungen und Versuche zur geistigen Zeitbestimmung 16 Ästhetische Problem [Das] des Märtyrerdramas 87A Akademiesekretär [Ein] vor 200 Jahren: Samuel Formey 34, 3. — 152 Alembert [D'] 58, 8. - 195 Alembert [D'j. Rede zu seinem 250. Geburtstag vor der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 195 Algunas observaciones sobre la novela pastoril espanola 233 Algunos apuntes acerca de la „Araucana" de Ercilla 249 Algunos aspectos de las teorias economistas espanolas durante el siglo XVIII 220 Almanach 271 Altspanische Drucke im Besitz der außerspanischen Bibliotheken 22 Analogie 248 Anthropologie und frühmenschheitliche Geschichte in der französischen Aufklärung 236 Antike und Moderne in der Literaturdiskussion des 18. Jahrhunderts 45 Aplicacion [La] del marxismo a la historia y a la critica de la literatura 174 Aspekte der Melancholie in Mystik und Literatur 249A Aufbruch [Der] des spanischen Gegenwartsromans 57, IV. Aufklärung I, Frankreich (Das wissenschaftliche Werk, 5) 5
Aufklärung II, Frankreich (Das wissenschaftliche Werk, 6) 6 Aufklärung III, Deutschland und Spanien (Das wissenschaftliche Werk, 7) 7 Aufklärung [Die französische] im Spiegel der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts 32 Aufklärung [Die] in Spanien, Portugal und Lateinamerika 59 — 242 Aufsätze zur Literaturgeschichte 44 b Aufstieg [Der] des spanischen Proletariats 57, X. Auftrag [Der] unserer Hochschule 102 Bedeutung [Die] der sprachwissenschaftlichen Arbeiten Stalins für die Weiterentwicklung der Theorie des Marxismus-Leninismus 133 Bedeutung [Die] des Buches „Kurzer Lehrgang der Geschichte der KPdSU (B)" für unsere gegenwärtige Lage in Deutschland 21, 11. - 125 Beiträge zur Romanischen Philologie [Hrsg.] 473 Bemerkungen über das neuere Theater der Spanier 71 Bemerkungen zur neueren Aufklärungsforschung 160 Bericht aus der Todeszelle 280 Berlin zwischen Gestern und Morgen 114 Bildungsniedergang [Der] des Mittelstandes 109 c
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Register der Schriften von Werner Krauss
Bonald [L. de] und die Theorie der Re- Conception [La] dialectique des idees de stauration 16, 5. - 19, 17. - 85 progres et de perfectibilite dans les Brief an einen Sechzigjährigen 193 lettres de Diderot 229 Brief an Michael Nerlich 250 Concepto [El] del Don Juan en la obra Buchwesen, Buchzensur und literaride Tirso de Molina 68 scher Betrieb 54, XXIV. - 150 e Corneille als politischer Dichter 12 — 83 Calderon als religiöser Dichter 19, Correspondance [La] de Formey 161 11. - 76 Cousin [Le] Jacques, Robespierre et la Calderon de la Barca, Pedro: Das große Revolution francaise 147 Welttheater [Nachwort] 40 Denis Diderot [Lexikonartikel] 252 Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben Desarrollo [El] del castellano en Espana ein Traum [Nachwort] 36 y del espanol en America 176 Calderon — Dichter des spanischen Vol- Deutsche Geisteswelt [Die] im Vormärz kes 21, 5. - 28, 5. - 36 [Nach122 wort] - 40 [Nachwort] - 126 Deutsche Regierung statt Bonner PantoCartaud de la Villate: Ein Beitrag zur mime [Interview] 488 Entstehung des geschichtlichen Welt- Deutsche Universität [Die] zwischen bildes in der französischen FrühaufTradition und Demokratie 111 klärung 29-146 Deutschen Friedenswünsche [Die] und Cartaud de la Villate und die Entstedas Friedensbekenntnis der deutschen hung des geschichtlichen Weltbildes Intelligenz 135 in der französischen Frühaufklärung Deutschland als Thema der französi34, 6. - 146 b, c schen Literatur 19, 19. - 79 Cervantes [Miguel de]. Leben und Werk Dichtung [Die]: Für oder gegen den Vers 47 54, XVI. - 231 - 231 b Cervantes Saavedra, Miguel de: Der geniale Hidalgo Don Quijote von der Diderot [Lexikonartikel] 252 Diderot in dieser Zeit 177 Mancha [Nachwort] 24 Dionisio Ridruejo [Vorbemerkung zu:] Cervantes Saavedra, Miguel de: Die No98 vellen [Nachwort] 30 Cervantes und der spanische Weg der Divagaciones en torno a las novelas de Novelle 28, 4. - 41, 3. - 44, 4. - 44 Ramon Perez de Ayala 72 d Doctrina [La] y la vida segun Baltasar b, 5. - 140 d, e, k, l, m Gracian 18 Cervantes und die italienische NovelliEin geschichtlich notwendiger Prozeß stik 140 f [Interview] 485 Cervantes und die Jesuiten in Sevilla 19, Ein klares Wort für Deutschland [Inter8. - 92 view] 487 Cervantes und die moderne Welt 194 Einführung in das Studium der französiCervantes und seine Zeit (Das wissenschen Aufklärung 28, 8. schaftliche Werk, 2) 2 Christlicher Ausklang in der klassischen Einführung in die Grundlagen der französischen Aufklärung und der RevoTragödie Frankreichs 21, 3. — 134 lutionszeit 23 - 139 Claude-Adrien Helvetius: PhilosophiEinführung [zu:] Rousseau: Bekenntsche Schriften 60 nisse 42 - 48, 7. - 184 Comparatisme et dix-huitiemisme franEinleitung [zu:] Claude-Adrien Helvecais 251 tius: Philosophische Schriften 60 — Concepciones modernas de la historia de Espana 175 206
Register der Schriften von Werner Krauss
Elemente [Die] der literarischen Werke 49, V. Ende [Das] der bürgerlichen Philosophie 128 b, c Ende [Das] der Generationsgemeinschaft 115 b, c Ende [Das] des christlichen Märtyrers in der klassischen Tragödie der Franzosen 28, 7. - 134 c, d Ende [Das] des Generationsbewußtseins 16,3. - 115 Enigme [L'] de Du Marsais 155 Entstehungsgeschichte [Die] von Montesquieus „Esprit des lois" 34, 7 — 143 b, c. Entwicklungstendenzen der Akademien im Zeitalter der Aufklärung 34, 2. — 63, 8. - 148 Epos [Das] 54, XV. - 231 - 231 b Erasmus und die spanische Renaissance 19, 5. - 90 Ere [L'] fran9aise des Lumieres et les intellectuels allemands 165 d Etüde [L'] des ecrivains obscurs du siecle des Lumieres 162 Erfüllung [Die] in der spanischen Gegenwartsdichtung 57, III. Essays zur französischen Literatur 48 Essays zur spanischen und französischen Literatur- und Ideologiegeschichte der Moderne (Das wissenschaftliche Werk, 4) 4 Est-il utile der tromper le peuple? Ist der Volksbetrug von Nutzen? 46 Fälscher [Der]. Drei blasphemische Dialoge 64 Falange Espanola und das spanische Geschichtsbild 95 Feijoo, die Satyrn, die Tritonen und die Nereiden 215 Flucht [Die] ins Argot 16, 1. - 21, 7. 120 b, c, e Fontenelle 54, IV. - 253 Fontenelle, Bernard de, 1657-1757 221 Fontenelle, Bernard Le Bovier de: Philosophische Neuigkeiten für Leute von Welt und für Gelehrte [Nachwort] 65
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Fontenelle et la formation d'Helvetius 187 Fontenelle [und die Aufklärung] 52 — 65 [Nachwort] - 219 Fontenelle und die „Republik der Philosophen" 41, 7. - 163 Fontenelle und Helvetius 188 Fontenelles Theater und dramatische Theorie 58, 6. - 237 Französische Aufklärung [Die] im Spiegel der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts 32 - 153 Französische Aufklärung und deutsche Romantik 41, 6. - 164 Französische Aufklärung [Die] und die deutsche Geisteswelt 41,4. - 44, 8. — 165 Französische Drucke des 18. Jahrhunderts in den Bibliotheken der Deutschen Demokratischen Republik 53 Französische Journalismus [Der] im 18. Jahrhundert 58, 4. - 204 c, d Französische literarische Journalistik [Die] im 18. Jahrhundert 204 Französische Neologien im 18. Jahrhundert 58, 9. - 198 c, d Französische Novellistik im 18. Jahrhundert: Diderot 171 g Freiheit der Lehre und Begabtenauslese 111 h Frühaufklärung [Die] und die Querelle des anciens et des modernes 54, III. — 192 c Früheste Reaktion [Die] auf Diderots Jugendwerke in Deutschland 34, 9. — 144 Garcia Lorca: Traumwandelnde Romanze [Vorbemerkung] 104 Garcia Lorca und die spanische Dichtung 28, 6. - 44, 7. - 44 b, 9. - 149 Garcia Lorca: Zigeunerromanzen [Vorbemerkung] 105 Geburt [Die] des Prometheus als Thema der spanischen Literatur 72 Geist und Widergeist der Utopien 41, 9. - 156 Geltung [Die] der „Lusiaden" in Spanien 19, 12. - 93
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Generation [Eine] der Niederlage 57, II. Gesammelte Aufsätze zur Literatur und Sprachwissenschaft 19 Geschichtlicher Umschwung in den deutsch-französischen Beziehungen [Interview] 491 Gesellschaftlichkeit und Geselligkeit im Spanien der Aufklärung 58, 12. — 59, II. - 242 Glückwunschschreiben an Prof. Dr. Dr. h. c. Auguste Cornu 243 Goethe und die Französische Revolution 244 Gomez de la Serna [Ramon] und die Revolution der Gregueria 16, 6. Gongora-Kommentar [Der] von Cristobal de Salazar Mardones 238 Gordon, Lew S.: Studien zur plebejischdemokratischen Tradition in der französischen Aufklärung [Nachbemerkung zu Gordon] 55 Gott duzen oder ihrzen? 254 Göttersöhne [Die] 247 Gottsched als Übersetzer französischer Werke 245 Gracian. Werk und Leben 17, I. — 63, 3. Gracians Lebenslehre 17 — 116 Grand-homme; Schriftsteller — homme de lettres 269 Gregueria, das Capricho der Sprache. Zu Gestalt und Kunst des Ramon Gomez de la Serna 117 b Grundpositionen der französischen Aufklärung 27 Grundprobleme der Literaturwissenschaft 49 - 205 Helvetius 48, 6. - 60 [Einleitung] 206 Historische Weltbild [Das] und die Geschichtsschreibung in der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts 264 Ibero-Romania [Hrsg.] 474 Idealismus [Der] sucht sich sein Reich — Spanien als pädagogische Provinz 57, I. Idealistische und materialistische Literaturbetrachtung 49, VI.
Idee, Aktion und Stil. Über die geistigen Grundlagen des modernen Spaniens 103 Innenseite [Die] der Weltgeschichte. Ausgewählte Essays über Sprache und Literatur 63 Introduction zu: „Est-il utile de tromper le peuple?" 46 Italienische Novellistik [Die] 28, 4. a — 41, 3. a - 44, 4. [a] - 44 b, 5.[a] 140 e, f Izucenije francuzskogo proswjesenija w Germanii 178 Jahrhundertbegriff [Der] im 18. Jahrhundert 34, 1. — 63, 6. — 142 c, d, e Jean-Jacques Rousseau, Bekenntnisse [Einführung] 42 - 184 Jean Meslier et le probleme de Tarne des betes 276 Jeu [Le] des chiffres et la naissance de la methode statistique 230 Journalismus 216 c Journalistik [Die] 204 b Junges Spanien 9 Kaffee 255 Karl Marx im Vormärz 63, 11. — 122 c, d,e Karl Marx und die Aufklärung 166 Karl Spazier: Antiphädon 31 Karl Vossler: Drei Dramen aus dem Spanischen des Tirso de Molina 26 Karl Vossler: Südliche Romania 20 Klassencharakter [Der] der Literatur 44 b, 4. - 214 b Kleckse sind die Mücken der Tinte und andere Greguerias des Ramon Gomez de la Serna 167 Klemperer [Victor] zum 100. Geburtstag 169 b Komödie [Die] 54, XVIII. - 231, XVIII. Komparatistische Aspekt [Der] der Aufklärungsliteratur 58, 3. - 239 Kriegstreibern [Den] den Weg verlegen [Interview] 490 Kritik [Die] des Siglo de Oro am Ritterund Schäferroman 19, 7. — 84 Kulturfragen in Westdeutschland [Interview] 484
Register der Schriften von Werner Krauss
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Kurze Vorbemerkung über eine partei- Marx und Engels in ihrer Stellung zur liche Wissenschaft 21 - 127 nationalen Frage 21, 9. — 118 Kurzgeschichte des Alpinismus 256 Marxistische Standpunkt [Der] in den Lehrbücher der spanischen Sprache 101 Sprachwissenschaften 130 Lehre [Die] vom Wortkunstwerk 185 Meslier [Jean] et le probleme de l'äme Leipziger Vorträge der Arbeitsgemeindes betes 276 schaft marxistischer Wissenschaftler Metempsychose [Die] oder die Lehre der Transmigration der Seele in Frank[Hrsg.] 468A Lenins „Materialismus und Empiriokrireich während des 18. Jahrhunderts tizismus" und das Ende der bürgerli265 chen Philosophie 21, 10. - 128 Methodologische Glossen zur marxistiLesebuch der französischen Literatur. schen Literaturtheorie, zum literaturTeil I: Aufklärung und Revolution 23 wissenschaftlichen Strukturalismus Leser [Die] von Manuskripten in der und zur Rezeptionsästhetik 232 Frühaufklärung 257 Miguel Angel Asturias 196 b Literarhistorische Aspekt [Der] einer Bi- Miguel Angel Asturias. Leninpreisträger 1966, Nobelpreisträger 1967 196 bliographie 53 — 222 Literarischen Gattungen [Die] 48, 1. — Miguel de Cervantes. Leben und Werk 49, IV. - 207 47 - 189 Literatur der französischen Aufklärung Miguel de Cervantes Saavedra: Der geniale Hidalgo Don Quijote von der 56 Literatur [Die] der französischen FrühMancha 24 aufklärung 54 — 231 Miguel de Cervantes Saavedra: Die NoLiteraturgeschichte als geschichtlicher vellen 30 Auftrag 21, 1. - 28, 2. - 44, 2. - Mißverhältnis [Das] zwischen Deut44 b, 2. - 62 - 129 schen und Franzosen im 18. JahrhunLiteraturgeschichte als Provokation der dert 157 Literaturwissenschaft 208 Mittelalter [Das] in der Aufklärung 168 Literaturtheorie, Philosophie und Poli- Moderno dramaturgo [Un] aleman: Getik (Das wissenschaftliche Werk, 1) l org Kaiser 69 Localizacion y desplazamientos en la Moliere und das Problem des Verstehens novela pastoril espanola 197 in der Welt des 17. Jahrhunderts 16, Lope de Vegas poetisches Weltbild in 4. - 19, 16. - 21, 4. - 25 - 51 seinen Briefen 19, 10. - 99 [Nachwort] - 88 Macht und Ohnmacht der Wörterbü- Moliere: Werke [Nachwort] 51 cher 16, 2. - 19, 20. - 28, 1. - 44,Montesquieu [Lexikonartikel] 143 — 1. - 44 b, 1. - 106 258 Marburg sob o Nazismo 278 b Morelly: Gesetzbuch der natürlichen Marburg unter dem Naziregime 278 Gesellschaft 37 Marburger Beiträge zur Romanischen Morliere — Cazotte — Sade. Der verPhilologie [Hrsg.] 467 liebte Teufel [Vorwort] 35 d Marino, Dichter und Gestalt 19, 13. — Motivrepertoire einer spanischen Zeit80 schrift des 18. Jahrhunderts [El CenMarx im Vormärz 21, 8. — 122 b sor] 216 Marx [Karl] im Vormärz 63, 11. — 122 Moyen äge [Le] au temps de PAufkläc, d, e rung 168 b Marx [Karl] und die Aufklärung 166 Mythus [Der] des Don Juan 75
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Register der Schriften von Werner Krauss
Nachbemerkung zu Gordon, Lew S. 55 Nachruf auf Karl Vossler 131 Nachruf auf Victor Klemperer 169 Nationale Literatur [Die] muß erhalten bleiben [Interview] 486 Nationale und vergleichende Literaturgeschichte 49, VIII. - 209 Nationalismus und Chauvinismus 107 Neger [Die] und der sentimentale Humanismus des ausgehenden 18. Jahrhunderts 210 Neologie [Die] in der Literatur des XVIII. Jahrhunderts 198 b Neologie [La] dans la litterature du XVIII e siecle 198 Neue Beiträge zur Literatur der Aufklärung [Vorbemerkung] 38 Neue Beiträge zur Literaturwissenschaft [Hrsg.] 469 Neue Gongorabild [Das] 19, 9. - 86 Notizen zum spanischen Gegenwartsroman 58, 13. - 211 Notizen zur literarhistorischen Methodologie 212 Novela — Novella — Roman 19, 3. — 94 b Novela — Novelle — Roman 94 Novelas ejemplares [Las] de Miguel de Cervantes 190 Novelle und Roman 54, 19. - 171 f 231, XIX. Obszönitätenstreit [Der] in der Frühaufklärung 265 Offiziere als Studenten [Interview] 483 Opium im 18. Jahrhundert 259 Optimismus — optimisme 248 Optimismus — Pessimismus 260 Palabras habladas en ocasion de la inauguracion del coloquio cervantino, dia 29 de septiembre de 1966 199 Paradoxe sur le comedien [Diderot] 217 "Patriote", "patriotique", "patriotisme" ä la fin de PAncien Regime 200 "Patriote", "patriotique", "patriotisme" am Ende des Ancien Regime 200 b, c Patriotismus und Kosmopolitismus in der Aufklärung 178A
Pensees sur Pinterpretation de la nature (Diderot) 218 Periodisierung und Generationstheorie 49, IX. - 63, 5. - 115 - 213 Perspektiven und Probleme. Zur französischen und deutschen Aufklärung und andere Aufsätze 41 Petite Histoire de Palpinisme 256 PLN. Die Passionen der halykonischen Seele [Roman] 14 Poesie und Prosa 49, III. Poesie und Prosa in Frankreich während des 18. Jahrhunderts 261 Poetik und Strukturalismus 58, 1. — 224 Politische Preisfrage [Eine] im Jahre 1780 34, 4. - 145 Problem [Das] der Übersetzung 49, X. Problem [Das] einer spanischen Synonymik 19, 2. - 96 Probleme der vergleichenden Literaturgeschichte 33 - 41, 1. - 44, 3. - 44 b, 3. - 158 Probleme fundamentale ale §tiintei literaturii 50 Probleme und Problematik der Barockforschung 179 Quelques remarques detachees sur les traces que la litterature allemande a laissees en France 262 Quelques remarques fugitives sur Petablissement des textes 225 Quelques remarques sur l'anthropologie du XVIir siecle 274 Quelques remarques sur le roman utopique au XVIIP siecle 226 Querschnitt durch die „Exemplarischen Novellen" 28, 4. c. - 30 [Nachwort] - 41, 3. c - 140 g, h, i Ramon Gomez de la Serna und die Revolution der Gregueria 16, 6. — 117 Ramon Perez de Ayala 72 b Ramon Perez de Ayala und sein Werk 72 c Reise als „adventure" und als Funktion 266 Reise nach Utopia 39 Reisen und Reiseberichte 263
Register der Schriften von Werner Krauss
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Religieuse [La] (Diderot) 234 Spanische, italienische und französische Revolution des Romans? Bemerkungen Literatur im Zeitalter des Absolutismus (Das wissenschaftliche Werk, 3) zum Neuen Roman der Franzosen 3 191 Revolution des Romans? Bemerkungen Spanische Journalismus [Der] im 18. Jahrhundert 58, 5. - 216 b zum „Nouveau roman" 48, 4. — 191 Spanische Meditationen nach 1898 119 b,c Spanische Route [Die] im Lebenswerk Ridruejo [Dionisio] 98 des Cervantes 24 [Nachwort] — 28, Romanistik [Literaturbericht] 91 4. b - 41, 3. b - 47, XVII. - 140 Rousseau [Jean-Jacques]: Bekenntnissse Spanischer Epilog einer Ideologiege[Einführung] 42 schichte 21, 6. - 136 Rousseaus „Bekenntnisse" 48, 7. — 184 Spanisches Vermächtnis [Ein]. Betrache,f tungen über Garcia Lorcas „ZigeuRundschau über die spanische Literatur nerromanzen" 123 der Gegenwart 9 — 73 Spazier [Karl]: Antiphädon [Einleitung] Samuel Formey — ein Akademiefunktio31 när vor 200 Jahren 152 Sprachliche Interpretation [Die] der liteSchelmenroman [Der] der Spanier 70 rarischen Werke 49, VII. - 185 b, c Schriften des Instituts für Romanische Sprachwissenschaft und Wortgeschichte Sprachen und Kultur [Hrsg.] 471 (Das wissenschaftliche Werk, 8) 8 Schriftenreihe der Arbeitsgruppe zur Spuren der deutschen in der französiGeschichte der deutschen und der schen Literatur des 18. Jahrhunderts französischen Aufklärung [Hrsg.] 470 262 b 1734 als Jahr der Entscheidung für Stände [Die] 59, III. Montesquieus „Esprit des lois" 143 Stand [Der] der romanistischen Litera„Siecle" im 18. Jahrhundert 142 b turgeschichte an der Leipziger UniSlawisch-deutsche Wechselbeziehungen versität 137 in Sprache, Literatur und Kultur Stellung [Die] des Spanischen unter den [Hrsg.] 472 romanischen Sprachen 97 Sobre el concepto de decadencia en el Streit [Der] der Altertumsfreunde mit siglo ilustrado 201 den Anhängern der Moderne und die Sobre el destino espanol de la palabra Entstehung des geschichtlichen Weltfrancesa „civilisation" en el siglo bildes 45 [Einleitung] - 48, 5. - 192 XVIII 202 Studien und Aufsätze 28 Spanien 1900-1965 57 - 240 Studien zur deutschen und französiSpanien wehrhaft. Ein Leseheft für den schen Aufklärung 34 Sprachmittler 13 - 100 Studium [Das] der obskuren SchriftstelSpaniens Weg am Abgrund. Über die ler des Aufklärungzeitalters 63,9. — geistigen Grundlagen des modernen 162 c Spaniens 16, 7. - 19, 14. - 103 b, c, Symbol und Allegorie 267 d Systemkritik im 18. Jahrhundert 272 Spanische Aufklärung [Die] 59, I. Tagebuch-Fragmente [1921-1945] 279 Spanische Heer [Das] — oder Präsenz ei- Tätige Leben [Das] und die Literatur im ner Klassengesellschaft 57, IX. mittelalterlichen Spanien 10 Spanische Hirtenroman [Der]. Prolego- Terrasson 203 mena für seine Darstellung und Sinn- Terrasson und die geometrische Fortgebung 58, 11. - 241 schrittsbewegung 58, 7. — 203 b, c
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Register der Schriften von Werner Krauss
Thomas Mann in Paris 74 Tragik [Feuilleton] 67 Tragödie [Die] 54, XVII. - 231 Traite des sensations (Condillac) 235 Türken [Die] im Urteil der Franzosen des 18. Jahrhunderts 61, 11. Über das Schicksal der deutschen Literatur in der französischen Aufklärung 153 Über das Schicksal des französischen Wortes „civilisation" im 18. Jahrhundert in Spanien 202 b Über den Anteil der Buchgeschichte an der literarischen Entfaltung der Aufklärung 34, 5. - 44, 6. - 44 b, 7. 150 Über den Standort der Sprache 21, 2. — 124 Über den Standort einer Sprachbesinnung 63, 1. — 124 b, c Über den Zustand unserer Sprache 63, 2. - 120 Über die ästhetischen Grundlagen des spanischen Schäferromans 11 Über die Konstellation der Aufklärung in Deutschland 154 Über die Konstellation der deutschen Aufklärung 34, 10. - 154 c, e Über die Stellung der Bukolik in der ästhetischen Theorie des Humanismus 19, 4. - 89 Über die Träger der klassischen Gesinnung im 17. Jahrhundert 19,15. — 63, 4. - 81 Über eine Kampfschrift der Aufklärung: der „Essai sur les prejuges" 34, 8. — 155 - 170 Über französisch „enthousiasme" im 18. Jahrhundert 58, 10. - 227 Über marxistische Abweichung in älterer und jüngster Zeit 16, 9. — 121 - 121 c Über marxistische Abweichungen in älterer und jüngster Zeit 121 b Über spanische Sprichwörter und Sprichwortsammlungen 15 [Nachbzw. Vorwort] - 19, 1. - 108
Überblick über die französischen Utopien von Cyrano de Bergerac bis zu Etienne Gäbet 39 [Vorwort] — 63, 10. - 156 Übersicht über die französische Novellistik im 18. Jahrhundert 35 [Nachwort] - 41, 3. d - 44, 5. - 44 b, 6. - 171 Unaufschiebbare Pflicht der Demokratie 110 Universita [U] tedesca fra tradizione e democrazia 111 f Universität [Die] in der Entscheidung [1.] 109 Universität [Die] in der Entscheidung [2.] 16, 8. - 112 Universität zwischen Tradition und Demokratie 111 d Unser Bekenntnis zu Stalin [Interview] 489 Variationen und Versuche. Über einige Fragen der neueren Bewußtseinsgeschichte 21 Verhältnis [Das] der Franzosen zu England im 18. Jahrhundert 270 Verliebte Teufel [Der]. Französische Erzählungen des 18. Jahrhunderts 35 Versuch über Amiel 77 Versuch über Marino und Gongora 81A Versuche zur Sprachtheorie 180 Verteidigungschrift [Eine] des Materialismus in der deutschen Aufklärung 31 - 34, 12. - 151 Victor Klemperer zum 100. Geburtstag 169 b Vision historique [La] et Phistoriographie dan la premiere moitie du XVIII e siecle 277 Voltaire [Lexikonartikel] 268 Vor gefallenem Vorhang. Aufzeichnungen eines Kronzeugen des Jahrhunderts [Tagebuchaufzeichnungen] 66 Vorbemerkung [zu:] Altspanische Drucke 22 - 138 Vorbemerkung [zu:] Dionisio Ridruejo: Gedichte 98 [Vorbemerkung zu:] Garcia Lorca: Traumwandelnde Romanze 104
Register der Schriften von Werner Krauss
Vorbemerkung [zu:] W. P. Wolgin: Die Gesellschaftstheorien der französischen Aufklärung 43 Vorwort [zu:] Fontenelle und die Aufklärung 52 - 219 Vossler, Karl: Drei Dramen aus dem Spanischen des Tirso de Molina [Vorbemerkung] 26 Vossler, Karl: Südliche Romania [Hrsg.] 20 Wandlung [Die] [Hrsg.] 468 Was ist Literatur? 49, II. - 58, 2. - 214 Was kann die Interpretation literarischer Werke bezwecken? 49, I. Weg [Der] der deutschen Aufklärung nach Frankreich während des 18. Jahrhunderts 32, 2. - 34, 11. 157 - 172 Wege der spanischen Frührenaissancelyrik 19, 6. - 82, b, c Wege der spanischen Renaissancelyrik. I. 82 Welt [Die] im spanischen Sprichwort 15 - 28, 3. - 108 c bis h „Wem dient die Interpretation der literarischen Werke?" 49 Wendepunkt [Ein] in der Sprachwissenschaft 132 Wer spricht für die Nation? 113 Werk und Wort. Aufsätze zur Literaturwissenschaft und Wortgeschichte 58 Wissen und Wissenschaften 59, IV. Wolgin, W. R: Die Gesellschaftstheorien der französischen Aufklärung [Vorbemerkung] 43 Zirkelschluß [Der] in der Wirtschaft 57, VII. Zu einer Prosa Diderots [Ceci n'est pas un conte] 159 Zur Anthropologie des 18. Jahrhunderts. Die Frühgeschichte der Menschheit im Blickpunkt der Aufklärung 61 — 236 - 273 Zur Bedeutungsentwicklung von „revolution" 228 Zur Bedeutungsgeschichte von „materialisme" 173 b
631
Zur Bedeutungsgeschichte von „Materialismus" 173 Zur Bedeutungsgeschichte von „romanesque" im 17. Jahrhundert 19, 18. — 87 Zur Bezeichnung einiger philosophischer Grundbegriffe der deutschen und französischen Aufklärung 38 [Vorbemerkung] - 63, 7. - 173 181 Zur Bezeichnungsgeschichte des spanischen Wortes „novela" 28, 4. d - 94 c, e Zur Dichtungsgeschichte der romanischen Völker 44 Zur französischen Novellistik des 18. Jahrhunderts 48, 2. - 171 e, h Zur französischen Romantheorie des 18. Jahrhunderts 41, 2. - 48, 3. 182 Zur Geschichte der Literaturgeschichte 49, XI. Zur Konstellation der deutschen Aufklärung 32, 1. - 41,5. - 154 b, d Zur Kultur- und Kunstgeschichte in Spanien 78 Zur Lexikologie der Aufklärung I 141 Zur Novellistik der französischen Spätaufklärung 35 d [Vorwort] — 186 Zur Periodisierung der Aufklärung 27 [Vorbemerkung] — 142 Zur Periodisierung: Aufklärung, Sturm und Drang, Weimarer Klassik 32, 1. f - 154, 6. - 154 c, 6. Zur Rolle des Abbe in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts 275 Zur strukturalistischen Literaturbetrachtung 49 d, e - 224 d, e Zur Theorie und Praxis des Übersetzens im Frankreich und Deutschland des 18. Jahrhunderts 246 Zur Tierseelentheorie im 18. Jahrhundert (Exkurs I) 61, 10. - 276 Zur Wortgeschichte von „Persiflage" 41, 8. - 183
Register der von Krauss besprochenen Autoren
Actes du ΙΙΓ Congres de PA. I. L C. 355 Adorno, Theodor W. 410; 431 Alvar, Manuel 424 Baader, Horst 452 Barmeyer, Eike 401 Bauer, Helga 417 Beiaval, Yvon 364 Best, Aline Mary (Hrsg.): Chappuys 383 Bibliotheque Universitaire de Groningue 384 Blumensath, Heinz 438 Bock, Claus Victor 365 Bongie, Laurence L. 370 Bonnefoy, Claude 379 Bonno, Gabriel (Hrsg.): Lettres de Le Clerc 318 Booy, J. Th. 373 Bopp, Leon 407 Bosbach, Erika 316 Brachfeld, Georges I. 315 Brandenberger, Erna 459 Brouwer, Joh. 288 Brunner, Otto 446 Cherpack, Clifton 354 Cidade, H. 289 Cole, Leo R. 393 Cornelius, Paul 381 Cranaki, Mimica 364 Curtius, Ernst Robert 282 D'Hondt, Jacques 460 Dalla Valle, Daniela 403 Daus, Ronald 430 Defourneaux, Marcelin 356
Dehennin, Elsa 353 Del Litto, V. 314 Deprun, Jean (Hrsg.): Meslier 420 Derrida, Jacques 404 Descotes, Maurice 458 Desne, Roland 371; (Hrsg.): Meslier 420 Deutschmann, Olaf 309B Dieckmann, Herbert 436; 455 Duvivier, Roger 434 Eberwein, Elena 284 Eco, Umberto 447 Egret, Jean 347 Entrambasaguas y Pena, Joaquin 297 Fabre, Jean 352 Faure, Edgar 328 Fellows, Otis (Hrsg.): Diderot Studies 330; 348; 368 Fernandez, Xavier A. (Hrsg.): Calderon 394 Franzbach, Martin (Hrsg.): Huarte de San Juan 400 Freudmann, Felix R. 324 Frid, Ja. 317 Friedrich, Hugo 308; 363 Frischauer, Paul 334 Fucilla, Joseph G. 291 Funke, Hans-G nther 445 Garcia de la Fuente 285 Garscha, Karsten 428 Geers, J. 288 Glunz, Hans H. 338 Gmelin, Hermann 286 Godenne, Rene 453
Register der von Krauss besprochenen Autoren
Gonzalez Vicen, Felipe 304 Graf, Paul 292 Grimsley, Ronald 339 Grosclaude, Pierre 337 Güntert, Georges 433 Guiragossian, Diana 345 Hainsworth, G. 300 Hatin, Eugene 376 Hatzfeld, Helmut 294; 392 Helbing, Lothar und Claus Victor Bock (Hrsg.): Gundolf 365 Hempel, Wido 440 Heseler, Maria 298 Hinterhäuser, Hans (Hrsg.): Diderot 386 Hoffmeister, Gerhart 449 Holtz, Uwe 418 Horkheimer, Max 410 Hüther, Jochen 372 Iriarte, Mauricio de 306 Janvier, Ludovic 389 Jauss, Hans Robert (Hrsg.): GRLMA VI 406 Jörder, Otto 305 Kapp, Volker 457 Kennedy, Ruth Lee 299 Kirkinen, Heikki 331 Klapp, Otto 313 Klemperer, Victor 301 Köhler, Erich (Hrsg.): GRLMA VI 406 Konze, Werner 446 Koselleck, Reinhard 446 Kowzan, Tadeusz 422 Kristeva, Julia 429 Krömer, Wolfram 419 Kuczynski, Jürgen 463 Lebois, Andre 342 Lecoy, Felix 309 Leiner, Wolfgang 374 Lipsker, Erika 287 Lively, Jack 336 Llobera, P. Jose (Hrsg.): Fray Luis de Leon 293 Loos, Erich 452 Lope, Hans-Joachim 444 Lorenzo, Cesar M. 412 Macherey, Pierre 390
633
Maravall, Jose Antonio 366; 385 Marcu, Eva 378 Markov, Walter 391 Marti, Berthe M. 387 Mattauch, Hans 416 Mauzi, Robert 320 May, Georges (Hrsg.): Hemsterhuis 351 Micha, Rene 379 Michael, Jan 427 Miesch, Jean 379 Molho, Raphael 357 Mönch, Walter 437 Monty, Jeanne R. 323 Moreau, Pierre 322 Mortier, Roland 377 Müller, Bodo 362 Müller, Elisabeth 346 Mulagk, Karl-Heinz 450 Munteanu, B. 414 Nerlich, Michael 367 Netzer, Klaus 426 Nies, Fritz 443 Noeli, Teodosio 309A Nolting-Hauff, Ilse 396 Nowicki, Jürgen 462 O'Gorman, Donal 423 Olivar-Bertrand, Rafael 321 Olmos Garcia, Francisco 397 Pabst, Walter 398; 435 Picard, Hans Rudolf 448 Pollmann, Leo 465 Prä wer, S. S. 451 Proust, Jacques 341 Rebelliau, Alfred 344 Rey, Agapito (Hrsg.): Leomarte 281 Ricard, Robert 349 Rieger, Dietmar 421 Rihs, Charles 343 Roelens, Maurice (Hrsg.): Fontenelle 408 Roger, Jacques 360 Romera-Navarro, Miguel 296 Roscioni, Gian Carlo 333 Roy, Marie-Luise 388 Sareil, Jean 326 Sauerwald, Gregor 464 Schalk, Fritz 358; 369; (Hrsg.): Leo 380
634
Register der von Krauss besprochenen Autoren
Schick, Ursula 395 Schneider, Gerhard 435A Schön, Th. 309A Soboul, Albert (Hrsgg.): Meslier 420 Stegmann, Andre 409 Stegmann, Tilbert Diego 432 Stephan, Rüdiger 441 Stoll, Andreas 425 Stolz, Walter (Hrsg.): Wilhelm, Kurt 411 Streisand, Joachim 312 Sutschkow, Boris 454 Szigeti, Jozsef 335 Theile, Wolfgang 456; 461 Thelander, Dorothy R. 340 Therrien, Vincent 415 Tiemann, Hermann 307 Tinland, Franck (Hrsg.) 427A Trabant, Jürgen (Hrsg.): Eco 447 Tronskaja, M. L. 332 Trousson, Raymond 350; 426A Utz, Hans 319 Valjavec, Fritz 325
Van der Starre, E. 399 Vendrell Gallostra, Francisca 290 Venturi, Franco 311; (Hrsg.): Beccaria 359; 442 Vera, Francisco 283 Vossler, Karl 295 Walbröhl, Helene 361 Waldinger, Renee 327 Warning, Rainer 382 Watson, Anthony 439 Weinrich, Harald 375 Weisstein, Ulrich 402 Wilhelm, Julius 443A Wilhelm, Kurt 411 Winkler, E. 303 Winter, Eduard 329 Winter, Ursula 466 Wiske, F. 309A Wolfzettel, Friedrich 413 Wolgin, W. P. 310 Zeraffa, Michel 405 Zonta, Giuseppe 302
Register der Rezensenten und Autoren über Krauss (M) = Mitarbeit
(N) = Nachwort (R) = Rezension [1122] = zum Umfeld
Adel, Kurt 667(R) Alatri, Paolo 527(R) Albert, O. K. 687(R) Andersch, Alfred 525(R) Andrießen, Carl 582(R) Anstett, J.-J. 668(R) Anton, Herbert 816(R) Armogathe, Jean-Robert 827(R) 835(R) 840(R) 852(R) 970 975 1022 Augstein, Carl 599(R) Bahner, Werner 2(N) 471 748(R) 941 979 985 986 1024 1028 1033 Baidinger, Kurt 617(R) [1090] Barber, W. H. 842{R) Barck, Karlheinz 4(N) 57(M) 478 501(R) 519(R) 702(R) 965 974 988 991 1070 1075 [1091] Bataillon, Marcel 609(R) Beaujean, Marion 808(R) 809(R) Behrens, Fritz 468A Beiaval, Yvon 1021 Belie, J. 472 Bergel, Lienhard 620(R) Bergholz, Harry 645 (R) Bergmann, Hannah E. 619(R) Bergmann, Helga 63 (V) Bertolt, Kathrin 499(R) Best, Otto F. 768(R) Besthorn, Rudolf 646(R) 663(R) 861 (R) 865(R) Biernat, Karl Heinz [1111] Bock, Sigrid 1027A Boddin, H. 1039
(V) = Vorwort
Böll, Heinrich 587(R) Borchert, Jürgen 579(R) Borkowskij, V. I. 472 Boschheurne, C. J. 66l(R) Branstner, Gerhard 614(R) Braun, G. 683(R) Braun, Jürgen 815(R) Bretthorst, Heinrich 928 Briesemeister, Dietrich 474 Brockmeier, Peter 640(R) 662(R) Brumfitt, John Henry 707(R) Bück, August 708 (R) Burmeister, Brigitte 825(R) Carriat, Amedee 629(R) Castro, Americo 538(R) Caysa, Volker u. a. [1096] Coburger, Marlies 1074 Coe, Richard N. 632(R) Conrad, Heidi 747(R) Corbea, Andrej 817(R) Coulet, Henri 277(V) Damrow, Hildegard 924 Del Guercio, G. 878(R) Derndarsky, Duschan 777(R) Desgraves, Louis 829(R) Desne, Roland 1004 1009 Diaz, Furio 516(R) Dieckmann, Herbert 623 (R) Dierlamm, Werner 819(R) Dietze, Walter 469 [1087] Dornhof, Ernst 496(R) Drost, W. 639(R) Dymschitz, Alexander 705 (R)
636
Register der Rezensenten und Autoren über Krauss
Dyserinck, Hugo 647(R) Eckelmann, A. 1060 Engler, Winfried 693(R) 760(R) Epting, Karl 675 (R) Erdmann, C. 539(R) Ernst, Anna-Sabine [1098A] Ester 569(R) Etiemble, Rene 710(R) 1008 Eyssen, Jürgen 759(R) Favre, R. 833(R) Fey, E. 540(R) Filimann, Elisabeth 596 597 999 Flachskampf, Ludwig 604(R) 898 Florath, Bernd [1098B] Fontius, Martin 53(M) 1052 Fradkin, Ilja 574A(R) Franzbach, Martin [1113] Freitas Branco, Francisco 59(M) Fricke, D. 836(R) Fries, Fritz Rudolf 14c(N) 1037 1042 Fritko, Dieter 547(R) Fuchs, Katharina 25(N) 938 Gadamer, Hans Georg [1083] [1084] Garscha, Horst 786(R) Garscha, Karsten 883(R) Geißler, Rainer [1115] Geißler, Rolf 6(N) 832(R) 839(R) Gillesspie, Gerald 790(R) Gillet, Joseph E. 612(R) Gimbel, John [1110] Glässer, Edwart 897 Glaser, Edward 872(R) Godenne, Rene 528(R) Gohrisch, Christa 61 812(R) Gomez de la Serna, Ramon 892 Gonzalez Vicen, Felipe 544(R) Gordon, L. 877(R) Griebel, Regina 1074 Grimme, Adolf [1108] Grimsley, Ronald 664(R) Grotewohl, Otto 927 Gugnin, A. 495(R) Gulyga, Arsenij V. 635(R) Haase, Norbert [1118] Harding, Peter 14d(N) 557(R) Häseler, Jens 997 Hampejs, Zdenek 889(R)
Harich, Wolfgang 903 Harig, Gerhard 468A Hartig, Irmgard 841 (R) Hausmann, Frank-Rutger 1077 Heimberger, Bernd 498(R) 500(R) Heinermann, Th. 537(R) Heintze, Horst 862(R) Heise, Wolfgang 1032 Helldorf, Renate v. 574(R) Hellweg, Martin 541 (R) Henschel, Bernhard 8(N) 509(R) 512(R) Hering, W. 521 (R) Hermlin, Stephan 546(R) 555(R) Herrmann, Georg 507(R) 508(R) Herzberg, Guntolf [1097A] Heydel, Gerda 988 991 Heydenreich, Titus 845(R) Höhne, Heinz 1061 1065 [1112] Hofer, Hermann 984 Hohendorf, Gerd 1029 Holbein, Augustin 732(R) Holz, Hans Heinz 607(R) 616(R) 744(R) 754(R) 814(R) 966 Holzschuh, Anneliese 584(R) Hopp, Lajos 634(R) 658(R) Huber, Elena 792(R) Hupka, Herbert 552(R) 556(R) Jasper, Willi 871A Jaspers, Karl 468 Jauß, Hans Robert 66(V) 869(R) 1050 Jehle, Peter 3(N) 510(R) 998 1073 1077 1078 1079 1079A 1080 Jena, Hans-Jörg v. 735(R) Jens, Inge 475 Jost, Dominik 805(R) Kajtar, Maria 1019 Kamper, Walter 781 (R) Karow, Eberhard 849(R) Kebir, Sabine 871 (R) Kellermann, Wilhelm 522(R) 873(R) Kersten, Wilfried 996 Kibedi Varga, A. 654(R) Klare, Hermann 1000 Klein, Wolfgang 1027A Klemperer, Victor 473 559(R) 573(R) Klinger, Gerwin 1055 1059A [1098A] Klostermann, E. [1086A]
Register der Rezensenten und Autoren über Krauss
Köhler, Erich 1017 Konrad, Gustav 630(R) 636(R) 656(R) 752(R) Koppen, Erwin 742(R) Kortum, Hans 45(M) 61 981 Krause, Tilman [1093] Kraushaar, Luise [1111] Krauß, Henning 1053 Krebs, Ricardo 857(R) Krebs, Roland 856(R) Kuczynski, Jürgen [1088] Kunz, H. 602(R) Lange, Gert 1059 Langner, Rainer-K. 578(R) Lauterbach, Wolf 886(R) Lecercle, Jean-Louis 529(R) Lehmann, Cornelia 477 826(R) Lehmann, Klaus [1106] Leo, Ulrich 542(R) Lepenies, Wolf 864(R) Lethen, Helmut [1098] Ley, Hermann [1085] Lhot, Peer 558(R) Lind, Georg Rudolf 758 (R) Lippet, Johann 595 (R) Lissner, Erich 598(R) Lombardi, Franco 1016 Lope, Hans-Joachim 859(R) Lorenz, Günter W. 727(R) Markov, Walter 468A 1007 1020 [1092] Mattauch, H. 882(R) Mayer, Hans 469 916 1002 [1081] [1086] Meakin, David 821 (R) Mercier, Roger 533(R) Meregalli, Franco 515(R) Merian-Genast, Ernst 545(R) Mewes, D. H. J. 908 Meyer, Paul H. 513(R) 518(R) 666(R) 703(R) 800(R) Meyer-Minnemann, Klaus 860(R) Minar, Jaroslav 889(R) Mortier, Roland 514(R) 631(R) 813(R) Müller, Bodo 881 (R) Müller, Franz Walter 553(R) 706(R) Müller, Horst F. 502(R) 1049 Müller, Silvia [1098B]
637
Müller-Roewer, Christel 891 (R) Munteanu, Romul 520 Naumann, Manfred 23 (M) 66 (N) 519(R) 965 974 980 1006 1013 1031 1045 1046 1047 1051 1072 Nef, Ernst 810(R) Nehrkorn, Marianne 1065B Nerlich, Michael 479 605 884 982 995 1003 1005 1048 1055A 1064 Neumann, Gerda 757(R) Neuschäfer, Hans Jörg 789(R) Niderst, Alain 822(R) Niedermayer, Franz 772(R) Niggestich, K. 798(R) Noack, Rudolf 504(R) Oleschinski, Brigitte [1118] Orlando, Francesco 625(R) 876(R) Orth, Wilhelm 564(R) Ott, Sieghart 585(R) Pabst, Walter 517(R) 726(R) Parker, A. A. 787(R) Pieck, Wilhelm 927 Podak, Klaus 586(R) Porti, Klaus 474 Polt, J. H. R. 890(R) Popp, Wolfgang [1115] Porqueras Mayo, Alberto 811 (R) Pothast, Ulrich 592(R) Preisendörfer, Bruno 594(R) Preisigke, Karin 1049 Proust, Jacques 655(R) Rathenow, Lutz 590(R) 590b(R) Reberski de Baricevic, Zdenka 782(R) Reichardt, Rolf 834(R) Reichenberger, Arnold G. 603(R) Reinhardt, Rudolf 1062 Reissmann, Rolf 549(R) Reymont, Charles-Henry 530(R) Rheinfelder, Hans 474 Richter, Eckart 797(R) 799(R) 853(R) 959 987 Richter, Erich 928 Richthofen, Erich v. 523 (R) Rieck, Werner 643(R) Rieger, Dietmar 87 c 237 b 511 (R) Riesz, Jänos(R) 885 Rigo Bienaime, D. 879(R)
638
Register der Rezensenten und Autoren über Krauss
Rincon, Carlos 57(M) 59(M) 702(R) 733(R) 818(R) Röche, Daniel 532(R) Rodriguez Richart, J. 57(M) 769{R) Röhr, Werner 863 (R) Ross, Werner 591 (R) 737(R) Rothbauer, Anton M. 740(R) 741 (R) Rüegg, August 785(R) Rüzicka, Rudolf 1038 Sanchez Albornoz, Claudio 976 Sander, Hans-Dietrich 615 (R) 660(R) 796(R) Saner, Hans [1082] Schäfer, Hans 987 Schalk, Fritz 600(R) 608(R) 628(R) 659(R) 694(R) 704(R) 801(R) 1012 Scheel, Heinrich 880 1011 1018 1023 1043 1066 1067 1069 1074 [1089] [1119] Scheibe, Siegfried 14c(N) 14d(N) Schewe, Gerhard 846(R) Schirdewan, Karl [1104] Schlenstedt, Silvia 477A Schlobach, Jochen 1071 Schlotheim-Wilmsen, Amelie v. 1063 Schmid, Raymund 896 Schmidt, Julius 543(R) Schneider, Ulrich 1065A 1068 Schnelle, Kurt 844 854(R) 968 1036 1041 1054 Schober, Rita 473 Scholder, Klaus 641 (R) 653 (R) Scholze, Dietrich 1027A Schoor, Uwe [1095] Schreiner, Albert H. 468A Schröder, Winfried 5 (N) 519(R) 830(R) 965 974 988 991 1034 1055B 1056 Schütz, Hans J. 588(R) 593(R) Schulz, Manfred [1114] Schulz-Buschhaus, Ulrich 536(R) Schwabe, Karl-Heinz 503 (R) Schwidetzky, I. 867(R) Seidel, Helmut 1057 Sevry, Jeanne 633 (R) Shackleton, Robert 828(R) Sobejano, Gonzalo 621 (R) Soboul, Albert 624(R)
Spectator 909 Stagg, Geoffrey 784 (R) Starke, Manfred 820(R) 1058 Steinmetz, Erdmann 589(R) 684(R) Steland, D. 698(R) Sternberger, Dolf 468 476 Stieber, Z. 472 Stolz, Otto 906 Strobach-Brillinger, Susanne 992 Sudhoff, Siegfried 697(R) Taube, Otto v. 751 (R) Techtmeier, Wolfgang 1040 Teller, Christine [1116] Teofanes, Egido 855(R) Thomson, Ann 866(R) 990 Tonelli, Giorgio 638(R) Torre, Guillermo de 601 (R) Träger, Claus 1035 Trotter, G. D. 618(R) Trousson, Raymond 531(R) 709(R) 711(R) 823(R) 831(R) Trueblood, Alan S. 622(R) Ullrich, Helmut 577(R) Unger, Willy 824(R) Van Dam, C. F. A. 756(R) Van Düsen, R. 843(R) Vanja, Christina 1065B Vantuch, Anton 961 Varloot, Jean 613(R) 626(R) 1015 1022 1030 Vercruysse, Jeroom 534(R) 802(R) 837(R) Vermeylen, A. 791 (R) Viaion, Martin [1120] [1121] Vitt, Walter 806(R) Vogt, Wolfgang 847(R) 858(R) Voigt, Burkhard 506(R) Vormweg, Heinrich 803(R) Voss, J. 851 (R) Vossler, Karl [1103] Wagner, N. 665(R) Wagner, R.-L. 535(R) Waldmüller, Monika 887 Walter, Monika 868 Wartburg, W. v. 522(R) Weber, Alfred 468 Wehle, Winfried 870(R)
Register der Rezensenten und Autoren über Krauss
Weinrich, Harald 753(R) Weisenborn, Günter [1105] [1109] Werth, Wolfgang 804(R) Weser, A. 989 Weyland, W. H. [1099] Wien, Werner 762(R)
639
Winter, Eduard 1044 Wolffheim, Hans 606(R) Zak, Eduard 554(R) 567(R) Zimmermann, Rolf Christian 679(R) Zudeick, Peter [1089A] Zwerenz, Gerhard [1097]
Anhang Die Vorlesungen von Werner Krauss
I. Vorlesungen und Übungen in Marburg * Zulassung durch den Dozenten erforderlich *t unentgeltlich, aber Zulassung durch den Dozenten erforderlich WS 1931/32 Voltaires Romane Prof. Auerbach in Verbindung mit Dr. Krauß * Rom. Proseminar
Mi 18 — 20h
Spanisch Dr. Krauß und Senor N. N. / Je Zstündig Unterkurs, Mittelkurs, Oberkurs; je Istündig Curso de conversacion u. Vorlesung SS 1932
Die „Caracteres" von La Bruyere * Rom. Proseminar Prof. Auerbach in Verbindung mit Dr. Krauß
Mi 18-20h
Spanisch Drcs Krauß und Claveria / Je 2stündig Unterkurs, Mittelkurs, Oberkurs; je Istündig Curso de conversacion u. Vorlesung WS 1932/33 Einführung in die Hauptströmungen der spanischen Literatur Dr. Krauß Französische Prosa des 17. Jahrhunderts Dr. Krauß Oberstufe Rom. Proseminar
Fr ll-13h Mi 18-20h
SS 1933
Einführung in die Hauptströmungen der span. Literatur, II Dr. Krauß La Bruyere Dr. Krauß Oberstufe Roman. Proseminar
Fr ll-13h Mi 18—20 h
I. Vorlesungen und Übungen in Marburg
641
WS 1933/34 Einführung in die ästhetischen Grundanschauungen der romanischen Literaturen Dr. Krauß Fr 12-13h Spanische Nationalliteratur in der Blütezeit
Dr. Krauß
Fr ll-12 h
Spanisches Kolloquium für Fortgeschrittene: Lektüre eines Textes Dr. Krauß
*f (Übung)
SS 1934 Staat und Gesellschaft in der französischen Literatur der Neuzeit II Dr. Krauß Spanische Nationalliteratur der Blütezeit II
Dr. Krauß
Fr 12-13h
Fr ll-12 h
Französische Literatur: Kritik und Methoden der Dichtungsgeschichte im 19. Jahrhundert Dr. Krauß Fr 18-20h WS 1934/35 Krauss im Prüfungsausschuß für Spanisch genannt. Bedeutungslehre Dr. Krauß
Fr 12-13h
Einführung in die italienische Literatur der Renaissance
Dr. Krauß
Fr ll-12h
Übungen über Pascal Dr. Krauß Romanisches Proseminar
Fr 18 —20 h
SS 1935 Krauss im Prüfungsausschuß für Französisch/Spanisch/Italienisch in dieser Funktion der Name Auerbach nicht mehr auf. Grundzüge d. französischen Literaturentwicklung II Dr. Krauß Spanische Prosa im 17. Jahrhundert Dr. Krauß
— dafür taucht
Di, Fr 10-1 l h Fr 16-17h
Spanisches Kolloquium: Tirso de Molina, „El burlador de Sevilla" und die Wandlungen des Don-Juan-Mythos Dr. Krauß Do 16-17h Übungen zur Epochenlehre der franz. Geistesgeschichte Prof. Auerbach in Verb, mit Dr. Krauß t Rom. Seminar
Mo 18-20h
Altprovenzalische Texte Dr. Krauß in Verb, mit Prof. Auerbach *f Rom. Seminar
Do 2030-22h
642
Anhang: Die Vorlesungen von Werner Krauss
WS 1935/36 Französische Literatur des 17. Jahrhunderts, I. Teil Dr. Krauß
Di, Fr 9-10h
Interpretationen zum spanischen Renaissanceroman Dr. Krauß
Di 12-13h
Kolloquium über den dogmatischen Gehalt ausgewählter Texte Prof. Auerbach in Verb, mit Dr. Krauß *f zweistündig in noch zu bestimmender Zeit Epochenlehre II: Französische Lyrik des 16. und 17. Jahrhunderts Prof Auerbach in Verb, mit Dr. Krauß f Rom. Seminar
Mo 18—20h
SS 1936 Französische Literatur d. 17. Jahrhunderts, II. Teil Dr. Krauß
Di, Fr 10-1 l h
Geschichte der spanischen Sprache im Zusammenhang der romanischen Sprachentwicklung Dr. Krauß Di ll-12 h Übungen zur spanischen Vorlesung Dr. Krauß
Dil2-13 h f
Übungen zur Bedeutungslehre Prof. Auerbach in Verbindung mit Dr. Krauß
Mo 18-20h f
WS 1936/37 Direktor des Romanischen Seminars: Schurr, Friedrich (Auerbach nicht mehr vertreten). Moliere Dr. Krauß
einstündig
Gongora Dr. Krauß
einstündig
Kolloquium über einen noch zu benennenden Gegenstand der romanischen Philologie Dr. Krauß Sa 11-13 Übungen über Choderlos de Laclos und den Roman des vorrevolutionären Frankreichs Dr. Krauß in Verbindung mit Dr. Hellweg zweistündig (Spanische Vorlesungen und Sprachkurse: Univ-Prof. Dämaso Alonso, Valencia, zu noch zu bestimmender Zeit)
I. Vorlesungen und Übungen in Marburg
643
SS 1937
Staatstheorie und Staatsphilosophie in Frankreich, Italien und Spanien während des 16. u. 17. Jahrhunderts Dr. Krauß Di, Fr je Istdg Übungen Dr. Krauß
Sa ll-13h
Diderot Dr. Krauß in Verbindung mit Dr. Hellweg Roman. Proseminar
Zstdg.
WS 1937/38 Geschichte der altfranzösischen Literatur Dr. Krauß
Di ll-13h
Der spanische Roman im 16. und 17. Jahrhundert. Stilistische Interpretationen Dr. Krauß Sa ll-13h SS 1938
Französische Literatur im Zeitalter der Frühaufklärung Dr. Krauß
Di ll-12 h
Der spanische Roman im 16. und 17. Jahrhundert Dr. Krauß
Fr ll-12 h
Kolloquium über einen noch zu bestimmenden Gegenstand der romanischen Sprachgeschichte Dr. Krauß Zeit nach Vereinbarung *f WS 1938/39 Cervantes. Sprachliche, literarische und geistesgeschichtliche Interpretationen Dr. Krauß Di 11 - 12h, Fr 11 - 13h Kolloquium über ein Thema d. roman. Literatur- und Sprachgeschichte Dr. Krauß *t Kolloquium Mi 18-20h SS 1939
Die französische Philologie im 16. und 17. Jahrhundert Dr. Krauß
Di ll-12 h
Graciän Dr. Krauß
Di 12-13h
Grundzüge der spanischen Stilistik Dr. Krauß
Fr ll-12 h
Kolloquium über einen noch zu bestimmenden Gegenstand aus der französischen Sprach- und Literaturgeschichte Dr. Krauß Mi 16-18h
644
Anhang: Die Vorlesungen von Werner Krauss
WS 1939/40 Der Schelmenroman in Spanien und Frankreich Dr. Krauß
Di ll-13h
Geschichte der spanischen Metrik Dr. Krauß
Fr ll-13h
Übungen für Fortgeschrittene über Petrarcas „Canzoniere" Dr. Krauß
Di 20-22h
1940, 1. Trimester Das klassische Theater und die dramatische Kritik in Frankreich Dr. Krauß Fr ll-13h (verlegbar) Geschichte des Romans in Spanien Dr. Krauß
Di ll-12h
Interpretation eines altfranzösischen Textes für Vorgerückte Dr. Krauß
Mi 20-22h *f
1940, 2. Trimester Geschichte des spanischen Theaters Dr. Krauß
Di ll-12h
Bedeutungslehre der französischen Sprache nach Wortgruppen Dr. Krauß
Fr ll-13h
Übung im Anschluß an die französische Vorlesung Dr. Krauß
nach Vereinbarung
Übung für Vorgerückte: Quevedo, Interpretation und Lektüre Dr. Krauß
nach Vereinbarung
1940, 3. Trimester Krauss wird im August 1940 zur Dolmetscher-Lehr-Kompanie eingezogen, dürfte also diese im voraus angekündigten Vorlesungen und Übungen kaum mehr gehalten haben. Geist und Nation in Frankreich von der Revolution bis zum Weltkrieg Dr. Krauß Di ll-12h, 12~13h Die Rolle des Germanentums u. die Idee des Universalreichs in Spanien vom Mittelalter bis zum Ende der Habsburger Dr. Krauß Fr ll~12 h Interpretationen zum spanischen „Romancero" Dr. Krauß
Zeitpunkt nach Vereinbarung
Übungen über ein Thema der modernen französischen Philologie Dr. Krauß
Do 20-22h
I. Vorlesungen und Übungen in Marburg
645
1941, 1. Trimester Krauss nicht mehr mit Vorlesungen oder Übungen vertreten, Adresse aber noch aufgeführt. WS 1941/42 und SS 1942 Krauss nicht mehr mit Vorlesungen oder Übungen vertreten, aber noch als Mitglied im Prüfungsausschuß für Französisch, Spanisch und Italienisch aufgeführt. WS 1942/43 Krauss noch unter dem Lehrkörper und im Namensverzeichnis genannt, bei den Prüfungsausschüssen: für Spanisch und Italienisch: b. a. o. Prof. Dr. Kühn und Dozent Dr. Krauß. SS 1943
Hier taucht der Name Krauss nicht mehr auf, weder als Mitglied des Lehrkörpers, noch der Prüfungsausschüsse, noch im Namensverzeichnis.
SS 1946
Vorlesung für Hörer aller Fakultäten: Spanische Geistesgeschichte von der Jahrhundertwende bis zum Bürgerkrieg Prof. Krauß Do 17-18h Französische Literatur- und Geistesgeschichte Prof. Krauß
Mo, Do ll-12 h
Lektüre und Interpretationen von Cervantes' „Don Quijote" Prof. Krauß einstündig nach Verabredung Seminarübung zu einem französischen Text des 17. Jahrhunderts Prof. Krauß zweistündig n. Verabredung WS 1946/47 Literatur im Zeitalter der französischen Klassik Prof. Krauß
Mo, Do 9-10h
Interpretation spanischer Texte für Vorgerückte Prof. Krauß
einstündig nach Vereinbarung
Spanische Geistesgeschichte von der Jahrhundertwende bis zum Bürgerkrieg Prof Krauß Do 17-18h La Bruyere und die französischen Moralisten Prof. Krauß Hauptseminar
Sa 9-10h
646
Anhang: Die Vorlesungen von Werner Krauss
SS 1947
Romanisches Seminar, Direktoren: Prof. Dr. Krauss, Prof. Dr. Kühn Französische Literatur im Zeitalter der Klassik II. Prof. Krauss
Mo, Do ll-13h
Für Hörer aller Fakultäten: Geistige Grundlagen der modernen spanischen Literatur Prof. Krauss
Do 18-19h
Übungen Über La Bruyere und die französischen Moralisten Prof Krauss
Do 16-18h
Übungen über „Oraculo manual" Prof. Krauss
*f Zeit nach Vereinbarung WS 1947/48
Noch angezeigt, aber nicht mehr gehalten wegen der Übersiedlung nach Leipzig Französische Literatur im Zeitalter der Klassik II. Prof. Krauss
Mo, Do ll-12h
Geistige Grundlagen der modernen span. Literatur Prof. Krauss
Do 18-19h
Übungen über La Bruyere und die französischen Moralisten Prof. Krauss
Do 16~18h
II. Vorlesungen und Übungen in Leipzig (und Berlin) WS 1947/48 (1. Oktober 1947 bis 15. Februar 1948) * privatissime et gratis ** publicae Krauss, Werner, Dr. phil., ordentl. Prof. für Romanische Philologie, Direktor des Romanischen Instituts. Französische Literatur- u. Geistesgeschichte im Zeitalter der Klassik I. Di, Do, Fr 10-11 * Hauptseminar: Französische Literaturkritik vom 17. Jh. bis zur Neuzeit Di 15'/4-163/4 * Proseminar: Lektüre einer Komödie von Moliere
Fr 9—11
Geschichte der spanischen Ideologie von der Jahrhundertwende bis zum Bürgerkrieg (für Hörer aller Fakultäten und fak.) Do 11 — 12 Interpretation eines spanischen Textes fak. für Vorgerückte
Di 11 — 12
II. Vorlesungen und Übungen in Leipzig (und Berlin)
647
SS 1948 (1. April 1948 bis 15. August 1948)
P = Pflichtvorlesung E = Ergänzungsvorlesung Krauss, Werner, Dr. phil., ordentl. Prof. für Romanische Philologie, Direktor des Romanischen Instituts. Französ. Literatur- u. Geistesgeschichte im Zeitalter der Klassik II. Di, Mi, Do 10-11 Geschichte und Soziologie der Nationalidee auch im Rahmen der Gesellschaftswiss. Fakultät Übung zur Vorlesung für Fortgeschrittene im Rahmen der Gesellschaftswiss. Fakultät * Hauptseminar: Rimbaud
P
Fr. 11 —12 E Fr. 15—17 Di 15 s.t.- 16 1/2 P
Proseminar: Jean-Jacques Rousseau zusammen mit Herbert Kühn Proseminar: Interpretationen zu Baltasar Graciän
Fr 9 — 11 Di 11 — 12
WS 1948/49 [Okt. 1948 bis Februar 1949] Krauss, Werner, Dr. phil., ordentl. Prof. für Romanische Philologie, Direktor des Romanischen Instituts. Moralisten, Enzyklopädisten und Revolutionäre des 17. und 18. Jahrhunderts Di, Mi, Do 10-11 P Geschichte und Soziologie des abendländischen Romans
Fr 11 — 12 E
Hauptseminar: Chrestien de Troyes
Di 15—16 P
Proseminar: Die Plejade, zusammen mit Herbert Kühn
Fr 9 — 10
Abriß der spanischen Literatur
Do 10—11
Übungen im Anschluß an die Vorlesung
Do 11 — 12
Soziologie und Geschichte des Nationalbewußtseins II (1848-1948) Im Rahmen der Gesellschaftswiss. Fakultät l stund., 3 Sem. Übungen zur Soziologie u. Geschichte des Nationalbewußtseins Im Rahmen der Gesellschaftswiss. Fakultät
2stünd., 3 Sem.
SS 1949 (1. April 1949 bis [August 1949])
Krauss, Werner, Dr. phil., ordentl. Prof. für Romanische Philologie, Direktor des Romanischen Instituts, Angehör. des Senats der Universität.
648
Anhang: Die Vorlesungen von Werner Krauss
Übungen zur Methodenfrage in der modernen Sprach- und Literaturgeschichte (auch für Hörer aller Fakultäten) Fr 16—18 Französische Literatur der Revolutionszeit, Sozialismus, Romantik
Mi 9—11
Hauptströmungen der modernen französischen Literatur
Di 10—11
Hauptseminar: Montaigne (Essais)
Di 15 — 17
Proseminar: Die Dichtung der Resistance Krauss und N. N.
Di 730-9
Abriß der spanischen Literatur Im Rahmen der Philosophischen Fakultät
Do 10—11
Span. Proseminar: Übungen im Anschluß an die Vorlesung
Do
11-12
WS 1949/50 (1. Oktober 1949 bis [Februar 1950]) Krauss, Werner, Dr. phil., Prof. mit Lehrstuhl f. Romanische Philologie, Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Kolloquium privatissimum über ?
nach Vereinbarung
SS 1950 (12. April 1950 bis 12. August 1950) Krauss, Werner, Dr. phil., Nationalpreisträger, Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften (roman. Philologie), Prof. mit Lehrstuhl f. roman. Philologie, Direktor des Romanischen Instituts, komm. Direktor des Englischen Instituts. Abriß der französischen Literaturgeschichte und Bibliographie auch im Rahmen der GeWi Fak, kulturpol. Richtg.
Mi 9—11
Hauptseminar: Ausgewählte Kapitel aus der französischen Bedeutungslehre Di
14-16
Kolloquium über ein Thema d. spanischen Literatur
Di 10—11
Übungen für Fortgeschrittene zur span. Gegenwartsliteratur zusammen mit Annemarie Heins
Di 11 — 12
Berlin: SS 1950 (12. April 1950 - 2. August 1950) Gastprofessoren: Klemperer, Otto (sie!), Dr. phil. — Halle/S. — (Romanische Philologie) Kraus(sicl), Werner, Dr. phil. — Leipzig — (Romanische Philologie) Grundriß und Bibliographie der französischen Literatur
Fr 11 —12.30
Übungen zur Vorlesung
Fr 14-15.30
II. Vorlesungen und Übungen in Leipzig (und Berlin)
649
WS 1950/51 (5. Oktober 1950 bis 20. Februar 1951) Krauss, Werner, Dr. phil., Nationalpreisträger, Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften, Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Prof. mit Lehrstuhl für Romanische Philologie, Direktor des Romanischen Instituts. Abriß der französischen Literaturgeschichte und Bibliographie II (bis zur Gegenwart)
Mo 14—16
Kolloquium über ein Thema der spanischen. Literatur
Di 17—18
Geschichte und Kritik der literarhistorischen Methoden
Mo 16—18
Übungen dazu
Mo 17—18
Hauptseminar: Die literarhistor. Bedeutung des Jahres 1871 [1789?] als einer geschichtlichen Wende Di 14-16 Proseminar: Die Grundprobleme der Romanischen Philologie zusammen mit Hans Kortum Rabelais, das Werk und die Sprache zus. mit Werner Bahner
Di 9—11
2 Std nach Vereinbarung
Berlin: WS 1950/1951 (5. Oktober 1950 bis 20. Februar 1951) Gastprofessoren: Klemperer, Victor, Dr. phil. (Romanische Philologie) — Halle/S. Krauss, Werner, Dr. phil. (Romanische Philologie) — Leipzig Romanisches Seminar, Berlin NW 7 Dorotheenstr. 85 komm. Direktor: Prof. Dr. Werner Krauss Abriß der französischen Literaturgeschichte und Bibliographie bis zur Gegenwart, II. Teil Fr 11.30-13 Übungen zur Vorlesung
Fr 14—15.30
SS 1951 (2. April 1951 bis 30. Juni 1951)
Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl für roman. Philologie, Dir. des Romanischen Instituts. Literatur der franz. Revolutionszeit und des utopischen Sozialismus
Mo 14—16
Kollegium über ein Thema der spanischen Literatur
Mo 17—18
Hauptseminar: Die Literatur der Jakobiner Proseminar: Die Enzyklopädisten zusammen mit Manfred Naumann
Di 12—14 Di 9—11
650
Anhang: Die Vorlesungen von Werner Krauss
Berlin: SS 1951 (2. April 1951 bis 30. Juni 1951) Gastprofessoren: Klemperer, Victor, Dr. phil. (Romanische Philologie) — Halle/S. Krauss, Werner, Dr. phil. (Romanische Philologie) — Leipzig Romanisches Seminar, Berlin NW 7, Clara-Zetkin-Str. l komm. Direktor: Prof. Dr. Werner Krauss, stellv. Dir. Prof. Dr. Baidinger Geschichte und Kritik der literarhistorischen Methoden, dazu Übung nach Vereinbarung Literatur der französischen Revolutionszeit und des utopischen Sozialismus nach Vereinbarung Hauptseminar: Die Literatur der Jakobiner
nach Vereinbarung
Proseminar (Krauss/Naumann): Die Enzyklopädisten
nach Vereinbarung
Kolloquium über ein Thema der spanischen Literatur
nach Vereinbarung
Studienjahr 1951/52 Herbstsemester (10. September 1951 bis 22. Dezember 1951) Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl f. roman. Philologie, Dir. des Roman. Instituts. Die Romanische Philologie ist nur vertreten mit Sprachkursen für Französisch, Italienisch und Rumänisch.
Berlin: HS 1951/1952 (3. September 1951 bis 22. Dezember 1951) Nationalpreisträger: Dr. phil. Werner Krauss, Prof. m. Lehrstuhl, Philos. Fakultät Philosophische Fakultät, Professoren mit Lehrstuhl: Klemperer, Victor, Dr. phil. (Romanische Philologie) — Dresden Krauss, Werner, Dr. phil. (Romanische Philologie) — Leipzig Romanisches Institut, Berlin NW 7, Clara-Zetkin-Str. l Direktoren: Prof. Dr. Klemperer, Prof. Dr. Krauss Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. Klemperer Mitarbeiter: Prof. Dr. Baidinger, mit der Wahrnehmung einer Prof. m. Lehrstuhl beauftragt; Prof. Dr. Böhme, Prof. m. vollem Lehrauftrag; Heintze, Assistent; Krügel, Assistent. Krauss nicht mit Vorlesungen oder Übungen vertreten. Studienjahr 1951/52 Frühjahrssemester (14. Januar 1952 bis 5. Juli 1952) Die Romanische Philologie ist nur vertreten mit Sprachkursen für Französisch, Italienisch und Rumänisch.
II. Vorlesungen und Übungen in Leipzig (und Berlin)
651
Berlin: FS 1951/52 (14. Januar 1952 bis 5. Juli 1952) Romanisches Institut, Berlin NW 7, Clara-Zetkin-Straße l Direktoren: Prof. Dr. Klemperer, Prof. Dr. Krauß Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. Klemperer Mitarbeiter: Prof. Dr. Baidinger, mit der Wahrnehmung einer Professur mit Lehrauftrag beauftragt; Dr. Heintze, Assistent; Kirchner, Assistentin; Dr. Naumann, Assistent. Geschichte der französischen Literatur der Aufklärung Für das 1., 3. und 4. Studienjahr
Fr. 10—12
Studienjahr 1952/53 Herbstsemester (22. September 1952 bis 19. Dez. 1952) Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Mitgl. der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl f. roman. Philologie, Dir. des Roman. Instituts. Geschichte der franz. Literatur der Gegenwart: Aragon und Stil Krauss in Verb. m. W. Bahner, M. Naumann, W. Schröder, Ketzel für das 1. Studienjahr 2 Std. nach Vereinbarung Lektüre der „Humanite" und das Problem der sozialistischen Journalistik in Frankreich Krauss und Mitarbeiter Übung f. 1. Studienjahr l Std. nach Vereinbarung Lektüre wissenschaftlicher und literarischer Zeitschriften der Gegenwart Krauss und Mitarbeiter f. 1. Studienjahr l Std. nach Vereinbarung Besprechung einer Vorlesung über die Literatur im Zeitalter des Absolutismus und der Klassik Propädeutische Übung für Aspiranten 2 Std (14täg.) n. Vereinb. Grundprobleme der Hispanistik unter bes. Ber. der Cervantes-Forschung für Fortgeschrittene u. Aspiranten 2 Std (14täg.) n. Vereinb. Grundzüge der sowjetischen Literatur- und Sprachwissenschaft N. N. in Verbindung mit Krauss 2 Std (14täg.) n. Vereinb. Sprachübungen: Spanisch Krauss mit J. Quevedo und W. Bahner
2 Std (14täg.) n. Vereinb.
Berlin: HS 1952/1953 (8. September bis 20. Dezember 1952) Romanisches Institut, Berlin NW 7, Clara-Zetkin-Str. l Direktoren: Prof. Dr. paed. h. c. Klemperer, Prof. Dr. Krauß, Professoren mit Lehrstuhl; Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. paed. h. c. Klemperer; Prof. Dr. Baidinger, Professor mit vollem Lehrauftrag und mit der Wahrnehmung einer Professur mit Lehrstuhl beauftragt;
652
Anhang: Die Vorlesungen von Werner Krauss
Prof. Dr. Böhme, Professor mit vollem Lehrauftrag; Christiansen, Assistent; Dr. Heintze, Assistent; Dr. Naumann, Assistent. Krauss nicht mit Vorlesungen oder Übungen vertreten. Studienjahr 1952/1953 Frühjahrssemester (19. Januar 1953 bis 16. Mai 1953) Krauss, Werner, Dr. phil, NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl für roman. Philologie, Direktor des Roman. Instituts. Besprechung einer Vorlesung über die Literatur im Zeitalter des Absolutismus u. d. Klassik Propädeutische Übung für Aspiranten Grundlagen der Hispanistik unter bes. Berücks. der Cervantes-Forschung Für Fortgeschrittene und Aspiranten Grundzüge der sowjetischen Literatur- und Sprachwissenschaft Für Fortgeschrittene und Aspiranten N. N. in Verbindung mit Krauss Sprachübungen: Spanisch Quevedo, Krauss und Bahner Berlin: FS 1952/1953 (5. Januar 1953 bis 16. Mai 1953) Romanisches Institut, Berlin NW 7, Clara-Zetkin-Str. l Direktor: Prof. Dr. Dr. paed. h. c. Klemperer, Professor mit Lehrstuhl; Prof. Dr. Baidinger, Professor mit vollem Lehrauftrag und mit der Wahrnehmung einer Professur mit Lehrstuhl beauftragt; Prof. Dr. Böhme, Professor mit vollem Lehrauftrag; Dr. Schober, mit der Wahrnehmung einer Professur mit Lehrauftrag beauftragt; Dr. Heintze, Oberassistent; Christiansen, Assistent; Möller, Assistent. Krauss nicht mehr im Lehrkörper verzeichnet und nicht mit Vorlesungen oder Übungen vertreten. Studienjahr 1953/1954 Herbstsemester (14. September 1953 bis 19. Dezember 1953) Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Fachrichtungsleiter f. Romanistik, Direktor des Roman. Instituts. Übungen zu den Hauptströmungen der französischen Literatur Krauss mit Naumann, Bahner, Schnelle, Schröder, Ricken, Ketzel, Männel Für das 1. Studienjahr 4std. nach Vereinbarung Vorlesung und Übung über Cervantes Krauss und Bahner Für Aspiranten
2std. nach Vereinbarung
II. Vorlesungen und Übungen in Leipzig (und Berlin)
653
Studienjahr 1953/1954 Frühjahrssemester (18. Januar 1954 bis 15. Mai 1954) Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Fachrichtungsleiter f. Romanistik, Dir. des Roman. Instituts. Geschichte der franz. Literatur im Zeitalter des Absolutismus I: Die gesellschaftl. und ideologischen Voraussetzungen der klass. Literatur Für das I.Studienjahr Di 10—12 Interpretation ausgewählter Texte zur spanischen Literatur im 16. und 17. Jahrhundert in Verbindung mit W. Bahner Seminare und Übungen für Aspiranten Fr 15 — 17 Studienjahr 1954/1955 Herbstsemester (20. September 1954 bis 22. Dezember 1954) Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Fachrichtungsleiter f. Romanistik, Dir. des Roman. Instituts. — Gastprofessor: Brummer, Rudolf. Geschichte der französischen Literatur der Aufklärung Vorlesung und Seminar dazu in Verbindung mit M. Naumann für das 2. Studienjahr
2 + 2 Std.
Einführung in die Sprach- und Literaturwissenschaft Für das 2. Studienjahr
Istd.
Spanische Sprachübungen einschließlich 2 Std. Textlektüre In Verbindung mit Bahner und Männel Für Studierende mit anderen Berufszielen als Lehrer
5std.
Kolloquium über Spezialprobleme der Sprach- und Literaturwissenschaft Für Aspiranten
2std.
Studienjahr 1954/1955 Frühjahrssemester (17. Januar 1955 bis 14. Mai 1955) Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Fachrichtungsleiter f. Romanistik, Dir. des Roman. Instituts. — Gastprofessor: Brummer, Rudolf. Die gesellschaftl. u. ideolog. Voraussetzungen der klassischen Literatur Für das 1. Studienjahr
2std.
Einführung in die Sprachwissenschaft Für das 2. Studienjahr
Istd.
Studienjahr 1955/1956 Herbstsemester (12. September 1955 bis 20. Dezember 1955) Krauss, Werner, Dr. phil, NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl, Fachrichtungsleiter f. Romanistik, Direktor des Romanischen Instituts.
654
Anhang: Die Vorlesungen von Werner Krauss
Geschichte der französischen Literatur in der Aufklärung Für das 2. Studienjahr
2std.
Seminar dazu Für das 2. Studienjahr
2std.
Überblick über die Geschichte der spanischen Literatur 3. Studienjahr, Berufsziel Lehrer für die Oberstufe
4std.
Studienjahr 1955/1956 Frühjahrssemester (23. Januar 1956 bis 2. Juni 1956) Krauss, Werner, Dr. phil., Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Bronze, NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Professor mit Lehrstuhl, Fachrichtungsleiter f. Romanistik, Direktor des Romanischen Instituts. Geschichte der französischen Literatur in der Aufklärung Für das 1. und 2. Studienjahr
2std.
Seminar dazu Für das 1. und 2. Studienjahr
2std.
Spezialseminar der romanischen Sprachen und Literaturen Für Studierende m. d. Berufsziel Lehrer für die Oberstufe
2std.
Überblick über die Geschichte der spanischen Literatur Für das 3. Studienjahr
2std.
Seminar dazu Für das 3. Studienjahr
2std.
Studienjahr 1956/1957 Herbstsemester (12. September 1956 bis 22. Dezember 1956) Krauss, Werner, Dr. phil., Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Bronze, NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl, Fachrichtungsleiter für Romanistik, Direktor des Romanischen Instituts. Geschichte der französischen Literatur im Humanismus Für das 2., 3. und 4. Studienjahr
2std.
Überblick über die Geschichte der spanischen Literatur II Für 3. und 4. Studienjahr Diplomanden
2std.
Studienjahr 1956/1957 Frühjahrssemester (21. Januar 1957 bis 1. Juni 1957) Krauss, Werner, Dr. phil., Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Bronze, NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl, Fachrichtungsleiter für Romanistik, Direktor des Romanischen Instituts. Romanische Philologie: Verbindliche Angaben über Vorlesungen und Übungen können auf Grund der in der Umarbeitung befindlichen Studienpläne noch nicht gemacht werden.
II. Vorlesungen und Übungen in Leipzig (und Berlin)
655
Studienjahr 1957/1958 Herbstsemester (16. September 1957 bis 21. Dezember 1957) Krauss, Werner, Dr. phil., Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Bronze, NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl, Fachrichtungsleiter für Romanistik, Direktor des Romanischen Instituts. Zur romanistischen Form- und Gattungsgeschichte Für das 1., 3., 4. und 5. Studienjahr
2std.
Übung zur Geschichte d. französischen Literaturkritik vom 17. Jahrhundert bis zur neuesten Zeit Für das 1., 3., 4. und 5. Studienjahr 2std. Grundprobleme der mittelalterlichen Epik in den romanischen Literaturen Für das 1., 3., 4. und 5. Studienjahr
2std.
Spanische Phraseologie Für das 4. und 5. Studienjahr
2std.
Studienjahr 1957/1958 Frühjahrssemester (20. Januar 1958 bis 7. Juni 1958) Krauss, Werner, Dr. phil., Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Bronze, NPT, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl, Fachrichtungsleiter für Romanistik, Direktor des Romanischen Instituts. Romanische Philologie: Verbindliche Angaben über Fachvorlesungen und Übungen können auf Grund der in der Umarbeitung befindlichen Studienpläne noch nicht gemacht werden. Studienjahr 1958/1959 Herbstsemester (16. September 1958 bis 20. Dezember 1958) Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Bronze, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl, Direktor des Romanischen Instituts. Geschichte der franz. Lit. in der bürgerlichen Gesellschaft (1789—1870) Für das 2., 4. und 5. Studienjahr
3std.
Spezialseminar: Französische Literaturkritik und Literaturgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert Für das 4. und 5. Studienjahr 2std. Sprachliche u. literarhistor. Interpretation zum „Cantar de mio Cid" Für das 4. und 5. Studienjahr
2std.
Studienjahr 1958/1959 Frühjahrssemester (9. Februar 1959 bis 20. Juni 1959) Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Bronze, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl (z. Zt. beurlaubt).
656
Anhang: Die Vorlesungen von Werner Krauss
Geschichte der franz. Lit. in der bürgerlichen Gesellschaft (1789-1870) Für das 2., 4. und 5. Studienjahr
3std.
Spezialseminar: Französische Literaturkritik und Literaturgeschichte im 19. u. 20. Jahrh. Für das 4. und 5. Studienjahr 2std. Sprachliche und literarhistor. Interpretation zum „Cantar de mio Cid" Für das 5. Studienjahr
2std.
Studienjahr 1959/1960 Herbstsemester (7. September 1959 bis 19. Dezember 1959) Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Bronze, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl (z. Zt. beurlaubt). Kommissarischer Direktor des Romanischen Instituts: Dozent Dr. phil. Bahner, Werner. Werner Krauss weder mit Vorlesungen noch Übungen verzeichnet. Studienjahr 1959/1960 Frühjahrssemester (6. Februar 1960 bis 2. Juli 1960) Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Bronze, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl (z. Zt. beurlaubt). Kommisarischer Dir. des Romanischen Instituts: Dozent Dr. phil. habil. Bahner, Werner. Geschichte der franz. Literatur der Aufklärung Für das 3. und 5. Studienjahr
2std.
Studienjahr 1960/1961 Herbstsemester (12. September 1960 bis 4. Februar 1961) Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Bronze, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl (z. Zt. beurlaubt). Kommissar. Dir. des Roman. Instituts: Prof. Dr. phil. habil. Bahner, Werner. Französische Revolutionsgeschichte (Spezialseminar) Für das 5. Studienjahr
Istd.
Studienjahr 1960/1961 Frühjahrssemester (6. Februar 1961 bis 1. Juli 1961) Krauss, Werner, Dr. phil., NPT, Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Bronze, Mitglied der DAW und der SAW, Prof, mit Lehrstuhl (z. Zt. beurlaubt). Werner Krauss weder mit Vorlesungen noch Übungen verzeichnet.
Inhalt
Zur Bedeutungsgeschichte von romanesque im 17. Jahrhundert . . . Romanistik Die Stellung des Spanischen unter den romanischen Sprachen Das Problem einer spanischen Synonymik Spanien — wehrhaft. Ein Lesebuch für den Sprachmittler Langenscheidts Taschenwörterbuch der spanischen und deutschen Sprache. Neubearbeitung 1941 Lehrbücher der spanischen Sprache Macht und Ohnmacht der Wörterbücher Die Flucht ins Argot. Betrachtungen über den Zustand unserer Sprache Über den Standort der Sprache Ein Wendepunkt in der Sprachwissenschaft Der marxistische Standpunkt in den Sprachwissenschaften Die Bedeutung der sprachwissenschaftlichen Arbeiten Stalins für die Weiterentwicklung der Theorie des Marxismus-Leninismus Versuche zur Sprachtheorie Betr.: Olaf Deutschmann „Zum Adverb im Romanischen" Zur Lexikologie der Aufklärung I El desarrollo del castellano en Espana y del espanol en America . . . . Zur Wortgeschichte von Persiflage Patriotismus und Kosmopolitismus in der Aufklärung Harald Weinrich: Linguistik der Lüge Fritz Schalk: Exempla romanischer Wortgeschichte Französische Neologien im 18. Jahrhundert Patriote, patriotique, patriotisme am Ende des Ancien Regime Zur Bedeutungsentwicklung von revolution Über französisch enthousiasme im 18. Jahrhundert
5 30 40 47 62 83 89 100 114 143 181 185 191 207 251 253 267 273 300 309 312 315 321 329 336
658 Petite histoire de Palpinisme Symbol und Allegorie
361 363 Anhang
Nachwort. Von Bernhard Henschel Zu dieser Ausgabe Editorische Anmerkungen Personenregister
375 385 387 461
Werner Krauss-Bibliographie Vorbemerkung Gliederung A. Schriften von Werner Krauss B. Literatur über Werner Krauss Register der Schriften von Werner Krauss Register der von Krauss besprochenen Autoren Register der Rezensenten und Autoren über Krauss Anhang. Die Vorlesungen von Werner Krauss
475 477 478 570 623 632 635 640
Sprachpolitik in der Romania Zur Geschichte sprachpolitischen Denkens und Handelns von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart Eine Gemeinschaftsarbeit der Leipziger Forschungsgruppe „Soziolinguistik" Jenny Brumme, Gerlinde Ebert, Jürgen Erfurt, Ralf Müller, Bärbel Plötner unter Leitung von Klaus Bochmann XVI, 528 Seiten. 1993. Ganzleinen. ISBN 3-11-013614-7 Es wird ein weitgefaßter, die Lösung von Sprachkonflikten, die Sprachplanung, Standardisierung, Diskursregelung und Fremdsprachenpolitik zusammenfassender Begriff von Sprachpolitik vorgestellt, der anhand der Praxis der Französischen Revolution verifiziert wird. Unter deren Einfluß, aber auch unabhängig von ihr, hat sich die Sprachpolitik bis zur Gegenwart in Frankreich, Italien, Spanien und den ehemaligen Kolonien in größtenteils übereinstimmenden Formen entwickelt. Aus dem Inhalt: 1. Theorie und Methoden der Sprachpolitik und ihrer Analyse · 2. Sprachpolitik in der Großen Französischen Revolution und im napoleonischen Empire · 3. Die sprachpolitische Ausstrahlung der Französischen Revolution auf die romanischen Nachbarländer · 4. Sprachpolitik im 19. Jahrhundert · 5. Repressive Sprachpolitik · 6. Demokratische Alternativen in der Gegenwart · Bibliographie
Walter de Gruyter
W G DE
Berlin · New York
Spanish in the United States Linguistic Contact and Diversity Herausgegeben von Ana Roca und John M. Lipski VIII, 212 Seiten. 1993. Gebunden. ISBN 3-11-013204-4 (Studies in Anthropological Linguistics 6) Mouton de Gruyter
Diese Artikelsammlung bietet einen Einblick in den gegenwärtigen Forschungsstand zu linguistischen Aspekten bei der Verwendung der spanischen Sprache in den Vereinigten Staaten. Unter anderem werden Spracherhaltungsansätze sowie Sprachwandel, verwendete Varianten des Spanischen und die Rede- und Sprachfähigkeit der bilingualen Sprecher untersucht.
CARMEN DOBROVIE-SORIN
The Syntax of Romanian Comparative Studies in Romance XX, 296 Seiten. 1993. Gebunden. ISBN 3-11-013541-8 (Studies in Generative Grammar 40) Mouton de Gruyter
Ziel dieser Monographie ist die Untersuchung der Ursachen für die Unterschiede zwischen dem Rumänischen und den anderen romanischen Sprachen. Basierend auf dem formalen Ansatz der „Prinzipien und Parameter" werden neue Lösungen mit Hilfe empirischer Daten untermauert. Im Zentrum der Untersuchung stehen Themen wie die Stellung der Klitika und die Struktur von Infinitiva und Subjunktiva.
Walter de Gruyter
W DE
G
Berlin · New York