Das verfemte Meisterwerk: Schicksalswege moderner Kunst im Dritten Reich 9783050061450, 9783050043609

Kunstwerke der Moderne und der Avantgarde wurden vom Nationalsozialismus als genuine Feinde bekämpft. Mit ihrem widerstä

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German Pages 626 [636] Year 2009

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Das verfemte Meisterwerk: Schicksalswege moderner Kunst im Dritten Reich
 9783050061450, 9783050043609

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DAS V E R F E M T E M E I S T E R W E R K S C H I C K S A L S W E G E M O D E R N E R KUNST IM » D R I T T E N

REICH«

S C H R I F T E N DER F O R S C H U N G S S T E L L E » E N T A R T E T E K U N S T « BAND IV EINE

INITIATIVE

DER

FERDINAND-MÖLLER-STIFTUNG,

BERLIN

DAS V E R F E M T E M E I S T E R W E R K SCHICKSALSWEGE M O D E R N E R KUNST IM » D R I T T E N H E R A U S G E G E B E N VON UWE

Akademie Verlag

FLECKNER

REICH«

INHALT

VORWORT

Ikonen der Avantgarde -

Zerrbilder der Propaganda

V o m S y m b o l der F r e i h e i t z u m S i n n b i l d » e n t a r t e t e r « K u n s t O t t o Freundlichs Plastik »Der neue Mensch« Isgard Kracht

Ans Kreuz geschlagen Die Verhöhnung des »Kruzifixus« von Ludwig Gies in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus Katrin Engelhardt

Ein perfekter Skandal Der »Schützengraben« von O t t o Dix zwischen Kritik und Verfemung Kira van Lil

VI-Inhalt

Sie n a h m e n D a d a e r n s t

75

Das »Merzbild« von Kurt Schwitters und seine Inszenierungen als Werk »entarteter« Kunst Uwe Fleckner

Rettung aus höchster Gefahr E i n G e m ä l d e g e h t ins Exil

105

Auf den Spuren der »Kreuzabnahme« von M a x Beckmann Sara Eskllsson Werwigk

»... die m a l e v i c h - k i s t e k ö n n t e ein

filmmanuskript

sein«

137

Z u m Schicksal von Kasimir Malewitschs Gemälde »Suprematistische Komposition« Ines Katenhusen

A u f d e m W e g in ein f r e i e s L a n d

173

Paul Klees »Vokaltuch der Kammersängerin Rosa Silber« Anja Tiedemann

Ein künstlerisches Vermächtnis

197

Verfemung und Rettung von Lovis Corinths »Ecce H o m o « Esther Tisa Francini

Unter den Hufen von Kunstpolitik und Bildersturm Kniefall der M o d e r n e

227

Rezeption und Z e r s t ö r u n g der »Großen Knienden« von Wilhelm Lehmbruck Sabine Maria Schmidt

Fanal einer neuen Zeit

245

Die Z e r s t ö r u n g von O s k a r Schlemmers »Bauhaus-Fresken« im J a h r 1 9 3 0 Wulf Herzogenrath

»... m e i n e Bilder z e r s c h n e i d e t m a n s c h o n in W i e n « Das Porträt des Verlegers Robert Freund von O s k a r Kokoschka Christina Feilchenfeldt

259

Inhalt VII

Zwischen Avantgarde und A n p a s s u n g

Eine wahrhaft deutsche Schöpfung

283

D e r K a m p f um Emil N o l d e s » A b e n d m a h l « v o m Kaiserreich bis zur frühen D D R Maike Steinkamp

Die zwiespältige Rezeption eines Bildhauers

507

R u d o l f Belling und seine Plastik » D r e i k l a n g « Burcu Dogramaci

D e r Schützling des Stellvertreters

335

G e o r g S c h r i m p f und sein G e m ä l d e » M ä d c h e n vor dem Spiegel« Ulrich Gerster

Im Lichte der Staatsideen

365

Franz Radziwills G e m ä l d e » R e v o l u t i o n / D ä m o n e n « Olaf Peters

Verraten und verkauft

Das k o m m e n d e Unheil

385

Karl H o f e r s »Selbstbildnis mit D ä m o n e n « und die Badische Kunsthalle im »Dritten R e i c h « Susanna Koller

»... eines seiner stärksten Bilder«

401

D a s Schicksal des » R a b b i n e r s « von M a r c Chagall Christoph Zuschlag

Verfemt, beschlagnahmt, getauscht

427

Paula M o d e r s o h n - B e c k e r s »Stehender K i n d e r a k t mit Goldfischglas« Ilse von zur Mühlen

»... der a r m e V i n c e n t ! « Van G o g h s Selbstbildnis von 1 8 8 8 und die »Verwertung« der »entarteten« Kunst Gesa Jeuthe

445

VIII .Inhalt Der lange Weg durchs Unrecht

Aus Privatbesitz beschlagnahmt

465

O t t o Muellers »Landschaft mit Figuren« der Sammlung Ismar Littmann M a r i o - A n d r e a s von Lüttichau

Immer wieder Ferdinand Möller

489

Erich Heckeis Gemälde »Barbierstube« von 191z Andreas Hüneke

» P r i v a t e S c h l u p f w i n k e l « in d e r Ö f f e n t l i c h k e i t

509

Die Provenienz des Gemäldes »Improvisation Nr. 10« von Wassily Kandinsky Ute H a u g

D e r »Fall K i r c h n e r «

543

Provenienz und Restitution von Ernst Ludwig Kirchners »Berliner Straßenszene« Amelie von Bülow

Spuren und Legenden

565

»Der Turm der blauen Pferde« von Franz M a r c Roland März

ABBILDUNGSNACHWEIS

597

REGISTER

601

Vorwort

Der englische Schriftsteller C y r i l C o n n o l l y hat in einem außergewöhnlichen, nicht von u n g e f ä h r an G e o r g e O r w e l l erinnernden Prosatext jene E r f a h r u n g e n verarbeitet, die er im H e r b s t 1 9 3 7 g e w i n n e n mußte, als er in M ü n c h e n die Ausstellung ENTARTETE KUNST besuchte. In einer so bizarren wie beklemmenden Parabel schildert sein Ich-Erzähler einige Erlebnisse aus einem fiktiven totalitären Staat, insbesondere seine E i n d r ü c k e von zwei K u n s t s a m m l u n g e n , die ohne größere hermeneutische M ü h e n als die verballhornte GROSSE DEUTSCHE KUNSTAUSSTELLUNG im H a u s der Deutschen K u n s t zu identifizieren sind (»the i n e f f a b l e misterpasses of o u r glorious culture, the pastermieces of titalitorian tra«) sowie andererseits als eben jene berüchtigte Feme-Schau ENTARTETE KUNST, die von J u l i bis N o v e m b e r 1 9 3 7 in den M ü n c h n e r H o f g a r t e n - A r k a d e n

veranstaltet w u r d e .

In verlassenen

Keller-

räumen entdeckt der Protagonist der kurzen E r z ä h l u n g »the stagnant rottenness called Degenerate A r t « und urteilt als A n h ä n g e r des z w a r erfundenen, aber durchaus nach historischem Vorbild gestalteten D i k t a t o r s , daß nur dessen

»perfect

Leadercourtesy could b e s t o w the term A r t on such D e g e n e r a t i o n « . ' Voller A b s c h e u w i r d aufgelistet, welcher A r t die Werke w a r e n , die dem Besucher in dieser A u s stellung zugemutet w u r d e n :

X-Vorwort

»There are the vile pustules of the rotting Demos, on canvases his sores have hiedously excoriated. Still lives - as if life could be ever still! Plates of food, bowls of fruit; under the old regime the last deplorable nightdreams and imaginations of starving millions, the prurient lucubrations of the unsterilized bathing coves of womblike obscenity, phallic churchtowers and monoliths, lighthouses and pyramids, trees even painted singly in their stark suggestiveness, instead of in the official groups; all hideous and perverted symbols of an age of private love, ignorant of the harmony of our Commonmeals, and the State administration of Sheepthinkers Groupbegettingday. There were illicit couples, depicted in articulo amoris, women who had never heard of the three K's, whose so-called clothes werde gaudy dishrags, whose mouths were painted offal.« 2 Geschildert wird ferner, daß der selbst namenlos bleibende Protagonist einige Namen der »most detestable fartists« in seinem Katalog notiert hätte, und der Leser findet eine kleine Liste rückwärts buchstabierter Künstler, in der unser Autor kaum verhohlen einige von ihm offenbar geschätzte Maler wie Duncan Grant (»Nacnud Tnarg«) oder Pablo Picasso (»Ossacip«) in seinen Text eingeschmuggelt hat. Überhaupt ist die hier geformte Sprache, der »Neu-Sprech« des beschriebenen Staates, die wortverdrehende Manier des Erzählers, seine an James Joyce geschulten Wortspiele - »Jewlysses« und »Winagains Fake« werden durchaus erwähnt - , als wirkungsvolles Mittel der Camouflage und zugleich der Sprach- und Kulturkritik eingesetzt worden, wodurch sich die Ästhetik des oft genug kryptischen Textes auf die Augenhöhe der inkriminierten Kunstwerke begibt. Der Ich-Erzähler wird schließlich angeklagt, die verbotene Sammlung »entarteter« Kunst besucht zu haben, und zu einer drakonischen Strafe verurteilt. Der erste und entscheidende Vorwurf der Anklage lautet: »That you of your own impulse visited the basement of degenerate art and were aesthetically stimulated thereby.«3 Anders als die meisten Texte, die über die Ausstellung ENTARTETE KUNST verfaßt wurden, insbesondere die Abhandlungen der Forschungsliteratur, unternimmt es die dichterische Prosa des Zeitzeugen Connolly, das Augenmerk des Lesers auf die ästhetische Wirkung der verfemten Werke zu richten, zugespitzt und maskiert freilich in der negativen Beschreibung der betrachteten Gemälde als Objekte des Ekels und Verfalls. Nicht die Personen und Institutionen, die Verordnungen, Beschlagnahmen oder kunstpolitischen Folgen der kunstfeindlichen An- und Übergriffe interessieren den Schriftsteller, wohl aber die Tatsache, daß die ins Kellerverlies verbannten Werke noch immer und sogar gegen den Willen des Betrachters ihre brisante künstlerische Aussagekraft entfalten; eine Aussagekraft, die das geschilderte Staatswesen und dessen Führer (»Our Leader is a painter too«)

V o r w o r t _ XI

offenkundig als bedrohlich empfanden, was entsprechend auch für die Münchner Ausstellung unterstellt werden darf. Gefährlich werden konnten die modernen und avantgardistischen Kunstwerke den fiktionalen wie den tatsächlichen Diktaturen des 20. Jahrhunderts in der Tat. Nur so ist schließlich zu erklären, daß insbesondere die nationalsozialistischen Machthaber alles daran setzten, mißliebige Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und Graphiken, aber auch Werke der Musik und der Literatur zu diskreditieren, aus dem öffentlichen Leben zu verbannen oder zu vernichten, ihr Entstehen zu unterbinden und ihre unkommentierte Verbreitung rigoros zu verbieten. Offenkundig wurde den Werken der Avantgarden, die im Nationalsozialismus allesamt als »entartet« galten, ein hohes widerständiges Potential zugeschrieben, denn sie wurden völlig zurecht - nicht nur mit künstlerischen, sondern auch mit politischen, sozialen und kulturellen Utopien in engen Zusammenhang gebracht; Gegenentwürfe zu den bestehenden Gesellschaftsformen und neue Weltbilder wurden in ihnen formuliert, zumindest jedoch hielten sie die Erinnerung an die freieren Jahre der Weimarer Republik und ihre demokratische Verfaßtheit lebendig. Hatten sich gewisse eher konservative Tendenzen der expressionistischen Kunst in den widersprüchlichen ästhetischen Debatten der Nationalsozialisten noch bis etwa 1 9 3 6 - 1 9 3 7 halten können, da einige Funktionäre und Gruppierungen, etwa J o s e p h Goebbels und der N A T I O N A L S O Z I A L I S T I S C H E

DEUTSCHE

STUDENTEN-

BUND gehofft hatten, hier eine genuin »deutsche« oder gar »germanische« Kunst ihren Zwecken dienstbar machen zu können, so war spätestens mit Hitlers Münchner E r ö f f n u n g s r e d e der GROSSEN DEUTSCHEN KUNSTAUSSTELLUNG im Juli

1937

endgültig entschieden, daß jedes auch noch so zögerliche Festhalten an der künstlerischen Moderne unmöglich geworden war. Hellsichtig bemerkt Ernst Bloch bereits im gleichen Jahr, daß mit Hitlers Ansprache eine Phase ideologischer Richtungskämpfe endgültig überwunden werden sollte: »Das wenigstens steht fest: auch der unter den Nazis möglichen Kunst (und den hier geprägten oder erhaltenen Schlagworten) wird die Parole Ruhe, Gefolgschaft und Ordnung gegeben. Die SA des Irrationalen hat auf der Leinwand

ausgespielt, erst recht führt jede Erinnerung

an den

echten

Expressionismus auf den Schindanger der entarteten KunstKopf< von Otto Freundlich. Antlitz des >Neuen Menschen der >Neuen ErdgemeindeHeute stehen wir außerhalb der Geschichte jeder Art, wir sind reif geworden zu dem An-Sich unserer WeltbestimmungKunst der Zeit< schrieb dieser

Vom S y m b o l der Freiheit z u m S i n n b i l d » e n t a r t e t e r « K u n s t _ 13

5 (MIT

OTTO

Unbekannter

FKLUNDI.ICHS

Fotograf, PLASTIK

BI.ICK »DLR

IN

DIR. A U S S T E L L U N G

NEUE

MENSCH"

VON

- Ε Ν Τ Λ Η Π ΤΕ

KUNSI »

I 9 I 1 1 ,M ü n c h e n 1 9 3 -

J u d e : >Es k o m m t bei der Darstellung des M e n s c h e n die bisher nicht gemachte F o r d e r u n g hinzu, ihn als äußere Totalität mit seiner inneren Körpertotalität in Beziehung zu setzen.« Sogenannte >Kunstkenner< sahen in diesem Idiotengestammel eine »neue Geistigkeit««. 51 " Anschließend spottete die N A T I O N A L S O Z I A L I S T I S C H E L A N D P O S T : »Die Plastik des J u d e n Freundlich »Der neue Mensch« w ü r d e k a u m einem N e g e r k r a a l zur Z i e r d e gereichen. « iVerdiensteSonderehrungDer neue Menschgute< G e s e l l s c h a f t w a r s c h o c k i e r t . E i n p e r f e k t e r S k a n d a l . « 1 " V o r a l l e m

aber

löste d a s W e r k eine D e b a t t e v o n n a t i o n a l e r T r a g w e i t e aus.

MAM ZWISCHEN FASZINATION UND PAZIFISMUS

D e r S c h l a g a b t a u s c h z w i s c h e n B e f ü r w o r t e r n u n d K r i t i k e r n in r e g i o n a l e n w i e n a t i o n a l e n Z e i t u n g e n u n d Z e i t s c h r i f t e n ist g u t d o k u m e n t i e r t . l ! < Z u

f r a g e n ist,

warum

6 0 _ v a n Lil

nicht die KRIEGSKRÜPPEL auf der Dada-Messe 1 9 2 0 in Berlin ein ähnliches Aufsehen erregten; immerhin waren andere der dort ausstellenden Künstler vom Militär wegen Beleidigung angezeigt worden. Später teilten die KRIEGSKRÜPPEL das Schicksal des SCHÜTZENGRABEN, als Wehrsabotage verfemt zu werden. Doch die heftige Debatte, die Dix berühmt machen sollte, entzündete sich erst am SCHÜTZENGRABEN. Mit dem Bild der Kriegsversehrten verfolgte Dix eine ganz andere künstlerische Strategie, die burleske Darstellung läßt den Betrachter keine Minute vergessen, daß es sich um ein Gemälde handelt, um dadaistische Fiktion. Der Realismus des SCHÜTZENGRABEN hingegen bietet dem Betrachter keine Möglichkeit, sich emotional zu distanzieren. Wie die Zeitgenossen den Kriegsmaler Otto Dix werteten, ist nicht für den SCHÜTZENGRABEN

allein zu beantworten.

Die kritischen Reaktionen

sind

nicht vom Radierzyklus zu trennen, der 1 9 2 4 in einer Auflage von siebzig Exemplaren veröffentlicht wurde. Karl Nierendorf, der Galerist des Künstlers, hatte Dix dazu ermutigt und sich reißenden Absatz erhofft. Er hatte das »Marketing« für den Radierzyklus genau geplant und eine regelrechte Werbekampagne inszeniert, die für den Kunstmarkt bis dahin einzigartig war. Nach der Eröffnungsausstellung in Berlin wurde der Zyklus in fünfzehn weiteren Städten gezeigt. Zudem brachte der Galerist ein begleitendes Buch mit vierundzwanzig Lithographien nach den Radierungen heraus, das zu einem sehr niedrigen Preis verkauft wurde: »Für den großen Antikriegstag der Gewerkschaften sind 1 500 Exemplare fest bestellt, über 500 Rezensionsexemplare sind herausgegangen. Ich habe an alle bedeutenden Schriftsteller ein Exemplar geschickt, dazu an alle linksstehenden Zeitungen und über 200 an die bedeutendsten Rechtsblätter. Ferner an 2 3 5 Ortsgruppen der Friedensgesellschaft, auch an die Liga der Menschenrechte, Bildungsinstitute etc. Eine größere Propaganda ist für ein Mappenwerk noch nicht gemacht worden.« 1 9 Der Werbe-Erfolg blieb nicht aus, auch wenn Nierendorf nur eine einzige Mappe verkaufte. Die erste Auflage der Buchpublikation aber war bald vergriffen, und für das Vorwort zur zweiten Auflage gewann Nierendorf den französischen Schriftsteller Henri Barbusse, der 1 9 1 6 sein international aufsehenerregendes Kriegstagebuch veröffentlicht hatte. Der Autor wurde in Deutschland von pazifistischen Kreisen gefeiert und gab dem Werk von D i x damit eine eindeutige Prägung. So wurde der SCHÜTZENGRABEN 1 9 2 5 in einer Broschüre mit dem Titel NIE WIEDER KRIEG abgebildet, die von der sozialistischen Arbeiterjugend Sachsen herausgegeben wurde. 2 0 Angesichts dieser gezielten Aktivitäten seitens des Galeristen konnte es kaum ausbleiben, daß die Zeitgenossen Dix als glühenden Pazifisten ein-

Ein perfekter Skandal _ 61

schätzten. Paul Ferdinand Schmidt ging von einer Art Selbstbefreiung aus, die er über die Person des Künstlers hinaus auf die Menschheit bezog: »Mit diesem Bilde [...] hat er sich erlöst, und erlöst er uns. Wir erkennen das Entsetzliche der Wirklichkeit und sehen mit befreitem Blick hoch darüber das Bild der Menschenzukunft, w o es keine Ungerechtigkeit und Unterdrückung mehr gibt. Die vollkommene Aussage dessen, was ist, reinigt das Gemüt und gebiert die Hoffnung, von der allein wir noch leben.« 1 1 Dieser noch stark vom Nachkriegspathos des Glaubens an den neuen Menschen geprägten Interpretation ist die Unterstellung eines moralischen Appells eingeschrieben. Dix streite für eine Welt ohne Krieg, für eine bessere Zukunft. Dies ist der Nenner der meisten zeitgenössischen Reaktionen. M a n fühlte sich gemahnt, das Erlebte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und einen neuen Krieg zu verhindern: »Wer sich vor diesen Bildern nicht gelobt, Kriegsgegner bis ins Innerste zu werden, der ist wohl kaum mehr Mensch zu nennen«, urteilte die BERLINER ZEITUNG n a c h E r s c h e i n e n des R a d i e r z y k l u s , u n d die E S S E N E R

ARBEITER-ZEITUNG

meinte: »Stürmischer als tausend >Nie wieder KriegDer Krieg< v o n O t t o D i x auffallen, ein Bild, das 1922/23 entstanden ist und 1928 v o m Patronatsverein der Gemäldegalerie und von der Stadt Dresden gemeinsam e r w o r b e n w u r d e - v o n dieser mit einem Anteil v o n 5 000 M . M a n sieht auf diesem Bild das Innere eines Schützengrabens nach der Beschießung. Schwerverwundete, Leichen, Leichenteile, zerrissene Schädel liegen in krausem G e w i r r durcheinander. U n d an einem zerschossenen K o p f e , dessen Gehirn freiliegt, nagt eine Ratte. Eine Schilderung des Krieges, wie sie irgendein rühriger Panoptikumsbesitzer als A t t r a k t i o n seiner >Kriegsabteilung< einverleiben könnte in der H o f f n u n g , ein gutes G e s c h ä f t zu machen. Der Nervenkitzel, das ist die Hauptsache - g a n z einerlei, o b mir den Helden eines Volkes, mit heiligen Toten, ein Handel getrieben wird. M a n könnte sich das G e m ä l d e auch als Demonstrationsstück kommunistischer Agitatoren denken, die der aufgepeitschten M e n g e zurufen, daß hier Leute zu sehen sind, die so d u m m w a r e n , ihr Vaterland ausgerechnet im Schützengraben zu verteidigen, oder Leute, die auf dem Felde der Unehre gefallen sind, w i e ein Professor G u m m e l einst gesagt hat. Eine gerechte W ü r d i g u n g w ü r d e das Bild erfahren, w e n n m a n es als eine E n t w ü r d i g u n g des gefallenen deutschen Frontsoldaten ansehen wollte - des Frontsoldaten, der doch verdient, d a ß man ihm nach seinem Heldentode ein ihn ehrendes D e n k m a l setzt. D a s hohe Lied des deutschen Heldenmutes und -todes können nur innerlich reife M e n s c h e n schreiben. Und den Kritikern, die in D i x auch heute noch einen Sachverwalter altmeisterlicher M a l k u l t u r sehen

Ein perfekter S k a n d a l _ 6 9

möchten, denen möchte man empfehlen, sich den >Schützengraben< einmal genauer auf seine technischen Mängel hin anzusehen - auch vielleicht jene »Kriegskrüppel· von 1 9 2 0 [...]. Von diesen Motiven ist der Schritt nur klein zu denen, die für Dix charakteristisch sind und die er zahlreich abgewandelt hat - Bordellszenen, Zuhälter, Dirnen in gewagtesten Stellungen, entnervte Lebemänner usw. Das ist sein wahres Gesicht [...]. Welch schwere Schuld haben manche Leute auf sich geladen, als sie ausgerechnet diesen Mann als Lehrer an die Kunstakademie beriefen und so die Jugend jahrelang seinem vergiftenden Einfluß aussetzten, einer Tätigkeit, der durch seine Entlassung im Frühjahr dieses Jahres ein wohlverdientes Ende bereitet worden ist.«' 1 Richard Müller hatte wohl selbst Ambitionen, im nationalsozialistischen Deutschen Reich Karriere zu machen. Doch wurde er 1 9 3 5 ebenfalls wegen »zersetzender Tendenzen« durch den sächsischen Kultusminister Hartnacke vom Rektorat der Dresdner Akademie entbunden. Erhalten hat sich ein höchst devotes Schreiben vom 1 7 . J u l i 1 9 3 7 , in dem er Hitler um Audienz bittet: »Mein Führer! Am Tage der Deutschen Kunst gestatte ich mir als einer der namhaftesten Vertreter derselben die ganz ergebene Bitte auszusprechen, mir gütigst eine Audienz gewähren zu wollen.« 5 3 Dank Müllers ausführlicher Würdigung stand das Gemälde von Dix in der Dresdner Ausstellung im Rampenlicht. Ein Augenzeuge schrieb dem Künstler von seinen Erfahrungen in der Dresdner Ausstellung: »Die Greuelausstellung wurde zum Kabinett verquälter Seelen, die sich dort enragierten oder die daselbst von einsam gewordenen Kunstfanatikern mannhaften Bescheid bekamen. Das spielt sich meist vor ihrem großen Kriegsbild ab. Querner soll wegen seiner Verteidigung einmal einige Stunden von der Stelle weg in Schutzhaft gelangt sein, und mir sagte eine hysterische Dame nach einer Verteidigungsunterhaltung davor, daß ich mich schämen sollte, ein Deutscher zu sein. [...] Wenn nicht Ihr Kriegskrüppelbild aufgehängt worden wäre, würde die Lage für sie wesentlich günstiger sein, denn ich habe mich des öfteren überzeugen können, daß man den Krieg (Schützengraben) verstand oder »gerade noch verstände« 5 4 Es liegt somit auf der Hand, daß die Gemälde KRIEGSKRÜPPEL und SCHÜTZ E N G R A B E N a u c h in d e r A u s s t e l l u n g E N T A R T E T E KUNST, die a m 1 9 . J u l i 1 9 3 7 in

München eröffnet wurde, einen zentralen Platz einnahmen. Insgesamt waren acht Werke des Künstlers in dieser Ausstellung zu sehen. In der begleitenden Ausstellungsbroschüre sind beide Kriegsbilder (der SCHÜTZENGRABEN nur im Aus-

70 _ van Lil

G e m a l t e

W e h r s a b o t a g e

d e s M a l e r s O t t o I>ix

26

SEITE AUS

(MIT

»ENTARTETE

"KRIEGSKRÜI'1'EI."

KUNST«,

UND

AU S S T E l-LU N G S U R O S C H Ü R E

"SCHÜTZENGRABEN"

VON O l TO DIX), Berlin

1938

schnitt) unter der Überschrift »Gemalte Wehrsabotage des Malers Otto Dix« abgebildet (Abb. z6). Die Erläuterungen im Katalog zu der entsprechenden Abteilung (»Gruppe 4«) lesen sich so: »Auch diese Abteilung hat eine ausgeprägte politische

Tendenz. Hier tritt die

>Kunst< in den Dienst der marxistischen Propaganda für die Wehrpflichtverweigerung. Die Absicht tritt klar zutage: Der Beschauer soll im Soldaten den Mörder oder das sinnlose Schlachtopfer einer im Sinn des bolschewistischen Klassenkampfes »kapitalistischen Weltordnung< erblicken. Vor allem aber soll dem Volk die tief eingewurzelte Achtung vor jeder soldatischen Tugend, vor Mut, Tapferkeit und Einsatzbereitschaft ausgetrieben werden. So sehen wir in den Zeichnungen dieser Abteilung neben bewußt Abscheu erregenden Zerrbildern von Kriegskrüppeln und den mit aller Raffinesse ausgemalten Ein-

Ein p e r f e k t e r S k a n d a l _ 7 1

blicken in Massengräber die deutschen Soldaten als Trottel, gemeine erotische Wüstlinge und Säufer dargestellt. Daß nicht nur Juden, sondern auch deutschblütige >Künstler< mit solch niederträchtigen Machwerken die feindliche Kriegsgreuelpropaganda,

die damals schon als Lügengewebe entlarvt war, nachträg-

lich auf diese Weise unaufgefordert erneut bestätigten, Schandfleck

der deutschen

Kulturgeschichte

wird für immer ein

bleiben.« 55

Nach der Station der Ausstellung ENTARTETE KUNST in Salzburg 1 9 3 8 reiste der SCHÜTZENGRABEN nicht mit zu den weiteren Stationen, sondern wurde mit siebzig anderen Werken nach Berlin gesandt. Es handelte sich dabei um eine Auswahl von Werken internationaler Bedeutung, die man meinte, im Ausland lukrativ veräußern zu können. Der SCHÜTZENGRABEN w a r jedoch nicht Teil der Auktion bei Fischer in Luzern 1 9 3 9 . Angeblich bemühte sich der damalige Direktor der Basler Kunsthalle, Georg Schmidt, das Bild für seine Sammlung zu erwerben. 5 6 Doch das Bild wurde in das ehemalige Atelier Barlachs in Güstrow gebracht. Es wird in den Verkaufslisten der Kunsthändler Karl Buchholz aus Berlin und Bernhard A. Böhmer aus Güstrow geführt, die von den Nationalsozialisten mit dem Verkauf beschlagnahmter Werke beauftragt worden waren. Dort taucht es noch 1 9 4 0 auf, veranschlagt auf zweihundert US-Dollar. Daher kann das Gemälde nicht, wie häufig spekuliert, der Verbrennungsaktion im Hof der Berliner Hauptfeuerwache 1 9 3 9 zum Opfer gefallen sein. Doch gilt es weiterhin als verschollen. 57

72 _ van Lil

1 Vgl. A n d r e a s Stobl: Otto Dix. Eine Malerkarriere zwanziger

Jahre,

beinahe

ohne

Kunst.

Berliner

Dadaisten

und ihre Aktionen,

1989

Gießen

( W e r k b u n d - A r c h i v , Bd. 1 9 ) , S. 2 5 3 ( A n m . 3 1 ) .

2 Z i t i e r t n a c h U w e M . S c h n e e d e : Die Sache sehen,

der

Berlin 1 9 9 6 , S. 9 2 . ganz

nah

zu

Otto

Anmerkungen

U Brief v o n O t t o D i x a n O t t o P a n k o k , 3 . J u n i 1 9 2 1 , in: B a r t h 1 9 8 3 , S. 3 0 .

Dix, in: Otto Dix, A u s s t e l l u n g s k a t a l o g , K u n s t v e r e i n in H a m b u r g 1 9 7 7 , S. 5 - 9 , S. 6.

15 Z i t i e r t n a c h D i e t h e r S c h m i d t : Otto bildnis,

3 O t t o D i x im G e s p r ä c h m i t M a r i a W e t z e l , 1 9 6 5 , in: Dix

zum

100.

Geburtstag

1891-1991,

Ausstellungs-

Dix

im

D r e s d e n 1 9 7 8 , S. 2 7 9 . D a s w ü r d e

d a ß Dix mit dem begann

und

erst E n d e

S C H Ü T Z E N G R A B E N

nicht, wie meistens

Selbst-

bedeuten, 1 9 2 1

angegeben,

schon

katalog, Galerie der Stadt, Stuttgart / Nationalgalerie,

1 9 2 0 . Er selbst h a t t e s p ä t e r sicher ein I n t e r e s s e d a r a n ,

Berlin

d e n B e g i n n s o f r ü h w i e m ö g l i c h zu d a t i e r e n , Beweise

S.

1 9 9 1 - 1 9 9 2 ,

1 6 1 .

d a f ü r g i b t es a b e r n i c h t . S c h u b e r t g i b t als e i n z i g e r 4 Z i t i e r t n a c h A n n B a r b a r a L o r e n z e r : Studien technik

von

1910-1933,

Otto

Dix

in

in: Zeitschrift

Konservierung

S.

3 / 1 9 8 9 ,

der

zur

Mal-

als E n t s t e h u n g s z e i t

1 9 2 2 - 1 9 2 3

Schaffenszeit

von

D i e t r i c h S c h u b e r t : Otto

für Kunsttechnologie

und

Dix

S.

1 1 3 - 1 4 8 ,

und

192.4,

1 2 2 .

der Krieg.

Dix

des Werks an,

und der Krieg,

Zeichnungen

und

vgl. Otto

in:

Grafik

1913-

Ausstellungskatalog, Städtische Galerie, Regens-

b u r g 1 9 8 1 , S. 7 - 1 7 . 5 Z i t i e r t n a c h S t r o b l 1 9 9 6 , S. 90. 16 P a u l F e r d i n a n d S c h m i d t : Der Schützengraben, 6 Fritz L ö f f l e r : Otto 1 9 6 7 ,

S.

Dix.

Leben

und

Werk,

Dresden

Weltbühne

XX/1924,

Nr.

S.

3 2 ,

in: Die

S.

2 3 5 - 2 3 6 ,

2 3 6 .

64.

17 O t t o D i x in e i n e m I n t e r v i e w m i t H o r s t J ä h n e r , 1 9 6 6 , 7 K a r l Scheffler: Frühjahrsausstellung II. Kritik ler

Kritik

der Ausstellung,

XXII/1924,

S. 2 8 4 - 2 9 1 ,

in der

Akademie.

in: Kunst

und

Künst-

in: Neues S.

Deutschland,

288.

S.

18 V g l . W o l f g a n g S c h r ö c k - S c h m i d t : Die 8 Z i t i e r t n a c h S t r o b l 1996,

91.

S.

Werkes

»Der

Schützengraben«

Magisterarbeit, 9 Vgl. K l a u s H e r d i n g : Mimesis legungen

zum Begriff

und Innovation.

des Realismus

Kunst,

in: K l a u s O e h l e r ( H r s g . ) : Zeichen des 3. Semiotischen

Bd.

τ,

S.

für

8 2 - 1 1 3 ,

8 6

S.

bildenden

und

Kolloquiums

Semiotik,

Über-

in der

Akten

Gesellschaft

Realität.

der

Deutschen

1981,

Hamburg

2

Bde.,

Otto

Jahrhunderts

Köln,

in: Der

Dämonie

im

der

Satire,

neue

Galerie

Museum

Cicerone

Wallraf

t / 1 9 2 4 ,

in: Das

des

S.

17.

the

7 2 - 8 0 ;

Richartz Ernst

8;

Kunstblatt

Affair,

Otto

Dix

Crockett:

in: Art

in: Otto Dix. Zum Galerie

und

too.

Schützen-

Geburtstag,

Sympo-

Albstadt 1 9 9 1 ,

4 6 - 6 0 .

in

Kallai: X I A 9 2 7 ,

19 Brief v o n K a r l N i e r e n d o r f

an O t t o Dix,

zitiert n a c h F r i t z L ö f f l e r : Otto

Dix

undatiert,

und

der

[das Künstlerszene

Dix

und

die

Düssel-

D ü s s e l d o r f 1 9 8 3 , S. 18.

1 9 2 0 - 2 5 ,

D e r T e x t w u r d e im J a n u a r g e s c h r i e b e n , a b e r e r s t i m H e r b s t in d e r D ü s s e l d o r f e r Z e i t s c h r i f t Das Ey

Kriegsbuch]

Dokumente 1891-1969,

glänzend

zu Leben

erfüllt«; zitiert

und Werk des Malers

Nürnberg

1977

(Archiv

für

K u n s t . M a t e r i a l i e n , Bd. 2), S. 2 8 . 20 L ö f f l e r g i b t a n , d a ß d a s Bild a u c h in e i n e r W a n d e r -

Conrad

Felixmüller:

Legenden

1912-

reiste; vgl. Fritz L ö f f l e r : O i f o Dix

I 1 9 6 0 J ,

Städte

Wiesbaden

1 9 8 9 , S. 66. S c h r ö c k - S c h m i d t m e i n t , d a ß d a s n i c h t

T ü b i n g e n 1 9 8 7 , S. 5 4 .

m ö g l i c h g e w e s e n sei, d a d a s Bild v o n S o m m e r 13 O f f e n e r Brief G R U P P E ,

1 9 2 1 ,

Dix

Bildende

a u s s t e l l u n g m i t d i e s e m Titel d u r c h d e u t s c h e nach

nach:

Otto

3 / 1 9 2 0

herausgegeben.

1976,

Krieg,

Leipzig 1 9 8 6 , S. 3 2 . A m 8 . N o v e m b e r 1 9 2 4 s c h r i e b N i e r e n d o r f a n D i x : »Seinen P r o p a g a n d a z w e c k h a t es

11 Z i t i e r t n a c h Peter B a r t h : Otto

12 Z i t i e r t

«f

Journal Entstehung

»Der

Albstadt,

Dix,

Twenties

Brigid S. B a r t o n : Die

Künstlerrufs:

graben«,

Dennis

of the »Golden

Trench

des

Otto

bis

S. 9 7 - 9 8 .

dorfer

and

S.

3 / 1 9 9 5 ,

eines

S.

20.

Dix

Painting

Rezeption

von

1990;

Heidelberg

The Most Famous

sium der Städtischen

f.

10 Vgl. A l f r e d S a l m o n y : Die

1978,

zitiert n a c h S c h m i d t

2 4 8 .

von

Otto

Dix

an

die

Künstlerschrif-

in: U w e M . S c h n e e d e :

ten der zwanziger

Jahre.

Dokumente

aus der Weimarer

Republik,

Köln

N O V E M B E R -

und 1 9 8 6 ,

Manifeste S.

1 0 3 - 1 0 9 .

Es ist n i c h t m e h r zu k l ä r e n , o b es sich d a b e i

um

Herbst

1 9 2 5

S T E L L U N G

bei d e r

I N T E R N A T I O N A L E N

in Z ü r i c h zu s e h e n w a r ; vgl. W o l f g a n g

S c h r ö c k - S c h m i d t : Der graben«, Barton

bis

K U N S T A U S -

in: Dix

Schicksalsweg

1 9 9 1 - 1 9 9 2 ,

bezweifelt, d a ß

S.

des

1 5 9 - 1 6 4 ,

es diese

»SchützenS.

T62.

Und

Wanderausstellung

die erste V e r s i o n ( S t u t t g a r t , K u n s t m u s e u m ) o d e r die

ü b e r h a u p t g e g e b e n h a b e , da sie keinerlei H i n w e i s e in

zweite Version

unbekannt)

d e r Presse d a r a u f g e f u n d e n h a t ; vgl. B a r t o n 1 9 9 1 , S. 59

Dadas.

(Anm.

des G e m ä l d e s

(Verbleib

h a n d e l t e ; vgl. H a n n e Bergius: Das Lachen

Die

19).

Ein p e r f e k t e r S k a n d a l _ 7 3

39 Zitiert nach K a i Artinger: Franz Radziwill.

21 S c h m i d t 1 9 2 4 , S. 2 3 6 . 22 Zitiert n a c h Otto

Ausstellungskatalog,

Dix,

Galerie

zum

Gefallenenkult

im

Ein

»Dritten

Berlin 1 9 9 8 ( D e u t s c h e s H i s t o r i s c h e s

Reich»,

Beitrag

»Grab

Niemandsland«.

im

M u s e u m . M a g a z i n , H e f t 2 2 ) , S. 1 - 3 6 , S. 1 9 : » A l s Auf-

N i e r e n d o r f , Berlin 1 9 2 6 , S. 1 7 .

k l ä r u n g und A b s c h r e c k u n g k ö n n e n wir D i x ' Absicht 23 H o r s t J ä h n e r : Vor dem Bildern

über

den

Krieg

wie

steht

das was:

von

Otto

Dix,

den

beschreiben. Die g r a u s i g e n Tafeln seines >Altars« soll-

Bildende

ten m a h n e n . Sie b e z o g e n Stellung gegen die national-

Zu

in:

konservative

Kunst 6 / 1 9 5 7 , S. 3 7 0 - 3 7 5 , S. 3 7 2 .

und

nationalsozialistische

Rezeption

des K r i e g s . D a s T r i p t y c h o n formulierte ein o p p o s i t i o 24 J u l i u s M e i e r - G r a e f e : Die Ausstellung in: Deutsche

Allgemeine

25 Paul Fechter: Der Kölner

Dix.

Akademie,

Eine Zuschrift

in: Deutsche

paar Anmerkungen,

in der

und

Allgemeine

nelles Bild z u m v o r h e r r s c h e n d e n a f f i r m a t i v e n Kriegsbild.«

2. Juli 1 9 2 4 .

Zeitung,

ein

39 Zitiert nach ibid., S. 1 9 .

Zeitung,

9. Juli 1 9 2 4 .

40 Zitiert

nach

graphik 26 Brief von H e r m a n n A b e l s a n K a r l N i e r e n d o r f , 29. Juli Nürnberg,

1924,

Germanisches

Nationalmuseum,

Otto

Dix.

Zeichnungen

aus der Stiftung

schen

Galerie

und

Druck-

in der

Städti-

Ausstellungskatalog,

Pfalz-

Walther

Albstadt,

Groz

galerie, K a i s e r s l a u t e r n 1 9 8 7 , S. 38

Archiv für Bildende K u n s t . 41 V g l . 27 Vgl. G o t t f r i e d N i e d h a r t u. Dieter R i e s e n b e r g e r : aus

dem

Kriegf

Deutsche

Lernen

Nachkriegszeiten

1918/

26 Vgl. Dietrich Schubert: Otto Pazifismus

zwischen

Schriftsteller

und

litarismus Dietrich

den

Dix gegen

(hrsg.

1918-193}

und der Krieg,

Weltkriegen.

Künstler

Schubert),

Höge: durch

Selbstbildnisse den

im

Angesicht Phil.

Nationalsozialismus,

Diss., Ruprecht-Karls-Universität

Heidelberg,

2004,

S. 3 0 f.

München 1992.

194S,

Kristina

der Bedrohung

Krieg

und

v. Dietrich

Heidelberg

1985,

in:

Deutsche Harth

Miu.

S. 1 8 5 - 2 0 2 ,

42 S t e p h a n Weber: Die Gleichschaltung mie,

in: H a n s - P e t e r

»Entartete

Kunst«

barbarei

Lühr und

der

Kunstakade-

(Hrsg.):

Die

Ausstellung

Beginn

der

NS-Kultur-

der

Dresden 2004 (Dresdner Hefte,

in Dresden,

Bd. 7 7 ) , S. 2 6 - 3 5 , S.

i 8

S. 1 9 4 . 43 Bettina 29 Zitiert nach Strobl 1 9 9 6 , S. 96. 30 S o l i d a r i t ä t s e r k l ä r u n g der G r u p p e p r o g r e s s i v e r K ü n s t -

Feistel-Rohmeder:

im

Terror

bolschewismus.

Urkundensammlung

Kunstberichtes«

aus den Jahren

des

des

Kunst-

»Deutschen

1 9 2 7 - 1 9 3 3 , Karlsruhe

1 9 3 8 , S. 2 0 4 - 2 0 7 .

ler, K ö l n , unterzeichnet v o n F r a n z Wilhelm Seiwert, Heinrich

Hoerle,

Anton

Rüderppidt

Iwohl

Räder-

44 Zitiert nach Weber 2 0 0 4 , S. 29.

scheidt], G e r d Arntz, A r t h u r K a u f m a n n , J a n k e l Adler und

Peter

Abelen,

in:

Das

Kunstblatt

VIII/1924,

S. 1 2 4 .

45 Brief von L u d w i g J u s t i an O t t o D i x , 26. April

1933,

N ü r n b e r g , G e r m a n i s c h e s N a t i o n a l m u s e u m , Archiv für Bildende K u n s t , N a c h l a ß D i x .

31 Källai 1 9 2 7 , S. 97 f. 46 Fälschlicherweise 32 Brief v o n H a n s Friedrich Secker an O t t o D i x , 3 1 . O k tober 1 9 2 3 , zitiert nach L o t h a r Fischer: Otto Dix. Malerleben

in Deutschland,

Ein

Berlin 1 9 8 1 , S. 50 f.

häufig

als

w i r d sie in der

»Spiegelbilder

des

Sekundärliteratur

Verfalls«

unter a n d e r e m von Paul O r t w i n R a v e : im Dritten

Reich

bezeichnet, Kunstdiktatur

I 1 9 4 9 ] (hrsg. v. U w e M . Schneede),

Berlin 1 9 8 7 , S. 5 5 . Dies w a r jedoch lediglich der Titel 33 Die g e s a m t e T r a n s a k t i o n a u s Sicht des Galeristen K a r l Nierendorf

hat

Anja

Walter-Ris

Geschichte

der Galerie

Nierendorf.

im Dienst

der Moderne,

aufgearbeitet:

Beitrags

von

Richard

Müller

über

die

Aus-

stellung. S c h o n zuvor, im F r ü h j a h r 1 9 3 3 , w a r e n Werke

Kunstleidenschaft

von D i x in der A u s s t e l l u n g VERFALLSKUNST, NOVEM-

Phil. D i s s . , Freie Universität

Berlin 2 0 0 3 , S. 1 0 7 - 1 1 1 .

eines

Die

BERGEIST IM DIENSTE DER ZERSETZUNG ZU Sehen, der ersten der s o g e n a n n t e n » S c h a n d a u s s t e l l u n g e n Merzbild< erfand, das aus Pappe, Draht und Bindfaden zusammengeleimt ist, ein böser Ulk des Dadaismus, der wohl belacht und verlacht, aber nicht ernsthaft angekauft werden dürfte.« 4

78_Fleckner

28

»SCHRF.GKENSKAMMER

DER A U S S T E L L U N G

DER KUNST«

>• E N T A R I E T E K U N S T « ,

(UNTER

E N T A R T E T E K U N S T , Τ 93 3 - 1 9 3 6, aus: K Ö L N I S C H E

M ·

ANDEREM

DRESDEN

MIT HERMANN

GÖR1NGS

BESUCH

1 9 3 3 ) , erschienen anläfslich der ersten

ILLUSTRIERTE ZELI'UNG, 1 7 . August

OBSESSIONEN EINES GESCHEITERTEN

Wanderausstellung

I935

KÜNSTLERS

Unter dem noch frischen E i n d r u c k der Werke »entarteter« K u n s t , in seinem Urteil über den » K u l t u r v e r f a l l « der jüngsten Vergangenheit o f f e n b a r rundheraus bestätigt, e r ö f f n e t e Hitler zwei Tage nach seiner Vorbesichtigung der

»Schandaus-

stellung« die große Leistungsschau jener S c h ö p f u n g e n , die er und seine Ideologen allein f ü r w ü r d i g hielten, als »deutsche« K u n s t zu gelten. Es erstaunt die Tatsache, daß diese Werke, die G e m ä l d e und Skulpturen e t w a v o n A r n o Breker, Fritz K l i m s c h oder A d o l f Ziegler, in seiner E r ö f f n u n g s r e d e keinerlei R a u m einnehmen, die geschätzte K u n s t a k a d e m i s c h e r Provenienz und nationalsozialistischer P r ä g u n g nur sehr allgemein e r w ä h n t w i r d , w ä h r e n d seine Kritik an Werk und W i r k e n der » K u n s t z w e r g e « , der » K u n s t m i ß h a n d l e r « und » K u n s t f a b r i k a n t e n « , der »Kunstbetrüger« und »Kunststotterer« sowie an deren theoretischen Wegbereitern - neben allgemeinen A u s f ü h r u n g e n zur kulturgeschichtlichen Stellung der Deutschen und des »Dritten Reichs« - den weitaus größten Teil der A n s p r a c h e a u s m a c h t . 5

Sie nahmen Dada ernst _ 7 9

N i m m t man Hitlers lobende Bemerkungen zur Architektur von Paul Ludwig T r o o s t einmal aus, dessen Haus der Deutschen Kunst mit der GROSSEN DEUTSCHEN KUNSTAUSSTELLUNG feierlich eingeweiht wurde, so fällt auf, daß der Reichskanzler kein einziges Kunstwerk als Beleg seiner Urteile und Unterstellungen anführt. K o n k r e t wird er allein dann, wenn es jene Kunstrichtungen zu nennen gilt, die seiner Ansicht nach den Niedergang der deutschen Kultur zu verantworten hatten und für deren »verrückteste Ausgeburten« und »kulturlose Narreteien« immer wieder neue Bezeichnungen hätten gefunden werden müssen: »Einmal Impressionismus, dann Futurismus, Kubismus, vielleicht aber auch Dadaismus usw.« 6 Gegen den Begriff der M o d e r n e , den er - wenn auch unzulässigerweise, so doch recht wirkungsvoll - mit dem Begriff der » M o d e « gleichsetzt, gegen die »jüdische Entdeckung der Zeitgebundenheit der Kunst« setzt er die »Ewigkeitserscheinungen« einer Kunst, deren Grundlagen nicht im historischen Wandel sondern, ganz im Gegenteil, in den unverrückbaren Eigenschaften eines Volkes bestünden. 7 Hitler spricht die am nächsten Tag beginnende Ausstellung ENTARTETE KUNST unmittelbar an, um die grundsätzliche Wertlosigkeit der attackierten Kunstwerke, aber auch die Möglichkeit hervorzuheben, ihre Zurschaustellung als » D o k u m e n t e des tiefsten Verfalls« didaktisch zu nutzen. Die »Wiedergeburt der N a t i o n « wird dabei mit der Notwendigkeit einer umfassenden »kulturellen Säuberung«

verbunden. 8

N o c h einmal k o m m t der Redner in diesem Z u s a m m e n h a n g auch auf die Ismen der Gegenwartskunst zu sprechen:

»Kubismus, Dadaismus, Futurismus, Impressionismus usw. haben mit unserem deutschen Volke nichts zu tun. Denn alle diese Begriffe sind weder alt, noch sind sie modern, sondern sie sind einfach das gekünstelte Gestammel von M e n s c h e n , denen G o t t die G n a d e einer wahrhaft künstlerischen

Begabung

versagt und dafür die G a b e des Schwätzens oder der Täuschung verliehen hat. Ich will daher in dieser Stunde bekennen, daß es mein

unabänderlicher

Entschluß ist, genau so wie auf dem Gebiete der politischen nunmehr auch hier mit den Phrasen im deutschen Kunstleben 9 men.«

Verwirrung aufzuräu-

Festzuhalten ist ein eklatanter Widerspruch, der darin besteht, daß Hitler angesichts der Werke von Schwitters und Klee mit amüsiertem Lachen reagieren konnte, deren Kunst jedoch nur wenige Tage später dermaßen ernst nimmt, daß er ihr kostbare Redezeit widmet und ihre entschiedene Bekämpfung androht, anstatt seine Überlegungen zu einer Kunst auszuführen, die mit der zu eröffnenden Ausstellung eigentlich gefeiert werden sollte. Dieser Widerspruch zwischen einer scheinbar überlegenen Distanz zu den Strömungen der Avantgarde und der empfundenen

80 _Fleckner

Notwendigkeit, diese Überlegenheit einer nationalsozialistischen Kunst und Kunstdoktrin erst mühsam und langatmig demonstrieren zu müssen, trifft in den Kern einer mehr als ambivalenten Haltung Hitlers, seiner Parteigänger und Waffenbrüder zur Kunst der Avantgarde; sie trifft damit schließlich auch in den Kern eines tieferen Verständnisses der »Dada-Wand« von 1 9 3 7 . Daß es sich bei den Invektiven von Adolf Hitler, der seinem Selbstverständnis nach zum Maler berufen war und mangels wahrhaft künstlerischer Begabung sogar als akademischer Landschafter scheitern mußte, um die Obsessionen eines verkrachten Künstlers gegen die beneideten Vertreter einer Kunstszene handelte, zu der er selber nie gehören durfte, kann eine Reihe anderer Reden belegen. Schon im September 1 9 3 4 , anläßlich eines Reichsparteitags der NSDAP in Nürnberg, machte deren Vorsitzender auf die moralische Gefahr der »Saboteure der Kunst« aufmerksam, die er schon hier mit den wichtigsten Strömungen der Avantgarde identifizierte: »Das ganze Kunst- und Kulturgestotter von Kubisten, Futuristen und Dadaisten usw. ist weder rassisch begründet noch volklich erträglich«. 10 Und noch 1 9 3 8 , als es galt, die zweite GROSSE DEUTSCHE KUNSTAUSSTELLUNG in

München zu eröffnen, sah sich Hitler wie in einer geradezu neurotischen Zwangshandlung dazu genötigt, seine stereotypen Ausfälle gegen die Kunst des Jahrhundertbeginns ein weiteres Mal zu wiederholen und die »dummen Witzeleien einer Periode dadaistischer Lärmerzeuger, kubistischer Gipsformer und futuristischer Leinwandfärber« zu attackieren. 11 Offenbar sind es genau diese Kunstströmungen seiner Gegenwart, der Kubismus, der Futurismus und insbesondere der Dadaismus, zu dem Hitler eine wahre »Haßliebe« pflegte, die den Grund zu seiner tiefen psychischen Verunsicherung, ja, Verstörung zeitgenössischer Kunst gegenüber legten. 11

DAS » M E R Z B I L D « ALS Z E U G N I S KÜNSTLERISCHER FREIHEIT

Am Beispiel der Assemblage von Kurt Schwitters, der zentralen Arbeit an einer dadaistisch gemeinten, tatsächlich aber sehr viel widersprüchlicher und fragwürdiger angelegten Schauwand innerhalb der Ausstellung ENTARTETE KUNST, soll nun untersucht werden, welche Eigenschaften eines Kunstwerkes derart heftige Reaktionen hervorrufen konnten (Abb. 29^. 13 Das nur in Schwarz-Weiß-Aufnahmen überlieferte MERZBILD, seit Ende der auf Wanderschaft gehenden Femeschau verschollen und wahrscheinlich zerstört, bestand aus einigen Lagen Karton sowie wenigen Leinwandstücken, die mit Ölfarbe bemalt und mit collagierten Elementen versehen in einen tiefen Kastenrahmen teils eingeklebt, teils aufgenagelt waren. Über diesem mehrschichtigen Grund befanden sich reliefartige Applikationen unter-

Sie n a h m e n Dada e r n s t _ 81

29

K u r t S c h w i t t e r s . M I . K / B I I . D (I. MI K / B U D 1.3), 1 9 1 9 . Ö l f a r b e u n d C o l l a g e m i r v e r s c h i e d e n e n Μ a r e m l u - n .uif K a r r o n u n d H o l / , e t w a ι ο ο χ " o a n . Verbleib u n b e k a n n t ( e h e m a U Dresden,

Vadrnuiscum:

82 _ Fteckner

schiedlicher Materialien, Maschendraht, Stacheldraht, ein zerbrochenes Zahnrad sowie eine unbestimmbare leiterartige Schiene, die vielleicht aus Blech ausgestanzt vorzustellen ist. Zwischen den Rahmenleisten wurden zudem miteinander verknotete Schnüre aufgespannt, die einen gewissen Abstand zum kolorierten und beklebten Grund hielten, an einigen Stellen jedoch durch das darüberliegende Material auf die Fläche gedrückt wurden. Links unten ist das Werk mit der für Schwitters damals üblichen Signatur »KS 1 9 . « versehen worden. Entstanden ist auf diese Weise eine hochgradig komplexe Komposition, die eindrücklich Zeugnis davon ablegt, in welchem Maße sich Schwitters zum Zeitpunkt ihres Entstehens um neue Ausdrucksformen bemüht hat. Der bemalte Bildgrund der Arbeit weist im wesentlichen drei strukturbildende Einheiten auf, die zunächst unabhängig voneinander entstanden sein müssen. Ein großer Bogen Malkarton, nahezu identisch mit den Binnenmaßen des Rahmens und oben zu einer kleinen Dreiecksform geknickt, zeigt eine freie, abstrakte Malerei; helle Farbwolken, teils auf Leinwandstücken, akzentuieren eine vollkommen gegenstandslose, nahezu informelle Gestaltung, die in der rechten unteren Ecke mit einigen ordnenden Orthogonalen beruhigt wurde, dies aber vermutlich bereits im Akt eines amalgamierenden Prozesses nach Zusammenführen der zunächst einzelnen Bildträger. Ein zweites, deutlich kleineres Rechteck wurde in die untere Bildmitte gesetzt, leicht nach rechts verschoben, und teilweise verdeckt von einem dritten Rechteck, das selbst, weiter nach links gerückt, an den unteren Rahmenrand stößt. Diese beiden kleineren Kartonstücke weisen jeweils eine rechtwinklige kompositorische Ordnung vor, wobei die Binnenrechtecke der unteren Papptafel deutlicher facettiert und mit diagonalen Schatten kubistischer Provenienz versehen wurden, daher insgesamt dunkler erscheinen. Auf dieses Stück Malgrund wurden auch einige ebenfalls rechteckig aus- und zugeschnittene Collage-Elemente aufgeklebt, am oberen Rand des Binnenstücks, und damit etwas unterhalb der Bildmitte, auch ein Papierschnipsel, auf dem die Buchstabenfolge » M E R Z « zu lesen ist; ein Fragment des Wortes »Commerz- und Privatbank«, das dem Bild seinen Titel und der gesamten Arbeit von Schwitters in diesen und den folgenden Jahren ihren Namen gab. Über die drei aufeinanderliegenden Flächen, die nach ihrer Schichtung im Rahmen sehr wahrscheinlich weiter bemalt und einander form- wie farbkompositorisch angeglichen wurden, hat der Künstler die metallenen Bildteile sowie die Schnüre angebracht, die den gemalten Fond mit einem Liniengefüge überziehen, das teilweise auf gemalte Einzelformen, etwa die Diagonalen, antwortet, teilweise aber auch kleinteiligere Bildpartien großzügiger zusammenbindet. An einigen wenigen Stellen, das vermögen selbst die erhaltenen Reproduktionen noch zu zeigen, wurden die applizierten Materialien, insbesondere die Schnüre, ihrerseits mit Farbe übermalt. Kompositorisches Ergebnis ist ein wohl färb- und jedenfalls for-

Sie nahmen Dada ernst _ 8 }

menreiches Gesamtbild, das eine teils freie, teils stärker gebundene Malerei aus größeren Farbwolken und kleineren, zu Zentren verdichteten Rechteckformen mit gliedernden Diagonalen strukturiert und als Gegenakzente einen großen Stacheldrahtkreis sowie das kleine Rund des Zahnrads spannungsvoll ins Bild setzt. Die Assemblage steht ganz am Anfang von Schwitters dadaistischer Zeit und besitzt als Gründungsbild seiner »Merzkunst« keine geringe kunsthistorische Bedeutung. Sie zeigt vor allem, daß sich der Künstler in dieser Werkphase auf der Suche nach einer Überwindung bislang erreichter künstlerischer Möglichkeiten befunden hat: Wie in anderen etwa zeitgleichen Werken, so nutzt und steigert der Künstler auch hier die ihn offenkundig noch nicht zufriedenstellenden malerischen und zeichnerischen Ergebnisse seiner jüngeren Produktion, in die Stilmittel des Kubismus und Futurismus sowie des deutschen Expressionismus eingeflossen waren. Das MERZBILD dokumentiert damit die ernsthaften Bemühungen des Künstlers, seine Rezeption avantgardistischer Vorbilder zu überwinden und zu einer eigenständigen künstlerischen Position vorzudringen; es zeigt, daß diese Bemühungen um so entschiedener waren, als er hier - wie in wenigen anderen Werken der Schwellenjahre 1 9 1 8 - 1 9 1 9 - sogar dazu bereit war, zuvor entstandene malerische Versuche tatsächlich einer neuen Komposition einzuverleiben, zu überarbeiten und dabei als autonome Werke zu zerstören. Das künstlerische Selbstbewußtsein, die künstlerische Freiheit, die sich Schwitters mit seinen kühnen gestalterischen Experimenten erworben hat, finden ihren unmittelbaren Ausdruck bereits bei diesem frühen MERZBILD in einem Bild- und Sprachwitz, der die gesamte bildnerische wie literarische Produktion des Künstlers künftig charakterisieren wird. Es kann kein Z u f a l l sein, daß in seinem Materialbild von 1 9 1 9 ausgerechnet das Wortfragment » M E R Z « in eines der kompositorischen Zentren seines Bildgefüges geraten ist. Tatsächlich w a r es Schwitters sehr bewußt, daß nicht nur der Krieg sämtliche gesellschaftliche, politische und kulturelle Werte vernichtet hatte, sondern daß auch er mit seiner aktuellen Arbeit sein gesamtes bisheriges Tun in Frage gestellt und ausgemerzt hatte. Als sprachliches Versatzstück hebt die gedruckte, für Reklamezwecke genutzte und nun in neuem Kontext wiederverwendete Buchstabenfolge die ausdrückliche Zeitgenossenschaft seiner Werke hervor. Gemeinsam mit den anderen, künstlerisch ebenfalls nicht kanonisierten Materialien und Dingen fügt sich das Fragment zur Metapher einer aus den Fugen geratenen Nachkriegswelt. Die Kosten der gestalterischen Freiheit, mit deren Hilfe der Künstler sämtliche überlebte Errungenschaften der vorangehenden Malerei und Bildhauerei hinter sich ließ, sind hingegen - und das nicht nur in Leben und Werk von Kurt Schwitters - ausgesprochen hoch: Gesellschaftlich provozieren sie eine oft als schmerzlich empfundene Isolation des Künstlers, ästhetisch ziehen sie eine prinzipielle Erklärungsbedürftigkeit der fortan entstehenden Arbeiten nach sich, die

8 4 _ Fleckner

ihrem Betrachter kaum noch abbildende Referenzen an die ihn umgebende Welt bieten, diese Welt aber durch die verwendeten Materialien gleichsam selbst ins Werk holen.

^ • B MERZ WIRD AUSGEMERZT

Gerade dieser Sachverhalt, gerade die Notwendigkeit einer intellektuellen Ausdeutung der unvordenklichen Merz-Bilder-Welten dieser Sonderform des Dadaismus und ihre Herausforderung an die Bereitschaft des Betrachters zu einer aktiven, gleichsam mitschöpfenden gedanklichen Teilhabe, geriet nicht erst seit 1 9 3 3 in den Fokus konservativer, reaktionärer und schließlich nationalsozialistischer Angriffe. Das spannungsgeladene Verhältnis von Werk und Betrachter sollte eines der nachhaltig prägenden Probleme der Avantgarden des 20. Jahrhunderts und ihrer kritischen wie verfemenden Rezeption bilden. Ausdrücklich bezog sich Hitler in seiner R e d e zur E r ö f f n u n g der GROSSEN D E U T S C H E N K U N S T A U S S T E L L U N G v o n

1937,

um hier nur ein besonders scharfes von ungezählten Beispielen anzuführen, immer aufs neue auf die von ihm verachtete intellektuelle Arbeit an der Kunst, die er als »sogenannte Kunstkritik«, als Geschwätz »kläglicher Kunstschwadroneure« und »lächerlicher Skribenten« abzutun versuchte: »An Stelle des normalen Menschenverstandes und Instinkts traten bestimmte Schlagworte, die dank ihrer dauernden Wiederholung langsam doch einen großen Teil der sich mit Kunstdingen beschäftigenden oder die Kunstaufgaben beurteilenden Menschen entweder unsicher machten oder zumindest so einschüchterten, daß es diese dann nicht mehr wagten, gegen den dauernden Strom solcher Phrasenflüsse ernstlich und offen anzukämpfen.« 1 4 Unfreiwillig gesteht der Redner damit Unsicherheit und Einschüchterung als zwei Beweggründe seiner profunden Abneigung gegen die Kunst der Moderne ein. Hitler stützte seinen Umgang mit Werken der Malerei und Bildhauerei eben nicht auf kritische Auseinandersetzung, auf eine tatsächliche Analyse und Reflexion jener Phänomene, die ihm in der Kunstproduktion seiner Gegenwart fragwürdig erschienen, nein, er versuchte vielmehr, seine Irritation durch ein radikales Unterdrücken der verstörenden künstlerischen Äußerungen zu verdrängen: »>KunstwerkeKunstwerke< nicht etwa aus verstaubten Ecken verlassener Ateliers, sondern aus den Kunstsammlungen und Museen der großen deutschen Städte herausgeholt wurden, w o sie teilweise noch in den ersten Jahren nach der Machtergreifung hingen und der staunenden Mitwelt dargeboten wurden, dann kann man nicht mehr lachen; dann kann man nur mit der Wut darüber kämpfen, daß mit einem so anständigen Volk wie dem deutschen überhaupt einmal so Schindluder getrieben werden k o n n t e . « 2 '

Sie nahmen Dada ernst _ 8 9

DIE N A T I O N A L S O Z I A L I S T E N ALS V E R H I N D E R T E DADAISTEN

Der herabwürdigenden publizistischen Inszenierung des MERZBILDES im Begleitheft zur Ausstellung stand, wie wir schon gesehen haben, auf Seiten der Femeschau eine sehr viel komplexere und auch weniger leicht verständliche Inszenierung gegenüber. Als die Ausstellung drei Tage nach dem Besuch des »Führers« ihre Tore für das Publikum öffnete, fand dieses im dritten und größten Saal der Gipsabgußsammlung des Archäologischen Instituts eine »Dada-Wand« vor, die noch einige kurzfristige Änderungen erfahren hatte (Abb. 33). Die Ausstellungsmacher hatten sich zuletzt doch dazu entschlossen, die hier gezeigten Werke, auch das MERZBILD, nicht durch schiefe oder sonstwie »fehlerhafte« Hängeweise - also durch eine allzu offensichtliche Manipulation - in ihrem Erscheinungsbild zu verändern, nein, scheinbar respektierten sie nun die künstlerische Integrität der einzelnen Werke und versuchten, den unterstellten pathologischen Werteverfall der angeprangerten Kunst durch eine Präsentation zur Schau zu stellen, die dem Betrachter suggerieren sollte, daß die verwirrende Wirkung der Hängung auf die ungeordnete, willkürliche und künstlerisch unbewältigte Formgebung der gezeigten Werke selbst zurückginge. Darüber hinaus wurde das inszenierte Chaos noch dadurch verstärkt, daß Werke höchst unterschiedlicher künstlerischer Positionen unbekümmert um jede kunsthistorische Angemessenheit unter ein dadaistisches Motto gestellt wurden. Das einzelne Kunstwerk hatte an dieser Wand damit letztlich zwar durchaus noch Bestand, doch die Gesamtwirkung des arrangierten Tableaus brachte die Angriffe der nationalsozialistischen Kuratoren in ihrer ganzen Schärfe und Niedertracht zum Ausdruck. Die Ausstellungsmacher - Willrich, Hansen und Ziegler waren selbst Künstler, wenn auch unterschiedlicher Qualität und Professionalität - nutzten die Stoffbespannung der Schauwand wie eine übergroße Leinwand und schufen auf dieser ihr eigenes »dadaistisches« Bild der bekämpften Epoche/ 4 Dabei wendeten sie Techniken an, Montage und Assemblage, die Konfrontation von Wort und Bild, von denen sie glaubten, sie könnten sie von den Avantgardisten übernehmen und wüßten sie bildnerisch zu bewältigen. Kombiniert wurde dabei zunächst ein Zitat von George Grosz mit einer vergrößerten Version des nun keineswegs dadaistischen Gemäldes SCHWARZER FLECK von Wassily Kandinsky, das die Ausstellungsmacher offenbar weitaus ernster nahmen, als sie es mit dem gewählten Motto vorgaben und in allen schriftlichen Stellungnahmen zu Werken dieser Art behaupteten (Abb. 34).1'

Spätestens bei der handwerklichen Übertragung der Komposition auf

die Wand mußte ihnen deutlich geworden sein, daß diesem Werk ernstzunehmende kompositorische Entscheidungen zugrunde lagen. Es ist auffallend, daß der für das Ausführen der Wandgestaltung verantwortliche Maler den Färb- und Formen-

90-Fleckner

53

Georg Sctiödl. B L I C K AUF D I E » D A D A - W A N D « DER A U S S T E L L U N G » E N T A R T E T E K U N S T « ,

München 1 9 3 7 , Fotografie, München, Stadtarchiv

1

Sie n a h m e n Dada ernst _ 91

34

Wassity K a n d i n s k y . S C H W A R Z E R

H.FXK,

1 9 : 1 , Ö l a u f L e i n w a n d . 1 5Η Χ N O c m . Zurich.

bestand des G e m ä l d e s - w a s ein leichtes gewesen w ä r e - nicht mechanisch oder sonstwie werkgetreu kopiert hat, sondern zur Arbeit an einer eigenen, sich v o m Original lösenden Version nutzte, so als wollte sich der so unbekannte wie untalentierte Künstler am verachteten Vorbild messen. D a ß dieser Versuch gescheitert ist, wird sich der K a n d i n s k y - N a c h f o l g e r w i d e r Willen nicht eingestanden haben, seine Fassung des G e m ä l d e s bezeugt allerdings eine vollständig gehemmte, ungeübte und unfreie Faktur, eine Vergröberung der F o r m und verfügt an keiner Stelle über die gestalterische Variationsbreite des Originals; auch sind seine Formen dort m o n o t o n ausgeführt und ängstlich konturiert, w o K a n d i n s k y k o m p l e x entwickelte Bildelemente s c h u f , die das A u g e bedeutend länger zu binden v e r m ö g e n , als es beim mißlungenen A d a p t i o n s v e r s u c h der Fall ist. Demonstriert werden sollte hier g e w i ß , daß eine solche gegenstandslose Malerei von jedermann angefertigt werden könne, tatsächlich aber mußte f ü r jeden nur einigermaßen geschulten Blick das genaue

Kunstbaus

92

Fleckner

Gegenteil zum Vorschein kommen, zumal auf der rechts sich anschließenden Wand ein weiteres W e r k v o n K a n d i n s k y , d a s B I L D

MIT ZWEI

ROTEN

FLECKEN

von

1 9 1 6 (ehemals Berlin, Kronprinzenpalais), als Original zum unmittelbaren Vergleich zur Verfügung stand. z6 Auf der so vorbereiteten Wand wurden dann die Bilder von Schwitters und Klee mitsamt knappen Angaben zu Kaufpreis oder Herkunft versetzt zueinander angeordnet, begleitet von zwei Zitaten Hans von Wedderkops (»samtene Klänge in diesem Mülleimermaterial«) beziehungsweise von Schwitters selbst (»deshalb liebe ich den Unsinn«), die auf einem losen Klebezettel im Zentrum des Arrangements plakatiert waren und die gezeigten Kunstwerke zusätzlich diskreditieren sollten. 1 7 Das Titelblatt der zweiten Ausgabe von DER DADA, mit einer Collage von Raoul Hausmann und den Schlagzeilen »dada siegt!« sowie »Tretet dada bei«, und eine Seite aus dem dritten Heft dieser Zeitschrift, mit einem dadaistischen »Porträt« Hans Arps, eine gemeinschaftliche Arbeit von George Grosz und John Heartfield, sowie einem Gedicht von Richard Hülsenbeck, waren ebenfalls direkt auf die Komposition Kandinskys aufgeleimt worden. Darüber hinaus ergänzten zwei stark abstrahierende Skulpturen, Richard Haizmanns FIGUR von 1 9 2 8 (ehemals Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe) und Oswald Herzogs DAS ICH von 1 9 1 8 (ehemals Berlin, Kronprinzenpalais), dieses so über die Maßen

buntscheckige

Ensemble, wobei Haizmanns Bildwerk sogar ohne jede Aufsockelung unmittelbar auf dem Fußboden abgestellt war. Das demagogisch-polemische Gestaltungsziel der gesamten »Assemblage« liegt durch die keineswegs willkürliche Auswahl der präsentierten Objekte und deren besondere Darbietungsform offen auf der Hand: Angestrebt wurde eine abstrakte Komposition, die augenscheinlich dem Werk von Schwitters entsprechen sollte, w a r doch auch in dessen Arbeiten nach Auffassung der Kuratoren lediglich wertloses Material verwendet worden. Mit dem Zitat von Grosz, das die gesamte Wand in hohem Bogen überspannte und typographisch der imitierten Malweise Kandinskys angepaßt w a r (»Nehmen Sie Dada ernst! es lohnt sich«), wurde der Inszenierung zudem eine Leseanweisung vorangestellt, die freilich ironisch gemeint w a r und gewiß auf die - lohnenswerten - Verkaufspreise der gezeigten Werke anspielen sollte, dem Charakter der überaus aufwendigen Gestaltung des Arrangements indes deutlich widersprach/ 8 Was nachlässig und planlos wirken sollte - und damit dem Vorurteil der Ausstellungsmacher von dadaistischer Produktionsweise entsprach - erweist sich in jedem Detail als bewußt kalkuliert, und doch unterschied sich das vermeintlich dadaistische Ensemble in wesentlichen Aspekten von allen nur denkbaren Werken des Dadaismus. Diente die Zusammenstellung unterschiedlicher Texte und Bilder bei Künstlern wie George Grosz, Raoul Hausmann, John Heartfield, Hannah Hoch oder Kurt Schwitters einem Infragestellen gewohnter ästhetischer Urteile, diente

Sie n a h m e n D a d a e r n s t __ 9 3

das damit verbundene Gelächter einem kritischen Zugriff auf Kunst und Welt, so nutzten die Kuratoren der Ausstellung das falschverstandene Prinzip dadaistischer Konfrontation lediglich zur Zementierung eines Vorurteils, das sie seit Jahren unablässig propagiert hatten und mit weiten Teilen der Bevölkerung teilten.19 Kein satirisches Unterwandern sanktionierter Doktrinen, im Gegenteil, das offizielle Verdikt selbst sollte hier zu gültigem Ausdruck gebracht werden. Und auch der anarchische Humor des Dadaismus, ein immer auch selbstkritisches ästhetisches Prinzip, will sich auf der gewiß als komisch gemeinten Wand nicht einstellen; bittere Humorlosigkeit spricht hier aus dem Arrangement der Dinge, ein todernster Versuch, dadaistische Gestaltungsmöglichkeiten für die eigenen Absichten nutzbar zu machen, der freilich nur oberflächlich gelingen konnte, denn der ästhetischen Ausdruckskraft der verachteten und jedenfalls unterschätzten Kunstwerke von Schwitters, seinen Kollegen und Weggefährten konnte die »Dada-Wand« zuletzt nichts von ebenbürtiger Qualität entgegenstellen. Doch nicht nur diese eine, durch die kompositorischen Mühen allerdings besonders hervorgehobene Wand, auch die gesamte Ausstellungsinszenierung hatte es sich zur Aufgabe gemacht, moderne Ausdrucksmittel wie Montage und Collage zu adaptieren und diese gezielt gegen deren Urheber einzusetzen. Die Verwendung unterschiedlicher Gattungen und Medien, die Gegenüberstellung von Wort und Bild, eine plakative Polemik und die wechselnden Anordnungsprinzipien innerhalb der Ausstellung haben bereits mehrfach einen Vergleich mit der NATIONALEN

DADA-MESSE

ERSTEN

INTER-

192.0 in Berlin provoziert, auf der im übrigen auch

das Plakat mit der Aufschrift »Nehmen Sie Dada ernst, es lohnt sich!« angeschlagen war. Doch muß bei einer solchen Gegenüberstellung eingeräumt werden, daß die Präsentation der Dadaisten in der Kunsthandlung Dr. Otto Burchard künstlerisch entscheidend weiter ging, als es die Femeschau von 1 9 3 7 , sieht man von der sogenannten »Dada-Wand« einmal ab, sich zugetraut hätte (Abb. 35). Die Berliner Dadaisten hatten ihre ästhetischen Überzeugungen konsequent auf die Präsentation ganz unterschiedlicher eigener Artefakte angewendet, sie hatten tatsächlich eine Rauminstallation von Gemälden, Collagen, Plastiken und Texten geschaffen und waren dabei gelegentlich auch vor einem überschneidenden, grenzverletzenden Anbringen der Werke nicht zurückgeschreckt. Das Ergebnis bildete ein Gesamtkunstwerk, das den Begriff und die Integrität autonomer Werke - wohlverstanden im unausgesprochenen Einverständnis aller teilnehmenden Künstler - dort überwand, wo die Münchner Ausstellung

ENTARTETE

KUNST

eine zwar gedrängte,

letztlich aber durch und durch traditionelle, meist serielle Hängung bewahrte, die dann mit polemischen sowie ehrverletzenden Zugaben lediglich garniert wurde. Nicht nur auf der »Dada-Wand«, auch in einer ganzen Reihe von vorbereitenden und begleitenden Publikationen versuchten die nationalsozialistischen Wort-

9 4 _ Fleckner

35

Unbekannter

Fotograf, BLICK

Berlinische Galerie,

IN DIH » K R S T E

ΙΝΤΙ:ΚΝΛΤΙΟΝΑΙ.Κ

DADA-MI;.SSI·:«,

Berlin

T92.0,

Hannah-Höch-Archiv

führer der Verfemung Montage- und Collagetechniken avantgardistischer Kunst sinnstiftend anzuwenden. Bereits Paul Schultze-Naumburg hatte in seinem erstmals 1:928 erschienenen Buch KUNST UND RASSE sowie in seiner Broschüre KÄMPF UM DIE KUNST von 1 9 3 2 eine moderne Bildkomparatistik mißbraucht, deren visuelle Rhetorik aus einander gegenübergestellten Kunstwerken sich letztlich bis zu Wassily Kandinskys und Franz Marcs Almanach DER BLAUE REITER von 1 9 1 2 zurückverfolgen läßt (Abb. 36).Autoren DEUTSCHE

KUNST

UND

ENTARTETE

wie Adolf Dresler mit seiner Schrift »KUNST«

von

1938

und

nicht

zuletzt

Wolfgang Willrich schlugen ihrerseits Gewinn aus den polemischen Werkkonfrontationen, mit denen sie die unterstellte Minderwertigkeit moderner Kunst auf augenfällige Weise zu demonstrieren suchten. Besonders ehrgeizig hatte Willrich, auch er ein gescheiterter Maler, die Konkurrenz mit den angeprangerten Avantgardisten aufgenommen. Dem Kampf gegen die Moderne hatte er sich persönlich verschrieben, unermüdlich »belastendes« Material zusammengetragen, das nicht

Sie n a h m e n Dada e r n s t _ 9 5

iWtnfd) (fine gürtet unb ifjnenroibmeteet btn äuetruef ftiner Bindung. Jfjnen δφηΐίφ ju [tin,rootbas felbftMrfMebW« Streben eine« Jeben, be'ffen e^tjrij jirf) «in ίιοίκί Jiei fegte. Hilf bie Staffen, bit butd) boe SBlut απ bflö S i t c i j r t i t JJ>i>rf)MCl aebunben finb,roerbnim folgen 3figen outf) beute nod) bat ebelfie Sotiilb fraftsolltn unb mJnnlkfK« fflefen« OrMirfcn. Benn btt Aopf ifi »oll bet icärmflen Seitns un» cntfpricht burcfiaui nicht irgendeiner txrfhuiisten, äfabemifien llmwtffiAfrit. Unb nun balte man fieb einen iugtnblief banefcen, mit rcai für 5Rtnfdtrn> geftalien man beutt flänbip unfere Borjhllungen ju narren futft, um

ju ermeffen,reitlitf btr Stbfticg ifi, ben unfer Bolf blut= unb gefflfcti* mäfjig cL-Iett Ijaben mu0. Doiroirbtintm befonbert Kar,roennman tine SSeifce »anffleflaltenan (ίφ »orüberjie&tn lägt, bit für bie grojjcn jeiten BetUfe^Ianbi fennjeidinenb jinb. βιιφ trog ber entfiellenben SBeftfjäbigung erfefmnt biefer gefrönte jrauenfopf, eine (»eilige iatbarina son btr SebalbuiKrcfce, boefi son einer Jxbeit unb einer faft überirbi^en ®φβη(ιηΙ, bagroofiinitmanb (ίφ ifjttm jaubee entstehen fann, e« fei benn, ba§ oon Oont&miit jebe SBerftänbigung ouifitfxslo« ifi. SIber um BerftSnbigung gebt ei ja αηφ mdil in bem Äampf um bie Äunft, fonbern lebiglity barum, bitjtmgtn unter ein Sann« ju [φαπη, bit um ba« β'«'ΦΕ norbif$e ^ielbilb bei Ι^Ι(φβη fämpfen. «ijnliie« unb boφ wtfφίebeneί jtigt ein Silbnii Jtaifei Sttoi bem ©rofsen, bas auf bem Satfwiplae in SMagbeburg fiefct. Si ff» A L A i s , Berlin 1 9 3 3

legen dies. 1 1 Zudem hatte Beckmann 1 9 3 0 zwei große Retrospektiven in Basel und Zürich sowie 1 9 3 χ eine Einzelausstellung in der Galerie de la Renaissance in Paris.' 2 Aus diesen Beschreibungen des zunehmenden Erfolges von Beckmann wird deutlich, daß der Beginn der dreißiger Jahre für den Maler eine Zeit mit vielversprechenden Aussichten war. Beckmann hatte sich als Künstler etablieren können, war anerkannt und wohlhabend, hatte sein Lehramt an der Städelschule und erhielt den Ehrenpreis

der Stadt Frankfurt. Erst eine heftige

Auseinandersetzung

Beckmanns mit Fritz Wiehert, dem Leiter der Städelschule, über die Vernachlässigung seiner Lehrtätigkeit veranlaßte ihn 1 9 3 2 , seine Kündigung einzureichen, und trübte den Erfolg. Es bedurfte des Eingreifens mehrerer Freunde, unter ihnen Swarzenski, um ihn zu einer Rücknahme der Kündigung zu bewegen. Die Tage seiner glänzenden Karriere in der Weimarer Zeit waren jedoch gezählt, denn nach und nach wurde auch für Beckmann der wachsende Einfluß des aufkeimenden Nationalsozialismus auf die Kulturpolitik immer deutlicher spürbar.

Ein Gemälde geht ins Exil _ 113

M ·

IM VISIER DER N A T I O N A L S O Z I A L I S T E N

M i t der Machtergreifung Adolf Hitlers im J a h r 1 9 3 3 geriet Beckmanns Karriere zunehmend ins Stocken. In den Jahren zwischen 1 9 3 3 und 1 9 3 7 verschärfte sich die Situation für deutsche Künstler und Kulturschaffende immer mehr. A b 1 9 3 6 betrafen die Maßnahmen der Nationalsozialisten gegen die moderne Kunst unmittelbar auch Beckmanns KREUZABNAHME, als diese für eine antibolschewistische Ausstellung nach München verliehen wurde. Die nationalsozialistische Kulturpolitik setzte ihren Plan, die moderne Kunst in Deutschland systematisch zur Strecke zu bringen, im Sommer 1 9 3 7 in die Tat um. Am 3 0 . J u n i 1 9 3 7 ermächtigte Goebbels den Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste Adolf Ziegler, die »im deutschen Reichs-, Länder- und Kommunalbesitz befindlichen Werke deutscher Verfallskunst seit 1 9 1 0 « zu beschlagnahmen. 1 ' Die Anweisung erstreckte sich insbesondere auf Werke, die für die geplante Ausstellung ENTARTETE KUNST bestimmt waren und sich im öffentlichen Besitz befanden. Es folgte die Beschlagnahme der als »entartet« gebrandmarkten Kunst in allen deutschen Museen. In manchen öffentlichen Sammlungen wurde anhand von Inventarlisten eine Vorauswahl getroffen, zu anderen Museen kam die Kommission recht unvorbereitet und handelte impulsiv. Hiervon war auch die Städtische Galerie in Frankfurt schwer betroffen, da sie als moderne Sammlung auf einen Schlag einen erheblichen Teil ihres Ausstellungsgutes verlor, unter anderem Beckmanns KREUZABNAHME. 14 Einen Gipfel der Repressalien gegen die moderne Kunst erreichte die nationalsozialistische Kunstpolitik in der großen Propaganda-Ausstellung ENTARTETE KUNST in München im Spätsommer 1 9 3 7 . Auch hier war die KREUZABNAHME zu sehen, und zwar an einem äußerst exponierten Platz. Für Beckmann, wie für viele seiner Malerkollegen, waren die Jahre zwischen 1 9 3 3 und 1 9 3 7 eine Zeit schwankender Hoffnungen: Würde sich die Herrschaft der Nationalsozialisten halten? Oder würde das Unwetter ebenso rasch vorüberziehen, wie es gekommen war? Die meisten hofften auf ein kurzes Zwischenspiel der Nationalsozialisten und versuchten sich zunächst mit den neuen Machthabern zu arrangieren. Dem Anschein nach versuchte auch Beckmann seine Position entsprechend der Ende 1 9 3 3 in Kraft getretenen Kulturgesetzgebung zu legalisieren. Er beantragte die Aufnahme in die als Kontrollinstrument gegründete Reichskammer der bildenden Künste, einer der Reichskulturkammer untergeordneten Behörde.' 5 Ob er als Mitglied aufgenommen wurde, konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden, jedenfalls sind hierüber keine Akten erhalten geblieben. Es wird jedoch vermutet, daß Beckmanns Antrag nicht entsprochen wurde und er aus der Kammer ausgeschlossen geblieben ist.' 6 Ohne Mitgliedskarte fehlte Beckmann die grundsätzliche Genehmigung, Kunstwerke ohne Sondergenehmigung seitens der Kammer

114_ Eskilsson

Werwigk

auszustellen. Dadurch läßt sich auch seine niedrige Ausstellungsfrequenz in den Jahren 1 9 3 3 bis 1 9 3 7 erklären. 1 7 Weitere Auswirkungen des Machtwechsels machten sich für Beckmann insbesondere im Jahr 1 9 3 3 bemerkbar. Bereits im Sommer 1 9 3 3 wurde der erst 1 9 3 z eingerichtete große Beckmann-Saal in der Nationalgalerie Berlin wieder aufgelöst. Zeitgenössische Künstler der Avantgarde waren hier für einige Zeit nur noch durch unverfängliche Stilleben oder Landschaften vertreten. In der Stuttgarter Ausstellung NOVEMBERGEIST wurden bereits im selben J a h r einige seiner Werke verhöhnt, eine geplante Beckmann-Ausstellung im Erfurter Museum wurde abgesagt. 1 8 Z u m 1 5 . April 1 9 3 3 wurde Beckmann auch der Lehrauftrag an der Städelschule gekündigt, w o er seit 1 9 2 5 unterrichtet hatte. Der Künstler w a r allerdings schon im Januar 1 9 3 3 , in der Hoffnung, in der Anonymität der Großstadt untertauchen und in Ruhe arbeiten zu können, nach Berlin gezogen. A b 1 9 3 7 wurden seine Werke als »entartet« verfemt und beschlagnahmt. Auch im Ausland wurde die nationalsozialistische Kulturpolitik in Bezug auf Beckmann offenbar in einigen Fällen begrüßt. Ein Beispiel hierfür ist die Reaktion auf eine Beckmann-Ausstellung im Frühjahr 1 9 3 8 in der Berner Kunsthalle. So schreibt das Berner Tagblatt zu dieser Ausstellung: »Es gibt Leute, die Zeter und M o r d i o schreien, weil eine Kunst, wie M a x Beckmann sie betreibt, im neuen Deutschland zur Strecke gebracht wurde. Wir sehen darin keinen Verlust [...]. Denn die Wollust Beckmanns, mit der er in die dunkelsten Schächte menschlicher Verkommenheit steigt, um dann der Welt einen schlammverschmierten Spiegel entgegenzuhalten, trägt in all ihren Zersetzungsgelüsten etwas so krankhaftes, ja Perverses, daß man sich nur mit Widerwillen einer Kunst von solcher Entartung zu nähern vermag.« 1 9 Im Vergleich zu vielen seiner Malerkollegen wurde Beckmann allerdings noch recht rücksichtsvoll behandelt. Er erhielt beispielsweise kein Malverbot. In der Berliner Nationalgalerie w a r er noch bis 1 9 3 6 mit einigen Werken vertreten, wenn auch die verfänglicheren Motive gegen gemäßigtere eingetauscht werden mußten. Insbesondere auch seine Kunsthändler wie Karl Buchholz und Curt Valentin in Berlin sowie Günther Franke in München zeigten trotz der veränderten politischen Situation noch Werke Beckmanns. Zunächst machten sie die Werke noch in kleinen öffentlichen, dann in privaten Ausstellungen und zuletzt im Hinterzimmer auf Anfrage zugänglich; freilich nur denjenigen, die auf entsprechende Empfehlungen zurückgreifen konnten. Auch einige Kunsthistoriker blieben M a x Beckmann treu, so zum Beispiel Erhard Göpel, der es als einziger wagte, 1 9 3 4 Beckmanns fünfzigsten Geburtstag öffentlich in der Leipziger Zeitung zu begehen. 20 Beckmanns Netzwerk

Ein Gemälde gehl ins Exil. _ 115

war in dieser Zeit eng geknüpft und für ihn sehr nützlich. Daß es in diesen Jahren auch den »braunen Rand« streifte, w a r für ihn, wie im übrigen für die meisten anderen Kunstschaffenden, unumgänglich. Wie der Künstler selbst dem Nationalsozialismus gegenüber stand, wird kontrovers diskutiert. Der Versuch, Beckmanns politische Einstellung und Aktivitäten einzuschätzen, endet in der Literatur meist mit der Feststellung, daß er selbst sich als unpolitisch bezeichnete und insbesondere jegliche Parteinahme weit von sich wies. Allerdings wird ebenso deutlich, daß Beckmann sehr wohl bewußt war, auf welch dünnem Eis er sich manchmal insbesondere auch mit seiner Motivwahl bewegte. Bezeichnend hierfür ist die Taktik, die Beckmann in Bezug auf sein erstes Triptychon ABFAHRT von 1 9 3 2 - 1 9 3 3 anwandte, das eines der letzten Werke war, an denen er vor seinem selbstgewählten Amsterdamer Exil arbeitete. Unabhängig voneinander wird sowohl von Lilly von Schnitzler als auch von Göpel berichtet, Beckmann habe Besuchern zunächst nur die harmonische Mitteltafel des Triptychons gezeigt, nicht jedoch die verfänglichen Seitenflügel. Er war sich der möglicherweise zu unterstellenden politischen Aussage des gesamten Triptychons und der damit verbundenen Gefahr also durchaus bewußt. Beckmanns einzige aktive Reaktion auf die neuen Verhältnisse und deren Auswirkungen auf ihn und seine Malerkollegen bestand in der Tatsache, daß er sich 1 9 3 7 zur Emigration entschloß. Allerdings war auch dieser Schritt nicht von langer Hand geplant, sondern vermutlich eher eine intuitive Handlung. Denn die Arbeitsmöglichkeiten, die Beckmann in seinem holländischen Exil vorfand, waren kaum besser als die in Berlin. Abgesehen von seinem Künstlerdasein gab es für Beckmann keine äußeren Gründe, das Exil zu wählen. Weder hatte er jüdische Vorfahren, noch war er politisch vorbelastet. Im Gegenteil: Beckmann hatte es sich vielmehr zum Programm gemacht, unpolitisch zu sein. 1 1 Nicht einmal während seiner berühmten Rede in London 1 9 3 8 nutzte er das prominente Forum, um sich zu einer Verdammung der Nationalsozialisten hinreißen zu lassen. Vielmehr wies er darauf hin, daß er die Welt des Geistes hoch über die politische Realität stelle. 21 Gerade in einigen Werken der jüngeren Forschung wird sein Verhältnis zu den neuen Herrschern im Deutschland der dreißiger Jahre eher kritisch beleuchtet. So geht Sean Rainbird detailliert Beckmanns politischen Ansichten und Aktivitäten in der Zeit zwischen 1 9 3 3 und 1 9 3 8 nach. 1 3 Insbesondere Beckmanns Kontakte zu den aristokratischen Kreisen um Heinrich Simon, Lilly von Schnitzler, Käthe von Porada und dem Prinzen Rohan während seiner höchst erfolgreichen zwanziger Jahre werfen ein eher diffuses Licht auf seine Gesinnung. 1 4 Beispielsweise wurde dem Prinzen Rohan immer wieder eine politische und finanzielle Unterstützung der Nationalsozialisten nachgesagt. Rainbird beschreibt Beckmann als Opportunisten, wenn es darum ging, Personen kennenzulernen, die ihm irgendwie »nütz-

116 _ Eskilsson Werwigk

lieh« werden konnten. In der Tat stellten sich einige dieser Freunde und Bekannten, wie beispielsweise Lilly von Schnitzler, deren Ehemann im Vorstand der I G Farben und bekennender Nationalsozialist war, schützend vor ihn, als es in der immer mehr von nationalsozialistischen Ideologien beherrschten Kulturpolitik allmählich prekärer wurde. 1 5

M M Ö F F E N T L I C H E V E R F E M U N G - D I E ANTIBOLSCHEWISTISCHE AUSSTELLUNG IN MÜNCHEN

1936

Ziel der nationalsozialistischen Aktion »Entartete Kunst« w a r es nicht nur, die Werke der »Verfallskunst« sicherzustellen, sondern auch diese zu propagandistischen Zwecken noch einmal der deutschen Öffentlichkeit zu präsentieren. In geballter Form sollte die Moderne ihre - in den Augen der Nationalsozialisten abscheuliche - Wirkung entfalten können, um so auch letzte Zweifler von der Notwendigkeit ihrer Vernichtung zu überzeugen. Zahlreiche Werke der Moderne wurden bereits ab 1 9 3 3 in sogenannten »Schand-« oder »Feme-Ausstellungen« vielerorts in Deutschland gezeigt. Beckmanns KREUZABNAHME wurde erstmals 1 9 3 6 in München in einer solchen Vorläufer-Ausstellung gezeigt, bevor sie an exponierter Stelle 1 9 3 7 in die Ausstellung ENTARTETE KUNST und die daraus resultierende Wanderausstellung einging. Im November 1 9 3 6 wurden auf Veranlassung der Münchner Landesstelle des Propagandaministeriums sechs Gemälde, darunter Beckmanns KREUZABNAHME, aus dem Besitz der Städtischen Galerie in Frankfurt für die Ausstellung DER BOLSCHEWISMUS

-

GROSSE

ANTIBOLSCHEWISTISCHE

SCHAU

konfisziert,

und

trotz erheblicher Bemühungen seitens des Museums nicht wieder zurückgegeben. 26 Insgesamt wurden im darauf folgenden Jahr innerhalb weniger Sommermonate in deutschen Museen etwa fünfhundert Werke M a x Beckmanns beschlagnahmt, neun davon allein in der Städtischen Galerie des Frankfurter Stadels. 1 7 Einige davon wurden zerstört, andere sind bis heute verschollen geblieben. M a x Beckmann steht damit an fünfter Stelle der am meisten durch die Aktion »Entartete Kunst« geschädigten Künstler. Nach ihrer Konfiszierung wurde Beckmanns KREUZABNAHME im Rahmen der antibolschewistische Ausstellung vom 7 . N o v e m b e r 1 9 3 6 bis 3 1 . J a n u a r 1 9 3 7 in München gezeigt. 28 Obwohl die Bedeutung des Begriffs »Bolschewismus« in der nationalsozialistischen Propaganda nur sehr unpräzise bestimmt werden kann, sei jedoch zumindest festgehalten, daß er den Nationalsozialisten als Inbegriff des Feindbildes schlechthin galt. Die Ausstellung wurde von der Gauleitung MünchenOberbayern der N S D A P und der Landesstelle München-Oberbayern des Reichs-

Ein G e m ä l d e geht ins Exil 117

Grosse antibolschewistische Schau M ü n c h e n Bibliothekbau d.Deutschen M u s e u m s Ab S.Kovembet 1936 t ä g l i c h von 10 b i s 2 t U h r

42

ΙΊ.ΛΚΛΙ

CROSSE

ZUR

AUSSTELLUNG

ANTIBOI.SCHI\VISI

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Β Ο I. s (: Η Γ. VT I S Μ U S

S C H A U - ,

München

ministeriums für V o l k s a u f k l ä r u n g und P r o p a g a n d a zusammengestellt. Z u r Ausstellung erschien ein Plakat, das eine Skeletthand mit Fackel zeigt, die im Begriff ist, eine christliche Kirche in Brand zu stecken (Abb. 42).

Außerdem erschien ein Ausstel-

lungsführer, der die zwölf Ausstellungssäle beschrieb. Die Schau wies in ihrer Prog r a m m a t i k , Inszenierung und propagandistischen Zielsetzung erhebliche Parallelen zur Ausstellung ENTARTETE KUNST a u f , die nur wenige M o n a t e später e r ö f f n e t wurde. Da die Schau den A n s p r u c h e r h o b , den » B o l s c h e w i s m u s « in all seinen A s p e k ten zu zeigen, w u r d e dem » K u l t u r b o l s c h e w i s m u s « eine eigene Abteilung eingeräumt. Es sollte gezeigt w e r d e n , daß »Kunst und K u l t u r für diesen K a m p f mißbraucht w u r d e n « , wie es im Ausstellungsführer hieß. 1 9 D a h e r f a n d sich hier auch B e c k m a n n s K R E U Z A B N A H M E wieder. Trotz des negativen Ausstellungskontextes befand sie sich in guter Gesellschaft einiger Werke von Baumeister, Schlemmer, G r o s z , Klee und Kleinschmidt. D a s Inventar der Städtischen Galerie in F r a n k f u r t gibt den 26. N o v e m b e r 1 9 3 6 als D a t u m für die Beschlagnahme des Gemäldes a n . " Warum dieses D a t u m sich mit der E r ö f f n u n g der antibolschewistischen Ausstellung am 7. N o v e m b e r 1 9 3 6 um etwa zwei Wochen überschneidet, konnte bisher leider nicht geklärt werden. Belege für die V e r w e n d u n g von originalen Kunstwerken fin-

-

1 9 1 6

118

Eskilsson

Werwigh

den sich insbesondere in Raumaufnahmen aus der Ausstellung sowie in der Korrespondenz zwischen den Ausstellungsmachern und der Städtischen Galerie in Frankfurt. 3 ' Das Archiv der Städtischen Galerie enthält einen Brief von Alfred Wolters, datiert auf den 3. November 1 9 3 7 , in dem es um die Rückforderung der »sechs für die antibolschewistischen Ausstellung zur Verfügung gestellten Bilder« geht. 32 Wolters stellte allerdings selbst fest, die Rücksendung der Bilder käme »z. Z . wohl nicht in Frage (z.T. haben sie ja Verwendung in der Ausstellung >Entartete Kunst< gefunden)«. 3 3 Auch deutliche Parallelen in der Inszenierung verweisen auf die spätere Ausstellung ENTARTETE KUNST. Die Verwendung der Kunstwerke und die Raumgestaltung erinnern insbesondere an Aufnahmen der »Dada-Wand« von

1937,

denn vor der Hängung w a r die weiße Wand mit abstrakten Motiven bemalt worden, die hier allerdings keinem konkreten Vorbild folgen. Da die KREUZABNAHME das einzige Gemälde mit religiösem Inhalt war, das hier zur Schau gestellt wurde, darf angenommen werden, daß sie stellvertretend für eine unterstellte Verspottung des Christentums in der modernen Kunst herangezogen wurde. Dies belegt auch ein Artikel in der Aidacher Zeitung vom 2 8 . N o v e m b e r 1 9 3 6 , in dem es heißt: »Ein anderer malt die >Kreuzabnahme< Christi, die eine unsagbare Verhöhnung des Christentums darstellt und M a r i a mit einem Dirnengesicht zeigt! Hier sollten alle Priester einmal sehen, w o v o r sie Adolf Hitler bewahrt hat!« 3 4 So wurde also ein einzelnes Werk herangezogen, um stellvertretend einen propagandistischen Vorwurf an die gesamte zeitgenössische Kunst zu illustrieren. Die Ausstellung sollte ursprünglich bis zum 3 1 . Dezember 1 9 3 6

dauern.

Wegen des enormen Besucheransturms, der zeitweilige Schließungen erforderlich machte, wurde sie jedoch mehrfach verlängert und erst am 3 1 . Januar 1 9 3 7 endgültig geschlossen. In drei Monaten hatten also über 3 6 4 . 0 0 0 Besucher Beckmanns KREUZABNAHME gesehen. 35 Im Anschluß wurde die Ausstellung wegen ihres großen Erfolges von der Reichspropagandaleitung der N S D A P übernommen und kurzerhand auf Tournee durch einige Städte geschickt. 36 Z u einem unbekannten Zeitpunkt wurden einige Werke aus der Wanderausstellung herausgenommen, die ab dem 1 9 . Juli 1 9 3 7 in der Ausstellung ENTARTETE KUNST gezeigt wurden.

DIE AUSSTELLUNG »ENTARTETE KUNST« IN MÜNCHEN 1 9 3 7

Wie die antibolschewistischen Ausstellung zeigte, hatte sich der Nationalsozialismus religiöser Motive schon vor der Ausstellung ENTARTETE KUNST ZU verschiedenen propagandistischen Zwecken bedient. Die prominente Präsentation religiöser Werke gleich zu Anfang der Ausstellung setzte diese Strategie nun fort. Hier

Ein G e m ä l d e g e h t i n s Exil 119

43 ( Μ IT

waren

Beckmanns

\Νΐ·:ΚΚΙ·Ν

VON

CHRISTUS

Unbekannter Fotograf,

MAX

BECKMANN,

UND

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L.MII.

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A U S S I LI.I.UNC; PAUL

und

- Ι Ν Ι Α Κ Ή

Π

KL N S I

Π I A I. H I I \11. R I . M ü n c h e n

die

NAHME neben dem übergroßen Holzkruzifix von Ludwig Gies, dem

KREUZAB-

KRFUZI-

GUNGSAI.TAR sowie sechs weiteren Bildern von Emil Nolde gleich im ersten R a u m den kritischen Blicken der Besucher ausgesetzt (Abb. 43). Die religiösen Werke wurden dabei unter dem Leitsatz »Unter der Herrschaft des Zentrums frecher Verhöhnung des Gotteslebens« präsentiert. Die ungewohnt realistischen Darstellungen menschlichen Leidens, mit denen die Künstler ihre religiösen Darstellungen verbanden, übten damals wie heute eine ungeheure Kraft auf ihre Betrachter aus. Ziel der Ausstellungsmacher war es, in den Besuchern eine Verletzung ihres religiösen Empfindens hervorzurufen. Ein Großteil der Anhänger der Nationalsozialisten waren bekennende Christen, die eine solche Diffamierung ihres Glaubens nur schwer ertragen konnten. Die religiösen

Dar-

stellungen von Beckmann, Nolde und Gies sollten als Affront gegen das Christentum gesehen werden. Die deformierte, ausgemergelte Christusfigur, die die KREUZABNAHME beherrscht, galt den Behörden als exemplarisch für die schändliche M i ß a c h t u n g des heiligen, feierlichen T h e m a s . Gleichzeitig wurde die Geschichte von Christus, der einer Ehebrecherin vergibt, als unpassendes T h e m a erachtet: Ehebruch und das Unterwandern der Familie vertrugen sich nicht mit nationalsozia-

1

Ι ~

120 _ Eskilsson Werwigk

listischer Ideologie, die der Familie eine zentrale Position in der Restauration Deutschlands einräumte. 37 Wie bei allen anderen Werken der ENTARTETEN KUNST war es auch hier das Ziel, dem Besucher zu zeigen, wovor der Nationalsozialismus das »kulturelle« Deutschland bewahren wollte. Im Ausstellungsführer hieß es später zu diesen Werken, die in der Berliner Station der Ausstellung 1938 nicht mehr an erster Stelle, sondern als »Gruppe z« gezeigt wurden: »In diesen Räumen sind solche Bildwerke zusammengefaßt, die sich mit religiösen Inhalten befassen. Man nannte diese Schauerstücke in der jüdischen Presse einstmals »Offenbarungen deutscher ReligiositätOffenbarungen< eher an einen Hexenspuk und empfindet sie, ganz gleich, welchem religiösen Bekenntnis er angehört, als unverschämten Hohn auf jede religiöse Vorstellung. Außerordentlich beachtenswert ist die Tatsache, daß gemalte und geschnitzte Verhöhnungen jüdischaltestamentariscber lichen Legende

Legenden nicht anzutreffen sind. Die Gestalten der christ-

hingegen grinsen uns hier mit immer neuen Teufelsfratzen

an.«' 8 Die Grundlage für diesen Umgang mit der modernen religiösen Kunst hatte Hitler 1 9 3 3 gelegt, als er sich nach der Machtübernahme mit der katholischen Kirche auf ein Reichskonkordat einigte. Die katholische Kirche, die sich bis zu diesem Zeitpunkt von der NSDAP distanziert hatte, erkannte die neuen Machthaber an und verpflichtete sich, ihre Mitglieder zu Regierungstreue aufzurufen. Die Kirche hoffte, sich durch das Konkordat vor dem gefürchteten Zugriff des totalitären Regimes auf den Kirchenraum und die freie Religionsausübung zu schützen. Der erfolgreiche Abschluß des Konkordats verlieh Hitler neben internationaler Anerkennung auch die Macht, über religiöse Kunst zu richten, ohne den Widerspruch der Kirche fürchten zu müssen. Die Plazierung der KREUZABNAHME in der Ausstellung war sehr prominent, mehr noch, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Nicht nur, daß sie gleich im ersten Raum fast an erster Stelle hing. Sie hing auch genau gegenüber der Türöffnung der Raumfolge im Obergeschoß, so daß sie einem zurückblickenden Betrachter auch aus dem dritten Raum noch deutlich ins Auge fiel, wie Aufnahmen aus der Ausstellung verdeutlichen (Abb. 44).39 Diese prominente Hängung ließ Beckmanns Gemälde in der späteren Forschung zur ENTARTETEN KUNST eine Schlüsselrolle zukommen. Lange wurde gerätselt, warum die KREUZABNAHME als eines der ersten Gemälde der Münchner Ausstellung die hohe Inventarnummer 1 5 9 3 3 hat. Dies beruhte offenbar darauf, daß die Gemälde in der Ausstellung erst nach dem Ende der Münchner Station, im November 1 9 3 7 , katalogisiert wurden,

Ein Gemälde geht ins Exil

121

44 Unbekannter Fotograf, blick in die A u s s t e l l u n g ·>εντακιετι: k i n s i (ΜIΤ MAX BECKMANNS »KREUZABNAHME·· IM DURCHBLICK DIR ZENTRALEN I CR). Muncht'll

also erst n a c h d e m bereits alle b e s c h l a g n a h m t e n W e r k e im D e p o t K ö p e n i c k e r Straße inventarisiert w a r e n . 4 0 Die d i f f a m i e r e n d e W i r k u n g der A u s s t e l l u n g w u r d e d u r c h die chaotische und d i s k r i m i n i e r e n d e P r ä s e n t a t i o n der E x p o n a t e unterstrichen. In engen, schlecht beleuchteten R ä u m e n , w u r d e n die W e r k e u n o r d e n t l i c h , dicht an dicht, in e i n f a c h e n H o l z r a h m e n o d e r u n g e r a h m t auf mit R u p f e n b e s p a n n t e S t e l l w ä n d e g e h ä n g t . D u r c h B e s c h r i f t u n g e n mit ü b e r h ö h t e n Hinkaufspreisen und d i s k r i m i n i e r e n d e n

Kommen-

taren w u r d e der Besucher u n m i ß v e r s t ä n d l i c h über die » S c h a n d e « der m o d e r n e n K u n s t belehrt. 4 ' Die W i r k u n g der A u s s t e l l u n g w u r d e durch verschiedene p r o p a g a n d i s t i s c h e Strategien noch unterstützt, w i e e t w a d u r c h das B e s u c h s v e r b o t f ü r M i n d e r j ä h r i g e , das den E f f e k t hatte, d a ß die S c h a u f ü r ein noch breiteres P u b l i k u m interessant w u r d e . O f f e n s i c h t l i c h w u r d e auch v e r s u c h t , durch den V e r k a u f

von

Begleitartikeln

Be-

wie

dem

Ausstellungsführer oder

Postkarten

eine größere

kanntheit zu erreichen. S o w u r d e beispielsweise auch v o n B e c k m a n n s

KREUZAB-

NAHME: 1 9 3 7 eine P o s t k a r t e v e r k a u f t , o h n e K ü n s t l e r n a m e o d e r Titel, jedoch mit d e m A u f d r u c k versehen: » A u s s t e l l u n g Entartete K u n s t , P h o t o - H o f f m a n n , M ü n chen Theresienstr. 7 4 . N a c h d r u c k v e r b o t e n « . 4 1 D e r E r f o l g der A u s s t e l l u n g E N T A R T E T E KUNST in M ü n c h e n w a r letztlich so g r o ß , d a ß sie w e g e n des g r o ß e n B e s u c h e r a n d r a n g s v o n E n d e S e p t e m b e r bis E n d e November

1 9 3 7 v e r l ä n g e r t w u r d e . D i e s e r Z u s p r u c h v e r a n l a ß t e das P r o p a g a n d a -

ministerium d a z u , sie im A n s c h l u ß als W a n d e r a u s s t e l l u n g auch in anderen deutschen Städten zu zeigen. Viele Städte zeigten g r o ß e s Interesse, und so w a r Beck-

122 _ Eskilsson Werwigk

manns KREUZABNAHME neben der Münchner Station mindestens noch in den Berlin, Leipzig, Düsseldorf, Salzburg und Wien zu sehen.

H ·

STATIONEN DER W A N D E R A U S S T E L L U N G » E N T A R T E T E KUNST«

Für die Ausstellung im Haus der Kunst in Berlin vom 26. Februar bis 8. M a i 1 9 3 8 sind, soweit bekannt, leider keine Raumaufnahmen vorhanden, die eindeutige Schlüsse auf die Plazierung der KREUZABNAHME zulassen. Allerdings läßt sich rekonstruieren, daß der A u f b a u der Räume und die Anordnung einzelner Werke in der Berliner Station verändert wurden. Das Ausstellungsgut wurde teilweise ergänzt und neu zusammengestellt. Es konnte dabei auch auf den Fundus an Werken zurückgegriffen werden, die der zweiten Beschlagnahmewelle im Spätsommer 1 9 3 7 zum Opfer gefallen waren und nun im Depot in der Köpenicker Straße in Berlin auf ihre Verwendung warteten. 43 Die Einteilung und Hängung der Arbeiten orientierte sich an der Anordnung des Ausstellungsführers. Demnach ist davon auszugehen, daß die KREUZABNAHME nun nicht mehr den exponierten Platz an erster Stelle hatte, da sie wie oben beschrieben der »Gruppe 2« angehörte, die laut Ausstellungsführer Werke religiösen Inhalts vereinte. 44 Z u r Leipziger Station der Ausstellung im Grassi-Museum, vom 1 3 . M a i bis 6. Juni 1 9 3 8 , ist bislang keine Rekonstruktion vorgenommen worden. Auch in der bestehenden Literatur sind hierzu nur wenige Fakten bekannt. Es ist jedoch anzunehmen, daß der Ausstellungsbestand und die Anordnung der Werke in Leipzig im wesentlichen der Berliner Schau entsprach. Auch hier wurde Beckmanns Gemälde wohl nicht so prominent wie in München präsentiert. Dennoch w a r das Bild sehr wahrscheinlich noch immer Bestandteil der Ausstellung, da es auch in der folgenden Station in Düsseldorf gezeigt wurde. Auch im Düsseldorfer Kunstpalast, vom 1 8 . J u n i bis 7. August 1 9 3 8 , wurden offensichtlich in wesentlichen Teilen der Berliner Ausstellungsbestand und die entsprechenden Prinzipien hinsichtlich Hängung und Vermittlung übernommen. Für diese Station läßt sich - im Gegensatz zur Berliner und Leipziger Station - erstmals zweifelsfrei belegen, daß die KREUZABNAHME Teil der Ausstellung war. Anhand der privaten Liste eines Dr. Lühdorf, der bei einem Besuch in der Ausstellung die gezeigten Werke katalogisierte, können fünf Werke Beckmanns identifiziert werden, unter ihnen an zweiter Stelle die KREUZABNAHME. 45 Leider sind die Werke nicht nach ihrer Hängung, sondern nach Künstlern aufgeführt, so daß keine Rückschlüsse auf die Plazierung des Gemäldes gezogen werden können. In Salzburg wurde die Ausstellung vom 4. September bis 2. Oktober 1 9 3 8 im Festspielhaus gezeigt, wobei Bestand und Hängung erheblich verändert wurden. Im

Ein G e m ä l d e g e h l ins E x i l _ 1 2 3

August 1 9 3 8 hatte das Propagandaministerium mit der Einrichtung des Depots im Schloß Schönhausen in Niederschönhausen begonnen. Hier sollten die als international verwertbar eingestuften Gemälde in einem angemessenen Rahmen Kunsthändlern und internationalen Interessenten präsentiert werden. Z u diesem Z w e c k wurden aus der Ausstellung insgesamt 7 1 Exponate abgezogen, hauptsächlich Werke von Künstlern mit internationalem R u f , die auf dem Kunstmarkt zu hohen Preisen angeboten werden konnten. Ein genauer Zeitpunkt für den Rückversand der Werke aus Salzburg nach Berlin kann nicht festgestellt werden. 4 6 Es existiert allerdings eine handschriftliche Liste mit der Bezeichnung »Von der Ε. K. aus Salzburg zurückerhalten«, geschrieben von Rolf Hetsch, dem zuständigen Referenten für die Verwertung der beschlagnahmten Gegenstände des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. 4 7 Wenn man davon ausgeht, daß diese zweiseitige Liste vollständig ist, dann war M a x Beckmann lediglich mit zwei Werken vertreten, mit seinem

SELBSTBILDNIS

(SELBSTBILDNIS

MIT

ROTEM

SCHAL) von 1 9 1 7

und

ZERETELLI von 1 9 2 7 . 4 8 Die 7 1 Werke finden sich auch auf einer weiteren Liste mit insgesamt 87 Werken unter der Bezeichnung »Von der Ausstellung »Entartete Kunst< ausgeschiedene Werke« sowie der Orts- und Datumsangabe »Salzburg, 2 2 . 9 . 38«. 4 9 Auch in dieser Liste taucht die KREUZABNAHME jedoch nicht auf; hier findet sich neben den oben genannten ein weiteres Werk Beckmanns, das undatierte Aquarell SEKTGELAGE. Da die KREUZABNAHME also in beiden Listen nicht auftaucht, muß davon ausgegangen werden, daß sie sich auch weiterhin im Ausstellungsbestand befand, auch wenn in den folgenden drei Stationen Hamburg, Stettin und Weimar der Nachweis des Gemäldes nicht erbracht werden kann. Ein letzter Hinweis auf die KREUZABNAHME findet sich erst etwa ein halbes J a h r später in der Wiener Station im dortigen Künstlerhaus vom 6. M a i bis 1 8 . Juni 1 9 3 9 , nämlich auf einer Abbildung in der Wiener Ausgabe des VÖLKISCHEN BEOBACHTERS vom 5 . M a i 1 9 3 9 . Damit ist belegt, daß das Bild in Wien tatsächlich noch gezeigt wurde. 5 0 In den folgenden Stationen bis zum Ende der Wanderausstellung findet sich kein weiterer Hinweis. Es ist daher davon auszugehen, daß die KREUZABNAHME nach der Wiener Station aus der Ausstellung herausgenommen wurde. Da im Inventar der in Niederschönhausen gelagerten, als »international verwertbar« angesehenen Werke die KREUZABNAHME nicht auftaucht, ist nicht genau zu klären, wie sie ihren Weg nach Berlin fand, w o sie schließlich zum Verkauf angeboten wurde. Nach dem endgültigen Abschluß der Wanderausstellung ENTARTETE KUNST im November 1 9 4 1 erfolgte die Rückgabe der »Reste« der Femeschau an das Propagandaministerium in Berlin. Es sind in der Tat nur klägliche Überbleibsel des Ausstellungsbestandes, die nach Berlin zurückgelangten. Z u diesem Zeitpunkt w a r die Verwertungsaktion KREUZABNAHME befand sich in Amerika.

bereits beendet, und

Beckmanns

_ Eskilsson Werwigk

• • •

D I E » V E R W E R T U N G « DER B E S C H L A G N A H M T E N KUNST

N a c h der zweiten Beschlagnahmeaktion in den Museen im Sommer 1 9 3 7 , der Lagerung der Werke in der Köpenicker Straße in Berlin und der Inventarisierung aller beschlagnahmten Werke, stand die Frage im R a u m , was mit der »entarteten« Kunst weiter geschehen sollte. Trotz der häufig vertretenen Meinung treuer Anhänger nationalsozialistischer Kunstpolitik, die Werke seien zu vernichten, entstand im Frühjahr 1 9 3 8 die Idee, die eingesammelten Werke teilweise durch Verkauf zu verwerten. So findet sich in Goebbels Tagebüchern der Eintrag, daß er hoffe, »dabei noch Geld mit dem Mist zu verdienen«. 5 1 Daraufhin wurde im M a i 1 9 3 8 die »Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst« gegründet. Z u m Geschäftsführer wurde Franz H o f m a n n bestellt, Leiter der »Abteilung Bildende Kunst« der Reichskulturkammer. 5 1 Rolf Hetsch, der Referent Hofmanns, hatte bereits eine Liste sogenannter »international verwertbarer« Werke zusammengestellt, so daß die erste Aufgabe der Kommission darin bestand, diese Liste zu überprüfen und zu ergänzen. Die Kriterien für die Auswahl bestanden offenbar im Bekanntheitsgrad des jeweiligen Künstlers und im damit zu erwartenden Preis der Werke auf dem Kunstmarkt. Nach der Uberprüfung wurden die auf der Liste genannten Werke ausgesondert und aus dem Depot in der Köpenicker Straße in das wesentlich übersichtlichere Depot im Schloß Schönhausen verlagert. 53 Hier fand sich eine weitaus repräsentativere Umgebung, in der auch ausländische Interessenten die Ware in Augenschein nehmen konnten. Auch aus der Ausstellung ENTARTETE KUNST wurden nach der Salzburger Station im September und Oktober 1 9 3 8 die als verwertbar geltenden Werke dorthin gebracht. 5 4 Beckmanns KREUZABNAHME findet sich allerdings laut Inventar weder unter den im Depot Köpenicker Straße inventarisierten Werken noch auf der Liste der Werke, die aus der Ausstellung zurückgerufen wurden. Mit dem tatsächlichen Verkauf über den Kunsthandel wurden ab Herbst 1 9 3 8 hauptsächlich die vier Kunsthändler Ferdinand Möller, Karl Buchholz, Bernhard A. Böhmer und Hildebrand Gurlitt beauftragt. Die Kontaktaufnahme mit dem Propagandaministerium erfolgte jeweils auf Betreiben der Kunsthändler. Für Buchholz und Gurlitt läßt sich dies durch Schriftwechsel mit dem Propagandaministerium belegen. 55 Die Verkaufsbedingungen für die Werke der »entarteten« Kunst sind vielfältig belegt. So w a r der Verkauf an inländische Interessenten untersagt. Die Herkunftsangaben sollten bei Verkauf entfernt oder unkenntlich gemacht werden. Der Händler erhielt beim Verkauf in der Regel eine Provision von zehn bis zwanzig Prozent. Konnte er etwas aus dem Bestand der als nicht verwertbar eingestuften Werke in der Köpenicker Straße verkaufen, stieg die Provision auf fünfundzwanzig Prozent an. Die Zahlungen mußten in Devisen erfolgen und wurden vom ausländi-

Ein Gemälde geht ins Exil _

sehen Käufer in voller Höhe auf ein vom Ministerium verwaltetes ReichsbankKonto einbezahlt. Erst nach Eingang der gesamten Summe auf dieses »Sonderkonto EK« erhielt der Händler seine Provision vom Ministerium. Die Kunsthändler wurden zur Geheimhaltung dieses Kontos verpflichtet. 56 Wie die einzelnen Kunsthändler mit der zur Verfügung stehenden Verkaufsmasse umgingen, blieb ihnen überlassen. Es scheinen sich allerdings zwei Vorgehensweisen herauskristallisiert zu haben: Möller und Gurlitt haben jeweils eher wenige, renommierte Künstler vertreten, während Buchholz und Böhmer jeweils eher größere Mengen an Werken unterschiedlicher Künstler in Kommission nahmen und verkauften. 5 7 Die Idee zur Inkommissionnahme größerer Stückzahlen stammte von Buchholz. Dieses Verfahren ersparte den Händlern die häufigen Anreisen nach Niederschönhausen, um die für den Verkauf notwendigen Daten wie Technik, Maße und Zustand zusammenzutragen. Darüber hinaus hatte man die Möglichkeit, Kommissionsware zur Ansicht an Händler oder Interessenten im Ausland zu versenden, um ihnen die Reise nach Deutschland in Kriegszeiten zu ersparen.' 8 Kommissionsverträge wurden vermehrt ab dem Frühjahr 1 9 3 9 geschlossen. 59 Oft wurden auch Werke aus dem Depot in der Köpenicker Straße in Kommission genommen, was eine letzte Möglichkeit der Rettung für diese als nicht verwertbar qualifizierten Werke darstellte. Es wird vermutet, daß der Rest der in der Köpenicker Straße befindlichen Werke bei der endgültigen Räumung des Depots verbrannt wurde. Die These, daß es der nationalsozialistischen Propaganda und Kunstpolitik entsprach, die Werke »entarteter« Kunst zu möglichst niedrigen Preisen zu verschleudern, um ihre Wertlosigkeit zu beweisen, ist vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Im Gegenteil: Es standen wohl eher finanzielle Interessen und der Devisengewinn im Vordergrund. Die moderne deutsche Kunst begann gerade erst, sich den internationalen Kunstmarkt zu erobern, und konnte daher noch keine Höchstpreise einbringen. 60 Dies läßt sich auch am Beispiel Beckmanns gut belegen, dessen Werke erst kurz vor dem Krieg erstmals in den USA gezeigt wurden. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß sich Kunsthändler in manchen Fällen mit ihren Kunden auf niedrige Beträge geeinigt haben, um so größere Mengen an Kunstwerken in Sicherheit zu bringen. Insbesondere nach Kriegsbeginn, als sich die Devisenbeschaffung deutlich schwerer gestaltete, w a r man gezwungen, die Preise zu senken, um weiterhin in hohem Tempo große Mengen verkaufen zu können. 6 ' Diese Strategie hat auch Karl Buchholz beherzigt, der erst gegen Ende der Verwertungsaktion einen Käufer für die KREUZABNAHME fand.

126

Eskilsson Werwigk

• • • DER WEG IN DIE USA

M a x Beckmanns KREUZABNAHME wurde Teil eines Kommissionsvertrages zwischen dem Kunsthändler Buchholz, der sich in der Verwertungsaktion besonders für das Werk Beckmanns einsetzte, und dem Propagandaministerium. Der Maler hatte den Kunsthändler über dessen Mitarbeiter Curt Valentin 1 9 3 4 in Berlin kennengelernt. 62 Z u diesem Zeitpunkt w a r Beckmann im Inland zwar noch an Gruppenausstellungen beteiligt, Einzelausstellungen seiner Werke fanden jedoch nicht mehr statt. 63 Göpel weist darauf hin, daß Beckmann sich in einer Absprache damit einverstanden erklärte, daß Buchholz seine Werke im Rahmen der Verwertungsaktion der »entarteten« Kunst erwarb und weiterverkaufte. 6 4 Auch Beckmann ahnte wohl, daß diesen Werken sonst voraussichtlich die Vernichtung drohte, und w a r sehr daran interessiert, seine Werke in Sicherheit zu wissen. Da die KREUZABNAHME, soweit anhand erhaltener Akten nachvollziehbar, nicht zu den als »international verwertbar« eingestuften Werken zählte, die aus der Salzburger Station der Ausstellung zurückgeschickt wurden, wird sich Buchholz vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt in irgendeiner Weise darum bemüht haben, daß das Werk aus der Ausstellung genommen und nach Berlin geschickt wurde. Leider ist diese Vermutung anhand der Akten des Propagandaministeriums nicht belegbar. Allerdings fällt auf, daß die KREUZABNAHME bei fast jeder Erwähnung in diesen Akten nur handschriftlich hinzugefügt wurde; manchmal fehlt auch die Inventarnummer. Kurz vor der geplanten Verbrennung des »unverwertbaren Rests« aus dem Depot in der Köpenicker Straße am zo. M ä r z 1 9 3 9 , nahm Buchholz eine größere Menge Werke in Kommission und rettete sie so vor der Vernichtung. 65 Ein großer Teil seiner Kommissionsware wurde an Valentin vermittelt, der 1 9 3 7 nach N e w York ausgewandert war. So hatten die Käufer in Übersee die Möglichkeit, Werke direkt in Augenschein zu nehmen, denn die Buchholz Gallery Curt Valentin in N e w York w a r gewissermaßen eine Zweigstelle der Galerie Buchholz. Außerdem wußte Buchholz die Werke erst in Amerika wirklich in Sicherheit. In einer siebenseitigen »Kommissionsliste Buchholz« vom 1 8 . April 1 9 3 9 werden in 3 5 0 Positionen die einzelnen Werke mit ihrer Inventarnummer, dem Künstlernamen und dem Beschlagnahmeort aufgeführt. 6 6 Zusätzlich sind handschriftlich Preisangaben in US-Dollar aufgeführt. Bei den Preisen handelt es sich, wie aus dem dazugehörigen Kommissionsvertrag vom 5. M a i 1 9 3 9 ersichtlich wird, um sogenannte Wertangaben, die lediglich als Anhaltspunkte für den Verkauf dienen sollten. Buchholz verpflichtete sich, das Ministerium vor Abschluß eines Verkaufs über den Verkaufspreis in Kenntnis zu setzen. 67 In der alphabetischen Liste war ursprünglich kein Werk Beckmanns aufgeführt. Die Kommissionsliste wurde jedoch handschriftlich um zunächst elf und anschließend um weitere fünfundzwanzig Werke

Ein Gemälde geht ins Exil _ 127

ergänzt, so daß sich eine G e s a m t z a h l v o n 3 8 6 Werken in K o m m i s s i o n ergibt. Erst unter der letzten E r g ä n z u n g der Liste finden sich z w a n z i g Werke B e c k m a n n s , wie einer undatierten Aufstellung zu entnehmen ist. 68 H i e r sind maschinenschriftlich die laufenden N u m m e r n 3 5 1 bis 3 7 5 sowie handschriftlich die N u m m e r n 3 7 6 bis 3 8 4 a u f g e f ü h r t , allerdings ist die KREUZABNAHME auch auf dieser Liste nicht zu finden.

Eine auf den 2 9 . A p r i l 1 9 3 9 datierte, maschinenschriftliche Berichtigung

läßt darauf schließen, daß diese E r g ä n z u n g kurz nach der ursprünglichen K o m missionsliste entstanden ist. 6 ' Die E r g ä n z u n g um weitere Werke ließ sich zunächst schwer nachvollziehen. Allerdings findet sich gegen Ende der » A k t e Buchholz« eine bislang übersehene, handschriftliche D I N A 5 - S e i t e , die n o c h m a l s elf Werke nennt. 7 0 Diese Liste führt zehn Werke M a x Pechsteins und als elftes und letztes die KREUZABNAHME Beckmanns unter dem Titel »Christi K r e u z a b n a h m e « mit der Inventarnummer E K - 1 5 9 3 3 auf.

Zwar

fehlen hier

die

fortlaufenden

Nummern

des

maschinengeschrie-

benen Kommissionsvertrages, die Liste ist jedoch mit dem Vermerk »Buchholz 6.11.1939

- Leipzigerstr.« versehen. Weiterhin ist vermerkt

-

»Kommissionsware

Buchholz, geliefert: 6 . X I . 1 9 3 9 , Vertrag: I I . 1 9 4 0 « . Diese Ergänzung des K o m m i s sionsvertrages ist also w o h l erst sehr viel später zustande gekommen. Erst der Fund dieser Liste bestätigt - entgegen früherer Vermutungen - , daß B e c k m a n n s KREUZABNAHME mehr als ein J a h r nach den R ü c k s e n d u n g e n der Werke aus der Salzburger Station und mehr als ein halbes J a h r nach der geplanten R ä u m u n g des Depots in der K ö p e n i c k e r Straße s o w i e der geplanten Vernichtung der dort befindlichen Reste tatsächlich nach Berlin gelangte. 7 1 O b w o h l eine Z w i schenlagerung in N i e d e r s c h ö n h a u s e n nach wie vor nicht nachzuweisen ist, kann durch den Fund dieser letzten Liste bewiesen w e r d e n , daß B e c k m a n n s G e m ä l d e im N o v e m b e r 1 9 3 9 in Berlin durch die H ä n d e des P r o p a g a n d a m i n i s t e r i u m s und der V e r w e r t u n g s k o m m i s s i o n gegangen ist und sodann direkt an die K u n s t h a n d l u n g Buchholz in der Leipziger Straße geliefert w u r d e . Die A n k u n f t der KREUZABNAHME bei Valentin in N e w Y o r k ist nicht g e n a u zu bestimmen. V o m 2. bis 2 7 . April 1 9 4 0 f a n d die Ausstellung LANDMARKS IN MODERN GERMAN ART in der G a l l e r y B u c h h o l z statt, die dreiundzwanzig Werke aus elf deutschen M u s e e n zeigte. Perry Τ. R a t h b o n e schrieb in der Einleitung zum Katalog: »The present exhibition is the fourth comprehensive showing in N e w Y o r k of a modern school which is deserving of f a r wider appreciation and understanding in this country than it has yet k n o w n . [...] But in consequence of the undreamt fate that has overtaken modern G e r m a n art in the land of its origin, this exhibition has a unique distinction: all of the paintings and most of the sculptures

128 _ Eskilsson Werwigk

have been the property of eleven German museums. Thus the exhibition represents the collective critical judgement of a museum personnel [,..].« 7 2 In diesem Ausstellungskatalog finden sich die beiden Beckmann-Werke KREUZABNAHME und CHRISTUS

UND DIE E H E B R E C H E R I N gleich zu Beginn.

Durch

ihre Teilnahme an der Ausstellung ist belegt, daß sich die KREUZABNAHME spätestens zu diesem Zeitpunkt als Kommissionsware in N e w York befand. Es ist zu vermuten, daß sie nach der Lieferung an Buchholz am 6. November 1 9 3 9 erst im Dezember verschickt und sich anschließend einige Wochen auf dem Weg in die USA befand. 7 3 Die Lieferung könnte unter Umständen mit der Speditionsfirma FIDES erfolgt sein, mit der Buchholz bei anderen Uberseetransporten nachweislich zusammengearbeitet hat. 74 Sehr wahrscheinlich ist sie per Schiff erfolgt. Erst am 27. Januar 1 9 4 1 machte ein amerikanischer Kunde, bei dem es sich wohl um Valentin selbst handelte, über Buchholz ein Angebot an die Verwertungskommission des Propagandaministeriums. Das Angebot betraf die »in Amerika in Kommission befindlichen, aus Niederschönhausen stammenden sieben Bilder von M a x Beckmann«. 7 5 Der Gesamtpreis, den der Käufer zu zahlen hatte, betrug 3 2 5 US-Dollar. Für die KREUZABNAHME, die diesem Angebot handschriftlich in Bleistift hinzugefügt wurde, waren lediglich achtzig US-Dollar angesetzt. Auch fehlt die Inventarnummer E K - 1 5 9 3 3 , die ansonsten bei jedem Vorgang, der das Bild betraf, angegeben wurde. Das Angebot schien dem Ministerium jedoch »den Umständen entsprechend akzeptabel«. 7 6 Und ein Vermerk des Ministeriums in roter Farbe in der rechten unteren Ecke besagt: »Sämtliche Beckmanns befinden sich bereits in USA. Das Angebot kann insofern aus kunstpolitischen Gründen unbedenklich angenommen werden.« 7 7 A m 8 . M ä r z 1 9 4 1 erhielt Buchholz vom Propagandaministerium die Nachricht, daß »am 3 1 . 1 . 1 9 4 1 der Abschluß der Abwicklungsmaßnahmen in der Verwertung der sichergestellten Produkte entarteter Kunst erfolgt ist«. 78 Er wurde gebeten, sämtliche unverkauft gebliebenen Kommissionsbestände bis zum 1 5 . März 1 9 4 1 zurückzugeben. Das Angebot über den Verkauf der KREUZABNAHME vom 2 7 . Januar 1 9 4 1 kam also in letzter Sekunde und wurde erst nach dem Abschluß der Verwertungsbemühungen abgewickelt. Bereits einen Tag später konnte ein Angebot vom 28. Januar 1 9 4 1 von Buchholz nicht mehr berücksichtigt werden, wie ein Schreiben des Propagandaministeriums vom 1 8 . April 1 9 4 1

besagt. 79 Der

Kaufvertrag vom 2 1 . April 1 9 4 1 , der also erst nach dem offiziellen Abschluß der Verwertungsaktion zustande kam, war das endgültige Resultat der Bemühungen von Buchholz um die KREUZABNAHME sowie um sechs weitere Gemälde Beckmanns. 8 0 Die Zahlung der Summe von 3 2 5 US-Dollar an das Ministerium erfolgte allerdings bereits am 7. Apil 1 9 4 1 per Scheck. 81

Ein Gemälde geht ins Exil 129

45

M a n Beckmann.

SELBSTBILDNIS

IM

SMOKING,

O l a u f L e i n w a n d , ι ^9.5 χ 4 > , s c m . C a m b r i d g e . H a r v a r d University A r t M u s e u m s , Busch-Reisinger MLiseum

Buchholz wählte f ü r T r a n s f e r s , die als eher inoffiziell galten, den Weg per Schiff via J a p a n nach N e w Y o r k . " 1 Allerdings k o m m t nach aktuellem Forschungsstand als möglicher T r a n s p o r t w e g f ü r die K R E U Z A B N A H M E sehr w o h l auch die R o u t e über die Schweiz in F r a g e / ' H a u p t g r u n d f ü r einen solchen Weg scheint weniger die politische Situation der Schweiz als neutraler Staat, sondern eher das Netzwerk

persönlicher Beziehungen gewesen zu sein. Unter anderem

verband

Valentin eine enge F r e u n d s c h a f t mit dem Berner Galeristen Christoph Bernoulli, dessen Galerie in den dreißiger J a h r e n als D e p o t für Fluchtgut deutscher Flüchtlinge diente. Bernoulli w a r erst über Valentin zum K u n s t h a n d e l g e k o m m e n , und er genoß großes Vertrauen in der deutschen Kunstszene.* 4 Aufschlußreich für die T r a n s p o r t w e g e der K R E U Z A B N A H M E scheint ein Vergleich mit dem Fall des S E L B S T B I L D N I S IM SMOKING von 1 9 1 7 zu sein

(Abb.

Dieses Werk stammte ursprünglich aus der Berliner Nationalgalerie und w u r d e 1 94 1 zusammen mit der K R E U Z A B N A H M E an Valentin v e r k a u f t und kostete ebenfalls achtzig US-Dollar. 1 * 5 N o c h im gleichen J a h r v e r k a u f t e Valentin das Werk an das

130 _ Eskilsson

Werwigk

Busch-Reisinger-Museum in Harvard. Aus der Literatur geht hervor, daß sich im Archiv des Museums eine handschriftliche Notiz mit dem Hinweis befindet, daß das SELBSTBILDNIS IM SMOKING über einen Schweizer Agenten und die Galerie Buchholz erworben worden sei. Die Autoren gehen davon aus, daß es sich hierbei um Bernoulli gehandelt haben könnte. 86 Aus Unterlagen des Archivs des Museum of Modern Art kann außerdem erschlossen werden, daß die KREUZABNAHME auf unbekanntem Weg über die Schweiz nach New York gelangt war. 87 Dies ist nicht verwunderlich, da beide Gemälde, die gemeinsam auf der Ergänzung zur Kommissionsliste der Galerie Buchholz vom 18. April 1939 stehen, vermutlich mit derselben Lieferung nach Amerika gelangten.88 Desweiteren stehen beide Werke im selben Angebot vom 27. Januar 1 9 4 1 verzeichnet. Hierauf ist handschriftlich vermerkt, daß sich alle Bilder Beckmanns zu diesem Zeitpunkt bereits in den USA befanden. Auch im Kaufvertrag vom 18. April 1 9 4 1 finden sich nochmals beide Gemälde gemeinsam aufgeführt, so daß mit relativer Sicherheit angenommen werden darf, daß beide Werke auf demselben Weg in die USA transportiert wurden. 89 Es ist möglich, daß sich Valentin und Buchholz deswegen eines Schweizer Agenten bedienten, weil diese Zwischenstation im neutralen Ausland auch die Herkunft der Werke aus der deutschen Verwertungsaktion verschleierte. Kunsthändler, die sich auf diese Weise mit den Nationalsozialisten einließen, waren als junge Einwanderer in den USA vermutlich nicht gern gesehen. Es kann sich also um eine Art Schutztaktik für Valentin gehandelt haben. Sowohl Buchholz als auch Valentin sind nach dem Krieg über ihre geschäftlichen Verbindungen zu den Nationalsozialisten befragt worden. Die Befragungen wurden im Rahmen des »Art Looting Investigation Unit Final Report« (ALIU Report) von Kunstexperten im Dienst des »Office of Strategie Services« (OSS) durchgeführt, welche die Plünderungen von europäischen Kulturgütern durch die Nationalsozialisten untersuchten.90 Interessant ist, daß die Eintragung über Buchholz zwar auf Valentin verweist, der Kontakt während der Kriegsjahre in diesem Bericht jedoch verneint wird: » Valentin is believed to have had no contact with Buchholz during the war.«' 1 Dies ist durch die vielfältigen Geschäfte mit der »entarteten« Kunst zwischen den beiden Kunsthändlern auch in den Kriegsjahren 1 9 3 9 bis 1 9 4 1 allerdings widerlegt. 91

MMM NACH K R I E G S E N D E

Gleich nach Ende des Krieges nahmen beide Kunsthändler ihre Kontakte zu Beckmann wieder auf. Buchholz meldete sich aus Madrid, Valentin reiste zum Künstler nach Amsterdam, traf feste Abmachungen mit ihm, und Bilder sowie Zeichnungen aus der Kriegszeit wurden nach New York verschifft. Nach Jahren der Isolation im

Ein G e m ä l d e geht ins E x i l . 131

Amsterdamer Exil fühlte sich Beckmann nun wieder »(äußerlich) im Centrainervensystem der Menschheit«. 9 3 Wenig später half Valentin dem Künstler bei seiner Auswanderung nach Amerika, w o er seine letzten erfolgreichen Jahre verbringen sollte. 94 M a x Beckmann kehrte nicht wieder nach Deutschland zurück. Beckmanns KREUZABNAHME fand nie einen anderen Käufer als Valentin. Bis zum Tode des Kunsthändlers im J a h r 1 9 5 5 verblieb das Bild in seinem Besitz. 1 9 5 6 wurde es aus dem Nachlaß an das Museum of Modern Art in N e w York weitergegeben, w o es bis heute verblieben ist. Während sich das Werk im Besitz Valentins befand, wurde es in fünf größeren Gruppenausstellungen gezeigt, die ausschließlich in den USA stattfanden. 95 Erst 1 9 6 5 , dreißig Jahre nach seiner Verfemung, war die KREUZABNAHME in einer Ausstellung in Hamburg erstmals wieder in Deutschland zu sehen. Viele Werke, die einst durch die Nationalsozialisten als »entartet« abgestempelt wurden, fristen heute ein ähnlich ruhiges Dasein wie die KREUZABNAHME Beckmanns. Nur wenig ist bei manchen dieser Werke über ihre teilweise bewegte Vergangenheit bekannt. In den letzten Jahren ist das Interesse daran gewachsen, die Vorgänge in dieser Epoche der deutschen Kunstgeschichte aufzuklären. Hierbei stehen nicht nur die Übergriffe auf die Kunst durch Beschlagnahme und Diffamierung in »Schandausstellungen« oder Verwertungsaktionen im Vordergrund, sondern auch die Taten derer, die zur Rettung bedeutender Kunstwerke aktiv beitrugen. Dies hat sich auch am Beispiel der Provenienz der KREUZABNAHME M a x Beckmanns gezeigt. Besonders die Zeit zwischen Sommer 1 9 3 9 und April 1 9 4 0 mußte im Mittelpunkt der Recherchen stehen, da sich die Spuren des Gemäldes zwischen der Wiener Station der Wanderausstellung ENTARTETE KUNST und sein e r A n w e s e n h e i t in d e r A u s s t e l l u n g

LANDMARKS

IN M O D E R N

GERMAN

ART

in

der Buchholz Gallery Curt Valentin in N e w York verlieren. Für diese Provenienzlücke konnte nun durch einen neuen Aktenfund zuverlässig belegt werden, daß sich die KREUZABNAHME im Herbst 1 9 3 9 tatsächlich in Berlin befunden hat, obwohl sie in keiner der gängigen Inventarlisten des Depots im Schloß Schönhausen auftaucht. Zudem konnte so der Zeitraum der bisherigen Provenienzlücke von fast einem J a h r auf die fünf Monate zwischen November 1 9 3 9 bis April 1 9 4 0 eingeschränkt werden, der angesichts der Kriegsumstände für eine Fracht nach Amerika plausibel erscheint. Auch in Bezug auf den Frachtweg konnte durch einen Vergleich mit neueren Provenienzforschungen zu Beckmanns berühmtem SELBSTBILDNIS IM SMOKING neue Erkenntnisse gewonnen werden. Beide Werke sind wohl nicht wie bei Buchholz sonst üblich über J a p a n transferiert worden. Es scheint statt dessen wahrscheinlich, daß beide Bilder mit derselben Lieferung und damit auf demselben Weg über die Schweiz, die während des Zweiten Weltkriegs ein bedeutender Umschlagplatz für Flucht- und Raubgut war, nach Amerika gelangten. Es liegt in

132 _ Eskilsson Werwigk

der Natur der Sache der »entarteten« Kunst, daß viele Vorgänge im Chaos der Kriegszeiten undurchsichtig sind oder aber bewußt verschleiert wurden. Durch die Nachforschungen für diesen Aufsatz konnten einige Lücken in der Provenienz von Beckmanns frühem Meisterwerk geschlossen und damit ein exemplarischer Beitrag geleistet werden zur Aufklärung der historischen Abläufe innerhalb der nationalsozialistischen Verwertungsaktion der »entarteten« Kunst.

Ein Gemälde geht i n s Exil

1 Vgl. Carla Schulz-Hoffmann: Max Beckmann,

Mün-

chen 1 9 9 1 , S. 3 3 . 2 Julius Meier-Graefe: Gesichter - Vorrede zu einer Mappe mit 1 9 Radierungen von Max Beckmann, in: Martin von Erffa (Hrsg.): Blick auf Beckmann, München 1961, S. 5 0 - 5 6 , S. 55 f. 3 Die Literatur zu Georg Hartmann und seinem Auftreten als Mäzen M a x Beckmanns ist sehr begrenzt; vgl. Konrad Bauer: Georg Hartmann, in: Imprimatur. Ein Jahrbuch für Bücherfreunde 10/1951-1952, S. 1 1 0 - 1 1 5 ; Frankfurter Biographie. Personengeschichtliches Lexikon, Bd. 1 (hrsg. v. Wolfgang Klötzer), Frankfurt am Main 1 9 9 4 , S. 303 f. Erstmals ist eine ausführliche Biographie Hartmanns erschienen in: Max Beckmann. Apokalypse. Der wiederaufgefundene handkolorierte Zyklus, Ausstellungskatalog, Museum Wiesbaden 2004, S. 1 3 - 2 0 . 4 Brief Günther Franke an Erhard Göpel, 1 3 . April 1 9 5 6 , zitiert nach Erhard Göpel u. Barbara Göpel: Max Beckmann. Katalog der Gemälde, Bd. 1 (hrsg. v. Martin von Erffa), Bern 1 9 7 6 , S. 1 3 4 .

133

12 Vgl. die Künstlerbiographie Beckmanns in: Stephanie Barron (Hrsg.): »Entartete Kunst«. Das Schicksal der Avantgarde im Nazi-Deutschland, Ausstellungskatalog, Los Angeles County Museum of Art / Art Institute, Chicago / National Gallery of Art, Washington / Altes Museum, Berlin 1 9 9 1 - 1 9 9 2 , S. 202 ff.; vgl. zur Basler Ausstellung auch Göpel u. Göpel 1 9 7 6 , Bd. 1, S. 21 u. S. 93 (Kat.-Nr. 1 5 5 1 ) . 13 Zitiert nach Klaus Gallwitz (Hrsg.): ReVision. Moderne

im Städel 1906-1937,

Die

Stuttgart 1991, S. 27.

14 Vgl. www.staedelmuseum.de ( 2 1 . Juni 2006). Insgesamt wurden 7 7 Gemälde und fast 4 0 0 Graphiken verschiedener Künstler hauptsächlich aus der zeitgenössischen Sammlung der Städtischen Galerie beschlagnahmt. 15 Vgl. Birgit Schwarz u. Michael Schwarz: Dix und Beckmann. Stil als Option und Schicksal, Mainz 1 9 9 6 , S. 1 5 .

5 Vgl. Andreas Hansert. Max Beckmann im Amsterdamer Exil und sein Frankfurter Mäzen Georg Hartmann, in: Max Beckmann. Apokalypse 2004, S. 1 3 20, S. 1 5 .

16 In einer Fußnote führen Schwarz und Schwarz 1996 an, daß in den lückenhaft erhaltenen Akten der Reichskammer der bildenden Künste laut Auskunft des Berlin Document Center vom 1 2 . Januar 1 9 9 3 keine Unterlagen über Beckmann enthalten seien. Die Autoren berufen sich statt dessen auf Lackners Werk zu M a x Beckmann; vgl. Stephan Lackner: Max Beckmann, Köln 1 9 9 1 , S. 26.

6 Vgl. Sabine Schulze (Hrsg.): Das 20. Jahrhundert Städel, Stuttgart 1 9 9 8 , S. 7.

17 Vgl. die Ausstellungslisten der Jahre 1 9 3 3 - 1 9 3 7 in Göpel u. Göpel 1 9 7 6 , Bd. 1.

im

7 Brief von I. B. Neumann an Georg Swarzenski, 29. tober 1 9 1 8 , zitiert nach Karoline Hille: Spuren Moderne. Die Mannheimer Kunsthalle von 1 9 1 8 1 9 3 3 , Berlin 1 9 9 3 , S. 2 5 1 u. S. 3 7 8 , Anm. 1 2 3 . Brief befindet sich laut der Autorin in den Akten Stadels in Frankfurt.

Okder bis Der des

θ Vgl. Curt Glaser, Julius Meier-Graefe, Wilhelm Fraenger u. Wilhelm Hausenstein: Max Beckmann, München 1 9 2 4 , S. 15.

18 Vgl. Barron 1 9 9 1 - 1 9 9 2 , S. 202. 19 Zitiert nach Hans Prolingheuer: Hitlers fromme Bilderstürmer. Kirche und Kunst unterm Hakenkreuz, Köln 2 0 0 1 , S. 1 2 0 f. 20 Vgl. Erhard Göpel: Der Weg eines deutschen Künstlers. Zu Max Beckmanns 50. Geburtstag, in: Neue Leipziger Zeitung, 1 7 . Februar 1 9 3 4 . 21 Vgl. Schwarz u. Schwarz 1 9 9 6 , S. 1 7 .

9 Die Ausstellung war ursprünglich vom 1 9 . Februar bis 2. April geplant, wurde aber wegen des großen Erfolges bis zum 1 0 . April verlängert. 10 Sehr ausführlich hat sich Karoline Hille mit dieser Ausstellung beschäftigt; vgl. Hille 1 9 9 3 , S. 2 2 0 - 2 7 3 .

22 Vgl. M a x Beckmann: Über meine Malerei. Vortrag, gehalten in den New Burlington Galleries in London 1938, in: Tim Osterwald: 1 9 0 0 - 1 9 4 5 . Künstler in Deutschland. Individualismus und Tradition, Ausstellungskatalog, Württembergischer Kunstverein, Stuttgart 1 9 8 6 ; vgl. auch Schwarz u. Schwarz 1 9 9 6 , S. 1 7 .

11 Vgl. Kunst und Künstler X X I X / 1 9 3 1 , S. 3 3 2 . Über die A u s s t e l l u n g m i t d e m T i t e l GERMAN

PAINTING

AND

SCULPTURE wird hier berichtet, sie sei die umfangreichste und beste Ausstellung deutscher Kunst, die je in den USA gezeigt wurde; die Ausstellung sei gut gehängt und würde gut besucht, und von den 28 deutschen Künstlern sei vor allem Beckmann gut vertreten, der allgemein geschätzt würde.

23 Vgl. Sean Rainbird: A Gathering Storm: Max Beckmann and Cultural Politics 1 9 2 5 - 3 8 , in: id. (Hrsg.): Max Beckmann, London 2 0 0 3 , S. 1 5 7 - 1 7 7 . 24 Vgl. zu Beckmanns Netzwerk im Exil auch Olaf Peters: Vom schwarzen Seiltänzer. Max Beckmann zwischen Weimarer Republik und Exil, Berlin 2005.

134 _ E s k i l s s o n W e r w i g k

25 Vgl. Dieter Rebentisch: Max Beckmann und Frankfurt am Main, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 69/2003, S. 1 2 7 - 1 5 7 , S. 1 4 7 . Olaf Peters weist allerdings darauf hin, daß sich Beckmann in dieser Zeit aus einem zu engen freundschaftlichen Verhältnis mit beispielsweise Lilly von Schnitzler zurückzog, weil er sich von ihr gestört fühlte; vgl. Peters 2005, S. 3 1 3 . 26 Vgl. Gallwitz 1 9 9 1 , S. 27; Nicole Roth: »Entartete Kunst« in Frankfurt am Main. Die Beschlagnahme der Gemälde im Städel 1936I3J, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 69/2003, S. 1 9 1 - 2 1 4 , S. 1 9 2 . Das Werk wurde laut Inventar des Städel am 26. November 1 9 3 6 nach München geschickt (freundliche Auskunft von Frau Nicole Roth, zuständig für Provenienzforschung am Städelschen Kunstinstitut und der Städtischen Galerie in Frankfurt am Main, 7. Juni 2004).

41 Vgl. Schuster 1 9 8 7 , S. 1 0 3 f. 42 Vgl. Göpel u. Göpel 1 9 7 6 , Bd. 1, S. 1 3 4 . 43 Vgl. Zuschlag 1 9 9 5 , S. 2 3 7 . Inzwischen ist die Berliner Station der Ausstellung ENTARTETE KUNST ebenfalls ausführlich rekonstruiert worden; vgl. Katrin Engelhardt: Die Ausstellung »Entartete Kunst« in Berlin 1938. Rekonstruktion und Analyse, in: Uwe Fleckner (Hrsg.): Angriff auf die Avantgarde. Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialismus, Berlin 2007 (Schriften der Forschungsstelle »Entartete Kunst«, Bd. 1), S. 8 9 - 1 8 7 . 44 Vgl. Zuschlag 1 9 9 5 , S. 2 3 7 u. Anm. 249. 45 Vgl. Abdruck der Liste Lühdorf vom 1 8 . Juni 1 9 3 8 , ibid., S. 252 f. 46 Vgl. ibid., S. 2 6 1 .

27 Vgl. Expressionisten. Die Avantgarde in Deutschland 190J-1920, Ausstellungskatalog, Staatliche Museen zu Berlin 1 9 8 6 , S. 390.

47 Ibid. 48 Vgl. ibid., S. 262

28 Diese Ausstellung ist von Christoph Zuschlag erstmals eingehend untersucht worden; vgl. Christoph Zuschlag: »Entartete Kunst«. Ausstellungsstrategien im Nazi-Deutschland, Worms 1 9 9 5 (Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, Bd. 2 1 ) , S. 300 ff. 29 Zitiert nach ibid., S. 3 0 3 . 30 Vgl. Schulze 1998, S. 1 7 5 . 31 Vgl. Zuschlag 1 9 9 5 , S. 303 u. Abb. 1 2 6 . 32 Zitiert nach ibid., S. 307 (Dok. 66).

49 Vgl. ibid., S. 263. 50 Vgl. Zuschlag 1 9 9 5 , S. 282; Andreas Hüneke: Max Beckmann und die faschistische Aktion »Entartete Kunst«, in: Max Beckmann. Graphik. Malerei. Zeichnung, Ausstellungskatalog, Museum der bildenden Künste, Leipzig 1 9 8 4 , S. 5 4 - 5 7 . 51 Zitiert nach J a n Philipp Reemtsma: »... daß erst nach über einem halben Jahrhundert ... !« Ist die diesbezügliche Fassungslosigkeit statthaftin: Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg (Hrsg.). Museen im Zwielicht. Magdeburg 2002, S. 4 4 7 - 4 7 3 , S. 450.

33 Ibid. 34 Zitiert nach ibid., S. 305. 35 Vgl. ibid., S. 306. 36 Vgl. ibid. Es handelte sich um Stationen in Dortmund, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und Stettin.

52 Zur Verwertungskommission und seinen weiteren Mitgliedern vgl. Andreas Hüneke: Spurensuche Moderne Kunst aus Deutschem Museumsbesitz, in: Barron 1 9 9 1 - 1 9 9 2 , S. 1 2 1 - 1 3 3 , S. 1 2 4 . 53 Vgl. ibid. 54 Vgl. ibid. u. Anm. 256.

37 Vgl. Barron 1 9 9 1 - 1 9 9 2 , S. 204. 38 Zitiert nach Klaus-Peter Schuster (Hrsg.): Die »Kunststadt« München 1937. Nationalsozialismus und »Entartete Kunst«, München 1 9 8 7 , S. 1 9 2 f.; siehe die Abbildung des Ausstellungsführers ibid., S. 1 8 3 - 2 1 6 .

55 Vgl. Andreas Hüneke: Dubiose Händler operieren im Dunst der Macht, in: Alfred Flechtheim. Sammler Kunsthändler - Verleger, Ausstellungskatalog, Kunstmuseum, Düsseldorf / Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster 1 9 8 7 - 1 9 8 8 , S. 1 0 1 - 1 0 5 , S. 1 0 1 .

39 Vgl. Barron 1 9 9 1 - 1 9 9 2 , S. 88, Abb. 66.

56 Ibid., S. 1 0 2 .

40 Vgl. ibid., S. 48; Schuster 1 9 8 7 , S. 1 0 3 .

57 Ibid.

Ein Gemälde geht ins Exil _ 135

56 Vgl ibid.; Hüneke 1 9 9 2 , S. 1 2 9 .

62 Vgl. Andreas Hüneke: Einer Legende begegnen. Besuch bei Karl Buchholz·, in: Bildende Kunst. Zeitschrift für Kunst und Kritik 3/1991, S. 5 4 - 5 5 , S. 54.

59 Vgl. Hüneke 1 9 8 7 - 1 9 8 8 , S. 1 0 2 . 60 Vgl. Hüneke 1 9 9 2 , S. 1 0 1 u. S. 129. 61 Vgl. Andreas Hüneke: Bilanzen der »Verwertung« der »Entarteten Kunst«, in: Eugen Blume u. Dieter Scholz (Hrsg.): Überbrückt. Ästhetische Moderne und Nationalsozialismus, Köln 1999, S. 2-65-274. 62 Vgl. Göpel u. Göpel 1 9 7 6 , Bd. i , S. 24. 63 Vgl ibid., S. 23. U Id Vgl ibid S. 24. 65 Vgl. Hüneke 1 9 8 7 , S. 1 2 7 . 66 Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 8 - 1 4 . 67 Vgl. Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 338/339 (Kommissions-Vertrag vom 5. Mai 1939). 66 Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 1 5 .

83 Vgl. Esther Tisa Francini, Anja Heuß u. Georg Kreis: Fluchtgut - Raubgut. Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933-194J und die Frage der Restitution, Zürich 2 0 0 1 , S. 324. 84 Vgl. ibid. 65 Vgl. Annegret Janda u. Jürgen Grabowski: Kunst in Deutschland 1905-1937. Die verlorene Sammlung der Nationalgalerie im ehemaligen Kronprinzen-Palais, Berlin 1 9 9 2 (Bilderhefte der Staatlichen Museen zu Berlin), S. 8 1 . Janda und Grabowski nennen hier fälschlicherweise den in der Kommissionsliste Buchholz genannten Richtwert von 1 5 0 US-Dollar als Verkaufspreis. Wenn man von dem tatsächlichen Kaufvertrag ausgeht, findet man einen Preis von lediglich 80 US-Dollar. Im gleichen Jahr verkaufte Valentin das Werk an das Busch-Reisinger-Museum in Harvard. 86 Vgl. Francini et al. 2 0 0 1 , S. 324. Leider ist den Autoren bei diesem Werktitel ein fataler Übersetzungsfehler unterlaufen. Der Werktitel lautet auf deutsch

69 Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 16.

SELBSTBILDNIS

70 Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 320.

bildnis in Tuxedo«, da hier kein Ortsname sondern das Kleidungsstück (engl, »tuxedo«, gleich »Smoking«) gemeint ist.

71 Zu den früheren Vermutungen vgl. Zuschlag 1 9 9 5 , S. 282 u. Anm. iz; Hüneke 1 9 8 4 , S. 54 u. S. 57. 72 Vgl. Buchholz Gallery Curt Landmarks in Modern German katalog, New York 1940.

Valentin (Hrsg.): Art, Ausstellungs-

73 Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 320. 74 Vgl. Brief von Karl Buchholz an das Propagandaministerium, 4. März 1940, Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 2 8 6 - 2 8 7 . 75 Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 270. 76 Ibid. 77 Ibid.

IM

SMOKING

und

nicht

»Selbst-

67 Vgl. ibid., S. 3 2 5 . Auch in diesem Zusammenhang taucht wieder die Annahme auf, es könne sich um eine Auktion in der Schweiz gehandelt haben. Nachweislich war die KREUZABNAHME jedoch nicht Teil der Auktion der Galerie Fischer 1939. Zum Thema Schweiz als Umschlagplatz für Kulturgut zwischen Europa und Übersee ist 2000 eine Studie durchgeführt worden, in der Laurie Stein-Pyritz aus Berlin stichprobenartig die Archive von sechs amerikanischen Museen auf eventuelle Erwerbungen von Flucht- oder Raubgut geprüft hat. Das Resultat dieser Studie liegt leider bislang nur als interner Bericht der »Unabhängigen Expertenkommission Schweiz - Zweiter Weltkrieg« vor, und ist damit nicht öffentlich zugänglich. Lediglich aus Zitaten konnte auf den Inhalt der Studie in Bezug auf die KREUZABNAHME geschlossen werden.

70 Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 278.

88 Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 8 - 1 4 u. Bl. 15.

79 Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 96.

89 Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 96.

00 Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 264.

90 Siehe Reproduktionen des ALIU Reports sowie weitere Informationen unter http://docproj.loyola.edu/ ossi/index.html (21.Juni 2006). Die Daten wurde durch Kunstexperten des Office of Strategie Services (Geheimdienst der USA während des Zweiren Weltkrieges in Deutschland) zusammengetragen. Die Un-

81 Vgl. Aufstellung der Verträge des Propagandaministeriums, Berlin, über an Herrn Valentin gelieferte Werke entarteter Kunst und über dessen Zahlungen, Berlin, Bundesarchiv, R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 164.

136 _ E s k i l s s o n Werwigk

tersuchung wurde hauptsächlich in den Jahren 1945 und 1 9 4 6 durchgeführt und umfaßte Befragungen der meisten Funktionäre der Nationalsozialistischen Kunstpolitik sowie eine Untersuchung von mehreren tausend Dokumenten zum Thema. Der »Art Looting Investigation Unit Final Report« ist bekannt für seinen »Biographical Index of Individuals Involved in Art Looting«. Dabei handelt es sich um eine Liste von mehreren hundert Personen, deren Namen im Verlauf der Untersuchung in Befragungen oder Dokumenten aufgetaucht sind. Die Originale befinden sich in den National Archives in Washington, D.C.

92 Zu weiteren Transaktionen zwischen Buchholz und Valentin vgl. die Aufstellung bei Hüneke 1992., S. 1 2 9 f. 93 Zitiert nach Göpel u. Göpel 1976, Bd. 1, S. 439. 94 Vgl. Perry Τ. Rathbone: Max Beckmann in Amerika. Persönliche Erinnerungen, in: Karin von Maur (Hrsg.): Max Beckmann Meisterwerke 190J-1950, Stuttgart 1994, S. 44. 95 V g l .

die

Ausstellungsliste

zur

KREUZABNAHME

Göpel u. Göpel 1976, Bd, 1, S. 1 3 4 . 91 Vgl. Art Looting Investigation Unit Final S. 1 6 7 .

Report,

bei

»...

d i e m a l e v i c h - k i s t e k ö n n t e ein f i l m m a n u s k r i p t s e i n « Zum Schicksal von Kasimir Malewitschs Gemälde »Suprematistische Komposition« Ines

• H

Katenhusen

ZWISCHEN OST UND WEST

Im Mai 2000 wurde Kasimir Malewitschs

SUPREMATISTISCHE

KOMPOSITION

von 1 9 x 3 - 1 9 2 5 anläßlich einer Auktion in New York von einem anonymen Bieter für 17,8 Millionen US-Dollar ersteigert (Abb. 46).' Wo das Gemälde sich heute befindet, gilt als unbekannt. Ein knappes Menschenalter zuvor, im Mai 1935, war der sechsundfünfzigjährige Malewitsch in seiner Leningrader Wohnung gestorben. Auf dem Sterbebett hatte er, so berichtete seine Enkelin später, die Familie beschworen, dem Verbleib jener Werke nachzuspüren, die er knapp zehn Jahre zuvor, 1927, während seiner ersten und einzigen Reise außerhalb der Sowjetunion in Deutschland gelassen hatte. Nach seinem Tod sollten sie mit den Werken vor Ort wieder vereint werden. 1 Die

SUPREMATISTISCHE

KOMPOSITION

ist Teil eines aus weit mehr als

einhundert Bildern, Zeichnungen, Demonstrationstafeln und Architekturmodellen bestehenden Konvoluts von Arbeiten Kasimir Malewitschs, das, ursprünglich in einer Kiste untergebracht, Mitte der dreißiger Jahre in Deutschland zerrissen und bis heute nicht wieder zusammengeführt wurde. Die kunsthistorisch eminente Bedeutung des Inhalts der »Malewitsch-Kiste« wurde im letzten halben Jahrhundert

Katenhusen

Kasimir Malewitsch.

SUPREMATISTISCHE

KOMPOSITION, um

1913-1925,

auf L e i n w a n d , 79 χ 7 9 c m , Privatbesitz

immer wieder betont. Fast bis zum Ende des »Kalten Krieges« beruhte die Rezeption von Werken und Schriften des Begründers des Suprematismus weitgehend auf eben diesen Arbeiten, die seit Ende der fünfziger Jahre im Westen, in amerikanischen und europäischen Ausstellungen, zu sehen waren. Dies lag auch darin begründet, daß jene Arbeiten, die nach Malewitschs Tod in der Sowjetunion verblieben waren, schnell in den Depots des Staatlichen Russischen Museums in Leningrad verschwunden waren. Letztlich war es deshalb erst die von diesem Museum gemeinsam mit der Tretjakow-Galerie und dem Amsterdamer Stedelijk Museum durchgeführte große Retrospektive der Jahre 1 9 8 8 - 1 9 8 9 , die den »ideologischen Bann« brach, mit dem die offizielle sowjetische Kunstpolitik den Namen und die Werke von Malewitsch seit den letzten Lebensjahren des Künstlers belegt hatte. 3 Diese Ausstellung brachte Licht in viele neue Aspekte des künstlerischen Schaffens Kasimir Malewitschs; Fragen, die den unterschiedlichen Sammlungsgeschichten im Westen wie im Osten auf den Grund gehen wollten, wurden von den Verantwortlichen jedoch unterbunden. Erst kürzlich wurde bekannt, daß die

»die

malevich-kiste

könnte

ein f i l m m a n u s k r i p t

sowjetische Regierung den Amsterdamer Kuratoren im Vorfeld der Ausstellung mit Verweis auf das beiderseitige Interesse am Fortbestand guter internationaler Beziehungen nahe gelegt hatte, eine Bitte der Tochter des Künstlers um Kontaktaufnahme unbeantwortet zu lassen. 4 Noch im Zeichen der Perestroijka wurden die in der zerfallenden Sowjetunion lebenden Familienangehörigen mit Ausflüchten und Halbwahrheiten von den Fakten um die Geschichte der Leihgaben ferngehalten. Doch auch das gegenseitige Vertrauen der ausrichtenden Institutionen w a r begrenzt. So erklärte sich das Stedelijk Museum erst bereit, Werke aus seiner Malewitsch-Sammlung für die Ausstellungen in M o s k a u und Leningrad zu entleihen, nachdem der sowjetische Kultusminister zugesichert hatte, daß sein Land keinen Besitzanspruch darauf erheben werde. 5 Kein Zweifel: In den internationalen Kunstszenen der Jahre 1 9 8 8 - 1 9 8 9 waren die Arbeiten Kasimir Malewitschs so begehrt, wie ihre Geschichte umstritten war. Daran hat sich bis heute offenkundig nichts geändert: Erst nach vier Jahren Rechtsstreit konnten sich Angehörige Malewitschs mit der Stadt Amsterdam auf einen Vergleich einigen. Gegen die Aushändigung von fünf Werken des Künstlers verzichteten sie im April 2008 vor dem Bundesgericht in Washington auf die Herausgabe weiterer neun Bilder aus dem Stedelijk Museum, die zuvor in N e w York und Huston auf Ausstellungen gezeigt worden waren.' Es handelt sich um Kunst, die auf dem internationalen Kunstmarkt außerordentlich nachgefragt wird, und damit immer auch - wie die N e w Yorker Versteigerung des Gemäldes SUPREMATISTISCHE KOMPOSITION verdeutlichte - um sehr viel Geld. In der Wahrnehmung der Nachkommen, die sich zwischenzeitlich zu einer Interessengemeinschaft von Erben zusammengeschlossen haben, handelt es sich hingegen um ihren Anspruch auf einen Familienbesitz, der ihnen während des »Kalten Krieges« vom Westen wie vom Osten systematisch vorenthalten wurde. Und schließlich handelt es sich um den Umgang mit Leihgaben, die im N e w Yorker Museum of Modern Art sowie im Amsterdamer Stedelijk Museum gezeigt wurden und werden, in jenen Museen also, die innerhalb der Geschichte der 192.7 nach Deutschland gelangten Werke Malewitschs eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Jedes dieser Museen hat über Jahrzehnte Werke des Künstlers auch in der Überzeugung, damit eine Rettung aus höchster Gefahr vollzogen zu haben, in seinen Sammlungen behalten. Das Stedelijk Museum sah in den fünfziger Jahren vor dem Hintergrund der drohenden Zerfledderung eines großen Sammlungsteils seine Aufgabe darin, »to preserve Malevich's work intact, or at any rate, what is left of it«, wie N a u m G a b o gegenüber dem damaligen Museumsdirektor Willem Sandberg äußerte." Die Gefahr, der Alfred H. Barr, der Gründungsdirektor des Museum of Modern Art, zwei Jahrzehnte zuvor, Mitte der dreißiger Jahre, während einer Deutschlandreise begegnete, war allerdings von anderer Qualität und Intensität gewesen. Barr hatte sich

sein« _

139

140_Katenhusen

einer Reihe von Arbeiten Kasimir Malewitschs auch deshalb angenommen, um sie so vor nationalsozialistischem Zugriff zu bewahren. Auch er hatte somit dazu beigetragen, daß kein einziges der rund einhundert Werke des Künstlers, die sich noch mehr als drei Jahre nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland befunden hatten, anläßlich der Ausstellung ENTARTETE KUNST in München 1 9 3 7 beschlagnahmt, verschleppt und zerstört werden konnte.

mm

MALEWITSCH IN BERLIN

Als Kasimir Malewitsch, von einer Einzelausstellung in Warschau kommend, zehn Jahre zuvor im M ä r z 1 9 1 7 in Berlin eintraf, waren seine Arbeiten einer an zeitgenössischer Kunst interessierten städtischen Öffentlichkeit hier seit Jahren bereits gut bekannt.8 V o m Kartell der VEREINIGTEN VERBÄNDE BILDENDER

KÜNSTLER

BERLIN zu dieser Reise eingeladen, w u r d e n auf der GROSSEN BERLINER

KUNST-

AUSSTELLUNG vom 7. M a i bis 30. September 1 9 2 7 in einem separaten R a u m mehr als siebzig seiner Gemälde und Gouachen ausgestellt (Abb. 47)·''' Ein Drittel der E x ponate im Landesausstellungsgebäude am Lehrter Bahnhof dokumentierte die seit 1 9 1 3 von ihm immer weiter entwickelte Theorie des Suprematismus. Auch die SUPREMATISTISCHE KOMPOSITION, ein etwa 79 mal 79 Zentimeter großes Ölbild, dessen genaues Entstehungsjahr bis heute unbekannt ist und das in Berlin noch keinen Titel trug, w a r dort zu sehen. 1 0 Hinzu kamen graphische Arbeiten, die an sowjetischen Kunstschulen üblichen Demonstrationstafeln sowie, möglicherweise, Teile seiner Architekturmodelle. 1 1 Von seinen Schülerinnen und Schülern am Leningrader Institut für Künstlerische Kultur hatte Malewitsch seine Theorien ins Deutsche übersetzen und auf solche Tafeln drucken lassen. Den Posten als Institutsdirektor hatte er jedoch nicht mehr inne, als er in Berlin eintraf, zudem war die Einrichtung von den staatlichen sowjetischen Behörden wenige Monate zuvor, gut drei Jahre nach ihrer Gründung, wieder geschlossen w o r d e n . 1 1 Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung überrascht die Erinnerung Hans Richters wenig, den mit Malewitsch während des Frühlings 1 9 2 7 in Berlin das Interesse am experimentellen Film verband: Malewitsch habe, so Richter, »mit Recht keine allzu großen Hoffnungen« gehegt, »mit seiner künstlerischen Arbeit in seinem Heimatland

durchdringen

zu können, denn dieser schäbige

soziale

Realismus, den Stalin dekretierte, begann bereits seine Todesflügel über die Kunst auszubreiten«.' 3 Vielleicht brachte Malewitsch tatsächlich »sein gesamtes, ihm zur Verfügung stehendes Werk an Bildern und Entwürfen« nach Deutschland mit, wie Richter sich erinnerte.' 4 Eventuell w a r es aber auch nur eine Auswahl, die ihm für den Aufbau von Kontakten im Westen angemessen erschien.' 5

»die malevich-kiste könnte ein lilmmanuskript sein« _ 141

47 Unbekannter Fotograf, BLICK IN DIR "GROSSL Bi-KI.INFR KI'NS Ι AUSST Ι· I.I.LNC; ( M I T 'Λ I R K · Ν V O N K A S I M I R Μ A I. TAX'I TS C: 11 I, 11)2

Diese jedoch ließen sich alles andere als vielversprechend an. Weder zeigten sich die Verantwortlichen des Bauhauses sonderlich interessiert, denen M a l e w i t s c h anläßlich eines Kurzbesuchs in Dessau im April 1 9 2 7 von seinem V o r h a b e n berichtete, »sich in Berlin eine Existenz zu g r ü n d e n « . 1 6 N o c h entwickelte sich die Berliner Ausstellung f ü r den finanziell alles andere als abgesicherten M a l e w i t s c h zu einem E r f o l g - nur ein einziges Bild w u r d e a n g e k a u f t . '

Erfreulicher w a r e n in den zehn

Wochen, die der Künstler in Berlin verbrachte, die guten K o n t a k t e zu einer G r u p p e von Gleichgesinnten, die M a l e w i t s c h g a r nach Leningrad schreiben ließen, er glaube, »daß noch nie einem Künstler eine solche G a s t f r e u n d s c h a f t g e w ä h r t w o r den ist«.'* Z u dieser G r u p p e zählte neben H a n s Richter das B r ü d e r p a a r A l e x a n d e r und H a n s von Riesen, bei dessen Eltern der Künstler w o h n t e . Der M a l e r A l e x a n d e r von Riesen ü b e r n a h m zudem die wichtige Rolle des Übersetzers; M a l e w i t s c h verstand und sprach kein D e u t s c h . ' v Auch mit der E h e f r a u des K u r a t o r s der Berliner Ausstellung fiel M a l e w i t s c h der Austausch leicht: Emilia U n d a , Ende der zwanziger J a h r e gefragte deutsche Filmschauspielerin und gebürtige Rigaerin, sprach ebenfalls Russisch mit ihm. Ihr E h e m a n n H u g o H ä r i n g , der K u r a t o r dieser Ausstellung, w a r noch aus einem anderen G r u n d interessant f ü r M a l e w i t s c h . " 0 H ä r i n g w a r Architekt

142 _Katenhusen

und als solcher Sekretär der Vereinigung

DER

RING,

der unter Beteiligung unter

anderem von Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Bruno Taut seit Mitte der zwanziger Jahre daran gegangen war, »für eine neue Baugesinnung einzutreten«. 11 Diese Überlegungen interessierten Malewitsch sehr. Nach gut zwei Monaten fand seine einzige Auslandsreise allerdings ihr vorzeitiges Ende. Ohne den Ausstellungsschluß abzuwarten oder auch die Arbeit an seinen theoretischen Schriften abzuschließen, verließ der Künstler am 5. Juni 1 9 2 7 Berlin in Richtung Leningrad. Über die Gründe dieser Abreise wird bis heute spekuliert, nicht zuletzt, weil Malewitsch bald nach seiner Rückkehr nach Leningrad verhaftet wurde und drei Monate im Gefängnis verbrachte. 22 Unzweifelhaft ist, daß er plante, schon im folgenden Jahr nach Berlin zurückzukehren und zugleich um die Schwierigkeiten ahnte, die ihm zuhause begegnen würden. 23 Ein »wohlverschnürtes Paket«, das Malewitsch Ende Mai 1 9 2 7 dem Vater der Brüder von Riesen übergab und das neben umfangreichen Manuskripten und Notizbüchern auch eine Art Testament enthielt, sollte, falls er nicht zurückkäme, fünfundzwanzig Jahre später geöffnet werden. 24 Dieses Konvolut überstand den Zweiten Weltkrieg, wurde 1 9 5 3 von der Familie von Riesen in Berlin geborgen und knapp zwanzig Jahre später an das Stedelijk Museum verkauft. 25 Auch ließ Malewitsch seinen künstlerischen Besitz 1 9 2 7 in Berlin, wo dieser nach Ende der Ausstellung in der erwähnten großen Kiste untergebracht wurde. Gesichert ist, daß der Künstler diesen Teil seines CEuvres im Westen beließ, weil er sich weitere Verkäufe in Deutschland erhoffte, die im Fall seiner Rückkehr eine gute Grundlage ausgemacht hätten. Als Sachwalter seines Werks bestimmte er die in Berlin zu Freunden gewordenen Gleichgesinnten. Hans Richter erinnerte sich, nicht die Brüder von Riesen, jedoch sowohl er selbst als auch sein Schwager hätten zu dieser Gruppe gehört, ferner Emilia Unda, nicht aber Hugo Häring selbst, und schließlich der Museumsdirektor Alexander Dorner aus Hannover (Abb. 48).z6 Diese Aussagen aus den sechziger und siebziger Jahren blieben gerade in letzter Zeit nicht unwidersprochen. Schließlich ist in Briefen und anderen Quellen nachweisbar, daß Malewitsch die Verantwortung für seine Werke und insbesondere für den Verkauf während seiner Abwesenheit Alexander von Riesen übertragen hatte, mit dem er nach seiner Rückkehr nach Leningrad bis zum Mai 1928 in regem Briefaustausch stand, und auch daß Häring eine wichtigere Rolle zugekommen war als Richter dies erinnerte.27 Dreißig Jahre später war es Hugo Häring allein, mit dem das Stedelijk Museum wegen des Ankaufs von dreißig Gemälden, sechs Gouachen, fünfzehn Zeichnungen und dreiunddreißig Demonstrationstafeln verhandelte. Niemand der vier von Richter erwähnten Sachwalter war anwesend: Richter selbst war nach eigener Aussage mit anderem beschäftigt, sein Schwager lebte in Chile, Emilia Unda war

»die malevich-kiste könnte ein filmmanuskript sein« _ 143

48

Unbekannter

Fotograf,

BILDMS

AI.IX.WDIR

DOKMH,

l i m ι 9 ι 9 , L e i b n i z U n i v e r s i t ä t H a n n o v er. A r c i i n

τ 9 3 9 g e s t o r b e n . A l e x a n d e r v o n R i e s e n w i e d e r u m h a t t e im S o m m e r

1930

einen

s c h w e r e n A u t o u n f a l l e r l i t t e n , d e r ihn f ü r d i e k o m m e n d e n v i e r J a h r e zu O p e r a t i o n e n u n d R e h a b i l i t a t i o n in die S c h w e i z f ü h r e n sollte. F ü r d e n R e s t seines L e b e n s vers e h r t , w a r er v o n d e r F ü r s o r g e f ü r die » M a l e w i t s c h - K i s t e « b e f r e i t . A u c h A l e x a n d e r D o r n e r s c h l i e ß l i c h , der l a n g e Z e i t n i c h t w e n i g e r a k t i v als H ä r i n g d a s S c h i c k s a l dieses K o n v o l u t s b e s t i m m t h a t t e , e r l e b t e d a s E n d e d e r j a h r e l a n g e n h a n d l u n g e n n i c h t m e h r ; er s t a r b im N o v e m b e r

Erwerbsver-

1 9 5 7 . W ä r e er in f r ü h e n f ü n f z i g e r

J a h r e n s t ä r k e r als g l a u b w ü r d i g e r Z e u g e in d i e s e V e r h a n d l u n g e n e i n b e z o g e n d e n , w ä r e n z u d e m seine E r i n n e r u n g e n w e n i g e r d u r c h p e r s ö n l i c h e

wor-

Ressentiments

u n d g e s u n d h e i t l i c h e B e e i n t r ä c h t i g u n g e n g e t r ü b t g e w e s e n , s o h ä t t e d e r einstige h a n n o v e r s c h e M u s e u m s d i r e k t o r viel z u r A u f k l ä r u n g d e r G e s c h i c h t e der » M a l e w i t s c h K i s t e « b e i t r a g e n k ö n n e n . W e l c h e G r ü n d e a b e r h ä t t e M a l e w i t s c h drei J a h r z e h n t e z u v o r ü b e r h a u p t h a b e n k ö n n e n , D o r n e r mit d e r V e r w a l t u n g seiner L e i h g a b e n zu betrauen?

144 _ K a t e n h u s e n

ALEXANDER DORNER UND DIE »MALEWITSCH-KISTE« IN HANNOVER

M ö g l i c h e r w e i s e hat der M u s e u m s l e i t e r die GROSSE BERLINER

KUNSTAUSSTEL-

LUNG 1 9 2 7 , auf der auch eine Reihe von ihm geförderter hannoverscher Künstler vertreten waren, besucht und Malewitsch dort getroffen, vielleicht auch w a r Malewitsch in Hannover Gast im Haus des Malers Otto Gleichmann, eines Bekannten Alexander Dorners, und hat sich mit dem Museumsleiter dort ausgetauscht. 29 Tatsache bleibt, daß es bis heute keinen Beleg dafür gibt, daß der Künstler und der Museumsdirektor sich je persönlich kennengelernt haben. 3 0 Zweifelsfrei jedoch haben beide von der Arbeit des jeweils anderen gewußt, schon allein aufgrund der Vermittlung El Lissitzkys, der Malewitsch von der gemeinsamen Arbeit in Witebsk kannte und zeitweise stark unter dem Einfluß des zwölf Jahre Alteren stand. 3 1 In Hannover, w o El Lissitzky von Ende 1 9 2 2 bis zu seiner Übersiedelung nach M o s k a u 1 9 2 7 über lange Phasen immer wieder lebte, arbeitete er an dem - freilich nicht verwirklichten - Konzept eines Buches über Kasimir Malewitsch, mit dem er in stetem Kontakt stand und der ihn auch ermunterte, in Deutschland zu bleiben und dort für die neue Kunst zu kämpfen. 3 1 Unterstützt wurde El Lissitzky hierin von seiner damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau Sophie Küppers, einer Kunsthistorikerin, die mit dem Gründungsleiter der hannoverschen Kestner-Gesellschaft verheiratet war. Auch über dessen Tod Anfang 1 9 2 2 hinaus blieb die Kunsthändlerin mit dieser 1 9 1 6 entstandenen Vereinigung zur Förderung nationaler und internationaler zeitgenössischer Kunst eng verbunden. 33 So wundert es wenig, daß der erste belegte direkte Kontakt zwischen der Kestner-Gesellschaft und Malewitsch über El Lissitzky und Sophie Küppers erfolgte: Im Dezember 1 9 2 4 fragte man an, »ob es möglich wäre, in unseren Räumen eine Ausstellung Ihrer Arbeiten sowie der Arbeiten der Laboratorien des Instituts für moderne Kunst-Kultur zu veranstalten«. 34 Z w a r ließ Malewitsch in Übersetzung El Lissitzkys umgehend wissen, daß der ihm vorgeschlagene Zeitraum zu kurz sei, um die »zum 1 . M a l in der Welt zu veranstaltende wissenschaftliche Ausstellung der Kunst« zusammenzustellen, doch blieb von nun an der Kontakt zwischen Hannover und Leningrad bestehen. 35 Sofort w a r vom Ankauf einer Arbeit Malewitschs durch das hannoversche Provinzialmuseum die Rede, und im September 1 9 2 5 schrieb El Lissitzky aus M o s k a u an die offenbar eine Erwerbung anbahnende Sophie Küppers nach Hannover, er werde Malewitsch drängen, damit »Dorner nicht beginnt, Dich eine Lügnerin zu nennen«. 3 6 Z u diesem Zeitpunkt w a r Alexander Dorner gerade Vorstandsmitglied der Kestner-Gesellschaft und zugleich Direktor der Kunstabteilung des Provinzialmuseums geworden - vorläufiger Höhepunkt der steilen Karriere eines der ehr-

»die malevich-kiste könnte ein filmmanuskript s e i n « . 145

geizigsten

und jüngsten

Museumsleiters

Deutschlands.

Gleich

nach

seiner

Promotion bei Adolph Goldschmidt in Berlin w a r Dorner 1 9 1 9 als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter nach Hannover gekommen, hatte sich hier schnell unentbehrlich gemacht und w a r mit zweiunddreißig Jahren zum Chef der bedeutenden Sammlung des ältesten Museums Hannovers ernannt worden. Mit Kompetenz, Selbstbewußtsein und Risikobereitschaft hatte Dorner sich in Hannover und weit darüber hinaus eine Position geschaffen, die ihm in der Gestaltung seiner Arbeit in der Kunstabteilung weitgehend freie Hand ließ. Seiner Überzeugung vom entwicklungsgeschichtlichen Gang der Kunstrichtungen und -Strömungen folgend, hatte er die einundzwanzig Säle und dreiundzwanzig Kabinette seiner Abteilung durch farbige Gestaltung und Neuhängung in sogenannte »Stimmungs«- und »Atmosphäreräume« umgestaltet. 37 Hierin wurde er sowohl begünstigt durch den Aufbruchsgeist der jungen Weimarer Republik als auch durch akuten Handlungsbedarf in der bis dahin veralteten und überfüllten Kunstgalerie. Den Abschluß dieser Neuordnung bildete das 192.7 fertig gestellte sogenannte »Abstrakte Kabinett«, das Dorner von El Lissitzky als Höhepunkt seiner neuen Kunstgalerie gestalten ließ. In diesem dynamischen, sich ständig selbst verändernden Raum stellte Dorner fortan neueste Kunst der zwanziger Jahre aus, jene Kunst, die er in größerer Zahl in sein Haus holte. 38 Buchstäblich ab dem Moment, in dem er zum Direktorialassistenten ernannt wurde, im M ä r z 1 9 2 3 , tauchte Dorners Handschrift zum ersten M a l im Ankaufsund Inventarbuch des Provinzialmuseums auf. In rascher Folge kaufte er nun Werke an, die heute zu den wichtigsten Zeugnissen der klassischen Moderne gehören: Arbeiten von Heckel, Kirchner und Nolde finden sich in den Inventarlisten ebenso wie solche von Schlemmer, Kandinsky, Lissitzky, M o h o l y - N a g y und Baumeister. 39 Von einigen Werken, beispielsweise von einer Komposition Piet Mondrians, deren Übernahme in die Sammlung im Dezember 1 9 2 4 eingetragen wurde, ist bekannt, daß es sich um die ersten entsprechenden Erwerbungen in Deutschland und zugleich die ersten für eine öffentliche Sammlung überhaupt handelte. 40 Auch dieser Ankauf w a r von Sophie Küppers und El Lissitzky vermittelt worden. 4 ' Der geplante Ankauf einer Arbeit von Kasimir Malewitschs jedoch fand nicht statt, der N a m e des Leningraders bleibt in den Listen des Provinzial- und heutigen Niedersächsischen Landesmuseums unerwähnt. Und doch hat dieses Haus vom M a i 1 9 3 0 bis etwa zum Herbst 1 9 3 6 die »Malewitsch-Kiste« beherbergt. Malewitschs Name ist in den Inventarlisten nicht zu finden, weil Leihgaben eigentlich nicht vermerkt wurden. Allerdings gibt es Ausnahmen von dieser Regel. 4 2 Auch hinsichtlich des Malewitsch-Konvoluts

bleibt vieles aufgrund einer für

Dorner charakteristischen nachlässigen oder auch beabsichtigt irreführenden Aktenführung unklar. Nachweisbar ist indes, daß Häring im Herbst 1 9 2 9 , zweieinhalb

146 _Kalenhusen

Jahre nach der Rückkehr Malewitschs, von Dorner gebeten wurde, ihm Fotos zuzusenden, die »die ganze Entwicklung Malewitschs zeigen«.43 Zum Ankauf, so äußerte er sich, nachdem Häring ihm die anläßlich der GROSSEN BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG angefertigten Aufnahmen zugeschickt hatte, komme für ihn allerdings nur eine Arbeit in Frage. Es war das Gemälde SUPREMATISMUS, 1 8 . KONSTRUKTION von 1 9 1 5 , das in Berlin in unmittelbarer Nähe der SUPREMATISTISCHEN KOMPOSITION ausgestellt gewesen war.44 Da Dorner für Ankäufe, die sich unter fünfhundert Reichsmark bewegten, keiner übergeordneten Instanz rechenschaftspflichtig war, nannte er Häring gegenüber diesen Betrag als Höchstpreis. Häring antwortete daraufhin, er habe sich »erst mit Herrn von Riesen verständigen« müssen, »der Aufzeichnungen über die Preise der Bilder von Malewitsch hat« - ein deutlicher Hinweis auf die Rolle, die Alexander von Riesen zu diesem Zeitpunkt noch spielte. Dorner solle anläßlich seines nächsten Besuchs in Berlin eine ihm geeignet erscheinende Arbeit aussuchen; er, Häring, bitte um vorige Anmeldung, da »das Material beim Spediteur eingelagert ist«. 45 Offenbar geschah dies während des Winters 1 9 2 9 - 1 9 3 0 , denn am 26. März 1 9 3 0 bat Dorner, »die Absendung der Kiste mit den Malewitchschen Bildern zu veranlassen«. 46 Da nichts in dieser Richtung erfolgte, hakte Dorner Anfang Mai nochmals nach, indem er, mit Kopie an Hugo Häring, von Alexander von Riesen das Einverständnis erbat, »daß die Kiste mit den Gemälden von Malewitch, die bei Knauer liegt, auf unsere Kosten hierher gesandt wird, damit ich mir aus dem Bestände eine oder mehrere Arbeiten aussuchen kann, um sie zu erwerben«. 47 Dies geschah: Vom 10. Mai 1 9 3 0 datiert die Transportbescheinigung über Bilder mit einem Gewicht von fünfundsechzig Kilogramm, die die Spedition Gustav Knauer im Auftrage Alexander von Riesens ins hannoversche Provinzialmuseum expedierte (Abb. 49)·4" Der nächste Kontakt erfolgte erst zwanzig Monate später und ohne daß Alexander von Riesen, der im Krankenhaus in Davos lag, weiter involviert wurde. 49 Im Januar 1 9 3 2 erinnerte Häring den Museumsdirektor an die Sendung und fragte an, »ob Sie etwas ausgesucht haben und was, und ob sie den Betrag hierfür Malewitsch zur Verfügung stellen oder übersenden können«. Weiter wüßte er gern, »ob die übrigen Arbeiten für Malewitsch bei Ihnen lagern und noch weiter lagern können«. 50 Das Angebot, die Werke in Hannover zu belassen, nahm Dorner nur zu gern an. Die finanzielle Situation sei zwar nicht so, »daß ich in absehbarer Zeit eine Bezahlung werde möglich machen können«, so antwortete er, die Arbeiten könnten aber gern weiter im Provinzialmuseum bleiben, wo sie in einem »feuersicheren Depot« gut aufgehoben seien. 51 Häring wiederum dankte für dieses Angebot, Dorner möge sich zudem mit der Bezahlung Zeit lassen. Er habe »seinerzeit mit Malewitsch vereinbart, daß ihm Beiträge aus evtl. Verkäufen nicht zugeschickt werden, sondern hierbleiben sollen«. 51 Sollte er Gegenteiliges hören, werde er sich wie-

»die malevich-kiste könnte ein lilmmanuskript sein« _ 147

161

GUSTAV K N A U E R SPEDITION / MÖBELTRANSPORT / LAGERUNG . . .

Internationale Speditionen Jeder BrMlMI •. .».— C.. *—. Ϊ· .

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Α }*eine Kollektion Konstruktionszeichnungen^, schrieb er an Barr, um in englischer Sprache noch hinzufügen: »Be sure not to return Malewitschs to Museum but direct to Dorner with no valuation.« 1 ' 4 Dieser Brief wie auch Barrs Anfrage nach WHITE ON WHITE verdeutlichen zudem, daß Dorner ursprünglich durchaus von einer Rücksendung zumindest eines Teils der Leihgaben ausgegangen war, und daß erst die weitere politische Entwicklung in Deutschland Barr bewogen hatte, die Arbeiten in den USA zu belass e n . 1 1 ' Da diese Entscheidung in die Phase weiterer Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen Dorners fiel, die ab Winter 1 9 3 6 - 1 9 3 7 in immer konkreter werdende Pläne mündete, in die USA zu emigrieren, verwundert nicht, daß sich kein Hinweis auf einen Austausch zwischen ihm und Barr darüber findet. In jedem Fall hat Alfred H. Barr zu jeder Zeit größten Wert auf die Mitteilung gelegt, daß es sich bei den zugesandten Arbeiten Kasimir Malewitschs keinesfalls um den Besitz des Museums of Modern Art, sondern um »extended loans« handelte, »lent anonymously«, wie es im Katalog der Ausstellung CUBISM AND ABSTRACT ART hieß, der zwar vielen Leihgebern dankte, Dorner aber unerwähnt ließ. Die Schau wurde am 2. M ä r z 1 9 3 6 e r ö f f n e t . " 6 Unter den 386 gezeigten Gemälden,

Skulpturen, Fotografien, Architekturmodellen,

Plakaten,

Möbel-

stücken, Bühnenbildern, Kostümen und Filmen waren zwölf Ölbilder, sechs Zeichnungen und vier Demonstrationstafeln Kasimir Malewitschs, darunter auch WHITE ON WHITE aus dem Jahre 1 9 1 8 , um dessen Ankauf Barr kurz zuvor bei Dorner noch nachgefragt h a t t e . " 7 Die Ausstellung sorgte für viel Aufsehen, und auch die NEW YORK TIMES berichtete ausführlich." 8 Allerdings fand man hier zu der, wie verlautbart wurde, »most bewildering exhibition arranged thus far« überwiegend hämische K o m m e n t a r e . " 9 In einem Editorial hieß es gar, »an overwhelming majority, when shown [...] a dirty white canvas called WHITE ON WHITE [...],

158 _Kaienhusen

doubtless feel justified in dismissing it merely as an example of childish charlatanry that requires more attention from the social psychologist than from the art critic«.110 Die SUPREMATISTISCHE KOMPOSITION, ein halbes J a h r zuvor von Hannover nach N e w York gelangt, wurde anläßlich von CUBISM AND ABSTRACT ART nicht gezeigt und ging damit auch nicht auf die sich anschließende Wanderausstellung gleichen Namens. A n f a n g April 1 9 3 7 waren zehn Werke von Kasimir Malewitsch beispielsweise im Museum der Rhode Island School of Design zu sehen, in jener Einrichtung, deren Leitung Alexander Dorner ein gutes halbes J a h r später übernehmen sollte. 1 1 1 Erst viele Jahre später, im Juni 1 9 9 9 , also weit nach dem Ende des nationalsozialistischen und dann des sowjetischen Totalitarismus, willigte das Museum of Modern Art, das jahrelang versucht hatte, sich jeglichen Verhandlungen durch Stillschweigen zu entziehen, auf Drängen der Verwandten Kasimir Malewitschs darin ein, aus seinem Konvolut von Leihgaben ein Werk, nämlich die SUPREMATISTISCHE KOMPOSITION, an die Erben zurückzugeben, um die fünfzehn verbleibenden unter Zahlung einer Kompensation behalten zu k ö n n e n . 1 1 1 Die Verantwortlichen erinnerten dabei auch an die »long and wonderful history« der Werke Malewitschs in N e w York; eine Situation sei entstanden, »where everyone wins«, freute sich Direktor Glenn D. L o w r y mit Blick auf sein Museum, die Erben sowie alle Kunstfreunde, und Kirk Varnedoe, Chief Curator der Gemälde- und Skulpturensammlung, betonte die Pionierleistung Alfred H. Barrs, Malewitsch überhaupt erst in die USA geholt zu haben. 1 1 3 Barrs Politik w a r es indes gewesen, die nie erworbenen Werke als »lent anonymously« oder - später - als »anonymous extended loans« zu bezeichnen. Nach seinem Ausscheiden w a r das Museum of Modern Art dann immer mehr davon abgewichen. Schließlich waren Leihgaben Kasimir Malewitschs, mit den üblichen Inventarnummern versehen, als Teile der »Collection of the Museum of Modern Art« in Katalogen aufgetaucht. Dies jedoch wurde in den Pressemitteilungen, wie auch im Umfeld der Auktion des Gemäldes SUPREMATISTISCHE KOMPOSITION im J a h r zooo, geflissentlich ignoriert. 1 1 4

HUGO HÄRING UND DER VERKAUF ANS STEDELIJK MUSEUM

Ein Umgang mit Leihgaben von Malewitsch, der anfänglich von der Sorge um den Erhalt der Kunstwerke gekennzeichnet war, dann jedoch stillschweigend in Verdunkelung und Besitzstandswahrung überging, kennzeichnet nicht nur das N e w Yorker Museum of Modern Art. Er w a r auch charakteristisch für das Stedelijk

» d i e m a l e v i c h - k i s t e könnte ein f i l m m a n u s k r i p t s e i n « _ 1 5 9

Museum in Amsterdam, dem Hugo Häring nach längerem Hin und Her im Januar 1 9 5 8 mit 84 Arbeiten - Gemälden, Gouachen, Zeichnungen und Demonstrationstafeln - rund die Hälfte jener Exponate verkaufte, die Malewitsch 192.7 anläßlich der GROSSEN BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG gezeigt hatte, zu größeren Teilen suprematistische Arbeiten. 1 2 5 Grundlage des Vertrags war eine im M a i 1 9 5 6 in Anwesenheit des Schwagers Härings, eines Notars, verfaßte eidesstattliche Erklärung, in der Häring zu Protokoll gab, von Malewitsch 192.7 als alleiniger Verwalter seiner Leihgaben eingesetzt worden zu sein, seit 1 9 4 5 ,

a so

'

zehn Jahre nach Male-

witschs Tod, in gutem Glauben und ohne Widerspruch diese Position wahrgenommen zu haben und somit nun, 1 9 5 5 , nach deutschem Recht als rechtmäßiger Besitzer zu gelten habe. 1 1 6 Willem Sandberg, zu dieser Zeit Direktor am Amsterdamer Museum, hegte von Beginn an Zweifel an der Rechtmäßigkeit. 1 1 7 Schließlich habe Häring ihm, so schrieb er 1 9 5 5 , anläßlich eines Besuchs persönlich versichert, »qu'il n'etait pas le proprietaire et que ainsi il ne pouvait rien vendre«. 1 1 8 Nun aber, angesichts der enormen Bedeutung der angebotenen Werke, deren Erwerbung einen Höhepunkt in der Karriere des Leiters wie der Geschichte des Hauses überhaupt darstellen sollte, und in Anbetracht des außerordentlich niedrigen Kaufpreises von 1 1 0 . 0 0 0 Gulden, deren Äquivalent 30.000 Dollar ausmachten, galt es offenbar, Bedenken und Skrupel zugunsten erfolgreicher Ankaufsverhandlungen zu verdrängen. Noch im Herbst 1 9 5 7 schrieb Sandberg an den Vertrauten N a u m Gabo: »Et qui serait important ce n'est pas la question de propriete, mais de faire honneur au genie de Malewich et de l'integrer dans le developpement de l'art de notre epoque.« 1 1 9 Bis es zu dem eingangs erwähnten Vergleich zwischen den Erben Malewitschs und den Vertretern der Stadt Amsterdam vom Frühjahr 2008 kommen konnte, w a r im Stedelijk Museum einiges getan worden, um die Umstände der Erwerbung in den späten fünfziger Jahren zu verschleiern. Katalogtexte wurden nach juristischer Überprüfung umgeschrieben, der Autorin einer Geschichte des Museums in der Ära Sandberg wurde seitens der Stadt Amsterdam im Spätsommer 2004 jede Äußerung zu den Vorkommnissen im Zusammenhang mit den Werken Malewitschs unters a g t . " 0 Und relevantes Aktenmaterial erwies sich plötzlich als unzugänglich oder unauffindbar.' 3 ' Indes ließ sich auch aus dem zur Verfügung stehenden Material durchaus Wichtiges zur Rekonstruktion des Schicksals des in Europa verbliebenen Teils der »Malewitsch-Kiste« gewinnen. Danach begann Sandbergs Interesse an den Werken Malewitschs im Mai 1 9 5 1 , als er sich in Deutschland auf die Suche nach Hugo Häring m a c h t e . " 1 Häring hatte 1 9 3 5 in Berlin eine bisher von dem Juden Albert Reimann geleitete private Schule für Gestaltung unter der neuen Bezeichnung KUNST UND WERK übernommen.' 1 1 Sie w a r in zunehmenden Konflikt zu nationalsozialistischen Archi-

160_

Katenhusen

tekturvorstellungen geraten, weshalb Häring im Februar 1 9 3 9 aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen worden war. 1 3 4 Nach dem Tod seiner Frau und der Ausbombung in Berlin w a r er im Spätsommer 1 9 4 3 an seinen Geburtsort Biberach in Oberschwaben zurückgekehrt. Die »Malewitsch-Kiste« war mit ihm umgezogen, ohne daß Häring sie seit ihrer Rückkehr Mitte der dreißiger Jahre auf ihren Inhalt hin untersucht hätte. 1 3 5 Es gibt bis heute keinen Nachweis, daß und wann genau Dorner ihm die Kiste wieder hatte überstellen lassen. Die Umstände des Besuchs von Alfred H. Barr in Hannover und der Übersendung der Werke Malewitschs in die USA lassen jedoch vermuten, daß Häring die Kiste irgendwann zwischen Herbst 1 9 3 5 und Winter 1 9 3 6 - 1 9 3 7 in Empfang nahm. Z u r gleichen Zeit verschärfte sich die Arbeitssituation Dorners. Jedenfalls befand sich die Kiste nicht mehr im Museum, als in Hannover die Beschlagnahmeaktionen gegen die »entartete« Kunst begannen. 1 ' 6 Als der Amsterdamer Museumsdirektor sechs Jahre nach Kriegsende Häring in Biberach aufsuchte, hatte der Architekt bereits entdeckt, daß aus der Kiste eine Reihe von Werken fehlte, und zwar noch etliche außer jenen, die Dorner 1 9 3 5 an Barr übergeben hatte. Das Schicksal dieser insgesamt fünfzehn großformatigen Werke, die 1 9 2 7 in Berlin gezeigt worden waren, nun aber weder in den Beständen Härings noch des Museum of Modern Art und auch nicht bei Alexander Dorners zu finden waren, ist bis heute ungeklärt. 1 3 7 Jene Arbeiten jedoch, die Sandberg in Biberach zu Gesicht bekam, beeindruckten ihn außerordentlich, wenn Häring sie auch in kuratorischer Hinsicht eher unorthodox verwahrte. M a x Bill, der nur kurze Zeit später als Sandberg begann, an den Arbeiten Malewitschs Interesse zu entwickeln, erinnerte sich: »wir begaben uns in das alte schulhaus und in einem grossen saal lag eine kiste, aus der mir häring Ölbilder zeigte, d. h. er nahm immer eines aus der kiste und warf es fliegend auf den boden, sodaß bald ein guter teil des bodens bedeckt war mit malewitsch, dann machte er dasselbe mit einem teil der theoretischen farbtafeln.« 1 3 8 Besucher Härings gewannen in ihren Gesprächen mit ihm den Eindruck, daß der Gesundheitszustand des knapp siebzigjährigen Mannes, der im Dezember 1 9 5 0 wieder geheiratet hatte und noch eine weitere Person in seinem Haushalt zu versorgen hatte, schlecht und er weder psychisch gefestigt noch finanziell abgesichert war. 1 3 9 In dieser Situation wurde vor allem der gebürtige Russe N a u m G a b o für Sandberg zu einem wichtigen Partner in der Aufklärung des Schicksals der »Malewitsch-Kiste«. Schließlich wußte Gabo seit den dreißiger Jahren aus erster Hand von den Leihgaben in Hannover, w a r kurz vor Dorners Emigration sogar von diesem als Sachwalter ins Gespräch gebracht worden und kannte überdies die Umstände von Malewitschs Leben in der Sowjetunion der dreißiger Jahre. Z w e i Jahrzehnte später war es Gabo, dem zugetragen wurde, daß es Bestrebungen von polnischer

»die malevich-kiste könnte ein filmmanuskript sein«

Seite gab, die Arbeiten Malewitschs, der Sohn polnischer Eltern war, zu beanspruchen. I4 ° Und so machte er auch Sandberg darauf aufmerksam, daß Nadia Leger, die Witwe Fernand Legers und eine frühere Schülerin Malewitschs, ein Testament des Lehrers besaß. 141 Vor dem Hintergrund dieser und anderer Entwicklungen drängte Gabo den Amsterdamer Kurator früh, Häring dazu zu bewegen, die Werke Malewitschs leihweise dem Stedelijk Museum zu überlassen. Im März 1 9 5 6 schrieb er an Sandberg, es sei ihm von vielen Seiten zugetragen worden, »that a whole pack of wolves of art dealers and speculators are attempting to get this collection out of Herrings hands and by any means to get possession of Malevich's work«. Um dies zu vermeiden, gelte es, die Konkurrenten wissen zu lassen, »that this collection is unsalable and that we are prepared to put up a fight against them in case they should take advantage of a weak man and come into possession of a property which does not belong either to Herring nor to anybody else but the lawful heirs of Malevich«. 142 Dieses Schreiben verdeutlicht erstens, daß man sich in Amsterdam, drei Monate bevor Häring mit der eidesstattlichen Erklärung eine Wendung in den Verhandlungen über die Leihgaben herbeiführte, über die Besitzverhältnisse keinerlei Illusionen hingab. Zweitens galt es in dieser Situation vorrangig, einer Zersplitterung des Konvoluts zuvorzukommen. Gabo und Sandberg begannen früh, auch Alfred H. Barr in ihren Austausch einzubeziehen, darum wissend, daß das Schicksal der Leihgaben im Museum of Modern Art aufs engste mit jenem der Werke in Biberach verknüpft war. Seiner zu diesem Zeitpunkt, Mitte der fünfziger Jahre, bereits seit zwei Dekaden praktizierten Linie blieb Barr auch jetzt treu. So bat er Gabo um Rat, wie sich sein Museum in dieser diffizilen Situation verhalten solle. Wie könne er den Anspruch auf die von Dorner angekauften Werke aufrecht erhalten, fragte er, »and if there has been some error or misunderstanding how can we correct it?« 143 In Ermangelung entsprechender Konzepte von deutschen Museen, die Arbeiten von Malewitsch im Lande zu halten, entwickelten der Schweizer Künstler Max Bill und der niederländische Museumsleiter Willem Sandberg nicht gemeinsam, aber in beiderseitiger Kenntnis, Pläne zur Sicherung der Werke und zu ihrem Ankauf. Bill versuchte, vor allem aus dem Bekanntenkreis Alexander Dorners Informationen über das Schicksal der »Malewitsch-Kiste« zu gewinnen, und erfuhr auf diese Weise rasch von den Ressentiments, die Dorner in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre auch durch sein Lavieren mit der nationalsozialistischen Kunstpolitik provoziert hatte. Als er Dorner, der gerade an das progressive Bennington College in Vermont gewechselt war, im Frühjahr 1 9 5 2 recht unverblümt mit den »in europa zirkulierenden wilden gerächten« 144 über das Malewitsch-Konvolut konfrontierte, reagierte dieser zum einen durchaus hilfsbereit, indem er für Bill Skizzen der beiden Arbeiten anfertigte, die er selbst mit in die USA genommen hatte (Abb. 53,). 145 Zum anderen

161

162 _ K a t e n h u s e n

55

Alexander Dorner. S K I Z Z E NACH K A S I M I R M A L E W I T S C H S

UND K R E I S « VON 1 9 1 5 ,

»SUPREMATISTISCHE

KOMPOSITION.

RECHTECK

1 9 5 2 , A d l i g e n s w i l , M a x Bill A r c h i v , M a x , Binia u n d J a k o b Bill S t i f t u n g

forderte Dorner den Künstler auf, ihm die Namen derer zu nennen, die Böses über ihn verbreiteten, und fuhr in eigenwilliger Interpretation des Sachverhalts fort, es wäre ihm ein Vergnügen, »den Herrschaften eine lawsuit zu machen«. Auch seien dies »nicht die einzigen Gerüchte, die von den Nazis in dem immer noch Naziverpesteten Deutschland zirkulieren«.' 4 6 Darüber hinaus erwies sich der knapp sechzigjährige ehemalige hannoversche Museumsleiter als wenig verläßliche Quelle. Mehrfach widersprach Dorner sich in seinen Aussagen und behauptete, die Kiste erst während des Nationalsozialismus erhalten zu haben, »jemand aus einer ostdeutschen Stadt oder ein Russe« habe sie ihm gegeben.' 4 7 Auch habe nicht er sie fünfzehn Jahre zuvor an Häring zurückgesandt, sondern Barr habe sie aus Deutschland »irgendwie herausgeschmuggelt«. 148 Es konnte nicht ausbleiben, daß Alfred H. Barr von diesen Äußerungen erfuhr. Er hatte Dorner seit dessen Eintreffen in den USA weiter gefördert und es aus Rücksicht auf den Kollegen bis dahin stets abgelehnt, Auskunft darüber zu geben, durch wen die Arbeiten Malewitschs 1 9 3 5 ins Museum of Modern Art gekommen w a r e n . ' 4 ' Nicht überraschend in Anbetracht seiner bisherigen vorsichtigen Haltung, reagierte er irritiert und mutmaßte, die Ungenauigkeiten in Dorners Schilderungen seien »probably the result of confusion«.' s ° In der Tat w a r Alexander Dorners gesundheitliche Verfassung Mitte der fünfziger Jahre alles andere als zufriedenstellend. Seit einer Verschüttung im Ersten Weltkrieg ohnedies nachhaltig psychisch

» d i e m a l e v i c h - k i s t e k ö n n t e ein f i l m m a n u s k r i p t s e i n « _ 1 6 3

und physisch in Mitleidenschaft gezogen, verschlechterte sich sein Gesundheitszustand nun, vierzig Jahre später, in der Tat rapide, ja, sein N e w Yorker Arzt schrieb in einem Gutachten im Dezember 1 9 5 3 gar von einem »über seine Jahre gealterten Mann« sowie von einer »Verlangsamung des Gedankenablaufes, Verminderung der Merkfähigkeit und der Reproduktion des Gedächtnisinhaltes«. 1 5 1 Z u Zweifeln über die Richtigkeit von Dorners Behauptungen gesellte sich die Überzeugung, die Arbeiten Malewitschs seien ohnedies besser in einem renommierten Museum ausgestellt als bei einem noch dazu unberechenbaren Kunstprofessor in der amerikanischen Provinz untergebracht. In gewisser Folgerichtigkeit entwickelte sich während der fünfziger Jahre die Tendenz, Dorner von den weiteren Verhandlungen mit Häring auszuschließen. Stattdessen waren es nun mit Ludwig Mies van der Rohe und Ludwig Hilberseimer zwei alte Bekannte des Architekten, die Sandberg, Gabo und Barr baten, Häring zur Ausleihe der Arbeiten Kasimir Malewitschs zu bewegen. 1 5 2 Auch Diskussionen über die Frage, ob mit Ausleihanfragen anderer Einrichtungen in Anbetracht möglicher Restitutionsfragen von Seiten der Familie Malewitschs oder des sowjetischen Staats nicht eher restriktiv zu verfahren sei - eine Frage, die ein halbes Jahrhundert später wieder Brisanz erfahren sollte - , fanden nun ohne den ehemaligen hannoverschen Museumsleiter statt. Aus dem Zentrum der Geschichte um das Schicksal der »Malewitsch-Kiste« rückte er rasch an deren Peripherie. Am Rande eines mehrseitigen Memorandums Barrs zur Z u k u n f t der Leihgaben findet sich ein knapper Hinweis auf den Tod Dorners, der im November 1 9 5 7 gestorben war.' 5 3 Unmittelbar zuvor hatte sich sein mit dem Land Niedersachsen jahrelang erbittert und nervenaufreibend geführter Streit um Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus und entsprechende Wiedergutmachung positiv für ihn entschieden. Elf Monate später, im Oktober 1 9 5 8 und nach mancherlei moralischen Erwägungen und rechtlichen Prüfungen, ließ sich das Stedelijk Museum endgültig auf die Erwerbung der 84 Werke aus dem ehemaligen Biberacher Bestand Hugo Härings ein. 1 ' 4 Die Tatsache, daß Sandberg den neuen Besitz sogleich mit einer Million Gulden versichern ließ, also fast dem Zehnfachen der Ankaufssumme von 1 1 0 . 0 0 0 Gulden, belegt, daß man in Amsterdam um die Bedeutung dieses Erwerbs für das Haus und darüber hinaus für die Kunstgeschichte wußte. 1 5 5 Vollzogen freilich wurde dieser Schritt, der keinem der Beteiligten gesichert schien, folgerichtig unter weitgehendem Ausschluß jeglicher Öffentlichkeit. Mehr als dreißig Jahre später erst, unter veränderten weltpolitischen und auch rechtlich-moralischen Vorzeichen, fanden jene Gehör, die aus persönlichen, wissenschaftlichen oder materiellen Interessen, aber auch im Zeichen eines neuen Bewußtseins im Umgang mit den verfemten Meisterwerken des 2.0. Jahrhunderts nach dem Schicksal des seit Ende der zwanziger Jahre im Westen gebliebenen Konvoluts Kasimir Malewitschs fragten.

164_Katenhusen

1 Vgl. die Pressemitteilung in: Artnet News, 16. Mai 2 0 0 0 (www.artnet.com/Magazine/news/artnetnews/ artnetnew$5-i6-oo.asp). Das diesem Artikel zugrundeliegende Archivmaterial wurde während mehrerer Forschungsphasen an deutschen und amerikanischen Einrichtungen ausgewertet. Ich sage herzlichen Dank für Forschungsstipendien und Reisebeihilfen der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung, dem John Nicholas Brown Center for American Studies / Brown University, Providence, R.I., dem Institute for Contemporary German Studies, Washington, D.C. / DAAD, der Fulbright-Kommission, dem Deutschen Historischen Institut, Washington, D.C., und der Terra Foundation for American Art, Chicago / John F. Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Berlin. Mein Dank gilt Lien Heyting, Amsterdam, und Stephan Lohr, Hannover, für wertvolle Anregungen. Insbesondere sei Nina Williams, Ashford, der Tochter Naum Gabos, sowie Max Bills Sohn Jakob Bill, Adligenswil, und Charlotte Dorner, Potsdam, für die Genehmigung zum Abdruck aus unveröffentlichter Korrespondenz gedankt. Zudem danke ich den Archivarinnen und Archivaren aller im folgenden genannten Einrichtungen. Zum Titelzitat des vorliegenden Aufsatzes vgl. Brief von Friedrich Vordemberge-Gildewart an Max Bill, n . M a r z 1 9 5 2 , Museum Wiesbaden, Friedrich Vordemberge-Gildewart-Papiere. Der vorliegende Beitrag wurde gefördert mit Forschungsmitteln des Landes Niedersachsen. 2 Vgl. Sylvia Hochheid: Malevich Heirs Reclaim LongLost Legacy in Historic Settlement with Museum of Modern Art, in: Art Neu/s online, Juni 1 9 9 9 (www. artnewsonline.com/scoop.htm); Lien Heyting: De verwaalde collectie. De schilder Kazimir Malevitsj en de strijd om zijn erfenis, Amsterdam 2006, S. 1 8 4 . 3 Vgl. Kazimir Malevich. 1878-1935 (hrsg. v. W. A. L. Beeren, J. M. Joosten u. L. Veneman-Boeren), Ausstellungskatalog, Staatliches Russisches Museum, St. Petersburg / Tretjakow-Galerie, Moskau / Stedelijk Museum Amsterdam 1 9 8 8 ; zum »ideologischen Bann« vgl. Elena Basner: Malevich's Paintings in the Collection of the Russian Museum (The Matter of the Artist's Creative Evolution), in: Kazimir Malevich in the Russian Museum (hrsg. v. Yevgenia Petrova), Ausstellungskatalog, Staatliches Russisches Museum, St. Petersburg 2000, S. 1 5 - 2 8 , S. 1 5 . k Vgl. Lien Heyting: Vooral geen schandaal. De strijd van de erfgenamen van Kazimir Malevitsj, in: NRC Handelshaid, 29. Oktober 2004; Heyting 2006, S. 1 8 4 .

Malevich Heirs Settle, in: New York Times, 25. April 2008. Vgl. dazu auch die gemeinsame Presseerklärung der Stadt Amsterdam und der Malewitsch-Erben vom 24. April 2008 (www.iamsterdam.com/press_room/ press_releases__o/20o8/malevich_colIection). 7 Brief von Naum Gabo an Willem Sandberg, 24. März 1 9 5 6 , The works and writings of Naum Gabo Nina Williams. 8 Vgl. Heyting 2 0 0 6 , S. 54 ff. u. 7 1 ff. 9 Vgl. Malevich. Catalogue raisonne of the Berlin exhibition 1927, including the collection in the Stedelijk Museum Amsterdam; with a general introduction to his work (hrsg. v. Troels Andersen), Amsterdam 1 9 7 0 . 10 Eine Studie zu diesem Werk wurde von Malewitsch mit dem beschreibenden Zusatz »One of the Supremelement groupings / aerial with sensation of Flight 1914-1915« versehen; vgl. Malevich. Catalogue raisonne 1970, S. 98. 11 Vgl. ibid., S. 1 3 9 f. Die Angaben zu den Architekturmodellen weichen stark voneinander ab; vgl. dazu die Korrektur Hans von Riesens zu einer in einer vorigen Ausgabe der Zeitschrift DAS KUNSTWERK getroffenen Aussage, in: Notizbuch der Redaktion, in: Das Kunstwerk 1 2 / 1 9 5 8 , S. 42. 12 Vgl. Hans-Peter Riese: Kasimir Sewerinowitsch witsch [ 1 9 9 9 J , Reinbek 2 0 0 2 , S. 1 0 4 f. 13 Hans Richter: Köpfe S. 1 0 9 .

und Hinterköpfe,

Zürich 1 9 6 5 ,

Μ Hans Richter: Begegnungen von Dada bis heute. Briefe, Dokumente, Erinnerungen, Köln 1 9 7 3 , S. 50. 15 Vgl. Joop M. Joosten: Malevich in The Stedelijk, Kazimir Malevich 1 9 8 8 , S. 4 5 - 5 4 , S. 5 1 .

6 Vgl. Sylvia Hoch field: Smoke Screen at the Stedelijk, in: ARTnews, Dezember 2004, S. 6 4 - 6 6 . Randy Kennedy:

in:

16 So Ise Gropius in einem Brief an Stephan von Wiese, 1 7 . Mai 1 9 7 9 , zitiert nach Stephan von Wiese: Zwei Standpunkte: Kasimir Malewitsch und das Bauhaus, in: Kasimir Malewitsch: Die gegenstandslose Welt, Mainz u. Berlin 1 9 8 0 , S. V - X I X , S. XVII. Gleichwohl ging aus dem Kontakt eine Publikation in der Reihe der Bauhausbücher hervor; vgl. Kasimir Malewitsch: Die gegenstandslose Welt, München 1 9 2 7 (Bauhausbücher, Bd. 11). 17 So die Aussage Hans von Riesens, in: Notizbuch

5 Vgl. Hans-Peter Riese: Die Büchse der Pandora. Erstmals ist ein Bild Kasimir Malewitschs an die Erben zurückgegeben worden, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2 3 . Juni 1 9 9 9 , S. 20.

Male-

Redaktion,

in: Das Kunstwerk

der

1 2 / 1 9 5 8 , S. 42.

18 Brief von Kasimir Malewitsch an Lew Judin, 7. Mai 1 9 2 7 , in: Kasimir Malewitsch: Briefe aus dem Westen, in: Malewitsch - Sujet in - Tschaschni. Malevich Suetin - Chashnikk, Ausstellungskatalog, Galerie Gmurzynska, Köln 1 9 9 2 , S. 2 6 2 - 2 6 7 , S. 265.

» d i e m a l e v i c h - k i s t e könnte ein f i l m m a n u s k r i p t s e i n « _ 165

19 Vgl. H a n s von Riesen: Malewitsch in Berlin, in: Avantgarde Ost-Europa (hrsg. von Eberhard Roters), Ausstellungskatalog, Deutsche Gesellschaft für Bildende Kunst (Kunstverein Berlin) u. A k a d e m i e der Künste, Berlin 1 9 6 7 , S. 2.2.-25. A l e x a n d e r von Riesen w i r d im elften B a u h a u s b u c h als Übersetzer genannt. Laut Aussage H a n s von Riesens gingen von der GROSSEN BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG auch fünf Bilder auf ihn über, u n k l a r ist, ob d u r c h Kauf oder S c h e n k u n g ; vgl. Notizbuch der Redaktion, in: Das Kunstwerk 12/ 1 9 5 8 , S. 42; vgl. auch Malevich. Catalogue raisonne 1 9 7 0 , S. 5 7 . 20 Auch an H u g o H ä r i n g und Emilia Unda gingen unmittelbar nach der GROSSEN BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1 9 2 7 zwei W e r k e Kasimir M a l e w i t s c h s ; vgl. Notizbuch der Redaktion 1 9 5 8 , S . 4 2 ; vgl. Malevich. Catalogue raisonne 1 9 7 0 , S. 85 (Kat.-Nr. 1 9 20).

21 Brief des S e k r e t a r i a t s des » R i n g « a n H a n s S c h a r o u n , 5. J u n i 1 9 2 6 , zitiert nach Sabine Kremer: Hugo Häring (1881-1958). Wohnungsbau. Theorie und Praxis, Stuttgart 1984. S. 23. Die Vereinigung DER RING präsentierte sich wegen H ä r i n g s D o p p e l f u n k t i o n a n l ä ß l i c h der GROSSEN

BERLINER

KUNSTAUSSTELLUNG

1927

mit einer eigenen Abteilung; vgl. M a t t h i a s Schirren: Hugo Häring. Architekt des Neuen Bauens. 18821958·, Ostfildern-Ruit 2 0 0 1 , S. 39 u. S. 61. 22 Vgl. N a t a n Federowskij: K. S. Malewitsch: »Berliner Vermächtnis«, in: Osteuropäische Avantgarde aus der Sammlung des Museum Bochum und privaten Sammlungen, A u s s t e l l u n g s k a t a l o g , M u s e u m B o c h u m 1988 ( D o k u m e n t e und Beiträge zur russischen bildenden Kunst und Literatur, Bd. 5), S. 1 1 0 - 1 1 3 , S. 1 1 2 ; vgl. auch Heiner Stachelhaus: Kasimir Malewitsch. Ein tragischer Konflikt, Düsseldorf 1989, S. 265 ff. 23 Vgl. H a n s von Riesen: Vorwort, in: Kasimir M a l e witsch: Die gegenstandslose Welt, Köln 1 9 6 2 , S. 3 1 3 5 , S. 3 2 f. 24 Ibid., S. 32: vgl. von Riesen 1 9 6 7 , S. 25; F e d e r o w s k i j 1 9 8 8 , S. n o . 25 Vgl. J o o s t e n 1 9 8 8 , S. 54. Der K a u f p r e i s betrug 150.000 Gulden, also 40.000 Gulden mehr als im J a h r zuvor für den A n k a u f der Bilder, Z e i c h n u n g e n und M o d e l l e M a l e w i t s c h s ausgegeben w o r d e n w a r ; vgl. H e y t i n g 2006, S. 1 1 0 .

J o o s t e n w u r d e d i e s e s W e r k erst n a c h Ende Ausstellung v e r k a u f t ; vgl. Joosten 1988, S. 45.

der

27 Ein Teil dieser Briefe ist a b g e d r u c k t in Federowskij 1988, S. 111 ff.; vgl. von Riesen 1 9 6 7 , S. 25; H e y t i n g 2 0 0 6 , S. r 1 9 .

26 Vgl. H e y t i n g 2006, S. 1 2 1 f. 29 Vgl. Otto W o l f h a g e n : Erinnerung an Otto Gleichmann, in: W i e l a n d S c h m i e d : Wegbereiter zur modernen Kunst. 50 Jahre Kestner-Gesellschaft, Hannover 1 9 6 6 , S. 2 4 9 . 30 Vgl. H e y t i n g 2006, S. 1 1 5 . 31 Vgl. M a t t h e w Drutt: El Lissitzky in Deutschland 1 9 2 2 - 1 9 2 5 , in: El Lissitzky. Jenseits der Abstraktion. Fotografie, Design, Kooperation (hrsg. v. M a r g a r i t a T u p i t s y n ) , A u s s t e l l u n g s k a t a l o g , Sprengel M u s e u m , H a n n o v e r 1999, S. 9 - 2 4 . Auch der H a n n o v e r a n e r Kurt Schwitters, der von M a l e w i t s c h s Arbeiten sehr beeindruckt w a r - Richter berichtete von der » M a l e w i t s c h - H ö h l e « im MERZ-BAU könnte eine Verbindung zwischen beiden gefördert haben; vgl. H a n s R i c h t e r : Dada Profile. Mit Zeichnungen, Photos, Dokumenten [ 1 9 6 1 I , Zürich 1 9 7 3 , S. 1 0 1 . 32 Vgl. Brief von El Lissitzky an Sophie Küppers, 10. Oktober 1 9 2 4 , in: Sophie Küppers-Lissitzy: El Lissitzky. Life, Letters, Texts, London 1968, S. 53; zu El Lissitzkys P u b l i k a t i o n s p l ä n e n vgl. die Briefe von El Lissitzky an Sophie Küppers, 1 3 . Februar, 2 ^ . F e b r u a r , 2 1 . M ä r z , 23. M ä r z s o w i e 16. und 31. M a i 1924, ibid., S. 3 8 , S. 3 9 , S. 4 6 , S. 4 7 u. S. 5 0 f. 33 Z u r Kestner-Gesellschaft vgl. Ines Katenhusen: Kunst und Politik. Hannovers Auseinandersetzungen mit der Moderne in der Weimarer Republik, H a n n o v e r 1998, S. 2 4 2 - 3 0 5 ; H e y t i n g 2 0 0 6 , S.

53.

34 Brief der Kestner-Gesellschaft an Kasimir M a l e w i t s c h , 30. D e z e m b e r 1 9 2 4 , Hannover, N i e d e r s ä c h s i s c h e s H a u p t s t a a t s a r c h i v , Dep. W P 100, Nr. 27. 35 Brief von Kasimir M a l e w i t s c h an die Kestner-Gesellschaft (in deutscher Sprache, mit handschriftlichem Z u s a t z von Sophie Küppers), 8. J a n u a r 1 9 2 5 , H a n n o ver, Niedersächsisches H a u p t s t a a t s a r c h i v , Dep. VVP 1 0 0 , Nr. 2 7 .

an

36 Brief von EI Lissitzky an Sophie Küppers, 15. September 1 9 2 5 , in: Küppers-Lissitzy 1968, S. 6 6 - 6 8 , S. 68; zu den Kaufabsichten des P r o v i n z i a l m u s e u m s vgl. Brief von El Lissitzky an Sophie Küppers, 15. Dezember 1 9 2 4 , ibid., S. 56.

d a s S o l o m o n R. G u g g e n h e i m M u s e u m ; vgl. Malevich. Catalogue raisonne 1 9 7 0 , S. 88; Charlotte Douglas: Kazimir Malevich, N e w York 1 9 9 4 , S. 68. Nach

37 Vgl. Ines Katenhusen: 150 Jahre Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, in: Heide Grape-Albers

26 Vgl. Richter 1 9 7 3 , S. 50. Eine Arbeit M a l e w i t s c h s ging an die Familie H a n s Richters. Über die Rose Fried Gallery, N e w York, gelangte MORNING IN THE VILLAGE

AFTER

SNOWFALL

von

1912

im Jahr

1952

166-Katenhusen

( H r s g . ) : 2002. Hannover. Gebäude

Das

Niedersächsische

1 5 0 Jahre am

Museum

1 2 1 .

S.

50 Brief v o n H u g o H ä r i n g a n A l e x a n d e r D o r n e r , 1 8 . J a nuar 1 9 3 2 , Hannover, Registratur des Niedersächsi-

Festschrift

und

Niedersächsischen Mitteilungsblatt

2 0 0 6 ,

49 V g l . H e y t i n g

Jahre des

id.: Erwerbungspolitik

sachsen

100

H a n n o v e r 2 . 0 0 2 , S. 1 8 - 9 4 , S. 3 8 ff.;

Maschpark.

Doppeljubiläums,

Landesmuseum

in Hannover.

des

Jahr

Bestandsentwicklung

Landesmuseum

und Bremen

zum

seit

Museumsverbands 66/2.005,

S.

1933, für

am

schen L a n d e s m u s e u m s , Akte II.2.2. G e m ä l d e

in:

M e i s t e r . A n k ä u f e 1. J a n u a r 1 9 3 1 - 3 1 . D e z e m b e r 1 9 3 1 .

Nieder·

Neuer

V e r s c h i e d e n e s 1. J a n u a r 1 9 1 6 bis 1. J a n u a r 1 9 2 9 .

5 - 1 2 .

51 Brief v o n A l e x a n d e r D o r n e r a n H u g o H ä r i n g , 2 0 . J a 38 V g l . M a r i a

Gough:

Lissitzky's

Dresden

Constructivism and

Disoriented:

Hannover

2 0 0 3 ,

Vitebsk,

S.77-T25.

Berlin,

Moscow,

Situat-

Santa Monica

52 Brief v o n H u g o H ä r i n g a n A l e x a n d e r D o r n e r , 1. Feb r u a r 1 9 3 2 , ibid.

Bis z u r n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n M a c h t -

ü b e r n a h m e w a r e n r u n d vierzig d e r klassischen derne zugehörige Werke angekauft worden

Mo-

Registratur

des

53 Vgl. Riese

2 0 0 2 ,

S.

1 2 5

f.

(Auswer-

t u n g des I n v e n t a r b u c h e s des P r o v i n z i a l m u s e u m s H a n nover;

n u a r 1 9 3 2 , ibid.

Demonstrations-

räume., in: N a n c y P e r l o f f u. B r i a n R e e d ( H r s g . ) : ing Lissitzky:

El

Niedersächsischen

Landes-

museums).

54 P a w e l F i l o n o w , zitiert n a c h F e d e r o w s k i j 1 9 8 8 , S. 1 1 3 ; z u r G e f a h r w e i t e r e r V e r h a f t u n g e n vgl. z u m Beispiel Brief v o n El L i s s i t z k y a n S o p h i e

Küppers-Lissitzky,

1 9 . Juli 1 9 3 0 , in: K ü p p e r s - L i s s i t z k y 1 9 6 8 , S. 9 5 . 39 Vgl. I n v e n t a r b ü c h e r Alte u n d N e u e M e i s t e r , H a n n o v e r , Registratur des Niedersächsischen Landesmuseums.

55 Brief v o n A l e x a n d e r D o r n e r a n H u g o H ä r i n g , 2 0 . J a nuar 1 9 3 2 , Hannover, Registratur des Niedersächsi-

40 Vgl. Brief v o n El Lissitzky a n S o p h i e K ü p p e r s , 3 1 . M a i 1 9 2 4 , in: L i s s i t z k y - K ü p p e r s 1 9 6 8 , S. 5 1 - 5 3 , S. 5 2 .

schen L a n d e s m u s e u m s , A k t e II.2.2. G e m ä l d e

Dezember

1 9 1 6 bis

1. J a n u a r

1 9 6 2 h i e ß es in e i n e m in

Hannover

1 9 3 r. V e r s c h i e d e n e s 41 Vgl. Brief v o n A l e x a n d e r D o r n e r a n S o p h i e K ü p p e r s , 8. J a n u a r

1 9 2 5 , Hannover, Registratur des Nieder-

sächsischen L a n d e s m u s e u m s , II.2.2. G e m ä l d e

Neuer

M e i s t e r , 1. J a n u a r 1 9 2 1 bis 3 1 . D e z e m b e r 1 9 2 5 .

1929.

Bereits

erscheinenden Leihgaben

Neuer

1 9 3 1 bis 3 1 .

Meister. A n k ä u f e r. J a n u a r

τ. J a n u a r

Katalog,

auch

in

Dorner

der

habe

Bibliothek Die

Malewitsch-

des

Provinzial-

Zwanziger

Jahre

museums

a u s g e s t e l l t ; vgl.

Hannover,

K u n s t v e r e i n H a n n o v e r 1 9 6 2 , S. 2 1 0 .

in

42 Vgl. K a t e n h u s e n 2 0 0 5 ( E r w e r b u n g s p o l i t i k ) , S. 8 . ; vgl. auch

den

Beitrag

von

Ute H a u g

im

vorliegenden

56 Vgl. A l f r e d H . Naum

Band. 43 Brief v o n A l e x a n d e r D o r n e r a n H u g o H ä r i n g , 1 3 . N o -

Gabo:

B a r r : Notes

Malevich

on

works

conversation

in Museum's

22. Oktober

1 9 5 7 , Yale, B e i n e c k e R a r e

Manuscript

Library,

Yale

Collection

with

possession, Book

of

and

American

vember 1 9 2 9 , Hannover, Registratur des Niedersächsi-

Literature, N a u m G a b o Papers, Uncat Z A M S G a b o ,

schen L a n d e s m u s e u m s , II.2.2. G e m ä l d e N e u e r Meister.

N r . 1 9 ; vgl. M a r t i n H a m m e r

A n k ä u f e 1. J a n u a r bis 3 1 . D e z e m b e r

Constructing

1929.

Gabo,

Modernity.

N e w H a v e n u. L o n d o n

44 I b i d .

s t e l l u n g Naum

Gabo.

45 Brief v o n H u g o H ä r i n g a n A l e x a n d e r D o r n e r , 1 3 . D e -

V a l s t a r : Die Abstrakten

u. Christina

Lodder:

The Art and Career 2 0 0 0 ,

Konstruktive

S.

of

3 6 6 ;

Plastik

Naum

zur Aus-

(6.-23.

No-

v e m b e r 1 9 3 0 ) vgl. S c h m i e d 1 9 6 6 , S. 2 6 2 ; A r t a J a c o b a Diss.,

z e m b e r 1 9 2 9 , ibid.

Rheinische

Hannover,

T y p o s k r i p t , Phil.

Friedrich-Wilhelms-Universität,

B o n n 1 9 8 7 , S. 2 5 1 ; C h r i s t i n a L o d d e r : Gabo

46 Brief v o n A l e x a n d e r D o r n e r a n H u g o H ä r i n g , 2 6 . M ä r z 1 9 3 0 , ibid., A n k ä u f e 1. J a n u a r 1 9 3 0 bis 3 1 . D e z e m b e r 1 9 3 0 .

land und Deutschland

1 8 9 0 - 1 9 3 2 .

Eine

in

Russ-

biographische

Studie,

in: S t e v e n A. N a s h u. J ö r n M e r k e r t :

Gabo.

Sechzig

Jahre

1 9 8 6 ,

S. 5 1 - 6 1 ,

S. 5 9 .

Konstruktivismus,

Naum

München

47 Brief v o n A l e x a n d e r D o r n e r a n A l e x a n d e r v o n R i e s e n , 2 . M a i 1 9 3 0 , ibid.

57 Vgl. Brief v o n A l e x a n d e r D o r n e r a n Sigfried G i e d i o n , 6. O k t o b e r 1 9 3 4 , H a n n o v e r , N i e d e r s ä c h s i s c h e s H a u p t -

48 V g l .

Transportbescheinigung

der

Spedition

Gustav

staatsarchiv, H a n n .

1 5 2 ,

Acc.

68/94,

5.

K n a u e r , 1 0 . M a i 1 9 3 0 , ibid. Es findet sich in d e n A k t e n k e i n H i n w e i s d a r a u f , d a ß D o r n e r W e r k e a u s d e r Kiste

58 I b i d .

e n t n a h m , u m sie f ü r die v o n J o o s t e n e r w ä h n t e A u s s t e l l u n g v o n S o w j e t - K u n s t n a c h Berlin (Juli 1 9 3 0 ) o d e r

59 B e s c h r i f t u n g im » R a u m d e r E x p r e s s i o n i s t e n « , T y p o -

d i e A u s s t e l l u n g z e i t g e n ö s s i s c h e r K u n s t n a c h W i e n zu

skript mit handschriftlichen Annotationen,

s c h i c k e n ( J o o s t e n 1 9 8 8 , S. 4 5 ) .

| S o m m e r r 9 3 3 ], H a r v a r d U n i v e r s i t y M u s e u m s , B u s c h -

undatiert

»die malevich-kiste könnte ein filmmanuskript sein« __ 167

Reisinger Museum, Alexander Dorner Papers, Folder 6τ. 60 Zu Nolde vgl. in diesem Zusammenhang MarioAndreas von Lüttichau: Die Jahre 1930-1945. »Tägliches Paktieren mit den Zuständigkeiten«, in: Emil Nolde, Ausstellungskatalog, Museum für Moderne Kunst, Lugano 1 9 9 4 , S. 1 1 9 - 1 5 2 . 61 Anlage eines Briefes von Alexander Dorner an das Landesdirektorium der Provinz Hannover, 30. Mai 1 9 3 3 , Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, Hann. 1 5 1 , Nr. 1 8 3 . 62 Alexander Dorner: Neue Wege des Kunstmuseums, Andruck, undatiert, Harvard University Museums, Busch-Reisinger Museum, Alexander Dorner Papers, Folder 319.

eugenisme dans Vaire anglophone,

Paris 2005, S. 5 3 -

73· 71 Aussage Alexander Dorners im Rahmen seines Wiedergutmachungsverfahrens gegen das Land Niedersachsen, in: Bericht zur Wiedergutmachungsache Nr. IV A (2) 5793/56. Prof. Dr. Alexander Dorner, Bennington, 19. September 1 9 5 6 , Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, VVP 2 1 , Nr. 1 1 4 . 72 Brief von Alexander Dorner an Max Bill, 14. April 1 9 5 2 , Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, Nachlaß Alexander Dorner, VVP 2 1 , Nr. 78.

63 Brief von Wassily Kandinsky an Josef Albers, 14. November 1 9 3 6 , Yale University Library, Josef Albers Papers, Manuscripts and Archives.

73 Brief von Alexander Dorner an Walter und Ise Gropius, 2 1 . März 1 9 4 2 , Harvard University, Houghton Library, Walter Gropius Papers (bMS Ger 208, 654. Zum Umfeld vgl. Winfried Nerdinger: BauhausArchitekten im »Dritten Reich«, in: id. (Hrsg.}: Bauhaus-Moderne im Nationalsozialismus. Zwischen Anbiederung und Verfolgung, München 1 9 9 3 , S. 1 5 3 1 7 8 , S. 1 5 6 f.

64 Vgl. Ulrike Wendland: Überbrückungsversuche in der Provinz: Alexander Dorner in Hannover, in: Eugen Blume u. Dieter Scholz (Hrsg.): Überbrückt. Ästhetische Moderne und Nationalsozialismus. Kunsthistoriker und Künstler 1925-1932, Köln 1999, S. 8 0 - 9 1 , S. 90.

74 Vgl. Ella Winter: Lissitzky: a revolutionary out of favor. The career and work of a pioneer abstractionist who was part of the Russian Revolution and later went willingly to an intellectual Siberia, in: Art News 2/1958, S. 2 8 - 3 1 , S. 62 ff.

65 Yve-Alain Bois: Exposition: esthetique de la distraction, espace de la demonstration, in: Cahiers du Musee national d' art moderne 29/1989, S. 5 7 - 7 9 , S. 67.

75 Troels Andersen vermerkte in dem ansonsten hervorragend recherchierten Katalog zu dem Werk s u p r e -

66 Brief von Friedrich Vordemberge-Gildewart an Max Bill, 11. März 1 9 5 2 , Museum Wiesbaden, Friedrich Vordemberge-Gildewart-Papiere. 67 Brief von Carola Giedion-Welcker an Marcel Breuer, undatiert, Washington, D.C., Archives of American Art, Smithsonian Institute, Marcel Breuer Papers, Reel 5708. 68 Vgl. dazu beispielsweise den Brief von Robert Foster an Alexander Dorner, 25. Mai 1 9 3 7 . Foster hatte von seinem Freund Jean Heiion von den MalewitschWerken gehört und erbat nun Fotos, Hannover, Privatbesitz Ines Katenhusen. 69 Max Bill kolportierte diese Gerüchte in einem Brief an Dorner vom 2 1 . April 1 9 5 2 folgendermaßen: »Dorner hat dem armen Malevitsch, dess' Weib und Kinder in Moskau verhungern müssen, die Bilder unterschlagen und diese nach USA verkauft«, Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, Alexander Dorner-Nachlaß, VVP 2 1 , Nr. 78. 70 Vgl. Ines Katenhusen: Les deux faces de Vexclusion. L'art historien Alexander Dorner aux Etats-Unis, in: Michel Prüm (Hrsg.): L'Un sans l'Autre. Racisme et

MATISTISCHE K O M P O S I T I O N . RECHTECK UND

KREIS

»Collection: Present whereabouts unknown«, obwohl die Umstände der Übergabe an das Busch-Reisinger Museum zu diesem Zeitpunkt sehr wohl bekannt waren, auch eine Abbildung des Werkes fehlt; vgl. Malevich. Catalogue raisofine 1 9 7 0 , S. 94. 76 Vgl. ibid., S. 57; vgl. auch Brief von Willem Sandberg an Naum Gabo, undatiert (zwischen 24. Oktober und 3. Dezember 1957), Yale, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale Collection of American Literature, Naum Gabo Papers, Nr. 25. 77 Brief von Alexander Dorner an Max Bill, 14. April 1 9 5 2 , Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, Nachlaß Alexander Dorner, VVP 2 1 , Nr. 78. 78 Vgl. ibid. 79 In Dorners Testament vom 12. September 1 9 5 6 heißt es: »Das Ölgemälde und die Zeichnung von Malewitch gehen an das Busch-Reisinger Museum, Cambridge, Mass. Sie sind als langfristige Anleihen zu betrachten und als solche von dem genannten Museum anzudeuten«, Alexander Dorner, Letzter Wille und Testament, Bennington, r 2. September 1956. Übersetzung ins Deutsche durch die Roemer-Bank GmbH, Heilbronn, 4. Februar

1958,

Potsdam, Privatbesitz

Charlotte

168 _ Katenhusen

D o r n e r . Z u r G e s c h i c h t e des B u s c h - R e i s i n g e r M u s e u m

lebendig erinnerte, nicht d e m Fernhalten unliebsamen

vgl. F r a n z i s k a

P u b l i k u m s im N a t i o n a l s o z i a l i s m u s g e s c h u l d e t g e w e s e n

zwischen

von

Ungern-Sternberg:

den Kontinenten.

Das Germanische

Kulturpolitik

Deutschland

Museum

in

und

Amerika.

Cambridge/MassKöln,

sei,

sondern

bereits

in

den

zwanziger

Jahren

das

»Abstrakte Kabinett« nach außen abgeschlossen hatte.

W e i m a r u. W i e n 1994. 88 Brief v o n L u d w i g J u s t i a n A l f r e d H . Barr, 26. A p r i l Bill, 1 6 . M a i

SO Brief v o n A l e x a n d e r D o r n e r a n M a x

1 9 3 0 , Berlin, S t a a t l i c h e M u s e e n P r e u ß i s c h e r

Kultur-

1 9 5 2 , Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv

besitz, Zentralarchiv, A k t e n der Nationalgalerie, M u -

Alexander D o r n e r N a c h l a ß , W P 2 1 , Nr. 78.

s e u m d e r G e g e n w a r t ( I / N G 589).

81 Z i t i e r t n a c h Harvard

University. College

Report

and

of the

sident

of Harvard

Reports

of

ments,

1 9 5 7 - 1 9 5 5 , S. 5 5 1 ; vgl. H o c h f i e l d 1 9 9 9 .

82 Vgl. die P r e s s e m i t t e i l u n g d e r N e w Y o r k e r kanzlei

Herrick,

Feinstein

89 V g l . German

Painting

and

Sculpture,

Ausstellungs-

Anwalts1999

1931;

k a t a l o g , M u s e u m of M o d e r n A r t , N e w Y o r k vgl. a u c h A l f r e d H . B a r r : Die Wirkung

8. D e z e m b e r

LLP,

Pre-

Depart-

Ausstellung

in New

Zeitschrift

der

York,

der

in: Museum

deutschen

deutschen

der

Museen

für

Gegenwart. neue

Kunst

2 / 1 9 3 1 - 1 9 3 2 , S. 5 8 - 7 5 , S. 5 8 .

(www.herrick.com/news/malevich_harvard.htm). SUPREMATISTISCHE

KOMPOSITION.

RECHTECK

90 Vgl. M a r y A n n e S t a n i s z e w s k i : The Power

UND KREIS w u r d e im M a i 2 0 0 3 bei S o t h e b y ' s in N e w

A History

York von den Erben zur Versteigerung gegeben; für

of Modem

d e n v o r g e s e h e n e n Preis v o n 5 - 7 M i l l i o n e n D o l l a r f a n d

S. 2 0 ff.

of Exhibition

installations

of

Display.

at the

Museum

C a m b r i d g e , M a s s . , 1 9 9 9 , S. τ 6 f. u .

Art,

sich i n d e s , a u c h w e g e n e i n e r i m V o r f e l d g e s t a r t e t e n K a m p a g n e g e g e n die V e r k ä u f e r u n d i n s b e s o n d e r e d e n Kunstfahnder

Clemens

Toussaint,

kein

Interessent;

vgl. C l a u d i a H e r s t a t t : Schicksalsbilder.

Mit

aber

jetzt

Nazis

dete

Kunstwerke,

im Kunsthandel

- von

in: Die Zeit,

den

Hautgout,

91 Brief v o n A l f r e d H . B a r r a n die G u g g e n h e i m F o u n d a t i o n , 9. F e b r u a r 1 9 5 6 , N e w Y o r k , M u s e u m of M o d e r n A r t , A r c h i v e s , A l f r e d H . Barr, Jr. P a p e r s , i a . 3 g . i . a .

entwen-

22. M a i 2003, Nr. 22,

S. 1 7 .

92 Z i t i e r t n a c h S a m u e l Experiences

Cauman:

of an art historian

Alexander

The

living

museum.

and museum

director

N e w Y o r k 1 9 5 8 , S. 1 1 6 .

Dorner,

83 F r e u n d l i c h e A u s k u n f t P e t e r N i s b e t s , des K u r a t o r s des B u s c h - R e i s i n g e r M u s e u m s , a n die V e r f a s s e r i n , 6. J u n i

93 V g l . Cubism

and

Abstract

Art,

Ausstellungskatalog,

M u s e u m of M o d e r n A r t , N e w Y o r k 1 9 3 6 , S. 1 6 0 : »It

2006.

w a s t h e first g a l l e r y of its k i n d a n d is t h e r e f o r e of 84 Brief v o n A l e x a n d e r D o r n e r a n M a x 1952,

Hannover,

Niedersächsisches

Bill, τ 6. M a i

special i n t e r e s t t o t h e s t u d e n t of a b s t r a c t a r t . «

Hauptstaats-

archiv, A l e x a n d e r D o r n e r N a c h l a ß , V V P 2 1 , Nr. 78.

94 Brief v o n A l f r e d H . B a r r a n M a x Bill, 1 9 . D e z e m b e r

A u c h im Fall v o n K a n d i n s k y s IMPROVISATION NO. 1 0

1952

zeigte D o r n e r , n u n m e h r M u s e u m s l e i t e r in d e n U S A ,

Manuscript

m i t Blick auf die E r b a n s p r ü c h e v o n V e r w a n d t e n w e n i g

Literature, N a u m G a b o Papers, Nr. 1 9 .

(Kopie),

Yale,

Library,

Beinecke Yale

Rare

Collection

Book of

and

American

I n t e r e s s e a n e i n e m A n k a u f ; vgl. d a z u d e n Beitrag U t e 95 G o r d o n K a n t o r 2 0 0 2 , S. 1 6 2 ; vgl. a u c h B e n j a m i n Η .

H a u g s in d i e s e m B a n d .

D . B u c h l o h : From 85 Vgl.

George

Evolution,

Rickey:

Constructivism.

Origins

and

L o n d o n 1 9 6 7 , S. 84 ( A n m . 48).

Bolton

(Hrsg.):

Histories

Faktura The

to Factography,

Contest

of Photography,

of

in: R i c h a r d

Meaning.

Critical 1996,

Cambridge, Mass.,

S. 4 9 - 8 5 .

86 I m Fall e i n e r A b l e h n u n g G i e d i o n s w a r L u d w i g M i e s 96 A l f r e d H . B a r r : Russian

v a n d e r R o h e v o r g e s e h e n ; vgl. ibid.

Diary,

in: I r v i n g S a n d l e r u .

A m y N e w m a n ( H r s g . ) : Defining 87 A u c h w e n n h ä u f i g e r zu lesen ist, d a ß B a r r u n d D o r n e r sich b e r e i t s 192.8, k u r z n a c h V o l l e n d u n g des

»Ab-

Writings

of Alfred

H.

Barr,

Modern Jr.,

Art.

Selected

York

1986,

ein, w a s

einen

New

S. 1 0 3 - 1 3 7 , S. 1 0 4 .

s t r a k t e n K a b i n e t t s « , in H a n n o v e r k e n n e n l e r n t e n (vgl. z u m Beispiel J o o s t e n 1 9 8 8 , S. 4 8 ; Sybil G o r d o n K a n t o r : Alfred the Museum

H. Barr, Jr. and the Intellectual of Modern

Art,

Origins

97 Cubism

Art

1 9 3 6 , S. 1 2 6 .

die

dritte

Ehe

Landesmuseum

zu

and Abstract

of

Cambridge, Mass. 2002,

98 1 9 3 6

ging

Dorner

S. 1 8 1 ) , lassen eine R e i h e v o n B e m e r k u n g e n B a r r s d a r -

Kollegen

a u f s c h l i e ß e n , d a ß er sich 1 9 3 5 z u m e r s t e n M a l m i t

S c h r e i b e n a n die v o r g e s e t z t e n B e h ö r d e n b e w e g t e .

im

diffamierenden

d e m h a n n o v e r s c h e n K o l l e g e n t r a f . U n t e r a n d e r e m eri n n e r t e Lydia D o r n e r , die E h e f r a u D o r n e r s , B a r r m e h r -

99 Brief e i n e s a n o n y m e n V e r f a s s e r s a n d a s M i n i s t e r i u m

f a c h d a r a n , d a ß d e r V o r h a n g , a n d e n B a r r sich s o

f ü r Wissenschaft, K u n s t u n d Volksbildung, 20. M a i

»die m a l e v i c h - k i s t e könnte e i n f i l m m a n u s k r i p t s e i n « _ 169

1 9 3 3 , Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hann. 1 5 1 , 1 8 3 . 100 Brief von Alexander Dorner an Alexandra Povorina, 8. Juni 1 9 3 4 , Hannover, Sprengel Museum, Alexander Dorner-Nachlaß 1 . 0 . 1 0 : 3 ( 0 . 101 Brief von Alfred H. Barr an Alexander Dorner, 1 5 . Januar 1 9 3 6 , Harvard University Museums, Busch-Reisinger Museum, Alexander Dorner Papers, Folder 24. 102 Aufschlußreich ist hier die Korrespondenz zwischen Gropius und Häring über den Artikel Für Wiedererweckung der deutschen Baukunst in den Walter Gropius Papers der Houghton Library, Harvard University. Der Artikel ist abgedruckt in: Schirren 2001, S. 3 4 6 - 3 4 8 ; vgl. Oliver Elser: Schade, daß Beton nicht blüht. Hugo Häring (1882-1958), der Organiker der modernen Architektur in der Akademie der Künste, Berlin, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. Juni 2 0 0 1 . 103 Kopie eines Briefes von Alfred H. Barr an M a x Bill, 1 9 . Dezember 1 9 5 2 , Yale, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale Collection of American Literature, Naum Gabo Papers, Nr. 1 9 ; vgl. auch Alice Goldfarb Marquis: Alfred H. Barr Jr. Missionary for the Modern, Chicago 1 9 8 9 , S. 1 5 3 f. 104 Alfred H. Barr: Postscript to Notes, 25. Februar 1 9 5 8 , Yale, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale Collection of American Literature, Naum Gabo Papers, Uncat ZA MS Gabo, Nr. 1 9 . Die Titel der beiden Bilder gab Barr jeweils mit SUPREMATIST PAINTING, j e n e d e r Z e i c h n u n g e n m i t S U P R E M A T I S T A R C H I -

TECTURAL PAINTING an; Abbildungen zweier dieser Werke finden sich in: Malevich. Catalogue raisonne 1 9 7 0 , Kat.-Nr. 56 u. Kat.-Nr. 87. 105 Vgl. Brief von Naum Gabo an Willem Sandberg, 24. Oktober 1 9 5 7 , The works and writings of Naum Gabo Nina Williams. 106 Vgl. die Gehaltsanweisung des Oberpräsidenten an den Direktor des Landesmuseums, 3. Mai 1 9 3 5 , Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Nds. 1 2 0 , Acc. 14/82, Nr. 70. 107 Alfred H. Barr: Painting and Sculpture in the Museum of Modern Art 1929-1967, New York 1 9 7 7 , S. 625.

Manuscript Library, Yale Collection of American Literature, Naum Gabo Papers, Nr. 1 9 : »My recollection is that when I discussed the question with Dr. Dorner in Hanover I had the impression that the material had been left by Malevich in Dr. Dorner's care when Malevich returned to the USSR. I understood that Dr. Dorner was not the owner of the works by Malevich but felt entitled to act as an agent.« Rückblickend argumentierte Barr im selben Brief hierin durchaus ähnlich wie Alexander Dorner er glaube, »that our Museum has done far more than any individual or institution during the past 25 years to increase the knowledge and fame of this great pioneer of abstract art.« 110 Brief von Alfred H. Barr an Naum Gabo, 7. Oktober T 957> Yale, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale Collection of American Literature, Naum Gabo Papers, Nr. 1 9 . 111 Vgl. Brief von Alfred H. Barr an Max Bill, 1 9 . Dezember 1 9 5 2 (Kopie), Yale, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale Collection of American Literature, Naum Gabo Papers, Nr. 1 9 . Vom 28. Juni 1935 datiert eine Postkarte aus Rotterdam, mit der die Barrs für den angenehmen Besuch in Hannover dankten, Hannover, Sprengel Museum, Alexander DornerNachlaß, 1.08:4. 112 Brief von Alice Malette an Alfred H. Barr, 4. September 1 9 3 5 , Washington, D . C . , Archives of American Art, Smithsonian Institute, Nr. 2 1 6 5 , 1 0 5 5 , New York, Museum of Modern Art, Archives, Alfred H. Barr Papers. Zur Ausfuhrdeklaration vgl. Brief des Transportkontors der Rheinisch-Westfälischen EisenIndustrie A. Kinkel Aktien-Gesellschaft, Zweigniederlassung Hamburg, an Alfred H. Barr, 14. August 1 9 3 5 , Harvard University Museums, Busch-Reisinger Museum, Alexander Dorner Papers, Folder 24. 113 Brief von Alfred Η. Barr an Margaret Miller, 10. November 1 9 5 4 , Washington, D.C., Archives of American Art, Smithsonian Institute, Nr. 2 1 8 0 , 444, New York, Museum of Modern Art, Archives, Alfred H. Barr Papers. 114 Brief von Alexander Dorner an Alfred H. Barr, 4. März 1 9 3 6 , Harvard University Museums, Busch-Reisinger Museum, Alexander Dorner Papers, Folder 24.

108 Inventarbuch, Neue Meister, Blatt 54, Hannover, Registratur des Niedersächsischen Landesmuseums; vgl. das Schreiben Ferdinand Stuttmanns an Alexander Dorner, 6. Februar 1 9 5 7 , Hannover, Privatbesitz Ines Katenhusen.

115 Vgl. Brief von Alfred H. Barr an Max Bill, 1 9 . Dezember 1 9 5 2 (Kopie), Yale, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale Collection of American Literature, Naum Gabo Papers: »Since we did nor wish to return the material to Nazi Germany, we kept them in America«; vgl. Heyting 2006, S. 106.

109 Vgl. Brief von Alfred H. Barr an Max Bill, 1 9 . Dezember 1 9 5 2 (Kopie), Yale, Beinecke Rare Book and

116 Die Ausstellung wurde mit einer Woche Verspätung eröffnet. So lange hatte es gedauert, bis die New Yor-

170_Katenhusen

ker Z o l l b e h ö r d e n überzeugt w a r e n , d a ß es sich bei n e u n z e h n S k u l p t u r e n aus E u r o p a , u n t e r a n d e r e m von A r p , M i r o u n d H e n r y M o o r e , tatsächlich u m Kunst h a n d e l t e ; vgl. a n o n y m : Cubist Art Falls to Pass Customs, in: New York Times, 22. F e b r u a r 1 9 3 6 .

129 Brief v o n Willem S a n d b e r g an N a u m G a b o , u n d a t i e r t , Yale, Beinecke R a r e Book a n d M a n u s c r i p t Library, Yale Collection of A m e r i c a n Literature, N a u m G a b o Papers, Uncat Z A M S G a b o , Nr. 25; a u f g r u n d der A n o r d n u n g in der A k t e ist das Schreiben zwischen 24. O k t o b e r u n d 3. D e z e m b e r 1 9 5 7 datierbar.

117 Vgl. Cubism and Abstract Art 1 9 3 6 , S. 2 1 5 f. 118 Vgl. z u m Beispiel E d w a r d Alden Jewell: Shock Troops in Review, in: New York Times, 8. M a r z 1 9 3 6 . 119 A n o n y m : Cubist Show Opens with Private New York Times, 5. M ä r z 1 9 3 6 .

View,

130 Vgl. C a r o l i n e R o o d e n b u r g - S c h a d d : Expressie en ordening. Het verzamelbeleid van Willem Sandberg voor het Stelijk Museum 1945-1962, A m s t e r d a m u. R o t t e r d a m 2004: vgl. H e y t i n g 2004.

in: 131 Vgl. H e y t i n g 2004; H o c h f i e l d 2004.

120 A n o n y m : »Abstract« Art, in: New York Times, 23. M ä r z

132 Vgl. J o o s t e n 1 9 8 8 , S. 44; H e y t i n g 2006, S. i o r ff.

1 9 3 6 ; vgl. auch G o l d f a r b M a r q u i s 1 9 8 9 , S. 243 f. 121 Vgl. Cubism and Abstract Art Circulating Exhibition, P r o v i d e n c e 1 9 3 7 , W a s h i n g t o n , D . C . , Archives of A m e r i c a n Art, S m i t h s o n i a n Institute, R h o d e Island School of Design, E x h i b i t i o n Files 1 9 3 7 - 1 9 5 0 , Reel 3642.

133 Z u den interessanten politischen I m p l i k a t i o n e n dieses U n t e r n e h m e n s vgl. K r e m e r 1 9 8 4 , S. 5 ff.; zu H ä r i n g s Verhalten d e m ehemaligen Besitzer g e g e n ü b e r vgl. H e y t i n g 2006, S. 1 4 0 f.; vgl. auch Albert R e i m a n n : Die Reimann-Schule in Berlin, Berlin 1 9 6 6 . 134 Vgl. Schirren 2 0 0 1 , S. 63; H e y t i n g 2 0 0 6 , S. Γ40.

122 Barr berichtet 1 9 5 2 , drei Z e i c h n u n g e n aus d e m Bes t a n d der Leihgaben seien verliehen u n d nicht wieder z u r ü c k g e g e b e n w o r d e n . D a s einzige A q u a r e l l des Konvolutes, eine L a n d s c h a f t , sei 1 9 3 9 beim U m z u g des M u s e u m of M o d e r n A r t in sein neues G e b ä u d e verloren gegangen; vgl. Brief v o n Alfred H . Barr a n M a x Bill, 1 9 . D e z e m b e r 1 9 5 2 (Kopie), Yale, Beinecke R a r e Book a n d M a n u s c r i p t Library, Yale Collection of A m e r i c a n Literature, N a u m G a b o Papers, Nr. 1 9 . Ein Ölbild, eine nicht betitelte suprematistische K o m p o sition, die Barr 1 9 3 5 v o n D o r n e r e r w o r b e n h a t t e , tauschte er 1 9 4 2 mit Peggy G u g g e n h e i m f ü r das Bild NAPOLEON

IN

THE

WTLDERNESS

von

Max

Ernst;

135 Brief v o n Willem S a n d b e r g an N a u m G a b o , u n d a t i e r t U 9 5 5 L Yale, Beinecke R a r e Book a n d M a n u s c r i p t Library, Yale Collection of A m e r i c a n Literature, N a u m G a b o Papers, Nr. 2 5 . 136 Vgl. K a t e n h u s e n 2005 (Erwerbungspolitik). 137 Vgl. J o o s t e n 1 9 8 8 , S. 50. Vgl. hierzu a u c h die Korr e s p o n d e n z zwischen H u g o H ä r i n g u n d L u d w i g Hilberseimer, insbesondere die Briefe zwischen August 1 9 5 4 u n d M ä r z 1 9 5 6 , A r t Institute Chicago, L u d w i g Karl H i l b e r s e i m e r p a p e r s .

vgl. D o u g l a s 1 9 9 4 , S. 90. 123 Zitiert nach Pressemitteilung des M u s e u m of M o d e r n Art, 29. Juni 1 9 9 9 ( w w w . m o m a . o r g / d o c s / p r e s s / 1 9 9 9 . html, 2 1 . Juli 2000). 124 Vgl. H e y t i n g 2006, S. 1 3 4 . 125 Vgl. Hochfield 2004, S. 64; Malevich. Catalogue sonne 1 9 7 0 , S. 58; H e y t i n g 2006, S. 1 6 6 f.

rai-

126 Vgl. Lien Heyting: Van Α tot Ζ een fabel. Het rookgordijn om de aankoop van de Malevisj-collectie, in: NRC Handelsblad, 24. S e p t e m b e r 2004. 127 Z u S a n d b e r g vgl. H e y t i n g 2006, S. 148 f. 128 Brief von Willem S a n d b e r g a n N a u m G a b o , u n d a t i e r t , Yale, Beinecke R a r e Book a n d M a n u s c r i p t Library, Yale Collection of A m e r i c a n Literature, N a u m G a b o Papers, U n c a t Z A M S G a b o , Nr. 25. N a c h Malevich. Catalogue raisonne 1 9 7 0 , S. 58, ist das Schreiben auf T955 zu datieren.

138 E i n t r a g u n g in der A g e n d a M a x Bill, 22. M ä r z 1 9 5 2 , Adligenswil, M a x Bill Archiv, M a x , Binia u n d J a k o b Bill Stiftung. 139 Brief v o n Willem S a n d b e r g a n N a u m G a b o , u n d a t i e r t [ 1 9 5 5 I , Yale, Beinecke R a r e Book a n d M a n u s c r i p t Library, Yale Collection of American Literature, N a u m G a b o Papers, Nr. 25. 140 Brief von N a u m G a b o a n Willem S a n d b e r g , 24. M ä r z 1 9 5 6 , T h e w o r k s a n d writings of N a u m G a b o N i n a Williams; vgl. H e y t i n g 2006, S. 59 f. 141 Brief v o n N a u m G a b o a n Willem S a n d b e r g , 16. J a n u a r 1 9 5 6 , T h e w o r k s a n d writings of N a u m G a b o N i n a Williams. 142 Brief v o n N a u m G a b o a n Willem S a n d b e r g , 24. M ä r z 1 9 5 6 , T h e w o r k s a n d writings of N a u m G a b o N i n a Williams.

»die malevich-kiste könnte ein filmmanuskript sein«

143 Brief v o n Alfred H . Barr an N a u m G a b o , 7. O k t o b e r 1 9 5 7 , Yale, Beineckc Rare Book and M a n u s c r i p t Library, Yale Collection of American Literature, N a u m G a b o Papers, Nr. 19.

171

M a n u s c r i p t Library, Yale Collection of A m e r i c a n Literature, N a u m G a b o Papers, Uncat Z A M S G a b o , Nr. 1 9 . 150 Ibid.

144 Brief v o n M a x Bill an A l e x a n d e r Dorner, 7. April 1 9 5 2 , Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, A l e x a n d e r D o r n e r - N a c h l a ß , W P z i , Nr. 78. 145 Anlagen z u m Brief von A l e x a n d e r D o r n e r an M a x Bill, 1 5 . J u n i 1 9 5 2 , Adligenswil, M a x Bill Archiv, M a x , Binia und J a k o b Bill Stiftung. 146 H a n d s c h r i f t l i c h e r Z u s a t z des E m p f ä n g e r s unter d e m Brief von M a x Bill an A l e x a n d e r Dorner, 7. April 1 9 5 2 , Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, A l e x a n d e r D o r n e r - N a c h l a ß , W P 2 1 , Nr. 78. 147 Brief von A l e x a n d e r D o r n e r an M a x Bill, 1 4 . April 1952, Hannover, Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, Alexander D o r n e r - N a c h l a ß , W P 2 1 , Nr. 78.

151 G u t a c h t e n Prof. O t t o Lowensteins, N e w York, 16. Dez e m b e r 1 9 5 3 , H a n n o v e r , Niedersächsisches H a u p t staatsarchiv, N d s . 4 0 1 , Acc. 2 0 0 0 / 1 5 5 , 3Z· 152 Vgl. Entwurf eines Vertrags von Willem Sandberg, 8. M a i 1 9 5 6 , Yale, Beinecke R a r e Book and M a n u s c r i p t Library, Yale Collection of American Literature, N a u m G a b o Papers, Uncat Z A M S G a b o , Nr. 25. 153 Vgl. Alfred H . Barr: N o t e s on conversation with N a u m G a b o : Malevich w o r k s in M u s e u m ' s possession, 2 2 . O k t o b e r 1 9 5 7 , Yale, Beinecke Rare Book a n d M a n u s c r i p t Library, Yale Collection of A m e r i c a n Literature, N a u m G a b o Papers, Uncat Z A M S G a b o , Nr. 19.

148 Ibid. 154 Vgl. H e y t i n g 2004. 149 Alfred H . Barr: N o t e s o n conversation with N a u m G a b o : M a l e v i c h w o r k s in M u s e u m ' s p o s s e s s i o n , 2 2 . O k t o b e r 1 9 5 7 , Yale, Beinecke Rare Book a n d

155 Vgl. H e y t i n g 2006, S. 168.

A u f dem Weg in ein freies Land Paul Klees »Vokaltuch der K a m m e r s ä n g e r i n R o s a Silber« Anja

Tiedemann

» . . . FÜR A U G E N , D I E HÖREN K Ö N N E N «

L a n g e hatte Paul Klee um A n e r k e n n u n g seines künstlerischen S c h a f f e n s ringen müssen. Z w a r hatte die Staatliche G r a p h i s c h e S a m m l u n g in M ü n c h e n 1 9 1 9 fünf seiner frühen R a d i e r u n g e n e r w o r b e n , doch mit Unikaten w a r er in keinem deutschen M u s e u m vertreten. 1 A u c h nicht in Berlin: K u r z b e v o r L u d w i g Justi 1 9 1 9 die N e u e Abteilung der N a t i o n a l g a l e r i e im K r o n p r i n z e n p a l a i s eröffnete, hatte ihm der M ü n c h n e r Galerist H a n s G o l t z eine A n z a h l von A q u a r e l l e n zum A n k a u f vorgelegt, doch er lehnte a b . 1 Im J a h r 1 9 2 0 k a m es dann zum ersten H ö h e p u n k t in Klees künstlerischer L a u f b a h n : Eine große Ausstellung in der Galerie N e u e K u n s t von H a n s G o l t z w u r d e veranstaltet, zwei M o n o g r a p h i e n erschienen und a m v e m b e r 1 9 2 0 w u r d e er eingeladen, dem L e h r k ö r p e r des B a u h a u s

25.No-

beizutreten. 5

D a n a c h mehrte sich die Z a h l seiner Ausstellungen in Kunstvereinen und privaten Galerien. 4 Im F e b r u a r 1 9 2 3 gelang der D u r c h b r u c h : Klee konnte seine erste große Einzelausstellung realisieren. Die N e u e N a t i o n a l g a l e r i e zeigte mit 2 6 7 Arbeiten einen repräsentativen Überblick über sein Werk. N a c h langwierigen Verhandlungen e r w a r b Justi f ü r vierzig M i l l i o n e n inflationärer R e i c h s m a r k vier dieser Arbeiten, nämlich DER ANGLER von 1 9 2 1 , ZWITSCHER-MASCHINE (beide N e w Y o r k , M u -

174 _ Tiedemann

SPS i^S

54

Paul Klee, VOKALTUCII DER KAMMERSÄNGERIN ROSA SII.BER, 1 9 2 2 , Aquarell und Feder auf G r u n d i e r u n g auf

Nesseltuch auf K a r t o n , 5 1 , 4 x 4 1,6 c m , N e w Y o r k , M u s e u m of M o d e r n A r t

Auf d e m W e g in ein f r e i e s Land _ 175

55

Unbekannter

(Mir

I'AL'I.

Fotograf,

KE.I-.ES

B U C K

IN

" V O K A I . T U C.II

DIR. DER

NF.UL:

ABTEII.UNC;

DER

KAMMERSÄNGERIN

NATIONAL.GAI.ERII:

IM

s 1 1 , Β KR • • ) , B e r l i n ,

um

ROSA

Museen

Preußischer

KRONI'RIN/I

Μ Ά Ι

ι 9

Staatliche

Berlin.

Kulturhesirz.

Zentralarchiv

seum of M o d e r n Art) und MOND ÜBER DF.R STADT (Privatsammlung) sowie das VOKALTUCH

(Abb.

DER

KAMMERSÄNGF.KIN

ROSA

S Ι L B E R , alle drei 1 9 2 2

entstanden

54): Diesen Werken sollte ein sehr ähnlicher Schicksalsweg bestimmt sein, der hier

exemplarisch am VOKALTUCH

DER

KAMMERSÄNGERIN

ROSA

SILBF.R

vorgestellt

werden soll.'' D a s Bild hing, mit der Bestandsnummer 1 5 5 0 versehen, zehn J a h r e lang zwischen DER ANGLF.R und Z W I T S C H E R - M A S C H I N E , flankiert von den Gemälden

MOND

ÜBER

DER

STADT,

DER

GOLDENE

EISCH

von

1925

(Hamburg,

Kunsthalle) und BLUMENFRESSER von 1 9 2 7 (Verbleib unbekannt) s o w i e von Werken K a n d i n s k y s und C a m p e n d o n k s . Z w e i Tierskulpturen von E w a l d M a t a r e vervollständigten das museale A r r a n g e m e n t (Abb. 55).'

Natürlich hatte L u d w i g Justi

seine M e i n u n g über Klee mittlerweile geändert. Jetzt s c h w ä r m t e er geradezu v o m Werk des Künstlers und b e f a n d , er sei der »größte unter den M a l e r n t r a u m h a f t e r Gebilde«.s

Und

über

das

VOKALTUCH

DER

KAMMERSÄNGERIN

ROSA

AIS

SII.BER

schrieb er: »Da haben wir eine der launigen und überraschenden Benennungen Klees! M e i s t erfindet er sie erst, w e n n das Bild schon fertig ist und hat sein Vergnügen

176 _ Tiedemann

dabei; in diesem Fall muss er wohl schon von Anfang an etwas Ähnliches gedacht haben, denn die fünf Vokale stehen da, in verschiedenen Farben, und groß die Initialen der Kammersängerin R. S.« s Daß es ein »Vokaltuch« gleich welchen Zwecks nicht gibt, muß nicht eigens erwähnt werden. Dennoch wies Klee auf den Materialaspekt besonders deutlich hin, indem er die Ränder des Tuches bewußt unbearbeitet ließ und auch nach dem Auftrag von Gips und verschiedenen Pigmenten, die den Stoff rauh und ungleichmäßig erscheinen lassen, die Fasern noch als erkennbar bewahrte. Auch die Identität der hier angeführten Sängerin ist nicht geklärt. Will Grohmann meinte, Klee habe sie auf der Bühne gehört, da er während seiner Münchner Zeit häufig in die Oper gegangen sei. Die Konzerte seien erstklassig gewesen, ebenso die Solisten: »[...] eine der Sängerinnen«, so der Kritiker, »verewigt Klee später als >FiordiligliVokaltuch der Kammersängerin Rosa SilberPaukenorgelZwitschermaschine< bei einem der ersten größeren Transporte hinübergegangen, weil Titel und Dargestelltes bei diesen Bildern ja Vielerlei bedeuten kann. Jetzt hat sich herausgestellt, daß die >Zwitschermaschine< noch hier ist, und daß das Bild drüben die >Paukenorgel< darstellt. Ich möchte nun nachträglich diesen Kauf durch Sie sanktioniert wissen, damit die bereits bewilligte (und bezahlte) >Zwitschermaschine< auch zur Versendung kommen kann.« 6 2 Ministerialrat Franz H o f m a n n kam diesem Wunsch nach und vermerkte handschriftlich: »Weg mit Zwitschermaschine und Paukenorgel!« 6 3 Auch in N e w York sorgte diese Angelegenheit für Verwirrung, denn, so schrieb Curt Valentin am 9. Juni 1 9 3 9 nach Berlin, »die Abrechnungen werden mir immer schleierhafter«. Und weiter heißt es: »Für die Zwitschermaschine zahlte ich 75,00 nach Eintreffen ich schulde nun noch $ 1 5 , 0 0 ? ? Auf Paukenorgel und Zwitschermaschine?« 6 4 Doch auch diese Verständnisschwierigkeiten ließen sich aufklären, und sämtliche Bilder befanden sich schließlich in den Händen von Curt Valentin. Dieser hatte den Kontakt zu Klee in der Schweiz aufrechterhalten und wußte um dessen ambivalente Gefühle bezüglich der Zwangsemigration seiner Kunst in die USA. A m 1 7 . M ä r z 1 9 3 9 schrieb Valentin in einem Brief an Lily Klee, daß sein persönliches Lieblingsbild UM DEN FISCH von 1 9 2 6 (New York, Museum of Modern Art) aus Dresden, das mit einer früheren Lieferung gekommen war, nun im Museum of Modern Art sei, und fügte hinzu: »Ärgern Sie sich nicht, es ist sicherer diesseits des Ozeans.« 6 5 In einem Brief vom 1 4 . M ä r z 1 9 4 0 verwies Lily Klee darauf, wie traurig sie und ihr M a n n wegen der Verfemung der Kunst aus deutschen Museen seien, w a r aber sehr b e w e g t , w e i l d a s V O K A L T U C H DER K A M M E R S Ä N G E R I N ROSA S I L B E R im H a f e n

von Antwerpen angelangt sei, und hielt es für großes Glück, daß »diese reine Kunst aus dem Kasernenhof heraus ist und in ein freies Land dampfen wird.« 6 6 Drei Monate nach diesem Brief verstarb Paul Klee am 29. Juni 1 9 4 0 . Im Herbst des gleichen Jahres eröffnete Curt Valentin in Zusammenarbeit mit der Marian Willard Gallery, N e w York, eine Retrospektive des Künstlers. Der Katalog machte deutlich, wie präsent Klees Werk in Amerika bereits war. Er nannte mehr als fünfzig Sammlungen, in denen weitere seiner Arbeiten, die nicht in der Ausstellung gezeigt wurden, zu finden waren. Am 1 2 . Oktober 1 9 4 0 schrieb Jeannette L o w e für ART NEWS über Klee, daß alle Leihgeber seiner Werke Amerikaner seien, »an indication of widespread interest in his w o r k « , und bemerkt, daß »his influence has

Auf d e m W e ; in ein f r e i e s Land _ 191

been felt in American abstract painting and among those painters w h o consciously or unconsciously are striving for the approach of the primitive«. 67 Der Katalog verzeichnete einhundert Werke aus den Jahren 1 9 1 3 bis 1 9 3 9 . Das VOKALTUCH DER KAMMERSÄNGERIN ROSA SILBER wurde als Nummer 27 aufgeführt und hatte den Vermerk »Lent anonymously« erhalten: Kein Verweis darauf, welchen Weg es genommen hatte und wer an seiner Rettung beteiligt war. Insgesamt zeigte die Ausstellung sechzehn Werke Klees, die früher in deutschen Museen gehangen hatten und wegen ihrer »Entartung« beschlagnahmt worden waren. Auch darüber schwieg der Katalog. 6 8 Das VOKALTUCH

DER

KAMMERSÄNGERIN

ROSA

SILBER fand 1 9 4 0

neue

Besitzer. Das Ehepaar Stanley Resor, mit Wohnsitzen in N e w Canaan, N e w York und Washington, kauften das Bild bei Curt Valentin und gaben es 1 9 5 4 an ihren Sohn Stanley Resor jr. weiter. Dieser schenkte es 1 9 5 5 dem Museum of Modern Art in N e w York, w o es heute - wie seinerzeit in der Nationalgalerie - gemeinsam mit der Z W I T S C H E R - M A S C H I N E u n d DER A N G L E R h ä n g t . 6 9 F ü r den K a t a l o g der A u s -

stellung Paul Klees von 1 9 4 0 verfaßten Julia und Lyonel Feininger einen Beitrag und beschrieben dort ihre Erinnerungen an Besuche beim befreundeten Maler: »One never could pass Klee's house in the evening without hearing the sounds of music. Klee practising on his violin - or playing with Frau Klee at the piano or with some friends in a trio or quartet. [...] Music was a fundamental necessity to Klee. Although he had been trained in the classical tradition and his deepest love belonged to Bach and Mozart - yet later composers [...] were not excluded. [...] His acceptance of music might be said to be universal.« 7 0 So gesehen hätte es Klee gefreut, daß gleich mehrere Komponisten des 20. Jahrhunderts seine Arbeiten als Inspiration für ihre Musik genutzt haben. Giselher Klebe hat sich 1 9 5 0 zu einer musikalischen Metamorphose anregen lassen, die er DIE ZWITSCHER-MASCHINE nannte. Sie übernahm »gleich in den ersten Takten, den Sechzehnteln und den Pausen, das genetische Aufbaugesetz Klees«." 1 Eine HOMMAGE Ä KLEE des Komponisten Sandor Veresz wurde 1 9 5 1 in Bern uraufgeführt. U n d auch DAS V O K A L T U C H

DER K A M M E R S Ä N G E R I N

ROSA

SILBER

wurde musikalisch verewigt: 1 9 5 0 schrieb Hans Werner Henze im Auftrage von RIAS Berlin seine Ballettszenen, die seit ihrer Revidierung von Anfang der neunziger Jahre heute den offiziellen Titel DAS VOKALTUCH DER KAMMERSÄNGERIN ROSA

SILBER -

EXERCISE MIT STRAWINSKY, BALLETTMUSIK

ÜBER EIN

BILD

VON PAUL KLEE trägt. Seine Komposition w a r laut Henze eine Hommage an die »Originalität der Titelfindung für seine Werke« und »den faszinierenden Charme des kleeschen CEuvres«. 71

192 _ Tiedemann

1 Vgl. Anita Beloubek-Hammer: Paul Klee und Berlin, in: Paul Klee. Späte Werkfolgen aus der Paul-KleeStiftung im Kunstmuseum Bern, Ausstellungskatalog, Kupferstichkabinett, Berlin 1 9 9 7 , S. 1 2 1 - 1 3 3 , S. 1 2 4 . 2 Vgl. Annegret Janda: Paul Klee und die Nationalgalerie 1919-193·/, in: Staatliche Kunstsammlungen Dresden u. Verband bildender Künstler der D D R (Hrsg.): Paul Klee. Vorträge der ivissenschaftlichen Konferenz in Dresden, 19. und 20. Dezember 1984, Dresden u. Berlin 1 9 8 6 , S. 4 6 - 5 1 , S. 46. 3 Vgl. Stephanie Barron (Hrsg.): »Entartete Kunst«. Das Schicksal der Avantgarde im Nazi-Deutschland, Ausstellungskatalog, Los Angeles County Museum of Art / Art Institute, Chicago / National Gallery of Art, Washington / Altes Museum, Berlin 1 9 9 1 - 1 9 9 2 . , S. 279. 4 Vgl. Christine Hopfengart: Klee. Vom Sonderfall zum Publikumsliebling. Stationen seiner öffentlichen Resonanz in Deutschland 1905-1960, Mainz 1 9 8 9 , S. 52; zu seinen Ausstellungen in privaten Galerien und Kunstvereinen vgl. auch Christian Rümelin: Klee und der Kunsthandel, in: Oskar Bätschmann u.Josef Helfenstein (Hrsg.): Paul Klee. Kunst und Karriere. Beiträge des internationalen Symposiums in Bern, Bern 2000, S. 2 7 - 3 7 . 5 Vgl. Telegramm von Paul Klee an die Nationalgalerie, 4. August 1 9 2 3 : »vorgemerkte 4 bilder zusammen 40 millionen bei umgehender Zahlung von 3 4 , 5 « , Berlin, Zentralarchiv der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, Akte I/NG 468, Bl. 3 7 8 . Zunächst waren 5,5 Millionen Reichsmark vereinbart gewesen, die Klee wegen der extremen Inflation aber sehr schnell nicht mehr genug waren. Die umgehende Zahlung von 34,5 Millionen Reichsmark entspricht der Differenz von 5,5 zu 4 0 Millionen; vgl. ibid., Bl. 3 7 3 . 6 Bezeichnet ursprünglich auf dem Karton unten Mitte: » 1 9 2 2 / 1 2 6 Das Vokaltuch der Kammersängerin Rosa Silber«; unten links mit Bleistift: » 3 « , der Karton wurde unter Verlust der Bezeichnung beschnitten; vgl. Paul Klee. Catalogue raisonne, Bd. 3 (hrsg. v. d. PaulKlee-Stiftung, Kunstmuseum Bern), Bern 1 9 9 9 , S. 4 2 7 . 7 Vgl. Josef He Ifen stein: Anticipating a Great Market: Klee and America, 1930-1933, in: id. u. Elisabeth Hutton Turner (Hrsg.): Klee and America, Ausstellungskatalog, Neue Galerie, New York / Phillips Collection, Washington / Menil Collection, Houston 2 0 0 6 - 2 0 0 7 , S. 1 3 8 - 1 5 7 , S. 1 4 4 . 6 Ludwigjusti: Von Corinth bis Klee, Berlin 1 9 3 1 , S. 1 9 3 . 9 Ibid., S. 1 9 5 ; zum geheimnisvollen Bildtitel vgl. auch Philippe Comte: Paul Klee, Genf u. Paris 1 9 8 9 , S. 1 0 1 : »[...] we can imagine that the singer always wore a scarf around her neck or held a handkerchief that she fiddled with while singing«.

10 Will Grohmann: Paul Klee, Stuttgart 1 9 5 4 , S. 47. 11 Vgl. Κ. Porter Aichele: Paul Klee's und Variations, in: The Art Bulletin 466, S. 4 5 9 .

Operatic Themes 68/1986, S. 4 5 0 -

12 Justi 1 9 3 1 , S. 1 9 5 . 13 Ibid. 14 Vgl. Marianne Vogel: Zwischen Wort und Bild. Das schriftliche Werk Paul Klees und die Rolle der Sprache in seinem Denken und in seiner Kunst, Phil. Diss., Universität Leiden 1 9 9 2 , S. 1 2 2 f. 15 Christina Kröll: Die Bildtitel Paul Klees. Eine Studie zur Beziehung von Bild und Sprache in der Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts, Phil. Diss., Universität Bonn 1 9 6 8 , S. 1 0 3 . 16 Grohmann 1 9 5 4 , S. 8 1 . 17 Nello Ponente: Klee. Genf i 9 6 0 , S. 7 3 .

Biographisch-kritische

Studie,

1B Bereits 1 9 3 2 hatte die Neuordnung des Kronprinzen-Palais heftige Kritik ausgelöst; vgl. Janda 1 9 8 6 , S. 49. 19 Vgl. ibid., S. 50. 20 Zu den Vorgängen vgl. Annegret Janda (Hrsg.): Das Schicksal einer Sammlung. Aufbau und Zerstörung der neuen Abteilung der Nationalgalerie im ehemaligen Kronprinzen-Palais Unter den Linden 1918-1945, Berlin 1 9 8 8 . 21 Vgl. Annegret Janda: Die Gemälde Expressionisten im ehemaligen ibid., S. 2 2 - 8 7 , S. 7 4 .

und Bildwerke der Kronprinzen-Palais,

22 Brief des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an den Direktor der Nationalgalerie, 28. Oktober 1 9 3 6 , Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, Akte I/NG 0866, Bl. 6. 23 Vgl. Barron 1 9 9 1 - 1 9 9 2 , S. 283 f. 24 Vgl. ibid. Die beschlagnahmten Bilder aus deutschen Museen waren inventarisiert worden. Die Liste endete mit der Nummer 1 6 5 5 8 . Die neuere Forschung geht jedoch davon aus, daß bis zu 20.000 Werke aus 1 0 1 Museen und Sammlungen konfisziert worden sind. 25 Anonym, in: Entartete Berlin 1 9 3 7 , S. 25. 26 Vgl. Janda 1 9 8 6 , S. 50.

Kunst,

Ausstellungsbroschüre,

A u f d e m W e g in e i n f r e i e s L a n d _ 1 9 3

27 Vgl. J a n d a 1 9 8 6 , S. 50 f. Als einziges Bild von Klee

und Hüneke einräumte, daß Buchholz sich verschie-

blieb BLUMENFRESSER von 1 9 2 7 in der National-

dentlich an Ereignisse aus den dreißiger Jahren nicht

galerie; dieses Werk wurde zwar in einer Liste auslän-

erinnert habe, darf die briefliche Schilderung als authen-

discher Künstler als »nicht einwandfrei«

tisch angenommen werden.

bezeichnet,

schließlich aber nicht sichergestellt. Am 2 0 . M a i 1 9 4 4 wurde es mit anderen Bildern in den Flakbunker Friedrichshain verbracht, wo es 1 9 4 5 verlorengegangen ist.

37 Josefine Gabler: » Vor allem sich durch

die Ausstellung

und Kunsthandlung 28 Die Arbeit der »Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst« kann im Berliner

Bundes-

aber, er hat keine zu schaden«

Karl Buchholz

Angst,

- Die

Buchin: An-

in Berlin,

gela Lammert, Gudrun Schmidt u. Inge Zimmermann (Hrsg.): Ateliergemeinschaft

1933-1945 -

Klosterstraße

Ausstel-

archiv unter der Akte R 5 5 / 2 1 0 2 0 anhand der über-

Künstler

lieferten Sitzungsprotokolle und Korrespondenz nach-

lungskatalog, Akademie der Künste, Berlin, 1 9 9 4 , Ber-

vollzogen werden.

lin 1 9 9 4 , S. 8 4 - 9 5 , S. 84. Diese Ausstellung ist in der

in der Zeit des Nationalsozialismus,

Biographie von Godula Buchholz nicht 29 R o b e r t

Scholz:

Kulturwacbt

Kunstgötzen

stürzen,

in:

Deutsche

vgl. Buchholz 2 0 0 5 , S. 4 2 .



10/1933,

30 Vgl. Brief von Karl Buchholz an das Reichsministerium

3Θ Vgl. Camilla Blechen: Arkadische

Diaspora.

für Volksaufklärung und Propaganda, 1 0 . M a i 1 9 3 9 ,

Sturm der Zeit: »Ateliergemeinschaft

Berlin, Bundesarchiv, Akte R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 5. »Ver-

Frankfurter

wertbare«

Kunstobjekte

aufgeführt.

D o r t beginnt die Autorin mit der zweiten Ausstellung;

gingen nach

Allgemeine

Zeitung,

Gegen

den

Klosterstraße«,

in:

25. August 1 9 9 4 , S . 2 3 .

Schönhausen,

nicht »verwertbare« in die Köpeniker Straße in Berlin.

39 Vgl. Nicolaus Sombart: Jugend

in Berlin

1933-1943.

M ü n c h e n 1 9 9 1 , S. 2 0 6 .

Ein Bericht, 31 Brief von Karl Buchholz an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 4. März 1 9 3 9 , ibid., Bl. 89.

40 M a r i a n n e d'Hooghe: Mitbetroffen,

Darmstadt

1969,

S. 90. Marianne d ' H o o g h e , geb. Wagner, war von 1934

32 Eine ausführliche Biographie sowie Einblick in das

bis

1937

Mitarbeiterin in der

Buchhandlung

Buchholz, nach ihrer Heirat mit R o b e r t

d'Hooghe

Geschäftsleben von Karl Buchholz ( 1 9 0 1 - 1 9 9 2 ) liefert

im Frühsommer 1 9 3 7 macht sie sich in Darmstadt

Godula Buchholz: Karl

als Buchhändlerin selbstständig; vgl. Buchholz 2 0 0 5 ,

händler

Buchbolz.

im 10. Jahrhundert,

Buch-

und

Kunst-

Köln 2 0 0 5 .

S.48.

33 Aktennotiz, 1 7 . September 1 9 3 8 , Berlin, Bundesarchiv,

41 Vgl. Brief von Karl Buchholz an das Reichsministerium

R K / R S K II, Personal- und Sachakten A - Z , Archivnum-

für Volksaufklärung und Propaganda, 8. August 1 9 3 8 , Berlin, Bundesarchiv, Akte R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 4 4 . An-

mer 2 1 0 1 0 / 1 6 / 1 1 7 , Bl. 2 1 4 2 .

dreas Hüneke berichtet, Buchholz hätte offenbar ver34 Das Leben von Curt Valentin ( 1 9 0 2 - 1 9 5 4 ) ist wissenschaftlich

nur wenig erforscht. Seine Tätigkeit

Kunsthändler dokumentieren die Curt Valentin

als

Papers

im Archiv des Museum o f M o d e r n Art, N e w York, und die Catalogues Valentin,

1929-1948

of Exhibitions

organized

by

Curt

in den Archives o f American Art

(AAA), Washington (Microfilm 5 7 4 2 ) . Private Dokumente finden sich unter anderem in den Jane Wade Papers,

1903-1971,

die ebenfalls in den AAA zu finden

drängt, daß die Initiative von ihm ausgegangen sei und würde nun behaupten, in die Geschäfte hineingezogen worden zu sein; überhaupt habe er sie nur am Rande erledigt, die Vorgänge bei der Verwertung »entarteter« Kunst seien nur eine Episode gewesen. Er vermutet, Buchholz habe am Ende seines Lebens diesen Ereignissen nicht den Stellenwert eingeräumt, der ihnen historisch zukam, und habe andere Dinge ganz einfach vergessen; vgl. Hüneke 1 9 9 1 , S. 54.

sind (Microfilm Nr. 2 3 2 2 ) . 42 Brief von Karl Buchholz an das 35 Andreas Hüneke: Einer Karl Buchholz·,

Legende

in: Bildende

Kunst

Reichsministerium

bei

für Volksaufklärung und Propaganda, 1 4 . November

3 9 / 1 9 9 1 , S. 5 4 - 5 5 ,

1 9 3 8 , Berlin, Bundesarchiv, Akte R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 4 5 f.

begegnen.

Besuch

S. 54· 43 Brief von Karl Buchholz an das 36 Buchholz 2 0 0 5 , S. 40. Die Quelle gibt nicht den ganzen Brief wieder. Godula Buchholz teilte am 7. Juli 2 0 0 6 in

für Volksaufklärung

und

Reichsministerium

Propaganda,

24. Novem-

ber 1 9 3 8 , ibid., Bl. 5 3 .

einem Telefonat ergänzend mit, daß ihr Vater handschriftliche Entwürfe seiner Sekretärin zur Abschrift vorzulegen pflegte. Der hier angeführte Entwurf war

44 Vgl. Andreas Hüneke: Bilanzen »Entarteten

Kunst«,

im Zuge des Nachlaß-Prozesses an die Geschwister

(Hrsg.): Überbrückt.

von Curt Valentin, respektive deren Nachlaßverwalter

nalsozialismus.

gerichtet. Da der Brief deutlich früheren D a t u m s ist

1937,

der » Verwertung«

der

in: Eugen Blume u. Dieter Scholz Ästhetische

Kunsthistoriker

Köln 1 9 9 9 , S. 2 6 7 .

Moderne und

und

Künstler

Natio1925-

t94 _ Tiedemann

45 Für einen umfangreichen Verkauf von Werken Edvard Münchs an den Kunsthändler Halvorsen aus Oslo bekam Buchholz nur fünf Prozent; vgl. Berlin, Bundesarchiv, Akte R 5 5 / 1 1 0 1 7 , Bl. 80.

56 Brief von Karl Buchholz an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 31. Januar 1 9 4 0 , ibid., Bl. 1 1 0 . 57 Scheckeinreichung, ibid., Bl. 206.

46 Brief von Karl Buchholz an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 18.Januar 1 9 3 9 , ibid., Bl. 80. 47 Vgl. Aufstellung des Propagandaministeriums, ohne Datum, ibid., Bl. 1 6 4 . 48 Brief von Karl Buchholz an Rolf Hetsch, 2. November 1 9 4 2 , ibid., Bl. 92. 49 Brief von Karl Buchholz an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 4. Marz 1 9 3 9 , ibid., Bl. 89. 50 Zu weiterführenden Informationen über die Vermittlung von 2 1 Kunstwerken an das Basier Kunstmuseum vgl. Georg Kreis: »Entartete« Kunst für Basel. Die Herausforderung von τ939, Basel 1990. 51 Gebot eines amerikanischen Museums, Anlage zum Brief, 4.März 1 9 3 9 , Berlin, Bundesarchiv, Akte R 55/ 2 1 0 1 7 , Bl. 90. In vielen Fällen wurden die Werke nicht mit ihrer korrekten Bezeichnung wiedergegeben, was die Zuordnung schwierig macht. In diesem Fall wurde das Bild »Vokaltuch der Sängerin« genannt. 52 Das Vokaltuch fälschlich als Ölgemälde zu bezeichen, mag seinen Grund darin haben, daß in der Literatur dieser Fehler vorgeprägt wurde. So findet sich beispielsweise in einem zeitgenössischen Lexikonartikel der Hinweis, daß es sich um eine »Olstudie« handle; vgl. Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, begr. v. Ulrich Thieme u. Felix Becker, Bd. 20, Leipzig 1 9 2 7 , S. 4 2 5 , s. v. »Klee, Paul« (L. Scheewe). Hingegen gibt das Bestandsverzeichnis der Nationalgalerie von 1928 kaum Auskunft zum Material, sondern nennt außer Titel, Künstler, Jahr und Maßen nur die Bestandsnummer (1550) und gibt an, daß es sich um »Leinwand« handelt; vgl. anonym: Verzeichnis der Gemälde und Bildwerke in der National-Galerie zu Berlin, Berlin 1 9 2 8 , s.59· 53 Brief von Karl Buchholz an das Reichsministerium für Volk saufklärung und Propaganda, 20. Mai 1 9 3 9 , Berlin, Bundesarchiv, Akte R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 5. 54 Brief von Karl Buchholz an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 11. November 1 9 3 9 , ibid., Bl. 1 0 5 . 55 Brief von Karl Buchholz an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 8. Dezember 1 9 3 9 , ibid., Bl. 104.

58 Brief von Karl Buchholz an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 5. Februar 1 9 4 0 , ibid., Bl. 207. 59 Brief von Karl Buchholz an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 8. April 1 9 4 0 , ibid., Bl. 288. 60 Brief der Reichskammer der bildenden Künste an Karl Buchholz, 2. Dezember 1 9 4 2 , Berlin, Bundesarchiv, RK/RSK II, Personal- und Sachakten A - Z , Archivnummer 2 1 0 1 / 1 6 1 / 1 7 , Bl. 2 1 7 8 f. 61 Ibid., Bl. 2 1 4 0 . 62 Brief von Karl Buchholz an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 1 7 . April 1 9 3 9 , Berlin, Bundesarchiv, Akte R 5 5 / 2 1 0 1 7 , Bl. 1 7 8 . 63 Ibid. 64 Brief von Curt Valentin an Karl Buchholz, 9. Juni 1 9 3 9 , Denklingen, Karl Buchholz Archiv. 65 Brief von Curt Valentin an Lily Klee, 1 7 . März T939, Curt Valentin Archive, Museum of Modern Art, New York, CV Papers III. A. »Klee«. Es handelt sich hierbei um eine Kopie des Briefes, das Original befindet sich in der Klee-Stiftung in Bern. 66 Brief von Lily Klee an Curt Valentin, 14. März 1 9 4 0 , ibid. 67 Jeannette Lowe: Of the Mortal Klee: Memorial View of the 'Wittiest Surrealist, in: Art News 39/1940, S. 1 2 u. S. 1 5 - 1 6 ; hier zitiert nach Lanchner 1 9 8 7 , S. 1 0 1 f. 68 Vgl. Paul Klee, Ausstellungskatalog, Buchholz Gallery Curt Valentin / Willard Gallery Marian Willard, New York 1 9 4 0 , o. S. 69 Vgl. http://www.moma.org/collection/provenance/ items/i3.55.html (20.August 2008). Die Provenienz des vierten Bildes, M O N D

Ü B E R DER S T A D T , das Justi

1 9 2 3 für die Nationalgalerie kaufte, ist hingegen anders verlaufen. Valentins Ausstellungskatalog von 1 9 4 0 nennt als neuen Besitzer Herman Shulman, New York; danach folgen »Diamond (bis 1 9 7 2 ) ; Berggruen & Cie, Paris ( 1 9 7 2 - 1 9 7 3 ) ; Galerie Tarica, Genf / Paris; Marlborough Fine Art Ltd., London« (Paul Klee. Catalogue raisonne 1999, S. 367). Das Gemälde ist heute Teil einer Privatsammlung.

Auf d e m W e g in ein f r e i e s Land . 1 9 5

70 Julia und Lyonel Feininger: Personal Recollections of Paul Klee> in: Paul Klee, Ausstellungskatalog, Buchholz Gallery Curt Valentin / Willard Gallery Marian Willard, New York 1940, o. S. 71 Grohmann 1 9 5 4 , S. 200.

72 Gespräch zwischen Hans Werner Henze und Peter Ruzicka, Oktober 2003, in: Hans Werner Henze: Boulevard solitude (Zwischenspiel) und weitere Orchesterwerke, Beiheft zur CD, Mainz 2004, S. 5.

Ein künstlerisches Vermächtnis Verfemung und Rettung von Lovis Corinths »Ecce Homo« Esther

Tisa

EIN S C H L Ü S S E L B I L D U N D S E I N E P R O V E N I E N Z

Das Gemälde ECCE HOMO ist eines der letzten Werke von Lovis Corinth und zugleich sein künstlerisches Vermächtnis (Färbt. I). Dieses großformatige Bild wurde während der Aktion »Entartete Kunst« 1 9 3 9 in die Schweiz verkauft und somit vor weiterer Verfemung und Vernichtung gerettet. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, daß das Gemälde heute zu den bekanntesten Werken »entarteter« Kunst zählt: die Abhängung des Bildes 1 9 3 6 in der Nationalgalerie Berlin, seine Beschlagnahme, seine Präsentation im Rahmen der Ausstellung ENTARTETE KUNST in München 1 9 3 7 und ganz besonders die dortige fotografische Aufnahme und deren Wiedergabe in der einschlägigen Literatur sowie die spektakuläre Veräußerung des Gemäldes nach Basel. Durch all diese Ereignisse wurde das Bild weltweit rezipiert und konnte so seinen Bekanntheitsgrad entwickeln. Der vorliegende Beitrag untersucht den Ankauf des ECCE HOMO von Lovis Corinth durch das Kunstmuseum Basel 1 9 3 9 . 1 Dabei werden einerseits die Vorgänge rund um die Aktion »Entartete Kunst« im »Dritten Reich« beleuchtet, andererseits die Umstände dargelegt, die in Basel zu diesem Ankauf direkt aus den Berliner Depotbeständen der verfemten Kunst führten. Die Entscheidungsfindung

Francin

198 _ Tisa Francini

und Motivation des Direktors des Kunstmuseums Georg Schmidt sowie die Rolle der Vermittler Karl Buchholz und Eduard von der Heydt, die im Vorfeld zum Ankauf beigetragen haben, werden erläutert. Die Stellung des gesamten Werkes von Corinth sowie spezifisch des ECCE HOMO in der damaligen Kunstkritik vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg bildet ebenfalls einen Gegenstand der Analyse. Da das künstlerische und private Leben des Malers eng mit demjenigen seiner Frau zusammenhing, der Malerin Charlotte Berend-Corinth, soll hier ebenfalls die wichtige Deponierung der Werke von Corinth durch dessen Witwe anfang 1 9 3 3 in der Schweiz und die anschließende Überführung der Sammlung in die Vereinigten Staaten dargestellt werden. Dies ist insbesondere bemerkenswert, da BerendCorinth ihre eigenen Werke in Deutschland gelassen hat, die in der Folge mehrheitlich durch Kriegseinwirkungen verloren gingen. 2 Schließlich geht es um die Stellung des Schweizer Kunstmarktes und der dortigen Museumslandschaft während der Wirren des Nationalsozialismus und damit um die »Verlagerung« und den Verkauf von Kunstbeständen, speziell der »entarteten« Kunst, aus Deutschland in die Schweiz. Zeitgenössische Literatur sowie spätere Studien zur »entarteten« Kunst und Corinth wurden konsultiert. Es scheint, daß diesem bedeutenden deutschen Künstler im Zusammenhang mit seinem verfemten Spätwerk und dessen Schicksal während des Nationalsozialismus bisher keine Untersuchung gewidmet wurde. Speziell zur Rezeption äußern sich hingegen Carla Schulz-Hoffmann, Walter Stephan L a u x sowie Kurt Winkler. 3 Interessant ist auch der monographische Beitrag von Maria M a k e l a im S a m m e l b a n d NEW W O R L D S . G E R M A N A N D A U S T R I A N ART

1890-

1 9 4 0 . 4 Um den Ankauf des ECCE HOMO genauer zu beleuchten, wurden zudem Akten im Kunstmuseum Basel, im Kunsthaus Zürich, im Bundesarchiv Bern und im Zentralarchiv der Staatlichen Museen Berlin hinzugezogen. Die Provenienz des Gemäldes ist schnell erzählt. Das Bild wurde 192.5 von Corinth in seinem letzten Lebensjahr gemalt, 1 9 2 9 durch die Nationalgalerie in Berlin unter der Leitung von Ludwig Justi direkt von der Witwe des Künstlers für 50.000 M a r k erworben, am 7. Juli 1 9 3 7 aus dem Depot beschlagnahmt, w o es seit der Schließung des Kronprinzenpalais am 30. Oktober 1 9 3 6 lag, drei Tage später nach München verbracht und dort in der Ausstellung ENTARTETE KUNST 1 9 3 7 gezeigt. 5 Bereits drei Tage nach Eröffnung der Ausstellung wurden die Räume V I und VII - in ersterem hingen die Arbeiten von Corinth - zwecks Ab- und Umhängung wieder geschlossen. Sehr wahrscheinlich wurden Corinths Werke nach dieser abrupten Umgruppierung nicht mehr gezeigt, w o f ü r jedoch kein endgültiger Beleg angeführt werden kann. 6 Auch ging Corinths Gemälde nicht auf die Wanderausstellung ENTARTETE KUNST, die 1 9 3 8 in Berlin startete. In diesem J a h r wurde der ECCE HOMO als »international verwertbar« (Schätzwert 20.000 Reichsmark)

Ein k ü n s t l e r i s c h e s V e r m ä c h t n i s _ 1 9 9

02

Unbekannter

Fotograf, LOVIS C O R I N T H S

"KCCI.

HOMO-

IM S C H L O S S

S C H O N H A I / S ! Ν IM Ι

BIRIIN.

Herlin, Sra.irlichc M u s e e n P r e u ß i s c h e r k u l r u r b e s i r / . Z e n r r . i h r r e h i v

eingestuft und nach Berlin ins Schloß Schönhausen transportiert (Abb.

6 A m

1 4 . Juli r 9 3 9 w u r d e es durch Vermittlung von Karl Buchholz an das K u n s t m u s e u m Basel für 8 . 0 0 0 Schweizer Franken v e r k a u f t , w o es seitdem hängt. D a s Bild durchlief also nach seiner Entstehung drei Besitzänderungen: Der Verkauf durch die Witwe

1 9 1 9 an die N a t i o n a l g a l e r i e , Beschlagnahme durch das Deutsche Reich

J 9 5 7 sowie der E r w e r b durch das K u n s t m u s e u m Basel 1 9 3 9 aus dem Bestand der zu verwertenden Bilder der »entarteten« Kunst.

MMM D I E E R W E R B U N G DES » E C C E H O M O « D U R C H DAS K U N S T M U S E U M

BASKL

A m 1 4 . Juli 1 9 3 9 k a u f t e G e o r g Schmidt das G e m ä l d e im A u f t r a g der K u n s t k o m mission des K u n s t m u s e u m s Basel sowie der Basler Regierung, jedoch ursprünglich aus

Eigeninitiative

handelnd, direkt aus Berlin

zusammen

mit neun

anderen

200_Tisa

Francini

Werken von Lovis Corinth. 8 Später kamen noch drei weitere Gemälde aus Berlin dazu, nachdem man andere Angebote abgelehnt hatte. 9 Z u v o r hatte Schmidt in Luzern auf der Auktion der Galerie Fischer am 30. Juni 1 9 3 9 , bei der 1 2 5 ausgewählte Werke aus dem Bestand der als »entartet« beschlagnahmten Kunst versteigert wurden, bereits acht Werke erworben. 1 0 Insgesamt also wurde der ECCE HOMO zusammen mit zwanzig weiteren verfemten Werken für das Basler Museum angekauft. Der promovierte Geschichts- und Literaturwissenschaftler und erst später zur Kunst wechselnde Georg Schmidt w a r gut informiert: Obwohl erst seit dem i . M ä r z 1 9 3 9 Direktor der Öffentlichen Kunstsammlung Basel - nach einer umstrittenen Wahl - , nutzte er sein Wissen, das er sich als Kunstkritiker der Basler Ν ΆΤΙ Ο Ν AL-ZEITUNG von 1 9 2 1 bis 1 9 3 8 und als Mitglied der Kommission des Basler Kunstvereins 1 9 2 3 bis 1 9 3 7 angeeignet hatte. Es sei »Zufall und unerhörtes Glück« gewesen, daß bei seinem Amtsantritt bereits die Liste der bei Theodor Fischer zu versteigernden Werke auf seinem Tisch lag. 1 1 Schmidt studierte den Luzerner Auktionskatalog und kam zu dem Schluß, daß zahlreiche wichtige Werke dort gar nicht unter den Hammer kamen, sondern in Berlin sein müßten. 1 1 An Pfingsten 1 9 3 9 , also Ende M a i , fuhr er nach Berlin und prüfte die Werke: »Aber die Luzerner Auslese ist ziemlich zufällig und oft ohne grosse Sachkenntnis. Darum habe ich mich um Zutritt zu den noch in Berlin befindlichen Werken bemüht. [...] In mehreren Sichtungen habe ich eine weitere und eine engere Auswahl getroffen und habe Preise festgelegt zur Vorlage an das zuständige Ministerium. Im Ganzen muß man sagen: Berlin bietet eine grossartige und unbedingt notwendige Ergänzung zu Luzern. Berlin und Luzern zusammen sind eine wahrhaft einmalige Gelegenheit, den ganzen Komplex der deutschen Expressionisten in ausgesuchten Museumsstücken für uns ein für allemal zu erledigen!«' 3 Schmidt hatte sofort erkannt, daß sich dem Museum eine nicht wiederkehrende Chance bot, »seit Jahrzehnten Versäumtes mit einem Schlag nachzuholen«. Die erworbenen Werke wurden zwar später »von Vielen als Störenfriede« empfunden, sie waren jedoch »der Durchbruch zur Kunst der Gegenwart im Basler M u s e u m « . 1 4 Der ursprünglich für diese Erwerbungen vom Kunstmuseum beantragte Sonderkredit von 1 0 0 . 0 0 0 Schweizer Franken wurde von der Regierung

halbiert. 1 5

Schmidt verfügte damit über 2 5 . 0 0 0 Franken für direkte Einkäufe in Berlin und über 2 5 . 0 0 0 Franken für die Versteigerung in Luzern. 1 6 Georg Schmidt standen für diese Erwerbungen wichtige Vermittler zur Seite: Im April 1 9 3 9 hatte sich Karl Buchholz bei ihm gemeldet und ihm seine kunst-

Ein k ü n s t l e r i s c h e s V e r m ä c h t n i s _ 2 0 1

händlerischen Dienste angeboten.' 7 Er hatte von Baron Eduard von der Heydt in Ascona erfahren, daß sich Schmidt mit dem Gedanken trage, ausgesonderte Werke der »entarteten« Kunst für Basel zu erwerben.' 8 Wo die Informationen genau gehandelt wurden, ist nur schwer zu rekonstruieren.' 5 Fest steht, daß von der Heydt, Leihgeber und Vertrauensmann des Museums, selbst mehrere Werke im Kunstmuseum Basel deponiert hatte und sowohl mit Schmidt wie auch mit dessen Vorgänger Otto Fischer in engem Briefverkehr stand. Er hatte nicht nur in Basel und in der übrigen Schweiz, sondern unter anderem auch in der Berliner Nationalgalerie Leihgaben deponiert. Von der Aktion »Entartete Kunst« selbst indirekt betroffen, wußte er sehr wahrscheinlich bestens über diese Vorgänge Bescheid. Paul Ortwin Rave, der seit 1 9 2 2 an der Nationalgalerie arbeitete und von 1 9 3 7 bis 1 9 5 0 deren Leiter war, schrieb am 1 1 . September 1 9 3 9 an von der Heydt in Bezug auf den Verkauf aus dem Bestand der beschlagnahmten Werke: »Zunächst darf ich Ihnen mitteilen, daß der Verkauf der Bilder entarteter Kunst aus dem Besitz des Vereins der Freunde der National-Galerie an den Buch- und Kunsthändler Buchholz in der erwünschten und von Ihnen geeignet gefundenen Weise durchgeführt worden ist. 8000 M a r k sind bereits überwiesen, den Rest versprach Herr Buchholz in der nächsten Zeit anweisen zu wollen.« 2 0 Wahrscheinlich handelt es sich um die von Buchholz verkauften, ursprünglich aus der Nationalgalerie beschlagnahmten Werke, nämlich um Gemälde von Braque, Feininger, Munch und Picasso sowie die Aquarelle von Rohlfs, die alle von 1 9 3 7 bis M a i 1 9 3 9 in der August-Thyssen-Bank Berlin, in deren Aufsichtsrat von der Heydt saß, deponiert worden waren. Rave, Buchholz und von der Heydt standen also in engem Kontakt. 2 1 Georg Schmidt schrieb in einem Referenzbrief an MarieLouise Buchholz vom M a i 1 9 4 7 deren Ehemann folgende Rolle für die Basler Erwerbungen zu: »Unvergessen ist mir das Verhalten Ihres Mannes anläßlich unseres Ankaufs von Hauptwerken der >Entarteten Kunst< in Berlin im Jahre 1 9 3 9 . Allein seiner unermüdlichen, gesinnungsstarken, tapferen Hilfe ist es zu verdanken, daß diese Bilder von uns gekauft und damit vor dem Zerstörtwerden gerettet werden konnten. Es handelte sich nicht nur um deutsche Künstler (Corinth, M a r c , Schrimpf, Beckmann, Nolde, Paula Modersohn), sondern auch um den Österreicher Kokoschka (der heute englischer Staatsangehöriger ist) und um den Franzosen Derain.« 2 2

2 0 2 . Tisa Francini

Schmidt w a r sich der Zwiespältigkeit seiner Ankäufe durchaus bewußt. Jedoch vertrat er die in der Literatur mittlerweile viel zitierte Meinung, daß »ein Tausch von ewigem Kulturgut gegen rasch veraltende Kanonen in jedem Fall gerechtfertigt sei«. 23 Für Schmidt stand das Politische stets hinter der Kunst zurück. Deshalb w a r es für ihn keine Frage, daß, nachdem die deutschen Museen gezwungen waren, ihre Kulturaufgabe preiszugeben, die Schweiz, Basel und »sein« Kunstmuseum zum natürlichen Erben dieser Aufgabe wurden: »Das in der Geschichte der Kunst wohl erstmalige Ereignis, daß eine ganze Kunstrichtung aus sämtlichen Museen eines Landes ausgeschrieben worden ist, hat uns nun aber die größere Verpflichtung auferlegt, dieser Kunst überhaupt eine neue Heimat zu bereiten und die ihr zukommende Stimme im Konzert der europäischen Künste wieder zum Gehör zu bringen, und hat uns zugleich die Möglichkeit gegeben, diese Kunst in einer Vollständigkeit und in einer Großartigkeit zu erwerben, wie wir das in normalen Zeiten nie hätten erträumen dürfen.« 2,4 Die Erwerbungen der »entarteten« Kunst durch Basel haben sowohl das Eidgenössische Departement des Innern wie auch die Schweizerische Verrechnungsstelle, das Pendant zur Deutschen Verrechnungskasse, unterstützt, indem sie die Transaktion vom Clearing, das heißt vom staatlich regulierten Verrechnungsverfahren, befreit haben. 2 5 Z u v o r w a r auch der Galerie Fischer die von Deutschland zur Bedingung gemachte Bezahlung in freien Devisen bewilligt worden. Dem Eidgenössischen Departement des Innern war für diese Befreiung unerläßlich, daß es sich um Werke von hoher künstlerischer Qualität handelte, die eine Bereicherung des Schweizerischen Kunstbesitzes bedeuteten. 26 Was die Preisfrage betrifft, so profitierten die direkten Erwerbungen in Berlin von tieferen Preisen, wurden diese doch explizit vor den Luzerner Auktionsergebnissen festgelegt. Denn die Auktion sollte eine preissteigernde Funktion ausüben, so daß Georg Schmidt die Berliner Preise unbedingt vor dem 30. Juni 1 9 3 9 ausgemacht haben wollte, was ihm auch gelungen war. Zudem hatten sowohl die Verhandlungen mit Berlin wie auch die Preise vor Theodor Fischer streng geheim gehalten werden müssen. 27

DIE KONTROVERSE REZEPTION EINES KÜNSTLERS

Ende 1 9 1 1 erlitt Lovis Corinth einen Schlaganfall. Z w a r w a r von nun an sein Alltag von dessen Folgen überschattet, das Malen w a r jedoch davon ausgenommen.

Ein k ü n s t l e r i s c h e s V e r m ä c h t n i s _

D i e N a t i o n a l s o z i a l i s t e n n a h m e n den S c h l a g a n f a l l allerdings s p ä t e r als V o r w a n d , u m v o n e i n e m » k r a n k h a f t e n « M a l e n zu s p r e c h e n , u n d sie teilten sein W e r k dementsprechend in eine » g e s u n d e « und eine »entartete« S c h a f f e n s p h a s e ein. 1 9 0 1 hatte C o r i n t h seine spätere E h e f r a u k e n n e n g e l e r n t , C h a r l o t t e B e r e n d , die als erste Schülerin in seine M a l s c h u l e g e k o m m e n w a r . 2 8 Z w e i J a h r e später heirateten die beiden; 1 9 0 4 k a m der S o h n T h o m a s auf die Welt, 1 9 0 9 die T o c h t e r W i l h e l m i n e . C h a r l o t t e B e r e n d , die z u v o r rege als M a l e r i n tätig w a r , w a n d e l t e sich als E h e f r a u und M u t t e r v o n der M a l e r i n zur M u s e u n d z u m M o d e l l . 2 9 Ihre eigene künstlerische T ä t i g k e i t rückte d a m i t in den H i n t e r g r u n d , a u c h w e n n sie seit 1 9 0 6 r e g e l m ä ß i g ausstellte und 1911

M i t g l i e d der BERLINER

deren J u r y und V o r s t a n d .

30

S E Z E S S I O N w u r d e . S p ä t e r arbeitete sie a u c h in

C o r i n t h starb k u r z v o r seinem 6 7 . G e b u r t s t a g

am

1 7 . J u l i 1 9 2 5 auf einer R e i s e in Z a n d v o o r t , H o l l a n d . K n a p p f ü n f u n d z w a n z i g J a h r e w a r der M a l e r in Berlin tätig g e w e s e n , hatte in illustrer G e s e l l s c h a f t v e r k e h r t und w a r neben L i e b e r m a n n u n d Slevogt eine der f ü h r e n d e n Gestalten des dortigen kulturellen L e b e n s . 1931

ging T h o m a s C o r i n t h n a c h N e w

Y o r k , um d o r t

weiterzustudieren.

B e r e n d - C o r i n t h hielt sich seit 1 9 3 2 . viel in Italien a u f , pendelte j e d o c h stets nach Berlin. 1 9 3 7 z o g sie in die S c h w e i z , teilweise lebte sie in A s c o n a . K u r z v o r K r i e g s a n f a n g übersiedelte sie zu i h r e m S o h n in die U S A . 3 1 1 9 4 3 e r ö f f n e t e sie - w i e bereits 1 9 2 7 in Berlin - eine p r i v a t e M a l s c h u l e , die sie bis 1 9 5 5 in N e w Y o r k betrieb, w o sie 1 9 6 7 v e r s t a r b . C o r i n t h s Stellung in der deutschen M a l e r e i seiner Z e i t ist einzigartig, galt er doch vielfach als Außenseiter. Sein »faustisches« Wesen (Kurt W i n k l e r ) schied seit eh u n d je die Geister, B e f ü r w o r t e r und G e g n e r seines W e r k s standen sich stets gegenüber. A m 2 2 . A p r i l 1 9 3 3 schrieb L u d w i g J u s t i , der beim A n k a u f des E C C E HOMO 1 9 2 9 d e m M a l e r eigens einen A u s s t e l l u n g s r a u m zur V e r f ü g u n g stellte, über C o rinths R e z e p t i o n : » U n d w e l c h e Idioten s a g e n , d a ß seine K u n s t jüdisch f r a n z ö s i s c h sei? Ich s c h ä m e mich g e r a d e z u w e n n ich diesen Irrsinn h ö r e . K e i n deutscheres H e r z hat g e s c h l a g e n , als das v o n C o r i n t h . « 3 2 Z u e r s t C a r l a S c h u l z - H o f f m a n n und später a u c h K u r t W i n k l e r m a c h t e n drei Positionen in der C o r i n t h - R e z e p t i o n a u s , die sich j e d o c h alle u m dieselbe, a u c h v o n J u s t i a u f g e w o r f e n e F r a g e drehten: I n w i e f e r n ist C o r i n t h ein deutscher M a l e r ? Erstens g a b es das v ö l k i s c h e Lager, w e l c h e s C o r i n t h bereits v o r d e m

Ersten Weltkrieg a n f e i n d e t e u n d die ihn in die G r u p p e

der

» F r a n z o s e n - und I m p r e s s i o n i s t e n f r e u n d e « einreihte, zweitens die P e r s o n e n um K a r l Scheffler, die C o r i n t h als p r o b l e m a t i s c h und un-impressionistisch einstuften, und schließlich n o c h die » d e u t s c h - n a t i o n a l e « P o s i t i o n , die C o r i n t h als spezifisch deutschen M a l e r sehen w o l l t e . 3 3 D i e M e h r h e i t der deutschen K u n s t w e l t beurteilte ihn w e n i g e r als impressionistisch (also als f r a n z ö s i s c h ) denn als e x p r e s s i o n i s t i s c h (also als deutsch), w e s h a l b er f o r t a n als deutscher E x p r e s s i o n i s t zur A v a n t g a r d e gezählt

_ Tisa Francjni

wurde. Eigentlich aber gehörte er keiner Schule und ebenso dem 19. wie dem 20. Jahrhundert an. Eine Rezeption seiner Werke als »akademisch« wird ihm ebenso wenig gerecht wie diejenige, ihn als »deutsch« oder »undeutsch« hinzustellen. Weiter wurde Corinth immer wieder - mit sehr umstrittener Bezeichnung - als »Kraftnatur« beschrieben, so zum Beispiel in der Gedächtnisausstellung von 1958 zu seinem hundertsten Geburtstag. 34 Zeitgenössische karikaturistische Zuschreibungen bewegen sich zwischen »Metzgermeister« und »Pinselkraftmeier«. 35 Zum weiter unten beschriebenen Verdikt vom »Schlächtermeister« eines nationalsozialistischen Ideologen wie Alfred Rosenberg war es dann nicht mehr weit. Gustav Pauli bezeichnete die Vitalität Corinths als »deutsch«. Meier-Graefe hingegen ordnete Corinth in eine europäische Entwicklung ein und erkannte in ihm viele unterschiedliche Einflüsse. 36 Trotz der äußerst heterogenen und kontroversen Rezeption feierte Corinth die größten Erfolge zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Berlin. Zeugnis seines Ruhmes sind unter anderem seine 1923 von der Nationalgalerie veranstaltete Retrospektive mit 1 7 0 Bildern aus Privatbesitz, wie auch die denkwürdige, aber ebenso kritisierte Gedächtnisausstellung von 1926, ein Jahr nach dem Tod des Malers. 37 Später verschwand sein Werk aus den Ausstellungen, bis es wieder zu runden Todes- und Geburtstagsjubiläen hervorgeholt wurde und seit Ende des 20. Jahrhunderts wieder stärker rezipiert wird: »Denn während des Krieges und gleich danach, war Corinth als deutscher Maler kaum verkäuflich«, wie wir in den Erinnerungen der Tochter Wilhelmine nachlesen können. 38 Obwohl ein großer Teil des Werkes in den dreißiger Jahren nach New York gegangen ist, war die Rezeption Corinths auch in den USA zu Beginn noch sehr bescheiden. 3 '

»SEHET, WELCH EIN MENSCH«

Lovis Corinth malte sein Gemälde ECCE HOMO nach einer Skizze, die er zwölf Jahre zuvor angefertigt hatte (Abb. 6ß).4° Interessanterweise befindet sich auch dieses Aquarell heute in der Schweiz, nämlich in der bedeutenden Graphischen Sammlung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. 41 1 9 2 5 wiederholte er das Motiv zudem in einer Kaltnadelradierung. 4Z Wenige Tage bevor er das Ölbild begann, schrieb er am 3 1 . März 1 9 2 5 in sein Tagebuch: »Ein Neues habe ich gefunden: die wahre Kunst ist Unwirklichkeit üben. Das Höchste.« 43 Carla SchulzHoffmann sieht in diesem Ausspruch einen künstlerischen Anspruch im Sinne eines »l'art pour Part«.44 Das Werk ECCE HOMO wird aber auch - wie eingangs erwähnt als sein künstlerisches Vermächtnis betrachtet.45 Entsprechend bezeichnete Ludwig Justi das Werk »als das letzte Wort, das Corinth zu uns gesprochen hat«. Gleich-

Ein k ü n s t l e r i s c h e s V e r m ä c h t n i s _ 2 0 5

63

l o v i s Corinth, t o

t H O M O , i y i ; . Kreide und A q u a r e l l , 5 4 . 1 χ 1 5 . 5 tin.

Z ü r i c h , G r a p h i s c h e S a m m l u n g der Eidgenössischen Technischen

Hochschule

zeitig w a r es seit d e m A n k a u f 1 9 2 9 » M i t t e l s t ü c k u n s e r e r S a m m l u n g « , w i e e b e n f a l l s Justi vermerkte.46 D a s Bild e r z ä h l t v o m M o m e n t n a c h G e i ß e l u n g , D o r n e n k r ö n u n g u n d V e r s p o t t u n g , als J e s u s v o r d e m G e r i c h t s g e b ä u d e v o n P i l a t u s mit den W o r t e n » S e h e t , w e l c h ein M e n s c h « ( J o h . 1 9 , 4 - 5 ) z u r S c h a u gestellt w i r d . D a r a u f h i n f o r d e r n die H o h e n p r i e s t e r u n d K n e c h t e seine K r e u z i g u n g . In z w e i T a g e n w a r d i e H a u p t g e s t a l t g e m a l t , je einen T a g b e n ö t i g t e er f ü r die N e b e n f i g u r e n . 4

D i e drei K ü n s t l e r , die M o d e l l stan-

d e n - M i c h a e l G r u s e m a n n , P a u l P a e s c h k e u n d L e o M i c h e l s o n f ü r die G e s t a l t d e s C h r i s t u s - , w a r e n k e i n e k l a s s i s c h e n M o d e l l e , s o n d e r n » n u r A n h a l t f ü r die innere V o r s t e l l u n g « . 4 S P i l a t u s steht als S y m b o l f ü r Z w e i f e l u n d U n s i c h e r h e i t , der K r i e g s k n e c h t f ü r S t u m p f s i n n u n d B a r b a r e i , C h r i s t u s f ü r die g e s c h u n d e n e M e n s c h h e i t . G e m ä ß J u s t i ist die A n o r d n u n g d e r K o m p o s i t i o n s c h l i c h t : R u h i g s t ü n d e n die drei G e s t a l t e n n e b e n e i n a n d e r , d e m B e t r a c h t e r z u g e w a n d t , die erregte V o l k s m a s s e sei w e g g e l a s s e n , die V e r t e i l u n g d e r F a r b e n e i n f a c h . G e o r g S c h m i d t c h a r a k t e r i s i e r t e d a s

_ Tisa Francini

B i l d i n s e i n e r M A L E R E I D E S ZO. J A H R H U N D E R T S IN D E U T S C H L A N D

wiederum

folgendermaßen: »Und im >Ecce Homo< von 1 9 2 5 , einem seiner letzten Werke, stellt er das Bild des gepeinigten Menschen mit blutendem Antlitz und blutend gefesselten Händen zwischen das Zerrbild der nackten Körperkraft und das Zerrbild des kalten Verstandes. Eines der seltenen und stärksten Beispiele expressiven tonigen Malens.« 4 9 Das Werk unterscheidet sich stark von bisherigen Darstellungen des ECCE HOMO, so vor allem von den klassischen Vorläufern. Stilistisch gleicht das Gemälde anderen Figurenbildern des Malers, jedoch ist die Dynamik dieses Dreiergespanns eine ganz besondere. Die Komposition wurde Ostern 1 9 2 5 gemalt. Corinth beschrieb die Entstehung des Bildes folgendermaßen: »Ich stehe vor einem großen Bilde. Es wird ein Ecce Homo. Ich will es ausführen, die Osterzeit hat meine Spannkraft erhöht. Ich hänge künstlerisch mit den Geschehnissen der Bibel und ihren Feiertagen zusammen. Als Radierung habe ich in dieser Zeit eine Auferstehung gearbeitet. Als Gründe dieses Motivs reizten mich sehr, wie nach der Bibel der mystische Vorgang in der Grabhöhle vor sich geht, die Frauen im schönsten Frühlingsmorgen mit ihren Spezereien erscheinen, die Jünger Petrus und Johannes neugierig dahin eilen, und namentlich weil Johannes schnellfüßiger ist als Petrus, auch zuerst zum Grabe kommt und hineinguckt. Derartige Motive bleiben mir durch Jahre, bis es sich auf einmal als Kunstwerk äussert und bearbeitet wird. Einstweilen bin ich mit der Radierung immer noch nicht zufrieden und denke es nochmals zu fassen, bis ich es gelöst habe. Auch für den >Ecce Homo< habe ich eine grosse Platte gekauft. Vielleicht wird es w a s ! « 5 " Aus einer anderen Perspektive beschrieb der Sohn Thomas die Entstehung des Gemäldes: »Besonders möchte ich erwähnen, daß Corinth zur Osterzeit sein Monumentalgemälde >Ecce Homo« schuf. Dies malte der Alte stundenlang im Stehen ohne Ermüdung, während seine Modelle sich erschöpft Ruhepausen ausbitten mußten. Dabei fiel es noch Lovis zu, seine Genossen durch aufmunternde Gespräche bei Laune zu halten. Wie schon erwähnt, malte mein Vater immer mit seiner rechten Hand, während seine Linke die Palette hielt. Allerdings sparte er sich in letzter Zeit das lästige Palettensäubern, warf die gebrauchten auf einen Haufen und benutzte am nächsten Tag eine neue.« s ' Das Gemälde war bereits 1 9 2 5 kurz nach Entstehen in der Ausstellung der BERLINER SEZESSION zu sehen, noch im selben Jahr im Kunsthaus Zürich. Danach

Ein k ü n s t l e r i s c h e s V e r m ä c h t n i s _ 2 0 7

kam es in die große Gedächtnisausstellung in der Nationalgalerie 1 9 2 6 , anschließend zur INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNG nach Dresden. Dort wurde es auch 1 9 2 7 ausgestellt, nämlich im Sächsischen Kunstverein, sowie im selben Jahr im Kunstverein Heidelberg. 1 9 2 8 wurde das Bild zur Biennale nach Venedig ausgeliehen.

51

Im Katalog der M Ü N C H N E R

NEUEN

S E Z E S S I O N w u r d e ECCE

HOMO

1 9 2 9 zwar als Nummer 76 verzeichnet und abgebildet, jedoch nicht ausgestellt. Weitere Ausstellungen sind bis Ende 1 9 3 2 nicht bekannt. Bedeutend und in ihrem Umfang einmalig war die bereits erwähnte Ausstellung 1 9 2 6 in der Nationalgalerie in Berlin. Der Katalog wurde viermal aufgelegt, die Ausstellung verlängert. 53 Die beeindruckende Liste der Leihgeber zeigt, wie beliebt Corinth insbesondere bei privaten Sammlern war. Insgesamt 1 9 2 Leihgeber und Leihgeberinnen hatten 4 7 7 Werke, darunter 4 1 8 Gemälde, zur Verfügung gestellt: Von Eduard Arnhold (Berlin) über Bruno Cassirer (Berlin), Ernst Flersheim (Frankfurt am Main), Julius Freund (Berlin), Felix Glaser (Berlin), Leo Israel (Berlin), Victor von Klemperer (Dresden), Ismar Littmann (Breslau), Leo Michelson (Berlin) und Carl Sachs (Breslau) bis zur Familie Berend mit Mutter Hedwig und der älteren Schwester Alice sowie Charlotte Berend-Corinth. Eines der letzten Zeugnisse des Ruhms von Corinth w a r die Besprechung des ECCE HOMO im Führer durch die Nationalgalerie von 1 9 3 1 . Anschließend w a r Corinth kaum mehr ein Thema, außer wenn es um dessen Verfemung und Beschlagnahme ging.

• H

DAS WERK W I R D V E R F E M T

Bereits vor 1 9 3 3 wurden Museen in ihrer Ausstellungspolitik durch zunehmende nationalsozialistische Repressalien beeinflußt. So wurde zum Beispiel dem Weimarer Landesmuseum bereits November 1 9 3 0 der Befehl erteilt, unter anderem auch Corinth abzuhängen. 54 Am 7. April 1 9 3 3 wurden schließlich unter Berufung auf das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« zahlreiche »moderne« Museumsleiter entlassen. Deren Nachfolger sollten später die »entartete« Kunst aus den Ausstellungsräumen entfernen sowie sogenannte »Schandausstellungen« organisieren. 55 In Karlsruhe wurden unter dem Titel REGIERUNGSKUNST

1918-1933

neben Werken von Liebermann oder Munch auch Arbeiten Corinths gezeigt. Paradoxerweise wurden einzelne Beiträge aus dieser Ausstellung anschließend wieder in der permanenten Sammlung gezeigt, so vermutlich seine LANDSCHAFT AM WALCHENSEE von 1 9 1 9 (Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle). 56 In den weiteren Vorläuferausstellungen mit »entarteter« Kunst in Mannheim, Chemnitz oder Stuttgart wurde Corinth hingegen nicht gezeigt. Dies macht deutlich, daß die Ausstellung seiner Werke schon 1 9 3 3 umstritten war. 5 7

208 _ Tisa Francini

Joseph Goebbels, Propagandaminister, Gründer der Reichskulturkammer im September 1 9 3 3 und gleichzeitig Lenker der staatlichen Kulturpolitik, stellte 1 9 3 6 der Kunstkritik ein schlechtes Verdikt aus: Sie habe ihre Arbeit nicht gut genug gemacht, weshalb der kulturelle Aufschwung ausgeblieben sei.' 8 Die Kunstkritik sollte deshalb abgeschafft und nur noch »Berichterstattung« erlaubt werden, Werke »entarteter« Kunst sollten aus den Museen verschwinden. In einem ersten Schritt wurden im Juli 1 9 3 7 über fünftausend Kunstwerke aus öffentlichen Sammlungen entfernt. Kurz zuvor hatte Goebbels die Idee einer umfassenden Ausstellung verfemter Kunst konzipiert und setzte sich gegen teilweise große Widerstände durch. 5 ' Am 3 o . J u n i 1 9 3 7 hatte er die entsprechende Beschlagnahmekommission gegründet. Mit der Eröffnung der Ausstellung ENTARTETE KUNST am 1 9 . Juli 1 9 3 7 in München - ausgestellt wurden etwa dreihundert Gemälde, fünfundzwanzig Skulpturen und vierhundert Graphiken von insgesamt einhundertundzehn Künstlern wurde die Diffamierung öffentlich und in gänzlich neuen Dimensionen inszeniert. 60 Knapp eine Woche nach der Ausstellungseröffnung, am 2 4 . J u l i

1937,

beschlossen Hitler und Goebbels, daß die »Säuberung« der deutschen Museen weitergeführt werden solle. 6 ' Tausende von Werken wurden in einer zweiten Beschlagnahmewelle ab August 1 9 3 7 aus öffentlichen deutschen Sammlungen entfernt. 62 Die Präsentation von Werken Corinths nach 1 9 3 3 löste eine große Diskussion unter den Museumsdirektoren aus. Rave nahm folgende Position ein: In der vom nationalsozialistischen Bildersturm stark betroffenen Nationalgalerie seien nur die Spätwerke des Malers entfernt worden, jedoch liege die Entscheidung im Ermessen eines jeden Museumsdirektors. 6 3 Das Frühwerk durfte also weiter gezeigt werden. 64 Auch Charlotte Berend-Corinth informierte sich über das Schicksal der Werke ihres verstorbenen Gatten. So schrieb sie »aus der Unruhe meines Herzens heraus« an den Berliner Direktor Eberhard Hanfstaengl, daß sie vernommen habe, »daß man das ganze Werk von Lovis Corinth als undeutsch ausmerzen wollte«. Und weiter: »Ich vermag es noch nicht zu glauben, der Schmerz ist zu tief - und demnach bitte ich Sie [...] um die ganze Wahrheit, was geschieht mit Corinths Bildern?« 6 ' Alfred Hentzen, als Vertreter des beurlaubten Hanfstaengl, antwortete, daß lediglich die Alterswerke als »entartet« betrachtet würden; die Frühwerke würden weiterhin Anerkennung finden.66 In der Nationalgalerie wurden siebzehn Werke beschlagnahmt, wobei eines aus dem J a h r 1 9 1 0 stammte, welches kurze Zeit später zurückgegeben wurde. Interessanterweise fällt die Zweiteilung des Werks von Corinth ab 1 9 1 1 - 1 9 1 2 . ziemlich genau mit dem von den Nationalsozialisten konstruierten Zeitpunkt des Beginns der »deutschen Verfallskunst« nach 1 9 1 0 zusammen. Niemals erläuterten die Machthaber indes präzise, was sie unter »entartet« verstanden. 67 Für Hitler galt

Ein k ü n s t l e r i s c h e s Vermächtnis

64

209

B I C H L ' M S C H L . U , V O N Ρ Λ Γ 1 Ο Κ I tt 1 Ν K A M :

- k i n s π ) ΐ κ ι Λ ι υ R ] Μ [ Μ ί Γ Γ Π Ν k κ ] c. H

Hamburg

dieses V e r d i k t f ü r die M o d e r n e a b 1 9 1 0 , f ü r R o s e n b e r g bereits f ü r K u n s t w e r k e des 1 9 . J a h r h u n d e r t s , f ü r H i m m l e r u n d E r i c k j e d o c h erst f ü r W e r k e a b 1 9 1 8. h S U n d G o e b b e l s , S c h i r a c h s o w i e S p e e r ä n d e r t e n ihre M e i n u n g e n w ä h r e n d i h r e r L a u f b a h n . I n t r i g e n u n d eine g e r a d e z u k u n s t f e i n d l i c h e P h a s e b e g a n n e n , die im » E x p r e s s i o n i s m u s - S t r e i t « k u l m i n i e r t e , in d e m sich i n s b e s o n d e r e die G e g e n s ä t z e z w i s c h e n R o s e n berg und G o e b b e l s manifestierten. Eine einheitliche A u f f a s s u n g von

»entarteter«

K u n s t g a b es a l s o nicht. R o s e n b e r g v e r a c h t e t e z a h l r e i c h e K ü n s t l e r des mittleren u n d s p ä t e n 1 9 . J a h r h u n d e r t s s o w i e des f r ü h e n 2 0 . J a h r h u n d e r t s , H i t l e r h i n g e g e n m o c h t e die W e r k e v o n E e u e r b a c h , B ö c k l i n u n d M a r e e s . ' " ' U n d s o w a r e n sich R o s e n b e r g u n d H i t l e r a u c h bei d e r E i n s c h ä t z u n g G o r i n t h s nicht einig. R o s e n b e r g s c h r i e b : » E i n e g e w i s s e R o b u s t h e i t zeigte L o v i s C o r i n t h , d o c h z e r g i n g a u c h d i e s e r S c h l ä c h t e r m e i s t e r des Pinsels im l e h m i g - l e i c h e n f a r b i g e n B a s t a r d e n t u m des s y r i s c h g e w o r d e n e n B e r l i n s . « 7 0 V o n H i t l e r j e d o c h w i r d f ü r 1 9 4 2 ü b e r liefert: » W e n n m a n an d e n A l t e r s b i l d e r n v o n L o v i s C o r i n t h vieles a u s z u s e t z e n h a b e , s o solle m a n sich eben a n seinen f a b e l h a f t e n J u g e n d b i l d n i s s e n e r f r e u e n . «

Aller-

d i n g s d u l d e t e H i t l e r lediglich e i n z e l n e W e r k e C o r i n t h s . E r h a b e , s o H e i n r i c h H o f f -

1449

210 _ Tisa

Francini

mann, der Fotograf und Berater Hitlers, Goebbels vor der Ausstellungseröffnung 1 9 3 7 den Auftrag gegeben, noch einige Bilder Corinths zu entfernen. Es kann mithin vermutet werden, daß Corinth ursprünglich in der Ausstellung sogar stärker hätte vertreten sein sollen. Verfemt hingegen waren alle Bildnisse seiner jüdischen Frau, deren eigenes Werk uneingeschränkter Verfemung ausgesetzt war. 72 Corinth wurde, wie oben erwähnt, nur in der Karlsruher »Schandausstellung« von 1 9 3 3 sowie in der Münchener Ausstellung von 1 9 3 7 gezeigt und wurde somit nicht als zentraler »entarteter« Künstler angesehen. Diese Fakten entsprechen allerdings nicht der Wahrnehmung des verfemten Malers in der Nachkriegszeit. Nicht zufällig wurde das Gemälde von Paul Ortwin Rave als Titelbild zu dessen Standardwerk KUNSTDIKTATUR IM DRITTEN REICH gewählt und damit zu einem Sinnbild der Verfemung (Abb. 64). Auch durch die frühe und gründliche Aufarbeitung der Basler Ankäufe durch Georg Kreis wurde insbesondere der ECCE HOMO zum Paradebeispiel eines geretteten Kunstwerkes. Wir sehen also, daß die Bewertung der Werke von Corinth, was die Beschlagnahme-, Ausstellungs- sowie Verwertungspolitik betrifft, nicht geradlinig verlaufen ist und hierin liegt die besondere Problematik bei einer Rekonstruktion des Schicksals seiner Werke.

WEM CORINTHS WERKE UND DIE AKTION »ENTARTETE KUNST«

Von Lovis Corinth wurden im Zuge der nationalsozialistischen Aktion »Entartete Kunst« 394 Werke beschlagnahmt. 73 Wenn wir diese Zahl mit derjenigen anderer Künstler vergleichen, so zeigt sich, daß Corinth die Liste der betroffenen Künstler nicht anführt. Nolde mit 1 0 5 2 , Heckel mit 728, Kirchner mit 639, Schmidt-Rottluff mit 608 und Beckmann mit 508 Werken wurden zahlenmäßig stärker in Mitleidenschaft gezogen.74 Es stellt sich daher die Frage, ob Corinth zu diesem Zeitpunkt, also 1 9 3 7 , nicht vor allem in deutschen Privatsammlungen zu finden war, so daß dies als Grund für die etwas geringere Zahl von beschlagnahmten Werken aus Museumsbesitz angeführt werden kann. Andererseits muß hier gleichzeitig der verfolgungsbedingte Transfer der Sammlung von Charlotte "ßecend-Corinth in die Schweiz berücksichtigt werden sowie die Tatsache, daß nur ein Teil des Schaffens von Corinth verfemt wurde. Vor dem Raum in der Münchner Ausstellung, in dem auch Werke von Corinth hingen, war zu lesen: »Sie hatten 4 Jahre Zeit«. Und über der Wand mit seinen Werken stand geschrieben: »Verfall wird zur literarischen und händlerischen Sonderwertung ausgebeutet«. 75 Insgesamt wurden sieben Werke von Corinth ausgestellt. Unter diesen Bildern wurde eine Anzahl von Reproduktionen seiner frühen Bilder gezeigt mit der Unterschrift: »Der noch gesunde und bodenständige Künstler«. 76

Ein k ü n s t l e r i s c h e s V e r m ä c h t n i s

Ein Kommentar von Rave zu seinem Besuch in der Ausstellung am 2 1 . und 22. Juli 1 9 3 7 zeigt, was die Leute vor den Corinth Werken befanden: »Größtes Befremden in den Mienen, auch durch Bemerkungen und Gespräche, bemerkte man vor der Wand mit den vielen Gemälden von Lovis Corinth, die meist als solche gleich erkannt wurden, obwohl hier der N a m e Corinth, wie noch deutlich zu sehen, erst kürzlich in den Unterschriften getilgt worden war.« 7 7 Der sechste Saal, der Corinth gewidmet war, und auch der siebte Saal wurden während der Ausstellung für wenige Tage zwecks Umhängung geschlossen. Danach waren - laut Hentzen, Rave und Engelhardt - keine Werke Corinths mehr zu sehen. So ging ECCE HOMO 1 9 3 8 auch nicht nach Berlin zur Wanderausstellung, die durch ganz Deutschland reiste. Es ist schwierig, eine Erklärung für diesen Richtungswechsel zu finden. Auch Paul Westheim, auf dessen Berichterstattung wir vornehmlich zurückgreifen müssen, begründet den von ihm beschriebenen »Rückzieher« nicht."78 Die meisten Forscher teilen die Ansicht von Westheim, daß die Abhängung der Bilder Corinths gleichsam dem Eingeständnis einer Fehleinschätzung seines Werks gleichkäme. 79 Zitieren wir den Kommentar von Westheim, der im M ä r z 1 9 3 8 , also anläßlich seines Berliner Ausstellungsbesuchs, die Eingriffe in die Ausstellung folgendermaßen kommentierte: »Corinth und Barlach und Lehmbruck [...] erwiesen sich doch als stärker als das ganze nordisch-arische Blut- und Rassenkunstgeschwafel. Und das scheint unmissverständlich« auch von den Nazis begriffen worden zu sein, denn wenn sie jetzt >umgruppieren< mußten, dann bedeutet das doch, daß sie nicht mehr wagen, in Berlin nicht mehr wagen können, jene großen deutschen Künstler als >entartet< hinzustellen. >Das deutsche Volk mag richtenKniende< geschaffen, er hätte als Initiator seltener Art schon einen festen Platz in der Entwicklungsgeschichte einer neuen Kunst gehabt, die nach Architektonik und innerlicher

Monumentalität

strebt.« 9 Der »gewaltig« aufstrebende Kontur, die ungewöhnliche und einzigartige Formensprache, die Kühnheit in der von jeder Mimesis abgelösten Auffassung der Skulptur charakterisierten das Werk als repräsentativ für die Moderne; zugleich konnte eine solche Auffassung als Gegenkonzept zur monumentalen Denkmalskulptur dieser Zeit gelten. Lehmbruck konzipierte Gestalten, wie sie derart noch niemand gesehen hatte. Er baute die Figuren über jegliche anatomische Gesetzmäßigkeiten hinweg auf wie eine zweite Natur, die eigenen Gesetzlichkeiten folgte. Somit w a r Lehmbrucks Figurenauffassung gleich zu Beginn seiner Rezeption nicht als »Deformation« des Körperlichen verstanden worden, sondern als geistige Konstruktion, als ein Parallelprinzip zur Natur. Westheim urteilte in diesem Sinne:

Knielall der Moderne _ 253

»Er hat, Werkzeug eines anonymen Zeitwillens, Ausdrucksmöglichkeiten wieder erschlossen, die dieser neuen Zeit zur Erkenntnis ihres eigentlichen Selbst verhelfen müssen. Er hat damit beigetragen, eine geistige Grundlage festzulegen, auf der andere weiterbauen können. Lehmbruck war ein stilschöpferischer Geist, sofern die Zeichen nicht trügen, nicht Abschluß, sondern Anfang.« 1 0 Und zu einer übereinstimmenden Meinung kam auch August Hoff, damaliger Direktor des Duisburger Museumsvereins: »Zehn Jahre nach dem vorzeitigen Abbruch seines Lebens und Lebenswerkes erkennen wir klarer und gültiger als zur Zeit seines Schaffens und Kämpfens die einzigartige Bedeutung, die dem Werk Lehmbrucks für die neuere deutsche Plastik und die gesamte Kunst der Gegenwart zukommt. Sein Schaffen bedeutet nicht Vollendung seiner Zeit, sondern Beginn einer neuen.« 11

• H

DER D U I S B U R G E R KUNSTSKANDAL

Die erste große Einzelausstellung des Künstlers von 19x5 war ebenso wie später die Gedächtnisausstellung zum zehnten Todestag Wilhelm Lehmbrucks in der Geburtsstadt des Künstlers ein Ereignis, das weit über die Stadt Duisburg hinauswirkte. Die Stadt erwarb unter der Initiative von August Hoff die GROSSE KNIENDE für den Tonhallengarten, die 1925 im Auftrag der Stadt gegossen wurde, ergänzend zum TRAUERNDEN JÜNGLING von 1 9 1 6 - 1 9 1 7 (Duisburg, Wilhelm Lehmbruck Museum), der 1 9 2 2 als Auftragsguß für den Ehrenfriedhof auf dem Kaiserberg angefertigt wurde. Zugleich erfolgte die offizielle Übergabe des künstlerischen Nachlasses von Lehmbruck durch seine Frau Anita. Die von der Firma Hermann Noack in Berlin-Friedenau gegossene und anthrazitfarben patinierte Bronze der GROSSEN KNIENDEN wurde nachfolgend im Tonhallengarten der Stadt in unmittelbarer Nähe des Museums aufgestellt; ein wagemutiges Unterfangen, die den gesamten Diskurs um moderne Skulptur im öffentlichen Raum vorwegnahm und einen großen Teil der Argumente und Kritiken einer späteren Verfemung provozierte (Abb. 74J. Die GROSSE KNIENDE kann nicht nur als erste moderne autonome Außenskulptur gelten, sondern auch als erstes mutwillig zerstörtes modernes Kunstwerk im öffentlichen Raum. Lehmbruck setzte seine Figur aus Details zusammen und wählte für die Figur die komplizierte Stellung des Kniens. 1 1 Daher war die Skulptur im Gegensatz zu einer profanen stehenden weiblichen Figur immer auch als religiöses Kunstwerk

234

„Schmidt

74

Unbekannter

IM

TONHAI.LKNGAKTEN

Fotograf,

WII.HELM IN

LF.HMBKUCKS

DUISBURG,

»GROSSE

1 9 2 5 - j 9 2 7 ,

KNIHNDI·:«

Duisburg, Wilhelm

Lehmbruck

iMuseum

angesehen worden. W ä h r e n d auf der linken Seite das Bein und der Arm hervorstehen, ist die H a n d auf der rechten Seite nach hinten gelenkt. Der rhythmische Kontrast innerhalb des Körpers bestimmt den Aufbau seines Gerüstes. Der Vielansichtigkeit der Figur entspricht ein ständiger Wandel ihrer Ausdrucksformen. So beobachtete Eduard Trier: »Die Ansicht von rechts zeigt eine kniend ruhende Figur, während die Ansicht von links einen Vorgang veranschaulicht. Hier erfolgt Bewegung und Tätigkeit, dort Verharren. Die Reduktion der figürlichen M a s s e , die Überlängung der Proportionen, die Aufgliederung der Körperlichkeit, die räumliche Öffnung, die Verdichtung der tektonischen Bewegungsmotive, die Intensivierung der Linienführung des Umrisses, die Sublimierung und Steigerung der Ausdruckswerte durch Reichtum an expressiven Gesten und grazilen G e b ä r d e n . « ' 3 Das spezifisch tektonische, ja, architektonische Gefüge der Figur wurde zudem als Argument dafür angeführt, daß sie räumlich solitär aufzustellen und nicht im K o n t e x t eines architektonischen Kontextes zu präsentieren sei. Was scharfsichtige

K n i e f a l l der M o d e r n e _

A n a l y t i k e r an f o r m a l e r N e u e r u n g herausarbeiteten, konnte bürgerliche Repräsentanten und polemische L o k a l r e d a k t e u r e nicht überzeugen. N a c h einer P r o b e a u f stellung 1 9 2 7 schrieb ein Dr. Stichling in seiner R u b r i k » D e r W o c h e n p l a u d e r e r « : »Diese >Jungfrau< hat so unmögliche F o r m e n , daß sie einfach unmöglich ist. Sie scheint in ihrer J u g e n d Rachitis gehabt zu haben. Schuhgröße 6 5 , Halsweite zo. D e r Leib ist eine längliche Futterkiste [...]. Die weibliche Figur in ihrer k r a n k h a f t e n U n f ö r m l i c h k e i t ist eine Beleidigung der F r a u e n . [...] O d e r will m a n mit der bronzenen Unschönheit die M ä n n e r abschrecken?«

14

Die s o f o r t nach der Aufstellung einsetzenden A t t a c k e n und Polemiken entfalteten ein Repertoire gegen moderne K u n s t , das in den dreißiger J a h r e n zur Regel werden sollte. M a n fühlte sich einer a u f g e z w u n g e n e n Kunstrichtung ausgesetzt, die w o h l im - weltentfernten - M u s e u m bleiben d u r f t e , aber keineswegs das »gesunde V o l k s e m p f i n d e n « stören sollte. M a n e m p f a n d die Skulptur als »unsittlich«, »ext r e m « , » d e k a d e n t « , »überspannt« und » a n o r m a l « . N a c h mehr oder weniger glücklichen und kreativen Protestaktionen verschiedener B ü r g e r und vornehmlich katholischer Vereine, w i e das Verfassen von Gedichten, das Bekleiden der N a c k t e n durch eine G r u p p e katholischer » E h r e n j u n g f r a u e n « , folgten schärfere T ö n e : » H i n w e g mit der Figur aus der Öffentlichkeit. W i r erheben diese F o r d e r u n g im N a m e n w a h r h a f t i g e r K u n s t , im N a m e n der Sittlichkeit und des Taktes. W i r haben den w e i t a u s größten Teil der D u i s b u r g e r B e v ö l k e r u n g hinter uns und f o r d e r n alle, die dazu die M a c h t h a b e n , a u f , an geeigneter Stelle nach dem rechten zu sehen.« " 5 In der N a c h t v o m 2.7. auf den 2.8. Juli 192.7 w u r d e die Skulptur dann im Tonhallengarten von vier durch A l k o h o l k o n s u m motivierte Kaufleute v o m Sockel geholt und schwer beschädigt. Diese Tat löste eine deutschlandweite Diskussion über m o d e r n e K u n s t im öffentlichen R a u m aus. So hatte bereits das BERLINER TAGEBLATT v o m »Duisburger K u n s t s k a n d a l « berichtet.' 6 U n d die KÖLNER ZEITUNG kommentierte: » D u i s b u r g beschreitet mit der Aufstellung dieser Figur den richtigen Weg, die K u n s t ins Leben hineinzustellen und nicht in M u s e e n aufzustapeln. D e m Betriebsleben einer Industriestadt wird hier das S y m b o l zur Besinnung, zur andächtigen Versenkung entgegengesetzt.« 1 7 A u c h von Erich Kästner sind K o m m e n t a r e in d e r N E U E N

LEIPZIGER

Z E I T U N G und der W E L T B Ü H N E bekannt, w o -

bei er v o r allem die M ä n n e r veruteilte, die den Freibrief zum Bildersturm ausstellten. 1 8 Die A t t a c k e n auf die Skulptur L e h m b r u c k s w a r e n dabei ebenso als Attacken auf die m o d e r n e K u n s t schlechthin gemeint. N i c h t zuletzt vor dem Hintergrund ihrer widersprüchlichen Rezeption erklärt sich das facettenreiche Schicksal der Werke L e h m b r u c k s seit M i t t e der dreißiger J a h r e . In L e h m b r u c k s K u n s t w a r bereits f ü r die Kritiker in der Z e i t des Ersten Weltkriegs kein »nationaler Geist« zu

finden.

236-Schmidt

V i e l m e h r hatte er mit d e m STERBENDEN KRIEGER (DER GESTÜRZTE) v o n

1916

(Duisburg, Wilhelm Lehmbruck Museum) eine endgültige Formulierung für den körperlichen und seelischen Zusammenbruch unter der Wucht des Krieges gefunden.

• • I

» . . . IN DERART TRAURIGER WEISE B E S C H Ä D I G T «

1 9 3 7 wurden zahlreiche Skulpturen Lehmbrucks aus Museen in Breslau, Dresden, Duisburg, Erfurt, Leipzig, Mannheim, München, Stuttgart und der Nationalgalerie Berlin konfisziert. 1 9 Merkwürdigerweise entkamen aber auch viele seiner Werke dem »Bildersturm«. Aus dem Museum Moritzburg in Halle wurde keine der Arbeiten abtransportiert, und auch im Museum Folkwang erfolgten keine Enteignungen von Werken dieses Künstlers. Die Uneinheitlichkeit in der Werkauswahl der Beschlagnahmungen entspricht der widersprüchlichen Rezeption seines CEuvres: Wurde die »klassische« Phase Lehmbrucks vor 1 9 1 1 weiterhin geschätzt, so erlag die sogenannte »expressionistische« Phase scharfer Verurteilung. Auch in den Briefen Anita Lehmbrucks spiegelt sich gelegentlich die Ungewißheit über den Status beschlagnahmter Werke: »Ich möchte mit Heutigem anfragen, ob die in Duisburg und München beschlagnahmten Kunstwerke meines Mannes inzwischen an die betreffenden Stellen wieder zurückgegangen sind, oder bis wann die Rücksendung auf Ihre Kosten und Gefahr erfolgt.« 2 0 Bis zur Olympiade in Berlin 1 9 3 6 w a r der »Kulturkampf« der Nationalsozialisten noch nicht entschieden. Lehmbruck wurde wie viele andere Expressionisten kontrovers eingeschätzt. Im Juli 1 9 3 3 zeigte ihn die Galerie Ferdinand Möller in der Ausstellung 30 DEUTSCHE KÜNSTLER, und noch 1 9 3 4 w a r er mit Porträts in einer Ausstellung mit Bildnissen in Berlin vertreten. Insbesondere in Duisburg und Essen suchte man die Bedeutung Lehmbrucks als Teil eines »deutschen« oder »nordischen« Expressionismus zu verteidigen. Joseph Goebbels, unter dessen Schirmherrschaft im Oktober 1 9 3 3 die Ausstellung DIE WESTFRONT in Essen eröffnet wurde, besichtigte rheinische und westfälische Künstler wie Otto Pankok, Heinrich Nauen, Peter August Böckstiegl, Carl Weisgerber, August Macke, Franz M a r c und Lehmbruck, dessen KNIENDE von 1 9 1 1 ausgestellt war. Und Karl Nierendorf zeigte 1 9 3 6 in Berlin noch Einzelausstellungen mit Otto Dix und Wilhelm Lehmbruck. Erst Ende Oktober kam es durch den NS-Erziehungsminister Bernhard Rust zu deutlichen Stellungnahmen, was die Entfernung von Werken von Barlach, Kollwitz und Lehmbruck aus Ausstellungen nach sich zog. Lehmbruck entstammte keiner jüdischen Familie, w a r politisch nicht aktiv gewesen und 1 9 3 3 bereits seit vierzehn Jahren tot. Doch bereits die beginnende Ab-

K n i e f a l l der Moderne _

straktion im Werk des Bildhauers, der überwundende Akademismus des 1 9 . Jahrhunderts genügte zur Verfemung seiner Kunst. Bezeichnend ist, daß zur Versteigerung der von ihm beschlagnahmten Werke auf dem internationalen M a r k t vorrangig »klassische« Werke des Künstlers ausgewählt wurden. Auch seine Witwe hatte versucht, sich über die offizielle Einschätzung der Werke ihres verstorbenen Mannes Klarheit zu verschaffen: »Es ist nun fast ein Jahr vergangen, daß der Deutsche Staat Werke meines Mannes sichergestellt hat. Nach einem J a h r kann ich wohl erwarten, daß Sie sich über die von Ihnen selbst erwähnte Entschädigung und Ihre Stellungnahme klar sind. Ich frage Sie nun heute: Betrachtet die Reichskammer der bildenden Künste - d. h. der Deutsche Staat - Werke Lehmbrucks als entartet? Diese Frage interessiert nicht nur mich als Frau des Künstlers, sondern auch die Kulturwelt. Eine Klarstellung in dieser Richtung dürfte auch im Interesse des Deutschen Staates liegen.« 2 1 Die Provenienzforschung zu den Werken Lehmbrucks erweist sich nicht allein durch die propagandistische Uneinheitlichkeit, sondern auch durch die noch nicht ausreichend geklärte Guß-Problematik als ein höchst komplexes, nahezu unüberwindbares Problem. In vielen Fällen widersprechen Provenienzangaben einander oder erweisen sich aus anderen Gründen als falsch. So sind vor allem die Angaben zur Provenienz der BÜSTE DER KNIENDEN von 1 9 1 1

höchst uneinheitlich." 2

Lehmbrucks Werk eroberte in den zwanziger und dreißiger Jahren den Kunsthandel, was zu verschiedenen Güssen bei Valsuani in Paris und später bei Noack in Berlin führte. Um Bronzegüsse zu realisieren, wurden in Einzelfällen - und unter der Obhut der Witwe - auch weitere Gipsabgüsse erstellt. Das führte dazu, wie Dietrich Schubert ausführlich dargelegt hat, daß allein von der GROSSEN KNIENDEN insgesamt drei Gipse existierten (unter ihnen ein Torso), fünf Steingüsse, ein posthumer Steinguß sowie fünf posthume Bronzen. 2 ' Vor 1 9 3 7 befanden sich verschiedene Exemplare der GROSSEN KNIENDEN in öffentlichen Museen: Steingüsse in der Berliner Nationalgalerie (erworben 1 9 1 9 von der Witwe), in der Kunsthalle Mannheim (aus der Stiftung Falk von 1 9 1 7 ) , im Dresdner Albertinum (erworben 1 9 2 0 von der Witwe), im Garten des Duisburger Museums (posthume Bronze aus dem Jahr 1 9 2 7 ) sowie in der Städtischen Galerie in München. Nach dem Tod ihres Mannes hatte Anita der Stadt München die GROSSE KNIENDE als Dauerleihgabe im Austausch gegen eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Alle diese Exemplare, bis auf die Duisburger Bronze wurden beschlagnahmt. Dieser Guß, 1 9 2 7 arg beschädigt, überstand die nationalsozialistische Diktatur dank des linientreuen Direktors Herbert Griebitzsch im Garten des neuen Kunstmuseums. 2 4 In dieser Aufstellung

258 . S c h m i d t

75 Unbekannter Fotograf, WILUELM LF.HMBRUCKS »GROSSE KNIENDE« IM BERLINER KRONPRINZENPAI.AIS, r 9 3 3 , Berlin, Staatliche M u s e e n Preußischer Kulturbesitz,

Zentralarchiv

bildete sie der J 9 3 3 suspendierte ehemalige Direktor August Hoff noch 1 9 3 6 in seiner Monographie zu Lehmbruck ab. 2 5 In Berlin war die durch Ludwig Justi erworbene GROSSE KNIENDE im Obergeschoß der Modernen Abteilung der Berliner Nationalgalerie im Kronprinzenpalais ausgestellt. Der noch zu Lebzeiten entstandene Steinguß ist im Winter 1 9 3 6 1 9 3 7 auf einer Aufnahme dokumentiert, die ihn im Obergeschloß in einem zentralen länglichen Durchgangsraum zeigt (Abb.

Nachdem die Schausammlung im

Oktober 1 9 3 6 geschlossen wurde, wurde sie dort, dank Paul Ortwin Rave, dem Kustos der Berliner Nationalgalerie, gelagert und blieb bis zum Zusammenbruch der Diktatur erhalten. Unglücklicherweise geschah zuletzt die Zerstörung dieses Exemplares durch einen Bombentreffer. Der aus der Kunsthalle Mannheim beschlagnahmte Guß wurde im Depot »entarteter« Kunst in Niederschönhausen mit vielen anderen Werken Lehmbrucks zwischengelagert und 1 9 3 9 an die Rockefeller Collection verkauft, von wo sie in das New Yorker Museum of Modern Art gelangte (Abb. j6).'k

Das Exemplar des Albertinums konnte 1 9 9 2 - 1 9 9 3 aus der Chrysler

Collection über eine Auktion in New York für die Dresdner Skulpturensammlung zurückerworben werden.

Kniefall der Moderne _ 259

76 ιΜ Ι Ι WIR κ IN

VON

Unbekannter

WILIIHI.M

Fotograf,

IT. Η Μ R κ υ c κ ) ,

B U C K um

IN

DAS

IY^S-I9I9,

IM.POT Berlin.

IM

SCHLOSS

Staatliche

SCHÖNIIALSI-N

Museen

Preußischer

Η Ι Ι HI H I I N kulturhesit/. Zenrralarchiv

D e m in M ü n c h e n v e r b l i e b e n e n E x e m p l a r w u r d e ein b e s o n d e r s t r a u r i g e s S c h i c k s a l z u t e i l . D e r S t e i n g u ß , d e n A n i t a L e h m b r u c k d e r S t a d t g e l i e h e n h a t t e , w u r d e in der Ausstellung

ENTARTETE

K U N S T a n g e p r a n g e r t : H i e r neigte sich die

GROSSE

K N I E N D E im sechsten R a u m auf einer niedrigen Plinthe v o r L o v i s C o r i n t h s H O M O v o n 1 9 2 5 u n d b e f a n d sich k u r z e Z e i t v o r F r a n z M a r c s T Ü R M D E R

ECCE

BLAUEN

P F E R D E von 1 9 1 3 , das allerdings nach nur wenigen Tagen wieder zurückgezogen w u r d e (Abb. ERNDEN

77).

A u f einer F o t o g r a f i e sieht m a n , d a ß eine A u f n a h m e des T R A U -

J Ü N G L I N G S , die das W e r k a m D u i s b u r g e r K r i e g e r d e n k m a l a m

Kaiser-

b e r g z e i g t , in e i n e m P a s s e p a r t o u t , a b e r o h n e R a h m e n a n d a s l i n k e B e i n d e r P l a s t i k g e l e h n t w u r d e . I m Z u g e d e r A u s s t e l l u n g w u r d e die G R O S S E

K N I E N D E durch un-

sachgemäße Behandlung zerbrochen und daher von Rolf Hetsch, dem Kunsthistoriker und A r c h i v a r der b e s c h l a g n a h m t e n Bestände, zur kostenlosen A b h o l u n g freig e g e b e n , von der W i t w e a b e r nie a b g e h o l t . D i e F r a g m e n t e k a u f t e d a n n der H ä n d l e r Bernhard A. Böhmer aus G ü s t r o w

f ü r z e h n U S - D o l l a r . S c h u b e r t f o r m u l i e r t e die

ü b e r z e u g e n d e T h e s e , d a ß d a s R o s t o c k c r E x e m p l a r ein F r a g m e n t j e n e s E x e m p l a r e s

240

77

.Schmidt

Unbekannter Fotogral, B L I C K

(MIT

DER

»KNIENDEN»

IN D I E A U S S T E L L U N G

VON W I L H E L M

»ENTARTETE

LEHMBRUCK), München

KUNST« 1937

sein könnte, von dem später dann - vielleicht durch B ö h m e r - weitere nicht autorisierte Büsten gegossen w u r d e n . 2 7 Der desolate Z u s t a n d der Plastik erklärt auch, w a r u m dieses Werk v o n Lehmbruck auf der zweiten Station der Wanderschau nicht mehr vertreten war. Es w u r d e im A u g u s t

1937

gegen den T R A U E R N D E N

JÜNGLING

aus der

Mannheimer

Kunsthalle ausgetauscht, der z u v o r bereits durch die a m Fuß der GROSSEN K N I E N DEN installierte fotografische A u f n a h m e d i f f a m i e r t w o r d e n war. Anita L e h m b r u c k machte in ihren Briefen bezüglich dieser V o r f ä l l e keinen H e h l aus ihrer H a l t u n g : » Z u n ä c h s t möchte ich Ihnen höflich mitteilen, daß ich die auf der Ausstellung >Entartete Kunst< M ü n c h e n 1 9 3 7 ausgestellt gewesene Plastik meines M a n n e s >Knieende< (überlebensgroß, Steinguß) ζ. Z . bei Wetsch M ü n c h e n , die Sie mir zur V e r f ü g u n g stellen w o l l e n , nicht v e r w e n d e n k a n n . Sie ist leider, leider auf der oben genannten Ausstellung in derart trauriger Weise beschädigt w o r d e n ,

Kniefall der M o d e r n e _ 241

daß ich Ihnen nur mit schwerem Herzen raten kann, sie nun vollends zu zerstören. [...] Bei der Durchsicht am 2 5 . N o v e m b e r im Schloß Schönhausen fehlte noch die überlebensgroße männliche Figur. Ich hoffe, dass sie sich bald vorfinden wird. [...] Auch fehlte noch eine Plastik aus München. Da ich Freitag bei der Besichtigung noch andere Werke meines Mannes aus den Museen sah, erlaubte ich mir den Vorschlag zu machen, mir auch diese Werke zu geben, zumal sie nicht ausgestellt werden dürfen. Es würde nichts mit den Werken geschehen. Ich würde sie geschlossen wegstellen.« 28 Am 6. Februar 1 9 3 9 erhielt Anita Lehmbruck schließlich die Zusage, daß sie die beschlagnahmten Werke - achtzehn Plastiken und acht Ölbilder - zurückerhalten würde. Der Rücktransport erfolge, so wurde ihr beschieden, zu Lasten des Reichministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. Die bei Wetsch deponierte, zerstörte GROSSE KNIENDE solle bis zum 1 5 . Februar 1 9 3 9 abgeholt werden, was aber nicht geschah. Die von Antita Lehmbruck vermißte »überlebensgroße männliche Figur«, gemeint ist der EMPORSTEIGENDE JÜNGLING

von

1 9 1 3 - 1 9 1 4 , war ebenso wie ein Steinguß der LIEBENDEN KÖPFE von 1 9 1 8 in Duisburg geblieben, da ihr Transport seinerzeit als zu schwierig erschienen war. Trotz dieser Erfolge aber pochte Anita Lehmbruck weiter auf ihr Recht auf Schadensersatz, da einige der zurückgesandten Werke beschädigt worden waren. Zudem verzögerte sie die Unterzeichnung einer Einwilligungserklärung, die mit der Überlassung der Werke ein Ausstellungsverbot vorsah. So schrieb Hetsch am 8. Februar 1 9 4 0 in einem Aktenvermerk: »An die Freigabe wurde die übliche auch Frau Lehmbruck bei früheren Rückgaben bekannt gegebene Bedingung geknüpft, daß die Plastiken künftig nicht mehr in deutschen öffentlichen Sammlungen ausgestellt werden dürfen und dass mit ihnen jegliche kulturpolitische Agitation verboten ist. Als Abholungsfrist wurde Frau Lehmbruck der 30. Juni 1 9 3 9 gesetzt. [...] Der Oberbürgermeister in Duisburg teilt nunmehr am 27. Januar 1 9 4 0 mit, dass Frau Lehmbruck die Unterzeichnung der Erklärung, die genannte, gerade bei ihrer erfahrungsgemäß renitenten Einstellung durchaus angebrachte Bedingung zu erfüllen, stillschweigend ablehne, und die Abholung nicht fristgerecht bewirkt habe, vielmehr die Rückgabe bis 1 9 4 1 hinauszuschieben beabsichtige. Da er die Plastik nicht länger in der Städtischen Kunstanstalt aufzubewahren wünscht, bittet er um Entscheidung, was mit ihnen geschehen soll.« 2 9 Am 1 4 . M a i 1 9 4 0 erhielt Anita Lehmbruck vom Duisburger Oberbürgermeister die Mitteilung, daß die »Pariser Figur«, eine Fassung des EMPORSTEI-

-Schmidt

GENDEN J Ü N G L I N G S , s o w i e L I E B E N D E KÖPFE n u n m e h r endgültig zugunsten des

Reiches einbezogen worden seien, und diese Plastiken demnach nicht mehr ihr Eigentum seien. Trotzdem bezeichnete sie sich weiterhin als »verfügungsberechtigte Eigentümerin« und bestand auf Reparatur und Entschädigung der Werke. Offensichtlich hielt sie alle Instanzen in Bewegung. Erneut wurden die Leihgaben besichtigt, wobei sich herausstellte, daß die am 3 1 . M a i 1 9 3 8 beauftragte Kommission zwei größere Plastiken, EMPORSTEIGENDER JÜNGLING von 1 9 1 3 - 1 9 1 4

und

STERBENDER KRIEGER von 1 9 1 6 , nicht besichtigen und beschlagnahmen konnte, weil diese in Kisten in einem anderen Hause untergebracht waren. Die überlieferten Briefwechsel ziehen sich bis zum 1 2 . November 1 9 4 0 hin, als schließlich doch noch eine Freigabe der Werke erfolgt, nachdem Anita Lehmbruck die erzwungene Erklärung unterschrieben hatte. Dieser ungewöhnliche Fall zeigt, mit welcher Hartnäckigkeit die Verteidigung singulärer Werke unter besonderen Bedingungen und in engen Grenzen möglich war, zumal Anita Lehmbruck persönlich nicht verfolgt wurde, und das Werk ihres Mannes eben nicht eindeutig und ausschließlich als »entartet« galt. Dennoch verblieben der Familie Lehmbruck aufgrund zahlreicher Zerstörungen und Verluste nach dem Krieg lediglich 43 Plastiken und 2 7 Gemälde beziehungweise großformatige Pastelle. Anita Lehmbrucks Engagement w a r kein Einzelfall. So hat sich - neben anderen - auch Maria M a r c nachhaltig für das Werk ihres verstorbenen Mannes eingesetzt.

Kniefall der Moderne _ 243

1 Brief von Antita Lehmbruck an den Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste in München, 7. September 1 9 3 7 , in: Diether Schmidt (Hrsg.): In letzter Stunde. 1933-1945, Dresden 1 9 6 4 (Schriften deutscher Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts, Bd. 2), S. 12.0. 2 Vgl. Dietrich Schubert: Wilhelm Lehmbruck. Kniende (1911). Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Skulpturensammlung, Berlin et al. 1 9 9 4 (Patrimonia, Bd. 93)· 3 Julius Meier-Graefe: Lehmbrucks fünfzigster Geburtstag, in: Frankfurter Zeitung, 5.Januar 1 9 3 2 ; zitiert nach Dietrich Schubert: Die Kunst Lehmbrucks, Dresden, 2. Auflage 1 9 9 0 , S. 3 0 9 - 3 1 3 , S. 3 1 0 . 4 Ibid., S. 3 1 1 . 5 Vgl. Katharina Lepper: Kniende, 1911, in: Christoph Brockhaus (Hrsg.): Wilhelm Lehmbruck (1881-1919). Das plastische und malerische Werk, Bestandskatalog, Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg 2005, S. 1 2 8 . 6 Vgl. Gerhard Händler: Lehmbruck in den Ausstellungen und der Kritik seiner Zeit, in: Wilhelm Lehmbruck Museum, Bestandskatalog, Recklinghausen 1 9 6 4 - 1 9 6 9 , 3 Bde., Bd. 1, S. 7 - 9 . 7 Karl Scheffler: Pariser Sonderausstellung, in: Kunst und Künstler X I I / 1 9 1 4 , S. 649, zit. nach Andreas Pfeiffer: Gedankensplitter zu Wilhelm Lehmbruck, Ausstellungskatalog, Städtische Museen Heilbronn 1 9 8 1 , S. 1 8 - 2 4 , S. 2 4 · 6 Otto Grautoff: [ohne Titel], in: Der Cicerone VI/ 1 9 1 4 , S. 5 3 9 - 5 4 0 , S. 539; zitiert nach Pfeiffer 1 9 8 1 , S. 22 f. 9 Vgl. Paul Westheim: Zum Tod von Wilhelm Lehmbruck,\ri: Das Kunstblatt I I I / 1 9 1 9 , S. 1 9 3 - 2 1 1 , $ . 1 9 3 .

13 Eduard Trier: Wilhelm Lehmbruck. Die Kniende, Stuttgart 1 9 5 8 (Werkmonographien zur bildenden Kunst, Bd. 32}, o. S. Μ Dr. Stichling: [ohne Titel[ (Rubrik: »Der Wochenplauderer«), in: Städterundschau der Vosti, 7. Mai 1 9 2 7 , Duisburg, Wilhelm Lehmbruck Museum, Archiv, Dokumentenmappe. 15 Echo vom Niederrhein, 27.Juli 1 9 2 7 , Duisburg, Wilhelm Lehmbruck Museum, Archiv, Dokumentenmappe. 16 Berliner

Tageblatt,

30. Juni 1 9 2 7 , Duisburg, Wilhelm

Lehmbruck Museum, Archiv, Dokumentenmappe. 17 Kölner Zeitung, 29.Juli 1 9 2 7 , Duisburg, Wilhelm Lehmbruck Museum, Archiv, Dokumentenmappe. 18 Vgl. Siegfried Salzmann: Hinweg mit der »Knienden«. Ein Beitrag zur Geschichte des Kunstskandals, Duisburg 1 9 2 7 ; Georg Holländer: Lehmbruck in Duisburg. Eine rezeptionsgeschichtliche Studie, Phil. Diss., Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn 1 9 9 5 , S. 1 0 7 ff. 19 Vgl. Dietrich Schubert: Wilhelm Lehmbruck. Catalogue raisonne der Skulpturen. 1898-1919, Worms 2 0 0 1 , S. 1 4 2 f.; Holländer 1 9 9 5 , S. 98 ff. 20 Brief von Antita Lehmbruck an den Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste, 27. März 19^8, in: Schmidt 1 9 6 4 , S. 1 2 1 . 21 Brief von Antita Lehmbruck an den Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste, 1 6 . Oktober 1 9 3 8 , ibid., S. 1 2 2 . 22 Vgl. Wilhelm Lehmbruck. Büsten. 1937 beschlagnahmten Skulptur (hrsg. v. Eva Mongi-Vollmer), Städelsches Kunstinstitut und Frankfurt am Main 2007.

Die Rückkehr einer ins Stadel-Museum Ausstellungskatalog, Städtische Galerie,

10 Ibid., S. 200. 11 August Hoff: Das Werk Lehmbrucks. Duisburger Museumsverein, Duisburg 1 9 2 9 , o.S.; vgl. id.: Wilhelm Lehmbruck. Seine Sendung und sein Werk, Berlin 1936. 12 Das Motiv des Kniens kann nicht nur an verschiedenen Stücken Lehmbrucks beobachtet werden, sondern auch bei zahlreichen anderen Bildhauern seiner Zeit, etwa bei Archipenko; vgl. Ursel Berger: Lehmbrucks »Stehende weibliche Figur« und verwandte Frauendarstellungen seiner Pariser Werkphase, in: Wilhelm Lehmbruck (hrsg. v. Martina Rudioff u. Dietrich Schubert), Ausstellungskatalog, Gerhard Mareks-Stiftung, Bremen 2 0 0 0 , S. 4 9 - 6 9 .

23 Schubert 2 0 0 1 führt folgende Fassungen des Werks auf: Torso eines Gipses (alter Arbeitsgips ohne Unterbeine und Arme, Höhe 1 5 6 cm, Berlin, Neue Nationalgalerie, 1 9 9 4 zerbrochen); ocker getönter Gips aus dem Nachlaß, Höhe 1 7 8 cm, Duisburg, Wilhelm Lehmbruck Museum; patinierter Gips, Höhe 1 7 8 cm, Besitz der Familie Lehmbruck (vgl. Trier 1 9 5 8 , S. 8); Steinguß, New York, Museum of Modern Art (ehem. Mannheimer Kunsthalle, gestiftet von Sallv Falk, 1 9 3 7 als »entartet« beschlagnahmt, im Depot Niederschönhausen zwischengelagert und unter EK-Nr. 1 5 0 3 0 inventarisiert, 1 9 3 9 an die Sammlung A . A . Rockefeiler verkauft); Steinguß, Kriegsverlust (ehemals Berliner Nationalgalerie, durch Ludwig Justi erworben, 1 9 3 7 nicht beschlagnahmt, 1 9 4 5 zerstört);

244 _

Schmidt

Steinguß, 1920, Dresden, Skulpturensammlung (im Auftrag von Anita Lehmbruck vermutlich in Berlin bei Noack gegossen, 1 9 3 7 enteignet, Depot Niederschönhausen, für 2.000 Dollar an Karl Buchholz verkauft, 1 9 9 2 - 1 9 9 3 zurückerworben; vgl. Schubert 1994, passim); Steinguß, Buffalo, Albright Knox Art Gallery ( 1 9 1 3 in der Armory Show ausgestellt); Steinguß, zerstört (ehemals Städtische Galerie, München, als 1926 überlassene Leihgabe von Anita Lehmbruck, 1 9 3 7 für die

Ausstellung

ENTARTETE

KUNST

im Industriegebiet zusammenstehen, um der Kunst zu dienen und dem neuen Deutschland zugleich« (Herbert Griebitzsch: [ohne Titel], in: Nationalzeitung. Organ der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (Ausgabe für Groß-Essen), 24. August 1934). Noch zu Beginn der vierziger Jahre wird der Ankauf von Zeichnungen Lehmbrucks in Erwägung gezogen. 25 Vgl. Hoff 1936, S. 30 ff.

beschlagnahmt,

bei Transporten stark beschädigt, Rückgabe an Anita Lehmbuck am 6. Februar 1 9 3 9 , bis 15. Februar 1939 in München bei einer Transportfirma gelagert, von der Witwe nicht abgeholt, Bruchstücke durch Bernhard A. Boehmer am 22. Juni 1940 für 1 0 Dollar erworben, Abformung diverser Fragmente vor 1 9 4 5 ; freundliche Mitteilung von Andreas Hünecke, Juli 1998); posthumer Sandsteinguß, beschädigt, Berlin, Alte Nationalgalerie, Depot; Bronze (Guß von Noack), Verbleib unbekannt (ehemals Berlin, Sammlung Eugen Buchthal); Bronze, Duisburg, Wilhelm Lehmbruck Museum ( 1 9 2 7 im Tonhallengarten aufgestellt, nach 1 9 3 3 im Garten des Museums, nicht als »entartet« eingezogen; Bronze, Mainz, Mittel rheinisches Landesmuseum (seit 1 9 7 9 , erworben aus dem Besitz der Familie Lehmbruck); Bronze, New York, Metropolitan Museum of Art (Neuguß 1966 im Auftrag von Guido und Manfred Lehmbruck); Bronze, Besitz der Familie Lehmbruck (Guß von Noack). 24 Der aus Leipzig berufene Kunsthistoriker Dr. Herbert Griebitzsch hatte den Künstler zunächst noch intensiv verteidigt: »Lehmbruck ist einer der Unsrigen, die hier

26 Die historische Aufnahme zeigt auf mehreren Tischen im Depot dreizehn oder vierzehn Plastiken des Künstlers sowie weitere Gemälde. Für die Versteigerung in Luzern vorgesehen waren davon das Gemälde JUNGES

MÄDCHEN

(MARTHA)

von

1912

(heute

Duisburg, Wilhelm Lehmbruck Museum), die KLEINE SITZENDE

(SITZENDES

MÄDCHEN)

von

1912

aus

der Staatsgalerie Stuttgart (verkauft an Pierre Matisse, N e w York), der GEBEUGTE

WEIBLICHE

TORSO

von

1 9 1 3 aus dem Museum Lübeck (heute Palm Beach, Privatbesitz) sowie der MÄDCHENKOPF aus Wiesbaden (heute Schwerin, Staatliches Museum). Nicht alle beschlagnahmten Werke Lehmbrucks sind fotografisch dokumentiert. 27 Vgl. Schubert 2 0 0 1 , S. 134. 28 Brief von Antita Lehmbruck an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 1. Dezember 1 9 3 8 , in: Schmidt 1964, S. 124. 29 Rolf Hetsch: Aktennotiz, 8. Februar 1940, in: Schmidt 1964, S. 1 3 1 .

Fanal einer neuen Zeit Die Z e r s t ö r u n g von O s k a r Schlemmers » B a u h a u s - F r e s k e n « im J a h r 1 9 3 0

Wulf

• M

Herzogenrath

W A N D G E S T A L T U N G ALS B E K E N N T N I S

Als einer der H ö h e p u n k t e der B a u h a u s - A u s s t e l l u n g , die a m 1 5 . A u g u s t 1 9 2 3 e r ö f f net w u r d e , galt O s k a r Schlemmers Gestaltung des Weimarer Werkstattgebäudes mit figürlichen Fresken; die Gestaltung eines neutralen, w e n i g repräsentativen Gebäudes also, »das ich s. Z t . w ä h l t e in der A n n a h m e , daß dort n i e m a n d e m e t w a s zu leid g e s c h ä h e « , wie der Künstler 1 9 3 0 nach der Ü b e r m a l u n g und Z e r s t ö r u n g seiner Fresken an Paul Westheim schrieb (Abb.y8-8i).'

A u f t r a g und T h e m a

seiner

Wandgestaltung entstanden ganz aus eigenen Ideen. D e r H a n d w e r k s m e i s t e r J o s e f H a r t w i g und w o h l drei Studierende führten sie nach Z e i c h n u n g e n Schlemmers aus. V o n der großen M ö g l i c h k e i t , Wandbilder in einem ähnlichen U m f a n g wie die gescheiterten Planungen f ü r das Vestibül des Haupthauses nun im Werkstattgebäude allein zu entwerfen, w a r er überwältigt: » G e g e b e n w a r die R a u m g e s t a l t u n g van de Veldes, deren ehedem nüchtern getünchte W ä n d e immerhin W ä n d e w a r e n , nach denen eine Z e i t l a n g so inbrünstig von einer jungen M a l e r g e n e r a t i o n gerufen w a r d , die sich v o n ihnen die E r l ö s u n g von u n f r u c h t b a r e r Bildmalerei e r h o f f t e . « 2 Deutlich geht diese Bereitschaft, p r o g r a m m a t i s c h zu gestalten, auch aus einer Briefstelle hervor:

2 4 6 _ Herzogenrath

78

O s k a r S c h l e m m e r , R E L I E F U N D W A N D C B M Ä L D U IM W E R K S T A T T G E B Ä U D E D E S

BAUHAUSES

(BLICK ZUM HAUI'TEINGANG), W e i m a r 1 9 2 3 , zeitgenössische Fotografie, Stuttgart, N a c h l a ß Schlemmer

» H i e r wollte ich allerdings im großen Stil demonstrieren, und - wie ich sage, loswerden - w a s mich die letzte Z e i t bedrängt und bedrückt hat und mir die B e g r i f f e verwirrte. Wie ich überhaupt bei Gelegenheit der Ausstellung ins Volle g r i f f , um d a d u r c h zur Klarheit zu gelangen, indem ich f a s t die gesamten Kunstgebiete zugleich zu fassen suchte, - w a s über die K r ä f t e gehen mußte. Ich wollte nicht nur den Bauhäuslern die Fülle der Probleme a u f r o l l e n , sondern mir selbst zur Erkenntnis verhelfen, w a s zu lassen und w a s zu tun w ä r e in Zukunft.«' G e r a d e aus den beiden letzten Sätzen kann man die Ä n d e r u n g der K o n z e p t i o n Schlemmers ersehen; nicht mehr eine allgemeine Darstellung der B a u h a u s l e h r e , sondern eine Selbstdarstellung, ein bewußtes Bekenntnis zu den eigenen

Vor-

stellungen wollte er geben. D e s h a l b bietet gerade eine A n a l y s e der Weimarer W a n d gestaltung einen wichtigen A u f s c h l u ß über seine künstlerischen

Uberzeugungen

und die Bedeutung der menschlichen Figur im Werk O s k a r Schlemmers. Einige seiner Ideen zeigte Schlemmer in einem Brief an O t t o M e y e r - A m d e n auf:

Fanal einer neuen Zeil _ 2 4 7

79

Oskar

Schlemmer,

Ι.ΙΝΚΙΆ

I INC;ANC,SRI.LII

Ι

IM

W E R K S T A T I G E B A U I H

DI S

B A L H . U M S .

W e i m a r 1925, zeitgenössische ί omur.üie. Stuttgart. N'achhi^

» M e i n e Entscheidungen sind: Plastik oder M a l e r e i , m o d e r n , spekulativ, abs t r a k t , V e r b i n d u n g e n s u c h e n [zu] f r ü h e r e m . N a t u r . W a h r s c h e i n l i c h k e i t . -Bind u n g des M e t a p h y s i s c h e m . T h e m e n i m m e r : d e r M e n s c h , die Figur. I n s b e s o n d e r e K ö p f e . Ich d e n k e a u c h o f t an die F a r b e . A b w a n d l u n g v o n R o t - B l a u - G e l b ( V i o l e t t , d e r e n P r i n z i p in seiner A b w a n d l u n g m i r g e f ä l l t ) . « 4

D i e s s c h r i e b S c h l e m m e r k n a p p z w e i M o n a t e v o r B e g i n n der A u s s t e l l u n g u n d vielleicht nicht e i n m a l einen M o n a t v o r B e g i n n s e i n e r A r b e i t an der

Wandge-

s t a l t u n g . N a c h d e r V o l l e n d u n g b e k a n n t e S c h l e m m e r : » D e n n o c h bleibt ein g r o ß e s Thema,

uralt, ewig

neu. G e g e n s t a n d

der B i l d e r a l l e r Z e i t e n :

der M e n s c h ,

die

m e n s c h l i c h e Figur. V o n i h m ist g e s a g t , d a ß er d a s M a ß aller D i n g e sei. W o h l a n ! A r c h i t e k t u r ist edelste M e ß k u n s t , v e r b ü n d e t e u c h ! « ' D i e s e s B e k e n n t n i s zu s e i n e m ihn i m m e r b e s c h ä f t i g e n d e n T h e m a , zur m e n s c h l i c h e n Figur, ist eine der w e n i g e n

SehIcinmer

248 _ Herzogenrath

80

O s k a r S c h l e m m e r , W A N D G E S T A L T U N G IM W E R K S T A I T G E B Ä U D E

DES BAUHAUSES

(BI.ICK AUF DIE

LINKE

WAND DER KLEINEN H A L L E } , W e i m a r 1 9 2 3 , zeitgenössische Fotografie, Stuttgart, N a c h l a ß Schlemmer

Formulierungen im Hinblick auf einen Titel für seine Gestaltungen. Viele Bilder wurden von ihm nur mit der Anzahl der Figuren oder mit einer Beschreibung des Dargestellten benannt; dagegen findet sich ein deutender Titel - wie zum Beispiel »Paracelsus«, durch den der gegenständlichen Form eine tiefere Bedeutungsschicht hinzugefügt wird - bei Schlemmer nur selten. Die allgemeine Formulierung des großen Themas »Mensch« fordert in Weimar geradezu die Frage nach der Bedeutung der einzelnen Figuren heraus. Schlemmer hat daher seine Wandgestaltung zweimal selbst kurz beschrieben. 6 Das Werkstattgebäude ist 1 9 0 5 - 1 9 0 6 als Kunstgewerbeschule von deren Gründer und erstem Direktor Henry van de Velde gebaut worden. 7 Der Haupteingang zum zweigeschossigen Flügelbau liegt im Schnittpunkt der beiden Trakte, deren Raumhöhen im Erdgeschoß verschieden sind. Die hohen Ateliers im rechten Flügel betrat man von einer kleinen Halle aus nacheinander, da sie keinen eigenen Flur besaßen. Die Werkstätten des Bauhauses verteilten sich wie folgt auf drei Gebäude: Im Werkstattgebäude die Bildhauerei und Graphische Druckwerkstatt, dort im rechten Flügel die Weberei, im linken die Metallwerkstatt und die Tischlerei; im Hauptgebäude die Wand- und Glasmalerei; in Dornburg an der Saale die Töpferei. Der zur Straße hin etwas höher gelegene Flügel wurde von einem Podest

Fanal einer neuen Zeil _ 2 4 9

81

Oskar Schlemmer,

WANDGEMALDI:

IM

TREIMM N H A U S

Weimar ι

ι

DES

WERKSTAITGE.BAUDI

S DES

ΒΛΙ

durch einen M i t t e l g a n g erschlossen. Dessen Achse verlieh der e t w a s aus der Mitte gerückten dreiviertelrunden Treppe einen wichtigen Akzent. Alle R ä u m e w a r e n sehr schlecht beleuchtet und in ihrer Enge sowie durch die eher kleinteilige architektonische F o r m e n s p r a c h e f ü r eine Wandgestaltung nicht gerade als ideal zu bezeichnen, w a s Schlemmer auch bedauerte. Der Z e i t p u n k t des Beginns seiner Arbeiten im Werkstattgebäude kann durch zwei Fakten erschlossen werden: Da in der großen Publikation von 1 9 1 3 keine A b b i l d u n g des G e s a m t p l a n e s oder auch nur eines Teils der Wandgestaltung enthalten ist, w a r diese w o h l bis zur Drucklegung noch nicht

fertiggestellt.

Die A u s f ü h r u n g sollte den Unterricht nicht zu sehr stören,

deshalb w u r d e wahrscheinlich erst Mitte Juli 1 9 2 3 begonnen.

^ • i

KONSERVATIVE REVOLUTION

IN

WEIMAR

Auch nach der Schließung der Bauhaus-Ausstellung Ende September 1 9 2 s blieben zunächst alle Wandgestaltungen vor Ort erhalten. Reliefs von J o o s t Schmidt im Vestibül des H a u p t g e b ä u d e s w u r d e n dann von Studierenden im M a i 1 9 2 4 beschädigt (Abb. 82).

ΜΛΙΜΛ,

zeitgenössische Fotografie, Stuttgart, Nachlais Schlemmer

O b dies, wie der Hausmeister in einem Brief v o m 2 2 . M a i

1924

250-Herzogenrath

82

Joost Schmidt,

G R O S S E S WΑ Ν D R Ε L Ι Ε Ε IM V E S T I B Ü L

DES

BAUHAUS-HAUPTGEBÄUDES DES BAU HAU s ES , Weimar 1 9 1 3 , Fotografie von Helene Nonne-Schmidt

schrieb, nur auf den alkoholisierten Zustand der Studenten zurückzuführen war, scheint mehr als fraglich. 8 Denn nach der Landtagswahl im Dezember 1 9 2 3 herrschten in Thüringen seit dem Februar 1 9 2 4 die Deutschnationalen und Deutschvölkischen als sogenannter »Ordnungsbund«. Damit wurde die äußerst knappe Mehrheit des vorhergehenden zweiten Landtages abgelöst, die von September 1 9 2 1 bis Dezember 1 9 2 3 mit einer hauchdünnen Majorität die Existenz des Staatlichen Bauhauses überhaupt erst ermöglicht hatte. M a n muß sich heute erst wieder klar machen, daß die Gründung des Bauhauses und seine erste Finanzierung von der Stimme eines einzigen Abgeordneten im Thüringischen Landtag abhing. Es ist überhaupt nicht mehr im Bewußtsein der Kunsthistoriker, an welch seidenem Faden die Existenz des Bauhauses in diesen ersten drei Jahren hing, und wie Gropius diese Mehrheit in den täglichen Diskussionen bei ständiger Denunziation, Kampagnen und Streitereien jedes M a l neu erkämpfen mußte. Im M a i 1 9 2 4 notierte Schlemmer in einem Brief: »Die Ruhe ist ferner denn je. Die nächsten Tage - Wochen? - bringen die Entscheidung, ob das Bauhaus noch leben soll, mit oder ohne Gropius, mit oder ohne »Meisterschaft^ Die Rechtsregierung in Thüringen, die Bürgerlichen, die

Fanal einer n e u e n Zeit _ 2 5 1

83

Herbert Bayer. GESAMTENTWURF BAUHAUS-HAUPTGEBÄUDES,

FÜR DIE W A N D G E S T A L T U N G

IM T R E P P E N H A U S

DES

1 9 3 2 . , T e m p e r a a u f P a p i e r , 6ί> Χ 3 9 , 5 c m , P r i v a t b e s i t z

Handwerksmeister, die >an die Wand gedrückten« einheimischen Künstler laufen Sturm mit verschiedenen Parolen. Der Blätterwald rauscht gewaltig für und wider, Gropius gibt gesammelte Pressestimmen heraus, es erscheint eine Gegenbroschüre, ein Pamphlet, - Zeitungskampagne - Plakate der Schülerschaft für das B a u h a u s . « 3 Z u dieser sich im M a i 1 9 2 4 steigernden, demonstrativen M a c h t p r o b e der neuen Landtagsmehrheit gegen das Bauhaus paßt die Zerstörung der Reliefs von J o o s t Schmidt als ein sichtbares erstes Fanal des systematisch geplanten Endes der Existenz des Bauhauses in Weimar. Denn schon im September 1 9 2 4 w u r d e von den Deutschnationalen der Antrag zur Halbierung des staatlichen Zuschusses f ü r das Bauhaus eingebracht, eine Entscheidung, die dann schließlich zur Kündigung der Meister-Verträge zum 3 1 . M ä r z 1 9 2 5 , beziehungsweise zu deren NichtVerlängerung führte. N a c h diesen Disputen um die Beschädigung der Reliefs zog Schmidt die

_ Herzogenrath

radikale Konsequenz, ohne daß genaue Begründungen von ihm selbst bekannt sind, und vernichtete alle seine Werke im Vestibül, was eine klare Forderung der wieder erstarkenden Kunsthochschulprofessoren war. Hier sei nur angefügt, daß Otto Bartning für seine ab dem 19. April 1926 etablierte Staatliche Hochschule für Handwerk und Baukunst nicht nur einen ungekürzten Etat erhielt, sondern sein Budget wurde gegenüber dem Bauhaus um fünfzig Prozent erhöht. 1928 wurden dann drei Wandbilder von Herbert Bayer in den drei Etagen des Treppenhauses entfernt, darüber scheint es nicht einmal mehr Kontroversen gegeben zu haben (Abb. 83). In all diesen Jahren blieben die Wandgestaltungen von Oskar Schlemmer im Nebengebäude jedoch unangetastet. Das nächste entscheidende Faktum war der Ausgang der Landtagswahl am 8. Dezember 1929, bei der die Nationalsozialisten so viele Stimmen auf sich vereinten, daß sie ihren ersten Minister in Deutschland durchsetzen konnten: Wilhelm Frick, der Landesvorsitzende der Partei in Thüringen, wurde in der am 23. Januar 1 9 3 0 sich konstituierenden Regierung Innen- und zugleich Bildungsminister. Diese Machtfülle entsprach trotzdem kaum dem Verhältnis der sechs Stimmen gegenüber der insgesamt 28 Mandate umfassenden Mehrheit der neuen Rechtsregierung, aber sie belegt die Zielrichtung der politischen Arbeit Fricks. Und dies wurde dann auch als Modell für die Machtübernahme in Berlin, als Generalprobe für das Reich gesehen. Eine seiner ersten Taten war die NichtVerlängerung des Vertrags von Otto Bartning, so daß zum 1 . April 1 9 3 0 die Stelle des Hochschulleiters wieder frei war, und Frick seinen Berater, den Architekten und anti-modernen Pamphletisten Paul Schultze-Naumburg zum neuen Direktor der beiden noch existierenden »Kunstlehranstalten« in Weimar berief. Taktik und Begründung dieser Vorgehensweise beschrieb 1 9 3 3 ein Nationalsozialist so: »Das gewaltigste Aufsehen in ganz Deutschland erregten die Maßnahmen, in denen sich der Gestaltungswille Fricks auf kulturellem, volkserzieherischem und nationalpolitischem Gebiet Bahn brach. Man hätte meinen können, daß er, der Jurist und Polizeifachmann, für kulturelle Dinge wenig übrig haben würde.« Sein Handeln sei gegen den »grauenerregenden Zustand des deutschen Kulturlebens« gerichtet, und »wie Fanale einer neuen Zeit leuchteten seine Taten über Deutschland auf«. 1 0 Adolf Hitler selbst hatte in einem Brief an Frick vom 2.Februar 1 9 3 0 den Auftrag dazu erteilt: »Wir werden den Lehrkörper von den marxistisch-demokratischen Erscheinungen säubern, wie umgekehrt den Lehrplan unseren nationalsozialistischen Tendenzen und Gedanken anpassen.« 1 1

Für die

Durchführung in scheinbar kleinen Schritten wurde eine Bekanntmachung WIDER DIE NEGERKULTUR,

FÜR

DEUTSCHES

VOLKSTUM v e r ö f f e n t l i c h t , die bereits

1 9 3 0 Sofortmaßnahmen wie eine Verschärfung der Gewerbeordnung bis hin zu Zensurmöglichkeiten gegenüber »fremdrassischen Einflüssen« in Musik, Film oder

Fanal e i n e r n e u e n Z e i t _ 2 5 3

Theater vorsah - so wurde zum Beispiel in jenem J a h r der Auftritt der PiscatorBühne in Thüringen verboten. In Z w i c k a u w a r der Direktor des Städtischen KönigAlbert-Museums, der sich wie mehrere Museumsdirektoren für die zeitgenössische Moderne eingesetzt hatte, auf Betreiben konservativer Honoratioren der Stadt zum i . A p r i l 1 9 3 0 entlassen worden. Diesen dann reichsweit diskutierten »Zwickauer Skandal« nutzte der KAMPFBUND FÜR DEUTSCHE KULTUR für einen Fanfarenstoß im Kampf gegen die Moderne, und er veranlaßte die anderen Museumsdirektoren zu einer gemäßigten, aber klaren, sich zur Moderne bekennenden Verl a u t b a r u n g in d e r Z e i t s c h r i f t MUSEUM DER GEGENWART. 1 2

Schon Pfingsten 1 9 3 0 luden Frick und Schultze-Naumburg den KAMPFBUND FÜR

DEUTSCHE

KULTUR

nach

Weimar

ein.

Die

DEUTSCHE

KUNSTGESELL-

SCHAFT, aus welcher der KAMPFBUND 1 9 2 8 hervorgehen sollte, wurde seit 1 9 2 7 immer stärker von Alfred Rosenberg geprägt, dem Chefideologen der N S D A P und »Hauptschriftleiter« des VÖLKISCHEN BEOBACHTERS. In vielen Ortsgruppen sammelten sich diejenigen, die nun endlich die Moderne abschaffen und das deutsche Volk aus der »Sumpfkultur« retten wollten. Viele Professoren waren dem KAMPFBUND beigetreten, insbesondere in Vorträgen wurde die Krise eines gänzlichen Kulturverfalls herbeigeschrieben. Auf dem Pfingsttreffen in Weimar beschwor neben Frick und Rosenberg insbesondere Schultze-Naumburg den vermeintlichen Verfall und forderte, daß die städtische Architektur wieder ihre deutschen Wurzeln zeigen sollte. In seinen bereits zuvor veröffentlichten Thesen, etwa vom »undeutschen« Flachdach, wurden architektonische Ausdrucksformen auf der Grundlage einer rassistischen Kunsttheorie formuliert. Die Taten für die Weimarer Hochschule folgten, die in seinen Lebenserinnerungen so beschrieben wurden: »Ich sah mir die ersten Wochen den Betrieb beobachtend an, ohne einzugreifen, wußte aber sehr bald, daß ich ohne eine sehr gründliche Auswechslung des Lehrkörpers nicht zu Erreichung meiner Ziele kommen könnte.« 1 ' Von 3 2 Lehrenden blieben ganze drei im Amt, ebenso verließen dann auch außer fünfzehn alle anderen Studenten die beiden Weimarer Kunsthochschulen, die von ihm wieder vereint als Staatliche Hochschule für Baukunst, Bildende Kunst und Handwerk neu strukturiert wurde.

• H

VORSPIEL R A D I K A L E R E R EINGRIFFE

Bevor nun am 1 0 . N o v e m b e r 1 9 3 0 im Großen Hörsaal die feierliche Gründungsversammlung der neuen Hochschule und am 1 5 . N o v e m b e r in Jena die Antrittsvorlesung von Hans F . K . G ü n t h e r auf dem ersten »Lehrstuhl für menschliche Züchtungskunde« mit der gesamten NSDAP-Prominenz einschließlich Hitlers statt-

_ Herzogenrath

fanden, wollte doch Schultze-Naumburg nun selbst zwei sichtbare Fanale setzen: Zum einen ließ er die Wandbilder Oskar Schlemmers in der Weimarer Hochschule weiß überstreichen, zum anderen überzeugte er Frick, aus den Sammlungsräumen des Weimarer Museums im Schloß als ersten sichtbaren Schlag gegen die Kunst der Moderne siebzig Bilder wegzuräumen. Im Kampf um die Definition deutscher Kunst rissen Frick und Schultze-Naumburg auf diese Weise eine fatale Vorreiterrolle an sich, denn in Berlin wogte noch längere Zeit bis in die höchsten Stellen der Streit, ob nicht der Expressionismus von Nolde oder Barlach als die wahre deutsche Kunst anzuerkennen sei. In diesem Zusammenhang erscheinen auch einige Gedanken Schlemmers, die er in Briefen und im Tagebuch zum Thema seiner deutschen Traditionslinie äußert, in einem anderen Licht. Erst 1 9 3 6 waren sowohl die politischen wie die kulturpolitschen Profile eindeutig geschärft. 14 Paul Schultze-Naumburg ließ die Reliefs und Malereien Schlemmers im Werkstattgebäude als »entartete« Kunst abschlagen, beziehungsweise übermalen. Für ihn waren diese Werke »Übungen ohne künstlerischen Wert«, deren »gegenwärtiger Zustand eine Entfernung« rechtfertige, wie er an Schlemmer schrieb. 15 Die Zerstörung erfolgte in der ersten Oktoberwoche 1930; Schlemmer erfuhr weder durch einen offiziellen Brief des Ministeriums noch durch eine Mitteilung der Hochschule davon, nur der Haumeister informierte ihn und verhalf ihm auch zur Rettung einiger plastischer Teile. Schlemmer schrieb am 8. Oktober von seiner neuen Wirkungsstätte in Breslau an den Herausgeber des angesehenen KUNSTBLATTES Paul Westheim: »Es dürfte Sie interessieren, daß in Weimar letzte Woche meine Wandmalereien und Plastiken entfernt beziehungsweise zu gestrichen wurden, für die Sie sich seinerzeit sehr eingesetzt haben. Ich habe die Information vom Kastellan des Hauses, der mir zur Rettung einiger, allerdings labiler Plastiken verhalf und in seinem Brief schreibt: >Es ist alles weiß überstrichen worden, was ich und viele andere sehr bedauert haben. Es ist aber gegen den Zug der Zeit nichts zu machen.< Von welcher Seite dieser spezielle Zug der Zeit nun entfacht wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Immerhin haben diese Dinge nun fünf Jahre dem Sturm und dem Zug der Zeit getrotzt. 16 Obwohl Schlemmer über die Zerstörung seiner Werke sehr bedrückt war, erzürnte ihn auch die Tatsache, daß man ihn als Künstler nicht in Kenntnis setzte. Trost bot ihm die Arbeit an einer neuen, fast fertiggestellten großen Wandgestaltung, den Wandbildern für das Essener Museum Folkwang, deshalb fuhr er in dem oben zitierten Brief an Westheim fort: »Aber trösten wir uns, denn >neues Leben blüht aus den Ruinen ilkw.uv.

Erst a m 1 2 . N o v e m b e r 1 9 3 0 schrieb O s k a r S c h l e m m e r einen für diesen Anlal? f a s t zu h ö f l i c h e n

Brief an S c h u l t z e - N a u m b u r g ,

in d e m

er u m

Aufklärung

bat,

w o r a u f er j e d o c h nur eine beleidigende A n t w o r t a m 1 9 . N o v e m b e r erhielt:

» W a s ich h i e r n o c h a n d e n W ä n d e n v o r f a n d , w a r n i c h t d a s , w a s m a n i m a l l g e m e i n e n u n t e r e i n e m W a n d g e m ä l d e v e r s t e h t . Ich h a b e m i r a u c h n i c h t d e n k e n k ö n n e n , d a ß Sie selbst diesen Ü b u n g e n den Wert eines bleibenden K u n s t w e r k s b e i g e l e g t h a b e n . D a d i e W ä n d e d e s S c h u l g e b ä u d e s in e i n e m s e h r

verwahr-

l o s t e n Z u s t a n d w a r e n , s i n d sie a u f m e i n e n u n d a u c h a u f d e n W u n s c h

meiner

s ä m t l i c h e n H e r r e n K o l l e g e n in d e n v e r g a n g e n e n H e r b s t f e r i e n hell g e s t r i c h e n worden.«

|S

S c h u l t z e - N a u m b u r g reiste im W i n t e r 1 9 3 0 - 1 9 3 1 w i e eine A r t W a n d e r p r e d i g e r durch D e u t s c h l a n d , u m als Sprecher des nationalsozialistischen FÜR

DEUTSCHE

KAMPFBUNDES

K U L T U R d i e m o d e r n e K u n s t » m i t r o h e r D e m a g o g i e als r a s s i s c h

256-Herzogenrath

entartet« anzuprangern: »Er rühmte sich, moderne Bilder aus dem Weimarer Museum entfernt, die Schlemmerschen Wandbilder im einstigen Bauhaus [...] zerstört zu haben [...]. Die Weimarer Tempelreinigung, Vorspiel weit radikalerer Eingriffe, w a r durchaus keine unpopuläre Maßnahme mehr.« 1 9 Z w a r protestierten die größeren Kunstzeitschriften, und das KUNSTBLATT, mit dessen Herausgeber Schlemmer vorher korrespondiert hatte, berichtete in einem Artikel über den »Vandalen als Kunstschuldirektor«. 2 0 Z w a r wurde Schultze-Naumburg 1 9 3 1 wegen seiner Eingriffe in Weimar vom DEUTSCHEN KÜNSTLERBUND ausgeschlossen, aber alle diese Maßnahmen waren nur schwache Abwehrreaktionen der politisch ohnmächtigen modernen Künstler und ihrer Freunde. Es macht betroffen, wenn man diesen schleichenden, sich immer weiter verstärkenden Prozeß spätestens seit Beginn des 2.0. Jahrhunderts in Deutschland sieht. Der Kampf um den Einzug der Moderne in die Kunstmuseen wurde nicht so sehr auf ästhetischem Feld, sondern immer deutlicher mit rassistisch-völkischen sowie kommerziellem Argumenten vermischt: Als der erste unrühmliche Höhepunkt kann der sogenannte »Vinnen-Streit« von 1 9 1 1 gelten, als der Maler Carl Vinnen gegen den Ankauf des Bildes MOHNFELD von Vincent van Gogh durch den Direktor der Kunsthalle Bremen gegen die »ausländische, französische Kunst«, die Vorherrschaft jüdischer Kunsthändler sowie gegen die ebenso falsch gesehene Benachteiligung deutscher Künstler bei den Ankäufen durch deutsche Museen protestierte. 21 Neunzehn Jahre später dienten dieselben Vokabeln zu fanatischen Parolen, die zur Vertreibung und Zerstörung der Bilder, der Bücher und kurze Zeit später auch der Menschen führten. Oskar Schlemmer notierte am 27. November 1 9 3 0 in sein Tagebuch: »Gerade beim Bildersturm im Weimarer Museum wurden Künstler betroffen, an derem echtesten Deutsch der Gesinnung und Empfindung kein Zweifel bestehen kann«. Und vier Tage später heißt es in einem Brief an den Freund Otto Meyer-Amden: »Wird man sich, wenn die Nazis regieren, in die Böhmischen Wälder zurückziehen müssen, oder directement in den nächsten Krieg?« 2 2

F a n a l e i n e r n e u e n Zeit _ 2 5 7

1 Brief von O s k a r Schlemmer an Paul Westheim, 8. Oktober 1 9 3 0 , zitiert nach Wulf Herzogenrath: Oskar Schlemmer. Die Wandgestaltung der neuen Architektur. Mit einem Katalog seiner Wandgestaltungen 1911-1941, München 1 9 7 3 , S. 40; dieser Briefteil fehlt in O s k a r Schlemmer: Briefe und Tagebücher (hrsg. v. Tut Schlemmer), München 1 9 5 8 . 2 O s k a r Schlemmer: Gestaltungsprinzipien hei der malerisch-plastischen Ausgestaltung des Werkstattgebäudes des Staat!. Bauhauses, in: Das Kunstblatt V I I / 1 9 2 3 ,

12 Vgl. Kurt Winkler: Max Sauer land t - Das expressionistische Museum und die konservative Revolution, in: Eugen Blume u. Dieter Scholz (Hrsg.): Überbrückt. Ästhetische Moderne und Nationalsozialismus, Kunsthistoriker und Künstler 1 9 2 5 - 1 9 3 7 , Köln 1 9 9 9 , S. 6 5 - 7 9 , S. 68 f. 13 Zitiert nach N o b e r t Borrmann: Paul Schultze-Naumburg 1869-1949. Maler, Publizist, Architekt - Vom Kulturreformer der Jahrhundertwende zum Kulturpolitiker im Dritten Reich, Essen 1 9 8 9 , S. 1 9 2 .

S. 3 4 0 - 3 4 3 · 3 Brief von O s k a r Schlemmer an Otto Meyer-Amden, undatiert [Anfang Oktober 1 9 3 0 ] , zitiert nach Herzogenrath 1 9 7 3 , S. 40.

14 Vgl. Otto Karl Werkmeister: Moderne Kunst, totalitäre Politik: Pawel Filonow, Oskar Schlemmer, in: Blume u. Scholz 1 9 9 9 , S. 2 1 1 - 2 2 2 , S. 2 1 1 ff. 15 Schlemmer 1 9 5 8 , S. 2 7 5 .

4 Brief von O s k a r Schlemmer an Otto Meyer-Amden, undatiert (Juni 1 9 2 3 ] , zitiert nach Herzogenrath 1 9 7 3 , S. 40. 5 Schlemmer 1 9 2 3 , S. 340. 6 Vgl. Schlemmer 1 9 1 3 ; id.: Barbarei am Geist, in: Das Tagebuch, 1 7 . J a n u a r 1 9 3 1 , $ . 1 1 5 (zum Teil identisch mit der Tagebuchnotiz »Tatsachenbestand Weimar 1 9 2 3 « von Mitte N o v e m b e r 1 9 3 0 ; vgl. Schlemmer 1 9 5 8 , S. 2 7 4 - 2 7 5 ) . 7 Baugeschichte, Grundriß und Abbildungen finden sich in: Karl Heinz Hüter: Henry van de Velde. Sein Werk bis zum Ende seiner Tätigkeit in Deutschland, Berlin 1 9 6 7 , S. 1 6 1 ff., Abb. 1 8 5 - 1 9 1 u. Abb. 246. 8 Vgl. Petra Eisele: Die Wandgestaltungen zur BauhausAusstellung 1923 von Joost Schmidt, Herbert Bayer und Oskar Schlemmer, in: Silke Opitz (Hrsg.): Van de Veldes Kunstschulbauten in Weimar. Architektur und Ausstattung, Weimar 2 0 0 4 , S. 3 3 - 4 5 , S. 45. 9 Brief von O s k a r Schlemmer an Otto Meyer-Amden, 20. M a i 1 9 2 4 , zitiert nach Schlemmer 1 9 5 8 , S. 1 6 1 . 10 H a n s Fabricius: Dr. Frick, der revolutionäre mann, Berlin 0. J . [ 1 9 3 3 ] , S. 1 9 .

Staats-

11 Brief von Adolf Hitler an Wilhelm Frick, 2. Februar 1 9 3 0 , zitiert nach Karoline Hille: Beispiel Thüringen. Die »Machtergreifung« auf der Probebühne 1930, in: 1 9 3 3 . Wege zur Diktatur, Ausstellungskatalog, Staatliche Kunsthalle, Berlin 1 9 8 3 , S. 1 8 7 - 2 1 7 , S. 204.

16 Brief von O s k a r Schlemmer an Paul Westheim, 8 . O k t o b e r 1 9 3 0 , zitiert nach Schlemmer 1 9 5 8 , S. 2 7 1 . 17 Z u den Wandbildern in Essen vgl. Laura Lauzemis: Die nationalsozialistische Ideologie und der »neue Mensch«. Oskar Schlemmers Folkwang-Zyklus und sein Briefwechsel mit Klaus Graf von Baudissin, in: Uwe Fleckner (Hrsg.): Angriff auf die Avantgarde. Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialismus, Berlin 2007 (Schriften der Forschungsstelle »Entartete Kunst«, Bd. 1), S. 5 - 8 8 . 18 Brief von Paul Schultze-Naumburg an O s k a r Schlemmer, 1 9 . November 1 9 3 0 , zitiert nach Herzogenrath 1 9 7 3 , S. 283 (Anm. 254). 19 H a n s Eckstein: Die Bildende Kunst in Deutschland Zur Problematik der sozialen Basis, in: Europa-Archiv 2 / 1 9 4 7 , zitiert nach Herzogenrath 1 9 7 3 , S. 59. 20 Paul Westheim: [ohne Titel), in: Das Kunstblatt 1 9 3 0 , S. 349.

XIV/

21 Vgl. Van Gogh - Felder und Künstlerstreit (hrsg. v. D o r o t h e e H a n s e n u. Wulf H e r z o g e n r a t h ) , Ausstellungskatalog, Kunsthalle Bremen 2002 (mit einer umfassenden Dokumentation der Ankäufe deutscher und französischer Kunst von 1 9 0 0 - 1 9 1 4 } . 22 T a g e b u c h n o t i z , 2 7 . N o v e m b e r 1 9 3 0 , zitiert nach Schlemmer 1 9 5 8 , S. 276; Brief von O s k a r Schlemmer an O t t o Meyer-Amden, 1. Dezember 1 9 3 0 , zitiert nach ibid., S. 2 7 7 .

» . . . meine Bilder zerschneidet man schon in W i e n « D a s Porträt des Verlegers R o b e r t Freund von O s k a r K o k o s c h k a Christina

ZERSCHNITTENES BILDNIS - ZERSCHNITTENE

Feilchenfeldt

BIOGRAPHIE

»Wenn ich Porträts male, geht es mir nicht d a r u m , das Äußerliche eines M e n s c h e n , den R a n g oder Attribute seiner geistlichen oder weltlichen Prominenz oder bürgerlichen Provenienz festzuhalten. Es gehört ins Gebiet der Historie, D o k u m e n t e der N a c h w e l t zu überliefern. Was die Gesellschaft früher an meinen Porträts schockierte, w a r das, w a s ich in einem Gesicht, im Mienenspiel, in G e b ä r d e n zu erraten suchte, um dies in meiner Bildersprache als S u m m e eines Lebewesens in einem Gedächtnisbild wiederzugeben. Ein M e n s c h ist kein Stilleben, selbst ein Toter nicht.« 1 In seinen Lebenserinnerungen formulierte O s k a r K o k o s c h k a rückblickend eine Porträta u f f a s s u n g , die bereits in seinen frühesten Bildnissen deutlich zum

Ausdruck

k o m m t . Sein » R ö n t g e n b l i c k « , so A d o l f L o o s , führte in der Tat häufig dazu, daß die M o d e l l e des Künstlers ihre Bildnisse ablehnten, da ihnen ihre Darstellung zu ungeschönt, zu direkt oder auch auf brutale Weise zu ehrlich erschien. 1 So schrieb der K o m p o n i s t Egon Wellesz, der in Wien zu Beginn des zo. Jahrhunderts zum Kreis um K o k o s c h k a gehört hatte, 1 9 3 1

im V o r w o r t des K a t a l o g s zur großen

Ko-

k o s c h k a - R e t r o s p e k t i v e in M a n n h e i m : » D a s sind nicht Porträts der M e n s c h e n , die er malte, von außen her gesehen, das sind festgebannte Visionen, Blicke durch die

_Feilchenfeldt

bergende Hülle der Haut in die inneren Bezirke der Seele, in ihre Tiefen und Abgründe.« 3 Das Bildnis des Wiener Verlegers Dr. Robert Freund gehört zu den frühesten Porträts des Künstlers, das im Sinne von Wellesz, die »inneren Bezirke der Seele«, die »Tiefen und Abgründe« eines Charakters zu erfassen suchte (Färbt. II).4 Interessanterweise reflektiert die Geschichte des Bildes das persönliche Schicksal des Dargestellten auf eindrücklichste Weise: Ebenso wie der Machtwechsel in Deutschland im Jahr 1 9 3 3 den Lebensweg Robert Freunds bestimmte, wurde sein Porträt, das im Mai 1938 von der Wiener Gestapo zerschnitten wurde, einerseits zu einem prominenten Beispiel für die zerstörerische Kunstpolitik des neuen Regimes, andererseits aber auch zu einem Symbol des aktiven Widerstandes aus dem Exil gegen die Barbarei des »Dritten Reichs«. Im Jahr 1 9 3 1 porträtierte der Maler Robert Freund vermutlich in Berlin ein zweites Mal. Auch dieses Bild wurde Opfer der Nationalsozialisten, die es beschlagnahmten und später mit großer Wahrscheinlichkeit zerstörten.5 Das Bildnis Robert Freunds wirft zahlreiche Fragen auf. Wer war dieser Dr. Freund, dessen Porträt der junge Oskar Kokoschka als eines der ersten einer ganzen Reihe von Literaten- und Intellektuellenbildnissen anfertigte? Über seine Person ist nur wenig bekannt. Als Sohn von Sigmund und Clara Guttmann-Freund wurde er am 29. Mai 1886 im böhmischen Saaz geboren. Seinen Doktortitel erhielt er nach dem Studium in Wien und München möglicherweise im Fach Chemie. 6 Den einzigen Hinweis auf eine Tätigkeit Freunds als Chemiker bietet die nähere Kennzeichnung seines Porträts in der Ausstellung bei Paul Cassirer in Berlin im Juni 1 9 1 0 . Dort ist das Bildnis mit der Katalognummer 2 1 als »Ein junger Chemiker« aufgelistet. 7 An anderer Stelle heißt es, Freund sei Ingenieur gewesen.8 Eine kurze literarische Beschreibung Freunds verdanken wir den amüsanten Erinnerungen des Wiener Autors Friedrich Torberg, die unter dem Titel DIE TANTE J O L E S C H ODER DER U N T E R G A N G DES A B E N D L A N D E S

IN A N E K D O T E N

1977

erstmals publiziert wurden. Dort kommt eine Begegnung zwischen dem Wiener Literaten Egon Friedeil und Robert Freund zur Sprache, der zu diesem Zeitpunkt in seiner Funktion als Leiter des Münchner Piper-Verlags zu Verhandlungen mit Friedell nach Wien gereist war: »Dieser Dr. Freund, ein eleganter, durch und durch schöngeistiger, geradezu exzessiv kultivierter Herr, verkörperte den Typ, den wir >Dejeuner-Snob< nannten, das ist einer, der französische Lebensart mit englischer Formenstrenge zu verschmelzen strebt - und dergleichen konnte Friedell nicht ausstehen.« 9 Eine zweite literarische Erwähnung fand Robert Freund in den Lebenserinnerungen Reinhard Pipers. Dort wird der Verleger mit seinem lebhaften Interesse an Literatur und Kunst dem Wiener Kreis um Oskar Kokoschka zugerechnet:

. m e i n e Bilder z e r s c h n e i d e t man s c h o n in W i e n « _ 2 6 1

»Dr. Freund hatte vielerlei Beziehungen. Er war sehr beweglich und immer guter Laune [...]. Er Schloß schnell Bekanntschaften und w a r viel auf Reisen, woraus sich mancherlei Anknüpfungen für den Verlag ergaben.« 1 0 Ebenfalls habe Freund über ausgezeichnete Kenntnisse in englischer und französischer Literatur verfügt und beide Sprachen auch sehr gut beherrscht. Durch Freund seien wichtige Ubersetzungen dem Verlag zugeführt worden, was Piper in seinen Memoiren anerkennend vermerkt. Robert Freund w a r im Piper-Verlag nicht nur aktiver Mitherausgeber der Reproduktionen von Gemälden Alter und Neuer Meister, den sogenannten »PiperDrucken«, sondern hat auch in der 1 9 1 2 vom Verleger in Zusammenarbeit mit Julius Meier-Graefe ins Leben gerufenen Marees-Gesellschaft die graphischen Auflagen betreut." Als Alfred Eisenlohr während der Wirtschaftskrise 1 9 3 2 aus dem Verlag ausschied, w a r Freund neben Reinhard Piper der einzige Gesellschafter. Für den Juden tschechoslowakischer Abstammung änderte sich die Situation nach dem Inkrafttreten der »Nürnberger Rassegesetze« 1 9 3 5 grundlegend. Die Reichsschrifttumskammer drängte auf ein Ausscheiden Freunds aus dem Verlag, wie einem Brief vom 1 4 . November 1 9 3 5 an Piper zu entnehmen ist: »Ich bitte, mich über die Besitzverhältnisse Ihres Verlages zu unterrichten. Angeblich arbeitet in Ihrem Unternehmen nichtarisches K a p i t a l . « 1 1 Piper erhielt noch mehrere Schreiben dieser Art von offizieller Seite, die ihm eine Trennung von Freund nahelegten." Im Jahr 1 9 3 7 verließ Freund schließlich den Verlag R. Piper 8t Co., denn, so Piper in seinen Lebenserinnerungen: »Dr. Freund und ich mußten uns darüber klar werden, daß wir nicht für immer beisammenbleiben würden.«

14

Etwas kritischer stellt sich die Situation während der Gründung des Wiener Bastei-Verlags als letzter Neugründung eines belletristischen Verlags in Österreich vor dem »Anschluß« dar. Gründungsdatum und -ort waren der 22. Oktober 1 9 3 6 in Wien, und zum Geschäftsführer ohne Sach- oder Bareinlage wurde der »Verlagsbuchhändler Dr. Robert Freund, Wien« bestellt, dem allerdings keine Bezahlung für seine Tätigkeit garantiert wurde.' 5 Aber auch die Beschäftigung im Bastei-Verlag war für den Verleger nur von kurzer Dauer. Wahrscheinlich liegt der Grund hierfür in der zunehmenden anti-jüdischen Hetze der Nationalsozialisten, wie sie unter anderem in der parteikonformen Zeitschrift DIE NEUE LITERATUR formuliert wurde: »Hinter diesem Bastei-Verlag, Wien, steht der vor einiger Zeit aus dem R. Piper-Verlag ausgeschiedene Jude Dr. Freund, der so seinen aus dem Piper-Verlag ausgeschifften Rasse- und Gesinnungsgenossen eine neue >Bastei< schuf, übrigens ein bemerkenswerter Verlagstitel, der nicht harmloser wird, wenn man an Dr. Freunds gute Beziehungen zu Prag denkt.« 1 6 Bei einer Generalversammlung des Bastei-Verlags am 3 0 . J u l i 1 9 3 7 wurde Freund seiner Stelle als Geschäftsführer enthoben und am 6. August aus dem Handelsregister gestrichen. 17 Mit unterschiedlichen Adressen hielt sich der Verleger

_ Feilchenleldt

bis zum ί ο . Juni 1 9 3 8 mit gelegentlichen Besuchen in Prag und München - somit noch fast ein J a h r - in Wien auf, bis er die Stadt endgültig verließ. 18 Z u diesem Zeitpunkt stand das Ende des Bastei-Verlags bereits bevor. A m 2 5 . M a i 1 9 3 8 w a r von offizieller Seite beschlossen worden, den als »jüdisch« eingestuften Verlag zu liquidieren. Dieses Unterfangen sollte jedoch erst 1 9 4 0 zum Abschluß kommen.' 9 Bemerkenswerterweise blieben Robert Freund trotz der neuen antijüdischen Gesetze nach seinem Ausscheiden aus dem Piper- und Bastei-Verlag seine Lizenzen erhalten. Während eines kurzen Aufenthalts in der Schweiz verkaufte er seine Rechte am Bastei-Verlag an den Verleger M a x Rascher in Zürich. 2 0 Über Paris emigrierte Freund schließlich 1 9 4 1 nach N e w York und baute sich in der Folgezeit eine neue Existenz als Verleger auf. Ähnlich den »Piper-Drucken« legte Freund in seinem neu gegründeten Verlag The Twin Editions oder Twin Prints Kunstdrucke nach Vorlagen Alter und Neuer Meister auf. Zusätzlich publizierte er Kunstbücher und Literatur über Philosophie und Musik sowie Belletristik und Reiseliteratur und suchte sich auf ausgedehnten Reisen mit den bedeutenden Kunstsammlungen der Vereinigten Staaten vertraut zu machen. 1 1 A m 29. Januar 1 9 5 2 starb Robert Freund im Alter von fünfundsechzig Jahren an einem Herzleiden. Nach dem Tod seiner Frau Grethe im selben J a h r wurde der Verlag von der N e w York Graphic Society übernommen.

»EIN JACK THE RIPPER, DEM ES NICHT DARAUF ANKÄME, DEN NÄCHSTBESTEN KERL AUFZUSCHLITZEN«

Auf Initiative von Herwarth Waiden und Adolf Loos w a r im Juni 1 9 1 0 in der Berliner Galerie Paul Cassirer die erste Ausstellung Oskar Kokoschkas in Deutschland zustande gekommen. Von den vierundzwanzig gezeigten Bildnissen gehörten siebzehn Werke Adolf Loos, Herwarth Waiden hatte sein eigenes Porträt geliehen, und mindestens zwei Bilder stammten aus der Sammlung Oskar Reichel in Wien. 1 2 Bei dieser Gelegenheit wurde auch das Bildnis Robert Freunds erstmals der Öffentlichkeit gezeigt. In seiner Kritik über die Ausstellung schrieb Kurt Hiller: »Dort umsprudeln, umglotzen, umlärmen (den Besucher) exhibitionistisch Larven von Europäern, Weltstadtantlitze der Zermürbten und der Famosen Fratzen Aufgegipfelt-Verfeinert.« 2 3 Wenn man bedenkt, daß diese Rezension in Herwarth Waldens progressiver Zeitschrift DER STÜRM erschien, so wird ersichtlich, wie neuartig und verstörend die Bildnisse Kokoschkas auf das zeitgenössische Publikum gewirkt haben müssen. Ebenfalls im STÜRM publizierte Else Lasker-Schüler die einzige weitere Kritik der Ausstellung, ansonsten fand diese nur noch in einem Artikel

» . . . m e i n e B i l d e r z e r s c h n e i d e t man s c h o n in W i e n « _ 2 6 3

85

Oskar

Kokoschka,

INI D S I S

DLR

MARQUISE

YICTOIRL·

DH M ü M t s g i

IOI-II /I

SSAI:.

i y i o . O l auf I einwand. 94,6 χ 48,9 cm, Cincinnati Arr M u s e u m

über junge österreichische Malerei von Franz Servaes in der Berliner Zeitschrift KUNST UND KÜNSTLER eine knappe negative Erwähnung." 4 Z u r Zeit der Entstehung des Bildnisses von Robert Freund und in den folgenden Jahren stammten K o k o s c h k a s Modelle hauptsächlich aus der intellektuellen Künstler- und Literatenszene Wiens. Aber auch die durch Krankheit gezeichneten Patienten eines Lungensanatoriums, wie die Marquise de Montesquiou-Fezensac oder der von Tuberkulose gezeichnete Conte Verona weckten als Vertreter der dekadenten aristokratischen Gesellschaft des Fin-de-siecle das Interesse des Künstlers (Abb. 85-86).

Auf Vermittlung von Adolf Loos und dessen Lebensgefährtin Bessie

Bruce erhielt K o k o s c h k a zu Beginn des Jahres 1 9 1 0 die Gelegenheit, diese im Lungensanatorium M o n t Blanc in Leysin am Genfersee zu porträtieren. In beiden Fällen gingen die Bildnisse in den Besitz von Adolf I.oos über und wurden noch im J a h r ihrer Entstehung in der Berliner Ausstellung bei Cassirer gezeigt."' O b als »Seelenaufschlitzer«, der das »geistige Skelett« des Porträtierten blolslegt, wie der mit dem M a l e r befreundete Literat Albert Ehrenstein die Bildniskunst

2 6 4 _ Feilchenfeldt

86

O s k a r K o k o s c h k a , BILDNIS DES CONTF. VERONA, 1 9 1 0 ,

Öl auf Leinwand, 80 χ 63 cm, USA, Privatbesitz

des jungen K o k o s c h k a charakterisierte, oder als Künstler, der mit den Worten von A d o l f L o o s das »innere Gesicht« seiner Dargestellten o f f e n b a r t , stets gelingt es dem Maler, hinter die F a s s a d e , hinter das rein Äußerliche seines G e g e n ü b e r s zu blicken. 2 6 Entsprechend äußerte sich auch Paul Westheim über K o k o s c h k a als unerbittlichen Porträtisten: »Ein J a c k the Ripper, dem es nicht darauf a n k ä m e , den nächstbesten Kerl aufzuschlitzen«. 2 7 Der schonungslose U m g a n g mit dem M o d e l l k a n n als direkte A n t w o r t auf die wissenschaftlichen A b h a n d l u n g e n zur menschlichen Psyche verstanden w e r d e n , die in Wien zu Beginn des 20. J a h r h u n d e r t s das Geistesleben zunehmend bestimmten. Allerdings w a r es weniger die analytische H e r a n g e h e n s w e i s e S i g m u n d Freuds, die K o k o s c h k a s Auseinandersetzung mit der Seelenlandschaft seiner M o d e l l e prägte. D e r Künstler näherte sich seinem Gegenüber rein intuitiv und nicht mit der wissenschaftlichen M e t h o d i k des Begründers der Psychoanalyse. K o k o s c h k a s C h a r a k t e r i s i e r u n g entsprach eher der A u f f a s s u n g des Physikers und Philosophen Ernst M a c h , die dieser bereits 1 8 8 6 in seiner ersten Publikation mit d e m Titel D I E A N A L Y S E HÄLTNIS

DES

PSYCHISCHEN

ZUM

DAS

VER-

PHYSISCHEN zum Ausdruck gebracht

DER

EMPFINDUNGEN

UND

hatte.

Z w i s c h e n 1 9 0 0 und 1.922 folgten acht weitere Werke, in denen der Wissenschaftler die These vertrat, daß nicht das eigentliche »Ich« p r i m ä r von Bedeutung f ü r die

» . . . m e i n e B i l d e r z e r s c h n e i d e t m a n s c h o n in W i e n «

Charakterisierung eines Menschen sei, sondern erst die Empfindungen, die dieses »Ich« bestimmen.28 Indem Kokoschka erklärtermaßen die inneren Eigenschaften und Regungen eines Menschen zu porträtieren suchte anstelle seiner äußeren Erscheinung, läßt sich ein inhaltlicher Bezug zu den Schriften Machs zweifellos herstellen. In diesem Kontext verwundert es nicht, daß der Künstler seine frühen Bildnisse als »nervenirrsinnige« Porträts verwirklichen wollte. 2 ' Auf den Bildnissen dieser Zeit fehlen sämtliche Attribute, ihr Inhalt scheint in der Konzeption zu liegen, und es sind allein die bildnerischen Mittel und die technische Ausführung, die zur Bildaussage führen. Seine Porträts, so Kokoschka, sollten »nichts Äußerliches« festhalten, die Ähnlichkeit mit dem Modell war für den Künstler allenfalls zweitrangig. Drei Jahre nach der Entstehung des Bildnisses von Robert Freund formulierte Arnold Schönberg 1 9 1 z im Almanach REITER

DER

BLAUE

die Theorie, daß die Ähnlichkeit mit dem Vorbild für das Porträt irrelevant

sei, da man diese hundert Jahre später ohnehin nicht mehr überprüfen könne. Dieser Ansicht war auch Kokoschka, der seine Modelle nicht in traditionellen Porträtsitzungen bildlich festhielt, sondern diese aufforderte, sich frei zu bewegen, um so »die Summe eines Lebewesens in einem Gedächtnisbild wiederzugeben«.' 0 Von einer solchen Bewegung ist für den Betrachter im Porträt Freunds nichts mehr zu spüren: Vollkommen reduziert auf die Person und letztlich auf das Antlitz des Dargestellten ist Freund frontal als Halbfigur wiedergegeben. Nicht einmal die Hände, die in den meisten frühen Bildnissen Kokoschkas eine zentrale gestalterische Aufgabe übernehmen, sind in die Darstellung einbezogen. Der Porträtierte vor dem unruhig bewegten, blau-grauen Hintergrund, nimmt beinahe den gesamten Bildraum ein und wird im Bereich der Arme bis zu den Schultern von einer gelben Kontur umgeben, die hinter der linken Körperhälfte an lodernde Flammen erinnert. Das einzige Porträt Kokoschkas, bei dem der Künstler eine vergleichbare gelbe Konturierung einsetzte, allerdings nur an der rechten Körperhälfte über Arm und Schulter, ist das im gleichen Jahr entstandene Bildnis

VATER H I R S C H . "

Zwar neh-

men in diesem Bildnis die expressiven Hände eine wesentliche kompositorische Funktion ein, eine deutliche Übereinstimmung mit dem Bildnis Freunds liegt jedoch in der karikierenden Darstellungsweise der Mundpartie: Zur Fratze verzogen, den Mund zu einem beinahe unheimlich anmutenden Lachen geöffnet, das eine Reihe viel zu großer Zähne bloßlegt, erscheint der Kopf im Vergleich zum Körper überproportional groß (Abb. 8y). Dagegen hat der Künstler für beide Porträts eine vollkommen unterschiedliche malerische Gestaltung gewählt. Während ihn für die Darstellung des alten Mannes der pastose Farbauftrag Vincent van Goghs inspirierte, dessen Kunst in Wien zu Beginn des zo. Jahrhunderts in unterschiedlichen Ausstellungen studiert werden konnte, ist der Farbauftrag auf dem Bildnis Robert Freunds dünner und lasieren-

.265

_ Fe i Lebe π feIdt

O s k a r K o k o s c h k a , VATER IITRSCII, 1 9 0 9 , auf L e i n w a n d , 7 0 , 5 χ 62,5 cm, Linz, Neue Galerie

der. Die Figur wirkt ästhetisiert, der übergroße Kopf mit den stilisierten, mandelförmigen Augen und der spöttisch hochgezogenen rechten Augenbraue ist als Zentrum der Komposition auf der vertikalen Bildachse positioniert, der Blick scheint ins Leere gerichtet zu sein. Den Kopf umgibt eine helle Kontur, die ihn vom Bildhintergrund absetzt, während eine Locke des durch rote Farbakzente betonten dunklen Haares neckisch auf die Stirn des Dargestellten fällt. Diese roten Farbflecken, die auch auf der Jacke, als Umriß der hellen Krawatte, aber insbesondere um M u n d , linkem Ohr und Augen zu sehen sind, verleihen dem Porträt etwas Verstörendes, Fragiles und Morbides. Als handele es sich um Blutbahnen, sind die grotesk in die Länge gezogenen Augen mit schweren Lidern rot umrandet. Z w a r sind auf anderen Bildnissen dieser Zeit ebenfalls rote »Blutbahnen« gezogen (Abb. 88), doch in keinem der erhaltenen Bildnisse des Künstlers so auffallend deutlich wie im Fall Robert Freunds.'" Hier ist der »Dejeuner-Snob«, wie ihn Friedrich Torberg in seiner Erzählung schilderte, in seiner ganzen Persönlichkeit erfaßt. Es muß das Rätselhafte an der Person Freunds gewesen sein, das den Künstler interessierte, der Gegensatz zwischen der glatten Äußerlichkeit und der intellektuellen, geistigen Schärfe des Verlegers, denn, so Paul Westheim: »Immer war eine nahe Beziehung, eine ganz persönliche Zugehörigkeit da. Es waren Menschen, gegen die er [Ko-

» . . . m e i n e B i l d e r z e r s c h n e i d e t m a n s c h o n in W i e n « _ 2 6 7

88

Oskar

Kokoschka,

HH.DMS

I UDWK,

ΚΙΠΊ

Κ VON

CM a u f L e i n w a n d , 6 0 , i χ

JAMKOWSKI.

k o s c h k a ] sich w e h r e n m u ß t e , w e i l sie d u r c h ihr D a s e i n i r g e n d w i e h e r e i n s t i e ß e n in seine E x i s t e n z , M e n s c h e n , d e r e n f r e m d e s W e s e n er v o r sich zu e n t r ä t s e l n h a t t e , o d e r M e n s c h e n , d e r e n G ü t e er e i n m a l z u r ü c k z u s c h e n k e n h e g e h r t e . « D e r K u n s t h i s t o r i k e r W a l d e m a r G e o r g e c h a r a k t e r i s i e r t e die B i l d n i s s e K o k o s c h k a s als eine A r t v o n » m e n s c h l i c h e r K o m ö d i e « , als »eine G a l e r i e v o n o d e r eine S a m m l u n g v o n T i e r f a b e l n « , u n d in der T a t e r i n n e r t die

Ungeheuern

Physiognomie

F r e u n d s an d e n s c h l a u e n F u c h s d e r F a b e l n Ä s o p s o d e r J e a n de L a F o n t a i n e s . A n d e rerseits, s o G e o r g e , sei d e m K ü n s t l e r eine » r e s ü m i e r e n d e V o r s t e l l u n g des Stils d e r K l e i d u n g , d e r P h y s i o g n o m i e u n d d e s V e r h a l t e n s d e r im 1 9 . J a h r h u n d e r t g e b o r e n e n und von Hitler vernichteten Intellektuellen liberaler Prägung« g e l u n g e n / 4

B

D

E

R U N D

»Z E R S C H N I T T E N E « D I E A U S S T E L L U N G E N

K O K O S C H K A D E U T S C H E R

K Ü N S T L E R

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iycy.

cm. L ' S A . Prixarhe^itx

E X I L

Im S o m m e r 1 9 ^ 8 s c h r i e b O s k a r K o k o s c h k a a u s P r a g in e i n e m Brief an C a r l M o l l : »In W i e n h a t m a n a m t l i c h e r s e i t s a m 5. V. 3 8 in d e r R e i s n e r s t r . 4 0 d u r c h die G e s t a p o A b t l g . II. Η ein altes P o r t r a i t e r s t m a l i g , als N o v u m , z e r s c h n i t t e n . [ . . . ] D i e S t ü c k e

_ Feilchenfeldt

sind in Prag, die Zeugen ebenfalls. [...] M a n hat auch eine Renoirzeichnung zerstört oder weggetragen.« 3 5 Bei dem »alten Portrait« handelte es sich um das Bildnis Robert Freunds, dessen einzelne Teile vermutlich vom Besitzer selbst nach Prag gebracht worden waren, denn Freund hielt ja bekanntlich bis ins J a h r 1 9 3 8 gute Beziehungen zu der Stadt an der Moldau. Danach emigrierte er wie zahlreiche andere verfolgte Intellektuelle aus Deutschland und Österreich nach Paris. Nach dem Einsetzen systematischer Drangsalierungen durch die Nationalsozialisten zu Beginn der dreißiger Jahre w a r die französische Hauptstadt für etliche Künstler und Literaten zur neuen Heimat geworden. 3 6 Im Herbst 1 9 3 7 gründete Eugen Spiro, Maler und ehemaliger Lehrer an der Staatlichen Kunstschule Berlin, in P a r i s

den

DEUTSCHEN

KÜNSTLERBUND wurde.

37

KÜNSTLERBUND,

aus

dem

schließlich

der

FREIE

Unter den Gründungsmitgliedern befanden sich der

Kunstkritiker Paul Westheim sowie M a x Ernst und Gert Wollheim. Einerseits versuchte man damit, den nach Frankreich emigrierten Künstlern ein Forum zu bieten, andererseits distanzierte man sich ausdrücklich vom weiterhin in Deutschland bestehenden gleichnamigen DEUTSCHEN KÜNSTLERBUND, der im J a h r 1 9 3 5 von der N S D A P »gleichgeschaltet« worden war. Das wichtigste Ziel der Gruppe bestand jedoch darin, ein Gegenstück zur Münchner Ausstellung ENTARTETE KUNST von 1 9 3 7 zu schaffen, was allerdings nach zahlreichen Rückschlägen erst im folgenden J a h r gelang. 38

Zunehmende

Schwierigkeiten in der Realisierung des Projekts ergaben sich zum einen aus einer Initiative, die in Zürich durch die Schweizer Kunstsammlerin und -händlerin Irmgard Burchard ins Leben gerufen worden war, insbesondere aber durch die in London von Herbert Read, Roland Penrose und Lady Morton geplante Antwort auf die Münchner Feme-Ausstellung. 39 Das Pariser Vorhaben unterschied sich allerdings von Anfang an von den beiden anderen Initiativen in dem wesentlichen Punkt, daß die direkt betroffenen Künstler eine Protestausstellung gegen die Kunstpolitik der Nationalsozialisten zu verwirklichen suchten, während in Zürich und London eine repräsentative Ausstellung der in Deutschland verfemten Kunst realisiert werden sollte. 40 Dies führte zur Zusammenarbeit zwischen den Zürcher und Londoner Organisatoren, in deren Verlauf Irmgard Burchard in London zur Hauptorganisatorin wurde und Zürich als Veranstaltungsort entfiel. Ursprünglich unter dem Titel BANNED ART geplant, wollten sich die Ausstellungsmacher in London nicht auf deutsche Kunst beschränken, sondern ebenfalls Beispiele impressionistischer und abstrakter Malerei präsentieren. International bekannte Künstler wie Kandinsky, Picasso und M a x Ernst hatten ihre Teilnahme bereits zugesagt, und zu den Schirmherren der Ausstellung gehörten Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur wie Sir Kenneth Clark, Le Corbusier, aber auch Virginia Woolf und der Bischof von Birmingham. Außerdem standen dem engli-

. m e i n e B i l d e r z e r s c h n e i d e t man s c h o n in W i e n « _ 2 6 9

sehen Komitee finanzielle Mittel von etwa 80.000 Schweizer Franken zur Verfügung, ein Budget, von dem die Pariser Veranstalter nur träumen konnten. 41 Dies hing unter anderem damit zusammen, daß emigrierte Sammler und Mäzene wie beispielsweise Hugo Simon eher gewillt waren, das englische Projekt zu unterstützen. 41 Wie sich im Verlauf der Vorbereitungen zur Ausstellung jedoch herausstellte, distanzierte sich das Organisationskomitee in London zunehmend von einer politischen Aussage: Die Darstellung von Verfolgung und Verfemung moderner Kunst in Deutschland trat zunehmend in den Hintergrund. Aus dem ursprünglichen Titel der Ausstellung wurde die unverfänglicher klingende EXHIBITION OF TWENTIETH CENTURY GERMAN ART. Um jeden Bezug zu Emigranten und Juden zu vermeiden, strich man die Namen Thomas Manns und Albert Einsteins von der Liste der Protektoren. 43 Gezeigt wurden schließlich über 2 7 0 Arbeiten von 64 Künstlern, unter anderem M a x Beckmann, Lovis Corinth, Wassily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, M a x Liebermann und Franz Marc. Politisch-agitatorische oder sozialkritische Kunst w a r hingegen nicht vorgesehen, was schließlich zum Bruch mit der Pariser Fraktion führte. 44 Z u Beginn des Jahres 1 9 3 8 w a r der noch in Prag lebende Oskar Kokoschka als Ehrenpräsident in den FREIEN KÜNSTLERBUND aufgenommen worden. Gemeinsam mit M a x Ernst und Gert Wollheim machte er die Teilnahme in London von der Präsentation seines zerstörten Bildnisses von Robert Freund als Beispiel für die Barbarei nationalsozialistischer Kunstpolitik in Deutschland abhängig. Eugen Spiro, als erster Vorsitzender des FREIEN KÜNSTLERBUNDES in Paris, setzte Herbert Read in einem offiziellen Schreiben von der Entscheidung der drei Künstler in Kenntnis, die er damit begründete, daß »der ursprüngliche Plan einer AntiNazi-Manifestation nicht genügend durch die Ausstellung dokumentiert wurde«. 4 5 Herbert Read lehnte schließlich die Präsentation des Porträts mit der Begründung ab, es sei qualitativ nicht hochwertig genug, um ausgestellt zu werden: »The trouble is«, so Read am 8.Juli 1 9 3 8 , dem Tag der Ausstellungseröffnung, im DAILY EXPRESS, »that it's not really a good Kokoschka [...] not up to his best.« 46 Im bereits zitierten Brief an Carl Moll aus dem Prager Exil brachte Kokoschka im Sommer 1 9 3 8 seinen Unmut und die Enttäuschung, die man in Paris gegenüber der Londoner Ausstellungsleitung empfand, zum Ausdruck: » Z . B. in London war geplant eine Ausstellung >Entarteter KunstBegabung< gab den Ausschlag, sondern die innere Zugehörigkeit zum roten Kunstsystem und die Verwendbarkeit darin.« 3 3 Der Auffassung Willrichs folgend, beschlagnahmte die Kommission bereits beim ersten Besuch am 7.Juli 1 9 3 7 die Plastiken Bellings aus dem Kronprinzenpalais, um sie in München polemisch zu verwenden. 3 4 Die nur wenige Tage später, am 1 9 . Juli 1 9 3 7 , in der Münchner Gipsabgußsammlung eröffnete Ausstellung ENTARTETE KUNST w a r eine didaktisch inszenierte Schau mit propagandistischem Impetus. Die breite Masse des Volkes sollte ästhetisch und politisch erzogen werden, sollte, so der Wille Goebbels, »sehen und erkennen« lernen. 35 In verzerrenden Schrifttafeln wurden die ausgestellten Werke diffamiert; die moderne Kunst, »Verfallskunst« nach nationalsozialistischer Terminologie, sollte als wüste Produktion sogenannter »entarteter« Künstler gelten. Die Ausstellung prangerte den vermeintlichen Verfall deutscher Werte, eines deutschen Menschenbildes, deutscher Sittlichkeit und Religion an. Stilistische Verformungen wurden zu bizarren Verzerrungen geistiger und körperlicher Schönheit degradiert, die Auflösung und Abstraktion der Form eine der großen Errungenschaften moderner Kunst - als »Entartung« gegeißelt. In dieser als Folge von »Schreckenskabinetten« gestalteten Schau waren auch die zwei beschlagnahmten Werke Rudolf Bellings zu sehen. Den DREIKLANG und den KÖPF IN MESSING stellte man im dritten R a u m aus, der neben dem Expressio-

Die zwiespältige

108

Unbekannter

Fotograf, (MIT

BLICK

IN

RUDOLF

DIL

Rezeption

AUSSTELLUNG

BKLi.iNGs

eines Bildhauers _ 319

"FNTARTLTL

nismus auch der Abstraktion gewidmet war. Links und rechts der Arbeiten befanden sich weitere Skulpturen, darunter Eugen Hoffmanns MÄDCHEN MIT BLAUEM HAAR und sein WEIBLICHER AKT; beide Werke sind noch immer verschollen (Abb. 108-109).

KUNST··

· D R Ι: ι κ l a N C · • ) , M ü n c h e n

Über den Werken prangte an der Stellwand der Spruch: »Sie sagen

es selbst: Wir tun so, als ob wir Maler, Dichter oder sonst was wären, aber wir sind nur und nichts als mit Wollust frech. Wir setzen aus Frechheit einen riesigen Schwindel in die Welt und züchten Snobs, die uns die Stiefel abschlecken.«"' 6 Dieses zweckentfremdete Zitat aus einem Künstlermanifest von 1 9 1 5 sollte in seiner nachlässigen Verschriftlichung - als manuell, in Wellenlinien angebrachter Spruch Sinnbild der unprofessionellen Verhöhnung »wahrer« Kunst und Kultur sein. Die bewußt chaotisch gehaltene, aggressive Wort- und Bildkombination zeigte Wirkung. In nur vier Monaten besichtigten über zwei Millionen Besucher die Ausstellung ENTARTETE KUNST auf ihrer ersten Station in München.

193-

320 _ Dogramaci

109

Unbekannter

F o t o g r a f , B L I C K IN D I E A U S S T E L L U N G » E N T A R T E T E K U N S T « ( M I T R U D O L F B E L L I N G S

U N D » K O P F IN M E S S I N G « ) , M ü n c h e n

»DREIKLANG«

1 9 3 7 , Berlin, Staatliche M u s e e n Preußischer Kulturbesitz, Zcntralarchiv

Anschließend wanderte die Ausstellung weiter durch Deutschland, war in Berlin, Leipzig, Düsseldorf und anderen Städten in unterschiedlichen Zusammenstellungen zu sehen. Die beschlagnahmten Werke, die nicht oder nicht mehr in die Ausstellung gezeigt wurden, fielen nach und nach unterschiedlichen Schicksalen anheim: Einige Kunstwerke wurden am 2.0.März 1 9 3 9 im Hof der Hauptfeuerwache zu Berlin verbrannt, andere, denen man eine internationale Verwertbarkeit apostrophierte, kamen entweder zur Versteigerung oder sollten über deutsche Kunsthändler vertrieben werden. Bellings DREIKLANG und sein KÖPF IN MESSING aus der Berliner Nationalgalerie entgingen der Zerstörung; eine zweite Fassung des KOPES IN MESSING aus dem Museum Folkwang in Essen wurde allerdings 1 9 3 7 eingeschmolzen. 37 Der Güstrower Kunsthändler Bernhard A. Böhmer nahm im Jahr 1 9 3 9 die beiden Berliner Werke in Kommission, der DREIKLANG wurde dabei mit einem Taxwert von fünfzig Dollar eingeschätzt. 38 Arbeiten von 1 6 0 Künstlern, darunter vor allem jene seines Freundes Ernst Barlach, von Christian Rohlfs und Otto Mueller, sollte Böhmer möglichst lukrativ ins Ausland veräußern, ein Verkauf an inländische Interessenten war ausdrücklich untersagt, erfolgte allerdings dennoch in einigen Fällen. Böhmer konnte mit einer Provision

Die z w i e s p ä l t i g e R e z e p t i o n e i n e s B i l d h a u e r s _ 3 2 1

zwischen fünf und fünfundzwanzig Prozent rechnen. 39 Doch bei weitem nicht die gesamte Kommissionsware Böhmers wechselte den Besitzer. Zumindest die Spuren der beiden Arbeiten Bellings verloren sich in Güstrow; ihr Verbleib war zunächst unbekannt.

• • Z W I S C H E N

DIFFAMIERUNG

UND

INSTRUMENTALISIERUNG

Die Rezeption der Werke Rudolf Bellings im »Dritten Reich« w a r zwiespältig: Sein DREIKLANG

wurde in der diffamierenden Ausstellung

zeigt, während die Plastik

MAX

SCHMELING

ENTARTETE

KUNST

ge-

von 1 9 2 9 zeitgleich im Haus der

Deutschen Kunst das systemkonforme deutsche Kunstschaffen repräsentieren sollte, wobei über die Präsenz auf beiden Ausstellungen nicht berichtet werden durfte. 40 Abstraktion wurde also innerhalb ein und desselben künstlerischen Schaffens gegen Figuration gestellt und beides unterschiedlich bewertet. Der Reiseschriftsteller Herbert Rittlinger, der in Istanbul, dem Exilort Bellings seit Mitte der dreißiger Jahre, mit dem Bildhauer in Kontakt stand, schreibt über diesen denkwürdigen Sachverhalt: »Im Dritten Reich w a r er ein einmalig kurioser Fall gewesen. Denn er w a r sowohl in der berühmten Ausstellung >Entartete Kunst« von 1 9 3 7 vertreten die allen Jungen damals, entgegen dem regierungsseits beabsichtigten Z w e c k , eine Offenbarung war; weil sie endlich einmal die Originale, wenn auch miserabel gehängt und aufgestellt, sehen konnte - wie auch in der berüchtigten, offiziellen ersten >Großen Deutschen Kunstausstellung« im neuen Münchner Haus der Kunst. Z u Ehren Bellings muß ich hinzufügen: Es lag am Motiv. Seine Büste des populären Meisterboxers M a x Schmeling war eins der wenigen Glanzstücke der offiziellen Ausstellung, wie sein >Dreiklang< Glanzstück der künstlerisch ungleich bedeutenderen >Entarteten< war.« 4 ' Die

GROSSE

DEUTSCHE

KUNSTAUSSTELLUNG

sollte einen repräsentativen

Querschnitt durch das offiziell anerkannte deutsche Kunstschaffen bieten. 41 Im November 1 9 3 6 ergingen Einladungen an ausgesuchte Künstler mit der Aufforderung, ein Werk als das Beste ihres bisherigen Kunstschaffens zur Verfügung zu stellen. 43 Die Kosten für die Einlieferung der Werke hatten die Künstler zu tragen. Zugelassen waren deutsche Künstler, die Mitglied in der Reichskammer der bildenden Künste waren. Adolf Hitler persönlich nahm Einfluß auf die auszustellenden Arbeiten. Belling schickte Anfang 1 9 3 7 zwei Anmeldungen und erhielt im Februar ein offizielles Dankschreiben vom Haus der Deutschen Kunst, in dem ihm zur

_ Dogramaci

»ehrenvollen Berufung« gratuliert wurde. 4 4 Der Briefwechsel widerspricht der These Winfried Nerdingers, Belling habe nicht von seiner Beteiligung an der GROSSEN

DEUTSCHEN

KUNSTAUSSTELLUNG

gewußt. 45 Z w e i Werke sollten

nach Willen des Künstlers in München ausgestellt werden, das PORTRÄT GEORG KERSCHENSTEINER

v o n 1 9 3 2 u n d die Statuette MAX

SCHMELING

Beide Plastiken waren bereits 1 9 3 6 auf der Akademie-Ausstellung

von

19x9.

BERLINER

B I L D H A U E R VON SCHLÜTER BIS ZUR G E G E N W A R T u n b e a n s t a n d e t gezeigt w o r den. J e d o c h verzeichnet der K a t a l o g zur GROSSEN D E U T S C H E N

KUNSTAUSSTEL-

LUNG nur die Plastik Schmelings. Vermutlich fiel das eingereichte Porträt Kerschensteiners dem Eingriff Hitlers zum Opfer, dessen Wutausbrüche angesichts der ihm präsentierten Exponate mehrfach überliefert sind. 46 Der Boxer M a x Schmeling jedoch w a r ein Sportidol und wurde von den Nationalsozialisten für politische Z w e c k e instrumentalisiert. 47 Dies beeinflußte sicherlich auch das positive Votum für Bellings Statuette. Was der nationalsozialistischen kulturpolitischen Führung offensichtlich nicht auffiel oder sie zumindest nicht störte, drohte jedoch schon bald zum Politikum zu werden. In einer Flut an Briefen beschwerten sich Besucher über die Beteiligung Bellings an den zwei großen, einander antipodisch gegenüberstehenden Propagandaausstellungen. 48 M a n reagierte, indem man Bellings DREI KLANG und den KÖPF IN MESSING bereits vor der Inventarisierung aus der Münchner Ausstellung ENTARTETE KUNST entfernte. Dafür rückte Ernst Ludwig Kirchners BADENDE von 1 9 1 1 (ehemals Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe) an den Platz von Bellings Werken. 49 Auf der Hamburger Station der Wanderausstellung wurde 1 9 3 8 allerdings Bellings Bronze HORCHTIER gezeigt von 1 9 2 6 (Saarbrücken, Saarlandmuseum), die vermutlich aus einer Hamburger Sammlung in die Ausstellung kam. s ° Ahnlich ambivalent wie die nationalsozialistische Rezeption Bellings w a r diejenige der Bildhauerin Renee Sintenis. Sie wurde aufgrund ihrer angeblich jüdischen Abstammung am z8. Februar 1 9 3 4 von der Akademie ausgeschlossen. 1 9 3 7 zeigte man ein Selbstporträt der Künstlerin auf der Ausstellung ENTARTETE KUNST, ihre Arbeiten wurden aus Museen und Sammlungen entfernt. M a n Schloß sie jedoch nicht aus der Reichskammer der bildenden Künste aus, und sie erhielt kein Ausstellungsverbot. 51 So w a r sie 1 9 4 4 auf einer Ausstellung des Kunst-Dienstes NIEDERSCHLESISCHE KUNST vertreten. Ebensowenig wie über Sintenis herrschte über die Einschätzung von Bellings CEuvre Einigkeit. Dies zeigt sich an vielen, willkürlich anmutenden Entscheidungen. Im J a h r 1 9 4 0 bat der Präsident der Reichsknappschaft in einem Schreiben an die Akademie der Künste um eine Stellungnahme. Die Anbringung eines »Führerbildes« im Sitzungssaal des Verwaltungsgebäudes verlange nach einer Entfernung der von Rudolf Belling 1 9 3 0 gefertigten Porträtplakette des Reichsknappschaftsgründers Victor Weidtmann. Der Absender

Die zwiespältige Rezeption eines B i l d h a u e r s _

erkundigte sich nach dem künstlerischen Wert des Objekts, um es gegebenenfalls bei der kriegsbedingten

Metallsammlung

zur Einschmelzung

zu

bringen. 5 1

Alexander Amersdorffer von der Akademie und mit Belling gut bekannt, zeigte sich wenig loyal. Er bestätigte zwar die Begabung des Bildhauers, befand das Relief aber nicht als »überragende Arbeit des Künstlers«: Sein Urteil lautete: »Es ist nicht ohne künstlerische Merkmale, wie kennen aber Arbeiten von Belling, die in Stil und Durchführung weit einheitlicher und künstlerisch gelungener sind«. 5 3 Die Plakette wurde demontiert. Auch andere plastische Arbeiten Bellings an öffentlichen Bauten fielen den Vernichtungsaktionen der Nationalsozialisten anheim. Bellings PORTRÄT

GUSTAV

STRESEMANN

und das

PORTRÄT

GEORG

KERSCHENSTEINER

wurden aus zwei Hamburger Schulen entfernt und eingeschmolzen.

Dasselbe

Schicksal traf das PORTRÄT FRIEDRICH EBERT, das seit 1 9 2 7 im Berliner Rathaus angebracht war.

WMM A U S T R I T T AUS D E R A K A D E M I E U N D E M I G R A T I O N

Noch bis 1 9 3 7 hatte Rudolf Belling einen gewissen Handlungsspielraum. So konnte er als Jurymitglied die Ausstellung zum einhundertfünfzigjährigen Bestehen der Preußischen Akademie der Künste mitgestalten und persönlich an der Schau über BERLINER

Jedoch

BILDHAUER

erhielt

VON

SCHLÜTER

BIS

ZUR

GEGENWART

teilnehmen.'4

Belling nur noch kleinere private Aufträge; seine früheren

Auftraggeber - Gewerkschaften oder die Sozialdemokratische Partei - waren durch den politischen Kurswechsel eliminiert. 55 Spätestens die Zurschaustellung seiner Plastiken auf der Ausstellung ENTARTETE KUNST verdeutlichte Belling, daß für ihn im nationalsozialistischen Deutschland kein Bleiben mehr war. Denn der Verfemung und Vernichtung der Kunstwerke folgte die Verfolgung der Künstler. Der erste Schritt w a r der Ausschluß aus der Akademie der Künste, der mit den Vorbereitungen zur ENTARTETEN KUNST einherging. Am 8.Juli 1 9 3 7 notierte Alexander Amersdorffer: »Auf Wunsch des Herrn Dr. Schwarz fand ich mich heute zu einer Besprechung im Ministerium ein, bei der Herr Dr. Schwarz mir mitteilte, dass zunächst neun ältere Mitglieder aus der Akademie ausscheiden sollten [...].«'~6 Unter den aufgeführten Personen ist auch der N a m e Bellings verzeichnet. Am selben Tag ging ein Schreiben des Akademiepräsidenten an den Bildhauer heraus, der seit 1 9 3 1 Mitglied war. Darin hieß es: »Die seit längerer Zeit vorbereitete Neuordnung der Akademie der Künste erstreckt sich auf eine Neuzusammensetzung der Mitgliedschaft der Akademie. Da nach den mir gewordenen Informationen nicht zu erwarten ist, dass

324 _ Dogramaci

Sie künftig weiter zu den Mitgliedern der Akademie zählen werden, möchte ich Ihnen in Ihrem Interesse nahelegen[,] möglichst sofort selbst Ihren Austritt aus der Akademie zu erklären.« 5 7 Bellings Antwort auf diese unmißverständliche Aufforderung fiel knapp, aber bestimmt aus. Am 1 0 . August 1 9 3 7 heißt es in einem Telegramm: »Erkläre Austritt. Belling«.' 8 N u r sporadisch wurde zukünftig in der deutschen Presse über das Wirken des Bildhauers berichtet; am 1 . August 1 9 4 3 notierte der VÖLKISCHE BEOBACHTER, Belling arbeite am Reiterstandbild des türkischen Staatspräsidenten Ismet Inönü. 59 Z u jenem Zeitpunkt befand sich der Bildhauer bereits seit einigen Jahren in der Türkei, in jenem Exilland, das ihm zur Heimat auf Widerruf werden sollte. Belling schrieb später: »Seit beinahe 1 3 Jahren bin ich nun im Auslande; ich bin damals nicht gern fortgegangen. Sie wissen aber, dass ich ab 33 aus dem offiziellen Kunstleben ausscheiden musste und ich wieder mit Schaufensterfiguren meine Existenz bestritt. Als ich 3 7 meine Mitgliedschaft zur Preuss. Akademie der Künste aufgeben musste, war der Schlussstrich unter das Kapitel Belling gesetzt.« 60 Auf Empfehlung des Architekten Hans Poelzig lud das türkische Bildungsministerium den Bildhauer in die Türkei ein. Seit Januar 1 9 3 7 stand er der Bildhauerabteilung an der Akademie der Schönen Künste in Istanbul vor und sollte an der Reformierung des Studiums arbeiten. Obwohl Belling auch in der Türkei als Avantgardist seines Fachs bekannt war, glaubte man in ihm einen Wegbereiter für das Genre der repräsentativen Denkmalsskulptur zu finden. Über Belling und sein CEuvre schien man in Istanbul bestens informiert zu sein: »Als R[udolf] B[elling] 1 9 3 7 zum ersten M a l seine neue Wirkungsstätte, die Akademie der Künste in Istanbul besuchte, betrat er das zu dieser Zeit noch einzige vorhandene Schüleratelier und erblickte viele Drehblöcke mit Modellen. Auf allen Drehblöcken hatte man versucht, den >Dreiklang< zu modellieren. Die Plastiken sahen alle sehr seltsam aus, aber alle Schüler standen mit freudigen Gesichtern da und blickten R B fragend an. Da es offenbar eine freundliche Begrüßungsgeste sein sollte, unterdrückte R B seine Verblüffung und den aufsteigenden Ärger und sagte: >Mit dem Dreiklang habe ich eine lange Entwicklung beendet. Mit was habt ihr denn angefangen?< Da die Schüler nicht recht wussten, was sie sagen sollten, meinte RB: >Na schön, dann fangen wir ganz vorne an, bei der Klassik^« 0 1

Die z w i e s p ä l t i g e Rezeption e i n e s B i l d h a u e r s _ 3 2 5

110

Rudolf Belting,

RI-I I

I-RSlANnisn.n

IVUI

[

INÖNL .

1 4 4 0 - 1 9 4 4 .

B r o n z e , H ö h e 5 m , S o c k c l h o h e - . 5 m . N r a n b u l - M . i c k a . Ta^lik P.irk

B e l l i n g v e r t r a t die A n s i c h t , die n e u e t ü r k i s c h e B i l d h a u e r e i m ü s s e den P r o z e ß v o m A b b i l d h a t t e n zur A b s t r a k t i o n d u r c h l a u f e n . D i e s e E n t w i c k l u n g v o l l z o g sich in d e r w e s t l i c h e n Z i v i l i s a t i o n i n n e r h a l b v i e l e r J a h r h u n d e r t e , u n d B e l l i n g w e h r t e sich in der a k a d e m i s c h e n E r z i e h u n g des N a c h w u c h s e s g e g e n eine u n r e f l e k t i e r t e A d a p t i o n e t a b l i e r t e r k ü n s t l e r i s c h e r P o s i t i o n e n . In e i n e r B r o s c h ü r e d e r A k a d e m i e

von

E n d e 1 9 3 6 heißt es h o f f n u n g s v o l l , d a ß die B i l d h a u e r a b t e i l u n g u n t e r d e r L e i t u n g B e l l i n g s v o n i h r e m seit T 9 2 4 a n w ä h r e n d e n S t i l l s t a n d b e f r e i t u n d die Z a h l der S c h ü ler g e s t e i g e r t w e r d e n k ö n n e . 6 1 B e l l i n g w a r n u r e i n e r u n t e r vielen d e u t s c h s p r a c h i g e n S p e z i a l i s t e n , die v o n d e r k e m a l i s t i s c h e n F ü h r u n g s s p i t z e in d a s L a n d g e h o l t w u r d e , u m zur P r o f e s s i o n a l i s i e r u n g v o n K u l t u r u n d W i s s e n s c h a f t b e i z u t r a g e n . Z e i t g l e i c h mit B e l l i n g w i r k t e n d e r A r c h i t e k t B r u n o T a u t u n d der S t ä d t e b a u e r M a r t i n W a g n e r an d e r A k a d e m i e

der Schönen

Künste,

später

kamen

der S t a d t p l a n e r

Gustav

326 _ Dogramaci

Oelsner, das Architektenpaar Margarete Schütte-Lihotzky und Wilhelm Schütte hinzu. Anders als in Westeuropa oder im Nachbarland Griechenland konnte man in der Türkei nicht auf eine weit zurückreichende Tradition der Bildhauerei zurückblicken. Das Abbildungsverbot des Islam hatte eine kontinuierliche Entwicklung verhindert, und erst die Reformen der republikanischen Regierung veränderten das Ansehen der plastischen Künste grundlegend. Von dem ins Land gerufenen Spezialisten Belling erhoffte man sich einen Innovationsschub für die Gattung. Ziel war die Professionalisierung türkischer Bildhauer zu Staatskünstlern, die Denkmäler zu Propagandazwecken fertigen sollten. Belling, der die Bildhauerkunst einst revolutioniert und zur Abstraktion gefunden hatte, sollte in seinem Exilland nun figurativ und national arbeitende Künstler heranziehen; eine Aufgabe, der er sich mit vollem Einsatz verschrieb. Insgesamt blieb Belling fast dreißig Jahre in der Türkei, unterrichtete an der Istanbuler Akademie und seit 1950 an der Technischen Universität Istanbul, wo er wieder zu seiner angestrebten Zusammenarbeit mit Architekten zurückfand. Er unterrichtete einige Dutzend Schüler, von denen viele in der zweiten Hälfte des zo. Jahrhunderts zu den prominentesten Vertretern ihres Fachs werden sollten. Bellings Schüler waren vor allem auf die Fertigung repräsentativer öffentlicher Standbilder spezialisiert und bestückten mit ihren Arbeiten die zentralen Plätze von Groß- und Kleinstädten. Anfänglich engagierte man auch Rudolf Belling für Staatsaufträge; er sollte Ehrenmäler, Gedenkmünzen und Standbilder entwerfen. Zur Ausführung kamen aber nur wenige Plastiken, die alle in einem Neoklassizismus gehalten waren (Abb. 110). Doch im Zuge einer Nationalisierungsdebatte, die von Belling persönlich vorangetrieben wurde, erhielten nur noch türkische Künstler öffentliche Aufträge. 63 Aufgrund seiner intensiven Lehrtätigkeit führte Belling nur wenige freie Arbeiten aus. Erst seit den späten vierziger Jahren begann Belling sich der eigenen künstlerischen Wurzeln zu besinnen. M i t der SKULPTUR 4 9 - IN MEMORIAM DREIKLANG Schloß Belling 1 9 4 9

an sein seit 1933 unterbrochenes plastisches Werk an (Abb.ni).

Der Bildhauer

lebte in seiner türkischen Exilheimat in der Uberzeugung, einen Großteil seines CEuvres verloren zu haben, auch der Verbleib seiner im Museumsbesitz befindlichen Werke war ungewiß. Belling schrieb 1949 in einem Brief an die Architekten Wassili und Hans Luckhardt: »Von meinem Dreiklang habe ich nichts mehr gehört und ich betrachte ihn als Kriegsopfer, als Opfer der Unkulturpolitik des III. Reiches. Und so habe ich ihm eine Art Gedenkmai in Form einer abstrakten Skulptur errichtet. 30 Jahre nach seiner Entstehung. Die harmlosen Betrachter nennen diese neue Arbeit

Die z w i e s p ä l t i g e R e z e p t i o n eines B i l d h a u e r s _ 5 2 7

111

Rudolf Belling.

SKULPTUR

49

-

IN M E M O R I A M

DREIKLANG,

Bronze, 52 χ 4 1 , 5 cm, Krailing, Sammlung

» D y n a m i k « und ich finde diese Bezeichnung nicht schlecht. Ich w a r etwas prosaischer indem ich als Untertitel » B e t o n f o r m e n « w ä h l t e . A b e r schliesslich muss eine reine Skulptur ohne jeden Titel w i r k e n und das tut sie auch.« 6 4 Die Architekten antworteten d a r a u f : » K ö n n t e n Sie nicht ein Foto Ihrer neuen Arbeit >Dynamik< uns zuschicken, w a s uns ausserordentlich interessieren w ü r d e . « O f f e n b a r hielten sie das Werk f ü r geeignet, an die Vorkriegsjahre a n z u k n ü p f e n : »Es gibt hier eine ganze Reihe K u n s t h ä n d l e r - eigentlich viel zu viel - die auf modernes gutes M a t e r i a l ziemlich wild sind und die eine Ausstellung von Ihren Arbeiten sicherlich -

vielleicht s o g a r aus Sensationsgründen - zeigen w ü r d e n . [...] Die

H ä r t e l - M a s k e , die aus dem Schutt ausgegraben w u r d e , ist inklusive Brille tadellos wiederhergestellt und neu versilbert w o r d e n . « 6 '

Belling hatte sein

Hauptwerk

D R E I K L A N G aus der Erinnerung heraus neu formuliert, w o b e i es ihm k a u m um ein mimetisches A b b i l d ging. D e r Bildhauer konnte nicht ahnen, daß seine Skulptur in der H o l z f a s s u n g aus der S a m m l u n g des K r o n p r i n z e n p a l a i s die

zerstörerischen

K u n s t a k t i o n e n der Nationalsozialisten unversehrt überstanden hatte und im selben J a h r der Entstehung seiner memorialen N a c h s c h ö p f u n g in die S a m m l u n g N a t i o n a l g a l e r i e (Ost) zurückkehrte.

der

1949. Belling

328 _ Dogramaci

DER » D R E I K L A N G « KEHRT ZURÜCK

Der Kunsthändler Bernhard A. Böhmer beging gemeinsam mit seiner Frau Selbstmord, als die russischen Truppen seinen Heimatort Güstrow erreichten. Böhmer hatte nur einen Teil der ihm als Kommissionsware überlassenen Werke aus der Aktion »Entartete Kunst« veräußert. Im Atelier des Bildhauers Ernst Barlach, mit dem Böhmer befreundet war, lagerten Gemälde und Plastiken, die einst aus deutschen Museen entfernt wurden. Im Oktober 1 9 4 6 ermächtigte die Kulturabteilung der Sowjetischen Militäradministration Deutschlands ( S M A D ) die »Deutsche Verwaltung für Volksbildung«, die noch in der Sowjetischen Besatzungszone vorhandenen Werke aus der Aktion »Entartete Kunst« aufzufinden, zu beschlagnahmen und an die Museen zu übergeben. Der Beauftragte, Kurt Reutti, ermittelte auf dem Dachboden des Ateliers zahlreiche verschollene Kunstwerke, darunter auch den D R E I K L A N G u n d d e n K Ö P F IN M E S S I N G . 6 6 D a s n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e

Enteignungs-

gesetz von 1 9 3 8 wurde in der S B Z anders als in den westlichen Besatzungszonen aufgehoben, und die einst beschlagnahmten Werke sollten nach dem Willen der S M A D wieder an die Museen zurückgegeben werden, soweit sich die Museen in ihrem Einflußbereich befanden. 6 7 Das Museum der Gegenwart im Kronprinzenpalais Unter den Linden w a r im Krieg zerstört worden, doch wurde von der Nationalgalerie auf der Museumsinsel der Wiederaufbau der verstreuten Sammlung dirigiert. Neuer und alter Direktor der Nationalgalerie war Ludwig Justi, der die rasche Aufnahme des Ausstellungsbetriebs plante und die ehemaligen Besitztümer seines Museums zurückforderte. So gelangten der DREIKLANG und der KÖPF IN MESSING aus Güstrow bereits im Juli 1 9 4 9 in die Neue Nationalgalerie. Nicht nur in Ost-Berlin, auch in Dresden und Leipzig gehörten moderne Künstler wie Lyonel Feininger, Paul Klee und Rudolf Belling zu den Sammlungsbeständen der Museen. Dennoch wurde die avantgardistische Kunst des frühen 20. Jahrhunderts, sofern sie nicht sozialkritisch und figurativ war, jahrelang kaum von der ostdeutschen Kunstwissenschaft rezipiert oder ausgestellt. Ursächlich w a r die Formalismus-Realismus-Debatte nach 1 9 4 7 , bei der um die zukünftigen Inhalte und geistigen Väter der offiziellen sozialistischen Kunst gerungen wurde. Der Expressionismus und die Abstraktionen des Konstruktivismus wurden abgelehnt, die Form- und Farbexperimente der Moderne als dekadent und schädlich tituliert. 68 Allein die politische Relevanz der künstlerischen Ausdrucksformen zählte. Auch die Aktivitäten der NOVEMBERGRUPPE wurden abgetan als eine »formale Revolte« und nicht als »konsequent inhaltliche Revolution«. 6 ' Somit wurden auch Bellings Plastiken im Besitz der Nationalgalerie zunächst nur selten ausgestellt. Im Gegensatz zu seinen sozialkritischen Zeitgenossen

George Grosz oder

Hans

Baluschek war die Kritik an gesellschaftlichen Mißständen kein Thema für den

Die zwiespältige Rezeption eines B i l d h a u e r s _ 3 2 9

Künstler gewesen. Erst in den siebziger Jahren begann das Interesse an der ungegenständlichen und expressionistischen Kunst zu wachsen. Entsprechend ist auch ein Anstieg der Ausstellungen von Werken Bellings in der D D R zu verzeichnen, der in den achtziger Jahren

seinen Höhepunkt erreichte. 7 0 Spätestens mit

Ausstellung EXPRESSIONISTEN,

DIE AVANTGARDE

IN D E U T S C H L A N D

der

1 9 0 5 -

1 9 2 0 in der Nationalgalerie (Ost) von 1 9 8 6 , die auch Bellings Werk berücksichtigte, waren der Expressionismus rehabilitiert und frühere Positionen revidiert. Rudolf Belling selbst bemühte sich nach Kriegsende mehrfach, wieder nach West-Berlin zu gelangen und dort seine Rehabilitation zu erleben. Dieser Wunsch erfüllte sich jedoch nicht. Die Stadt Berlin bot ihm weder die erhoffte Professur an der wiedereröffneten Kunsthochschule an, noch w a r man an Ankäufen interessiert. 71 Insgesamt jedoch ist seit 1 9 s 5 eine verstärkte Wahrnehmung Bellings in der Bundesrepublik feststellbar. In jenem Jahr erhielt er das Bundesverdienstkreuz, zahlreiche Auszeichnungen, Ausstellungen und öffentliche Aufträge f o l g t e n . D e r Bildhauer kehrte erst 1 9 6 6 nach Deutschland zurück, wählte jedoch aus Enttäuschung über die fehlenden Bemühungen Berlins seinen Wohnsitz in Krailing bei München. Dort starb er im Jahr 1 9 7 2 . Seinen für die Nationalgalerie in Holz gefertigten DREIKLANG hat Rudolf Belling vermutlich nicht wieder gesehen. Die 1 9 5 2 schriftlich an Ludwig Justi herangetragene Bitte, den DREIKLANG in einer Retrospektive zeigen zu dürfen, wurde dem Bildhauer versagt. 74 Die Exemplare einer nach 1 9 4 9 gegossenen Bronzefassung konnten jedoch an zahlreiche deutsche Sammlungen verkauft werden. Die urtümliche Kraft der Skulptur, die bereits in der ursprünglichen Gipsfassung erkennbar war, wurde von Paul Westheim einst eindringlich beschrieben, als »eine Explosivkraft, ein Luftdruck, die Massenglieder auseinandertreibe und als ob zugleich nach dem Gesetz der Adhäsion diese gleichsam auseinandergesprengten Massenteile wieder einander zustrebten, um sich fester als vordem zu verbinden«. - 5 Das innovative Potential der Plastik und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Gattung wurden von den nationalsozialistischen Machthabern als gefährlich eingestuft. Nur durch Glück entging die Plastik der Zerstörung. Verfemt und für Jahre verschollen gehört der DREIKLANG ZU jenen Werken, welche die dunklen Jahre der Diktatur überlebten und wieder zu ihrem ursprünglichen Ort zurückkehrten. Seit der Wiedervereinigung gehört die Skulptur zu den Sammlungsbeständen der Neuen Nationalgalerie im Bau Mies van der Rohes in Berlin Tiergarten. Über den Verbleib der ersten Gipsplastik aus dem J a h r 1 9 1 9 , der Urform dieses Werks, ist jedoch nichts bekannt: Sie muß als verloren gelten und ist nur noch in den historischen Aufnahmen überliefert.

330 _ Dogramaci

1 Zitiert nach Hans Μ . Wingler: Das Bauhaus, 1 9 6 8 , S. 39. 2 Anonym: Aus den Vereinen und Gesellschaften, Der Cicerone 8 / 1 9 1 9 , S. 230. 3 Will Grohmann: Zehn Jahre 1 9 2 8 , S. 11 f.

Novembergruppe,

16 Ibid., S. 2 4 1 . 17 Karl Scheffler: Kunstausstellungen, in: Kunst Künstler 22/1924, S. 2 3 1 - 2 3 2 , S. 2 3 2 . 18 Paul Westheim: Ausstellungen. Berlin: Kronprinzen-Palais, in: Das Kunstblatt

und

Belling im VIII/1924,

s. 157.

5 Helga Kliemann: Die Novembergruppe, S. 1 8 .

der

Berlin 1 9 6 9 ,

6 Vgl. Roland Schacht: Archipenko, Belling heim!, in: Der Sturm 5 / 1 9 2 3 , S. 7 6 - 7 8 . Belling, in: Der Querschnitt

in:

Berlin

4 Vgl. Führer der Abteilung Novembergruppe Kunstausstellung Berlin, Hannover 1 9 2 0 , o. S.

7 Rudolf 382.

Köln

und

West-

VII/1927, S. 3 8 1 -

θ Erstmals abgebildet war der DREIKLANG in einem Sonderheft der Zeitschrift Menschen ( 1 4 / 1 9 1 9 , S. 38); ausgestellt wurde der DREIKLANG in der Kunstausstellung Berlin 1 9 2 0 , innerhalb der NOVEMBERGRUPPE, vgl. Kunstausstellung Berlin, Ausstellungskatalog, Berlin 1 9 2 0 , S. 44 (Kat.-Nr. 1096). 9 Zwischen 1 9 2 0 und 1 9 3 3 war Belling in insgesamt neun Ausstellungen der Galerie Flechtheim in Berlin und Düsseldorf vertreten. Flechtheim verantwortete auch den Ankauf der Bronzeskulptur MAX SCHMELING 1 9 3 0 durch die Hamburger Kunsthalle, vermutlich ein Erfolg der Flechtheim-Ausstellung KLEINPLASTIK aus demselben Jahr; vgl. Alfred Flechtheim. Sammler, Kunsthändler, Verleger, Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Düsseldorf 1 9 8 7 - 1 9 8 8 , S. 228 f. 10 Vgl. Alfred Hentzen: Die Entstehung der Neuen Abteilung der Nationalgalerie im ehemaligen Kronprinzen-Palais, in: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz X / 1 9 7 2 , S. 8 - 7 5 , S. 11. 11 Vgl. Ludwig Justi: Die Nationalgalerie und die moderne Kunst. Rückblick und Ausblick, Leipzig 1 9 1 8 . 12 Lovis Corinth: [ohne Titel], in: Fünf Jahre »Kronprinzen-Palais«. Eine Rundfrage, in: Das Kunstblatt VIII/1924, S. 2 3 9 - 2 4 4 , S. 242.

der Gemälde und Bildwerke in der zu Berlin, Berlin 1 9 2 8 , S. 1 4 8 .

20 Justi 1 9 2 4 , S. 2 4 1 . 21 Georg Kolbe: [ohne Titel], in: Fünf Jahre »Kronprinzen-Palais«. Eine Rundfrage, in: Das Kunstblatt VIII/1924, S. 2 3 9 - 2 4 4 , S. 242. 22 Källai 1 9 3 0 , S. 1 0 2 . 23 Vgl. Paul Ortwin Rave: Deutsche Bildnerkunst von Schadow bis zur Gegenwart. Ein Führer zu den Bildwerken der National-Galerie, Berlin 1 9 2 9 , S. 223: Sie »haben im Gesamtablauf der neuern Bildhauerei, als ein folgerichtig und mit Klugheit begangener Abweg gesehen, zur Klärung der Lage mehr genützt als geschadet. Sie haben die Augen geöffnet, mit der Möglichkeit anderer Lösungen als die gewohnten.« 24 Vgl. Kurt Winkler: Museum und Avantgarde. Ludwig Justis Zeitschrift »Museum der Gegenwart« und die Musealisierung des Expressionismus, Opladen 2002, S. 334. 25 Alfred H. Barr: Die Wirkung der stellung in New York, in: Museum 2 / 1 9 3 1 - 1 9 3 2 , S. 58-75* S. 59. 26 Carry Ross: Deutsche Yorks, in: Museum S. 7 - 1 1 , S. 9.

Neuerwer26/1930,

15 Ludwig Justi: [ohne Titel], in: Fünf Jahre »Kronprinzen-Palais«. Eine Rundfrage, in: Das Kunstblatt VIII/1924, S. 2 3 9 - 2 4 4 , S. 240 f.

deutschen Ausder Gegenwart

Kunst in den Sammlungen New der Gegenwart 2/1931-1932,

27 Dr. Löpelmann: Der Hexenschlaf moderner Kunst, in: National-Zeitung. Organ der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei, 17.August 1 9 3 2 (Sonderausgabe); zitiert nach Annegret Janda: Das Schicksal einer Sammlung. Die Neue Abteilung der Nationalgalerie im ehemaligen Kronprinzen-Palais, Berlin 1 9 8 6 , S. 22. 28 Vgl. Paul Ortwin Rave: Die Geschichte galerie Berlin, Berlin 1 9 6 8 , S. τ 1 9 .

13 Otto Dix: [ohne Titel], ibid., S. 284. Η Vgl. Ernst Källai: Sonderausstellung der bungen im Kronprinzen-Palais, in: Weltbühne S. 1 0 0 - 1 0 2 , S. 100.

19 Vgl. Verzeichnis National-Galerie

der

National-

29 Zur Magazinierung des DREIKLANGS und des KOPFS IN MESSING nach Amtsantritt Hanfstaengls vgl. Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv, Nr. 0061 I/NG 0948, 0949; Paul Ortwin Rave: Kunstdiktatur im Dritten Reich, Hamburg 1 9 4 9 , S. 40.

Die z w i e s p ä l t i g e R e z e p t i o n e i n e s B i l d h a u e r s _ 3 3 1

30 Vgl. Alfred Hentzen: Das Ende der

National-Galerie

im

in: Jahrbuch

Palais,

der Neuen

ehemaligen

Preußischer

Abteilung Kronprinzen-

Akademie der Künste, Historisches Archiv,

VIII/

Kulturbesitz

1 9 7 0 , S. 2 4 - 8 9 , S. 3 5 f.

45 Vgl. Nerdinger 1 9 8 1 , S. 2 1 1 .

31 Vgl. Arie Hartog: »Entartete

Kunst«,

in: Christian

Bildhauer

1900-1945.

Tümpel

(Hrsg.):

Entartet,

Zwolle 1 9 9 2 , S. 1 4 - Γ 5 , S. 1 4 .

Deutsche

46 Vgl. Josephine Gabler: Skulptur Ausstellungen

zwischen

32 Vgl. Klaus Backes: Hitler

und die bildenden

und Kunstpolitik

in Deutschland

1933

und

1945,

in den

Phil. Diss.,

Freie Universität Berlin 1 9 9 6 , S. 1 2 5 ; Arno Breker: Im Strahlungsfeld

Kulturverständnis

PrAdK

T 1 0 5 , BL. 8 2 .

Künste.

im Dritten

der

Ereignisse

Preußisch

1925-1965,

Oldendorf 1 9 7 2 , S. 1 0 8 f.; Backes 1 9 8 8 , S. 7 9 .

Reich,

Köln 1 9 8 8 , S. 7 5 .

47 D a s Verhältnis der nationalsozialistischen Politik zum Boxer M a x Schmeling wurde zuletzt thematisiert in

33 Wolfgang Willrich: Säuberung kunstpolitische scher

Kunst

des Kunsttempels.

Kampfschrift im Geiste

zur

Eine

Gesundung

nordischer

deut-

M ü n c h e n u.

Art,

der Ausstellung DER BOXER, DIE GESCHICHTE DES FAUSTKAMPFES VON DER ANTIKE BIS ZUR GEGENWART, Helms-Museum, Hamburg 2 0 0 5 .

Berlin 1 9 3 7 , S. 56. 48 Vgl. T h o m a e 1 9 7 8 , S. 4 1 . 34 Vgl. Berlin, Staatliche Museen besitz, Zentralarchiv,

Preußischer

Nr. 0 0 6 1

I/NG

Kultur-

0948,

0949

49 Vgl. Mario-Andreas von Lüttichau: »Deutsche

(Dokumente zur Beschlagnahme von Werken aus der

und »Entartete

Nationalgalerie).

1937,

35 Vgl. Backes 1 9 8 8 , S. 7 3 .

Kunst«.

Die Münchner

Kunst«

Ausstellungen

in: Schuster 1 9 9 8 , S. 8 2 - 1 1 8 , S. 1 0 6 f.

50 Auf der Liste der Hamburger Ausstellung ist Bellings Plastik als »Tier« bezeichnet; vgl. Christoph Zuschlag:

36 Der in der Ausstellung ENTARTETE KUNST angege-

»Entartete

bene Urheber des Zitats (»A. U d o « ) , konnte bislang

Deutschland,

nicht identifiziert werden.

schichtliche

Kunst«.

Ausstellungsstrategien

Worms

1995

Abhandlungen,

im

(Heidelberger Neue

Nazi-

kunstge-

Folge,

Bd.

21),

S. 2 7 1 . Eine Zurschaustellung von Bellings Werken auf 37 Vgl. Winfried Nerdinger: Rudolf strömungen

in Berlin

Belling

und die

Kunst-

Berlin 1 9 8 1 , S. 2 3 9 .

1918-1923,

der Salzburger Station, wie von Papenbrock postuliert, konnte allerdings nicht verifiziert werden; vgl. Martin Papenbrock und Gabriele Saure (Hrsg.): Kunst

38 Vgl. Annegret J a n d a : Das Schicksal

einer

Die Neue Abteilung

der Nationalgalerie

Kronprinzen-Palais,

Berlin 1 9 8 6 , S. 8 3 .

im

Sammlung.

frühen

20. Jahrhunderts

in deutschen

ehemaligen

Teil II, Weimar 2 0 0 0 , S. 1 9 7 . 51 Vgl. Britta E. Buhlmann: Renee

39 Vgl. Andreas Hünecke: Dubiose Dunst

in: Alfred

der Macht,

Händler Flechtheim

operieren

im

graphie

der Skulpturen,

Sintenis.

des

Ausstellungen.

Werkmono-

Darmstadt 1 9 8 7 , S. 26 ff.

1987-1988,

S. 1 0 1 - 1 0 5 , S. 1 0 2 .

52 Brief

des

Präsidenten

der

Reichsknappschaft

an

Alexander Amersdorffer, 30. März 1 9 4 0 , Berlin, Stif40 Vgl. O t t o T h o m a e : Die Propaganda-Maschinerie. dende

Kunst

Reichy

Berlin 1 9 7 8 , S. 4 1 ; Arie Hartog:

zur Plastik

und

Öffentlichkeitsarbeit

im Dritten

Reich,

Bil-

im

Dritten

tung Archiv der Akademie der Künste, Historisches Archiv, PrAdK 9 5 2 , Bl. 1 7 5 .

Bemerkungen

in: Tümpel 1 9 9 2 , S. 8 3 -

9 1 , S. 8 3 .

53 Brief von Alexander Amersdorffer an den Präsidenten der Reichsknappschaft, 5. April 1 9 4 0 , Berlin, Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Historisches Archiv,

41 Herbert Rittlinger: Geheimdienst tung. Bericht

vom

Bosporus,

mit beschränkter

Haf-

PrAdK 9 5 2 , Bl. 1 7 4 .

Stuttgart 1 9 7 3 , S. 2 4 3 .

Rittlinger datiert die Ausstellung irrtümlicherweise auf 1 9 3 6 (im Zitat korrigiert).

54 In der Jury saßen Rudolf Belling, Arthur Kampf und Alexander Amersdorffer; vgl. Gabler 1 9 9 6 , S. 82 ff.

42 Vgl. Backes 1 9 8 8 , S. 7 7 .

55 In einem Brief äußerte sich George Grosz hämisch über die künstlerische Z u k u n f t Bellings: »Wie geht's den

43 Vgl. Peter-Klaus Schuster (Hrsg.): Die München Kunst«

1937.

Nationalsozialismus

»Kunststadt«

und

»Entartete

[ 1 9 8 7 ] , Darmstadt, 5. Aufl. 1 9 9 8 , S. 2 5 8 .

Malern und Bildhauern? Was wird Belling

machen

wenn nun die großen Gewerkschaftsaufträge wegfallen? Sehe ihn schon für Hitler ein großes schmiedeeisernes Hakenkreuz modellieren« (Brief von George Grosz

44 Brief des Hauses der Deutschen

Kunst an

Rudolf

Belling, 1. Februar 1 9 3 7 ; Berlin, Stiftung Archiv der

an

Alfred

Grosz.

Briefe

Flechtheim, 1913-1959,

27. März

1933,

in:

George

Reinbek 1 9 7 9 , S. 1 7 0 ) .

552 _ Dogramaci

56 Alexander Amersdorffer: Aktenvermerk, 8. Juli 1937, Berlin, Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Historisches Archiv, PrAdK τ 106, Bl. 60. 57 Brief von Georg Schumann an Rudolf Belling, 8. Juli 1 9 3 7 , Berlin, Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Historisches Archiv, PrAdK 1106, Bl. 59.

führung der Werke aus Güstrow an die Nationalgalerie (Ost); vgl. Maike Steinkamp: Das unerwünschte Erbe. Die Rezeption »entarteter« Kunst in Kunstkritik, Ausstellungen und Museen der Sowjetischen Besatzungszone und frühen DDR, Berlin 2008. 66 Vgl. Andreas Hüneke: Fischen

und

falschen

Von

Fledermäusen, i n : DU

Fuffzjern,

faulen

7 / 1 9 8 9 , S.

63-

56 Brief von Rudolf Belling an die Akademie der Künste, 10. August 1937, Berlin, Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Historisches Archiv, PrAdK 1106, Bl. 22.

67, S. 65; Anita Beloubek-Hammer: Die »entarteten« deutschen Bildhauer und ihr Erbe in der DDR, in:

59 Zur Rezeption von Bellings Türkei-Aufenthalt in der deutschen Presse nach 1940 vgl. T h o m a e 1978, S. 343.

69 Dieter Schmidt (Hrsg.): Manifeste, Manifeste. 19051 933·, Dresden 1965 (Schriften deutscher Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts. Bd. 1), S. 8; vgl. Ulrike Goeschen: Vom sozialistischen Realismus zur Kunst im Sozialismus, Berlin 2001, S. 89.

60 Brief von Rudolf Belling an Markus Kruss, 22. M ä r z 1 9 4 9 , Berlin, Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Nachlaß H a n s und Wassili Luckhardt, Nr.

T ü m p e l 1 9 9 2 , S.

33-44.

70 Belling war in folgenden Ausstellungen der D D R ver-

1.46.258.

treten:

61 Yolanda Belling: Erinnerungen, vermutlich 1 9 9 1 , Manuskript im Besitz von Elisabeth Weber-Be Hing. Istanbul 1936, o. S.

UND

KUNST 1974;

63 Als Juror des Großprojekts des Atatürk-Mausoleums hatte Belling in den vierziger Jahren dafür plädiert, daß nur türkische Bildhauer ihre Arbeiten zum Wettbewerb einreichen sollten; vgl. Burcu Dogramaci: Im Dienste Atatürks. Deutschsprachige Architekten und Bildhauer in der Türkei, in: Martin Warnke (Hrsg.): Politisches Gebaren und politische Gebärden, Berlin 2004 (Hamburger Forschungen zur Kunstgeschichte, Bd. III), S. 9 7 - 1 2 0 , S.

116.

Berlin

BILDNISSE 1962;

1800-1960,

DEUTSCHE

KUNST

NatlO19./20.

JAHRHUNDERT, Altes Museum, Berlin 1966; REALISMUS

62 Vgl. Güzel Sanatlar Akademisi,

DEUTSCHE

nalgalerie,

SACHLICHKEIT.

1919-1933, KÜNSTLER

DEUTSCHEN SARATOW

DER

ERSTEN

LENINGRAD

IN

1924/25,

1977; REVOLUTION

REVOLUTIONÄRE

DEUTSCHER Berlin

ALLGEMEINEN

KUNSTAUSSTELLUNG

UND

H a u s , Berlin

ASPEKTE

Kupferstichkabinett,

UND

MOSKAU, OttO-Nagel-

REALISMUS.

K U N S T IN D E U T S C H L A N D

I917-

1 9 3 8 , K u p f e r s t i c h k a b i n e t t , B e r l i n 1 9 7 8 ; T H E M A - STIL -GESTALT. 1 9 1 7 - 1 9 3 2 . FÜNZEHN JAHRE

LITERATUR

U N D K U N S T IM S P I E G E L EINES V E R L A G E S , MUSEUM

der bildenden Künste, Leipzig 1984; EXPRESSIONISTEN. DIE AVANTGARDE

IN D E U T S C H L A N D

Γ905-

1 9 2 0 , Nationalgalerie und Kupferstichkabinett, Berlin 64 Brief von Rudolf Belling an Hans und Wassili Luckhardt, 2. September 1949, Berlin, Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Nachlaß H a n s und Wassili Luckhardt, Nr.

1.46.258.

1986;

ANGRIFF

Luckhardt, Nr.

KUNST.

DER

FASCHISTI-

50 JAHREN,

Kunstsamm-

lungen zu Weimar 1988; MENSCH -

FIGUR DES

DEUTSCHER

SIONISMUS.

BILDHAUER

Nationalgalerie, DIE

ZWEITE

Berlin

20.

1988;

GENERATION

RÄUM. JAHREXPRESJ 9 1 5 -

1 9 2 5 , Halle 1989; vgl. Papenbrock u. Saure 2000, S. 1 9 7 .

1.46.258.

66 Vgl. Kurt Reutti: Schicksal der Entarteten Kunst nach 1945, undatiert; Brief von Kurt Reutti an Herrn Strauss, Deutsche Zentralverwaltung, 8. April 1947, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv (Originale in Los Angeles, Getty Research Institute). 67 Z u m 1946 von der sowjetischen Besatzungsmacht aufgehobenen »Gesetz über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter K u n s t « { 1 9 3 8 ) vgl. Kunst in Deutschland

DIE VOR

WERKE

HUNDERTS,

65 Brief von Hans und Wassili Luckhardt an Rudolf Belling, 5. Oktober 1949, Berlin, Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Nachlaß Hans und Wassili

AUF

SCHE BILDERSTURM

1905-1937.

Gemälde

und

Skulpturen

aus der Sammlung der Nationalgalerie, Ausstellungskatalog, Neue Nationalgalerie, Berlin 1992, S. 7. Ich danke Maike Steinkamp für ihre Hinweise zur Rück-

71 Vgl. Martin Papenbrock: Antifaschistische Kunst in Ausstellungen der DDR (1950-1990), in: id. u. Saure 2 0 0 0 , S. 3 9 - 5 8 , S. 50.

72 Belling schreibt: »Ich hätte ja Heber wieder in Berlin gewohnt, aber diese Stadt hat sich mir gegenüber nicht anständig benommen. Nicht nur, dass man mich nicht bei der Wiedereröffnung der Hochschule zurückholte sondern auch, dass die Stadt es bis jetzt nicht nötig hielt, etwas von mir anzukaufen, obwohl in ihren Zeitungen wiederholt darauf hingewiesen wird, was die Stadt mir zu verdanken hat. Alle möglichen Versprechungen erhielt ich, aber keiner wurde eingehalten. Jetzt findet man es nicht richtig, dass ich München wählte, aber das lässt mich kalt« (Brief von

Die z w i e s p ä l t i g e R e z e p t i o n e i n e s B i l d h a u e r s _ 5 3 3

Rudolf Belling an Paul Wesrheim, 12. März 1 9 6 2 , Berlin, Stiftung Archiv der Akademie der Künste, PaulWestheim-Archiv, Nr. 35). 73 Belling erhielt folgende Ehrungen und Auszeichnungen: 1956 Wiederernennung zum Mitglied der Akademie der Künste Berlin; erste Einzelausstellung nach der Emigration in Deutschland im Karl-ErnstOsthaus-Museum, Hagen; 1 9 5 9 erster öffentlicher Auftrag nach der Emigration in Deutschland {Großplastik vor dem Gebäude der Bank für Gemein-

wirtschaft, Hamburg); 1961 Berliner Kunstpreis; 1962 Ausstellung in der Akademie der Künste, Berlin. 74 Vgl. Briefe von Rudolf Belling an Ludwig Justi, 28.September 1952, 15.November 1952 und 1.Februar 1953, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv, Autographensammlung, Mappe 0 0 8 2 . 75 Paul Westheim: Für und Wider. Kritische Anmerkungen zur Kunst der Gegenwart, Berlin 1 9 2 0 , S. 187.

Der Schützling des Stellvertreters Georg Schrimpf und sein Gemälde »Mädchen vor dem Spiegel« Ulrich

S C H R I M P F S W E R K E IN D E R A K T I O N » E N T A R T E T E K U N S T «

Am 8. Juli 1 9 3 7 betrat der Kunstkammerpräsident Adolf Ziegler in Begleitung einer Kommission die Städtische Kunsthalle Mannheim. In Händen hielt er ein Schreiben des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels: »Auf Grund einer ausdrücklichen Vollmacht des Führers ermächtige ich hiermit den Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste, Herrn Professor Ziegler,

München, die im deutschen Reichs-, Länder- oder Kommunalbesitz

befindlichen Werke deutscher Verfallskunst seit 1 9 1 0 auf dem Gebiete der Malerei und der Bildhauerei zum Zwecke einer Ausstellung auszuwählen und sicherzustellen.« 1 Ausgesucht und zur Verschickung bestimmt wurden in Mannheim neunzehn Gemälde, fünf Skulpturen und 36 graphische Blätter. Darunter Arbeiten von Beckmann, Chagall, Corinth, Dix, Ensor, Munch und Nolde; darunter auch Georg Schrimpfs Lithographie ZWEI MÄDCHEN von 1 9 3 0 sowie das Gemälde MÄDCHEN VOR DEM SPIEGEL von 1 9 2 6 , dem diese Untersuchung gewidmet ist (Abb.

uz).1

Gerster

336-Gerster

A m ί ο . Juli 1 9 3 7 ging die Sendung per Eilgut nach München; Bestimmungsort w a r die Ausstellung ENTARTETE KUNST in den Hofgarten-Arkaden. 3 Walter Passarge, seit 1 9 3 6 Direktor der Kunsthalle Mannheim, bestätigte in einem Brief an Ziegler den Abgang der Arbeiten und fügte an: »Der Herr Oberbürgermeister hat die Absendung der Werke veranlasst unter der vom Herrn Präsidenten der Reichskammer bereits mündlich zum Ausdruck gebrachten Voraussetzung, daß die Kosten für den Hin- und Rücktransport sowie für die Versicherung von Nagel zu Nagel von der Reichskammer der bildenden Künste getragen werden. Die Werke sind nach Beendigung der Ausstellung wieder an die Städtische Kunsthalle Mannheim zurückzusenden.« 4 Passarge versuchte ganz offensichtlich den Anschein aufrecht zu erhalten, es handle sich um eine »normale« Ausleihe. Nach dem Auftritt der Ziegler-Kommission vermutete er vielleicht schon, daß eine Rückgabe der Werke keine Selbstverständlichkeit mehr war. Die GROSSE

DEUTSCHE

K U N S T A U S S T E L L U N G , die a m

18.Juli

1937

ihre

Tore öffnete, und die Schau ENTARTETE KUNST, die einen Tag später begann, können vielleicht als die entscheidende, gewiß aber als die endgültige Z ä s u r in der Kunstpolitik des nationalsozialistischen Staates betrachtet werden. 5 Wurde im Münchner Haus der Deutschen Kunst mit allem Pomp und im Rahmen architektonischer Großmächtigkeit gezeigt, was als vorbildlich zu gelten hatte, so wurde in der »Feme-Schau« in den benachbarten Hofgarten-Arkaden die aus dem kulturellen Leben auszuscheidenden Werke vor Augen geführt: die sogenannte »Verfallskunst« oder - anders formuliert - die gesamte deutsche Moderne des 20. Jahrhunderts. Adolf Ziegler, der es sich nicht nehmen ließ, die Ausstellung persönlich zu eröffnen, berichtete über seine Reise durch die Museen des Reichs: »Maßlos erstaunt war ich aber darüber, daß noch bis vor wenigen Tagen in deutschen öffentlichen Museen und Sammlungen teilweise diese hier nach München gebrachten Verfallskunstdokumente ausgestellt und damit seitens der Leiter dieser Anstalten dem deutschen Volksgenossen die Besichtigung zugemutet wurde.« 6 Vom Erstaunen, daß die auszusondernde Kunst im Sommer 1 9 3 7 teilweise noch in den Museen hing, wurde Ziegler auch in der Kunsthalle Mannheim erfaßt: Es soll dort, so Walter Passarge 1 9 5 0 rückblickend, »heftige Szenen« gegeben haben. 7 Von den eingezogenen Bildern und Skulpturen waren sieben Werke »aus der Schausammlung der Galerie«, darunter auch das MÄDCHEN VOR DEM SPIEGEL. 8 Gegen Mitte Juli muß Schrimpfs Bild in München angekommen sein. War es dort aber auch ausge-

Der Schützling des S t e l l v e r t r e t e r s _ 3 3 7

112 Georg S c h r i m p f . MADC i h N VOK d i u

S γ I i c.t ι.. ι M i h . O l a n t I e i n w a n d , - ο . ς y > Ϊ LIU. k t i l n . M U M U I I I I vi

stellt? War überhaupt ein Werk des Künstlers in der »Feme-Schau« zu sehen? Und wenn ja, welches und für wie lange? Die spärlichen Quellen zeichnen ein etwas diffuses Bild; Umrisse immerhin lassen sich erkennen. A m so. September schrieb Schrimpf an Franz R o h , von ihm sei »in der entarteten Kunst« eine Arbeit ausgestellt gewesen, »in den ersten Tagen, nicht jeder hat's gesehen. Fs war ein Bild ( 1 9 1 5 ) aus der Privatsammlung Waiden (Sturm). Die. die dort gehangen haben, werden oder sind schon erledigt.« 9 Hs ist allerdings anzumerken, da(> Schrimpf damals in Berlin war und die Ausstellung wohl gar nicht

Ι^

338 _ Gerster

gesehen hat. Vielleicht w a r er von Münchner Bekannten unterrichtet worden. Einzelheiten könnten also falsch sein. So taucht zumindest kein Gemälde aus Schrimpfs Frühwerk im Beschlagnahme-Inventar mit einem Einzugsdatum vor dem Tag der Ausstellungseröffnung a u f . 1 0 Und die Schau w a r ausschließlich aus M u seumsbesitz zusammengestellt. Wie sollte hier ein Bild aus einer Privatsammlung hineingeraten sein? Daß Schrimpf in einer Sache, die für ihn von solch zentraler Bedeutung war, völlig falsch informiert war, erscheint hingegen nicht sehr wahrscheinlich. Zudem: In einem Bericht über die ENTARTETE KUNST in der DEUTSCHEN ALLGEMEINEN ZEITUNG vom 20. Juli, also einen Tag nach der Eröffnung, wird der Künstler in einer summarischen Aufzählung unter den Vertretern der jüngeren Generation aufgeführt. 1 1 Als dieselbe Zeitung wenige Tage später eine »Liste der Ausgestellten« veröffentlicht, ist Schrimpf allerdings nicht mehr erwähnt. D a f ü r ist nun zu lesen: »Der letzte Saal der Ausstellung ist dem Publikum überhaupt nicht zugängig. Ueber der Tür steht geschrieben: >Sie hatten vier Jahre ZeitHeimatkunst< ist entstanden, merkwürdig gleichmäßig in den deutschen Gebieten verteilt und an ihren regionalen Dialekten teilnehmend. Sie hat die >Welt der NäheAhnherr< der Bewegung«,

so Hartlaub, war der Künstler mit dem 5

Ausstellung vertreten. '

MÄDCHEN

VOR

DEM

SPIEGEL

in der

Der Schützling des Stellvertreters _ 3 4 7

Die Aufnahme der Veranstaltung war - so scheint es - unterschiedlich. Man lobte das zeichnerische und malerische Können, die »Liebe und Sorgfalt«, mit welchen der Pinsel wieder geführt werde: »Die Schlamperei selbstbewußter Malerei ist vorbei«, so der Berichterstatter des

BADISCHEN

wieder Ordnung unter den Dingen.«

51

BEOBACHTERS,

»und es herrscht

Man vermutete aber auch, daß die

Ausstellung dem neuen Zug der Zeit gefolgt sei, und beurteilte sie »als ein Zugeständnis an die veränderte geistige und politische Situation«. 53 Oder, kritischer: »Peinliche Gedanken müssen sich bei jedem einstellen, der die Programmreden, die Vorträge, die Ausstellungen unserer Kunsthalle verfolgt hat und nun von der plötzlichen Sinneswandlung hört.« 54 Mit der »Machtergreifung« Hitlers vom 30.Januar 1 9 3 3 war die - von Richard Bie geforderte - »Kulturpolitik der Rechten« gekommen. In der Kunsthalle Mannheim setzte sie schnell und mit gravierenden Folgen ein: Bereits am zo. März wurde Hartlaub beurlaubt. Im »Dienste zersetzender und zerstörender Kräfte« habe er sich »besonders am deutschen Volk versündigt.« Ein Gutachten von Hans Adolf Bühler resümiert: »Er war der gegebene Mann für das gewesene marxistische Zeitalter [...].« 55 Das Regiment übernahm nun der Obertelegraphensekretär und NSDAP-Ortsgruppenleiter Otto Gebele von Waldstein. Als kommissarischer Hilfsreferent stellte er unter dem Titel

KULTURBOLSCHEWISTISCHE

BILDER

eine der

ersten Schandausstellungen des »Dritten Reiches« zusammen.' 6 Am 4. April, nur zwei Wochen nach Absetzung Hartlaubs, wurde sie eröffnet. In vielerlei Hinsicht zum Beispiel in der bewußt diffamierenden Präsentation der Arbeiten - darf sie als Vorbild für die folgenden »Feme-Ausstellungen« bis hin zur

ENTARTETEN

KUNST

betrachtet werden. Gezeigt wurde ein Querschnitt dessen, was in der Kunsthalle an Werken der Moderne beheimatet war: Chagall, Ensor, Munch und mit besonderem Schwergewicht der deutsche Expressionismus von Heckel bis Nolde. Auch neusachliche Künstler waren vertreten, etwa Beckmann, Dix und Schlichter. Selbst von Alexander Kanoldt, also einem Vertreter des »rechten Flügels«, waren zwei Werke zu sehen.57 In unserem Zusammenhang ist aber bedeutsam, daß Schrimpf dieser ersten Aktion in Mannheim entging. Sein

MÄDCHEN

VOR

DEM

SPIEGEL

blieb

zunächst unbehelligt und hing noch 1 9 3 7 in der Schausammlung der Kunsthalle. Die neue kulturpolitische Lage beförderte Schrimpf zunächst in eine angesehene Position. Vom Oktober 1926 bis April 1933 war er Lehrer an der Städtischen Gewerbeschule München gewesen. Zum 1 . Oktober 1933 bekam er nun eine außerordentliche Professur an der Staatlichen Hochschule für Kunsterziehung in BerlinSchöneberg. Seine Freund Oskar Maria Graf kommentierte den Karrieresprung aus dem Exil: »Von zu Hause erfuhr ich, daß Schrimpf eine Berufung nach Berlin bekommen haben soll. Fragen kann ich nicht, aber wenn dem wirklich so ist, dann

348 _ Gerster

muß Schrimpf sich zu Hitler bekannt haben.« 5 8 Neben seiner Lehrtätigkeit an der renommierten Hochschule stellte der Künstler rege aus, er verkaufte Bilder, unter anderem auch an die neuen Machthaber: »Sonderbarerweise schätzten Hitler und seine Trabanten Georgs Bilder.« 59 Z u den Besitzern von Werken gehörten Rudolf Heß, der Stellvertreter des »Führers«, Reichsminister Walter Darre und vielleicht auch Bernhard Rust. 6 0 Eine Landschaft des Künstlers von 1 9 3 6 hing in der Deutschen Botschaft in London. 6 1 O b sich Schrimpf aber »zu Hitler bekannt« hat, ist mehr als fraglich. Glaubhafter scheint Grafs rückblickende Einschätzung: »Aber er blieb in allem ein erbitterter, unbeirrbarer Feind der Nazis und ihrer Diktatur [...]. « 6 2 In seiner Kunst zeigt sich jedenfalls keine Anpassung an die neuen Verhältnisse. Schrimpf malte die gleichen Mädchen an Fenstern und in der Natur, die er schon vor 1 9 3 3 gemalt hatte. Das Atmosphärische, das im Licht Aufgelöste und Gemilderte, nahm eher noch zu. Vor allem aber stieg der Anteil der Landschaften in seinem Gesamtwerk weiter an. Bis zu seinem Tod - und darüber hinaus - wurde dieses Schaffen von einer freundlichen Rezeption begleitet. Schrimpf wurde in die wichtigen Überblicksdarstellungen der Zeit aufgenommen, anläßlich von Gruppenausstellungen wurden seine Werke abgebildet und in Artikeln besprochen. 63 Selten hingegen erschienen monographische Aufsätze. 6 4 M a n beschränkte sich in den Publikationen stets auf die Arbeiten nach 1 9 2 3 , das Frühwerk wurde ausgeklammert. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich die Landschaften. Der argumentative Tenor w a r dabei einhellig und setzte eigentlich das Schrifttum der frühen dreißiger Jahre fort. Allerorten ist von Natur, von Handwerk und Heimat die Rede. Was nun aber vermehrt auffällt, ist ein beständiges Überwindungs- und Heilungsmotiv. So konnte - oft etwas getarnt - auch Schrimpfs Herkunft aus der Neuen Sachlichkeit, gar aus dem Expressionismus, thematisiert werden. Bruno Kroll schrieb zum Beispiel über Schrimpf und Franz Lenk: »Die Kunst, die also noch ganz im Banne der Technik begann, befangen im Banne des Formalismus, in der Überbewertung der bildnerischen Mittel und die sich der Natur nur als eines Vorwandes bediente, w a r an dieser Natur genesen.« 65 Oder Curt Hohoff: »Das Schulmäßige der neuen Sachlichkeit ist in den späteren Landschaften völlig abgestreift [...].« 6 6 1 9 4 0 , zwei Jahre nach dem Tod des Künstlers, erschien eine schlanke Monographie von Matthias Pförtner. Auch er betonte wieder die »Überwindung des Konstruktiven und dekorativ Abstrakten.« M i t dem Ideal der neuen Volksgemeinschaft sah der Autor Schrimpf insofern im Einklang, als er die »Bildung der neuen Ordnung«, eines lebendigen und »widerspruchslosen Gefüges«, in seiner Kunst »bereits erspürt und bewältigt« habe; erreicht worden sei »die Schönheit ohne Widerspruch, das Gesetz ohne Z w a n g und die Einheit ohne Gegensatz«. 67

Der Schützling des Stellvertreters _ 3 4 9

So entsteht das Bild eines halbwegs erfolgreichen Künstlers, der von seiner Malerei und von seiner Lehrtätigkeit leben konnte. Daraus abzuleiten, daß Schrimpf im »Dritten Reich« unbehelligt war, hieße aber die innere Dynamik des nationalsozialistischen Kultursystems zu unterschätzen. Sie war geprägt von Fraktionskämpfen und auseinanderstrebenden Interessen innerhalb der Partei. Auf der einen Seite das Lager der »Völkischen« um Alfred Rosenberg und seinen »Kampfbund für deutsche Kultur«, auf der anderen eine Gruppe um die Minister Goebbels und Rust, die mindestens zeitweise eine etwas offenere Kulturpolitik betrieben. Hier trat man anfangs auch für den Expressionismus ein und versuchte ihn als typisch nordische Kunst für den Nationalsozialismus zu vereinnahmen. Seit Mitte der dreißiger Jahre gewannen die »Völkischen« die Oberhand, 1 9 3 7 war das Jahr der Entscheidung. Mit der Aktion »Entartete Kunst« fiel das Fallbeil für die Moderne. Im Zentrum der Angriffe standen die Vertreter des Expressionismus; aber auch viele der ehemals neusachlichen Künstler gerieten in Bedrängnis. Hatte sie Hitler doch bereits 1 9 3 5 in einen seiner Rundumschläge mit eingebaut: »Und ebenso fest stand der Entschluß, die dadaistisch-kubistischen und futuristischen Erlebnis- und Sachlichkeitsschwätzer unter keinen Umständen an dieser kulturellen Neugeburt teilhaben zu lassen.«* 8 Am 2 3 . September 1 9 3 7 wurde Georg Schrimpf aus seinem Lehramt entlassen. Die Vorgänge um die Berliner Hochschule zeigen, was einem Künstler unter den verschärften Bedingungen des Jahres 1 9 3 7 gefährlich werden konnte, und wie nahe sich Würdigung und Verfemung manchmal waren. Der kommissarische Direktor Hans Zimbal, Nachfolger von Alexander Kanoldt auf diesem Posten, reichte am 2 9 . M a i 1 9 3 7 einen Vorschlag zur Ernennung Schrimpfs vom außerordentlichen zum ordentlichen Professor beim Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ein. Dabei gab er unter der Frage »Welchen politischen Parteien und Verbänden hat der Beamte früher angehört« an, Schrimpf sei von 1 9 1 0 bis 1 9 1 1 in der SPD, von Januar bis April 1 9 1 9 in der K P D sowie von 1 9 2 5 bis 1 9 2 6 bei der ROTEN HILFE gewesen. 69 Zimbal w a r sich offenbar bewußt, daß er hier einen heiklen Punkt berührte. In seiner »Charakteristik« führt er aus: »Für denjenigen, der Professor Schrimpf, seine Malerei und seine künstlerische Entwicklung kennt, sind die Tatsachen seiner politischen Vergangenheit geradezu unerklärlich. [...] Wie mir Herr Professor Schrimpf erzählt, ist er unter den kindlichsten politischen Vorstellungen in die genannten Parteien hineingetappt.« Und er könne versichern, daß der Künstler »heute voll und ganz zu Adolf Hitler und seinem Reiche« stehe. Außerdem betont er, daß Schrimpf der »Repräsentant der heutigen Deutschen Landschaftsmalerei« sei: »Mit seinen Leistungen als Künstler hat er bei den Herren Reichsministern Heß, Rust und Darre besondere Anerkennung durch Auftragserteilung gefunden.« 7 0 Das ist der Dreiklang der Verteidigungsstrategie auch im Folgenden: Die Zugehörigkeit zu den linken Parteien sei der jugendlichen Naivität

Gerster

geschuldet, er gehöre zu den wichtigsten Landschaftsmalern Deutschlands, geadelt sozusagen durch seine Auftraggeber. Es nutzte nichts: M i t Brief vom 23.September 1 9 3 7 wurde durch Rust nicht nur die Beförderung abgelehnt, Schrimpf wurde zudem entlassen. 71 Er fand nun von verschiedenen Seiten Unterstützung. Der Vorsitzende des nationalsozialistischen deutschen Studentenbunds an der Hochschule setzte sich im Namen seiner Kommilitonen für Schrimpf ein; er verwies darauf, daß er ein vorzüglicher Lehrer sei und - wieder - der »Repräsentant der heutigen deutschen Landschaftsmalerei«. 7 1 Bald fand Schrimpf in Carl Horn, Professor an der Nordischen Kunsthochschule in Bremen und Schwiegervater von Heß, einen noch wichtigeren Fürsprecher. In zwei sehr ähnlichen Briefen an Rust und den Stellvertreter des »Führers« verteidigte er Schrimpf: »ein Maler der deutschen Landschaft, wie wir keinen seinesgleichen haben, seinem Wesen nach aber ein harmloses unpolitisches Kind, das ganz und gar nur in seiner Kunst lebt und aufgeht [,..].« 7 3 Alles half nichts: Schrimpf verlor sein Lehramt zum Jahresende; immerhin wurde ihm »eine jederzeit widerrufliche laufende Unterstützung in Höhe von 3/4 [...] der zuletzt gezahlten Vergütung« zugestanden. 74 Die Entlassung hatte ihre Gründe offensichtlich in den früheren Parteimitgliedschaften. War die SPD noch verzeihbar, die K P D und die ROTE HILFE waren es nicht. 75 In seinem Brief an Franz Roh, aus dem bereits zitiert wurde, schrieb Schrimpf allerdings: »Der tatsächliche Grund ist der, daß ich in der entarteten Kunst ausgestellt w a r [...]. Ausserdem haben die Ziegler, Zäper, Willrich u. Genossen solange getrommelt und trompetet, als bis daß auch Rust und die Oberen nachgeben mußten.« 7· /WISCIIIIN WIRKL-N VON J Α Ν Κ 1.1. ADIIR). B e r l i n 1 9 ; Ν. \ h i n e i l e n .

Fotogral,

Bildarchiv

d e m V a t e r in e i n e m B r i e f v o m 2 8 . F e b r u a r

des

Μ κ Μ ι Ί Η Ν ί !Ί(.' 11 \ c r l , l i ; s

seine F i n d r ü c k e v o m Besuch der

A u s s t e l l u n g : » W a r e b e n z u m e r s t e n M a l bei d e r E n t a r t e t e n K u n s t . P e r s ö n l i c h n i c h t s . D e i n N a m e n i r g e n d s , s o v i e l ich s a h . A d l e r , C h a g a l l , G l e i c h m a n n ( B r a u t ) , Z i t a t e f a s t nur von jüdischen Kunstkritikern. [...] N u r Einzelne, z u m Beispiel D i x , i m m e r wied e r a n g e p r a n g e r t . E s s c h e i n t v e r s c h i e d e n e s w e g g e f a l l e n . M a r c . « '" A b d e r B e r l i n e r S t a t i o n w u r d e als » A u s s t e l l u n g s f ü h r e r « e i n e z w e i u n d d r e i l s i g s e i t i g e H e t z s c h r i f t v e r k a u f t , deren A b b i l d u n g e n nur teilweise mit den tatsächlichen E x p o n a t e n der S c h a u i d e n t i s c h w a r e n ; a u f Seite d r e i ist d e r R A B B I N E R a b g e b i l d e t (Abb.

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A l s Teil d e r W a n d e r s c h a u g e l a n g t e d e r R A B B I N E R ü b e r L e i p z i g u n d D ü s s e l d o r f nach S a l z b u r g , w o die E N T A R T E T E

K U N S T ein h a l b e s J a h r n a c h d e m

»An-

s c h l u ß « Ö s t e r r e i c h s im F e s t s p i e l h a u s i n s t a l l i e r t w u r d e . N a c h E n d e d e r S a l z b u r g e r L a u f z e i t s c h i c k t e die A u s s t e l l u n g s l e i t u n g

E x p o n a t e zurück nach Berlin, darun-

ter z w e i B i l d e r a u s M a n n h e i m : d e n R A B B I N E R BILDNIS

von Dix.

iS

413

von Chagall und das

KNABEN-

Ungeachtet der Tatsache, daß der R A B B I N E R nach der Salz-

414 _ Zuschlag

„ K i w s t k o i n m u n l * t w e r d e n heißt / « e i J'ltiiHen d u r c h l a u f e n : 1. r i l l t * In t i e r k o m m n n l f t t l e e h e n Partei nehmen und die l'iliehten d e r S u l i d a r i t J t t tni K a m p f ü b e r nehmen ; 2. n i e rrvoliitimiHre (im«t«Huttg der Produktion vornehmen." »er Jude Wfeluil HenteU« In „ D i l· « e g n e r » I M O / Ü I

155

D Ü P P F . I . S F; I T Ε D E R A U S S T F . L I . U N G S B R O S C H Ü R E

»RABBINER« AUS

ZWISCHEN

»FCCΕ HOMO«

EINEM

» ΕΝΤΛΚ'ΙΈΤΕ K U N S T «

NICHT IDENTIFIZIERTEN

VON G E O R G E G R O S Z ) , Berlin

GEMÄLDE

(MM

UND DREI

MARC

CHAGALLS

L I T H Ο G RA Ρ Η 1Ε Ν

1938

burger Station also nachweislich nicht mehr zum Ausstellungsbestand gehörte, tauchte er gelegentlich in Rezensionen späterer Etappen auf. So zum Beispiel in der Weimarer ALLGEMEINEN

THÜRINGISCHEN

LANDESZEITUNG

DEUTSCHLAND

vom τ ι . April 1 9 3 9 , w o das Bild mit den Sätzen kommentiert wird: »[Der RABBINER] symbolisiert den Talmudjuden, der hier unter dem Davidstern sitzt und vermutlich darüber nachbrütet, wie er der deutschen Rasse Schaden zufügen kann. So wie die deutsche Bevölkerung von der unangenehmen Gesellschaft der Juden befreit wurde, so geschah auch die Säuberung der Museen von allen Werken der Juden und Judengenossen«. 3 9

e i n e s s e i n e r s t ä r k s t e n B i l d e r « _ 415

DIE » V E R W E R T U N G DER PRODUKTE ENTARTETER KUNST«

Die Rücksendung der Werke nach Berlin hing zusammen mit der Einrichtung des Depots im Schloß Schönhausen in Niederschönhausen, nördlich der Stadt. Dort konzentrierte das Propagandaministerium ab Sommer 1938 die »international verwertbaren«, also durch Verkäufe ins Ausland in Devisen umsetzbaren Werke »entarteter Kunst«. In diese Kategorie fielen 779 Gemälde und Plastiken sowie etwa 3.500 Aquarelle, Zeichnungen und Graphiken. 40 Aus Mannheim lagerten dort Gemälde und Plastiken von Archipenko, Barlach, Beckmann, Chagall (darunter der Corinth, Delaunay, Derain, Dix, Ensor, Grosz, Heckel, Hofer, Kirch-

RABBINER),

ner, Per Krohg, Lehmbruck, Marc, Nolde, Pechstein und Rohlfs (Abb.

136-13J).

Die in Niederschönhausen versammelten Kunstwerke stellten den Fundus dar, aus dem die vier vom Propagandaministerium wegen ihrer internationalen Kontakte autorisierten Händler schöpfen konnten: Bernhard A. Böhmer (Güstrow), Hildebrand Gurlitt (Hamburg), Karl Buchholz und Ferdinand Möller (beide Berlin). Die Hauptabnehmer, welche die Objekte in Niederschönhausen in Augenschein nehmen konnten, waren Museen und Privatpersonen aus den USA sowie aus der Schweiz, Dänemark, Holland, Belgien, England und Norwegen. 4 1 Ohne Zutun der vier Händler, sondern auf dem Wege direkter Verhandlungen zwischen dem Luzerner Kunsthändler Theodor Fischer und der »Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst« unter dem Vorsitz von Propagandaminister Goebbels kam die bekannteste NS-Verkaufsaktion zustande. Am 30. Juni 1 9 3 9 wurden auf der Auktion der Galerie Fischer MODERNER

MEISTER

AUS

DEUTSCHLAND

GEMÄLDE

UND

PLASTIKEN

im Grand Hotel National in Luzern

1 2 5 Spitzenwerke - unter anderem von Gauguin, van Gogh und Picasso - einem über dreihundertköpfigen internationalen Publikum von Museumsleuten, Sammlern, Händlern und Liebhabern zum Kauf angeboten (Abb. iß8). Zuvor hatten die zum Ausruf kommenden Arbeiten gegen eine Eintrittsgebühr im Zunfthaus zur Meise Zürich ( 1 7 . bis 27. Mai) und im Grand Hötel National (30. Mai bis 29. Juni) vorbesichtigt werden können. 42 Aus Mannheimer Besitz standen sechs Gemälde zum Verkauf: MASKEN DIE

BLAUES

UND

GROSSSTADT

MÄDCHEN KATZE

UND

Der

HAUS

DER TOD

VON

WITEBSK

und

RABBINER

von Chagall,

von Ensor (Lüttich, Musee des Beaux-Arts),

BLICK

von Grosz (Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza),

von Lehmbruck (Duisburg, Städtische Kunstsammlung) und FUCHS

RABBINER

DIE IN

JUNGES HUND,

von Franz Marc (Mannheim, Städtische Kunsthalle). 4 ' wurde - zusammen mit sieben weiteren Bildern von Chagall,

Corinth, Derain, Dix, Klee, Marc und Modersohn-Becker - von Georg Schmidt ersteigert, seit i . M ä r z 1 9 3 9 Direktor des Kunstmuseums Basel. 44 Er hatte zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach Gelegenheit gehabt, sich ein Urteil über das

416 _ Zuschlag

136

Unbekannter

(MIT

MARC

»DIE

MASKEN

Fotograf,

CHAGALLS UND

DER

BUCK

IN

DAS

»RABBINER«, TOD«,

DEPOT

IM

ROBERT

EHEMALS

SCHLOSS

DLLAUNAYS

MANNHEIM),

Berlin, Staatliche M u s e e n Preußischer Kulturbesitz,

SCHÖNHAUSEN »ST.

SEVERIN«

vermutlich Oktober

BEI

BERLIN

U N D J A M KS

ENSORS

1938,

Zentralarchiv

G e m ä l d e zu bilden: 1 9 3 3 in der Ausstellung K U L T U R B O L S C H E W I S T I S C H E

BIL-

DER in M a n n h e i m und in der von ihm selbst gehängten Chagall-Ausstellung der Basler Kunsthalle sowie am 1 6 . und 2 3 . M a i

1 9 3 9 bei der Vorbesichtigung des

A u k t i o n s g u t e s in Z ü r i c h . Schmidt schätzte C h a g a l l als einen der bedeutendsten Künstler des 2 0 . J a h r h u n d e r t s ; den R A B B I N E R f a n d er »grossartig«. 4 5 Einen T a g nach der A u k t i o n , am i . J u l i 1 9 3 9 , lieferte die Galerie Fischer die acht ersteigerten Werke an das Basler K u n s t m u s e u m . 4 6 G e o r g Schmidt hatte die G u n s t der Stunde zu nutzen g e w u ß t . A n Paul Westheim, den seit .1933 im Pariser Exil lebenden deutschen Kunstkritiker, schrieb er am 1 5 . Juli 1 9 3 9 :

»...

137 ΙΜΓ1 L H L M A L S

Unbekannter M A R C

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» v o m t a g m e i n e r w ä h l a n s k u n s t m u s e u m an h a b ich m i c h mir d e m e n t a r t e t e n -

zu b e g i n n m e i n e r m u s e u m s t ä t i g k e i t die g a n z e i n z i g a r t i g e c h a n c e biete, e t w a s n a c h z u h o l e n , w a s u n s e r m u s e u m in d e n b e i d e n letzten j a h r z e h n t e n v e r s c h l a f e n hat. [ . . . ] an p f i n g s t e n w a r ich in Berlin - u n d w a s ich d o r t f a n d , w a r ü b e r die m a s s e n h e r r l i c h , n ä h e r e d e t a i l s , w i e ich v o r die o r i g i n a l e k a m , k a n n ich n a t ü r m a n h a t mir

preise g e m a c h t , die z u m teil g e r a d e z u l ä c h e r l i c h s i n d . [ . . . ] es k o m m t m i r w i e ein m ä r c h e n

vor -

w e n n die u m s t ä n d e , die d a z u g e f ü h r t h a b e n , nicht

so

g r a u e n h a f t real u n d b r u t a l w ä r e n . « 4 7

M i t H i l f e eines S o n d e r k r e d i t s d e r s o z i a l d e m o k r a t i s c h e n R e g i e r u n g in H ö h e v o n 5 0 . 0 0 0 F r a n k e n b e r e i c h e r t e S c h m i d t d a s seit 1 9 } 6 in e i n e m N e u b a u

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Zentral.lrchiv

a u s v e r k a u f b e s c h ä f t i g t , und es w a r m i r v o n v o r n h e r e i n klar, d a s s sich da m i r

lich nicht s c h r e i b e n , es w a r e n w a h r h a f t b e g e i s t e r n d e t a g e .

Μ

417

L A C 1- s 1 A l 1 t 111 Ν • .

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Museen

Bilder« ^

unter-

g e b r a c h t e K u n s t m u s e u m B a s e l u m u n s c h ä t z b a r e W e r t e . D o c h n u r e t w a die H ä l f t e

418 . Z u s c h l a g

O.t.t « c ' . t * l i .

158 MIT

SEITE

AUS

MARC:

27. Juli

DER

"MÜNCHNER

CHAGAEI.S

ILLUSTRIERTEN

"RABBINER«,

LINKS

UNTEN

PRESSE« IM

(FOTOGRAFIE

PUBEIKUM

GEORG

DER

V E R S T E I G ER U Ν G

SCHMIDT,

Μ IT

IN

LUZERN

BRILLE),

1939

des Geldes v e r w a n d t e er auf der Luzerner A u k t i o n , mit der anderen H ä l f t e e r w a r b er direkt in Berlin dreizehn weitere M e i s t e r w e r k e der M o d e r n e , die er sich bei seinem Besuch in N i e d e r s c h ö n h a u s e n am 28. und 2 9 . M a i 1 9 3 9 in Begleitung von K a r l B u c h h o l z und H i i d e b r a n d Gurlitt hatte reservieren lassen. 4 8 Dabei hatte der Schweizer M u s e u m s l e i t e r in seiner H e i m a t s t a d t keineswegs nur Unterstützung erf a h r e n , sondern auch mit W i d e r s t a n d und A n f e i n d u n g e n zu k ä m p f e n . M i t Blick auf die E r w e r b u n g e n in Luzern sagte Schmidt a m 1 9 . N o v e m b e r 1 9 3 9 : » D a s >Selbst-

eines seiner stärksten Bilder« _ 419

bildnis< der Paula Modersohn (1906) aus dem Museum Hannover, der >Rabbiner< von Chagall aus der Kunsthalle Mannheim und die >Villa R< ( 1 9 1 9 ) von Paul Klee aus der Städtischen Galerie Frankfurt am Main sind auch bei uns die umstrittensten unserer Luzerner Ankäufe, und doch sind alle drei bedeutend in ihrer Art.« 4 9 In der Tat entzündete sich die Kritik der konservativen Presse nicht zuletzt am RABBINER. S o erschien a m 1 8 . J u l i 1 9 3 9 in der r e c h t s e x t r e m e n NEUEN BASLER Z E I -

TUNG ein Artikel mit der Überschrift ENTARTETER KUNSTSINN, worin der Autor polemisierte: »Was hätte wohl mein Zeichnungslehrer Meister Schnyder dazu gesagt, wenn ich im Vordergrund einer bildlichen Darstellung Vordergliedmaßen dargestellt hätte wie die beiden Hände des >Rabbiners< oder die Linke der S c h ö nen Paula