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German Pages 234 Year 2015
Benjamin Z. Kedar und Peter Herde Karl Bosl im Dritten Reich
Benjamin Z. Kedar und Peter Herde
Karl Bosl im Dritten Reich
MAGNES
Die vorliegende Ausgabe basiert auf der englischen Erstausgabe: Benjamin Z. Kedar, Peter Herde, A Bavarian Historian Reinvents Himself. Karl Bosl and the Third Reich, Jerusalem: The Hebrew University Magnes Press, 2011. Sie wurde umfassend erweitert, um Quellen ergänzt und überarbeitet. Übersetzung aus dem Englischen und Lektorat: Antje C. Naujoks
ISBN 978-3-11-041256-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-041260-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-041258-1 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston & Hebrew University Magnes Press, Jerusalem Bildnachweis: Heinrich Pospiech, Frank D. Horvay und Karl Bosl in einer Ansbacher Gastwirtschaft, 1946 (Foto: Hartmut Schötz, Ansbach) Satz: Dr. Rainer Ostermann, München Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Printed on acid free paper Printed in Germany www.degruyter.com
In memoriam Prof. Nurith Kenaan-Kedar geb. Rabau Tel Aviv, 24.6.1938 – Modi’in, 3.11.2015
„et enamoret se de la comtessa de Tripol, ses vezer“
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort: Historiker in bewegten Zeiten 1
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Bosl im Dritten Reich: Autobiografische Bemerkungen, 1974–1990
2 Bosl im Dritten Reich: Echtzeitzeugnisse
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Die Ansbacher Widerstandsgruppe und Bosl
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Anatomie eines Entnazifizierungsverfahrens
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Die Bosl-Legende und ihre zunehmenden Risse
6 Zusammenfassung Dokumente
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Nachwort: Zur Rezeption der englischen Ausgabe dieses Buches Postskriptum
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214 Bibliografie Unveröffentlichte Quellen Interviews 215 Sekundärquellen 216 Index
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Vorwort: Historiker in bewegten Zeiten Vorwort
In seinem berühmten Essay „The Historian and His Day“, der erstmals 1954 publiziert wurde, verspottete Jack Hexter die Ansicht, dass sowohl der Erfahrungsschatz als auch die Arbeit eines Historikers zwangsläufig von den Passionen, den Krisen wie auch den Spannungen seiner jeweiligen Wirkungsperiode durchdrungen sind. Er fuhr fort, seine eigene – merklich gelassene – Routine zu beschreiben, auf die sich die großen Krisen der zeitgenössischen Welt nur geringfügig, wenn überhaupt, auswirkten. Daher schlussfolgerte er, dass die professionellen Bemühungen einer großen Zahl von Historikern „herzlich wenig“ von solchen Krisen berührt würden.1 Diese Einschätzung mag auf viele amerikanische Historiker der Eisenhower-Ära sowie auf viele Historiker allgemein zutreffend sein, die in einer stabilen, prosperierenden, westlich geprägten zeitgenössischen Demokratie leben. Doch nicht jeder Historiker hat das Glück, so wie es Hexter beschieden war, in St. Louis, Missouri, und New Haven, Connecticut, leben und arbeiten zu dürfen. Es gibt Historiker wie beispielsweise Aaron Jakowlewitsch Gurjewitsch – einst von einem sowjetischen Apparatschik verfemt als ein Mann, den man meiden sollte, „weil er denkt“ –,2 der mutig veröffentlichte sein Meisterwerk Kategorii srednevekovoy kulturi,3 mit dem er sich offen zum Widerstand gegen die vorherrschende marxistische Ideologie bekannte. Auch heute noch leben viele Historiker unter totalitären und quasi-totalitären Regimes und/oder sind Krieg und Gewalt ausgesetzt. Viele andere haben solche Situationen in der Vergangenheit erlebt. Wie gehen Historiker mit solchen Situationen um? Beeinflussen sie ihre Arbeit? Und wenn ja, in welchem Umfang macht sich ein solcher Einfluss bemerkbar? Es ist durchaus merkwürdig, aber dieses Thema wurde bisher nicht systematisch erforscht. Doch untersucht werden sollte dieses Thema unbedingt, um letztlich besser zu verstehen, unter welchen harschen einschränkenden Bedin-
1 Jack Hexter, „The Historian and His Day”, in: Reappraisals in History. New Views on History and Society in Early Modern Europe (New York 1961), S. 1–13. 2 Aaron J. Gurevich, „Free Norwegian Peasantry Revisited“, Historisk Tidskrift (1990), S. 275–284. Trotz des Titels handelt es sich bei dem Beitrag um eine rudimentäre intellektuelle Autobiografie. 3 Aaron J. Gurjewitsch, Das Weltbild des mittelalterlichen Menschen, übersetzt von Gabriele Loßack (5. Auflage, München 1997). Die russischsprachige Originalausgabe erschien 1972 in Moskau. In einer 1993 mit Kedar geführten Unterredung betonte Gurjewitsch die große Diskrepanz zwischen der Aufmerksamkeit, die der Westen den Schwierigkeiten der Dissidentenschriftsteller und -autoren widmet, und dem faktischen Schweigen bezüglich der Misere regimekritischer Historiker.
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Vorwort
gungen viele Historiker der Vergangenheit arbeiten mussten. Vermutlich sollte das Thema ebenfalls näher erforscht werden, um Historikern der Gegenwart wie auch der Zukunft, die sich in ebensolchen Situationen befinden, eine Art Anleitung an die Hand zu geben. Wenn wir uns auf Mediävisten konzentrieren, die zur Zeit des Zweiten Weltkrieges berufstätig waren, so können wir eine große Vielfalt von Verhaltensweisen erkennen. Hier einige Beispiele: Im September 1939 meldete sich der 53-jährige Marc Bloch freiwillig zur französischen Armee und wurde im Sommer 1940 Zeuge ihres Zusammenbruchs. Kurz darauf verfasste er den brillanten Essay L’étrange défaite zum Zusammenbruch Frankreichs, der teilweise auf seinen persönlichen Beobachtungen beruht.4 Als einer der wenigen jüdischen Professoren, die unter dem Vichy-Regime weiterhin im Lehrbetrieb verbleiben durften, wählte er Themen, die mit aktuellen Konnotationen besetzt waren, wie beispielsweise „die barbarischen Invasionen“. Das Buch Apologie pour l’histoire ou Métier d’historien, das er zwischen 1941 und 1943 verfasste, ist durch und durch von der Ära geprägt, in der es geschrieben wurde.5 Im März 1943 beschloss Bloch, seine berufliche Arbeit nicht fortzusetzen und sich dem Untergrund anzuschließen. Ein Jahr später wurde er von der Gestapo verhaftet, gefoltert und am 16. Juni 1944 hingerichtet. Sein Verhalten kann man mit dem von Lucien Febvre vergleichen, mit dem er 1929 die Annales d’histoire économique et sociale ins Leben gerufen hatte. Febvre, der im besetzten Paris blieb und die fortgesetzte Herausgabe der Annales als patriotische Pflicht erachtete, erklärte Bloch wiederholt, dass das Journal wegen der Rassengesetze nur dann weiter herausgegeben werden könne, wenn er als Mitbegründer und Mitherausgeber nicht mehr in Erscheinung tritt. Letztlich gab Bloch nach einer zermürbenden Diskussion mit seinem Freund nach. Das Journal wurde nachfolgend als Annales d’histoire sociale herausgegeben, Febvre war als der einzige „verantwortliche Direktor“ angeführt, während Blochs Beiträge unter Pseudonym erschienen.6 Johan Huizinga (1872–1945), der den Zorn der Nazis bereits 1933 erregte und 68 Jahre alt war, als die Wehrmacht die Niederlande überrannte, lehnte im August 1940 eine Einladung zur Auswanderung in die Vereinigten Staaten ab, 4 Marc Bloch, L’étrange défaite. Témoignage écrit en 1940 (Paris 1946); siehe die deutsche Fassung: Die seltsame Niederlage: Frankreich 1940; der Historiker als Zeuge, übersetzt von Matthias Wolf (Frankfurt/M. 1992). 5 Marc Bloch, Apologie pour l’histoire ou Métier d’historien, édition critique préparée par Étienne Bloch (Paris 1993); siehe die deutsche Fassung: Apologie der Geschichtswissenschaft oder der Beruf des Historikers, übersetzt von Wolfram Bayer (Stuttgart, 2002). 6 Bezüglich des relevanten Schriftverkehrs siehe: Marc Bloch, Lucien Febvre et les Annales d’Histoire Économique et Sociale. Correspondance, ed. Bertrand Müller, 3 Bde. (Paris 1994–2003), 3:115–171.
Vorwort
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obwohl sein Name bereits auf einer Liste verzeichnet war, in der potentiell festzunehmende Personen erfasst waren. Im Februar 1941 half er, ein Deklarationsmanuskript gegen die von den Nazis eingeführten anti-jüdischen Maßnahmen zu verfassen. Aus Protest gegen die Einmischung der Deutschen in universitäre Angelegenheiten reichte er im April 1942 sein Pensionierungsgesuch ein. Zur selben Zeit wurde er aus seiner Position in der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften entlassen. Im August 1942 erfolgte seine Internierung in einem Gefangenenlager. Schon zwei Monate später entließ man ihn wegen seiner gesundheitlichen Verfassung wieder, allerdings wurde ihm verboten, in seine Heimatstadt Leiden zurückzukehren. Im März 1943 wurden seine Schriften in Holland verboten. Er starb am 1. Februar 1945.7 Roberto Sabatino Lopez (1910–1986), der seine Heimat Italien wegen der im November 1938 erlassenen Rassengesetze verließ, fand Zuflucht in den Vereinigten Staaten, wo er 1942 zu seinem italienischen Litt. D., den er ein Jahrzehnt zuvor erlangt hatte, einen amerikanischen Doktortitel hinzufügte. Einige Erkenntnisse seiner zusätzlichen Dissertation flossen in den bahnbrechenden Artikel ein, der die Muhammad/Karl-der-Große-These von Henri Pirenne weitestgehend korrigiert.8 Dennoch wählte Lopez zunächst keine akademische Karriere. Er verzog nach New York und versuchte, in den Dienst der US-Streitkräfte zu treten, ließ sich letztlich jedoch davon überzeugen, lieber beim damals gerade erst ins Leben gerufenen Office of War Information (OWI) zu dienen. Rund ein Jahr lang arbeitete er in der Italien-Abteilung des Sendekanals Voice of America. Er verfasste immer wieder Botschaften, die betonten, dass es einen Unterschied zwischen dem italienischen Volk und den Faschisten mitsamt Komplizen gibt. Unter den Letztgenannten stachen vor allem König Vittorio Emanuele III. und das Haus Savoyen hervor. Nach Mussolinis Absetzung wetterte Lopez gegen „Hitlers Krieg auf italienischem Boden, der Krieg von Hitler, Badoglio und Vittorio Emanuele.“ Als Lopez erfuhr, dass die Alliierten hofften, der König und Badoglio könnten Deutschland den Krieg erklären, und dass das OWI vor diesem Hintergrund die Anweisung erhalten hatte, seine Propaganda gegenüber Italien zu ändern, reichte er am 10. September 1943 umgehend sein Rücktrittsgesuch ein. Er nahm eine Stelle als Geschichtslehrer am Brooklyn College an und rundete diese Tätigkeit als Redakteur für Auslandsnachrichten beim Rundfunk des Columbia Broadcasting System ab.9 7 Christoph Strupp, Johan Huizinga. Geschichtswissenschaft als Kulturgeschichte (Göttingen 2000), S. 39–42. 8 Robert S. Lopez, „Mohammed and Charlemagne: A Revision“, Speculum 18 (1943), S. 14–38. 9 Für eine detaillierte und gut dokumentierte Darstellung siehe: Antonio Varsori, Roberto Lopez: l’impegno politico civile (1938–1945) (Florenz 1990).
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Vorwort
Carl Erdmann (geb. 1898) revolutionierte mit seinem 1935 erschienenen Buch Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens unser Verständnis der Anfänge der Kreuzzugsidee.10 Das Werk wurde als eine Abrechnung mit der Perversion des mittelalterlichen Christentums interpretiert, die zugleich auf die Gefahr anspielte, die von der Korruption spiritueller Ideen durch die Nazis ausging.11 Vielleicht stimmt das. Auf jeden Fall jedoch machte Erdmann kein Geheimnis aus seiner Opposition zum Nationalsozialismus. Als er im Januar 1935 vom Personalreferenten Kirchenrat Eugen Mattiat zu Befragungen wegen des beantragten Lehrauftrages ins Kultusministerium bestellt wurde, kam es u.a. zu folgender Konversation: Mattiat: Auch nicht ganz geklärt ist Ihre Stellung zum Nationalsozialismus. Können Sie mir darüber etwas sagen? Erdmann: Ja – Nationalsozialist bin ich nicht. Mattiat: Auch überzeugungsmäßig nicht? Erdmann: Nein. Mattiat: Bitte setzen Sie sich mit Herrn Dr. Walter Frank in Verbindung, Berlin-Lankwitz [...] Erdmann: Gerne. Kommt es für ein rein technisches Fach wie Urkundenwissenschaft auch auf das Politische an? Mattiat: Ja, bei allen Berufungen, Lehraufträgen usw. versuchen wir uns über die Persönlichkeit auch nach dieser Richtung ein Bild zu machen.
Wie Erdmann einige Tage später seinem Freund Gerd Tellenbach mitteilte, war er bei dieser Unterredung mit Frank, einem prominenten NS-Historiker,12 „schrankenlos offen“ und „ritt eine Attacke nach der anderen gegen den Natio nalsozialismus.“ Zu Erdmanns Überraschung imponierte Frank diese Offenheit, so dass er ihm, trotz des für ihn damit verbundenen Risikos, seine Hilfe zusicherte. Erdmann allerdings wusste nur allzu gut, dass seine „Gesinnung“ in den Akten vermerkt und er fortan als „offener Staatsfeind“ abgestempelt war.13 Und tatsächlich erhielt Erdmann, trotz seines bedeutsamen Beitrags zur Erforschung der mittelalterlichen Geschichte, keinen Lehrauftrag an einer Hochschule. Im 10 Carl Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens. Forschungen zur Kirchen- und Geistesgeschichte 6 (Stuttgart 1935). 11 Vgl. Norman F. Cantor, Inventing the Middle Ages. The Lives, Works, and Ideas of the Great Medievalists of the Twentieth Century (New York 1991), S. 403. Zu Erdmanns couragierter Haltung siehe auch: Anne Christine Nagel, Im Schatten des Dritten Reichs. Mittelalterforschung in der Bun desrepublik Deutschland 1945–1970 (Göttingen 2005), S. 37, 61. 12 Zu Walter Frank (1905–1945) siehe: Max Weinreich, Hitler’s Professors. The Part of Scholarship in Germany’s Crimes against the Jewish People (New Haven und London 1998 [1946], S. 45–50, 97–102 und passim; Helmut Heiber, Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands (Stuttgart 1966). 13 Erdmann an Tellenbach, Brief vom 27. Januar 1935, zitiert bei Gerd Tellenbach, Aus erinnerter Zeitgeschichte (Freiburg/ Br. 1981), S. 87–88.
Vorwort
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Sommer 1936 wurde er darüber in Kenntnis gesetzt, dass seine venia legendi für „ruhend“ erklärt wurde, eine Formulierung über die sich Erdmann mokierte.14 Er begnügte sich nachfolgend mit einem bescheidenen Auskommen als Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica in Berlin. Am 19. September 1943 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Er war, wie er es selbst formulierte, ein „miserabler Soldat“, der auch als Dolmetscher ausgebildet war. Ab Juli 1944 diente er in Albanien, wo er eine „Stimmung jenseits von Furcht und Hoffnung“ ebenso wie „beschwingte Tage“ im Verlauf einer Woche als Dolmetscher an der Seite einer italienischen Schwarzhemden-Abteilung erlebte, die mit einem Partisanenangriff auf das Zeltlager endete. Der damals 46 Jahre alte Erdmann schrieb, unzweifelhaft erregt durch die miterlebten Kriegswirren, am 4. September 1944 an Tellenbach: „Hätten wir nicht leider bei dieser Gelegenheit vier Tote gehabt, so würde ich auch dieses Erlebnis nur als dankenswerte Bereicherung empfinden.“15 Man darf spekulieren, ob und wie Erdmanns Erfahrungen, die er während seiner Zeit als Soldat machte, Einfluss auf seine wissenschaftliche Arbeit gehabt hätten. Da er jedoch am 7. März 1945 in einem Zagreber Lazarett verstarb, erübrigt sich das. Zwei Monate später beging Walter Frank in Groß Brunsrode bei Braunschweig Selbstmord. In seinen Abschiedsbriefen erklärte er, „die Welt wird für mich sinnlos, wenn dieser Mann [Hitler] nicht mehr lebt.“16 In der hier vorliegenden Publikation haben wir uns auf Karl Bosl (1908– 1993) konzentriert, der vor allem für seine Schüler einer der prominentesten Mediävisten Nachkriegsdeutschlands ist. Bosl beschäftigte sich mit – wie er es nannte – „Strukturanalyse und Strukturgeschichte“, d.h. mit der Untersuchung aller gesellschaftlichen Schichten wie auch der Gesetze, der Wirtschaft und der Kultur; eine Untersuchungsart, die durch Erkenntnisse der weberianischen Sozio logie angereichert und hinsichtlich ihrer Erkundungsweise der Mentalität an die französische Annales-Schule angelehnt ist.17 In seiner ersten wichtigen Arbeit, die vermutlich auch seine bedeutsamste ist – Die Reichsministerialität der Salier und Staufer –,18 die sich mit der sozialen und politischen Mobilität der Ministeria len, die ihre Laufbahn als unfreie Diener begannen und in führende Positionen im Heiligen Römischen Reich aufstiegen, gilt im Allgemeinen als wichtig für das Verständnis der Gesellschaft und des Staates im mittelalterlichen Deutschland. 14 Erdmann an Tellenbach, Brief vom 14. Juni 1936, ebd., S. 90. 15 Erdmann an Tellenbach, Brief vom 4. September 1944, ebd., S. 92. 16 Heiber, Walter Frank, S. 1211. 17 In einer Unterredung mit Kedar im Jahr 1987 charakterisierte Jacques Le Goff Bosl als vermutlich einzigen deutschen Mediävisten, der der Annales-Schule nahe stand. Vgl. aber Nagel, Im Schatten des Dritten Reichs, S. 144. 18 Die Reichsministerialität der Salier und Staufer. Ein Beitrag zur Geschichte des hochmittel alterlichen deutschen Volkes, Staates und Reiches, Schriften der MGH 10/1–2 (Stuttgart 1950–1951).
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Vorwort
Bosl richtete den Fokus im Wesentlichen zwar auf Bayern aus, strebte aber ebenso danach, bayerische Entwicklungen in einen weitergefassten deutschen und auch europäischen Kontext einzuordnen und widmete sich darüber hinaus einer Reihe von Studien zur europaweiten Sozialgeschichte. Als fesselnder und impulsiver Lehrer hatte er einen großen Einfluss auf seine Studenten an den Universitäten von Würzburg (1953–1960) und München (1960–1977) und betreute eine Rekord anzahl von 205 Dissertationen zu verschiedensten Themen der mittelalterlichen wie auch der modernen bayerischen und deutschen Geschichte.19 Bosl bekleidete in seinem Metier prominente Positionen. Zudem erlangte er durch Vorträge und Diskussionen in den Massenmedien einen großen öffentlichen Bekanntheitsgrad. Als überaus produktiver Autor – seine Bibliografie umfasst 59 Bücher und Broschüren sowie 576 Artikel und Rezensionen –20 wurde er manchmal kritisiert, Quantität vor Qualität gesetzt zu haben. Seine Beobachtungen zur nicht-deutschen Geschichte weisen deutliche Mängel auf.21
19 Für die Liste der Dissertationen, die Bosl betreute, siehe: Karl Bosl. Eine Bibliographie, Hrsg. Manfred Treml, Materialien zur Bayerischen Geschichte und Kultur 3/96 (Augsburg 1996), S. 66– 74. Der Band umfasst ebenfalls sechs Reden, die auf Bosls Beisetzung gehalten wurden: ebd., S. 7–13. Für eine detailliertere Auswertung siehe: Nachruf von Wilhelm Störmer, „Karl Bosl (1908–1993)“, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 57 (1994), S. 171–176, und Eberhard Weis, „Karl Bosl“, Jahrbuch 1993 der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (München, 1994), S. 246–252. Siehe auch: Ferdinand Kramer, „Der Lehrstuhl für bayerische Landesgeschichte von 1917 bis 1977“, in: Im Dienst der bayerischen Geschichte, Hrsg. Wilhelm Volkert und Walter Ziegler, (2. Auflage, München 1999), S. 391–404; Werner K. Blessing, „Karl Bosl im Blick eines Schülers. Erinnerungen zum 100. Geburtstag“, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 72 (2009), S. 893–916. 20 Siehe: Karl Bosl. Eine Bibliographie, S. 32–64. 21 So in: Europa im Mittelalter. Weltgeschichte eines Jahrtausends (Wien–Heidelberg 1970) Bosl verwechselte Kaiser Julian des 4. Jahrhunderts mit Kaiser Justinian, der im 6. Jahrhundert herrschte, und behauptete daher, dass es der Letztgenannte war, der Juden erlaubte, nach Jerusalem zurückzukehren (S. 149); zudem hielt er fest, dass Frankreichs König Ludwig IX. Akkon vier Jahre lang belagerte (S. 229). Diese eklatanten Fehler wurden auch in der überarbeiteten Edition nicht revidiert (Darmstadt 2005), S. 152, 233. In einem Brief vom 2. März 1953 an Walter Schlesinger erwähnte Herbert Grundmann Bosls Beitrag zur neuen Edition von Bruno Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte: „Exaktheit ist nicht Herrn Bosls starke Seite. Sein Redeschwall geht mir etwas auf die Nerven, auch nachdem er manches auf meinen Wunsch umgearbeitet und übersichtlicher gemacht hat; aber was ihn nicht aus eigener Arbeit interessiert, bleibt ziemlich unbeachtet, und wo ich aus eigener Kenntnis urteilen kann, bleibt vieles undeutlich. Ich fürchte, die Gebhardt-Benutzer werden sich von einem Abriß der Verf.-, Wirtsch.- und Sozialgesch. etwas anderes erwarten.“ Marburg, Hessisches Amt für Landeskunde. Nachlass Walter Schlesinger, B. Korrespondenz, 65. Scharfe Kritik an Bosls Konzeptionen und Terminologie übte František Graus, „Verfassungsgeschichte des Mittelalters“, Historische Zeitschrift 243 (1986), S. 529–589, insb. S. 563, 568. Eine jüngere Kritik äußerte Nagel, Im Schatten des Dritten Reichs, S. 139–144.
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Wir beschlossen, uns näher mit Bosls Wirken während des Dritten Reiches und in der unmittelbaren Zeit nach dem Fall des NS-Regimes zu befassen, da seine damaligen Handlungen demonstrieren, das er sich chamäleonartig den jeweiligen Farben der Zeit anzupassen wusste. Zugleich zeigen sie deutlich, über welche bemerkenswerte Kapazität der Selbstneuerfindung er verfügte, die ihn als entschlossenen Gegner des Nationalsozialismus auftreten ließ. Der Entwurf dieses Buches geht auf die Zeit Mitte der 1980er Jahre zurück, als der Koautor Benjamin Kedar die Frage zu erforschen erwog, wie verschiedene Historiker während des Zweiten Weltkrieges gehandelt hatten und wie sie sich danach dazu stellten und darauf Bezug nahmen. Diese geplante, jedoch bis auf den heutigen Tag nicht durchgeführte Studie war der Anlass für das 1986 mit Karl Bosl geführte Interview und für die Diskussion der Kriegsaktivitäten von Marc Bloch im Vorwort der hebräischen Übersetzung dessen Werkes Apologie pour l’histoire ou Métier d’historien, das 2002 erschien. Ein Jahr später schlossen sich die Koautoren Kedar und Peter Herde zusammen, um eine Studie zu Bosls Aktivitäten während des Dritten Reiches sowie in der Ära der Entnazifizierung durchzuführen. Viele Menschen haben großzügig geholfen. Herbert Frank aus Marnes-laCoquette stellte eine Kopie seiner unveröffentlichten Darstellung der Aktivitäten der Ansbacher Widerstandsgruppe zur Verfügung. Dr. Linda Horvay aus Lexington, Kentucky, übergab uns Kopien der Briefe und Artikel sowie der Dokumente, die ihr verstorbener Vater, Prof. Frank Dominic Horvay, verfasst hatte und gab auch mündlich weiterführende Auskünfte. Hermann Dallhammer aus Ansbach machte uns auf einen Bericht aufmerksam, der am 13. Dezember 1944 in der Tageszeitung Fränkische Zeitung über einen Vortrag von Bosl zum Thema Das Reich als politische Idee erschienen war, und verschaffte uns darüber hinaus zusätzliche Einblicke in verschiedene Sachverhalte. Dr. Sabine Dumschat vom Bundesarchiv Berlin stellte Kopien verschiedener Dokumente zur Verfügung, die Bosl und andere Personen betreffen, lenkte unsere Aufmerksamkeit auf weitere Dokumente und interpretierte darin vorkommende Abkürzungen. Dr. Elke Fröhlich-Broszat vom Münchener Institut für Zeitgeschichte übersandte uns Kopien von Briefen, die Bosl und Horvay verfassten, sowie das Memorandum von Adolf Lang, das in das Jahr 1970 datiert. Dr. Werner Bürger, Leiter des Ansbacher Stadtarchivs, steuerte Fotos der zwei noch erhaltenen anti-nazistischen Flugblättern bei, die Robert Limpert verfasst hatte. Zudem half er uns, verschiedene Dokumente ausfindig zu machen, die Bosl und Limpert betreffen, und stellte Informationen zur Verfügung, die dazu beitrugen, einen Stadtplan von Ansbach im Jahr 1945 zu erstellen. Hartmut Schötz gestattete uns, das Foto Limperts ebenso wie ein Foto von 1946, das Bosl, Horvay und Heinrich Pospiech zeigt, zu reproduzieren. Prof. Jeffrey Herf von der Universität Maryland machte uns auf einige
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Vorwort
einschlägige Publikationen aufmerksam, und Prof. Benny Morris von der BenGurion Universität des Negev steuerte viele wertvolle Anmerkungen zum Manuskript der englischen Ausgabe des Buches bei. Ihnen allen möchten wir danken. Darüber hinaus enthält die deutsche Ausgabe ein neues, zusätzliches Kapitel, das sich kritisch mit der Rezeption der englischen Version auseinandersetzt. Das hier vorliegende Buch ist eine wesentlich erweiterte Fassung der 2011 erschienenen englischen Ausgabe. In diese deutsche Publikation flossen Dokumente ein, die uns beim Verfassen der englischen Ausgabe noch nicht vorlagen, wobei es sich insbesondere um das Memorandum von 24. Mai 1945 und Dokumente aus der Verfahrensakte gegen Oberst Dr. Ernst Meyer handelt, verwahrt im Staatsarchiv Nürnberg. Dr. Frank Fätkenheuer vom Gymnasium Carolinum in Ansbach übergab uns großzügig die Ergebnisse seiner fortlaufenden Nachforschungen, wofür wir ihm danken.22 Wir danken Antje C. Naujoks, Beer Sheva, Israel, für ihre von Einfühlungsvermögen gezeichnete Übersetzung. Zudem gilt unser Dank unserer Lektorin Dr. Julia Brauch, De Gruyter Verlag, Berlin, für ihr großes Engagement.
22 Dokumente, die uns Dr. Fätkenheuer zur Verfügung stellte, sind in den Anmerkungen mit [F] gekennzeichnet.
1 Bosl im Dritten Reich: 1 Autobiografische Bemerkungen, 1974–1990 Bosl im Dritten Reich
In seinen Schriften enthält sich Bosl der direkten Bezugnahme auf sein Wirken während des Dritten Reiches. In einer autobiografischen Skizze, die erstmals 1974 veröffentlicht wurde, erwähnte er lediglich zwei Begebenheiten, die einen Bezug zur NS-Ära haben. Zum einen schilderte er, wie er als Student an der LudwigMaximilians-Universität München Ende der 1920er Jahre die Kämpfe zwischen Nazis und Sozialisten miterlebte. Vor diesem Hintergrund, so hielt er in dieser autobiografischen Skizze fest, sei bei ihm „die Verpflichtung zum politischen Engagement“ aufgekommen. Er ließ sich für den AStA (Allgemeiner Studentenausschuss) aufstellen, wurde gewählt und stellte sich auf die „Seite der Gegner des Nationalsozialismus“, da er sich für die „Repräsentanten und die Freiheit“ der Weimarer Republik entschied. Zum anderen betonte Bosl in dieser autobiografischen Skizze, dass er sich in den späten 1930er und in den frühen 1940er Jahren für das Studium von Themen entschieden habe, die „nicht zeitgemäß“ waren, wie beispielsweise die Staatspolitik Kaiser Heinrichs III., wozu Bosl erklärend anmerkte, dass dieser Herrscher „vom Dritten Reich aus den Geschichtsbüchern verbannt wurde.“ Zudem habe er Friedrich I. Barbarossa studiert, der im offiziellen Mythos des Reiches ebenfalls keinen Platz hatte. Bosl fügte hinzu, ihn habe nun einmal nicht interessiert, ob ihm diese Studien in der akademischen Welt zum Vorteil gereichten.23 Diese Darstellung legt die Schlussfolgerung nahe, dass Bosl an die Demokratie glaubte und die Weimarer Republik unterstützte, vor 1933 gegen die Nazis eingestellt war und auch nachfolgend auf Distanz zu ihnen ging; über seine genaue politische Haltung während des Dritten Reiches kann man allerdings nur Vermutungen anstellen. In derselben Art und Weise behauptete Bosl in einer Rede von 1983, dass für ihn Ansbach – jene Stadt, in der er von 1937 bis 1945 lebte – der Schädelstätte gleiche, weil er dort „politische Geschichte durch den Martertod eines meiner Studenten und gemeinsam mit jungen und älteren Freunden leidvoll erfuhr und erlitt.“24 Diese etwas nebulöse Aussage bezieht sich auf die Hinrichtung von Robert Limpert (siehe nachfolgend) und zeigt auf, dass Bosl und seine Freunde darüber zutiefst schockiert waren. Dennoch tappen wir bezüglich 23 Karl Bosl, „Versuch eines Lebensbildes“, in: Ders., Böhmen und seine Nachbarn. Gesellschaft, Politik und Kultur in Mitteleuropa (München–Wien 1976), S. 9–10. 24 „Karl Bosl über sich selbst. Worte am 11. November 1983 in München im Bayerischen Nationalmuseum anläßlich seines 75. Geburtstages“, in: Karl Bosl, Vorträge zur Geschichte Europas, Deutschlands und Bayerns, Bd. 1: Europa von der Christianisierung bis Johannes Paul II, Hrsg. Erika Bosl (Stuttgart 1998), S. 2.
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seiner grundlegenden politischen Einstellung weiter im Dunkeln. In einer ebenfalls autobiografischen Rede, die Bosl 1984 in Cham hielt, wo er 1908 zur Welt gekommen war, erwähnte er, sich an Pankraz Habrunner bestens zu erinnern, einen Bezirksoberamtmann, der wegen seiner NS-Gegnerschaft von den Nazis strafversetzt worden war. Außerdem wies er darauf hin, dass ein Nazi-Professor seine Ernennung zum Privatdozenten verhindert habe.25 Diese Aussagen erwecken durchgängig den Eindruck, dass Bosl dem Regime kritisch gegenüberstand, doch zugleich wird nicht explizit behauptet, dass er tatsächlich ein vorbehaltloser oder gar ein aktiver Gegner war. In einem rührenden Doppelportrait seiner Eltern, die Bosl als Modell der „kleinen Leute“ darstellte, schildert er andererseits voller Bewunderung, dass seine Mutter einflussreichen Parteifunktionären trotz Drohungen direkt ins Gesicht gesagt habe, dass sie nie „Heil Hitler“ grüßen, sondern weiterhin „Grüß Gott“ sagen werde. Darüber hinaus gab er an, dass sein Vater „das Dritte Reich und seine Leute auf unterer und oberer Ebene“ strikt ablehnte.26 Im Rahmen von zwei Interviews, die Bosl zum einen Benjamin Kedar 1986 und zum anderen Karl N. Renner 1990 gewährte, wiederholte er diese von ihm zuvor vorgebrachten Behauptungen in detaillierterer Form.27 In beiden Interviews erwähnt er die unnachgiebige Haltung seiner Eltern gegenüber den Nazis, wobei er im zweiten Interview hinzufügte, dass dies bei ihm „sehr stark nachgewirkt“ habe.28 In beiden Interviews nimmt er zudem Bezug auf seine AStA-Aktivitäten in den Jahren 1928 und 1929 sowie auf eine Holzscheitelschlacht gegen die Nazis, an der er beteiligt war. Im ersten Interview gab er an, dass er in diesem Gremium als „katholischer Verbindungsstudent“ aktiv war.29 In beiden Interviews betonte er, dass sein Geschichtsunterricht am Ansbacher Gymnasium einige seiner Schüler
25 Karl Bosl, „Meine historischen Wurzeln. Autobiographische Rede, gehalten am 10. Februar 1984 anläßlich der Verleihung des Ehrenbürgerrechts der Stadt Cham“, in: Ders., Vorträge zur Geschichte Europas, Deutschlands und Bayerns, Bd. 3: Vorträge zur bayerischen Landesgeschichte, Hrsg. Erika Bosl (Stuttgart 2002), S. xii. Die Behauptung bezüglich Bosls Ernennung ist mit Sicherheit inkorrekt, siehe nachfolgend S. 19–24. 26 Karl Bosl, „Der kleine Mann – die kleinen Leute“, in: Ders., Oberpfalz und Oberpfälzer. Ge schichte einer Region. Gesammelte Aufsätze, Hrsg. Konrad Ackermann und Erich Laßleben (Kallmünz, 1978), S. 347. 27 Das Interview, das Bosl Benjamin Kedar gewährte, ist einzusehen als Anhang 23 und wird nachfolgend als „Interview von 1986“ bezeichnet; das Interview, das er Karl Renner gewährt, wurde veröffentlicht in: „Karl Bosl als Zeitzeuge zur bayerischen Geschichte“, in: Karl Bosl. Eine Bibliographie, S. 14–30, darauf wird nachfolgend als „Interview von 1990“ verwiesen. 28 Interview von 1986, S. 172–173, 178; Interview von 1990, S. 17, 19. 29 Interview von 1986, S. 171–172; Interview von 1990, S. 18–19.
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dazu veranlasst habe, die Parteilinie anzuzweifeln,30 und dass er 1944 aus politischen Gründen nicht zum Privatdozenten ernannt worden sei.31 Darüber hinaus behauptete Bosl in beiden Interviews, einem kleinen Kreis von Leuten angehört zu haben, die in aktiver Opposition zum Regime gestanden hatten. Dieser Kreis bestand aus ihm selbst, dem Bildhauer und Maler Heinrich Pospiech, der einer seiner Kollegen am Ansbacher Gymnasium war, sowie aus zwei Schülern dieser Oberschule, Robert Limpert und Wolfgang Hammer. (In dem 1986 gewährten Interview hatte Bosl Pospiech als Spiritus rector, also als treibende Kraft bezeichnet, später bezeichnete er sich selbst als solche.) Bosl behauptete, dass er und die anderen heimlich Anti-Nazi-Flugblätter in Zügen und an anderen öffentlichen Orten verbreitet hatten. In dem Interview von 1990 gab er zudem an, sich daran zu erinnern, dass eines der Flugblätter, das nach dem Einmarsch in Paris im Jahr 1940 verteilt worden war, den Deutschen nahe legte, dieses Ereignis nicht als das Ende des Krieges zu betrachten, denn: „es kommt schlimmer“.32 Als dann im April 1945 die Amerikaner vor Ansbach standen, seien Mitglieder der Gruppe der Ansicht gewesen, dass die Stadt in Schutt und Asche gelegt werden würde, sollte die SS in die Stadt einziehen. Deshalb hätten sie beschlossen, das Kommunikationsnetzwerk der SS zu zerstören. Sie hätten das Telefonkabel gekappt, um deren Einmarsch zu verhindern. Limpert sei bei dieser Aktion „unvorsichtig“ gewesen, so dass man ihn erwischte. Bosl führte weiter aus, dass er „von einem wütenden Oberst der Luftwaffe an einem Haken des Rathauses in Ansbach aufgehängt“ wurde.33 In dem 1990 geführten Interview machte Bosl dann weniger ins Detail gehende Aussagen und weigerte sich zwei Mal, näher auf seine Rolle bei den Widerstandsaktionen der Gruppe einzugehen. Er ließ allerdings nicht unerwähnt, auf ähnliche Weise wie Limpert versucht zu haben, Ansbach vor der Zerstörung zu bewahren.34 Zugleich gab er in dem 1986 geführten Interview aus freien Stücken an, 1934 [sic] der NSDAP beigetreten zu sein. Er sei dazu gezwungen worden, denn man habe ihm damals zu verstehen gegeben, dass er ansonsten keine Aussicht auf 30 Interview von 1986, S. 165, 170; Interview von 1990, S. 20. 31 Interview von 1986, S. 165; Interview von 1990, S. 22. Siehe nachfolgend S. 19–24. 32 Interview von 1986, S. 164; Interview von 1990, S. 21–22. 33 Interview von 1986, S. 164–167. 34 „[Limpert] versuchte, in einer ähnlichen Weise, wie ich es auch getan habe, ich will darüber nicht weiter reden, Ansbach zu bewahren vor einer Zerstörung.“ Interview von 1990, S. 20. Siehe dazu ebenfalls seine Antwort bezüglich der Aktivitäten der Gruppe: „Ich möchte nicht sehr viel darüber reden.“ (S. 21). In einem Schreiben, das Bosl 1970 Adolf Lang, dem Archivar von Ansbach, zukommen ließ und in dem er sich lobend über Limpert äußerte, meinte er in ähnlicher Weise: „Limpert tat, was andere an anderen Stellen auch taten.“ Ansbach, Stadtarchiv, Akte Robert Limpert: Karl Bosl an Adolf Lang, 7. März 1970.
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eine Anstellung habe. Darüber hinaus betonte er, dass er noch im selben Jahr wieder aus der Partei ausgetreten sei.35 Er sagte zudem, dass er das Regime hasste, den britischen Radiosender gehört und sich beruflich mit Themen beschäftigt habe, die bei den Nazis nicht hoch im Kurs standen. Die Ankunft der Amerikaner habe er als Befreiung begrüßt.36 Als er auf einige Sätze in Artikeln angesprochen wurde, die er zwischen 1941 und 1944 veröffentlicht hatte, gab er zu, dass es sich um „Nazisprüche“ handelt, erläuterte in diesem Zusammenhang auch, dass er nun einmal nicht anders hätte können, als in den vorherrschenden Trend einzulenken, wenngleich er seiner Auffassung treu geblieben sei und sie weiterentwickelt habe.37 Ganz allgemein stellte er die Behauptung auf, dass er, so wie viele anderen Deutsche auch, das Regime nicht gutgeheißen und es daher, so gut es in seiner Macht stand, bekämpft habe, andererseits jedoch wegen „bürgerlicher Schwäche und Feigheit“ Zugeständnisse machte, dies allerdings niemals aus Begeisterung.38 Wegen dieser Zugeständnisse habe er sich selbst nach 1945 niemals als Widerstandskämpfer bezeichnet.39 Frank D. Horvay, der amerikanische Offizier, der die Aktionen der Ansbacher Gruppe genau untersuchte, stellte Bosl eine Bescheinigung aus, um die, so betonte Bosl, er „nicht gebeten habe“. Dieses Schreiben erklärte ihn für alle Art von Aktivitäten in Nachkriegsdeutschland als zugelassen und empfahl sowohl Bosl als auch die anderen Mitglieder der Gruppe, da sie als „Widerstandskämpfer als zuverlässig anzusehen sind“ (obwohl sie sich selbst nicht als solche dargestellt hatten).40 Diese prekäre Koexistenz von Ablehnung und Zugeständnissen, die Bosl in dem Interview bezüglich seiner Person zugab, erscheint auch in seinen allgemeinen Ausführungen zum bayerischen Widerstand im Dritten Reich: „In der Regel aber“, so schrieb er, „lagen Teilopposition und partielle Bejahung des Regimes, Nonkonformität und Konformität beim Individuum oft in einer Brust und schwankten labil bei Gruppen und Gesellschaftsschichten. Es gab Mischformen des politischen Verhaltens. Ein und dieselbe Person konnte Gegner und Mitläufer sein.“41 35 Interview von 1986, S. 165, 172, 176–177. 36 Interview von 1986, S. 165, 168, 176. 37 Interview von 1986, S. 168–169. Zu den Passagen, die in dem Interview diskutiert wurden, kann man weiterführend hinzufügen: Karl Bosl, „Nürnberg als Stützpunkt staufischer Staats politik“, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 39 (1944), S. 51–79. 38 Interview von 1986, S. 173–174. 39 Interview von 1986, S. 170, 179. 40 Interview von 1986, S. 166. 41 Karl Bosl, „Anpassung und Widerstand im Dritten Reich in Bayern. Vortrag, gehalten am 28. Februar 1985 in Memmingen und am 5. August 1985 in Dillingen“, in: Ders., Vorträge zur Geschichte Europas, Deutschlands und Bayerns, Bd. 2: Bayern im europäischen Kräftefeld, Hrsg. Erika Bosl (Stuttgart 2000), S. 362; siehe auch: Ders., „Der Widerstand im Dritten Reich und seine
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Eine eingehendere Untersuchung der erhaltenen Dokumente zeigt, dass diese Bosls Selbstportrait als vehementen Gegner des Regimes, der lediglich zu gewissen Kompromissen gezwungen gewesen war, prima facie nicht bestätigen. Am 13. September 1938 reichte Bosl ein kurzes Schriftstück bei der Zentrale einer der führenden nationalsozialistischen Organisationen ein: bei der Forschungsgemeinschaft „Deutsches Ahnenerbe“, die der SS unterstand. Darin fasste er seine politische Tätigkeit zusammen, erwähnte verständlicherweise jedoch nicht, während seiner Studienzeit gegen die Nazis gewesen zu sein. Stattdessen hielt er fest, seine politischen Aktivitäten 1929/1930 als Mitglied des Stahlhelms aufgenommen zu haben, einer rechtsgerichteten Organisation, die am 3. Juli 1933 im Zuge der sogenannten Gleichschaltung der SA unterstellt wurde.42 Bosls zweifellos freiwilliger Eintritt in diesen republik- und demokratiefeindlichen paramilitärischen Verband ist kaum vereinbar mit seiner 45 Jahre später aufgestellten Behauptung, er habe damals „um die Demokratie und um die Weimarer Republik“ gekämpft.43 Weiterführend gab Bosl in dem Schriftstück an, seit dem 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP zu sein (Mitgliedsnummer 1884319), selbstverständlich ohne auch nur die leiseste Andeutung bezüglich eines nachfolgenden Austritts oder einer ruhenden Mitgliedschaft zu machen. Vielmehr versicherte er, Mitglied der SA gewesen zu sein. Er geht detailliert auf seine Lehrtätigkeit zu nationalpolitischen Themen und auf seine Vorträge bei Partei- und NS-Lehrerschaftsveranstaltungen ein, in denen er „schon seit geraumer Zeit deutsche Volksgenossen auf das Studium des Sudetendeutschtums“ aufmerksam machte. Darüber hinaus hielt er fest, Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), des Natio nalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB) sowie des Reichslehrerbundes (RLB) zu sein. „In Ansbach“, also wo er zu damaliger Zeit lebte, so gab er weiter an, „bin ich ausserdem Mitglied des HJ als Verbindungsmann zu den Schulen.“44 historischen Voraussetzungen. Vortrag, gehalten am 20. Juli 1984 im Neuen Landratsamt“, ebd., Bd. 1, S. 331. In beiden Beiträgen differenziert Bosl zwischen Widerstand und Resistenz, wobei er nicht angibt, dass er die Ansicht von Martin Broszat paraphrasiert und manchmal wörtlich wiederholt. Vgl. Bosl, „Anpassung und Widerstand“, S. 361–362; ebd., „Der Widerstand“, S. 330; Martin Broszat, „Resistenz und Widerstand“, in: Ders., Nach Hitler. Der schwierige Umgang mit unserer Geschichte (München 1987), S. 75–77 (zuerst veröffentlicht 1981). Für eine Kritik an Broszats Ansicht siehe: Ian Kershaw, The Nazi Dictatorship: Problems and Perspectives of Interpretation, 4. Auflage (London 2000), S. 194–207. 42 Für einen kurzen Überblick siehe: Martin Broszat, Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwick lung seiner inneren Verfassung (Wiesbaden 2007 [1969]), S. 22, 36, 85, 92–95, 117, 121–123, 253, 259. 43 Siehe: Anm. 23. 44 Anhang 6.
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Mit Ausnahme der letzten Angaben wiederholt Bosl diese Ausführungen in einer 1938 eingereichten Bewerbung auf die Stelle eines „außerplanmäßigen Beamten“, wenngleich er hier wesentlich genauere Angaben zu seinen Aktivitäten beim Stahlhelm – 1930/1931 bis 1933 – und zu seiner SA-Mitgliedschaft – 8. Juli 1933 bis 1934 – macht. (Da der Stahlhelm am 3. Juli 1933 in die SA eingegliedert wurde,45 liegt auf der Hand, dass Bosl zu den 500.000 Mitgliedern dieser nationalistischen Organisation gehörte, die nachfolgend automatisch Mitglied der SA wurden.)46 Seine Bewerbung gehört zu einer Akte, die mit der folgenden Einschätzung abschließt: „Studienassessor Bosl steht fest auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung und hat dem Dritten Reich durch seine ausgedehnte Tätigkeit in der Bayerischen Ostmark sehr wertvolle Dienste geleistet.“47 Darüber hinaus amtierte Bosl zwischen 1939 und 1942 in Ansbach als Kreisverbandsleiter des Reichkolonialbundes (RKB),48 einer von den Nationalsozialisten gelenkten Organisation, die damit betraut war, das Verständnis der Notwendigkeit der kolonialen Expansion zu fördern.49 Bosl gab also in seinem Schriftstück zu seinen politischen Aktivitäten wie auch in seiner 1938 eingereichten Bewerbung an, dass er ab Mai 1933 ohne jegliche Unterbrechung Mitglied der NSDAP war. In dem 1986 geführten Interview hingegen behauptete er, nur wenige Monate nach Beitritt wieder aus der Partei 45 Siehe: Broszat, Der Staat Hitlers, S. 259. 46 Die Beendigung der SA-Mitgliedschaft Bosls 1934 mag damit in Zusammenhang gestanden haben, dass die Organisation nach der sogenannten „Nacht der langen Messer“ an Bedeutung verlor, könnte aber auch mit seiner im April 1935 erfolgten Versetzung von Dillingen nach Cham zusammenhängen. Diese Versetzung, mit der auch die Aussetzung der Zahlung seiner Mitgliederbeträge für den NSLB einherging (siehe: Anhang 3a), könnte ebenfalls die Beendigung seiner SA-Mitgliedschaft nach sich gezogen haben. 47 Auszüge dieser Bewerbung: Anhang 5. Bosls Akte in der Hochschullehrerkartei enthält Angaben bis zum Jahr 1944 und listet die folgenden politischen Aktivitäten auf: Mitarbeiter der Landesleitung Süd des Bundes Deutscher Osten 1935–1938 (Vorträge, Schriftstellerei); Kreisverbandsleiter des Reichskolonialbundes in Ansbach 1939 ff. (Reden, Vorträge); Blockleiter der NSV, in: Berlin, Bundesarchiv, Hochschullehrerkartei des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Akte Karl Bosl (nachfolgend zitiert als Hochschullehrerkartei, Akte Bosl). Bosls Forschungsarbeiten für den „Bund Deutscher Osten“ wurden von Theodor Oberländer betreut, siehe: Ferdinand Kramer, „Max Spindler (1894–1986) und Karl Bosl (1908–1993)“, in: Münchner Historiker zwischen Politik und Wissenschaft. 150 Jahre Historisches Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität, Hrsg. Katharina Weigand (München 2010), S. 272. 48 Bosl reichte diese Information in seinem Meldebogen vom 6. Mai 1946 ein. Dabei machte er allerdings keine Angaben zu seiner Mitgliedschaft beim Stahlhelm und bei der SA und behauptete, dass er von Mai bis Oktober 1933 sowie von 1938 bis 1945 Mitglied der NSDAP war. Zum Meldebogen siehe: Anhang 20. 49 Zur NS-diktierten Reorganisation des RKB 1936 siehe: Klaus Hildebrand, Vom Reich zum Weltreich. Hitler, NSDAP und koloniale Frage, 1919–1945 (München 1969), S. 381–390.
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ausgetreten zu sein. Diese Behauptung ist nicht gänzlich unfundiert, wenngleich es sich keinesfalls um einen formalen Austritt gehandelt hat. In Bosls Parteikarte ist festgehalten, dass er sich am 1. Mai 1933 als Mitglied registrieren ließ. Seine Mitgliedschaft wurde im August 1935 aufgrund einer Meldung des Gaus Bayerische Ostmark gestrichen. Am 14. Juni 1938 wurde er nach Entscheid des Gaus wieder eingetragen und dieser Entscheid der Reichsleitung der NSDAP gemeldet.50 Trotzdem gibt es gute Gründe, diese Aufhebung von Bosls Mitgliedschaft (die er, wie aufgezeigt, in der Zusammenfassung zu seinen politischen Tätigkeiten und in seiner Bewerbung von 1938 nicht erwähnt) nicht auf eine ideologische Ablehnung des Regimes zurückzuführen, so wie er dies in dem 1986 geführten Interview behauptete. In einem Dokument, das sich in Bosls NSDAP-Akte befindet, heißt es, dass er ab 1934 „öfter seinen Dienst u. Aufenthaltsort [wechselte] und sich daher um seine Mitgliedschaft nicht mehr gekümmert [hat], so dass er von der Reichsleitung gestrichen wurde. Am 1.5.1937 hat er seiner [sic] Wiederaufnahme beantragt.“51 Vermutlich unternahm Bosl diesen Schritt, weil er glaubte, eine Parteimitgliedschaft würde bei seiner Verbeamtung hilfreich sein.52 J. Putz, der Kreiswalter des NSLB, und F. X. Schlemmer, Kreisleiter der NSDAP Cham, wo Bosl in den Jahren 1935 bis 1937 wohnte,53 gaben gemeinsam ein Gutachten heraus, in dem sie gewisse Bedenken bezüglich Bosls Haltung gegenüber der Partei zum Ausdruck brachten: „Bosl ist ein fähiger und gutmütiger Mensch, seine Einstellung zu den Bestrebungen der NSDAP ist jedoch nicht ganz geklärt. Die Tatsache, dass er unmittelbar nach der Machtübernahme seinen Eintritt in die NSDAP vollzogen hat, bald hernach aber die Mitgliedschaft scheinbar nicht mehr für notwendig hielt, beweist dies zu Genüge.“ Dennoch wiesen Putz und Schlemmer auch darauf hin, dass Bosl, wann immer es ihm möglich war, die NSLB-Versammlungen besuchte und einmal einen sehr guten Vortrag „über grenzpolitische Fragen“ gehalten habe, und „im übrigen betätigte er sich
50 Siehe: Anhang 1. 51 Kopie eines am 4. Januar 1938 entworfenen Schreibens: Berlin, Bundesarchiv, BDC/PK Bosl, Carl, 94; siehe: Anhang 4a. Diese und andere Dokumente der NSDAP-Akte Bosls wurden erstmals herangezogen von: Matthias Berg, „Lehrjahre eines Historikers. Karl Bosl im Nationalsozialismus“, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 59 (2011), S. 48–49. 52 Berg („Lehrjahre“, S. 49) ist sich sicher, dass genau das der Fall war; siehe auch: Matthias Berg, Karl Alexander von Müller. Historiker für den Nationalsozialismus (Göttingen 2014), S. 238– 239. Doch die Zeitlücke zwischen Bosls Antrag auf Wiederaufnahme in die Partei und seinem Antrag auf Regelung seines NSLB-Status, eingereicht am 1. Mai 1937 bzw. am 9. Juni 1937, und die mit „Dringlichkeit“ ein halbes Jahr später eingereichte Bitte an die Gauleitung Bayerische Ostmark um seine politische Beurteilung (Berlin, Bundesarchiv, BDC/PK Bosl, Carl, 96 [17.12.37] und 93 [5.1.38]), lassen mehr als nur eine Erklärung zu. 53 Siehe: Anhang 5.
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an der Seite des Pg. Dr. Bell mit Eifer im Bunde Deutscher Osten.“54 In einem anderen von Schlemmer verfassten Gutachten heißt es: „Seiner Grundeinstellung nach kann ihm die politische Zuverlässigkeit nicht abgesprochen werden[,] wenn er sich auch seinerzeit um seine Mitgliedschaft nicht kümmerte.“55 Folglich entschied das Mitgliedschaftsamt München am 14. Juni 1938: „Nachdem die im August 1935 durchgeführte Streichung lediglich eine aus kassen- und verwaltungstechnischen Gründen erforderliche Massnahme darstellt, wird diese Streichung mit Gegenwärtigem zurückgenommen.“ Bosl erhielt seine Mitgliedskarte zurück, wurde weiterhin unter seiner alten Nummer – 1884319 – geführt und galt „als aufgenommen seit dem 1. Mai 1933.“56 Außerdem erhielt Bosl sein Mitgliedsbuch, das Parteimitgliedern, die beim Eintritt zunächst nur die Mitgliedskarte erhielten, erst nach zweijähriger Bewährungszeit übergeben wurde. Die Jahre der Unterbrechung der Beitragszahlungen wurden ihm also angerechnet. In seinem Antrag auf Aufnahme in das „Ahnenerbe“ hat er die Unterbrechung natürlich nicht erwähnt, zumal sie offiziell schließlich geklärt und beseitigt war. Putz und Schlemmer fiel auf, dass sich Bosl in einer ebensolchen Art und Weise bezüglich seiner Mitgliedschaft beim NSLB verhielt. Tatsächlich stößt man in Bosls NSLBAkte auf einen vergleichbaren Hiatus: Obschon er der Organisation am 15. Juli 1934 beitrat, ist aus der Buchführung ersichtlich, dass er nach dem 1. September 1935 keine Beiträge mehr entrichtete. In einer detaillierten Stellungnahme, die vom 9. Juni 1937 datiert, erklärte Bosl sein Verschwinden aus den NSLB-Akten zurückgehend auf „Versäumnisse, an denen ich keine Schuld trage“. Diese „Versäumnisse“, so erklärte Bosl, hätten ihre Ursache in seiner Lehrtätigkeit, wegen der er zwischen Juli 1934 und Juni 1937 vier Mal den Wohnsitz hatte wechseln müssen. Zwar habe er bei verschiedenen NSLB-Funktionären Beiträge entrichtet, doch das sei wohl nicht in die Buchhaltung eingeflossen. Er wies zudem darauf hin, dass er beim NSLB bereits Vorträge über die Grenzprobleme, und dies insbesondere mit Bezug auf die Lage der Sudetendeutschen, gehalten habe und auch weiterhin solche Vorträge zu halten beabsichtige. Folglich ersuchte er die Kreis-
54 Gutachten vom 6. Januar 1938. Berlin, Bundesarchiv, BDC/PK Bosl, Carl, 92, siehe: Anhang 4b. 55 Kopie eines am 4. Januar 1938 entworfenen Schreibens, Berlin, Bundesarchiv, BDC/PK Bosl, Carl, 94. Siehe: Anhang 4a. 56 Mitgliedschaftsamt München an Gauschatzmeister des Gaues Bayerische Ostmark der NSDAP, 14. Juni 1938, Berlin, Bundesarchiv, BDC/PK Bosl, Carl, ohne Nummer. Siehe: Anhang 4c. Siehe ebenfalls: ebd., NSDAP Gauleitung Bayerische Ostmark an Reichsleitung der NSDAP, 1. Juni 1938, wo festgehalten wird, dass der Parteigenosse Bosl „seit 2. Juni 1935 wegen ‚unbekannten Aufenthalts‘ abgemeldet ist.“
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amtsleitung des NSLB im Kreis Ansbach, seinen Status endgültig zu regeln,57 was nur kurze Zeit später tatsächlich erfolgte.58 Das Schriftstück zu seinen politischen Tätigkeiten, das Bosl am 13. September 1938 einreichte, gehörte zu seinen Bewerbungsunterlagen für ein Stipendium, die er im Berliner Hauptbüro der Forschungsgemeinschaft „Deutsches Ahnenerbe“ einreichte, jener SS-Organisation, die Heinrich Himmler 1935 zum Studium der lange verblichenen germanischen Vergangenheit und der Nutzung der respektiven Ergebnisse für die nationalsozialistische Gegenwart gegründet hatte.59 Präsident der Organisation war SS-Obersturmbannführer (später Brigadeführer) Dr. Walther Wüst,60 der – wie Bosl in seinem Bewerbungsschreiben hervorhebenswert fand –61 zugleich als Dekan der Philosophischen Fakultät der Münchener Universität amtierte, die Bosls Dissertation angenommen hatte. Im Rahmen eines vom „Ahnenerbe“ auf Anweisung von Reichsforstmeister Generalfeldmarschall Hermann Göring, Reichsbauernführer Reichsminister Richard Walther Darré und Reichsführer SS Heinrich Himmler62 durchzuführenden Forschungsprojekts zum Thema „Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kultur-
57 Siehe: Anhänge 2 und 3. Ein NSLB-Dokument vom 17. Juni 1937 erwähnt, dass Bosl seit dem 1. September 1935 keine Mitgliedsbeiträge zahlte: NSLB Bayreuth an NSLB Nürnberg: Berlin, Bundesarchiv, BA-NSLB Akte zu Bosl, Karl. Siehe: Anhang 3c. 58 Zur endgültigen Regelung des NSLB-Status von Bosl siehe: NSLB Nürnberg an NSLB Bayreuth, 25. Juni 1937: Berlin, Bundesarchiv, BA-NSLB Akte zu Bosl, Karl. (= Anhang 3d). 59 Zu den Zielen der Organisation siehe: Michael H. Kater, Das „Ahnenerbe“ der SS, 1935–1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches (4. Auflage, München 2006), S. 7. 60 Für einen kurzen Überblick siehe: Horst Junginger, „Walther Wüst“, in: Handbuch der völki schen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen, Hrsg. Ingo Haar und Michael Fahlbusch (München 2008), S. 776–783. Bezüglich des Versuches von Wüst, die indo-arische Vergangenheit für die Legitimation des Nationalsozialismus heranzuziehen und dabei sogar so weit zu gehen, eine Beziehung zwischen Buddhas Predigt vom Mittleren Pfad und einer Beobachtung Hitlers zu postulieren, siehe: Sheldon Pollock, „Deep Orientalism? Notes on Sanskrit and Power beyond the Raj“, in: Orientalism and the Postcolonial Predicament: Per spectives on South Asia, Hrsg. Carol A. Beckenbridge und Peter van der Veer (Philadelphia 1993), S. 89–91. Zu Wüsts Rolle beim Ahnenerbe siehe darüber hinaus: Kater, Das „Ahnenerbe“ der SS, sowie Maximilian Schreiber, Walther Wüst. Dekan und Rektor der Universität München 1935–1945 (München 2008), S. 205–212. Wüst übte im Bereich der Indologie wenig Einfluss aus (persönliche Mitteilung, Prof. David Shulman, Hebräische Universität Jerusalem). 61 Bosl an „Ahnenerbe“, 6. August 1938. Berlin, Bundesarchiv, BDC-DS/Ahnenerbe, Akte zu Karl Bosl (nachfolgend: Ahnenerbe/Akte Bosl), S. 111a. 62 Ebd., S. 128a. Zum Projekt siehe: Bernd-A. Rusinek, „‚Wald und Baum in der arisch-germa nischen Geistes- und Kulturgeschichte‘ – Ein Forschungsprojekt des ‚Ahnenerbe‘ der SS 1937– 1945“, in: Albrecht Lehmann und Klaus Schriewer (Hrsg.), Der Wald – Ein deutscher Mythos? Perspektiven eines Kulturthemas (Berlin–Hamburg 2000), S. 267–363; Kater, Das „Ahnenerbe“ der SS , S. 76–78, 112–113, 146, 198.
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geschichte“, das Wüst als „erste grosse wissenschaftliche Gemeinschaftsarbeit auf nationalsozialistischer Grundlage“63 bezeichnete, reichte Bosl seine Kandidatur für zwei Themen ein. Im Rahmen der „wissenschaftlichen Vorprüfung“ stufte ihn der Sicherheitsdienst der SS als „geeignet“ ein: die Rubriken „Wissenschaftler“, „Doktor“, „Parteigenosse“ und „Weltanschauung“ sind jeweils mit einem Pluszeichen abgezeichnet und am Rand vermerkt „einsatzfähig wiss. Nachwuchs“.64 Bosl wurde damit beauftragt, das Thema „Die Lehns- und Holzrechte im Berchtesgadener Land“ zu bearbeiten, ein Forschungsthema, für das sich außer Bosl niemand beworben hatte. Wüst, der Präsident des „Ahnenerbes“, der Bosl dieses Thema zuteilte, merkte an, dass er mit Bosls Forschungstätigkeit vertraut sei und daher eine „gute Arbeit“ erwarte.65 Bosl erhielt ein monatliches Forschungsstipendium in Höhe von RM 120,66 eine durchaus ansehnliche Aufstockung seines Gehaltes, das – wie er 1946 angab – in den Jahren von 1934 bis 1938 zwischen RM 150 und RM 180 betragen hatte.67 1939 erklärte Bosl, dass dieses Thema „auch heute von aktuellster Bedeutung“ sei, da „der Kampf des Bauern um seine Rechte am Wald und der Kampf des Staates um das Bestehen des deutschen Waldes noch in vollem Gange ist.“68 Fast um dieselbe Zeit gestand er ein, dass ihn seine wissenschaftliche Tätigkeit „mitten hinein in die aktuellen Probleme der Volksforschung“ geführt habe.69 1942 erstattete er dem „Ahnenerbe“ dann Bericht, dass er am „Einsatz der Geisteswissenschaften im Kriege“70 teilgenommen habe, da er einen Beitrag zu einem Band über die staatsbildenden 63 Wald und Baum, Erste Ausschußsitzung, 21. Oktober 1938. Berlin, Bundesarchiv, NS 21/566, S. 3. 64 Undatierte Liste in Berlin, Bundesarchiv, NS 21/566. Rusinek, der im Detail auf die Liste der Mitarbeiter beim „Wald und Baum“-Projekt eingeht, unterscheidet zwischen ausgesprochenen NS-Hochgrad-Ideologen, die SS-Angehörige waren, und nationalsozialistisch befriedigend Ausgewiesenen. Bosl wurde der zweiten Gruppe zugeordnet. Rusinek, „Wald und Baum“, S. 300–304. 65 „Er ist dem Vorsitzenden durch seine Arbeiten bekannt; es wurde betont, dass eine gute Arbeit zu erwarten sei.“ Ebd., S. 4. Siehe: Rusinek, „Wald und Baum“, S. 347; Berg, „Lehrjahre“, S. 51, Anm. 3. 66 1938 wurde Bosl ein monatliches Gehalt von RM 120 für den Zeitraum von zwei Jahren zugesprochen (insgesamt RM 2.880): „Aufstellung der Forschungsbeihilfen laut Ausschußsitzung vom 21.X.38.“ Berlin, Bundesarchiv, NS 21/566; siehe ebenfalls: Ahnenerbe/Akte Bosl, S. 118a (Brief vom 1. November 1938). Am 10. April 1943 wurden ihm erneut monatlich RM 120 für den Zeitraum von 1. April 1943 bis 31. März 1944 zugesprochen. Das „Ahnenerbe“ an die Verwaltung, Berlin, Bundesarchiv, NS 21/336. 67 Siehe: Bosls „Meldebogen“ vom 6. Mai 1946: Anhang 20, Abschnitt 8. 68 2. Tätigkeitsbericht, 10. August 1939. Ahnenerbe/Akte Bosl, S. 149a. 69 Bosl an Karl Alexander von Müller, 17. Dezember 1939, zitiert in Berg, „Lehrjahre“, S. 52; Berg, Karl Alexander von Müller, S. 239. 70 Zum „Kriegseinsatz der Deutschen Geisteswissenschaften“ siehe: Frank-Rutger Hausmann, „Deutsche Geisteswissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg. Die „Aktion Ritterbusch“ (Dresden und Mün
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Kräfte des deutschen Mittelalters verfasst hatte.71 Während Bosl 1974 und 1986 behauptete, sich im Dritten Reich dem Studium von Themen gewidmet zu haben, die beim Regime nicht beliebt waren, wie beispielsweise die Politik von Heinrich III. und Friedrich I.,72 (was unzutreffend war), so ersuchte er 1942 das „Ahnenerbe“ der SS, seine kurz vor Fertigstellung stehende Habilitationsschrift „Die Reichsministerialität des deutschen Mittelalters. Die Helfer salisch-staufischer Staats- und Reichspolitik“ zu veröffentlichen, da „gerade der Stauferzeit größtem Interesse begegnet.“73 In einem undatierten, wahrscheinlich in der gleichen Zeit verfassten Brief betonte Bosl, dass seine Habilitationsschrift „einen wichtigen Beitrag zur Kaisergeschichte des Hochmittelalters darstellen dürfte, gerade vom Standpunkte unserer Zeit aus.“ Zudem vergaß er nicht – offensichtlich wohlkalkuliert – anzufügen, dass er mit Prof. Karl Alexander von Müller zusammengearbeitet hatte, der zudem seine Habilitationsschrift zur „Ahnenerbeveröffentlichung“ vorgeschlagen habe.74 Während Bosl in seinem autobiografischen Vortrag von 1984 sowie in den beiden angeführten Interviews behauptet hatte, dass ein Nazi-Professor seine Ernennung zum Privatdozenten verhindert habe,75 so zeichnen die Akten der chen 1998). Zu Bosls Teilnahme an den Tagungen des „Kriegseinsatzes“ der deutschen Historiker, siehe S. 179–180, 185–186, 191–192, 193–194; ebenfalls: Berg, Karl Alexander von Müller, S. 314. 71 Bosl an „Ahnenerbe“, 6. April 1942. Ahnenerbe/Akte Bosl, S. 133b. Vermutlich bezieht sich Bosl hier auf seinen Artikel „Die Reichsministerialität als Element der mittelalterlichen deutschen Staatsverfassung im Zeitalter der Salier und Staufer.“ In: Adel und Bauern im deutschen Staat des Mittelalters, Hrsg. Theodor Mayer (Leipzig 1943), S. 74–108. Vgl. Hausmann, „Deutsche Geisteswissenschaft“, S. 111. 72 Siehe: Anm. 23, und Interview von 1986, S. 168, 174. 73 Bosl an „Ahnenerbe“, 6. April 1942 Ahnenerbe/Akte Bosl, S. 133b. 74 Bosl an „Ahnenerbe“ (undatierte Abschrift). Berlin, Bundesarchiv, NS 21/336, teilweise wiedergegeben bei Rusinek, „Wald und Baum“, S. 347. Das „Ahnenerbe“ wies den Antrag zurück, gratulierte später Bosl jedoch wegen der Aufnahme seiner Arbeit in der Serie des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde (d.h., die umbenannten MGH): ebd., S. 135, 136, 140. Die Arbeit wurde 1950–1951 als Band 10/1 und 10/2 in der Serie Schriften der MGH publiziert. Das MGH Archiv in München verfügt nicht über ein maschinenschriftliches Manuskript dieser Arbeit, so dass man nicht mehr feststellen kann, ob Änderungen an der während des Krieges eingereichten Version vorgenommen wurden. In einem Brief vom 10. März 1949 fordert der Nachkriegspräsident des MGH Friedrich Baethgen Bosl jedoch dazu auf, den Ausdruck „Niederdonau“ – der NS-Terminus für Niederösterreich – herauszunehmen, denn er „verdient es bestimmt nicht, konserviert zu werden“, und darüber hinaus den Verweis auf einen Artikel zu löschen, denn: „Die Festgabe für Heinrich Himmler können wir heute unmöglich mehr zitieren.“ München, MGHArchiv, B791/2. 75 Bosl, „Meine historischen Wurzeln“, S. xii; Interview von 1986, S. 165; Interview von 1990, S. 22, in dem Robert Spindler als jener Nazi-Professor bezeichnet wird, der angeblich Bosls Ernennung verhinderte.
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1944 stattgefundenen Beratungen der Philosophischen Fakultät der Universität München ein anderes Bild.76 Um diesen Sachverhalt verstehen zu können, müssen wir uns zunächst näher mit den früheren Phasen der akademischen Karriere Bosls befassen. Obschon Bosl in einer Familie aufwuchs, die zur Unterschicht zu zählen ist, genoss er eine hervorragende Bildung. Nachdem er das Humanistische Gymnasium im Benediktinerstift Metten 1927 mit dem Abitur abgeschlossen hatte, studierte er an der Universität München und legte die erste (1931) und die zweite (1932) Staatsprüfung für das höhere Lehramt in den Fächern Griechisch, Latein und Geschichte ab. Er war zunächst nur aushilfsweise an verschiedenen geistlichen und staatlichen Schulen tätig, von denen er sehr positive Evaluationen erhielt. Zum 1. April 1940 wurde Bosl eine Planstelle am Gymnasium Ansbach angewiesen.77 Bosl hatte intensiv studiert und ebenso rigoros an seiner Dissertation gearbeitet, die er 1938 vorlegte und die sich mit der Wirtschafts- und Geistesgeschichte des bayerischen Klosters Kastl im Mittelalter befasst.78 Obgleich einer der prominentesten Nationalsozialisten der Universität München – der Historiker Karl Alexander von Müller, Leiter der Forschungsabteilung Judenfrage, des Zentrums des Antisemitismus in Walter Franks Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands79 – Betreuer und Erstgutachter dieser Dissertation war, so ist diese relativ frei von NS-Ideologie. Als Lehrer trat Bosl, wie wir bereits ausführten, dem Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) bei. Da Bosl aus gesundheitlichen Gründen vom Wehrdienst freigestellt war,80 konnte er nahtlos 76 Vgl. Berg, „Lehrjahre“, S. 57. 77 Für weitere Details siehe: Peter Herde, „Michael Seidlmayer (1902–1961) und der Neubeginn der Würzburger Mediävistik nach 1945“, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 69 (2007 = Festschrift Klaus Ganzer), S. 242. 78 Karl Bosl, Das Nordgaukloster Kastl. Gründung, Wirtschafts- und Geistesgeschichte. Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 89 (Regensburg 1939), 187 Seiten. 79 Siehe: Heiber, Walter Frank, passim; Margareta Kinner, Karl Alexander von Müller (1882– 1964). Historiker und Publizist (München 1997); Hans Wolfram von Hentig, in: Neue Deutsche Bio graphie 18 (1997), S. 440–441; Peter Herde, „Max Buchner (1881–1941) und die politische Stellung der Geschichtswissenschaft an der Universität Würzburg 1925–1945“, in: Die Universität Würz burg in den Krisen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Hrsg. Peter Baumgart (Würzburg 2002), S. 228–235; Karsten Jedlitschka, Wissenschaft und Politik. Der Fall des Münchner Historikers Ulrich Crämer (1907–1992) (Berlin 2006), S. 107–114 und passim, sowie die neue Publikation: Berg, Karl Alexander von Müller. Der Historiker Walter Goetz, ein liberaler Abgeordneter des Reichstages vor 1933, der von den Nationalsozialisten seines Leipziger Lehrstuhls enthoben wurde, nannte ihn „charakterloser Streber“. Brief von Goetz an Friedrich Meinecke, 2. Januar 1946, Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Walter Goetz, N 125/46. 80 Er litt an einer „fast tödliche[n] Drüsenerkrankung und [an] Herzschwächen.“ Bosl, „Versuch eines Lebensbildes“, S. 10. Siehe ebenfalls: Interview von 1986, S. 165. Bosls Hochschullehrer-
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in die Erwerbstätigkeit eintreten. Wenngleich seine gymnasiale Lehrtätigkeit eine Vollzeitanstellung war, an seinem Wohn- und Arbeitsort Ansbach keine wissenschaftlich ausgestatteten Bibliotheken vorhanden waren und in einer entscheidenden Phase die Münchener Staatsbibliothek und die Universitätsbibliothek durch alliierte Bombenangriffe beschädigt wurden, betrieb er mit Akribie seine historischen Studien weiter und versuchte, mit Unterstützung seines Mentors, die venia legendi, also die Lehrzulassung an der Universität München, zu erlangen. Dafür musste er eine Habilitationsschrift vorlegen, eine wissenschaftliche Arbeit, die von einem Fakultätskomitee geprüft wurde. Zudem hatte ein Habilitand mündliche Prüfungen abzulegen. Zusätzlich zu den Studien, die er im Auftrag des „Ahnenerbes“ durchführte,81 erforschte Bosl die Reichsministerialität der salischen und staufischen Könige und Kaiser, „eine Klasse, die sich von allen anderen Klassen der feudalen Gesellschaft im westlichen Europa unterschied“,82 und reichte 1944 ein voluminöses Habilitationsmanuskript ein. In seinem Gutachten lobte Karl Alexander von Müller, Bosls Doktor- und Habilitationsvater, das Werk, freilich nicht ganz ohne Kritik wegen der zu ausschweifenden Länge.83 Zweitgutachter war Rudolf von Heckel, ein Mediävist, der unter dem NS-Regime eine reine Weste behielt. Auch wenn er die Arbeit als „so gut wie unlesbar“, bar jeder künstlerischen Gestaltungskraft, voller ernüchternder Wiederholungen und behaftet mit zahlreichen Fehlern und Mängeln in den Zitaten kritisiert, überwiegen in seinem Gutachten die positiven Aspekte.84 Somit unterrichtete der Dekan der Philosophischen Fakultät am 30. August 1944 das Reichswissenschaftsministerium darüber, dass Bosl den akademischen Grad eines Dr. phil. habil. erworben habe. Laut der im Dezember 1934 erlassenen Reichs-Habilitationsordnung war eine Habilitation Voraussetzung für die Beantragung einer Lehrerlaubnis. Einen solchen Antrag stellte Bosl am 17. Oktober 1944 bei der Philosophischen Fakultät der Universität München.85 Der Habilitationsverordnung zufolge war er verpflichtet, drei Probekartei enthält folgenden Eintrag: „Militärverhältnisse: nach Musterung vom 20. Juli 1944: Zeitlich untauglich.“ Hochschullehrerkartei, Akte Bosl. 81 Eine nicht gänzlich entnazifizierte Version erschien 1949: „Forsthoheit als Grundlage der Landeshoheit in Bayern. Die Diplome Friedrich Barbarossas von 1156 und Heinrichs VI. von 1194 für das Augustinerchorherrenstift Berchtesgaden. Ein Beitrag zur Verfassungs-, Siedlungs-, und Wirtschaftsgeschichte des bayerischen Alpenlandes“, in: Gymnasium und Wissenschaft. Fest schrift des Maximiliansgymnasiums in München (München 1949), S. 1–55. 82 Geoffrey Barraclough, The Origins of Modern Germany (2. Auflage, New York 1963), S. 81. 83 Universitätsarchiv München, Personalakte Karl Bosl. 84 Gutachten Rudolf von Heckel vom 27. Juli 1944, ebd. In einer handschriftlich verfassten Stellungnahme behauptete Bosl zwei Jahrzehnte später, dass er „im Grunde einziger Habilitant [sic] von R. v. Heckel“ war: Universitätsarchiv München, O-VII-130. In Wahrheit war Bosls Habilitationsvater Karl Alexander v. Müller, während v. Heckel sein schärfster Kritiker war. 85 Berg, „Lehrjahre“, S. 56–57.
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vorlesungen zu halten, an die sich Diskussionen mit Fakultätsmitgliedern anschlossen. Bosl hielt diese Probevorlesungen im Dezember 1944 zum Thema „Heinrich IV. in verfassungsgeschichtlicher Hinsicht“. Fast alle Mitglieder des Fakultätskomitees kritisierten Bosls Vorlesungen scharf.86 Laut der späteren Berichte des Kunsthistorikers Harald Keller beinhalteten diese Probevorlesungen schwere Angriffe auf die katholische Kirche. Zudem seien sie offensichtlich mit NS-Terminologie durchsetzt gewesen, was ebenfalls von Heckel in seiner Evaluation festhält,87 dessen Gesamturteil „ausreichend“ lautete. Dazu hielt er fest: Bosl „glaubte zur Kennzeichnung mittelalterlicher Verhältnisse Ausdrücke neuester Prägung anwenden zu dürfen, nicht ohne dass dies auch auf den Inhalt abgefärbt hätte.“ Von Heckel meinte, dass die Sprache nicht frei von „Unarten“, die Gedankenführung „verwirrend“ und „unübersichtlich“ und die Beurteilungen „sehr zweifelhaft“ seien. „Dem etwas gewalttätigen Inhalt entsprach auch die überlaute, dem Raum ganz unangemessene Stimme [...] Nach meiner Meinung war also die Lehrprobe ziemlich weit von dem entfernt, was einem als das Ideal einer solchen vorschwebt. Der Ton des akademischen Vortrags war nicht getroffen.“ Auch Max Spindler, Professor für Bayerische Geschichte, Helmut Berve, Professor für Alte Geschichte, und Ludwig Maenner, Professor für Neuere Geschichte, brachten ähnliche Kritik vor. Harald Keller merkte, mit einer vorsichtigen Portion Ironie an, dass Bosls Vorlesungen „in weltanschaulicher Hinsicht keinen Grund zur Beanstandung“ geboten hätten.88 Es ist durchaus erstaunlich, dass Bosl noch im Dezember 1944, als sich die Alliierten bereits darauf vorbereiteten, ihre letzten Offensiven sowohl an der Ost- als auch der Westfront zu lancieren, weiterhin „Ausdrücke neuester Prägung“ verwandte. Eine nüchterne Handhabung des Themas hätte keinen negativen Einfluss auf die Evaluationen der Komiteemitglieder gehabt, denn noch nicht einmal Berve, der ausgezeichnete, freilich dem Rassismus verfallene Althistoriker, der voll hinter den NS-Bildungskonzepten stand,89 brachte in seiner scharfen Kritik an Bosls Probevorlesungen Kriterien an, die keinesfalls mit der NS-Ideologie in Zusammenhang standen. Er hielt fest, „die großen historischen Gesichtspunkte“ seien „nicht recht herausgearbeitet“ worden und fügte hinzu: „Im elementaren akademischen Unter-
86 Für weitere Details siehe: Herde, „Michael Seidlmayer“, S. 248–250. 87 Gutachten Rudolf von Heckel vom 6. Februar 1945. Universitätsarchiv München, Personalakte Karl Bosl. 88 Gutachten Harald Keller vom 19. Dezember 1944, ebd. 89 Siehe: Karl Christ, „Helmut Berve (1896–1979)“, in: Ders., Neue Profile der Alten Geschichte (Darmstadt 1990), S. 125–157; Stefan Rebenich, „Alte Geschichte in Demokratie und Diktatur. Der Fall Helmut Berve“, Chiron 31 (2000), S. 457–496. Er wurde von der US-Militärregierung 1945 seines Lehrstuhls enthoben, jedoch vom Bayerischen Kultusministerium 1954 erneut an die Universität Erlangen berufen.
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richt verspricht er Nutzbringendes zu leisten, während die Gestaltung eines wissenschaftlich begründeten Geschichtsbildes wohl über seine Kräfte geht.“90 Da die schriftlichen Evaluationen der Komiteemitglieder einige Zeit nach den Probevorlesungen eintrafen – die letzte am 6. Februar 1945 – konnte Dekan Franz Dirlmeier, Professor für Klassische Philologie und ein aktiver Nationalsozialist,91 erst am 9. Februar schriftlich beim Reichserziehungsministerium Bosls Ernennung zum Dozenten beantragen.92 Da die alliierten Bombardements den Postverkehr lahm legten, traf vom Berliner Ministerium keine schriftliche Bestätigung ein, so dass Bosl nicht zum Dozenten ernannt wurde. Als die Universität Würzburg Bosl 1953 auf den Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte berufen wollte, führte er in seinem Lebenslauf aus, dass sein Habilitationsverfahren Anfang 1945 nicht abgeschlossen wurde, da es das „zunehmende Chaos“ nicht ermöglicht hätte, dass die persönlichen Unterlagen Berlin früher erreichten.93 Da Bosls Habilitation an der Universität München 1944/45 nicht vollständig abgeschlossen war, musste er die damit verbundenen Prüfungen teilweise wiederholen. Darauf wies auch Dekan Friedrich Klingner hin, als er festhielt, dass Bosl „der gestörten Postverhältnisse wegen“ Anfang 1945 nicht zum Dozenten ernannt worden 90 Gutachten Helmut Berve vom 23. Januar 1945. Universitätsarchiv München, Personalakte Karl Bosl. 91 Zu Dirlmeier siehe: Volker Losemann, Nationalsozialismus und Antike. Studien zur Entwick lung des Faches Alte Geschichte (Hamburg 1977), S. 71, 104, 135; zu seiner Karriere an der Universität München und nachfolgend siehe: Maximilian Schreiber, „Altertumswissenschaften im Nationalsozialismus. Die Klassische Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität“, in: Die Universität München im Dritten Reich, Aufsätze, 1, Hrsg. Elisabeth Kraus (München, 2006), S. 220– 226. Dirlmeier war für die Entlassung von Rudolf Pfeiffer, einem klassischen Philologen von internationalem Ruf, verantwortlich. Pfeiffer weigerte sich, sich von seiner jüdischen Ehefrau scheiden zu lassen, und emigrierte anschließend nach London. 1951 erging sein Rückruf an seinen Münchener Lehrstuhl. Dirlmeier, der ebenfalls ein prominentes Mitglied des „Ahnenerbes“ war, weigerte sich, Mitglied der SS zu werden (siehe: Kater, Das „Ahnenerbe“, passim). Er wurde 1945 von der US-Militärregierung des Amtes enthoben, erhielt jedoch 1946 einen Lehrstuhl an der Universität Mainz in der französischen Besatzungszone, in der die Entnazifizierungsmaßnahmen weniger strikt gehandhabt wurden. Anschließend wechselte er an die Universität Würzburg (1951–1959). 1959 wurden Bestrebungen unternommen, ihn wieder an die Universität München zu holen, was Pfeiffer verhinderte (siehe dazu: Aktenvermerk des Bayerischen Kultusminis teriums vom 17. Februar 1959, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, MK 72588). Dirlmeier ging schließlich an die Universität Heidelberg und wurde Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, eine typische Nachkriegskarriere eines NS-Professors. 92 Universitätsarchiv München, Personalakte Karl Bosl. 93 Curriculum vitae datiert 11. März 1953, Universitätsarchiv Würzburg, Lehrstuhlakte ordentlicher Professor für mittelalterliche Geschichte. Bosls Hochschullehrerkartei enthält folgenden Vermerk: „1938 Doktorpromotion an der Universität München. 1944 Habilitation ebenda.“ Hochschullehrerkartei, Akte Bosl.
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war.94 Offensichtlich erfand Bosl erst später – als er bemüht war, sich als Gegner des NS-Regimes zu präsentieren – eine andere Erklärung für die nicht abgeschlossene Dozentenernennung. So behauptete er, Dekan Dirlmeier habe ihm gesagt, dass der Anglist Rudolf Spindler95 (nicht verwandt mit dem Historiker Max Spindler), der als einer der notorischsten Nationalsozialisten der Universität München galt, seine Ernennung zum Dozenten verhinderte.96 Diese Behauptung entsprach sicher nicht der Realität, denn Rudolf Spindlers kurzes Gutachten im Verfahren war eines der nur zwei Gutachten, die Bosl ausschließlich positiv beurteilten.97 Außerdem belegen die vorhandenen Unterlagen, dass jene Professoren der Universität München, die als maßgebliche Vertreter des NS-Regimes anzusehen sind – SSBrigadeführer Rektor Wüst (Bosls Vorgesetzter beim „Ahnenerbe“) und der Dozentenbundführer Bergolt – dem Antrag des Dekans Dirlmeier an das Reichserziehungsministerium auf Ernennung Bosls zum Dozenten vorbehaltlos zustimmten. Die Fränkische Zeitung, das offizielle Organ der NSDAP in Ansbach, brachte am 13. Dezember 1944 eine Nachricht über einen Vortrag von „Dr. habil. Karl Bosl“ mit dem Titel Das Reich als politische Idee, den er vor dem NS-Kreisleiter sowie „geladenen Gästen aus Partei, Staat, Wehrmacht und Wirtschaft“ hielt. Bosl, so berichtete die Tageszeitung, habe in seinem Vortrag anschaulich gemacht, dass an allen „drei Gipfelhöhen des Reichsgedankens“ – dem mittelalterlichen Reich unter Karl dem Großen, dem kleindeutschen Reich zu Zeiten Bismarcks und „dem von Adolf Hitler wiedererrichteten Großdeutschen Reich“ – es „immer wieder der Auftrag des Deutschen und Germanischen“ war, „das Reich als europäische Führungsmacht zu schaffen.“ Bosl betonte, dass das Reich die politische Idee nicht nur der deutschen, sondern der europäischen Geschichte sei, so dass „auch der Schicksalskampf um das Reich niemals nur ein deutscher sein konnte.“ Und weiter heißt es: Unter dem Eindruck dieser europäischen Sendung stehen wir vor den Gräbern unserer gefallenen Helden in West und Ost, Nord und Süd, ferne von den Grenzen unserer Heimat, und wissen, daß sie das Unterpfand sind dafür, daß trotz mancher Rückschläge die Kraft des deutschen Volkes im Dienst an Europa und der Welt nie erlahmen wird für das Hochziel des Reiches: D a s R e i c h – e s m u ß u n s b l e i b e n!98
94 Siehe: Klingners Brief an das Bayerische Bildungsministerium, 17. Februar 1949. Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst München, Personalakte Bosl. 95 Siehe: Frank-Rutger Hausmann, Anglistik und Amerikanistik im „Dritten Reich“ (Frankfurt/ Main 2003), S. 34–40, 509–510 und passim. 96 Interview von 1990, S. 22; siehe auch: Anm. 75. 97 Gutachten Rudolf Spindler, 14. Dezember 1944 Universitätsarchiv München, Personalakte Bosl. Siehe ebenfalls: Herde, „Michael Seidlmayer“, S. 250. 98 Der vollständige Text ist als Anhang 9 abgedruckt.
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Bosl mobilisierte hier also den abschließenden Vers von Martin Luthers berühmten Liedes Ein’ feste Burg ist unser Gott, um zur Verteidigung des Hitler-Reiches aufzurufen; und das zu einem Zeitpunkt, als Aachen bereits an die US-Truppen gefallen war und die Rote Armee auf Budapest zurückte. Man muss nicht annehmen, dass die Fränkische Zeitung die Höhepunkte von Bosls Durchhalterede unbedingt Wort für Wort wiedergab, aber man soll diesen Vortrag auch nicht als von diesem NS-Blatt frei erfunden bagatellisieren. Die Begeisterung für das mittelalterliche Reich und die mittelalterliche Reichsidee war für Bosl seit seiner Jugend bezeichnend, und im Interview von 1986 erwähnte er, dass zwischen der Reichsbegeisterung, in der er erzogen wurde, und dem Dritten Reich eine „Affinität“ bestand.99 Im Dezember 1944 scheint Bosl von dieser Affinität noch stark durchdrungen gewesen zu sein. Die Rede bezeugt zudem die große rednerische Begabung, die viele Schüler Bosls später bewundernd erwähnen. Noch im Januar 1945, genauer gesagt am 16. und 17. Januar 1945, nahm Bosl an einer Konferenz in Hitlers Geburtshaus in Braunau teil, die im Rahmen des Projektes „Kriegseinsatz der Deutschen Geisteswissenschaften“ organisiert wurde.100 Wie kann man diese substanzielle Dokumentation des Wirkens von Bosl während des Dritten Reiches mit seinen späteren Behauptungen in Einklang bringen, das Regime gehasst, heimlich Flugblätter mit Anti-NS-Inhalten verteilt und eine führende Rolle in den Aktivitäten einer gegen Ende der NS-Zeit in der Stadt Ansbach agierenden Widerstandsgruppe eingenommen zu haben? Könnte es sein, dass er zugleich Mitläufer und Gegner des Regimes war, also eine von ihm beschriebene Mischrolle selbst erfüllt hat, die, wie er in seinen Vorträgen zum Widerstand in den 1980er Jahren ausführte, vielen Deutschen zueigen gewesen war?101 Oder war seine offensichtliche Unterstützung des Regimes gar 99 Interview von 1986, S. 178. Bosl scheint auch angedeutet zu haben, dass die Begeisterung für die mittelalterliche Reichsidee vielleicht die „Nazisprüche“ in seinen Aufsätzen in den Jahren 1939–1944 erklären: ebd., S. 174. 100 Hausmann, „Deutsche Geisteswissenschaft“, S. 199 einschl. Anm. 274; Bosl nahm zudem an einer zuvor ausgerichteten Konferenz in Erlangen teil, 18–19. April 1944: ebd., S. 197–199. Hausmann stellt fest, dass sich die Vorträge zwar auf professionelle Weise mit historischen Problemen befassen, jedoch latente Analogien zu den Legitimationsproblemen des NS-Regimes enthalten. Die Konferenz in Braunau wurde von Theodor Mayer organisiert, Präsident der Monumenta Ger maniae Historica und ein aktiver Nationalsozialist, der 1945 des Amtes enthoben wurde. Mayer förderte Bosls Karriere und kooperierte eng mit ihm im Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, den er 1951 als eine Fortführung des Kriegseinsatzes der Deutschen Geisteswissenschaften gründete. Zum Konstanzer Arbeitskreis siehe: Traute Endemann, Geschichte des Konstanzer Arbeitskreises. Entwicklung und Strukturen 1951–2001 (Stuttgart 2001). 101 Siehe: Anm. 41.
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ein Ablenkungsmanöver, um die geheimen regimefeindlichen Aktivitäten zu verschleiern und zu tarnen? Um diese Fragen beantworten zu können, müssen wir uns zunächst einer näheren Analyse der Aktivitäten der Ansbacher Widerstandsgruppe widmen und untersuchen, inwieweit Bosl mit ihr in Verbindung stand.
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Die erste Darstellung über die Aktivitäten dieser Gruppe wurden von Herbert Frank, einem Mitglied der Gruppe, am 24. Mai 1945 verfasst, also etwas mehr als einen Monat nach der brutalen Hinrichtung von Robert Limpert am Mittag des 18. April, die einige Stunden vor dem Eintreffen der US-Truppen erfolgte.102 Am 6. September 1945 veröffentlichte Frank eine kurze Laudatio auf Limpert.103 Eine weitere Darstellung, deren Entstehungsdatum nicht überliefert ist, die Frank jedoch einige Zeit nach dem 14. Dezember 1946 verfasst haben muss, sind die Kopien von zwei der drei Flugblätter angehängt, welche die Gruppe produziert und verteilt hat.104 Ein anderes Mitglied der Gruppe, Wolfgang Hammer, verfasste erst einige Jahrzehnte später – genauer gesagt 1970 – eine eigene Darstellung.105 Ein drittes Mitglied der Gruppe, Hans Stützer, meldete sich öffentlich erstmals 2005 zu Wort.106 Stützer wurde im Rahmen der Erarbeitung der hier vorgelegten Studie 2005 interviewt, während mit Frank 2006 ein Interview geführt wurde.107 Die Gruppe bestand lediglich aus vier Mitgliedern: Robert Limpert, Herbert Frank, Wolfgang Hammer und Hans Stützer. Alle vier Männer waren 1945 um die 20 Jahre alt und hatten am Ansbacher Gymnasium die gleiche Klasse besucht. Der am 15. Juli 1925 geborene Limpert war der Angelpunkt der Gruppe, die treibende Kraft. Er war ein brillanter Schüler und sehr religiöser junger Mann, der sich in der katholischen Kirche engagierte und Ministrant war. Er stand bereits ab 1937/1938
102 Franks Bericht ist als Anhang 11 abgedruckt. 103 Stadtarchiv Ansbach, Akte Robert Limpert: Herbert Frank, „Robert Limpert“, Frankenspiegel 3, 6. September 1945. 104 Nachfolgendes basiert auf Franks Berichten (Anhänge 11 und 12), es sei denn, eine andere Quelle wird ausdrücklich angegeben. Im Gegensatz zum Bericht Franks vom 24. Mai 1945, der auf Limpert fokussiert ist, gibt der undatierte Bericht, Anhang 12, näheren Aufschluss über die Aktivitäten der anderen Mitglieder der Gruppe. Leider fehlt die erste von insgesamt drei Seiten. Da in dem Dokument der Prozess gegen Limperts Henker Oberst Meyer erwähnt wird, der zwischen dem 10. und 14. Dezember 1946 stattfand, kann dieses Dokument nur nach diesem Datum verfasst worden sein. Zum Prozess gegen Meyer siehe: Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deut scher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945–1966, Bd. 1, Hrsg. Adelheid L. Rüter-Ehlermann und C. F. Rüter (Amsterdam 1968), S. 113–129. 105 Stadtarchiv Ansbach, Akte Robert Limpert: Wolfgang Hammer an Adolf Lang, 6. Februar 1970. 106 60 Jahre danach: Luftangriffe & Kriegsende in Ansbach. Zeitzeugen berichten (Ansbach 2005), S. 42–45. 107 Benjamin Kedars telefonisches Interview mit Dr. med. Hans Stützer (Göppingen), 7. November 2005; Interview mit Herbert Frank (Marnes-la-Coquette), 5. Mai 2006.
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unter Überwachung der Gestapo.108 In Schulaufsätzen sowie im Unterricht brachte er mutig seine Anschauungen vor – auch direkt gegenüber dem Schuldirektor – und wies die Verfälschungen und Lügen zurück, die in seinen Augen einige Lehrer verbreiteten. Nachts riss er zusammen mit Frank NS-Plakate ab. Sie warfen zudem Aushangtafeln ins Wasser und legten in Zügen Flugblätter aus, die dazu aufforderten, die alliierten Radiosender zu hören. Limpert und Hammer zogen somit den Zorn der Lehrer ihrer Schule, die mit dem NS-Regime konform gingen, auf sich und wurden am 6. Dezember 1943 im Zuge eines Beschlusses des Lehrerkollegiums von der Schule verwiesen.109 Frank kam damals mit einer Verwarnung davon. Stützer war zu der Zeit bereits eingezogen. Die Partei ebenso wie die Gestapo versuchten – so schreibt Frank –, Limpert am Ablegen des Abiturs zu hindern. Ihre Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt, da Limpert die Hochschulreife am Gymnasium Fridericianum in Erlangen erlangte. Dass Limpert dort angenommen wurde, geht vermutlich auch auf eine einsichtsvolle Charakterisierung des Schülers zurück, die Bosl dieser Schule schickte: „Limpert ist gut begabt und fleißig, leider aber sehr gehemmt durch
108 Am 24. Mai 1945 schrieb Frank, dass Limpert einer der Wenigen, wenn nicht sogar der Einzige war, der nicht der HJ beigetreten ist, siehe: Anhang 11. Am 4. Mai 1945 sagte jedoch Limperts Vater Isidor gegenüber der örtlichen Kriminalpolizei aus: „Der HJ Ansbach gehörte er an, er hat aber praktisch keinen Dienst geleistet wegen eines Herz- und Nierenleidens, das ihm durch den Amtsarzt Dr. Kuhn bestätigt worden war. Mit 18 Jahren schied er wie alle anderen aus der HJ aus.“ Der Vater sagte zudem über seinen Sohn: „[…] stets antinationalsozialistisch eingestellt, hat daraus nirgends, auch in der Schule, kein Hehl gemacht, sondern sich überall frei und offen als Antinationalsozialist bekannt. Stets war er ein Gegner von Kriegen[,] und er konnte es nicht verstehen, daß wir Deutschen uns in diesen Krieg verwickeln haben lassen.“ Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 14a-b. Vgl. Robert Heurung, „Der Ansbacher Robert Limpert – Vaterlandsverräter oder Märtyrer?“ Frankenland 61 (2009), S. 311. 109 Frank war der Ansicht, dass Limpert „entlassen“ wurde, weil er in der Schule seine Ansichten offen äußerte: siehe: Anhang 11; auch Isidor Limpert sagte über seinen Sohn aus, dass er „entfernt“ wurde, „wegen seiner Gesinnung und Anschauungen“: Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 14a; siehe ebenfalls: ebd. Nr. 650/ II, S. 305. Im Protokoll der Lehrersitzung, auf der Limperts und Hammers Schulverweis beschlossen wurde, finden sich jedoch keine Hinweise auf politisch motivierte Hintergründe. Die beiden wurden der Schule verwiesen, weil sie „sich [für eine Schicht] in das Wachbuch der St. Johanniskirche eingetragen, die sie dort gar nicht abgehalten haben, in der Absicht, sich dadurch den Vorteil zu schaffen, am folgenden Tage erst in der 3. Unterrichtsstunde in der Schule erscheinen zu müssen“, und weil sie „unmittelbar vor der jetzigen Lehrerratssitzung ein Mikrophon in das Lehrerzimmer eingebaut u. mit einem Lautsprecher im Wachzimmer des Gymnasiums verbunden [haben], um damit die Verhandlungen des Lehrerrats abzuhören.“ In seiner Bekanntmachung meinte Schuldirektor Dr. Schreibmüller gegenüber der gesamten Schülerschaft jedoch, dass „sie schon seit längerer Zeit unlautere Gesinnung u. Handlungsweise gezeigt haben.“ Ansbach, Archiv des Gymnasium Carolinum, Akte Dr. Schreibmüller [F].
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Abb. 1: Robert Limpert. Photo: Hartmut Schötz, Ansbach
verschiedene Krankheiten. Aus seinen deutschen Aufsätzen sprach Klarheit und fast schon eine bestimmte Reife. Gelesene Bücher kann er mit einem staunenswerten Sinn für das Wesentliche dem Inhalt nach wiedergeben. Im Deutschen wäre L. besonders zu fördern.“110 Frank und Hammer wurden im Laufe des Jahres 1944 eingezogen. Unterdessen wurde Stützer aus gesundheitlichen Gründen aus der Wehrmacht entlassen. Limpert schrieb sich im Wintersemester 1944/1945 als „freiwilliger Hörer“ an der Universität Würzburg ein. Limperts Vater gab am 4. Mai 1945 im Rahmen einer Zeugenaussage an, dass sein Sohn Anfang März 1945 eingezogen wurde und auf dem Fliegerhorst Seligenstadt bei Würzburg stationiert war. Er war kaum eine Woche dort, da erlitt er bei einem Fliegerangriff einen schweren Herzanfall. Man beobachtete ihn daraufhin einige Tage lang stationär und entließ ihn schließlich als „wehrunfähig“. Weiter gab der Vater an, dass sein Sohn sein Studium wegen der fortgesetzten Fliegerangriffe auf Würzburg abbrach und Anfang April 1945 wieder nach Ansbach zurückkehrte.111 110 Erlangen, Archiv des Gymnasium Fridericianum [F]. 111 Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 14a.
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In Ansbach dürfte Limpert damals kaum Kontakte zu den Einwohnern gehabt haben, denn die Bevölkerung nahm von einer Person, die des Gymnasiums verwiesen, vom örtlichen HJ-Bannführer verfolgt und von der Gestapos überwacht wurde, lieber Abstand. Limpert versuchte vergeblich, eine Zulassung für die Schweizer Universität Fribourg zu erwirken. Unterdessen desertierten Hammer und Frank im März 1945 und kehrten mit Hilfe gefälschter Papiere nach Ansbach zurück. Auch Stützer weilte in Ansbach. Im Gegensatz zu den anderen Einwohnern der Stadt scheuten diese Freunde nicht, mit Limpert Kontakt zu halten.112 Am 6. April 1945 nahmen diese Freunde erneut ihre konspirativen Aktivitäten auf, da sie fürchteten, ihre Heimatstadt könnte zerstört werden.113 Sie versuchten, die Vorbereitungen der Nationalsozialisten zur Verteidigung der Stadt zu sabotieren, indem sie die Bevölkerung dazu aufriefen, Panzersperren und -hindernisse zu zerstören und bei Ankunft der US-Truppen weiße Fahnen zu hissen. Limpert und Stützer produzierten auf Franks Matrizendrucker rund 50 Flugblätter und plakatierten sie in der Nacht vom 7. auf den 8. April zusammen mit Propagandamaterial der Alliierten an Aushangtafeln der Partei, an Schaufenstern und Kirchentüren. Ein bewaffneter Angehöriger des Volkssturmes heftete sich damals an ihre Fersen, doch Limpert gelang es, ihn durch einen aus seiner Pistole abgegebenen Schuss in die Flucht zu schlagen. Am nächsten Tag suchte Limpert Frank auf, der in Bosls Nachbarhaus wohnte, und schlug ihm vor, neue Flugblätter herzustellen. Das nunmehr produzierte Flugblatt, das ein durchgestrichenes Hakenkreuz zierte, rief die Einwohner der Stadt Ansbach dazu auf, die Anordnungen zur Verteidigung der Stadt zu missachten. Sie appellierten an die Ansbacher: „Prügelt die Bonzen aus der Stadt!“ und schlossen den Text ihres Flugblattes mit der Forderung: „Tod den Nazihenkern!“114 Limpert stellte 100 Kopien her, die er dieses Mal in der Nacht vom 14. auf den 15. April in der Stadt alleine aushängte. Dabei riss er zugleich die NS-Aufrufe ab, die die Ansbacher Bevölkerung aufriefen, zur Anlegung eines Verteidigungswalles zu erscheinen. Bei Nichterscheinen drohe die Todesstrafe hieß es darin zudem. Da kaum jemand diesen Aufruf gelesen hat, erschien tatsächlich niemand bei den Sammelstellen. Am 15. April verfassten Limpert, Frank und Hammer ihr drittes Flugblatt, in dem sie darauf hinwiesen, dass die Alliierten nunmehr jeden Tag Ansbach erreichen
112 Isidor Limperts Zeugenaussage vom 4. Mai 1945: „Seit unser Sohn wieder hier ist, besuchte er mit seinen Freunden aus dem Schülerkreis abends wiederholt das Weinlokal Benkher hier. Er war aber sehr solid und kam nie angetrunken heim. Später wie Mitternacht kam er nie heim.“ Ebd., S. 14b. 113 Das Datum ist in Anhang 12 vermerkt. 114 Laut Anhang 11 verfasste Frank den Text des Flugblattes; laut Anhang 12 verfassten Limpert und Frank das Flugblatt und druckten es gemeinsam.
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könnten, weshalb erneut der Aufruf erging, sich nicht zur Wehr zu setzen, um so zu gewährleisten, dass die Stadt nicht zerstört wird. Limpert und Hammer vervielfältigten rund 200 Kopien, die sie in der Nacht vom 16. auf den 17. April aushängten oder verteilten. Bei dieser Gelegenheit legten sie auch 300 Flugzettel mit dem Text „Wir verteidigen Ansbach nicht! Tod den Nazihenkern!“ und 25 alliierte Flugblätter aus („Nachrichten für die Truppe“ und „Reden Roosevelts und Churchills“). Die örtliche NSDAP-Leitung reagierte darauf mit der Androhung, dass ein weiteres Erscheinen derartiger Flugblätter zur Ausrufung des Belagerungszustandes führen würde. Am Morgen des 17. April traf Limpert ein letztes Mal mit Frank zusammen, dem er über den Erfolg seiner nächtlichen Aktion, und „über die Pläne einer Gruppe aktivistischer Antinazis“ berichtete. Er verlieh dabei auch seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Amerikaner schon am selben Abend in die Stadt einmarschieren würden. Er war sich zweifellos der großen Gefahr, in der er inzwischen schwebte, bewusst, denn als er Frank versprach, ihn am kommenden Tag erneut zu besuchen, fügte er hinzu: „[...] wenn ich nicht unter den Toten weile.“115 Am Morgen des 18. April gingen Gerüchte um, dass die Gestapo und SS Ansbach verlassen und die amerikanischen Panzer bereits Dombach im Loch, eine Siedlung südwestlich der Stadt, erreicht haben sollen. Limpert beschloss zu handeln. Er ging zum Rathaus und forderte Bürgermeister Böhm auf, zu kapitulieren und Ansbach den Amerikanern zu übergeben. Böhm bevollmächtigte Limpert, dies um 10.00 Uhr südwestlich des Stadtzentrums in der GneisenauKaserne zu tun. Limpert verkündete diese guten Neuigkeiten einigen wenigen Leuten (später mehr dazu), doch als er sich dann zur Kaserne aufmachen wollte, erfuhr er, dass Oberst Meyer, dem die Verteidigung der Region übertragen war, Ansbach nicht aufgeben und bis „zum Letzten“ verteidigen wolle.116 Limpert ging nach Hause und erzählte seinen Eltern, dass er Oberst Meyer zur Rettung der Stadt zu erschießen beabsichtige, wovon ihn seine Eltern letztlich abbrachten.117 Daraufhin beschloss Limpert, das Telefonkabel zu durchtrennen, das Meyer von seinem Hauptquartier aus die Kommunikation mit den unter seinem Befehl ste115 Die hier wiedergegebenen Ereignisse basieren auf Franks Bericht, Anhang 11. Der Inhalt der Flugblätter, die in Zügen verteilt wurden, das Schicksal von Limperts Freunden zwischen Dezember 1943 und März 1945 sowie detaillierte Angaben zu ihren Aktivitäten im April 1945 sind Franks Bericht entnommen, siehe: Anhang 12; Limperts Isolation geht aus Anhang 11 sowie aus Franks Nachruf auf Limpert hervor, den er im September 1945 veröffentlichte (siehe: Anm. 103). Bezüglich der Rekonstruktion der Aktivitäten der Gruppe siehe auch: Robert Heurung, „Der Ansbacher Robert Limpert“, S. 312–314 (einige Fehler wurden korrigiert von Hartmut Schötz, ebd., S. 412). 116 Siehe: Franks Bericht, Anhang 11. 117 Isidor Limperts Zeugenaussage beim Prozess gegen Oberst Meyer im Dezember 1946. Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 288. Passage wiedergegeben in: Ute Althaus, „NS-Offizier war ich nicht“. Die Tochter forscht nach (Gießen 2006), S. 170.
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henden Truppen ermöglichte. Anschließend ging Limpert wieder nach Hause. Es war 11.00 Uhr. Zwei HJ-Jungen, die beobachtet hatten, wie Limpert das Telefonkabel durchtrennte, machten darüber sofort bei den Behörden Meldung. Limpert, der bemerkt hatte, dass ihn die Jungen beobachtet hatten, traf zu Hause in einem Zustand großer Erregung ein. Er setzte seine Eltern über die Geschehnisse in Kenntnis. Sollte Limpert die Absicht gehabt haben, unterzutauchen, so hatte er nicht die geringste Chance dazu, denn kaum zehn Minuten später stand vor seinem Elternhaus bereits die Polizei. Er wurde verhaftet. Die Polizisten kehrten später erneut zurück, um eine Hausdurchsuchung vorzunehmen. Sie fanden dabei einiges belastendes Beweismaterial.118
Abb. 2: Das erste Flugblatt. Photo: Stadtarchiv Ansbach
118 Isidor Limperts Zeugenaussage am 4. Mai 1945. Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 14b.
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Oberst Meyer verurteilte Limpert in aller Eile zum Tod. Er ließ ihn zum Rathauseingang führen. Dort wartete er an einem neben dem Portal eingeschlagenen Haken mit einem Strick in der Hand auf ihn. Als Limpert zu dieser improvisierten Hinrichtungsstätte geführt wurde, gelang es ihm, sich aus dem Zugriff der Männer, die ihn festhielten, zu befreien. Limpert rannte die Utz-Straße hinunter. Meyer und vier seiner Männer setzten ihm nach, ergriffen ihn und zerrten ihn zum Rathaus zurück. Meyer hatte Limpert bei den Haaren gepackt und zerrte ihn so voran, während die anderen ihm die Arme auf den Rücken drehten. Als sie wieder am Rathausportal angelangt waren, legte Meyer Limpert die Schlinge um den Hals. Den Strick durch den Haken gezogen, begannen Meyers Männer mit dem Hochhieven Limperts. Limpert konnte sich mit den Händen irgendwie an die Mauer krallen, während er sich mit den Füßen abzustützen versuchte. Als Meyer sich bückte, um aufgestapelte Ziegelsteine wegzuräumen, an denen Limpert Halt suchte, riss der Strick. Limpert fiel herunter. Er hatte die Schlinge mit dem restlichen Stück Strick noch um den Hals. Meyer bereitete sofort eine neue Schlinge vor, die er Limpert, der dieses Mal am Boden lag, fest um den Hals zog. Wieder hievten die Männer Limpert hoch. Dieses Mal versagten Limpert die Arme. Mit dem Blick in Richtung St.-Gumbertus-Kirche sackten ihm dann auch die Beine weg. Die Uhr schlug 12.45 Uhr. Die Amerikaner, die um 18.30 in die Stadt einmarschierten, nahmen Limperts Leiche ab.119 Diese Beschreibung der Hinrichtung Limperts geht auf einen Augenzeugenbericht zurück. Landgerichtsdirektor Dr. Karl Eichinger hatte von der anderen Seite des Martin-Luther-Platzes aus die Vorgänge am Rathausportal beobachtet. Frank nahm diesen Bericht in seine Darstellung vom 24. Mai 1945 auf, und auch alle anderen, nachfolgenden Darstellungen des grausamen Endes von Limpert, berufen
119 Diese Wiedergabe fasst den Bericht Franks vom 24. Mai 1945 zusammen, siehe: Anhang 11. Franks undatierter Bericht, Anhang 12, handelt diese Ereignisse sehr viel knapper ab. Im November 1945 schrieb Pospiech, dass Limpert drei Stunden lang bis zur Ankunft der Amerikaner an dem Strang hing, siehe: Anhang 22c. Das 1946 gegen Meyer verhängte Urteil und Elke Fröhlichs 1983 vorgelegte detaillierte Rekonstruktion der Ereignisse stellen dagegen fest, dass Meyer um 13.00 Uhr am Rathaus eintraf; die Amerikaner kamen um 17.30 Uhr. Siehe: Justiz und NS-Ver brechen, S. 118; Elke Fröhlich, „Ein junger Märtyrer“, in: Dies., Bayern in der NS-Zeit, Bd. 6: Die Herausforderung des Einzelnen. Geschichten über Widerstand und Verfolgung (München–Wien 1983), S. 246, 249. 1970 hielt Limperts Freund Hammer, der nicht Augenzeuge der Geschehnisse war, schriftlich fest, dass Limpert nicht durch Strangulation, sondern infolge eines „Angstschocks“ starb: Stadtarchiv Ansbach, Akte Robert Limpert: Wolfgang Hammer an Adolf Lang, 6. Februar 1970. Limperts Hinrichtung wurde 2011 einem weltweiten Publikum bekannt durch Ian Kershaw’s Buch The End. The Defiance and Destruction of Hitler’s Germany, 1944–1945 (London 2011), S. 3–5; siehe die deutsche Übersetzung: Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NSDeutschland 1944/45 (München 2011), S. 19–21.
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Abb. 3: Das dritte Flugblatt, Quelle: Stadtarchiv Ansbach
sich auf diesen Augenzeugenbericht.120 Doch es gibt noch eine andere, viel grauenvollere Schilderung der Hinrichtung. Dabei handelt es sich um die Aussage von Dr. Günther Claesgen, einem Arzt, der zusammen mit Meyer auf demselben Fliegerhorst gedient und von ihm in der Kriegsgefangenschaft darüber erfuhr:
120 Siehe: Anhang 11, letzter Teil. Die Anklageschrift gegen Meyer gibt eine leicht andere Version des Eichinger-Berichtes wieder, datiert 28. August 1945, ebenso wie seine Zeugenaussage während des Prozesses gegen Meyer im Dezember 1946: Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 44–47b, Nr. 650/ II, S. 291–292. Die sachlichen Abweichungen dieser beiden Berichte werden in den Anmerkungen zum Anhang 11 angemerkt.
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Nach Darstellung von Oberst Meyer hat er sich vor dem Rathaus auf einen Stein gesetzt, hat Limpert sich vorführen lassen und diesen [sic] die Gesichtsmaske und die Entwürfe zu den Plakaten vorgezeigt. Er hat ihm darauf das Todesurteil verkündet. Als Limpert einen Geistlichen erbat, hat er ihm diese Bitte abgeschlagen.121 Aus seiner Schilderung über den Verlauf der Exekution entnahm ich, dass Oberst Meyer dem Limpert absichtlich Gelegenheit zu einem Fluchtversuch gegeben hat. Er suchte wohl eine Gelegenheit, Limpert körperlich zu misshandeln, was nach der Darstellung von Oberst Meyer auch geschehen ist. Er sprach davon, dass man ihm mit den Stiefeln ins Gesicht getreten hätte. Ich glaube sagen zu können, dass Oberst Meyer eine gewisse sadistische Veranlagung besitzt. Im Fliegerhorst habe ich ihn als Querulanten und Intriganten kennen gelernt. Er schilderte mir, dass er die Schlinge beim zweiten Mal so geknüpft habe, dass Limpert nicht gleich zu Tode gekommen sei, sondern langsam erstickte. Er zeigte dabei eine gewisse Freude, dass Limpert auf diese Weise auch „etwas von der Exekution gehabt“ habe.122
Der Juwelier Fritz Rupp sagte am 29. August 1945 aus, dass ein Schutzmann namens Bayer Limpert sein Gewehr in die Seite gestoßen habe, so als wolle er sich davon überzeugen, dass Limpert nach dem zweiten Erhängungsversuch tatsächlich tot war.123 Wie bereits erwähnt, behauptete Bosl in den 1986 und 1990 mit ihm geführten Interviews, dass er eine führende Rolle im Kreis um Limpert und Hammer gespielt, dass er Anti-Nazi-Flugblätter verteilt und ebenso wie Limpert versucht
121 Im Rahmen der Verhöre, die zwischen dem 26. und 30. Oktober 1945 geführt wurden, gab Meyer zu, dass Limpert nach einem Pfarrer gefragt hat, er das jedoch lediglich für einen Versuch hielt, die Vollstreckung hinauszuzögern; so wie Meyer es sah: „in der Schnelligkeit lag jetzt Milde.“ Er behauptete auch, er wäre überzeugt gewesen, dass Limpert bereits tot war, als er ihn das zweite Mal hängte. Nürnberg, Staatsarchiv Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 76–77. Ähnliches behauptete Meyer in seiner Zeugenaussage während des Prozesses, indem er aussagte, dass er Limperts Hinrichtung schnell abschließen wollte, „denn in der Schnelligkeit liegt die Milde.“ Ebd., Nr. 650/II, S. 282b. 122 Zeugenvernehmung von Dr. Claesgens, Ansbach, 8. November 1945. Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 104a–b. Im Prozess gegen Meyer 13 Monate später wiederholte Claesgens diese Einzelheiten nicht und sagte, er erinnere sich nicht mehr daran, ob Meyer ihm auch erzählte, dass Limpert durch Stiefeltritte misshandelt worden sei, aber wenn er das bei seinen ersten Vernehmungen ausgesagt habe, dann dürfte das wohl stimmen. Ebd., Nr. 650/II, S. 293. Vermutlich versuchte er, Meyer zu entlasten. Der Schutzpolizist Karl Wechsler sagte am 30. November 1945 aus, dass, soweit er sehen konnte, keiner Limpert schlug oder auf ihm herumtrampelte: „Ich habe nicht den Eindruck gehabt, dass Oberst Meyer den Limpert absichtlich hat davon laufen lassen.“ Ebd., Nr. 650/II, S. 128. Wechsler war zusammen mit Meyer angeklagt: Ebd., Nr. 650/II, S. 144. 123 Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 37.
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Abb. 4: Ansbach im April 1945. Stadtplanentwurf: Tamar Soffer, Jerusalem
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habe, Ansbach im April 1945 vor der Zerstörung zu bewahren, indem die Telefonkabel durchtrennt wurden, um den Einmarsch der SS zu verhindern.124 In Franks recht ausführlichem Bericht über die Aktivitäten dieser Gruppe junger Männer wird jedoch nicht erwähnt, dass Bosl an diesen Aktionen beteiligt war. Das ist ebenfalls im Hinblick auf die Berichte von Hammer und Stützer der Fall, die zu einem viel späteren Zeitpunkt entstanden.125 Stützer und Frank wiesen in den mit ihnen 2005 bzw. 2006 geführten Interviews kategorisch zurück, dass Bosl in Kontakt mit der Gruppe stand. Sie gaben an, dass es erst nach dem Einmarsch der Amerikaner in Ansbach zu einem Treffen kam. Frank erinnerte sich, dass dieses Treffen im Haus von Pospiech stattfand. Er nahm an, dass Limpert mit Pospiech in Kontakt gestanden hatte und Letztgenannter über die Aktivitäten der Gruppe Bescheid wusste. Er bezweifelte jedoch, dass Bosl in Kenntnis gesetzt war.126 Franks Annahme wird unterstützt durch ein Interview, das Pospiech dem amerikanischen Offizier Captain Samuel Hutchison Beer kurz nach Kriegsende gewährte. Captain Beer (1911–2009), ein brillanter Mann, der schon in jungen Jahren einige Reden für Präsident Roosevelt geschrieben hatte, promovierte 1943 an der Harvard University im Fachbereich für Politische Wissenschaften. Danach trat er seinen Dienst in den US-Streitkräften an und wurde für seine Verdienste bei der Landung der alliierten Truppen in der Normandie ausgezeichnet. Nach dem Krieg diente er bis 1946 bei der Militärregierung der amerikanischen Besatzungszone. Anschließend nahm er seine Lehrtätigkeit in Harvard auf und avancierte schnell zu einem der führenden Experten für britische und amerikanische Regierungs- und Verwaltungspolitik.127 Während er im Sommer 1945 für die USMilitärverwaltung in Ansbach tätig war, begann sich Beer – der in den Jahren 1933–1935 Deutschland besucht hatte –, dafür zu interessierten, wie die allgemeine Bevölkerung zur Zeit des NS-Regimes und nach dem Sturz des Regimes eingestellt war. Er beschloss – wie er es formulierte –, „to invent a new job for 124 Siehe: Anm. 32–34. In den Interviews von 1986 und 1990 verwandte Bosl das Pronomen „wir“, als er diese Aktivitäten beschrieb. Lediglich einmal benutzte er „ich“, als er etwas kryptisch behauptete, dass „[Limpert] versuchte, in einer ähnlichen Weise, wie ich es auch getan habe […] Ansbach zu bewahren vor einer Zerstörung.“ (Kursivschrift hinzugefügt). Siehe auch: S. 64. 125 Siehe: Anm. 102, 105, 107. Hervorhebenswert ist, dass Hammer lediglich Limpert und sich selbst erwähnte; Stützer erwähnte alle vier Mitglieder der Gruppe. Bosl erwähnte Limpert, Hammer und Frank: Karl Bosl an Elke Fröhlich, 3. November 1979. Wir danken Frau Dr. Fröhlich, die uns diesen Brief zur Verfügung stellte. 126 Aus dem Interview mit Stützer geht hervor, dass er keine Kenntnisse über frühere Aktivitäten Limperts hatte, sprich als Limpert und Frank Flugblätter in Zügen auslegten. 127 Siehe: Walter Grimes, „Samuel H. Beer, Authority on British Government, Dies at 97“, New York Times, 18. April 2009.
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myself: Interviews with Krauts with anti-Nazi records.”128 So führte er in Ansbach Interviews mit Oberkirchenrat Kern, Oberbürgermeister Dr. Hans Schregle und Studienassessor Pospiech,129 aber nicht mit dem ehemaligen Parteimitglied Bosl. In dem von Captain Beer geführten Interview betonte Pospiech zunächst, dass er sich geweigert habe, in die Partei einzutreten.130 Er berichtete, dass er 1942 „einige Flugblätter mit einer kleinen Druckmaschine (wie sie Kinder haben)“ herstellte. Der Text lautete etwa: ‚Hitler mordet Eure Söhne in Russland.‘ Oder ‚Jhr Nazi-Bonzen, Eure Tage sind gezählt.‘ Darüber hinaus berichtete er, wie Limpert und er „zwei Wochen lang vor der Besetzung zusammenarbeiteten“ und wie sie „und einige wenige andere stets planten und sich in verschiedenen Wohnungen trafen.“ Außerdem erwähnte er dabei, dass sich eine kleine Gruppe von Männern in seiner Wohnung traf, wo sie „die Lage besprachen und ausländische Sendungen abhörten.“ Aber er erwähnte nicht, dass die Mitglieder dieser Gruppe mehr taten, als über die Lage zu diskutieren. Auch Bosl erwähnte er nicht. Das einzige Zerschneiden eines Kabels, das Pospiech erwähnt, ist die von Limpert ausgeführte Aktion.131 Folglich ist es nicht notwendig, die Dokumentation von Bosls Wirken während des Dritten Reiches mit seinen späteren Behauptungen in Einklang zu bringen, wonach er sich neben Limpert und dessen Klassenkameraden aktiv gegen das Regime gestellt haben will. Die zitierten Dokumente belegen nämlich, dass er an solchen Aktivitäten nicht beteiligt war. Erst als der Krieg vorbei war, versuchte er, die Rolle eines aktiven Teilnehmers zu übernehmen. Sein Widerwille, sich in dem 1990 geführten Interview in nähere Details über die angeblichen Untergrund128 Boston, Massachusetts. John F. Kennedy Library. Samuel H. Beer Personal papers, Box 6: U.S. Military Government in Germany. Reports: „Report on Attitudes in Post-Nazi Germany (1945)“, S. 2. 129 Boston, Massachusetts. John F. Kennedy Library. Samuel H. Beer Personal papers, Box 6: U.S. Military Government in Germany. Interviews, 07/1945 – 08/1945: Oberkirchenrat Kern, Ansbach; Oberbürgermeister Dr. Schregle, Ansbach; Studienassessor Pospiech [F]. 130 Tatsächlich war Pospiech kein Mitglied der NSDAP; er trat dem NSLB am 1. Oktober 1934 bei. Am 7. Februar 1938 beurteilte Ortsgruppenführer Pg. Heinlein, Pospiech „wird als guter Mensch mit vorzüglichen Eigenschaften geschildert. In politischer Hinsicht kann man ihm nichts Nachteiliges nachweisen.“ Berlin, Bundesarchiv, BA-NSLB, Akte zu Pospiech, Heinrich; Politische Beurteilung. Dieser Bericht, der Pospiechs wahre Einstellung nicht aufdeckt, belegt die Begrenztheit einer politischen Bespitzelung. 131 Siehe: Anhang 13. Da Pospiech, der kein Mitglied der Partei gewesen war, keinen Grund hatte, seine Vergangenheit neu zu erfinden, ist seine Behauptung, 1942 „einige Flugblätter“ gedruckt zu haben, glaubwürdig. Hervorzuheben ist außerdem, dass er den Inhalt der Flugblätter wiedergeben konnte, darüber sehr zurückhaltend sprach und sich in keiner Weise als Widerstandskämpfer in den Vordergrund stellte. Ebenfalls hervorzuheben ist, dass Horvay in seiner Bescheinigung für Pospiech (siehe: Anhang 17) diesen Akt nicht erwähnt.
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aktivitäten zu ergehen,132 dürfte damit zu begründen sein, dass es diese Aktivitäten mit Bosls Beteiligung höchst wahrscheinlich gar nicht gegeben hat. Dennoch wird Bosl in Franks Bericht vom 24. Mai 1945 einmal erwähnt, wenngleich nicht als aktiver Widerstandskämpfer. Als Bürgermeister Böhm Limpert am 18. April bevollmächtigte, die Kapitulation Ansbachs einzuleiten, begab sich Limpert zum Haus von Pospiech, um ihm die gute Nachricht mitzuteilen. Als er ihn dort jedoch nicht vorfand, begab er sich zum Gymnasium, wo er Bosl antraf. Auf dem Weg dorthin erzählte er anderen Einwohnern, denen er auf dem Weg begegnete, über die zu verkündende Kapitulation und rief sie dazu auf, die AntiPanzerwälle zu beseitigen und weiße Fahnen zu hissen. Diejenigen, die weiter kämpfen wollten, wurden von den anderen Umstehenden beinahe verprügelt. In Franks Bericht heißt es weiter: „Im Keller des Gymnasiums traf Limpert Herrn Dr. Bosl, teilte ihm das Vorgefallene mit und ließ sich den Aufenthaltsort von Pospiech sagen.“ Nachdem Limpert erfahren hatte, wo sich Pospiech aufhielt, ging er zu dem Luftschutzbunker und informierte ihn über die Lage.133 Diese Episode lässt verschiedene Interpretationen zu. Auf den ersten Blick legen diese Abläufe – ganz im Gegenteil zur Einschätzung Franks von 2006 – nahe, dass Limpert zuvor nicht nur mit Pospiech, sondern auch mit Bosl in Kontakt gestanden hatte. Sollte dem so sein, könnte es zutreffen, dass Bosl, wenngleich er sich nicht an den Aktivitäten von Limpert und dessen Klassenkameraden beteiligte, darüber Bescheid gewusst und die Aktivitäten gutgeheißen hat. Es könnte zudem sein, dass er zu der Gruppe von Anti-NS-Aktivisten gehörte, über deren Existenz und Pläne Limpert seinem Freund Herbert Frank während des letzten Zusammentreffens am 17. April berichtet hatte. Das würde bedeuten, dass Bosl, der Mitte Dezember 1944 noch Pro-NS-Propaganda betrieben hatte, bis Anfang April 1945 bewusst geworden ist, dass die nationalsozialistische Sache verloren war und die Kapitulation einem hoffnungslosen und zerstörerischen Kampf vorzuziehen sei. Dann hätte er folglich auch die Bestrebungen von Limpert und seiner Gruppe, Ansbach vor der Zerstörung zu bewahren, gutgeheißen. Man muss in Erinnerung rufen, dass solche Bestrebungen erst am 6. April aufgenommen wurden und bis zum 18. April liefen, sprich es handelte sich um weniger als 14 Tage vor der Ankunft der Amerikaner. Diese angenommene Rekonstruktion jedoch wirft ein Problem auf, denn wenn dies tatsächlich so war – nämlich dass Bosl, wie er wenige Monate nach diesen Ereignissen behauptete, eigenhändig in der Nacht zuvor die Telefonkabel durchtrennt hat –, dann hat er Limpert bei diesem Zusammentreffen im Gymnasium am Morgen des 18. April darüber zweifelsfrei nicht in Kenntnis gesetzt. Für Limperts Plan, die Wehrmachtseinheiten an 132 Siehe: Anm. 34. 133 Diese Angaben basieren auf Franks Bericht, Anhang 11.
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der Verteidigung der Stadt zu hindern, war das Durchtrennen der Telefonkabel allerdings von größter Bedeutung. Hätte er gewusst, dass die Kommunikation bereits gekappt war, dann hätte es für ihn keinen Grund gegeben, mit einem abermaligen Durchtrennen des Kabels am helllichten Tag sein Leben aufs Spiel zu setzen. Während Franks Darstellung keinerlei Zweifel lässt, dass Limpert beabsichtigte, Pospiech die Neuigkeiten mitzuteilen, so geht aus der Art und Weise seiner Darstellung hingegen nicht eindeutig hervor, ob Limpert die Nachricht auch Bosl überbringen wollte, oder ob er ihn lediglich aufsuchte, um den Verbleib von dessen Freund Pospiech in Erfahrung zu bringen, und ob er Bosl dabei über die Lage in Kenntnis setzte, ähnlich wie er nur wenige Minuten zuvor Passanten in den Straßen informiert hatte. Sollte die letztere Annahme zutreffen, so muss man das Zusammentreffen von Limpert und Bosl als zufällige Begegnung einstufen; das würde keinerlei Rückschlüsse auf Bosls Kenntnisse über die Aktivitäten der Gruppe zulassen. Doch man kann Franks Darstellung auch noch anders interpretieren. Frank traf Limpert am Morgen des 17. April zum letzten Mal, so dass seine Darstellung der weiteren Handlungen Limperts am nächsten Tag ausschließlich auf Berichten anderer Augenzeugen beruhen können. Frank führt den Augenzeugenbericht von Dr. Eichinger wortwörtlich an, der die Ankunft von Oberst Meyer und die nachfolgende Hinrichtung Limperts beobachtet hatte. Frank verrät nicht, von wem er über Limperts Aktivitäten in den Stunden davor, einschließlich seines Zusammentreffens mit Bosl und Pospiech, informiert wurde. Das legt durchaus die Annahme nahe, dass Frank darüber von diesen beiden direkt erfuhr.134 Ist dies tatsächlich der Fall, so darf man die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Bosls Einflechtung in Limperts Tun auf seinen gezielten Versuch zurückzuführen ist, sich selbst ex post facto mit Limperts Gruppe in Verbindung zu bringen.135 In den Interviews von 1986 und 1990 erinnerte Bosl daran, dass seine Lehrtätigkeit mehrere Schüler des Ansbacher Gymnasiums dazu veranlasst habe, 134 In dem 2006 geführten Interview sagte Frank, dass er sich nicht mehr erinnert, wer ihm über Limperts Zusammentreffen mit Bosl und Pospiech erzählte; die Möglichkeit, dass er es von ihnen erfahren hat, hielt er für wahrscheinlich. 135 In einem Brief von 1970 behauptete Bosl, Limpert hätte ihm über seine Aktivitäten erzählt: „In den letzten Wochen vor der Einnahme Ansbachs wurde dieser mutige junge Gegner des Dritten Reiches besonders aktiv, wie ich von ihm selber und von anderen wusste und erfuhr. Ich war über seine Plakat-Aktionen und seine Handzettelwürfe informiert.“ Ansbach, Stadtarchiv, Akte Robert Limpert: Karl Bosl an Adolf Lang, 7. März 1970. Andererseits betonte er in einem Brief von 1979 bezüglich der Mitglieder des Ansbacher-Kreises Folgendes: „Dieser ‚Kreis‘ bestand zum grösseren Teil von Aktivisten, die einzeln handelten, um die anderen nicht zu gefährden, und sich darüber auch nicht absprachen; Aktivisten waren sowohl Lehrer wie Schüler. Ein Verbindungsmann war Prof. Pospiech.“ Karl Bosl an Elke Fröhlich, 3. November 1979.
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die Parteilinie anzuzweifeln. Er erwähnte ebenfalls, dass einer dieser Schüler – namentlich Wolfgang Hammer – dies auch in späteren Jahren immer wieder einmal in Erinnerung gerufen habe.136 Ein frühes Zeugnis zu diesem Sachverhalt erscheint in einer eidesstattlichen Erklärung, die Bosl 1948 vor der Spruchkammer Ansbach-Stadt abgab, um zu untermauern, dass er zu den Gegnern des NSRegimes gehört habe. In dieser Erklärung hält Kaplan Georg Eckert fest, den Unterredungen mit Limpert entnommen zu haben, dass sich Bosl in seinem Schulunterricht gegen die historischen Lügen und die Propaganda des Dritten Reiches gestellt habe.137 Spätere Reminiszenzen von Schülern Bosls legen vielfältige Eindrücke an den Tag. In seinem Bericht von 1970 betonte Hammer den großen Einfluss, den zwei Lehrer des Gymnasiums auf die Ausbildung seiner und Limperts Ablehnung des Nationalsozialismus hatten. Dabei habe es sich zum einen um Dr. Hans Schregle, der objektives Wissen über die Sowjetunion vermittelt habe, und zum anderen um Dr. Karl Bosl gehandelt, der „durch sein humanes, teilweise religiös geprägtes Geschichtsbild“ auf ihn Einfluss ausgeübt habe. Zudem „verhehlte [Bosl] den Widerspruch zur offiziellen Nazi-Auslegung nur selten.“138 In einem Beitrag zur 1988 herausgegebenen Festschrift anlässlich des 80. Geburtstages von Bosl ging Hammer noch weiter, denn darin behauptete er, Bosl, Pospiech und der Lateinlehrer Ernst139 Zahner hätten „eine aktive Zelle des Widerstandes und des Protests“ geformt. Er führte zudem aus, dass Bosls Unterricht zu den Hohenstaufen in scharfem Widerspruch zu nationalsozialistischen Glorifizierung der Welfen-Expansion Richtung Osten und Norden gestanden habe, und insistierte, dass Bosl ihnen nie die NS-Ideologie nahegelegt und auch nicht die Siegesparolen Hitlers angeführt habe.140 Frank hielt 2006 fest, dass Bosl sorgfältig darauf geachtet habe, nicht über aktuelle Angelegenheiten zu sprechen, und dass seine Schüler ihn nicht für einen Nationalsozialisten gehalten haben. Auch Dr. Götz Schregle, der Sohn des bereits erwähnten Dr. Hans Schregle, betonte 2012, dass nach seiner Erinnerung sein Klassenlehrer Bosl kein Nationalsozialist 136 Siehe: Anm. 30. 137 Eckerts eidesstattliche Erklärung vom 4. März 1948, siehe: Anhang 22e, V. Siehe auch: Hölzls eidesstattliche Erklärung vom 29. Februar 1948, Anhang 22e, III. 138 Hammer an Lang, 6. Februar 1970 (Anm. 119), S. 1b. Nach der amerikanischen Besetzung wurde Schregle zum Oberbürgermeister von Ansbach ernannt. 139 Zahners Vorname lautete Anton. 140 Wolfgang Hammer, „Karl Bosl als Gymnasiallehrer“, in Gesellschaftsgeschichte. Festschrift für Karl Bosl zum 80. Geburtstag, Hrsg. Ferdinand Seibt, 2 Bd. (München 1988), 1:11–15. In seiner Studie zu Heidelberger Professoren deckte Steven Remy auf, dass ehemalige Nationalsozialisten immer wieder ihre Einhaltung der wissenschaftlichen Objektivität als eine Form des Widerstandes gegen das Regime angaben: Steven P. Remy, The Heidelberg Myth: The Denazification of a German University (Cambridge Massachusetts und London 2002), S. 177, 206.
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gewesen sei, und meinte, dass die Schüler keine Kenntnisse über nationalsozialistisch geprägte Aktivitäten Bosls hatten. Er führte bei dieser Gelegenheit auch aus, zwar einmal gehört zu haben, dass Bosl nationalsozialistischer Gesinnung sei, doch er seinerseits könne nicht behaupten, davon etwas im Unterricht bemerkt zu haben. Schregle bezeichnete Bosl eindeutig als „Karrieristen“ und betonte ausdrücklich, dass Bosl bestimmt kein aktiver Widerstandskämpfer gewesen sei.141 Hans Stützer hingegen charakterisierte im Jahr 2005 Bosls Haltung während des Krieges als „zweideutig“, meinte aber dennoch, dass er als Lehrer „ziemlich neutral“ gewesen sei,142 während Hermann Dallhammer 2006 daran erinnerte, dass sich Bosl in seinem Unterricht enthusiastisch über den Reichskolonialbund geäußert habe,143 eine Aussage, die mit Bosls führender Aktivität in dieser Organisation konform geht.144 Dass diese Aussagen eine große Spannbreite der Eindrücke und Auffassungen wiedergeben, mag man auf unterschiedlich ausgeprägte politische Sensibilitäten seitens der Schüler zurückführen,145 dennoch herrscht in diesen Erinnerungen der folgende Tenor vor: keiner der Schüler erinnert sich, dass Bosl ihnen die NS-Ideologie einschärfte, während ein Schüler, der sich zudem sehr viel ausführlicher zu diesem Aspekt äußerte, Hammer, Bosls Unterricht als eindeutig anti-nationalsozialistisch geprägt darstellte. Hammer war allerdings auch der einzige ehemalige Schüler, der nach 1945 eine fortwährende und freundschaftliche Beziehung zu Bosl unterhielt. Außerdem verfasste er unter dessen Anleitung seine 1969 eingereichte Dissertation zu Hitler.146 Seine detaillierten und durchaus lobenden Erinnerungen, die Jahrzehnte nach den Ereignissen verfasst wurden, mögen von dieser professionell-freundschaftlichen Beziehung zu Bosl gefärbt sein. Gerade vor diesem Hintergrund ist es beachtlich, dass noch nicht einmal Hammer behauptete, dass Bosl in die Aktivitäten der Limpert-Gruppe involviert war, sondern ihn einer Bosl-Pospiech-Zahner-Zelle zuordnete.147 Es könnte sein, dass Hammer diesbezüglich an jene kleine Gruppe 141 Dr. Frank Fätkenheuers Interview mit Dr. Götz Schregle, München, 10. Oktober 2012. 142 Siehe: Anm. 107. 143 Benjamin Kedars Interview mit Hermann Dallhammer, 25. Januar 2006 (Ansbach). 144 Siehe: Anm. 48. 145 Vgl. die Erklärung von Joseph Hölzl, Anhang 22e, III. 146 Siehe: Karl Bosl. Eine Bibliographie, S. 68; Wolfgang Hammer, Die historischen, kulturellen und kirchlich-religiösen Strukturen in Adolf Hitlers Jugend und Heimat; ihre politischen Wirkungen unter seiner Regierung und seine Urteile darüber (Bad Windsheim 1970). 147 In seiner eidesstattlichen Erklärung zum Fall Bosl vom 28. Februar 1948, die Zahner bei der Spruchkammer Ansbach-Stadt einreichte, erwähnt er überhaupt nicht, dass er, Bosl und Pospiech eine Widerstandszelle formten und protestierten, siehe: Anhang 22e, II. Hervorhebenswert ist auch, dass Hammer im September 1987 sein Amt als evangelischer Pfarrer von St. Moritz niederlegte, als man ihm vorwarf, antisemitische Bemerkungen gemacht zu haben: Süddeutsche Zeitung, 11. September 1987, S. 40. Er starb 1995. In seinem Brief vom 3. November 1979 an Elke
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von Männern dachte, die sich – wie Pospiech 1945 in dem von Beer geführten Interview angab – in seiner Wohnung getroffen haben, um die Lage zu erörtern und ausländische Radiosender zu hören. Am 21. April 1945, also drei Tage nach der Hinrichtung Limperts und dem Einmarsch der Amerikaner, wurde Limpert in Anwesenheit einiger weniger Trauer gäste beigesetzt. Den Nachruf hielt Karl Bosl.148 Man darf davon ausgehen, dass Bosl durchaus schockiert darüber war, wie sein ehemaliger Schüler ums Leben kam. Zudem darf man annehmen, dass Limperts gegen das Regime eingestellte Eltern dankbar waren, dass ein Lehrer, der ihrem Sohn nach dem Verweis vom Ansbacher Gymnasium geholfen hatte, dennoch die Schule abzuschließen, und dessen rhetorische Fähigkeiten ihnen vermutlich bekannt waren, gewillt war, auf der Beerdigung zu der kleinen Trauer gemeinde zu sprechen. Auch ihnen mag nicht bekannt gewesen sein – so wie auch der Freund ihres ermordeten Sohnes, Herbert Frank, nichts davon wusste –, dass Bosl Mitglied der NSDAP war. Am 24. Mai 1945, also rund einen Monat nach der Beisetzung Limperts, sandten Bosl und Pospiech, Kaplan Georg Eckert, die Lehrer Schneider und Zahner sowie Limperts Gefährten im Widerstand, Frank und Hammer, ein Memorandum an den von den Amerikanern eingesetzten Oberbürgermeister von Ansbach, Dr. Hans Schregle. Das Konzept dieses Memorandums hatte Bosl ausgearbeitet.149 Die Unterzeichner forderten Schregle dazu auf, „vor aller ÖffentlichFröhlich erwähnt Bosl Dr. Fritz Schneider und Kaplan Georg Eckert als verstorbene Mitglieder des Ansbacher-„Kreises“ von aktivistischen Lehrern und Schülern. Keiner der beiden erwähnte die Existenz eines solchen Kreises jedoch in den eidesstattlichen Erklärungen, die sie am 28. Feb ruar 1949 bzw. am 4. März 1948 vor der Spruchkammer Ansbach-Stadt abgaben, siehe: Anhang 22e, I und V. 148 Ansbach, Stadtarchiv, Akte Robert Limpert: Wolfgang Hammer an Adolf Lang, 6. Februar 1970. Karl Bosl, „Pietas-Caritas-Castitas. Studenten und Lehrer im Dritten Reich und danach“, Gymnasium Carolinum Ansbach. Jahresbericht über das Schuljahr 1989/90, S. 30 (Bosls Rede anlässlich der Enthüllung einer Gedenkplakette auf Latein zu Ehren von Robert Limpert). Den Text des Nachrufes, den Bosl auf der Beerdigung im April 1945 hielt, konnten wir nicht ausfindig machen. 149 „Für [...] die Ablichtung unserer Eingabe an den Oberbürgermeister der Stadt Ansbach danke ich bestens. Soweit ich mich entsinne, stammt das Konzept des ‚Manifestes‘ von mir. So haben Sie darin meine eigene Ansicht über Robert Limpert wiedergegeben, zu der ich heute noch stehe. Diejenigen, die das Manifest unterschrieben, sind ein Kreis von Gesinnungsgenossen, die sich aus Gymnasiasten, Gymnasiallehrern und einigen katholischen Geistlichen zusammenfanden, aber konfessionell völlig gemischt waren. Dieser ,Kreis‘ bestand zum grösseren Teil aus Aktivisten, die einzeln handelten, um die anderen nicht zu gefährden, und sich darüber auch nicht absprachen; Aktivisten waren sowohl Lehrer wie Schüler. Ein Verbindungsmann war Prof. Pospiech [...]. Sie haben zweifellos zum grösseren Teil recht, wenn Sie in Ansbach von individuellem Widerstand sprechen, doch ganz stimmt es nicht, da es sich um Gesinnungsgenossen
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keit das Andenken Limperts zu rehabilitieren, besonders aber seinen Geist und seine Ideale der Ansbacher Erzieherschaft als verpflichtend hinzustellen.“ Sie wiesen darauf hin, dass auch sie das in Form einer geplanten Broschüre zu tun gedenken. Bemerkenswert sind folgende Fakten: Zum einen fehlt eines der Mitglieder der Widerstandgruppe um Limpert vollkommen in diesem Memorandum, nämlich Hans Stützer. Zum anderen unterzeichneten die beiden anderen Mitglieder der Limpert-Gruppe – Frank und Hammer – das Memorandum als letzte. Bosl und seine Kollegen hatten alle vor ihnen unterzeichnet. In dem Memorandum wird Limpert als derjenige hingestellt, der im Bewusstsein, dass seine Aktionen ihm das Leben kosten könnten, Ansbach vor der Zerstörung bewahrte: letztlich bezahlte er dann auch tatsächlich den Preis. „Weiterhin drängt es uns zum Ausdruck zu bringen, dass wir uns in tiefer Verehrung vor dem Sterben deutscher Soldaten auf dem Schlachtfeld verneigen, doch möchten wir Limperts Tod dem ebenbürtig an die Seite gestellt wissen.“ Hier klingen durchaus jene Formulierungen nach, die Bosl im Dezember 1944 vor den versammelten NS-Führungskräften ausgesprochen und mit denen er „unserer gefallenen Helden in West und Ost, Nord und Süd“ gedacht hatte. Das Memorandum ist en ingeniöses Dokument. Obschon Limpert als einziger Retter Ansbachs dargestellt wird, erfolgt dennoch ein Verweis auf „jüngere und ältere Freunde, die gemeinsam mit ihm planten und vorher schon mit ihm handelten und seine Pläne unterstützen halfen“ und die zusammenkamen, um das Memorandum zu unterzeichnen.150 Dieser Satz enthält viel wahres: die „jüngeren Freunde“ haben, wie wir wissen, mit Limpert geplant und gehandelt; Pospiech hat „vorher schon“ gehandelt und wahrscheinlich Limperts Pläne unterstützt. Aber der Satz deutet auch an, dass die „älteren Freunde“ – Bosl und seine vier Kollegen – gleichermaßen aktiv wie die „jüngeren Freunde“ – die Mitglieder der Gruppe um Limpert – waren; darüber hinaus wird impliziert, dass einige von ihnen schon vor Limpert aktiv gewesen waren. Der Adressat des Memorandums, Oberbürgermeister Schregle, der doch die dramatis personae gut kannte, war scheinbar von dieser Andeutung nicht überzeugt: auf jeden Fall, ließ er das Schriftstück drei Monate lang in seiner Schublade liegen.151 Drei der „älteren Freunde“ – Eckert, Schneider und Zahner – waren sich nicht bewusst, dass sie
bei den 7 Unterschriebenen handelt, die zum grösseren Teil in Kontakt standen.“ Karl Bosl an Elke Fröhlich, 3. November 1979. Diese Formulierung, unter der wiederholten Anwendung der Phrase „zum größeren Teil“, erlaubt sowohl Aktivisten als auch Nicht-Aktivisten der Gruppe zuzuordnen, wie auch gewisse Kontakte zwischen den Mitgliedern, trotz einer durchgreifenden Gruppierung, vorauszusetzen. 150 Siehe: Anhang 10. 151 Siehe: Anm. 159.
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und Bosl Mitglieder einer Widerstandsgruppe waren: wie wir sehen werden, haben weder Eckert noch Schneider und Zahner in ihren eidesstattlichen Erklärungen in Bosls Entnazifizierungsverfahren irgendwelche Angaben über seine oder ihre Mitwirkung an Widerstandsaktionen gemacht, Angaben, die effektiv zu seiner Entlastung beigetragen hätten. Dennoch kann man das Memorandum als die erste Stufe in Bosls Bestreben, als Widerständler aufzutreten, betrachten.152
152 Dass Frank und Hammer das Schreiben mit der vagen Andeutung einer früheren wie auch simultanen Teilnahme der „älteren Freunde“ an Widerstandshandlungen unterschrieben, mag darauf beruhen, dass es ihnen nur auf die Ehrung Limperts ankam, oder dass sie sich durch die Aufforderung ihrer Lehrer, das Memorandum zu unterschreiben, geehrt fühlten und über einzelne Formulierungen nicht streiten wollten, oder dass sie glaubten, dass der genaue Verlauf der Ereignisse in Franks Bericht über die Aktivitäten der Gruppe um Limpert, der dem Memorandum angehängt war, dargestellt wird.
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Der amerikanische Korporal, der bei Bosls Entnazifizierung eine entscheidende Rolle spielte, traf am 9. Mai 1945 in Ansbach ein.153 Er hieß Frank Dominic Horvay und war am 2. Juli 1916 in Budapest geboren. Sein Vater Gyula Heller und seine Mutter Rózsi Pollák waren ungarische Juden, die bei der Reformierten Kirche von Budapest in den Jahren 1918–1919 zum protestantischen Glauben übertraten. Ihr Sohn Frank gewann schon mit 14 Jahren einen Literaturwettbewerb und veröffentlichte ab seinem letzten Schuljahr auf einer Handelsschule Artikel, für die er kein Honorar erhielt, in dem antifaschistischen Journal Szabadság (Freiheit). Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Betriebsbuchhalter. Um Loyalität mit Ungarn zu demonstrieren, magyarisierten er und sein jüngerer Bruder 1935 den Familiennamen in Helyes. Mehrere Artikel über die deutsche Minderheit im südwestlichen Ungarn ließen die Geheimpolizei auf den jungen Mann aufmerksam werden, deren wiederholte Befragungen schließlich in dem Ratschlag gipfelten, das Schreiben für Szabadság lieber einzustellen. Da er die Atmosphäre in Horthys Ungarn als repressiv empfand, entschloss er sich 1936 zur Auswanderung in die Vereinigten Staaten.154 Dort nahmen er, seine Mutter und einige seiner Geschwister den Familiennamen Horvay an. Sein MA-Studium mit Schwerpunkt Germanistik schloss er 1940 an der Universität von Alabama ab. Danach war er Doktorand an der Washington University in St. Louis, Missouri, wurde jedoch nach zwei Jahren Studium zum Dienst bei den US-Streitkräften eingezogen.155 Er nahm an den Kämpfen in Frankreich und Deutschland teil. Nach Kriegsende schloss er sich der US-Militärregierung in Bayern an und wurde, offensichtlich wegen seiner Kenntnisse der deutschen Sprache, mit den Entnazifizierungsmaßnahmen in Ansbach betraut, wofür ihm ein „Special Branch“ unterstand.156 153 Bezüglich des Datums siehe: Fitz, Ansbach unterm Hakenkreuz, S. 225. 154 In einem autobiografischen Brief vom 20. März 1993 hielt Horvay fest, dass er „als ein erst aufstrebender und unerwünschter Journalist Ungarn ziemlich überstürzt verlassen musste.“ 155 Frank D. Horvay, „Vita“, in: Lexington, Kentucky, Frank D. Horvays Privatunterlagen; siehe auch den Eintrag zu seiner Person in: Who’s Who in America, 37. Auflage, (Chicago, 1972–1973), Bd. 1, S. 1498. Horvay war des Deutschen mächtig noch bevor er Englisch lernte. Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn in den USA korrigierte er Seminar- und Abschlussarbeiten für den Fachbereich Germanistik an der Universität Alabama: siehe den Verweis auf den autobiografischen Brief in: Anm. 154. Seiner Vita ist zu entnehmen, dass der Titel seiner MA-Arbeit lautete: „Justice and the Supernatural in Kleist’s Michael Kohlhaas“, während seine Dissertation dem Thema „Grillparzer as a Critic of German Literature“ gewidmet war. Siehe auch: Frank D. Horvay, „Goethe and Grillparzer“, Germanic Review 25 (1950), S. 85–94. 156 Kritiker der englischen Ausgabe dieses Buches, die erstaunt über die Tatsache waren, dass ein Corporal (der wenige Monate später zum Sergeant befördert wurde) mit einer derart bedeutsamen und sensitiven Aufgabe betraut wurde, bezeichneten ihn wiederholt als „US-Offizier“.
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Einige Tage nach Horvays Ankunft in Ansbach erschien in seinem Büro eine Delegation von Bürgern, zu der auch Pospiech und Bosl gehörten, um ihm über Limperts Hinrichtung zu berichten. Sie baten Horvay, dafür zu sorgen, dass Oberst Meyer zur Rechenschaft gezogen wird.157 Horvay, der von Limperts Heroismus beeindruckt war, beauftragte zwei Angehörige seiner Abteilung damit, Meyer, der damals im Kriegsgefangenenlager Heilbronn einsaß, nach Ansbach zu überführen. So wurde der ehemalige Kampfkommandant am 16. Oktober 1945 in das Gerichtsgefängnis Ansbach verlegt.158 Der Ermittler Heinrich Wenig bereitete unter Horvays Anleitung Meyers Anklage vor.159 Auch er erachtete Limpert als den Retter seiner Heimatstadt.160 Im Dezember 1946 verurteilte die Strafkammer des Landgerichts Ansbach Meyer „wegen eines Verbrechens des Totschlags“ zu einer Zuchthausstrafe von zehn Jahren,161 doch er wurde bereits fünf Jahre später, im Dezember 1951, aus dem Gefängnis entlassen. Als das Regierungspräsidium Südbaden 1970 Meyers Pensionsbezüge berechnete, klassifizierte man seine Haftzeit vom 9. Mai 1945 bis 31. März 1951 als „Gefangenschaft, amtlose Zeit“.162 Meyer
Doch Horvay war keine Ausnahme: In Gunzenhausen, rund 25 Kilometer südöstlich von Ansbach, übernahm Jerome D. Salinger, der spätere Autor des Bestsellers The Catcher in the Rye, eine ähnliche Aufgabe. Salinger wurde am 22. November 1945 mit Ehren entlassen und arbeitete in Gunzenhausen und an anderen Orten für das Gegenspionagekorps als ziviler Sonderagent. Den höchsten Rang, den er in der US-Armee innehatte, war Staff Sergeant, was der Position eines Feldwebels gleichkommt. Siehe: David Shields und Shane Salerno, Salinger (New York 2013), S. 172–78. 157 Ansbach, Stadtarchiv, Akte Robert Limpert: Frank D. Horvay an Adolf Lang, 25. April 1970; Frank D. Horvay an Elke Fröhlich, 20. März 1980; Ders., „Military Government and Denazification in Ansbach, 1945–1946“, in: America and the Shaping of German Society, 1945–1955, Hrsg. Michael Ermarth (Oxford 1994), S. 171. 1986 behauptete Bosl, dass Horvay im Rahmen seiner Untersuchung der politischen Szene in Ansbach auf seinen, sowie auf die Namen von Pospiech, Hammer und Limpert gestoßen war. Er habe die Berichte genau untersucht und erklärt, dass diese als Widerständler vertrauenswürdig sind. Interview von 1986, S. 166. 158 Brief an die Leitung des Kriegsgefangenenlagers Heilbronn/Lager C 10, 9. November 1945. Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, ohne Seitenangabe. Meyer bat darum, seinen Tornister, Waschzeug sowie eine Bibel nach Ansbach zu senden. 159 Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 52–56, 63, Nr. 650/II, S. 120, 280. Am 2. September 1945 berichtete Wenig, dass er den detaillierten Bericht, dem ihm „die Freunde und Helfer Limperts“ übergeben haben (d.h. das Memorandum vom 24. Mai 1945), erst am 24. August erhielt und fügte hinzu: „Es ist mir unbegreiflich, warum Oberbgrm. Schregle diese Akten solange in seiner Schublade liegen liess“, ebd. 650/I, S. 53. 160 Ebd. 650/II, S. 120. Ebenso betonte Juwelier Fritz Rupp in seiner Zeugenaussage vom 29. August 1945, dass der junge „Limbert [sic] durch sein Verhalten die Stadt vor der Vernichtung rettete“: 650/I, S. 37. 161 Justiz und NS-Verbrechen, Bd. I, S. 115. 162 Althaus, „NS-Offizier war ich nicht“, S. 280–281.
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starb 1993 im Alter von 97 Jahren. Er blieb bis zu seinem Tod bezüglich der Hinrichtung Limperts ohne jegliches Unrechtsbewusstsein.163 Horvays Briefe, die er von Ansbach an seine Professoren der Washington University schickte, belegen u.a., dass er schnell eine enge Beziehung zu Bosl und Pospiech aufbaute. In einem am 16. September 1945 an seinen Doktorvater Fred O. Nolte gerichteten Brief führte Horvay stolz aus, dass er für 16 Zivilisten, Ermittler, Gutachter, Rechercheure und Schreibkräfte verantwortlich sei. Außerdem hielt er fest: Gegenwärtig beschäftigen wir uns mit Lehrern. Das ist eine der härtesten Nüsse, die wir zu knacken haben, denn zumindest hier in Ansbach gehören die gewalttätigsten Nazis ebenso wie die enthusiastischsten Anti-Nazis dieser Gruppe an. Da ich mir der damit verbundenen Verantwortung bewusst bin, ziehe ich ein Komitee von Anti-Nazi-Lehrern zur Beratung heran. Zwei dieser Herren, beide Gymnasiallehrer, sind meine Spezis bei den geselligen Zusammenkünften (ihr Wein gegen meine Zigaretten), zu denen wir uns rund alle zehn Tage einfinden. Prof. Pospiech, ein Kunstlehrer, der ungefähr in meinem Alter ist, zeichnete Anti-Nazi-Poster für Limpert und dessen Freunde.164 Er hat einen sehr guten Sinn für Humor, ist ein ausgezeichneter Holzschnitzer und malt, wie es die Nazis bezeichnet hätten, in „dekadentem“ französischen Stil. Er ist, so wie er redet und sich gibt, eine sehr sachliche Person, während Dr. Bosel [sic], ein rund 45 Jahre alter Geschichtslehrer, zwar sehr gut, dafür aber umfangreich redet. […] Die Nazis internierten ihn ein Jahr lang in einem Konzentrationslager und steckten ihn in ein Strafbataillon, in dem er bis zu seiner ernsthaften Verwundung und Demobilisierung drei Jahre lang ohne Beförderung diente. Er schlich sich in den Nächten mit Zangen raus, um die Telefonkabel der deutschen Verteidigungstruppen zu durchtrennen. Die Ansbacher sehen in ihm jetzt eine Art Retter ihrer Stadt.165
Dieser Brief zeigt auf, dass Horvay sehr sensibel bezüglich Charaktereigenschaften war und zudem Verhaltensweisen ironisch reflektieren konnte. Zugleich belegt der Brief auch seine Gutgläubigkeit, die dazu führte, dass er Bosl lediglich zehn Monate nach seiner Rede Das Reich – es muß uns bleiben in sein Anti-NSLehrerkomitee aufnahm. Offensichtlich hatte er keinen von seinen 16 Mitarbeitern damit beauftragt, Bosls durchaus erstaunliche Behauptung einer Internierung in einem Konzentrationslager und eines Dienstes in einem Wehrmachtsstrafbataillon einschließlich Demobilisierung infolge einer Verwundung zu überprüfen. Was jedoch veranlasste Bosl dazu, offenkundig falsche Angaben zu machen? Das werden wir nie mit Sicherheit wissen, doch eine Rekonstruktion der 163 In dem in der vorigen Anmerkung angeführten Buch legt die Tochter Meyers eine eingehende Analyse der Psyche ihres Vater vor. 164 Diese Aussage belegt, dass Horvay die Flugblätter nicht in Augenschein nahm, die grafisch sehr einfach gestaltet waren: siehe: Abbildungen 2 und 3 auf S. 32, 34. Diese Aussage steht ebenfalls im Widerspruch zu Franks detailliertem Bericht über die Produktion der Flugblätter. 165 Die relevanten Abschnitte des Briefes finden sich in Anhang 14 (hier übersetzt).
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Situation, in der sich Bosl im Sommer 1945 befand, könnte eine plausible Antwort ermöglichen. Zu der Zeit muss Bosl in großer Sorge gewesen sein, seine Anstellung als Gymnasiallehrer zu verlieren. Man kann davon ausgehen, dass er die Erklärung der Dreimächtekonferenz in Potsdam vom 2. August 1945 kannte, in der es u.a. hieß: „Alle Mitglieder der nazistischen Partei, welche mehr als nominell an ihrer Tätigkeit teilgenommen haben, [...] sind aus den öffentlichen oder halböffentlichen Ämtern und den verantwortlichen Posten in wichtigen Privatunternehmungen zu entfernen.“ Zudem wurde festgehalten: „Das Erziehungswesen in Deutschland muss so überwacht werden, dass die nazistischen und militaristischen Lehren völlig entfernt werden und eine erfolgreiche Entwicklung der demokratischen Ideen möglich gemacht wird.“166 Hingegen mag er nicht gewusst haben, dass sich diese Vorschriften eng an die unter der Bezeichnung JCS–1067 bekannte Direktive über die Militärregierung Deutschlands anlehnten, die der Vereinigte Generalstab am 28. April 1945 an General Eisenhower gesandt hatte. In dieser Direktive wird insbesondere der Bildungsbereich als ein Sektor hervorgehoben, in dem niemand, der mehr als ein „nominelles Mitglied“ der NSDAP war, eine Schlüsselposition bekleiden darf.167 Bosl wusste andererseits jedoch mit Sicherheit, dass in der amerikanischen Besatzungszone bereits Ende Juli Zehntausende ihre Anstellung verloren hatten, weil man sie als NS-Aktivisten eingestuft hatte, und viele andere deshalb in Haft saßen.168 Während Bosl nicht wissen konnte, dass innerhalb der Militärregierung darüber diskutiert wurde, in welchem Ausmaß die Entnazifizierungsmaßnahmen durchgeführt werden sollten,169 so hatte er vermutlich aber Kenntnis über die Anfang Juli 1945 her166 Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin. Artikel III: Deutschland. A. Politische Grundsätze, 6 und 7: http://potsdamer-konferenz.de/dokumente/potsdamer_protokoll.php Siehe auch: Hajo Holborn, American Military Government: Its Organization and Policies (Washington, D.C. 1947), App. XII, S. 198. Bosl mag ebenfalls gewusst haben, dass Churchill, Roosevelt und Stalin auf der Jalta-Konferenz am 11. Februar 1945 vereinbarten, „alle Nazi- und Militaristeneinflüsse aus den öffentlichen Ämtern sowie aus dem Kultur- und Wirtschaftsleben des deutschen Volkes zu verbannen“, ebd., S. 155. 167 Directive to C-I-C of U.S. Forces of Occupation regarding Military Government of Germany, Part I, 6, c, ebd., S. 160. 168 Das Office of Military Government, U.S. (OMGUS) schätzte, dass bis Juli 1945 rund 70.000 Aktivisten entlassen und 80.000 festgenommen waren: Clemens Vollnhals, Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen, 1945–1949 (München 1991), S. 10. Ende September 1945 betrug die Zahl der in der amerikanischen Zone aus öffentlichen Anstellungen entfernten Personen 100.000; weitere 20.000 Personen waren aus privaten Unternehmen entfernt worden: Earl F. Ziemke, The U.S. Army in the Occupation of Germany, 1944–1946 (Washington, D.C. 1975), S. 383. 169 Zu diesen Fluktuationen in der politischen Linie und zum Einfluss der amerikanischen Presseberichte siehe: Ziemke, The U.S. Army, S. 380–390.
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ausgegebene Direktive, laut der alle Mitglieder, die der NSDAP vor dem 1. Mai 1937 beigetreten waren, aus ihren Ämter zu entfernen sind. Diese Direktive verdeutlichte, dass sich der in der JCS-1067 verwandte Begriff „Schlüsselpositionen“ ebenfalls auf Lehrer, sowohl im öffentlichen als auch im privaten und kirchlichen Bildungssektor bezog. Diese Direktive listete auch die Mitgliedschaft in der SA nach 1933 auf, ebenso wie eine solche im Stahlhelm, in einer langen Aufzählung von Gründen, die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter in den verschiedenen Entnazifizierungsabteilungen wecken sollte. Andererseits wurde in der Direktive festgehalten, dass die Entnazifizierungsabteilungen einer Person, die „Beweise einer Anti-Nazi-Aktivität“ vorbringen konnte – wobei eine Einkerkerung als Regimegegner als der stichhaltigste Beweis eingestuft wurde –, eine Empfehlung zu Weiterbeschäftigung ausstellen konnte.170 Bosl, der ab dem 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP war, zwischen 1930/1931 und 1933 dem Stahlhelm angehörte, zwischen dem 8. Juli 1933 und 1934 Mitglied der SA war und zudem ziemlich lukrativ von seiner Tätigkeit für das „Ahnenerbe“ der SS profitiert hatte, musste somit berechtigterweise seine Entlassung befürchten. Welche beruflichen Aussichten hätte er im Fall einer Entlassung gehabt, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass er keine anderen beruflichen Erfahrungen vorweisen konnte und seine Ehefrau zu dem Zeitpunkt gerade ein Kind erwartete?171 In großer Sorge wegen seiner Lage wird er vermutlich seine nicht geringen intellektuellen Kapazitäten genutzt haben, um sich eine Strategie zurechtzulegen, die seine Entlassung verhindern sollte.172 Zwar war das Zentralregister der NSDAP erst ab Oktober 1945 greifbar,173 doch Bosl musste davon ausgehen, dass sein am 1. Mai 1933 erfolgter Parteieintritt auch andernorts dokumentiert war. Zu seinem eigenen Vorteil hätte er zwar vorbringen können, dass, wie bereits dargelegt, seine Parteimitgliedschaft laut Parteiregister zwischen August 1935 und 1938,174
170 Lutz Niethammer, Die Mitläuferfabrik. Die Entnazifizierung in Bayern (Berlin–Bonn 1982), S. 150–154, der Text bezüglich der Lehrer wird dort in Anm. 20 zitiert, bezüglich empfohlener Zurückhaltung, siehe: Anm. 28. Siehe ebenfalls: Ziemke, The U.S. Army, S. 382. Während Niethammer als Datum der Direktive den 7. Juli 1945 angibt, gibt Ziemke den 29. Juni 1945 an. 171 Horvay erwähnt die Geburt der Tochter von Bosl Anfang Februar 1946 in einem Brief an Dr. Dietrich Gerhard vom 8. Februar 1946, siehe: Anhang 19. 172 In seinem Brief vom 27. Dezember 1947 an die Spruchkammer Ansbach-Stadt (nachfolgend Anhang 22a) beteuerte Bosl: „Ich wurde von der Militärregierung im Amte belassen.“ In seinem ersten Brief an Friedrich Baethgen vom 6. März 1946 betont Bosl: „Ich selber war niemals dienstentlassen und bin entlastet“, München, MGH-Archiv, B791/2. Wegen seiner vielschichtigen Beziehungen zum NS-Regime konnte er es als eine große Errungenschaft ansehen, der Entlassung entgangen zu sein. 173 Ziemke, The U.S. Army, S. 380. 174 Siehe: Anhang 1.
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oder wie in dem am 6. Mai 1946 ausgefüllten Meldebogen angegeben,175 zwischen Oktober 1933 und 1938 geruht hatte, weshalb er hätte behaupten können (so wie er das im Rahmen seiner 1946 beim Maxgymnasium München eingereichten Bewerbung als Studienrat auch tatsächlich tat), dass er zwischen dem 1. Mai und Oktober 1933 lediglich als Bewerber auf die Mitgliedschaft verzeichnet176 und 1938 zum Parteieintritt genötigt worden war. Dann wäre er entsprechend des in der Direktive von Juli 1945 angeführten Stichtages 1. Mai 1937 nicht unter die Kategorie der wegen eines frühzeitigen Parteieintritts als zwingend aus dem Arbeitsverhältnis zu entlassenden Personen gefallen, sondern wäre in die Kategorie der im öffentlichen Dienst Angestellten eingestuft worden, die zur Ausübung ihres Berufes nach dem 1. Mai 1937 einen Parteieintritt hatten vorweisen müssen und die deshalb laut Direktive als nicht aus dem Dienst zu entfernen eingestuft waren. Doch im Sommer 1945 konnte Bosl noch nicht wissen, was die Amerikaner bezüglich seiner anderen Aktivitäten während des Dritten Reiches bereits wussten oder noch in Erfahrung bringen würden und wie strikt sie ihre Richtlinien tatsächlich durchzusetzen beabsichtigten. Daher scheint er sich zu dem kühnen und zugleich riskanten Schritt entschieden zu haben, sich als ein entschiedener Gegner des Regimes hinzustellen, den die Nationalsozialisten ein Jahr lang in einem Konzentrationslager internierten, in ein Strafbataillon stellten und der später in einer nächtlichen Aktion die Telefonkabel der deutschen Truppen durchtrennte, damit sie die Stadt Ansbach nicht gegen die Amerikaner würden verteidigen können. Das freundschaftliche Verhältnis zu Horvay, dem Unteroffizier, der im Auftrag der Militärregierung mit den Entnazifizierungsmaßnahmen in Ansbach betraut war, ließ Bosl hoffen, dass seine dreiste List erfolgreich sein werde. Und tatsächlich sollte sein Kalkül aufgehen. Die Militärregierung Ansbach autorisierte, zweifelsohne auf Horvays Empfehlung hin, am 26. September 1945 Bosls Anstellung als Lehrer.177 Nicht nur die befürchtete Entlassung war somit abgewendet, sondern Bosl avancierte sogar zu einem prominenten Mitglied jenes Komitees, das Horvay bei den Entnazifierungsmaßnahmen im Sektor des Ansbacher Bildungswesens beriet. Der 26. September 1945, der Tag, an dem Bosl die Arbeitserlaubnis als Lehrer erteilt wurde, stellte einen Wendepunkt in der amerikanischen Entnazifizie175 Siehe: Anhang 20. 176 Siehe: „Summary of Facts Disclosed by Investigation“ vor der Abweisung von Bosls Eingabe durch Special Branch Officer 2nd Lt. G.A. Ettlinger, 25. Juni 1946, wiedergegeben in Anhang 21. Im Gegensatz zu den Angaben in seinem Meldebogen vom 6. Mai 1946, in dem Bosl eine NSDAP-Mitgliedschaft von 1938 bis 1945 angibt, erwähnte er diese Tatsache im Rahmen der Untersuchung Ettlingers nicht (oder vielleicht verstand Ettlinger, der schrieb, dass Bosl ab 1938 Mitglied der HJ war, nicht, dass Bosl nicht von der HJ, sondern der NSDAP sprach). 177 Siehe: Meldebogen vom 6. Mai 1946, Anhang 20, Abschnitte 11–12.
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rungspolitik dar. Die Amerikaner waren zunehmend unzufrieden mit dem Entnazifizierungsprozess. Als dann auch noch General Patton seine aufsehenerregende Bemerkung machte, dass „die Nazi-Sache genauso wie ein demokratisch-republikanischer Wahlkampfstreit sei“, beeilte sich General Lucius D. Clay, der stellvertretende Militärgouverneur, am 26. September 1945 das stringente Gesetz Nr. 8 zu erlassen. Dieses Gesetz untersagte die Anstellung eines ehemaligen NSDAPMitgliedes in jeder Art von Geschäftsunternehmen in anderer Kapazität als der eines gewöhnlichen Arbeiters. Vorschrift Nr. 1, die in der Folge dieses Gesetzes erlassen wurde, führte aus, dass sich der Ausdruck „sich aktiv für eine Tätigkeit der Nazi-Partei oder einer der ihr angeschlossenen Verbände einzusetzen“ auf Personen bezieht, die „aktiv waren auf irgendwelchen Ebenen, von der Orts- bis zur Reichsstufe“ sowohl in der NSDAP als auch in einer großen Anzahl von Organisationen, die in Gesetz Nr. 5 aufgelistet waren.178 Eine dieser darin erfassten Organisationen war der Reichskolonialbund, dem Bosl, wie bereits aufgezeigt, von 1939 bis 1942 als Vorstand des Ansbacher Landkreises angehörte.179 Das Gesetz Nr. 8, das am 26. September über Radio und Zeitungen bekannt gegeben wurde, trat mit sofortiger Wirkung in Kraft. Streng genommen bezog es sich auf eine Anstellung in Geschäftsunternehmen, doch einige Offiziere der Militärregierung interpretierten es auch als auf Anstellungen im öffentlichen Bereich anwendbar. In Wasserburg am Inn beispielsweise wurden aufgrund von Anweisungen der Entnazifizierungsabteilung u.a. 51 Lehrer und je 20 Ärzte und Dorfpolizisten aus dem Dienst entfernt. Zudem gingen Gerüchte um, dass dem Gesetz Nr. 8 noch weitere harsche Maßnahmen folgen sollten.180 War es also purer Zufall, dass Horvay ausgerechnet an dem Tag, als dieses Gesetz in Kraft trat, Bosl die Arbeitserlaubnis ausstellte? Oder ist es möglich, dass Horvay, als er von dem neuen Gesetz erfuhr, umgehend die Erlaubnis in der Annahme ausstellte, Bosl auf diese Weise schützen zu können? Wie auch immer, im Laufe der Zeit stieg Bosl in Horvays Ansehen. In einem Brief vom 8. Februar 1946, den der inzwischen zum Sergeant beförderte Horvay an Dr. Dietrich Gerhard richtete, einen Schüler von Friedrich Meinecke, der in die USA emigriert und einer von Horvays Lehrern in St. Louis war, schrieb er: 178 Für die englischen und deutschen Texte der Gesetze Nr. 8 und 5 und der Vorschrift Nr. 1, siehe: R[uth] Hemken, Sammlung der vom Alliierten Kontrollrat und der Amerikanischen Mili tärregierung erlassenen Proklamationen, Gesetze, Verordnungen, Befehle, Direktiven, 3. Auflage (Stuttgart, 1946), Teil 2: Militär-Regierung Gesetze (ohne Seitenangabe; geordnet nach Datum). Zum Hintergrund siehe: Ziemke, The U.S. Army, S. 383–386; Niethammer, Die Mitläuferfabrik, S. 229–248. 179 Siehe: Anhang 20. 180 Ziemke, The U.S. Army, S. 387. Bis Ende März 1946 war rund ein Drittel der Angestellten im öffentlichen Dienst entlassen: Vollnhals, Entnazifizierung, S. 13.
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Mir bereitet die Gesellschaft Ihres Berufskollegen Dr. Bosel [sic] und seines kleinen Kreises von Anti-Nazi-Intellektuellen die größte Entspannung. Bosel erinnert mich in vielerlei Hinsicht an Dr. Nolte. Umfangreiches Wissen kombiniert mit joi de vivre und viel Menschlichkeit [...]. Oftmals spricht er über die erbitterten Kämpfe, die hinter den Kulissen zwischen denen, die die Lehre der Geschichte in ein Instrument der Nazi-Propaganda verdreht haben, und jenen abliefen, die ihre geistige Gesundheit zu behalten versuchten. [...] Bosel beschäftigt sich hauptsächlich mit Verwaltungsgeschichte und dank Ihnen (erinnern Sie sich an meine Arbeit zur österreichischen und preußischen Verwaltung?) wirke ich auf ihn, so hoffe ich zumindest, nicht total ignorant [...] Die materialistischen Jahre in der Armee haben meine spirituellen Sehnsüchte ausgetrocknet, und erst seit ich in Kontakt mit Bosel & Co. stehe, lüstet es mich erneut danach, meinen früheren Interessen zu frönen.181
Dieser Brief erhellt Horvays Einstellung gegenüber Bosl nachhaltig. Den 29-jährigen Doktoranden der Germanistik erfüllte Ehrfurcht vor dem bayerischen Gelehrten, der sich ihm als Dr. habil. vorgestellt hatte (und den Horvay anfangs für sehr viel älter hielt als er tatsächlich war), und seine Aufmerksamkeit schmeichelte Horvay offensichtlich sehr. Bosl erinnerte ihn an seine Professoren, bei denen er in St. Louis studiert hatte, und er war darum bemüht, Bosl mit seinem Wissen zu beeindrucken. Ihre Unterhaltungen erlaubten Horvay erneut das Eintauchen in ein akademisches Milieu, dem er seit Beginn seiner Militärzeit nicht mehr angehörte. Die Beziehung, die irgendwie dem Charakter eines Schüler-Lehrer-Verhältnisses, eingebunden in die Beziehung Besatzer-Besetzer, ähnelte, genoss Horvay offensichtlich sehr. Unter den Erinnerungsstücken, die er aus seiner Ansbacher Zeit verwahrte, befand sich auch eine von Pospiech handschriftlich verfasste Einladung zu einer abendlichen Unterhaltung, zu der ebenfalls Bosl geladen war.182 Unter diesen Umständen ist ziemlich verständlich, dass Horvay Bosls erstaunliche Behauptungen über seinen angeblichen Werdegang im Dritten Reich als korrekte Angaben akzeptiert hat.183 181 Für die relevanten Abschnitte dieses Briefes siehe: Anhang 19 (hier in Übersetzung). 182 In dem Brief heißt es: „27. Dezember 1945. Sehr verehrter Herr Horvay! Wenn es Ihre Zeit erlaubt, möchte ich Sie, lieber Herr Horvay, herzlichst für den heutigen Abend zu einer kleinen Plauderstunde einladen. Herr Bosl wird auch da sein. Mit ergebensten Grüßen, Ihr H. Pospiech.“ 183 Es hat den Anschein, dass Horvays Kontakte zu seinen deutschen Freunden in der Abteilung Detachment G 228 der US-Militärverwaltung Einheit Ansbach, in der er diente, auf gewisse Kritik stießen. In dem Schlüsselroman eines anderen Mitglieds der Einheit kann man Horvay mit Leichtigkeit in der Figur T/5 Peter Kirchkoff wiedererkennen, der deutsche Literatur am Iowa State College studiert hatte und für deutsche Literatur schwärmte und sehr schnell in eine harmonische Beziehung mit einem örtlichen Deutschen einging: Alan Marcus, Straw to Make Brick (Boston 1948), S. 57–61, 102–103, 193–194, 295. Dennoch unterschied sich Horvays Verhaltensweise deutlich von der anderer Offiziere der amerikanischen Militärregierung, die nicht der Ansicht waren, dass der Nationalsozialismus entwurzelt werden müsse und die einige der Nationalsozialisten als „menschlich, freundlich, oftmals charmante Personen“ ansahen. Siehe: Joseph F.
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Zieht man in Betracht, dass Bosl schon sehr schnell nach dem Niedergang des Dritten Reiches als ein vehementer Kritiker des Nationalsozialismus und als ein eloquenter Sprecher für den christlichen Humanismus auftrat, so wird dies umso verständlicher. Bei der Errichtung des Grabkreuzes auf Limperts Grab am 28. September 1945 führte Bosl, sich an Limpert wendend, u.a. aus: Es gibt keine einseitige Pflichterfüllung, die die Menschlichkeit, die Rechte des anderen, die ewig waltende Gerechtigkeit verletzt. Darum waren wir uns mit Dir bewusst, dass Rassenwahn, völkischer Eigendünkel, Anbetung der Macht und des Staates dem wahren Menschtum zuwiderlaufen. Darum verfochten wir das Ideal der wahren humanitas – Menschlichkeit, die allen die gleichen Rechte zuerkennt. Wir achteten deshalb auch in ehrlicher Ehrfurcht die Grosstaten, Leistungen und Eigenart anderen Volkstums und fremder Rasse ebensosehr, wie wir in aufrichtiger Ehrfurcht vor den Erscheinungen wahren Deutschtums uns beugten, das nicht wie eine braune Geschichtsfälscherei uns vorlog, aus eigenständiger germanischer Wurzel hervorgegangen war, sondern aus der Vermählung geboren wurde von Germanentum, Christentum und Antike, aus der im Mittelalter eine grosse, europäische Völkergemeinschaft erstand, die alle Nationen des Erdteils zur Gemeinschaft zusammenfasste. Diese Ideen, die in Dir besonders stark lebendig waren […] liessen Dich aber auch mit uns in den Alliierten die Befreier von geistig-seelischer Not und Bedrückung sehen, von Gewissenszwang und Selbstprostitution [...] Bildung war Dir wie uns ein sittliches Gebot, kritisch klar die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden. Kampf gegen die Irrlehren des Nazitums wurden so Dir wie uns nicht nur zur Sache reiner, kritischer Vernunft, sondern zur sittlichen Pflicht, zu einer Frage persönlicher Sauberkeit und Reinheit.184
Indem er mehrmals Limpert und „uns“ in ein harmonisches Verhältnis setzt, wird die Rede nicht nur zur Lobeshymne auf Limpert, sondern auch auf seine regimekritischen Mitstreiter, in die sich Bosl unmissverständlich einreiht. Deutlich wird dabei zudem, dass er weiterhin nationalsozialistisch geprägte Termini benutzte – Volkstum, Rasse, Germanentum –, wenngleich er sie zu entnazifizieren versuchte, indem er sie in einen breit gefassteren Kontext an der Seite von Christentum und Altertum einbettete. Rund einen Monat später, am 21. Oktober 1945, hielt Bosl einen Vortrag vor einer Versammlung von Lehrern, die höhere Schuljahrgänge unterrichteten. Dieser Vortrag, der selbstverständlich unter Aufsicht von Horvay und seinem Anti-NS-Lehrerkomitee stand, mutierte zu einer invertierten Version von Bosls Rede Das Reich – es muß uns bleiben, die er zehn Monate zuvor gehalten hatte. Während er im Dezember 1944 behauptet hatte, dass das Reich die politische Idee der deutschen wie auch der allgemeinen europäischen Geschichte sei und Napoli, „Denazification from an American’s Point of View“, The Annals of the American Academy of Political and Social Science, 264 (Juli 1949), S. 118. Napoli war Chef der Entnazifizierungsabteilung der US-Militärregierung in Bremen. 184 Siehe: Anhang 15.
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die Deutschen die Pflicht hätten, für das Reich zu kämpfen, so teilte er nunmehr den Ansbacher Lehrern mit, dass der „Machtstaatsgedanke unserem Wesen nicht gemäß ist und wir deshalb in krankhaft fieberhaften Eruptionen uns immer wieder dieses Bazillus entledigen mussten.“ Weiter führte er aus, dass „das wahre Deutschtum“ den politischen Realismus der Bismarckschen Epoche und die machthungrige Ära des naturalistischen Rassismus zurückweise und nach einer Rückkehr zur weltbürgerlichen Kulturnation des deutschen Idealismus und des christlichen Universalismus rufe. Im Dezember 1946 wurde ein Auszug dieses Vortrags von Bosl in einer Publikation der University of Wisconsin wiedergegeben, wozu vermerkt wurde, dass der Redakteur den Auszug von „Corporal Frank Horvay, St. Louis“ erhielt.185 Vor diesem Hintergrund stellte Horvay am 12. Januar 1946 im Namen des „Office of Military Government for Kreis Ansbach“ eine Bescheinigung aus, die Bosl trotz seiner nominellen Mitgliedschaft in der NSDAP zur Ausübung des Lehrerberufes für „politisch kompetent“ erklärte. Das wurde folgendermaßen begründet: Bosl war die führende Kraft eines Anti-Nazi-Kreises, der sich aus einigen seiner Kollegen und Schüler zusammensetzte. Wegen seiner Englischkenntnisse konnte er alliierte Radiosendungen erfolgreich weiteren Kreisen zur Kenntnis bringen. Unter Lebensgefahr brachte er alliierte und defätistische [sic] Flugblätter an öffentlichen Orten an. Um Ansbach vor einer sinnlosen Zerstörung zu bewahren, versuchte er, die fanatischen Nazi-Verteidigungskräfte zum Rückzug zu zwingen, indem er die Kommunikationskabel zwischen dem deutschen Befehlsstand und den Verteidigungstruppen in der Nacht vom 17. auf den 18. April 1945 durchtrennte. Dr. Bosls Tat wurde von dieser Abteilung untersucht, und unser Aktenmaterial umfasst zudem Zeugenaussagen dankbarer, verantwortungsvoller Bürger zu Gunsten von Dr. Bosl, durch den die Stadt vor der Zerstörung bewahrt worden ist.186
Es liegt auf der Hand, dass Horvay in diesem Stadium bereits nicht länger glaubte, dass Bosl in einem Konzentrationslager interniert gewesen und während seines Dienstes bei einem Wehrmachtsstrafbataillon verwundet worden war. 185 Karl Bosel [sic], „Das Wesen des wahren Deutschtums (historisch betrachtet)“, Monats hefte für deutschen Unterricht. A Journal Devoted to the Interests of the Teachers of German in the Schools and Colleges of America 37 (1945), S. 571–576; dieser Artikel findet sich als Anhang 16. Bosls Einschätzung der neueren deutschen Geschichte gleicht der von Konrad Adenauer in seiner Rede vom 26. März 1946, siehe: Jeffrey Herf, Divided Memory: The Nazi Past in the Two Germanys (Cambridge, Massachusetts und London 1997), S. 213–217. 186 Siehe: Anhang 18. In einer Denkschrift mit dem Titel „Ansbach, 17 April 1945 – 30 March 1946“, vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt verfasst und erhalten in Lexington, Kentucky, schrieb Horvay: „Dr. Karl Bosl und einer seiner Schüler, Robert Limpert, durchtrennten die Kabel, die vom Befehlsstand des verteidigenden Obersts Ernst Meyer zu seinen Truppen führen in der Nacht vom 16. zum 17. April 1945. Limpert wurde erwischt und von dem Oberst unter Hilfestellung des Polizeichefs an einem Haken in der Rathausmauer erhängt“ (hier in Übersetzung)
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Horvay, Bosl und Pospiech blieben lebenslang befreundet. Horvay erhielt seine Doktorwürde 1949 und stieg in den Rang eines Lieutenant-Colonel (Oberstleutnant) der US-Armee auf. 1964 wurde er zum Professor für Germanistik am Heidelberg College in Tiffin, Ohio, ernannt. Seine Emeritierung erfolgte 1981. 1953 schrieb er einen Artikel über Pospiechs Kunst.187 Das Porträt, das Pospiech von ihm gemalt hatte, bewahrte er in Ehren. 1969 hielt Bosl einen Vortrag an Horvays College in Tiffin,188 und Horvay hielt seinerseits 1972 zwei Vorträge an der Universität München189, vermutlich auf Bosls Einladung hin. 1981 sandte Bosl ihm seinen Nachruf auf Pospiech.190 1994 hielt Horvay schriftlich fest, dass er drei Jahre zuvor seinen Freund Bosl angerufen hat, um in Erfahrung zu bringen, wie das Urteil gegen Oberst Meyer ausgefallen war.191 Die Bescheinigung, die Horvay im Januar 1946 Bosl ausstellte,192 muss man jedoch in einen noch weiter gefassten Kontext einordnen, da sie ebenfalls mit Horvays allgemeiner Haltung zur Entnazifizierung in Verbindung steht. In einer unveröffentlichten Schrift zum Thema, die 1946 oder aber kurz darauf verfasst wurde, kritisierte Horvay scharf die amerikanische Politik, auf führende Intellektuelle aus der Zeit vor 1933 zurückzugreifen, bei denen es sich entweder um zurückkehrende Emigranten oder Überlebende der Konzentrationslager handelte. Bei den Erstgenannten müsse man, so Horvay, berücksichtigen, dass sie keinerlei Bezug zur deutschen Nachkriegsrealität hätten, während es sich bei den Zweitgenannten mehrheitlich um gebrochene Menschen handle. Horvay empfahl vielmehr stattdessen den Rückgriff auf: [...] die zweite Riege der Intellektuellen, die niemals Deutschland verlassen haben, die anstatt mit den Nazis zu brechen (was in den meisten Fällen sowohl ihr Ende als auch das ihrer Familie bedeutet hätte), vorgaben, Nazis zu sein oder sich sogar der Partei anschlossen. Dabei mag es sich nicht um die brillantesten Männer handeln, sie mögen keine extrovertierten Personen sein, sind aber – alles in allem – doch besonnene Männer, die mit dem Nazismus in Kontakt kamen und ihn verabscheuen lernten. Doch sie hassten ihn nicht nur, sondern fochten nach dem besten Vermögen solcher Männer dagegen, die gleich den Propheten ihre Fehler erkannten und daher mit aller Macht das Böse bekämpften. Unsere Besatzungspolitik wie auch unsere Entnazifizierungsgesetze bedürfen einer dringenden
187 Frank D. Horvay, „Heinrich Pospiech, German Woodcarver and Painter“, The AmericanGerman Review (April 1953), S. 23–26. 188 Ansbach, Stadtarchiv, Akte Robert Limpert: Frank D. Horvay an Adolf Lang, 25. April 1970. 189 Frank D. Horvay, „Vita“. 190 Karl Bosl, „In memoriam Heinrich Pospiech“, in: Das Gymnasium in Bayern. Mitteilungen des Bayerischen Philologenverbandes 1 (Januar 1981), S. 26. 191 Horvay, „Military Government“, S. 172. 192 Siehe: Anhang 18. Bezüglich Horvays Bescheinigung für Pospiech, siehe: Anhang 17.
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Revision, um für unsere Zwecke Anti-Nazis zu nutzen, einerlei ob es sich bei ihnen um ehemalige Parteimitglieder handelt oder nicht.193
Dr. Hans Schregle (1890–1970), der bis Kriegsende einer der älteren Kollegen Bosls am Ansbacher Gymnasium war, vertrat eine ähnliche Ansicht. Als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei war er ein unverhohlener Gegner der Nazis, der 1931 im Erlanger Volksblatt einen Artikel veröffentlicht hatte, in dem er sehr sarkastisch eine kurz zuvor von Hitler gehaltene Rede analysierte.194 Er wurde im März 1933 verhaftet, seiner Lehrposition in Erlangen enthoben und im Dezember 1933 nach Ansbach strafversetzt. Manche seiner Schüler wussten über seine Opposition zum Regime Bescheid. Eines Tages, im Jahr 1942 oder 1943, stoppten einige Schüler ihn in den Fluren der Schule und fragten ihn: „Professor, wissen Sie wie das moderne deutsche Märchen beginnt?“ Als er mit Nein antwortete, erwiderten sie: „So: Der Generalstab der Wehrmacht berichtet [...]“ Nachdem die Amerikaner in Ansbach einmarschiert waren, setzten sie ihn als Oberbürgermeister der Stadt ein.195 Am 20. Juli 1945 führte Captain Samuel Beer, der obenerwähnte amerikanische Politologe, ein Interview mit ihm. Dabei sagte Schregle, dass seiner Meinung nach viele der Partei nur deshalb beigetreten seien, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Daher würde ihre Parteimitgliedschaft nicht unbedingt bedeuten, dass sie mit der Ideologie konform gegangen seien. Viele Mitglieder seien nachhaltige Anti-Nazis gewesen. Somit vertrat Schregle die Ansicht, dass die Amerikaner es „den deutschen Behörden ermöglichen sollten, ein Komitee einzuberufen, das jeden einzelnen Fall einer Parteimitgliedschaft untersuchen würde. Sie würden wegen ihrer persönlichen Einbindungen wissen, was die wahren Kontakte jeder Person waren.“196 Es könnte sein, dass Horvay, der 193 Frank D. Horvay, „The German Intelligentsia in 1946“, Frank Horvays Privatunterlagen, Lexington, Kentucky (hier aus dem Englischen übersetzt). 194 Dr. H. Schregle, „Hitler-Narkose und was dahinter steckt“, Erlanger Volksblatt, Beilage, Samstag, 27. Juni 1931, [F]. Seine Dissertation wurde acht Jahre früher veröffentlicht: Hans Schregle, Goethes Gottfried von Berlichingen (Halle/S. 1923). 195 Zu Schregle siehe: Hans Woller, Gesellschaft und Politik in der amerikanischen Besatzungszone. Die Region Ansbach und Fürth, Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 25 (München 1986), S. 74–75; „Schregle, Hans“, in: Große Bayerische Biographische Enzyklopädie, Hrsg. Hans-Michael Körner, Bd. 3 (München 2005), S. 1778. Die Begebenheit mit den Schülern kommt in dem Interview zur Sprache, auf das in der nachfolgenden Anm. verwiesen wird. Einige Ansbacher waren der Meinung, dass sich Schregle, obwohl er nicht in die Partei eingetreten war, dennoch im Dunstkreis der NS-Organisation Kraft durch Freude (die die Aufgabe hatte, die Freizeit der deutschen Bevölkerung zu gestalten), bewegt habe, weshalb sie ihn, als er von den Amerikanern zum Bürgermeister ernannt wurde, als Opportunisten bezeichneten: Fitz, Ansbach unterm Hakenkreuz, S. 231. 196 Boston, Massachusetts. John F. Kennedy Library. Samuel H. Beer Personal papers, box 6: U.S. Military Government in Germany. Interviews, 07/1945 – 08/1945: Oberbürgermeister Dr. Schregle, Ansbach.
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regelmäßig mit Schregle zusammentraf,197 von dieser Ansicht eines tatsächlichen und wahrhaften Gegners des Nationalsozialismus beeinflusst war. In einem Artikel, den Horvay 1994 veröffentlichte, lässt er sich zu diesem Thema näher aus. Er schrieb, zum damaligen Zeitpunkt die Intensivierung der Entnazifizierung nach dem 1. Juli 1945198 nicht befürwortet zu haben, weshalb er damals beschlossen habe, nominellen NSDAP-Mitgliedern zu helfen, die nachweisen konnten, dass sie sich aktiv gegen das Regime gestellt hatten. In solchen Fällen, habe ich durchaus etwas riskiert und ihm oder ihr eine einzeilige Bescheinigung auf dem Briefpapier der Militärregierung einschließlich meiner Unterschrift ausgestellt, in dem es hieß: „Diese Abteilung hat die vergangene politische Zugehörigkeit von [Name der betreffenden Person] untersucht und bescheinigt, dass er/sie anstellbar ist.“ Empfänger solcher selten von mir ausgestellten Schriftstücke wurden instruiert, sie nur vorzulegen, wenn dies absolut erforderlich war, und sie selbst dann lediglich künftigen deutschen Arbeitgebern des privaten Sektors vorzulegen.
Und Horvay führte weiter aus: Eines der ersten derartigen Schriftstücke stellte ich einem Gymnasiallehrer aus, der sich auf eine Dozentenstelle an einer Universität beworben hatte, über dessen Kandidatur wegen seiner ehemaligen Parteimitgliedschaft jedoch ein Zweifel schwebte [natürlich bezieht sich dies auf Bosl]. Als mein Mitarbeiterstab und ich Nachforschungen anstellten, zeigte sich, dass seine Mitgliedschaft eine rein nominelle war und er auf unterschiedliche Art und Weise gegen die Partei opponiert hatte, was am bedeutsamsten durch seine Zugehörigkeit zu einer katholischen Untergrundorganisation zum Ausdruck kam, die aus Lehrern und Schülern bestand. Diese Gruppe hatte das Ziel, Ansbach vor der Zerstörung durch die vorrückenden Amerikaner zu bewahren, indem sie die Bevölkerung durch heimlich gedruckte Flugblätter dazu aufrief, zu einem angegebenen Moment weiße Fahnen zu hissen. Zwei Mitglieder dieser Gruppen taten noch mehr: sie kappten an zwei unterschiedlichen Punkten die Kommunikationskabel der deutschen Verteidigungstruppen, die dem Kommando von Oberst Ernst Meyer unterstanden, der seit 1933 ein fanatischer Nazi war.199
197 Woller, Gesellschaft, S. 66–67. 198 Der Kontext lässt keinen Zweifel, dass Horvay sich auf das Gesetz Nr. 8 vom 26. September 1945 und nicht auf die Direktive vom 29. Juni/7. Juli 1945 bezieht. Bezüglich der Kritik an der Entnazifizierung im Allgemeinen seitens ehemaliger damit Beauftragter siehe: Napoli, „Denazification“, S. 115–123; William E. Griffith, „Denazification in the United States Zone of Germany“, The Annals of the American Academy of Political and Social Science, 267 (Januar 1950), S. 68–76. Eine ausgeglichenere Begutachtung bei Harold Zink, American Military Government in Germany (New York 1947), S. 136–146; der Autor unterstreicht zudem (S. 6–40) die unzulängliche Ausbildung, die Mitarbeiter der Militärregierung vor Amtsantritt erhielten. 199 Horvay, „Military Government“, S. 171 (hier übersetzt).
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Die von Horvay ausgestellte Bescheinigung muss man folglich als Akt eines Mannes ansehen, der – weil er für den Aufbau des neuen Deutschlands auch Parteimitglieder einspannen wollte, die entweder Dokumente oder Zeugen vorbringen konnten, die ihre Opposition zum Regime belegten – im Alleingang und ohne Autorisierung von oben handelte. Horvay war sich sehr bewusst, dass derartige von ihm ausgestellte Bescheinigungen nicht in Einklang mit der offiziellen Politik standen, weshalb er die Empfänger ermahnte, sie möglichst zurückhaltend einzusetzen. Folglich scheint er sich weniger mit der Untersuchung der Vergangenheit von Personen beschäftigt zu haben, die aus seiner Sicht zukünftig nützliche Dienste leisten könnten, sondern richtete sein Augenmerk vielmehr auf ihre Förderung. Seine Entlastung Bosls mag diese Hypothese unterstützen, ist jedoch auch auf die persönliche Beziehung zurückzuführen, die sich zwischen beiden Männern entwickelt hatte. Tatsächlich schützte er Bosl auch noch in dem Artikel von 1994, in dem er dem Leser zwar mitteilte, dass der Gymnasiallehrer, den er als nominelles Parteimitglied eingestuft und dem er die erste derartige Bescheinigung ausgestellt hatte, sein Freund200 war, doch er erwähnte nicht, dass es sich um niemand anderen als um Bosl handelte. In der Bescheinigung vom 12. Januar 1946 erwähnte Horvay, dass sich Bosl auf eine Dozentenstelle an der Universität München bewerben wolle. Bosls Bewerbung war, falls sie überhaupt eingereicht wurde, trotz dieser Bescheinigung nicht erfolgreich. Erst am 23. März 1949 sollte er zum Privatdozenten ernannt werden. Trotzdem trat er, noch während er in Ansbach wohnte, am 1. Dezember 1945 eine Stelle als Studienrat am Maxgymnasium in München an; am 1. September 1952 wurde er an das dortige Theresiengymnasium versetzt.201 Als der Offizier der Sonderabteilung der Entnazifizierungsbehörde in München, 2nd Lt. G. A. Ettlinger, nach einer näheren Untersuchung der Akte Bosls am 25. Juni 1946 festhielt, dass dessen Anstellung „in jeglicher über ‚gewöhnlicher Arbeit‘ rangierender Position den Anordnungen des Artikels 58 des Gesetzes zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus widerspricht“, war Bosls Anstellung erneut gefährdet. Eine „deutsche Behörde“ wurde gebeten, in dieser Sache aktiv zu werden und Ettlinger Bericht zu erstatten. Die Tatsache, dass Ettlingers Untersuchungsbericht in Bosls Akte zum Entnazifizierungsverfahren vor der Spruchkammer Ansbach-Stadt202 aufgenommen wurde, 200 Ebd., S. 172. 201 Bezüglich dieser Daten siehe den „Personalbogen für Beamte“, den Bosl am 7. Februar 1954 ausfüllte: Universitätsarchiv Würzburg, Personalakte Bosl, Karl. Ebenso Personalakte Bosl, Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, München. Vgl. Herde, „Michael Seidlmayer“, S. 242–243. 202 Siehe: Anhang 21. Ettlingers Bericht bezeugt, dass Bosl Horvays Bescheinigung während dieser Untersuchung nicht einreichte; er hielt sich also an Horvays Anweisung, das Dokument lediglich deutschen Behörden vorzulegen.
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belegt, das es sich bei der deutschen Behörde, die in der Sache aktiv werden sollte, um die Spruchkammer Ansbach-Stadt handelte. Der frühzeitige, im Mai 1933 vollzogene NSDAP-Eintritt Bosls gefährdete tatsächlich zwischen 1945 und 1947 seine Tätigkeit als Gymnasiallehrer, dies wegen der Entnazifizierungsmaßnahmen des Office of Military Government of the United States (OMGUS) und Ettlingers Untersuchung, insbesondere jedoch wegen einer am 21. September 1946 erlassenen OMGUS-Direktive,203 die anordnete, dass „deutsche [...] Beamte positive politische, liberale und moralische Qualitäten vorweisen müssen, die bei der Herausbildung der Demokratie in Deutschland hilfreich sein werden.“ Diese Direktive betraf die Ernennung oder die Wiedereinsetzung von Personen in Positionen, die über „gewöhnlicher Arbeit“ rangierten, sogar dann, wenn das Entnazifizierungstribunal sie „zu Minderbelasteten, Mitläufern und Entlasteten erklärt hatte.“ Das betraf nicht generell Personen, die sich bereits in Anstellungsverhältnissen befanden, denn nur wegen eines Mangels der positiven Kriterien sollte keine Entlassung vorgenommen werden. Diese Ausnahme jedoch erstreckte sich nicht auf Positionen „im Bereich der Informationskontrolle, der Erziehung und Jugendarbeit und in besonderen individuellen Fällen, in denen sich der Mangel dieser positiven Qualitäten bei einer betreffenden Person der Erlangung der Ziele der Militärregierung als ernsthaft abträglich erweisen.“ Das bedeutet, dass sogar Lehrer und Professoren, die keine Mitglieder der NSDAP gewesen waren, entlassen werden konnten, falls es ihnen an Qualitäten mangelte, die für die Herausbildung der Demokratie als wertvoll erachtet wurden.204 Bosls Entnazifizierungsverfahren vor der Spruchkammer Ansbach-Stadt begann verhältnismäßig spät, im Dezember 1947.205 Die Spruchkammer bestand aus drei Personen: zwei Frauen (die Vorsitzende Eva Reiner, die sich von einer 203 AG 014.12-2 (LD), zitiert ausführlich im OMGUS-Brief vom 12. November 1946 (National Archives of the United States, College Park, Maryland, R.G. 260, Office of the Military Government, United States) gerichtet an Wilhelm Hoegner, Ministerpräsident von Bayern, und an das Bayerische Kultusministerium. Siehe: Peter Herde, Kontinuitäten und Diskontinuitäten im Übergang vom Nationalsozialismus zum demokratischen Neubeginn. Die gescheiterten Berufungen von Her mann Heimpel nach München (1944–1946) und von Franz Schnabel nach Heidelberg (1946–1947), Hefte zur Bayerischen Landesgeschichte Hrsg. Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 5 (München 2007), S. 45. 204 Unter Anwendung dieser Direktive wurden im November 1946 in der Tat Professoren der Universität München entlassen, die nicht Parteimitglieder gewesen waren: Herde, Kontinuitäten, S. 45–48. Hätte man die Direktive auch in Bosls Fall angewandt, so hätte er als Beweis, über Qualitäten zu verfügen, die der Entwicklung von Demokratie förderlich sind, auf den Vortrag in Ansbach am 21. Oktober 1945 verweisen können, der in den USA veröffentlicht wurde. 205 Bezüglich der Prozessakten, die nachfolgend zusammengefasst und diskutiert werden, siehe: Anhang 22.
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Herzkrankheit erholt hatte,206 und Frieda Lingmann) sowie ein Mann (Adolf Kuch), bei denen es sich offensichtlich um einfache Leute handelte, die nicht zwischen „Geschichte“ und „Geschichten“ zu differenzieren verstanden207 und deren Urteilsbegründung mehrere Zeichensetzungs- und Rechtschreibfehler aufweist. Bosl hatte in dem am 6. Mai 1946 ausgefüllten Meldebogen208 die Datumsangaben zu seiner NSDAP-Mitgliedschaft manipuliert, um auf diese Weise den Sanktionen zu entgehen, die Personen drohten, die der Partei vor dem 1. Mai 1937 beigetreten waren. Darüber hinaus hatte er es unterlassen, seine Mitgliedschaft beim Stahlhelm und bei der SA sowie seine Anstellung beim „Ahnenerbe“ der SS zu erwähnen, was laut Artikel 65 (1a) des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 – allgemein Befreiungsgesetz genannt – als ein mit Haft- oder Geldstrafe zu ahnendes Vergehen eingestuft war.209 Am rechten Rand des Meldebogens wurde von einer namentlich unbekannten Person angemerkt: „II D II/4.“ Dieses Kürzel bezieht sich auf den entsprechenden Abschnitt des Befreiungsgesetzes, in dem es um NSDAP-Mitglieder geht, die vor dem 1. Mai 1937 der Partei beigetreten waren, weshalb die betreffende Person grundsätzlich in die Kategorie der Belasteten einzustufen war.210 Mit anderen Worten: Im Gegensatz zu Ettlinger, der im Glauben gewesen war, dass Bosl im Mai 1933 nur Bewerber für eine Mitgliedschaft war,211 glaubte diese anonyme, das Kürzel vermerkende Person nicht, dass Bosl der Partei im Mai beigetreten und im Oktober desselben Jahres wieder ausgetreten war, nur um 1938 erneut einzutreten. Diese
206 Fitz, Ansbach unterm Hakenkreuz, S. 258; sie war stellvertretende Präsidentin der Spruchkammer Ansbach-Stadt. 207 Siehe ihre Begründung (in voller Länge: Anhang 22f), dass Bosl „in seinen Themen besonders auf mittelalterliche Geschichten [sic] einging, die vom Regime bekämpft wurden“. 208 Siehe: Anhang 20. 209 Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946, mit Aus führungsvorschriften, Formblättern, der Anweisung für die Auswerter der Meldebogen und der Rangliste in mehrfarbiger Wiedergabe, Hrsg. Erich Schullze, (2. Auflage, München 1947), S. 62. 210 Gesetz, D II 4, Hrsg. Schullze, S. 67. Die fünf „Gruppen der Verantwortlichen“ waren: 1. Hauptschuldige; 2. Belastete (Aktivisten, Militaristen, Nutznießer); 3. Minderbelastete (Bewährungsgruppe); 4. Mitläufer; 5. Entlastete. Ebd., Artikel 4, S. 7. 211 Siehe: „Summary of Facts Disclosed by Investigation“, Anhang 21. Bei den Entnazifizierungsverfahren wurde oftmals angeführt, dass man lediglich einen Mitgliedschaftsantrag gestellt hatte, jedoch kein vollwertiges Mitglied der Partei war. Eine weitere Ausrede war, dass man nicht als vollwertiges Mitglied aufgenommen wurde, weil man lediglich die Mitgliedskarte, nicht jedoch das Parteibuch erhalten hatte, das nur nach einer zweijährigen Probezeit ausgehändigt wurde. Siehe: Broszat, Der Staat Hitlers, S. 253. Karl Alexander von Müller, der im August 1933 aufgrund einer besonderen Genehmigung von Rudolf Heß in die Partei aufgenommen wurde, behauptete später, nie ein Parteibuch erhalten zu haben, so dass er kein vollwertiges Mitglied der Partei war, siehe: Herde, „Max Buchner“, S. 230.
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Person entschied folglich, dass Bosls Parteimitgliedschaft vor dem Stichtag des 1. Mai 1937 begonnen, nachfolgend ununterbrochen bestanden hatte und er daher in die Kategorie der „Belasteten“ einzustufen war. Bosls Mitgliedschaft beim Stahlhelm und bei der SA hätte seinen Fall nicht wesentlich beeinflusst, denn laut Befreiungsgesetz sollte die Mitgliedschaft in diesen Organisationen lediglich als ein Hinweis angesehen werden, solche Personen „mit besonderer Sorgfalt“ zu prüfen.212 Andererseits hätten die Bezüge, die Bosl vom „Ahnenerbe“ erhalten hatte, zur Einstufung in die Kategorie „Nutznießer“ führen können,213 während seine Position als Vorstand des Reichskolonialbundes im Landkreis Ansbach ihn ebenfalls hätte gefährden können,214 vor allem, wenn man diesbezüglich die OMGUS-Direktive vom 21. September 1946 angewandt hätte. Nachdem Bosl durch einen öffentlichen Anschlag über ein vermutliches Schnellverfahren gegen ihn zwecks Erörterung seiner Einstufung als Mitläufer erfahren hatte, sandte er am 27. Dezember 1947 ein Schreiben an die Spruchkammer Ansbach-Stadt, in dem er behauptete, unschuldig zu sein, und folglich darum bat, als Entlasteter eingestuft zu werden. Unter offensichtlicher Bezugnahme auf Artikel 13 des Befreiungsgesetzes, der Personen entlastete, die sich trotz formaler Mitgliedschaft in der Partei aktiv dem NS-Regime widersetzt und daher Nachteile erlitten hatten,215 hielt Bosl fest, ein aktiver Widerstandskämpfer gewesen zu sein. Er stützte seine Behauptung durch den Verweis auf die Bescheinigung, die Horvay am 12. Januar 1946 ausgestellt hatte und die er seinem Gesuch anfügte. Außerdem gab er an, Pospiech könne weitere Details seiner Widerstandstätigkeit anführen. Er argumentierte darüber hinaus, dass laut einer Bestimmung des Sonderministeriums,216 über die er aus einer Münchener Zeitung erfahren habe, unter Widerstand auch Aktivitäten fallen, die die Freiheit und das Leben der Betreffenden gefährdet hätten und dass dies – ganz wie das fatale Ende Limperts zeige – auch ihn selbst ebenso wie seine Freunde der kleinen Ansbacher Widerstandsbewegung hätte treffen können. Somit hatte Bosl offensichtlich von dem Kommentar zu Artikel 13 Kenntnis, in dem eine unmittelbare Gefahr der Ver-
212 Gesetz, L Teil B 2, AV6b XIII, Hrsg. Schullze, S. 84, 178. 213 Art. 9 II 2 klassifiziert als Nutznießer eine Person, die „erhebliche Zuwendungen von der NSDAP, ihren Gliederungen oder angeschlossenen Verbänden erhielt“: Gesetz, Hrsg. Schullze, S. 13. 214 Gesetz, L Teil A: H II 2, Hrsg. Schullze, S. 73. 215 „Entlastet ist: wer trotz einer formellen Mitgliedschaft [...] sich nicht nur passiv verhalten, sondern nach dem Maß seiner Kräfte aktiv Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistet und dadurch Nachteile erlitten hat.“ Gesetz, Art. 13, Hrsg. Schullze, S. 16. 216 D.h.: Ministerium für Sonderaufgaben, Minister für politische Befreiung.
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folgung als einer der Nachteile aufgelistet war, von denen im Widerstand aktive Personen bedroht gewesen waren.217 Die Entscheidung der Ansbacher Spruchkammer vom 21. Januar 1948 folgte weder Ettlingers drastischen Empfehlungen noch der Anmerkung der anonymen Person, die am Rand von Bosls Fragebogen das Kürzel für „Belastet“ vermerkt hatte, sondern stufte ihn offenkundig aufgrund der angeblichen Unterbrechungen seiner NSDAP-Mitgliedschaft nur als Mitläufer ein. Es wurde eine Geldbuße von RM 300 (ersatzweise 30 Tage Arbeitsleistung) verhängt. Zudem wurden Bosl die Kosten des Verfahrens in Höhe von RM 281,24 auferlegt.218 Dagegen erhob Bosl fristgemäß am 24. Januar 1948 Einspruch. In seinem detaillierten an die Spruchkammer gerichteten Schreiben forderte er, auf der Grundlage von Artikel 13 des Befreiungsgesetzes als Entlasteter eingestuft zu werden. Als Beweis führte er Horvays Bescheinigung vom 12. Januar 1946 an, die er bereits seiner ersten Eingabe vom 27. Dezember 1947 hinzugefügt hatte, und verwies auf Pospiechs Aussage vom 15. November 1945, die er dieses Mal ebenfalls als Anlage hinzufügte. Diese beiden Dokumente, so schrieb Bosl in seinem Einspruch, belegten, dass er ein „innerlich überzeugte Gegner des Nazismus“ war, der aktiv gegen das Regime „unter Gefährdung von Freiheit, Leben, Familie und Beruf“ gekämpft und zusammen mit einigen Freunden „vielleicht sogar entscheidend“ zur Rettung von Ansbach beigetragen habe. Um vor Augen zu führen, in welcher Gefahr er geschwebt habe, bezog sich Bosl erneut auf das schreckliche Schicksal „unseres Freundes“ Robert Limpert. Zugleich umging er jegliche konkrete Bezugnahme auf das vermeintliche Durchtrennen des Telefonkabels, wobei er unterstrich „dass es mir widerstrebt von Dingen reden zu müssen, die aus Idealismus getan sind und ihren Lohn an sich in sich selber finden.“ Aus allen Entnazifizierungsdokumenten geht tatsächlich hervor, dass er nie direkt behauptete, eigenhändig die Kabel in der Nacht vom 17. auf den 18. April 1945 durchtrennt zu haben. Diesbezüglich bevorzugte er es, auf Horvays Schriftstück und auch auf Pospiechs Aussage zu verweisen, in denen dieser Akt ausdrücklich ihm zugeschrieben wird. Andererseits erwähnte er in direkter Bezugnahme „die von mir verbreiteten Flugblätter.“219 Während er in seinem Schreiben vom 27. Dezember 1947 etwas vage auf eine ihm aus einer Zeitung bekannte Verordnung des Sonder-
217 Vgl. Kommentar zum Artikel 13 des Befreiungsgesetzes: „Die Nachteile [...] werden im allgemeinen äußerer Natur gewesen sein müssen (z. B. Verhaftungen, Vermögensschaden u. dgl.), jedoch können unter Umständen auch Tatsachen, die nicht nach außen in Erscheinung getreten sind, z. B. unmittelbare Verfolgungsgefahr [...] genügen.“ Gesetz, Art. 13, Hrsg. Schullze, S. 17. Bezüglich des Briefes von Bosl vom 27. Dezember 1947, siehe: Anhang 22a. 218 Siehe: Anhang 22b. 219 Siehe: Anhang 22c.
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ministeriums Bezug nahm, bezog er sich im Hinblick auf seine Behauptung, dass er wegen seiner Aktivitäten Schaden hätte erleiden können, nunmehr sehr viel konkreter auf eine Entschließung des Kassationshofes beim Sonderministerium, denn in der vom Kassationshof empfohlenen Auslegung heißt es – so Bosl –, dass „der Schaden bereits als erwiesen gilt, wenn im Falle der Entdeckung einer Widerstandstätigkeit mit einer unmittelbaren Verfolgung zu rechnen gewesen wäre.“220 Schließlich führte er die Rettung einer gesamten Stadt, der Stadt Ansbach, als einen entscheidenden Grund zu seiner Entlastung an. Damit wird, anders als im Memorandum vom 24. Mai 1945, die Rettung Ansbachs nicht mehr allein Limpert zugeschrieben. Limperts Schicksal wird hier als Beweis für die furchtbare Gefahr erwähnt, die Bosl und einigen Freunden drohte, als sie ebenfalls Versuche unternahmen, die Stadt zu retten.221 Außerdem zog Bosl eine Parallele zwischen seiner Person und dem Komponisten Werner Egk, der von der Spruchkammer MünchenStadt als Entlasteter eingestuft worden war, weil er die „Gesamthaltung“ eines Antifaschisten gehabt und im Zuge seiner Arbeit einen aktiven Widerstand gegen
220 Siehe: Anhang 22c, ad (b). In seinem in der vorigen Anm. 217 zitierten Kommentar bezieht sich Schullze auf einen Beschluss vom 19. Februar 1947 des Ständigen Rechtskollegiums zur einheitlichen Auslegung und Anwendung des Befreiungsgesetzes in der US-Zone und auf eine Entscheidung des Kassationshofs im Bayerischen Ministerium für Sonderaufgaben, veröffentlicht im Mitteilungsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Sonderaufgaben 1946, Nr. 12–13. S. 46. 221 Für die Rolle des Retters der Stadt Ansbach gab es einen weiteren Anwärter, und dies war kein Anderer als Oberst Dr. Ernst Meyer. In seiner Vernehmung erklärte Dr. med. Claesgens: „[Meyers] Zerfahrenheit und sein unstetes Wesen vor der Einnahme von Ansbach habe ich auf Überarbeitung und Abgespanntheit zurückgeführt. Später in der Gefangenschaft habe ich doch Zweifel bekommen, ob Oberst Meyer ganz in Ordnung sei. So sprach er auch z. B. einmal allen Ernstes davon, dass die Stadt Ansbach in einigen Jahren sicher von ihm ein Bild anfordern würde, um ihn als Retter der Stadt zu ehren.“ Zeugen-Vernehmung von Dr. Claesgens, Ansbach, 8. November 1945. Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 104b. Meyers Behauptung wurde von Obersturmbannführer Ekkehard Albert, Chef des Generalstabes des XIII. SS-Armeekorps, dem Meyer unterstand, geteilt. In einem Brief an das Landgericht Ansbach vom 15. Dezember 1946 zugunsten von Meyer, erklärte Albert, damals noch Kriegsgefangener: „Die Stadt Ansbach verdankt dem Kampfkommandanten Oberst Meyer, dass er durch seinen selbständig gefaßten Entschluß freiwillig die Verantwortung unter Risiko seines Lebens unternahm, den Kampf um Ansbach frühzeitig abzubrechen. Damit hat er der Bevölkerung viel Blutvergießen und Zerstörung erspart.“ Albert gab zudem an, dass ihn Meyer damals dienstlich über die Hinrichtung Limperts informierte, und äußerte die Ansicht, dass Meyers Handlung vollkommen gerechtfertigt gewesen sei, da: „Die unterbrochene einzige Fernsprechleitung hätte Schuld sein können, daß der Räumungsbefehl für die Stadt von der vorgesetzten Dienststelle nicht rechtzeitig beim Kampfkommandanten eingetroffen wäre. Damit wäre nicht Blutvergießen verhindert worden, damit hätten vielmehr viele Soldaten und Bürger der Stadt unnötig ihr Blut vergießen müssen.“ Ebd., Nr. 650/II, S. 325.
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den Nationalsozialismus bewiesen habe.222 Bosl schloss sein Schreiben mit der falschen Feststellung, seine wissenschaftlichen Publikationen Themen gewidmet zu haben, die „vom Regime ausdrücklich und öffentlich bekämpft oder abgelehnt waren (Salierkaiser, Stauferkaiser, mittelalterliche Klostergeschichte).“223 In Wahrheit jedoch gehörten sowohl die Geschichte der Salier und Hohenstaufen als auch die Geschichte monastischer Bewegungen zu den bevorzugten Themen der deutschen Mediävistik vor und nach 1933224 und waren vom Regime nicht aus ideologischen Gründen zurückgewiesen worden, wie Bosl aus eigener Erfahrung nur zu gut wusste: seine Dissertation handelte über bayerische Klostergeschichte; seine Habilitationsschrift über die Ministerialen der Salier und Staufer und sollte sogar im „Ahnenerbe“ publiziert werden, wobei er betonte, dass „gerade die Stauferzeit größtem Interesse begegnet“225 und seine Probevorlesungen im Dezember 1944 betrafen Heinrich IV., und niemand hatte wegen der Themenwahl Einspruch erhoben. Da die Spruchkammer Ansbach-Stadt nicht mit der von Bosl vorgelegten Dokumentation zufrieden war, forderte sie ihn auf, am 26. Februar 1948, „Nachweis zu führen“ über seine „politische Haltung durch verschiedene eidesstattliche Erklärungen“, und wenn möglich, „auch eines der Flugblätter“ beizufügen, die er „verbreitet“ habe – also eines der Flugblätter regimekritischen Inhaltes, die er laut Pospiechs Erklärung vom 15. November 1945 in Zügen angeklebt haben soll.226 In seinem Antwortschreiben vom 2. März 1948 hielt Bosl fest, nicht dazu in der Lage zu sein, ein Flugblatt vorzulegen, „weil es die primitivste Vorsicht verbot irgendein Exemplar zurückzubehalten.“ (Diese Antwort wird zumindest teilweise dadurch entkräftet, dass Flugblätter, die Limpert und seine Freunde im April 1945 angefertigt hatten, erhalten sind.) Bosl sorgte jedoch für sechs eidesstattliche Erklärungen, die zwischen dem 28. Februar und dem 8. März bei der Spruchkammer eingingen.227 Vier stammten von Bosls Kollegen am Ansbacher Gymna222 Das war ein berüchtigter Fall des Reinwaschens, da Egk eine gehobene Position in der Reichsmusikammer bekleidete und Hitler sowie Goebbels enthusiastisch über die Musik, die er oftmals auf Wunsch der Partei komponierte, waren; siehe: Ernst Klee, Das Personallexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945? (Frankfurt/M. 2003), S. 126. 223 Siehe: Anhang 22c, ad (b). 224 Zum Thema mediävistischer Studien in Deutschland vor und nach 1933, siehe: Folker Reichert, Gelehrtes Leben. Karl Hampe, das Mittelalter und die Geschichte der Deutschen (Göttingen 2009), S. 195–230, 261–283. 225 Ahnenerbe/Akte Bosl, S. 133b (Bosls Bericht vom 6. April 1942). 226 Siehe: Anhang 22d. 227 Siehe: Anhang 22e, I–VI. Es besteht eine Diskrepanz zwischen Bosls Angabe in dem Brief vom 2. März, dass er sechs eidesstattliche Erklärungen anfügt, während zwei dieser eidesstatt-
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sium: von Oberstudiendirektor Oskar Griebel und von den Studienräten Dr. Fritz Schneider, Dr. Karl Wörle und Anton Zahner. Eine weitere eidesstattliche Erklärung gab Joseph Hölzl ab, der Bosl seit der gemeinsamen Jugendzeit kannte. Bei der sechsten Person handelte es sich um Kaplan Georg Eckert. Seine eidesstattliche Erklärung war eine ziemlich delikate Angelegenheit, da Bosl wegen seiner 1938 mit einer Protestantin in der evangelisch-lutherischen St. Lorenz Kirche in Nürnberg geschlossenen Ehe gegen das kanonische Recht verstoßen hatte.228 Angeklagte der gehobenen Mittelklasse präsentierten für gewöhnlich solche eidesstattlichen Erklärungen, die ihre Vorgesetzten, Kollegen und Freunde für sie abgaben und die fast immer die gleichen Aspekte aufgriffen: Dem Angeklagten war der Nationalsozialismus verhasst, er habe kritische Bemerkungen über das Regime gemacht, feindliche Radiosender gehört und die Informationen weiterverbreitet, oder er habe lediglich seine Pflicht erfüllt.229 Das trifft auch für Bosl ebenso wie für die meisten Fälle zu, die für Ansbach bekannt sind.230 Die Zeugen, die für Bosl Erklärungen abgaben, bekundeten, dass er „ein überzeugter Gegner des Nazismus, seiner Verbrecher-Methoden und seiner Katatrophenpolitik [sic]“ (Wörle) war;231 dass er „seiner völlig ablehnenden Haltung gegenüber Prinzipien und Praxis des Nationalsozialismus [...] bei jeder Gelegenheit offen schärfsten Ausdruck“ verliehen habe, weshalb er sich Denunziationen und Gefahren ausgesetzt habe (Zahner);232 und dass er „immer mehr zum glühenden Hasser und Gegner des Nationalsozialismus“ wurde, dessen Sturz er mit „geradezu fanatische[m] Glauben“ vorhergesagt habe (Hölzl);233 auch Schneider erklärte, dass er „in Dr. Bosl stets einen überzeugten und erklärten Gegner des Nationalsozialismus sah.“234 Keine der für Bosl Zeugnis ablegenden Personen wiederholte jedoch dessen ursprünglich gegenüber Horvay aufgestellte Behauptung, lichen Erklärungen jedoch mit dem Datum 4. bzw. 8. März versehen sind. Vermutlich verfasste Bosl diesen Brief, bevor ihm alle eidesstattlichen Erklärungen vorlagen. Der Brief ging am 10. März bei Gericht ein. 228 Interview von 1986, S. 177–178. In seiner eidesstattlichen Erklärung, die er in Königsfeld bei Hollfeld verfasste, gab Eckert an, dass er von 1942 bis 1945 als Kaplan in Ansbach tätig war. 229 Niethammer, Die Mitläuferfabrik, S. 613–615. Für eine zeitgenössische Bewertung des Themas „Persilscheine“, siehe die Anmerkungen eines anonymen deutschen Rechtsanwaltes in: Anon., „Denazification. Foreword by Alvin Jones“, Social Research 14 (1947), 59–74, insbesondere S. 70. Bezüglich kritischer zeitgenössischer Kommentare seitens US-Autoren siehe: Napoli, „Denazification“, S. 115–123; Griffith, „Denazification“, S. 68–76. Für einen allgemeinen Überblick siehe: Ziemke, The U.S. Army, S. 380–390. 230 Fitz, Ansbach unterm Hakenkreuz, S. 259. 231 Anhang 22e, IV. 232 Anhang 22e, II. 233 Anhang 22e, III. 234 Anhang 22e, I.
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in einem Konzentrationslager eingekerkert und drei Jahre lang in einem Wehrmachtsstrafbataillon gedient zu haben, denn die Spruchkammer Ansbach-Stadt hätte mit Leichtigkeit aufdecken können, dass das eine lächerliche Erfindung war. Außerdem bestätigte keiner dieser sechs Zeugen, dass Bosl das Telefonkabel durchtrennte oder auf eine andere Art und Weise zur Rettung Ansbachs beitrug. Allerdings bezeugten vier, dass Bosl mit Limpert in Verbindung stand. Kaplan Eckert sagte aus, wie wir schon erwähnten, von Limpert erfahren zu haben, dass Bosl in seinem Unterricht Position gegen die Geschichtslügen und die Propaganda des Dritten Reiches bezogen habe. Zahner und Wörle sagten aus, dass Bosl mit Limpert „in Verbindung stand“, während Wörle Bosl auch mit den „bekannten Flugblattaktionen in Ansbach in Verbindung“ brachte.235 Hölzl, der ab Ende Januar 1945 nicht mehr in Ansbach wohnte, merkte allerdings vorsichtig an, dass Bosl „vielleicht [...] auch in Verbindung mit dem ‚Limpertkreis‘ gekommen sein“ mag. Oberstudienrat Griebel, der Limpert in seiner kurzen per Schreibmaschine verfassten Erklärung nicht erwähnt, hielt sehr viel allgemeiner fest: „Bosls Bestätigung [sic] bei der Ansbacher Widerstandbewegung war bekannt.“ Beachtenswert ist, dass weder Kaplan Eckert, noch Schneider und Zahner, die schließlich auch Mitunterschreiber des Memorandums vom 24. Mai 1945 waren, die darin angeführte Behauptung wiederholten, dass Bosl und sie gemeinsam mit Limpert geplant hätten, „und vorher schon und mit ihm handelten und seine Pläne unterstützen halfen.“236 Der Lehrer des Ansbacher Gymnasiums, der keine eidesstattliche Erklärung zu Gunsten von Bosl einreichte, war der Regime-Gegner Dr. Hans Schregle, der an das Ansbacher Gymnasium strafversetzt und nach dem Krieg von den Amerikanern als Ansbachs Oberbürgermeister eingesetzt worden war. Im Oktober 1945 hatte ihn die amerikanische Militärregierung zum Regierungspräsidenten von Unter- und Mittelfranken ernannt. Als sich Bosl um eidesstattliche Erklärungen bemühte, war Schregle in dieser Position. Dass von ihm keine eidesstattliche Erklärung vorliegt, die bei der Ansbacher Spruchkammer zweifelsohne von großem Gewicht gewesen wäre, kann nur auf zwei Möglichkeiten zurückgeführt werden: Entweder bat Bosl den langjährigen Anti-Nationalsozialisten gar nicht darum, oder aber er fragte bei ihm an, erhielt jedoch eine abschlägige Antwort. Es steht aber außer Frage, dass Schregle in seiner Position als Regierungspräsident 235 Bezeichnenderweise findet sich in beiden fast der gleiche Wortlaut: Zahner schrieb: „Ich erfuhr auch, daß er in Verbindung mit Robert Limpert stand“, während Wörle fortfuhr und feststellte: „ich war mir durchaus im Klaren, daß Herr Bosl in Verbindung stand mit Limpert u.a., daß er auch in Verbindung stand mit der bekannten Flugblattaktion in Ansbach […]“. Siehe: Anhang 22e, II und IV. 236 Siehe: S. 44 und Anhang 10.
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bereit war, solche Erklärungen auf Anfrage auszustellen, allerdings sicherlich nur für Personen, die er für unterstützenswert erachtete. Dies wird belegt durch eine von Schregle ausgestellte eidesstattliche Erklärung, die er am 13. Februar 1947 zugunsten von Hermann Rieger ausstellte. Rieger, ein Lehrer am Ansbacher Gymnasium, war ebenso wie Bosl Mitglied des Stahlhelms, der SA und der NSDAP gewesen.237 Nach einem Verfahren, das auf den schriftlichen Dokumenten ohne öffentliche Verhandlung basierte,238 gab die Spruchkammer am 24. März 1948 ihr Urteil bekannt, das am 27. Mai rechtskräftig wurde. Zweifellos unter Bezug auf die Anmerkung „II D II/4“ am Rande von Bosls Meldebogen vom 6. Mai 1946, erklärte die Spruchkammer, dass Bosl laut Anlage zum Befreiungsgesetz Teil A/D/II/4 wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP zwischen dem 1. Mai und dem 1. Oktober 1933 sowie von 1938 bis 1945, die er auf diesem Meldebogen eingeräumt hatte, als Belasteter der Klasse II eingestuft wurde. Die Spruchkammer führte weiterhin an, dass laut Artikel 10 und 34 des Befreiungsgesetzes Bosl zufriedenstellend nachgewiesen habe, dass er kein Mitläufer (wie von der Spruchkammer am 21. Januar 1948 festgehalten), sondern ein aktiver Gegner des Nationalsozialismus war, der deshalb Nachteile erlitt, die im Wesentlichen in der konstanten Gefahr der Festnahme bestanden hätten. Die Spruchkammer übernahm weitgehend wörtlich und ohne jede Kritik Bosls schriftliche Beteuerungen sowie die Erklärungen der Personen, die eidesstattliche Erklärungen eingereicht und ausgeführt hatten, dass er das Regime hasste, ein führendes Mitglied einer kleinen Gruppe von Widerstandskämpfern war, Anti-Naziflugblätter in Zügen anklebte, durch das Kappen des Telefonkabels zur Rettung von Ansbach beitrug, alliierte Radiosender abhörte und die Informationen weiterverbreitete, seine Schüler in einer dem Nationalsozialismus feindlich gesinnten Haltung beeinflusste und sich mit „mittelalterlichen Geschichten“ beschäftigte, die vom Regime angegriffen wurden. Sein Eintritt in die Partei wurde mit wirtschaftlichen Gründen erklärt. Seine Mitgliedschaft wurde als nominell eingestuft und festgehalten, dass er nie zum Mitläufer wurde. Das sind die Standardargumente, die in solchen eidesstattlichen „Persilscheinen“ vorgebracht wurden, angereichert durch vorgebliche 237 Staatsarchiv Nürnberg, Spruchkammer Ansbach-Stadt, Rieger, Hermann [F]. Schregle schrieb u.a.: „Rieger selbst begegnete in Gegenwart aller nazistischen Häßlichkeiten und Entartungserscheinungen mit freimütiger Kritik und hat sich dadurch die besondere Achtung seiner Kollegen verdient.“ Rieger wurde am 6. Mai 1947 entlastet; die Vorsitzende war ebenfalls Eva Reiner. Der Entscheid wurde am 19. August 1949 aufgehoben und der Hauptkammer Nürnberg übertragen; am 19. Januar 1950 wurde es im Rahmen der Weihnachtsamnestie eingestellt: Staatsarchiv Nürnberg, Hauptkammer Nürnberg, Rieger, Hermann [F]. 238 In Ansbach wurden lediglich 20 Prozent der insgesamt ungefähr 2.500 Fälle im Rahmen von öffentlichen Anhörungen verhandelt, siehe: Fitz, Ansbach unterm Hakenkreuz, S. 258.
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Akte des Widerstandes und des unter Artikel 13 angeführten erlittenen Schadens. Auf der Grundlage dieses Artikels klassifizierte die Spruchkammer Bosl als Entlasteten.239 So ist Bosl, der von einem unbekannten Beurteiler ursprünglich in die Kategorie II der Belasteten eingestuft worden war, letztendlich in der niedrigsten Kategorie gelandet. 240 Bosl war also einer der wenigen Bayern, die das Entnazifizierungstribunal mit Hilfe eines Netzwerkes von Freunden und Kollegen sowie anhand von dubiosen Erklärungen erfolgreich davon überzeugte, dass er trotz seiner frühen Parteimitgliedschaft dem Nationalsozialismus aktiv Widerstand geleistet und infolgedessen Nachteile erlitten habe, weshalb er auf der Grundlage von Artikel 13 des Befreiungsgesetzes als entlastet eingestuft wurde.241 Bosls Freispruch war das Resultat einer weit verbreiteten Nachsichtigkeit der Entnazifizierungstribunale und der ineffektiven amerikanischen Bemühungen, diese zu zügeln.242 Doch ganz allgemein ist dies auch auf das zunehmende Desinteresse und die vermehrte Kritik an der Entnazifizierung zurückzuführen, die im Zuge des einsetzenden Kalten Krieges aufkamen.243 Man mag sich fragen, wie es dazu kommen konnte, dass niemand in Ansbach, einer kleinen Stadt, in der man einander kannte, Bosls Selbstdarstellung, die ihn als entschiedenen Gegner des Nationalsozialismus porträtierte, der Anti-NSFlugblätter anklebte und in der Nacht vom 17. auf den 18. April die telefonische Kommunikation der deutschen Truppen zwecks Rettung der Stadt gekappt habe, hinterfragte. Vermutlich beruht dies darauf, dass den meisten Ansbachern diese umsichtig lancierte Selbstdarstellung überhaupt nicht zur Kenntnis kam. Da niemand von den Personen, die Bosl eidesstattliche Erklärungen gewährten, sein vorgebliches Flugblattverteilen und die Zerschneidung des Kabels erwähnt, ist 239 Siehe: Anhang 22f. Es ist bemerkenswert, dass die Kammer darauf verzichtete sich auf das von Horvay unterzeichnete Schreiben der Militärregierung zu berufen, das ja von weit größerer Bedeutung war als die Aussagen von Bosls Kollegen. Vermutlich lag das an den fehlenden Englischkenntnissen der Mitglieder der Spruchkammer. Eine Übersetzung ins Deutsche findet sich in der Akte nicht. 240 Bezüglich der Liste der Kategorien siehe: Anm. 210. 241 Bezüglich der Seltenheit der Entlastung siehe: Niethammer, Mitläuferfabrik, S. 603. Von den 2.500 Personen, deren Fälle von der Ansbacher Spruchkammer verhandelt wurden, wurden lediglich 59 als entlastet klassifiziert: Fitz, Ansbach unterm Hakenkreuz, S. 258. 242 Niethammer, Mitläuferfabrik, S. 407–415. Siehe auch Adenauers Gesuch, die Mitläufer in Frieden zu lassen: Herf, Divided Memory, S. 217, 221–223. 243 Bezüglich der Beurteilung, dass die Entnazifizierung trotz aller Mängel auf lange Sicht die angestrebten Ziele erreichte, da das zeitweilige Ausschalten der nominellen Nazis es den Anti-Nazis ermöglichte, eine führende Rolle in Deutschlands verwaltungstechnischem und politischem Wiederaufbau zu übernehmen und durch die kontrollierte Reintegration der Mitläufer das Aufkommen einer bitterlich ablehnenden Subkultur zu vermeiden, siehe: Konrad Hugo Jarausch, Die Umkehr: Deutsche Wandlungen, 1945–1995 (München 2004), S. 64–75.
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offensichtlich, dass Bosl diese angeblichen Taten nach dem Krieg nicht bekannt machte. Hätte er das getan, so wäre das in den eidesstattlichen Erklärungen sicherlich zum Ausdruck gekommen. Darüber hinaus hatte sich Bosl in seinen Unterlagen, die er der Spruchkammer vorlegte, bewusst nicht direkt mit diesen Taten in Verbindung gebracht, sondern es vorgezogen, sich auf Horvays Bescheinigung sowie auf Pospiechs Aussage zu berufen. Das sind die einzigen offiziellen Dokumente, in denen ihm diese Aktionen in direkter Art und Weise zugeschrieben werden. Tatsächlich mögen Pospiech und Horvay zu damaliger Zeit die einzigen Personen gewesen sein, denen gegenüber Bosl behauptete, dass er Flugblätter angeklebt und das Telefonkabel durchtrennt habe. Die pauschale Übernahme dieser Behauptungen durch die Spruchkammer war lediglich auf schriftlichem Weg erfolgt; es fand keine öffentliche Anhörung statt, was impliziert, dass die Einwohner Ansbachs keine Kenntnis über die Verhandlung hatten und ebenfalls nicht erfuhren, dass die Spruchkammer Bosl eine entscheidende Rolle bei der Rettung der Stadt zusprach. Horvay seinerseits hatte nicht nur Bosl, sondern auch die anderen Empfänger seiner unorthodoxen Bescheinigungen angewiesen, diese nur vorzuzeigen, wenn das unbedingt erforderlich war. Das mag auch bedeuten, dass die Spruchkammer die einzige Behörde Ansbachs war, der die Bosl ausgestellte Bescheinigung vorgelegt wurde (obwohl, wie wir sahen, die Kammer sie in ihrem Urteil gar nicht erwähnte).244 Daher wird auch verständlich, warum Hermann Dallhammer, ein ehemaliger Schüler Bosls, der 1993 eine ausführliche Geschichte der Stadt Ansbach publizierte, das Durchtrennen des Telefonkabels einem Mitglied der Gruppe um Bosl, nicht jedoch Bosl selbst zuordnete. Als wir Dallhammer die von Horvay ausgestellte Bescheinigung vorlegten, war er über die darin gemachten Aussagen überrascht. Hans Stützer und Herbert Frank, Mitglieder der Widerstandsgruppe um Limpert, waren darüber eindeutig verblüfft.
244 Siehe: Anm. 239.
5 Die Bosl-Legende und ihre zunehmenden Risse Bosls Versuch, sich selbst als Limperts Mentor hinzustellen, der dessen Anti-NSAktivitäten beeinflusste oder guthieß, war ziemlich erfolgreich. In dem 1946 gegen Oberst Meyer geführten Verfahren paraphrasierte das Gericht den von Herbert Frank verfassten Bericht bezüglich Limperts Zusammentreffen mit Bosl und Pospiech nur wenige Stunden vor dessen Hinrichtung, indem es schrieb: Limpert „suchte dann verschiedene Gesinnungsgenossen in ihrer Wohnung auf.“245 Der Ansbacher Archivar Adolf Lang, der 1970 einen Bericht über Limpert verfasste, für den er u.a. die schriftlichen Zeugenaussagen von Bosl, Hammer, Horvay und Pospiech heranzog, betonte, dass Limperts politische Haltung einschließlich seiner „Ablehnung“ des Nationalsozialismus „wesentlich gefördert [war] durch seine Lehrer Dr. Hans Schregle und Dr. Karl Bosl.“246 In ihrem 1983 veröffentlichten, bis heute detailliertesten Bericht über Limperts Aktivitäten sowie seine Exekution präsentierte Elke Fröhlich247 Schregle und Bosl als zwei von Limperts Lehrern, die mit ihm auch hinsichtlich seiner Ablehnung des Nationalsozialismus sympathisierten. Zudem erwähnt sie Bosl als eine Person, die „zu Limperts engstem Umkreis“ gehörte.248 Aus Franks Bericht zitiert sie wörtlich lediglich jene Passage über Limperts Zusammentreffen mit Bosl und Pospiech unmittelbar vor dessen Hinrichtung.249 Laut Fröhlichs Rekonstruktion traf sich Limpert für gewöhnlich fast täglich mit gleichgesinnten Klassenkameraden in dem kleinen Atelier eines „befreundeten Skulpturisten“ und Malers (gemeint ist Pospiech), doch Limpert habe sich als Einziger nicht mit dem Austausch von Ideen begnügt, sondern sei einen Schritt weitergegangen. Er sei zur Tat geschritten, dies im Alleingang. Er habe die Flugblätter verfasst, gedruckt und verbreitet und letztendlich sei er derjenige gewesen, der das Telefonkabel kappte. Zudem merkte sie an, dass das Telefonkabel keine Verbindung zwischen Meyers Gefechtsstand und den Wehrmachtstruppen in der Umgebung von Ansbach mehr dargestellt habe. Daher schlussfolgerte sie: Limpert „riskierte alles, ohne etwas zu bewirken.“250 245 Siehe: Justiz und NS-Verbrechen, S. 117–118. 246 Adolf Lang, „Robert Limpert, 1925–1945” [27. Juni 1970]. 247 Fröhlich, „Ein junger Märtyrer“, S. 228–257. Bosl stimmte zu, das bereits fertiggestellte Werk als Dissertation zu akzeptieren, hat die Arbeit der Autorin während der Anfertigung jedoch nicht betreut. Dr. Elke Fröhlich, persönliche Mitteilung, 26. Juli 2005. 248 Fröhlich, „Ein junger Märtyrer“, S. 229, 254. 249 Ebd., S. 244. 250 Ebd., S. 233, 246. Fröhlich stellt fest, Limperts Flugblattaktion sei „unseres Wissens die einzige, die es in Ansbach damals gab“, ebd., S. 234–235. Sie erwähnt nicht, dass Bosl eine eigene Verteilung von Flugblättern durchgeführt zu haben behauptete; hätte er das getan, so hätte sie das mit Sicherheit erwähnt. Persönliche Mitteilung, 26. Juli 2005.
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Bosl wurde in der 1986 veröffentlichten Studie von Hans Woller zur Gesellschaft in der Region Ansbach und Fürth unter amerikanischer Besatzung eine weitaus weniger bedeutsame Rolle zugeschrieben. Woller präsentierte Schregle als jenen Lehrer des Ansbacher Gymnasiums, um den sich eine kleine Gruppe von Intellektuellen, darunter auch Robert Limpert, geschart hatte. Bosl erwähnt er als Mitglied dieser Gruppe nicht (ebenso wenig andere Personen).251 Er beschäftigte sich jedoch – anhand der schriftlichen wie auch der mündlichen Aussagen Horvays – eingehender mit dessen Teilnahme an den wöchentlichen Zusammenkünften von Ansbacher Intellektuellen in der Nachkriegszeit und benannte auch konkret drei dieser Männer: Bosl, Schregle und Pospiech.252 Im Gegensatz zu Woller hielten die Ansbacher Historiker Hermann Dallhammer und Werner Bürger 1993 fest, dass Limpert zu der Gruppe um Dr. phil. habil. Bosl, Studienrat Heinrich Pospiech, Kaplan Georg Eckert, Studienprofessor Dr. phil. Fritz Schneider, Studienrat Anton Zahner, Wolfgang Hammer und Herbert Frank gehörte, „die nach eigenem Bekunden aktive Nazigegner waren.“253 Die Autoren wiesen weiter darauf hin, dass die vorstehend erwähnten Personen am 24. Mai 1945 bei Oberbürgermeister Schregle vorstellig wurden, um die Erlaubnis einzuholen, eine Broschüre über Limpert zu verfassen. Daraus ist zu ersehen, dass die Autoren die Namen der Personen um Limpert anhand der Namen der Unterzeichner des von Bosl konzipierten Memorandums zusammenstellten.254 Außerdem behaupteten sie, dass in der Nacht vom 17. auf den 18. April 1945 „jemand aus der bereits genannten Widerstandsgruppe um Dr. Bosl Leitungen um eine Kaserne durchschnitten [habe]“, ein Akt, der vermutlich am 18. April zum Tod von deutschen Soldaten bei Hennenbach, Egloffswinken und Wengenstadt, also im Norden und Nordosten von Ansbach, führte.255 Somit fand im Todesjahr von Bosl dessen Behauptung, Spiritus rector einer Ansbacher Widerstandsgruppe gewesen zu sein, Eingang in die Ansbacher Geschichtsschreibung.256 1994 fügte Diana Fitz ein weiteres Detail bezüglich Bosls Anti-NS-Aktivitäten hinzu. Nachdem sie eingehend Fröhlichs Bericht über Schregles und Bosls Sympathie für Limpert wiedergegeben hatte, fuhr sie fort, dass beide Lehrer auf Die Bosl-Legende und ihre zunehmenden Risse
251 Woller, Gesellschaft, S. 75. 252 Ebd., S. 66–67. Woller behauptet irrtümlicherweise (S. 66), dass Horvay Ungarn wegen seiner jüdischen Abstammung verlassen habe. 253 Hermann Dallhammer (in Zusammenarbeit mit Werner Bürger), Ansbach: Geschichte einer Stadt (Ansbach, 1993). S. 358. 254 Vgl. Anhang 10. 255 Dallhammer, Ansbach, S. 363. Dallhammer hörte die Geschichte von Pospiech: Persönliche Mitteilung, 7. November 2005. 256 Als Dallhammer das verfasste, hatte er keine Kenntnis von Bosls Rede Das Reich – es muß uns bleiben vom Dezember 1944. Dallhammer an Benjamin Kedar, 8. Februar 2006.
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Distanz zum Regime gegangen und einmal von Schülern „sogar beim Abreißen von Nazi-Plakaten“ beobachtet worden seien. Die Schüler hätten sie nicht denunziert, während die Lehrer als Gegenleistung ihre Biergelage nicht anzeigten ...257 Fitz entnahm diese Darstellung einem 1992 mit Horst Zeller geführten Interview, der bei Kriegsende gerade erst 16 Jahre alt war.258 (Falls dies wirklich in der von Zeller beschriebenen Weise geschehen sein sollte, so hätte Schregle von einer bei der Spruchkammer Ansbach-Stadt einzureichenden eidesstattlichen Erklärung zu Gunsten von Bosl kaum abgesehen.) Ebenfalls 1994 hielt Frank Horvay schriftlich fest, dass zwei Mitglieder der Ansbacher Untergrundgruppe an zwei verschiedenen Punkten die Telefonverbindungen der deutschen Truppen durchschnitten,259 was sich augenscheinlich auf Limpert und Bosl bezieht. Ferdinand Kramer war der Erste, der im Jahr 1999 eine korrekte, obschon kurz gehaltene und auf unzureichendem Quellenmaterial basierende Zusammenfassung der Aktivitäten Bosls während des Dritten Reiches vorlegte. Einen Teil der offiziellen Dokumentation heranziehend deckte Kramer auf, dass Bosl seit dem 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP war. Deshalb schlussfolgerte er, dass dessen Angaben im Spruchkammerverfahren, denen zufolge er zwischen Oktober 1933 und Juni 1938 kein Parteimitglied war, haltlos sind, wenngleich hingegen zutreffe, dass er in dieser Periode keine Mitgliedsbeiträge entrichtete. Kramer, der offensichtlich keine Kenntnisse über Bosls SA-Mitgliedschaft und über seine Arbeit für das „Ahnenerbe“ hatte, erwähnte jedoch dessen Mitgliedschaft in der NSV und im NSLB ebenso wie seine Aktivitäten in der Landesleitung Süd des Bundes Deutscher Osten in den Jahren 1935 bis 1938 und seine Position als Kreisverbandsleiter des Reichskolonialbundes in Ansbach ab 1939. Wolfgang Hammers 1988 publizierter Artikel260 veranlasste Kramer zur Aussage, Bosls Ansbacher Schüler hätten berichtet, dass er auf Distanz zum Nationalsozialismus gegangen sei. Die Aussagen im Spruchkammerverfahren, so schrieb Kramer, deuten auf eine Involvierung in Widerstandsaktivitäten in Ansbach in der Zeit vor dem Einmarsch der Amerikaner. Bosls 1945 in einem amerikanischen Journal veröffentlichter Artikel wertete Kramer als Beleg dafür, dass Bosl sehr schnell Kontakte zu den amerikanischen Besatzungsbehörden hergestellt habe, die ihm im September 1945 die Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit gestatteten. Im Januar 1948, so Kramer
257 Fitz, Ansbach unterm Hakenkreuz, S. 213. 258 Zeller wurde am 11. April 1929 geboren: Archiv des Gymnasium Carolinum, Bestand „Zeugnisentwürfe“ [F]. 259 Horvay, „Military Government“, S. 171. 260 Siehe: Anm. 140.
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weiter, habe die Spruchkammer Bosl als Mitläufer eingestuft, doch nach seinem Einspruch sei er zwei Monate später als Entlasteter klassifiziert worden.261 Im Jahre 2000 untersuchte Bernd-A. Rusinek in einer gründlichen Studie Bosls Aktivitäten im Forschungsprojekt Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte des „Ahnenerbes“ der SS. Er wies darauf hin, dass Bosls Bewerbung, als Mitarbeiter des Projekts angenommen zu werden, stattgegeben wurde, weil er bei dem bekannten NS-Historiker Karl Alexander von Müller promovierte. Rusinek verwies ferner darauf, dass in einer SD-Recherche Bosls Weltanschauung positiv bewertet wurde, er seine Habilitationsschrift vom „Ahnenerbe“ publizieren lassen wollte und am 16. und 17. Januar 1945 an einer Historikertagung im Geburtshaus Hitlers in Braunau am Inn teilnahm (und einen Vortrag hielt). Darüber hinaus belegte Rusinek ebenfalls, dass Spuren der Ideologie des „Ahnenerbes“ in dem Aufsatz Bosls, der aus der Mitarbeit an diesem Projekt 1949 hervorgegangen ist, noch deutlich sichtbar sind. Rusinek charakterisiert Bosl als einen „vorübergehende[n] Opportunist[en]“ der „bis Frühjahr 1945 ein bekennender Nationalsozialist gewesen ist.“262 2005 bekam Bosls umgearbeitete Biografie einen weiteren Riss. In einem scharfsinnigen Band zur Mittelalterforschung in der Bundesrepublik verwies Anne Christine Nagel Bosls Behauptung, dass er wegen seiner Distanz zum NSRegime im Winter 1944–1945 nicht zum Privatdozenten ernannt worden sei, in das Reich der Legende. Sie schrieb, dass dem bestimmt nicht so war, da Bosl der Partei bereits von der ersten Stunde an angehörte, Mitglied der SA und des NSLB war, verschiedene nationalpolitische Schulungslager leitete und an dem Forschungswerk „Wald und Baum“ des „Ahnenerbes“ der SS beteiligt war. Mit beißender Ironie zitiert sie aus einem der Tätigkeitsberichte, die Bosl beim „Ahnenerbe“ einreichte und in dem er seine „Waldwanderungen und Almbegehungen im Berchtesgadener Land“ als seiner ausstehenden Forschungsstudie „Lebensfrische“ verleihend beschrieb. Sie fügte dem hinzu: Er „bewahrte sich vor allem die eigene Lebensfrische und das über den 8. Mai 1945 hinaus. Indem er es – mit welchen Mitteln auch immer – verstand, die amerikanischen Bildungskommissare auf sich aufmerksam zu machen und sie von seinen Fähigkeiten zu überzeugen, gelangte er nach dem Zusammenbruch rasch wieder nach oben.“ Nagel hatte nicht die Erlaubnis bekommen, Einsicht in die Akten von Bosls Entnazifizierungsverfahren zu nehmen, doch sie nahm an, dass dieses Verfahren in Ansbach 261 Kramer, „Der Lehrstuhl“, S. 392. Bosls Mitgliedschaft in der NSDAP und seine Reklassifizierung als Entlasteter werden auch erwähnt von: Katharina Weigand, „Bosl, Karl“, in: Große bayerische biographische Enzyklopädie, Hrsg. Hans-Michael Körner und Bruno Jahn, Bd. 1 (München 2005), S. 210. 262 Rusinek, „Wald und Baum“, S. 345–351, einschließlich der Anmerkungen auf den S. 345, 347.
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stattgefunden habe, wo er bis November 1945 unterrichtete. Ohne Kenntnis der genaueren Details verspottete Nagel Bosls spätere Selbstverortung in die Reihen des Widerstandes.263 Werner Blessing, der bei Bosl an der Universität München studiert hatte, veröffentlichte 2009 eine sehr positive Bewertung des historischen Œuvres seines Mentors. Dennoch gestand er – in seinen wenigen Sätzen zur Zeit zwischen 1933 und 1945 – ein, dass Bosl „sich sichtlich für seine Karriere mehr auf die nationalsozialistischen Herren eingelassen [hat], als zum Überleben nötig war.“ Darüber hinaus bezweifelte Blessing, dass der Ansbacher Akademikerzirkel, dem Bosl angehört hatte, tatsächlich als Widerstandskreis zu bezeichnen war – zu einem solchen seien diese Männer erst in den späteren Ansbacher Schriften erhoben worden, um das heroische Bild der Stadt zu unterstreichen. (Die Behauptungen, die Bosl in dem 1990 mit ihm geführten Interview bezüglich seiner AntiNS-Aktivitäten aufstellte, werden von Blessing nicht erwähnt.) Letztlich kommt Blessing zu dem Schluss, dass Bosls schneller Aufstieg nach 1945 „schwerlich ohne Anpassung an die neuen Umstände, ohne Kompromisse und Verdrängung eigener Vergangenheit möglich war.“ Bosl habe das wohl, so mutmaßte Blessing, mit Hilfe von amerikanischen Offizieren bewerkstelligt, die sich seines großen Potenzials für den Wiederaufbau Bayerns bewusst waren.264 Im Januar 2011, als die englische Ausgabe unseres Buches im Druck war, veröffentlichte Matthias Berg einen Aufsatz, in dem er auf Bosls Mitgliedschaft im Stahlhelm aufmerksam machte und die Quellen über die Wiederbelebung seiner Mitgliedschaft in der NSDAP ebenso wie seine unveröffentlichten Briefe an Karl Alexander von Müller auswertete. Außerdem behandelte Berg Bosls Aktivitäten im Rahmen des „Ahnenerbes“ der SS. Er kam zum Schluss: „Seit seiner Promotion 1938 hatte Karl Bosl eine geradezu mustergültige Karriere als Nachwuchswissenschafter im Nationalsozialismus absolviert.“ Berg wies Bosls Behauptungen, dass er während des Dritten Reiches an Themen gearbeitet habe, die das Regime ausdrücklich bekämpft oder abgelehnt habe, als „zweifelsohne unzutreffend“ zurück. Was Bosls Behauptungen bezüglich seiner aktiven Beteiligung an antinationalsozialistischen Aktivitäten betrifft, so ist Berg der Ansicht, dass „der Wahrheitsgehalt offen bleiben“ muss.265
263 Nagel, Im Schatten des Dritten Reichs, S. 137–138. Siehe auch: Herde, „Michael Seidlmayer“, S. 241–248. 264 Blessing, „Karl Bosl“, S. 913–915. 265 Berg, „Lehrjahre“, S. 45–63, mit den Zitaten auf S. 58, 60.
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Karl Bosl war kein Nazi der ersten Stunde. Er trat der Partei erst am 1. Mai 1933 bei, am Stichtag, ab dem die NSDAP eine Aufnahmesperre für neue Mitglieder verhängt hatte.266 Aber er identifizierte sich bereits in den Jahren vor der Machtergreifung mit dem extrem rechtsgerichteten politischen Spektrum, wie sein freiwilliger Beitritt zum republik- und demokratiefeindlichen Stahlhelm 1929 oder 1930 eindeutig bezeugt. Später bewog ihn die Begeisterung für das mittelalterliche Reich, in der er erzogen worden war, eine Affinität der mittelalterlichen Reichsherrlichkeit zum Dritten Reich vorauszusetzen. Deshalb sollte man seine vielfältigen Aktivitäten im Rahmen des NS-Regimes nicht unbedingt als Zugeständ nisse an dieses Regime, als Ausdruck einer Anpassung oder eines Opportunismus betrachten, sondern auch die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass er sich mit der NS-Ideologie wenigstens teilweise identifizierte. Die genannten Aktivitäten – seit 1935 – schlossen ein: die Leitung, im Bund Deutscher Osten, von Schulungskursen und nationalpolitischen Lehrgängen, in denen er, wie auch als Redner auf vielen Parteiversammlungen und als Verfasser von „Südostdeutschen Lageberichten“, intensiv die sudentendeutsche Frage behandelte. Er war auch Mitglied in verschiedenen NS-Organisationen und besonders im Reichskolonialbund, dessen Vorstandsposten er im Ansbacher Landkreis zwischen 1939 und 1942 innehatte. Er verzierte seine Artikel zur mittelalterlichen Geschichte Deutschlands mit NS-Ausdrücken, forschte im Auftrag des „Ahnenerbes“ und war sehr darum bemüht, seine Habilitationsschrift unter der Schirmherrschaft dieser SS-Organisation zu publizieren. Im Dezember 1944, also wahrlich zu einem recht späten Zeitpunkt der NS-Herrschaft, hielt er eine mitreißende Rede, in der er bekundete, dass das deutsche Volk niemals des Kampfes um das Reich müde werde. Daher mag man Bosl zu jenen Männern und Frauen zählen, die nicht nur das Dritte Reich passiv ermöglichten, sondern durch ihr Wirken auch aufrechterhielten. Trotz dieses recht reibungslosen und mannigfaltigen Einreihens in den Mainstream des Dritten Reiches hat es den Anschein, dass Bosl seine Parteimitgliedschaft in seinem alltäglichen Leben nicht zur Schau stellte. In dem 1986 mit ihm geführten Interview behauptete Bosl, nur dann zu einer NS-Veranstaltung gegangen zu sein, wenn das unbedingt erforderlich gewesen sei.267 Diese Aussage ist wohl übertrieben, wenngleich sie teilweise durch die Erinnerungen von Herbert Frank gestützt wird, bei dem es sich um ein wahrhaftes Mitglied der LimpertGruppe handelte und der als Bosls Schüler auch noch sein Nachbar war. Frank 266 Siehe beispielsweise: Broszat, Der Staat Hitlers, S. 253. 267 Interview von 1986, S. 170.
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war überrascht, als er 2006 erfuhr, dass Bosl Parteimitglied war, da er ihn nie die Parteiuniform oder das Parteiabzeichen tragen oder gar an den wöchentlichen NS-Veranstaltungen teilnehmen sah. Er hatte Bosl als einen Mann in Erinnerung, der ganz in seiner Forschung aufging und in dessen Studierzimmer immer bis spät in die Nacht hinein das Licht brannte. Diese Erinnerungen klingen glaubwürdig, erst recht, da Frank seinen Unglauben darüber zum Ausdruck brachte, dass Bosl sich an Widerstandsaktivitäten beteiligte, und zudem betonte, dass Bosl seinen Weg zur Limpert-Gruppe erst nach dem 18. April 1945 gefunden habe.268 Daher mag man sich Bosl als dem Regime dienend vorstellen, entweder aus Überzeugung oder aber aus Anpassung oder gar einer Kombination aus beidem, dies in der Hoffnung, dass diese Dienste seiner wissenschaftlichen Karriere zuträglich sein würden, obschon er von tagtäglichen Manifestationen seiner Parteimitgliedschaft absah. Es ist möglich, dass Bosl – ein Mann, der selbst zugegeben hatte, zu Wutausbrüchen zu neigen –,269 von Zeit zu Zeit aufbrauste und in der Gegenwart von engen Freunden einige NS- oder Wehrmachtsaktionen kritisierte und dass er und seine Freunde derartige Bemerkungen nach dem 18. April 1945 aufwerteten und vorteilhaft auslegten, so dass daraus eine grundsätzliche Zurückweisung des Regimes wurde. Auf ähnliche Weise könnten Bemerkungen, die er als Lehrer im Unterricht gemacht haben mag, später als resolute Opposition zur Parteilinie interpretiert worden sein, dies entweder von ihm oder aber von einem ihm mit Bewunderung begegnenden Schüler. Bis zu diesen Punkt war Bosls Verhalten in keiner Weise außergewöhnlich. Es wurde erst dann äußerst ungewöhnlich, als er die Behauptung aufstellte, im Verlauf von mehreren Jahren aktiv in Anti-NS-Aktivitäten involviert gewesen zu sein und in der Nacht vom 17. auf den 18. April 1945 erfolgreich das getan zu haben, was Limpert am nachfolgenden Morgen nicht gelang: die Kommunikationsverbindungen der Wehrmacht zu kappen und somit Ansbach vor der sinnlosen Zerstörung zu bewahren. Man kann nicht mehr mit Sicherheit sagen, was Bosl in dieser Nacht tatsächlich gemacht hat. Doch es gibt gewichtige Gründe zu bezweifeln, dass er – wie von Horvay am 12. Januar 1946 beteuert – die Kommunikationskabel des deutschen Gefechtsstands kappte,270 oder – um Pospiechs Formulierung vom 15. November 1945 zu benutzen – „die Kabel um eine Kaserne“ durchschnitt.271 268 Interview mit Herbert Frank (Marnes-la-Coquette), 5. Mai 2006. Er starb am 14. Juli 2008. 269 Interview von 1986, S. 178–179; Horst Fuhrmanns Eloge in Karl Bosl. Eine Bibliographie, S. 10. Ähnlich Benjamin Kedars Interview mit Hermann Dallhammer, 25. Januar 2006. 270 Siehe: Anhang 18. 271 Siehe: Anhang 22c, Pospiechs Erklärung.
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Das ist umso unwahrscheinlicher, als kaum vorstellbar ist, dass Bosl bereits in der betreffenden Nacht wusste, wo sich damals der Gefechtsstand befand, oder sogar dass dieser in eine Kaserne verlegt worden war. Während seiner Vernehmung Ende Oktober 1945 sagte Oberst Meyer aus, er habe den Gefechtsstand am Abend des 17. April vom Schloss in die Gneisenau-Kaserne verlegt. Offensichtlich war der Gefechtsstand nur mit einer kleinen Einheit, bestehend aus wenigen Soldaten, besetzt und nahm ursprünglich bloß zwei Zimmer im Gebäude der Landesversicherung in der König-Ludwig-Promenade ein, zog dann in den Keller des Schlosses und am Abend des 17. in die Gneisenau-Kaserne.272 Der Umzug einer derart kleinen Einheit, die in zwei Zimmer passte, dürfte wohl kaum bemerkt worden sein. Und tatsächlich berichtete Polizeihauptwachtmeister Ernst Döhla im August 1945, dass er das Kabel, das Limpert zerschnitten hatte, kurze Zeit danach untersuchte und annahm, dass das Kabel „vermutlich in das Schlossgebäude hereinführte.“ Deshalb sei er ins Schloss gegangen, um den Vorfall dem Gefechtsstand zu melden. Dort jedoch traf er lediglich auf Zivilisten, die ihm erzählten, „dass der Gefechtsstand schon seit einigen Stunden von den Soldaten verlassen sei. Wo er sich zur Zeit befände, wüssten sie nicht.“273 Das beweist, dass sogar einem Polizeihauptwachtmeister unbekannt war, dass der Gefechtsstand aus dem Schloss verlegt worden war, und auch die von ihm befragten Zivilisten hatten keine Ahnung, dass die Soldaten bereits am Abend zuvor abgezogen worden waren. Außerdem wussten sie nicht, wohin man sie verlegt hatte. Auch Limpert wusste nicht, dass der Gefechtsstand aus dem Schloss ausgezogen war, denn sonst hätte er das dortige Kabel nicht zerschnitten. Sollen wir also annehmen, dass Bosl, der am der Gneisenau-Kaserne entgegengesetzten Ende der Stadt wohnte, im Gegensatz zu all diesen Personen bereits während der Nacht wusste, dass sich der Gefechtsstand jetzt in der Kaserne befand, und deshalb zur Kaserne ging, um dort das Kabel zu durchtrennen? Doch selbst wenn wir annehmen, dass Bosl irgendwie vom Umzug Kenntnis bekommen hatte und das Kabel tatsächlich durchschnitt, so blieb das ohne Auswirkungen auf den Gefechtsstand und auf die Fähigkeit von Oberst Meyer, mit seiner Truppe telefonisch Verbindung zu halten. Meyer erwähnt einen amerikanischen Einbruch entlang der Feuchtwangerstraße am 17. April zwischen 18.00 und 20.00 Uhr, der abgewehrt werden konnte. Er erwähnt zudem einen Mörser (21 Zentimeter), der im Laufe der Nacht auf den Einbruch angesetzt war. Ferner 272 Vernehmung des früheren Oberst Dr. Ernst Meyer, 26.–30. Oktober 1945. Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 73; siehe auch die Anklageschrift gegen Meyer u.a. ebd., Nr. 650/II, S. 144b. 273 Ernst Döhla, Bericht zur Sache Limpert, 30. August 1945. Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ II, Blatt 43 der Akten, zu S. 264.
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berichtet er vom amerikanischen Angriff am 18. April gegen 7.00 Uhr auf die Gneisenau-Kaserne und seine Begehung der unter seinem Kommando stehenden Front.274 Er erwähnt aber nicht, dass die Telefonverbindung auch nur zeitweise unterbrochen war. Deshalb können wir mit Sicherheit annehmen, dass es eine Rettung Ansbachs durch ein Zerschneiden des Kabels um die Kaserne, die Bosl für sich in Anspruch nahm,275 gar nicht gegeben hat. Auch die Darstellung, dass Limperts Durchtrennen der Telefonverbindung Ansbach vor der Zerstörung gerettet habe, so wie Bosl dies in seinem Memorandum vom 24. Mai 1945 hervorhebt, 276 ruht nicht auf dem Boden der Tatsachen. Fröhlich hält zurecht fest, dass Limperts Akt des Kabelkappens keinerlei Einfluss auf die militärische Lage hatte.277 Und tatsächlich verurteilte Meyer Limpert nicht zum Tode, weil er vom Kappen des Kabels hörte, sondern weil er erfahren hatte, dass Limpert jene Person war, die in den vorangegangenen acht Tagen eine große Zahl von „landesverräterlichen Anschlägen“ in Umlauf gebracht hatte, die einen „starken Eindruck auf die Bevölkerung gemacht“ hatten, so dass – wie er bei seiner Vernehmung im Oktober 1945 angab – wiederholte „Suchaktionen“ erforderlich gewesen waren.278 Trotzdem gab es in Ansbach Menschen, die im Sommer 1945 meinten, Limpert habe mit seiner Aktion die Stadt gerettet,279 was 274 Vernehmung Meyer, 26.–30. Oktober 1945. Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 73–74. 275 Siehe: Erklärung Pospiechs vom 15. November 1945 (Anhang 22c), Horvays Bescheinigung, 12. Januar 1946 (Anhang 18), Bosls Einspruch vom 24. Januar 1948 (Anhang 22c), Urteil der Spruchkammer Ansbach-Stadt vom 24. März 1948 (Anhang 22f), und das Interview vom 1986. 276 Anhang 10; Bericht des Augenzeugen Fritz Rupp, 29. August 1945. Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 37. 277 Siehe: Anm. 250. 278 Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 74–75. In seinem handschriftlich verfassten Todesurteil hielt Meyer fest: Limpert „ist als der Hersteller und Verfasser staatsfeindlicher Anschläge überführt und zum Tode durch Erhängen verurteilt.“ Nr. 650/II, S. 274. Oberregierungsrat Friedrich Bernreuther, der ranghöchste Zivilbeamte in Ansbach am 18. April 1945, sagte im Verfahren gegen Meyer im Oktober 1946 aus, dass er, als er von Limperts Akt des Kabeldurchtrennens von einem Offizier informiert wurde, erfuhr, „dass bereits von der Division mitgeteilt worden sei, dass der Täter zum Tode verurteilt worden und festzuhalten sei.“ Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/II, S. 289; Abschrift in Nürnberg, Staatsarchiv. Spruchkammer Ansbach-Stadt. B-96 (Bernreuther, Friedrich), S. 5. Sollte tatsächlich eine solche Anweisung von der Division erteilt worden sein, so hat sie Meyer mit Sicherheit nicht erreicht, der ausgesagt hatte, von Limperts Akt erst bei seiner Ankunft im Schloss erfahren und ihn erst zum Tode verurteilt zu haben, als ihm klar geworden war, dass Limpert der Autor der Flugblätter war. Hätte Meyer gewusst, dass die Division Limpert wegen des Kabeldurchtrennens zum Tod verurteilt hatte, so hätte er – wie so viele andere NS-Verbrecher – mit Sicherheit behauptet, mit Limperts Hinrichtung lediglich einen Befehl ausgeführt zu haben. 279 Siehe die Ansichten von Heinrich Wenig und Fritz Rupp, Anm. 160.
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als Hintergrund für die zuerst in Horvays Brief vom 16. September 1945 vorgebrachte Behauptung dienen konnte, dass ein anderer derartiger Akt – der von Bosl – den gleichen Effekt gehabt hatte. Wenn wir nochmals zu der Frage zurückkehren, was Bosl vermutlich in der Nacht vom 17. auf den 18. April getan hat, und diesbezüglich berücksichtigen a.) die augenfällige Unwahrscheinlichkeit, dass er vom Umzug des Gefechtsstandes in die Kaserne wissen konnte, b.) die erstaunte Reaktion zweier der wirklichen Gefährten von Limpert auf die Behauptung, Bosl hätte das Kommunikationskabel gekappt, c.) Bosls Zurückhaltung, seine Aktivitäten an die Öffentlichkeit zu bringen oder gar im Detail auf sie einzugehen, es sei denn, das hatte eine Auswirkung auf sein Entnazifizierungsverfahren, oder er wurde (wie im Rahmen des Interviews von 1986) diesbezüglich mit Nachdruck befragt, und d.) die Unkenntnis in Ansbach über Bosls Rettungstat, so kommt man zu der einleuchtenden Schlussfolgerung, dass Bosl in dieser Nacht nichts unternommen hat. Da Bosl jedoch wegen seiner NS-Vergangenheit und der erst kurz zuvor gehaltenen Rede Das Reich – es muß uns bleiben um seine Karriere oder sogar noch schlimmere Konsequenzen fürchten musste, scheint er relativ früh entschieden zu haben, sich in der Rolle eines langjährigen Widerstandkämpfers und des Spiritus rector der Ansbacher Gruppe zu inszenieren. Er konnte auf die Bereitschaft seines Freundes Pospiech bauen, für ihn zu attestieren, dass er sich an Anti-NS-Aktivitäten beteiligt und das Kommunikationskabel gekappt habe. Er musste allerdings ebenfalls davon ausgehen, dass die eigentlichen Gefährten von Limpert eines Tages dagegen halten konnten, von nichts dergleichen zu wissen. Deshalb mag er schon damals eine Erklärung vorgebracht haben, wie er sie 1979 schließlich in schriftliche Form fasste, nämlich dass die Ansbacher Aktivisten „einzeln handelten, um die anderen nicht zu gefährden“, wobei Pospiech als Verbindungsmann gedient habe,280 und eben dies der Grund war, warum Limperts Gefährten über seine Aktionen nicht Bescheid wussten. Für Bosl war die Ankunft Horvays in Ansbach ein unerwarteter Segen. Der junge Mann, der noch gar nicht so lange vorher amerikanischer Staatsbürger geworden war, ließ sich von Bosl in den Bann ziehen, übernahm ganz und gar dessen Geschichten über Widerstandsaktivitäten und Konzentrationslagerinternierung und half ihm, einen Artikel in den USA zu publizieren, der Bosl in die Reihen der Sprecher für ein neues, entnazifiziertes Deutschland stellte. Horvays kritische Haltung bezüglich der Entnazifizierungspolitik führte dazu, dass er ehemaligen Parteimitgliedern, die er als wichtig für den Aufbau eines neuen Deutschlands erachtete, ohne Autorisierung eine Bescheinigung ausstellte. Daher hatte er auch keine Bedenken, Bosl, den er als Vertreter der wahren deutschen Kultur 280 Bosl an Elke Fröhlich, 3. November 1979.
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ansah, den er in sein Anti-NS-Lehrerkomitee berief und dessen Anti-NS-Aktivitäten von Heinrich Pospiech, einem weiteren Mann, den er zu schätzen gelernt hatte, bestätigt worden waren, ein solches Schriftstück auszustellen. Horvays Bescheinigung spielte eine ausschlaggebende Rolle bei den Einsprüchen, die Bosl der Spruchkammer Ansbach-Stadt am 27. Dezember 1947 und am 24. Januar 1948 im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens einreichte, während Pospiechs Zeugenaussage bezüglich Bosls vermeintlichem Durchtrennen des Telefonkabels in der Nacht vom 17. auf den 18. April bei der Verhandlung am 24. März 1948 entscheidendes Gewicht zukam. Die damals ausgesprochene Entlastung erlaubte es Bosl, seine wissenschaftliche Karriere aufzunehmen und im Laufe der Zeit zu einer Koryphäe der bayerischen Kulturszene aufzusteigen. Als er am 18. Januar 1993 in München starb, wurde er im SPIEGEL als „freisinniger Sozialdemokrat“ gefeiert.281 Wie schneidet Bosl ab, wenn man seine Handlungen während des Dritten Reiches neben die seiner Kollegen der Nachkriegszeit an der Universität München stellt? Die meisten überstanden die Zeit mit wenigen Schandflecken. Alexander Schenk Graf von Stauffenberg war Professor für Alte Geschichte. Er gehörte zeitweise der SA an, wurde aber nicht NSDAP-Mitglied; er wurde von den vulgären und verbrecherischen Zügen des Regimes abgestoßen. Das setzte bei ihm anscheinend etwas früher ein, als bei seinem jüngeren Bruder Claus, der sich erst 1942 von Hitler abwandte und am 20. Juli 1944 ein fehlgeschlagenes Attentat auf Hitlers verübte. Wie andere Mitglieder der Familie wurde auch Alexander nach dem Attentat festgenommen und schließlich in Schönberg im Bayerischen Wald gefangengehalten.282 Seine Ehefrau Melitta war Physikerin und Flugzeug ingenieurin, die zu einer berühmten Testpilotin der Luftwaffe wurde. Sie war wegen ihres zum protestantischen Glauben übergetretenen jüdischen Vaters – die Mutter war „arische“ Protestantin – „Mischling ersten Grades“, konnte aber schließlich doch noch erwirken, als „deutschblütig“ eingestuft zu werden. Am 8. April 1945 wurde sie in der Nähe von Straubing von einem amerikanischen Jäger abgeschossen, als sie in einem kleinen Flugzeug unterwegs war, um ihren Ehemann im Gefängnis zu besuchen.283 Im April 1948 wurde Alexander von 281 Der SPIEGEL 4/1993, S. 202. 282 Siehe: Karl Christ, Der andere Stauffenberg. Der Historiker und Dichter Alexander von Stauf fenberg (München 2008); Peter Herde, „Geschichtswissenschaft in Würzburg vom Nationalsozialismus zum demokratischen Neubeginn“, Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter 75 (2012), S. 108–112. 283 Siehe: Gerhard Bracke, Melitta Gräfin Stauffenberg. Das Leben einer Fliegerin (München 2013 [1990]), und besonders: Thomas Medicus, Melitta von Stauffenberg. Ein deutsches Leben (Berlin, 2012).
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Stauffenberg zum ordentlichen Professor für Alte Geschichte an der Universität München ernannt und ersetzte Helmut Berve, den die US-Militärregierung wegen seiner rassistischen Publikationen aus dem Dienst entfernt hatte. Franz Schnabel, einer der namhaftesten deutschen Historiker des letzten Jahrhunderts, verlor 1936 seine Professur an der Technischen Universität Karlsruhe, da er einer der wenigen Historiker war, die sich mit der Weimarer Republik identifizierten. Schnabel hatte aktiv die Staatsregierung Baden unterstützt, die auf einer Koalition von Katholiken, Sozialisten und liberalen Demokraten aufbaute, weshalb er sich nicht nur den Zorn der Nationalsozialisten zuzog, sondern auch den Groll seiner konservativen nationalistisch gesinnten Kollegen wie Gerhard Ritter, der in einem offiziellen Gutachten nicht zögerte, Schnabel als Demokraten zu denunzieren, so dass seine Berufung an die Universität Würzburg im Jahr 1934 unterblieb.284 Schnabel, dessen Mutter französischer Herkunft war und der sich der historischen Tradition Frankreichs tief verbunden fühlte, war für die Mehrheit der deutschen Historiker inakzeptabel – dies vor wie auch nach 1945. 1944, als Deutschlands Reputation einen Tiefpunkt erreicht hatte, bemerkte John Harold Clapham, Präsident der Britischen Akademie, über Schnabels vier Bände Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert285 fest, dass sie „keinerlei Spuren der vorherrschenden Trugbilder von Treitschke oder des Dritten Reiches“ enthalten und der Autor „nicht unkritisch und perfekt gerecht (...)“ ist. „Er ist ein Deutscher, den ich gerne treffen möchte. Es ist meine Hoffnung (...), dass es genügend Männer wie ihn gibt und dass sie überleben, um solche Treffen und eine Wiedergeburt eines ehrlichen deutschen Gelehrtentums zu ermöglichen.“286 Die Mehrheit der Professoren der Universität Heidelberg waren 1946 anderer Ansicht, und eine merkwürdige Koalition von Personen, die von den Nationalsozialisten profitiert hatten, und Gelehrten wie der Philosoph Karl Jaspers, der seinen Lehrstuhl im Dritten Reich verloren hatte, verhinderte Schnabels Berufung zum Ordinarius für Neuere Geschichte. Der Demokrat der Weimarer Republik und das Opfer des NS-Regimes stand bei solch konservativen Nationalisten wie Hans Freiherr von Campenhausen, dem evangelischen Kirchenhistoriker und damaligen Rektor der Universität Heidelberg, nicht gerade hoch im Ansehen. Von Campenhausen schrieb in seinen Memoiren freimütig, dass er mit „Abscheu 284 Zu Schnabel siehe: Thomas Hertfelder, Franz Schnabel und die deutsche Geschichtswissen schaft: Geschichtsschreibung zwischen Historismus und Kulturkritik, 2 Bde., Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 60 (Göttingen 1998); Herde, Kontinuitäten, S. 71; Ders., „Geschichtswissenschaft in Würzburg”, S. 104–105. 285 Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, 4 Bde. (Freiburg/Br. 1929–37; viele Neuauflagen). 286 John H. Clapham, „Presidential Address, 12 July 1944“, Proceedings of the British Academy 30 (1944), S. 16–17 (hier übersetzt).
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die neuen demokratischen Klischees“ wahrgenommen und die Wahl zum Rektor lediglich unter der Bedingung angenommen habe, dass man ihn niemals dazu verpflichten würde, die Worte „Demokratie“ und „demokratisch“ zu benutzen.287 An der Universität München, an der die US-Militärregierung Nazi-Historiker aus den Positionen entfernt hatte, wurde Schnabel 1947 mit Freude aufgenommen. Max Spindler, Professor für Bayerische Geschichte, überstand die NS-Zeit ebenfalls ohne Brüche in seiner moralischen und religiösen Überzeugung. Er war im Ersten Weltkrieg Offizier gewesen und wurde nach seiner Verwundung mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet, was ihm einen gewissen Schutz gewährte. Zwei seiner Brüder waren im Krieg gefallen.288 Er erwog nie, Mitglied der NSDAP zu werden, und sah zugleich vorsichtig davon ab, die Behörden zu provozieren; er war auf eine möglichst minimale Kooperation mit ihnen bedacht. Seine freundliche und kooperative Persönlichkeit brachte ihm sogar den Respekt jener Kollegen ein, die das NS-Regime aktiv unterstützten. Dekan Wüst hielt in seiner Beurteilung vom 4. August 1939 fest: „Sein Wesen ist anständig, freundlich, nicht verschlagen“; zugleich kritisierte er, dass er „doch ohne besondere Tatkraft und Begeisterungsfähigkeit“ 289 [für NS-Aktivitäten] wäre. Er fügte des Weiteren hinzu, dass Spindlers Publikationen sehr solide seien, wenngleich es ihnen an Originalität mangelte. Außerdem kritisierte er seine Aktivitäten in einer katholischen Verbindung. Schließlich befürwortete Wüst, „zwar mit einigem Zögern“, ihm den Titel eines Professors zu verleihen. Trotzdem wurde Spindler nie zum ordentlichen Professor ernannt. Im August 1939 wurde er eingezogen und diente in einer Kavallerieeinheit. Infolge eines ernsthaften Reitunfalls wurde er zeitweilig freigestellt, unterrichtete weiter an der Universität München und wurde 1943 als Lehrstuhlvertreter für Geschichte an die Universität Jena berufen. Karl Astel, der damals als Rektor dieser Universität amtierte und ein berüchtigter rassistischer Professor der „menschlichen Erbforschung und Rassenpolitik“ war,290 informierte Spindler, dass man ihm unter der Bedingung eines Austritts aus der katholischen Kirche eine ordentliche Professur verleihen würde. Spindler wies 287 Hans von Campenhausen, Die „Murren“ des Hans Freiherr von Campenhausen. „Erinnerungen dicht wie ein Schneegestöber“. Autobiografie, Hrsg. Ruth Slenczka (Norderstedt 2005), S. 275, 286. Siehe die Anmerkungen von: Eike Wolgast, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 155 (2007), S. 631–633. 288 Das Folgende fußt auf der Personalakte Spindlers im Universitätsarchiv München. 289 Einschätzung von Wüst, 4. August 1939, ebd. 290 Zur Universität Jena in der NS-Zeit siehe: Kämpferische Wissenschaft. Studien zur Universi tät Jena im Nationalsozialismus, Hrsg. Uwe Hoßfeld, Jürgen John, Oliver Lemuth, Rüdiger Stutz (Köln–Weimar–Wien 2003); zu Astel, „Professor für menschliche Züchtungslehre und Vererbungsforschung“, später: „Menschliche Erbforschung und Rassenpolitik“, siehe: S. 62–82, 205–210 und passim.
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dieses Ansinnen zurück und bat in einem couragierten Brief an den Münchener Dekan Dirlmeier darum, sofort an die Universität München zurückberufen zu werden, da er Astels Forderung nicht akzeptieren könne.291 1946 wurde Spindler auf den Lehrstuhl für Bayerische Geschichte an der Universität München berufen. Nachfolgend baute er ein Studienzentrum für Landesgeschichte auf, dem Hunderte Publikationen entsprangen sowie mehr als 50 Bände kritischer Editionen von Urkunden und ähnlichen Quellen, die von Peter Acht, Professor für historische Hilfswissenschaften, herausgegeben wurden. Spindler war auch der Herausgeber des heute achtbändigen Handbuchs der bayerischen Geschichte,292 bislang die beste Publikation zur Geschichte einer deutschen Region. Im Jahre 1960 unterstützte er Karl Bosls erfolgreiche Bemühungen, seine Nachfolge in München anzutreten, was er später bitter bereute. Michael Seidlmayer, Dozent für Mittelalterliche Geschichte an der Universität München, erwies sich als immun gegen die NS-Ideologie.293 In einer katholischen Akademikerfamilie aufgewachsen – sein Vater war Richter –, hatte er sich auf die konziliarische Periode und die Geschichte von Spanien und Italien spezialisiert. Da er es ablehnte, der NSDAP beizutreten, und seine politische Kooperation auf ein Minimum beschränkte, war er bei den führenden NS-Professoren der Universität München unbeliebt und entging der Entlassung aus dem Amt nur knapp. Ihm wurde der Professorentitel verweigert, und er hatte keine Chance, auf ein Ordinariat an einer deutschen Universität. 1946 wurde er zum ordentlichen Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Würzburg berufen. Johannes Spörl, außerplanmäßiger Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Freiburg im Breisgau, wurde 1947 als ordentlicher Professor für mittelalterliche Geschichte an die Universität München berufen.294 Sein politisches Verhalten im Dritten Reich unterscheidet sich von dem von Stauffenberg, Schnabel, Spindler und Seidlmayer. Als prominentes und aktives Mitglied der katholischen Görresgesellschaft hatte Spörl keine wirkliche Anhänglichkeit für die NS-Ideologie demonstriert. In dem von ihm herausgegebenem Historischen Jahrbuch der Görresgesellschaft „war die Existenz des Nationalsozialismus kaum
291 Ich danke Prof. Andreas Kraus [†], einem Schüler Spindlers, für weiterführende Informationen (P. H.). Siehe ebenfalls: Ferdinand Kramer, „Max Spindler (1894–1986) und Karl Bosl (1908– 1993)“, S. 263–270. 292 Handbuch der bayerischen Geschichte, 8 Bde., Hrsg. Max Spindler (München 1967–2007, in verschiedenen Auflagen). 293 Siehe: Herde, „Michael Seidlmayer“, S. 205–260. 294 Siehe: Herde, Kontinuitäten, S. 50–54. Das Nachfolgende beruht auf den Personalakten in den Archiven der Universitäten Freiburg/Br. und München.
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zu spüren“.295 Als Dozent an der Universität Freiburg genoss er den Schutz der meisten seiner Kollegen, wenngleich er heftig von der nationalsozialistischen Studentenvereinigung attackiert wurde, die seine Gelehrtentätigkeit bereits 1936 als dem NS-Standard widersprechend charakterisierte und ihn für inkompetent einstufte, „was die Beschäftigung [...] mit der dauernden Erziehung und wissenschaftlichen Bildung“ von Studenten anging.296 Dank der Unterstützung des Dekans sowie des Rektors wurde er 1939 verbeamtet und 1940 – ohne dass dafür der NS-Dozentenbund konsultiert worden war und trotz des massiven Protests der Freiburger NSDAP-Ortsgruppe297 – zum Professor ernannt.298 Spörl machte dennoch einige Konzessionen. Um den Protest der NS-Studenten sowie der Partei zu beschwichtigen und die Herausgabe des Historischen Jahrbuchs vor der Einstellung zu bewahren, trat er 1934 der SA bei. Im Jahre 1940 wurde er nach einjähriger Wartezeit in die Partei aufgenommen.299 Das Jahrbuch konnte er allerdings nicht retten, die Herausgabe wurde 1944 eingestellt. Karl Bosls Verhalten unterschied sich demnach stark von dem vieler seiner späteren Münchener Kollegen.
295 Ursula Wiggershaus-Müller, Nationalsozialismus und Geschichtswissenschaft. Die Geschichte der Historischen Zeitschrift und des Historischen Jahrbuchs 1933–1945 (Hamburg 1998), S. 263. 296 Studentenschaft der Universität Freiburg/Br., 7. Januar 1936. 297 NSDAP Freiburg/Br. 11. und 17. September 1940. 298 Reichserziehungsministerium 3. Oktober 1939 (Berufung zum Dozenten), 17. September 1940 (Professorentitel). 299 Nagel, Im Schatten des Dritten Reichs, S. 27, Anm. 14.
Dokumente In den nachfolgenden Texten wurden in den Abschriften der Originaldokumente weder Zeichensetzungs- noch Rechtschreibfehler korrigiert.
Übersicht der Dokumente 1 Bosls NSDAP-Karteikarte 91 2 Bosls NSLB-Mitgliedskarte 94 3 Juni 1937: Die Regelung von Bosls NSLB-Status 95 3a Bosl an NSLB Kreis Ansbach, Erklärung der Lücke in seiner NSLBMitgliedschaft, 9. Juni 1937 95 3b NSLB Nürnberg an NSLB Bayreuth in derselben Angelegenheit, 15. Juni 1937 96 3c NSLB Bayreuth an NSLB Nürnberg in derselben Angelegenheit, 17. Juni 1937 97 3d NSLB Nürnberg an NSLB Bayreuth in derselben Angelegenheit, 25. Juni 1937 98 4 Januar–Juni 1938: Die Regelung von Bosls NSDAP-Status 99 4a Gutachten [höchstwahrscheinlich von Franz Xaver Schlemmer, Kreisleiter der NSDAP in Cham-Kötzting und Mitglied des Reichstags], 4. Januar 1938 99 4b Gutachten von J. Putz, Kreiswalter des NSLB in Cham, und F. X. Schlemmer, 6. Januar 1938 100 4c Beschluß des Mitgliedschaftsamtes der NSDAP, München, 14. Juni 1938 101 5 30. Juli 1938: Antrag auf Ernennung Bosls zum außerplanmäßigen Beamten (Auszüge) 103 6 13. September 1938: Bosl unterbreitet dem „Ahnenerbe“ der SS einen Bericht über seine politischen Aktivitäten 105 7 Bosl laut der Sicherheitsdienst-Recherche über die Bewerber für eine Mitarbeit am „Wald und Baum“-Projekt des „Ahnenerbes“ (undatiert) 106 8 30. August 1939: Das „Ahnenerbe“ empfiehlt Bosl dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv 107 9 13. Dezember 1944: Bosl, „Das Reich als politische Idee“ 108 10 24. Mai 1945: Memorandum an Dr. Hans Schregle, Oberbürgermeister der Stadt Ansbach 109
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11 24. Mai 1945: Herbert Frank, „Leben und Kampf Robert Limperts“ 113 12 Bericht von Herbert Frank zu den Aktivitäten der Ansbacher Gruppe 122 13 Sommer 1945: Heinrich Pospiech im Interview mit Captain Samuel Hutchison Beer 123 14 16. September 1945: Corporal Frank D. Horvay an Dr. Fred O. Nolte und Ehefrau 125 15 28. September 1945: Bosls Trauerrede anlässlich der Errichtung des Kreuzes auf Robert Limperts Grab 128 16 21. Oktober 1945: Bosl, „Das Wesen des wahren Deutschtums (historisch betrachtet)“ 133 17 18. Dezember 1945: Horvays Bescheinigung für Pospiech 139 18 12. Januar 1946: Horvays Bescheinigung für Bosl 140 19 8. Februar 1946: Horvay an Dr. Dietrich Gerhard 141 20 6. Mai 1946: Bosls Meldebogen 144 21 25. Juni 1946: Untersuchungsbericht des 2nd Lt. Ettlinger 146 22 Dezember 1947 bis März 1948: Das Verfahren vor der Spruchkammer Ansbach-Stadt 147 22a 27. Dezember 1947: Bosls Schreiben an das Tribunal 147 22b 21. Januar 1948: Bosl wird in die Gruppe der Mitläufer eingestuft 149 22c 24. Januar 1948: Einspruch Bosls gegen die Entscheidung des Tribunals einschließlich Pospiechs Erklärung 150 22d 26. Februar 1948: Aufforderung der Spruchkammer, weitere 153 Dokumentation vorzulegen Dokumente
22e 2. März 1948: Bosls Antwortschreiben an die Spruchkammer einschließlich sechs eidesstattlicher Erklärungen 153 I Dr. Fritz Schneider 154 II Anton Zahner 155 III Joseph Hölzl 156 IV Dr. Karl Wörle 157 V Kaplan Georg Eckert 158 VI Oskar Griebel 158 22f 24. März 1948: Bosl wird in die Gruppe der Entlasteten eingestuft 159
23 26. August 1986: Karl Bosl im Interview mit Benjamin Kedar
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Bosls NSDAP-Karteikarte
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1 Bosls NSDAP-Karteikarte
Dok. 1a: Bundesarchiv Berlin, NSDAP Zentralkartei, Akte zu Karl Bosl.
Dr. Sabine Dumschat vom Bundesarchiv Berlin erläuterte in einem an B. Kedar gerichteten Brief vom 27. Dezember 2006, die entscheidenden Abkürzungen wie folgt: Ausgetr. [agen:] Str[eichung gemäß Meldung des Gaues] Bayer. Ostmark 8/35/i35 [„35“ bezieht sich auf das Jahr 1935].
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Wiedereingetr. [agen] l[aut] M[eldung an] R[eichs] L[eitung durch Entscheid des Gaues] B[ayer.] Ostm[ark] v[om] 14.6. [19]38. Dokumente
Dr. Dumschat kam zu der folgenden Schlussfolgerung: „Man kann somit von einer ununterbrochenen Mitgliedschaft ausgehen.“ Bezüglich der Streichung von 1935, merkte sie an, dass dies auf unterschiedlichsten Gründen beruhen haben könnte, hier jedoch anzunehmen ist, dass Gründe mit bürokratischem/verwaltungstechnischem Charakter (wie ein Nichtentrichten von Mitgliedschaftsbeiträgen) – ableitbar aus anderen ergänzenden Belegen – die Ursache waren. Nachfolgend verwies sie in einem Schreiben vom 3. November 2006 auf die Bedeutung der NSLB-Akte Bosls.
Dok. 1b: Bundesarchiv Berlin, NSDAP Zentralkartei, Akte zu Karl Bosl.
Bosls NSDAP-Karteikarte
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Dok. 1c: Bundesarchiv Berlin, NSDAP Zentralkartei, Akte zu Karl Bosl. Das Datum unter Bosls Foto deutet darauf hin, dass ihm sein NSDAP-Mitgliedsbuch 1938 ausgehändigt wurde. Dr. Sabine Dumschat an Benjamin Kedar, 27. Oktober 2006.
Dok. 1d: Bundesarchiv Berlin, NSDAP Zentralkartei, Akte zu Karl Bosl.
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2 Bosls NSLB-Mitgliedskarte
Dok. 2: Bundesarchiv Berlin, BA-NSLB, Akte zu Bosl, Karl.
Juni 1937: Die Regelung von Bosls NSLB-Status
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3 Juni 1937: Die Regelung von Bosls NSLB-Status 3a Bosl an NSLB Kreis Ansbach, Erklärung der Lücke in seiner 3a NSLB-Mitgliedschaft, 9. Juni 1937 Bundesarchiv Berlin, BA-NSLB, Akte zu Bosl, Karl ABSCHRIFT
An die Kreisamtsleitung im Kreise Ansbach z.Hd. Herrn Körber
Ansbach, 9. Juni 1937.
Betrifft: Karteikarten. Da ich noch nicht weiß, wie lange ich hier bleibe, wundert es mich, daß ich hierher überweisen [sic] wurde, umsomehr als durch Versäumnisse, an denen ich keine Schuld trage, meine Mitgliederschaft beim NSLB noch nicht geklärt ist. Ich lege Ihnen im folgenden die Verhältnisse dar und bitte Sie höflichst meine Sachen weiter zu verfolgen. Karl Bosl, Stud. Ass. geb. am 11.11.08 in Cham/Bayer. Ostmark. Ich bin am 15.VIII. in Neuburg a.d. Donau dem NSLB beigetreten, wurde aber mit Ablauf der großen Ferien 1934 nach Weiden versetzt, wo ich mich anmeldete und meine Beiträge bezahlte. Am 8.I.35 kam ich nach Dillingen a.d. Donau, wo ich dasselbe tat. Am 2.IV.35 kam ich von dort nach Cham/Bayer. Ostmark, rückte aber am 25.IV. für 8 Wochen zum Militär ein und trat in Cham meinen Dienst erst am 1. September 1935 an, wo ich mich beim NSLB meldete, der meine Überweisung zu betätigen übernahm. Doch wurde das scheinbar vergessen, ich blieb ohne Nachricht. Als nun alle Kollegen dem NSLB beitraten, wurde mir plötzlich mitgeteilt, ich sei nicht Mitglied, was aber nicht aufrecht zu erhalten war. Ich wandte mich an die Kreisamtsleitung, die nun ihrerseits die Sache in Angriff nahm. Sowohl der Kreisamtsleiter wie ich selbst wandten uns an die Gauamtsleitung und Reichsleitung. Ich schrieb daß ich schuldlos ohne Nummer blieb, welches Versehen gütigst durch Verleihung einer meiner Eintrittszeit entsprechenden Mitgliedsnummer behoben werden möge. Darauf erhielt ich keine Antwort. In Cham aber habe ich die Arbeiten des Fachschaftsleiters II des NSLB Pg. Dr. Bell M.d.R. mitversorgt, habe auch im NSLB über Grenzlandfragen, speziell über Sudetendeutschtum gesprochen. Auf Einladung des Gauamtsleiters des Grenzlandamtes Dr. Süß Bay-
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reuth, spreche ich nun Ende Juni in der Gauschule Hohenberg a.d. Eger in zwei Vorträgen in einem Lehrgang d. NSLB. Das Gleiche geschieht Anfangs Juli. Wie mir dabei aber geschehen soll, weiß ich nicht. Ich wundere mich deshalb, daß meine Überweisung erfolgte, ohne daß meine Beziehungen geregelt sind. Die Nachzahlung meiner Beiträge sollte nach Erledigung erfolgen. Für Juni habe ich selbstverständlich hier in Ansbach an Kameraden Lösch bezahlt. Ich selbst bitte Sie nun höflichst, Ihrerseits der Sache nachzugehen, damit endlich nach vielen Schreibereien meine Sache geregelt wird. Mit besten Dank. Heil Hitler! gez. Karl Bosl Ansbach,/Mfr. Turnitzstr. 23/I.
3b NSLB Nürnberg an NSLB Bayreuth in derselben Angelegenheit, 15. Juni 1937 Bundesarchiv Berlin, BA-NSLB, Akte zu Bosl, Karl Nationalsozialistischer Lehrerbund Gauwaltung Franken Nürnberg, den 15. Juni 1937. An den N.S.-Lehrerbund Reichswaltung Abt. Kartei Bayreuth Haus der Deutschen Erziehung Zu der Überweisungsmeldung Karl B o s l, Stud. Ass. ohne Mitgliedsnummer, welcher von Cham nach Ansbach versetzt wurde, teilen wir Ihnen folgendes mit: Bosl kam am 2.4.35 nach Cham und hat seither in Cham n i c h t s bezahlt. Vorher hat er nach seinen beiliegenden schriftlichen Angaben die Beiträge in Dillingen und Weiden entrichtet. Bosl hat trotz seiner geschilderten Betätigung auf der Gauschule Hohenberg und als Schulungsleiter im „Bund deutscher Osten“ (s. beiliegende Karteikarte) bis heute keine Mitgliedskarte und
Juni 1937: Die Regelung von Bosls NSLB-Status
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keine Mitgliedsnummer. Auch die Kreisleitung Cham teilte uns mit, daß sie nichts von ihm hat. Wir bitten die Angelegenheit Bosl auf Grund seiner Darstellungen zu prüfen und ihm eine Mitgliedskarte zukommen zu lassen. Beiliegend erhalten Sie Abschrift eines Briefes vom 9. Juni von Bosl an die Kreiswaltung Ansbach. Heil Hitler! [nicht entzifferbare Unterschrift]
3c NSLB Bayreuth an NSLB Nürnberg in derselben Angelegenheit, 17. Juni 1937 Bundesarchiv Berlin, BA-NSLB, Akte zu Bosl, Karl An den NS-Lehrerbund Gauwaltung F r a n k e n N ü r n b e r g – W. Essenweinstr. 11 17.6.37 Wir bestätigen den Eingang Ihres Schreibens vom 15.10.37 [sic] betreff Überweisung des Stud. Ass. Karl B o s l von Cham Gau Bayerische-Ostmark, nach Ansbach Gau Franken. Wir stellen hierzu fest, daß Bosl auch in unserer Kartei ohne Nr. geführt wird. Um nun die Angelegenheit in Ordnung zu bringen, bitten wir Sie, uns eine Aufnahmeerklärung des Stud. Ass. K. Bosl zu senden, da wir ohne eine solche die Mitgliedskartei nicht ausstellen können. Wir werden dann Bosl, eine seinem Antrittstag entsprechende Nummer geben und Ihnen die Mitgliedskarte zusenden. Bemerken möchten wir noch, daß auf Grund der Angaben des Bosl, derselbe seit 1.9.35 keine Beiträge zum N.S.L.B. mehr entrichtet hat. Von dieser Zeit ab wären also die Beiträge nachzuzahlen. Wir bitten Sie, diesem Kollegen Mitteilung und diesbez. Nachricht zukommen zu lassen. Heil Hitler! I.A.
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3d NSLB Nürnberg an NSLB Bayreuth in derselben Angelegenheit, 25. Juni 1937 Bundesarchiv Berlin, BA-NSLB, Akte zu Bosl, Karl Nationalsozialistischer Lehrerbund Gauwaltung Franken Nürnberg, den 25. Juni 1937. An den N.S.-Lehrerbund Reichswaltung Abt. Kartei Bayreuth Haus der Deutschen Erziehung Ihr Schreiben vom 17.6. Betr. Bosl. Beifolgend erhalten Sie den gewünschten Aufnahmeschein für B o s l. Wir bitten um baldige Zusendung einer Mitgliedskarte. Was nun die Beitragsnachzahlung anbelangt, so bittet Bosl ihn nicht als Halbzahler sondern als Teilzahler einzuschätzen. B. kann nichts dafür, dass seine Sache so verzögert wurde, er hat sich wiederholt bemüht die Angelegenheit in Ordnung zu bringen, auch die Kreisleitung Cham weiss das. Bosl bekam auch während seiner 2 monatlichen Militärzeit keinerlei Gehalt bezahlt. Wir bitten um einen umgehenden diesbezüglichen Bescheid. Heil Hitler! [nicht entzifferbare Unterschrift] [handschriftlicher Zusatz:] Sept. 35 mit April 37 als Teilz. nachbelastet
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4 Januar–Juni 1938: Die Regelung von Bosls NSDAP-Status 4a Gutachten [höchstwahrscheinlich von Franz Xaver Schlemmer, Kreisleiter 4a der NSDAP in Cham-Kötzting und Mitglied des Reichstags], 4. Januar 1938
Dok. 4a: Bundesarchiv Berlin, BDC/PK Karl Bosl, Nr. 94
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4b Gutachten von J. Putz, Kreiswalter des NSLB in Cham, und F. X. von 4b Schlemmer, 6. Januar 1938
Dok. 4b: Bundesarchiv Berlin, BDC/PK Karl Bosl, Nr. 92
Januar–Juni 1938: Die Regelung von Bosls NSDAP-Status
4c Beschluß des Mitgliedschaftsamtes der NSDAP, München, 4c 14. Juni 1938
Dok. 4c (1): Bundesarchiv Berlin, BDC/PK Karl Bosl, ohne Nr.
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Dok. 4c (2): Bundesarchiv Berlin, BDC/PK Karl Bosl, ohne Nr.
30. Juli 1938: Antrag auf Ernennung Bosls zum außerplanmäßigen Beamten
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5 30. Juli 1938: Antrag auf Ernennung Bosls zum 5 außerplanmäßigen Beamten (Auszüge) 30. Juli 1938: Antrag auf Ernennung Bosls zum außerplanmäßigen Beamten
Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München: Akte Reichsstatthalter 1708 zu Karl Bosl Nr. X 45164
München, den 30. Juli 1938
Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus München I, Brieffach. An den Herrn Reichsstatthalter in Bayern. Betreff: Personalverhältnisse. In der Anlage beehre ich mich den Antrag auf Ernennung des Studienasses sors am hum. Gymnasium Ansbach Beilagen: 1 Antrag Karl B o s l 1 Urkunde, zum außerplanmäßigen Beamten samt 1 Personalakt, den nötigen Unterlagen mit der Bitte um 1 Beurteilung. Genehmigung zu übermitteln. I.V. [nicht entzifferbare Unterschrift] [Auszüge aus dem Fragebogen:] 1. Familienname Bosl Vor- (Ruf-) Name Karl Geburtstag 11.11.08 Geburtsort Cham 2. Beamtenstellung a) jetzt Studienassessor im Vorbereitungsdienst am hum. Gymnasium Ansbach b) künftig außerplanmäßiger Beamter Planstelle sofort verfügbar!
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Dienstlicher Wohnsitz Wohnungen seit 1. Januar 1932 April 1932 – Oktober 1933 Oktober 1933 – Januar 1934 Januar 1934 – August 1934 September 1934 – Dezember 1934 Januar 1935 – April 1935 April 1935 – April 1937 ab 12. 4. 1937
10. Militärverhältnis
Ansbach Obermedlingen Cham Neuburg a.d. D. Weiden Dillingen Cham Ansbach Res. Offiz. Anwärter im 17. f.A.R.
11. Mitglied der NSDAP? ja Seit wann? 1.5.1933 Mitglieds-Nr. 1884319 Ämter in der Partei? --- Dienstrang und Führerstelle in SA, SS, NSFK, HJ usw. SA 8.7.1933–1934, Mitglied des NSLB, des RLB u. der NSV 12. Welchen politischen Parteien und Verbänden hat der Beamte früher angehört und wie lange? (Ämter?) Stahlhelm 1930–31 – 1933. Zu Nr. X 45164. Beurteilung des Studienassessors im Vorbereitungsdienst Karl B o s l nach dem Erlaß des Herrn Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung v. 30.8.37 Z II a Nr. 3664 (a). Studienassessor Bosl steht fest auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung und hat dem Dritten Reiche durch seine ausgedehnte Tätigkeit in der Bayerischen Ostmark sehr wertvolle Dienste geleistet. Mit sehr guten Kenntnissen, besonders in der Geschichte, ausgestattet ist er aufs eifrigste bemüht, sie fortwährend zu erweitern. Er faßt seinen Dienst sehr ernst auf, hält strenge Zucht und Ordnung und erzielt gute Erfolge. Sein Auftreten ist sehr sicher und gewandt. Zu rühmen ist auch seine große rednerische Gewandheit. Seine Kameradschaftlichkeit hat ihn rasch im Lehrerkollegium beliebt gemacht. In der letzten Zeit hat er die Besondere Prüfung und die Doktorprüfung mit sehr gutem Erfolge bestanden; außerdem hat er kürzlich seine zweite militärische Übung abgeleistet.
13. September 1938: Bosl unterbreitet dem „Ahnenerbe“ der SS einen Bericht
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So kann Studienassessor Karl Bosl als eine in jeder Beziehung sehr wertvolle Kraft bezeichnet werden.
6 13. September 1938: Bosl unterbreitet dem „Ahnenerbe“ 6 der SS einen Bericht über seine politischen Aktivitäten Bundesarchiv Berlin, BDC-DS Ahnenerbe, Akte zu Karl Bosl, S. 114a-115b (Datum auf S. 120) 13. September 1938: Bosl unterbreitet dem „Ahnenerbe“ der SS einen Bericht
Meine politische Tätigkeit begann ich 1929/30 als Stahlhelmer in München. Seit 1. Mai 1933 bin ich Mitglied der NSDAP (Nr. 1884319) und gehörte auch der SA an. Seit 1935 bin ich Schulungsleiter im Bund Deutscher Osten (Landesgruppe Bayerische Ostmark und Süd) und habe auf die Behandlung der sudetendeutschen Frage sehr viel Zeit verwandt. Als Leiter von Schulungskursen und Nationalpolit. Lehrgängen, als Redner in vielen Versammlungen (Partei und NSLB), als Verfasser von „Südostdeutschen Lageberichten“ lenkte ich schon seit geraumer Zeit deutsche Volksgenossen auf das Studium des Sudetendeutschtums, das ich auch aus eigener Erforschung durch Reisen kenne. Ich freue mich, daß gerade diese meine Arbeit und mein umfassendes Studium des sudetendeutschen Problems von Erfolg gekrönt ist. Als Schulungsleiter war ich auch Mitarbeiter im Grenzlandamt des Gaues bayerische Ostmark. Ich bin auch Mitglied der NSV, NSLB, RLB. Von Mai bis Juli 1938 habe ich die Unteroffiziersübung bei AR 17 und AR 53 abgeleistet. In Ansbach bin ich ausserdem Mitglied des HJ als Verbindungsmann zu den Schulen. Heil Hitler! Karl Bosl Studienassessor Ansbach Mfr. Lessingstr. 7/0
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7 Bosl laut der Sicherheitsdienst-Recherche über die 7 Bewerber für eine Mitarbeit am „Wald und Baum“-Projekt 7 des „Ahnenerbes“ (undatiert) Bosl über die Bewerber für eine Mitarbeit am „Wald und Baum“-Projekt
Dok. 7: Bundesarchiv Berlin, NS 21/566
30. August 1939: Das „Ahnenerbe“ empfiehlt Bosl
8 30. August 1939: Das „Ahnenerbe“ empfiehlt Bosl 8 dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv 30. August 1939: Das „Ahnenerbe“ empfiehlt Bosl
Dok. 8: Bundesarchiv Berlin, NS 21/336
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9 13. Dezember 1944: Bosl, „Das Reich als politische Idee“
Dok. 9: Fränkische Zeitung, Amtliches Organ der NSDAP, S. 3
24. Mai 1945: Memorandum an Dr. Hans Schregle
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10 24. Mai 1945: Memorandum an Dr. Hans Schregle, 10 Oberbürgermeister der Stadt Ansbach
Dok. 10a: Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg, Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650-1, S. 3
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Dok. 10b: Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg, Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650-1, S. 4
24. Mai 1945: Memorandum an Dr. Hans Schregle
Dok. 10c: Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg, Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650-1, S. 5
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Dok. 10d: Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg, Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650-1, S. 6
24. Mai 1945: Herbert Frank, „Leben und Kampf Robert Limperts“
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11 24. Mai 1945: Herbert Frank, „Leben und Kampf 11 Robert Limperts“ 24. Mai 1945: Herbert Frank, „Leben und Kampf Robert Limperts“
Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg, Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/I, S. 7–13 Im Jahre 1936 wurde das „Staatsjugendgesetz“ erlassen. Die Hitlerjugend wurde zur allein anerkannten Jugendorganisation erhoben, ein Tag der Woche wurde zum Staatsjugendtag erklärt, die Schule wurde unter Kuratel der H.-J. Führer gestellt, die H.J. bestimmte das Schicksal der deutschen Jugend. Nichtmitglieder wurden vom Besuch der Hochschule ausgeschlossen, ein Fortkommen im 3. Reich war für sie unmöglich. Robert Limpert war einer der wenigen, vielleicht der einzige Schüler des Ansbacher Gymnasiums, der nicht bei der H.J. war. Limpert, der, statt in die Versammlungen und vormilitärischen Übungen der H.J., in die Kirche ging, ministrierte und unablässig für die Kirche arbeitete, mußte bald diese Unbotmäßigkeit gegen die allmächtige Partei spüren. Schon damals, in den Jahren 1937/38 wurde er von der Gestapo bespitzelt, verfolgt, ja sogar photographiert. In der Schule blieb er zuerst unangefochten. Infolge seiner glänzenden Geistesgaben war er der Primus der Klasse und erwarb sich dadurch das Wohlwollen der Lehrer. In den folgenden Jahren, den Jahren des Erwachens eines selbstständigen Urteils und dem damit verbundenen Sehen des bisher nur gefühlten Unrechts, der Korruption, überhaupt des ganzen Wahnwitzes der nationalsozialistischen Lehre, wurde es anders. Sein Temperament, seine Weltanschauung, sein Pflichtbewußtsein gestatteten Limpert nicht zu schweigen. Er mußte handeln, den Leuten zeigen, daß es noch Geister gab, die sich nicht einschrecken oder stumm machen liessen. In seinen Schulaufsätzen, im Unterricht, in der Debatte mit den Lehrern nahm er kein Blatt vor den Mund, Selbst den reaktionären Rektor des Gymnasiums, den Klass[en]leiter, griff er an, bewies ihm vor der ganzen Klasse die Fälschungen und Lügen, mit denen uns einige korrupte Lehrer erzogen. Dieses mutige Auftreten, das Blosstellen der Professoren war einer der wesentlichsten Gründe, weshalb Limpert im Dezember 1943 von der Anstalt entlassen wurde. Partei und Gestapo versuchten ihm das Erreichen des Abiturs unmöglich zu machen. Als dies nicht gelang, verweigerte man ihm wenigstens den Zutritt zu den deutschen Universitäten und hoffte ihn damit zu erledigen. Man wird heute kaum noch den schweren Stand Limperts begreifen, in den ihn diese Dimission brachte. Der Verstoß von der Schule, der [H]aß seines Rektors, die Verfolgung des Bannführers der H.J., die Beschäftigung der Gestapo mit ihm, die erwarten ließ, daß er täglich in ein K.Z. überführt würde, all dies
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belastete ihn mit dem Odium des Verbrechers, dessen Umgang gefährlich und zu vermeiden ist. Er stand damals fast allein. Nur ein kleiner Kreis von Freunden und Gesinnungsgenossen, der später unter seiner Führung als aktive antinazistische Organisation bis zur Befreiung der Stadt kämpfte, verließ ihn nicht. Trotzdem ließ sich Limpert nicht entmutigen; er versuchte in der Schweiz zu studieren. Da er Mitglied der Schweizer „Jerusalemgesellschaft“, Mitglied der „vorderasiatischen“ und der „morgenländischen Gesellschaft“ war, knüpfte er mit verschiedenen Schweizer Persönlichkeiten, darunter Prof. Baumgarten, Chef der „Partei der Arbeit“, und Jakub Kadri, türkischer Gesandter in Bern, Beziehungen an und korrespondierte lange mit ihnen. Leider mißlang auch dieser Versuch in die Schweiz zu fliehen, nach monatelangen Bemühungen. Robert Limpert führte den Kampf gegen den Nazismus als Idealist. Er erhoffte für sich von der langersehnten Befreiung nichts weiter als die Zulassung zu der heißersehnten Wissenschaft. Er wollte wohl später, wie er mir gegenüber, er war mein bester Freund, äußerte, als Orientspezialist in den auswärtigen Dienst seines Vaterlandes treten, oder als freier Forscher die wissenschaftliche Laufbahn des Dozenten ergreifen. Die politische Aufgabe der Zukunft, für die er sich persönlich verantwortlich fühlte, sah er darin, mitzuarbeiten an dem geistigen Wiedererwachen des deutschen Volkes, an der Neubelebung und Förderung des christ-katholischen Ideals, aber auch an der Lösung der großen sozialen Frage. Eine christlich-soziale, geistig freie, kulturell blühende europäische Nation war das Ziel, für das Robert Limpert kämpfte. Am 7. April 1945, dem Tag meiner Genesung, nahm Robert Limpert den aktiven Kampf gegen den Nazismus wieder auf, nachdem wir beide schon 1943 und 1944, als Beitrag zum öffentlichen Kampf gegen die Nazis eine Reihe antinazistischer Flugblätter in Zügen angeklebt, in Ansbach eine große Zahl nazistischer Plakate entfernt und eine Reihe von Stürmer- und Parteikästen zerstört hatten. Limpert fertigte damals mit meinem Vervielfältigungsgerät 50 Flugblätter ungefähr folgenden Inhalts: Ansbacher ! Die Heere der Alliierten haben in unvergleichlichem Siegeszug den Atlantikwall durchbrochen, ganz Frankreich erobert, den Westwall erstürmt und stehen nun tief in Deutschland. Der Krieg, der allein von Hitler angezettelt wurde, ist verloren! Jeder weitere Kampf ist sinnlos!
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Er kostet unnötiges Blutvergießen, das Blut eurer Männer und Söhne! Durch jeden Tag weiterer Kriegsverlängerung, werden neue Städte zerstört, neue Landstriche verwüstet und damit der Wiederaufbau unmöglich gemacht. Darum: Macht Schluß mit dem Krieg in Ansbach! Gehorcht den Bonzen nicht mehr! Reißt die Panzersperren nieder und hißt die weiße Fahne, wenn die alliierten Panzer kommen! Das Sekretariat der vereinigten 6 antinazistischen Parteien Ansbachs.1 Diese 50 Flugblätter klebte er in der Nacht von 7./8. April – mit Hans Stützer – in Ansbach, an Parteikästen, Schaufenstern, Kirchentüren und Plakatwänden an. Obwohl er in dieser Nacht beim Plakatankleben von einem Volkssturmmann mit dem Gewehre verfolgt wurde, obwohl er die ganze Nacht nicht zum Schlafen kam, erschien er bei mir am Sonntag, 8. IV., und schlug vor, neue Flugblätter zu schreiben. Ich entwarf nun den Text eines neuen Flugblattes, nach folgender Art, schrieb es auf Matritzen und übergab es Limpert, der dann davon bei sich zuhause 100 Exemplare vervielfältigte.
1 Ein Vergleich des Flugblattes (vorstehend, Abbildung 2, S. 32) mit Franks Wiedergabe beweist, dass er die Kernaussage der Argumentation von Limpert richtig erinnert, wenngleich nicht im exakten Wortlaut.
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Ansbacher! Niemand befolgt den neuen Zwangsbefehl der Nazis! Bleibt in euren Häusern! Prügelt die Bonzen aus der Stadt! Laßt s i e die Panzergräben schaufeln! Wir alle wollen unsere, noch bisher verschonte Stadt vor der Zerstörung retten. Keiner will seine Wohnung, sein Hab und Gut, seine Familie dem Phosphorregen alliierter Bomber aussetzen. Deshalb gibt kein Ansbacher einen Schuß ab. Wenn die alliierten Panzer kommen: Die weißen Fahnen raus! Ansbach wird nicht verteidigt! Tod den Nazihenkern! 100 Flugblätter dieses Textes klebte er in der Nacht vom 14./15. April allein in der Stadt an. Dabei entfernte er auch die im Flugblatt gemeinten Aufrufe, die das Aufgebot ganz Ansbachs zum Schaufeln eines Verteidigungswalles befahlen. Nichtbefolgung: Todesstrafe durch den Strang! Es ist das Verdienst Robert Limperts, daß fast kein Ansbacher diesen Ukas las, und niemand bei den Sammelstellen erschien. Daraufhin wurde der Wall nicht geschaufelt! Nach einer Nacht, in der er unter Lebensgefahr geklebt hatte, suchte mich Limpert am Sonntag, 15. IV., auf und bat mich, nochmals ein Flugblatt zu verfassen. Von dem neuen Flugblatt, dessen Matritzen ich ihm gab, druckte Limpert bei sich daheim 200 Stück.
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Ansbacher! Amerikanische Panzer sind in Nürnberg eingedrungen! Erlangen, Neustadt a/A., Oberdachstetten, Rothenburg, Schillingsfürst sind erobert. Die alliierten Panzer sind täglich in Ansbach zu erwarten! Jede Stadt, die Widerstand leistete, wurde zerstört und dann doch genommen! Denkt an Marktbreit! Wir wollen unsere Stadt nicht in Grund und Boden schießen lassen! Wenn die amerikanischen Panzer kommen: Weiße Fahnen raus! Wir verteidigen Ansbach nicht! Tod den Nazihenkern!2 Diese 200 Plakate, dazu 300 Flugzettel mit der Aufschrift: Wir verteidigen Anbach nicht! Tod den Nazihenkern! und etwa 25 alliierte Flugblätter („Nachrichten für die Truppe“ und „Reden Roose velts und Churchills“) klebte Limpert – mit Wolfgang Hammer – unter ziemlichen Schwierigkeiten in der Nacht vom 16./17. April wieder in der Stadt an. Der Erfolg war beträchtlich. Die NSDAP ließ bekanntmachen, wenn nochmals Flugblätter angeschlagen sind, würde über Ansbach der Belagerungszustand verhängt werden. Am Dienstag Vormittag, 17.IV., besuchte mich Robert Limpert zum letzten 2 Der Text des Originalflugblattes (Abbildung 3, S. 34) weicht in einigen Einzelheiten von Franks Rekonstruktion ab.
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Male. Er berichtete über seine nächtliche Tätigkeit, über den großen Erfolg und die Wirkung, über die Pläne einer Gruppe aktivistischer Antinazisten und sprach die Hoffnung aus, die Amerikaner sollten abends bereits die Stadt erobert haben. „Wenn sie noch nicht da sind“, so waren seine letzten Worte zu mir, „werde ich am Mittwoch Mittag wieder herkommen, wenn ich nicht unter den Toten weile.“ Dieser Ausspruch beweist wohl, daß sich Limpert volkommen der Gefährlichkeit und der Tragweite seiner Handlungen bewußt war und daß er bereit war, wenn nötig, im Kampf gegen den Nazismus und für seine Heimatstadt sein Leben zu opfern. Am Mittwoch früh, den 18. April 1945, drangen aus dem Schloßkeller verschiedene Gerüchte in die Stadt, u.a. des Inhalts: „Der Kreisleiter sei mit verschiedenen Ortsgruppenleitern geflohen, die Gestapo habe in der Nacht die Stadt verlassen, die SS wäre ebenfalls abgezogen worden, ebenso sei der Kampfkommandant verschwunden und fast kein Militär mehr in der Nähe.“ Da Limpert wußte, daß amerikanische Panzer bereits in der Dombachsiedlung standen, glaubte er nun sei die Stunde des Handelns gekommen. Er ging in der Frühe aufs Rathaus, nachdem er sich von den Eltern mit den Worten verabschiedet hatte, „er wolle ein gutes Werk tun“, und forderte Bürgermeister Böhm auf, die Stadt zu übergeben. Nach anfänglichem Sträuben willigte er ein und beauftragte Limpert, um 10 Uhr die Stadt an der Gneisenaukaserne zu übergeben. Limpert suchte daraufhin Herrn Studienrat Pospiech in der Würzburgerstraße auf, um ihm die Dinge mitzuteilen. Da jedoch Pospiech nicht in seiner Wohnung war, begab sich Limpert ins Gymnasium, um Herrn Dr. Bosl anzutreffen. Unterwegs versammelte er die Leute auf der Straße um sich, teilte ihnen mit, die Stadt würde übergeben, forderte sie auf, die weiße Fahne zu hissen. Leute, die noch äußerten, weiterkämpfen zu wollen wurden von der erregten Menge fast verprügelt; es war geradezu ein Volksaufstand, den Limpert entfacht hatte. Im Keller des Gymnasiums traf Limpert Herrn Dr. Bosl, teilte ihm das Vorgefallene mit und ließ sich den Aufenthaltsort von Pospiech sagen. Pospiech fand er im Luftschutzkeller „Raab.“ Er berichtete auch ihm die Ereignisse und wollte sich auf den Weg zur Kaserne machen, als Kreishandwerksmeister Eschenbacher verkündete, der Kampfkommandant Oberst Meier wolle die Stadt nicht übergeben. Auf dem Wege in die Stadt zurück begegnete Limpert Oberst Meier und fragte ihn, ob nun endlich die Stadt übergeben würde; Meier antwortete wütend: „Nein, die Stadt wird bis zum Letzten verteidigt!“ Daraufhin faßte Limpert den Entschluß, das Kabel, das den Gefechtsstand des Kampfkommandanten mit der kämpfenden Truppe verband, durch das er ständig Befehle zum Weiterkämpfen gab, zu durchschneiden und somit Oberst Meier im Schloßkeller zu isolieren, unschädlich zu machen. Er durchschnitt das Kabel gegen 11 Uhr auf der Promenade, wobei er von zwei Hitlerjungen (Rei-
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chert, Reuterstraße) gesehen wurde. Er wußte dies, ging aber trotzdem heim (sich keiner schlechten Tat bewußt) und bereitete sich anscheinend vor, in die Gneisenaukaserne zu gehen. Eine halbe Stunde später erschienen in Limperts Wohnung zwei3 Ansbacher Stadtpolizisten (unter ihnen Zippold, Bayer), verhafteten ihn und führten ihn fort. Etwa zwei Stunden später kamen zwei Polizisten in die Wohnung, verhörten seine Familie und hielten eine Haussuchung ab. Dabei entdeckten sie Exemplare von sämtlichen angeschlagenen Plakaten, einige alliierte Flugblätter, seine umfangreiche Korrespondenz mit der Schweiz bis Ende 1944 und seine Erklärung an die alliierte Militärregierung, von Limpert englisch aufgesetzt, in der er seinen Lebenslauf und seinen Kampf gegen den Nazismus schilderte. Limpert wurde indessen von Oberst Meier im Rathaus verhört; Bürgermeister Böhm, der ebenfalls anwesend war, bestritt, die Stadt übergeben haben zu wollen und beschuldigte Limpert des Landesverrats. Ein Standgericht von drei Personen trat sofort unter Vorsitz von Oberst Maier zusammen und verurteilte innerhalb drei Minuten Robert Limpert zum Tode durch den Strang.4 Augenzeugenbericht von Landgerichtsdirektor Dr. Eichinger:5 „Am 18.IV.45 gegen 11 Uhr kam in Stahlhelm, silberne Oberstenachselstücke auf der olivbraunen Windjacke, in heller Leinenhose mit schwarzen Mannschaftsstiefeln, ein Gewehr über dem Rücken in Begleitung von zwei oder drei in richtiger feldgrauer Uniform eingekleideten Soldaten ein Mann aus dem Rathaus und sagte zu uns dort Herumstehenden, die nach der Lage fragten: „Geben Sie in der Bevölkerung bekannt, daß das Gerücht falsch ist, das Bürgermeister Böhm verbreitet hat; der Ortsgruppenleiter Böhm habe behauptet, die Stadt sei übergeben. Die Stadt wird bis zum Äußersten verteidigt. Das mag hart für die Bevölkerung sein, aber es ist Befehl des Führers, und der Befehl wird vollzogen. Ich werde Böhm dem Führer melden und er wird die Folgerungen zu tragen haben. Glauben Sie, so einfach geht die Sache nicht! Wir haben auch noch etwas zu reden, wir sind auch noch da, ein General ist da! Der Volkssturm braucht nicht anzutreten. Heil Hitler!“ und ging mit ausgestrecktem Grußarm gegen die Uzstraße weg. Mein Nachbar sagte mir: „Das ist der Kampfkommandant Oberst Meier.“
3 Das Wort „vier“ wurde gestrichen und darüber handschriftlich das Wort „zwei“ eingefügt. 4 Das Landgericht Ansbach, das Meyer im Dezember 1946 zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilte, rekonstruierte recht umfassend die hastigen Vorgänge, die zu Limperts Verurteilung führten, siehe: Justiz und NS-Verbrechen, S. 118–119. Diese Rekonstruktion, die auf die Augenzeugenberichte zurückgreift, weicht von Franks Bericht in einigen Punkten ab. 5 Eine andere Version Dr. Eichingers Augenzeugenberichtes, vom 28. August 1945, befindet sich im: Bayerischen Staatsarchiv Nürnberg, Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650-1, S. 44–47a. Sie wird folglich als Version B zitiert.
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Indem hörte ich schon von dort Rufe, sprang an die Rathausecke und sah, wie eben dieser Oberst mit seinem Gewehr stehend auf einen aus der Uzstraße heraus bei Estner gegen das Schloßtor,a also nur etwa zehn Schritt vom Oberst entfernt ihm den Rücken zukehrend radelnden etwa 15-jährigen Buben anlegte und genau zielte, indem er jeder Bewegung mit dem Gewehr folgte. Glücklicherweise hielt ein auf dem Gehsteig gehender unbeteiligter Soldat den Buben auf, der Oberst mit seinen Soldaten sprangen hinzu, nahmen das Rad und ließen den Buben laufen. Der Oberst hätte demnach, nur um das Rad zu „beschlagnahmen“, den Knaben, der gar nicht wußte, was los war, ohne weiteres von hinten vom Rad heruntergeschossen.b Gegen 12.30c Uhr sah ich den Oberst in dem gleichen Kostüm ins Rathaus gehen. Er ließ sich im Hof hinten rechts ein Tor aufsperren, und ein Strick wie eine Fahnenschnur wurde herausgebracht. Ein Schutzmann verwehrte mir das weitere Zuschauen und machte das Rathaustor vor mir zu. Bald darauf kam der Oberst mit dem Strick und mit demd Polizisten heraus, musterte das Portal, deutete auf einen links oben in der Wand eingeschlagenen Haken und ich glaubte, es werde eine Fahne gehißt. Aber da schleppten mehrere Schutzleute einen großen, jungen Mann heraus. Ich begab mich daher weg, über den Platz hinüber in den Hausflur Hüttinger. Da hatte der Oberst den Strick ergriffen, der allseits festgehaltene junge Mann stand unmittelbar neben ihm, machte eine ruckartige Bewegung, ein Stoß und schon war er gegen die Uzstraße zu entsprungen. Der Oberst sprang ihm als erster nach, vier oder mehr der Schutzleute rannten mit. Dann hörte ich einen gurgelnden Schrei, und gleich darauf brachten sie den Entflohenen zurückgeschleppt. Der Oberst voraus hatte dessen lange schwarze Haare gefaßt und zog ihn so schmerzhaft am Kopf, die beiden Arme waren ihm von den Schutzleuten über dem Rücken verschränkt festgehalten, und so tappte er völlig eingekreist und vom Oberst gezogen zu dem Strick zurück. Während er von den Schutzleuten festgehalten blieb, trat der Oberst vor ihn, legte ihm die Schlinge über den Kopf, zog diee mit beiden Händen über der Kehle fest zusammen, Schutzleute zogen ihn langsam empor, indem sie den Strick durch den Haken laufen ließen. Der Delinquent hatte die Arme empor gehalten und fingertef sich an der Wand und der frischgebauten Luftschutzmauer empor, da er unter sich zufolge der im Eck liegende Ziegelsteine immer noch Boden fand. Da bückte sich der Oberst und scharrte mit seinen Händen die Steine unter den Füßen des Delinquenten weg. Da riß der Strick, der Delinquent fiel mit der Schlinge und einem Strickrest um den Hals auf den Boden. Schnell machte der Oberst eine neue Schlinge, legte sie dem am Boden Liegenden neuerdings um den Hals, Schutzleute zogen wiederum an. Der Delinquent ließ jetzt die Arme hängen und hatte das Gesicht gegen die Gumbertuskirche gerichtet.g Seine Füße standen immer noch auf, aber sie trugen das Gewicht des eigenen Körpers nicht
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mehr. Mit eingeknickten Knien blieb er hängen. Ich begab mich in den Keller Hüttinger. Dort erfuhr ich erst,h daß es der mir wohlbekannte Student Limpert war. Ich hatte ihn nicht erkannt, weil er seine Brille nicht trug.i Als ich vom Keller wieder heraufging, waren ihm verschiedene Zettel angeheftet, die am Sonntag und am gleichen Tag verschiedentlich angeklebt worden waren, und mit Gelbstift auf einem Pappdeckel geschrieben: „Ich bin der Verfasser!“ Noch mehrere Zettel, insbesondere auch ein roter, wurden ihm späterhin durch Polizisten angeheftet. Als gegen 18.30 Uhr fünf amerikanische Soldaten vom Landgericht her als erste auf den Platz kamen und ins Rathaus eindrangen, riß ein alter Mann den angehefteten Pappdeckel und mehrere Zettel herunter. Später schnitten Ausländerj den Strick durch.“k „bei Estner gegen das Schlosstor“ fehlt in der Version vom 28. August 1945 (hiernach Version B). Version B fügt hier hinzu: „Ich aeusserte mein Entsetzen ueber solches Verfahren mit Kindern seitens eines Mannes, der als deutscher Offizier angesprochen sein will.“ c Version B: 15.30. d Version B: einem. e Version B: sie. f Version B: „fingerte“. g „und hatte ... gerichtet“ fehlt in Version B. h Version B fügt hier hinzu: „durch meine laut weinenden und schluchzenden Toechter,“ i Version B fügt hier hinzu: „Ich machte kein Hehl aus meiner Empoerung über die schamlos grausame Behandlung und sagte auch: ‚Der Oberst gehoert genau gegenüber an der anderen Seite des Portals ausgehaengt. Das verlangt die Gerechtigkeit‘.“ j Während Meyers Prozess charakterisierte Eichinger diese Ausländer als „möglich Polen.” S. 292. k Version B fügt hier hinzu: „Wie Limpert ins Rathaus hineingekommen ist, was dort und vorher mit ihm geschehen war, weiss ich nicht. Ich hatte keine Ahnung von seiner Anwesenheit. Ebenso kann ich mit dem besten Willen keinen der beteiligten Schutzleute benennen. Ich habe in meinem Erinnerungsbild nur eine Schar von feldgrauen Maennern um Limpert und den Obersten herum, hatte mein Augenmerk nur auf diese beiden gerichtet, und ueberdies ist meine Erinnerung durch die nachfolgenden, mit der Besetzung zusammenhaengenden Aufregungen erheblich zugeschuetet worden und mir ist die Sache Limpert liege schon Jahre lang zurueck.“ a
b
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12 Bericht von Herbert Frank zu den Aktivitäten der Ansbacher 12 Gruppe Bericht von Herbert Frank zu den Aktivitäten der Ansbacher Gruppe
undatiert, Herbert Franks Privatunterlagen, Marnes-la-Coquette [S. 1 fehlt] [S. 2] Unterdrückungsmethoden. Wir reinigten öfters des Nachts die Stadt von Naziplakaten, zerstörten Stürmerkästen und versenkten Plakattafeln in den nächsten Gewässern. Gleichzeitig verbreiteten Limpert und Frank in D-Zügen Aufrufe zum Abhören feindlicher Sender. Durch diese Einstellung, aus der wir in Debatten und Gesprächen und Aufsätzen6 kein Hehl machten, zogen wir uns die Antipathie und Benachteiligung von Seiten des nazistisch eingestellten Teils der Lehrerschaft zu. Als Folge hiervon wurde ein geringfügiger Anlaß dazu benutzt, um Limpert und Hammer (Stützer war damals schon eingezogen) als die Urheber des defaitistischen Geistes ein Vierteljahr vor dem Abitur (am 6.12.43.) von der Schule zu verweisen, während Frank mit einer Dimissionsandrohung davonkam. Unter erheblichen Schwierigkeiten konnten die beiden Dimittierten ihr Abitur in Erlangen nachmachen. Damals trugen wir uns mit dem Gedanken, infolge des immer stärker werdenden Naziterrors in die Schweiz zu entkommen. Limpert hatte dazu bereits mit den dortigen Stellen Verbindungen aufgenommen und sich an der Universität Fribourg immatrikuliert. Nach eingehenden Informationen über einen illegalen Grenzübertritt scheuten wir doch aus Sorge vor Repressalien der Nazis (Sippenhaftung) vor diesem Ausweg zurück, obwohl uns drüben ein Konto offengestanden hätte. Im Laufe des Jahres 44 wurden Frank und Hammer eingezogen, während Stützer wegen seines Herzfehlers entlassen werden mußte. Limpert war wehrunfähig. März 1945: Hammer und Frank desertierten und hielten sich mit falschen Papieren in Ansbach auf. Am 6.4. begannen wir wieder unter dem Eindruck der drohenden Gefahr einer Zerstörung unserer Stadt den aktiven Kampf gegen den Naziwahnsinn. Limpert und Stützer fertigten in Limperts Wohnung unter Billigung der Eltern Limpert ca. 50 Flugblätter mit Franks Vervielfältigungsapparat. Text siehe Beilage A.7 Diese 50 Flugblätter klebten Limpert und Stützer in der Nacht vom 7./8.4.45 zusammen mit alliiertem Propagandamaterial an Parteikästen, Schaufenstern, 6 Die Buchstaben „Aufsätz“ sind ausgestrichen, die Buchstaben „en“ hingegen nicht. 7 Mit Ausnahme der Umstellung eines Wortes ist Beilage A identisch mit dem ersten Flugblatt wiedergegeben in Anhang 11.
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Kirchentüren (am andern Tag war Konfirmation) und Plakatwänden an. Dabei wurden sie von einem Volkssturmmann mit dem Gewehr verfolgt, den aber Limpert durch einen Schreckschuß aus seiner Pistople vertrieb. In der Nacht vom 14./15.4. klebte Limpert allein ca. 100 Flugblätter an, die er zusammen mit Frank gedruckt und entworfen hatte. Text siehe Beilage B.8 [S. 3] Dabei entfernte er auch die im Flugblatt gemeinten Aufrufe zum Schaufeln eines Verteidigungswalls. Es ist sein Verdienst, daß fast kein Ansbacher diesen Ukas las und daher niemand bei den befohlenen Sammelstellen erschien. Am Sonntag, 15.4., verfaßten Limpert, Frank und Hammer in Franks Wohnung ein neues Flugblatt, abends druckten Limpert und Hammer in Limperts Wohnung ca. 200 Stück, die sie zusammen mit 300 Handzetteln („Tod den Nazihenkern! Wir verteidigen Ansbach nicht!“) und etwa 25 alliierten Flugblättern in der Nacht 16./17.4 anklebten bzw. In die Briefkästen warfen. Text siehe Beilage C.9 Limpert wurde am Morgen des 18.4. (Tag des Einmarsches der Amerikaner) dabei entdeckt und später verhaftet, wie er ein von der Kommandantur in die Außenstellungen führendes Kabel durchschnitt. Anschließend wurde er, wie sich in der Verhandlung gegen Oberst Meyer herausstellte, nicht wegen des stillgelegten Drahtes, sondern hauptsächlich wegen der Verbreitung jener auch bei ihm gefundenen Flugblätter von einem rechtswidrigen Standgericht verurteilt und auf sadistische Art und Weise vom Kommandanten selbst gehängt. Die Akten darüber liegen beim Landgericht Ansbach.
13 Sommer 1945: Heinrich Pospiech im Interview mit 13 Captain Samuel Hutchison Beer Sommer 1945: Heinrich Pospiech im Interview mit Captain Samuel Hutchison Beer
Boston, Massachusetts. John F. Kennedy Library. Samuel H. Beer Personal papers, box 6: U.S. Military Government in Germany. Interviews, 07/1945 – 08/1945: Studien assessor Pospiech Studienassessor Pospiech, teacher on the Oberschule Ansbach. Studied in Munich painting, drawing arts. Never a party member. Has only been in political meetings twice, heard Hitler make his speech against Hindenburg, then Thälmann speaking for the Communists. Did not like the whole setup of Party officials, the cars, the uniforms etc. 8 Beilage B ist identisch mit dem zweiten Flugblatt wiedergegeben in Anhang 11. 9 Beilage C ist auf den ersten Blick identisch mit dem dritten Flugblatt wiedergegeben in Anhang 11, doch die vorletzte Zeile lautet: „Ansbach wird nicht verteidigt!“.
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Says the party was founded by men who did not want to work, men who never got on. Verkrachte Existenzen. Brother wanted him to join the party, but he refused. Promotion was impossible without doing anything for the party. Took on some job a man gave him who moved out of the house. Schadenverhütungsaktion (Against Damage done by rats & other vermin). Was called into the Wehrmacht for a time but had to leave because of chest trouble. 1942 printed some leaflets with a small printing machine (Like children have). The words were something like: Hitler mordet Eure Söhne in Russland. Or: Jhr Nazi-Bonzen, Eure Tage sind gezählt. Then he relates the case of Limpert and how they worked together for a fortnight before Occupation. L. was a good Catholic, very intelligent boy of almost 20 years who was a great opponent of Nazism. His aim was to save Ansbach from destruction which he thought he could do in [sic] cutting the cables that connected the Kampfkommandant with the soldiers outside. Three days previous to the entry of the Americans he printed fairly large sized leaflets which he stuck to shop windows and specially to houses of prominent party members. He did this three days or better nights in succession. Pospiech, Limpert and a few others were always planning and meeting in various places to evade being caught. He was called to join the Volkssturm but always refused and hid in airraid shelters. Met Limpert on the day the Americans came, in the morning and heard that the Bürgermeister (Böhm) was going to surrender without fight. But soon after this another man came and said that the Kampfkommandant decided to defend the city, after hearing this Limpert departed immediatly [sic]. He then went to cut the cables near the Hotel Stern. After this he went home where he was fetched some time later by the police. People who saw him denounced him. The Kampfkommandant then hanged him. A small group of men met in Pospiech’s apartment, but they had no connection with other groups in other towns. They discussed the situation and listened to foreign broadcasts. Did he think that the people believed Goebbels talks? Only very few, but he understood to build up a beautiful edifice for the people. He said Prussian Militarism was the most subtle organization that existed. Strict obedience was dinned into the Germans. Terror and obedience and the army held together, till the end. He thought once the wagon had started to roll there was no way to stop it. He estimated that about 50% were involuntary party-members. The workers were the ones that resented Nazism most. In the university were small groups of SA, but he and his friends laughed over their uniforms, when they were first seen. He had a friend, a former Speaker in the Bavarian Peoples Party who joined the SA to avoid being taken into Schutzhaft, but later he left again. Pospiech joined the Amt für Kultur for a short while because he had to do a memorial plaque and he wanted to get his promotion. In 36 he left again.
16. September 1945: Corporal Frank D. Horvay an Dr. Fred O. Nolte und Ehefrau
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The opponents of the Nazis were mostly Catholics. The protestant priests thought if the Nazis came to power, they would make the Evangelical church a state institution. Many pastor joined the HJ to train youth. What do people think today? Everybody is tired and wants to rest and start a new life. They want to work again and start to lead a decent life. This is the worst catastrophe militarism suffered. He thinks that militarism will be dead for generations. Only a few adventurous young men would like to go on leading this sort of life because they did not know anything but the military. If in the future times there should be a person trying to lead the German nation again, would he be heard? No, people will not forget this. Thinks the plot to assassinate Hitler on the 20 July did not succeed was in fact very good, because people would have said: Had the Führer been alive the war would have ended different. At present there are no political ideas living in the people, everybody is thinking only of bare existence, and daily necessities. It was different after the last war, because Germany was not occupied then and people did not believe that the war was really lost. Have people other interests? Yes. Good music, good German culture and improvement of their knowledge in various fields.
14 16. September 1945: Corporal Frank D. Horvay an 14 Dr. Fred O. Nolte und Ehefrau 16. September 1945: Corporal Frank D. Horvay an Dr. Fred O. Nolte und Ehefrau
Frank D. Horvays Privatunterlagen, Lexington, Kentucky 16 September 1945 Dear Dr and Mrs Nolte: Well, who would have believed it three years ago that I’ll be doing, of what I am doing, in Ober Franken a few km-s from the alleged birth place of Wolfram Eschenbach? I am in charge of Special Branch, Stadt und Landkreis Ansbach, and have 16 civilians, investigators, evaluators, record searchers, typists etc working under me. Our job is denazification. It isn’t simply kicking out people from their jobs but also find the replacements. Though we are dismissing people from all walks of life replacemnts [sic] are far more easy to find than I would have tought [sic] of. Though we have to abide by rules provisions have been made for the Karteigenossen (the nominal Nazis) who do not come under the same ruling as the Parteigenossen. A lot of people were never Nazis and others became disillusioned a long time ago. The sad thing about the Germans is that they let themseves [sic] be
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slapped into apathy by the party bullies and were not able to produce partisans or heroes, even if only tiny ones. – I have to correct myself because Ansbach really had a hero. He was a 19 year old student of classic literature and an altar boy. We are still investigating the case of Robert Limpert who in my mind at least is unique, inasmuch as he developed a hatred for Gestapo methods, for marching Hajots,10 and uniformed SS by simply practicing his religion and using his head. He organized a club of young teachers and students who mimeographed radio broadcasts from allied stations, sabotaged the defense of the city by putting up posters at night telling the population not to appear at the appointed places for the purpose of digging trenches, and to hang up the white flags. When the American troops were in the outskirts of Ansbach Limpert who until that time was not even suspected by the Gestapo cut the wire between the defending Officer’s Command Post and the troops. He was caught and hung up on a hook in front of the City Hall, two hours before the American troops marched in. An other [sic] case we have is a world famous Lutheran Missionary Organization near Ansbach which organized the German missionaries, according to available records, even at such remote places as New Guinea into Partei Blocks, and has still scores of Ukranian Quizlings [sic] on its premises. Though I am not any more religious, on account of my experiences, than I ever been I did develope [sic], in the course of my work a tremendous admiration for the Catholic church. Call it Dogma (it could be Principle too) against unbelievable opportunism, is the sad record of German Protestantism. The evaluation of a person starts usually with the filling out of a Fragebogen. This is carefully checked by our US trained civilian Evaluators. The individual then is investigated, civil service records, police and party records are searched for information and only then is action taken in regard to removal, arrest, appointment etc. We are working right now on teachers. It is one of the toughest nuts to crack because here in Ansbach at least the most violent Nazis and also the most enthusiastic anti-Nazis come from this group. Fully aware of the responsibility I have an anti-Nazi teachers’ committee advising me. Two of these gentlemen, both gymnasium teachers, are my bull session buddies (their wine for my cigarettes) about every ten days. Prof Pospiech, an art teacher, about my age drew anti-Nazi posters for Limpert and his friends. He has a very good sense of humor and is an excellent wood carver and paints from the Nazi point of „decadent“ French style. He is, in speech and manner, a rather factual person whereas Dr Bosel, a histo[r]y teacher, about 45 years old talks well but voluminously. Dr Bosel retold us in German Churchill’s whole „Blood, sweat, and tears” speech. He even improved on it very effectively by saying for instance: “Blut, Tränen, Not; und auch nichts 10 D.h. Mitglieder der Hitlerjugend.
16. September 1945: Corporal Frank D. Horvay an Dr. Fred O. Nolte und Ehefrau
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als Blut, Tränen, Tot.“ I guess „Schweiss” wouldn’t quite fit into his rendition. He tried to illustrate the point that Churchill did not hide the truth whereas Hitler did. As a history teacher Bosel must [be] very enjoyable. His books on the mediaeval times are very fascinating and factual as far as I can determine. His latest book, still in manuscript form, concern themselves [sic] with the castles of the lower nobility. This was his dope and escape from the present. The Nazis had him in concentration camp for a year and stuck him into a special battalion in which he served without any promotion for three years until he was seriously wounded and discharged. With pliers he sneaked out at nights and cut the telephone wires of the defending German troops. Ansbachians look upon him now as a kind of saviour of their city. Incidentally he claims that Grillparzer said: „Die Deutschen e[n]twickeln sich von Humanität zu Brutalität und enden in Bestialität.“ If Franzl really said that without having seen the hell of Dachau and Buchenwald (as I have seen them) he certainly knew his brethren. Incidentally Nazism is dead for all practical purposes. Even former fanatic Nazis feel that their „spell“ has ended. Everybody is anxious to rebuild in a new manner and be allowed to carry on with his job. The trouble, in the American Zone at least, is that there are not yet well trained and capable leaders who could eventually take over the government from us. (Of course conservative American occupational policies don’t give much chance for the development of real tallents [sic]). Youth presents serious problems. Democratic teachers feel that if the high schools could open up they could link the youth yet, which has not known anything but Nazism and War, into the right channels. As things stand now only Elementary schools are opening up now very slowly and high school [sic] are not going to open their doors at least for five-six months. (There is a teacher shortage due to Denazification and a lack of text books.) Group discussions, lectures would help. These are not allowed yet, however, also no movies, no entertainment except the allied controled [sic] program on the radio and church concerts. There is restlessness among youth and if something isn’t done quickly we are asking for trouble. Even training films I have seen while in the army or newsreels would help. I live in greater comfort than I ever lived in ever since I came into the army. I have my own nicely furnished room, maid service, plenty of PX rations which after the foxholes is all very welcome. [...] How is everything with you Dr Nolte? Any new books? The most serious German book I have read in the last 10 months was Leo Slezak’s „Rückfall“. My intentions are very good, however, and hope that things will soon slow down to such an extent that I’ll be able to do a little serious work to. Please remember me to the seminar. Very truly yours,
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28. September 1945: Bosls Trauerrede anlässlich der Errichtung des Kreuzes auf Robert Limperts Grab
Ansbach, Stadtarchiv, Akte Robert Limpert In Memoriam Robert Limpert. Trauerrede gehalten am Grabe des Toten bei Errichtung des Grabkreuzes am Freitag den 28. September 1945. Das Grabmal, das wir heute unserem teueren Sohn, Freund und Vorkämpfer Robert Limpert errichten, zeigt im Relief den Engel mit der Posaune, deren Ruf den Toten aus dem Grabe zu neuem Leben erwecken will. Wir glauben an die frohe Urständ des schändlich Gemordeten, an dessen furchtbares Ende die Marterwerkzeuge der Grabtafel gemahnen. Dein Sterben, teuerer Freund, hat aber nicht den Sinn des physischen Erlöschens Deiner Lebenskräfte, wie bei den Millionen anderer, gerade die brutale, unmenschliche, ungerechte Art, die sich ein bübischer, fanatisierter Wahnsinn erdachte, ist ein beredtes Zeichen dafür, dass man nicht Deinen Leib, sondern Deinen Geist, Deine Ideale schänden, erniedrigen und ausrotten wollte. Ein freies, sittliches, geläutertes Menschtum ersehnte Deine ideale Seele, frei von den Schlacken der Barbarei des 20. Jahrhdts, der geistigen Notzucht, der Unterdrückung des Individuums frei von Grossmannsucht und masslosem Eigendünkel, der sogar die eigene Vergangenheit leugnete und sich selber zum Gott der Götter machte. Künder und Herold warst Du und wolltest Du sein für alle, die ihrer Menschenwürde nicht vergassen. Darum hast Du auch das gute Werk vollbr[a]cht, damit Tausende gerettet würden, aber auch dass sie aus ihrem Schlaf erwachten, in den tyrannischer Zwang uns [sic] Selbsttäuschung sie gelullt. Darum ist auch der Tote im Relief nicht nur Dein Leib, den einst die Posaune des Gerichts zu ewiger Vergeistigung rufen wird, nein er stellt das im Totesschlaf [sic] erstarrte Deutschland der letzten vierzehn Jahre dar, das durch den Schall der Siegesdrommete, durch den Freiheitsruf Deiner neuerstandenen Ideale zu einer neuen Zukunft auf einem neuen Weg erweckt wurde. Bei diesem Gedanken fühlen wir, welch unersetzlichen Verlust die deutsche Jugend mit Deinem Hingang erlitten hat. Doch glauben wir, dass der gütige Lenker der Geschichte mit Dir und Deinem Sterben gerade weil es ein himmelschreiendes Unrecht war, das Gewissen der Deutschen aufrütteln und sie den Pfad der Gerechtigkeit, Wahrheit und Menschlichkeit weisen wollte, den zu betreten Selbsterkenntnis, demütiges Opfer und innere Grösse verlangt.
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Abb. 5: Der Eingang zum Haus in der Kronenstr. 6, in dem Robert Limpert aufwuchs.
Abb. 6 (li.): Heinrich Pospiechs Plakette, auf der ein junger, eine Trompete haltender Reiter umgeben von einer Henkersschlinge dargestellt ist, ist an der Wand links vom Fenster angebracht. Abb. 7 (re.): Rechts von der Plakette befindet sich die Gedenktafel. Alle Fotos auf dieser Seite: B. Z. Kedar.
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Im Leben und Tod, teuerer Freund, warst Du Deinen Idealen getreu, die Du vier Wochen und länger vor Deinem Sterben in Deinem Testament klar ausgesprochen hast. Für sie bist Du nicht nur als Märtyrer bewusst, aufrecht und mutig gestorben, wie wir wissen. In ihnen hast Du auch ausgedrückt, was Grundstein und treibende Kraft beim Neuaufbau im materiell und geistig verwüsteten Deutschland sein kann und wird, wie mir dünkt. Du hast uns vorgelebt, was echte pietas den Menschen zu tun heisst.11 Pflichtgefühl, wie wir das lateinische Wort verstehen, legt Verpflichtungen nicht nur gegen die Gemeinschaft auf, die wir Staat und Volk nennen, die uns aber nicht höchster, absoluter Wert sind, sondern auch gegen sich selbst, gegen sein Gewissen, gegen die anderen Völker, die Menschheit. Es gibt keine einseitige Pflichterfüllung, die die Menschlichkeit, die Rechte des anderen, die ewig waltende Gerechtigkeit verletzt. Darum waren wir uns mit Dir bewusst, dass Rassenwahn, völkischer Eigendünkel, Anbetung der Macht und des Staates dem wahren Menschtum zuwiderlaufen. Darum verfochten wir das Ideal der wahren humanitas-Menschlichkeit, die allen die gleiche Rechte zuerkennt. Wir achteten deshalb auch in ehrlicher Ehrfurcht die Grosstaten, Leistungen und Eigenart anderen Volkstums und fremder Rasse ebensosehr, wie wir in aufrichtiger Ehrfurcht vor den Erscheinungen wahren Deutschtums uns beugten, das nicht wie eine braune Geschichtsfälscherei uns vorlog, aus eigenständiger germanischer Wurzel hervorgegangen war, sondern aus der Vermählung geboren wurde von Germanentum, Christentum und Antike, aus der im Mittelalter eine grosse, europäische Völkergemeinschaft erstand, die alle Nationen des Erdteils zur Gemeinschaft zusammenfasste. Diese Ideen, die in Dir besonders stark lebendig waren, wiesen Dich hinaus über die geistigen Kerkermauern Deutschlands, liessen Dich Anschluss finden an den Geist der anderen Völker und Erdteile, liessen Dich aber auch mit uns in den Alliierten die Befreier von geistig-seelischer Not und Bedrückung sehen, von Gewissenszwang und Selbstprostitution, liessen Dich Wege zu einer Zusammenarbeit mit den anderen Nationen finden, die uns dann auch wieder ihre Achtung schenken werden. Pflichtbewusstsein gegen Dich selbst, gegen höhere Gesetze, gegen den wahren Geist liessen Dich zum bewussten Kämpfer werden gegen die geistige und charakterliche Aushungerung Deutschlands durch die Nazis und ihr Terrorwillkürregiment. Aus Pflichtgefühl bist Du in diesem Kampf gefallen. Das zu sagen ist mir besonders Gebot, weil ich weiss, dass viele die Lauterkeit und Reinheit Deiner Absichten auch heute noch nur zögernd anerkennen wollen. Sie verkennen dabei, dass der wahre Idealist im entscheidendem Augenblick auch Tatmensch im höchsten Sinne ist. Die Lauterheit Deines Tuns, teuerer Toter, entsprang vor allem dem tiefen Urquell weltweiter caritas, was wir am besten mit menschlicher Güte übersetzen. 11 Hier sowie nachfolgend spielt Bosl auf Limperts Motto an: Pietas – Caritas – Castitas.
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Retten, helfen, befreien vom bedrückenden Alpdruck der Angst um das nackte Leben; Du schontest mit uns nicht Deines eigenen Lebens zum Wohle der Ansbacher Mitbürger. Voll gütigen Verstehens war Dein Herz für die Not der Gefangenen und Zwangsverschleppten. Du wusstest um den hohen sittlichen Wert echter Friedensliebe, die Dir als aufrechtem Christen aus der Kraft des Glaubens höchstes Gebot war. Wie alle gütige Menschen warst Du bescheiden und wurdest nur dann herausfordernd und bestimmt, wenn Du bei Deiner frühen Reife grundsätzliche Gegnerschaft gegen Deine Ideale und Deine Einstellung zum Leben fühltest. Ich bin überzeugt, dass auch viele, die Dir vorgesetzt waren, verkannten, wie ernst es Dir um geheiligte Überzeugungen war, die Du mutig vertratest, auch wenn es Dir grösste persönliche Einbusse und Schwierigkeiten brachte. So warst Du, noch jung an Jahren zwar, ein feuriger Vorkämpfer einer fortschrittlichen, freien, humanitären Intelligenz, die einsichtsloser, unbeweglicher Unverstand als „Erzkatholizismus“ brandmarken wollte. Es schadet der Reinheit Deines Strebens und Wollens nichts, wenn Leute, die aus ihren alten, ausgefahrenen Geleisen nicht herauskommen, Dich als „finsteren Vertreter der Jugend“ beschimpften. Sie wissen ja nicht, das castitas geistige und sittliche Selbstzucht ein dritter Grundpfeiler Deines Lebensgebäudes sein sollte, das Dir zu zimmern gedachtest. Damit stand Dein ganzes Tun und Streben in einem krassen Gegensatz zur gleichaltrigen Jugend, die zwar hemmungslos sich selber ausleben durfte, dabei aber doch sich anmasste den Herrn der Welt zu spielen. Du warst kein Mitläufer, auch kein Nachbeter der aus Nietzsche, dem Dichter, übernommenen und von Halbblinden zu einer nationalpolitischen sogenannten Weltanschauung umgewandelten Lehre vom Übermenschen. Bildung war Dir wie uns ein sittliches Gebot, kritisch klar die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden. Kampf gegen die Irrlehren des Nazitums wurden so Dir wie uns nicht nur zur Sache reiner, kritischer Vernunft, sondern zur sittlichen Pflicht, zu einer Frage persönlicher Sauberkeit und Reinheit. So total der nazistische Anspruch auf die Herrschaft über die deutsche Seele war, so total war Deine Ablehnung, weil Du dich selber reinhalten wolltest. Dich bestimmte die Erkenntnis, dass diese Irrlehre die grösste Schändung der deutschen Seele bedeutete. Dagegen aber wolltest Du Dich selbst behaupten, wie Dein im guten Elternhaus behütetes sittliches Gefühl und eine frühe geistige Reife Dich bald erkennen liessen. Für alles Gute, Edle, Schöne, Wahre warst Du aber aufgeschlossen wie nur einer [sic], nach Wissen und Erkenntnis hungerte Dein Geist, den Parteiterror von den Quellen der Wissenschaft fernhielt, der Du Dich als Jünger ganz verschreiben wolltest. Die Posaunen von Jericho haben geblasen und der stolze Bau des Dirtten [sic] Reiches, der ein Jahrtausend dauern sollte, fiel zusammen, weil er auf Sand gebaut war. Die Tage des Urteils sind angebrochen, die Weltgeschichte wird zum Weltgericht. In tausend Trümmern liegt das goldene Kalb am Boden, um das ein
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ganzes Volk zu tanzen gezwungen wurde. Rauchgeschwärzte Ruinen starren in die Lüfte, geistige Leere gähnt in Herz und Hirn der Jugend. In die unhe[im]liche Stille, aus der neues Leben aufsteigen soll, tönt der Engelsruf der Idea[le] die Dein Tun, teuerer Toter, beschwingten. Sie sind die Brücke vom Ufer der so j[äh] unterbrochenen Entwicklung des deutschen Geistes und Volkes über den den gu[?] den Abgrund des Dirtten [sic] Reiches zu neuen Ufern, zu einem neuen Tag, den wir mut[ig] und aufrecht, voll starker jugendlicher Hoffnung und Gläubigkeit an dem von der grossen Welt zunächst gezogenen Leitseil als innerlich freie Männer entgegen [ge]hen. Du aber, Robert Limpert, bist Same[n]korn auf dem neuzubestellenden Acker. Das ist der höhere Sinn Deines Märtyrertodes, der dadurch nicht umsonst war. Aus jedem wahren Opfer aber quillt neues Leben. Es menschenwürdig im Sinne Deiner Ideale zu gestalten im Anschluss an die geistigen Kräfte der Welt ist Dein Vermächtnis. Die Posaune des Engels auf Deiner Grabplatte ruft Dich einst zu ewiger Urständ, uns jetzt aber zu nimmermüder Tat auf Deinem Weg.
Abb. 8: Plakette im Hof des Rathauses (Foto: B.Z. Kedar).
21. Oktober 1945: Bosl, „Das Wesen des wahren Deutschtums“
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16 21. Oktober 1945: Bosl, „Das Wesen des wahren 16 Deutschtums (historisch betrachtet)“ 21. Oktober 1945: Bosl, „Das Wesen des wahren Deutschtums“
Monatshefte für deutschen Unterricht. A Journal devoted to the Interests of the Teachers of German in the Schools and Colleges in America, Hrsg. University of Wisconsin 37 (Dezember 1945), S. 571–576.
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18. Dezember 1945: Horvays Bescheinigung für Pospiech
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17 18. Dezember 1945: Horvays Bescheinigung für Pospiech Frank D. Horvays Privatunterlagen, Lexington, Kentucky MILITARY GOVERNMENT Detachment G 228 Co C, 3rd MG Regiment APO 403, U S ARMY Ansbach, Bavaria 18 December 1945 TO WHOM IT MAY CONCERN. This is to certify that Pospiech Heinrich living at Wuerzburgerstreet 38, Ansbach has been thoroughly investigated in regard to his political background. Pospiech was not a member of the N.S.D.A.P and is recognized in this city as an active anti-Nazi during the Naziregime [sic]. Documents testifying about Pospiech’s anti-Nazi-activities, which included the organization of youths who went around at night putting up antinazi and antiwar posters on the walls thereby sabotaging the German War Effort, are in the files of this office. Lt. Col. Whitaker Jr. confirmed Pospiech recently as a teacher at the Oberschule of Ansbach. Frank D. HORVAY Sgt. 34631681 Special Branch.
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18 12. Januar 1946: Horvays Bescheinigung für Bosl
Dok. 18: Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg, Akten der Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-183 (Bosl, Karl). Eine nicht unterzeichnete Kopie befindet sich in Horvays Privatunterlagen, Lexington, Kentucky.
8. Februar 1946: Horvay an Dr. Dietrich Gerhard
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19 8. Februar 1946: Horvay an Dr. Dietrich Gerhard Frank D. Horvays Privatunterlagen, Lexington, Kentucky Sgt Frank D. Horvay, 34631681 8 February 1946 Dr. Dietrich Gerhard 742 Yale Avenue University City, Mo. Dear Dr. Gerhard: Thank you for your two letters. […]. For the last two-three weeks we have been swamped with work (political examination of all newly elected officials, denazification of businesses under Law 8 etc) and the rush work might last for three or four more weeks. […] I find my greatest relaxation in the company of your colleague Dr Bosel [sic] and his small circle of antinazi intellectuals. Bosel reminds me in many ways of Dr Nolte. Great knowledge combined with joi de vivre and an abundance of humanity. (Their similarity extends, if I recall, to a certain inaptness concerning mechanical devices. Poor Mrs Bosel had to drive herself to the Krankenhaus in the car I reserved for them for the occasion, while sitting beside her her husband was sweatting [sic] it out). The Bosels are both 38 years old and had their first child, a daughter, a couple of days ago. Bosel often talks of his peculiar and strict professors (Univ. of Munich) the type of which is no doubt familiar to you. One of his candidate colleagues was flunked because he spoke of the Nibelungenlied by putting the accent on the „lied“ instead of the „Ni”. In a more serious vein he talks often of the bitter behind the scene fights between those who twisted the teaching of History into a tool of Nazi propaganda and those who tried to keep their sanity. Until 1942 the Nazis licensed the closed meetings of the Historical Society. Bosel showed me the minutes of the last meeting and they are really fascinating. I hope that I was able to persuade him to summarize these minutes because I really think that they would be of interest to men in your field. A lot of well known names appeared in this debate for the last time because they were silenced for good soon thereafter. Bosel’s field is mainly Verwaltungsgeschichte and thanks to you (remember my paper on Austrian and Prussian administration?) I don’t appear to him, I hope, completely ignorant. Thanks to Bosel and his friends, among them above all a very fine local artist named Pospiech, I have been jotting down some thoughts even during business hours. Frankly I don’t know whether they will lead to something. My job, denazi-
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fication, made me a near expert on the Nazi organization. You can ask questions from me about the NSDAP, the SS, SD, NSKK, NSF, BdM, RLB etc, etc. and I most likely will have the answer. I am playing with the thought of writing something about the Party organization or perhaps Denazification in general. Do you think there would be sufficient interest or value in the field of History in such a theme? I am also making notes of Nazi phrases and slogans. These cannot be erased so easily as the formerly named affiliated organizations. Prime Minister Högner of Bavaria, who spent the Nazi years in Switzerland, is using such phrases quite innocently not realizing that they became common place [sic] while he was away. Speakers during the recent elections have been using these and other phrases only because they got so used to them that they can’t use others. Pospiech called my attention to this interesting question and perhaps my notes will eventually crystallize into an article should I choose the academic field. I hope I will be able to decide to go back to the University and get my PhD. The materialistic years in the Army nearly sucked me bone dry in regard to spiritual desires and only since I’ve been associating with Bosel & Co. have I felt an increasing hunger for my former interests. […] [Ausgelassen: Diskussion der wirtschaftlichen Lage und der Wahlen in Deutschland.] In regard to defeat I often wonder whether any other nation has accepted it so ungracefully. My section receives scores of denunciations daily. I don’t know whether the Gestapo years are the cause of it but the majority of people feel that they just have to denunce [sic] in word or writing. Of course most people who give us information expect personal favors but others prefer to remain anonymous. This makes our work considerably easier but it is a disgust[ing] feature just like appel [sic] polishing is. I can’t forget the loud comments I heared [sic] about me in public about my not exactly arian [sic] features back in 1935, on my last previous visit to Germany. Today out of 20 intel[ligent] and well educated employees working in my section, inspite of all my encouragement, I can’t get a suggestion in regard the simplification of some of the work; I get only „Ja“-s when I talk to them and they melt away in Ehrfurcht whenever addressed. (There is nothing cockier, however, towards a GI than a German working for an officer. Then the old impertinence bubbles right out on the surface). The colored MP-s are using former HJ boys as house boys and to tickle their ego. This [sic] HJ boys struggle with each other who can shine what MP-s shoes. They help in putting on the MP-s coats, they run to the door to open it. Of course these are still the same boys who are soaked through with the ideas of racial superiority and who, today, in their off hours write threatening anonymous poems to girls associating with colored boys, and sometimes gather enough courage to sneak up on some of these girl[s] when they happen to be alone and cut off their hair. Incidents like these could happen
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and did happen to every conquering army, including the German, and can’t be described by the best of imagination as a threat to occupation forces. Indeed there is still no resistance to occupation and at the most only wishful thinking that US and England should fight Russia. There is no one as subservient as an Ortsgruppenleiter or other good Nazis who paraded once arrogantly in SA or SS officers’ uniforms and who try to hide their identity now as common laborers before being sooner or later denounced to us. Just give these gents a chance and they will find a thousand excuses. Never they did it, it was the other guy. I have seen Dachau when the corpses were still stacked high. I have the official accounts of the concentration camp of Mauthausen in my desk drawer and have a very definite opinion that the German people as a whole must take the responsibility for the wholesale murder and swinish persecution of millions of innocent people and for the scourge of Hitler. If I associate with Germans like Pospiech and Bosel it is not only because they were in active opposition to Nazism but also because they very definitely feel that the German people as a whole must be blamed for the Nazi horrors and that they are willing to live and work and suffer further hardships with their fellow Germans on the uncertain road to the future. No need to tell you that there are only a very few of whom I am sure that they have never hurt a fly but who nevertheless would voluntarily share the blame with their fellow Germans. […] [Ausgelassen: Verschiedene Angaben zur Situation in Ansbach] I want to appologize [sic] for making you dig through this long epistle. I am Charge of Quarters tonight and have to stay and sleep in the office. I use these evenings and nights occasionally to put down some of my current thoughts primarely [sic] for myself, by keeping a carbon copy of such letters. I hope that by the end of the week I’ll be able to give you a report on the Fischers. In the meantime could you send a package for me? I trust that Mrs Gerhard will know what to put in it. Very sincerely yours,
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20 6. Mai 1946: Bosls Meldebogen
Dok. 20a: Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg, Akten der Spruchkammer, Ansbach-Stadt, B-183 (Bosl, Karl).
6. Mai 1946: Bosls Meldebogen
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Dok. 20b: Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg, Akten der Spruchkammer, Ansbach-Stadt, B-183 (Bosl, Karl).
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21 25. Juni 1946: Untersuchungsbericht des 2nd Lt. Ettlinger Das Dokument beginnt wie folgt: Office of Military Government for Land Bavaria Letter of Notification on Employability Status under the „Law for Liberation from National Socialism and Militarism“ To: Minister of Political Liberation for Land Bavaria (Through: Chief of Special Branch Office of Military Government for Bavaria, APO 170)12
Dok. 21: Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg, Akten der Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-183 (Bosl, Karl). 12 Zum damaligen Zeitpunkt war das die Nummer des Ansbacher Military Government Office: vgl. Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ II, S. 280.
Dezember 1947 bis März 1948: Das Verfahren vor der Spruchkammer Ansbach
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22 Dezember 1947 bis März 1948: Das Verfahren vor der 22 Spruchkammer Ansbach-Stadt Dezember 1947 bis März 1948: Das Verfahren vor der Spruchkammer Ansbach
Nürnberg, Bayerisches Staatsarchiv, Akten der Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-183 (Bosl, Karl)
22a 27. Dezember 1947: Bosls Schreiben an das Tribunal Ansbach, 27. Dezember 1947 An Die Spruchkammer Ansbach-Stadt Abteilung: Schnellverfahren für Mitläufer Ansbach Landgerichtsgebäude Betrifft: Beilagen:
Mitläuferschnellverfahren für Dr. Karl Bosl 1 Attest (englisch)
Wie ich dem öffentlichen Anschlag entnehmen muss, bearbeitet die Spruchkammer augenblicklich im Schnellverfahren für Mitläufer meinen Fall mit der vermutungsweisen Annahme meiner Einreihung als Mitläufer. Für die Entscheidung beim Fällen des Spruches spielen folgende Tatsachen eine bedeutsame Rolle, die im Sinne des Befreiungsgesetzes meine Entlastung rechtfertigen werden und um deren Berücksichtigung ich bitte. Das Gesetz verlangt für diesen Fall (a) den Nachweis aktiver Gegnerschaft, (b) den Nachweis erlittenen Schadens. ad a) Ich wurde von der Militärregierung im Amte belassen, da sie durch eingehende Untersuchungen, die sie selber anstellte, die Tatsache meines aktiven Widerstandes ermittelte. Als Beweisstück, das den Tatbestand erhärtet und die Tatsachen zusammenfasst, lege ich ein Schriftstück der Militärregierung bei, das mir, wie ersichtlich aus dem Eingang, zwar zu anderem Zweck gegeben wurde, aber das ganze Untersuchsergebnis [sic] vorliegen lässt. Über alle Einzelheiten kann auch in gleicher Weise Herr Studienrat Heinrich Pospiech, Ansbach, Würzburgerstrasse, Goldener Schlüssel, Auskunft geben, der eine entsprechende Erklärung seiner Zeit schriftlich der Militärregierung abgegeben hat. ad b) Durch eine im Laufe der letzten zwei Monate erlassene Verordnung des Sonderministeriums, deren Text ich in einer Münchener Zeitung las, deren
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genaue Signatur ich augenblicklich nicht anzugeben vermag, wird festgelegt, daß unter dem Begriff Schaden auch Widerstand verstanden werden kann, dessen Aufdeckung und Verfolgung Verlust von Freiheit und Leben nach sich zog, der also unter Gefahr für Leib und Leben und Freiheit getätigt wurde. Dass dieser Fall eindeutig bei mir und meinen Freunden von der zahlenmässig kleinen Ansbacher Widerstandsbewegung vorliegt, zeigt das furchtbare Schicksal, das einen unserer Freunde kurz vor dem Einmarsch ereilte, wie allgemein bekannt. Aus den genannten Gründen bitte ich um Entlastung und Rehabilitierung. In vorzüglicher Hochachtung Dr. hab. Karl Bosl, Ansbach, Lessingstrasse 7/0. (Als Anhang angefügt war die Bescheinigung von Horvay vom 12. Januar 1946 (siehe vorstehend, Anhang 18)
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22b 21. Januar 1948: Bosl wird in die Gruppe der Mitläufer eingestuft
Dok. 22b
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22c 24. Januar 1948: Einspruch Bosls gegen die Entscheidung des Tribunals 22c einschließlich Pospiechs Erklärung
An die Spruchkammer – Geschäftsstelle Ansbach – Stadt
Ansbach, den 24. Januar 1948
Betrifft: Einspruch gegen Sühnebescheid vom 21.1.48 und Antrag auf Entscheidung durch die Kammer Ihr Zeichen: Sü 742 Liste 28 Nr. 269 Beilagen:1 Erklärung (Pospiech) Gegen den unterm 21. Januar 1948 gegen mich erlassenen Sühnebescheid und die Einreihung in die Gruppe der Mitläufer erhebe ich Einspruch und stelle Antrag auf Entscheidung durch die Kammer. Ich tue das in der begründeten Annahme, dass in meinem Fall entscheidende Voraussetzungen für die Einreihung in die Gruppe der Entlasteten gegeben sind. Dies bitte ich die Kammer zu prüfen und zu entscheiden. Beweismittel und Tatbestand: Das Befreiungsgesetz verlangt als Voraussetzung für die Einreihung in die Gruppe der Entlasteten den Nachweis der aktiven Gegnerschaft den Nachweis des dadurch erlittenen Schadens. ad (a) Bereits am 28.XII.47 habe ich mit Einschreibebrief an die Abteilung f. Mitläuferschnellverfahren ein Schreiben mit der Bitte um Einreihung in die Gruppe der Entlasteten gerichtet und dem als Beweismittel ein für einen anderen Zweck gegebenes, aber das Ergebnis gründlicher Untersuchungen darstellendes Schreiben der Militärregierung in Ansbach Abteilung Special Branch vom 12. Januar 1946 im Original beigelegt, auf das ich mich hier nochmals beziehe. Zur Erhärtung der dort festgelegten Ermittlungstatsachen lege ich eine Erklärung des Herrn Stud. Rats Heinrich Pospiech, Ansbach / Würzburgerstrasse 38 bei, die in ähnlicher Form auch der Militärregierung vorliegt und die auf Befragen Herr Pospiech heute noch wie damals aufrecht erhält. Beide Schriftstücke (amtlich und privat) erhärten, daß ich, als innerlich überzeugter Gegner des Nazismus (trotz heutiger Belastung) nicht nur im Rahmen der mir gebotenen Möglichkeiten, sondern darüber hinaus unter Gefährdung von Freiheit, Leben, Familie und Beruf das Regime aktiv bekämpfte und in entscheidender Stunde, da eine ganze Stadt und ihre Einwohner um Sein oder Nichtsein bangten, mich für ihre Rettung unter Hintansetzung meiner Person und Familie einzusetzen bereit war und mit
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einigen anderen Freunden dadurch zur Rettung Ansbachs vielleicht sogar entscheidend beitragen konnte. Wie groß die Gefahr war, die wir auf uns nahmen, beweist das furchtbare Schicksal unseres Freundes Limpert Robert, das jedem kleinen Kind in Ansbach bekannt ist. Ich betone ausdrücklich, dass es mir widerstrebt von Dingen reden zu müssen, die aus Idealismus getan sind und ihren Lohn an sich in sich selber finden. Auf Grund dieses Tatbestandes wurde ich von der Militärregierung im Amt belassen. ad (b) Eine Entschliessung des Kassationshofes beim Sonderministerium (veröffentlicht im Mitteilungsblatt des Sonderministeriums Nr. 5/6 Seite 19) empfiehlt eine erweiterte Auslegung des Artikels 1813 des Befreiungsgesetzes dahingehend, dass der Schaden bereits als erwiesen gilt, wenn im Falle der Entdeckung einer Widerstandstätigkeit mit einer unmittelbaren Verfolgung zu rechnen gewesen wäre. Das gilt sowohl für meine früheren Handlungen, ist aber nicht nur zur Evidenz erwiesen, sondern in den letzten Konsequenzen in einer furchtbaren Stunde dargetan durch den ungerechten Tode [sic] Robert Limperts. In unserem Falle kommt aber noch hinzu die rettende Wirkung für eine ganze Stadt, die auch entscheidend ins Gewicht fallen muss, wenn überhaupt noch irgend eine Entlastung meines Erachtens Sinn haben soll. Ich darf darauf hinweisen, dass bei der Verhandlung des bekannten Komponisten Werner Egk vor der Spruchkammer München – Stadt im September 1947 das Gericht den Angeklagten als vom Gesetz nicht betroffen erklärte, weil er in seiner Gesamthaltung Antifaschist war und durch sein Werk aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus leistete. Ich darf mich natürlich nicht mit Werner Egk vergleichen und habe den Fall auch nur als Parallele angeführt, darf aber abschliessend noch anführen, dass meine wissenschaftlichen Veröffentlichungen alle Themen galten (Mittelalterliche Geschichte), die in irgendeiner Form vom Regime ausdrücklich und öffentlich bekämpft oder abgelehnt waren (Salierkaiser, Stauferkaiser, mittelalterliche Klostergeschichte). Ich bitte den Herrn Vorsitzenden und die Kammer die vorgebrachten Tatsachen zu würdigen. In vorzüglicher Hochachtung Dr. habil. Karl Bosl, Ansbach Mfr. Lessingstr. 7/0.
Anlage: Pospiechs Erklärung vom 15. November 1945.
13 Gemeint ist Artikel 13: siehe oben, S. 63-64.
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ERKLÄRUNG Der Unterzeichnete, dessen antinazistische aktive Haltung und Glaubwürdigkeit von der Militärregierung Ansbach Stadt Abt. Public Safety bestätigt werden kann bürgt mit dieser Erklärung für die antinazistische Haltung und Gesinnung von Dr. habil. Karl Bosl. Zutiefst christlich und kirchlich eingestellt, von überragender Begabung und weltweitem Wissen, von einem nicht zu bändigendem [sic] Temperament und angeborenem Rednertalent war Bosl logischerweiser ein verschworener Feind des Nazismus. Gleich ob vor Bekannten oder Unbekannten äusserte er freimütig jederzeit, auch als die Deutschen siegten, uns [sic] auch für ihn gefährlichen Situationen seinen Hass gegen alles, was nach Nazismus roch. Offen verbreitete er die alliierten Rundfunksendungen und bewies vor Leuten jedes Standes die Unmöglichkeit eines deutschen Sieges. Nicht nur im Wort sondern auch durch aktive Tat hat Bosl seine antinazistische Haltung bewiesen. Er war eine der treibenden Kräfte eines kleinen antinazistischen Kreises junger und älterer Intellektueller, von denen einer, Robert Limpert, am 18. April 1945 drei Stunden vor dem Einmarsch der Amerikaner erhängt wurde. Schon in vergangenen Jahren hatte Bosl in Eisenbahnzügen Flugzettel antinazistischen Inhalts angeklebt. In der Nacht von 17. auf 18. April 1945 durchschnitt er die Kabel um eine Kaserne, in der Absicht die Nachrichtenverbindungen des Kampfkommandanten zu stören und dadurch die deutschen Truppen in einer an sich hoffnungslosen Situation zu kampflosem Abzug zu zwingen und so zur Rettung der Stadt Ansbach beizutragen. Das scheint auch tatsächlich gelungen zu sein. Der Unterzeichnete stellt Bosl mit in die erste Reihe antinazistischer Kämpfer in Ansbach. Ansbach, den 15. November 1945. Heinrich Pospiech, Studienrat. Ansbach, Würzburgerstr. 38
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22d 26. Februar 1948: Aufforderung der Spruchkammer, weitere 22d Dokumentation vorzulegen Ansbach/Mfr., den 26.2.1948 Geschäftsstelle Spruchkammer Ansbach (Stadt) Aktenz.: Se An Herrn Dr. Karl Bosl A n s b a ch/Mfr. ----------------------------Lessingstrasse 7/0 Zu Durchführung des weiteren Verfahrens erscheint es notwendig, die Unterlagen zu verbreitern und den Nachweis zu führen über ihre politische Haltung durch verschiedene eidesstattliche Erklärungen. Wenn es Ihnen möglich ist möchten sie doch bitte auch eines der Flugblätter beifügen, die sie verbreitet haben. Spruchkammer Ansbach – Stadt Geschäftsstelle
22e 2. März 1948: Bosls Antwortschreiben an die Spruchkammer 22e einschließlich sechs eidesstattlicher Erklärungen An die Geschäftstelle der Spruchkammer Ansbach (Stadt) Ansbach, 2. März 1948. Betrifft: Beilagen:
Eidesstattliche Erklärungen. Ihr Schreiben vom 26.2.1948 Aktenzeichen Se Kq 441/48. 6 eidesstattliche Erklärungen.
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1. Ihrer Aufforderung entsprechend übersende ich zum Nachweis meiner politischen Haltung und zur Verbreiterung der Unterlagen die beiliegenden 6 eidesstattlichen Erklärungen. 2. Eines der von mir verbreiteten Flugblätter beizulegen ist deshalb unmöglich, weil es die primitivste Vorsicht verbot irgendein Exemplar zurückzubehalten, das in irgend einem gefährlichen Augenblick zum Beweisstück werden konnte. Es wurde manchmal auch das Druckermaterial deshalb mitvernichtet. Ich berufe mich dafür auf die Mitwisserschaft Heinrich Pospiechs, dessen Erklärung bereits vorgelegt wurde, und verweise auch auf die Akten von Special Branch. In vorzüglicher Hochachtung Dr. habil. Karl Bosl Ansbach Mfr. Lessingstr. 7/0 Hinzugefügt: sechs eidesstattliche Erklärungen
I Dr. Fritz Schneider Eidesstattliche Erklärung. Herr Dr., Dr. habil. Karl Bosl ist mir seit 1937 infolge unseres (bis 1946) fast täglichen Umgangs genauestens bekannt. Während der angegebenen Zeit führte ich mit ihm zahlreiche Gespräche politischen Inhalts, besonders über die verhängnisvolle Politik Hitlers und der NSDAP und über die äußerst bedenkliche Lage, in die Deutschland durch die Politik im Inneren und nach außen gebracht wurde. Am gründlichsten waren unsere Gespräche naturgemäß im Krisenjahr 1939 und wir begegneten uns im Laufe dieser eingehenden Unterredungen stets in der völligen Ablehnung der natsoz. Politik und der gesamten Ideologie des Nationalsozialismus. Dagegen vermag ich mich nicht einer einzigen Bemerkung zu entsinnen, die als Billigung oder Anerkennung der Politik Hitlers hätte gedeutet werden können. Dr. Bosl bekannte sich auch in einem größeren Kreis, im Lehrerzimmer des Gymnasiums Ansbach, deutlich als Gegner der Partei, in einem Fall sogar einem erklärten Pg. gegenüber. Ich war auch Zeuge, wie Dr. Bosl seinem damaligen Amtsvorstand gegenüber erklärte, daß er durch den Nationalsozialismus „nichts werden wolle“. Dr. Bosls Haltung änderte sich auch während des Krieges nicht, in dessen Verlauf er mir wiederholt wichtige Nachrichten zukommen ließ, die ihm durch Abhören ausländischer Sender bekannt geworden waren.
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Zusammenfassend glaube ich erklären zu können, daß ich (wie auch wohl mancher andere Beobachter) in Dr. Bosl stets einen überzeugten und erklärten Gegner des Nationalsozialismus gesehen habe. Ich war nicht Mitglied der Partei, bin durch Entscheidung der Militärregierung Ansbach vom 26.9.45 zur Dienstleistung zugelassen und nach Mitteilung des öffentlichen Klägers bei der Spruchkammer Ansbach-Stadt vom 22.11.46 von dem Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 nicht betroffen. Ansbach, 28.2.48. Dr. Fritz Schneider Stud. Prof. am Gymnasium Ansbach
II Anton Zahner Eidesstattliche Erklärung. Ich kenne Herrn Dr. Bosl als Mitglied unseres Lehrerkollegiums am Gymnasium seit 1938. Seiner völlig ablehnenden Haltung gegenüber Prinzipien und Praxis des Nationalsozialismus gab er bei jeder Gelegenheit offen schärfsten Ausdruck und zwar entsprang diese Gegnerschaft seiner innersten idealistischen Überzeugung, wie sich auch bei näherer Bekanntschaft erwies. Ich war Zeuge, schon als er mich noch nicht genauer kannte, wie er oft in langen Debatten leidenschaftlich gegen Nazismus und Militarismus auftrat – es war neben wissenschaftlichen Problemen sein Hauptgesprächsthema – und wunderte mich geradezu, wie unvorsichtig er dabei war; es hätte wirklich nur eine[r] Denunziation einer seiner vielen Äußerungen bedurft, um ihn zu einem Opfer seiner Überzeugung zu machen. Ich erfuhr auch, daß er in Verbindung mit Robert Limpert stand, der ja tatsächlich für seine Gesinnung sein Leben lassen mußte. Ich selbst war weder Mitglied der Partei noch einer ihrer Gliederungen und bin, wie Dr. Bosl, von der Militärregierung von Anfang an als Lehrer am Gymnasium im Dienst bestätigt. Ansbach, den 28.2.48
Anton Zahner Studienrat, Ansbach, Hoechstetterstr. 16
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III Joseph Hölzl Eidesstattliche Erklärung. Ich kenne Dr. Karl Bosl seit unserer Jugendzeit genau und kann zuverlässig über ihn aussagen. So bezeuge ich folgendes: 1. Bosl war zu keinem Zeitpunkt ein Anhänger des Nationalsozialismus. Wo er, 2x, ein Mitglied der NSDAP wurde, geschah es unter dem Druck der äußeren Verhältnisse: 1933, weil er sich politisch zu weit exponiert hatte und in Gefahr war als politischer Gegner des N.S. in die „Schutzhaft“ zu geraten, und 1937 oder 1938 (?) unter dem Druck der bekannten Verhältnisse jener Jahre, der gerade auf den Beamten und Lehrer sich am stärksten auswirkte. 2. Bosl wurde immer mehr zum glühenden Hasser und Gegner des Nationalsozialismus. a) Das wußte unser (ganz kleiner) Freundeskreis auf den sich B. in den Jahren der wachsenden politischen Bedrückung und Unsicherheit unter dem N.S.-Regime ganz bewußt zurückzog, und er richtete in eben diesem Kreise uns, seine Freunde, gerade in den Zeiten der militärischen Erfolge des „3. Reiches“ immer wieder auf durch seinen geradezu fanatischen Glauben an den Sturz des Nationalsozialismus, den er vorhersagte genau, wie er kam. b) Bosl tat aber noch mehr. Als Lehrer, der u.a. offenbar von älteren Schülern auch in seiner Wohnung aufgesucht wurde, sodaß ich dort Zeuge wurde, nahm er auf manchen jungen Menschen Einfluß – und er hatte das Glück oder die Geschicklichkeit dabei nicht aufzufallen – in jener schwer aufgreifbaren Weise, in der die Worte oft genug zweideutig bleiben mußten, die freilich auch nur von den Feinnervigeren und Intelligenteren aufgegriffen und verstanden werden konnten, vielleicht auch nur von irgendwie Bereiten, wie er jeden, der es wert war, auch zu fördern suchte. Vielleicht auf solche Weise mag Bosl auch in Verbindung mit dem „Limpertkreis“ gekommen sein, der durch seine aktive Gegnerschaft und die Tat gegen das NS-Regiment der letzten Tage in Ansbach bekannt geworden ist. Das Nähere hierüber entzieht sich meiner unmittelbaren Zeugenschaft, nachdem ich selbst in jenem letzten Stadium des Krieges (ab 28.1.1945) nicht mehr in Ansbach anwesend war.
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Die Wahrheit dieser Aussagen erhärte ich durch meine Erklärung an Eides statt.
Ansbach, Würzburgerstr. 35/I, den 29.II.48. Joseph Hölzl.
IV Dr. Karl Wörle E i d e s s t a t t l i c h e E r k l ä r u n g. Ich bestätige, daß Herr Stud.-Rat B o s l Karl, geb. 11.11.08 ein überzeugter Gegner des Nazismus, seiner Verbrecher-Methoden und seiner Katatrophenpolitik [sic] war. In wiederholten Gesprächen hat Herr B o s l während der „siegreichen Zeit“ des Krieges mir den Glauben gestärkt, daß der ganze braune Schwindel eben noch doch zusammenkrachen wird. Und ich war mir durchaus im Klaren, daß Herr B o s l in Verbindung stand mit L i m p e r t u.a., daß er auch in Verbindung stand mit der bekannten Flugblattaktion in Ansbach, und daß das Schicksal Limperts leicht hätte weiter greifen können auf ihn und auf andere. Meiner Auffassung nach ist Herr B o s l in jeder Weise entlastet. Ich persönlich bin laut Spruchkammerentscheid Ansbach vom Gesetz nicht betroffen. Ansbach, den 1. März 1948. (Dr. Karl Wörle, Stud.-Prof.)
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V Kaplan Georg Eckert Kaplan G. Eckert Königsfeld, 4.3.48. Königsfeld über Hollfeld Eidesstattliche Erklärung. Ich war von 1942 bis 1945 Kaplan ins Ansbach und bestätige in dieser Eigenschaft folgendes: Von Anfang an zeigte sich mir in verschiedenen persönlichen Unterhaltungen, dass Dr. Bosl die nazistische Weltanschauung ablehnte. Er äusserte sich oft sehr scharf gegen die Gewalt- und Terrormassnahmen der Partei. Aus Besprechungen mit dem von den Nazis ermordeten Studenten Robert Limpert habe ich erfahren, dass Dr. Bosl auch in seinem Unterricht gegen Geschichtslügen und die Propaganda des 3. Reiches Stellung nahm. Georg Eckert.
VI Oskar Griebel E i d e s s t a t t l i c h e E r k l ä r u n g. Herr Dr. habil Karl B o s l ist mir seit seiner Tätigkeit in Ansbach wohl bekannt. Seine antinazistische Einstellung erklärt sich schon aus seiner positiv religiösen Haltung wie seiner Stellung als Geschichtswissenschaftler. In wiederholten Gesprächen mit ihm kam dies auch deutlich zum Ausdruck. Daß er als junger Lehrer, in wirtschaftlich beengten Verhältnissen, der Partei beigetreten ist, ist durch den Druck verschiedener Parteistellungen verständlich. Andererseits aber war auch seine Bestätigung [sic] bei der Ansbacher Widerstandsbewegung bekannt. Man kann daher Herrn Dr. Bosl mit gutem Gewissen als Antifaschisten bezeichnen. Ansbach, den 8.3.1948 (Oskar Griebel) Oberstudiendirektor
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22f 24. März 1948: Bosl wird in die Gruppe der Entlasteten eingestuft Die Spruchkammer Ansbach – Stadt
Ansbach, den 24.3.1948
Aktenzeichen: Spr. KE 225 Auf Grund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 erläßt die Spruchkammer Ansbach – Stadt bestehend aus 1. Frau Eva 2. Frau Frieda 3. Herr Adolf
Reiner Lingmann Kuch
als Vorsitzender als Beisitzer als Beisitzer
gegen Herrn Dr. Karl B o s l, geb. 11.11.1908 Ansbach. Lessingstrasse 7/0 Beruf: Studienrat im schriftlichen Verfahren --- folgenden Spruch: Der betroffene ist: E n t l a s t e t e r gemäss Artikel 13 Es werden ihm folgende Sühnenmaßnahmen auferlegt: Die Kosten des Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last. B e g r ü n d u n g14 Dem Betroffenen wurde im Schnellverfahren unter dem 21.1.1948 ein Sühnebescheid zugestellt, gegen den er form- u. fristgerecht Einspruch erhob und das Verfahren vor der Kammer beantragte. Dem Antrag wurde unter dem 24.3.1948 stattgegeben. Der Betroffene war nach seinen eigenen Angaben im Meldebogen Mitglied der Partei vom 1.5 – 1.10.1933 und von 1938–1945, er fällt deshalb lt. Anlage zum Befreiungsgesetz Teil A/D/II/4 in die Klasse II der Belasteten. 14 Der Text weist übermäßig viele Rechtschreibfehler auf, zugleich ist eine Punktierung so gut wie nicht vorhanden.
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Ferner gehörte er der NSV, dem NSLB und dem Reichskolonialbund als Mitglied an. Der Genannte widerlegt nach Artikel 10/34 dass er Mitläufer ist, durch überzeugende Beweise, die er selbst gibt wie15 eidesstattliche Erklärungen erhärten,16 dass er mit Recht den Nachweis der aktiven Gegnerschaft sowie auch des dadurch erlittenen Schaden erfüllt hat. Der Genannte war trotz seiner Formalbelastung, des Parteieintritts den er unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse vollzogen hat von Anfang an Gegner des Nationalsozialismus und hat schon aus dieser Zeit jede Möglichkeit benützt dagegen Stellung zu nehmen ohne Rücksicht auf seine persönliche Freiheit, Leben und Familie. Er hat besonders zuletzt in entscheidender Stunde in der für die ganze Stadt Ansbach sein oder nicht sein abhing sich für deren Rettung unter Einsatz seiner ganzen Person eingesetzt. Die grosse Gefahr wird unter Beweis gestellt, dass einer der Beteiligten Robert Limpert der mit führend an dieser Widerstandsbewegung tätig war noch wenige Stunden vor dem Einmarsch der Besatzungsmächte den Tod durch Erhängen fand. Sämtliche eidesstattliche Erklärungen bestätigen übereinstimmend dass Dr. Bosl ein verschworener Feind des Nazismus war, der sich stets freimutig dazu bekannte und in der Zeit der deutschen Siege offen seinen Hass gegen alles was mit Nazitum zusammenhing zum Ausdruck brachte. Er verbreitete die alliierten Rundfunksendungen und bewies oft die Unmöglichkeit eines deutschen Sieges. Studienrat Pospiech bescheinigt, dass der Genannte einer der treibenden Kräfte eines kleinen antinazistischen Kreises junger und älterer Intellektueller von denen einer, Robert Limpert, am 18.4.1945 drei Stunden vor dem Einmarsch der Amerikaner erhängt wurde. Schon in den Jahre[n] vorher hat der Genannte in Eisenbahnzügen Flugzettel antinazistischen Inhalt[s] angeklebt. In der Nacht vom 17. auf 18.April 1945 durchschnitt er die Kabel um eine Kaserne in der bestimmtem Absicht die Nachrichtenverbindung des Kampfkommandanten zu stören und dadurch die deutschen Truppen in einer hoffnungslosen Situation zum kampflosen Abzug zu zwingen. Er hat damit zweifellos zur Rettung der Stadt beigetragen. Oberstudiendirektor Oskar Griebel bescheinigt, dass der Genannte nur als junger Lehrer durch den Druck der wirtschaftlich beengten Verhältnisse der Partei beigetreten ist und dass seine Betätigung bei der Ansbacher Widerstandsbewegung bekannt war. Er bezeichnet Dr. Bosl mit gutem Gewissen als Antifa15 Der maschinenschriftliche Text lautet: „[...] die er selbst und eidesstattliche Erklärungen [...]“ Das Wort „gibt“ ist handschriftlich nach dem „selbst“ eingefügt und das Wort „und“ wurde handschriftlich durch „wie“ ersetzt. 16 Nach dem Wort „erhärten“ wurden die maschinenschriftlichen Worte „aus denen hervorgeht“ ausgestrichen.
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schisten. Kaplan Eckert aus Königsfeld erklärt, dass er von Anfang an überzeugt war, dass Dr. Bosl die nazistische Weltanschauung ablehnte und dass er sich sehr scharf gegen die Gewalt und Terrormethoden der Partei gewendet hat. Aus Besprechungen mit dem von den Nazis ermordeten Studenten Robert Limpert konnte der Zeuge entnehmen, dass Dr. Bosl auch in seinem Unterricht gegen Geschichtslügen und die Propaganda des III. Reiches Stellung nahm. Studienrat Zahner äussert sich im gleichen Sinne wie die anderen Zeugen und erklärt vor allem wie unvorsichtig Dr. Bosl in seinen Äusserungen vorging und in welche gefährliche Situation er dadurch gekommen ist. Die eidesstattliche Erklärung von Stud. Prof. Dr. Schneider bestätigt, dass Dr. Bosl die nationalsozialistische Politik und die gesamte Ideologie kompromisslos abgelehnt hat. Er hat nicht nur im kleinen vertrauten Kreis dagegen Stellung genommen, sondern seine Ansichten in einen grösseren Kreis hineingetragen und weitergegeben. Die Bestätigungen von Stud. Prof. Karl Wörle und Josef Hölzl stellen ebenfalls den Kampf gegen die nationalsozialistische Bewegung fest, wobei besonders ins Gewicht fällt, dass der Genannte auch die ihm anvertrauten jungen Menschen soweit es möglich war beeinflusste das allgemeine Geschichtsbild nicht zu trüben trotz Anweisung seiner übergeordneten Stellen, sondern in seinen Themen besonders auf mittelalterliche Geschichten einging, die vom Regime bekämpft wurden. Die tatsächliche Haltung des Genannten zeigt, dass er trotz äusserer Zugehörigkeit dem Nationalsozialismus feindselig gegenüber stand und daraus keinen Hehl machte. Er hat nicht nur für sich und seine Familie jede Ideologie abgelehnt, sonder[n] aus seiner Einstellung keinen Hehl gemacht und aufklärend gegen das Regime gewirkt. In gerechter Abwägung der individuellen Verantwortlichkeit, sah die Kammer keinen der belastenden Artikel des Befreiungsgesetzes erfüllt und erkannte, dass Dr. Bosl trotz seiner nominellen Mitgliedschaft nie mitgelaufen ist. Er hat sich nicht nur passiv verhalten, sondern nach dem Mass seiner Kräfte ohne Rücksicht auf seine Person aktiven Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistet und dadurch auch Nachteile erlitten, die vor allem in der grossen Gefahr lagen, dass er immer damit rechnen musste von der Gestapo verhaftet zu werden und wie es sich ja gerade in den letzten Stunden zeigte, dass ein Angehöriger des Kreises der Widerstandsbewegung zum Tod verurteilt wurde.
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Da Dr. Bosl zu dem führenden und engsten Kreis dieser Bewegung gehörte, sah die Kammer den Artikel 13 erfüllt und reihte den Genannten in die Gruppe der „E n t l a s t e t e n“ ein. Spruchkammer Ansbach – Stadt Reiner Lingmann Kuch17
23 26. August 1986: Karl Bosl im Interview mit Benjamin Kedar Wie schon im Vorwort erwähnt, plante ich Mitte der 1980er Jahre eine Studie über den Einfluss des Zweiten Weltkrieges auf das Denken und auf die Karriere von Mediävisten in verschiedenen Ländern, deren Werke ich besonders schätze. Ich dachte in erster Linie an Marc Bloch und Carl Erdmann, wie auch an meinen Lehrer und Freund Roberto Lopez. Während ich in München weilte, wurde ich in diesem Zuammenhang auch auf Karl Bosl aufmerksam, dessen Affinität mit der französischen Annales-Schule und Beeinflussung durch Max Weber ich teilte. Damals war mir so gut wie gar nichts über Bosls Wirken während des Dritten Reiches bekannt. Ich wusste noch nicht einmal, dass er Parteigenosse gewesen war. Seiner Publikation „Versuch eines Lebensbildes“, die ich gelesen hatte, war zu entnehmen, dass er ein Gegner der Nazis war. Ich las daraufhin alle seine Publikationen bis zum Jahr 1945 und entdeckte darin nicht wenige Aussagen, die er in unserem Gespräch dann selbst – richtigerweise – als „Nazisprüche“ bezeichnete. Deshalb beschloss ich, ein Interview mit ihm zu führen, und dieses fand statt in seiner Münchener Privatwohnung in der Donnersbergerstraße. Während dieses Interviews erfuhr ich von seiner Parteimitgliedschaft und hörte zudem erstmals die Namen Robert Limpert, Wolfgang Hammer, Heinrich Pospiech, und viel anderes. Zum ersten Mal in meinem Leben einem Mann gegenüber zu sitzen, der offen zugab, Parteigenosse gewesen zu sein, war für mich recht eigentümlich. Doch ich mühte mich redlich nicht über meinen Interviewpartner zu urteilen, 17 Vermerke auf dem Original belegen, dass das Urteil am 27. Mai 1948 rechtskräftig wurde und dass vorläufige Kopien am 28. Mai 1948 an den Angeklagten, an die Militärregierung, an das Ministerium für politische Befreiung, an die Gewerkschaft und an den Ankläger verschickt wurden. Rechtsgültige Kopien wurden am 28. April 1948 an die Militärregierung, an das Ministerium, an das Arbeitsamt, an das Finanzamt, an die Vermögensverwaltung sowie an die Polizei verschickt.
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da mir zuallererst daran lag, ihn zu verstehen. Aber als er meinte, dass auch ich im Jahre 1946 einige Sätze mit NS-Wortlaut korrigiert hätte, wurde die Situation für mich so bizarr, dass ich mein Missfallen vielleicht mit einer unangemessenen Vehemenz zum Ausdruck brachte. Im Hinblick auf Bosl sei diesbezüglich angemerkt, dass er sich meiner Ansicht nach lediglich einmal erregt hatte, nämlich als er herauszufinden versuchte, ob ich wusste, in wessen Auftrag er am 31. Oktober 1938 zum Thema „Die historische Stellung des Sudetendeutschtums“ einen Vortrag gehalten hatte. Damals war ich ein wenig verblüfft, warum dieses Detail denn von Bedeutung sein sollte. In den nachfolgenden Jahren verschlangen andere Projekte meine gesamte Zeit und der Plan, den Einfluss des Zweiten Weltkrieges auf Mediävisten zu erforschen blieb – wie ich im Vorwort zum englischen Buch erwähnte – unverwirklicht. Die Vorarbeiten zu Bloch benutzte ich im Vorwort zur hebräischen Übersetzung seiner Apologie pour l’histoire; die Arbeit über Lopez wurde durch Antonio Varsoris Buch überflüssig. Was Bosl betraf, gab es zu viele Rätsel bezüglich seiner im Interview aufgestellten Behauptungen, die ich nicht zu lösen wusste, so dass das Tonband mit Bosls Interview unberührt liegen blieb. Erst 2003, als ich erfuhr, dass mein Freund Peter Herde sehr viel über Bosl wusste (insbesondere über seine Aktivität im Rahmen des „Ahnenerbes“ der SS, was mir vollkommen unbekannt war), ließ ich das Interview transkribieren und schickte die Abschrift mitsamt einer Kopie der Tonbandaufnahme an Peter Herde. So kam es zu unserer Zusammenarbeit. Eine Kopie der Tonbandaufnahme befindet sich in der Sammlung Limpert im Stadtarchiv Ansbach; künftig werden alle Dokumente, die bisher noch in meinem Besitz sind, dort sichergestellt sein. B.Z.K. (Transkription der Tonbandaufnahme) Kedar: Fangen wir an mit den Dokumenten. Haben Sie irgendwelche Aufzeichnungen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, oder zur Zeit des Nationalsozialismus, die Sie nicht veröffentlicht haben? Bosl: Nein, ich hab darüber eigentlich noch gar nichts gemacht. Die wichtigsten Dokumente, die ich habe, die sehen Sie hier an meinen Wänden. K: Ja? B: Die sind alle von einem meiner Freunde, einem eigentlich, der der geistige Spiritus rector unseres Kreises war, der Heinrich Pospiech, ein Oberstudienrat aus Ansbach, ein begnadeter Maler und auch Bildhauer. Das sind die Posaunen von Jericho, die hat er am Ende des Dritten Reiches gemalt. Das ist ein stilisiertes Bild von Ansbach vom Herriederturm in Ansbach, und er
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war auch weiterhin politisch tätig. Das hat er zur Kultur- und zur Studentenrevolution von 1968 gemalt. Und das hat er geschnitzt zur Geburt meiner Tochter, und mich hat er gemalt. Ich war so der Spiritus rector eines kleinen Kreises in Ansbach, in dieser mittelalterlichen --- --- Ich war damals Studienrat oder Studienassessor am Gymnasium, weil es schwer war, damals an der Universität überhaupt unterzukommen, und deshalb bin ich in den mittleren Schuldienst gegangen, und da haben wir uns zu dritt und viert getroffen. Der dritte in unserem Kreise war ein Schüler und der vierte, waren zwei Schüler von mir am Gymnasium. Der eine ist eine Stunde vor dem Einmarsch der Amerikaner von einem wütenden Oberst der Luftwaffe an einem Haken des Rathauses in Ansbach aufgehängt worden, er ist allerdings --- --- wir haben schon dafür gesorgt, dass er dann auch vor Gericht gestellt wurde und er ist bestraft worden. Ich habe da draußen (das zeige ich Ihnen hernach) eine Art Totenschild, hat dann Heinrich Pospiech für den gemacht, der hieß Robert Limpert, war mein Student. Und ein anderer war auch noch dabei, Wolfgang Hammer, der dann bei mir hier mit drei Büchern über Hitler und den Nationalsozialismus promoviert hat, er ist heute Pfarrer in Sankt Moritz in der Schweiz, in Graubünden; Wolfgang Hammer. Wir haben nicht sehr viel darüber gesagt, geredet, gel. Unsere Tätigkeit war im Grunde, wir haben nicht eigentlich, mit Ausnahme von Pamphlets und Plakaten, haben wir nichts geschrieben; ich will erst in meinem Ding darüber schreiben. K: Plakate? B: Wir haben während des Dritten Reiches, sagen wir mal, ich bin seit ’37 in Ansbach gewesen, haben wir selbstverfasste Plakate immer wieder als Gegenpropaganda, diese verteilt in den Zügen, auf den öffentlichen Plätzen usw. Und haben uns zusammengefunden und haben auch, mei so weit es halt ging, etwas anderes war nicht möglich. Unsere schlimmste Geschichte oder unser schlimmstes Los war dies, dass wir versucht haben, die Stadt Ansbach vor dem Einmarsch der Amerikaner durch die Besetzung der SS zu befreien. Wir haben das Nachrichtensystem der SS zerstört und dabei ist vor allem unter Tage ein Schüler, das ist der Robert Limpert, ein sehr geistvoller, gescheiter junger Mann, erwischt worden und ist eben gehängt worden, und die anderen, wir andere, waren eigentlich von ihm getrennt und konnten in der Zeit nichts machen. Eine Stunde darauf sind die amerikanischen Soldaten in Ansbach einmarschiert. Und das war unsere --- --- Denn wir sind keine --- --- Man sollte keine große Sache daraus machen, aber wir haben unseren Teil dazu beitragen wollen, erstens die Leute aufmerksam zu machen auf das, was Hitler uns Schlechtes angetan hat; wir haben auch alle Nachrichten verbreitet, die wir hörten, auf solchen Pamphleten und Zetteln und Plakaten, wir haben keins, denn wir mussten uns [hüten], Ansbach war eine Stadt, die, wie soll ich sagen, die
K: B:
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sehr gut nazistisch organisiert war, in der man sich sehr hüten musste. Ich hab zwar allerdings als Lehrer, war ich eine Art kleiner Mittelpunkt, auch für Geschichte, in dem Gymnasium. Zum Beispiel, der Wolfgang Hammer, der Pfarrer in der Schweiz in Graubünden, der erzählt mir immer noch, wie sie aus dem Geschichtsunterricht viele Tatsachen gegen das Dritte Reich entnommen haben, und so. Aber wir wollten aus dieser ganzen Geschichte, im Gegensatz zu vielen anderen, kein, wie soll ich sagen, kein großes Lamento machen, weil wir es für unsere Pflicht gehalten haben und weil wir jugendlich dagegen so begeistert waren, dass wir, wie soll ich sagen, dass wir froh waren, dass der ganze Spuk zu Ende ging und dass wir uns innerlich sagen konnten, wir haben auch an unserem Platz ein klein bisschen beigetragen. In Ihrer biographischen Skizze18 erwähnen Sie, dass Sie schon als Student gegen die Nazis aktiv waren. Ja, ich hab mich zwar, man muss das auch sagen, ich hab, um überhaupt eine Stelle zu bekommen, ich wurde einmal gezwungen in die Partei einzutreten, bin auch dann eingetreten, bin aber wieder ausgetreten, hab immer wieder versucht auszutreten. Ich hab am Krieg nicht teilgenommen, nicht weil ich ein Nazi war und mich freihalten wollte (was viele natürlich auch getan haben, was menschlich ist), sondern weil ich krank war, ich hatte eine Herzgeschichte von allem Anfang an, Histamina[?], aus diesem Grund. Ich hab dann habilitiert, 1944 am Anfang des Jahres, aber ich bin nicht, das hat mir hernach der Dekan bereitwillig als Wissen angeboten, ich bin trotz bester Habilitation, bin ich nicht zum Privatdozenten befördert worden, bin aus diesem Grunde erst nach ’46/’47 von der Universität aufgefordert worden, mich zu bewerben um eine Habilitation. Aber das ist vielleicht im allgemeinen gesagt das wichtigste. Dann möchten Sie eigentlich sagen, dass das Dritte Reich [bis zum Jahr] ’45 keinen eigentlichen Einfluss auf Ihr Denken --- --Nein, das glaub ich nicht ich, ich, oder ich glaubte das wenigstens nicht. Also Sie waren vom Anfang an gegen das Regime --- --Ich war, ich hab das Regime gehasst, denn ich bin aber nicht mehr nirgends hingegangen, weil ich mich nicht, zum Teil nicht beherrschen konnte, meine[?] --- --- Wenn zum Beispiel im --- --- Ich bin mit meiner Frau manchmal ins Kino gegangen, am Anfang, aber ich konnte mich nicht beherrschen, wenn die Lügennachrichten kamen, von denen ich vom englischen Radio wusste, dass sie nicht stimmten und so. Ich würde sagen: ich habe erwartet, dass nach dem Untergang des Dritten Reiches, das ich für gerecht gefunden habe, ich habe den Einmarsch der Amerikaner als Befreiung --- --- Das
18 Bosl, „Versuch eines Lebensbildes“ (oben, S. 9, Anm. 23), S. 9.
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K: B:
K: B:
K: B:
K: B:
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Ding hat es neulich schön ausgedrückt, net, das ist ungefähr meine Meinung dazu; der deutsche Bundespräsident hat es neulich sehr schön aus --- --- hat es den Deutschen als erster und einziger Politiker hat er es ihnen gesagt, dass das eine Befreiung war. Das hat noch keiner in Deutschland seit ’45 gesagt. Das war meine Meinung wirklich; ich hab auch sofort Kontakt mit den Amerikanern aufgenommen. Ja, und Sie haben schon im Dezember 45 in Amerika veröffentlicht den Aufsatz über das wahre Deutschtum.19 Ja, da hab ich einen guten alten Freund, der ist ein emigrierter Ungar, Professor Frank D. Horvay, der ist in Heidelberg College in Tiffin, Ohio, und der hat mir, der war in Ansbach als eine Art Kontrolloffizier, und der hat in Ansbach dann, wie soll ich sagen, das Ganze, dann, der kam auf diesen ganzen Fall, hat das Ganze untersucht und hat mir einen Schrieb ausgestellt, um den ich ihn nicht gebeten habe, dass ich für jede Tätigkeit im Staate, nachdem er mich genau überprüft habe, und unseren ganzen Fall, dass ich für jede Tätigkeit im Staate ohne Einschränkung in Frage komme. Ja , das ist der ,Corporal Frank Horvay‘20--- --Frank D. Horvay, der ist Professor für deutsche Literaturgeschichte am Heidelberg College in Tiffin, Ohio, der ist jetzt emeritiert, ist ein emigrierter Ungar. Und was war seine Rolle in der amerikanischen Armee? Ich glaub er war ein (ich hab ihn nie gefragt, gel, das ist ja), ich glaub er war in der amerikanischen Verwaltung der Stadt Ansbach , war er eine Art C.I.C. Offizier, der die gesamten politischen Dinge zu überprüfen hatte und der dann auch, wie soll ich sagen, auf meinen Namen, auf den Namen von Heinrich Pospiech, auf den Namen von Robert Limpert und Wolfgang Hammer kam, und dann, wie soll ich sagen, nachdem man uns alle genau überprüft hatte, auch, wie soll ich sagen, die Empfehlung an die Stadtregierung herausgegeben hat, dass wir als (er hat es damals gesagt, wir haben niemals das gesagt) als Widerstandskämpfer (das haben wir nicht gesagt, aber er hat gesagt) als Widerstandskämpfer zuverlässig seien. Ja, wenn jemand im Dritten Reich Pamphlete verteilt und sich gegen die SS sogar traut sich zu wehren, dann ist das Widerstand. Ja, das haben wir schon, Sie haben recht, es ist Wi --- --- Viele andere haben das auch gesagt, aber wir wollten uns eigentlich, wie soll ich sagen, nicht in den Ding --- --- Wir haben ein einziges gewollt, und da sind wir enttäuscht worden, wir wollten haben, das genau wie ein anderer Koabsolvent von mir
19 Siehe Anhang 16. 20 Wie in Anhang 16 erwähnt.
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(aber unabhängig von mir), das ist der Domprediger Mayer in Regensburg gewesen, der auch den SS-Einmarsch in Regensburg verhindern wollte, wollten wir die Stadt Ansbach vor dem SS-Einmarsch befreien,21 denn damit wäre sie von amerikanischen Panzern beschossen worden, wenn die SS da gewesen wäre, und das wollten wir verhindern, indem wir die Nachricht ----- Wir haben einfach ganz deutsch gesagt die gesamten Telefonverbindungen abgeschnitten, bei [?], war sehr gefährlich, und da ist eben der Robert Limpert, der ist unvorsichtig, getan hat --- --- Wir wollten von der Stadt Ansbach, um das zu sagen, wir wollten haben, dass ihm eine Art Denkmal errichtet. K: Ja? B: Und das haben die bis heute nicht getan. K: Warum? B: Weil die --- --- gel, ist der Geist so. Ich bin der Meinung, dass die Stadt Ansbach heute, wenigstens führende Leute, dass die zum Teil Nazis, zum Teil Deutschnationale, soweit sie Beamte waren, und damit auch national, und dass sie, wie soll ich sagen, sich geweigert haben, einen Mann, der gegen Gesetz und Recht im Dritten Reich vorging, den anzuerkennen und ihm eine Art Denkmal zu widmen. Drum hat ihm der Heinrich Pospiech für ihn ein Denkmal, eine (ich zeig es Ihnen gleich draußen) gemacht, und das ist dann am Geburtshaus des Robert Limpert --- --- Haben wir es auf unsere Kosten, nicht die Stadt Ansbach, haben wir es auf unsere Kosten anbringen lassen. K: Das ist sehr interessant. Ist, sind alle diese Vorgänge auch dokumentiert? Also die Pamphlete --- --B: Das ist wahrscheinlich bei, ich weiß es nicht, denn wir haben uns immer wieder, wir sind die besten Freunde, wahrscheinlich hat seine Frau etwas. K: Von den Pamphleten? B: Ja, und vielleicht ist sogar etwas hier im Institut für Zeitgeschichte. K: Ich möchte annehmen, dass nach ’45 jede Art von Widerstand sehr reichlich dokumentiert worden ist. B: Gewiss. Das ist --- --- wahrscheinlich ist, aber im Institut für Zeitgeschichte ist es erst in den letzten acht bis zehn Jahren dokumentiert worden, weil sich die an Ansbach gewandt haben, soweit ich weiß von Frau Broszat,22 21 Ein solcher Einmarsch stand nicht bevor; im Gegenteil. Heinrich Wenig, der Ermittler, der unter Horvays Anleitung die Anklage gegen Oberst Meyer vorbereitete, hielt vor dem 15. November 1945 fest, dass in der Nacht vom 17. auf den 18. April „die SS-Kampftruppen um die Stadt [Ansbach] bereits abgezogen“ waren: Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I I, S. 120. 22 D.h. Dr. Elke Fröhlich-Broszat.
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die eine Schülerin ist von mir, die hat bei mir promoviert mit einem ihrer Bücher über den Widerstand in Bayern, und die weiß es auf jeden Fall, die muss auch wissen, dass dort Dokumente sind, denn die haben mit Ansbach verhandelt, um für Limpert, diesen aufgehängten Studenten, etwas zu tun, ihm eine kleine Ehre zu erweisen. Und das war eigentlich unser Hauptziel, mein Freund hier, der ist schon gestorben, der ist am Krebs gestorben, und der Wolfgang Hammer ist noch, bei dem sprech’ ich, halt ich, meistens im Abstand von drei bis vier Jahren, in Sankt Moritz in der Schweiz irgendwie einen wissenschaftlichen Vortrag in seinem Verein. K: Das, was Sie mir jetzt erzählen, ist überraschend, Herr Bosl, und es macht meinen Aufsatz sozusagen noch interessanter als ich es mir am Anfang vorgestellt habe, weil, um ganz offen zu sagen, wenn ich durch die Dokumente, die ich da habe, ging, konnte ich feststellen (oder ich möchte annehmen, dass es zu Feststellen möglich ist), dass in Ihren Veröffentlichungen während des Krieges Sie öfters benutzen Ausdrücke, die, wollen wir sagen: zeitgemäß sind, an die Zeit angepasst sind. B: Das stimmt, das kommt davon her, weil ich mit Kreisen, sagen wir mal mit den Mittelalterforschern, wissenschaftlich zusammengearbeitet habe, die, wie soll ich sagen, die eben in dem damaligen Jargon gesprochen haben. Ich habe promoviert, gel, übrigens in den Themen --- An den Themen meiner Arbeiten ist das nicht zu ersehen, denn ich habe, was Sie jetzt sagen, ich habe über Themen gearbeitet, die im Dritten Reich nicht beliebt waren. Ich hab meine Doktorarbeit über eine Klostergeschichte gemacht; mein Lehrer Karl Alexander von Müller, der ein Nazi war, hat allerdings dann in seiner Rechtfertigungsschrift geschrieben, so ähnlich, das liegt in dem Archiv der Akademie der Wissenschaften, wenn Sie so ungefähr, gel ich kann’s net, „Wenn ein Mann wie Bosl mit, über Kloster Kastl in der Oberpfalz bei mir promoviert hat, dann kann ich kein exzessiver Nazi gewesen sein.“ Dann, meine Hauptarbeit während des Dritten Reiches, die ich gemacht habe, war Heinrich der Dritte, und Heinrich der Dritte war vom Dritten Reich aus den Geschichtsbüchern gestrichen. Und ich habe eine große Arbeit darüber gemacht, um die Markengründungen des Kaisers Heinrich des Dritten und ich habe an dem Ding gearbeitet, an der Reichsministerialität der Salier und Staufer; also bewusst (verstehen Sie, das kann schon sein, das gebe ich Ihnen zu, dass Sie das herauslesen), bewusst aber habe ich nazistische Begriffe und nazistische Dinge eigentlich nicht gebraucht, bewusst. K: So, schauen wir uns an, zum Beispiel, am Anfang Ihres Aufsatzes „Die Reichsministerialität als Träger staufischer Staatspolitik in Ostfranken und auf dem bayerischen Nordgau,“ da schreiben Sie: „Das Reich ist die ewig alte, eine Sehnsucht der Deutschen. Es nimmt nicht wunder, dass in den Tagen,
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da dieser Glaube und Wille nochmals um eine starke, allumfassende und dauernd begründete Form ringt --- ---“.23 B: Ja, das sind Nazisprüche. K: „Mächtige Führergestalten.“24 B: Ja, Ja. K: „Von einer Spitze aus gelenkten deutschen Staates.“25 B: Ja. K: Oder schauen wir uns an „Die Markengründungen Kaiser Heinrichs III“, das Sie jetzt erwähnt haben, das erschien im Jahre ’43/’44. Da steht, zum Beispiel: „Wenn man heute mit gutem Recht“, --- also: mit gutem Recht --- „die Bedeutung eines mittelalterlichen Herrschers vor allem daran ermisst, mit welchen Kräften und welchem Erfolg er in erster Linie für die Ausweitung des deutschen Volksbodens“, --- des deutschen Volksbodens --B: [Einwurf]: Ja, das ist ein Nazispruch --- --K: „nach dem Osten tätig war.“26 Und: „Da ihm sonst leicht auch das Verständnis für die Größe und Hartnäckigkeit des Grenzkampfes bis in unsere Tage mangeln könnte.“27 Und so weiter. B: Weil er eben, verstehen Sie, das letztere, das ist eben, glaube ich, in den „Markengründungen“ geschrieben --- --K: Oh ja, sicher, Sie schreiben über das Mittelalter. Aber --- --B: Nein, über die Markengründungen --- --K: Und über die Markengründungen --- --B: Das war im Grunde genommen eine Sicherung des Reiches gegenüber, nicht dem Osten würden wir heute sagen --- --- Ich gebe das zu und ich würde sagen, ich würde mich auch schämen, aber ich würde glauben, dass auf Grund meiner damaligen Stellung und Meinung ich nicht anders schreiben konnte, trotzdem ich ein Gegner des Dritten Reiches war, gel. Ich werde das nicht als Entschuldigung bringen, sondern ich werde sagen, es haben im Grunde genommen, alle, die mich umgaben, in einer ähnlichen Weise geschrieben; und das Reich war für mich nicht identisch mit Hitler. 23 Karl Bosl, „Die Reichsministerialität als Träger staufischer Staatspolitik in Ostfranken und auf dem bayerischen Nordgau“, 69. Jahresbericht des Historischen Vereins für Mittelfranken (Ansbach, 1941), S. 2. 24 Ebd. Siehe auch: Bosl, „Das Nordgaukloster Kastl“ (oben, S. 20, Anm. 78), S. 148: „[…] wie hartnäckiges Ringen, zielbewusstes Streben und kluges Abwägen starker Führerpersönlichkeiten den Erfolg bringt.“ 25 Bosl, „Die Reichsministerialität“, S. 3. 26 Karl Bosl, „Die Markengründungen Kaiser Heinrichs III. auf bayerisch-österreichischem Boden“, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 14 (1943–44), 178. 27 Ebd., S. 247.
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K: Nein, aber gleich nach Kriegsende, also in diesem Vortrag, der damals in Amerika erschienen ist, da haben Sie schon ganz anders über das Reich --- --B: Da habe ich eben das wirklich geschrieben was ich, würde ich sagen, habe ich geschrieben, was mir meine eigene wirkliche Auffassung davon war. Wenn ich heute über das Dritte Reich schreibe, und ich werde noch darüber schreiben --- --- Ich habe jetzt von einem amerikanischen Freund, Charles Sigman, ein dickes Manuskript übersetzt über die Anfänge der völkischen Bewegung und Hitler, das wird bei Duncker und Humblot erscheinen, und so weiter. Dann würde ich sagen, man ist nach außen hin in der Geschichte einen gewissen Gleichtrott gegangen, mit den anderen; auf der anderen Seite aber seine eigene Auffassung, wie soll ich sagen, sich bewahrt und sie ausgebaut. Ich habe im Geschichtsunterricht auch nicht anders reden können als im Grunde genommen, als viele andere, und trotzdem habe ich die Leute gegen den Nationalsozialismus aufgeklärt, wie meine Schüler beweisen und uns sagen. Fragen Sie mal den Wolfgang Hammer in [...]. Ich würde halt sagen, ich bin, drum hab ich auch nichts gewollt, gel, ich hätte nach ’45 schon, und wie manche andere, gehen können und sagen: ,Ich bin ein Widerstandskämpfer,‘ aber das wollte ich nicht, ich habe dagegen gekämpft weil mir die Judenmorde, weil mir (was ich während des Krieges hörte) die Vernichtung russischer Soldaten durch deutsche Wehrmacht (nicht durch die SS), weil mir dies alles so, wie soll ich sagen, gegen den menschlichen Strich ging, dass ich glaubte, dagegen etwas tun zu müssen, um das zu beenden. Sind die Inkonsinitäten [?] des Lebens, während ich dagegen, ich bin nirgends hingegangen, in keine Veranstaltung, außer ich musste. Sie haben recht, wenn Sie mir das entgegenhalten, aber ich glaube, dann müssten Sie anderen auch das entgegenhalten. K: Es handelt sich nicht um entgegenhalten --- --B: [Einwurf]: Doch tun Sie es ja --- --K: Nein, es handelt sich um Verstehen. Sagen wir, als Sie Studienassessor in Ansbach waren, kurz nach München,28 also am 31. Oktober ’38, haben Sie einen Vortrag gehalten über „Die historische Stellung des Sudetendeutschtums.“29 B: Ansbach ’38? K: Ja, so steht es gedruckt [zeigt die Fotokopie vor]. Mich möchte sehr interessieren, was Sie damals sagten, weil da kann man nicht sagen, dass Sie gesprochen haben über ein apolitisches Thema, das man verschönern musste. B: Ich kann mich überhaupt nicht mehr erinnern. 28 D.h., das Münchner Abkommen im September 1938. 29 Siehe: 68. Jahresbericht des Historischen Vereins für Mittelfranken (Ansbach, 1939), S. vii.
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K: Aber … B: Ich weiß es nicht, was ich da gesagt hab. K: Ja, darum hab ich gefragt, ob Sie vielleicht noch Aufzeichnungen haben, die nicht veröffentlicht worden sind. B: Na, nein, die hab ich nicht. K: Das wäre sehr interessant, das wäre sozusagen ein Prüfstein. B: Ja, sicher, sicher, nein, aber da kann ich, nicht weil ich es Ihnen verschweigen will, gel ich hab ja, wie soll ich sagen das, nichts verschwiegen, was ich etwa wollte, aber ich hab, ich kann mich nicht entsinnen, was das gewesen sein sollte. Ich weiß nur aus meiner eigenen Geschichte, wirklich, ich rede Ihnen gegenüber offen und rede ohne Vorbehalte und alles, weil ich mich über den Egerländer Marsch, der beim Einmarsch in die Sudetendeutschen Gebiete Tag und Nacht gespielt worden ist, so geärgert habe, dass ich, ich glaube sogar mal das offen gesagt habe. Davon weiß ich nichts. Ich weiß auch nicht, in wessen Auftrag ich das gehalten habe. K: Das war der Historische Verein für Mittelfranken. B: Ja, nein, in wessen Auftrag; ich kann mich wirklich nicht mehr erinnern, gel, ich müsste lügen. Ich hab mich später mit dem Ding befasst, mit den Sudetendeutschen --- --K: Ich weiß, ich weiß --- --B: im Collegium Carolinum und habe mich--- --- Das hab ich getan nicht aus eigenem Antrieb, nicht weil ich mich an diesen Vortrag erinnerte, sondern weil ich von meinem Lehrer, meinem zweiten Lehrer, dem Theodor Mayer, gebeten worden bin, nachdem er in München nicht war, ihm hier beiseite zu stehen, ich hab lange Zeit neben ihm, im Grunde genommen, dieses Ding geleitet --- [Pause] --- und hab es auch wieder abgegeben. K: Ja, was ich eigentlich verstehen will --- --B: Ja, sagen Sie mir das --- --K: Ich sage, ich gebe mich Ihnen ganz offen, mich interessiert diese moralische Stellung, nach der man unter so einem Regime, wie Sie sagen, solche Konzessionen macht. Also Sie sagen: ich war ein Gegner, Sie sagen eigentlich nicht auf welcher Seite --- --B: [Einwurf]: Ich habe es bewiesen --- --K: Ja, aber in Ihrer Skizze sagen Sie nicht eigentlich, auf welcher Seite Sie sich gegen die Nazis geschlagen haben. Sie sagen da: „An der Universität brodelte es gegen Ende des dritten Jahrzehnts bereits sehr stark und es tobten schon harte Kämpfe vor allem zwischen Nationalsozialisten und Sozialisten. Ich verspürte die Verpflichtung zum politischen Engagement“ --- --B: Das war am Ende --- ---
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K: --- --- „und ließ mich in den AStA wählen, wo ich auf die Seite der Gegner des Nationalsozialismus trat.“30 Also in welcher Gruppe --- --B: Das war im Jahre 1928/29/30. Ich war katholischer Verbindungsstudent, ich habe als katholischer Verbindungsstudent, bin ich in den AStA gewählt worden, hab im AStA, ich weiß auch noch den Namen, das weiß ich, der fällt mir noch ein, des sozialistischen Führers des sozialistischen Studentenbundes, das war ein Jurastudent oder Rechtsanwalt: Frankenburger. Wir haben Holzscheitel geworfen, wir waren in studentischer Weise, ich mein, ich war kein großer Politiker, gel, dass ich große politische Ideen hatte, aber ich war ein Gegner des Nationalsozialismus damals schon, hab mich mit den katholischen Studenten daran beteiligt, heftige Kämpfe nach studentischer Manier auszuüben und habe auch Holzscheitel geworfen. Wie wir alle, die nicht Nazi waren, Holzscheitel geworfen haben. Ich hab mich, zum Beispiel, als man --- --- erinnere ich mich noch, im Jahre ’33, als man aus meiner Verbindung führende Politiker, wie zum Beispiel Sebastian Schlittenbauer, der ein Bundesbruder von mir war und der gegen das Dritte Reich vor allem als Mitglied der Bayerischen Volkspartei sehr energisch aufgetreten war, als man den ausschließen wollte, einige sehr aktive braune Leute, hab ich mich dagegen gewehrt und dann gesagt: „Ich trete aus der Verbindung aus wenn ihr das tut.“ Und dann natürlich habe ich, wie soll ich sagen, ich würde das überhaupt meinen, gel, dass man das auch sollte --- --- bin ich als kleiner Mann, der eigentlich Universitätsprofessor werden wollte, trotz guten Examens, das ich gemacht habe, habe ich keine Chance gesehen, überhaupt keine Chance gehabt, an einer Universität irgendwie Wissenschaftler zu werden, ich hab auch kein Geld von zu Hause gehabt, weil meine Eltern kaum selbst verdienen konnten, und bin dann eben in die, trotzdem noch, in die Laufbahn als Studienassessor hineingekommen, gel, und musste mich natürlich in dieser Richtung halten. Das ist eine Schwäche, das ist ein Ding, ich bin in die Partei ein und bin in die Partei wieder rausgetreten. K: Warum sind Sie eingetreten, warum sind Sie ausgetreten? B: Eingetreten bin ich das erste Mal, weil ich gedrängt worden bin und bedroht worden bin. K: Warum denn? B: Na ja, „Jetzt wählen Sie sich doch endlich, wenn Sie weiterhin Ihren Dienst, um es konkret zu sagen, wenn Sie weiterhin Dienst haben wollen, werden Sie sich hiermit beteiligen müssen.“ Und als kleiner schwacher Mensch --- meine Mutter zum Beispiel, mein Elternhaus, das war so antibraun wie möglich, meine Mutter hat nie den Hitlergruss er--- --- (was ich getan habe, natürlich), 30 Siehe: oben, S. 9, Anm. 23.
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hat nie den Hitlergruss erwidert, ist zur Rede gestellt worden und hat zum Kreisleiter gesagt: „Das werden Sie nie von mir erleben.“ Und mein Vater hat das auch nie getan. K: Warum haben Sie es eigentlich getan? B: Das war eigentlich, wie soll ich sagen, eine Art Schwäche, und unpolitische Haltung. K: Sagen wir, wenn Sie an Theodor Mayer schrieben, der doch sozusagen ein Freund, Lehrer, war, mussten Sie den Hitlergruss erwähnen? B: Nein, ich glaube jedenfalls nicht. Haben Sie irgendwo, Sie könnten ein Dokument haben, wenn ich den Hitlergruss erwähnte, dann habe ich ihn gemacht, weil er Monumentenpräsident war. K: [Zeigt Bosl den Brief vom 22. April 1944, nicht adressiert an Theodor Mayer]. B: Ja ja, ich glaub es Ihnen schon, ja das ist weil er Monument --- --- da war er noch nicht, wie soll ich sagen, war er noch nicht mein Lehrer, in diesem Sinne, sondern der Monumentenpräsident, dem ich meine Arbeit, ich glaube wenigstens das es war meine Arbeit, anbieten wollte zum Druck. Ich weiß nicht was da drin steht, ist auch --- -- [Kurze Unterbrechung der Tonbandaufzeichnung]31 Ihre Frage war, ob ich, aus welchen Motiven ich das getan habe. K: Genau. B: Ich würde sagen, ich habe nach dem, vielleicht ist es eine ähnliche Haltung gewesen wie bei vielen anderen, die geglaubt haben, dass man das Dritte Reich (soweit ich das damals dachte: ich möchte meine Intelligenz von damals und meinen Willen, trotzdem ich Gegner war, nicht überstrapazieren). Ich möchte sagen, dass man sich gedacht hat, es kommt nicht so; denn den Überblick über das, was hinter den Nazis steckte, hatte ich nicht, weil ich keinen Kontakt mit ihnen hatte, sondern sie bekämpfte. Infolgedessen habe ich wie viele andere, war ich sicher eine Zeitlang der Meinung, dass ich mit denen tun könnte, oder dass ich sie mindestens tolerieren könnte und dass es zum besseren kommen würde. Das ist mir allerdings klar geworden, so richtig klar geworden, ich glaub ich kann das schon sagen, 1936, als bei der, da habe ich Kunde davon bekommen, als auf dem zu wenig in der deutschen Forschung bekannten Reichstag zu Krossinsee,32 der Göring eine der 31 Weil die Tonbandspule am Ende angelangt war und ich sie umdrehen musste, kam es zu einer kurzen Unterbrechung. Obwohl ich Bosl die Situation erläuterte, redete er weiter. 32 Es gab keinen „Reichstag zu Krossinsee“. Bosl mag sich auf eine Rede von Göring auf einer Zusammenkunft von Industriellen am 17. Dezember 1936 in Berlin bezogen haben, auf der Göring schlussfolgerte, dass der Krieg bereits begonnen hat. Siehe: Stefan Martens, Hermann Göring (Paderborn 1985), S. 98.
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brutalsten Reden gehalten haben soll, in der er sagte: „Nachdem wir jetzt auf Verteidigung aufgerüstet haben und diese Verteidigung beendet ist, müssen wir jetzt weiterarbeiten, denn sonst sind wir wieder beim Ausgangspunkt, und wir müssen auf Krieg rüsten, um den Krieg rüsten wir, und Krieg machen wir mit Schuld.“ Und da bin ich zum erstenmal eigentlich erst richtig, wie soll ich sagen, aufmerksam geworden, dass ein böses Spiel mit den Deutschen getrieben wird, vor allem mit ihren Finanzen, dass um die Arbeitslosigkeit das alles ging. Und seitdem habe ich ständig und immer mehr und mehr, hab ich mich, wie soll ich sagen, auf diese Seite gewandt, weil ich mich interessiert habe. Sonst bin ich ein großer Arbeiter gewesen und ich habe meine Zeit reichlich ausgenützt, neben meiner Schularbeit hab ich bei voller Ding meine Doktorarbeit geschrieben, hab meine Habilitationsarbeit geschrieben, und so weiter, und so nebenbei halt noch etwas getan. Aber in dem, das ist zweifellos die Schwäche, gel, die wir alle --- nicht alle, die viele von den Deutschen --- hatten, dass wir auf der einen Seite das System ablehnten, dass wir auch dagegen kämpften, soweit wir konnten, dass wir auf der anderen Seite aber nach außen hin und, wie soll ich sagen, aus bürgerlicher Schwäche und Feigheit, dass wir mit dem Dinge zugegeben haben. Aus Begeisterung hab ich es nie getan. Vielleicht, das eine muss ich sagen, vielleicht in diesen Schriften noch, weil mich als Mediävisten und als deutschen Mittelalterhistoriker das Reich begeistert hat. Das möchte ich, muss ich wohl schon zugeben, dass die Reichsidee, die mittelalterliche Reichsidee, die christliche Reichsidee, und speziell auch das Stauferreich. Da hat mich auch geärgert, sehen Sie, und trotzdem habe ich, ich war ein wütender Gegner dieser Welfenpropaganda, die das Dritte Reich gemacht hat, und darum hab ich auch mit einer inneren Begeisterung (das ist eine Begeisterung gewesen) da hab ich das Stauferbuch geschrieben, die Reichsministerialität der Staufer, das hatte schon seine, ge --- --- Ich war auch sehr erbost, das weiß ich auch noch wie heute, über das Buch oder über die Verdammung Karls des Grossen und so weiter, obwohl der selber ein Massenmörder war, ne, ich sag’s nur, natürlich, sicher war er ein --- --- Und so kam bei mir die Reichsbegeisterung, auf der einen Seite hat es mir möglich gemacht, zum Teil möglich gemacht, diese Dinge zu schreiben, während auf der anderen Seite die praktische Politik mich gezwungen hat, das Gegenteil zu tun. K: Das ist, was ich mich wirklich frage. Schauen wir uns noch einmal diesen Aufsatz an, der in Adel und Bauern erschienen war, da schreiben Sie: „Damit hat das deutsche Königtum die rassische Elite ... der bäuerlichen unfreien Schichten des Volkes für die Aufgaben des Staates gewonnen.“33 33 Bosl, „Die Reichsministerialität“ (oben, S. 19, Anm. 71), S. 81.
B: K: B: K:
B: K: B: K: B:
K: B: K: B: K: B: K:
B: K:
B:
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Das war ein Ding, das war ein großer Fehler, das geb ich zu. Und dann, wenn Sie das veröffentlichten --- --Das hab ich später geändert. Oh ja, wenn Sie das wieder veröffentlichten im Jahre ’64, dann hören wir schon nicht von der rassischen Elite, sondern da heißt es, „eine,“ alles bleibt, der Satz --- --Ja, Ja, Ja, Ja --- ----- --- bleibt wie er war, aber da steht es: „eine Oberschicht der nichtschollegebundenen, unfreien Volksgruppe.“34 Rassisch war für mich damals nicht das rassisch des Dritten Reiches. Warum haben Sie es dann gestrichen? Weil es nach dem Jahre 1946, das hätten Sie auch gestrichen, im Jahre ’46 hätten Sie in diesem Fall, wo rassisch, wie soll ich sagen, durch das Dritte Reich eine völlig verpönte Ideologie war, hätten Sie das nicht mehr ’46 geschrieben, glaube ich. Aber Sie haben es geschrieben --- --Ja, ich habe es geschrieben --- --’43 --- --Na ja, ist klar --- --Und damals hat doch jeder gewusst, was man damit meint --- --Ich leugne es ja nicht, ich leugne es ja nicht, aber trotzdem --- --Ich muss sagen, ja, wenn ich das von irgendwelcher moralischen Stellung verstehen will, müsste man da eben sagen: Da ist ein Höchstgrad von Anpassung, von --- wie Sie sagen --- moralischer Feigheit --- --Ja, das leugne ich doch nicht --- --Jetzt, was mich noch mehr an Ihnen interessiert, ist: Wie beeinflusst so eine Krise das Denken eines Mannes, eines intelligenten, hochintelligenten Mannes wie Karl Bosl es eben ist --- --Im Grunde hat’s mich nichts, ich muss Ihnen das nochmal sagen, im Grunde genommen hat’s mich nicht, in nichts, beeinflusst. Ich habe zwar, vom Reich her gesehen, diese Dinge geschrieben, ich war aber ’45/’46 sofort davon überzeugt, dass man in dieser (nachdem der Zusammenbruch gekommen ist, und das Erlebnis des Zusammenbruchs, den ich nicht als Untergang oder Niedergang, sondern als Befreiung empfunden habe) --- --- dass das ein Irrtum war, dass man in dieser Form nicht mehr weiter deutsche Geschichte schreiben kann. Und deswegen bin ich dazu übergegangen (passt sehr gut zu
34 Karl Bosl, Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa (München–Wien, 1964), S. 33. Zu anderen derartigen Umformulierungen siehe: Herde, „Michael Seidlmayer“ (oben, S. 20, Anm. 77), S. 248.
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K: B:
K: B:
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dem, was Sie gerade vorgelesen haben) --- --- ich bin einer der Vorkämpfer für eine besondere Geschichte der Unterschichten gewesen. Ich habe die Unterschichten von allem Anfang an, und ich bin für Stadtgeschichte eingetreten, bin zur Soziologie übergegangen. Das hing auch auf der anderen Seite damit zusammen, dass diese Aspekte mir eigentlich im Dritten Reich in der Form nicht geläufig waren. Da waren mir durch die Geschichtsforschung, aber auch durch Geschichtsliteratur und so weiter, waren mir eigentlich das Reich das nächste, darin bin ich aufgewachsen. Ihr Interesse für Max Weber stammt von dieser Zeit, oder noch --- --Nein, das Interesse für Max Weber das stammt eigentlich erst bei den --- --Habe ich richtig kennen gelernt erst ’45 und zwar durch die Amerikaner, ich bekam Literatur. Konnte man Max Weber während des Dritten Reiches nicht lesen? Ich bin nicht --- --- Doch, das nehme ich schon an, dass man das lesen [konnte], aber ich bin nicht mit ihm zusammengekommen.35 Sie dürfen nicht übersehen, dass ich im Grunde zwei Berufe hatte, ich war Studienrat, ich habe ein volles Studium, eine volle Arbeit gehabt und ich hab nebenbei meinen Doktor gemacht, hab nebenbei die Habilitation gemacht, ich habe für meine Habilitationsarbeit eigentlich alle deutschen Königs- und Kaiserurkunden durchgearbeitet, alle die da drin stehen. Und das war ein --- --- Ich habe, wenn der Schultag zu Ende war, mich abends um acht bis morgens früh die Arbeit an der Wissenschaft getrieben und so weiter, und das ist eigentlich --- --- Und zweitens kommt hinzu, ich habe mich abgekapselt, denn nur so konnte ich leben. Ich habe mich abgekapselt, ich hab abends --- um Ihnen meinen Tagesablauf kurz zu schildern --- ich hab den englischen Sender gehört und keine deutschen. Das war, das hab ich übrigens auch später auch noch, das treib ich bis heute, dass ich dann, wenn ich fest arbeite, mich abkapsele und dann eben nur dem lebe, was ich als Thema betreibe. Das hab ich damals, und so hab ich geistig und ich glaube auch moralisch, hab ich damals das Dritte Reich, wenn man das so großspurig sagen kann, irgendwie bestanden. Wieso sind Sie aus der Partei ausgetreten und wann? Weil ich nicht da drin sein wollte. Wann, wann war das? Das war im Jahre ’34, da bin ich am Anfang eingetreten und bin dann wieder ausgetreten und musste dann hinterher mich sogar noch da rechtfertigen, warum ich das getan hab.
35 Über die „latente Max-Weber-Konjunktur in NS-Deutschland“ siehe: Joachim Radkau, Max Weber: Die Leidenschaft des Denkens (München 2005), S. 844–849.
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K: ’34? B: ’34, da war ich, war ich an einem, am Anfang an einem Privatgymnasium der Oblaten-Patres, in Obermedlingen, bei Lauingen, bei Gundelfingen an der Donau, und da hab ich privat gewohnt in einem Gasthaus, dessen gesamte Inhaber alte Nationalsozialisten waren. K: Aber ich folge da nicht. Sie sagen: Sie sind in die Partei eingetreten, weil es Ihnen beruflich schaden möchte --- --B: Ja, ich bin damals bedrängt worden, ich bin damals --- --K: War das, sagen wir, im Jahre ’33? B: Nein, das war ’34, glaube ich wenigstens. K: Und Sie sind im selben Jahr wieder ausgetreten. B: Wieder ausgetreten. K: Ah, so … Jetzt, verstehe ich Sie richtig, dass Sie erst nach ’45 mit der westeuropäischen und amerikanischen Literatur in Kontakt kamen? B: Ja, Ja. Und die habe ich ganz sofort entdeckt, ich bin einer der Ersten gewesen, dann gleich, ich hab mich sofort, ich hab hier mit den Amerikanern in München eng zusammengearbeitet, mit dem Prof. Shuster, der Land [?] Commissioner und Professor im Ding war, war Präsident vom Hunter College in New York, war dann später, glaube ich, so eine Art Vizepräsident in Notre Dame, Indiana, und mit dem habe ich eng zusammengearbeitet. K: Ja, noch eine letzte Frage: Wie standen Sie damals zur Kirche? B: Zur Kirche, jetzt passen Sie auf, zur Kirche bin ich immer gut gestanden. Ich bin nur, ich hab nur im Jahre (das ist eigentlich zu viel, eigentlich sollte ich es Ihnen nicht sagen, weil man alles nicht sagen soll, was intim, menschlich [ist?]), ich habe eine Protestantin geheiratet, und habe dem Druck widerstanden; man wollte diese Ehe von Seiten der Kirche aus, also der Lokalkirche, wollte die nicht [sic] zerstören und dagegen hab ich mich gewandt. Ich bin aber ein Katholik in der Weise geblieben, dass ich jeden Sonntag und sonst auch in die Kirche geh, auch im Dritten Reich und auch in Ansbach. Ich habe mir gedacht, es wird sich schon eines Tages die Möglichkeit finden, die protestantische Ehe --- ich bin kirchlich getraut, aber protestantisch, weil meine Frau protestantisch war---aber das --- --K: Also war das die protestantische Kirche, die allgemeine -- -B: Das war die bekennende Kirche, das war die bekennende Kirche, ich bin getraut worden in der Lorenzkirche in Nürnberg, gel. Das war für mich selbstverständlich. Ich habe nicht geheiratet, weil ich hab halt meine Frau geliebt --- --K: Da bestand doch die Möglichkeit sich für --- --B: Damals nicht. K: Es gab doch den Teil der Kirche, der sich an die Nazis angeschlossen hat.
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B: Nein, das ist die bekennende Kirche, das war der Pfarrer Dr. Golder in Nürnberg, die Lorenzkirche. Und die katholische Kirche hat damals eine Möglichkeit einer doppelten Trauung noch nicht gehabt, sondern --- --K: Das kam später. B: Das kam nach ’45. Und dann ist damals der Dekan und Pfarrer bei meiner Mutter vorstellig geworden und hat sie auf die Sündhaftigkeit dieser meiner Ehe aufmerksam gemacht und sie gebeten (da meine Mutter eine sehr fromme Frau war, und auch mein Vater, hat sie gebeten) doch diese Ehe nicht zuzulassen und mich daran zu hindern. Jetzt hab ich Ihnen aber viel gesagt, was ich noch niemandem gesagt hab, gel, und auch nicht gerne sage, weil das meine persönliche, innere, religiöse Sache ist. Die Kirche war für mich in der damaligen Zeit kein Problem in dem Sinne, dass ich je daran gedacht hätte auszutreten, sondern sie war für mich die Selbstverständlichkeit. Ich bin erzogen worden in Metten, in dem Benediktinergymnasium Metten, und da war schon vom Nazismus nie etwas die Rede, und da bin ich im Grunde geprägt worden bis heute. Ich bemüh mich, um Ihnen das zu sagen, auch heute ein frommer Mensch zu sein, ein frommer Katholik zu sein, und erfülle das, was ich für meine Pflichten halte, erfülle ich sehr gerne. Ich bin allerdings in politicis ein Freizügiger. Ich lasse mir nicht gerne, ich mag es nicht sehr gerne, wenn zum Beispiel der Kardinal Hoeffner sich einmischt und sagt, ein Katholik darf nicht bei den Grünen sein, das ist bei mir, wie soll ich sagen, ich hab ein[en] Wutanfall gekriegt. Und gegen solche Dinge. Ich bin auch gegen all das, was die menschliche Freiheit des Denkens und so weiter, und das hab ich bis heute durchgehalten und ich werde es auch durchhalten. Weil es mir nicht fremd ist. Meine Mutter hat im Dritten Reich gesagt: „Ich werde nie Heil Hitler sagen“, und hat das offen auf der Strasse gesagt. Im Grunde wäre das auch mein Weg gewesen, wenn ich nicht ein Beamter hätte werden müssen. Und dass ich Beamter werden musste, das hat mich zu diesen Dingen geführt, und die Reichsbegeisterung. Vergessen Sie das nicht: ich bin in Metten erzogen worden, in geistiger mittelalterlicher Reichsherrlichkeit. Das Kloster Metten ist eine Gründung Karls des Grossen, im Kloster Metten, sind all das, da bin ich neun Jahre aufgewachsen, ich bin im Geschichtsunterricht in diesen Dingen erzogen worden und das war eine Affinität zum Dritten Reich. Gut, das muss man ohne weiteres sagen und darum habe ich auch das geschrieben, wenn ich auch einige Sachen nicht hätte. Aber wenigstens habe ich den Namen Hitler, den hab ich nicht fertiggebracht zu schreiben, glaub ich hab ihn nicht geschrieben. K: Nein, das haben Sie nicht.
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B: Also das ist so, so ist es. Und ich hab auch meinem Lehrer einen Nachruf geschrieben (dem einem Lehrer, ich habe zwei, den Karl Alexander von Müller und den Theodor Mayer), den ich nicht für einen Nazi (ja, ich hab ihm einen großen Nachruf geschrieben), sondern für einen Großdeutschen und Deutschnationalen gehalten. Während der Ding schwach war, der Karl Alexander von Müller.36 Schwach glaub ich waren viele unter uns. Und jetzt sag ich Ihnen noch ein Letztes: und weil ich das wusste, dass man Konzessio nen gemacht hat, hab ich niemals, ich hätte mir manchen Vorteil ergaunern können, indem ich sagte: „Ich bin ein Widerstandskämpfer,“ und hab ich das nie gesagt. Damit Sie das wissen. K: Ich verstehe, ja. B: Ich habe das nie gesagt, und habe auch meine Freunde --- --- Heinrich Pospiech war nie bei der Partei, gel, das war ein Berserker auch, das war ich auch, aber mit diesem Ding. Aber er musste, irgendwie musste er doch klein beigeben, weil er Studienrat werden wollte, und da musste er nachweisen, wo er war, sonst wäre das nicht geworden. Nur die jungen Studenten, die waren für sich frei. Aber wir haben nie eigentlich eine Meinung unter uns gehabt, dass wir voneinander in der Ablehnung des Dritten Reiches in unserer eigenen, ich glaube sehr stark katholischen, Weltanschauung, dass wir in der doch sehr einheitlich waren. Allerdings war der Wolfgang Hammer Protestant. War, also für uns war das kein Thema. Und, wie soll ich sagen, trotz des Bruches, den ich empfinde, wenn ich so was erlese und wenn ich an die manche, wie soll ich sagen, Dinge des Dritten Reiches denke, habe ich in mir trotzdem immer das Gefühl, dass ich von damals (das sage ich Ihnen auch, ob Sie das annehmen oder nicht, das spielt für mich keine Rolle, für mich ist es eine Tatsache), von Anfang bis heute, glaube ich, habe ich mich im Wesentlichen nicht geändert, und damit bin ich im Grunde innerlich ruhig und frei; bin aber, reagiere auf die jetzige Politik, genauso wie ich aufs Dritte Reich reagiert habe, gel. Ich bedauere sehr und tut mir leid, zum Beispiel am meisten, um Ihnen das zu sagen, aus der Gegenwart: ich war wütend und seitdem hasse ich den Mann, den Kohl, weil er in Israel gesagt hatte, dass man mit ihm verhandeln müsse, weil er doch mit dem Nazismus nichts zu tun gehabt hätte. Ich bin der Meinung, ich hab schon was mit ihm zu tun gehabt, aber auch er, wenn er bei keiner Partei war, müsste als Deutscher doch sagen: „Ich vertrete ein Volk, das davon --- ---“, vor allem in Jerusalem und dem jüdischen Volk gegenüber --- --- dass er sagen müsste: „Ich bin ein Vertreter der Deutschen und deswegen fühle ich mich auch verantwortlich.“ Dass er das Gegenteil 36 Vgl. Karl Bosl, „Karl Alexander von Müller In Memoriam“, Zeitschrift für bayerische Landes geschichte 28 (1965), S. 920–928, insb. S. 924.
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davon gesagt hat, das hat mich mit einer Wut sondergleichen erfüllt, und seitdem hasse ich ihn. K: So, vielen Dank, Herr Bosl --- --B: Bitte. K: --- --- für dieses Gespräch.
Nachwort: Zur Rezeption der englischen Ausgabe dieses Buches Nachwort: Zur Rezeption der englischen Ausgabe dieses Buches
Kurz nachdem die englische Ausgabe unseres Buches erschienen war, veröffentlichte Patrick Bahners in der Frankfurter Allgemeine Zeitung einen ausführlichen Artikel, in dem er Bosls Behauptung, im Widerstand aktiv gewesen zu sein, unumwunden als Legende bezeichnete.1 In seinem Artikel beschreibt er zunächst Limperts Aktivitäten und dessen Exekution und fasst anschließend die Erkenntnisse zusammen, die in Matthias Bergs Artikel und in unserem Buch bezüglich Bosls Aktivitäten im Dritten Reich angeführt werden. Bahners weist darauf hin, dass sich Bosl gegenüber Horvay „genau der Tat gerühmt [hat], deretwegen Limpert hingerichtet worden war.“ Er zitiert aus Horvays Brief vom 16. September 1945, in dem dieser angibt, dass Bosl, weil er die Telefonkabel gekappt hat, „von den Ansbachern als eine Art Retter ihrer Stadt betrachtet wird“,2 was Bahners sardonisch als reichlich seltsam kommentiert, da diese Bürger „nie etwas für die Ehrung ihres Retters unternahmen.“ Bahners, der Zweifel daran äußert, dass die Telefonkabel gleich zwei Mal und zudem auch noch an zwei aufeinander folgenden Tagen durchtrennt wurden, mutmaßt daher, dass Bosl im Laufe der Zeit schlichtweg die Einbildung entwickelt hat, genau das getan zu haben, was Limpert unternommen hatte. Zudem bezeichnet Bahners es als „gespenstisch“, dass Bosl Limpert zuschrieb, ähnlich wie er, Bosl selbst, gehandelt zu haben. Der Artikel schließt mit einer sonoren Schlussfolgerung, die wir in unserem Buch nicht ziehen: „Es muss eine gehörige Kaltblütigkeit dazu gehört haben, dem amerikanischen Offizier Horvay, den der schlecht verhehlte Antisemitismus der Deutschen anwiderte, die Legende zu präsentieren. Der Blutzeuge Limpert zeugte für den Studienrat Bosl, dem er aus dem Grab nicht mehr widersprechen konnte.“3 Infolge dieses Artikels, der vermutlich eine sehr viel breitere Öffentlichkeit als unser Buch erreichte, beauftragte der Stadtrat Cham – jene Stadt, in der Bosl zur Welt kam, die ihm die Ehrenbürgerwürde verliehen und die zu seinen Ehren 1 Patrick Bahners, „Die Legende eines Humanisten“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Juli 2011, S. N4. 2 Siehe: Anhang 14; vgl. Anhang 18. 3 Unser Buch einige Tage nach Bahners besprechend, vermittelte Dirk Walter seinen Lesern den Eindruck, wir hätten behauptet, Bosl habe „sich den Widerstandsakt Limperts zu eigen“ gemacht. Er warf die Frage auf, ob Herde, „ein stramm konservativ gesinnter Katholik“ (was unzutreffend ist) posthum einen Kreuzzug gegen den Liberalen Bosl führt (was absurd ist). Kedar wird anfänglich als „der slowakische Jude“, der den Holocaust überlebte vorgestellt. (Eine sonderbare Charakterisierung, wenn man bedenkt, dass dieser „slowakische Jude“ bei Kriegsende kaum sieben Jahre alt war und im Alter von zehn Jahren nach Israel kam). Dirk Walter, „Ein Historiker mit NS-Vergangenheit. Der entzauberte Karl Bosl“, Münchner Merkur, 14. Juli 2011, S. 3.
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einen Platz nach ihm benannt hatte – den Stadtarchivar Timo Bullemer am 27. Juli 2011 damit, die in dem Artikel erwähnten Quellen zu überprüfen. Bullemer kam in seinem Bericht zu dem Schluss, dass unser Buch „auf einer breiten Quellenbasis fußt“. Weiter hielt er fest, dass Bosls Mitgliedschaft bei der NSDAP, der SA und anderen NS-Organisationen „eindeutig nachzuweisen ist“, seine inkorrekten Aussagen über seine wissenschaftlichen Aktivitäten während des Dritten Reiches ebenfalls gut dokumentiert sind und „erhebliche Unsicherheiten“ bezüglich seiner Widerstandshandlungen bestehen.4 Daraufhin beschloss der Stadtrat Cham, den Prof. Dr. Karl-Bosl-Platz umzubenennen und Bosls Bronzebüste aus dem Langhaussaal des Rathauses zu entfernen und im Archiv zu verwahren. Die Ehrenbürgerwürde war mit seinem Tod erloschen. Bürgermeisterin Karin Bucher erklärte: „Wir wollen ihn nicht beurteilen, aber um mit einer Straße geehrt zu werden, muss jemand mehr als wissenschaftliche Leistungen erbringen. Dazu braucht es Zivilcourage, und die hat Bosl im Dritten Reich nach unserem jetzigen Wissen nicht gezeigt.“5 Am 23. Oktober 2011 brachte der Bayerische Rundfunk in seiner Reihe „Land und Leute“ einen Sendebeitrag von Thomas Grasberger mit dem Titel „Der Fall Bosl. Oder: Wie die ‚Bayerische Geschichte‘ mit ihrer Geschichte umgeht.“6 Der Rundfunkbeitrag begann mit einer Gegenüberstellung der würdevollen Bemerkungen, die Bosl in einem 1979 geführten Interview über den Stellenwert der Wahrheit in der Arbeit eines Historikers gemacht hatte, und den in unserem Buch präsentierten Erkenntnissen. Nachfolgend wird ausgesagt, dass Bosls Behauptung, Plakate geklebt und Flugblätter verteilt zu haben, eine Lüge ist, und abschließend angemerkt:
4 [Timo Bullemer], „Vorwürfe gegen Prof. Dr. Karl Bosl (1908–1993) in einem Artikel der FAZ vom 6. Juli 2011“, [F]. http://www.cham.de/deCham/kulturbildung/stadtarchiv/geschichte/BoslRecherche-Bericht-2.pdf (nicht mehr aufrufbar). 5 Hans Kratzer, „Wegen dubioser NS-Vergangenheit: Cham stürzt das Denkmal Bosls“, Süd deutsche Zeitung, 29. November 2011, S. R 16; siehe auch: Christoph Giesen, „Erst die Eloge, jetzt die Abrechnung. Wie das Gutachten des Chamers Stadtarchivars Timo Bullemer den Nimbus des Karl Bosl zerschlagen hat“, Süddeutsche Zeitung, 30. November 2011. 6 Siehe: http://www.br.de/radio/bayern2/bayern/land-und-leute/der-fall-bosl-thomas-gras berger 102.html Der Podcast zur Sendung findet sich unter: http://cdn-storage.br.de/mir-live/ MUJIuUOVBwQIb71S/iw11MXTPbXPS/_2rc_K1S/_AES/_-rc9-Nd/111023_1330_Land-und-Leute_ Der-Fall-Bosl---Oder-Wie-die-Bayerische-Ges.mp3 Über Grasbergers Einstellung siehe auch: Hans Kratzer, „Ein Held, der keiner war. Neue Berichte und Recherchen nähren den Verdacht, dass sich der große Historiker Karl Bosl zu Unrecht als Widerstandskämpfer präsentierte“, Süddeutsche Zeitung, 22./23. Oktober 2011.
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Was ist historische Wahrheit? War Karl Bosl Nazi oder Opportunist? Oder von beiden ein bisschen? Die amtlichen Quellen sind im Wesentlichen ausgewertet. Aber die Motive seines Handels sind noch immer nicht ganz geklärt. Das wird wohl auch so bleiben, wenn nicht unverhofft neue Quellen auftauchen – private Zeugnisse oder Briefe etwa. Wunder wäre auch das keins – denn spontane Wendungen waren bei Karl Bosl ja schon zu Lebzeiten keine Seltenheit.“
In dem Beitrag kommen die Historiker Prof. Werner Blessing und Prof. Manfred Treml, die beide bei Bosl studierten, ebenso wie Matthias Berg, Ferdinand Kramer und Walter Ziegler zu Wort. Benjamin Kedar erhielt vor dem Sendetermin die Transkription einiger ihrer Aussagen und reagierte per E-Mail darauf. Keiner der Interviewpartner, die in diesem Radiobeitrag zu Wort kamen, glaubte an Bosls vermeintliche Aktivitäten als Widerstandskämpfer. Blessing vermutete sogar, dass Bosl nach dem Krieg wusste, dass er „erheblich belastet, erheblich gefährdet“ war und daher die günstige Gelegenheit beim Schopf griff und „sich von dieser Tat des jungen Limpert manches anverwandelt“ hat. Berg, für den Bosl unzweifelhaft ein Mitläufer, vielleicht auch ein Opportunist war, bezweifelte, dass Bosl tatsächlich keine andere Wahl hatte, als der Partei beizutreten, denn „es gibt durchaus Nachwuchshistoriker, die nicht in der NSDAP“ waren. Berg brachte zudem eine plausible Antwort auf die Frage vor, warum Bosl wiederholt darauf bestand, Mitglied eines kleinen Kreises gewesen zu sein, der sich aktiv dem Regime entgegenstellte. „Die Erinnerungs- und Gedächtnisforschung“, so erklärte Berg, hat uns in den letzten Jahren sehr deutlich gezeigt, dass es Menschen sehr schnell gelingen kann, wenn sie einen bestimmten Umstand sich selbst eingeredet haben, daran zu glauben. Das ist ein Prozess, der über mehrere Jahre verläuft, und in dem Bosl sich durchaus so bewegt, wie der Rest der bundesdeutschen Gesellschaft sich bewegt: die NS-Vergangenheit nach den Entnazifizierungsverfahren hintanstellen und in einem gegenseitigen Prozess des Versicherns, dass alles nicht so schlimm war, sich gegenseitig reinzuwaschen. Bosl ist in besonderer Weise tätig, weil er sich nicht nur reinwäscht, sondern sich auch noch zum Widerstandskämpfer stilisiert.
Im Gegensatz zu Berg vertraten Kramer, Treml und Blessing hingegen eine als apologetisch zu bezeichnende Haltung. Kramer forderte Vorsicht bei der Evaluation von Zeugnissen und Gutachten aus der Zeit des Dritten Reiches, die die Loyalität einer Person gegenüber dem Regime unterstreichen, da diese oftmals dem Wunsch entsprungen sind, die eigene Karriere zu fördern, weshalb er dazu anmerkte: „Wenn man das später als Historiker nur quellenpositivistisch auswertet, wird man der Sache nicht gerecht.“ Dabei vernachlässigt er allerdings, dass Bosls politische Haltung nicht ausschließlich in Dokumenten zu Ausdruck kam, die zu eigenen Gunsten bei verschiedenen Behörden eingereicht wurden, sondern
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auch in seiner im Dezember 1944 gehaltenen Durchhalterede zum Tragen kam. (In der vom BR ausgestrahlten Sendung kam diese Bosl-Rede überhaupt nicht zur Sprache.) Kramer verwies ebenfalls darauf, dass Bosl in den 1960er Jahren an der Münchener Universität wissenschaftliche Studien zur Weimarer Republik und zur Nazi-Periode ermöglichte, „was ja bei weitem nicht bei allen der Fall war“. (Das stimmt sicherlich, wirft aber dennoch kein Licht auf Bosls eigene Aktivitäten während der besagten Periode.) Treml, der seinen Lehrer als eine Person in Erinnerung behält, die immer „als liberaler Geist“ auftrat und „immer ein bisschen den Anschein erweckt hat, dass er widerständig war und mit denen nichts zu tun hatte“, betonte, dass viele Historiker, einschließlich Erdmann [sic!], leider einen Anpassungsprozess durchlaufen hatten. Trotzdem glaube er nicht, dass Bosl im Dritten Reich aus Opportunismus gehandelt habe, denn wäre er ein Opportunist, „hätte er sich doch immer und überall angepasst.“ Genau das sei nicht der Fall gewesen, denn nach dem Krieg war er für seine vielen akademischen Fehden bekannt, in die sich ein Opportunist nicht hineinbegeben hätte. (Man mag dem entgegenhalten, dass eine mangelnde Anpassung im akademischen System einer Demokratie kaum eine frühere Anpassung an ein totalitäres Regime ausschließt.) Blessing kommt im Gegensatz zu Treml zu der Schlussfolgerung, dass sich Bosl im Frühjahr 1945 „sicher opportunistisch benommen [hat]. Wohl auch schon am Ende der Weimarer Republik.“7 Dennoch warf er den Autoren Kedar und Herde vor, eine Kampagne zu führen, mit der „jemand insgesamt erledigt werden soll. Es ist fast wie eine Hetzjagd, dass man lange Jahre nach seinem Tod alles in die Öffentlichkeit bringt. Er kann sich nicht mehr wehren, und die wesentlichen Dokumente wären vor 20 Jahren auch schon greifbar gewesen. Also, das grenzt in manchem fast an üble Nachrede.“ Auf diesen Vorwurf hatte Kedar in einem E-Mail-Schreiben Stellung bezogen, dessen Inhalt in der Sendung folgendermaßen wiedergegeben wurde: „Es sei weder eine Kampagne noch eine Hetzjagd, es gehe nur darum zu verstehen, was Bosl im Dritten Reich und während der ersten Nachkriegsjahre getan hat. Diese Fragen habe er, Kedar, Karl Bosl schon beim Interview 1986 gestellt.“ Und er gab an: „Ich sagte zu Bosl, dass ich sein Benehmen während des Dritten Reiches als ‚Höchstgrad von Anpassung, von [...] moralischer Feigheit‘ betrachte. Bosl konnte sich wehren – aber er tat es nicht, sondern antwortete: ‚Ja, das leugne ich doch nicht.‘“ Blessing warf dann die Frage auf: „Wie kann man diese relativ punktuellen Ereignisse und die Verhaltensweisen in lange vergangenen Zeiten, in sehr kritischen Situationen, gewichten und wie wägt man demgegenüber das, was dann später in einem guten halben Jahrhun7 Wie aufgezeigt, schrieb Blessing 2009, dass sich Bosl zu Gunsten seiner beruflichen Karriere mit den Nazis „einließ“, dies in einem größeren Maße, „als zum Überleben nötig war.“ Blessing, „Karl Bosl im Blick eines Schülers“, S. 913.
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dert geleistet wurde, auf den verschiedensten Feldern.“ Kedar fand diese Bagatellisierung Bosls Taten als „relativ punktuelle Ereignisse“ höchst bestürzend. An einer anderen Stelle der Radiosendung erwähnte Kedar, wie sich Bosl in dem mit ihm 1986 geführten Interview vorstellte: „als kleiner schwacher Mensch“, der „aus bürgerlicher Schwäche und Feigheit“ handelte, und Kedar bemerkte dazu, dass es schon wahrscheinlich ist, dass es sich tatsächlich um einen jener kleinen schwachen Menschen gehandelt hat, die aus Opportunismus handelten, doch Menschen dieses Schlages „haben nicht nur das Dritte Reich ermöglicht, sondern auch dessen Politik tätig unterstützt.“ Infolge der Herausgabe unseres Buches wurde am 22. Mai 2012 in Ansbach ein Begegnungsabend von der Bürgerbewegung für Menschenwürde / Lokale Allianz gegen Rechtsextremismus (Gruppe Ansbach Stadt und Land) organisiert, der insbesondere das Interesse an Limpert und der Gruppe jener Wagemutigen weckte, der er vorgestanden hatte.8 Dr. Frank Fätkenheuer, der am Carolinum Geschichte unterrichtet, reiste nach dem Begegnungsabend nach Göppingen, um Dr. med. Hans Stützer, den damals letzten Lebenden der Limpert-Gruppe, zu interviewen. Am 6. Januar 2013 verliehen Hannes Hüttinger, Bürgermeister von Ansbach, und Heinz Kreiselmeyer, Sprecher der Bürgerbewegung für Menschenwürde, Stützer eine Dankesurkunde für seinen „Einsatz zur Rettung der Stadt am Ende des Zweiten Weltkrieges“. Wenige Monate später starb Stützer und wurde, seinem Letzten Willen entsprechend, auf dem Ansbacher Stadtfriedhof, wo auch Robert Limpert beigesetzt ist, in einem Familiengrab zur Ruhe gebettet. Bei der Bestattungsfeier am 19. April 2013 huldigte ihn Bürgermeister Hüttinger als „Retter Ansbachs“.9 Ziemlich unerwartet brachte unsere Publikation etwas anderes ins Rollen: Das Verfassen eines Schauspiels. Darin wird beschrieben, dass Oberst Meyer Limpert nach der misslungenen Erhängung laufen lässt und Sergeant Horvay in Vorbereitung des Prozesses gegen Meyer wegen versuchten Mordes sowohl Meyer als auch Limpert und zudem Bosl zu einem Gespräch in ein Ansbacher Wirtshaus bestellt.10
8 Manfred Blendinger, „Nicht Lüge und Wahrheit, sondern: ‚Wie benimmt sich ein Mensch?‘ Historiker stellt Forschungen zu Robert Limpert, Herbert Frank und Dr. Karl Bosl vor“, Frän kische Landeszeitung, 21. Mai 2012; Sebastian Haberl, „‚Das Dritte Reich tätig unterstützt.‘ Begegnungsabend in Ansbach – Zu wenig bekannt: die Rolle der Freunde Limperts“, Fränkische Landeszeitung, 24. Mai 2012. 9 Hannes Hüttinger, „Würdigung Hans Stützer“ (Bestattungsfeier Heilig Kreuz am 19. April 2013) [F]. 10 Siehe: Gerd Scherm, Der Lehrer, der Student und die Soldaten, oder Das gestohlene Leben (Norderstedt 2014).
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Die Reaktionen der Fachliteratur auf unser Buch waren überwiegend positiv. Frank Rexroth (Georg-August-Universität Göttingen) begrüßte unsere Publikation in seiner in der Historischen Zeitschrift erschienenen Rezension als einen Beitrag zum Studium eines dunklen Kapitels der Geschichte der deutschen Geisteswissenschaften, sine ira et studio verfasst und auf jene Zeitspanne im Jahr 1945 fokussiert, als Bosl die Rolle des beherzten Widerstandskämpfers für sich beanspruchte. Rexroth hätte eine detailliertere Interpretation des Materials bevorzugt, so beispielsweise der Rede Bosls bei der Kreuzerrichtung auf Limperts Grab im September 1945, die er als „ein Amalgam aus völkischer, katholischer und antinazistischer Diktion“ beurteilt, das einem „Lehrstück in den oratorischen Techniken jener biographischen Reinvention, von der im Titel die Rede ist“, gleichkommt. Rexroth hätte darüber hinaus eine weitergefasste Kontextualisierung des Bosl-Falls und weiterführende Informationen zu den Umständen begrüßt, die zur Entstehung des Interviews von 1986 führten.11 (Da wir diese Kritik gerne aufgreifen, haben wir derartige Informationen in die Einleitung zum Anhang 23 einfließen lassen.) Ivan Hlaváček von der Karls-Universität Prag wies in seiner im Český časopis historický publizierten Rezension darauf hin, dass der Großteil unseres Buches der Konfrontation der offiziellen Dokumente mit Bosls verzerrten Selbstdarstellungen gewidmet ist, deren Resultat die traurige, jedoch notwendige Abrechnung mit einer Legende ist, die gerade für tschechische Leser von besonderem Interesse sei, da sie Bosls spätere bedeutsame Beiträge zur Geschichte der böhmischen Länder kennen, in denen er eine gemäßigte Haltung zeigte.12 Frank-Rutger Hausmann (Albrecht-Ludwig-Universität Freiburg), der unser Buch in der H-Soz-Kult besprach, kommt zu dem Schluss, dass wir Bosls Aktivitäten im Dritten Reich weiter entmythologisieren und einen indirekten Nachweis erbringen, dass Bosl sich selbst „durch Verschweigen, Beschönigen und Fälschen als Widerstandskämpfer bezeichnen ließ.“ Dennoch glaubt Hausmann, Bosls Aktivitäten im Rahmen des „Ahnenerbes“ der SS sowie seine Durchhalterede vom 13. Dezember 1944 „sprengen noch nicht den Rahmen der Zugeständnisse, die Wissenschaftler dem Nationalsozialismus üblicherweise machten.“ Hausmann erachtet unser Werk als einen Beitrag zur Sozialgeschichte der deutschen Akademiker im Dritten Reich, die er zurecht als ein Desiderat bezeichnet,13
11 Historische Zeitschrift 295 (2012), S. 244–246. Wir haben uns nicht nur mit Bosls Verhalten im Jahr 1945 beschäftigt, sondern zusammenzustellen versucht, was sich überhaupt bezüglich seiner Aktivitäten während des Dritten Reiches sowie im Hinblick auf sein Entnazifizierungsverfahren in den Jahren 1946–1948 finden ließ. 12 Český časopis historický 110 (2012), S. 147–148. 13 Frank-Rutger Hausmann, Rezension in H-Soz-Kult, 21. November 2102, http://www.hsozkult. de/publicationreview/id/rezbuecher-19148
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doch dem mag man entgegenhalten: Solange eine solche Geschichte noch nicht geschrieben wurde, ist es etwas verfrüht davon auszugehen, dass sich eine Tätigkeit für das „Ahnenerbe“ und eine Durchhalterede gegen Ende des Dritten Reiches innerhalb des Rahmens der von Wissenschaftlern üblichen Zugeständnisse bewegte, oder dass solche Aktionen zu Gunsten des NS-Regimes tatsächlich nur „Zugeständnisse“ waren; schließlich ist anzunehmen, dass zumindest einige deutsche Wissenschaftler solche „Zugeständnisse“ aus Überzeugung machten. Folglich sollte das Handeln eines jeden Individuums mit dem von anderen Mitgliedern seiner Kohorte verglichen werden, und in diesem Kontext ist hervorhebenswert, dass von allen Lehrern, die am Ansbacher Gymnasium unterrichteten, Bosl der Einzige war, der für das „Ahnenerbe“ tätig war und im Dezember 1944 eine Durchhalterede hielt. Und von den 51 Mitarbeitern des Projektes „Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte“ war nur einer als Studienassessor tätig, nämlich Bosl.14 Die Reaktionen von Seiten des Bayerischen Philologenverbandes (BPV), der 1949 wiedergegründet wurde und dessen erster Vorsitzender in der Nachkriegszeit Bosl war, sowie seitens einiger der Bosl-Schüler, waren, wie die Ausführungen von Blessing in der Sendung des BR bereits erahnen lassen, weitgehend negativ. Die Bewunderung und auch die Verehrung der Schüler für ihren Lehrer und Doktorvater sind höchst beeindruckend. Die bewegendste Begebenheit trug sich auf dem bereits erwähnten Begegnungsabend in Ansbach im Mai 2012 zu, als einer der ehemaligen Bosl-Schüler eingestand: „Die Veröffentlichungen über meinen Lehrer zerreißen mich im Herzen – ich komme damit innerlich ganz, ganz schwer zurecht.“15 Später, nach einer Unterhaltung in Jerusalem, in der wir das Thema ausführlich besprachen, kam er in einer feinfühligen Denkschrift über seine Lehrer Spindler und Bosl zu dem Schluss: „Trotz der Erschütterung durch das neue Bild, das Kedar und Herde von Bosl entworfen haben, empfinde ich immer noch ein warmes Gefühl in meinem Herzen, wenn der Name Bosl erklingt.“16 Ein anderer Schüler suchte den schriftlichen Kontakt, um einige in unserem Merkwürdigerweise datiert Hausmann den Artikel von Matthias Berg über Bosl fälschlicherweise ins Jahr 2012 und behauptet, dass er unsere Publikation kritisiert; tatsächlich erschien der Beitrag jedoch 2011, zu einem Zeitpunkt, als unser Buch noch in der Drucklegung war. Darüber hinaus wundert sich Hausmann, dass man in Ansbach Bosls Widerständigkeit nicht hinterfragte, ohne dabei jedoch zu erwähnen, dass wir uns mit diesem Aspekt ausführlich befassen (S. 59 der englischen Ausgabe). 14 Siehe die Liste bei Rusinek, „Wald und Baum“, S. 356–359. Von den 51 Forschern waren 15 Professoren und 27 Doktoren; nur zwei waren cand. phil. und zwei andere Realschullehrer. 15 DVD-Aufzeichnung des Begegnungsabends, den die Bürgerbewegung für Menschenwürde ausrichtete; Olaf Przybilla, „Der benutzte Held“, Süddeutsche Zeitung, 24. Mai 2012, S. 34. 16 Persönlicher Schriftverkehr, 7. November 2013.
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Buch angeführten Argumente anzufechten. Als dieser ehemalige Schüler aus einem Bericht in der Neuen Zürcher Zeitung erfuhr, dass Kedar zusammen mit zwei seiner Kollegen an der Hebräischen Universität Jerusalem die Ausgrabung sowie die Rekonstruktion der noch erhaltenen Bestandteile einer 1967 von den israelischen Behörden in Jerusalem zerstörten islamischen Schule fordern, deren Gründung sie auf den Sohn Saladins um 1195 zurückführen konnten,17 schrieb er ritterlich an seine Freunde des Bosl-Stammtisches in München, dass man Kedar für „seinen wissenschaftlichen Erkenntniswillen“, den er als ähnlich hartköpfig wie Bosls bezeichnete, Anerkennung und Respekt zu zollen habe. Ein durchaus unerwartetes Kompliment. Sehr viel weniger wohlgesonnen war die Auseinandersetzung mit unserem Buch, die Dr. Ernst Schütz 2012 in der Zeitschrift des BPV Das Gymnasium in Bayern veröffentlichte.18 Erstens fasst er unsere Argumente in einer Weise zusammen, die unseren Ausführungen nicht immer gerecht wird. So z. B. schreibt er wir hätten behauptet, „Bosl habe mit den Ideologen des Dritten Reiches kooperiert“, während wir in Wirklichkeit – so wie Rusinek und Berg vor uns – aufzeigten, dass Bosl sich freiwillig für Forschungsarbeiten beim „Ahnenerbe“ der SS meldete und nachhaltig darum bemüht war, seine Dissertation unter der Schirmherrschaft dieser Organisation zu veröffentlichen. Mit Sicherheit verfügte der Ansbacher Gymnasiallehrer Bosl nicht über die Kapazität einer Kooperation mit den Ideologen des Dritten Reiches; er war aber sehr wohl darauf bedacht, für eine bedeutsame Institution, welche die Nationalsozialisten ins Leben gerufen hatten, bezahlte Auftragsarbeiten auszuführen. Schütz behauptet des Weiteren, wir hätten geschrieben, Bosl habe „sich die Widerstandshandlungen seines im April 1945 von der SS hingerichteten Schülers Robert Limpert schlicht selbst angeeignet“, wohingegen wir in unserer Publikation Beweise vorlegen, dass Bosl behauptete, Aktivitäten ähnlich wie die von Limpert ausgeführt zu haben, und in der Nacht vom 17. auf den 18. April erfolgreich das ausgeführt haben will, was Limpert am nachfolgenden Tag nicht gelungen sei. Darüber hinaus verfehlt die Unterstellung, wir hätten Bosl als „Nazi-Historiker und gewissenlosen Wendehals“ charakterisiert, den Charakter unserer viel nuancenreicheren Argumentation. Zweitens sind die faktischen Aussagen, die Schütz vorbringt, nicht immer korrekt. Limpert wurde nicht, wie Schütz schreibt, von der SS hingerichtet. Der 17 Joseph Croitoru, „Geschärfter Blick für Islamisches: Paradigmenwechsel bei israelischen Archäologen“, Neue Zürcher Zeitung, 17. August 2012, S. 46. Siehe: Benjamin Z. Kedar, Shlomit Weksler-Bdolah und Tawfiq Da’adli, „The Madrasa Afdaliyya/Maqam al-Shaykh ’Id: An Example of Ayyubid Architecture in Jerusalem“, Revue Biblique 119 (2012), S. 271–287. 18 Ernst Schütz, „Die ‚Causa Bosl‘: Mehr Fragen als Klarheit“, Das Gymnasium in Bayern 10– 2012, S. 34–37.
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Dienstgrad des Mitglieds der US-Militärregierung in Bayern, mit dem sich Bosl anfreundete – Frank Horvay –, war nicht der eines Colonel, wie Schütz festhält, sondern eines Corporal (und einige Zeit später eines Sergeant). Drittens wirft er uns vor: „Die entlastenden Erinnerungen Hammers, Bosl habe mit seinem Kollegen Pospiech eine kleine Protestzelle gebildet, werden im gleichen Atemzug als verzerrt bewertet, weil Hammer zu Bosls nachmaligen Doktoranden zählt.“ In Wirklichkeit haben wir dieses Argument niemals vorgebracht, sondern vielmehr aufgezeigt, dass noch nicht einmal Hammer schrieb, dass Bosl in die Aktivitäten der Limpert-Gruppe involviert war, sondern ihn hingegen der Bosl-Pospiech-Zahner-Gruppe zuordnete. Unser Argument bezüglich Bosls Integration in die SA ist ähnlich falsch dargestellt.19 An einer anderen Stelle wirft Schütz die Frage auf: „Warum werden dem Leser entlastende Archivalien vorenthalten, wie sie etwa Matthias Berg zeitgleich zu Kedar und Herde in der Zeitschrift für Geschichtswis senschaft vorlegt?“ Das kommt einem Vorwurf der Unehrlichkeit gleich. Doch Schütz sollte wahrnehmen, dass wir dem zweiten Kapitel der englischen Ausgabe ein Postskriptum hinzufügten, in dem wir festhalten, dass sich zum Zeitpunkt des Erscheinens des Berg-Artikels unser Buch bereits in der Drucklegung befand.20 Erst dem hier vorgelegten Buch können wir die von Berg herangezogenen Dokumente zusammen mit anderen ausführlich diskutieren, und der daraus zu ziehende Schluss ist – wie wir aufgezeigt haben – nicht eindeutig. Die apologetische Haltung, die Schütz Bosl entgegenbringt, treibt ihn sogar zu der Behauptung, dass es möglicherweise Horvay war, der zum Schutz von Bosl die Geschichte um dessen KZ-Internierung und Strafbataillon-Dienst erfand. Doch diesbezüglich sei in Erinnerung gerufen, dass Horvay solche Aussagen nicht in der Bescheinigung vorbrachte, die er zu Bosls Schutz ausstellte, sondern in einem privaten Brief, den er einem seiner Universitätslehrer in den USA schrieb, der wohl kaum Bosls Schicksal in die eine oder andere Richtung hätte beeinflussen können.21 So wie Kramer im Beitrag des BR, warnt Schütz ebenfalls vor 19 Während wir in den englischen Ausgabe festhielten: „Since the Stahlhelm was incorporated on 3 July 1933 into the SA, it is obvious that Bosl was one of the 500,000 members of that nationalist organization who were integrated into the SA at that time“ (S. 17–18), so fragt Schütz: „Wieso erwähnen sie nur in einem Nebensatz, dass der ‚Stahlhelm‘ geschlossen in die SA überführt wurde (S. 17) – und Bosl somit nie aktiv der SA beigetreten sei?“ Und Schütz fragt weiter: „Warum wird die Beendigung seiner Mitgliedschaft in dieser Organisation zum Jahr 1934 nicht vermerkt?“ – wobei er unsere Diskussion auf S. 18, Anmerkung 41, der englischen Ausgabe übersieht. 20 Ebd., S. 27. 21 Oder sollen wir annehmen, dass Horvay die Geschichte erfunden hat und seinen amerikanischen Vorgesetzten oder seinen Ermittlern (wie dem fähigen Heinrich Wenig) mündlich oder gar schriftlich servierte? Das wäre doch für Horvay höchst gefährlich (und äußerst unklug), da ein Jahr im KZ und drei Jahre im Strafbataillon durch die einfachste Einsicht in die Dokumente
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einem Quellenpositivismus, während er zugleich – ebenso wie Kramer – Bosls Durchhalterede von Dezember 1944 unbeachtet lässt. Er bezieht sich darauf in einer bagatellisierenden Weise folgendermaßen: „Bosls im Dezember 1944 vor Parteigenossen gehaltener Vortrag ‚Das Reich als politische Idee‘.“ Diese Formulierung erweckt den Anschein, als hätte es sich um einen rein wissenschaftlichen Vortrag gehandelt. Schütz zitiert ausführlich aus Bergs Artikel über das Ausmaß, in dem ein junger Historiker im Dritten Reich mit vom Regime diktierten Einschränkungen zu ringen hatte, während er eine andere Schlussfolgerung Bergs ignoriert, laut der Bosl seit 1938 „eine geradezu mustergültige Karriere als Nachwuchswissenschafter im Nationalsozialismus“ abschloss.22 Er erwähnt ebenfalls nicht Blessings Schlussfolgerung, dass Bosl sich mehr mit dem Regime einließ als er für sein Überleben benötigte.23 Schütz, der darüber hinaus behauptet, dass unser „häufiger Gebrauch des Konjunktivs“ von Mutmaßungen zeugt, die handfeste Belege ersetzen sollen, und unterstellt, dass unsere Publikation nicht eindeutig belegt, dass Bosl nicht in Widerstandshandlungen involviert war, schließt seine Rezension mit der Frage ab: „Was aber hat ihre Publikation dann bezweckt?“ In einer nachfolgenden Ausgabe von Das Gymnasium in Bayern wurde diese Frage mit einem energischen Leserbrief von Dr. Frank Fätkenheuer beantwortet, der am Ansbacher Carolinum unterrichtet: Anders als Schütz unterstellt, geht es Kedar/Herde nicht darum, einen bekannten Historiker als „Nazi“ zu brandmarken, dies bemerkt Schütz auch, wenn er darauf verweist, dass die Verfasser häufig im Konjunktiv formulieren. Übrigens tun sie dies nicht aus Unsicherheit, sondern aus der Vorsicht heraus, keine vorschnellen Urteile zu fällen, sondern im Zweifel Fragen aufzuwerfen, die der Leser eigenständig beantworten soll. […] Bosl war, und da kann kein Zweifel mehr bestehen, zweifelsohne ein geschickter opportunistischer Karrierist, der sein Ziel, einen „Ruf“ zu erhalten, an oberster Stelle ansiedelt, eine Einschätzung, zu der auch andere Historiker unabhängig von Kedar/Herde gelangten (Rusinek, Nagel, Berg). […] Die Schülerinnen und Schüler [am Carolinum] sollen sehr wohl wissen, dass es Robert Limpert und einige Gleichgesinnte waren, die in den Apriltagen 1945 ihr Leben riskierten, Karl Bosl war nach Aussage aller Zeitzeugen nicht dabei. […] Das sich Karl Bosl ex post in diese Widerstandsgruppe hineinprojizierte, muss doch von Interesse sein! Dies nicht nur plakativ, sondern äußerst transparent und quellengesättigt gezeigt zu haben, sollte die Frage von Dr. Schütz beantworten: „Was aber hat ihre Publikation dann bezweckt?“24 des Gymnasiums, der Stadt, der Polizei usw., und die einfachste Befragung der Gymnasiumslehrer und Schüler usw., als durch und durch falsch erwiesen hätte. Eine solch törichte Erfindung kann man Horvay nicht zutrauen. 22 Berg, „Lehrjahre“, S. 58. 23 Blessing, „Karl Bosl im Blick eines Schülers“, S. 913. 24 Frank Fätkenheuer, „Leserbrief zur Rezension: Die „Causa Bosl“: Mehr Fragen als Klarheit von Dr. Ernst Schütz, in: GiB 10-2012, S. 34ff. In: Das Gymnasium in Bayern 12-2012, S. 27. Der
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Ebenfalls 2012 veröffentlichte der Bayernspiegel. Zeitschrift der Bayerischen Einigung und Bayerischen Volksstiftung drei Beiträge zur Bosl-Kontroverse. Der Rechtsanwalt Florian Besold weist zunächst darauf hin, dass Bosl niemals die Verfolgung von Juden oder anderen Minderheiten förderte, „niemals […] nationalsozialistisches oder kriegstreiberisches Gedankengut verbreitet“ und niemals denunziert oder zu eigenem Vorteil andere dem nationalsozialistischen Regime preisgegeben hat. Er erklärt nicht, dass weder wir noch andere Bosl jemals Aktivitäten der ersten und dritten von ihm erwähnten Kategorie zugeschrieben haben, allerdings kann man die Durchhalterede von Dezember 1944 als in die zweite Kategorie fallend einstufen. Besold fährt fort, dass sich Bosl mit dem Regime „arrangiert“ habe, um seine Karriere zu fördern und vielleicht „Biographie beschönigend‘“ handelte, als er im Entnazifizierungsverfahren und nachfolgend „sein Verhältnis zum aktiv-heroischen Widerstand überhöhte“, dieses „Verschulden“ sei jedoch, vor dem Hintergrund der damaligen Zeiten wie auch der „gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse“ betrachtet, von geringer Bedeutung.25 Der Autor des zweiten Beitrags ist Prof. Manfred Treml, einer der BoslSchüler, der ein Jahr zuvor im Sendebeitrag des BR zu Wort gekommen war. Ähnlich wie Blessing in jener Sendung spricht auch Treml von einer „kampagnenartigen Inszenierung“, die weniger auf ein Verstehen, als auf eine Verurteilung ausgerichtet sei. An einer anderen Stelle unterstellte er uns Autoren, dass uns unsere „Aversion gegen Karl Bosl“ verbindet.26 (Das ist eine völlig grundlose Redakteur von Das Gymnasium in Bayern entschied, den einleitenden Satz des Leserbriefes wegzulassen: „Zunächst einmal freut sich der Leser über eine Rezension des wichtigen Buches von Kedar und Herde: Beginnt sich der BPV der eigenen Vergangenheit zu stellen, so wie es der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband in seiner vorbildlichen Publikation über die Verfolgung und Ermordung jüdischer Lehrerinnen und Lehrer in Bayern 1933 bis 1945 (München 2011) getan hat? Weit gefehlt – die Chance wurde vertan. Stattdessen fragt der Rezensent am Ende: ‚Was aber hat ihre Publikation dann bezweckt?‘“ Vielleicht beschloss Schütz unter dem Eindruck dieses Leserbriefes, diese Frage in der zweiten Version seiner Rezension nicht zu wiederholen. Diese Version, die wesentlich ausgewogener als die ursprüngliche ist, wiederholt mehrere der vorstehend besprochenen Argumente und Irrtümer: Ernst Schütz, „Rezension zum Buch ‚A Bavarian historian reinvents himself: Karl Bosl and the Third Reich‘ von Benjamin Z. Kedar und Peter Herde“, Verband Bayerischer Philologen. Mitteilungen 26 (2014), S. 27–35 [F]. 25 Florian Besold, „Karl Bosl – Die Anklage“, Bayernspiegel 1-2/2012, S. 3–4. 26 Darüber hinaus charakterisiert Treml Herdes Beitrag von 2007 als „deutliche Züge einer persönlichen Abrechnung“ mit Bosl tragend – eine gegenstandslose Unterstellung, da es zu keinem Zeitpunkt einen persönlichen oder einen anders gearteten Zusammenstoß zwischen den beiden gab und Herde mit Bosl ein einziges (freundliches) Gespräch unter vier Augen im Juli 1961 geführt hat. Da er von der Historischen Kommission der Universität Würzburg beauftragt wurde, über die Würzburger Historiker im Übergang vom Nationalsozialismus zum demokratischen Neubeginn kritisch zu handeln, musste er auch Bosl einbeziehen. Im übrigen gab es keinerlei Kontakte von Kedar und Herde mit den anderen Autoren die Bosls Aktivitäten im Dritten Reich
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Beschuldigung). Dagegen ist Tremls Präsentation tendenziös, wenn er behauptet, dass Bosl „schon 1934 wegen mangelnder Aktivitäten wieder aus der NSDAP ausgeschlossen wurde“, die Ansbacher eidesstattlichen Erklärungen als wahrheitsgetreu betrachtet und andere Fakten, die seiner Haltung nicht entsprechen, einfach ausblendet. In seiner Bewertung von Bosls Leben im Dritten Reich erwähnt er z. B., dass Bosl weder die Parteiuniform noch das Parteiabzeichen trug, doch er vergisst anzumerken, dass diese Behauptung ausschließlich auf der Aussage beruht, die Herbert Frank in dem von Kedar geführten Interview machte. Hätte Treml auf die Quelle hingewiesen, auf die er seine Angabe stützt, so hätten seine Leser mit Leichtigkeit verstanden, dass diese in unser Buch aufgenommene Information beweist, wie verzerrt seine Darstellung unserer Motive ist. An einer anderen Stelle hält er fest, Bosl „gesteht“ in dem 1986 geführten Interview „einen ‚Nazispruch‘ in einer seiner Publikationen ein“, während Bosl auf Sätze in mehreren seiner vor 1945 publizierten Artikel angesprochen in dem Interview freimütig zugab: „Ja, das sind Nazisprüche.“27 Auch hier wird die Durchhalterede nicht erwähnt. Treml räumt für den Zeitraum von 1930 bis 1949 jedoch ein: „Bosl hat sich angepasst und opportunistisch verhalten, um seiner schulischen Laufbahn, vor allem aber um seiner wissenschaftlichen Karriere willen, und er hat durch Verschweigen und gewisse Akzentverschiebungen seine Biografie in späteren Jahren geschönt.“ Er fährt fort, indem er hervorhebt, dass Bosl, im Gegensatz zu anderen namhaften Historikern, nicht die „Rassen- und Raumprogramme ideo logisch grundgelegt und propagiert hat“ – etwas, das weder wir noch andere Bosl je zugeschrieben haben. Wir werden aber sehen, dass die apologetische Behauptung, die Bosl als weniger als andere prominente Historiker in das NS-Regime eingebunden hinstellt, bald in einer eindringlicheren Weise auftauchen wird. Treml stuft das Interview von 1986 als ein „inquisitorisch, einem Verhör gleichendes Gespräch“ ein. Nun, es mag für ihn interessant sein zu erfahren, dass Bosl den „Inquisitor“ und dessen Ehefrau, Prof. Nurith Kenaan-Kedar, die an der Universität Tel Aviv Kunstgeschichte lehrt, für den nächsten Tag zu einem freundschaftlichen Zusammentreffen in ein Caféhaus in der Münchener Innenstadt einlud. Die Konversation drehte sich u.a. um mittelalterliche Randskulptur und Aaron Gurjewitschs Weltbild des mittelalterlichen Menschen. Treml geht mit seiner Zuschreibung von bösen Absichten und Motiven soweit, dass er sogar ebensolche in der Umschlaggestaltung der englischen Version des kritisch untersuchten (Rusinek, Nagel, Berg u.a.), so dass der Vorwurf Tremls, es handle sich um eine Kampagne, haltlos ist. 27 Beachtenswert ist, dass Bosl, bevor er mit diesen Sätzen konfrontiert wurde, meinte: „bewusst aber habe ich nazistische Begriffe und nazistische Dinge eigentlich nicht gebraucht, bewusst.“ Siehe: Interview von 1986, S. 168.
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Buches zu entdecken glaubt: „Das mit roter Farbe verfremdete Titelbild suggeriert überdies eine augenzwinkernde, fast verschwörerische Komplizenschaft zwischen dem Kunstlehrer Pospiech, dem amerikanischen Corporal Horvay und Bosl, eine Unterstellung, mit der sowohl die Widerstandsaktivitäten als auch die Entlastung im Entnazifizierungsverfahren als üble Täuschungsmanöver charakterisiert werden.“ Die Tel Aviver Grafikerin, die für die Umschlaggestaltung zuständig war und den Inhalt unseres Buches gar nicht kannte, wäre sicherlich erstaunt, über diese unheimliche, wenn auch aufschlussreiche Erläuterung ihrer Arbeit.28 Treml schließt ab: „Es ist nicht die Aufgabe des Historikers zu richten. Er muss sich vielmehr bemühen, zu verstehen, zu erklären und dann abwägend zu urteilen, sine ira et studio, ohne persönliche Voreingenommenheit und ohne vorgefasste Meinung.“29 Diese Meinung teilen wir und heben hier mit Nachdruck hervor, auf der Grundlage dieser Maxime zu arbeiten. Rexroth betont in seiner oben zitierten Rezension in der Historischen Zeitschrift, dass wir das Buch sine ira et studio verfassten. Inwiefern sich unsere Kritiker an die Tacitus-Maxime hielten, mögen unsere Leserinnen und Leser beurteilen. Der dritte Aufsatz stammt von Dr. Gerd Holzheimer, einem bekannten Schriftsteller, der deutsche Literatur an der Universität München unterrichtet. Es ist ein bewegendes Zeugnis einer Gewissensprüfung.30 1968 gehörte Holzheimer zu den vielen Studenten die „zutiefst beeindruckt“ von Bosls Lehrveranstaltungen waren und zu ihm aufsahen, weil er universitäre Studienordnungen verletzte und 250 rebellische Studenten, welche die notwendige Zwischenprüfung „gesprengt“ hatten, in seinem Hauptseminar zuließ. Er erinnert Bosl als einen Professor, für den die Freiheit des Geistes über allem stand, der in der humanistischen Tradition verwurzelt war und seinen Studenten demonstrierte, dass „Wissenschaft keine dürre Kopfgeschichte ist, sondern leidenschaftliche Herzenssache“. Daher, so führte er aus, bereite ihm, dass, was er über Bosls Vergangenheit im Dritten 28 Treml wundert sich zudem, warum es so lange dauerte, das Interview zu veröffentlichen; der Grund, den wir in der englischen Ausgabe nicht anführten, wird in der Einleitung zum Anhang 23 näher erläutert. 29 Manfred Treml, „War Karl Bosl ein ‚Nazi-Historiker‘?“, Bayernspiegel 1-2/2012, S. 5–10. Wiederabgedruckt in: Verband Bayerischer Philologen. Mitteilungen 26 (2014), S. 11–20 [F]. Als im Dezember 2013 das Buch von Dirk Walter präsentiert wurde, ging Treml so weit zu behaupten, dass das „SS-Ahnenerbe doch so etwas war wie heute die Deutsche Forschungsgemeinschaft“, Persönliche Mitteilung, Willi Eisele, 13. Mai 2014. (Übrigens gab es die DFG auch schon damals). Siehe auch: Manfred Treml, „Die ‚Causa Bosl‘ und der Bayerische Philologenverband“, Bayern spiegel 1/2014, S. 50–51 [F]; wiederabgedruckt in Verband Bayerischer Philologen. Mitteilungen 26 (2014), S. 21–25 [F]. 30 Gerd Holzheimer, „Mein Karl Bosl“, Bayernspiegel 1-2/2012, S. 11–13.
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Reich erfährt, Kummer, und „wenn es zutrifft, dass Bosl noch im Januar 1945 im Geburtshaus von Adolf Hitler in Braunau einen Vortrag mit dem Thema ‚Landesausbau im baierischen Raum‘ gehalten hat, friert es mich.“ Dieser Vortrag in Hitlers Geburtshaus im Rahmen einer Konferenz zum „Kriegseinsatz der Deutschen Geisteswissenschaften“ wurde in der Diskussion mehrmals (und auch in der Sendung des BR) erwähnt. Es muss aber festgehalten werden, dass der junge Bosl keinerlei Einfluss auf die Wahl des Ortes hatte, an dem diese Konferenz ausgerichtet wurde.31 Die Durchhalterede vom Dezember 1944 andererseits, die viel gewichtiger ist, wird zumeist ignoriert. Für Holzheimer aber ist der Vortrag in Braunau ausschlaggebend: Bosl war damals 35 Jahre alt, so dass man seinen Vortrag nicht mehr als Jugendsünde werten kann. „Wer zwei Jahre nach Stalingrad als Mensch, der mit Mitte dreißig Professor der Geschichte werden möchte, sich in den Dienst einer Einrichtung stellt, welche rassistische Theorien wissenschaftlich zu legitimieren versucht, muss wissen, was er tut.32 Und wenn er es wirklich nicht gewusst hat, dann muss, dann müsste er sich irgendwann hinstellen und zu dem Irrtum stehen.“ Holzheimer reflektiert die Vorgehensweisen, mit denen wir alle mit unserer Vergangenheit umzugehen versuchen, nämlich einige Begebenheiten zu vergessen und sie mit Sicherheit nicht an die Öffentlichkeit gezerrt wissen wollen, und wie wir uns alle mehr oder weniger mit der Konstruktion der Legende unseres Lebens befassen. Folglich wirft er die Frage auf, wie Bosl mit seiner Vergangenheit fertig wurde und ob er es geschafft hat, sie wenigstens mit sich selbst abzuklären. In diesem Kontext wirft er die Möglichkeit auf, dass Bosl später aus genau diesem Grund darauf bestand, Generationen von Studenten die Grundkategorien der Wissenschaftlichkeit einzuprägen und sie in Richtung einer „an der Menschlichkeit orientierten Forschung“ lenkte, weil ihm dies die Korrektur eigener Verfehlungen ermöglichte. Insgesamt, so glaubt Holzheimer, müsse man Bosls Leben in seiner Gesamtheit betrachten. Daher wäre der Stadtrat Cham möglicherweise gut beraten gewesen, am Karl-Bosl-Platz eine kleine Informationstafel mit folgendem Text anzubringen: „Dieser Platz ist nach Karl Bosl benannt, der offenkundig die eine Hälfte seines Lebens für NS-Einrichtungen gearbeitet hat, in der anderen Hälfte nicht nur die bayerische Geschichtswissenschaft auf
31 Es ist immerhin bemerkenswert, dass Blessing in der Rundfunksendung weit in die entgegengesetzte, apologetische Richtung ging, wenn er bezüglich Bosls Vortrag in Braunau behauptete: „Ich glaube, man kann da nicht unbedingt ein Bekenntnis daraus ableiten, ich denke, es war eine Art Dienstverpflichtung.“ Das Haus war von Martin Bormann für die NSDAP erworben worden. Theodor Mayer, der Organisator des Treffens, behauptete später, er habe das Haus gewählt, da der Wirt in der Lage war, die Teilnehmer zu verpflegen. 32 Offenkundig wurde hier der „Kriegseinsatz“ mit dem „Ahnenerbe“ verwechselt.
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hohem Niveau vertreten, sondern auch bayerische Liberalität verkörpert hat.“ Eine möglicherweise angemessene Lösung. Am 21. November 2013 fand in München eine von der Gesellschaft der Münchener Landeshistoriker veranstaltete Podiumsdiskussion statt: „Karl Bosl. Kontroverse um einen Historiker.“ Die Teilnehmer waren Dr. Dirk Walter, Redakteur beim Münchner Merkur und promovierter Historiker, der kurz zuvor im Auftrag des BPV eine Untersuchung über Bosls Verhalten abgeschlossen hatte, Prof. Dr. Bernd-A. Rusinek (Universität Düsseldorf), Prof. Dr. Wolf D. Gruner (Universität Rostock) und Max Schmidt (1. Vorsitzender des BPV). Die Moderation hatte Prof. Dr. Ferdinand Kramer von der Universität München. Weder Peter Herde noch Benjamin Kedar wurden eingeladen, einen Podiumsbeitrag beizusteuern. Walters Untersuchung, die im nachfolgenden Monat veröffentlicht wurde, werden wir später besprechen. Rusinek unterstrich, dass Bosl dem antisemitischen Stahlhelm aus Überzeugung beitrat. Er bezeichnete ihn als „Halbtäter“, dessen Aktivitäten zum Funktionieren des NS-Systems beitrugen. Bosls Teilnahme am Wald- und Baumprojekt ist für Rusinek ein Beispiel der Banalität des Karrierismus. „Bosl der Erzähler“ erklärte er mit Erinnerungspsychologie: In der Rückschau erzählt man nicht mehr, was man tatsächlich erlebt hat, sondern was man erlebt haben möchte. Der Bosl-Schüler Gruner hob Bosls Verdienste hervor und tat unser Buch – das er nicht gelesen hat und das seiner Meinung nach angeblich in den USA publiziert wurde, weil dort alles über den Nationalsozialismus gut laufe – als von „Hass und Geschäftemacherei“ motiviert ab (die letzte Bemerkung klingt wie ein Überbleibsel aus anderen düsteren Zeiten, als München die „Hauptstadt der Bewegung“ war).33 Schmidt erklärte, dass dem BPV, als er 2009 eine Karl-Bosl-Medaille auslobte, nichts von dessen Vergangenheit im Dritten Reich bekannt war.34 Im Dezember 2013 veröffentlichte der BPV Dirk Walters Untersuchung zu Bosl.35 Im Vorwort erklärte Schmidt, dass, nachdem in den letzten Jahren Zweifel an der Einstufung Bosls als „Entlasteter“ aufkamen, der BPV einstwei33 Wüsste Prof. Dr. Gruner, mit welchen Ausgaben die Recherche zu diesem Buch verbunden war, und dass die Einkünfte sich auf Null belaufen, würde er kaum von Geschäftemacherei sprechen. Oder vielleicht doch: Es gibt ja Menschen, die sich von Tatsachen keinesfalls beirren lassen und an ihren Vorurteilen weiter festhalten [BZK]. 34 Diese Zusammenfassung der Podiumsdiskussion beruht auf den Aufzeichnungen, die sich Dr. Frank Fätkenheuer dort machte und noch auf der Zugfahrt nach Ansbach zurück am selben Abend ins Reine übertrug; dazu kommt der Bericht von Katharina Mutz, „Erfundene Vergangenheit. Diskussion um den umstrittenen Münchner Historiker Karl Bosl, der sich als Widerstandskämpfer ausgab“, Münchner Merkur, 25. November 2013, S. 16. 35 Dirk Walter, Karl Bosl. Annäherung an eine Persönlichkeit. Leistungen – Fehlverhalten, mit einem Beitrag von Willi Eisele (München 2013).
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len die Karl-Bosl-Medaille nicht mehr vergeben werde und Dr. Walter ersucht habe, Bosls Verhalten wissenschaftlich zu klären und zu bewerten. Schmidt hält Walters Untersuchung für „eine sehr differenzierte, wissenschaftlich fundierte Einschätzung“.36 Das Buch enthält auch eine detaillierte Darstellung der Aktivitäten Bosls im BVP in den Jahren 1949 bis 1954, die Willi Eisele verfasste,37 und eine Konversation zwischen Walter und dem Bosl-Schüler Paul Hoser, der glaubt, dass man Bosl „nicht als aktiven oder überzeugten Nazi bezeichnen [kann]. Er war ein Opportunist, das war er eigentlich immer, er hat sich, wie ich ihn erlebt habe, immer etwas nach dem Wind gedreht.“38 Ferner ist der Publikation eine kurze Anmerkung von Walter über den Maler Josef Vietze angefügt, der Bosl in den 1970er Jahren porträtierte. Vietze malte in den Kriegsjahren ein Porträt von Reinhard Heydrich, das diesen als idealen SS-Offizier darstellte, und fertigte ebenfalls ein Porträt von Karl Hermann Frank an, jenem SS-Offizier, der u.a. für das Lidice-Massaker verantwortlich war. Walter kommt zu dem Schluss: „So wie Bosl problemlos mit NS-belasteten Historikerkollegen zusammenarbeitete, so verhielt es sich auch mit Vietze: Die Vergangenheit des Künstlers scheint Bosl nicht gestört zu haben.“39 Walter widmet das Kernstück seines Buches einer zweiteiligen Untersuchung. Im ersten Teil diskutiert er ziemlich detailliert – und streckenweise auch in kritischem Ton – Bosls gesamte akademische Karriere.40 Bezüglich der Periode, die unsere Studie betrifft, schlussfolgert er: Karl Bosl wird in einer katholischen Welt sozialisiert. In der Weimarer Republik ist er rechtskonservativ eingestellt, aber kein Nationalsozialist. Nach 1933 wird Bosl erst Lehrer. Das ist sein berufliches Standbein, das es ihm ermöglicht, parallel seine Ambitionen als Wissenschaftler zu verfolgen. Seine Karriere in der NS-Zeit hat keine Brüche, seine Forschungen werden im Gegenteil vom SS-Ahnenerbe gefördert. Seine Habilitation an der Münchener Universität scheitert nur an den Kriegsumständen.41
36 Ebd., S. 7. 37 Willi Eisele, „Karl Bosl – Philologe, Verbandsvertreter, Wissenschaftler“, Ebd., S. 57–80. Eisele, der Landesvorsitzender der Fachgruppe Geschichte/Sozialkunde im BPV war, beschäftigt sich kurz mit Bosls Aktivitäten während des Dritten Reiches und bemerkt auf S. 78 schließlich, dass entsprechende Fakten eigentlich schon seit den 1990er Jahren zugänglich waren. 38 „Bosl aus Sicht seiner Schüler und Doktoranden: Gespräch mit Paul Hoser“, Ebd., S. 81–88 (Zitat auf S. 81). Bezüglich einer ähnlichen Äußerung von Hoser siehe: Walter, „Ein Historiker mit NS-Vergangenheit. Der entzauberte Karl Bosl“, Münchner Merkur, 14. Juli 2011, S. 3. 39 „Bosl und der Maler Vietze“, Ebd., S. 54–56, mit dem Zitat auf S. 56. Siehe auch S. 28–29, 36. 40 Walter, Karl Bosl, S. 10–36. 41 Ebd., S. 35–36; siehe auch S. 15.
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Diese Aussagen stimmen durchaus, wenngleich die Leserinnen und Leser des hier vorliegenden Buches inzwischen mit Sicherheit auf die bedeutenden Themen verweisen können, die Walter nicht erwähnt. Zudem hätte seine eher merkwürdig negative Formulierung „Seine Karriere in der NS-Zeit hat keine Brüche“ durch eine informativere Aussage ersetzt werden können. Walter behauptet im Weiteren: „[...] zur Beurteilung des Wissenschaftlers Bosl vor 1945 sollte man ihn aber mit anderen Historikern seiner Generation, etwa [Theodor] Schieder oder [Werner] Conze, vergleichen.“42 Er argumentiert, dass die beiden Historiker – der Erstgenannte im Alter von Bosl, der Zweitgenannte zwei Jahre jünger –, die in der Historikerzunft der Bundesrepublik sehr prominent wurden, während des Zweiten Weltkrieges u.a. die „Entjudung“ polnischer Städte befürwortet hatten, während im Vergleich dazu Bosls Beiträge zur nationalsozialistischwissenschaftlichen Szene „unbedeutend“ erscheinen und daher als „eher randständige Konzessionen an und Einbindungen in den Nationalsozialismus“ angesehen werden sollten.43 Diese auf Bosls Entlastung zielende Schlussfolgerung ist jedoch kaum haltbar: Schieder, obwohl gleichaltrig mit Bosl, hat sich schon 1939 habilitiert, wurde Mitglied einer Arbeitsgruppe, die die Neuordnung des besetzten Polens plante, beriet Gauleiter Koch und wurde 1942 zum Ordinarius in Königsberg ernannt, während Bosl in dieser Zeit ausschließlich Gymnasiallehrer in Ansbach blieb und also auf der Karriereleiter deutlich gegenüber Schieder im Rückstand war. Er hatte als solcher also keine Möglichkeit, irgendwelche Denkschriften für höhere Parteistellen zu verfassen. Doch in seiner bescheidenen Kapazität sprach er immerhin im Dezember 1944 von „dem von Adolf Hitler wiedererrichteten Großdeutschen Reich, um dessen Bestand wir heute unter Einsatz all unserer Kräfte kämpfen.“44 Walter widmet diesem Ereignis lediglich einige wenige Worte: „Im Dezember 1944 hält er in Ansbach in Anwesenheit des Ansbacher NSDAP-Kreisleiters Wilhelm Seitz einen Vortrag über ‚Das Reich als politische Idee‘, dessen ideologische Durchdringung mangels Quellen nicht zu eruieren ist.“ In einer Anmerkung fügt er hinzu: „Es existiert offenbar nur ein kurzer Zeitungsbericht über den Vortrag.“45 Offensichtlich sind nach Walter in einem 42 Ebd., S. 36. 43 Ebd., S. 15–18. Bezüglich Schieders antisemitischer Denkschrift in der Kriegszeit siehe: Götz Aly, „Endlösung“. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden (Frankfurt/ Main 1995), S. 16–18; Herde, „Max Buchner“, S. 184–186; Saul Friedländer, The Years of Exter mination. Nazi Germany and the Jews, 1939–1945 (New York, 2007), S. 32–33, 297–298; Christoph Nonn, Theodor Schieder. Ein bürgerlicher Historiker im 20. Jahrhundert (Düsseldorf 2013), S. 82– 103. Conze war Professor an der „Reichsuniversität“ Posen. 44 Siehe: Anhang 9. 45 Walter, Karl Bosl, S. 17–18. Dagegen zitiert Willi Eisele in seinem Beitrag (S. 59) kurz zwei Äußerungen Bosls aus seinem Vortrag.
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Bericht in einer NS-Zeitung nur die Schlagzeile und der Name des anwesenden Hoheitsträgers zuverlässig, alles andere kann man als nicht glaubwürdig und gar als nicht einmal erwähnenswert abtun; dies mit der Begründung, dass es nicht durch andere Quellen bestätigt ist. Manchmal ist die Präzision der Darstellung Walters fragwürdig. Er geht davon aus, dass Bosl aus der Partei austrat, und schreibt daher, dass sich Bosl 1937 darum bemühte, seine NSDAP-Mitgliedschaft zu reaktivieren. Er habe eine neue Mitgliedsnummer erhalten – 178000046 –, eine geradezu verdächtig gerade Zahl, doch zugleich führt er keinerlei Beleg dafür an, dass Bosl tatsächlich diese neue Mitgliedsnummer erhielt. Die Dokumente, die wir veröffentlichten, belegen hingegen ohne jeglichen Zweifel, dass Bosl seine ursprüngliche Mitgliedsnummer, die er am 1. Mai 1933 erhalten hatte – 1884319 – beibehielt.47 Ferner hielt das Mitgliedschaftsamt München am 14. Juni 1938 explizit fest: „Der Parteigenosse Carl Bosl wird als aufgenommen am 1. Mai 1933 unter der Mitgliednummer 1884319 bei der Ortsgruppe Cham als Mitglied weitergeführt.“ Zudem wurde hinzugefügt: „[...] die anliegende Mitgliedskarte ist dem Parteigenossen wieder auszuhändigen.“48 (Anzumerken ist diesbezüglich ebenfalls: Hätte Bosl 1938 tatsächlich eine neue Mitgliedsnummer erhalten, so wäre sie wohl kaum niedriger ausgefallen, als die Mitgliedsnummer, die er 1933 erhalten hatte.) Ebenso sind Walters Behauptungen inkorrekt, dass Theodor Mayer 1943 „der damals führende Mediävist“ und Bosl mit Einreichen seiner Habilitationsschrift „unter den führenden Vertretern der Mittelalterforschung angekommen und akzeptiert“49 war. Und wenn er Rusineks Aussage zitiert, dass Bosl in seiner auf den Forschungen für das „Ahnenerbe“ der SS basierenden Nachkriegspublikation in den Untertitel das Wort Sozialgeschichte aufnahm, das in den gesamten eingesehenen „Wald und Baum“-Materialien gar nicht vorkommt, und weiterhin festhält, dass diese Einbeziehung demonstriert, welche Technik der Neuformulierung von alten Fragen und Einarbeitung in ein nunmehr opportunes Theoriedesign Bosl anwandte, so unterlässt Walter es zugleich zu erwähnen, dass Rusinek weiterfüh-
46 Ebd., S. 12. 47 Siehe unsere Anhänge 1, 2, 5, 6, 20. Eine neue Nummer nach Eintritt 1938 müsste im Bereich der drei Millionen gelegen haben. 48 Mitgliedschaftsamt München an Gauschatzmeister des Gaues Bayerische Ostmark der NSDAP, 14. Juni 1938, Berlin, Bundesarchiv, BDC/PK Bosl, Carl, ohne Nummer. Das Mitgliedschaftsamt stufte Bosls Mitgliedschaft offensichtlich als ununterbrochen ein, da hinzugefügt wurde: „Im übrigen hat der Genannte bereits Anspruch auf ein Mitgliedsbuch.“ Dieses wurde dem Mitglied nach zweijähriger Probezeit ausgestellt, vgl. Broszat, Der Staat Hitlers, S. 253. 49 Walter, Karl Bosl, S. 13.
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rend nachweist, dass Bosls Nachkriegspublikation deutlich Reste des „Wald und Baum“-Diskurses enthält.50 Im zweiten Teil der Untersuchung geht Walter näher auf die von Bosls angegebenen Widerstandsaktivitäten und ihre Rolle beim Entnazifizierungsprozess ein. In diesem Kontext schreibt er uns Verfassern die Ansicht zu, dass Bosl die Hinrichtung Limperts „bei seiner Entnazifizierung für sich ausgenutzt habe“51 und er sich den Widerstandsakt von Limpert zu eigen machte.52 Wir haben jedoch die erstgenannte Aussage niemals gemacht. Vielmehr schrieben wir, dass Bosl in seinem Einspruch bei der Spruchkammer Ansbach-Stadt zur Vergegenwärtigung der Gefahr, der er und seine Freunde ausgesetzt waren, auf das schreckliche Ende von Limpert verwies; und genau das hat Bosl in seinem Einspruch angeführt.53 Bezüglich der zweiten, uns zugeschriebenen Aussage haben wir in Wirklichkeit geschrieben, dass Bosl die Behauptung aufstellte, einen ähnlichen Akt ausgeführt haben, wie jenen Akt für den Limpert mit seinem Leben bezahlte, und dabei im Gegensatz zu Limpert jedoch erfolgreich gewesen sei. Keinesfalls haben wir behauptet, dass Bosl sich Limperts Akte zu eigen gemacht habe. Vielmehr ist es Walter, der dies behauptet, indem er schreibt: „an der eigentlichen Widerstandsaktion des 18. April 1945 [also Limperts Durchtrennung des Kabels] ist Bosl nicht, jedenfalls nicht entscheidend beteiligt. Das hinderte ihn nicht daran, sich noch gegenüber Kedar 1986 Limperts Widerstands-Tat indirekt zu eigen zu machen. Er sagte damals: ‚Wir haben das Nachrichtensystem der SS zerstört.‘“54 In Wahrheit jedoch unterschied Bosl in dem Interview, das er Kedar gewährte, sehr deutlich zwischen der erfolgreichen Aktion des „wir“ (eindeutig bezogen auf sein vorgebliches Durchtrennen des Kabels in der Nacht vom 17. auf den 18. April) und der Aktion Limperts am nachfolgenden Tag (den er dabei als „unvorsichtig“ vorgehend beschrieb).55 In derselben Art schreibt Walter: „Der Verdacht liegt nahe, 50 Rusinek, „Wald und Baum“, S. 349–350; Berg, „Lehrjahre“, S. 48, Anm. 71; Walter, Karl Bosl, S. 13. 51 Walter, Karl Bosl, S. 9. 52 Ebd., S. 37–38, 53, 106, Anm. 136. In einer späteren Publikation schreibt Walter uns sogar zu, wir hätten behauptet, Bosl „soll sich nach Kriegsende 1945 die Widerstandsakte seines Schülers Robert Limpert selbst zugeschrieben haben und so gut durch die Entnazifizierung gekommen sein.“ Dirk Walter, Bayern & seine Geschichten (München, 2014), S. 79. In seiner Besprechung dieses Buches schrieb Walter, dass wir „die Akten des Entnazifizierungsverfahrens Bosls sichteten und behaupteten, dass Bosl sich die Taten Limperts zu eigen gemacht habe – eine äußerst böswillige und im Lichte neuer Erkenntnisse kaum haltbare Interpretation.“ Dirk Walter, „Ein mutiger Schüler“, Münchner Merkur, 25. April 2014. 53 „Wie groß die Gefahr war, die wir auf uns nahmen, beweist das furchtbare Schicksal unseres Freundes Limpert Robert, das jedem kleinen Kind in Ansbach bekannt ist.“ Anhang 22c. 54 Walter, Karl Bosl, S. 42. 55 Siehe: Interview von 1986, S. 164; siehe auch S. 167.
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dass sich Bosl hier den Widerstandsakt Limperts zum Teil selbst zuschreiben ließ.“56 Walter glaubt, dass Bosl zu einem kleinen antinationalsozialistischen „im Privaten bleibenden Refugium“ gehörte, das anscheinend in Ansbach existierte, wobei er u.a. Bosls Bemerkung gegenüber Kedar anführt, daß er Spiritus rector eines kleinen Kreises war. Allerdings erwähnt er nicht, dass Bosl nur wenig zuvor in dem Interview Pospiech als Spiritus rector dieses Kreises benannte. Walter verweist zurecht auf den Kontrast zwischen dieser Rolle Bosls und seinem Fortkommen im wissenschaftlichen NS-Betrieb, in dem er sich, wie Walter es formuliert, mit Sicherheit nicht als Kritiker hervortat.57 Er akzeptiert ebenfalls, dass Bosl gegenüber Corporal Horvay (den Walter als Offizier präsentiert) seine zentrale Rolle übertrieb, die er im Kreis von „Andersdenkenden“ in Ansbach spielte. Als er jedoch auf Pospiechs Erklärung vom 15. November 1945 und auf Horvays Bescheinigung vom 12. Januar 1946 zu sprechen kommt, in denen Bosl als derjenige benannt wird, der in der Nacht vom 17. auf den 18. April die Telefonkommunikation gekappt hat,58 hält Walter überraschenderweise fest, dass Bosl diese Erklärungen nicht korrigierte und sie „wahrscheinlich bewusst für sich verwendet“ hat.59 Wahrscheinlich bewusst? Da Bosl diese beiden Dokumente seinen Einsprüchen bei der Spruchkammer anfügte und unter Bezugnahme darauf erklärte, sie „erhärten, dass ich, als innerlich überzeugter Gegner des Nazismus [...] das Regime aktiv bekämpfte“,60 ist nicht zu bezweifeln, dass Bosl diese Dokumente ganz bewusst nutzte. Nicht weniger tendenziös ist Walters folgende Ausführung: „Bosl selbst behauptete nur, er habe Flugblätter verteilt. Die Behauptung über die Durchtrennung des Kabels taucht in einem ‚Persilschein‘ auf, den ihm sein Lehrerkollege Pospiech ausstellte. Bosl hat dieser Behauptung bei seiner Entnazifizierung aber auch nicht widersprochen.“61 Und warum sollte er einer solchen Behauptung in einer eidesstattlichen Erklärung, die sicher nicht unaufgefordert ausgestellt wurde, auch widersprechen, da sie ihm schließlich, wie Walter anderswo richtig hervorhebt, „beim Entnazifierungsverfahren natürlich nützte.“62 Aber nicht nur Pospiech und Horvay erwähnten Bosls Durch56 Walter, Karl Bosl, S. 43. 57 Ebd., S. 41. 58 Siehe: Anhang 18 und Anhang 22c, Pospiechs Erklärung. 59 Walter, Karl Bosl, S. 42–43. Siehe auch die Zusammenfassung auf S. 44, in der jedoch lediglich Pospiech das Durchtrennen des Kabels bestätigt. Übrigens spricht Walter auf S. 43 von den „Aussagen Hammers und Horvays“, obschon er offensichtlich die Aussagen von Pospiech und Horvay meint. 60 Siehe: Anhang 22c. 61 Walter, Karl Bosl, S. 53. 62 Ebd., S. 44.
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trennen des Telefonkabels in ihren Bescheinigungen, sondern darauf bezog sich auch Bosl in einer Unterredung mit Horvay im Jahr 194563 ebenso wie in dem im Juli 1990 von Dr. Karl Renner geführten Interview, in dem er behauptete, dass Limpert „versuchte, in einer ähnlichen Weise, wie es auch ich getan habe, [...] Ansbach zu bewahren vor einer Zerstörung, [...] er aber dabei erwischt wurde.“64 Grundsätzlich stimmt Walter uns zu, indem er schreibt: „[...] aktiven Widerstand in der Endphase des NS-Regimes hat Bosl wahrscheinlich nicht geleistet“65, und er habe trotzdem im Entnazifizierungsverfahren die Erklärung von Pospiech und die Bescheinigung von Horvay, in denen ihm Akte des Widerstands zugeschrieben wurden, genützt. Dennoch argumentiert Walter, dass wir uns in der Annahme irren, dass die Spruchkammer Ansbach-Stadt Bosl für entlastet erklärte, weil man dort seinen Beteuerungen bezüglich eines aktiven Kampfes gegen das Regime, die von den vorgenannten Schreiben unterstützt wurden, Glauben schenkte. Walter schreibt, die vorliegenden Dokumente von Pospiech und Horvay „beeindrucken die Kammer offenbar nicht“, denn schließlich kam man trotz dieser Dokumente am 21. Januar 1948 zu der Entscheidung, Bosl als Mitläufer einzustufen. Im Hinblick auf die Entscheidung der Spruchkammer vom 24. März 1948, die Bosls Einspruch akzeptierte und ihn für entlastet erklärte, glaubt Walter nicht, dass die eidesstattlichen Erklärungen, die Bosl in der Zwischenzeit eingereicht hatte, die Kammer mehr beeindruckten als die Bescheinigung des „US-Offiziers Horvay“, die der Kammer schließlich schon bei der ersten Verfahrensrunde vorlag. Walter glaubt, dass die von der Kammer vorgenommene Veränderung der Einstufung Bosls, nicht die eidesstattlichen Erklärungen bewirkten, sondern eine sich „zum Glück für Bosl“ zutragende Begebenheit, die sich lediglich eine Woche, bevor die Spruchkammer in Bosls Fall verhandelte, zutrug. Diese Begebenheit war die am 16. März 1948 erfolgte Einstufung von Friedrich Bernreuther, der „am Tode Limperts mitschuldig war“, als Mitläufer. Sowohl in diesem als auch in Bosls Verfahren amtierte Eva Reiner als Spruchkammer-Vorsitzende. Walter kommt zur Schlussfolgerung: „Es ist relativ einsichtig, warum die Kammer Bosl, der ja am Tod Limperts sicher keine Schuld hatte, nicht ebenfalls als ‚Mitläufer‘ klassifizieren konnte – denn damit hätte sie ihn wie einen Mittäter behandelt.“ Nachfolgend schreibt er zusammenfassend: Es gibt starke Gründe für die Annahme, dass – anders als von Herde/Kedar suggeriert – nicht die Hinweise auf Flugblatt-Aktionen und die Durchtrennung eines Wehrmachtskabels 63 Anhang 14. 64 Interview 1990, S. 20. Das Interview erschien in einer Broschüre, die Manfred Treml redigierte: Karl Bosl. Eine Bibliographie, Materialien zur Bayerischen Geschichte und Kultur 3/96 (Augsburg 1996). 65 Walter, Karl Bosl, S. 43–44, 53.
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für die „Entlastung“ Bosls bei der Entnazifizierung ausschlaggebend waren. Sondern vielmehr das zeitliche Zusammentreffen der Entnazifizierung eines Täters (Bernreuther) und eines mit Limpert in Verbindung stehenden Unbeteiligten (Bosl).66
In einer später erschienenen Veröffentlichung formulierte Walter dieses Argument noch eindeutiger: „Die Entnazifierung überstand Bosl gut, weil ihm im Gegensatz zu anderen im Fall Limpert nichts vorzuhalten war.“67 Diese ingeniöse Rekonstruktion ist jedoch letztlich verfehlt. Um das anschaulich zu machen, müssen wir diese Behauptung genau untersuchen, weshalb wir unsere Leserinnen und Leser schon im Voraus um Verständnis bitten, dass wir nachfolgend recht umfangreich ins Detail gehen. Oberregierungsrat Friedrich Bernreuther (1881–1958), der seit 1921 die politische Abteilung der Polizeidirektion München leitete, war von den Nazis während des Hitler-Putsches 1923 kurzzeitig gefangengesetzt; später war er an der Untersuchung des Putsches beteiligt. In einer Erklärung, die er am 15. Juli 1946 gegenüber der Spruchkammer Ansbach-Stadt abgab, behauptete er, damals sogar Hitlers Ausweisung nach Österreich veranlasst zu haben, die jedoch nie erfolgen sollte. 1929 wurde er als Polizeidirektor nach Regensburg versetzt, wo er weitere Schritte gegen die Partei unternahm. Daher erfolgte noch in der Nacht der NSMachtergreifung seine Entlassung; später wurde er nach Ansbach strafversetzt. In seiner Aussage von 1946 legt er dar, dass er sich wiederholt weigerte, der Partei beizutreten, 1940 jedoch – als der Druck zu stark geworden war – nicht länger standhalten konnte und schließlich doch noch ein Aufnahmegesuch einreichte, das erst 1941 positiv entschieden wurde, da man bei der Partei seine „innerliche Ablehnung“ kannte.68 Am 4. Mai 1945 ernannten ihn die Amerikaner zum „Assistant of Regierungspräsident“ und am 1. Juli 1945 zum Regierungsvizepräsidenten in Ansbach.69 Er wurde jedoch schon am 10. Oktober 1945 entlassen, weil ein Referent der amerikanischen Militärregierung sich beschwerte, dass Bernreuther „die Entnazifierung des Personals so gut er konnte sabotiert“ habe.70 Zehn
66 Walter, Karl Bosl, S. 48–49; siehe auch S. 43, 53. 67 Walter, Bayern & seine Geschichten, S. 80. 68 Regierungsvizepräsident Friedrich Bernreuther an den Vorsitzenden der Spruchkammer Ansbach-Stadt, 15. Juli 1946. Nürnberg, Staatsarchiv. Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-96 (Bernreuther, Friedrich), S. 18a–b. 69 Der öffentliche Kläger für Ansbach (Stadt), 18. November 1947 – Aussage von Geheimrat Rei chert: ebd., S. 3. 70 Zitiert bei Walter, Karl Bosl, S. 47.
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Beamte, die zusammen mit Bernreuther gearbeitet hatten, wiesen diesen Vorwurf jedoch kategorisch zurück.71 Am 18. April 1945 war Bernreuther der ranghöchste Zivilbeamte, der immer noch in Ansbach zugegen war und der unzweifelhaft eine Rolle bei jenen Ereignissen spielte, die letztlich zum Mord von Limpert führten. Doch welche Rolle spielte er genau? Walter deckte auf, dass das bayerische Innenministerium Bernreuther am 15. Januar 1949 – also zehn Monate nachdem er von der Spruchkammer AnsbachStadt als Mitläufer eingestuft worden war – vorhielt, dass er, als ihn Oberleutnant Zippold von der Ansbacher Polizei über die Verhaftung Limperts in Kenntnis setzte, Limpert – trotz Nachfrage Zippolds – nicht laufen ließ, sondern darauf bestand, den Kampfkommandanten Meyer einzuschalten. „Bernreuther wusste genau, dass der rabiate Kampfkommandant den noch jugendlichen und noch unreifen Limpert würde hinrichten lassen. Er hielt es aber nicht für seine Pflicht, von sich aus irgendetwas zu unternehmen, um diese Untat abzuwenden.“72 Der Ministerialdirektor im bayerischen Innenministerium, Hans Ritter von Lex, der seinerzeit in Regensburg ein Untergebener Bernreuthers gewesen war,73 beurteilte die Angelegenheit folgendermaßen: Ein mutigerer Mann als ORR Bernreuther hätte sich auf die Anfrage des Polizeioffiziers hin den Kopf zermartert, wie man Limpert über den nur noch nach Stunden zu berechnenden Zeitraum bis zum Einmarsch der Amerikaner hinwegbringen und dadurch retten könnte. Dass Bernreuther dies nicht getan hat, kann man ihm jedoch politisch und disziplinär nicht zum Vorwurf machen. [...] Erschütternd ist jedoch, dass der gleiche ORR Bernreuther, der nachträglich erklärte, gar nicht zuständig gewesen zu sein, dem Polizeioffizier noch den Rat bezw. den Befehl erteilte, über die Festhaltung hinaus in der Wohnung des Limpert eine Haussuchung durchzuführen und das Beweismaterial zu sichern [... dabei] wurden Flugblattpapier und misslungene Abzüge von Flugblättern gefunden, die dann dem Kampfkommandanten vorgelegt und von diesem nach seiner eigenen Aussage [...] zur Überführung des Limpert mitverwendet wurden [...] Ein Mann der sich so verhält, mag zeitlebens kein Nazi gewesen sein. Er ist aber einer von jenen verrannten Nationalisten, die nicht die erforderlichen Qualitäten haben, am Aufbau eines demokratischen Deutschland mitzuwirken.
71 Erklärung, unterzeichnet von zehn Beamten zwischen dem 22. Mai und 3. Juni 1947. Nürnberg, Staatsarchiv. Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-96 (Bernreuther, Friedrich), S. 13–14; siehe auch S. 3, 7. Am 18. August 1946 behauptete Bernreuther in seinem Brief an den Regierungspräsidenten in Ansbach: „Bei meiner Entlassung teilte mir die Militärregierung mit, sie wisse genau, daß ich kein Nationalsozialist sei, und meine Entlassung erfolge nur auf höhere Weisung.“ Ebd., S. 20. 72 Bayerisches Innenministerium/Sachgebiet 3 an Ministerialdirektor Lex, 15. Januar 1949; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Innenministerium 83168, zitiert bei Walter, Karl Bosl, S. 46. 73 Walter, Karl Bosl, S. 107, Anm. 147.
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Schlussfolgerung war, dass deswegen eine Wiedereinstellung Bernreuthers nicht in Betracht kommt.74 Walter übernimmt die im Januar 1949 gefällten Einschätzungen, zu denen das Innenministerium und Ministerialdirektor von Lex gekommen waren, und schreibt: „Bernreuther [...] war derjenige, der wiederum den Kampfkommandanten einschaltete und die Beweisnahme gegen Limpert forcierte.“75 Überdies betrachtet er Bernreuther als „am Tode Limperts mitschuldig.“76 Und Walter nimmt offensichtlich an, dass dies ebenfalls die Ansicht der Spruchkammer war, als sie Bernreuther am 16. März 1948 in die Kategorie des Mitläufers einstufte. Deswegen hat sie Bosl am 24. März 1948 als entlastet klassifiziert, denn in Anbetracht der zuvor bezüglich Bernreuther gefällten Entscheidung hätte die Einstufung Bosls als Mitläufer bedeutet, auch ihn zum Mittäter zu deklarieren. Mit anderen Worten: Walter scheint der Auffassung zu sein, dass die Spruchkammer im März 1948 die Rolle Bernreuthers an der Hinrichtung Limperts auf eine ähnliche Art und Weise interpretierte wie das Innenministerium im Januar 1949 und dass diese Bewertung ausschlaggebend war für die Einstufung Bernreuthers zum Mitläufer – und Bosls zum Entlasteten. Eine genauere Prüfung der Verfahrensakte im Fall Bernreuther, die der Spruchkammer Ansbach-Stadt im März 1948 vorlag, lässt jedoch eine solche Rückprojizierung der Bewertung vom Januar 1949 auf den Beschluss vom März 1948 nicht zu. In dieser umfangreichen Akte wird Limpert lediglich zwei Mal erwähnt: In der Abschrift der Zeugenaussage von Bernreuther im Strafverfahren gegen Oberst Meyer im Dezember 1946 sowie in der Zusammenfassung dieser Aussage im Rahmen der Ermittlungen gegen Bernreuther, die der öffentliche Kläger für Ansbach-Stadt am 21. Mai 1947 für die Spruchkammer angefertigt hatte. Bernreuther sagte im Verfahren gegen Meyer aus, der Polizeioberleutnant Zippold habe ihn über die Festnahme eines jungen Mannes informiert. Er sei festgenommen worden, weil er „einen Fernleitungsdraht durchschnitten habe.“ Zippold habe ihn gefragt, was man nun zu tun habe, weshalb er [Bernreuther] beim Stab von Meyer angerufen habe. Dort sei er von einem Offizier darüber in Kenntnis gesetzt worden, „dass bereits von der Division mitgeteilt worden 74 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Innenministerium 83168, Aktenvermerk vom 25. Januar 1949, zitiert bei Walter, Karl Bosl, S. 46–47. 75 Walter, Karl Bosl, S. 45. In einer früher erschienenen Publikation ging Walter so weit zu behaupten, dass: „Bernreuther hatte bei Kriegsende in Diensteigenschaft den Schüler R. Limpert wegen eines Sabotageakts an den Ortskommandanten von Ansbach ausgeliefert, der Limpert umgehend hinrichten ließ.“ Dirk Walter, Antisemitische Kriminalität und Gewalt. Judenfeind schaft in der Weimarer Republik (Bonn, 1999), S. 272, Anm. 61. 76 Walter, Karl Bosl, S. 48, siehe auch S. 53.
Modern Messianism devant la lettre
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sei, dass der Täter zum Tode verurteilt worden und festzuhalten sei.“ Daraufhin habe er Zippold den Ratschlag erteilt, den Täter festzuhalten und unterdessen in seinem Haus eine Durchsuchung vorzunehmen, vor allem um „den Vervielfältigungsapparat“, auf dem die Flugblätter hergestellt worden waren, sicherzustellen. Bernreuther gab zudem an: „Damit war der Fall für mich erledigt.“ Er betonte in seiner Aussage, Zippold lediglich geraten zu haben, Limpert festzuhalten, ihm jedoch keine ausdrückliche Anweisung erteilt habe, wenngleich er dies gegenüber Zippold nicht deutlich gemacht habe, d.h. er gab zu, dass Zippold es durchaus als eine Anweisung hätte verstehen können. Des Weiteren gab Bernreuther in seiner Aussage an, dass er der Polizei lediglich in dieser Angelegenheit behilflich sein wollte, weil diese „der Sache hilflos gegenübergestanden ist.“ Er betonte außerdem: „Ich habe in keiner Weise am Tode des Limpert mitgewirkt.“ Er gab allerdings zu, dass er sich damals weiterhin zu Recht und Ordnung verpflichtet gesehen und Limperts Akt deshalb als ein „schweres militärisches Verbrechen“ erachtet habe.77 Wir haben es also hier mit einem Mann des sturen, unreflektierenden Beamtengehorsams zu tun, dessen unbeugsames, routinemäßiges Verhalten (wie auch das der beteiligten Polizisten) das Funktionieren des Nazi-Regimes bis in die allerletzte Stunde klar veranschaulicht.78 Der öffentliche Kläger für Ansbach-Stadt, der mit den Ermittlungen in dieser Angelegenheit beauftragt war und der Spruchkammer die Anklageschrift vorlegte,79 fasste im Mai 1947 Bernreuthers Zeugenaussage wie folgt zusammen: Im Fall des Studenten Limpert, der erhängt worden ist, hatte Bernreuther dem Zippold geraten, den Täter festzuhalten und bei ihm eine Hausdurchsuchung vornehmen zu lassen und dabei insbesondere den Vervielfältigungsapparat, mit dem die Flugblätter hergestellt worden seien, die an den Tagen vorher an verschiedenen Stellen der Stadt angeschlagen wurden, zu sichern.80
Es ist folglich beachtenswert, dass der öffentliche Kläger sich dafür entschied, Bernreuthers Eingeständnis, dass Zippold seinen Rat durchaus auch als Anweisung hätte verstehen können, auszulassen und der Spruchkammer ausschließlich von einem Rat Bernreuthers zu berichten. Ebenfalls erwähnte der öffentliche Kläger nicht, dass im Strafverfahren, das im Dezember 1946 in Ansbach gegen 77 Nürnberg, Staatsarchiv. Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-96 (Bernreuther, Friedrich), S. 5. 78 Vgl. Kershaw, The End, S. 4–5. 79 Siehe: Gesetz, Hrsg. Schullze, Art. 33, S. 35–40. 80 Der öffentliche Kläger für Ansbach-Stadt, Ermittlungen in Sachen Bernreuther Friedrich, 21. Mai 1947. Nürnberg, Staatsarchiv. Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-96 (Bernreuther, Friedrich), S. 4.
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Meyer eröffnet worden war und in dem dieser wegen der Ermordung Limperts und Zippold wegen Beihilfe zum Mord angeklagt waren, das Gericht befand, dass Bernreuther, als er von Zippold über Limperts Verhaftung in Kenntnis gesetzt und von diesem explizit gefragt wurde, ob man Limpert in Anbetracht des bevorstehenden amerikanischen Einmarsches nicht laufen lassen sollte, Meyers Stab anrief und dann Zippold mit der Hausdurchsuchung bei Limpert beauftragte.81 Die Spruchkammer forderte am 28. Februar 1948, vielleicht weil sie mit der Zusammenfassung des öffentlichen Klägers unzufrieden war, die Strafakte Meyer im Fall Limpert „zur kurzen Einsichtnahme“ an.82 Aus den zum Verfahren vorliegenden Dokumenten geht nicht hervor, ob die Strafakte der Spruchkammer tatsächlich vorgelegt wurde. In diesen Dokumenten findet sich auf jeden Fall keine Äußerung, die auf eine solche Einsichtsnahme hindeuten würde. Hätte sie stattgefunden, so hätte die Spruchkammer festgestellt, dass Bernreuther nicht zu jenen Männern gehörte, denen die Ermordung Limperts zur Last gelegt wurde, sondern dass das Gericht ihn in der Urteilsverkündung unter jenen Personen aufzählte, deren Zeugenaussagen als besonders glaubwürdig eingestuft wurden.83 Zusammenfassend kann man also festhalten: In der Akte Bernreuthers, die der Spruchkammer im März 1948 vorlag, befindet sich kein Dokument, das das Gericht zu der Annahme hätte veranlassen können, dass Bernreuther am Tod Limperts mitschuldig war.84 Der öffentliche Kläger verwässerte Bernreuthers Zeugenaussage im Prozess gegen Meyer zu dessen Gunsten. In dem Arbeitsblatt, das einen Teil des Aktenmaterials zu Bernreuther darstellte, welches der Spruchkammer vorlag, präsentierte der öffentliche Kläger ausschließlich Angaben zu Bernreuthers Mitgliedschaft in verschiedenen NS-Organisationen.85 Am 19. November 1947 schrieb der Kläger an Eva Reiner, Vorsitzende der Spruchkammer Ansbach-Stadt: Die „angestellten Nachermittlungen haben keine weitere Belastung des Obengenannten ergeben.“86 Infolgedessen stufte die Spruchkammer Bernreuther am 16. März 1948 aus zwei Gründen als Mitläufer ein: wegen seiner Mitgliedschaft in 81 Siehe das Urteil im Verfahren gegen Meyer in: Justiz und NS-Verbrechen, Bd. I, S. 118. 82 Nürnberg, Staatsarchiv. Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-96 (Bernreuther, Friedrich), S. 37. 83 Justiz und NS-Verbrechen, Bd. I, S. 120. 84 Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um eine moralische Beurteilung des Vorgehens Bernreuthers. Im Kontext des Vergleichs mit Bosl geht es allein darum, wie die Spruchkammer zu ihrer Entscheidung kam. 85 Nürnberg, Staatsarchiv. Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-96 (Bernreuther, Friedrich), S. 2a-b. 86 Der öffentliche Kläger für Ansbach (Stadt) an die Vorsitzende der Spruchkammer Ansbach (Stadt), Frau Reiner, 19. November 1947. Nürnberg, Staatsarchiv. Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-96 (Bernreuther, Friedrich), S. 34.
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der NSDAP ab 1941, dies auf der Grundlage des Befreiungsgesetzes, Teil B, Abs. 5, und wegen seiner Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Fliegerkorps ab 1938 entsprechend des Befreiungsgesetzes, Teil B, Abs. 13.87 Das waren genau die zwei Angaben, die Bernreuther eigenhändig auf seinem Meldebogen verzeichnet hatte.88 Die Spruchkammer legte eine Geldsühne in Höhe von RM 800 fest.89 In einer ähnlichen Vorgehensweise hatte die Spruchkammer Bosl am 21. Januar 1948 als Mitläufer auf der Grundlage des Befreiungsgesetzes, Teil A, D/II/4 wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP von 1933 bis 1934 und von 1938 bis 1945 eingestuft, wobei das Gericht den falschen Angaben folgte, die Bosl auf seinem Meldebogen verzeichnet hatte. Seine Geldsühne setzte das Gericht mit RM 300 fest.90 Die unterschiedliche Höhe dieser Geldsühnesummen enthält keinerlei Wertung bezüglich der Aktivitäten der jeweiligen Person im Nationalsozialismus, sondern beruht auf den unterschiedlichen Vermögenswerten der beiden Männer. Das Befreiungsgesetz legte fest, dass sich die von Mitläufern zu zahlende Höhe der Geldsühne zum einen nach der Dauer der Mitgliedschaft in NS-Organisationen und zum anderen aus ihren Vermögens-, Erwerbs- und Familienverhältnissen etc. errechnet.91 Bernreuthers Verdienst während der Jahre seiner Mitgliedschaft belief sich auf RM 76.000,92 während Bosls Einkommen in dem Zeitraum der von ihm angegebenen Mitgliedschaftsjahre auf eine Höhe von rund RM 34.600 bezif-
87 Sühnebescheid, 16. März 1948, ebd., S. 35. Vgl. Befreiungsgesetz, Teil B, Abs. 5: „Mitglieder der NSDAP nach dem 1. Mai 1937 sowie alle Anwärter der NSDAP.“ Abs. 13: „Mitglieder des NSKK, des NSFK, des NSDStB, des NSDOB, der NSF.“ Gesetz, Hrsg. Schullze, S. 84. 88 Meldebogen, Abschnitte # 1 und 13. Nürnberg, Staatsarchiv. Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-96 (Bernreuther, Friedrich), S. 1a–b. 89 Sühnebescheid (wie Anm. 87), S. 35. Vor der Summe 800 steht, durchgestrichen: 2.000. 90 Siehe: Anlage 22b. Vgl. Befreiungsgesetz, Teil A D/II/4: „Alle Mitglieder der NSDAP vor dem 1. Mai 1937.“ Gesetz, Hrsg. Schullze, S. 67. 91 Siehe: Gesetz, Hrsg. Schullze, Art. 18, S. 26. 92 In dem Fragebogen vom 16. August 1945 gab Bernreuther an, dass sein jährliches Gehalt in den Jahren zwischen 1931 und 1945 RM 10.780 betrug und er in Regensburg ein Einfamilienhaus besaß, das durch Bomben beschädigt wurde: Nürnberg, Staatsarchiv. Spruchkammer Ansbach-Stadt B–96 (Bernreuther, Friedrich), S. 33e, #119–120. In seinem Meldebogen vom 27. April 1946 gab er für das Jahr 1938 die Summe RM 9.262 an, für 1943 dann RM 10.074 und für das Jahr 1945 die Summe von etwa RM 9.000: ebd., S. 1b. Der öffentliche Kläger hielt in seinem „Arbeitsblatt“, fest, dass sich Bernreuthers Einkommen 1944 auf RM 10.770 belief und das Gesamtvermögen 1946 RM 28.821 betrug: ebd., S 2b. Wenn wir für die Jahre der Mitgliedschaft im NSFK und in der NSDAP zwischen 1938 und 1945 einen Mittelwert von RM 9.500 annehmen, kommen wir auf eine Gesamtsumme von RM 76.000; die Geldsühne von RM 800 entspricht 1,05% dieser Summe.
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fert werden kann.93 In beiden Fällen machte also die Geldsühne etwa ein Prozent des Einkommens aus.94 Übrigens: Hätte die Spruchkammer Ansbach Bernreuther als mitschuldig am Tod Limperts angesehen, so hätte man ihn mit Sicherheit nicht als einen bloßen Mitläufer klassifiziert, der laut Befreiungsgesetz „nicht mehr als nominell am Nationalsozialismus teilgenommen oder ihn nur unwesentlich unterstützt“ hat,95 sondern hätte ihn vermutlich eher in die Kategorie des Hauptschuldigen eingeordnet, in die Personen eingestuft wurden, die für „Gewalttaten [...] bei der Bekämpfung von Widerstandsbewegungen“ verantwortlich waren.96 Die Spruchkammer jedoch tat nichts dergleichen. Sie berief sich bei Bernreuthers Einstufung als Mitläufer ausschließlich auf seiner Mitgliedschaft in der NSDAP und im NSFK und verhängte die für solche Aktivitäten übliche Geldsühne. Wenden wir uns nunmehr Walters Behauptung bezüglich der Rolle zu, die Bernreuther im Fall Limpert gespielt haben soll. Wie bereits aufgezeigt, behauptet Walter, dass es Bernreuther gewesen sei, der Meyer einschaltete.97 Meyer jedoch gab in seiner detaillierten Aussage, die er im Gerichtsgefängnis Ansbach am 26., 27. und 30. Oktober 1945 machte, an, dass er mit Ankunft am Schloss gegen 13.00 Uhr am 18. April 1945 vom diensthabenden Feldwebel über das Durchtrennen der
93 Entsprechend seinem Meldebogen vom 6. Mai 1946 verdiente Bosl in den Jahren 1934 bis 1938 zwischen RM 150 und RM 180 pro Monat. Er machte keine Angaben zu dem Verdienst 1943 und 1945, gab aber an, dass er in diesen Jahren als Studienrat beschäftigt war (siehe: Anhang 20). In seinem Personalbogen für Beamte (Universitätsarchiv Würzburg, Personalakte Bosl, Karl) gab er an, am 6. März 1940 zum Studienrat aufgestiegen zu sein. Bosls Kollege am Gymnasium wurde am 1. März 1943 zum Studienrat ernannt und erhielt ein jährliches Gehalt von RM 4.800: Ansbach, Archiv des Gymnasium Carolinum, Akte Zahner [F]. Somit kann man davon ausgehen, dass Bosl 1934 sowie 1938 bis 1939 jährlich rund RM 2.000 verdiente und sich sein jährliches Gehalt zwischen 1940 und 1945 auf RM 4.800 belief. Folglich kann man von einer Gesamtsumme in Höhe von RM 34.800 ausgehen; die Geldsühne von RM 300 macht 0,86% dieser Gesamtsumme aus. 94 Dass die Spruchkammer das Einkommen eines Mitläufers berücksichtigte und das von uns angenommene Verhältnis zwischen Bosls und Bernreuthers Einkommen in den betreffenden Jahren der Mitgliedschaft grundlegend richtig ist, wird durch die Tatsache bestätigt, dass die Kammer im Falle Bosls entschied: „An Stelle von je RM 10.– der Geldsühne tritt für den Fall der Nichtzahlung eine Arbeitsleistung von einem Tag“, während für Bernreuther der Tagessatz bei RM 26 lag. 95 Gesetz, Hrsg. Schullze, Art. 12, S. 15. 96 Ebd., Art. 5(3), S. 8. Es ist bemerkenswert, dass eine andere Spruchkammer, nämlich die der Stadt Miesbach, den führenden NS-Historiker Karl Alexander von Müller wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP von 1933 bis 1945 sowie seiner Mitgliedschaft im NSDOB von 1939 bis 1945 als Mitläufer einstufte: Berg, Karl Alexander von Müller, S. 367. 97 Walter, Karl Bosl, S. 45.
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Telefonkabel sowie über die Festnahme des Täters erfuhr.98 Bernreuther erwähnt er in diesem Zusammenhang überhaupt nicht. Das entspricht Bernreuthers Aussage, dass Zippold ihn über Limperts Tat und Verhaftung in Kenntnis setzte und er nachfolgend bei seinem Anruf in Meyers Stab mit einem Offizier sprach99, nicht jedoch mit Meyer persönlich, der anscheinend zu dem Zeitpunkt damit beschäftigt war, die Front des unter seinem Kommando stehenden Abschnittes zu inspizieren.100 Folglich war es nicht Bernreuther, der Meyer über Limperts Tat informierte und ihn einschaltete. Bezüglich Walters Behauptung, Bernreuther habe „die Beweisnahme gegen Limpert forciert“, kann man tatsächlich festhalten, dass Bernreuther Zippold die Anweisung bzw. den Rat gab, eine Hausdurchsuchung bei Limpert vorzunehmen. Diese jedoch erfolgte nach Limperts Verhaftung und nach seiner Durchsuchung auf der Wache, bei der „1 Zange, 2 Plakate wie sie in letzter Zeit an den Häusern angeklebt worden waren, 1 Plakat entwurf und 1 schwarze Gesichtsmaske“ entdeckt worden waren.101 Mit anderen Worten: Die ausschlaggebenden Beweisstücke, die Limpert belasteten, waren in den Händen der Polizei, noch bevor Bernreuther die Anweisung gab, Limperts Haus mit dem Ziel zu durchsuchen, den Vervielfältigungsapparat sicherzustellen. Die Hausdurchsuchung brachte nur spärliche Ergebnisse, die Limpert nicht wesentlich weiter belasteten, da man den Vervielfältigungsapparat nicht fand, wenngleich die Polizisten auf dasselbe Papier, auf dem „die Plakate hergestellt waren, und einige misslungene Abzüge“ stießen.102 Daher ist Bernreuthers Rolle im Hinblick auf das Sammeln von Beweisstücken, die Limpert belasteten, als geringfügig zu erachten. Folglich trifft Walters Behauptung nicht zu, dass die Entscheidung der Spruchkammer bezüglich Bernreuthers Einreihung in die Kategorie der Mitläufer die genau eine Woche später gefällte Entscheidung beeinflusste, Bosl zum Entlasteten zu erklären. Es gibt nicht die Spur eines Beweises dafür, dass die Spruchkammer Bernreuther als für Limperts Tod verantwortlichen Täter erachtete. Ebenso wenig ist die Behauptung haltbar, dass die Fälle Bernreuther und Bosl „im selben Kontext – dem Fall Limpert – stattfanden.“ Wenngleich Limperts Name in beiden Dossiers genannt wird (obschon in Bernreuthers Akte lediglich nebensächlich), so bildete der Fall Limpert keineswegs den gemeinsamen Nenner der Verfahren, wie eine genauere Analyse des jeweiligen Aktenmaterials unzweifelhaft aufzeigt. Die gemeinsame Grundlage der Verfahren bestand in Wirklichkeit im Versuch 98 Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 74. 99 Nürnberg, Staatsarchiv. Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-96 (Bernreuther, Friedrich), S. 5. 100 Nürnberg, Staatsarchiv. Staatsanwaltschaft Ansbach, Nr. 650/ I, S. 74. 101 Justiz und NS-Verbrechen, Bd. I, S. 118. 102 Ebd.
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der Spruchkammer, die Beziehungen der jeweiligen Person zum Nationalsozialismus und Militarismus zu untersuchen. Eine nähere Analyse beider Verfahren unter Leitung der Vorsitzenden Eva Reiner zeigt auf, dass die Spruchkammer sich genauestens an die Vorgaben des Befreiungsgesetzes hielt, das das Strafmaß in Form einer Geldsühne für Mitglieder von verschiedenen NS-Organisationen (Art. 12) ebenso wie die Voraussetzungen für den Fall festlegt, in dem ein Mitglied solcher Organisationen das Gericht davon überzeugen kann, aktiv in Widerstandsaktionen involviert gewesen zu sein (Art. 13). Wie wir wissen, hatte Bosl die Spruchkammer genau davon überzeugen können; Bernreuther hingegen nicht. Obwohl Bernreuther acht eidesstattliche Erklärungen vorweisen konnte, die ihm eine ablehnende Haltung gegenüber dem Regime auch nach seinem Parteibeitritt bescheinigten, und zudem mehrere Beamte zwischen Mai und Juni 1947 eine Erklärung unterzeichneten, in der sie kategorisch sechs Vorhaltungen zurückwiesen, die ein Ermittler des öffentlichen Klägers gegen Bernreuthers Aktionen kurz vor wie auch nach dem amerikanischen Einmarsch vorgebracht hatte (und die, nota bene, nicht in Verbindung mit Limpert standen),103 so enthielt kein einziges dieser Dokumente die Behauptung, dass Bernreuther aktiven Widerstand gegen das Regime geleistet hat. Bernreuther, der von einem Einspruch gegen das Urteil absah, wusste wohl allzu gut, dass er keine Bescheinigungen würde vorlegen können, die ihm einen aktiven Widerstand bescheinigten. Doch warum weigerte sich die Spruchkammer am 21. Januar 1948, Bosl für entlastet zu erklären, fällte jedoch ein solches Urteil am 24. März 1948? Walter glaubt, dass, als die Spruchkammer Bosl am 21. Januar 1948 als Mitläufer einstufte, sie die Bescheinigungen von Horvay und Pospiech nicht beeindruckten. Vor diesem Hintergrund wirft er die Frage auf, ob es angemessen sei, davon auszugehen, dass die eidesstattlichen Erklärungen, die Bosl am 2. März 1948 vorlegte, bei Gericht mehr Eindruck machten als die Bescheinigungen von Horvay und Pospiech?104 Walters Lösung – dass es die am 16. März 1948 gegen Bernreuther ausgesprochene Einstufung als Mitläufer war, die das Gericht Bosl am 24. März 1948 zum Entlasteten erklären ließ – ist, wie gesagt, nicht haltbar. Was war also der Grund, dass die Spruchkammer Bosls Einstufung änderte? Eine genaue Durchsicht des Bosl-Dossiers, das der Spruchkammer vorlag, zeigt eindeutig auf, was hier wirklich geschehen ist. In der ersten Verfahrensrunde lagen der Spruchkammer folgende Dokumente vor: a.) Bosls Meldebogen vom 6. Mai 1946, in dem er zugab, 1933 sowie erneut von 1938 bis 1945 Partei-
103 Erklärung unterzeichnet zwischen dem 22. Mai und dem 3. Juni 1947. Nürnberg, Staatsarchiv. Spruchkammer Ansbach-Stadt, B-96 (Bernreuther, Friedrich), S. 13–14. 104 Walter, Karl Bosl, S. 48.
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genosse gewesen zu sein;105 b.) der Untersuchungsbericht des 2nd Lt. Ettlinger vom 25. Juni 1946;106 c.) Bosls Schreiben vom 27. Dezember 1947107, in dem er beantragte, als Entlasteter eingestuft zu werden, da er die Kriterien des Befreiungsgesetzes für eine aktive Gegnerschaft und einen erlittenen Schaden erfüllt. Dies ist ein legalistisches Schreiben, in dem Bosl keine konkreten Detailangaben zu den Aktionen macht, die er unternommen zu haben angibt, sondern lediglich darauf verweist, dass diese zusammengefasst sind in d.) der Bescheinigung, die Horvay ihm am 12. Januar 1946 ausstellte108 und die er seinem Schreiben beilegte. Bosl führte weiter aus, dass Pospiech Auskünfte über alle Einzelheiten geben könne, doch Pospiechs Erklärung ist, anders als Walter annimmt, dem Schreiben nicht beigefügt. Da die Spruchkammer offensichtlich nicht dazu in der Lage war, die von Horvay auf Englisch verfasste Bescheinigung zu lesen (in der zweiten Verhandlungsrunde bezieht sich das Gericht überhaupt nicht auf diese Bescheinigung, während andere Dokumente recht ausführlich erörtert werden), fiel die Entscheidung, Bosl als Mitläufer einzustufen.109 Bosl kam unzweifelhaft zur richtigen Schlussfolgerung, weshalb er seinem Einspruch vom 24. Januar 1948 Pospiechs auf Deutsch verfasste Erklärung als Anhang hinzufügte. In dieser Erklärung wird Bosl als „verschworener Feind des Nazismus“ und als „eine der treibenden Kräfte eines kleinen antinazistischen Kreises“ beschrieben und ihm bescheinigt, Flugzettel antinazistischen Inhaltes in Eisenbahnzügen angeklebt und zudem in der Nacht vom 17. auf den 18. April 1945 das Kabel um eine Kaserne durchtrennt zu haben.110 Dieses Mal gehen Bosls Angaben außerdem weit über eine legalistische Argumentationsweise hinaus: Er erwähnt deutlich, dass die Bescheinigungen von Horvay und Pospiech ihn als „innerlich überzeugten Gegner des Nazismus“ präsentieren, der sich selbst wegen seines aktiven Kampfes gegen das Regime und wegen seiner Aktion, Ansbach in der entscheidenden Stunde zu retten, in Gefahr gebracht habe. Somit war die Argumentation, die Bosl hier vorbrachte, wesentlich nachhaltiger als die in seinem ersten Schreiben vom 27. Dezember 1947 angeführte, und zudem wurde die Sachlage zusätzlich durch die eidesstattlichen Erklärungen verfestigt, die Bosl mit seinem Einspruch vorlegte. Zusammenfassend kann man festhalten, dass Bosl von der Spruchkammer nicht als entlastet eingestuft wurde, weil die Spruchkammer zwischen ihm und 105 Anhang 20. 106 Anhang 21. 107 Anhang 22a. 108 Anhang 18. 109 Anhang 22b. 110 Anhang 22c, Pospiechs Erklärung.
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Bernreuther unterscheiden wollte – nichts in den Dokumenten weist auf einen derartigen Ansatz hin –, sondern weil die Spruchkammer die von Bosl im Zuge seines Einspruchs beigebrachte Dokumentation bezüglich seiner vorgeblichen Widerstandsaktivitäten gänzlich übernahm. Bernreuthers wesentliche Schuld bestand darin, dass er – trotz Oberleutnant Zippolds Nachfrage – Limpert nicht laufen ließ. Dies hätte wahrscheinlich Hans Ritter von Lex, dem Ministerialdirektor im bayerischen Innenministerium und künftigen Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes, genügt (auch wenn er gewusst hätte, dass Bernreuthers Rolle in dem Sammeln von Beweisstücken, die Limpert belasteten, gering war), um zu bestimmen, dass solch ein Mann nicht geeignet sei, am Aufbau des neuen Deutschland teilzunehmen. Von Lex selber war ein Mann von beachtlicher Zivilcourage. Als er am 13. März 1933 mit Hitler über eine Koalition zwischen der NSDAP und der Bayerischen Volkspartei verhandelte, war er zwar einverstanden – nach eigenen Aufzeichnungen –, das deutsche Volk solle von der kommunistischen „Verseuchung“ durch die Anwendung der schärfsten Methoden befreit werden, aber er betonte auch, dass „gegenüber den Sozialdemokraten die brutalen physischen Methoden weniger am Platze seien“, und mahnte zur Beachtung der christlichen Sittengesetze in der Auseinandersetzung mit ihnen.111 Und als er zehn Tage später die Zustimmung der BVP zum Ermächtigungsgesetz begründete, forderte er u.a. „die Gewährleistung der Rechtssicherheit durch ein unabhängiges Richtertum, die Erhaltung eines auf wohlerworbene Rechte vertrauenden Berufsbeamtentums [...] sowie endlich die ausdrückliche Sicherung von Leben und Eigentum“, und gab der Hoffnung Ausdruck, „daß die Durchführung und Handhabung des Ermächtigungsgesetzes sich in den Schranken des christlichen Sittengesetzes hält.“112 Im Juni 1933 wurde er vorübergehend inhaftiert; da er nicht in die NSDAP eintrat, wurde er nie befördert. Man kann sich nur fragen, ob von Lex – hätte er gewusst, was wir heute über Bosls Tätigkeiten im Dritten Reich wissen – bestimmt hätte, dass Bosl die erforderlichen Qualitäten hatte, um als Erzieher im neuen Deutschland zu wirken, oder ob er sich der Ansicht des 2nd Lt. Ettlinger angeschlossen hätte, demnach sein „employment in any position above that of ordinary labor is contrary to the provisions of Article 58 of the ‚Law from Liberation from National Socialism and Militarism‘.“113
111 Wolfgang Dierker, „‚Ich will keine Nullen, sondern Bullen.‘ Hitlers Koalitionsverhandlungen mit der Bayerischen Volkspartei im März 1933“, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 50 (2002), S. 131, 139. 112 Verhandlungen des Reichstages, Bd. 457 (Berlin 1933), S. 38. 113 Siehe: Anhang 21.
Postskriptum Für Berichte in der israelischen Presse siehe Nir Hasson, „Eine israelisch-deutsche Studie deckt die Wahrheit über Karl Bosl auf: Deutscher Historiker, der sich gegen die Nazis widersetzte, wird als Parteigenosse enthüllt“, Haaretz, 16. Dezember 2011, S. 12 (Hebräisch)1; Helene Seidler, „Der Fall des Karl Bosl – israelischdeutsches Historikerteam demontiert Nimbus“, Yakinton. Mitteilungsblatt der Vereinigung der Israelis mittel-europäischer Herkunft, 79/250 (Dezember 2011), S. 10–11 (hebräische Version S. viii–ix).
1 Die englische Version des Artikels ist unter http://www.haaretz.com/print-edition/news/ israeli-german-researchers-expose-the-nazi-past-of-a-prominent-historian-and-resistance-hero1.401679 verfügbar.
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Interviews
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Index
Index
Abaelard 138 Acht, Peter 87 Adenauer, Konrad 56 Anm. 185, 70 Anm. 242 Albert,Ekkehard 65 Anm. 221 Albertus Magnus 138 Arndt, Ernst Moritz 137, 108 Astel, Karl 86–87 Aubin, Hermann 134 Augustinus von Hippo 137 Bach, Johann Sebastian 138 Badoglio, Pietro 3 Baethgen, Friedrich 19 Anm. 74, 51 Anm. 172 Bahners, Patrick 181 Baumgarten, Arthur 114 Beda Venerabilis 138 Beer, Samuel Hutchison 37–38, 43,58, 90, 123–125 Bell, Peter 16, 95 Berg, Matthias 77, 181, 183, 188–190, 192 Anm. 26 Bergolt, Ernst 24 Bernreuther, Friedrich 82 Anm. 278, 201–210, 212 Berve, Helmut 22–23, 85 Besold, Florian 191 Bismarck, Otto v. 24, 108, 136 Blessing, Werner 77, 183, 184–185, 189 Bloch, Marc 2,7, 162, 163 Böhm, Albert 31, 39, 118, 119, 124 Bormann, Martin 194 Anm. 31 Broszat, Martin 13 Anm. 41 Bucher, Karin 182 Bullemer, Timo 182 Bürger, Werner 7, 74 Campenhausen, Hans v. 85–86 Chamberlain, Houston Stewart 133 Chrétien von Troyes 138 Churchill, Winston S. 50 Anm. 166, 117, 126–127 Claesgen, Günther 34–35, 65 Anm. 221 Clapham, John H. 85
Clay, Lucius D. 53 Conze, Werner 197 Dahn, Felix 133 Dallhammer, Hermann 7, 42, 71, 74 Darré, Richard Walther 17 Dirlmeier, Franz 23, 24, 87 Döhla, Ernst 81 Dumschat, Sabine 7, 91–92 Eckert, Georg 41, 43–45, 67–68, 74, 90, 112, 158, 161 Egk, Werner 65–66, 151 Eichinger, Karl 33–34, 40, 119–121 Eisele, Willi 193 Anm. 29, 196, 197 Anm. 45 Eisenhower, Dwight D. 50 Engels, Friedrich 134 Erdmann, Carl 4–5, 162, 184 Ettlinger, G.A. 52 Anm. 176, 60–62, 90, 146, 211, 212 Fätkenheuer, Frank 8, 185, 190, 195 Anm. 34 Febvre, Lucien 2 Fichte, Johann Gottlieb 135 Fitz, Diana 74–75 Frank, Herbert 10, 27–31, 36–37, 39–41, 43–45, 71, 73, 74, 79–80, 90,112, 113–123, 192 Frank, Karl Hermann 196 Frank, Walter 4, 5, 20 Friedrich I. Barbarossa 9, 19 Friedrich der Große 136 Freytag, Gustav 133 Fröhlich-Broszat, Elke 7, 33 Anm. 119, 73, 167–168 Gerhard, Dietrich 53, 90, 141–143 Gerngroß, Rupprecht 110 Gneisenau, August Wilhelm v. 136 Gobineau, Arthur de 133 Goebbels, Joseph 66 Anm. 222, 124 Göring, Hermann 17, 173 Goethe, Johann Wolfgang v. 135, 138 Goetz, Walter 20 Anm. 79 Grasberger, Thomas 182
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Graus, František 6 Anm. 21 Gregor VII., Papst 137 Griebel, Oscar 67–68, 90, 158, 160 Grillparzer, Franz 127 Grundmann, Herbert 6 Anm. 21 Gruner, Wolf D. 195 Gurjewitsch, Aaron J. 1, 192 Habrunner, Pankraz 10 Hammer, Wolfgang 11, 27–31, 33 Anm. 119, 35– 37, 42–45, 73, 74, 75, 112, 117, 122, 123, 162, 164–165, 166, 168, 170, 179, 189, 200 Anm. 59 Hausmann, Frank-Rutger 186–187 Heckel, Rudolf v. 21, 22 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 135, 136 Heinrich III., Kaiser 9, 19, 168, 169 Heinrich IV., Kaiser 66, 137 Herf, Jeffrey 7–8 Heß, Rudolf 62 Anm. 211 Hexter, Jack 1 Heydrich, Reinhard 196 Hildegard von Bingen 138 Himmler, Heinrich 17, 19 Anm. 74 Hindenburg, Paul v. 123 Hitler, Adolf 3, 17 Anm. 60, 24, 41–42, 58, 66 Anm. 222, 76, 108, 123, 124, 125, 127, 164, 169, 170, 178, 194, 197, 202, 212 Hlaváček, Ivan 186 Hoeffner, Joseph 178 Hoegner, Wilhelm 61 Anm. 203, 142 Hölzl, Joseph 67–68, 90, 156–157, 161 Holzheimer, Gerd 193–195 Horthy, Miklós 47 Horvay, Frank D. 7, 12, 47–49, 52–60, 63–64, 70 Anm. 239,71, 73, 74, 75, 80, 83–84, 90, 125–127, 139–140, 141–143, 148, 166, 167 Anm. 21, 181, 185, 189, 193, 200–201, 210–211 Horvay, Linda 7 Hoser, Paul 196 Huber, Kurt 110 Hugo von Sankt Viktor 138 Huizinga, Johan 2–3 Humboldt, Wilhelm v. 135 Hüttinger, Hannes 185
Ivo von Chartres 138 Jahn, Friedrich Ludwig 136 Jaspers, Karl 85 Kadri, Jakub 114 Karl der Große 24, 108, 137, 174, 178 Keller, Harald 22 Kenaan-Kedar, Nurith 192 Kern (Oberkirchenrat) 38 Kershaw, Ian 13 Anm. 41 ‚Kirchkoff, Peter‘ 54 Anm. 183 Klingner, Friedrich 23 Koch, Erich 197 Kohl, Helmut 179–180 Kramer, Ferdinand 75–76, 183–184, 189–190, 195 Kraus, Andreas 87 Anm. 291 Kreiselmeyer, Heinz 185 Kuch, Adolf 62, 159–162 Kyot der Provenzale 138 Lang, Adolf 7, 73 Langbehn, Julius 133 Langmann, Frieda 62, 159–162 Lex, Hans, Ritter v. 203–204, 212 Limpert, Isidor 28 Anm. 108 u. 109, 29, 31–32 Limpert, Robert 9, 11, 27–44, 48, 55, 56 Anm. 186, 64, 65, 66, 68, 73, 74, 75, 80, 81–82, 83,90, 109–112, 113–123, 124, 126, 128–132, 151, 155, 156, 157, 158, 160, 161, 162, 164, 166, 167, 168, 181, 183, 185, 186, 188–189, 199–206, 208–210, 212 Lopez, Roberto S. 3, 162, 163 Ludendorff, Erich 136 Luther, Martin 25 Machiavelli, Niccolò 136 Maenner, Ludwig 22 Maier, Johann (Domprediger) 166–167 Mattiat, Eugen 4 Mayer, Theodor 25 Anm. 100, 171, 173, 179, 104 Anm. 31, 198 Meinecke, Friedrich 53, 135 Meister Eckhart 138
Meyer, Ernst 8, 27 Anm. 104, 31, 33–35, 48–49, 56, Anm. 186, 59, 65 Anm. 221, 73, 81, 118–121, 123, 124, 185, 203–206, 208–209 Morris, Benny 8 Müller, Karl Alexander v. 19, 20, 21, 22, 62 Anm. 211, 76, 77, 168, 179, 208 Anm. 96 Mussolini, Benito 3 Nagel, Anne Christine 76–77, 189, 192 Anm. 26 Nietzsche, Friedrich 131, 134 Nolte, Fred O. 49, 54, 90, 125–127 Otto von Freising 137 Patton, George S. 53 Pfeiffer, Rudolf 23 Anm. 91 Pospiech, Heinrich 11, 33 Anm. 119, 37–44, 48–49, 54, 57, 63–64, 66, 71, 73, 74, 80, 83, 84, 90, 112, 118, 123–125, 126, 129, 139, 141, 143, 147, 150, 151–152, 160, 162, 163–164, 166, 167, 179, 189, 193, 200–201, 210–211 Putz, J. 15, 16, 89, 100 Reiner, Eva 61–62, 149, 159–162, 201, 206, 210 Renner, Karl N. 10, 201 Rexroth, Frank 186, 193 Rieger, Hermann 69 Rilke, Rainer Maria 138 Ritter, Gerhard 85 Roosevelt, Franklin Delano 50 Anm. 166, 117 Rosenberg, Alfred 108 Rupp, Fritz 35, 48 Anm. 160, 82 Anm. 278 Rusinek, Bernd A. 76, 188, 190, 192 Anm. 26, 195, 198–199 Salinger, Jerome D. 48 Anm. 156 Scharnhorst, Gerhard v. 136 Scherm, Gerd 185 Schieder, Theodor 197 Schiller, Friedrich 135 Schlemmer, Franz Xaver 15, 16, 89, 99–100 Schlesinger, Walter 6 Anm. 21 Schlittenbauer, Sebastian 172
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Schmidt, Max 195–196 Schnabel, Franz 85–87 Schneider, Fritz 43–45, 67–68, 74, 90, 112, 154–155, 161 Scholl, Sophie und Hans 110 Schötz, Hartmut 7, 31 Anm. 115 Schregle, Götz 41–42 Schregle, Hans 38, 41, 43, 44, 58–59, 68–69, 73, 74, 89, 109 Schreibmüller, Hermann 28 Anm. 109 Schütz, Ernst 188–191 Seidlmayer, Michael 87 Seitz, Wilhelm 108, 197 Seuse, Heinrich 138 Shuster, George N. 177 Sigman, Charles 170 Slezak, Leo 127 Spindler, Max 22, 24, 85–86, 187 Spindler, Rudolf 19 Anm. 75, 24 Spörl, Johannes 87–88 Srbik, Heinrich v. 135 Stalin, Iosif V. 50 Anm. 166 Stauffenberg, Alexander v. 84–85, 87 Stauffenberg, Claus v. 84 Stauffenberg, Melitta v. 84 Stein, Heinrich Friedrich Karl vom 136 Stützer, Hans 27–30, 36–37, 42, 44, 71, 122, 185 Tauler, Johannes 138 Tellenbach, Gerd 4–5 Thälmann, Ernst 123 Thomas von Aquin 138 Thomas Becket 138 Treitschke, Heinrich v. 85 Treml, Manfred 183, 184, 191–193, 201 Anm. 64 Varsori, Antonio 163 Vietze, Josef 196 Vittorio Emanuele III 3 Wagner, Richard 133 Walter, Dirk 181 Anm. 3, 193 Anm. 29, 195–204, 208–210 Walther von der Vogelweide 138 Weber, Max 5, 162, 176
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Wenig, Heinrich 48, 82 Anm. 278, 167 Anm. 21, 189 Anm. 21 Whitaker Jr (Lt. Col.) 139 Wolfram von Eschenbach 125, 138 Woller, Hans 74 Wörle, Karl 67–68, 90, 157, 161 Wüst, Walther 17–18, 24, 86
Zahner, Anton 41–45, 67–68, 74, 90, 112, 155, 189, 208 Anm. 93 Zeller, Horst 75 Ziegler, Walter 183 Zippold, Johann 119, 203–206, 212