Das Umweltproblem in der Marktwirtschaft: Wirtschaftstheoretische Grundlagen und vergleichende Analyse umweltpolitischer Instrumente in der Luftreinhalte- und Gewässerschutzpolitik [2 ed.] 9783428476695, 9783428076697


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Das Umweltproblem in der Marktwirtschaft: Wirtschaftstheoretische Grundlagen und vergleichende Analyse umweltpolitischer Instrumente in der Luftreinhalte- und Gewässerschutzpolitik [2 ed.]
 9783428476695, 9783428076697

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MANFRED KEMPER

Das Umweltproblem in der Marktwirtschaft

Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann t

Heft 390

Das Umweltproblem in der Marktwirtschaft Wirtschaftstheoretische Grundlagen und vergleichende Analyse umweltpolitischer Instrumente in der Luftreinhalte- und Gewässerschutzpolitik

Von Manfred Kemper

Zweite, unveränderte Auflage

DUßcker & Humblot . Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Kemper, Manfred: Das Umweltproblem in der Marktwirtschaft: wirtschaftstheoretische Grundlagen und vergleichende Analyse umweltpolitischer Instrumente in der Luftreinhalte- und Gewässerschutzpolitik / von Manfred Kemper. - 2., unveränd. Aufl. - Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Volkswirtschaftliche Schriften; H. 390) Zug!.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-07669-9 NE:GT

1. Auflage 1989 2., unveränderte Auflage 1993 Alle Rechte vorbehalten

© 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-07669-9

Inhaltsverzeichnis Einführung 1. Umweltschutz und Ökonomie 1.1. Die Einbeuung der Umweltproblematik in die ökonomische Theorie 1.1.1. Private und öffentliche Güter 1.1.2. Externe Effekte 1.1.3. Der Zusammenhang zwischen externen Effekten, öffentlichen Gütern und der Umweltproblematik 1.1.4. Zusammenfassung 1.2. Ökonomische Folgen der Fehlallokation 1.3. Grundlegende Ansätze zur Lösung des Umweltproblems 1.3.1. Ansatz 1: Die pareto-optimale Internalisierung externer Effekte 1.3.2. Ansatz 2: Ökologische Rahmenwerte 2. Theoretische Vorschläge zur Lösung des Umweltproblems - Die Internalisierung externer Effekte 2.1. Die Lösung nach Coase 2.1.1. Unterschiedliche Varianten 2.1.2. Praktische Probleme 2.2. Die Pigoulösung 3. Die Instrumente einer praktischen Umweltpolitik 3.1. Die Festlegung eines ökologischen Rahmens als Grundlage der Umweltpolitik 3.2. Umweltauflagen 3.3. Umweltabgaben 3.3.1. Formen von Umweltabgaben 3.3.2. Abgabenwirkung 3.3.2.1. Angebotsseite 3.3.2.2. Nachfrageseite 3.3.3. Bemessungsgrundlage 3.3.4. FestIegung des Abgabensatzes 3.3.5. Verschärfung des ökologischen Rahmens 3.4. Umweltzertifikate

1 3 3 3

5 6 8 9 10 11 13 17 19 20

25 29 33 33 34

35

37 37 37 38 38

40 41 41

3.4.1. Konzeption

42

3.4.2. Erstausgabe der Zertifikate

44 44

3.4.2.1. Versteigerung 3.4.2.2. Verkauf zum staatlichen Festpreis

45

Inhaltsverzeichnis

VI

3.4.2.3. Gratisvergabe 3.4.3. Verschärfung des ökologischen Rahmens 3.4.3.1. Befristete Güiugkeitsdauer 3.4.3.1.1. Konstante Befristung 3.4.3.1.2. Ankoppelung der Laufzeit an die Abschreibungsdauer der Anlagen 3.4.3.2. Unbefristete Gültigkeitsdauer 3.4.3.3. Staatlicher Aufkauf von Zertifikaten 3.4.3.4. Begrenzung der nominalen Gültigkeit durch Abwertung 3.4.4.. Multischadstoffzertifikate 3.4.5. Exkurs: "Verbriefte Verhandlungsrechte": Zertifikate und CoaseTheorem 3.5. Emissions Trading

4. Anrorderungen an die Beurteilung der Instrumente 4.1. Ökologische Anforderungen an umweltpolitische Instrumente 4.1.1. Einhaltung des ökologischen Rahmens als politische Vorgabe 4.1.1.1. Emissionsnormen 4.1.1.2. Immissionsnormen 4.1.1.3. Der Zusammenhang zwischen Immissionen und Emissionen 4.1.1.4. Die quantitative Festlegung der Normen 4.1.2. Exkurs: Zwei Philosophien im Umweltschutz

14.1.3. Schadstoffspezifische Anforderungsunterschiede an den ökologischen Rahmen und die Instrumente

46 50 51 51

52 52 53 53

55 56 60

65 65 65 66 67 67

67 68 70

4.1.3.1. Abbaubare Schadstoffe mit gleichmäßiger Ausbreitung

76

4.1.3.2. Abbaubare Schadstoffe mit ungleichmäßiger Ausbreitung

77

4.1.3.3. Nicht abbaubare Schadstoffe 4.1.4. Die ökologische Notwendigkeit räumlich und zeitlich differenzierter Emissions- und Immissionsstandards 4.1.4.1. Die räumliche Differenzierung 4.1.4.2. Die zeitliche Differenzierung 4.2. Ökonomische Anforderungen 4.2.1. Die Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Kosten zur Erfüllung der ökologischen Anforderungen 4.2.2. Die ökonomische Notwendigkeit räumlich und zeitlich differenzierter Emissions- und Immissionsstandards 4.2.3. Anreize zur Entwicklung technischer Neuerungen mit umweltentlastender Wirkung 4.2.4. Vermeidung negativer wettbewerbs- und strukturpolitischer Auswirkungen

79 81 82

84 84 87 88 92

92

InhallsvClZcichnis

4.3. Praktikabilität, Akzeptanz und politische Durchsetzbarkeit 4.3.1. Praktikabilität der Instrumente 4.3.2. Verbandstheoretische Aspekte der Durchsetzbarkeit 4.3.3. Akzeptanz in der Administration 4.3.4. Akzeptanz bei den Unternehmen 4.3.4.1. Akzeptanz in der Umweltbranche 4.3.4.2. Akzeptanz bei den Anlagenbetreibern 4.3.5. Akzeptanz bei den Gewerkschaften 4.3.6. Akzeptanz bei den politischen Entscheidungsträgern 4.3.7. Akzeptanz in der Bevölkerung 4.3.8. Zusammenfassung S. Beurteilung der Instrumente der Umwelt politik 5.1. Erfüllung der ökologischen Anforderungen 5.1.1. Auflagen 5.1.2. Abgaben 5.1.3. Zertifikate 5.1.4. Zusammenfassung 5.2. Erfüllung der ökonomischen Anforderungen durch Auflagen, Abgaben und Zertifikate 5.2.1. Gesamtwirtschaftliche Kosten der Instrumente 5.2.2. Exkurs: Unsicherheit über die Höhe der marginalen Vermeidungskosten und der mar~inalen Schadenskosten sowie die Dynamik der Wirtschaft als Kriterien zur Beurteilung der umweltpolitischen Instrumente 5.2.2.1. Aspekte der Unsicherheit Im Falle einer pareto-optimalen Internalisierung externer Effekte (Ansatz 1) 5.2.2.2. Aspekte der Unsicherheit im Falle ökologischer Rahmenwerte (Ansatz 2) 5.2.2.3. Wirtschaftsdynamische Einflüße auf die Wirkung der Instrumente 5.2.3. Wettbewerbswirkungen der Instrumente 5.3. Anreize zur Entwicklung technischen Fortschritts 5.3.1. Überblick 5.3.2. Aufla~en nach dem Stand der Technik und Anreize zum umwelttechmschen Fortschritt 5.3.3. Innovative Anreize durch Emissionsstandards (Auflagen), Abgaben und Zertifikate 5.3.3.1. Fall A: Der innovative Emittent hat einen nur unmerklichen Einfluß auf die gesamtwirtschaftlichen marginalen Vermeidungskosten

VII

93 94 95 96 98 98 99 99 100 101 101 103 103 103 108 111 113 114 115 127

132 139 141 149 161 161 162 164 174

VIII

Inhaltsverzeichnis

5.3.3.2. Fall B: Der innovative Emittent hat - bei passiver Behörde - einen merklichen Einfluß auf die gesamtwirtschaftlichen marginalen Vermeidungs kosten 5.3.3.3. Fall C: Der innovative Emittent hat - bei aktiver Behörde einenmerklichen Einfluß auf die gesamtwirtschaftlichen marginalen Vermeidungskosten. 5.3.4. Zusammenfassung und Bewertung 5.4. Differenzierbarkeit der Instrumente nach räumlichen und zeitlichen Erfordemissen 5.4.1. Die zeitliche Differenzierung 5.4.1.1. Auflagen 5.4.1.2. Abgaben 5.4.1.3. Zertifikate 5.4.2. Die räumliche Differenzierung von Auflagen 5.4.2.1. Ansätze einer differenzierten Auflagenpolitik in den USA 5.4.2.2. Ansätze einer differenzierten Auflagenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland 5.4.3. Die räumliche Differenzierung von Abgaben 5.4.4. Die räumliche Differenzierung von Zertifikaten 5.4.4.1. Undifferenzierte Zertifikate 5.4.4.2. Differenzierte Zertifikate 5.4.4.2.1. Differenzierte Emissionszertifikate - Ambient Differentiated Permit(ADP) -Emission Discharge Permit(EDP) -Local Discharge Permit (LDP) 5.4.4.2.2. Immissionszertifikate 5.5. Mögliche Einsparungspotentiale von Abgaben und Zertifikaten gegenüber Auflagen 5.6. Akzeptanz der Instrumente 5.6.1. Gruppenspezifische Akzeptanz der Instrumente 5.6.2. Die Bedeutung der einzelwirtschaftlichen Kosten der Instrumente für die Akzeptanz durch die Emittenten 5.7. Zusammenfassende Schlußfolgerungen für die Praktikabilität und Auswahl geeigneter umweltpolitischer Instrumente 5.8. Emissions Trading in der Luftreinhaltung 5.8.1. Modifizierte Kompensationslösungen durch Handelsregeln als weitere Zertifikatevariante 5.8.2. Wirkungsweise des Emissions Trading Programms 5.8.3. Erfahrungen mit dem Emissions Trading in den USA 5.8.4. Übertragungsmöglichkeiten einer Emissions Trading Politik auf die deutsche Luftreinhaltepolitik

176 179 181 183 188 189 189 190 194 195 199 202 208 209 211 211 211 212 213 215 218 218 219 229 232 239 240 245 249 257

Inhallsvcrzciclmis

5.9. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse 6. Der Einsatz der Instrumente im Gewässerschutz 6.1. Der Gewässerschutz in der Bundesrepublik Deutschland 6.1.1. Die Ziele der Gewässerschutzpolitik in der Bundesrepublik Deutschland 6.1.2. Die aktuelle Situation 6.1.3. Der rechtliche Rahmen 6.1.3.1. Das Wasserhaushaltsgesetz 6.1.3.2. Das Abwasserabgabengesetz 6.2. Beurteilung der Abwasserabgabe in der Bundesrepublik Deutschland 6.2.1. Ökologische Beurteilung der Abwasserabgabe 6.2.2. Ökonomische Beurteilung der Abwasserabgabe 6.2.3. Zusammenfassung 6.3. Verbesserungsmöglichkeiten des Gewässerschutzes 6.3.1. Beschaffenheit der Gewässerschadstoffe 6.3.2. Besondere Anforderungen an Instrumente im Gewässerschutz 6.3.3. Verbesserungsmöglichkeiten der Abwasserabgabe 6.3.3.1. Verbesserung der ökonomischen Anreizfunktion 6.3.3.2. Räumliche Differenzierung der Abwasserabgabe 6.3.3.3. Verursachungsgerechte Abgabepflicht für Indirekteinleiter 6.3.3.4. Effizienzsteigerung durch die Ausnutzung von Skalenvorteilen 6.3.3.5. Zusammenfassende Beurteilung der Verbesserungsvorschläge 6.3.4. Zertifikatelösungen im Gewässerschutz 6.3.4.1. Vorteile von Zertifikaten gegenüber einer Abgabenlösung 6.3.4.2. Praktische Ausgestaltungmöglichkeiten 6.3.4.2.1. Bezugseinheit für die Definition von Gewässerschutzzertifikaten 6.3.4.2.2. Erstausgabe und Handel 6.3.4.2.3. Gültigkeitsdauer der Zertifikate 6.3.4.2.4. Festlegung der Gesamtkontingente - Begrenzung der Schadstoffmenge 6.3.4.2.5. Vermeidung von »Hot Spots« - Restriktionen für Marktausdehnung und Zertifikatetransfer 6.3.4.2.6. Institutionelle und organisatorische Kontrolle 6.3.5. Anwendungsvorschläge und-beispiele 6.3.5.1. Das "Lake Michigan"-Modell 6.3.5.2. Das "Fox River"-Modell

IX

263 267 267 267 268 269 269 271 274 274 280 282 284 284 285 287 288 289 290 291 292 294 294 297 298

300 301 303 307 309 310 310 313

x

Inhaltsverzeichnis

63.6. Ausblick: Zertifikate im Gewässerschutz 7. Abschließende Ergebnisse literaturverzeichnis

314 317 321

Abkürzungsverzeichnis AbwAG

Abwasserabgabengesetz

ADP

Arnbient Differenciated Permit

AQCR's

Air Quality Control Regions

BACT

Best Available Control Technology

BImSchG

Bundesimmissionsschutzgesetz

BSB

Biochemischer Sauerstoffbedarf

CAA

Clean Air Act

CSB

Chemischer Sauerstoffbedarf

EDP

Emission Discharge Permit

EPA

Environmental Protection Agency

GVK

Grenzvermeidungskosten

GSK

Grenzschadenskosten

LAER

Lowest Achievable Emission Rate

LDP

Local Discharge Permit

NAAQS

National Arnbient Air Quality Standards

NSPS

New Source Performance Standards

NSR

New Source Review

PSD

Prevention of Significant Deterioration

RACT

Reasonably Available Control Technology

SIP

State Implementation Plan

TSP

Total Suspended Particulates

VB

Umweltbelastung

VOC

Volatile Organic Compound

WHG

Wasserhaushaltsgesetz

Legende für die vorhandenen Abbildungen

GVK (1,2,. •• )

Grenzvermeidungskosten (Emittent 1.2 usw.)

GSK

Grenzschadenskosten

MZB E, MZBU

Marginale Zahlungsbereitschaften; E: Emittenten; U: Umweltschützer

N (NA' NB)

Nachfrage (von A bzw. B)

P (1,2,...)

Preis

PGK

Private Grenzkosten der Produktion

Q. QI' Q2.···

Umweltqualität. Immissionsstandards

t

(1,2,...)

Abgabensätze bzw. Steuersätze einer Umweltabgabe

UD

Umweltbelastung

VGK

Volkswirtschaftliche Grenzkosten der Produktion

X

Produzierte Menge eines Gutes

z (1,2,...)

Zertifikatepreise

Einführung In den letzten Jahren haben umweltpolitische Fragestellungen einen immer größeren Stellenwert im politischen und auch wirtschaftlichen Tagesgeschehen eingenommen. Das hohe Niveau der materiellen Prosperität in den hochentwickelten Industrieländern hat hier lange Zeit den Blick für den dafür zu zahlenden Preis einer schon kritischen, zumindest aber nicht unbedenklichen Belastung der Umwelt verstellt. Durch die Emission von Schadstoffen drohen Flüsse, Seen und ganze Meere zu verseuchen, Luft und Boden zu vergiften und die Wälder abzusterben. Eine seit Jahren kontrovers geführte Umweltschutzdiskussion auf allen politischen Ebenen, die Bedeutung umweltpolitischer Fragestellungen in Wahlkampfzeiten, die Einrichtung von Umweltministerien und eine immer umfangreichere Umweltgesetzgebung dokumentieren den Stellenwert der Umweltproblematik und das Bemühen der Politik und des Staates um eine Verbesserung des Umweltschutzes in eindrucksvoller Weise und lassen in Zukunft eher noch mehr Bemühungen um den Umweltschutz erwarten. Ein noch höherer Stellenwert des Umweltschutzes bedeutet aber höhere Aufwendungen für Umweltschutzbelange. Die in dieser Arbeit in erster Linie angesprochenen Belastungen von Luft und Gewässern durch stoffliche Schadstoffeinträge, die bei Konsum und Produktion anfallen, verlangen höhere Aufwendungen für die Schadstoffvermeidung. Müssen aber immer höhere Aufwendungen für die Schadstoffvermeidung aufgebracht werden, so hat das zur Folge, daß diese Mittel nicht mehr für andere Aufgaben zur Verfügung stehen. Damit kann es zu Einbußen bei anderen wirtschaftspolitischen Zielen, etwa dem Wirtschaftswachstum und der Beschäftigung kommen. Auf jeden Fall werden die Kosten der Umweltpolitik zu Konsumverzichten an anderer Stelle zwingen. Diese Konflikte werden verstärkt dadurch, daß sich die Bundesrepublik in wirtschaftlichem Wettbewerb mit Ländern befindet, die möglicherweise weniger restriktive Umweltschutzanforderungen stellen. Sollen deswegen keine Abstriche an den umweltpolitischen Zielvorstellungen gemacht werden, so sollte man versuchen, diese Ziele möglichst kostengünstig zu realisieren, um Zielkonflikte und mögliche Nachteile im internationalen Wettbewerb gering zu halten.

In einem marktwirtschaftlieh organisiertem Wirtschaftsgefüge ist der Preismechanismus der effizienteste Zuteilungsmechanismus für knappe Güter. Nun ist aber auch die Umwelt, wie noch eingehend erläutert werden wird, nichts anderes als ein knappes Gut. Somit liegt es nahe, der Frage nachzugehen, ob der Preismechanismus nicht auch zur Allokation der knappen Umweltgüter herangezogen werden kann, um so eine kostengünstige Steuerung des Verbrauchs dieser Güter zu gewährleisten. In genau diesem Punkt setzt nun die Diskussion um marktwirtschaftliche Instrumente im Umweltschutz an, die seit einigen Jahren mit großem Engagement von Verfechtern und

2

Einführung

Kritikern dieser Instrumente geführt wird. Überall in der Welt wurde und wird die UmweItpolitik überwiegend durch staatliche Reglementierung betrieben. Der Verschrnutzung der Umwelt versucht man mit Verordnungen, Ge- und Verboten zu begegnen. Im Hinblick auf die wachsenden Kosten der Vermeidung von Umweltbelastungen erwarten die Befürworter marktwirtschaftlicher Instrumente eine spürbare gesamtwirtschaftliche Kostenreduktion, ohne daß es zu einer Verschlechterung der Umweltqualität gegenüber der bisherigen Politik kommt, und damit eine Verringerung der Gefahr von Einbußen bei anderen wirtschaftspolitischen Zielen. Ziel dieser Arbeit ist es, Grundlagen der ökonomischen Betrachtung der UmweItproblematik darzustellen und davon ausgehend dann die Auflagenlösung sowie die Abgaben- und die Zertifikatelösung in einem Vergleich gegenüberzustellen und sowohl anhand ökologischer als auch ökonomischer Kriterien Aussagen darüber zu treffen, welche(s) der Instrumente in der bundesdeutschen Luftreinhaltepolitik sowie im Gewässerschutz eingesetzt werden sollten. In den beiden ersten Kapiteln der Arbeit werden zunächst die Ursachen und Auswirkungen der Umweltproblematik aus der Sicht der ökonomische Theorie dargelegt. Kapitel 3 gibt einen allgemeinen Überblick über Auflagen, Abgaben und Zertifikatelösungen und erläutert deren grundlegende Funktionsweise. In Kapitel 4 wird sodann ein Katalog theoretischer und praktischer Kriterien erarbeitet, denen eine ökologisch wirksame, aber gleichzeitig auch kostenbewußte Umweltpolitik und ihre Instrumente genügen sollten. Dabei wird eingehend auf das Erfordernis einer zeitlichen und räumlichen Differenzierung der Umweltpolitik, auf die Bedeutung umwelttechnischen Fortschritts, die Bedeutung von Unsicherheit in der umweltpolitischen Entscheidungsfindung sowie die Bedeutung wirtschaftsdynamischer Einflüsse für die Umweltpolitik und insbesondere für die Wahl geeigneter Instrumente eingegangen, da diese Punkte in der theoretischen und praktischen Auseinandersetzung bisher recht stiefmütterlich und oberflächlich abgehandelt worden sind. In Kapitel 5 werden dann die Instrumente anhand der in Kapitel 4 diskutierten Kriterien miteinander verglichen, um anschließend zunächst zu einer Empfehlung für die Luftreinhaltepolitik in der Bundesrepublik zu kommen. In Kapitel 6 der Arbeit schließlich erfolgt eine Analyse der bundesdeutschen Gewässerschutzpolitik, um eventuell vorhandene Schwachstellen aufzudecken. Anschließend werden auf der Basis der in den vorangehenden Kapiteln gewonnenen Ergebnisse Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Ein weiteres Anliegen dieser Arbeit ist schließlich, einen Einblick in, in der deutschsprachigen Literatur noch sehr wenig bekannte, vorwiegend in den USA entstandene Forschungsarbeiten zu umweltökonomischen Fragestellungen und besonders zur instrumentellen Ausgestaltung der Umweltpolitik zu geben.

1. Umweltschutz und Ökonomie 1.1. Die Einbettung der Umweltproblematik in die ökonomische Theorie Umweltprobleme resultieren aus einer übermäßigen Beanspruchung oder aus konkurrierenden Nutzungen von Umweltressourcen. l Das Umweltproblem entsteht aus der Sicht der Ökonomie durch eine Fehlallokation der knappen Umweltgüter. Die ökonomische Theorie begreift das Umweltproblem als ein Allokationsproblem. 2 Für eine optimale Allokation der Ressourcen sind nun zwei Aufgaben zu lösen. Einmal muß den Produzenten korrekt signalisiert werden, welche Güter in welchen Mengen produziert werden sollen bzw. von den Konsumenten gewünscht werden, und es müssen die für die Herstellung dieser Güter benötigten finanziellen Mittel aufgebracht werden. Nun kann der Markt unter bestimmten Bedingungen Knappheitsprobleme optimal lösen und führt so zu einer optimalen Allokation. Damit stellt sich die Frage, warum der Markt im Fall der Nutzung von Umweltgütern zu keiner optimalen Allokation kommt, also Umweltschäden entstehen läßt. Um das Versagen des Marktes in diesem Fall zu erklären, bedient sich die Ökonomie der Theorie der öffentlichen Güter und der Theorie der externen Effekte, auf die im folgenden eingegangen werden soll. 3

1.1.1. Private und öffentliche Güter Eine prinzipielle Ursache für das Entstehen von Umweltschäden sehen Ökonomen darin, daß die Qualität unserer Umwelt lange Zeit als ein reines öffentliches Gut behandelt wurde und auch teilweise noch behandelt wird. Nach einer heute weitgehend akzeptierten Definition zeichnen sich rein öffentliche Güter dadurch aus, daß ihre Nutzung durch ein Wirtschaftssubjekt die Nutzungsmöglichkeiten durch ein anderes Wirtschaftssubjekt nicht verringert, d.h. daß der Konsum durch ein Wirtschaftssubjekt A nicht mit dem Konsum durch ein Wirtschaftssubjekt B kollidiert. 4 Ein rein öffentliches Gut kann jeder nutzen und zwar völlig unabhängig davon, ob und wieviel er dafür bezahlt5, während der Konsum eines rein privaten Gutes den Konsum durch ein anderes Individuum ausschließt. 6

1 Untcr Umwcltrcssourccn werden hier die Umweltmedicn Luft, Wasscr und Boden vcrstandcn. Die Problcmatik dcr crschöpfbarcn Rcssourccn wird hicr nur am Randc behandclt. 2 Vgl. SIEBERT (19!1~), S. 267.

3 Eincn gutcn Überblick über ökonomischc Erklärungsansätze der Umweltproblematik findct man bei flSHER, PETERSON (1976). 4 Vgl. dazu SAMUELSON (1954), S. 387 • 389; MISHAN (1971), S. 146; BONUS (1m), S. 342. 5 VgJ. BONUS (1972), S. 342. 6 Vgl. FREY (1985), S. 49.

4

I. Umweltschutz und Ökonomie

Im Falle rein privater Güter sorgt ein idealer Markt! für eine optimale Allokation: Die Verteilung der knappen Ressourcen innerhalb einer Wirtschaft wird über ein System von Schauenpreisen gelenkt, daß die marginalen Opportunitätskosten der Inanspruchnahme von Gütern und Faktoren abbildet. Jeder Konsument wird durch die Zahlung des Preises gezwungen, bei der Inanspruchnahme eines Gutes genau den Verzicht zu leisten, den er der Gesellschaft dadurch aufbürdet, daß dieses Gut nicht mehr für andere Verwendungen (Opportunität!) zur Verfügung steht. Aufgrund seines beschränkten Budgets muß der Konsument auf entsprechend alternative Verwendungsmöglichkeiten verzichten. Im Preis eines Gutes spiegelt sich also die gesellschaftliche Wertschätzung dieses Gutes bei gegebener Ausgangsverteilung der Ressourcen. 2 Im Fall privater Güter spiegelt der Marktpreis sämtliche Kosten- und Nutzenbestandteile, die von dem Gut ausgehen, wieder; Markt- und Schauenpreis stimmen überein. Der Nutzer des privaten Gutes wird also durch den Markt mit den wirtschaftlichen Folgen konfrontiert, indem er den Marktpreis des Gutes zu entrichten hat. Dies zwingt ihn, seine Bedürfnisse sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Das reine öffentliche Gut bildet nun das genaue Gegenstück zum privaten Gut. Ein rein öffentliches Gut kommt jedem einzelnen in gleicher Weise zugute. 3 Ein zusätzlicher Interessent kann durchaus in den Genuß des öffentlichen Gutes kommen, ohne daß der Konsum der anderen geschmälert wird. 4 Ein weiterer Nutzer verursacht keine zusätzlichen (Grenz-)Kosten, sodaß die Zahlung eines Knappheitspreises durch den Nutzer nicht gerechtfertigt wäre. Allerdings muß auch dieses Gut unter Einsatz knapper Faktoren erstellt werden. Es entstehen damit sehr wohl volkswirtschaftliche Kosten. 5 Durch den Verbrauch dieser Faktoren zur Herstellung des öffentlichen Gutes bürden die Nutzer der Allgemeinheit einen Verzicht auf. Die Kosten in Form dieses Verzichts müßten daher durch die Gesamtheit der Nutzer aufgebracht werden. Das Problem liegt nun in der Festlegung der Beiträge der einzelnen Nutzer. Die Präferenzen der einzelnen Nutzer für das öffentliche Gut werden sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Außer den Nutzern selbst kennt aber keiner diese Präferenzen. Bedingt durch den Charakter des öffentlichen Gutes werden die Individuen bestrebt sein, ihre Präferenzen zu niedrig anzugeben. Diese Verhaltensweise wird durch das Gefangenendilemma6 hervorgerufen, in welchem sich die Individuen im Falle der öffentlichen Güter 1 Vgl. BONUS (1976), S. 11J7 ff. 2 Analog verhält es sich auf der Angebotsseite: Ein Produzent kann Einsatzfaktoren nur dann für sich beanspruchen, wenn er damit Güter produziert, die in der gesellschaftlichen Wertschätzung mindestens genauso hoch angesehen sind, wie die Güter, die durch den Verbrauch nun nicht mehr produziert werden können. Vgl. BONUS (1976), S. 208. 3 Vgl. SAMUELSON (1954), S. 387 ff. 4 Vgl. BONUS (198OA), S. 29.

5 Vgl. BONUS (198OB), S. 142. 6 Die Bczeichnllll8 Gefangenendilemma ist einem ursprünglich in der Spieltheorie diskutiertem plastischen

1.1. Einbcttung der Umweltproblematik in dic ökonomischc TIlcorie

5

befinden. Umweltqualität ist, wie bereits erwähnt, ein solches öffentliches Gut. Da eine intakte Umwelt allen zugute kommt, ohne daß jemand dafür zahlen muß, finden sich freiwillig nicht genug Individuen zur Zahlung eines Preises für die Inanspruchnahme der Umwelt bereit. Private Kosten und volkswirtschaftliche Kosten sind beim öffentlichen Gut nicht identisch. Der Marktpreis des öffentlichen Gutes liegt weit unter den volkswirtschaftlichen Grenzkosten der Bereitstellung. l Nun sind reine öffentliche Güter äußerst selten. 2 Von sehr viel größerer Bedeutung sind dagegen Güter, die sowohl Kennzeichen des öffentlichen Gutes als auch des privaten Gutes aufweisen. 3 In den Bereich dieser Mischgüter4 oder verbundenen Güter fallen die externen Effekte. Das Problem öffentlicher Güter ist also eng verwandt mit dem Problem externer Effekte. 1.1.2. Externe Etrekte Externe Effekte5 treten auf, wenn sich Aktivitäten eines Wirtschaftssubjektes in den Konsum- bzw. Produktionsfunktionen von Dritten auswirken, ohne daß diese das wünschen bzw. ohne daß auf dem Markt über diese Auswirkung Übereinkunft erzielt worden ist. Der Urheber eines externen Effektes berücksichtigt diesen nicht in seinem Kosten-Kalkül.6 In Höhe des externen Effektes entsteht also auch hier eine Differenz zwischen den privaten Grenzkosten und den gesamtwirtschaftlichen Grenzkosten der Aktivität. Bild aus dcm amcrikanischcn Strafrecht entlehnt. Dabei führt ein nicht aufeinander abgestimmtes, individucll jedoch rationalcs Verhalten für aIlc Beteiligtcn zu eincm unvorteilhaftcn Ergebnis. Das Mißtraucn dcs Einzclncn bzgl. dcs Vcrhaltens der andercn verhindert cinc für allc optimalc Lösung. Vgl. BONUS (198OB). 1 In dcr Litcratur wcrdcn zwci charaktcristische Eigcnschaftcn reiner öffentlichcr Güter benannt, dic zu diesem Problem führcn: -Nicht rivalität im Konsum·· und 'Nichtanwcndbarkcit des Ausschlußprinzips-.VgI. MUSGRA VE, MUSGRA VE, KULLMER (1984), S. 65. 2 Vgl. dazu BUCHANAN (1965); COASE (1914). 3 Vgl. BONUS (198OB), S. 144. 4 Vgl. BONUS (I980A). 5 Hicr sollcn nur tcchnologischc cxtcrnc Effektc besprochcn wcrdcn. Vgl. dazu BUCHANAN, STUBBLEBINE (1962), S. 311 ff. Vgl. auch ENDRES (1916), S. 6 ff. Gcmcinhin wird untcrschicdcn zwischcn technologischcn cxtcrncn Effcktcn und pekuniärcn cxtcrnen Effcktcn. Pckuniärc cxterne Effektc Iicgcn immcr dann vor, wcnn cinc Frcmdaktivität übcr dic Änderung dcr Prcisrclation das Nutzcnnivcau Drittcr ändert. Solchc Effcktc sind ganz normalc Bcglcitcrschcinungcn von Anpassungsvorgängcn auf Märktcn. Pckuniärc extcrnc Effcktc stchen dcr Realisicrung cincs aIlokativcn Optimums nicht im Wegc. Vgl. zur Untcrscheidung GOETZ, BUCHANAN (1911), S. 883 - 885; vgl. dazu auch MISHAN (1911), S. 131; SOHMEN (1916), S. 221 f.; BÖSSMANN (1919), S. 96. Einc differcnzicrtcrc Untcrtcilung von extcrncn Effcktcn fmdet sich bei BONUS (198OC), S. 50 ff.; BONUS (1981), S. 153 ff. 6 WII' behandeln hicr ncgativc cxtcrnc Effcktc. Im FaIlc positiver cxtcrner Effcktc müßtcn dicse im Nutzenkalkül des Begünstigten berücksichtigt wcrdcn.

6

1. UmwellSchulZ und Ökonomie

An dieser Stelle wird deutlich, daß der Fall der externen Effekte dem Problem öffentlicher Güter sehr nahesteht. So stellt Samuelson fest: "A public good ... is simply one with the property of involving a 'consumption externality' ..."l Der einzige Unterschied ist darin zu sehen, daß beim rein öffentlichen Gut sämtlicher Nutzen den unbeteiligten Dritten zugute kommt, während dies bei externen Effekten nur für einen Teil des Nutzens gilt. Der Anteil der externen Effekte arn Gesamteffekt einer Aktivität kann sämtliche Werte zwischen Null und Eins annehmen. Man kann ihn als Indikator für das Ausmaß des Problems öffentlicher Güter ansehen, denn in dem Maße, wie externe Effekte vorliegen, driften persönliches und gesamtwirtschaftliches Kalkül auseinander, d.h. gesamtwirtschaftlich richtiges Verhalten wird aus der Sicht des Einzelnen bestraft, was ihn in das Gefangenendilemma treibt. Das rein private und das rein öffentliche Gut sind also lediglich Extrempunkte eines Güterspektrums, in dem die Externalität als das grundlegende Phänomen des Problems öffentlicher Güter mehr oder weniger stark dominiert. 2 Externe Effekte treten als externe Nutzen, den positiven externen Effekten, und als externe Nachteile, den negativen externen Effekten, auf. Bedeutung für die Beschreibung der Umweltproblematik haben in dieser Arbeit in erster Linie die negativen externen Effekte.3 1.1.3. Der Zusammenhang zwischen externen Effekten, öffentlichen Gütern und der Umweltproblematik Worin sind nun genau die Zusammenhänge zwischen externen Effekten, dem öffentlichen Charakter des Gutes Umwelt und der Umweltbelastung zu suchen? Tragen üblicherweise die Verwender eines knappen Gutes dessen Knappheitskosten durch Entrichtung des Knappheitspreises, signalisiert der Markt im Falle der Umweltqualität keinen solchen Knappheitspreis. Es ergibt sich eine Diskrepanz zwischen einzelwirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Kosten. 4 Der übliche betriebswirtschaftliche Kostenbegriff erfaßt nur Aufwandsgrößen, die gegen monetäres Entgelt erworben werden. 5 Die durch die Nutzung der Umwelt anfallenden Kosten werden vernachlässigt. Sie werden von Dritten getragen, die diese Kosten nicht verursacht haben. Eine solche Möglichkeit der Kostenabwälzung ist eine entscheidende Ursache des Umweltproblems. Der negative externe Effekt einer Aktivität wird von an-

1 SAMUELSON (1966), S. 108. 2 BONUS führt dcn Bcgriff dcs Öffcntlichkcitsgrades ein, um diesen Sachverhalt zu beschreiben. Vgl. BONUS (198OC), S. ISO ff. 3 Umweltrclevantc positivc cxtcrne Effckte trcten bcispiclsweisc in der Wald· und Forstwirtschaft auf. Vgl. dazu BONUS (1984). 4 Vgl. SIEBERT (1978), S. 19. 5 Vgl. LEIPERT (1984), S. 33.

1.1. Einbeuung der Umwellproblernatik in die ökonomische 1bcorie

7

deren bezahlt. 1 Häufig wird nun behauptet, der Grund für diese externen Kosten läge im Profitstreben der Wirtschaftssubjekte. 2 Eine solche Aussage trifft aber nicht den Kern des Problems. Denn in einer Marktwirtschaft, die auf einer individuellen Rechnungsführung der einzelnen Wirtschaftseinheiten basiert, verhält sich jedes Individuum absolut systemgerecht, wenn alle Maßnahmen der Kostensenkung genutzt werden. 3 Solange die Umweltnutzung den betreffenden Wirtschaftseinheiten nicht in Rechnung gestellt wird, werden sie auch die Umweltmedien weiterhin übermäßig, da kostenlos, in Anspruch nehmen. Solange den Unternehmen eine solche Kostenabwälzung möglich ist, wird ein funktionierender Wettbewerb allen Unternehmen eines Wirtschaftszweiges ein solches Verhalten aufzwingen. 4 Hauptverantwortlich für die heutige Umweltproblematik ist also ein "Organisationsfehler", der die Möglichkeit der Kostenabwälzung zu Lasten Dritter eröffnet, und nicht das Gewinnstreben Einzelner.5 Das Gut Umwelt ist ursprünglich ein weitgehend6 freies Gut gewesen7. Externe Effekte spielten keine Rolle. Der Wandel vom freien zum heute fast weltweit knappen Gut hat ganz konkrete entwicklungsbedingte Ursachen. Diese Ursachen waren in der Vergangenheit in den industrialisierten Ländern - und sind heute noch in den Entwicklungsländern - das anhaltend sehr hohe Bevölkerungswachstum, die damit einhergehende zunehmende Verstädterung, das Wirtschaftswachstum seit Beginn der Industrialisierung und der technisch wirtschaftliche Wandel.8 • Die Weltbevölkerungsentwicklung ist durch ein rasches exponentielles Wachstum gekennzeichnet. Nach einer Prognose auf der Basis eines mittleren Wachstums wird die Weltbevölkerung zwischen den Jahren 1975 und 2000 - von 4,1 Mrd. Menschen auf 6,35 Mrd. - um rund 55% anwachsen. 9 Mit dem schnellen Anwachsen der Erdbevölkerung einher geht eine zunehmende Verstädterung. Ändert sich der gegenwärtige 1 Die Brauerei liefert ein gutes Beispiel für die konkurrierende Nutzung von Wasser und daraus sich möglicherweise ergebender externer Effekte. Ein o\>erhalb am fluß liegendes Unternehmen verschmutzt das Wasser, welches die Brauerei umständlich und kostenaufwendig wieder aufbereiten muß, will sie es zur Bierproduktion verwenden. 2 Vgl. KAPP (1979), S. 11. 3 Vgl. HAMM (1973), S. 10. 4 Vgl. ACKERMANN u.a., (1972), S. 27. 5 Vgl. HAMM (1973), S. 10. 6 Auch früher gab es schon Umweltprobleme durch Übernutzung der Ressourcen wie beispielsweise die Verkarstung der Landschaft in Jugoslawien und Griechenland durch Abholzung der Wälder. 7 Freie Güter sind tatsächlich im Überfluß vorhanden, während rein öffentliche Güter tatsächlich knapp sind. 8 Vgl. WICKE (1982A), S. 25. 9 Vgl. GWBAL 2000 (1980), S. 39.

1. Umweltschutz und Ökonomie

8

Trend nicht, werden in Zukunft viele Großstädte, vor allem in den unterentwickelten Ländern, von fast unübersehbarer Ausdehnung und völlig überbevölkert sein.! Eine fortschreitende räumliche Zusammenballung der Bevölkerung und eine weitere Zunahme der Gesamtbevölkerung birgt die Gefahr einer immer stärkeren Beanspruchung der Umweltmedien bis zu deren globaler Überlastung in sich,2 wie sie sich heute schon in vielen Regionen abzeichnet oder schon eingetreten ist. • Neben einer Einschränkung des dem einzelnen zur Verfügung stehenden Lebensraumes geht das Anwachsen der Bevölkerung mit einer Steigerung der Produktion einher, soll das Pro-Kopf-Konsumniveau aufrechterhalten werden. 3 Eine weltweite Produktionssteigerung bedingt aber überall dort die zusätzliche Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen einschließlich der Umwelt, wo die Umwelttechnologie mit dieser Entwicklung nicht Schritt hält. • Der negative Umwelteinfluß durch das entwicklungsbedingte Wirtschaftswachstum wird regional geradezu durch einen umweltungünstigen technisch-wirtschaftlichen Wandel noch verstärkt. 4 Umweltbelastende Produktionstechniken und Konsumgewohnheiten, also Fehlanreize als Folge des oben beschriebenen mangelhaften Kostenkalküls der Wirtschaftsakteure, wirken zusätzlich über das normale Wachstum der Emissionen negativ auf die Umwelt. Die aufgezeigten Trends sind gewissermaßen für die quantitative Komponente des Umweltproblems verantwortlich. Während die entwicklungsgeschichtlich zu begründende Umwandlung der Umweltqualität in ein knappes und ihre fortdauernde Behandlung als freies Gut Ursache für das Umweltproblem in qualitativer Hinsicht ist, haben die skizzierten Entwicklungen die direkten, meßbaren Belastungen im Sinne einer Verschmutzung der Umweltmedien zur Folge. Setzen sich die Trends beim Wachstum der Bevölkerung, der Verstädterung sowie dem Wirtschaftswachstum und dem technisch wirtschaftlichen Wandel fort, ist von einer weiteren Verschärfung der Probleme auszugehen. 1.1.4. Zusammenfassung Die Ursachen des Umweltproblems können damit folgendermaßen zusammengefaßt werden. • Umweltqualität war lange Zeit ein freies, öffentliches Gut. also nicht knapp und jedem einzelnen in gleicher Menge und Güte zugänglich. Die natürlichen Reinigungskräfte der Umwelt reichten aus, um die Umweltqualität nicht zu verschlechtern. Aus diesem Grunde konnte und wurde die Umwelt zum Nulltarif genutzt. 1 Vgl. EBENDA, S. 33. 2 Vgl. WICKE (1982A), S. 33. 3 Vgl. FREY (1985), S. 42. 4 ID deD WestlichCD iDdustrialisicrteD Ländcrn ist allerdings eine HiDwendung zu einer umweltfreundlichen Teclmologic zu beobachtcD.

1.2. Ökonomische Folgen der FchlallokaLion

9

• Als Folge einer - in der Vergangenheit - wachsenden Bevölkerung, einer damit einhergehenden Verstädterung und der industriellen Entwicklung sowie eines daraus resultierenden zunehmenden Wohlstands stieg in der Vergangenheit die Nutzung der Umweltmedien, vor allem zur Aufnahme industrieller Schadstoffe, dramatisch an, bis schließlich deren Reinigungskapazitäten überlastet waren und eine stetige Verschlechterung der Umweltqualität einsetzte. In vielen weniger entwickelten Ländern insbesondere in Lateinamerika und Afrika hält dieser Trend an. • Obwohl die Umwelt also heute ein knappes Gut ist, dessen Verwendung Knappheitskosten verursacht, besteht für die Nutzer der Umwelt weiterhin kein Zwang, diese Kosten zu berücksichtigen. Die bei öffentlichen Gütern für die Individuen auftretende Konfliktsituation, die in der Literatur als Gefangenendilemma diskutiert wird, hat zur Folge, daß die Individuen ihre Präferenzen nicht offenlegen und somit auch die wirklich anfallenden Kosten nicht tragen bzw. die Bereitstellung eines volkswirtschaftlich nicht effizienten Güterangebots bewirken. • Diese Kosten, externe Effekte, erscheinen also nicht im Kostenkalkül der Wirtschaftsakteure, da es keinen Marktpreis gibt, der diesen Kosten entspricht. 1 In der individuellen Kalkulation der Wirtschaftssubjekte fehlen die Umweltnutzungskosten. Es entsteht eine Wirtschaft der "unbezahlten Kosten".2 Diese werden nicht von den Verursachern sondern der Allgemeinheit getragen. Daher spricht man auch von sozialen Zusatzkosten. • Die Abwälzung der aus der Umweltnutzung resultierenden Kosten auf die Allgemeinheit führt zu einem verschwenderischen Umgang mit der Umwelt. Diese wird nicht, ihrer tatsächlichen Knappheit entsprechend, nur in den jeweils vorteilhaftesten Verwendungen eingesetzt, sondern, weil umsonst, überall dort, wo sich dadurch Kosten senken lassen. Es findet also kein Kosten-Nutzen-Kalkül beim Einsatz des Faktors Umwelt statt, was schließlich zu dessen Fehlallokation führt. l.l. Ökonomische Folgen der Fehlallokation

Die Fehlallokation der Ressource "Umwelt" führt zu einer volkswirtschaftlich nicht effizienten Güterproduktion. Die Kosten für die Vermeidung von Umweltschäden Mirden in vielen Fällen geringer sein als die durch die Umweltbelastung entstehenden Schäden. Bei einer optimalen Allokation des Faktors Umwelt könnte die Güterproduktion insge1 Externe Effekte beeinträchtigen die Qualität des öffentlichen Gutes Umwelt im Falle der übcrnutzung oder der konkurrierenden Nutzung. Das erfordert entweder eine -Neu-Produktion" des Gutes Umwelt, was Kosten verursacht, oder die externen Effekte werden von vornherein vermieden, wodurch dann die Qualität des öffentlichen Gutes nicht beeinträchtigt wird. Auch dabei entstehen Kosten. In beiden Fällen IwIdelt es sich um zwei Seiten derselben Medaille. Der Unterschied liegt lediglich im Zeitpunkt: Im ersten Fall handelt es sich gewissermaßen um nachträgliche Reparaturkosten, im zweiten um VorsorgekostCD.

2 Vgl. SCHÜRMANN (1973), S. 148.

10

1. Umweltschutz und Ökonomie

samt billiger erfolgen. Umweltressourcen würden dann eben nur dort eingesetzt, wo die Kosten zur Vermeidung oder Beseitigung von Umweltschäden hoch sind. Wie oben bereits erläutert wurde, resultiert die Fehlallokation der Umweltressourcen aus dem kostenminimierenden Verhalten der Wirtschaftsakteure, das ihnen in einer Wettbewerbswirtschaft durch das Gefangenendilemma aufgezwungen wird. Jeder ist bestrebt, sich der unerwünschten Abfallstoffe der Produktion auf möglichst kostensparende Weise zu entledigen 1, was dann eben zu einem einzelwirtschaftlich kostenlosen Verzehr von Umweltqualität führt. Die Kosten der Schadstoffemissionen werden der Allgemeinheit angelastet. Das individuelle Kalkül der Unternehmen bleibt davon unberührt. Diese fehlerhafte Kostenzurechnung führt dazu, daß Güter, deren Produktion die Inanspruchnahme von Umweltmedien erfordern, relativ zu billig angeboten werden, der Verbrauch dieser Güter also faktisch von der Allgemeinheit subventioniert wird. Das bedeutet wiederum, daß gerade diejenigen Güter, bei deren Produktion es zu Umweltschäden in Form von Emissionen kommt, im Verhältnis zu umweltschonend produzierten Gütern zu reichlich produziert werden. 2 Je umweltintensiver ein Produkt erstellt wird, desto höher ist der "Subventionsanteil" und desto mehr übersteigt daher die tatsächliche Produktion die volkswirtschaftlich wünschenswerte Produktion. Die Fehlallokation der Ressource Umwelt führt also zu einer, den gesamtwirtschaftlichen Bedürfnissen nicht entsprechenden Güterproduktion. Da für diese Güterproduktion auch andere Produktionsfaktoren wie' Arbeit und Kapital eingesetzt werden, kommt es somit auch zu einer Fehlallokation dieser Faktoren. 1.3. Grundlegende Ansätze zur Lösung der Umweltproblematik Um die Umweltverschmutzung zurückzuführen, sind die negativen externen Effekte des Konsums und der Produktion in den Marktpreis zu integrieren, damit Produzenten und Konsumenten die tatsächlichen Kosten ihrer Aktivitäten in ihr ökonomisches Kalkül mit einbeziehen.3 Dabei lassen sich zwei grundlegende Ansätze unterscheiden4, die verschiedene Ziele anstreben. Der erste Ansatz verfolgt eine pareto-optimale InternalisierunK externer Effekte, der zweite Ansatz hingegen sieht die Definition ökoloKischer Nebenbedin~nKen vor, die von den Wirtschaftsakteuren einzuhalten sind.

1 Vgl. THOSS (1972), S. 22. 2 Vgl. ACKERMANN u.a. (1972), S. 30. 3 Vgl. BONUS (1976), S. 212 r. 4 Vgl. BONUS (1977), S. 17 r.

1.3. Grundlegende Ansätze

ZW'

11

LöslDlg des Umweltproblems

1.3.1. Ansatz 1: Die Internalisierung externer EtTekte

Nach diesem ersten Ansatz muß der Marktpreis die gesellschaftlichen Kosten eines marginalen externen Effektes widerspiegeln: Die umweltbelastende Produktion und der umweltbelastende Konsum würden - weil teurer - auf ein pareto-optimales Niveau zurückgehen. 1 Die Konsequenzen dieses Ansatzes können an Abbildung lA und IB verdeutlicht werden.

GSK

~-----x~·~·~~~~x~·--------·x

(Abbildung lA)

________

~

~

GVK

________-+UB

(Abbildung 18)

PGK: Private Grenzkostender Produktion; VGK: Volkswinschaftliche Grenzkostender Produktion; N: Nachfrage; X: Produzierte Menge UB: Umweltbelastung; Q: Umweltqualitätsstandard (ökologische Nebenbedingung)

~

In Abb. lA erfolgt die Güterproduktion entsprechend dem privatwirtschaftlichen Kalkül im Schnittpunkt der privaten Grenzkostenkurve PGK und der Nachfragekurve N und erreicht dementsprechend die Menge X·. Es entstehen allerdings negative externe Effekte, die zusätzliche soziale Kosten verursachen. Die Addition dieser sozialen Zusatzkosten zu den privaten Grenzkosten ergibt die tatsächlich anfallenden volkswirtschaftlichen Grenzkosten VGK. Der Schnittpunkt dieser Kurve mit der Nachfragekurve kennzeichnet die volkswirtschaftlich richtige Güterproduktion X··. Es werden also Güter der Menge (X·-X··) zuviel produziert und in entsprechendem Maße Produktionsfaktoren einer falschen Verwendung zugeführt.

In X·· ist ein pareto-optimales Niveau der Güterproduktion erreicht.2 Übertragen auf die Umweltproblematik ist das pareto-optimale Niveau der Umweltbelastung dann erreicht, wenn die ma[&inalen Schäden der Umweltbelastung gleich den marKinalen Kosten der Vermeidung von Umweltbelastungen sind. Abb. IB veranschau1 Vgl. zum Pareto-Optimum SOHMEN (1976), S. 30 ff. 2 Die Abbildung läßt sich analog auf den Konsum übertragen.

12

1. Umweltschutz und Ökonomie

licht diesen Zusammenhang. Die pareto-optimale Umweltqualität Qopt ist im Schnittpunkt der Grenzschadenskurve GSK und der Grenzvermeidungskostenkurve GVK erreicht. l Gegen diesen Ansatz lassen sich nun einige schwerwiegende Einwände vorbringen: • Zunächst einmal bestehen gravierende Probleme bei der Ermittlung und monetären Bewertung der marginalen Umweltschäden und damit bei der Bestimmung des pareto-optimalen Umweltqualitätsniveaus. 2 • Grundsätzlicher läßt sich einwenden, daß die in die Bewertung der Umweltschäden einfließenden Präferenzen der Wirtschaftssubjekte, die ein Abwägen zwischen Umweltqualität und der Verfügbarkeit von Konsumartikeln implizieren, die Notwendigkeit der Erhaltung des Ökolo~jschen Gleich~ewichts ungenügend berücksichtigen. Wird der Umfang des zu leistenden Umweltschutzes allein von den Präferenzen der Individuen abhängig gemacht, dann ist nicht gewährleistet, daß ausreichend getan wird, um das Ökologische Gleichgewicht zu erhalten. 3 • Verschärft wird diese Problematik dadurch, daß die Menschen dazu neigen, Öffentlichen Gütern, die im begrenzten räumlichen Umfeld der Betroffenen von Nutzen sind, eine vergleichsweise hÖhere Wertschätzung beizumessen als globalen Öffentlichen Gütem. 4 Für globale Auswirkungen der Umweltverschmutzung wird damit eine zu geringe Zahlungsbereitschaft vorhanden sein. Der Grund kÖnnte darin liegen, daß man von den einzelnen Wirtschaftssubjekten nicht erwarten kann, sich vollständig über ein so komplexes System, wie es der Naturhaushalt und dessen Ökologisches Gleichgewicht darstellt, zu informieren, um beurteilen zu kÖnnen, welches Maß an Leistungen erforderlich ist, um sein Funktionieren zu garantieren. • Weiterhin tendieren die Wirtschaftssubjekte dazu. Aktivitäten, die zeitlich näher liegen, höher zu bewerten als zeitlich ferner gelegene. 5 Umweltschutz ist aber gerade eine Aufgabe, die ihren Zweck auch in der Sicherung der Lebensgrundlage zukünftiger Generationen hat. Diese Präferenzen werden in der Bewertung der marginalen Schäden nicht berücksichtigt, so daß die Gefahr besteht, daß durch ein heute zu hohes Niveau der Umweltverschmutzung irreversible Fakten für die Zukunft geschaffen werden.6 1 Die GreDZSChadenskurve läßt sich auch als Nachfragekurve nach Umweltverbcsserung interpretieren, die GreazvermeidllJl8$kostenkurve als Angebotskurve für U mwe!tverbcsseruDgen. 2 VgI. zur Problematik der Messung sozialer Kosten END RES (1981/82); vgl. auch BONUS (1974), S. 159. 3 VgI. BONUS (1972), S. 343. 4 VgI. SIEBERT (1973), S. 108. 5 VgI. PIGOU (1932), S. 24 ff. Pigou spricht von einer "defekten teleskopischen Kapazität"" der Menschen. VgI. auch ENDRES (1976), S. 185. 6 VgI. ENDRES (1976), S. 185.

1.3. Grundlegende Ansätze zur Lösung des Umweltproblems

13

• Schließlich stellt sich darüber hinaus die Frage, ob es unter sozialen Gesichtspunkten gerechtfertigt ist, daß das Ausmaß des Umweltschutzes vollständig von der individuellen Wertschätzung abhängt. Die individuelle Wertschätzung äußert sich auf einem Markt in der Bereitschaft, durch die Zahlung eines Preises für die Inanspruchnahme eines Gutes Verzicht auf alternative Verwendungsmöglichkeiten zu leisten. Damit hängt die Wertschätzung eines Gutes aber von der gegebenen Kaufkraftverteilung ab. Dadurch besteht nun aber die Gefahr, daß z.B. in industriell intensiv genutzten Gebieten, in denen die Opportunitätskosten für die Einschränkung der umweltverschmutzenden Aktivität z.B. aufgrund günstiger Standortbedingungen besonders hoch sind, die Kaufkraft nicht ausreicht, um den Bewohnern dieser Gebiete ein Maß an Umweltschutz zu sichern, das dem gerade dort besonders gefährdeten ökologischen Gleichgewicht Rechnung trägt. 1 Aus all diesen Einwänden folgt, daß Umweltschutz zunächst auf die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts zielen muß. Die von externen Effekten beeinträchtigte Umweltqualität wird zum meritorischen Gut. 2 Die Knappheit der zur Verfügung stehenden Umweltgüter bildet in einem solchen Ansatz eine Restriktion, die der Wirtschaftsprozeß stets einhalten muß. Solche Restriktion sieht der zweite Ansatz vor. 1.3.2. Ansatz 2: Ökologische Rahmenwerte Der zweite Ansatz stellt eine Erweiterung des ersten Ansatzes dar. Er sieht die politische Festlegung eines Umweltqualitätsniveaus vor, das durchschnittlich nicht unter schritten werden darf. Dieses Umweltqualitätsniveau erscheint in Form zusätzlicher Nebenbedingungen, aus denen Schattenpreise für die Nutzung der Umweltressourcen folgen, im ökonomischen Kalkül der Wirtschaftsakteure: Umweltressourcen müssen zu Schattenpreisen bewertet und das Produkt ins Kostenkalkül einbezogen werden. 3

1 VgI. BONUS (1976), S. 418 f. 2 Vgl. ENDRES (1976), S. ISS. 3 Analytisch ist das durchgerechnet in BONUS (1972), S. 344 ff.

1. Umwellschutz und Ökonomie

14

DM GVK

p.t-----~Io..

~--------~--------.UB O' (Abbildung lC)

In Abb. lC kann nicht mehr mit Grenzschadenskurven gearbeitet werden. Es wird jetzt der mit den Nebenbedingungen angestrebte ökologische Rahmenwert Q* (Umweltqualitätsniveau) als Höchstwert eingetragen. Im Schnittpunkt mit der GVK-Kurve stellt sich dann der Schattenpreis p* der Umweltnutzung Q* ein. Der ~ Ansatz stellt insofern nur eine Erweiterung des ersten Ansatzes dar, als alle Maßnahmen, die ~ die Erfüllung der Mindestanforderungen hinausgehen, prinzipiell weiterhin an den Präferenzen der Individuen ausgerichtet sein sollten. Wenn von den Individuen also mehr Umweltqualität gewünscht wird als durch die ökologischen Nebenbedingungen als Mindestwert fixiert ist, sind die Bedingungen von Ansatz 1 bindend. 1 Generell impliziert Ansatz 2 also folgende Bedingungen: • Wenn die ökologischen Rahmenwerte nicht oder gerade eingehalten werden, gilt An: wu: die Einhaltung dieser Werte hat Priorität; • wenn die ökologischen Rahmenwerte nicht nur erreicht, sondern übererfüllt werden, binden die ökologischen Nebenbedingungen nicht mehr. Jetzt gilt wieder Ansatz 1: Es geht um die Internalisierung der externen Effekte.

1 Bei der Diskussion der Zertifikalelösung an spälerer Sielle der Arbeil wird deswegen für eine Beleiligung von Nichtemiltenlen am Markl für Zerlifikale plädiert, da für diese so die Möglichkeil besteht, gemäß ihren Präferenzen durch den Kauf von ZertifIkaien die Umwellqualiläl über ein durch das freie Zertifikatekonlingenl hinausgehendes Maß zu reduzieren. Vgl. dazu auch Gp. 4.3.5.

15

1.3. Grundlegende Ansätze zur LOsung des Umweltproblems

Abb. ID und lE veranschaulichen die Aussagen:

GVK

GSK

GSK

GVK

P·~---"t....

~Pt~--------~~

~----~~--~--------+UB

(Abbildung 10)

~

__________

~

__

~

____+UB

(Abbildung lE)

In Abb. 10 ist Qopt der "pareto-optimale Wert", im uozulässiKen Bereich. Ein effizientes Ergebnis stellt sich jetzt ein, wenn in Q* die Umweltressourcen zu Schauenpreisen p* bewertet werden (Ansatz 2).1

In Abbildung lE dagegen binden die ökologischen Nebenbedingungen nicht mehr - ihr Schauenpreis ist Null. Qopt liegt im zulässigen Bereich und stellt jetzt die pareto-optimale Umweltbelastung dar (Ansatz 1). Im Laufe der Diskussion der umweltpolitischen Instrumente wird auf beide Ansätze zurückgegriffen.



1 Auch wenD wir in dieser Arbeit nur Op t als Pareto-Optimum bezeichnen, so handelt es sich bei 0 ebenfalls um ein (anderes) Pareto-OptßKum. da auch hier eine Bewertung der Umwekrcssourccn zu Schattenpreiscn erfolgt.

2. Theoretische Vorschläge zur Lösung des Umweltproblems Die Internalisierung externer Effekte Im Hinblick auf das Problem öffentlicher Güter und externer Effekte ist das zentrale Problem das Gefangenendilemma, welches dazu führt, daß das Interesse des einzelnen Akteurs vom Gesamtinteresse abweicht, ja ihm entgegengerichtet ist, so daß sich alle durch Verfolgung ihrer Einzelinteressen schaden. Um diesem Gefangenendilemma zu entkommen, bieten sich zwei prinzipiell unterschiedliche Wege an. Beim ersten Weg versucht man, die Verhältnisse dahingehend zu modifizieren, daß sich Einzelinteresse und Gesamtinteresse nicht mehr entgegenstehen. Es ist damit ein Arrangement zu treffen, bei dem jeder einzelne wiederum direkt mit den gesamtwirtschaftlichen Folgen seines Handeins konfrontiert wird. Dies würde die Internalisierung der externen Effekte seiner Aktivität bedeuten. Die zweite Alternative wäre, den Konflikt zwischen Einzel- und Gesamtinteresse zwar bestehen zu lassen, aber dafür zu sorgen, daß jeder einzelne sein Interesse dem Gesamtinteresse unterordnet. Dies geschieht, indem sich innerhalb der Gruppe "Richtlinien"1 herausbilden, welche mit dem Gesamtinteresse kompatibel sind und den einzelnen in seinem Handeln bestimmen. Werden diese Richtlinien weitgehend freiwillig befolgt, so spricht man von Solidarität innerhalb der Gruppe. 2 Ist hingegen Zwang der Grund für die Befolgung der Richtlinien - wie etwa beim Verbot oder der Anordnung einer bestimmten Handlung durch den Staat - so wird der resultierende Gesamtvorteil der Gruppe, der sich ja auch beim einzelnen niederschlägt, mit einem gewissen Maß an Unfreiheit erkauft. Wann immer es möglich erscheint, sind in Gesellschaftsordnungen wie der unseren Mechanismen zur Lösung des Problems, die auf der freien Entscheidung von Individuen beruhen, dem staatlichen Eingreifen vorzuziehen. 3 Solche freiwilligena Mechanismen finden sich bei Verfolgung des ersten Weges. Externe Effekte werden internalisiert, indem man die Verursacher der externen Effekte mit den durch sie tatsächlich verursachten Kosten belastet. Die Theorie hat für die Internalisierung externer Effekte zwei Lösungen zur Verfügung gestellt: die Pigou-Steuer und die

1 Vgl. BONUS (1978A), S. 61. 2 Dabei muß beachtet werden, daß das Gesamtinteresse der Gruppe durchaus nicht mit dem gesamtwirtschaftlichen Interesse im Einklang zu stehen braucht. Daraus können sich gravierende gesellschaftliche Probleme ergeben. Vgl. BONUS (1978A), S. SO. 3 Dies ist der Inhalt des Subsidiaritätsprinzips, das ja ein zu weites Vordringen des Staates verbindern soU. Beispiele für notwendigen Zwang bilden beispielsweise die Schulpflicht, Strafgesetze oder das Verbot

von Rauschgift.

18

2. Theoretische Vorschläge zur Lösung des

Umwcllproblcms

Verhandlungslösung im Sinne von Coase. Bevor beide Lösungen vorgestellt werden, soll kurz der Unterschied zwischen paretorelevanten und pareto-irrelevanten externen Effekten erläutert werden, da die Kenntnis dieses Unterschieds von Bedeutung für die folgenden Ausführungen ist:! Internalisiert werden lediglich die pareto-relevanten externen Effekte, während die pareto-irrelevanten externen Effekte auch im Optimum noch vorhanden sind. An einer Graphik läßt sich dieser Zusammenhang anschaulich darstellen.

DM

~----~~--~--------+x x··



(Abbildung 2)

In Abbildung 2 sind eine Nachfragekurve N für ein Gut X sowie die privaten Grenzkosten der Produktion dieses Gutes PGK eingetragen, also die Grenzkosten die am Markt angezeigt werden. Nun ist die Produktion dieses Gutes mit negativen externen Effekten verbunden, die zu sozialen Zusatzkosten führen. Die Addition von PGK und sozialen Zusatzkosten ergibt die Kurve der volkswirtschaftlichen Grenzkosten VGK. Werden diese volkswirtschaftlichen Kosten der Kalkulation zugrundegelegt, so wird statt der Menge X· die Menge X·· angeboten. Die Menge X·· gibt die volkswirtschaftlich optimale Menge wieder. Wie man sofort erkennt, verbleiben im Optimum pareto-irrelevante externe Effekte in Höhe der Fläche ABC. Sollen auch diese pareto-irrelevanten externen Effekte verschwinden, müßte die Produktion ganz eingestellt werden. Das würde aber zu volkswirtschaftlichen Nachteilen führen, da die Nachfrage nach X, in der sich der aus X erwachsende Nutzen spiegelt, links von X·· größer ist als die entstehenden volkswirtschaftlichen Kosten, der Nettoeffekt des Angebots von X also bis hierhin positiv ist. Rechts von X·· dagegen kommt es durch das Angebot von X zu Nettoverlusten, zu pareto-relevanten externen Effekten in Höhe der Differenz (VGK - N). Ausge-

1 VgJ. dazu auch BUCHANAN, STUBBLEBINE (1962); RANDALL (1972).

2.1. Die Lösung nach Coasc

19

hend von X· bestehen also pareto-relevante externe Effekte in Höhe der Fläche des Dreiecks ADE sowie pareto-irrelevante externe Effekte in Höhe der Fläche des Dreiecks ABC. 2.1. Die Lösung nach Coase Wie COASE gezeigt hat, ist es prinzipiell möglich, externe Effekte durch Verhandlungen zwischen den Beteiligten zu internalisieren und so eine optimale Allokation der Faktoren zu erreichen. l Hier handelt es sich um eine freiwillige Internalisierung. Der Marktprozeß wird um Verhandlungen erweitert. Die Aufgabe des Staates beschränkt sich auf die Festlegung der Rahmenbedingungen, unter denen die Verhandlungen stattfinden sollen. Fehlen solche Rahmenbedingungen, ist es nach COASE zunächst einmal ungewiß, wer denn nun für etwaig auftretende externe Effekte verantwortlich zu machen ist. Nach COASE sind externe Effekte stets reziproker Natur: Den Kosten, die dem einen Beteiligten durch Annahme eines externen Effektes entstehen, stehen die Kosten der Gegenpartei gegenüber, die bei einer Reduktion des externen Effektes entstehen. Die Beteiligten sind gemeinsam für die Verknappung der von ihnen gewünschten Ressource und damit für das Entstehen des ("pareto-relevanten") externen Effektes verantwortlich. Der physikalische Verursacher ist also nicht unbedingt für den ökonomischen Schaden verantwortlich zu machen. Anders betrachtet ließe sich auch argumentieren, daß der physikalische Schädiger, will man seine schädigende Tätigkeit vermeiden, selbst zum wirtschaftlich Geschädigten wird, da er Produktions- bzw. Absatzeinbußen oder Konsumeinbußen hinnehmen muß. 2 Folgt man dieser Argumentation, so ist es zunächst einmal völlig korrekt, daß allen Beteiligten die Kosten der aufgetretenen externen Effekte in Rechnung gestellt werden. 3 Die Verteilung der Kosten ist dann Aufgabe der Verhandlungen. Der Staat braucht nicht zu intervenieren. Ihm obliegt es, eindeutige Rechtspositionen festzulegen, die den Beteiligten eine effiziente Verteilung dieser Rechte über den Weg von Verhandlungen ermöglichen. 4 Die Ausgestaltung dieser Rechtspositionen bietet jetzt verschiedene Möglichkeiten. 1 Vgl. COASE (1960). Eine mathematische AbleitUDg des Coase·Theorems findet sich bei GIFFORD, STONE (1972). 2 Vgl. COASE (1960), S. 148. 3 Vgl. BONUS (1986), S. 452. BONUS legt diese BetrachtUDg einer Diskussion des Verursacherprinzips

zugrunde.

4 Vgl. COASE (1960), S. 156. Solche Rechtspositionen werden in der Literatur mit dem Stichwort 'Propeny Rights' diskutiert. In der deutschen Sprache spricht man von Verfiigungsrechten. Darunter versteht man das Recht, über die VerwendUDg von zur Verfügung stehenden Ressourccn individuell entscheiden zu dürfen. Gäbe es exklusive Verfügungsrechte an allen Ressourccn, dann würden externe Effekte automatisch, d.h. über den Markt internalisiert. Das Problem öffentlicher Güter würde nicht existieren. Vgl. dazu SCHÜLLER (1983), S. 30; ESCHENBURG (1979), S. 10 ff.

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2. Theoretische Vorschläge zur Lösung des Umwellproblcms

Aus Gründen der Veranschaulichung wird hier, bezogen auf die Umweltproblematik, von einem Schädiger und einem Geschädigten gesprochen. 1 Zum einen kann es dem Schädiger erlaubt sein, die Umwelt in Anspruch zu nehmen, so daß ihm de facto ein Verschmutzungsrecht gewährt wird. In dieser Situation, die als Laissez-Faire-Ree;el bezeichnet wird, wird der Schädiger ab einer bestimmten Kompensationszahlung interessiert sein, dieses Recht wenigstens teilweise zu veräußern. 2 Steht der Gesetzgeber hingegen auf dem Standpunkt der unbedingten Umwelterhaltung, so überläßt er dem Geschädigten das Nu~ngsrecht. In diesem als Haftune;sree;el bezeichneten Modell ist es Aufgabe des Schädigers, für seine Umweltinanspruchnahme Zahlungen zu leisten.3 Zwischen diesen bei den Extremen sind beliebig viele gemischte Regelungen denkbar,4 bei denen der Staat dem Schädiger zunächst ein konkretes, höchstzulässiges Maß an Umweltnutzung zubilligt. Bei einer solchen gesetzlichen Mittellösung wird also ein bestimmtes Ausmaß schädigender Umwelteinflüße festgelegt, sofern sich Verursacher und Betroffene nicht auf ein anderes Ausmaß einigen. Je nachdem, ob eine Über- oder Unterschreitung dieser Norm von den Betroffenen gewünscht wird, tritt der erste oder zweite Fall in Kraft. 5 Entscheidend ist aber, daß sich bei Vernachlässigung von Transaktionskosten, unabhängig von der personellen Verteilung der Verfügungsrechte, eine allokationsoptimale Umweltnutzung einstellt. 6 Die Verteilung der Verfügungsreche hat also keinen Einfluß auf die Erreichung ~ optimalen Allokation, es ergeben sich aber für unterschiedliche Verteilungen unterschiedliche Optima? Dieses Ergebnis soll für verschiedene Verhandlungssituationen näher erläutert werden. 1.1.1. Unterschiedliche Varianten Zunächst wird der sogenannte Laissez-Faire-Fall vorgestellt. Ausgangspunkt der Betrachtung soll wie bei Coase der Zwei-Personen-Fall sein. 8 Ein Unternehmen (A) besitzt ein Recht auf Umweltnutzung, das bei Inanspruchnahme zu Kosten bei einem Unternehmen (B) führt. Um diese externen Kosten abzubauen, wird Unternehmen B versuchen, die Umweltinanspruchnahme des A einzuschränken, indem es Kompensations1 Eine geDaue Definition bleibt Sache der Rechtsposilion bzw. der Rechlsprechung. 2 VgI. KARL (1986), S. 36. 3 VgI. KARL (1986), S. 36. 4 VgI. dazu DAVIS, WINSTON (1962), S.124 ff.; ENDRES (1977), S. 638 KNAPPE (1974), S. 42, 77.

5 VgI. KNAPPE (1974), S. 42. 6 Vgl. COASE (1960), S. 156, 158. 7 VgI. COASE (1960). Bei Vernachlässigung von Transaktionskosten komml es in allen Fällen zu einer pareto-optimalen Intemalisierung der extemen Effekte, allerdings handelt es sich um verschiedene Oplima, weil eine unterschiedliche Gestaltung der Verfügungsrechte eine unterschiedliche Ausgangsverteilung impli2iert. Vgl. MISHAN (1971A). 8 VgI. COASE (1960), S. 154.

2.1. Die Lösung nach Coasc

21

zahlungen an A bis zur Höhe der externen Grenzkosten, die durch die Umweltverschmutzung des A verursacht werden, leistet. A hingegen ist zur Schadstoffbeseitigung bereit, solange die ihm für eine Schadstoffeinheit zukommenden Zahlungen die marginalen Beseitigungskosten pro Einheit übersteigen. 1 In einem iterativ zustandekommenden Verhandlungsergebnis zeigt sich, daß zumindest theoretisch eine optimale Umweltnutzung auch ohne staatliche Eingriffe erreicht werden kann. 2 Den genau entgegengesetzten Fall stellt die Haftunisreiel dar. Diese Variante ist durch eine umgekehrte Rechtstitelverteilung gekennzeichnet. Unternehmer (A) ist jetzt Verursacher einer bestimmten Schädigung. Das Recht auf Umweltnutzung muß er erst noch erwerben.3 Es bieten sich dann mehrere Möglichkeiten für ihn an. Er kann den umweltbeeinträchtigenden Produktionssektor seines Betriebes stillegen, soweit wie wirtschaftlich machbar Vermeidungsinvestitionen durchführen oder in Verhandlungen mit dem Geschädigten (B) eintreten. 4 In jedem Fall wird er mit den externen Kosten seiner Produktion konfrontiert, deren maximale Belastung durch den oberen Punkt seiner Vermeidungsinvestition (Prohibitivpreis), der auch gleichzeitig die kritische Verhandlungsgrenze darstellt, gegeben ist. Dabei wird er so lange am Recht der Produktionsausweitung und der damit verbundenen Schadenserhöhung interessiert sein, wie ein aus der Produktionssteigerung resultierender, marginaler Gewinn die zusätzlich zu leistenden Kompensationszahlungen übersteigt.5 (B) hingegen hat so lange ein Interesse an Verhandlungen, wie die zusätzliche Entschädigungszahlung einer weiteren Schadstoffeinheit die dadurch verursachten Verluste zumindest ausgleicht. Daraus resultiert ein allokationsoptimales Verhandlungsergebnis, das zu der gleichen Produktionshöhe führt wie im Fall der Laissez-FaireLösung. Dieses Gesamtgewinnmaximum wird unter den (restriktiven) Voraussetzungen fehlender Transaktionskosten und vollständiger Konkurrenz auf Absatz- und Faktormärkten unabhängig von der Rechtstitelverteilung erreicht. 6 Als weitere Varianten kommen schließlich die bereits angesprochenen gesetzlichen Mit1 Vgl. SIEBERT (1978), S. 90. 2 Vgl. dazu COASE (1960); ENDRES (1976, 1977). Auf die Problematik des Gefangenendilemmas, das beim öffentlichen Gut Umweltverbesserung« auftritt, sowie der daraus erwachsenden Gefahren strategischen Verhaltens der Verhandlungspartner wird weiter unten noch eingegangen. Vgl. dazu auch ENDRES (1976) und die dort angegebene Literatur. 3 Vgl. ENDRES (1977), S. 638. 4 Vgl. KNAPPE (1974), S. 52. 5 Vgl. KABELITZ (1984), S. 183 f. 6 Vgl. COASE (1960), S. 2 ff.; ENDRES (1976), S. 43, 181.

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2. Theoretische Vorschläge zur Lösung des Umwellproblems

tellösungen in Betracht. Bei einer solchen Lösung billigt der Staat beispielsweise dem Unternehmen (A) ein gesetzliches Höchstmaß an Umweltnutzung zu. Falls dabei nicht zufällig das Allokationsoptimum getroffen wird, ergibt sich weiterhin ein Verhandlungsspielraum. Wird durch die gesetzliche Regelung die optimale Umweltnutzung überschritten, werden die Verhandlungspanner entsprechend der Laissez-Faire-Lösung verfahren, da wiederum der Geschädigte (B) ein Interesse an steigender Umweltqualität hat. Im umgekehrten Fall ist die Verhandlungssituation mit derjenigen der Haftungsregel identisch, da für Unternehmen (A) eine Produktionsausweitung trotz Entschädigungszahlungen gewinnbringend ist. 1 Ein solchermaßen staatlicheas Eingreifen in das marktwirtschaftliche Geschehen kann durchaus voneilhaft sein, da ein Scheitern der Verhandlungen aufgrund der Problematik des Gefangenendilemmas denkbar ist. Zudem kann der Staat durch eine Mittellösung beabsichtigen, meritorische Aspekte, wie sie in Gp. 1.3.1. angesprochen wurden, einzubringen, indem dem Geschädigten gesetzlich eine bestimmte (voneilhafte ) Ausgangsveneilung und damit Verhandlungsbasis zugeteilt wird. Der in seiner Breite eingeschränkte Verhandlungsspielraum bietet fortan aber noch die Möglichkeit, externe Effekte dezentral zu internalisieren und Umweltschutz einzelwirtschaftlich effizient zu gestalten. 2 Anband einer Graphik lassen sich die aufgezeigten Varianten veranschaulichen.

1 Vgl. KNAPPE (1976), S. 77 f. 2 Vgl. KARL (1986), S. 266.

23

2.1. Die Lösung nach Coasc

DM

DM

~----------~x~.-------+x

(Abbildung 3A)

X+-------~------~----~

(Abbildung 3B)

DM

G

T------~K+H+H+H~~----_f

(Abbildung 3C)

(Abbildung 3D)

Abb. 3A - 3D veranschaulichen die Varianten der Coase-Lösung für den Fall eines Schädigers A und eines Betroffenen B. Person A übt in Abb. 3A eine Aktivität X auf dem Niveau X· aus, das sich aus seinem privaten Optimierungskalkül bei Abwesenheit von Eigentumsrechten im Schnittpunkt seiner privaten Grenzkosten PGK und der Nachfrage NA ergibt. Diese Aktivität ist mit negativen externen Effekten verbunden, die Person B treffen. Der umgekehrte Verlauf von NB in Abb. 3B zeigt, daß es sich um negative Einwirkungen auf B handelt. Es handelt sich um Kosten, die B durch die Aktivität X der Person A entstehen. NB läßt sich auch als marginale Zahlungsbereitschaft von Person B für eine Verringerung der Aktivität X durch Person A interpretieren, während NA die marginale Zahlungsbereitschaft von A für die Ausübung der Aktivität X wiederspiegelt. Die unge-

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2. Theoretische Vorschläge zur Lösung des Umwellproblems

wünschte Nachfrage der Person B, NB' wird nun in Abb. 3C zu den privaten Grenzkosten von A hinzuaddiert und ergibt so die Kurve der volkswirtschaftlichen Grenzkosten VGK. Bei Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen Grenzkosten wird sich ein paretooptimales Aktivitätsniveau des A in Höhe von X·· ergeben. Ein Übergang von X· zu X·· ist verbunden mit Wohlfahrtsgewinnen in Höhe der Differenz (PGK - VGK) = ABC = FGI (Abb 3D). Eine weitere Verringerung wäre nicht mehr pareto-optimal und daher nicht mehr wünschenswert, da dann volkswirtschaftliche Wohlfahrtseinbußen die Folge sind. Die Zahlungsbereitschaft von A ist in diesem Fall höher als die volkswirtschaftlichen Grenzkosten VGK. Links von X·· sind daher die auftretenden externen Effekte wiederum pareto-irrelevant. Coase sagt nun, daß es für die Realisierung von X·· gleichgültig ist, wie die Eigentumsrechte unter Person A und Person B aufgeteilt sind. Die verschiedenen Varianten führen allerdings zu einer unterschiedlichen Aufteilung des Wohlfahrtsgewinnes ABC = FGI unter den beiden Beteiligten. Im L.aissez-Faire-Fall hat A das uneingeschränkte Recht zur Ausübung seiner Aktivität. B muß sich die Nichtbeeinträchtigung durch Bestechung erkaufen.

Zunächst wird B dem A anbieten, ihm dessen Verlust zu ersetzen, den dieser durch Einschränkung seiner Aktivität erleidet. B wird A dann in Höhe der Differenz von PGK und NA kompensieren müssen und ihm eine Zahlung in Höhe der Fläche ADC = FHI anbieten. A ist dann indifferent bezüglich der Aktivitätsniveaus X· und X··. Er gewinnt zwar nicht dazu, er erleidet aber auch keinen Verlust, wenn er seine Aktivität auf X·· reduziert. B dagegen gewinnt hinzu, da seine Wohlfahrtseinbußen um ABCD = GFHI zurückgehen, während er lediglich ACD = FHI zu zahlen hat. Er erhält den gesamten möglichen Wohlfahrtsgewinn (ABCD - ACD) = ABC = GFI. Die Fläche ABC hätte B noch zusätzlich einsetzen können, falls sich A nicht mit einer bloßen Kompensation seines Verlustes zufriedengegeben hätte. ABC kann daher auch als Verhandlungsmasse betrachtet werden. Muß B im Extremfall die gesamte Fläche ABCD zahlen, so hat in diesem Fall A allein den Gewinn. und B ist genauso gestellt wie zuvor. Daher erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß sich ein Verhandlungsergebnis einstellt, das irgendwo zwischen den aufgezeigten Extrernlösungen liegt. So könnte beispielsweise eine konstante Zahlung pro unterlassener Aktivitätseinheit vereinbart werden, wie sie durch T in Abb. 3A und 38 angedeutet wird. Der mögliche Wohlfahrtsgewinn ABC = GFI würde dann unter A und B aufgeteilt werden. B würde einen Gewinn in Höhe von ABE = FGK erzielen, A würde den restlichen Gewinn in Höhe von AEC = FKI erhalten. Ein Problem der Laissez-Faire-Lösung ist darin zu sehen, daß A einen Anreiz hat, schädigende Aktivitäten über das Niveau X·· hinaaus auszudehnen, um höhere Zahlungen von B zu erhalten. Im Fall der

Verursacherre~el

oder

Haftun~sre~el

hat B als Geschädigter das Recht auf

2.1. Oie Lösung nach Coase

25

seiner Seite. A muß ihm das Recht zur Ausübung seiner Aktivität im Punkt X· abkaufen. In diesem Fall müßte A eine Zahlung in Höhe der gesamten Fläche ABCD = GFHI an B leisten. Da diese Zahlung seine Zahlungsbereitschaft NA aber bei weitem übersteigt, wird A in X·· verbleiben. Hier verlangt B genau die Zahlung von AD, die A gerade noch bereit ist zu zahlen. Man ist in X·· also im Gleichgewicht.

Es wurde aber deutlich, daß unabhängig davon, welche Variante der Coase-Lösung gewählt wird, immer das Optimum X" realisiert wird. Eine gesetzliche Mittellösung würde so aussehen, daß B ein Teil der Rechte zuerkannt würde und A ebenfalls, indem der Gesetzgeber dem A die Einhaltung eines Punktes genau zwischen X· und X·· vorschreibt bzw. B so die Begrenzung seines Schadens zugesteht.

2.1.Z. Praktische Probleme 1 Auch Coase hat schon auf Probleme der praktischen Umsetzung dieser Lösung hingewiesen. Verhandlungen in der hier geschilderten Form haben das Ziel, externe Effekte allokationsoptimal zu internalisieren. Sie dienen somit nicht der Erreichung von staatlich fIXierten Umweltqualitätszielen. Ihr Zielerreichungsgrad ergibt sich im Laufe des Verhandlungsprozesses. Daraus folgt der erste Kritikpunkt an der Verhandlungslösung: Die Internalisierung der externen Effekte durch Verhandlungen erfolgt analog zur Marktkoordination anhand einer Orientierung an den Präferenzen der Wirtschaftsakteure und an ihrer Kaufkraft. Wie bereits bei der Diskussion des Pareto- Optimums als Zielvorstellung in Gp. 1.3.1. dargestellt wurde, gewährleistet eine Orientierung an den individuellen Präferenzen keine Berücksichtigung meritorischer Aspekte der Umweltproblematik. 2 Daneben erweisen sich aber auch die sehr restriktiven Annahmen in der Praxis als problematisch: Die Annahme von lediglich zwei Akteuren, von vollständiger Konkurrenz auf Absatz- und Faktormärkten und die Vernachlässigung jeglicher Transaktionskosten sind wenig realitätsnah und werden einer (breiten) Anwendung der Verhandlungslösung entgegenstehen.3 Hinzu kommen schließlich wettbewerbspolitische Einwände gegen eine Verhandlungslösung. Allgemein ist davon auszugehen, daß es eine Vielzahl von Verursachern, vor allem aber eine weitaus größere Anzahl Betroffener gibt. Bei Berücksichtigung dieser Tatsache treten sofort der Öffentlichkeitscharakter von Umweltgütern und die damit verbundenen 1 Vgl. zur .. Coase Kontroverse« CAlABRESI (1968); MUMEY (1971); O'ARGE, (1973); SCHULZE, O'ARGE (1974); RANDALL (1974); OAL Y (1974); DICK (1976); Vgl. im deutschsprachigen Raum insbesondere ENDRES (1976, 1977); WEGEHENKEL (1980). 2 Vgl. dazu u.a. ENDRES(1976),S. 185. 3 Vgl. ENDRES (1977).

26

2. Theoretische Vorschläge zur Lösung des Umweltproblems

Nachteile zutage. Es stellt sich dann nämlich wieder das zuvor schon dargestellte Gefangenendilemma und das daraus resultierende "Freifahrerproblem" ein, da durch mangelnde Ausschlußmöglichkeiten, die bei einem Gut mit Öffentlichkeitscharakter bestehen, die einzelnen Beteiligten nicht dazu veranlaßt werden, ihre wahren Präferenzen diesbezüglich aufzudecken. Im Fall der Laissez-Faire-Lösung sind es die Geschädigten, die die Position eines Trittbrettfahrers beziehen. Der einzelne steht der Tatsache gegenüber, daß er nur einen geringen Teil zur Deckung der externen Kosten beitragen kann und es ihm allein nicht gelingt, eine Vielzahl von .Verursachern zu den notwendigen Vermeidungsinvestitionen zu bewegen. Falls es ihm aber doch möglich erscheint, eine Schadensreduzierung durch Zahlungen herbeizuführen, kann er Dritte von der Nutzung dieses »Gutes« nicht ausschließen. Dadurch zwingt ihn die mangelnde Exkludierbarkeit des Gutes Umwelt ins GefangenenDilemma. 1 Trotz des gemeinsamen Interesses, mit Hilfe von Verhandlungen zur effizienten Allokation zu gelangen, bleibt es für den einzelnen ökonomisch vorteilhaft, seine Präferenzen zu verzerren und damit zur »kollektiven Unvernunft« beizutragen. Sei es Eigennutz oder mangelndes Vertrauen in die Zahlungsbereitschaft der anderen Gruppenmitglieder2, ein Scheitern von Verhandlungen ist auf jeden Fall zu befürchten. 3 Noch größer ist das Problem, wenn es sich bei den betroffenen Wirtschaftssubjekten um Haushalte handelt. Diese besitzen oftmals nur unzureichende Informationen über die tatsächliche Schädigung und die sich dadurch ergebenden Auswirkungen auf die individuelle Wohlfahrt. 4 Die zwingende Notwendigkeit eines gemeinsamen Handeins wird nicht gesehen, die Organisierbarkeit der Haushalte wird erschwert. Das Hauptproblem liegt aber in der wachsenden Gruppengröße, die diese Schwierigkeiten noch verstärkt. 5 Ein weiteres Problem stellen die in der Realität auftretenden Transaktionskosten dar. Im Zusammenhang mit der Verhandlungslösung ergeben sich Kosten für Informationsbeschaffung, Organisation, Ausführung und Kontrolle, die in der bisherigen Analyse vernachlässigt wurden. 6 Diese Transaktionskosten entstehen selbst im Zwei-Personen1 VgJ. KABELITZ (1984), S. 204. VgJ. auch Gp. 1.1.1. und die dorl angegebene Lileralur. 2 Ein solches VerhalieD wird auch unler dem Slichwor! "AssekuraDZparadoxoD« diskuliert. 3 VgJ. die ObeD angegebeDe Lileralur zur Coase KODlroverse. VgJ. auch KABELITZ (1984), S. 204. 4 Vgl. auch CANSIER (1975), S. 24. SEine Möglichkeil zur Lösung dieses Problems könnle in der Bildung kleiner regioDaier GruppeD beste· hen, (in deDeD Solidariläl eiDeD Beilrag zur Auflösung des Gefangenendilemmas leisten könnle). VgJ. BONUS (197M), S. 60 ff. Bei GelluDg der HaftuDgsregel beslehl hierfür eine größere Chance, da es sich bei deD hafteDdeD UDlemehmeD voraussichllich um kleiDere Gruppen mil eiDer efflzieDlereD OrganisalioDSStruklur handeli. 6 VgJ. CAlABRESI (1968); SCHUMANN (1984), S. 380.

2.1. Die Lösung nach Coasc

27

Fall. Schon bei der eindeutigen Rechtstitelverteilung, die als notwendige Bedingung für eine Verhandlungslösung angesehen werden muß, entstehen Kosten, die mit der Spezifizierung und der personellen Zuordnung der exklusiven Verfügungsrechte verbunden sind. 1 Allerdings sprechen die Transaktionskosten nicht grundsätzlich gegen die Verhandlungsthese, solange sie unterhalb der bei staatlicher Regulierung auftretenden Kosten liegen und die erzielbaren Kosteneinsparungen überwiegen. Könnten möglicherweise auch prohibitive Transaktionskosten vernachlässigt werden, so ist dennoch zu erwarten, daß je nach Rechtstitelverteilung unterschiedliche Transaktionskosten auftreten, die wiederum unterschiedliche Allokationsergebnisse zur Folge haben dürften. 2 In jedem Fall ergeben sich bei Aufgabe der Zwei-Personen-Prämisse weitere Transaktionskosten, die bei differenzierter Zuordnung das Allokationsergebnis unterschiedlich beeinträchtigen. Neben den Kosten, die durch den zeitlichen Aufwand der Informationsbeschaffung und -verarbeitung entstehen, resultieren Schwierigkeiten aus der Kontaktaufnahme und der gemeinsamen Entscheidungsfindung innerhalb einer Gruppe. Diese sind als Aufwandsposten ebenso zu berücksichtigen, wie die Kontroll- und Überwachungsausgaben, die die Einhaltung des Verhandlungsergebnisses gewährleisten.3 Zum Schluß sind noch möglicherweise nötige gruppeninterne Transferzahlungen zu erwähnen, die der Attraktivität der free-rider-Position entgegenwirken sollen, und ferner die bei Gültigkeit der Haftungsregel anfallenden Produktionsausfallkosten, die für den Zeitraum der laufenden Verhandlung eventuell auftreten. 4 Auf eine weitere Untersuchung, inwiefern die Rechtssituation die Transaktionskosten verringern kann, soll verzichtet werden. Statt dessen bleibt allgemein festzuhalten, daß die Existenz von Transaktionskosten zwar kein unbedingtes Veto gegen eine Verhandlungslösung darstellt, daß sie aber einer effizienten Internalisierung externer Effekte sehr im Wege steht. Weitere Schwierigkeiten bei einer praktischen Umsetzung können durch strategisches Verhalten und Drohstrategien der Akteure als ein wettbewerbspolitisches Hindernis der Verhandlungslösung auftreten. Bewußte Verfälschung der Verhandlungssituation und Drohstrategien sind für den Rechtstitelinhaber insbesondere im Laissez-Faire-Fall vorteilhaft.5 Hierbei besteht für den Schädiger ein Anreiz, seine Produktion auszudehnen, die kritische Verband1 Vgl. WEGEHENKEL (1980), S. 15. 2 Vgl. EL SHAGI (1985), S. 120. 3 Vgl. MISHAN (l97IA); VgJ. auch ESCHENBURG (1978), S. 19 f. 4 Vgl. KABELITZ (1984), S. 206. 5 VgI. MUMEY (1971), S. 718 ff.

28

2. Theoretische Vorschläge zur Lösung des Umwcllproblems

lungsgrenze des Geschädigten zu senken und damit Tatbestände zu schaffen, über die es zu verhandeln gilt. 1 Zu Lasten der Geschädigten ergibt sich infolge der verfälschten Ausgangslage ein geringerer als der optimale Gesamtgewinn und eine übermäßige Belastung der Umwelt. Dem Schädiger ein strategisches Verhalten nachzuweisen, stößt auf große Schwierigkeiten, da seine Schadensfunktion Außenstehenden nicht bekannt sein dürfte. Ein Einwand gegen Drohstrategien liegt im potentiellen Marktaustritt und etwaigen Substitutionsmöglichkeiten des Geschädigten. In dieser Situation würde auch der Schädiger seine Verhandlungsgewinne verlieren. 2 Allerdings stellt sich die Frage, ob er nicht bereit ist, dieses geringe Risiko einzugehen, da er sich auch bei Scheitern der Verhandlungen keinesfalls schlechter steht als vorher. Bei strategischem Verhalten innerhalb der Haftungsregel sind die Effizienzverluste weniger gravierend, da der Geschädigte nur die Möglichkeit besitzt, seine Schadensbewertung zu übertreiben. Selbst wenn er damit Erfolg hätte, würde wenigstens die Umweltqualität verbessert. Diese ginge zwar über den angestrebten pareto-optimalen Punkt hinaus, auf jeden Fall würden aber die Gefahren einer Verletzung des ökologischen Gleichgewichts und der irreversiblen Schädigung der Lebensgrundlagen künftiger Generationen, wie sie in Gp. 1.3.1. dargestellt wurden, verringert. 3 Gegen Verhandlungslösungen werden aber noch weitere wettbewerbspolitische Einwände vorgebracht. Um ihre Verhandlungsposition zu verbessern, könnten die Wirtschaftssubjekte sowohl im Laissez-Faire-Fall als auch innerhalb der Haftungsregel Monopolsituationen anstreben. Monopolisierungen verhindern ein gewünschtes optimales Verhandlungsergebnis, da Machtstrukturen vorliegen, die eine gleichgewichtige Verhandlungsposition vereiteln. Im Laissez-Faire-Fall, der als Schädigermonopol zu bezeichnen wäre, würde die Schadstoffrücknahme unterhalb des gewünschten Wohlfahrtsniveaus liegen, und die Geschädigten würden für den realisierten Standard einen zu hohen Preis bezahlen, da die Verhandlungsposition zu ihren Ungunsten verschoben wäre. 4 Umgekehrt verlagern sich die Machtstrukturen bei einem Monopol der Geschädigten zu deren Gunsten, so daß die Verhandlungsgewinne beinahe vollständig von ihnen abgeschöpft werden können, wobei dies gesamtwirtschaftlich ungewollt der Umwelt zugute kommt. In Monopolsituationen ergeben sich somit ähnliche Effizienzmängel wie bei Drohstrategien, die u.U. bei langfristiger Betrachtung mit Hilfe von Substitutionsmaß-

1 Vgl. CANSIER (1981), S. 184.

2 Vgl. WEGEHENKEL (1980), S. 71. 3 VgI. ENDRES (1977), S. 647 f. Vgl. auch Gp. 1.3.1. und Abb. 10.

4 VgI. KARL (1986), S. 251

r.

2.2. Die Pigou-Lösung

29

nahmen entschärft werden könnten. 1 Eine ausführliche Durchleuchtung speziell dieses Problembereichs oder weiterer wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen 2 soll in dieser Arbeit unterbleiben. • Zusammenfassend kann konstatiert werden, daß der Verhandlungsansatz zwar wichtige Impulse für marktkonforme Lösungen liefert, weil er einen guten Einblick in die Probleme der Behandlung externer Effekte erlaubt3, gleichzeitig aber Probleme mit sich bringt, die bei praktischer Anwendung die pareto-optimale Internalisierung der externen Effekte erschweren bzw. unmöglicn machen oder sogar verbieten. Mag von Fall zu Fall eine Verhandlungs lösung durchaus in Betracht gezogen werden, so muß die Praktikabilität dieses Instrumentes insgesamt kritisch beurteilt werden. 102. Die Pigou·Lösung Pigou hat bereits in seinem Werk 'The Economics of Welfare, London 1920, festgestellt, daß die wirtschaftlichen Akteure in einem unkorrigierten Marktsystem lediglich private Kosten berücksichtigen, private Kosten aber häufig von den sozialen Kosten abweichen. Um nun zu einer richtigen Kostenanlastung zu kommen, schlug Pigou vor, den Akteuren eine Steuer in Höhe des Differenzbetrages zwischen privaten und sozialen Kosten aufzuerlegen und so die externen Kosten zu internen Kosten zu machen. 4 Die Grundlagen der Internalisierung externer Effekte sind bereits oben eingehend dargelegt worden und werden deshalb hier nur verkürzt wiedergegeben. Der Öffentlichkeitscharakter des Gutes Umwelt führt infolge zu niedriger Marktpreise zu Fehlallokationen. Die Wirtschaftsakteure werden aufgrund fehlender oder zu niedriger Umweltnutzungskosten nicht mit den vollen Grenzkosten ihrer ökonomischen Aktivität konfrontiert. Aufgabe der Pigou-Steuer ist es, diesen Zustand zu korrigieren. 5 Der richtige Steuersatz ergibt sich dabei aus der Differenz der volkswirtschaftlichen und der privatwirtschaftlichen Grenzkosten, die in der Situation pareto-optimaler Internalisierung der externen Effekte (Ansatz 1) entstehen.6 7 1 Vgl. KARL (1986), S. 239 ff. 2 Vgl. EBENDA, S. 248 ff. 3 Vgl. RANDALL (1974), S. 52 f.; ENDRES (19n), S. 648 f. 4 Vgl. ENDRES (1986), S. 497 f. 5 Vgl. BONUS (1975), S. 541. 6 Vgl. ENDRES (1986), S. 408. Eine Pigou-Steuer, die das Ziel von Ansatz 2 in Gp. 1.3.2., die Einhaltung eines bestimmten Umweltqualitätsstandards anstrebt, würde einer Steuer entsprechen, wie sie der Standard-Preis Ansatz von BAUMOL und OATES vorschlägt. Solche Umweltqualitätsabgaben werden weiter unten noch eingehend diskutiert. Vgl. BAUMOl., OATES (1971). 7 Von Bedeutung dabei ist, daß eine Kompensation der Geschädigten aus dem Steueraufkommen unterbleibt, weil eine solche Entschädigung eine möglicherweise kostengünstigere Lösung des Umweltproblems, nämlich eine Schadensausweichung seitens der Geschädigten, verhindern köunte. Vgl. BAUMOL (1m), S. 309 ff.; BONUS (1974), S. 157 f. Eine Kompensation wirft außerdem wieder das Problem des strategischen Verhaltens der Geschädigten auf, da diese ihren Schaden übertrieben darsteUen werden,

30

2. Theoretische Vorschläge zur Lösung des Umwcllproblcms

Die Pigou-Steuer zwingt die Akteure, den Faktor Umwelt mit in ihre Kalkulation einzubeziehen und die Nachfrage nach Umweltressourcen einzuschränken. Das Ergebnis ist eine pareto-optimale Allokation der Ressourcen. l Folgende Graphik veranschaulicht die Lösung.

DM

·~----~---------------.UB

(Abbildung 4A)

(Abbildung 48)

Abbildung 4A veranschaulicht allgemein die Auswirkung der Internalisierung negativer externer Effekte auf den Output X, während Abbildung 4B speziell auf die Umweltproblematik eingeht. Zunächst wird in Abb. 4A X· angeboten, wobei wiederum (pareto-relevante) negative externe Effekte entstehen. Eine Pigou-Steuer in Höhe von t = AB wird nun erhoben und führt dazu, daß jetzt mit den volkswirtschaftlich richtigen Kosten kalkuliert wird und reduziert wird. Ein großes Problem dabei ist, den Steuersatz t ex die Menge auf ante festzulegen, da das Optimum nicht bekannt ist, aber nur dieser Steuersatz der einzig richtige ist. 2

X··

um möglichst hohe Kompensationszahlungen zu erhalten. Die Zahlung darf also nur einseitig vom Verursacher an den Staat erfolgen. 1 Die Möglichkeit der Überwälzung der gestiegenen Kosten auf den Produktpreis ist erwünscht. Letztlich ist der Endverbraucher das letzte Glied der Verursacherkette. Der höhere Produktpreis führt zu einer gewollten Nachfrageverringerung bzw. zu einer Nachfragesubstitution umweltbelastend hergestellter Produkte durch andere weniger umweltbclastend hergestellte Güter. Die durch externe Kostenbestandteile verzerrte Preisstruktur wird so wieder entzerrt. Endres hat darauf hingewiesen, daß langfristig eine Optimalität nur bei konstanten externen Grenzkosten in Abhängigkeit von der Emissionsmenge gewährleistet ist. Vgl. ENDRES (1985), S. 28 f. Bei steigenden externen Grenzkosten werden zuviel Steuern, bei sinkenden zu wenig eingezogen. 2 Wird der Steuersatz AB = t für die gesamte Menge X·· erhoben, ist das Steueraufkommen insgesamt um die Fläche ABC zu hoch, wenn von einem steigenden Verlauf der marginalen volRwirtschaftlichen Kosten ausgegangen wird. Die Belastung der Emittenten ist zu hoch, die Menge X wird unterschritten und ist damit suboptimal. Nur im FaD einer völlig elastischen VGK-Kurve wäre t = AB der riwtige Steuersatz für die gesamte Menge, in allen anderen FäDen ist für jede Einheit X bis zur Menge X ein

2.2. Die Pigou-Lösung

31

Abb. 4B veranschaulicht die Wirkungen der Pigou-Steuer im Falle der Umweltbelastung. Die optimale Umweltbelastung VB ist im Punkt Q realisiert, der sich aus dem Schnittpunkt der Grenzschadenskurve GSK mit der Grenzvermeidungskostenkurve GVK ergibt. 1 Ähnlich wie der Coase-Lösung stehen auch der praktischen Anwendung der PigouSteuer einige gravierende Probleme entgegen. Grundsätzlich erscheint zunächst eine monetäre QuantiflZierung der Umweltschäden äußerst problematisch. Erschwert wird dieses Problem dadurch, daß nicht die aktuellen Grenzschäden ermittelt werden müßten, sondern die im angestrebten Optimum vermuteten Grenzschäden. Dieses Optimum wiederum wird mit dem Konjunkturverlauf schwanken, die Grenzschäden werden im Wachstum systematisch steigen, inflationäre Veränderungen müßten berücksichtigt werden. Die optimale Steuerhöhe wäre permanenten Änderungen unterworfen. Außerdem würde nur ein vollkommen elastischer Verlauf der Grenzschadenskurve einem fixen Steuersatz entsprechen. In Fällen steigender oder sinkender Grenzschadenskosten müßten die Steuern entsprechend differenziert erhoben werden, da sonst die Belastung der Betroffenen und damit dann auch die Emissionsvermeidungsmaßnahmen zu hoch oder zu gering ausfallen würden, das Optimum also verfehlt würde. 2 Gravierender sind allerdings auch hier die in Gp 1.3.1. vorgetragenen grundSätzlichen Einwände gegen eine pareto-optimale Internalisierung externer Effekte. Geht es darum. einen aus Gründen des ökologischen Gleichgewichts notwendigen Umweltqualitätsstandard zu garantieren, sind Pigou-Steuern nicht zuletzt auch aus den gerade genannten Gründen ungeeignet: Die Steuer müßte ständig dem sich wandelnden Wirtschaftsgeschehen angepaßt werden. Sie müßte dann beispielsweise im Wachstum erhöht und in der Rezession gesenkt werden. 3 • Aus diesen Gründen kommt eine Pigou-Steuer zur Lösung der Umweltproblematik praktisch nicht in Betracht. Aufbauend darauf entwickelten allerdings Baumol und Oates den sogenannten Standard-Preis-Ansatz, der an späterer Stelle noch eingehend betrachtet wird. 4

SteuersalZ in Höhe von (VGK-PGK) zu erheben. Diese Notwendigkeit macht die Pigou-LösIlll8 noch komplizierter. 1 VsJ. oben die Anmerk11118 zum Standard-Preis-Ansatz. 2 Vgl. ENDRES (1985); S. 28; ROSE-ACKERMAN (1973), S. 514; CQWNGE, OATES (1982), S. 346 ff. 3 Vgl. BONUS (1977). Dieser Einwand trifft auch die Coase'sche Verhandlungs1ösung. .. Vgl. BAUMOL, OATES (1971).

3. Die Instrumente einer praktischen Umweltpolitik Umweltpolitische Instrumente, von denen hier vorrangig Auflagen, Abgaben und Zertifikate diskutiert werdeni, sind wirtschaftspolitische Maßnahmen des Staates zur Erreichung ökologischer Ziele. Ökologische Ziele sind vor allem die Einhaltung ökologischer Rahmenbedingungen, die das ökologische Gleichgewicht gewährleisten.

3.1. Die Festlegung eines ökologischen Rahmens als Grundlage der Umweltpolitik Für eine praktikable Umweltpolitik ist zunächst einmal die Spezifizierung der umweltpolitischen Ziele in qualitativer und quantitativer Hinsicht erforderlich, da eine allokationsoptimale Lösung aus den schon genannten Gründen nicht in Frage kommt. Statt exakt die pareto-relevanten externen Effekte zu internalisieren (Ansatz 1 in Gp. 1.3.), sollten aus den schon angeführten Gründen in der Praxis ökologische Normen politisch fixiert werden (Ansatz 2 in Gp. 1.3.), die dann von der Umweltpolitik durchgesetzt werden müssen. Als Ziel der Internalisierung wird nunmehr die Erreichung bzw. Erhaltung einer bestimmten Mindestqualität der Umwelt angesehen, die mit dem ökologische Gleichgewicht vereinbar ist. 2 Der Staat hat politisch zu entscheiden, welche Menge an Schadstoffen noch als umweltverträglich gelten kann. Er hat also in einem ersten Schritt die Mindestqualität der Umwelt in Form von ökologischen Normen oder Immissionsstandards festzulegen. 3 Um die Immissionsnorm einzuhalten, muß diese unter Berücksichtigung von Assimilations- und Diffusionsprozessen in Emissionsbegrenzungen für die einzelnen Emittenten umgerechnet werden. Der Staat muß nach einem geeigneten Weg suchen, die unter Berücksichtigung der Immisionsnorm zulässige Gesamtemissionsmenge unter den Emittenten aufzuteilen. Erst bei diesem zweiten Schritt stellt sich das Problem der Auswahl eines geeigneten Instrumentariums, um das im ersten Schritt formulierte ökologische Ziel zu erreichen. Wenn also umweltpolitische Instrumente betrachtet werden, betrachtet man immer den zweiten Schritt. Wenn über Umweltschutz durch Staat oder Markt diskutiert wird, kann es also nicht entweder Markt oder Staat heißen. Der erste Schritt ist immer vom Staat zu tun. Hier handelt es sich um eine politische Entscheidung, die allerdings ökologisch fun1 Weitere Instrumente sind beispielsweise Haftungsregeln und Versicherungslösungen, Subventionen, Kooperationslösungen uvm. Vgl. dazu WICKE (1982). 2 Vgl. BONUS (1972), S. 343. 3 In diesem Zusammenhang wird von der Schaffung eines "ökologischen Rahmens für die soziale Marktwirtschaft" gesprochen, der den bestehenden Ordnungsrahmen aus Weubewerbs- und Sozialgesetzgebung um eine ökologische Dimension ergänzen soll. Vgl. BINSWANGER, BONUS, TIMMERMANN (1981), S. 122 Cf.; BONUS (1979), S. 140 f.

34

3. Die Instrumente einer praktischen Umwellpolilik

diert sein sollte. Beim zweiten Schritt kann man dann die Frage stellen, wie und wieweit hier staatliches Handeln sinnvoll ist: Sollte ein weitgehend durch staatliches Handeln geprägtes Instrument gewählt werden oder sollte besser eines gewählt werden, das Raum für private Initiative läßt? Damit kommen wir zu den eigentlichen umweltpolitischen Instrumenten. Erst die Wahl eines geeigneten umweltpolitischen Instrumentariums ermöglicht die Erreichung der umweltpolitischen Ziele. 3.2. Umweltaunagen

Umweltauflagen sind politische Maßnahmen, die dem Verursacher von umweltbelastenden Schadstoffen Verhaltensvorschriften machen. Bei Auflagen handelt es sich entweder um Gebote oder um Verbote. Bei Geboten ist ein bestimmtes umweltbelastendes Verhalten "noch" erlaubt, allerdings gegenüber dem Ausgangszustand in verringertem Maße, wohingegen Verbote bestimmtes umweltgefährdendes Verhalten völlig untersagen. Die Ge- und Verbote können sich dabei auf Emissionen, auf Produktionsprozesse und auf die Produktion als solche oder auch auf Konsumaktivitäten beziehen. Auflagen können für einen gesamten Wirtschaftsraum aber auch als spezielle Einzelanordnungen erfolgen. 1 •

Aufla~en sind mit Abstand das populärste Instrument der Umweltpolitik in der BRD.2 Sie verleihen der bundesdeutschen Umweltpolitik einen ausgesprochen regulativen Charakter, der den einzelnen Wirtschaftssubjekten Handlungsbeschränkungen zum Schutz der Umwelt auferlegt.

Die Vermeidung von Umweltbelastungen als das erklärte Hauptziel des Umweltschutzes kann durch eine solche Politik durchaus realisiert werden, sofern die Auflagen streng genug festgesetzt und eingehalten werden. Als ein Instrument, dessen Aufgabe es ist, "alle umweltpolitisch relevanten Tatbestände zu ermitteln und so zu lenken, daß eine gewünschte, durch Imrnissionsstandards beschriebene Umweltqualität erreicht wird"3, hat die Auflagenpolitik ausschließlich präventive Funktionen. Die Auflagenpolitik zwingt umweltbelastende Wirtschaftsakteure, entweder die für sie geltenden Vorschriften materiell zu befolgen oder auf die umweltbelastende Aktivität ganz zu verzichten. Auflagen soUen zeitlich und funktionell wirken, noch bevor der zu vermeidende Schaden eingetreten ist. 4 Ein Grund für die große Dominanz auflagenorientierter Instrumente in der deutschen Umweltpolitik ist sicherlich in dem zu Beginn der 70er Jahre erkannten ökologischen 1 Vgl. dazu WICKE (1982), S. 93 ff. 2 Man spricht deshalb von einer auflagcnorienticrten Umwelt politik in der Bundesrepublik Deutschland. 3 KABELlTZ, KÖHLER (1978), S. 25; END RES (1985), S. 23. 4 Vgl. JÜRGENSEN (1974), S. SO. Das Gleiche sollte allerdings prinzipiell für alle Instrumente gelten.

3.3. Umwellabgabcn

35

Handlungsbedarf zu finden. Die rasch zunehmende politische und damit wahlbeeinflussende Bedeutung des UmweItproblems verlangte schnelles, entschlossenes Handeln, was offensichtlich nur mit Gesetzen und Auflagen als den Politikern und der Verwaltung bekannte Handlungsparameter möglich schien. 3.3. Umweltabgaben

Umweltabgaben, wie sie hier diskutiert werden sollen, werden auch als UmweItqualitätsabgaben bezeichnet. Solche Abgaben gehen von ihrer Konzeption her auf den sogenannten »Standard-Preis-Ansatz« von BAU MOL und OATES zurück, der wiederum eine Weiterentwicklung der Pigou-Lösung darstellt. 1 Dieser Ansatz vermeidet die Schwierigkeiten der Bewertung von Grenzschäden, da keine pareto-optimale Internalisierung externer Effekte angestrebt wird. Die bei optimaler Allokation benötigten Informationen können vernachlässigt werden, weil dieser Ansatz eine politisch vorgegebene Immissionsnorm2, die sich an ökologischen Notwendigkeiten orientiert, zugrundelegt. Bevor die "Umweltqualitätsabgabe" näher beschrieben wird, erfolgt zunächst eine Eingrenzung des Begriffs der UmweItabgaben. Abgaben sind ganz allgemein definiert als Geldleistungen, die von einem öffentlichrechtlichen Gemeinwesen aufgrund gesetzlicher Regelungen erhoben werden. Hierbei unterscheidet man in erster Linie Steuern, Gebühren und Beiträge. Steuern sind Abgaben, die ohne eine bestimmte Gegenleistung allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand gegeben ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Gebühren werden als Gegenleistung für eine bestimmte Inanspruchnahme der Verwaltung erhoben. Beiträge dagegen dienen zur vollen oder teilweisen Deckung des Aufwandes einer bestimmten öffentlichen Einrichtung. 3 Der Unterschied zwischen Gebühren und Beiträgen ist darin zu sehen, daß Beiträge unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Einrichtung erhoben werden, während Gebühren proportional oder gestaffelt in Gebührenklassen zur Leistungsinanspruchnahme in Rechnung gestellt werden. Beiträge und Gebühren unterscheiden sich von der Steuer dadurch, daß bei ihnen eine

1 Vgl. BAUMOL, OATES (1971). UrsprÜDglich war die bundesdeutsche Abwasscrabgabe als Umweltqualitätsabgabe konzipiert: Es wurde eine Gewässergüte der Klasse 2 (vgl. dazu Kapitel 6.) in allen deutschen Gewässern angestrebt. Erst nachdem sich heraussteUte, daß mit der tatsächlich verabschiedeten AbgabeDhöhe dieses Ziel Dicht verwirklicht werden konnte, wurde die Abgabe mit Auflagen nach §7a Wasscrhaushaltsgesetz kombiniert und so ein kombiniertes Abgaben-/Auflageninstrument auf dem Gebiet dcs Gewässerschutzes geschaffcn. Vgl. WlCKE (1982), S. 221 f. Vgl. zur Abwasscrabgabe und zum Gewässerschutz in der Bundesrepublik auch Kapitel 6 dieser Arbeit. 2 Vgl. Gp. 3.1 und 1.3.1. 3 Vgl. A VENARIUS (1985), S. 11.

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3. Die Instrumente einer praktischen UmweltpoliLik

gewisse kostenmäßige Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung vorliegt. 1 Ein Kriterium zur Systematisierung der Abgaben ist die Einteilung in verschiedene Funktionen. Die Gesamtheit der Abgaben läßt sich in zwei Bereiche einteilen: die Finanzierungsabgaben und die Lenkungsabgaben. In der Praxis stellt man fest, daß diese Funktionen nicht in reiner Form existieren. Die meisten Abgaben sind eine Kombination aus beiden Formen. Je nachdem, welches Ziel mit der Abgabe verfolgt wird, dominiert entweder die eine oder die andere Funktion. 2 Steht die Finanzierungsfunktion bei einer Abgabe im Vordergrund, spricht man auch von "fiskalischen Abgaben". Diese Form einer Umweltabgabe muß nicht unbedingt an umweItschädigendes Verhalten anknüpfen; sie dient vielmehr dazu, z.B. durch Finanzierung eines Umweltfonds bestimmte umweltpolitische Maßnahmen zu unterstützen. Wicke bezeichnet Abgaben, bei denen die Finanzierungsfunktion dominiert, auch als Abgabe im weiteren Sinne.3 Den Gegensatz zur Finanzierungsfunktion bildet die Lenkungs- oder Anreizfunktion. Sie spielt für die Umweltpolitik als "ökonomischer Hebel" eine bedeutende Rolle. Ihre Aufgabe ist es, umweltschädigendes Verhalten ökonomisch zu bestrafen. Den Emittenten werden verschiedene Möglichkeiten gegeben, diese Abgabe durch umweltfreundliche Maßnahmen zu umgehen. Voraussetzung für die Entfaltung der Anreizfunktion ist allerdings die Wahl der richtigen Bemessungsgrundlage.

Es hat sich in der Praxis gezeigt, daß allein die Existenz einer Lenkungsabgabe die Wirtschaftssubjekte dazu anregt, sich über ihr umweltschädigendes Verhalten Gedanken zu machen und Maßnahmen zu ergreifen, die nicht erst "at the end of the pipe,,4 ansetzen, wie z.B. die Beseitigung von Klärschlamm, sondern das Übel bereits an der Wurzel fassen. Wicke bezeichnet Abgaben mit dominierender Lenkungsfunktion als Abgaben im engeren Sinne.5 • Damit stehen auf der einen Seite die Umweltabgaben im weiteren Sinne, deren dominierende Funktion die Finanzierung ist. Auf der anderen Seite findet man Umweitabgaben im engeren Sinne, bei denen die Anreizfunktion die dominierende Rolle spielt. Im Zusammenhang mit umweltpolitischen Überlegungen kommt es vor allem auf die Anreizfunktion an. Deswegen werden hier im weiteren Verlauf nur noch Abfiaben "im enieren Sinne" behandelt.

1 Vgl. HENKE, ZIMMERMANN (1977), S. 161.

2 Vgl. dazu MESSERSCHMIDT (1986), S. 15 ff.; WICKE (1982), S. 219 f. 3 Vgl. WICKE (1982), S. 221. " Vgl. BINSWANGER, BONUS, TIMMERMANN (1981), S. 134. 5 Vgl. WICKE (1982), S. 219 ff.

3.3. Umweltabgabcn

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3.3.1. Fonnen von Umweltabgaben Die Umweltabgaben i.e.S. untergliedern sich in drei Kategorien: die reinen Emissionsabgaben, die kombinierten Auflage- j Abgabensysteme und die Produktabgaben. In den Bereich der reinen Emissionsabgaben fällt die oben diskutierte Pigou-Steuer, die die Kosten für externe Effekte in die betrieblichen Kosten internalisieren soll. Zu den Emissionsabgaben würde ebenfalls eine UmweItqualitätsabgabe gehören. Durch sie soll ein bestimmtes Umweltqualitätsziel erreicht werden, indem die Abgabe in einer Höhe festgesetzt wird, die für den Emittenten den Anreiz schafft, Maßnahmen zu ergreifen, die dem Umweltqualitätsziel gerecht werden. Dabei können die erhobenen Abgaben als verstärkendes Mittel eingesetzt werden. Die Abwasserabgabe war in ihrer ursprünglichen Planung eine solche Umweltqualitätsabgabe. In der Realität konnte sich jedoch eine reine Abgabenlösung nicht durchsetzen. Vielmehr wurde eine Abgaben-jAuflagenregelung geschaffen, die eine Erreichung des gewünschten Umweltqualitätszieles ermöglichen soll. Diese Regelung kann zu den UmweItabgaben i.e.S. gezählt werden, da die Anreizfunktion zwar beschnitten, aber nicht gänzlich eingeschränkt wird. Je nach Zielsetzung kann entweder die Auflage oder die Abgabe dominieren. Ein letzter Bereich der Umweltabgaben i.e.S. sind die Produktabgaben. Durch sie sollen die Herstellung und der Verbrauch bestimmter Rohstoffe und Produkte eingeschränkt werden, die entweder knapp oder umweltschädigend sind. Die Gelder, die so erhoben werden, können zur Subventionierung von Substitutionsgütern eingesetzt werden, um so den Effekt noch zu verstärken. 1 In Norwegen ist als Rohstoffabgabe die Schwefelgehaltsbesteuerung bei Kraftstoffen zu finden, was zur Folge haben soll. daß Treibstoffe mit geringem Schwefelgehalt eingesetzt werden. Die Belastung von Einwegbehältern mit einer Produktabgabe führte im US-Staat Oregon zu einem Rückgang des Verbrauchs dieser Einwegverpackung. 2 3.3.2. Abgabenwirkung 3.3.2.1. Angebotsseite Grundsätzlich sollen die Produzenten umweltschädigender Erzeugnisse durch die Steuer dazu veranlaßt werden, die Schadstoffe zu verringern und dadurch die UmweItqualität zu verbessern. Die mit der Abgabenlösung verfolgte Anlastung von Umweltschäden beim Verbraucher führt zu einer relativen Verteuerung der Umweltleistungen mit dem Ergebnis "umweltentzerrter" Minimalkostenkombinationen. 3 Dem Unternehmen bieten sich u.a. folgende 1 Vgl. EWRINGMANN, SCHAFHAUSEN (1982) S. 52·57. 2 Vgl. WICKE (1982), S. 221 f. 3 Vgl. KABELITZ, KÖHLER (1977), S. 15.

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3. Die Instrumente einer praktischen Umweltpolitik

Möglichkeiten zur Verringerung von Emissionen: 1 - Entwicklung und Anwendung neuer Produktionstechnologien; - Substitution schadstoffintensiver Inputs; - Änderung des "product-mix" zugunsten umwelfreundlicher Produkte; - Installation von Verfahren zur Schadstoffbeseitigung; - Anwendung von Recycling-Technologien etc. Zu diesen möglichen Anpassungsprozessen kann es allerdings nur dann kommen, wenn die Eingriffsstelle im Einflußbereich des jeweiligen Unternehmens liegt, die Maßnahmen technisch möglich sind und die Finanzkraft des Unternehmens nicht übersteigen2. 3.3.2.2. Nachfrageseite

Die Erhebung einer Steuer führt beim Konsumenten zu mittelbaren Anpassungen. Abstrahiert man von den Möglichkeiten einer sogenannten schrägen Kostenüberwälzung in Mehrproduktunternehmen, so werden sich die Endpreise umweItbelastend hergestellter Produkte verteuern, sofern die Wettbewerbssituation das zuläßt. Dies hat seine Ursache darin, daß die Unternehmen die erhobene Abgabe und die bei ihnen anfallenden Kosten der Anpassungsprozesse überwälzen. Unterstellt man eine gewisse Elastizität der Nachfrage, d.h. die Verbraucher sind nicht unbedingt auf die umweItschädigend produzierten Güter angewiesen, werden die Konsumenten die Produkte entsprechend ihren persönlichen Nutzenkurven entweder substituieren oder völlig auf sie verzichten. 3 3.3.3. Bemessungsgrundlage4

Voraussetzung für die Entfaltung der Lenkungsfunktion einer Abgabenlösung ist eine geeignete Bemessungsgrundlage. Die Unternehmen werden die Produktion immer in Bezug auf die Bemessungsgrundlage anpassen, d. h. sie werden versuchen, die Bemessungsgrundlage ceteris paribus zu reduzieren. Steht diese jedoch nicht in einem kausalen Zusammenhang zu den Schadstoffen, wird die Erhebung der Abgabe nicht den gewünschten Erfolg haben, da die Emittenten dann evtl. die Bemessungsgrundlage reduzieren können, ohne daß sie den Schadstoffausstoß verringern. 1 Vgl. SIEBERT (1976), S. 27 f. 2 Für die Erreichung des ökologischen Ziels wäre das letzte Argument irrelevant, d~ bei finanzieller Überlastung der Marktaustritt des Unternehmens und damit die Stillegung der Emissionsquelle die Folge wäre. 3 Vgl dazu auch ENDRES, BRAULKE (1985). Im Falle von Monopolen und Oligopolen ist eine emissionsreduzierende Reaktion der Produzenten allerdings ungewiß. Vgl. BUCHANAN (1969); BAUMOL (1972); vgI. auch ENDRES (1982, 1983). 4 Vgl. KABELITZ, KÖHLER (1977) S. 15; SIEBERT (1976), S. 22 ff. Die hier getroffenen Aussagen gelten prinzipiell auch für andere am Verursacherprinzip orientierte Instrumente wie z.B. die Zertifikate.

3.3. Umwellabgabcn

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Mögliche Bemessungsgrundlagen sind: • Die sozialen Zusatzkosten, wie sie PIGOU vorschlug: Es handelt sich um die theoretisch ideale Bemessungsgrundlage, die aber aus schon erwähnten Gründen ausscheidet. • Der Produktionsinput: Bei einer Besteuerung von umweltschädigenden Inputs wird ein Abgabesatz pro Mengeneinheit des jeweiligen Inputs festgelegt. Ziel ist die Substitution durch umweltfreundlichere Einsatzstoffe. Eine Inputsteuer erfaßt aber nur einen Teilbereich der gewünschten Vermeidungsaktivitäten. Problematisch ist, daß eine Inputsteuer die eigentliche Emission unberücksichtigt läßt. Das Unternehmen kann z. B. Schadstoffrückhalte- oder Recycling-Verfahren installiert haben, so daß unabhängig vom Input relativ wenig Schadstoffe emittiert werden. Die Inputsteuer ist also ungerecht in bezug auf modeme Fertigungstechnologien. Ebenso besteht die Möglichkeit, daß das Unternehmen aufgrund von Fremdbezug keinen Einfluß auf die Qualität der Inputs hat. • Der Output: Wird nur der Output besteuert, geschieht dieses in Form einer Abgabe auf die Produktmenge bzw. das Stück oder den Preis. Ziel ist hier ebenfalls die Umschichtung der Produktion und der Nachfrage zugunsten umweltfreundlicher Produkte. Wie auch bei den Inputs wird wiederum die Produktionsweise nicht berücksichtigt, d. h. unterschiedliche Firmen werden bei Produktion des gleichen Stückes Output unterschiedlich viel Schadstoffe emittieren. • Der Umsatz: Die Besteuerung des Umsatzes wäre quasi eine neue Verbrauchssteuer. Sie steht in keinem kausalen Zusammenhang zum Umweltschutz und ist daher abzulehnen. • Die Emissionen: Bemessungsgrundlage wäre die Menge der an die Umwelt abgegebenen Schadstoffe. Die Nachteile, die bei den oben angeführten anderen Bemessungsgrundlagen angeführt wurden, werden hier vermieden. l Die Unternehmen haben den stärksten Anreiz, umweltfreundlich zu produzieren, damit mit der Vermeidung von Emissionen sofort die Abgabenlast sinkt. Im weiteren Verlauf der Arbeit bleibt die Betrachtung daher auf Emissionsabgaben beschränkt.

1 Wichtig ist dabei die ·Vollständigkeit" der Bemessungsgrundlage um Möglichkeiten zur Schadstoffsubsti-

tution unatlraktiv zu machen bzw. auszuschließen.

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3. Die Instrumente einer praktischen UmwelLpolitik

3.3.4. Festlegung des Abgabesatzes Da die Ausgestaltung der Abgabe als Pigou-Steuer, die zu einem Allokations-Optimum führen würde, aus ökologischen Gründen und aus Praktikabilitätsgründen ausscheidet, sind BAUMOL und OATES in ihrem »Standard-Preis-Ansatz« einen etwas anderen Weg gegangen. 1 Diesem Ansatz liegt die politische Festlegung ökologischer Normen in Form von Umweltqualitätsstandards bzw. Immissionsnormen zugrunde. Durch die Festlegung solcher an ökologischen Notwendigkeiten orientierten Immissionsnormen werden die Bewertungsprobleme einer optimalen Allokation vermieden. Die Kenntnis der marginalen Schäden ist nicht mehr notwendig. Eine Imrnissionsnorm muß allerdings in geeigneter Weise in Emissionsstandards umgesetzt werden. Zur Einhaltung dieser Emissionsstandards sollen die Emittenten dann durch die Zahlung der Abgabe angehalten werden. Die Behörden werden also für Schadeinheiten Abgaben (Preise) fixieren, die von den Emittenten entrichtet werden müssen. Der Emittent wird nun die so entstehende Abgabenzahlung mit den Kosten der Schadstoffvermeidung vergleichen und seinen Schadstoffausstoß so weit vermeiden, bis seine Grenzvermeidungskosten gleich dem Abgabensatz sind. Da der Staat bei seiner Entscheidung über die korrekte Abgabenhöhe aber wohl kaum in der Lage ist, die Grenzvermeidungskosten jedes einzelnen Emittenten exakt festzustellen, ist eine (sofortige) korrekte Realisierung der zuvor fixierten Umweltqualität allenfalls rein zufällig und daher unwahrscheinlich. Diesem Problem soll durch eine sukzessive Veränderung des Abgabensatzes begegnet werden. 2 In einem »trial-and-error« -Prozeß überprüft die Behörde nach Festlegung der Abgabenhöhe und Zustellung der Abgabenbescheide an die Emittenten beispielsweise nach einer Periode, inwieweit der vorgegebene Emissionsgrad über- oder unterschritten wurde. Sie hätte dann bei Übererfüllung den Abgabesatz zu verringern bzw. bei Nichterreichung des Umweltqualitätsziels den Abgabesatz zu erhöhen. 3

1 VgI. BAUMDL, DATES (1971), S. 42-52. 2 VgI. BAUMDL, DATES (1971), S. 43 f. Auf die Probleme dieses Verfahrens kommen wir weiter unten Doch zu sprecheD. Vgl auch ENDRES (1976), S. 168 ff. zur Problematik dieses Verfahrens im Fall der Pi· gou-Steuer 3 VgI. SIEBERT (1976», S. 37. Allerdings kann auch ein solches Verfahren zu Fehlallokationen führen, falls sich die tatsächlichen Knappheitspreise der Umweltgüter, die die Standards und die Grenzvermei· dllJl8SkosteD beeinflussen, schneller ändern als die von der Behörde veranschlagten.

3.4. Umwcllzcrlifikatc

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3.3.5. Verschärfung des ökologischen Rahmens

Ergibt sich die Notwendigkeit der Verschärfung des Immissionsstandards, so hat die Behörde neue Emissionsmengen zu ermitteln und sodann den Abgabesatz entsprechend zu erhöhen. Der neue höhere Abgabesatz müßte wiederum in einem trial-and-error-Prozeß ermittelt werden. Folgende Graphik erläutert die Wirkungsweise des Standard-PreisAnsatzes und die Möglichkeit der Verschärfung von Standards:

DM

tl~--------+---+---~

(Abbildung 5)

In Abb. 5 bezeichnet UB die Umweltbelastung, Q den jeweils gewünschten Umweltqualitätsstandard, t den Abgabensatz, GVK. die Kurve der Grenzvermeidungskosten. Zunächst wird keine Abgabe auf Emissionen erhoben und damit eine Umweltqualität von QO realisiert. Keiner der Emittenten reduziert seine Emissionen. Nach Erhebung einer Abgabe in Höhe von t 1 verbessert sich die Umweltqualität auf Ql. Soll ein Standard von Q2 oder sogar Q3 realisiert werden, ist die Abgabe entsprechend auf t2 oder t3 zu erhöhen. Das Problem der Umweltbehörde ist dabei, daß ihr die GVK-Kurve nicht bekannt ist. Deswegen kann sie den richtigen Abgabesatz zur Erreichung eines bestimmten Qualitätsstandards allenfalls rein zufällig gleich zu Anfang festlegen. Soll beispielsweise eine Umweltqualität von Q2 realisiert werden. so muß der Abgabesatz exakt t2 betragen. Legt sie ihn zunächst auf t3 fest, so werden die Emittenten unnötig hoch belastet, legt sie ihn auf tl fest, so wird die Umwelt höher als geplant belastet. Den richtigen Abgabesatz t2 wird sie in der Regel in einem längeren trial-and-error-Prozeß ermitteln müssen. 3.4. Umweltzertiftkate Die Idee der Umweltzertifikate geht in ihren Grundzüg.;n auf Th. D. Crocker und J. H. Dales zurück. 1 1 Vgl. CROCKER (1966); DALES (1968A, 1968B); Etwa zur glcichcn Zeit wic DALES diskuticrtc MlSHAN in England cin ähnlichcs Konzept, das sogcnanntc "amcnity fights« vorsah. Potcnticllcn

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3. Die Inslrumente einer praktischen Umwellpolitik

Dales zeigt an einem Vergleich von Land- und Wassernutzung in den Vereinigten Staaten die Vorteile auf, die sich bieten, wenn man die Gratisinanspruchnahme natürlicher Ressourcen durch Einführung eines Preissystems ersetzt. Die stark wachsende Bevölkerung führte in den Vereinigten Staaten zu einer zunehmenden Nachfrage nach Boden und damit zu einem Anstieg der Bodenpreise. Damit einhergehende teure Ackerflächen machten eine Intensivierung des landwirtschaftlichen Ackerbaus durch teuren Düngereinsatz rentabel. Die Erhöhung der Bodenpreise sorgte also letztlich dafür, daß es zu keinem "problem of population pressure on the land in North America" kam. 1 Wasser konnte dagegen kostenlos genutzt werden. Die vermehrte Nutzung durch die Bevölkerungszunahme zeigte sich in keinerlei Preiserhöhung, was zwangsläufig zu dessen Überbeanspruchung und stetiger Qualitätsverschlechterung führte. Daraus ergab sich das "problem of population pressure on ... water resources".2 Um diesem Mißstand zu begegnen, regte Dales an, auch für die Inanspruchnahme des Wassers ein der Bodennutzung analoges Preissystem zu entwickeln. 3 Lange Zeit wurden Zertifikate in der umweltökonomischen Literatur zu Unrecht im Vergleich zur Abgabenlösung eher stiefmütterlich behandelt und nur vOllständigkeitshalber erwähnt. In die praktische Politik fanden sie erst mit dem amerikanischen »Emissions Trading« Program4 einen, wenn auch sehr begrenzten, so doch vielversprechenden Eingang. 3.4.1. Konzeption

Abgaben, Zertifikate und die Kompensationslösungen wie sie im noch vorzustellenden »Emissions- Trading«- Program Anwendung finden, gehören zu den marktwirtschaftlich orientierten Ansätzen der Umweltpolitik5. Die Zertifikate lösung kommt einer reinen marktwirtschaftlichen Lösung sehr nahe. Alkönnte es danach gestattet werden, Verschmutzungsrechte den bisherigen Emittenten abzukaufen. Vgl.

MISHAN (1969), S. 36 ff.

1 "Tbe contrast belWeen the history of land and water use on this continent is eloquent. Propcrty rights were estab1ished in land, with rent being the payment for the right to use the soil fertility; there were no water rents bec:ausc propcrty rights to water use were not established. Rising land rents led to more intensive land usc and after 350 years there is no problem of population pressure on the land of North America-. DALES (1968A), S. 794. Heute treten allerdings gerade aufgrund der (rentablen) intensiven Bewinsc:haftung des Landes Probleme der menschlichen Übernutzung und der konkurrierenden Verwendungauf. 2DALES (1968A), S. 794. 3 Im deutschsprachigen Raum wurde diese Idee frühzeitig von Ökonomen aufgegriffen und insbesondere für den Bereich der Luftverschmutzung weiterentwickelt. Vgl. BONUS (1972); ANDREAE (1971), S. 755 ff.; FREY B. (1972), S. 120 ff.; FREY R. (1972), S. 461.; BINSWANGER (1973); SIEBERT (1973). 4 Vgl. Gp. 4.4. dieser Arbeit. 5 Weitere marktwirtsc:haftlic:he Ansätze sind beispielsweise Versicherungslösungen und Subventionen. Vgl. dazu u.a. BINSWANGER, BONUS, TIMMERMANN (1981), S.138 ff.

3.4. UmwcllZenifikatc

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lerdings hat auch sie keine lupenreine marktwirtschaftliche Form, da sie, wie noch zu zeigen sein wird, den Staat nicht von der Aufgabe der politischen Festlegung der umweltpolitischen Ziele und Rahmenbedingungen entbindet. l Hier wird zunächst nur das "reine" Modell als solches vorgestellt, bevor an späterer Stelle auf möglicherweise notwendige Modifikationen hingewiesen wird, die auch von ausdrücklichen Befürwortern des Zertifikatemodells nicht bestritten werden. 2 Andere Instrumente erfordern ebenfalls solche Modifikationen. Ausgangspunkt des (ursprünglichen) Konzepts der Emissionszertifikate ist die Festlegung reKionaler Emissionsnormen.3 Die Normen legen für bestimmte Schadstoffe das mit der regionalen Immissionsnorm jeweils vereinbarte Emissionsvolumen in einer Region fest. 4 Diese Emissionskontingente für die einzelnen Schadstoffe werden dann gestückelt und in Zertifikaten verbrieft. Man schafft also für die verschiedenen Schadstoffe verbriefte Schadstoffemissionsrechte, die den Wirtschaftssubjekten die Emission in einer bestimmten Höhe gestatten.5 Die Zertifikate sind nun zwischen den Betreibern schadstoffemittierender Anlagen innerhalb abgegrenzter Regionen frei handelbar. 6 Sobald jemand mit zusätzlichen Emissionen verbundene Betriebsveränderungen durchführen will - seien es Betriebserweiterungen, Produktionsverfahrensänderungen und dergleichen oder jemand einen neuen Betrieb eröffnet - ist er gezwungen, zusätzliche Zertifikate zu beschaffen, die wiederum bei anderen Betrieben durch Anlagenstillegungen, Produktionsveränderungen oder Installation von Schadstoffvermeidungstechniken frei geworden sind. So soll ein Markt für Umweltzertifikate initiiert werden, auf dem der Handel und die Preisbildung für die Zertifikate stattfinden.7 Angebot und Nachfrage von Zertifikaten werden sich an den individuellen Grenzvermeidungskosten der Emittenten orientieren. Jeder rational handelnde Emittent wird seine Vermeidungskosten mit dem Preis der 1 Vgl. MAIER-RIGAUD (1980), S. 345; BONUS (1984A) S.170; KABELITZ (1983), S.18. 2 Vgl. BINSWANGER, BONUS, TIMMERMANN (1981), S. 151. 3 An späterer Stene werden noch andere Formen von Zertifikaten diskutiert, die Dicht unbedingt die Fest1egung solcher EmissioDSnormen erfordern. 4 VgI. BONUS (1981B). 5 Beim heutigen Auflagensystem werden den Unternehmen durch die Betriebserlaubnis auch Emissioasrechte übertragen. Es gibt also auch heute schon Emissionsrechte oder "Versc:hmutzuDg:sl"echte". 6 Das gilt uneiDgeschriiDkt nur für den Fall reiner, unmodifizierter Zertifikate. Auf die Probleme der räumlichen Differenzierung zur Vermeidung räumlicher 5chadstofflcoDZCntrationen (.. Hot Spots«) wird weiter unten ausführlich eiDgegangen. Vgl. Gp. 4.l.4., 4.2.2, 5.4. 7 Ein solcher Markt könnte wie eine Börse organisiert sein.

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3. Die Instrumente einer praktischen Umwchpolilik

Zertifikate vergleichen. liegen seine Grenzvermeidungskosten unterhalb des Preises von Zertifikaten, so wird er sich zur Schadstoffreduktion entschließen. Damit erspart er sich entweder den zusätzlichen Erwerb von Zertifikaten oder er kann eigene teure Zertifikate verkaufen und damit die Schadstoffreduktion finanzieren. Ist der Kauf von Zertifikaten allerdings billiger als die schadstoffreduzierenden Maßnahmen, so wird er Zertifikate hinzukaufen. Die Zertifikate werden schließlich von den Unternehmen gehalten, die die höchsten Vermeidungskosten haben. Damit führt eine solche Zertifikatelösung zu volkswirtschaftlich minimalen Kosten der Emissionsvermeidung und somit zu einer effizienten Allokation der Umweltressourcen. Die Limitierung der Gesamtemissionsmenge wird durch den Handel nicht berührt. Die Einhaltung des zuvor definierten ökologischen Rahmens kann so sichergestellt werden. 1 3.4.2. Erstausgabe der Zertifikate Die Verbreitung bzw. Verteilung der Zertifikate unter den Emittenten verläuft in zwei Phasen. Die erste Phase betrifft die Ausgangs- oder Erstverteilung der Zertifikate bei der Implementation des Modells. Die zweite Phase betrifft die sich anschließende Allokation durch den Handel auf dem Markt. 2 Obwohl die Art und Weise der Anfangsverteilung keinen direkten Einfluß auf die sich später ergebende marktliche Allokation der Zertifikate hat, ist sie doch von großer Bedeutung. da je nach Verteilungsverfahren private Budgets auf der Kostenseite und öffentliche Budgets auf der Einnahmeseite berührt werden können. 3 3.4.2.1. Versteigerung Bei dieser Art der Ausgabe legt der Staat in Abhängigkeit von den gewünschten Immissionsnormen die zulässige Gesamtemissionsmenge fest und versteigert die Zertifikate zum Höchstpreis. 4 Die Versteigerung von Zertifikaten ist aber nicht problemlos. So führt der Verkauf von Zertifikaten auf der einen Seite zu Einnahmen des Staates und auf der anderen Seite zu Ausgaben und damit Kosten der Emittenten. Der Staatsanteil wird erhöht. 5 Eine Ver1 Das gilt immcr untcr dcr Voraussetzung, daß Immissionen in Emissionen umgerechnet werden können. Sollcn Umweltqualitätsnormen gelten, bcstcht dieses Problem für alle Instrumente. 2 VgI. TIETENBERG (1980), S. 398 f. 3 VgI. TIETENBERG (1980) S. 399. 4 VgI. BINSWANGER, BONUS, TIMMERMANN (1981), S. 144.

S In der amcriltanischcn Litcratur werden vcrschiedcne Verfahren dcr Auktionierung von Zertifikaten unter

Begriffcn wic .. Revcnuc-Auctions« und .. Zero-Revcnue-Auctions«, einfache und mehrstufige Auktions·

3.4. Umwcltzcrtifikalc

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steigerung wirkt also wie eine zusätzliche, allerdings flexible Abgabe mit den gleichen Entzugsverlusten einer Abgabe. 1 Weiterhin bringt ein Verkauf von Zertifikaten für die Wirtschaft neben (immer) bestehenden Unsicherheitsfaktoren wirtschaftlicher Betätigung zusätzliche Unsicherheitsfaktoren in ihre Investitions- und Produktionsdispositionen, da niemand sicher sein kann, die ausreichende Menge an Zertifikaten ersteigern zu können. Schließlich dürfte das größte Problem sein, daß eine Anbindung heute geltender Genehmigungen an einen neuen Tatbestand, nämlich den Erwerb von Zertifikaten, die Aufhebung jeglichen Bestandsschutzes bedeuten würde. Die Versteigerung von Zertifikaten käme einer Aufhebung aller bisher erteilten Betriebsgenehmigungen gleich, was möglicherweise nur gegen staatliche Entschädigungszahlungen rechtens wäre. 2 Aufgrund dieser Einwände 3, zu erwartender Widerstände bei den Betroffenen und pragmatischen Erwägungen hinsichtlich der Praktikabilität ist die Idee, Zertifikate zum Höchstpreis zu versteigern, mehr und mehr in den Hintergrund getreten. 3.4.2.2. Verkauf zum staatlichen Festpreis Eine andere Möglichkeit besteht im Verkauf der Zertifikate zu einem Festpreis, der vom Staat (Umweltbehörde) festgelegt wird. Dieses sich zwar prinzipiell von der Auktionierung unterscheidende Vorgehen hat bei der praktischen Durchführung die gleichen Konsequenzen und führt zu den gleichen Problemen, da auch in diesem Verfahren die Zertifikate letztlich zu Knappheitspreisen angeboten werden müßten. Diese Knappheitspreise sind aber bekanntlich die zur Einhaltung des vorgeschriebenen ökoloverfahren, ..double auctions« und ..sealed bid·offer auctions«, ..siugJe·priceauctions« und .. inccntivecompatible auctions« diskutiert. Es werden sogenannte holländische und englische Auktionierungsverfahren vorgeschlagen. Bei einigen dieser Verfahren werden Möglichkeiten vorgesteUt, die Anfangsverteilung der Zertifikate zwar über eine Auktionierung vorzunehmen und damit auch aUokative Vorteile dieses Verfahrens und damit verbundene Anreizstrukturen wahrzunehmen, die Kostenbelastung der Emittenten aber in Grenzen zu halten, in dem die staatlichen Einnahmen aus der Auktion nach bestimmten Kriterien rückverteilt werden, die Auktion also mit keinen Einnahmen für den Staat verbunden ist. Vgl dazu insbesondere LYON (1986), S. 137 ff. Weitere Verfahren sehen eine Kompensation der Geschädigten aus den Einnahmen der Auktion vor. Auf diese Verfahren wird in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen, da die freie Vergabe an bisherige Emittenten, also das .. grandfathering«, präferiert wird. Zur Vertiefung der verschiedenen Auktionierungsverfahren kann auf die umfangreiche Literatur zurückgegriffen werden. Vgl. etwa ATKINSON, TIETENBERG (1984); EHEART, JOERES, DAVID (1980); EHEART, BRILL, LYON (1983), S. 167 ff.; HAHN, NOLL (1982A), S. 141 C.; LYON (1982); LYON (1986); PLOTT (1982), S. 1489, 1493 ff.; REPETTO (1983), S. 250 f.; ROSE (1973); SAMUELSON W. (1980); SMITH, ARLINGTON u.a. (1982); TIETENBERG (1985), S. 100 ff. 1 Auf die Bedeutung solcher Entzugsverluste für die Bewertung eines umwellpolitischen Instrumentes wird an späterer SteUe im Zusammenhang mit der Akzeptanz der Instrumente eingegangen. 2 VgI. KABELITZ (1984), S. 334; ENDRES (1986A), S. 7. In neueren Beiträgen wird eine pjcht kostenfreje Vergabe der Zertifikate sowie eine ebenfalls bisherige Eigentumsrechte beschränkende begrepzte Gelh!ppdguer von Zertifikaten oder eine Abwertung im Zeitablauf für mit unseren rechtsstaatlichep PriDZigien vereinbar gehalten. Vgl. BLANKENAGEL (1987), S. 88. Vgl. auch BECKER-NEETZ (1988) 3 Auf wettbewerbspolitische Einwände, die in der Literatur gegen die Auktionierung der Zertifikate vorgebracht werden, wird in Gp. 5.2.3. ausführlich eingegangen.

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3. Die Instrumente einer praktischen Umweltpolitik

gischen Standards zwingend anfallenden Grenzverhinderungskosten. 1 Bei einer Auktion werden diese Knappheitspreise automatisch ermittelt, während sie hier umständlich ermittelt werden müssen, falls das überhaupt möglich ist. Es müßte ähnlich wie bei der Abgabe zunächst eine Art trial-and-error-Verfahren zur Ermittlung des Knappheitspreises durchgeführt werden. Wegen der hierfür erforderlichen Datenfülle kann sich die Bestimmung allenfalls in eine Annäherung an die tatsächlichen Knappheitspreise erschöpfen. Diese Art der Erstausgabe von Zertifikaten wirft also neben den bei einer Auktionierung auftauchenden Problemen noch zusätzlich das Problem der FestIegung eines Preises auf. Damit erscheint ein Verkauf von Zertifikaten praktisch nicht geboten. Ließe sich der fehlende Bestandsschutz möglicherweise juristisch rechtfertigen 2, so bleiben die schwerwiegenden Probleme der Kostenbelastung der Betreiber durch den Zertifikateerwerb und deren Ungewißheit, die benötigten Zertifikate auch tatsächlich erwerben zu können. Somit ist der Weg für eine pragmatische Vorgehensweise bei der Erstausgabe der Zertifikate geebnet. 3.4.2.3. Gratisvergabe Eine Gratisausgabe der Zertifikate, die an bisher erlaubte Emissionen anknüpft 3, stellt einen Ausweg aus den oben beschriebenen Problemen dar. Eine kostenfreie Vergabe von Zertifikaten (unbegrenzter Laufzeit) in Anlehnung an die Höhe der bisher genehmigten Emission wirft nicht die verfassungsrechtIichen Probleme des fehlenden Bestandsschutzes auf. Die Primärzuteilung erfolgt z.B. in der Form, daß die auch bisher schon in der Betriebserlaubnis begrenzten Emissionsrechte ihren momentanen "Besitzern" als Zertifikate verbrieft werden. 4 Diejenigen, die die Umwelt nutzen, dürfen sie 1 VgJ. BONUS (1982A) S. 303. 2 VgJ. BLANKENAGEL (1987); BECKER-NEETZ (1988). 3 VgJ. dazu ausführlicher BINSWANGER (1981), S. 88 ff.; KABELITZ (1984), S. 330 ff. VgJ. dazu auch HAHN, NOLL (1982A), S. 137 ff. 4 Um allerdings zu verhindern, daß vor der Einführung eine bisher nicht voll ausgeschöpfte Emissionserlaubnis jetzt vollständig genutzt wird, um möglichst viele Zertifikate zugeteilt zu bekommen, müssen Vorkehrungen getroffen werden, die ein solches Verhalten ausschließen. Beispielsweise könnte für die Zuteilung auf eine zurückliegende Referenzperiode zurückgegriffen werden. Weitere Vorschläge werden auf den folgenden Seiten noch diskutiert. Ein Problem ergibt sich aus der bundesdeutschen Genehmigungspraxis, da bisherige Genehmigungen i.d.R. die Begrenzung der Emission in Frachtwerten (z.B. Kg/Stunde) vorsehen oder eine Begrenzung der zulässigen Konzentration eines Schadstoffes in einer Einheit des aufnehmenden Mediums vorschreiben (z.B. gr/cbm Abluft). In den Fällen in denen der Frachtwert nicht zusätzlich durch eine maximale erlaubte Betriebsdauer einer emittierten Anlage ergänzt ist, bietet sich durch Ausdehnung des bisherigen (nicht permanenten) Betriebs die Möglichkeit zusätzlicher Emission. Eine Begrenzung der Konzentration erlaubt eine Ausdehnung der Emission durch Steigerung beispielsweise des Luftdurchsatzcs. Um die

3.4. Umwcltzcrtilikalc

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auch weiterhin nutzen 1, und diejenigen, die eine neue Anlage errichten wollen, müssen Zertifikate von den Erstbesitzern erwerben. 2 Durch diese Verfahrensweise ändert sich an der bestehenden Umweltsituation zunächst einmal nichts. Das Recht zur Emission bleibt den Unternehmen vorerst uneingeschränkt erhalten.3 Damit entstehen während der Einführung den bisherigen Emittenten keine Kosten durch den Kauf von Zertifikaten. Zudem bedeutet ein solchermaßen verliehener Rechtstitel für die Unternehmen eine Rechtssicherheit dahingehend, daß ungewünschte und nicht vorhersehbare Eingriffe in ihren Finanz- und Leistungsbereich durch Umweltschutzmaßnahmen sich in Grenzen halten und kalkulierbar bleiben. Spontane Korrekturen im Aktionsprogramm der Emittenten und damit einhergehende Planungsunsicherheit werden vennieden. Ein weiterer großer Vorteil einer solchen Ausgabe der Zertifikate ist darin zu sehen, daß keine Finanztransfers vom Unternehmensbereich zum Staat stattfinden. Die bei der Abgabenlösung und auch bei einer Versteigerung der Zertifikate anfallenden Entzugsverluste bleiben aus. Den Emittenten bleibt eine finanzielle Belastung durch den Kauf von Zertifikaten bzw. durch Zahlen von Abgaben an den Staat und zusätzlich durch Kosten der Emissionsvermeidungsmaßnahmen erspart. Allerdings führt die kostenlose Übertragung der Zertifikate zu einer Begünstigung der Altemittenten bzw. generell zu einer Begünstigung derjenigen, die besonders stark emittieren bzw. die in der Vergangenheit besonders wenig in emissionsvermindernde Technologien investiert haben. 4 Für die Altanlagenbesitzer ergeben sich daraus gewisse Vorteile: 5 Diese behalten nicht nur ihre bisherigen Rechte, sondern können darüber hinaus durch den Verkauf von Zer-

Emissionsmenge wirksam zu begrenzen, sind verbindliche Mengenbegrenzungen, wie sie in der Luftreinhaltepolitik in den USA enthalten sind, erforderlich. Die bundesdeutschen Genehmigungen müßten also um die zusätzliche maximale Betriebsdauer und den maximalen Durchsatz des schadstoffaufnehmenden Mediums ergänzt werden oder von vornherein auf Emissionsmengen lauten. Eine mengenmäßige Genehmigung käme einer Zertiflkatelösung sehr entgegen. Allerdings ist die angeführte Ergänzung prinzipiell auch für die anderen Instrumente geboten, da nur so eine absolute Begrenzung der tatsächlichen Emissionsmenge möglich ist. Wir kommen auf diese Problematik in Kap. 5 zurück. 1 Beispielsweise WÜrde ein solches Vorgehen bedeuten, daß die nach dem BlmSchG rechtskräftig erteilten Emissionsgenehmigungen in transferierbare Titel umgewandelt und anschließend kostenlos den Altemittenten zugeteilt würden. Vgl. KABELITZ (1984), S. 333. Vgl. dazu aber das Problem in der Fußnote oben. 2 Aus der amerikanischen Literatur stammt für dieses Verfahren die Bezeichnung -Grandfathering- oder "Grandfather c1ause". Vgl. TIETENBERG (1980A) S. 487. 3 Inwieweit dieses Recht im Falle einer gewünschten Standardverscuärfung eingeschränkt werden kann, z. B. durch Abwertung oder staatlichen Aufkauf der Zertifikate und äbnIiches wird noch gezeigt werden. 4 Sofern das allerdings bisher zulässig war, kann dieses Verhalten den Emittenten nicht angelastet werden. Illegales Verhalten würde nicht durch Vergabe .. belohnt« werden. 5 Die Altemittenten haben aber auch ohne Zertifikate bereits ihre bestehenden Emissionsrechte, erhalten insofern also kein Privileg.

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3. Die Instrumente einer praktischen Umwcllpolilik

tifikaten die Emissionsminderungsmaßnahmen finanzieren. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß dieser Effekt durchaus gewünscht sein kann, da die erhebliche wirtschaftliche Belastung durch die Emissionsreduktion, die die Sanierung der Altanlagen bisher verhindert hat, eingedämmt wird. 1 Häufig wird dagegen anders argumentiert: Im Gegensatz zum jetzigen System müssen die Unternehmen für die Neuanlagen Zertifikate erwerben, während ihnen die Emissionsrechte bisher umsonst überlassen wurden 2. Diese Diskriminierung der Neuanlagen wird als Nachteil der kostenlosen Überlassung der Zertifikate an die Alt-Emittenten3 und auch als Nachteil des Zertifikatemodells insgesamt gesehen. Diese Betrachtungsweise bedarf allerdings der Relativierung. Auch in der heutigen Praxis stellen die genehmigten Emissionen ein kostenloses Recht zur Nutzung der Umwelt dar. Heute wird insofern noch stärker zwischen Neu- und Alt-Emittenten diskriminiert, als daß die heutige Genehmigungspraxis bei Erreichung der festgelegten Belastungsgrenzwerte die Errichtung neuer Emissionsquellen ganz untersagt. 4 Die Diskriminierung zwischen Neu- und Altemittenten ist also kein Spezifikum der Zertifikatelösung. TIETENBERG und auch SIEBERT führen eine Möglichkeit an, die Diskriminierung der Neuemittenten dadurch zu vermeiden, daß bei Ansiedlung neuer Unternehmen neue Zertifikate ausgegeben werden. 5 Dazu darf allerdings das durch den staatlichen Standarad vorgegebene Kontingent noch nicht ausgeschöpft sein oder es muß durch eine Entwertung der bisherigen Zertifikate oder durch einen Rückkauf ein freies Kontingent geschaffen werden. 6 Diese Möglichkeiten werden noch ausführlich dargestellt werden. Ein andere Möglichkeit für die Schaffung von »Neu-Zertifikaten« für Neu-Emittenten könnte die Wahl der Bemessungsgrundlage für die Anfangsverteilung der Zertifikate bieten, für die zwei Wege diskutiert werden: 7

1 "Die Bewrzugung der Alt-Emittenten vor den Neu-Emittenten ist daher nicht einfach nur "pragmatisch" zu verstehen, sondern hat einen ökonomischen Sinn". BINSWANGER (1981), S. 91. 2 "Diesen Betrag (der Neuemittenten für die Zertifikate - Anm. des Verfassers) können wir als Bezahlung des Produktionsfaktors Umwelt betrachten, d.h. als Umweltrente, die dem Besitzer der Emissionsrechte zukommt. Die Rente dient in erster Linie der Bezahlung der Umweltschutz- oder Um· weltentlastuDgskosten, die der Altemittent aufwenden muß, um seine Emissionsrechte verkaufen zu könDen." BINSWANGER (1980), S. 'lff1. 3 VgI. TIETENBERG (198OA) S. 487, sowie SIEBERT (1981), S. 43. 4 VgI. ENDRES (198t'), S. 17. Vgl. auch KEMPER (1985), S. 257 ff.

S VgI. TIETENBERG (198OA) S. 487; SIEBERT (1981), S. 43. Die Problematik der Diskriminierung von Ncucmittcnten wird weiter unten bei der Diskussion von Wettbewerbsproblemen wieder aufgegriffen.

6 Sowohl ein freies Kontingent für Neu-Emittenten als auch eine Standardverschärfung führen zu einer VcrlmapplID8 von Emissionszertiflkaten für den einzelnen Emittenten. 7 VgI. BUNDESKABINETT (1984), S. 14. Vgl. auch BONUS (19848), S. 148 ff.

3.4. UmwcltzcrliCikalc

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• Die Zertifikate werden in der Höhe der bisherigen legalen -Emissionsmenge ausgegeben. 1 • Die Zertifikate werden in der Höhe der Genehmigungen ausgegeben. Durch das zweite Verfahren würde man möglicherweise bisher nicht genutzte Zertifikate erhalten, allerdings wird damit dann die Schaffung erheblicher zusätzlicher genutzter Emissionsrechte einkalkuliert, da die insgesamt genehmigten Mengen in der Praxis nicht immer ausgeschöpft werden. 2 Um Zertifikate in Höhe der bisherigen Emissionen auszugeben, müßten genaue Daten über die einzelbetrieblichen Emissionen vorliegen. Das wird nicht generell der Fall sein.3 Die benötigten Daten müßten deshalb in den Unternehmen ermittelt werden. Die Gefahr dabei ist allerdings, wie schon angesprochen, daß die Unternehmen in der Ermittlungsperiode die Genehmigung gänzlich ausschöpfen, um möglichst viele Zertifikate zugeteilt zu bekommen. Dies kann umweltpolitisch nicht erwünscht sein, da es die ökologischen Zielvorstellungen gefährden könnte. Bei der Ausgabe entsprechend der Genehmigung stellt sich das Problem fehlender Informationen dann nicht, wenn im Genehmigungsantrag neben der Konzentration der Schadstoffe (mg/m3), von der die Genehmigung abhängt, auch der Massenstrom (kg/h) und die maximale Zeitdauer der Emission angegeben werden. 4 Aus diesen Angaben läßt sich die genehmigte Emissionsmenge errechnen. Damit nimmt man möglicherweise vorüber~ehend eine tatsächliche Erhöhung der Emissionen hin5, die anschließend korrigiert werden müßte, beispielsweise durch das unten beschriebene Verfahren der Abwertung . • Einen weiteren Ansatzpunkt für die Anfangsverteilung würde ein Verfahren bieten, wie es in den USA im Rahmen der Luftreinhaltepolitik praktiziert wird.6 Dort sind »Unien des machbaren Fortschritts (Reasonable Further Progress)« in staatlichen

1 Möglich ist auch die Bildung eines Durchschnittes der Emissionsmengen der letzten (z. B. drei) Jahre. Vgl. NIESSLEIN (1983); EBEL, OHLIGMÜLLER, (1983); ZIMMERMANN (1984), S. 18. 2 Vgl. BUNDESKABINETI (1984), S. 14. 3 Vgl. BUNDESKABINETI (1984), S. 14; FUNKE (1984), S. 4. Das Bundesimmissionsschutzgesetz schreibt die Abgabe von Emissionserklärungen in Belastungsgebieten nach § 27 BImSchG sowie für GroßanIagen auch außerhalb von Belastungsgebieten vor. Vgl. BImSchG (1986). 4 Vgl. DREYHAUPT (1978), S. 247. Das ist heute allerdings in der Bundesrepublik nicht durchgehende Praxis. Die Angaben beziehen sich auf den Bereich der Luftreinhaltung. Im Prinzip ist die Praxis im Gewiisserschutz ähnlich. Dazu mehr an späterer Stelle. 5 BONUS sieht darin einen "Preis für langfristige Anreize zur vorzeitigen Modernisierung oder Stillegung von A1taniagen ...". BONUS (1984B) S. 102. Außerdem kann auch eine Auflagenstrategie eine Erhöhung der Emissionen nicht verhindern, da die Genehmigung ja erteilt ist. 6 Vgl. dazu BONUS (1984B), S. 82 ff.

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3. Die Instrumente einer praktischen Umweltpolitik

Vollzugsplänen für Belastungsgebiete 1 enthalten. Diese Linien des machbaren Fortschritts legen eine jährlich durchzusetzende Verringerung der regionalen Gesamtemission bestimmter Schadstoffe fest. Für jedes Jahr werden Sollwerte ausgegeben, die mittels verschärfter Auflagen durchzusetzen sind. Ein so festgeschriebenes Umweltqualitätsniveau könnte dann zum Ausgangspunkt für die Ausgabe der Zertifikate gewählt werden. Den Emittenten würde dann eine solche Menge an Zertifikaten zugeteilt, die einer Emission entsprechen würde, wie sie verbleiben würde, wenn die Emittenten entsprechend der Linie des machbaren Fortschritts investiert hätten. 2 • Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Erstausgabe der Zertifikate nicht ganz unproblematisch und ein "optimales" Verfahren bisher nicht in Sicht ist. Allerdings sind die Probleme nicht alle zertifikatespezifisch, sondern tauchen bei anderen Instrumenten in ähnlicher Form auf. Ein praktikabler Weg ist die Orientierung einer kostenlosen Ausgabe der Zertifikate an die bisher erteilten Genehmigungen nach einem der oben beschrieben Verfahren. Dabei muß allerdings die Möglichkeit bestehen, die Umweltqualität nach und nach zu erhöhen bzw. wenigstens langfristig eine Verschlechterung zu vermeiden. Wie im Falle der Zertifikate solche Möglichkeiten aussehen könnten, wird im folgenden Abschnitt dargestellt. 3.4.3. Verschärfung des ökologischen Rahmens Jedes umweltpolitische Instrument sollte so angelegt sein, daß eine gewünschte oder sogar notwendige Verschärfung eines einmal festgelegten Standards und damit eine Verbesserung der Umweltqualität ohne großen Aufwand möglich ist, wenn eine solche Verbesserung aufgrund neuer wissenschaftlicher oder politischer Erkenntnisse und Rahmendaten angezeigt ist bzw. bestimmte durch Restriktionen im ökologischen Rahmen spezifizierte Situationen eintreten3. Bei Auflagen wird versucht, dieses Ziel durch höhere Anforderungen zu erreichen, Abgaben müßten erhöht werden. Im Falle der Umweltzertifikate bieten sich mehrere Möglichkeiten an, eine Verbesserung der Umweltqualität durchzusetzen. Einmal kann man die Gültigkeitsdauer der Zertifikate in irgendeiner Form begrenzen. Zum anderen könnte man den Nominalwert der Zertifikate von Zeit zu Zeit abwerten, also nicht die Laufzeit direkt begrenzen, sondern die mit dem Zertifikat verbundene Ernissionserlaubnis in ihrer Höhe variabel gestalten. Eine weitere Möglichkeit besteht schließlich darin, daß der Staat die Umweltqualität durch Rückkauf von Zertifikaten auf dem Markt verbessert.

1 Vgl. dazu Gp. 5.4.2.1. 2 Vgl. zu den Linien des machbaren Fortschritts ausführlicher BONUS (1984B), S. 16.48 ff., 82 f. 3 Denkbar ist auch hier ein Verfahren, wie es die angeführten Linien des machbaren Fortschritts darsteUen.

3.4. UmwcllzcnifikaLc

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3.4.3.1. Befristete Gültigkeitsdauer

Die Begrenzung der Gültigkeitsdauer berührt nicht nur die ökologische Wirksamkeit der Zertifikate, indem sie zukünftige Veränderungen der Umweltqualität ermöglicht, sondern sie hat auch wichtige ökonomische Auswirkungen. Je stärker nämlich die Laufzeit befristet wird, beispielsweise auf ein Jahr, desto mehr Einflußmöglichkeiten sind dem Staat gegeben und desto mehr werden der Markt und die durch den Marktmechanismus möglichen allokativen Vorteile begrenzt. 1 Prinzipiell kann ein Zertifikatesystem aber so gestaltet werden, daß dem Besitzer ein unbegrenztes oder ein zeitlich begrenztes Recht zur Schadstoffe mission gewährt wird. 2 In der üteratur wurde lange Zeit die begrenzte Gültigkeit favorisiert. Dabei konzen-

trierten sich die Überlegungen einerseits auf eine konstante Befristung, etwa ein Jahr, oder auf eine Anbindung der Gültigkeit der Zertifikate an die_Abschreibungsdauer der Anlage. 3 Eine Befristung gibt der Umweltbehörde die Gelegenheit, von Zeit zu Zeit die Umweltstandards durch Neuausgabe eines verringerten Schadstoffkontingents zu verschärfen. 4 Der Vorteil aus der damit gewonnenen Flexibilität wird allerdings durch eine erhöhte Investitionsunsicherheit auf der Seite der Emittenten relativiert. 5 3.4.3.1.1. Konstante Befristung

Diese Regelung sieht eine periodisch wiederkehrende Neuausgabe der Zertifikate vor. Jedes Zertifikat berechtigt den Inhaber nur für die Dauer der Periode, eine entsprechende Menge zu emittieren. Nach Ablauf der Periode verlieren die Zertifikate ihre Gültigkeit, so daß der Staat neue Zertifikate ausgeben muß. Damit hat der Staat die Möglichkeit einer periodischen Verbesserung der Umweltqualität durch ständige Verringerung des ausgegebenen Zertifikatekontingents. Die konstante Befristung macht nur Sinn, wenn die Ausgabe mit einer börsenmäßigen Versteigerung verknüpft ist. Sie ist dann aber auch mit den erwähnten Nachteilen eines solchen Ausgabeverfahrens verbunden. 6 Insbesondere die periodisch wiederkehrende Unsicherheit, die für eine weitere Produktion benötigten Zertifikate auch tatsächlich ersteigern zu können, spricht zusammen mit der finanziellen Zusatzbelastung der Emittenten gegen diese Lösung?

1 Bei einer Abgabenlösung führt eine gewünschte Qualitätsverbesserung ebenfalls zu ökonomischen Einbußen, wie später noch gezeigt wird. 2 Vgl. TIETENBERG (1980), S. 498. 3 Vgl. DALES (I968B), S. 95. 4 Vgl. TlETENBERG (1974); DA VlD u.a.(198O), S. 264 ff. 5 Vgl. TIETENBERG (1980), S. 498. 6 Eine periodische Gratisausgabe eines ständig verringerten Kontingents käme der später besprochenen AbwertUDgSlösung gleich. 7 Die Befürworter dieser Rcgclung versprcchcn sich davon die Vcrmeidung einigcr an spätcrer Stelle noch zu erörternder wCllbewcrbspolitischer Probleme. Vgl. KABELITZ (1984), S. 317.

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3. Die Instrumente einer praktischen Umweltpolitik

3.4.3.1.2. Ankoppelung der Laufzeit an die Abschreibungsdauer der Anlagen

Diese Lösung sieht vor, die Gültigkeit eines Zertifikates an die Abschreibungsdauer der emittierenden Anlage zu koppeln. 1 Die Zertifikate sind auf bestimmte Anlagen bezogen. Ist eine Anlage abgeschrieben, fällt das Zertifikat an den Staat zurück, der es einbehalten kann, um die Umweltqualität zu verbessern, oder zum Marktpreis an andere Emittenten verkauft. Die Handelbarkeit wird allerdings beträchtlich eingeschränkt, was dann zu Abstrichen an der später noch ausführlich behandelten allokativen Vorteilhaftigkeit der Zertifikate führt. Die Emittenten können zwar die Zertifikate bereits vor Laufzeitende verkaufen, allerdings eben nur noch mit verkürzter Laufzeitdauer. Hier, wie auch bei konstanter Laufzeitbeschränkung, gilt, daß der erzielbare Preis, bzw. der Nutzen für den Kauf und damit der Anreiz zum Handel mit der Restlaufzeit abnimmt. Es entsteht ein Zwei-Klassen-Zertifikatesystem2 mit einem Markt für langfristige Zertifikate und einem für kurzfristige Zertifikate, auf dem die Zertifikate mit Restlaufzeit gehandelt werden. Zum einen gibt also die Umweltbehörde neue, an die wirtschaftliche Lebensdauer einer Anlage gekoppelte Zertifikate aus, die nur von den Betreibern neuer Anlagen erworben werden können. 3 Zum anderen werden Zertifikate mit unterschiedlichen Restlaufzeiten zwischen Unternehmen, die ihre Emissionen unabhängig von einer Veränderung ihrer Anlagen ausdehnen oder verringern, gehandelt. Mit einer solchen Lösung sind eine Reihe von Problemen verbunden. Auch hier tritt wieder ein erhöhtes Investitionsrisiko und eine starke finanzielle Belastung der Unternehmer auf, da regelmäßig neue Zertifikate beschafft werden müssen, wenn eine Emissionsverringerung nicht gelingen sollte. Schließlich stellt sich auch hier das Problem des Bestandsschutzes bestehender Anlagen. Deswegen werden auch dieser Lösung keine Realisierungschancen eingeräumt. 3.4.3.2. Unbefristete Gültigkeitsdauer

Diese Nachteile ergeben sich nicht, wenn die Zertifikate eine unbefristete Laufzeit aufweisen.4 Werden unbefristete Zertifikate zudem - wie oben diskutiert - gratis ausgegeben, so werden bereits angesprochene juristische Probleme 5 des Bestandsschutzes vermieden. Den Emittenten gewähren solche Zertifikate zudem die erforderliche größere Planungssicherheit6, da sie nicht mehr fürchten müssen, irgendwann gänzlich ohne Zertifikate dazustehen. 1 Vgl. BINSWANGER, BONUS, TIMMERMANN (1981), S. 156 f. 2 Daß Märkte zur Abwicklung eines solchen Zwei-Klassen-Systems in der Lage sind. zeigt eindrucksvoll das Beispiel der Wertpapierbörsen, an denen Papiere unterschiedlicher Laufzeit (z.B. Obligationen und Bonds) gehandelt werden. 3 VgI. BONUS (l981A), S. 118. 4 Vgl. BINSWANGER (1981), S. 88 ff. 5 VgI. Gp. 3.4.2.2 sowie auch Gp. 3.4.3.4. 6 Zur Kontroverse über eine damit geschaffene Diskriminierung der Neuemiuenten vgl. Gp. 3.4.2. und 5.2.3.

3.4. UmwcllzcrtiCikatc

53

Sollen solche unbefristeten Zertifikate allerdings praktisch zum Einsatz kommen. dann muß eine andere Möglichkeit, als es die Befristung darstellt. gefunden werden, um eine zukünftige Verbesserung der Umweltqualität zu ermöglichen, da das Instrument in dynamischer Sicht sonst entscheidend an ökologischer Wirksamkeit verlieren würde. Hier bietet sich einmal ein Ankauf bzw. Rückkauf von Zertifikaten durch den Staat an. Zum anderen könnte man die Möglichkeit einer regelmäßigen begrenzten Entwertung der unbefristet gültigen Zertifikate vorsehen. 3.4.3.3. Staatlicher Aufkaufvon Zertifikaten Ein staatlicher Aufkauf von Zertifikaten würde den Vorteil bieten, daß eine Verschärfung von Umweltstandards ohne nennenswerte politische Widerstände möglich wäre. Konsequent wäre ein solcher Aufkauf aber wohl nur in Form eines Rückkaufs bei anfänglicher Versteigerung der Zertifikate. Denn dann könnte der Staat den Rückkauf aus den bei der Versteigerung erzielten Einnahmen bestreiten. Ein Aufkauf durch den Staat bei anfänglich freier Vergabe der Zertifikate würde dagegen die Lasten einer Verbesserung der Umweltqualität allein dem Staat und damit der Allgemeinheit aufbürden und den Emittenten einen Teil der Anreize zur Emissionsdrosselung nehmen. 1 Bei anfänglicher. einmaliger oder periodischer Versteigerung der Zertifikate wäre eine Verschärfung des Standards durch Rückkauf allerdings nur folgerichtig. Da der Rückkauf der Zertifikate bei den Emittenten mit Einnahmen verbunden ist, wird diesen die finanzielle Belastung sowohl durch die Ersteigerungskosten als auch durch Kosten der Standardverschärfung teilweise kompensiert. Eine Anpassung an die Verknappung der Zertifikate fällt so leichter. 2 Man spricht bei diesem Vorgehen auch von einer Offenmarktpolitik3 des Staates auf dem Markt für Zertifikate, die es jederzeit erlaubt. einen zu hoch oder zu niedrig erachteten Standard zu verändern. 4 3.4.3.4. Begrenzung der nominalen Gültigkeit durch Abwertung Eine Alternative zu einer befristeten Ausgabe der Zertifikate oder zu einem staatlichen Ankauf der Zertifikate ist in der Idee zu sehen. die in Zertifikaten verbrieften Emissionsrechte in bestimmten Zeitabständen abzuwerten. um so eine gewünschte Verschärfung eines Standards durchzusetzen. Eine Drosselung der Emissionshöchstmenge wird so ohne großen Verwaltungsaufwand 1 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß ein "Kauf" von Emissionsrechten durch den Staat bei uns nicht unbekannt ist. denn nichts anderes stellen Subventionen für Umweltschutzmaßnahmen bzw. Steuererleichterungen dar. VgJ. BENKERT (1984), S. 133. VgJ. dazu auch TIETENBERG (1980), S. 399. TIETENBERG spricht im Fall eines solchen Ankaufs vom »governmeDt-pays-principle«.

2 VgJ. SCHATZ (1983), S. 249. 3 VgL dazu BONUS (I98IA), S. 119. 4 VgL FROHWEIN (1976), S. 260. Eine solche Offenmarktpolitik wird auch als Gegenmaßnahme für eine eventuelle Hortung von Zertifikaten zur Erzielung spekulativer Gewinne vorgeschlagen. Siehe dazu Gp. 5.2.3.

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3. Die Instrumente einer praktischen Umweltpolitik

möglich, indem die Inhaber von Zertifikaten von deren jeweiligem Nennbetrag einen bestimmten Abschlag vorzunehmen haben. Der Abwertungssatz hängt dabei von den ökologischen Zielgrößen ab und wird umso höher ausfallen, je stärker die Emissionshöchstbelastung herabgesetzt werden soll.1 Um hier nicht auch das Problem der Planungsunsicherheiten bei den Unternehmen entstehen zu lassen, ist es sinnvoll, die Zertifikate bereits bei ihrer (Gratis-)Ausgabe mit einer Kennzeichnung zu versehen, die sowohl die zukünftigen Abwertungssätze als auch die Zeitpunkte fixiert und diese somit unternehmerisch von vornherein mit einkalkuliert werden können. 2 3 Nach Möglichkeit sollte immer eine rechtzeitige Ankündigung einer geplanten Abwertung erfolgen, um über hastete Anpassungsreaktionen der Emittenten zu vermeiden. Eine solche Abwertung ließe erst die Möglichkeit der Gratisausgabe grundsätzlich unbefristeter Zertifikate als ökologisch sinnvolle Alternative erscheinen. 4 Damit könnte man dann auf die anderen diskutierten Vorschläge einer Verschärfung der Standards und damit einhergehender Probleme verzichten. 5 Zum Schluß soll die Funktionsweise von Zertifikaten an folgender Abbildung veranschaulicht werden.

1 Vgl. dazu u.a. BONUS (1983A). 2 Dabei sind durchaus unterschiedliche Abwertungssätze für Zertifikate des gleichen Schadstoffs denkbar. Diese unterschiedlichen Abwertungsätze werden sich dann im Preis der Zertifikate bemerkbar machen. Solche unterschiedlichen Abwertungssätze wären möglicherweise vorteilhaft, wenn in sehr kurzer Zeit eine beträchtliche Verbesserung der Umweltqualität erzielt werden soll. 3 Bei dauerhaften Zertifikaten kann allerdings eine nicht angekündigte Abwertung nicht völlig ausgeschlossen werden, da neue Erkenntnisse oder eine Fehleinschätzung der den ökologischen Rahmenbedingungen bisher zugrundegelegten Schadwirkungen zu einer Anpassung der ökologischen Rahmenbedingungen und damit der Emissionskontingente zwingen könnten. 4 So sind in der Bundesrepublik Vorschläge zur Diskussion gestellt worden, die vorsehen, daß beispielsweise zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt alle Betreiber von Schwefeldioxid emittierenden Anlagen EmissionszertifIkate kostenlos erhalten. Die Höhe des Gesamtkontingents an Zertifikaten und die individuelle Zuteilung wird an Hand der in den vergangenen 3 Jahren jeweils emittierten S02-Menge bestimmt. Eine vorab damit verknüpfte regelmäßige Abwertung der Zertifikate sorgt für eine schrittweise Erreichung eines angestrebten Umweltqualitätsziels. Vgl. ZIMMERMANN (1984), S. 28; NIESSLEIN (1983); EBEL, OHUGMÜLLER (1983). Diese Vorschläge beziehen sich zwar speziell auf die Luftreinhaltung. Eine Übertragbarkeit auf andere Umwelt medien und Schadstoffe ist aber prinzipiell denkbar. 5 Im heutigen Immissionsschutzrecht würde einer Abwertung die nachträgliche Anordnung entsprechen, die allerdings einzelfallbezogen erfolgt. Von Juristen wird heute die Ansicht vertreten., daß Abwertungen von Emissionskontingenten durchaus verfassuni15verträgljch seien. Ebenso wird auch eine generell begrenzte GeItungsdauer für rechtskonform erachtet. Vgl. BLANKENAGEL (1987), S. 88. Sollte die Enteignungsproblematik des Grundgesetzes sich aber tatsächlich stellen, so könnte diese etwa dadurch entschärft werden, daß den Betreibern die Option gegeben wird, entweder Auflagen wie bisher oder transferierbare Zertifikate in der Umweltpolitik anzuwenden. Entscheiden sie sich für Zertifikate, so geben sie mit dieser Wahl ihr Einverständnis zu (denkbaren) späteren Abwertungen.

3.4. Umwcltzcrtifikatc

55

DM

P3 I-------"I~ P2 .-----t--"... P,~----+--~-~

(Abbildung 6)

Im Abb. 6 gibt die UmweItbehörde in einem ersten Schritt an die bisherigen Emittenten gratis Zertifikate in Höhe ihrer bisherigen UmweItbelastung aus, sodaß die Umweltqualität QO sich zunächst nicht verändert. Dann erfolgt eine Abwertung der Zertifikate genau um den Prozentsatz der die gewünschte Umweltqualität QI sicherstellt. Dabei wird sich am Markt ein Preis von PI für die verbleibende Zertifikatemenge ergeben. Weitere UmweItqualitätsverbesserungen sind durch Abwertungen auf Q2 und Q3 möglich, wobei der Preis für die Zertifikate in statischer Betrachtungsweise auf P2 bzw,P3 steigt. 3.4.4. Multischadstoffzertifikate

Bei der Konkretisierung eines Zertifikatemodells stellt sich die Frage, ob sich die Zertifikate jeweils nur auf einen einzelnen Schadstoff beziehen oder ob die Schaffung von Multischadstofflizenzen sinnvoll und möglich ist. Aus Gründen der administrativen Vereinfachung wären Multischadstofflizenzen sicherlich wünschenswert, würden diese die Erfassung einer Vielzahl von Schadstoffen durch ein Zertifikatemodell doch erleichtern. Fordert man aus ökologischen Erwägungen die Erfassung sämtlicher Schadstoffe, so bedeutet das für eine auf Einzelschadstoffzertifikate beruhende Lösung, daß für jeden dieser Schadstoffe im ökologischen Rahmen ein Standard bzw. ein regionales Kontingent festgelegt werden muß und in entsprechendem Umfang Zertifikate verbrieft werden. 1 Neben den heute bekannten über tausend spezifischen Schadstoffen gibt es noch über sechzigtausend unerforschte Chemikalien, deren ökologische Wirkungen, mögliche Langzeiteffekte, kumulierende Umweltbelastungen und synergetische Effekte weitge1 Vgl. CASPERSEN (1983), S. 76.

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3. Die Instrumente einer praktischen Umweltpolitik

hend unbekannt sind. 1 Aufgabe der Umweltpolitik kann es daher nicht sein, alle nur erdenklichen Substanzen zu berücksichtigen. Vielmehr ist eine Beschränkung auf wesentliche Schadstoffe erforderlich, wie es auch gängige Praxis in der Umweltschutzgesetzgebung der Bundesrepublik ist. 2 Zertifikate machen immer dann Sinn, wenn (1) mehrere Emittenten als Marktpartner vorhanden sind und (2) ein Austausch mit den ökologischen Rahmenwerten zu vereinbaren ist. d.h. Substitutionsmöglichkeiten zwischen Emissionsquellen existieren, die den ökologischen Rahmen nicht verletzen. 3 Zur Kontrolle einer begrenzten Anzahl von Schadstoffen eignen sich dann prinzipiell auch Einzelschadstoffzertifikate. Die Zahl der zu kontrollierenden Schadstoffe darf dabei vermutlich recht hoch sein, da das Beispiel Börse uns zeigt, daß Märkte durchaus in der Lage sind, eine Vielzahl von handelbaren Objekten zu bewältigen. Als Möglichkeit dagegen, alle Schadstoffe mit dem Zertifikateansatz zu erfassen, werden sogenannte "aggregate emission targets" diskutiert, bei der der Umweltstandard in Form von Schadstoffäquivalenten ausgedrückt wird.4 Solche schadstoffspezifisch gewichteten Zertifikate könnten den Zertifikateansatz und den Handel mit Zertifikaten vereinfachen, weil man für schädliche Substanzen einen einheitlichen, geldähnlichen Maßstab hätte. 5 Im Bereich des Gewässerschutzes gibt es in der Bundesrepublik Ansätze einer aggregierten Bewertung unterschiedlicher Schadstoffe durch Schadeinheiten. So werden bestimmte, weiter unten beschriebene abbaubare Stoffe zum BSB zusammengefaßt. Noch weiter geht die Schadeinheit, die der Abwasserabgabe zugrunde1iegt. Hier werden abbaubare und nicht abbaubare bzw. schwer abbaubare Schadstoffe mit unterschiedlichen Gewichten in Schadeinheiten als Bewertungsgrundlage für die Abgabenzahlung erfaßt. 3.4.5. Exkurs: "Verbriefte Verhandlungsrechte": Zertifikate und Coase-Theorem

Wie bereits diskutiert wurde, beruht die von Coase untersuchte Verhandlungslösung auf "ad hoc"-Konsultationen zwischen dem physikalischen Verursacher einer Umweltver1 Vgl. RUBIK (1985), S. 14. 2 VgI. CASPERSEN (1983), S. 76. 3 Das zweite Kriterium spricht schadstoffspezifische Ausbreitungs· und Assimilationseigenschaften (vgl. Gp. 4.1.3.) und die Probleme der räumlichen Differenzierung von umweltpolitischen Instrumenten zur Vermeidung räumlicher Schadstoffkonzentrationen an. Vgl. dazu ausführlich Gp. 4.1.4. und 5.4. 4 Vgl. TIETENBERG (I980A), S. 499. 5 Vgl. CASPERSEN (1983), S. 75. Wegen synergetischer Effekte und unterschiedlicher Wirkungen der einzelneD Schadstoffe und der daraus resultierenden Gewichtungsproblematik werden solche Mul· ti.schadstollzertifikate bisweilen als wenig praktikabel angesehen. Vgl. RUBIK (1985), S. 14. Diese Proble· matik taucht prinzipieU auch bei Auflagen und Abgaben auf. In den USA wurden im Rahmen des Emissi· ous TradiDg "interpoUutant offsets« in der Luftreinhaltepolitik praktiziert. Vgl. dazu Gp. 3.5. und 5.8. Vgl. dazu auch BONUS (1984B), S. 27. Vgl. zu Schadstoffmteraktionen und deren Einfluß auf die umweltpoli· tischeD InstrumeDte auch BONUS (1976), S. 222 f.; ENDRES (1985A, 1986B)

3.4. UmwcllZcrlilikalc

57

schmutzung, den wir hier als Emittenten bezeichnen wollen, und den davon betroffenen Geschädigten. Es bedarf dabei nicht der Festlegung von Umweltstandards durch eine Umweltbehörde, da sich die pareto-optimale Umweltqualität (Ansatz 1 in Gp 1.3.) selbständig im Verhandlungsprozeß einstellt.! Analytisch betrachtet ergibt sich die paretooptimale Umweltqualität nach Ansatz 1 dann, wenn die marginale Zahlungsbereitschaft der Emittenten für weitere Emissionen 2 gleich der marginalen Zahlungsbereitschaft der Geschädigten für eine Emissionsverringerung und damit eine Qualitätsverbesserung ist. 3 Zu den Geschädigten zählen beispielsweise an einem fluß die Anlieger, die Fischer, Erholungssuchende, Wasserwerke, Kommunen oder Produzenten, die unbelastetes Wasser benötigen. Ginge man jetzt davon aus, daß die Umweltbehörde Emissionsrechte in Höhe der gegenwärtigen Emissionen verbrieft, so könnte man diese als Verhandlungsrechte ansehen. 4 Die Emittenten werden Rechte erwerben bzw. halten, solange diese niedrigere Kosten verursachen als die Vermeidung der Emission. Die Geschädigten, die hier als "Umweltschützer" bezeichnet werden sollen, könnten durch den Erwerb von Rechten die Umweltqualität verbessern, da jedes von ihnen erworbene, aber nicht ausgeübte Recht die Emissionen verringert.5 Unter den (realitätsfremden) Annahmen6, daß alle Umweltschützer sich zusammenschließen und sie die gemeinsame Zahlungsbereitschaft7 korrekt wiedergeben, würden sie solange Rechte erwerben, wie ihre marginale Zahlungsbereitschaft für Umweltqualität das zuließe. Folgende Graphik veranschaulicht den Zusammenhang:

1 Vgl. COASE (1960).

2 Diese marginale Zahlungsbereitschaft entspricht den marginalen Vermeidungskosten.

3 Die marginale Zahlungsbereitschaft der Geschädigten entspricht den marginalen Schadenskosten. 4 Hier wird der Laissez-Faire-Fall diskutiert, da diese Variante der rechtlichen Ausgangssituation am ehesten entspricht.

5 Hier tritt ein in der Realität auftretender Interessenunterschied zwischen Emittenten und Umweltschüt-

zem auf, der allerdings prinzipiell in der Umweltproblematik gilt. Emittenten sind prinzipiell an der erlaubten Emissionsmenge interessiert. Umweltschützer dagegen interessieren sich nur für die Umweltqua1itit, also für die Immission. Der Zusammenhang wird durch die schon erwähnten Diffusionsprozesse beschrieben.

6 VgI. zum Rcalitätsgehalt dieser Annahmen OPPENHEIMER, RUSSEL (1983) und die dort angegebene Literatur.

7 Die grunckätzliche Problematik einer pareto-optimalen Internalisierung externer Effekte wird hier nicht wieder aufgegriffen. Vgl. dazu Gp. 13.1.

58

3. Die Instrumente einer praktischen Umwellpolilik

DM

I

~--------~----------"U8 Emissionsrechte Emissionsrechte bei bei den Emittenten

den Umweltschützern

(Abbildung 7) In Abb. 7 gibt MZB E die marginale Zahlungsbereitschaft der Emittenten für das Recht zur Emission wieder, MZB U die marginale Zahlungsbereitschaft der "Umweltschützer" für die Stillegung dieser Emissionsrechte. Unabhängig von der Anfangsausstattung mit Emissionsrechten - Verteilungswirkungen werden hier nicht berücksichtigt - wird sich am Markt ein Gleichgewicht bei X· einstellen. Die Emissionsrechte links von X· werden von den Emittenten gehalten, die Emissionsrechte rechts von X· werden von den "Umweltschützem erworben und damit stillgelegt. Die Einwände gegen dieses System sind die gleichen wie beim Coase-Theorem. Der Haupteinwand gegen ein solches System ohne Standards besteht darin, daß die mit der Organisation der Umweltschützer zu einer geschlossen handelnden Gruppe verbundenen Transaktionskosten sehr hoch sind, weil es sich um eine Vielzahl von Beteiligten handelt und der Beitrag des Einzelnen kaum Gewicht hat. 1 Ein noch wichtigerer Einwand aber ist der, daß die Rechte, die von den Emittenten gehalten werden, private Güter sind, die allein dem Halter zugute kommen, da sie nur ihn zur Emission berechtigen, während die Rechte, die die Umweltschützer halten bzw. erwerben, die Eigenschaften öffentlicher Güter aufweisen, da niemand von den Vorteilen der Emissionsverringerung ausgeschlossen werden kann. Daher muß in diesem Falle für die Gruppe der Umweltschützer ein Verfahren entwickelt werden, deren Zahlungsbereitschaften korrekt zu bündeln. 2 Die damit verbundenen Probleme, die Ermittlung der marginalen Zahlungsbereitschaft bzw. der marginalen Schäden dürften erheblich sein bzw. zu immensen Informationskosten führen. Deswegen treten fast alle jüngeren Untersuchungen über Zertifikatelösungen für die Festlegung von Umwelt,-!ualitätsstandard.s ein. 3 1 Vgl. die Ausführungen zum Gefangcnendilemma in Gp. 1.1. 2 Vgl. HOWE, LEE (1983), S. 282 f. 3 Vgl. dazu etwa Arbeiten in der amcrikanischen Literatur von TIETENBERG (1974, 1980, 198OA); TIE-

3.4. UmWCllZCrlifikatc

59

HOWE und LEE allerdings halten ein solches Verfahren für sinnvoll und möglich. "Obviously, this can be defeated by the 'free-rider' problem and other strategic misrepresentations of willingness-to-pay".1 "We argue here that complete systems will, over the long term, have net social advantages over standards-based systems.,,2 Sie halten die FreiFahrer-Position für überwindbar, so, wie es Olson gezeigt hat. 3 Zwar gestehen sie ein, daß Transaktionskosten nicht ganz zu vermeiden sind, aber "transaction costs are found in all markets and they are real resource costs .... Thus they playa role in deterrnining the level of ambient environmental quality'04 und weiter 'The only relevant question is whether or not the overall results of relying on the operation of a 'complete' pollution rights system are likely to be superior to a rights system based on the achievement of standards. There are several reasons why the complete system is likely to be superior over the long term."5 Ohne die Gründe für eine Überlegenheit dieses "Complete-Permit-System" über ein Standard-Perrnit-System zu diskutieren, wollen wir hier der Auffassung von Howe und Lee nicht folgen, da die zugrundegelegten Annahmen realitätsfremd sind und zudem die Einwände in Gp. 1.3.1. gegen eine Pareto-optimale Internalisierung externer Effekte auch hier ihre Gültigkeit behalten: Die Organisation der Umweltschützer im erforderlichen Maße und die Unterstellung der korrekten Wiedergabe ihrer Präferenzen ist äußerst problematisch.6 Zu groß ist die Zahl der Beteiligten, zu groß die aufzubringenden Beträge7 und zu unterschiedlich sind die Beteiligten in ihren Interessen. Sollen die hohen Beträge, die benötigt werden, zustandekommen, müssen sich beispielsweise Fischer, Anlieger, Produzenten und Kommunen als Nutznießer sauberer Gewässer in zahlungskräftigen Interessengemeinschaften zusammenfinden. Aber selbst wenn es eines Tages gelingen sollte, eine so finanzkräftige und schlagkräftige Umweltschutzorganisation aufzubauen, bleibt das Problem, daß möglicherweise der ökonomisch optimale Prozeß der Emissionsvermeidung nicht der ökolo~sch Richtige ist. Man müßte den Umweltschützern zusätzlich die Fähigkeit zugestehen, ein langfristiTENBERG (1985); ATKINSON, LEWIS (1974); ATKINSON, TIETENBERG (1982, 1984). 1 HOWE, LEE (1983), S. 283. 2 HOWE, LEE (1983) S. 286. 3 Vgl. OLSON (1968). Vgl. im deutschsprachigen Raum BOETICHER (1974). 4 HOWE, LEE (1983), S. 286. 5 HOWE, LEE (1983), S. 287. 6 Damit schließen wir nicht aus, daß in Zukunft ein mächtiger, schlagkräftiger Zusammenschluß möglich ist, da die Sensibilisierung für Umweltprobleme bisher schon stark zugenommen hat und noch weiter zunehmen dürfte, und damit die Zahlungsbereitschaft der einzelnen Umweltschütler ansteigen dürfte. 7 Beispielsweise errechnen HAHN und NOLL an jährlichen Kosten für die Erreichung des Umweltqualitätsstandards für S02 im "South Coast Air Basin of California" 100 Millionen Dollar. Vgl. HAHN, NOLL (1982). - Einen Einblick in die fmanziellen Möglichkeiten von Umweltschutzgruppen geben Oppenheimer und Russe~ die zu dem Schluß kommen: "Tbe contrast between those environmental group resources and the prospective cast of permits could hardly be more stark." OPPENHElMER, RUSSEL (1983), S. 142.

60

3. Die Instrwnente einer praktischen Umweltpolitik

ges ökologisches Gleichgewicht in ihrer Zahlungsbereitschaft mit zu berücksichtigen. Diese Fähigkeit soll ihnen zukünftig hier nicht abgesprochen werden. Warum sollten Umweltschützer in Zukunft nicht ebenso wie Umweltpolitiker in der Lage sein, Experten mit der Definition ökologisch konformer Qualitätsstandards und Emissionsnormen zu beauftragen. Heute aber übernimmt genau diese Aufgabe noch die Politik, und deswegen werden hier Instrumente präferiert, die zuvor die Definition einer bestimmten UmweltquaIität erfordern. Allerdings sollten an einem möglichen Zertifikate handel ausdrücklich auch die Geschädigten teilnehmen dürfen, um auf diese Weise Emissionsgenehmigungen stillzulegen und damit einen offensichtlich gegenüber dem staatlichen Standard gewünschten höheren Standard zu realisieren. l

3.5. Emissions Tradinr Das amerikanische Emissions Trading Programm wird bei uns unter dem Stichwort marktwirtschaftliche Kompensationslösungen diskutiert. 3 Die Kompensationslösungen gehen von dem gleichen Grundgedanken wie die Zertifikatelösung aus. Beiden Lösungsansätzen schwebt eine Übertragbarkeit der Emissionsrechte vor. Das Recht zur Emission wird von der direkten Emissionsquelle losgelöst. Die Übertragbarkeit im Falle der Kompensationslösungen ist aber im Vergleich zur Zertifikatelösung mit Beschränkungen verbunden. Aber auch bei den Kompensationslösungen wird den Unternehmen eine stärkere Eigenverantwortung bei der Durchführung staatlicher Auflagen eingeräumt. Sie haben die Möglichkeit, eine von einer Auflage verlangte Emissionsminderung mit emissionsmindernden Maßnahmen an anderen eigenen oder fremden Anlagen oder auch zeitlich unterschiedlich anfallende Maßnahmen und Auflagen in gewisser Weise zu verrechnen. In der Bundesrepublik werden Kompensationsregelungen seit der Einführung des sogenannten Emissions Trading Programmes in den Vereinigten Staaten diskutiert. Die Instrumente dieses Emissions Trading Programmes bestehen aus der »Bubble Policy«, der »Offset Policy«, dem »Emissions-Reduction Banking« und der »Netting-Policy«. Alle Instrumente lassen sich auch unter dem Begriff Emissionsguthabenpolitik subsu-

1 VgJ. dazu Gp. 1.3.2., Abb 1D und 1E. Auch DALES fordert beispielsweise ausdrücklich die Teilnahme· möglichkeit der Umweltschützer am Zertifikatehandel. "Anyone should be able to buy rights:' DALES (1968A), S. 801. VgJ. auch DALES (1968B), S. 95. Zur Diskussion von ähnlichen Verhandlungs. rechtelösUDgen vgJ. auch WEGEHENKEL (1980; 1981; 1986). 2 An dieser Stelle erfolgt nUT eine knappe Beschreibung der Funktionsweise des Emissions Trading Pro· lVammes und seiner Komponenten. Eine ausführliche Diskussion erfolgt in Gp. 5.8. VgJ auch Gp. 5.4.2.1. 3 VgJ. zum Emissions Trading Programm und Problemen der Umsetzung in den USA U.S.GENERAL ACCOUNTING OmCE (1982); BRADY, MORRISON (1982); HAHN, NOLL (1983); HAHN, HE· STER (1987); UROFF (1980); UROFF (1986) sowie als deutsche Publikationen die sich auch mit Über· tragungYllöglichkeiten und Ansätzen eines solchen ProlVamms in der Bundesrepublik befassen: BONUS (l984B); REHBINDER, SPRENGER (1985); CANSIER (1986), S. 210 ff.

3.5. Emissions Trading

61

mieren, da solche Emissionsguthaben das zentrale Element dieser Politik darstellen. 1 • Bubble- Politik (Emissionsverbund)2 Die Bubble-Policy gestattet die Erfüllung einer Auflage durch eine Reduktion von Emissionen anderer Anlagen. Der Emissionsverbund darf nur für A1tanlaf:en, die den gleichen Schadstoff ausstoßen, gebildet werden. Die "Blasenbildung", d.h. die Zusammenfassung mehrerer emittierender Einzelquellen zu ~ Gesamtquelle kann betriebsübergreifend erfolgen, ist aber insgesamt auf benachbarte Quellen beschränkt. Es wird gleichsam eine imaginäre Glocke über die beteiligten Emissionsquellen gestülpt, aus der insgesamt nur eine solche Schadstoffmenge entweichen darf, die den addierten Emissionsmengen der Einzelanlagen bei Beachtung der für diese geltenden Normen entspricht. 3 Innerhalb eines Bubbles ist es somit unerheblich, welche Menge eine einzelne Anlage emittiert, solange die Gesamtemission die Summe der erlaubten Einzelemissionen nicht übersteigt und damit eine Verschlechterung der Luftqualität gegenüber den vorher geltenden Auflagen vermieden wird. Vorgeschlagene Bubbles müssen in der Regel sowohl von den Behörden der einzelnen Bundesstaaten als auch von der Bundesumweltbehörde der Vereinigten Staaten4 überprüft und genehmigt werden. 5 Die Bubble-Politik führt zu einem größeren Grad an Autonomie der Betreiber, da ihnen eine gewisse Entscheidungsfreiheit bei der Art und Weise der Erfüllung von Emissionsvorschriften gegeben wird. Die Erfüllung der Auflage kann dort erfolgen, wo sie verhältnismäßig kostengünstig ist. • Offset-Politik (Ausf:leichsstratef:je) Die heute in den USA praktizierte Offset-Politik stellt eine Lockerung des Clean Air Act von 1970 dar, in dem eine Neuerrichtung von Anlagen in Belastunf:Sf:ebjeten6 untersagt war, solange gewisse Standards durch diese Neuanlagen nicht eingehalten wurden. 1 Die Emissionsguthaben werden in den Vereinigten Staaten Emission Reduction Credits (ERC) genannt. 2 Vgl. zu den Instrumenten des Emissions Trading in der deutschsprachigen Literatur BONUS (I984B); REHBINDER, SPRENGER (1985). 3 Vgl. UROFF (1986), S. 14. 4 Environmental Protection AgeDl:y (EPA). 5 Die Bundesstaaten dürfen allerdings sogenannte »generic rules« aufsteUen. die es ihnen ermöglichen, Transaktionen innerhalb des Emissions Trading Programms ohne die Zustimmung der EPA zu genehmigen. Auf die generic rules wird an späterer SteUe noch näher eingegangen. 6 Gebiete sind in Bezug auf bestimmte Schadstoffe immer dann Belastungsgebiete, wenn nationale Immissionsnormen für diese Schadstoffe überschritten werden. Vgl. zum Begriff detaillierter Gp. 5.4.2.l. Vgl. auch BONUS (1984B), S. 15.

62

3. Die Instrumente einer praktischen Umweltpolitik

Durch Einführung der Offset Policy ist eine Neuerrichtung dann möglich, wenn innerhalb desselben Betriebes ("internal offsets") oder betriebsübergreifend ("external offsets") eine im Verhältnis zur zusätzlichen Belastung durch die neue Anlage überproportionale Emissionsdrosselung bei bestehenden Anlagen erfolgt ist.! Ein Vorteil der Offset-Politik liegt in der Tatsache, daß in Belastunisiebieten weiteres Wirtschaftswachstum möglich ist und gleichzeitig durch die Überkompensation eine Luftqualitätsverbesserung eintreten kann. 2 Ursprünglich wurde die »offset policy« nur für den Einsatz in Belastungsgebieten zugelassen. Inzwischen können Offsets aber auch in Reinluftgebieten3 verwendet werden. Zusätzliche Emissionen müssen hier in einem Umfang ausgeglichen werden, der die ~ stehende Umweltqualität nicht beeinträchtigt.4 • Bankini Beim Banking brauchen Emissionsreduktion und Auflage nicht zeitgleich erfolgen. Einmal erfolgte, über die Anforderung hinausgehende Emissionsminderungen, die von den Unternehmen nicht oder nicht in vollem Umfang zur Durchführung von Offsetoder Bubble-Transaktionen verwendet wurden, können gutgeschrieben und zu einem späteren Zeitpunkt verwendet werden. Die Gutschriften können aber auch an andere Betreiber verkauft oder verpachtet werden. Die Banking-Policy kommt der oben vorgestellten Zertifikate lösung am nächsten, da hier tatsächlich schon handelbare Emissionsrechte in verbriefter Form vorliegen. • Nettini-Politik Die Netting Policy gilt nur für bestehende Anlagen und ermöglicht den Betreibern dieser Anlagen bei Ausbau oder Veränderung schadstoffemittierender Anlagen, die in diesem Fall notwendigen Genehmigungsverfahren für Neuanlagen5 zu vermeiden. 6 Modifizierte Anlagen sind normalerweise immer dann gehalten, die Standards für Neuanlagen 7 zu erfüllen, wenn die mit der Modifikation verbundenen Emissionen bestimmte Grenzwerte überschreiten.8 1 Ausgleichsoperationen zwischen Schadstoffen mit "gleicher" Umwelteinwirkung hat es vereinzelt auch gegeben ("interpoUutant offsets"). Vgl. auch Gp. 3.4.4.; BONUS (1984B), S. 27. 2 Vgl. HAHN; NOLL (1983), S. 68. 3 PSD - Gebiete. Vgl. auch Gp. 5.4.2.1. 4 In manchen Reinluftgebieten sind höchstzulässige Emissionszuwachsraten definiert, die einen geringfügigen Anstieg der Emission (im Falle von Offsets) erlauben. Vgl. REHBINDER, SPRENGER (1985), S. 48 f. 5 Ncw Source Review (NSR). 6 Vgl. T1ETENBERG (1985), S. 8. 7 Vgl. Gp. 5.4.2.1. 8 Vgl. REHBINDER, SPRENGER (1985), S. 44 sowie Gp. 5.4.2.1.

3.5. Emissions Trading

63

Eine Überprüfung dieser Grenzwerte bezieht sich im Rahmen der Netting-Politik stets auf die Gesamtemissionswerte einer Betriebsstätte, so daß zusätzliche Schadstoffemissionen der modifizierten Quellen durch Emissionsdrosselung an anderen Quellen dieser Betriebsstätte kompensiert werden können. Netting ist also nur zwischen unterschiedlichen Quellen einer Betriebsstätte erlaubt. Mit Hilfe der Netting-Politik können Betreiber sowohl umständliche und zeitaufwendige Genehmigungsverfahren, die für signifikante Anlagenmodifikationen gelten, als auch die Einhaltung dafür vorgesehener strengerer Kontrolltechnologien 1 vermeiden. Die nationalen Emissionsnormen für Neuanlagen2 müssen in jedem Fall von modifizierten Anlagen eingehalten werden. 3 Nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung kann Netting sowohl in BelastungsaIs auch in Reinluftgebieten angewendet werden. 4 Damit ist die allgemeine Darstellung der Grundtypen umweltpolitischer Instrumente abgeschlossen. Im folgenden Kapitel werden nun zunächst Kriterien diskutiert, die einen Vergleich der umweltpolitischen Instrumente ermöglichen sollen.

1 Lowest Acbievable Emission Rate (IAER) und Best Available Control Technology (BACf). 2 New SOutce Performance Standard (NSPS). 3 Vgl. TIETENBERG (1985), S. 8. 4 IDsbesondere zur Frage, ob Netting in Belastungsgebieten erlaubt werden sol~ gab es in der Vergangenheit zahlreiche Kontroversen in der amerikanischen Rechtssprechung. Eine Entscheidung des Supreme Court im Jahre 1984 hat die Netting-Politik in Belastungsgebieten für rechtmäßig erklärt. Vgl. UROFF (1986), S. 13.

4. Anforderungen an die Beurteilung der Instrumente Eine Beurteilung umweltpolitischer Instrumente muß zunächst danach fragen, inwieweit die mit den Instrumenten verfolgten Ziele tatsächlich erreicht werden bzw. erreicht werden können. Diese Frage gilt generell für den gesamten Bereich öffentlicher Aufgaben und nicht nur für die Umweltpolitik, die erst seit Formulierung des Umweltprogramms von 1971 einen eigenständigen und gleichrangigen Platz in der Politik der Bundesregierung einnimmt. Im Rahmen dieser Politik stehen zwar die ökologischen Ziele im Vordergrund, die enge Verzahnung dieser Ziele mit anderen Zielen der Wirtschaftspolitik kann dabei aber nicht außer Acht gelassen werden. Wirksamer Umweltschutz und eine prosperierende Volkswirtschaft bedingen einander. 1 In dieser Arbeit wird der Erreichung der ökologischen Ziele gemäß Ansatz 2 in Gp. 1.3.2. aus den dort diskutierten Gründen die Priorität gegeben, denen ökonomische Ziele an die Seite gestellt sind. 4.1. Ökologische Anforderungen an umweltpolitische Instrumente Die Umweltpolitik und die mit ihr verbundenen ökologischen Zielvorstellungen in der Bundesrepublik Deutschland sollen darauf gerichtet sein, den Menschen eine für seine Gesundheit und ein menschenwürdiges Dasein notwendige Umwelt zu sichern, die Umweltmedien vor nachteiligen Wirkungen menschlicher Eingriffe zu schützen und Schäden und Nachteile menschlicher Einwirkung zu beseitigen. 2 Um diese Zielvorstellungen politisch operational zu gestalten, bedürfen sie der Konkretisierung in qualitativer und quantitativer Hinsicht. 4.1.1. Einhaltung des ökologischen Rahmens als politische Vorgabe Wie bereits erörtert wurde, hat man es im Falle der Umwelt mit dem Problem öffentlicher Güter und dem damit verbundenen Gefangenendilemma zu tun. Zu wenig Wirtschaftsakteure werden freiwillig zur Erreichung der benötigten Umweltqualität durch Verzicht auf Schadstoffemissionen oder durch Schadstoffreduktion beitragen. Auch die pareto-optimale Internalisierung der negativen externe Effekte (Ansatz 1) durch eine Pigou-Steuer oder Coase'sche Verhandlungen bleibt aufgrund schwer zu lösender Infonnationsprobleme und möglicher ökologisch unzureichender Ergebnisse unpraktikabeI. In der Praxis sollte von daher Ansatz 2 gewählt werden, der die Definition ökologischer Rahmenwerte durch den Staat oder eine von ihm dazu ermächtigte Institution zur

1 Der Grund für die Umwe1tprobleme wurde in der Vergangenheit vor allem in der nach marktwirtschaftlichen Kriterien aufgebauten Wirtschaftsordnung gesucht. Allerdings zeigen sich auch in Zentralverwaltuugswirtschaften große Umweltprobleme, die z.T. wesentlich bedrohlichere Ausmaße annehmen als in marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnungen. Vgl. dazu BAUMOL, OATES (1979), S. 80 ff., SCHREIBER (1985). Vgl. auch die Ausführungen zum Gefangenendilemma in Gp. 1.1.3. 2 Vgl. BUNDESMINISTER DES INNERN (1971), S. 6.

66

4. Anforderungen an die Beurteilung der Instrumente

Sicherstellung des ökologischen Gleichgewichts vorsieht. Er erreicht dies, indem er der Wirtschaft einen ökologischen Rahmen verordnet. Damit soll die tatsächlich vorhandene Knappheit der Umwelt durch den Staat dokumentiert und für die Wirtschaftssubjekte zu einem verbindlichen Handlungsparameter werden. Die politische Festlegung des ökologischen Rahmens ist in jedem Falle, also auch beim Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente, nötig. Wichtig ist dabei, daß solche politischen Eingriffe in die Märkte nicht willkürlich, sondern systematisch und durchdacht erfolgen. 1 Dieser Rahmen wird die Umweltziele beinhalten, die zu erreichen und dann auch einzuhalten sind. Solche Ziele sollten aus Immissionsnormen für Schadstoffe zur Sicherstellung einer gewünschten Umweltqualität bestehen. Für eine operationale Umweltpolitik müßten diese Imrnissionsnormen in Emissionsnormen umgesetzt werden. 4.1.1.1. Emissionsnormen Emissionsnormen können sich auf die Gesamtmenge der Emissionen, die in ein Umweltmedium während einer bestimmten Zeitspanne eingeleitet werden, beziehen. 2 Sie können sich aber auch konkret auf einzelne Quellen beziehen oder auf bestimmte Anlagetypen. Bei Emissionsnormen kann es sich dabei um direkte Mengennormen handeln, aber auch um indirekte Normen, die eine bestimmte qualitative Anforderung an die technischen Anlagen stellen, beispielsweise den Stand der Technik in der Luftreinhaltung oder bei gefährlichen Stoffen im Gewässerschutz. Mit Emissionsnormen allein läßt sich allerdings die Umweltqualität nur unzulänglich steuern, da Emissionen über Diffusionsprozesse in den Umweltmedien zu höchst unterschiedlichen Immissionsbelastungen führen. Anlagen- und quellenbezogene Emissionsnormen könnten ohne zusätzliche Immissionsstandards zudem über eine absolute Zunahme bzw. Erweiterung der Quellen zu einer Verschlechterung der Umweltqualität führen. 3 Zur operationalen Handhabung der Immissionsnormen ist ein Zusammenhang zu den Emissionen herzustellen, da eine Beeinflussung der Immissionen nur über eine Beeinflussung der Emissionsquellen erfolgen kann. Ein ökologischer Rahmen muß also zur Erreichung des Ziels einer bestimmten Umweltqualität konkrete Vorstellungen über erlaubte Emissionen beinhalten. Diese müssen von den im ökologischen Rahmen fixierten Immissionsbelastungen abhängen.

1 Auch die soziale Marktwirtschaft ist eine Verknüpfung der reinen Marktwirtschaft mit einem sozialen Rahmen, der dem Marktgeschehen weitgehend entzogen ist, da er vom Staat politisch gesetzt ist. Vgl. BONUS H (1979) S. 131 ff. 2 Vgl. TIETENBERG (1980A) S. 482. 3 Für bestimmte Schadstoffe mit bestimmten Assimilations- und Diffusionseigenschaften genügt allerdings eine Politik der Emissionsverminderung. Vgl. ausführlich dazu Gp. 4.1.3. und 4.1.4.

4.1. Ökologische Anforderungen an umweltpolitische Instrumente

67

4.1.1.2.Immissionsnormen

Erst die Festlegung von Immissionsnormen erlaubt die direkte Kontrolle der Umweltqualität. Eine Immissionsnorm legt eine bestimmte Schadstoffkonzentration fest, die an einem bestimmten Ort zu jedem Zeitpunkt oder über einen festgelegten Zeitraum nicht überschritten werden darf. 1 Wird die Immissionsnorm in einer Region eingehalten, so ist anders als bei den Emissionsnormen die gewünschte UmweItqualität sichergestellt. Wie schon erläutert wurde, kann die Immissionsbelastung nur über die Emissionen beeinflußt werden. 2 4.1.1.3. Der Zusammenhang zwischen Immissionen und Emissionen

Neben der Schadstoffmenge wirken sich die physikalischen Eigenschaften und die Beschaffenheit des Aufnahmemediums und des Schadstoffes auf die aus der Schadstoffmenge resultierende Umweltqualität aus. Die physikalischen Charakteristika des Aufnahmemediums werden durch Wind und Wetter, geographische Lage und Temperatur beeinflußt. Wind, Wetter und Temperatur aber schwanken im Zeitablauf. Schadstoffe wiederum beeinflussen die Immissionssituation unterschiedlich, da sie teils abbaubar, teils nicht abbaubar sind.3 Die Höhe der Assimilationskapazität bzw. die Abbaurate hängt vom Wetter, der Strömungsgeschwindigkeit und der Wassermenge bei Gewässerschadstoffen, von der Temperatur und von der Jahreszeit ab. 4 Alle diese Einflüsse zusammengenommen bezeichnet man als Diffusionsfunktion, die beschreibt, wie sich die Zunahme der Emission auf die Immission auswirkt bzw. die in einer bestimmten Form beschreibt, wie sich die Zunahme der Emission um eine Einheit eines Schadstoffes an einer bestimmten Stelle auf die Immissionssituation an anderer Stelle auswirkt. Erst eine solche Diffusionsfunktion erlaubt es, eine Beziehung zwischen einer Immissionsnorm und daraus abzuleitenden Emissionen zu erstellen, womit die Immisionsnorm dann operabel wird. 5 Prinzipiell ist für jedes der hier vorgestellten Instrumente die Kenntnis von Diffusionszusammenhängen notwendig, wenn das Ziel der Umweltpolitik an Qualitätsstandards orientiert ist. 4.1.1.4. Die quantitative FestIegung der Normen

Wie oben beschrieben worden ist, ist die entscheidende Größe zur Fixierung einer bestimmten Umweltqualität die Immissionsnorm.

1 Vgl. TIETENBERG (1980A), S. 482. 2 Vgl. ENDRES (1985), S. 98. 3 Vgl. Gp. 5.1.3. 4 Vgl. ANDERSON, KNEESE u.a. (1977), S. 94 ff. 5 Vgl. FREEMAN III (1979), S. 18 ff.

68

4. Anforderungen an die Beurteilung der Instrumente

Der qualitativen Entscheidung über den anzustrebenden Standard - Emissionsnormen oder Immissionsnormen - muß sich eine quantitative Fixierung dieses Standards anschließen. Erst damit wird dann die Umweltqualität tatsächlich normiert und zwar unmittelbar über die Emission und mittelbar über Immissionsnormen. Die Entscheidung über die gewünschte Höhe der (regionalen) Umweltbelastung wird dem Staat, vertreten möglicherweise durch eine von ihm ermächtigte Institution, zugewiesen. Die Höhe der Schadstoffbelastung wird somit politisch bestimmt. 1 Wieweit über diese Entscheidung hinaus allerdings noch weiterer staatlicher Einfluß nötig ist, ist dann bei den einzelnen Instrumenten sehr verschieden. 2 4.1.2. Exkurs: Zwei Philosophien im Umweltschutz

In der Diskussion um eine geeignete Definition des ökologischen Rahmens taucht immer wieder die grundsätzliche Frage auf, welche Schadstoffbelastungen erlaubt sein sollen. Dabei standen und stehen sich regelmäßig zwei unterschiedliche Auffassungen gegenüber, die Emissionsstandard-Philosophie auf der einen Seite und die Luftqualitätsstandard-Philosophie auf der anderen Seite. 3 Die Emissionsstandard-Philosophie postuliert. daß jedes Gramm Schadstoff in der Umwelt eigentlich schon ein Gramm zu viel ist. 4 Vertreter dieser Philosophie verlangen deshalb, daß alle emittierenden Anlagen mit Vermeidungstechnologien bestückt sind, die dem jeweils neuesten Stand der Technik entsprechen. 5 Die Konsequenz dieser Philosophie ist also, daß der "Stand der Technik" überall durchgesetzt werden muß. 6 In der deutschen Luftreinhaltepolitik kommt diese Philosophie insbesondere im § 5. Nr. 1 Wir hatten in Gp. 1.3.2. bereits darauf hingewiesen, daß der hier gewählte Ansatz 2, der ökologische Rahmen, immer dann bindend ist, wenn die Präferenzen der Individuen (Ansatz 1) zu einer geringeren Umweltqualität führen würden. Liegt allerdings der umgekehrte Fall vor, in welchem sich die Indi,iduen für ein über den ökologischen Rahmen hinausgehendes Umweltqualitätsniveau aussprechen, so ist Ansatz 1 bindend. Das gewünschte höhere Qualitätsniveau sollte dann durch die umweltpolitischen Maßnahmen realisiert werden. Entsprechend wären die Vermeidungsanforderungen zu verschärfen. Die Präferenzen und Kalküle der Betroffenen dürfen abo im politischen Entscheidungsprozeß nicht ignoriert werden. Vgl. KLAUS (1981), S. 97. Eine gewisse Berücksichtigung dieser Präferenzen wird in demokratischen Systemen durch den Wahlmechanismus sichergestellt. Darüberhinausgehend werden in der Literatur spezielle Abstimmungsverfahren zur Ermittlung und Berücksichtigung der Präferenzen vorgeschlagen, um die geWÜD.Schtc Umwcltqualität zu ermittcln. Vgl. dazu einen Überblick übcr solche Verfahren bei TIDEMAN (1977); vgI. auch TIDEMAN, TULLOCK (1976, 1977); NIESSLEIN (1981). Auf die Probleme strategischen Verhaltcns (Gcfangcnendilcmma, »free-rider») bei der Ermittlung der Präferenzen wurde bereits weiter oben hingewicsen. 2 Insbesonderc kann cs nicht sinnvoll sein, wie deutlich wurde, Emissionsstandards zu flXiercn ohne Berücksichtigung ciner etwaigcn Vcrlctzung von Immissionsnormen. Vgl. dazu den Beitrag von BONUS (1984C). 3 Vgl. OE NEVERS (1977); vgl. auch BONUS (1984C), S. 330 f. Hier werden dicse Philosophien für den Bereich der Luftverschmutzung diskutiert. Sie lassen sich aber genauso auf den Gewässerschutz übertra-

gen.

" Vgl. BONUS (1984C), S. 331. S Vgl. SCHÄRER (1984), S. 281 f. 6 Vgl. OE NEVERS (1977), S. 198.

4.1. Ökologische Anforderungen an umwellpolitische Instrumente

69

2 des BlmSchG zum Ausdruck, der die Installation des Standes der Technik von jeder Neuanlage verlangt. Im Gewässerschutz findet man sie im § 7a Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes, der für das Einleiten von Abwasser mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik fordert, für das Einleiten gefährlicher Stoffe ebenfalls den Stand der Technik. Der Stand der Technik ist in § 3 Abs. 6 Satz 1 BImSchG definiert als "Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren. Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen gesichert erscheinen läßt.,,1 Gerade weil die Philosophie so einleuchtend ist. hat sie viele Anhänger unter Ingenieuren, Juristen, Politikern und in der Bevölkerung. 2 Ge- und Verbote, die von diesen Ingenieuren, Juristen und Politikern beeinflusst und beschlossen werden, orientieren sich deswegen in aller Regel an dieser Philosophie. Die LuftQJlalitätsstandard-Philosophie stellt dagegen auf die Höhe der Immissionen und nicht auf die Emissionen ab. Damit richtet diese Philosophie ihr Augenmerk direkt auf die Umweltqualität, also im Falle der Luft auf die Luftbelastung insgesamt. Ist diese Belastung zu hoch, so müssen die Emissionen soweit gesenkt werden, daß die restliche Luftbelastung innerhalb der angestrebten Rahmenwerte liegt. 3 Wie und wo die Emissionen reduziert werden und ob der Stand der Technik eingehalten wird, ist unerheblich, solange die gewünschte Umweltqualität erreicht wird. Die marktwirtschaftlichen Instrumente des Umweltschutzes wie die hier besprochenen Abgaben, Zertifikate und das Emissions-Trading-Programm sind nw: mit der Luftqualitätsstandard-Philosophie vereinbar: Nur diese Philosophie eröffnet den Betreibern die Möglichkeit, freiwillig mehr zu tun als vorgeschrieben ist. Damit erhalten die Anlagenbetreiber gerade die Möglichkeit, Umwelttechnik an den Stellen einzusetzen, an denen dies am günstigsten ist. Daraus ergibt sich dann das Einsparungspotential der marktwirtschaftlichen Instrumente, das an späterer Stelle noch diskutiert wird. Da nur die tatsächliche Umweltqualität der umweltpolitisch interessante Parameter ist und nicht die einzelnen Emissionen, ist die Luftqualitätsstandard-Philosophie die sinnvollere. Sie hat es aber in der politischen Diskussion schwer, weil sie nicht so ohne weiteres verständlich ist, während die Emissionsstandard-Philosophie einleuchtet. 4

1 Vgl. BlmSchG (1986); Wasserbausbaltsgesetz (1986); BREUER (1987), S. 52. Aucb die EG· Gewässcrschutzricbtlinie vom 4.5.1976 fordert "die besten verfügbaren technischen Hilfsmittel für die Vermeidung bestimmter Stoffe in Art. 6 Abs. 1 Satz 4. Vgl. AMTSBLA TI DER EG (1976). 2 Vgl. BONUS (1984C), S. 332 f. 'Tbe im pli city of tbe emission standards philosopby is excellent: DE NEVERS (1977), S. 199. 3 Vgl. BONUS (1984C), S. 331. Man spricht aucb von einer "Zero change pbiJosopby". Vgl. DE NEVERS (1977), S. 200. 4 Vg\. BONUS (I984B), S. 71.

70

4. Anforderungen an die Beurteilung der Instrumente

4.1.3. Schadstofl'speziftsche Anforderungsunterschiede an den ökologischen Rahmen und die Instrumentel Die in die Umweltmedien emittierten Stoffe unterscheiden sich in vielfacher Art und Weise hinsichtlich ihrer Einwirkung auf das Umweltmedium und ihrer Verbreitung innerhalb des Umweltmediums. Diese unterschiedliche Wirkung der Stoffe ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Bestimmung des umweltpolitischen Ziels innerhalb des ökologischen Rahmens. Da unterschiedliche Zielsetzungen aber unter Umständen unterschiedliche Instrumente bzw. eine spezielle Modifikation eines bestimmten Instruments erfordern, kann die Auswahl von geeigneten Instrumenten und ein Vergleich dieser Instrumente nicht ohne genauere Kenntnis der schadstoffspezifischen Eigenschaften erfolgen. 2 Wie bereits erwähnt, ist eine Emission nicht von vornherein mit negativen ell.ternen Effekten verbunden und damit schädlich und umweltbelastend. Ein bestimmter Gehalt eines Stoffes in einem Umweltmedium kann durchaus normal oder sogar erwünscht sein.3 Die Reaktion des Stoffes im Umweltmedium ist entscheidend dafür, ob und wann die Emission zu Schäden führt. Emissionen sind in den Umweltmedien sehr komplexen Umsetzungsprozessen ausgesetzt, die z.T. ihre Eigenschaft verändern. Ein Schaubild soll diese Zusammenhänge stark vereinfacht darstellen 4 :

1 Vgl. zu diesem Abschnitt KNEESE, BOWER (1968); KNEESE (1971), S. 2 ff.; TOLLEY, BLOMQUIST (1983), S. 45 f.; SENECA, TAUSSIG (1984), S. 134 ff.u. S. 147 ff.; TIETENBERG (1984), S. 263 ff.; TIETENBERG (1985), S. 16 ff. 2 Analytisch betrachtet führen die unterschiedlichen Eigenschaften der emittierten Stoffe zu unterschiedlichen negativen externen Effekten. 3 Ein bestimmter Phosphorgehalt ist als Nährstoff für im Wasser lebende Pflanzen beispielsweise erwünscht. Zuviel Phosphor kann aber zu einem übermäßigen Wachstum der Pflanzen und damit zur sogenannten Eutrophierung des Gewässers führen. Andere Stoffe kommen von Natur aus in bestimmten Mengen in den Umweltmedien vor und sind dann meistens unschädlich. Erst zusätzlicher, durch menschliche Aktivitäten hervorgerufener Eintrag in das Medium führt dann eventuell zu Schäden. 4 Vgl. 1lETENBERG (1984), S. 264.

4.1.

Ökologische Anforderungen an umweltpolitische Instrumente

71

Absorption und Assimilation

Umweltschaden

"'~~-=.

Schadstoffakkumulation

Emission :;::~,

Zunächst einmal muß man unterscheiden zwischen abbaubaren und nicht abbaubaren Stoffen, die an die Umweltmedien abgegeben werden. Abbaubare Stoffe sind dadurch gekennzeichnet, daß die Umweltmedien in der Lage sind, diese Stoffe in ihrer physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaft zu verändern und sie so zu Stoffen umwandelt, die keine Schäden hervorrufen. Nichtabbaubare Stoffe dagegen sammeln sich in den Umweltmedien an, sie akkumulieren. Auch für die abbaubaren Schadstoffe besitzt die Umwelt nur eine begrenzte Assimilationskapazität. Wird diese überschritten, nehmen die abbaubaren Schadstoffe Eigenschaften der nichtabbaubaren Stoffe an und akkumulieren ebenfalls. Für nichtabbaubare Stoffe besitzt die Umwelt unter Umständen eine gewisse (natürliche) unschädliche Aufnahmemenge. 1 Es existieren Schwellenwerte, die nicht überschritten werden sollten. Ein gutes Beispiel für solche Stoffe liefern Schwermetalle wie Cadmium und Quecksilber2 Setzt man die nichtabbaubaren Schadstoffe mit einer Assimilationskapazität von Nu1l 3 1 Generell gilt auch hier, daß die Schäden noch von weiteren Faktoren, etwa NutzungsinteDSität, regionale und lokale Besonderheiten etc., abhängen, d.h., daß die "unschädliche' Menge eines bestimmten Schadstoffes bzw. die Assimilationskapazität in räumlicher und zeitlicher Dimension schwanken. Denkbar ist auch, daß es im Fall der abbaubaren Schadstoffe aufgrund lokaler oder regionaler Besonderheiten zuge\assen wird, daß die ökologische Norm die Assimilationskapazität überschreiten darf und dann so auch bei den abbaubaren Stoffen eine zusätzliche für "unschädlich" erachtete Menge gebildet wird. Vgl dazu ausführlich Gp. 4.1.4. und 5.4. 2 Vgl. PEARCE (1976), S. 101. 3 Sogenannte schwer oder nur sehr langsam abbaubari: Schadstoffe werden hier nicht gesondert behandek. Für diese Schadstoffe werden die Eigenschaften nicht abbaubarer Schadstoffe unterstellt, sofem sie in den Umweltmedien und in der Natur in flora und Fauna akkumulieren.

72

4. Anforderungen an die Beurteilung der Inslrumenle

an, so läßt sich dann grundsätzlich feststellen, daß die Emission eines Stoffes immer

dann zu einem Anstieg der Immissionen führt, wenn die Assimilationskapazität erschöpft und die unschädliche Grundbelastung überschritten ist. Je nach Nutzungsart, Schadensart und variierenden zeitlichen Einflüssen führt dieser Anstieg dann zu unterschiedlich hohen negativen externen Effekten, also zu Umweltschäden. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal für Schadstoffe ist die unterschiedliche räumliche Ausbreitung der Schadstoffe in den Umweltmedien. Hierbei kann man zunächst bei Luftschadstoffen zwischen der unterschiedlichen Ausbreitung in vertikaler und in horizontaler Richtung unterscheiden. Unter vertikaler Ausbreitung versteht man die Verteilung des Schadstoffes in höheren atmosphärischen Schichten, unter horizontaler Ausbreitung die Verteilung eines Schadstoffes an der Erdoberfläche. Bei sich vertikal gleichmäßig ausbreitenden Stoffen spricht man von ~lobalen Schadstoffen. 1 Sich horizontal ausbreitende Schadstoffe sollen hier als Oberflächenschadstoffe bezeichnet werden. Gewässerschadstoffe gehören offensichtlich in die zweite Kategorie, während Luftschadstoffe auch beiden Kategorien angehören können. Schließlich kann man Schadstoffe noch danach differenzieren, ob sich ihre Ausbreitung auf die unmittelbare räumliche Nähe zur Emissionsquelle beschränkt oder ob sie, je nach meteorologischen Gegebenheiten, über sehr weite Entfernungen gestreut werden. Erstere sollen hier als lokale Schadstoffe, letztere als regionale Schadstoffe bezeichnet werden. Die Emissionen sind nun in aller Regel durch eine Kombination von verschiedenen der drei benannten Merkmale gekennzeichnet. In der Übersicht auf der folgenden Seite sind solche Kombinationen mit einigen Beispielen dargestellt. Unter Globalschadstoffen sollen solche verstanden werden, die sich durch eine gleichmäßige Ausbreitung der Atmosphäre auszeichnen, während mit Oberflächenschadstoffen solche bezeichnet werden sollen, die zu örtlichen Konzentrationen führen können, deren Ausbreitung also ungleichmäßig erfolgt.

Im folgenden sollen abbaubare Globalschadstoffe, also abbaubare Schadstoffe mit &1eichmäßiKer Ausbreitun~. abbaubare Oberflächenschadstoffe mit un~leichmäßi~er AusbreitunK und nichtabbaubare Schadstoffe mit ungleichmäßiger Ausbreitung im Hinblick auf .ihre Auswirkungen auf die Festlegung der ökologischen Ziele und daraus folgenden Anforderungen an die umweltpolitischen Instrumente näher betrachtet werden. Diese drei Schadstofftypen verlangen sehr unterschiedliche Zieldefinitionen und damit auch unterschiedliche Anforderungen an die Instrumente. Eine Unterteilun~ der nichtabbaubaren Schadstoffe in solche mit ~leichmäßi~er und un~leichmäßi~er AusbreitunK kann hier unterbleiben, da die dafür zweckmäßigsten Instrumente sich aus einer Kombination der Anforderungen an Instrumente für die ersten beiden Schadstofftypen 1 Vgl. T1ETENBERG (1984), S. 263 ff.

4.1. Ökologische Anforderungen an wnweltpolitische Instrumente

73

mit den grundsätzlichen Anforderungen an Instrumente für nichtabbaubare Schadstoffe bilden lassen. Folgende Übersicht gibt einige Beispiele für die verschiedenen Schadstofftypen: 1

1 VgI. dazu u.a. REESE (1983), S. 14 ff.; KNEESE; BOWER (1972); TIETENBERG (1984, 1985); SENECA, TAUSSIG (1984), S. 127 ff., S. 145 ff. Zu den Erläuterungen der einzelnen Schadstoffe auf der übernächsten Seite vgI. u.a. UMWELTLEXIKON (1985).

NO

SCHWEBSTÄUBE

SOl

BSB (Wasser)

Phosphate/Stickstoffe (Wasser)

Legende siehe nächste Seite

VOC (teilweise)

NO Spurcngasc

so:

co:

Ahwärme (Wasser)

VOC (teilweise)

CFK

CKW

SCHWERMETALLE

I RE(iJONAL/LOKALI

ICiLOBALSCHADSTOFFEI • IOBERFLÄCHENSCHADSTOFFEI

ICiLOBALSCHADSTOFFEI • IOBERFLÄCHENSCHADSTOFFEI

I REC ilONAL/L.OKALI

NICHTABBAUBARE SCHADSTOFFE

ABBAUBARESCHADSTQFFE

g

Ö

3

'"2

S'

~

Co

OQ

2 §. §

tl:I

ö·

Co

::s

.

g

f

ö'

~

~

~

4.1. Ökologische Anforderungen an wnwellpolilische Instrumente

Legende zur Übersicht: GLOBALSCHADSTOFFE: Ausbreitung in oberen Schichten der Atmosphäre. Da die Ausbreitung gleichmäßig erfolgt, spielt der Ort der Emissionsentstehung keine Rolle für die auftretenden Schäden. OBERFLÄCHENSCHADSTOFFE: Luft- und Wasserschadstoffe, deren Ausbreitung an der Erdoberfläche erfolgt. Da die Ausbreitung mit örtlichen Konzentrationen einhergehen kann, spielt der Ort der Emissionsentstehung eine wichtige Rolle für das Auftreten von Schäden. REGIONAL/LOKAL: Schadstoffe können über sehr weite Strecken transportiert werden und damit weit von der Quelle entfernt Schäden hervorrufen (Regional) oder Schäden in unmittelbarer Umgebung der Emissionsquelle hervorrufen (Lokal). W~: Kohlendioxid: Kohlendioxid hat keine direkten schädlichen Auswirkungen auf Menschen, Tiere oder Pflanzen, sondern eine indirekte Auswirkung über eine mögliche Veränderung des Klimas. Kohlendioxid hält die von der Erde abgegebene Wärmestrahlung in der Atmosphäre zurück und wird damit mitverantwortlich für den sogenannten Treibhauseffekt gemacht. Kohlendioxid wird durch die pflanzliche Photosynthese und durch Aufnahme der Ozeane abgebaut. YQC: Volatile Organic Compound. Flüchtige Kohlenwasserstoffe, Spurengase, flüchtige organische Stoffe; VOC tragen zur Bildung der Photooxidantien bei. BSB: Biochemischer Sauerstoffbedarf. Summenparameter als Maß für die Schädlichkeit organischer Abwässer, der den Sauerstoffverbrauch durch den Abbauvorgang angibt. Der BSB steigt mit ansteigender (organischer) Abwasserlast. CIK: Clorfluorkohlenstoffe: Nicht zu verwechseln mit CKW. CFK sind relativ ungiftig. Sie stehen allerdings in Verdacht, in der Stratosphäre die lebenswichtige Ozonschicht zu zerstören. CFK finden Verwendung als Kältemittel für Kühl- und Gefriergeräte, Wärmepumpen und Klimaanlagen, als Verschäumungsmittel für Kunststoffe (Styropor), chemische Reinigungsmittel u.a. Bekannt sind sie aber insbesondere als Treibgase für Spraydosen. Vermutlich auch mitverantwortlich für den 'Treibhauseffekt". CKW: Chlorierte Kohlenwasserstoffe:Weit verbreitete, extrem stabile organisch-chemische Verbindungen. Zu den CKW zählen viele Lösungsmittel, Pflanzenschutzmittel wie DDT und Lindan, PCs. SQ~: Schwefeldioxid, NO:Stickoxide sind Beispiele für Schadstoffe mit sowohl globaler als auch regionaler jlokaler Wirkung. PHOSPHATE/STICKSTOFF: Nährstoffe, die bei übermäßiger Belastung von Gewässern zur Eutrophierung führen können.

75

76

4. Anforderungen an die Beurteilung der Instrumente

4.1.3.1. Abbaubare Schadstoft'e mit gleichmäßiger Ausbreitung

Die Schadstoffe dieses Typs, die man auch als abbaubare Globalschadstoffe bezeichnen kann, sind umweltpolitisch am einfachsten zu kontrollieren. 1 Die gleichmäßige Ausbreitung erlaubt es, regionale und lokale Konzentrationen außer acht zu lassen. Auch sind unterschiedliche meteorologische Bedingungen unproblematisch. Auf die Verknüpfung von Emissionen und Immissionen durch eine Diffusionsfunktion kann damit verzichtet werden, da ein Zusammenhang zwischen dem Ort der Emission und der Immission nicht gegeben ist. Entscheidend für die in der Atmosphäre vorhandenen Konzentrationen ist lediglich die Menge der Emissionen. nicht aber die Verteilung der Emissionen zwischen verschiedenen Quellen. Hinzu kommt die Eigenschaft der Abbaubarkeit, die es erlaubt, die Probleme, die durch Schadstoffakkumulation entstehen, zu vernachlässigen. Die ökologische Norm muß bei für diese Schadstoffe geeigneten Instrumenten also darauf gerichtet sein, die Emission der Schadstoffe auf ein MaB zu begrenzen, das die Assimilationskapazität nicht überschreitet. Damit wird die Konzeption von Instrumenten zur Kontrolle dieser Schadstoffe sehr vereinfacht. 2 Formal läßt sich die Beziehung zwischen der angestrebten Umweltnorm und den Emissionen an verschiedenen Quellen folgendermaßen darstellen: (Gleichung 4-1) Q: Imrnissionsbelastung eines Jahres/Monats

a:

Grundbelastung durch natürliche Quellen und noch nicht von der Umweltpolitik erfaBter Quellen

b:

Proportionalitätskonstante, die die Assimilation mit berücksichtigt

Ei

Emission von Quelle J ,j

= 1 ••. J

J: Gesamtzahl der erfaBten Quellen. Ziel der Umweltpolitik ist es nun, Q auf einem Niveau Q* festzuschreiben, das dem ökologischen Gleichgewicht Rechnung trägt. d.h. die Assimilationskapazität nicht überschreitet.3 1 Vgl. TlETENBERG (1984), S. 268 ff.; TIETENBERG (1985), S. 17 ff. Damit ist aber keine Aussage über tedmisc:he Probleme der Schadstoffkontrolle getroffen. 2 Vgl. dazu TlETENBERG (1985), S. 17 f. 3 Die Erreichung dieses Ziels unter dem Aspekt der Kosteneffizienz wird später erläutert. Hier geh.t es zunächst nur darum, wie das ökologische Ziel auszusehen hat und wovon die Erreichung abhängt. OkoDOmisch geht es dann später darum, die benötigten Schadstoffreduktionen so unter die verschiedenen Quellen zu verteilen, daß die insgesamt anfallenden Kosten minimiert werden.

4.1. Ökologische Anforderungen an wnwellpolilische Instrwnentc

77

Die ökologische Bedingung würde dann wie folgt aussehen: (Gleichung 4-2) Damit wären dann Gesamtemissionen G von maximal: (Gleichung 4-3)

=

b

Bei der Wahl und Ausgestaltung eines umweltpolitischen Instrumentes müßte also darauf geachtet werden, daß die Einhaltung dieser Gesamtemission sichergestellt würde. l Theoretisch sind sowohl Auflagen, eine einheitliche Abgabe und Zertifikate geeignet, dieses Ziel zu gewährleisten. Die Instrumente müssen lediglich in der Lage sein, eine Reduktion der Gesamtemissionsmenge herbeizuführen bzw. ein bestimmtes Gesamtemissionsniveau zu stabilisieren. Diffusionsprobleme entstehen nicht und von daher kann die Berücksichtigung einer entsprechenden Diffusionsfunktion unterbleiben. 4.1.3.2. Abbaubare Schadstoffe mit ungleichmäßiger Ausbreitung

Auch bei den in diesem Abschnitt diskutierten Schadstoffen kann man die Probleme, die sich im Falle einer Akkumulation der Schadstoffe ergeben, vernachlässigen, d.h. gegenwärtige Emissionen sind verantwortlich für gegenwärtige Schäden.2 Zukünftige Schäden hängen nur von zukünftigen Emissionen ab und keinesfalls von gegenwärtigen Emissionen.3 Unterschiedliche zeitliche Perioden können unabhängig voneinander betrachtet werden. Die ungleichmäßige Ausbreitung dieser Schadstoffe kompliziert die Handhabung allerdings ungemein. Bei diesen Schadstoffen existiert eine komplexe Beziehung zwischen den Emissionen und den Immissionen, die durch eine Diffusionsfunktion beschrieben werden kann. Ganz entscheidend für die Immissionsbelastung ist der Ort der Emissionsquelle, da bei diesen Schadstoffen nicht allein die Menge von Bedeutung für die 1 Da es sich bei den hicr behandelten Schadstoffen um Globalschadstoffe handelt, müßtc die Einhaltung weltweit gcsichcrt sein. Die dabei cntstehendcn internationalcn Abstimmungsproblcme könncn hier nicht weitcr erörtert werden.

2 Es sei noch cinmal darauf hingewicscn, daß im Fallc ciner Überschreitung auch dicse Schadstoffc akkumulicrcn und damit solangc ähnlich wic dic im nächstcn Gliederungspunkt diskuticrtcn nicht abbaubaren Schadstoffe behandelt werden müsscn, bis cin Niveau crreicht ist, das der Assimilationskapazität entspricht. Dies ist zu errcichen durch zeitwciligc Unterschreitung dcr Assimilationskapazität, durch Recycling ete. Die Gefahr ciner Überschrcitung dcr assimilativcg Kapazität und damit dcr Akkumulation in den Umweltmedien und in der Natur in Pflanzcn und Ticren ist bei den schwcr und langsam abbaubarcn Schadstoffeg besondcrs groß. Dcswegen wcrden dicsc Schadstoffe hicr dcn nichtabbaubarcn Schadstoffen zugeordnct. 3 VgI. TIETENBERG (1m), S. 2fJ9 f.

78

4. Anforderungen an die Beurteilung der Instrumente

Immissionssituation ist, sondern die regionale und lokale Anhäufung von Emissionsquellen und deren Lage zueinander eine große Rolle spielen. Ziel der Umweltpolitik muß es also sein, als ökologische Norm die Einhaltung von bestimmten, die Assimilationskapazität nicht überschreitenden Schadstoffkonzentrationswerten an verschiedenen Meßpunkten zu gewährleisten 1 Formal läßt sich das Problem folgendermaßen darstellen: 2 Für nur einen Meßpunkt gilt: (Gleichung 4-4)

Q

J

=a + j=1 I Ej*Xj

Q: Konzentration des Schadstoffes am Meßpunkt

"J:

Diffusionskoeffizient, der angibt, um wieviel die Konzentration am Meßpunkt ansteigt, wenn Quelle j eine Einheit des Schadstoffes mehr emittiert.

a, EJ s.o. Um die festgesetzte Norm Q* in Form regionaler bzw. lokaler Hächstkonzentrationen einzuhalten, muß dann gelten: 3 (Gleichung 4-5) Für die Auswahl und Ausgestaltung der Instrumente bedeutet die Berücksichtigung des Diffusionskoeffizienten zur Einhaltung lokaler Normen, daß sie sehr viel differenzierter greifen müssen. Auflagen können nicht mehr einfach generell eine Schadstoffminderung um einen bestimmten Betrag vorschreiben, einheitliche Abgabensätze und undifferen1 Kompliziert wird die Einhaltung der Standards dadurch, daß sich, wie im nächsten Gliederungspunkt ausführlich erläutere wird, nicht nur regionale und lokale Schadstoffkonzentrationen aufgrund unterschiedlicher Emissionsmengen ergeben können, sondern auch regional und lokal unterschiedliche Assimilationskapazitäten und Schadstoffaufnahmenahmekapazitäten.Der DiffusionskoeffIZient hat also nicht nur die Lage der Quelle zum Meßpunkt zu berücksichtigen, sondern auch regionale und lokale unterschiedliche Eigenschaften des Mediums, also Wetter, Temperatur, Strömung, Wassermenge etc., die für unterschiedliche Konzentrationswirkungen mitverantwortlich sind. 2 Vgl. dazu auch TIETENBERG (1985) S. 22 f.; TIETENBERG (1984), S. 281 f. 3 Für den realistischen Fall unterschiedlicher Meßpunkte i mit unterschiedlichen Normen Qi lauten die Bedingungen:

Q.

I

a·I +

J

I j= 1

a·I + J

I j=1

E.

J

E. J

• x IJ..

• x··IJ

.

Q .• I

4.1. Ökologische Anforderungen an umwellpolitische Instrumente

79

zierte Emissionslizenzen werden den lokalen und regionalen Anforderungen ebensowenig gerecht. Genügte für abbaubare Schadstoffe mit gleichmäßiger Ausbreitung die Einhaltung einer bestimmten Gesamtemissionsmenge, so gilt es hier, die Einhaltung verschiedener Immissionswerte an verschiedenen Orten zu gewährleisten. Als Fazit bleibt festzuhalten, daß die Instrumente einer lokalen Differenzierung bedürfen, die die erlaubten Emissionen direkt über die Diffusionsfunktion an die resultierende Immission anknüpft. 4.1.3.3. Nichtabbaubare Schadstoffe

Das ökologische Ziel für nichtabbaubare Schadstoffel muß berücksichtigen, daß nichtabbaubare Schadstoffe in den UmweItmedien im Laufe der Zeit akkumulieren und dementsprechend die Schäden im Laufe der Zeit zunehmen und auch dauerhaft bestehen bleiben. 2 Diese Klasse von Schadstoffen stellt im Gegensatz zu den zuvor besprochenen abbaubaren Schadstoffen eine Verbindung gegenwärtiger Handlungen und zukünftiger Handlungsmöglichkeiten her, da zukünftig auftretende Schäden ganz oder teilweise durch gegenwärtige Aktivitäten hervorgerufen werden. 3 Formal läßt sich die Belastung mit diesen Schadstoffen dann wie folgt darstellen: (Gleichung 4-6)

Qt

=a

+

tf

J= It= 1

EJt

Die Belastungshöhe in einer Periode t ergibt sich aus der anfänglich vorhandenen Grundbelastung a zuzüglich den Gesamtemissionen aller vorangegangenen Perioden. Qt· sei die Belastungshöhe, die als ökologisches Ziel nicht überschritten werden soll und T der Zeitraum, der veranschlagt wurde, bis diese Grenze erreicht ist. Dann lautet das ökologische Ziel: (Gleichung 4-7) Hier geht es also nicht mehr darum, daß durch die ökologische Norm die Emissionsrate, also die Emissionsmenge pro Zeiteinheit oder pro Periode, begrenzt wird, sondern die 1 Vgl. PEARCE (1976), S. 101 ff. 2 Wir gehen hier von nichtabbaubaren Schadstoffen mit gleichmäßiger Ausbreitung aus, können also bei der anschließenden Formulierung des ökologischen Ziels die mögliche Entstehung lokaler und regionaler Konzentrationen außer Acht lassen. Die Chlorfluorkohlenstoffe gehören zu diesen Schadstoffen (siehe Übersicht). Schwermetalle, wie z.B. Blei, gehören zu den nichtabbaubaren Schadstoffen mit örtlich unterschiedlicher Ausbreitung und Wirkung. Diese· Schadstoffe würden eine lnstrumentenkombination aus den in Gp. 4.1.3.2. und den hier notwendigen Instrumenten erfordern. 3 Vgl. TlETENBERG (1985), S. 28 ff.; TIETENBERG (1984), S. 284 ff.

80

4. Anforderungen an die Beurteilung der Instrumente

Emissionsmenge, die zukünftig insgesamt (Zeitraum T) noch zulässig sein sol!.1 Die Instrumente müssen also die akkumulative Wirkung der Schadstoffe berücksichtigen. Sie müssen so angelegt sein, daß irgendwann eine weitere Zunahme der Belastung verhindert wird, d.h. die weitere Emission dieses Schadstoffes dann gänzlich eingestellt wird, wenn die ökologische Norm erreicht wird. 2 Da diese Schadstoffe und die umweltpolitische Behandlung im folgenden nicht weiter diskutiert werden, sollen hier die Konsequenzen für die Instrumentenausgestaltung kurz betrachtet werden.

In der Ökonomie erschöpfbarer Ressourcen spricht man von einer anzustrebenden optimalen intertemporalen Allokation erschöpfbarer Ressourcen. 3 Jeder einzelne Emittent wird in unserem Fall daran interessiert sein, höchstmögliche Erträge aus dem im Zeitablauf schwindenden "Emissionsbestand" zu erzielen. Er muß berücksichtigen, daß ihm die gegenwärtigen Emissionen zwar Erträge aus der damit verbundenen Produktion bringen, aber gleichzeitig die Ertragschancen in der Zukunft durch die Verknappung des Emissionsbestandes und daraus resultierender höherer Emissionskosten verringert. Die formale Analyse sieht eine Abdiskontierung der zukünftigen Erträge mit dem gegenwärtigen Marktzins - bei Unterstellung eines vollkommenen Kapitalmarktes - vor. Zukünftige Erträge werden geringer bewertet als gegenwärtige. Damit scheint ein rascher Verbrauch des restlichen Emissionsbestandes lohnend. Dem steht entgegen, daß zukünftig der Ertrag aus einer Emissionseinheit größer ist als zum gegenwärtigen Zeitpunkt, weil die (Rest-) Emissionen c.p. durch die laufende Verknappung wertvoller werden, was für einen zeitlich stark gestreckten Verbrauch spricht. Der optimale Abbauzeitraum zeichnet sich jetzt dadurch aus, daß der abgezinste Grenzertrag des Verbrauchs des Emissionsbestandes für alle Perioden übereinstimmt. Grenzertragskosten und Grenzkosten des Verbrauchs - Verzicht auf Ertrag in der Zukunft - sind ausgeglichen. Einen in allen Perioden gleichen Grenzertrag erhält man dann, wenn der Grenzertrag im Zeitablauf um den Prozentsatz des zur Abdiskontierung verwendeten Zinssatzes steigt. Dann sind die entgegengesetzten Effekte einer gegenwärtig geringeren Bewertung zukünftiger Erträge und eines über die Zeit zunehmenden Wertes einer 1 Ökonomisch betrachtet haben wir es im Fall der abbaubaren Schadstoffe mit erneuerbaren Umweltres· sourcen zu tun. im Fall der nichtabbaubaren Schadstoffe mit erschöpfbaren Ressourcen. Im ersten Fall steUt sich für den Ökonomen die Frage. wie er diese Ressourcen allokations·optimal zwischen den Emis· sionsqueUen aufteilt, im zweiten FaU stellt sich ihm zusätzlich das Problem. wie er den "Restbestand" der erschöpfbaren Ressource optimal über die Zeit verteilt. 2 Der Zeitraum bis zur EinsteUung wird dabei beeinflußt von Recyclingmöglichkeiten, neuen Technologien, Substitutioasmöglichkeiten und dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum. Die Entwicklung dieser Einfluß· parameter und die Menge der Emissionen und damit des Verbrauchs des vorhandenen Bestandes wird dabei wesentlich von Kostenüberlegungen der Emittenten beeinflußt. 3 Eine knappe DarsteUung der Aussagen der Ökonomie erschöpfbarer Ressourcen findet sich bei END RES (1985), S. 115 ff.

4.1. Ökologische Anforderungen an umwellpolilische Instrumenle

81

Emissionseinheit ausgeglichen. Diese Regel ist zuerst von Hotelling abgeleitet worden und wird heute deswegen als "Hotelling-Regel" bezeichnet. 1 Die Bewirtschaftung des erschöpfbaren Emissionsbestandes kann nun durch direkte Regulierung erfolgen, durch Abgabenerhebung oder durch die Ausgabe von Zertifikaten. 2 Die Instrumente müssen kumulativ wirken. Wir haben es also mit kumulativ wirkenden Auflagen, mit kumulativen Abgaben und mit kumulativen Zertifikaten zu tun. 3 4 Folgende Übersicht stellt die verschiedenen Schadstoffklassen mit den dazugehörigen Instrumentetypen dar: Abbaubare Schadstoffe mit gleichmäßiger Ausbreitung

Abbaubare Schadstoffe mit ungleichmäßiger Ausbreitung

Nichtabbaubare Schadstoffe

räumlich undifferenzierte Auflagen, Abgaben und Zertifikate

räumlich differenzierte Auflagen, Abgaben und Zertifikate

kumulativ wirkende Auflagen, Abgaben und Zertifikate

4.1.4. Die ökologische Notwendigkeit räumlich und zeitlich differenzierter Emissionsund Immissionsstandards5 Neben einer besonderen Berücksichtigung schadstoffspezifischer Eigenschaften bei der Formulierung des ökologischen Rahmens und daraus resultierender spezieller Anforderungen an die Instrumente der Umweltpolitik ergibt sich die Notwendigkeit, die Nor1 Vgl. PLOURDE (1970), S. 239 f.; SOLOW (1974), S. 2 ff.; ENDRES (1985) S. 136 ff.

2 Die generelle Überprüfung der ökonomischen AllokationseffIZienz erfolgt später. 3 Vgl. HARTUNG (1986). Die Studie von Hartung analysiert verschiedene Verfahren zur Nutzung erschöpfbarer Ressourcen. Dabei wird auch die Versteigerung "on Eigentumsrechten an erschöpfbaren Ressourcen eingehend analysiert. Die Verwandtschaft zum Problem nichtabbaubarer Schadstoffe liegt auf der Hand. 4 Es ist bereits darauf hingewiesen worden. daß es im Falle der abbaubaren Schadstoffe bei Überschreitung der Assimilationskapazität des Umweltmediums zu akkumulativen Effekten kommt. Für die über die Assimilationskapazität hinausgehenden Schadstoffmengen gelten ähnliche Bedingungen wie für nichtabbaubare Schadstoffe. Zeitweilig härtere Auflagen oder vorübergehend höhere Abgaben bzw. Abwertungen im Fall der Zertifikate, die dann tendenziell die Zertifikatepreise erhöhen, haben diesen Emissionsanteil "aufzuzehren", bis eine Belastung in Höhe der Assimilationskapazität erreicht ist. Bei Erreichung muß dann beispielsweise die Höhe der Abgabe so bemessen sein, daß diese Kapazitätsgrenze eingehalten wird. bei Zertifikaten ist keine weitere Abwertung nötig. Im Falle des technischen Fortschritts könnten dann Abgaben bzw. Zertifikatepreise gesenkt werden, ohne daß die Norm verletzt wird. Bei zusätzlichen lokalen Konzentrationen müßten die Instrumente dann entsprechend räumlich differenziert werden. 5 Vgl. zur Differenzierung umweltpolitischer Maßnahmen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht SIEBERT (1976); BAUMOL, OATES (1975), S. 144 ff.; YARON (1979); RASMUSSEN, OESTERREICH, BEHN (1984).

82

4. Anforderungen an die Beuneilung der Instrumente

men nach zeitlichen und - mit Ausnahme der abbau baren Globalschadstoffe - nach räumlichen Gesichtspunkten zu differenzieren. Eine solche Differenzierung ist aus ökonomischen Gründen wünschenswert, aber auch aus ökologischen Gründen erforderlich. Die ökonomischen Gründe sowie die Interdependenzen zwischen ökologischen und ökonomischen Gründen werden im folgenden Kapitel eingehend dargestellt, während hier kurz die ökologischen Zusammenhänge betrachtet werden sollen. 1 Formal betrachtet ergeben sich räumliche und zeitliche Unterschiede im Verlauf der auftretenden (marginalen) Schäden, die man mit entsprechend unterschiedlichen Immissions- und Emissionsstandards berücksichtigen sollte. 2 Eine räumliche Differenzierung ist in jedem Fall für die in Gp. 4.1.3.2. besprochenen abbaubaren Schadstoffe mit ungleichmäßiger Ausbreitung erforderlich, da bei diesen Schadstoffen die Gefahr regionaler Schadstoffkonzentrationen, sogenannter »Hot Spots«, auftreten kann. 4.1.4.1. Die räumliche Differenzierung Die räumliche Differenzierung beinhaltet neben der schadstoffspezifischen Komponente drei weitere Teilaspekte. Einmal bestehen Unterschiede in der regionalen und lokalen Qualität der betroffenen Umweltmedien. Desweiteren ist von einer unterschiedlichen Qualität und Quantität der Nutzung der Medien auszugehen. Schließlich ist als dritter Aspekt eine unterschiedliche Vorbelastung der Medien auf regionaler und lokaler Ebene zu berücksichtigen. Diese drei Punkte wirken sich im Falle der abbaubaren Schadstoffe auf die Assimilationskapazität, die regionalen ökologischen Anforderungen und auf die damit noch mögliche weitere Belastungsrate aus. Im Falle der nichtabbaubaren Schadstoffe hängt von diesen Aspekten die verbleibende Restbelastungskapazität ab. • Mit der unterschiedlichen Qualität der betroffenen Umweitmedien sind spezifische meteorologische und physikalische Eigenschaften der Umweltmedien angesprochen. An der Nordsee herrschen andere Bedingungen als im Ruhrgebiet oder im Voralpenland. Klimatische Strömungen und Temperaturschwankungen wirken sich auf die Schadstoffaufnahmefähigkeit des Mediums Luft aus. Die Eibe beispielsweise ist durch andere physikalische Eigenschaften wie der Rhein oder der Bodensee gekennzeichnet. Wassermenge. Strömungsgeschwindigkeit. Beschaffenheit des Untergrundes wirken sich auf die Fähigkeit des Gewässers aus, Sauerstoff aufzunehmen. Die vorhandene Sauerstoffkonzentration ist aber ein bestimmender Faktor für die Assimila-

1 Vgl. THOSS, SCHLARMANN, TlLLESSEN, WIIK (1985), S. 14 ff. 2 Auch wenD die marginalen Schadenskurven nicht exakt bekannt sind, so kann man doch feststellen, daß räumlich und zeitlich unterschiedliche Schäden auftreten.

4.1. Ökologische Anforderungen an wnweltpolitische Instrumente

83

tionskapazität des Mediums für organische Schadstoffe. Insbesondere die Strömungsgeschwindigkeit und die Wassertiefe beeinflussen die Ablagerung und damit die Konzentration von nichtabbaubaren Schadstoffen, wie etwa der Schwermetallen. Diese Eigenschaften erfordern auf jeden Fall eine Differenzierung der Emissionsanforderungen, selbst dann, wenn national einheitliche Immissionsstandards gelten. • Die unterschiedliche Qualität und Quantität der Nutzun~ macht auf einen weiteren räumlichen Aspekt aufmerksam, der insbesondere für eine Differenzierung der Immissionsstandards spricht. So erfordern Regionen, die als Erholungsgebiete vorgesehen sind oder Gewässer, die der Trinkwassernutzung vorbehalten sein sollen, schärfere Qualitätsstandards als Regionen, die überwiegend der individuellen Nutzung überlassen werden. In solchen Gebieten kann dann beispielsweise ein Wert, der gerade der jährlichen Assimilationskapazität des Mediums genügen würde, als zu großzügig angesehen werden. Die Werte für nichtabbaubare Schadstoffe sollten hier schärfer ausfallen als in anderweitig genutzten Gebieten. Wird beispielsweise ein See nur für den Wassersport genutzt, so braucht er nicht unbedingt Trinkwasserqualität aufzuweisen. Wird Abwärme einmal als abbaubarer Gewässerschadstoff angesehen, so macht es einen Unterschied, ob ein Badesee durch das Kühlwasser eines Kraftwerkes um einige Grad aufgewärmt wird oder ein Gewässer mit einer hochsensiblen Fischzucht. • Schließlich kommt als weiteres Argument für eine räumliche Differenzierung wenigstens der Emissionsnormen die unterschiedliche Vorbelastun~ der verschiedenen Medien in unterschiedlichen Re~ionen hinzu. Hier spielt die regional unterschiedliche Ballung von Emissionsquellen, die die Nutzungsintensität, die Nachfrage nach Assimilationskapazität und damit den erlaubten Schadstoffeintrag berührt, eine große Rolle. 1 Damit zusammen hängt die regional sehr unterschiedliche Industriestruktur. Alte Strukturen sind häufig sehr viel emissionsintensiver als neue Strukturen. Diese Vorbelastung ist eng verbunden mit den beiden zuvor angeführten Aspekten, der grundSätzlich unterschiedlichen Qualität der Medien, die das An~ebot an Assimilationskapazität beeinflußt, und der unterschiedlichen Nutzung, die die Nachfrage nach Assimilationskapazität betrifft. So sind die Luftregionen der Bundesrepublik und die Gewässer unterschiedlich stark mit den einzelnen Schadstoffen vorbelastet. 2 Die TA-Luft beispielsweise sieht eine Differenzierung nach Belastungsgebieten und Reinluftgebieten bereits vor. 3 Eine solche 1 VgJ. SIEBERT (1976), S. 367 ff. 2 VgJ. BINSWANGER, BONUS, TIMMERMANN (1981), S. 162 f.; RASMUSSEN, OESTERREICH., BEHN (1984), S. 48 ff. 3 VgJ. TA-LUFT (1986) Abschnitt 2.2.1.1.(b)(bb) in Verbindung mit BImSchG (1986), § 44,Abs.2, § 44 - 47. VgJ. auch detaillierter Gp. 5.4.2.2.

84

4. Anforderungen an die BeuneilWlg der Instrumente

Differenzierung ist auch ein wesentlicher Bestandteil der amerikanischen Luftreinhaltepolitik. l Ein weiterer Grund für eine räumliche Differenzierung insbesondere der Immissionsanforderungen kann schließlich der Wunsch nach einem »Nichtverschlechterungsgebot« für bisher wenig oder unbelastete Gebiete sein. Insgesamt ergibt sich also ein deutliches Erfordernis für eine räumliche Differenzierung der Emissionsanforderungen und auch der Immissionsstandards und damit der Instrumente auf regionaler, aber auch auf lokaler Ebene. 4.1.4.2. Die zeitliche Differenzierung Neben der räumlichen Differenzierung ist aber auch eine zeitliche Differenzierung erforderlich. Höhere Temperaturen in den Sommermonaten schränken die Assimilationskapazität des Wassers für bestimmte Schadstoffe ein. Zwischen Tag und Nacht bestehen große Einleitungsunterschiede. Ganze Branchen produzieren jahreszeitlich signifikant unterschiedliche Mengen und beanspruchen dementsprechend die Assimilationskapazität unterschiedlich. Insgesamt gibt es also jahreszeitlich, aber auch täglich große Schwankungen in der Assimilationskapazität der Umwelt und in der Nachfrage nach Assimilationskapazität, sodaß sich hierdurch zeitliche »Hot Spots« ergeben können. 2 In solchen Fällen ist eine zeitliche Differenzierung der Emissionsanforderungen geboten. Bei zeitlich unterschiedlicher Nutzungsintensität, z.B. Nutzung eines Gebietes im Sommer als Ferien- und Erholungsgebiet, kann sich auch die Notwendigkeit einer zeitlichen Differenzierung der Immissionsstandards ergeben. 3 4.2. Ökonomische Anforderungen Die vorangegangenen ökologischen Anforderungen an die Instrumente der Umweltpolitik sollten in jedem Fall erfüllt werden können. Ökonomische Anforderungen bilden ein zusätzliches wichtiges Kriterium, um Instrumente, die den ökologischen Anforderungen genügen, vergleichen zu können. 4 Die Realisierung der ökologischen Zielvorgaben sollte möglichst unter Berücksichtigung ökonomischer Gesichtspunkte erfolgen. Verbote sind mit den höchsten Kosten verbunden. 5 Bei hoch~radi~ toxischen Substanzen aller1 Vgl. BONUS (1984B), S. 14 f. Vgl. auch Gp. 5.4.2.

2 Formal hätte man es nach Ansatz 1 mit einem unterschiedlichen Verlauf der marginalen Schadensfunktion zu tUD. Bei Ansatz 2 würde die Umsetzung der Immissionsnorm in Emissionsbegrenzungen schärfer aus· fallen. 3 In Ansatz 1 würde sich das in unterschiedlichen marginalen Schadenskurven äußern. in Ansatz:! in unter· schiedlichen Immissions- und damit auch Emissionsnormen. 4 Inwieweit die politischen Instanzen bei der Formulierung der ökologischen Anforderungen bereits ökonomische Kriterien berücksichtigt haben, soll hier nicht weiter diskutiert werden.

S Vgl BINSWANGER, BONUS, TIMMERMANN (1981), S. 137.

4.2. Ökonomische Anforderungen

85

dings sind Verbote trotzdem unerläßlich. Nach Ansatz 1 würde eine pareto-optimale Internalisierung der externen Effekte in solchen Fällen zu einer Umweltbelastung von Null führen. Formal geht der Verlauf der marginalen Schadensfunktion gegen unendlich. Nach Ansatz 2 müßte der ökologische Rahmen ebenfalls eine Umweltbelastung von Null vorschreiben. Das ökologische Ziel genießt absolute Priorität, die Schadstoffe werden bereits in der kleinsten Dosierung für absolut umweltunverträglich gehalten. Ökonomische Rücksichten würden das Ziel gefährden. Abbildung 8 veranschaulicht das in diesem Fall identische Ergebnis von Ansat7. 1 und Ansatz 2. Die Abbildung zeigt - im Falle der hochgradig toxischen Substanzen - mögliche Verläufe von marginalen Schadensfunktionen, die eine Rücksichtnahme auf Kostenerwägungen ausschließen, da in jedem Punkt die marginalen Schäden (GSK 1) über den Grenzvenneidungskosten liegen bzw. gegen unendlich (GSK2 ) gehen. Ein Umweltqualitätsstandard (Q=O) nach Ansatz 2 ist in diesem Fall in der Abbildung Deckungsgleich mit der Ordinate, der DMAchse.

GSK,

GVK

w-----------------------.UB Q·o (Abbildung 8)

Abgesehen von einer Situation, wie sie in Abbildung 8 veranschaulicht ist, ist in dieser Arbeit ein Instrument einem anderen Instrument immer dann vorzuziehen, wenn es die sichere Einhaltung des ökologischen Ziels (Ansatz 2) zu insgesamt geringeren Kosten gewährleistet. Man spricht auch von der ökonomischen EfTlzienz eines umweltpolitischen Instruments. Die theoretische Überlegung nach Ansatz 1 geht dabei davon aus, daß Umweltschäden Kosten verursachen, die marginal mit wachsenden Schäden ansteigen. Dem slehen die Kosten gegenüber, die durch Vermeidung dieser Schäden entstehen. Wie schon an anderer Stelle erwähnt, ist es dann optimal, die Schadensbelastung in der Höhe festzulegen, wie sie der Schnittpunkt aus marginaler Schadenskurve (GSK3 in

86

4. Anforderungen an die Beurteilung der Instrumente

Abb. 8) und marginaler Vermeidungskostenkurve (GVK) widerspiegelt. 1 Dieses alliemeine Effizienzkriterium nach Ansatz 1 spielt in den weiteren Überlegungen eine untergeordnete Rolle,2 da es implizit davon ausgeht, daß die Verläufe von Grenzvermeidungskostenkurve und Grenzschadenskostenkurve bekannt sind, was aber auf Grund mangelnder Information der umweltpolitischen Akteure äußerst unwahrscheinlich ist 3 und - wichtiger noch - da es das ökologische Gleichgewicht, wie wir erörtert haben, gefährden könnte. Damit kommt eine solche Optimierung nicht in Betracht. Deswegen wird eine Umweltpolitik nach Ansatz 2 vorgezogen, die Standards setzt, die die Schäden in ökologisch vertretbaren Grenzen halten bzw. im Idealfall eine Gefährdung des ökologischen Gleichgewichts verhindern und die Assimilationskapazität nicht überschreiten. Dies impliziert, daß die Standards angepaßt werden sollten, wenn sich politische, wissenschaftliche, technische Daten, Erkenntnisse und Verhaltensweisen ändern. 4 Bisher sind hier lediglich Kosten der Schadensvermeidung betrachtet worden, ohne letztere weiter zu differenzieren. Gesamtwirtschaftlich müssen den Kosten der Schadensvermeidung neben den reinen technischen Kosten aber noch Kosten der InformationSbeschaffung oder generell Administrationskosten, die der Umweltbehörde und den Emittenten durch die Instrumente entstehen, zugerechnet und in einen Vergleich miteinbezogen werden. Ebenso müssen der entstehende bürokratische Aufwand 1 Vgl. TIETENBERG (1980A), S. 481. 2 Es wird zu Vergleichszwecken später noch einmal angewandt.

3 Um den Verlauf der Grenzvermeidungskostenkurve zu bestimmen, müßten der umweltpolitisch verant· wortlichen Instanzen die Kosten der Emissionsvermeidung jedes einzelnen Eminenten bekannt sein, was bei einer großen Zahl von Verschmutzern eine kaum zu lösende Aufgabe sein dürfte. Die Möglichkeit der präzisen Ermittlung der marginalen Schadenskurve scheint ebenfalb wegen der damit verbundenen monetären Ouantiftzierung der zum Teil immateriellen Umweltschäden kaum möglich. Vgl. T1ETENBERG (1980A), S. 481. 4 Nach Ansatz 1 würden diese Veränderungen auf eine tendenzielle Veränderung insbesondere der Schäden aber auch der Kosten - der marginalen Bedingungen - hinweisen. So können politische und menschliche Verhalteosänderungen zu einer Änderung der Zahlungsbereitschaft für die Umwelt führen. Damit würde sich dann formal die marginale Schadenskurve (Zahlungsbereitschaftskurve ) verschieben. Ebenso können neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu einer Neueinschätzung der entstehenden Schäden und damit zu einer Veränderung der Kurven führen. Die möglichen Gründe für eine tendenzielle Veränderung der Schäden und Vermeidungskosten und damit die Notwendigkeit einer entsprechenden Anpassung der Standards sind in GD 5,2.2. verbal und graphisch ausführlich erörtert und dargestellt. Diese Überlegungen haben von daher eine gewisse Relevanz für An-atz 1, den ökologischen Rahmenwerten, als die Einschätzung der entstehenden (Grenz-) Schäden in die Entscheidung über das Niveau der ökologischen Rahmenwerte miteiofließen. Eine Neueinschätzung der tatsächlich auftretenden Schäden, die zuvor unterschätzt worden sind, da beispielsweise die Auswirkungen eines Schadstoffes auf die Gesundheit unterschätzt worden sind, müßte eine Verschärfung' der ökologischen Rahmenwerte zur Folge haben. Ebenso könnte eine Erhöhung der marginalen Zahlungsbereitschaft zur Folge haben, daß die Individuen eine höheres Umweltqualitätsniveau anstreben als es die ökologischen Rahmenwerte vorsehen (Abb. 1D in Gp.1.3.2.). Die umweltpolitischen Akteure sollten dann ihre Maßnahmen entsprechend verschärfen.!n den weiteren Ausführungen dieser Arbeit wird deshalb Ansatz 1 als Referenzpunkt zur anschaulichen Erklärung bestimmter Einflüsse auf die Erfüllung der Anforderungen benutzt.

4.2. Ökonomische Anforderungen

87

sowie Kosten in der Einführungsphase von möglichen neuen Instrumenten berücksichtigt werden. Auf diese Kosten wird bei der Analyse der einzelnen Instrumente einzugehen sein. Neben der Forderung nach Kosteneffizienz der Instrumente sowie der Berücksichtigung zeitlicher, regionaler und lokaler Einflüsse auf diese Kosteneffizienz kommen als weitere ökonomische Anforderungen die Bildung von Anreizen zur Entwicklung umwelttechnischen Fortschritts und die Vermeidung von Wettbewerbsbeeinträchtigungen hinzu. 4.2.1. Die Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Kosten zur Erfüllung der ökologischen Anforderungen

Bezieht man das Kriterium der Kosteneffizienz auf einen politisch vorgegebenen Standard, so entfallen die Probleme der Bestimmung marginaler Schäden. l Abbildung 9 verdeutlicht die Vorgehensweise:

DM

(Abbildung 9)

Politisch wird ein Standard festgelegt, beispielsweise in Höhe von Ql oder Q3' an den sich die Emittenten entsprechend ihren individuellen Grenzvermeidungskosten anpassen. Ökologische Rahmenwerte in Höhe eines Standards Q2' der genau dem Optimum bei Internalisierung der externen Effekte nach Ansatz 1 entsprechen würde. wären allenfalls zufällig möglich. In der Literatur bezeichnet man dieses Kriterium dann auch als ökolQ&isch-ökonomisches Effizienzkriterium. Damit wird ausgedrückt, daß angestrebte ökologische Normen mit den geringstmöglichen Kosten erreicht werden oder ein begrenzter Etat für Um-

1 Vgl. aber die Fußnole oben.

88

4. Anforderungen an die Beurteilung der Instrumente

weltschutzaufwendungen zur größtmöglichen Umweltqualitätsverbesserung führt. 1 Das ökonomische Prinzip ist hier also auf die Umweltpolitik übertragen worden. Wir gehen dabei von der ersten Ausprägung dieses Prinzips, von der Erreichung eines gegebenen Ziels mit geringstmöglichen Mitteln aus. Dieses Kriterium ist in statischer Hinsicht bei gegebener Vermeidungstechnologie immer dann erfüllt, wenn die zur Einhaltung des Ziels nötigen Emissionsbegrenzungen jeweils auf die Quellen aufgeteilt werden, die die geringsten Grenzvermeidungskosten aufweisen. 2 Dynamische Aspekte des Umweltschutzes werden gesondert außerhalb dieses Kriteriums betrachtet. 4.2.2. Die ökonomische Notwendigkeit räumlich und zeitlich differenzierter Emissionsund Immissionsstandards.

Verzichtet die Umweltpolitik auf eine Differenzierung insbesondere der Emissionsanforderungen in zeitlicher, regionaler und lokaler Hinsicht, so berücksichtigt sie nicht höchst unterschiedliche Umweltbeeinträchtigungen und ökologische Anforderungen. 3 Soll eine Verletzung selbst einheitlicher ökologischer Normen, also Immissionsstandards vermieden werden , so sind undifferenzierte Emissionsanforderun~en von vornherein so zu wählen, daß sie in jedem Fall auf einen ökolo~ischen En~aß zugeschnitten sind, d.h., es müssen Emissionsstandards gesetzt werden, die in räumlicher Hinsicht auch noch an einer Meßstelle mit der geringsten ökologischen Kapazität die Einhaltung des Immissionsstandards sicherstellen bzw. in zeitlicher Hinsicht auch dann noch ausreichen, wenn eine größtmögliche Inanspruchnahme des Umweltmediums einer begrenzten Aufnahmekapazität gegenübersteht. Hinzu kommt, daß eine fehlende zeitliche Differenzierung keine unterschiedlichen Grenzvermeidungskosten für unterschiedliche Kontrollzeiten, in denen Kontrolle erforderlich ist, berücksichtigt. 4 Gleiches würde auch 1 Vgl. zum Begriff der ökologisch-ökonomischen Effizienz WICKE (1982A), S. 247. 2 Vgl. ZIMMERMANN (1984), S. 5. Die Grenzvermeidungskosten variieren beispielsweise mit der Be-

triebsgröße, von Branche zu Branche, von Standort zu Standort etc. Sie sind zudem wegen ihres überproportionalen Anstiegs bei wachsender Emissionsvermeidung abhängig von den bereits erbrachten Vorlcistllllgen. Der Leser möge außerdem beachten, daß wir hier die gesamtwirtschaftliche Kosteneffizienz betrachten. Für den einzelnen Emittenten kann aber ein im Sinne dieses Kriteriums gesamtwirtschaftlich effizientes Instrument teurer sein als ein gesamtwirtschaftlich weniger effizientes Instrument. Auf dieses Problem kommen wir bei der Behandlung der Akzeptanz der Instrumente noch zurück. Vgl. auch Gp.5.6.2.

3 Nach Ansatz 1 blieben unterschiedliche marginale Schäden unberücksichtigt. Unter der Prämisse, daß tendenzieU unterschiedliche oder sich ändernde (marginale) Schäden Berücksichtigung bei der Festlegung der Rahmenbedingungen (Ansatz 2) finden sollten, werden so notwendige Variationen der Ziele und Mittel unterIassen. Vgl. NICHOLS (1984), S. 83 ff. 4 Es müßten gewissermaßen Reinigungskapazitäten für Zeiten der Spitzenbelastung aufgebaut werden, die zu anderen Zeiten weitgehend ungenutzt wären. Sinnvoller und kostengünstiger könnte es aber sein, über eine gleichmäßigere Verteilung der Nachfrage nach »Schadstoffaufnahmekapazität« nachzudenken. Eine zeitliche Differenzierung etwa von Abgaben oder Zertifikaten würde die Emittenten von selbst zu solchen ÜberlegWJgen verleiten. Eine gewisse Verwandtschaft zu diesem Problem zeigen die zeitlich variierenden Nachfrageschwankun-

gen, mit denen es die Energiewirtschaft zu tun hat. Die Nachfrage nach Strom oder Gas schwankt be-

4.2. Ökonomische Anforderungen

89

für die Differenzierung der Immissionsnormen gelten. Undifferenzierte Immissionsnormen müßten in jedem Fall so ausgelegt sein, daß sie auch den Ansprüchen der dichtbesiedeltesten Region oder eines Erholungsgebietes, etwa eines Luftkurortes, gerecht würden. Ein undifferenzierter ökologischer Standard muß also immer auf den jeweiligen Engpaßfaktor zugeschnitten sein, also auf die Zeit und den Ort mit den höchsten ökologischen Anforderungen. l Diese Zusammenhänge werden in Abb. 10 veranschaulicht.

DM

(Winterl (Ort AI

~----~----~----~-----'UB

Engpass

Q3,E 3 Q 2 .E 2

Q 1 .E 1

(Abbildung }O)

In Abbildung 10 sind unterschiedliche ökologische Rahmenwerte (Immissionsnormen) Ql' Q2' Q3 bzw. Emissionsnormen E}, E2• E3 eingezeichnet. EI (QI) könnte beispielsweise der Emissionsnorm (Immissionsnorm) an einem Ort A entsprechen. E2 (Q2) an einem Ort Bund E3 (Q3) an einem Ort C. Ort C zeichnet sich gegenüber Ort A beispielsweise durch eine geringere Assimilationskapazität aus, die dazu führt, daß die gleiche $chadstoffemission zu größeren Schäden führt (Differenzierung der Emissionsanforderungen!). Deswegen müssen in Ort C die Emissionsnormen (E 3 ) zur Erreichung eines bestimmten ( - auch uniformen -) Immissionsstandards höher ausfallen als in Ort A (E}> und B (E2 ). Gründe für die unterschiedlichen Immissionsnormen QI' Q2' Q3 können die unterschiedliche Nutzungsart, etwa Freizeit- und Industriegebiet. die unterträchtlich im Tagesablauf (Tag, Nacht), im Wochenverlauf (Sonn- und Feiertags) und im Jahresverlauf (Sommer. Winter). Da der Output dieser Nachfrageschwankung nicht beliebig angepaßt werden kann und die f'lXkosten hoch sind - ebenso wie bei einmal installierter Reinigungskapazität " versucht man, die Nac:hfrageschwankungen zu gläuen, indem die Abgabepreise zeitlich differenziert werden, beispielsweise iD Tag- und Nachttarife. Dieses Problem wird in der Literatur unter dem Begriff »peak-load pricing~ diskutiert. Vgl. dazu u.a. STEINER (1957); WILLIAMSON (1966, 1974); MOHRING (1970); NELSON (1964); PRESSMAN (1970); CREW, KLEINDORFER (1976); WENDERS (1976); CROCKElT (1976); WEBB. RICKElTS (1980); SOHMEN (1976). Vgl. auch COASE (1970); BUCHANAN (1968). 1 Ökonomisch ausgedrückt kann die Höhe der externen Effekte von Ort zu Ort und von Zeit zu Zeit unterschiedlich seiD.

90

4. Anfordcnmgcn an die BeuneilWlg der Instrumente

schiedliche Besiedlungsdichte oder eine sich unterscheidende Tier und Pflanzenwelt mit unterschiedlicher Empfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen sein (Differenzierung der Immissionsanforderungen! ).1 Ebenso könnte EI die Emissionsnorm in einem bestimmten Flußabschnitt im Winter darstellen, während E3 die Emissionsnorm an genau demselben Flußabschnitt im Sommer beschreibt. Die Umweltbeeinträchtigungen im Sommer können bei gleicher Gesamtemission höher sein als im Winter, da der Sauerstoffgehalt der Flüsse mit höheren Temperaturen abnimmt, die Assimilationskapazität der Gewässer für bestimmte Schadstoffe aber entscheidend vom Sauerstoffgehalt abhängt. Ein weiterer jahreszeitlicher Unterschied im Verlauf der Emissionen (Nachfrage nach Schadstoffaufnahmekapazität) kann sich aber auch durch jahreszeitliche oder tägliche - Tag und Nacht - Schwankungen der Produktionshöhe und -intensität ergeben, die zu Schwankungen der Gesamtemissionen führt, da bestimmte Branchen beispielsweise vornehmlich im Winter produzieren, andere vornehmlich im Sommer, bzw. viele Betriebe nachts nicht arbeiten. Wird nun bei der Festlegung der Emissionsanforderungen auf diese regionalen und zeitlichen Unterschiede keine Rücksicht genommen und werden die Anforderungen einheitlich festgelegt, müßten sie in Höhe des Schnittpunktes von E3, Q3 mit der GVK-Kurve festgelegt werden, da hier der Engpaß auftreten würde. Dadurch werden insgesamt die Vermeidungsanforderungen zu hoch angesetzt. An Orten mit größerer Assimilationskapazität könnten sie gefahrlos niedriger sein. Gewässeremissionen für organische Schadstoffe dürfen im Winter höher sein als im Sommer, im Niederrhein möglicherweise nicht so hoch wie im Oberrhein, da die assimilative Kapazität jeweils unterschiedlich ist. Damit ist deutlich geworden, warum undifferenzierte Standards zu ökonomischen Einbußen führen können. Es wird mehr in die Schadstoffvermeidung investiert als notwendig ist. Das führt zu insgesamt unnötig hohen Grenzvermeidungskosten der Reduktion. Will man daher Umweltpolitik auch unter dem Aspekt der gesamtwirtschaftlichen Kosteneffizienz betreiben2, so sollte man durch zeitliche und regionale Daten bedingte variierende Umweltbeeinträchtigungen und ökologische Anforderungen berücksichtigen3 und dementsprechend die Instrumente so gestalten, daß sie erlauben, differenzierte Umweltqualitätsstandards, in jedem Fall aber differenzierte Emissionsanforderungen durchzusetzen. Ein weiterer Aspekt einer Nichtberücksichtigung räumlich und zeitlich variierender Da1 Es sei nochmal darauf hingewiesen, daß selbst einheitliche Immissionsnormen in der Regel unterschiedliche Emissionsanforderungen erfordern, da die Ausgangssituationen an verschiedenen Orten nicht identisch sein werden. 2 Es sei daran erinnert, daß gesamtwirtschaftlich effiziente Umweltpolitik bei gegebenen Mitteleinsatz mehr Umweltschutz ermöglicht.

3 Vgl. auch zu diesen Problemen FISHELSON (1983), S. 43 ff.; T1ETENBERG (1978), S. 26S er. Ein weiterer Grund für räumlich und zeitlich bedingte variierende ökologische Anforderungen und Umweltbeeinträchtigungen können Wlterschiedliche meteorologische Bedingungen sein.

4.2. Ökonomische AnforderWlgen

91

ten besteht in den Anreizen für die Emittenten. Wie wir gesehen haben, führen zeitliche und räumliche Unterschiede zu unterschiedlichen Umweltbeeinträchtigungen und unterschiedlichen ökologischen Anforderungen, die zu unterschiedlichen Kosten zwischen verschiedenen Emissionsstandorten bzw. zwischen den Emissionszeiten führen. Diese unterschiedlichen Kosten könnten die Emittenten dazu veranlassen, ihre Produktionsentscheidungen und damit Emissionsentscheidungen in räumlicher und zeitlicher Hinsicht zu überdenken und so möglicherweise Vermeidungskosten zu sparen. 1 Ohne diesen Anreiz würden umweltpolitische Überlegungen für die Standortfrage der Unternehmen bzw. für die Produktionszeit der Unternehmen keine Rolle spielen.2 Abb. 11 veranschaulicht diesen Aspekt:

__

~--------~------L(Ort B) (Ort A) {Sommer/

GVK

--.UB

{Winter/

(Abbildung 11)

Der einzelne Emittent oder ein potentieller Neuansiedler sieht sich beispielsweise einer Situation gegenüber, wie sie Abb. 11 beschreibt. Ort A ist für den Emittenten mit geringeren Grenzvermeidungskosten verbunden als Ort B, da in Ort B wesentlich strengere Immissionsstandards (Q) gelten oder die örtliche Situation bei einheitlichen Immissionsstandards geringere Emissionsreduktionen (E) zuläßt. Ebenso sind beispielsweise die Immissionsstandards im Winter kostengünstiger einzuhalten als im Sommer, weil eine höhere Assimilationkapazität höhere Emissionen erlaubt. Einheitliche Anforderungen an die Emissionsvermeidung würden diese Zusammenhänge unberücksichtigt lassen und den Emittenten keine Anreize geben, ihre Produktionsentscheidungen in zeitlicher und räumlicher Hinsicht zu überdenken. Differenzierte Umweltanforderungen dagegen 1 Einen Anreiz, energieintensive Produktionen auf die Nachtzeit zu verlegen, bietet beispielsweise auch ein verbilligter Nachtstrom. 2 Das gilt uneingeschränkt nur für den Fall, daß keine Belastungsgebiete vorliegen, die einen weiteren Zugang von Emittenten bzw. eine Produktionserweiterung verbieten und so zu Standonverlagerungen zwingen.

92

4. Anforderungen an die Beurteilung der Instrumente

würden die Standortkosten bzw. die durch Umweltanforderungen zeitlich variierenden Produktionskosten der Emittenten in unterschiedlicher Weise beeinflussen und damit die ökologischen Restriktionen zu einem (zusätzlichen) Faktor bei der Standortwahl bzw. des Produktionszeitpunktes machen. Insgesamt würden die Kosten ohne Differenzierung höher als notwendig ausfallen. 1 Es geht also neben einer Aufteilung der Emissionsverminderung auf die kostengünstigsten Emittenten auch um eine Aufteilung der Emissionen auf die günstigsten Standorte bzw. die günstigste Zeit. 4.2.3. Anreize zur Entwicklung technischer Neuerungen mit umweltentlastender Wirkung

Einen weiteren ökonomischen Aspekt umweltpolitischer Instrumente bildet die Frage, in welchem Maße die Instrumente Anreize setzen, umweltentlastende technische Neuerungen zu entwickeln.2 Technische Neuerungen senken die Kosten der Emissionsvermeidung, die marginale Vermeidungskostenkurve verschiebt sich nach unten. Damit kann dann ein von der Umweltbehörde festgelegter Standard zu niedrigeren Kosten realisiert werden. 3 Diese Zusammenhänge werden bei der Diskussion der Instrumente in Gp. 5.3. ausführlich diskutiert. 4.2.4. Vermeidung negativer wettbewerbs- und strukturpolitischer Auswirkungen

Im Rahmen der Untersuchung der wettbewerbs- und strukturpolitischen Auswirkungen der Umweltpolitik ist zu prüfen, ob und in welchem Maße (tendenziell) Ziele und Instrumente der Umweltpolitik den Wettbewerb und den wirtschaftlichen Strukturwandel beeinflußen. Der wirtschaftliche Wandel sollte durch Umweltpolitik nachhaltig beeinflußt werden in dem Sinne, daß die Marktwirtschaft ökologische Rahmenbedingungen beachtet; allerdings sollte wirtschaftliches Wachstum und struktureller Wandel durch umweltpolitische Maßnahmen nicht behindert oder gar verhindert werden. 4 Schließlich sollte die Umweltpolitik möglichst nicht zu einer Verstärkung wettbewerbspolitisch unerwünschter Folgen in Form von Marktrnachtbildung und Branchenkonzentrationen

1 Vgl. N1eHOLS (1984), S. 101 ff. 2 Vgl. ENDRES (1985), S. 21.

3 Mit Blick auf die Notwendigkeit, die Standards von Zeit zu Zeit eventuell zu verschärfen. bieten die so gesunkenen Kosten den Vorteil, daß die schärferen Standards leichter durchzusetzen sind. da mögliche EinbuBen bei anderen wirtschaftspolitischen Zielen, beispielsweise am Arbeitsmarkt. dann geringer ausfaUen. Somit liegt technischer Fortschritt durchaus nicht nur im Interesse der Emiuenten, sondern auch im Interesse der Behörden und anderer umweltpolitischer Akteure, wie z.B. Umweltschutzgruppen usw., d.h. die Kostensenlcung durch technischen Fortschriu erleichtert es, auch hier bei Bedarf mehr für den Umwe1tschutz zu tun, ohne daß sich ein gegebener Miuelaufwand erhöht. 4 Eine Behinderung des strukturellcn Wandels könntc zu cincr Konscrvierung bestehcnder (umwcltintensi~r) Industriestrukturen führen.

4.3. Praktikabilität. Akzeptanz Wld politische Durchsetzbarkeit

93

beitragen. 1 In diesem Abschnitt ist damit mehreren Fragen nachzugehen. Einmal ist zu prüfen, inwieweit es durch Umweltpolitik zu Mobilitätsbarrieren kommt. die den Strukturwandel behindern. Desweiteren stellt sich die Frage. ob und in welchem Maße es möglicherweise zu einer strukturell unterschiedlichen Spürbarkeit umweltpolitischer Maßnahmen und damit zu Strukturverschiebungen kommt, die keine ökologischen Wirkungen entfalten. Dieser Punkt schließt einmal die unterschiedliche Spürbarkeit zwischen großen und kleinen Emittenten. aber auch die unterschiedliche Spürbarkeit in einzelnen Branchen mit ein. wodurch dann möglicherweise unerwünschte Verdrängungseffekte auftreten können. Damit eng zusammen hängt auch die Frage. ob die Umweltpolitik zu unerwünschten Konzentrationstendenzen führt. Ein weiterer oft diskutierter Aspekt ist die Frage. ob umweltpolitische Instrumente Mißbrauchsmöglichkeiten durch die Bildung von Marktmacht und speziell bei den Zertifikaten durch Hortung und Spekulationsmöglichkeiten eröffnen. Mit den vorgenannten Problemen eng verknüpft ist das Problem einer GleichbehandJung oder UngJeichbehandJung von Altemittenten und Neuemittenten und die Fragen nach dem (relativen) Ausmaß und der Bewertung dieser Ungleichbehandlung. Wird eher eine Politik des "grandfathering" betrieben. die Altemittenten bevorzugt. weil es dafür pragmatische. möglicherweise aber auch konkrete rechtsstaatliehe Gründe gibt. oder werden Alt- und Neuemittenten die gleichen Lasten und damit die gleichen Chancen zuteil? Schließlich ist noch die Frage zu stellen. welche Wirkungen die Durchsetzung bestimmter Ziele und die Anwendung bestimmter Instrumente auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Emittenten haben. 4.3. Praktikabilität, Akzeptanz und politische Durchsetzbarkeit

Ein theoretisch noch so überragendes Instrument kann praktisch bedeutungslos sein. wenn es im umweltpolitischen Einsatz wenig praktikabel und schwer handhabbar ist. oder wenn es bereits im Vorfeld parlamentarischer Entscheidungsprozesse aus den gleichen Gründen oder aus Gründen mangelnder Akzeptanz bei den Betroffenen. den politischen Entscheidungsträgern. deren Wählern und verschiedenen Interessen~erbänden scheitert. Untersucht man umweltpolitische Ziele und Instrumente. darf man sich also nicht nur deren objektive Vorteile und Mängel ansehen. sondern muß auch subjektive Widerstände beachten. die daraus resultieren. daß die verschiedenen am Umweltschutz interessierten und beteiligten Gruppen sehr unterschiedlich von der Umweltpolitik und

1 Vgl. ENDRES (1985) S. 75 f.; SPRENGER (1984), S. 58 ff.

94

4. Anforderungen an die Beurteilung der InsUUmenle

ihren Zielen tangiert werden.! Wichtig für diese Untersuchung ist dabei der instrumentelle Aspekt. Verschiedene Instrumente und deren Ausgestaltung lösen unterschiedliche Wirkungen bei den umweltinteressierten Personenkreisen aus und fördern oder behindern in unterschiedlicher Weise deren eigene gewünschte Ziele, die beim Emittenten andere sein dürften, als beim engagierten Umweltschützer. Stellvertretend für alle umweltpolitisch betroffenen Kreise soll hier die tendenzielle Haltung der Administration, also der Umweltbehörde, die die Erreichung der Umweltschutzziele zu gewährleisten hat, der Unternehmen, der Gewerkschaften als Vertreter von Arbeitnehmern, der Politiker und der Bevölkerung einschließlich der Umweltschutzgruppen zu den umweltpolitischen Zielen 2, insbesondere aber zu den Instrumenten beleuchtet werden. 4.3.1. Praktikabilität der Instrumente

Umweltpolitische Instrumente sollten so ausgestaltet sein, daß sie für die direkt damit befaßten Gruppen, also die Administration und die Emittenten einfach zu handhaben sind.3 Für die Emittenten muß klar sein, was erlaubt und was nicht erlaubt ist, das Instrument muß also für die Emittenten eindeutige Vorgaben enthalten. Für die Administration ist das Problem der Kontrolle und der gesicherten Erreichung der ökologischen Ziele von größter Bedeutung.4 Dazu gehört eine unkomplizierte Möglichkeit der Regionalisierung der Ziele, der Anpassung an geltendes Recht, der Reaktion auf Ausnahme- bzw. Notsituationen und temporäre Besonderheiten. Dabei ist immer ein Vergleich der Instrumente untereinander notwendig. Erst so läßt sich sagen, ob ein Instrument Vorteile oder Nachteile mit sich bringt. Von Interesse sind nicht der absolute Aspekt und die absoluten Probleme der Handhabbarkeit sondern nur die relativen Aspekte im Vergleich der Instrumente untereinander. Die Frage lautet immer, ob ein Instrument in der Handhabung durch Behörden und Emittenten gegenüber einem anderen Instrument Vor- oder Nachteile aufweisen kann. 1 Vgl. zu einer differenzierten Einteilung der Interessengruppen PAUL (1986), S. 22. 2 Vgl. PAUL (1986); MÜLLER (1986); BONUS (1985). 3 BONUS weist allerdings darauf hin, daß die in der Bürokratie, der Wissenschaft und in der Wirtschaft mit umweltpolitischen Fragen befaßten Experten Vorteile gerade aus der Kompliziertheit des heutigen Auflagensystems zieben und von daher dieses System präferieren. Diese Experten sind nämlich in der Lage, das System zu durchschauen. Damit haben sie sich in Wirtschaft und Bürokratie durch ihre Kompetenz, ihre »ideosynkratisches Erfahrung«, eine schwer entbehrliche Position geschaffen, die sie ungern wieder aufgeben. Vgl. BONUS (1985), S. 363 ff. Die Präferenz für das gegenwärtige Auflagensystem in weiten Bevölkerungskreisen kann damit erklärt werden, daß Auflagen intuitiv und sachlich einleuchtender sind als die vorgeschlagenen anreizorientierien Instrumente. Vgl. BONUS (1984B), S. 71 f. Eine bessere Information könnte diese Präferenzen möglicherweise verändern. An dieser Stelle der Arbeit soU zunächst nur allgemein untersucht werden, welche Gründe die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen für (neue) umweitpolitiscbe Instrumente einnehmen könnten. Auf spezielle Präferenzen bestimmter Individuen und auf mögliche ideologische Widerstände gegen bestimmte Instrumente wird bei der Diskussion der Akzeptanz der einzelnen Instrumente in Gp. 5.6. näher eingegangen. 4 Vgl. WICKE (1984), S. 76; PAUL (1986), S. 68 f.

4.3. Praktikabilität, Akzeptanz und politische Durchselzbarkeit

95

4.3.2. Verbandstheoretische Aspekte der Durchsetzbarkeit In einer Übertragung verbandstheoretischer Aussagen, wie sie von A Downs, J.M. Buchanan, G. Tullock und insbesondere M. Olson entwickelt wurdeni, kommt J. PAUL zu dem Schluß, daß im Bereich der Umweltpolitik eine Asymmetrie der Interessenvertretung vorliegt, die für ein unterschiedliches Gewicht verschiedener Interessengruppen in der umweltpolitischen Ziel- und Entscheidungsfindung sorgt. 2 Paul unterscheidet zwei gegensätzliche Interessengruppen, nämlich die Gruppe der »Umweltschutzgegner« und die Gruppe der Verfechter des Umweltschutzes, die er als »Ökologen« bezeichnet.3 Zu den Umweltschutzgegnern rechnet er die Unternehmen umweltbelastender Branchen sowie deren Arbeitnehmer, vertreten durch die Gewerkschaften. 4 Die Unternehmen als Arbeitgeber und die Gewerkschaften bilden eine gewichtige Koalition in der umweltpolitischen Auseinandersetzung. Allerdings wird hier weiter differenziert, indem innerhalb der Wirtschaft zwischen sauberen und emissions trächtigen Branchen sowie deren Arbeitnehmern unterschieden wird,5 deren Interesse am Umweltschutz jeweils sehr verschieden sein kann.

Nun hält PAUL die Struktur der umweltbelastenden Branchen, also der Umweltschutzgegner, für so beschaffen, daß sie im Sinne OLSON's eine "kleine Gruppe" darstellt, die die besten Voraussetzungen zum Aufbau einer schlagkräftigen Organisation bietet, während "Ökologen" und die aus "stark polypolistisch strukturierten Branchen bestehende wenig umwelt~elastende Wirtschaft'06 eine große Gruppe darstellt, die nur schwer zu organisieren ist. 7 Danach besitzen also die 'Gegner' des Umweltschutzes bessere Voraussetzungen als die Verfechter, ihren Interessen und Vorstellungen in den politischen Entscheidungsgremien Gehör zu verschaffen. PAUL weist auch auf die Grenzen der Anwendbarkeit der Theorie Olson's auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik hin. So führt er beispielsweise an, daß diese Theorie die Stärke der Gewerkschaften in der Bundesrepublik nicht überzeugend zu erklären vermag. 8 Insgesamt hält er aber die durch diese Theorie erklärbare Asymmetrie in der

1 Vgl. DOWNS (1957); BUCHANAN (1965); BUCHANAN, TULLOCK (1965); OLSON (1965); OLSON (1982). In der deutschsprachigen Literatur vgl. VIELER (1986), sowie die Beiträge von WITIMANN (1975); BERNHOLZ (1975); KIRSCH (1975). 2 Vgl. PAUL (1986), S255 ff. 3 Vgl. PAUL (1986), S. 264. 4 Vgl. PAUL (1986), S. 259 ff.

S Vgl. PAUL (1986), S. U7 ff. 6 PAUL (1986), S. 268 f. 7 Hier zeigt sich wieder die Problematik des öffentlichen Gutes Umweltschutz und des damit verbundenen Gefangenendilemmas. Vgl. Gp. 1.1. 8 Vgl. PAUL (1986), S. 275 ff.

96

4. Anforderungen an die Beurteilung der Instrumente

umweltpolitischen Interessenvertretung in der Bundesrepublik für bedeutsam. Er weist ausdrücklich auf die Existenz von Umweltschutzverbänden und Bürgerinitiativen hin und konstatiert deswegen eine Milderung der Asymmetrie, aber es besteht seiner Meinung nach "nach wie vor kein Mechanismus, der für einen Ausgleich der Interessenvertretung sorgen könnte."1 Für einen Vergleich der Instrumente der Umweltpolitik unter dem Gesichtspunkt der Durchsetzbarkeit bedeuten diese Überlegungen, daß der Ansicht der Umweltschutzgegner zu einzelnen Instrumenten ein stärkeres Gewicht zukommt als der Ansicht der Verfechter des Umweltschutzes. Wenn es allerdings heißt, daß es nach wie vor keinen Mechanismus für einen Ausgleich der Interessenvertretung gibt, so bedeutet das schließlich nicht, daß es für alle Zukunft so bleibt. Schon heute ist die Sensibilität für Fragen des Umweltschutzes in allen Bevölkerungsschichten deutlich größer als noch vor einigen Jahren, und diese Sensibilität dürfte in Zukunft eher noch ansteigen, d.h. auch die Mobilisierbarkeit und Organisierbarkeit der Bevölkerung für Belange des Umweltschutzes dürfte zunehmen. Verstärktes Wissen und zunehmende Information über Umweltschäden dürften einer Überwindung des Gefangenendilemmas entgegenkommen. In Zukunft scheint es daher nicht unwahrscheinlich, daß Umweltschutzbefürworter sich ebenfalls in schlagkräftigen Organisationen zusammenfinden. Dabei dürfte es sich wegen des Gefangenendilemmas beim öffentlichen Gut Umweltschutz, der häufig regionalen Dimension von Umweltproblemen und wegen einer überschaubaren kleineren Zahl ("kleine Gruppe") um regionale Gruppen und Bürgerinitiativen handeln. Diese bilden aber wiederum eine "kleine Gruppe" im Sinne OLSON's und könnten sich sicherlich zu überregionalen Verbänden zusammenschließen und so zu den Verbänden der Umweltschutzgegner einen wirksameren Gegenpol bilden.

4.3.3. Akzeptanz in der Administration Die Administration läßt sich nicht so ohne weiteres den Umweltschutzgegnern oder den Befürwortem zuordnen. Zu den Instrumenten aber wird die Administration sicherlich deutlich Stellung beziehen. da sie mit dem Vollzug befaßt sein wird. Die Haltung der Administration, hier in erster Linie der Umweltbehörde, zu den Instrumenten wird dabei durch das in der Literatur eingehend diskutierte Eigeninteresse der "Bürokraten", also der Behördenmitarbeiter, bestimmt. 2 Die Bürokratie kann nicht nur als Vollzugsinstitution der von den politischen Entscheidungsträgem gestellten Aufgaben verstanden werden. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß die Behördenmitarbeiter sich der Lenkung und der Kontrolle durch die 1 PAUL (1986) S. 283.

2 Vgl. TULLOCK (1965); DOWNS (1965); NISKANEN (1971); BLANKART (1975); PAUL (1986) S. 437 Ir.; HOlZINGER (1987). Vgl. auch BONUS (1985), S. 363 ff.

4.3. Praktikabililäl. Akzeptanz und politische Durchsetzbarkeit

97

Politik teilweise entziehen und eigene Interessen voranstellen. Für die Durchsetzbarkeit umweltpolitischer Instrumente innerhalb der Administration ergeben sich daher einige grundsätzliche Aspekte, die tendenzielle Aussagen darüber erlauben, wie die Akzeptanz von Instrumenten der Umweltpolitik durch die Administration zu beurteilen ist. • Will man ein bisher angewandtes Instrumentarium durch ein anderes ersetzen, so wird die Verwaltung einem solchen Vorhaben eher ablehnend gegenüberstehen und wenig Bereitschaft zeigen, Änderungsvorschläge unvoreingenommen zu prüfen, da sie mit dem bisherigen Instrumentarium umzugehen versteht. Die Administration wird also am Erhalt des Status Quo interessiert sein. Diese Tendenz mag verstärkt werden durch einen Imageverlust, der mit der Neueinführung, aber auch mit einer Abwandlung bisheriger Instrumente einhergeht, da Änderungswünsche am Instrumentarium auch aus einer Kritik am bisherigen Verwaltungshandeln herrühren. 1 • Sind aber Änderun~en unum~än~lich oder scheint die Einführung neuer Instrumente unausweichlich, so kann von einer Präferenz der Administration für solche Instrumente ausgegangen werden, die insgesamt geringe Konflikte mit den übrigen Beteiligten erwarten lassen, die leicht handhabbar2 sind, die die vorgegebenen Ziele grundsätzlich und möglichst rasch erreichen können und so zu schnellen, auch auf die Verwaltung zurückfallenden Erfolgen führen, die rechtlich und politisch wenig umstritten und risikoarm sind und möglichst wenig Anpassungsprobleme aufwerfen. 3 • Aus dem grundsätzlichen Interesse heraus, die eigene Existenzberechtigung zu unterstreichen und eigene Kompetenzen und Macht zu mehren, zumindest aber zu erhalten, werden weiterhin solche Instrumente präferiert werden, die diesen Bedürfnissen entgegenkommen und die Zuständigkeit der Administration nicht beschneiden. 4 Zusammenfassend läßt sich sagen. daß Instrumente, die den Status Quo in der Vorgehensweise erhalten und den Status Quo in der Zuständigkeit und Kompetenz möglichst nicht, oder falls es unumgänglich ist. nur möglichst wenig verringern, tendenziell eher auf Zustimmung stoßen dürften.

1 Vgl. NlESSLEIN (1984) S. 68 f.; KABELITZ (1984). S. 390 f. 2 Wir hatten bereits erwähnt. das gerade bei den "Umweltexperten" eine Präferenz für komplizierte Instrumente vorhanden sein kann. da diese Experten sich gewissermaßen ein "Kompetenzmonopol" schaffen können. Vgl. BONUS (1985). Allerdings dürfte auch die Administration bei einer (nicht von ihr zu verhindernden) Einführung neuer Instrumente an der Operabilität dieser neuen Instrumente interessiert sein, um. einen raschen Einstieg in das neue Instrumentarium zu gewährleisten. 3 Vgl. KABELITZ (1984), S. 390. 4 Vgl. FROHWEIN (1976), S. 82; BONUS (1985), S, 363 f.

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4. Anforderungen an die Beurteilung der Instrumente

4.3.4. Akzeptanz bei den Unternehmen Bei den Unternehmen kann hinsichtlich umweltpolitischer Maßnahmen und der zu ihrer Durchsetzung angewandten Instrumente eine sehr unterschiedliche Interessenlage vorliegen.! So kann man innerhalb der Unternehmen eine Gruppe ausmachen, die verstärktem Umweltschutz äußerst positiv gegenübersteht, die Gruppe der Produzenten und Zulieferer, die sich speziell mit der Herstellung von Umwelttechnik befassen. Für den Ökonomen ist es einleuchtend, daß Unternehmen Maßnahmen, die die Rentabilität steigern, begrüßen und rentabilitätsmindernden Maßnahmen Widerstand entgegenbringen werden. 2 Der Gruppe der speziellen Anlagenhersteller steht die wohl größere Gruppe der AnIagenbetreiber gegenüber, die durch Umweltschutzmaßnahmen zusätzliche Kosten erwartet.3 Damit hängt die Frage nach dem Interesse der Unternehmen an Umweltschutzmaßnahmen und Instrumenten sicherlich in hohem Maße davon ab, inwieweit ihre Marktposition durch neue Marktchancen oder durch zusätzliche Kosten beeinflußt wird. 4 Ohne die grundsätzlichen Positionen verschiedener Branchen zum Umweltschutz im Detail zu betrachten, soll hier die sich aus den grundsätzlichen Positionen ergebende tendenzielle Haltung zu den verschiedenen Instrumenten herausgearbeitet werden. 4.3.4.1. Akzeptanz in der Umweltbranche Als Beurteilungskriterium für die Präferenzen der Umweltbranche für das eine oder andere Instrument kann ein Vergleich der tendenziellen Nachfrage nach Gütern der Umweltbranche, die durch ein Instrument induziert wird, herangezogen werden. Das Instrument, das die größte Nachfrage nach Umwelttechnik induziert, dürfte auf breite Zustimmung dieser Gruppe stoßen.

1 Vgl. KABELITZ (1984), S. 433. 2 Vgl. PAUL (1986), S. 12. 3 Auch die AnIagenherstel1er sind Emittenten, aber sie leben vom Umweltschutz und werden ihn nicht nur begrüßen, sondern sich politisch für mehr Umweltschutz stark machen. Vgl. EWRINGMANN, ZIMMERMANN (!978), S. 75. Auch die Umweltbranche ist Betreiber von emittierenden Anlagen und wird durch Umweltschutzmaßnahmen belastet. Andererseits schafft der Umweltschutz eben erst den Markt, auf dem diese Branche tätig ist. 4 Auch hier kann es allerdings wieder "Experten" geben, die ihr "Kompetenzmonopol" in Umweltschutzfragen ungern aufgeben und deswegen gegen eine Änderung des bisherigen Systems Widerstand leisten werden. Vgl. BONUS (1985), S. 365. Ohne daß hier eindeutig die Frage beantwortet werden kann, welche Position sich im Unternehmen behaupten wird, spricht doch einiges dafür, daß die Gruppe der Kaufleute im Unternehmen sich durchzusetzen vermag. da der Wettbewerb eine mangelnde Rücksichtnahme auf die Marktposition, und die Markt- und Kostenentwicklung mit dem Marktaustritt des Unternehmens ahnden würde, was auch nicht im Interesse der Umweltexperten sein kann.

4.3. Praktikabilität, Akzeptanz und politische Durchsctzbarkcit

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4.3.4.2. Akzeptanz bei den Anlagenbetreibern Zur Beurteilung der Präferenz der Anlagenbetreiber für ein Instrument können einmal die zusätzlichen Kosten herangezogen werden, die den Betreibern entstehen, 1 der Qrru1 der Sicherheit. den das Unternehmen für zukünftige Planung und Investitionen hat und die Verläßlichkeit auf den Bestand der beschlossenen Maßnahmen. Der zweite und dritte Punkt sind wichtig für Unternehmen, da der Wettbewerb langfristige Investitionsentscheidungen verlangt, Umweltschutzinvestitionen recht kostspielig sein können und später kaum oder nur zu sehr hohen Kosten revidiert werden können. 2 4.3.5. Akzeptanz bei den Gewerkschaften Den traditionellen Positionen und Forderungen der Gewerkschaften ist in den vergangenen Jahrzehnten mit einer beträchtlichen Erhöhung der realen Löhne, einer damit einhergehenden Verbesserung der Konsummöglichkeiten der Arbeitnehmer und einer Vielzahl von Verbesserungen auf sozialen Gebieten immer mehr entsprochen worden. 3 Gewerkschaftliche Ziele und Ansprüche beschränken sich deswegen nicht mehr auf rein quantitatives Wachstum und eine weitere Verbesserung des materiellen Wohlstands, sondern zunehmend auch auf andere Politikbereiche. In diese Politikbereiche gehört insbesondere der Umweltschutz, da Arbeitnehmer nach Auffassung der Gewerkschaften und nach wissenschaftlichen Untersuchungen von der Verschmutzung der Umwelt sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Freizeit am stärksten betroffen sind. 4 Vor dem Hintergrund eines breiten materiellen Wohlstands kann die grundSätzliche Haltung der Gewerkschaften zum Umweltschutz als positiv angesehen werden. 5 Im Umweltprogramm des DGB von 1974 findet diese positive Haltung aber dort ihre Grenzen. wo Arbeitsplatzverluste oder Reallohneinbußen drohen. 6 Man darf davon ausgehen, daß 1 Das Problem der Kostenüberwälzbarkeit wird hier nicht näher untersucht. Vielmehr wird davon ausgegangen, daß der Wettbewerb eine vollständige Kostenüberwälzung nicht zuläßt. 2 Zur Betrachtung von Umweltbranchen und Anlagenbetreibern als Gruppen mit gegensätzlichem Interesse im Umweltschutz sei angemerkt, daß diese Gruppen z.T. in den gleichen Verbänden organisiert sind, z.B. Arbeitgeberverband und Bundesverband der Industrie. Ebenso verhält es sich mit den Arbeitnehmern der Betriebe, die in den gleichen Gewerkschaften organisiert sind. Damit könnten sich zwar innerhalb dieser Verbände Interessenkonflikte auftun, die zu einer uneinheitlichen Verbandsargurnentation führen könnten, rein quantitativ dürften aber die Anlagenbetreiber und deren Arbeitnehmer überwiegen. Daraus läßt sich auf den Kurs der Gesamtverbände und Dachorganisationen schließen, die großen Einfluß in der bundes- und landespolitischen Auseinandersetzung ausüben. 3 Vgl. EWRINGMANN, ZIMMERMANN (1978), S. 78. 4 Vgl. o.V. (1985), S. 697.; KREIMER, ZWING MANN (1985), S. 729 ff.; ZIMMERMANN (1985). 5 Vgl. EWRINGMANN, ZIMMERMANN (1978), S. 78.; SCHNEIDER, (1985) S. 698 ff. 6 Vgl. KABELITZ (1984), S. 397 f. Auch im Umweltprogramm des DGB von (1985) kommt die Sorge um die Beschäftigungssituation und die Arbeitsplätze zum Ausdruck. Allerdings werden hier, ähnlich wie von Seiten der Sozialdemokratischen Partei, positive Beschäftigungseffekte des Umweltschutzes hervorgehoben und deswegen ein Programm Arbeit und Umwelt gefordert. Auf diese Forderungen soU hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu DGB-BUNDESVORSTAND, (1985); SCHNEIDER (1985), S. 701 ff.; WELSCH (1985), S. 707 ff.

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4. Anforderungen an die Beuneilung der Instrumente

die Gewerkschaften neben ihrem Eintreten für ein "qualitatives" Wachstum die quantitative Seite, die Sicherung von Arbeitsplätzen und Reallöhnen für ihre Aufgabe halten. Deshalb dürfte die Position der Gewerkschaften zu einzelnen umweltpolitischen Instrumenten entscheidend von diesen Aufgaben geprägt sein. Instrumente, die die umweltpolitischen Ziele mit großer Sicherheit erreichen und die zudem Risiken bezüglich dem Verlust von Arbeitsplätzen und Reallohneinbußen verringern, dürften also gegenüber anderen Instrumenten, die hier tendenziell schlechter abschneiden, präferiert werden.! Allerdings muß auch mit ideolol:ischen Vorbehalten gerade gegen die in dieser Arbeit untersuchten marktwirtschaftlichen Instrumente gerechnet werden? Prinzipiell aber kann von einer Interessenkoalition zwischen Gewerkschaften als Arbeitnehmervertreter und Emittentengruppe als Arbeitgeber dahingehend ausgegangen werden, daß die Kosten für den unumgänglichen Umweltschutz möglichst niedrig sein sollten und von daher auf beiden Seiten eine Präferenz für kostengünstige Instrumente vorhanden sein sollte. Voraussetzung dafür ist aber die Überwindung der oben angeführten ideologischen Vorbehalte. Verbesserte Information über die Funktionsweise solcher kostengünstigen Instrumente könnte dabei nützlich sein. 3 4.3.6. Akzeptanz bei den politischen Entscheidungsträgern Neben unterschiedlichen ideologisch geprägten Einstellungen 4 zu den einzelnen umweltpolitischen Instrumenten dürften für die Akzeptanz bei den politischen Entscheidungsträgem deren spezifische Eigeninteressen, wie sie von Vertretern der Neuen Politischen Ökonomie herausgearbeitet worden sind, von großer Bedeutung sein. 5 So ist bei der Diskussion und Entscheidung über umweltpolitische Maßnahmen unmittelbar die aus den Maßnahmen resultierende Rückwirkung auf die Entscheidungsträger von Bedeutung und erst mittelbar der sich für die Bevölkerung tatsächlich ergebende Nutzen. 6 Die Neue Politische Ökonomie konstatiert für die Politiker einen ausgeprägten Willen zur Machterhaltung, durch den deren Entscheidungen geprägt werden. Deshalb werden politische Entscheidungsträger, die sich regelmäßig den Wählern stellen müssen, solche 1 EiDe ähnliche Haltung, die allerdings möglicherweise nicht so ausgeprägt ist. gill für die Schaffung von Deuen Arbeitsplätzen. Instrumente, die tendenziell die Arbeitsproduktivität relativ zur Kapitalprodukti\i. tät verschlechtern, dürften daher eher auf Ablehnung stoßen. 2 Vgl. KABELITZ (1984) S. 399 f. 3 Auf ideologische Vorbehalte kommen wir bei der Diskussion der einzelnen Instrumente zu sprechen. 4 Ideologisch geprägte Einstellungen können aus einer generellen Skepsis gegenüber dem Preismechanis· MUS und damit der Marktwirtschaft überhaupt herrühren. Aus einer solchen Einstellung heraus werden dann marktwirtschaftlieh orientierte Ansätze der Umweltpolitik sehr mißtrauisch beobachtet. In die glei· che Richtung zielt das Argument vom Ausverkauf der Natur. Vgl. BINSWANGER (1983). S. 46; FREV, SCHNEIDER, POMMEREHNE (1983), S. 192 f.; MALUNAT (1982); BONUS (1985); EHMKE (1983), 5.1513.

5 Vgl. BUCHANAN, TULLOCK (1965), DOWNS (1957). 6 Vgl. FREY (1985), S. 15.

4.3. Praktikabilität, Akzeptanz und politische DurchsclZbarlceit

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Instrumente präferieren, die zu schnellen und ihnen zurechenbaren Erfolgen führen 1 und ihre Anhänger möglichst nicht oder nur so gering wie möglich negativ treffen, d.h. den Wählern sollten keine oder nur geringe Kosten durch die Maßnahme entstehen. 2 4.3.7. Akzeptanz in der Bevölkerung Auch in der Bevölkerung sind ideologische Vorbehalte gegen bestimmte Formen der Umweltpolitik verbreitet, die zum Teil mit Informationsdefiziten erklärt werden können. Vernachlässigt man zunächst diese Vorbehalte, läßt sich die Präferenz der Bevölkerung für das eine oder andere umweltpolitische Instrument aus einigen grundsätzlichen Überlegungen heraus eingrenzen. So stimmen weite Teile sicherlich Instrumenten zu, die die Ziele des Umweltschutzes mit großer Sicherheit realisieren. Der Umweltschutzgedanke hat allgemein in den letzten Jahren eine breite Öffentlichkeit erfaßt. Der Einfluß "grüner" Bewegungen zeugt davon. Der wachsende aktive Protest gegen umweltgefährdende Industrieanlagen, gegen Kraftwerke u.v.m. ist ein nicht zu übersehender Hinweis für wachsendes ökologisches Bewußtsein. Andererseits treten bei der Durchsetzung umweltpolitischer Instrumente Kosten auf, die von den Verbrauchern, der Bevölkerung also, zu tragen sind, sei es über Steuererhöhungen oder über eine Veränderung der relativen Preise, durch Inflation oder steigende Beschäftigungslosigkeit. 3 Man darf davon ausgehen, daß wachsende von der Öffentlichkeit zu tragende Umweltschutzkosten vor allem bei den unteren Einkommensschichten zu einer kritischen Haltung gegenüber weiterem Umweltschutz führen, da diese die Kosten direkt spüren, der Nutzen einer verbesserten Umwelt aber teilweise erst in Zukunft eintritt. 4 Tendenziell dürften also die Instrumente, die eine sichere Zielerfüllung gewährleisten und dabei möglichst wenig Opfer von der Bevölkerung verlangen, die Zustimmung der Bevölkerung finden. 5 4.3.8. Zusammenfassung Aus den Erörterungen zur Frage der Akzeptanz lassen sich insgesamt folgende Schlußfolgerungen ziehen. Instrumente sollten aus Sicht aller Interessengruppen die angestrebten umweltpoliti1 Vgl. KABEUTZ (1984), S. 403. 2 Auch die zuvor besprochenen Interessengruppen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sind in dieses KalkiiI miteinbezogen, da diese Gruppen breite Wählerschichten vertreten bzw. solche zu mobilisieren ~rmögen.

3 Vgl. FREY (1985), S. 134. 4 Vgl. FREY (1985), S. 134. 5 Auf spezieUe Informationsprobleme und oben schon angesprochene ideologische Widerstände gegen einzelne Instrumente kommen wir bei der Diskussion der Instrumente zu sprechen.

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4. Anforderungen an die Bcurteilung der Instrumente

schen Ziele verwirklichen können. Für die Emittenten ist diese Zielsicherheit aus Gründen der Verläßlichkeit bei Investitionsentscheidungen unabdingbar, geht man von der prinzipiellen Unvermeidbarkeit umweltschutzbedingter Investitionen aus. Für die übrigen Gruppen ist die Bedeutung einer gesicherten Zielerreichung aus ihrer grundsätzlich eher positiven Einstellung dem Umweltschutz gegenüber erklärbar. Den Politikern bringt eine sichere Zielerreichung die erwünschte Erfolgspublicity, vorausgesetzt die Erreichung der Ziele wird in der Öffentlichkeit entsprechend präsentiert.! Daneben sind aber alle Gruppen an einer möglichst kostengünstigen Erreichung der Ziele interessiert und damit an kostengünstigen Instrumenten, die die Kollision der Umweltziele mit anderen wirtschaftspolitischen Zielen vermeiden bzw. weitgehend dämpfen. Lediglich die Administration mag aus dem zuvor genannten Eigeninteresse den Kostengesichtspunkten eine geringe Bedeutung beimessen. Angesichts brennender Umweltprobleme wird sich langfristig aber auch die Administration Kostengesichtspunkten nicht verschließen können. 2 Bei den anreizorientierten Instrumenten sollten aber auch möglicherweise vorhandene ideolQ~ische Widerstände berücksichtigt werden. Daneben gibt es gruppenspezifische Einwände gegen einzelne Instrumente. Diese Einwände werden im Zusammenhang mit den Instrumenten erörtert.

1 Der gegenwärtige ordnungsrechtliche Umweltschutz läßt diese Zielrealisierung allerdings teilweise vermissen. Daß er dennoch gegenüber anderen Instrumenten präferiert wird, haUen wir bereits mit ideologischen Vorbehalten und der intuitiv leichtere Durchschaubarkeit ihrer Wirkungsweise, letztlich also mit lnformationsdeflZiten begründet. Wir kommen darauf in Gp. 5.6. zurück.

2 Vgl. KNÖDGEN, UPPENBRINK (1984), S. 82.

5. Beurteilung der Instrumente der Umweltpolitik Anhand der diskutierten Kriterien sollen jetzt die wichtigsten Instrumentetypen der Umweltpolitik untersucht und gegenübergestellt werden. Betrachtet werden die Auflagenlösung als die wohl am häufigsten praktizierte Form der Umweltpolitik, die Abgabenlösung, die gegenwärtig in vielen Ländern in unterschiedlichen Varianten Eingang in die Umweltpolitik gefunden hat 1 und die Zertifikatelösung, die, wenn auch in stark eingegrenzter Form, im amerikanischen Emissions-Trading-Programm praktiziert wird. 5.1. Erfüllung der ökologischen Anforderungen Zunächst soll geprüft werden, ob und in welchem Maße die Instrumente den ökologischen Anforderungen2, wie sie in Gliederungspunkt 4.1.1. spezifiziert wurden, entsprechen. Dabei wird zunächst nur auf instrumentenspezifische Probleme bei der Einhaltung eines zeitlich und räumlich undifferenzierten ökologischen Rahmens eingegangen. Probleme, die sich aus der notwendigen Differenzierung der Ziele und damit der Instrumente in räumlicher und zeitlicher Sicht ergeben, werden wegen ihrer außerordentlichen Bedeutung für die Ausgestaltung und Wirksamkeit der Instrumente gesondert in Gp. 5.4. behandelt, obwohl es sich auch dabei um ökologische Anforderungen handelt. 5.1.1. Auflagen Auflagen sind das mit Abstand wichtigste Instrument der praktischen Umweltpolitik nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern.3 Beispiele für die Anwendung der Auflagenlösung finden sich sowohl im Gewässerschutz als auch in der Luftreinhaltepolitik der Bundesrepublik Deutschland. 4 Theoretisch sind Umweltauflagen durchaus in der Lage, den politisch festgelegten ökologischen Rahmen einzuhalten. Emissionswerte können direkt festgelegt werden. Immissionswerte könnten prinzipiell auch eingehalten werden, indem die Emissionsvorschriften entsprechend scharf ausfallen. In der Praxis ergeben sich aber Zweifel an der Fähigkeit einer Politik der Gebote und Verbote, einen an Qualitätsstandards orientierten ökologischen Rahmen einzuhalten. Dies soll am Beispiel der Luftreinhaltepolitik verdeutlicht werden. Prinzipiell lassen sich diese Aussagen aber auch auf eine auflagenorientierte Gewässerschutzpolitik übertragen.

1 Vgl. zur Diskussion verschiedener angewandt er Abgabenlösungen EWRINGMANN, SCHAFHAUSEN (1985); REESE (1983). 2 Man spricht auch vom "Kriterium der ökologischen Wirksamkeit". Vgl. DER RAT VON SACHVERSTÄNDIGEN FÜR UMWELTFRAGEN (1974), S.161 f. 3 Vgl. Gp. 4.1.; ENDRES (1985), S. 23, BONUS (1983), S. 19. 4 Da der Gewässerschutz in Kap. 6 ausführlich erörtert wird, werden sich die folgenden Ausführungen primär an der Luftreinhaltepolitik in der Bundesrepublik Deutschland und dem Bundesimmissionsschutzgesetz als deren gesetzliche Grundlage orientieren.

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S. Beurteilung der Instrumente der Umwellpolilik

Das Bundesimmissionsschutzgesetz1 verlangt insbesondere, daß die Errichtung und der Betrieb umweltgefährdender und damit genehmigungsbedürftiger Anlagen so zu gestalten ist, daß • keine schädlichen Umwelteinwirkungen, sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft eintreten können2, • Vorsorge gegen Umweltschäden durch Maßnahmen, die dem Stand der Technik zur Ernissionsvermeidung entsprechen, getroffen wird 3, • Reststoffe, die sich nicht vermeiden lassen, nach Möglichkeit verwertet werden. 4 Bei Neuanlagen müssen diese Anforderungen für die Genehrnigungserteilung erfüllt sein.5 Bei bestehenden Anlagen, den sogenannten Altanlagen, kann die Einhaltung dieser Anforderungen in bestimmten Fällen durch nachträgliche Anordnung verlangt werden.6 Rechtsverordnungen wie beispielsweise die Großfeuerungsanlagenverordnung und VerwaItungsvorschriften wie die TA-Luft sollen den im BImSchG gesetzten Rahmen ausfüllen. Das BImSchG enthält sowohl Anforderun~en an die Immissionssituation als auch an die Emission von Anla~en. Der grundsätzliche Immissionsbezug ist im oben angeführten § 5, Nr. 1 BImSchG gegeben. Konkretisiert werden diese Anforderungen an die Imrnissionssituation in der TA-Luft. 7 Die Emissionsanforderungen sind in § 5, Nr. 2 BImSchG geregelt, indem für Neuanlagen Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung gefordert werden, die dem Stand der Technik entsprechen. Diese Vorschrift stellt den Vorsorgegedanken in den Vordergrund. Der Betreiber hat selbst bei Einhaltung der Immissionsvorschriften alle dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, um seine Emissionen zu senken.B Operabel wird der Begriff "Stand der Technik" im Bereich der Luftreinhaltung durch stoffbezogene Emissionswerte sowie technische Anforderungen für bestimmte Anlagen und Produktionsprozesse, wie sie in der TA-Luft festgelegt sind. Die Genehmigung einer Anlage wird neben der Einhaltung der Imrnissionsanforderungen von der Einhaltung des Standes der Technik abhängig gemacht. 1 Weiter UDten wird noch ausführlich auf einige spezielle Aspekte des BIMSCHG eingegangen. 2 Vgl. BIMSCHG (1986), §S, Nr.1. 3 Vgl. BIMSCHG (1986), § 5, Nr. 2. 4 Vgl. BIMSCHG (1986), § 5, Nr. 3.

5 Vgl. BIMSCHG (1986), § 6. 6 Vgl. BIMSCHG (1986), § 17. 7 Vgl. TA-LUFT (1986). 8 Vgl. PÜTZ, Buchholz (1982) S. 20.

5.1. Erfüllung der ökologischen Anforderungen

105

Die Immissionswerte in der TA-Luft sind in zulässiger Konzentration angegeben, d.h. beispielsweise in Massenkonzentrationen in den Einheiten gjm3, mgjm3 oder ngjm3 als Masse der luftverunreinigenden Stoffe bezogen auf das Volumen der verunreinigten Luft oder in Staubniederschlag als zeitbezogene Massenbedeckung in den Einheiten gjm2d. Die Emissionen werden angegeben als Massenkonzentration. als Massenstrom oder als Massenverhältnis. 1 Unter Massenkonzentration wird die Masse der emittierten Stoffe bezogen auf das Volumen von Abgas in den Einheiten gjm3 oder mgjm3 verstanden. Der Massenstrom stellt einen Frachtwert dar, der die Masse der emittierten Stoffe bezogen auf die Zeit beschreibt und gemessen wird in kgjh, gjh oder mgjh. Schließlich ist das Massenverhältnis gegeben als das Verhältnis der emittierten Stoffe zur Masse der erzeugten oder verarbeiteten Produkte in den Einheiten kgjt oder gjt. 2 Damit enthält das Gesetz nun zwar Voraussetzungen, um die Ziele einer an der Umweltqualität (Immissionsnorm) ausgerichteten Umweltpolitik zu erfüllen, sofern eine Normierung der Immission in Konzentrationswerten vorgesehen ist. Da für die Mehrzahl der Stoffe nun allerdings Immissionsnormen nicht bestehen und die Emissionsnormen überwiegend in der Form von Massenkonzentrationen und (wenige) in Form von Frachtwerten festgelegt sind, kann eine zunehmende Belastun~ der Umwelt mit diesen Schadstoffen nicht verhindert werden: Erfolgt die Begrenzung lediglich als Massenkonzentration, können die Emittenten über eine Erhöhung des volumenmäßigen Durchsatzes des aufnehmenden Mediums die gesamte emittierte Schadstoffmenge ausdehnen und damit die Immissionsbelastung erhöhen. Die Begrenzung als Massenstrom (Frachtwert) läßt die Errechnung eines absoluten Maximalwertes der Emissionsmenge zwar zu (bei 24-stündigem alltäglichem, also permanentem Betrieb der emittierenden Anlage!) allerdings wird die Maximalmenge von den Emittenten Ld.R. nicht emittiert. Diese Maximalmenge wird der Gesetzgeber auch kaum angestrebt haben. Die Emittenten können also in all den Fällen, in denen keine absolute Begrenzung der Betriebszeit festgelegt ist, ihre Emission bis auf diesen Maximalwert ausdehnen. Damit bringt auch ein Frachtwen die Gefahr mit sich, daß die Emittenten die Betriebszeit und damit die Emission ihrer Anlage ausdehnen und so die Umweltqualität verschlechtern.3 In der Praxis muß nicht zuletzt angesichts der Tatsache, daß die Umweltprobleme, wenn man an das Waldsterben, an die Gewässerverschmutzung und die Bedrohung der Nordsee denkt, eher zugenommen haben, die ökologische Wirksamkeit der Auflagenpolitik bezweifelt und ihre Fähigkeit, ökologische Mißstände zu beseitigen, in Frage gestellt werden. 4 1 Für die große Mehrzahl der Stoffe bestehen lediglich Emissionsnormen, aber keinc Immissionsnormcn. 2 Vgl. JUNKER, KABEUTZ, DE LA RIVA, SCHWARZ (1983), S. 6.

3 GencrcU sichcrer und zweckmäßigcr wärcn von dahcr EmissionsnormcD, dic auf cmitticrtc Gcsamtmengen (z .B. Jahrestonncn odcr kg/wochc) abstcllcn. Um zeitlichc .. hot spots zu vcrmcidcn, könntcn beispielsweise zusätzlichc Höc:hstmcngcn pro Stunde fcstgclcgt wcrden. 4 Vgl. WICKE (1983), S. 143.

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s. Beurteilung der Instrumente der Umwellpolilik

Diese manKelhafte Öko10Kische Wirksamkeit beruht teilweise auch auf den im nächsten GliederunKspunkt ausführlich besprochenen Ökonomischen Implikationen einer derartiKen AufiaKenpolitik. Um die Öko10Kischen Schwächen der AuflagenlÖsung in ihrer ganzen Breite aufzuzeigen soll hier im VorKriff auf die noch folgende Analyse der Auflagen unter Ökonomischen Aspekten schon einmal kurz auf einige der Ökologischen Rückwirkungen eingegangen werden: • Die gegenwärtige Praxis führt zu einer aus der Sicht des Umweltschutzes negativen Selektion in zweifacher Hinsicht: Die Genehmigung einer schadstoffemittierenden Anlage beinhaltet implizit für den Betreiber das Recht, die Anlage zu betreiben und Schadstoffe zu emittieren. Dieses Recht hat für den Betreiber die Bedeutung eines Produktionsfaktors und ist entsprechend wertvoll für ihn. Diesen Produktionsfaktor erhält er zudem noch gratis von der BehÖrde, da diese Genehmigungen solange erteilt werden, bis der Immissionswert erreicht ist, die vorhandenen "Immissionsreserven" also gewissermaßen erschÖpft sind. Das hat zur Folge, daß einmal genehmigte Anlagen mÖglichst lange gefahren werden, um zu vermeiden, daß man für einen Anlagenersatz den Stand der Technik 1 installieren muß, was sehr teuer werden kann. Zudem kann es dann passieren, daß man keine Genehmigung mehr erhält, weil inzwischen die Immissionswerte erreicht sind. Diese Vergabepolitik nach dem sogenannten »Windhundverfahren« kann dazu führen, daß potentielle Neuansiedler mÖglicherweise weniger schadstoffintensiv arbeitende moderne Bietriebe - keine Genehmigung mehr erhalten und so ein umweltfreundlicher Strukturwandel behindert wird. • Wie noch genau gezeigt wird, sind die Anreize, umwelt technischen Fortschritt zu entwickeln, bei AuflagenlÖsungen geringer als beispielsweise bei Abgaben- oder ZertifikatelÖsungen. Die Ökologische Wirksamkeit mag in statischer Sicht noch ausreichend gegeben sein, in dynamischer Sicht ist sie vergleichsweise unzureichend, weil Chancen zu einer mÖglichen Verbesserung der Umweltqualität nicht wahrgenommen werden. Im Prinzip führt eine Orientierung am "Stand der Technik" immer zu einer Umkehr der Anreizstruktur, d.h. Anlagenbetreiber versuchen das Bekanntwerden technischer Neuerungen und die Entwicklung geradezu zu vermeiden. In der literatur wird dieser negative Anreiz unter dem Stichwort »Schweige kartell der Oberingenieure« diskutiert. 2 1 Diesem Mißstand wollte der Gesetzgeber mit der NovelIierung des BlmSchG insofern begegnen, als die Eingriffsschwelle für nachträgliche Anordnungen gegenüber der bisherigen Regelung erheblich gesenkt wurde. Vgl. BImSchG (1974, 1986), § 17. 2 Vgl. BONUS (198OA), S. 36. Man muß hier wiederum solche Unternehmen ausklammern, die von der Umwelttechnik leben und die aus Konkurrenzgründen selbstverständlich eine Vorreiterrolle in der Um-

5.1. Erfüllung der ökologischen Anforderungen

107

• Schließlich kann man weiterhin davon ausgehen, daß mit dem heutigen MitteIaufwand mehr Umweltschutz und damit eine bessere Umweltqualität möglich wäre als es gegenwärtig der Fall ist, weil Auflagen im Vergleich zu anderen Instrumenten teuer sind, wie in Gp. 5.2. noch gezeigt werden wird. • Desweiteren ist dargelegt worden, daß eine Auflagenpolitik nicht in jedem Fall eine unerwünschte Verschlechterung der Umweltqualität verhindern kann. 1 Fehlen für bestimmte Schadstoffe Immissionswerte und orientieren sich die Emissionswerte an Massenkonzentrationen, so kann eine Erhöhung der Abluftmenge zu einer Erhöhung der Gesamtemission und damit zu einer Erhöhung der Immission führen. Ebenso begrenzen Frachtwerte nicht die Gesamtemission. Auch eine Orientierung am Stand der Technik kann zu einer Erhöhung der Gesamtemission führen, wenn beispielsweise eine NeuanIage in Betrieb genommen wird. Die Einhaltung der Immissionswerte bezogen auf eine bestimmte Beurteilungsfläche kann z.B. durch den Bau hoher Schornsteine und einer damit einhergehenden Verlagerung der Emission in andere Beurteilungsflächen gewährleistet werden, sodaß dann die Umweltqualität in diesen Beurteilungsflächen beeinträchtigt wird. 2 • Neben diesen, aus den bisher angeführten Mängeln resultierenden negativen Einflüssen auf die Erreichung der ökologischen Ziele wird die Wirksamkeit der Auflagenpolitik durch ein Vollzu~sdefizit bei den Behörden in erheblichem Maße nachteilig beeinflußt. Unter dem Begriff Vollzugsdefizit wird die Übertretung der gesetzlichen Normen und Standards durch die Betreiber umweltverschmutzender Anlagen verstanden. Diese Übertretung wird ermöglicht durch Defizite in der Genehmigungspraxis, durch Mängel bei der Sanierung von Betrieben, die durch nachträgliche Anordnungen erzwungen werden können, durch Kontroll- und Überwachungsmängel und schließlich durch Sanktionsdefizite, die zu einer unzureichenden Abschreckung der Betreiber gegen Verstöße führen. Die Schuld am Vollzugsdefizit ist dabei nicht unbedingt bei den Emittenten zu suchen, sondern bei den Behörden. Je mehr die Geund Verbote den Emittenten zuwiderlaufen, desto größer ist die Versuchung, sie zu übertreten und nach anderen Wegen zu suchen. Einer dieser Wege ist die Verhandlung mit den Behörden über die erteilte Auflage. Die zuständigen Behörden befinden sich häufig in einem Konflikt zwischen den starren Anforderungen der gesetzlichen Vorschriften und den wirtschaftlichen Belangen der

welttechnik anstreben. Andererseits kann sicherlich ein großer Teil der Verbessenmgsmöglichkeiten, die sich in emittierenden Betrieben bieten, nur von diesen Betrieben selbst und nicht von Außenstehenden, seien es Bürokraten odcr Angchörige der Umwcltbranchc, erkannt wcrdcn.

1 Vgl. TlETENBERG (198OA), S. 480. 2 Das führte frühcr zu einer Politik der hohen Schornsteine. Heute wird dic SchorDStcinhöhc mitbefÜcksichtigt, indem sic in die Bcstimmung der Bcurteil~flächen miteingeht.

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S. Bcuncilung der InsIJUlllOOIC der Umweltpolitik

Emittenten, jedenfalls immer dann, wenn die Vorschriften den Behörden Ermessensspielräume einräumen. 1 So kommt eine Studie zu dem Ergebnis, daß die Vollzugsbürokratie sehr häufig flexibel in Verhandlungen mit Betroffenen agiert und dabei wirtschaftliche Aspekte, anders als vom Gesetz beabsichtigt, berücksichtigt. 2 Das solchermaßen hohe Maß an behördlicher Flexibilität und wirtschaftlichem Einfühlungsvermögen führt dann zu nicht unerheblichen Vollzugsdefiziten und so zu einer schlechteren Umweltqualität, als sie vom Gesetzgeber beabsichtigt ist. 3 Somit führt die Starrheit der Umweltpolitik zu einem Widerspruch in sich selbst. Die strengen Normen sollen auf der einen Seite eine spürbare Reduktion der Emissionen gesetzlich erzwingen, die Unbeweglichkeit der gesetzlichen Auflagen führt aber anderers zu einer für die Umwelt nachteilhaften Umsetzung durch die Vollzugsbehörden. • Neben diesem von den Vollzugsbehörden gewissermaßen gewollten Vollzugsdefizit sind Wissens- und Informationslücken sowie Ausstattungsengpässe bei den unteren und mittleren Vollzugsbehörden als mögliche Ursachen für Vollzugsdefizite zu nennen. • Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß Auflagen theoretisch in der Lage sind, die ökologischen Anforderungen zu erfüllen. In der Praxis steht dem allerdings entgegen, daß die ökologischen Ziele, die zunächst mit Auflagen verfolgt werden, oft nicht erreicht werden, weil es zu erheblichen Vollzugsdefiziten kommt. 4 Weiter geschwächt wird die ökologische Wirksamkeit durch ökonomische Defizite, die noch eingehend diskutiert werden. 5.1.2. Abgaben Grundbedingung für die Einhaltung des ökologischen Zieles durch Umweltabgaben ist die Festlegung der richtigen Abgabenhöhe. Dazu muß die abgabenerhebende Behörde in etwa wissen, wie die Emittenten auf ein bestimmtes Abgabenniveau reagieren. Unterstellt man, daß die AnIagenbetreiber entsprechend dem Verlauf ihrer marginalen Vermeidungskostenkurve reagieren, muß den Behörden also zur korrekten Einhaltung des Umweltqualitätsziels die marginale Vermeidungskostenkurve eines jeden Emittenten bekannt sein. Um das gewünschte Ziel genau zu realisieren, muß der Abgabesatz in

1 Solche ErmC$5CDSSpielräume liegen beispielsweise vor, wenn das Gesetz die wirtschaflliche Vertretbarkeit bestimmter Maßnahmen oder die Verhältnismäßigkeit verlangt.

2 VgI. WICKE (1983), S. 145. 3 VgI. WICKE (1983), S. 145 f. 4 Hierbei ist ZU beachten, daß VoUzugsdeflZite auch die Wirksamkeit von Abgaben und Zertiftkaten be-

eiDträcbtigen können. Wenn allerdings die Parameter dieser Instrumente festgelegt sind, reduziere ll sich die Probleme der Vollzus:stätigkeit der Behörden von vier auf zwei Mänge~ nämlich Kontroll- und Uberwac:hWlplllängel einerseits sowie SanktionsdeflZite andererseits. Defizite in der Genehmigungspraxis und Sanienmg:smingel fallen dagegen weg, da hierüber der Markt bestimmt.

5.1. Erfüllung der ökologischen Anforderungen

109

einer Höhe festgelegt sein, die den Grenzvermeidungskosten genau des Emittenten entspricht, dessen SChadstoffvermeidung als Beitrag zur Erreichung des Immissionsziels gerade noch benötigt wird. 1 Über die Gesamtwirtschaft aggregiert läge der Abgabensatz im Schnittpunkt von Standard und gesamtwirtschaftlicher marginaler Grenzvermeidungskostenkurve. (Vgl. Abb. 5) Die Kenntnis der marginalen Vermeidungskostenkurven dürfte kaum zu erlangen sein. 2 Das bedeutet, daß eine präzise ex-ante Festlegung des "richtigen" Abgabensatzes allenfalls zufällig möglich sein dürfte. Die Ersterhebung der Abgabe würde also kaum zur Einhaltung des ökologischen Ziels führen. 3 Daher muß die korrekte Abgabenhöhe in einem sogenannten trial-and-error-Verfahren ermittelt werden. Der Abgabensatz wird unter Beobachtung des Immissionsresultats solange variiert, bis das Ziel erreicht ist. 4 Aber auch ein solches Verfahren wirft für die Erreichung des ökologischen Ziels eine Reihe von Problemen auf. Zunächst dürfte ein solches Verfahren die Erreichung zeitlich erheblich verzögern. ROBERTS schätzt, daß die Erreichung des Ziels weni~stens 3-5 Jahre in Anspruch nehmen dürfte. 5 Generell sind öffentliche Abgaben Festpreise, die in einem langwierigen politischen Prozeß zustandekommen und deshalb nur schwer veränderbar sein dürften. 6 Zudem ist die Gefahr gegeben, daß ein solcher politischer Prozeß insgesamt zu einer Verwässerung des eigentlichen Umweltqualitätsziels führt. Die Abgabensätze könnten von Anfang an zu niedrig angesetzt werden, notwendige Anpassungen nicht vorgenommen bzw. auf Grund politischer und bürokratischer Widerstände selten durchgeführt werden. Aber selbst wenn diese Probleme in den Griff zu bekommen wären, so wäre damit die Abgabe lediglich in statischer Hinsicht flxiert? 1 Vgl. HANSMEYER (1984), S. 273. 2 Würden diese Informationen vorliegen, könnten die Behörden das gleiche Ziel in gleicher Weise durch in· dividueUe Auflagen erreichen. "Perfekte" Abgaben und "perfekte" Auflagen benötigen die gleiche Infor· mation. Vgl. ROBERTS (1976), S. 187. 3 Der Grad der Abweichung vom ökologischen Ziel hängt von den vorhandenen Informationen und der Steigung der Grenzvermeidungskostenkurve ab. Bei elastisch verlaufenden GrenzvermeidUDgSkostenkurven, wie sie etwa bei relativ geringen Venneidungsgraden denkbar wären, kann bereits ein geringfügig falscher Abgabensatz zu beträchtlichen Abweichungen vom ökologischen Ziel führen. Vgl. dazu die ausführliche Diskussion in Gp. 5.2.2. 4 Vgl. KNEESE, BOWER (1972), S. 139; BAUMDL, DATES (1971), S. 45; CANSIER (1983), S. TI1; HANSMEYER (1987), S. 245.

5 Vgl. RDBERTS (1976) S. 188. 6 Vgl. CANSIER (1983), S. 771; BAUMDL, DATES (1979), S. 242. Verfechter von Abgabenlösungen messen diesen Problemen keine so große Bedeutung bei. Sie halten es für möglich, daß nur geringe Tarif· anpassungen erforderlich sind, da sie annehmen, daß es von Anfang an gelingt, die Abgabe in etwa kor· rekt festzulegen. Vgl. ANDERSON, KNEESE u.a. (1977) S. 35 f. 7 Die Problematik wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, daß die Abgabe für ein Vielzahl von Schadstoffen ermittelt werden muß. Zwar müßen auch Zertifikate für verschiedene Schadstoffe ausgege· ben werden, nur sind hier die auftretenden Informationsprobleme nicht so groß wie bei einer AbgabeDlösung. da die Schadstoffmenge direkt fixiert wird, während sich der Preis der Schadstoffvermeidung am Markt bildet und somit eine KeDDtnis der Grenzvermeidungskosten der Emittenten für viele verschie· dene Schadstoffe nicht erforderlich ist.

110

5. Bcuncilung der Instrumente der UmwcllpoliLik

In dynamischer Sicht ist die korrekte Abgabenhöhe aber Schwankungen unterworfen, die wiederum eine Anpassung erforderlich machen. 1 Solche Schwankungen ergeben sich zum einen durch das wirtschaftliche Wachstum 2 und zum anderen durch inflationäre Veränderung der Preise. Auch geht von der Abgabenerhebung selbst schon ein Einfluß auf die Veränderung der relativen Preise und damit auf das (Grenz-)Kostenkalkül der Emittenten aus, da sich Emissionsabgaben auf Produktionskosten und damit auch auf die Preise für Vorleistungen auswirken. Analytisch betrachtet verschiebt das Wirtschaftswachstum die marginale Kostenkurve nach oben. Damit müßte die Abgabenhöhe nach oben hin korrigiert werden. Den gleichen Effekt lösen inflationäre Preissteigerungen aus. Folgende Abbildungen verdeutlichen die Zusammenhänge.

DM

DM

t 1 1------"10..

t1

J

to~----------~~

I

to~------;---~~

GVK O ~----------~-------+UB

(Abbildung 12A)

~------~E~I----~E~O--------"UB

(Abbildung 128)

Im Falle wirtschaftlichen Wachstums ist die vorhandene Immissionskapazität neu zu verteilen, d.h. jeder Emittent muß mehr und damit teurer entsorgen. Einzelbetrieblich wirkt sich das in einer Verknappung seiner Emissionen aus (Abb. 128), ~ wirtschaftlich in einem Anstieg der marginalen Kostenkurve bei unverändertem Standard (Abb. 12A). Inflation führt einzelbetrieblich und gesamtwirtschaftlich zu einem Anstieg der Kostenkurve. Die Konsequenz aus beiden Einflußfaktoren ist, daß die Abgabe ständig neu angepaßt werden muß. Damit rückt die Erreichung des ökologischen 1 Die Probleme, die den Emittenten durch diese ständige Veränderung der Abgabensätze entstehen würden, werden im Zusammenhang mit den ökonomischen Aspekten der Abgabenlösung erörtert. Vgl. Gp. 5.2.2.3. Noch problematischer wird es, wenn es nicht nur darum geht, einen einheitlichen Abgabensatz festzulegen, sondern noch eine räumliche und zeitliche Differenzierung vorzunehmen ist, wie wir sie in Gp. 5.4. erörtern. Berücksichtigt man diese Zusammenhänge und Komplikationen, so erscheint ein trialand·error Verfahren wenig realitätsnah. 2 Vgl. DATES (1984), S. 464.

5.1. Erfüllung der ökologischen Anforderungen

111

Ziels in weite Feme.! Die Ökoloiische Wirksamkeit yon Abiaben muß daher schon aufgrund der Informationsprobleme bezweifelt werden. Diese Zweifel werden durch später zu besprechende Ökonomische Rückwirkungen und räumliche und zeitliche Differenzierungserfordernisse noch verstärkt. Die hier erzielten Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Die Konzeption der Abgabe als Fixpreis bewirkt, daß die tatsächliche aktuelle Knappheit der Umwelt nicht korrekt wiedergegeben wird. Eine ständige Anpassung der Abgabe an die geänderten Knappheitsverhältnisse, die zur Erzielung der gewünschten Umweltqualität notwendig wäre, dürfte wenig realistisch sein. 2 Geht man von der Notwendigkeit zeitlich und regional unterschiedlicher Standards und damit Abgaben aus, wie sie noch eingehend erÖrtert wird, dürfte ein trial-and-error-Verfahren und damit eine zielgerechte AbgabenhÖhe wohl endgültig zur Fiktion werden. Die Änderung der AbgabenhÖhe dürfte zudem politisch schwierig3 durchsetzbar sein und allenfalls von Zeit zu Zeit vorgenommen werden. Dieser politische Abgabensatz wird sicher nicht mehr ausschließlich nach sachlichen Kriterien festgelegt. Die Emittenten werden ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Sie werden dabei wenig Interesse an einer allzu häufigen Anpassung der AbgabenhÖhe zeigen. Auch weist die Erfahrung mit der Abwasserabgabe darauf hin. daß die Abgabe eher zu niedrig ausfallen wird4, um die Durchsetzbarkeit zu gewährleisten.5

5.1.3. Zertifikate Bei Zertifikaten kann der gewünschte Ökologische Rahmen beispielsweise über ein zweistufiges Verfahren eingehalten werden. 6 Zunächst wird den Emittenten eine Menge an Zertifikaten zugeteilt, die sich an ihren aktuellen Emissionen orientiert. Sodann wird dieses Zertifikatekontingent soweit abgewertet, bis die verbleibende Emissionsmenge die Einhaltung der Immissionsnorm sicherstellt.7 Ein vorgegebenes Umweltziel kann so mit dem Instrument der Umweltlizenzen prinzipiell erreicht werden. Zwar sind auch bei diesem Instrument mÖglicherweise mehrere Abwertungsschritte nÖtig, bis der Standard erfüllt ist, der Grund dafür 1 Es darf bezweifelt werden, daß eine solche Siralegie bei den Betroffenen durchzusetzen isl und damit überhaupl realistisch isl. Vgl. Gp. 5.6. 2 Vgl. SIEBERT (1981), S. 47. 3 Vgl. BINSWANGER, BONUS, TIMMERMANN (1981), S. 142. 4 Vgl. WICKE (1982A), S. 230. 5 Um die Abgabenhöhe zu entpolilisieren wird vorgeschlagen, die Bemessung der Abgabenhöhe unabhängigen dezentralen Umwellschutzbehörden zu überlassen. Vgl. z.B. KNEESE, BOWER (1972), S. 140; SIEBERT (1981), S. 47. . 6 Vgl. dazu die Ausführungen in Gp. 3.4.2. 7 Dabei können Ausgabe und Abwenung zeitlich auch zusammenfallen.

112

5. BcW1Cilung der Instrumente der Umwcltpolilik

liegt aber primär in einer Vermeidung von Zielkonflikten mit anderen wirtschaftspolitischen Zielen und nicht so sehr in Informationsdefiziten, die zu einer unkorrekten Zertifikatemenge führen, wie es bei der Festlegung der Abgabenhöhe der Fall war. Die Anzahl der ausgegebenen Zertifikate und deren Wert nach Abwertung ist auf die zielkonforme Emissionsmenge begrenztl, die bei rechtmäßigem Handeln der Betreiber nicht überschritten werden kann. 2 Die Einhaltung des ökologischen Zieles ist damit bei sachgemäß festgelegten Emissionskontingenten gewährleistet. Dies ändert sich auch nicht durch konjunkturelle Wachstumsveränderungen oder inflationäre Preisentwicklung. Inflationäre Prozesse und schwankende Wachstumsraten beeinflussennicht die Umweltqualität, sondern den Kurs der Zertifikate. 3 In Perioden des Wirtschaftswachstums wird die Nachfrage nach Zertifikaten steigen. Die kontingentierte Zertifikatemenge verhindert aber ein Ansteigen der Emissionen. Den betroffenen Unternehmen bietet sich die Möglichkeit, entweder ihre Vermeidungsanstrengungen zu intensivieren oder höhere Zertifikatepreise zu zahlen. Dagegen verhält es sich im Abschwung genau umgekehrt. Die Zertifikatepreise werden fallen. 4 Die assimilative Kapazität der Umwelt, die durch den Standard gesichert werden soll, wird nicht überfordert. • Die Zertifikatelösung bietet also gegenüber der Abgabenlösung den Vorteil, daß sie zumindest theoretisch in der Lage ist, gewünschte Emissionsstandards und damit auch - bei Vorliegen einer u.U. notwendigen Diffusionsbeziehung5 - Immissionsstandards mit großer Sicherheit zu erreichen.

1 Wir werden später noch Zertifikate diskutieren, die direkt die Immissionsmenge begrenzen. Vgl. Gp.

5.4.4.2.

2 Vgl. ENDRES (1985), S. 88. 3 Vgl. CANSIER (1975), S. 103 ff. Vgl. auch Gp. 5.2.2.3.

4 Damit beiDhaIten die Zertifikate gewissermaßen eine -built-in-flexibility'·, die konjunkturellen Wachstumsschwankungen dämpfend entgegenwirkt.

5 Die Notwendigkeit der regionalen und zeitlichen Differenzierung der Emissions- und Immissionsnormen gestaltet auch die Zertifikatelösung sehr viel komplizierter, wie an späterer Stelle noch gezeigt wird.

5.1. Erfüllung der ökologischen Anforderungen

113

Folgende Abbildungen mögen das verdeutlichen:

DM

DM

Z. r-------'~

Zl

r r-------"-. GVKO ~-----------X~-------+UB

(Abbildung 13A)

~----~----~-------+UB Xl

Xo

(Abbildung 138)

Zur Erreichung des Standards Q werden Schadstoffzertifikate der Menge X ausgegeben. Inflation und Wirtschaftswachstum erhöhen die marginalen Vermeidungskosten GVKo auf GVK l , die Menge der Schadstoffzertifikate und damit die Umweltqualität werden davon gesamtwirtschaftlich betrachtet in Abb. A nicht berührt. Einzelbetrieblich werden die Emittenten ihren Zertifikatebestand im Falle des Wirtschaftswachstums in Abb. B von Xo auf Xl verringern, da sie sich real höheren Zertifikatepreisen gegenübersehen, die einzelbetrieblich eine höhere Emissionsvermeidung rentabel machen. Bei Inflation wird sich einzelbetrieblich nichts ändern, da die Zertifikatepreise lediglich nominal gestiegen sind, also nur inflationär aufgebläht sind. 5.1.4. Zusammenfassung

Wenn es um die Einhaltung eines fixierten Umweltqualitätsziels geht, sind sowohl Auflagen, sofern sie die Emissionsmen~e regulieren 1, und Zertifikate den Abgaben überlegen, da bei diesen die ziel konforme Abgabenhöhe durch ein langwieriges trial-anderror-Verfahren ermittelt werden müßte. Berücksichtigt man, daß sich diese Abgabenhöhe im Zeitablauf aufgrund von Wachstumsprozessen und Inflation ständig ändern müßte, erscheint ein solches Verfahren unrealistisch und wohl auch unzumutbar für die Emittenten. Eine ständige Variation der Abgabensätze dürfte für die Emittenten kaum akzeptabel und sowohl für Emittenten als die Administration wenig praktikabel sein. Deswegen ist eher ein Verharren der Abgabenhöhe - auf einem ökologisch zu niedrigen Niveau - zu erwarten.

1 Beachte die Anmerkungen zur ökologischen Unzuverlässigkeit einer Begrenzung der Emissionen lediglich als Massenstrom oder als Frachtwert.

114

5. Beurteilung der Instrumente der Umwcllpolitik

• Damit kann hier zunächst abschließend konstatiert werden, daß Auflagen und Zertifikate aufgrund der bisherigen Überlegungen den Abgaben in ökologischer Hinsicht überlegen sind. Einer befriedigenden ökologischen Wirksamkeit von Auflagen steht allerdings in der Praxis die Gefahr von erheblichen Vollzugsdefiziten entgegen, sodaß Zertifikate aufgrund der geringeren Eingriffserfordernisse und Vollzugsaufgaben der Behörden vorzuziehen sind. 5.2. Erfüllung der ökonomischen Anforderungen durch Auflagen, Abgaben und Zertifikate

Die Realisation der ökologischen Ziele soll unter Berücksichtigung ökonomischer Gesichtspunkte gewährleistet werden. Die ökonomischen Anforderungen verlangen einen Vergleich der gesamtwirtschaftlichen Kosten umweltpolitischer Instrumente zur Erfüllung der ökologischen Anforderungen. Neben den direkten Kosten, die den Anlagenbetreibern bzw. Emittenten durch Installation von Emissionsvermeidungstechnologien, durch Auflagenerfüllung und Abgabenzahlung bzw. Zertifikatehandel entstehen, sind dabei auch die Kosten zu berücksichtigen, die der Verwaltung bzw. der Umweltbehörde durch Implementation, Vollzug, Überwachung und Kontrolle der Umweltpolitik entstehen. Schließlich treten Transaktionskosten auf. Diese Kosten entstehen den Emittenten in Form von Aufwendungen für Konsultationen und Kommunikation untereinander und mit der Behörde sowie für Informationen. die unerJäßlich sind. um umweltpolitische Maßnahmen durchzuführen und daraus erwachsende Handlungszwänge und Handlungsalternativen wahrzunehmen. Diese Kosten sind bei einem Vergleich zu berücksichtigen. 12 Neben einem Kostenvergleich beinhaltet ein Vergleich von Instrumenten unter ökonomischen GesiChtspunkten eine Prüfung der Auswirkungen verschiedener Instrumente auf die Wettbewerbssituation. Schließlich hatten wir als weitere ökonomische Kriterien noch die Anreizwirkung. die die verschiedenen Instrumente auf den umwelttechnischen Fortschritt ausüben, angeführt. Der letzte Punkt wird allerdings wegen der außerordentlich großen Bedeutung, die technische Neuerungen für den Umweltschutz haben. gesondert in Gliederungspunkt 5.3. behandelt.

1 Transaktionskosten. die der Behörde entstehen. beispielsweise bei der Ermittlung der Qualitätsnorm oder bei der Festlegung der Abgabenhöhe werden hier unter die Verwaltungskosten subsumiert. 2 Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß die Kosten der Umweltpolitik beeinflußt werden durch den Grad der Differenzierung des umweltpolitischen Instrumentariums in räumlicher und zeitlicher Hinsicht. Diese Kosten fallen aber bei allen Instrumenten an und können deshalb hier vernachlässigt werden.

5.2. Erfüllung der ökonomischen Anforderungen

115

5.2.1. Gesamtwirtschaftliche Kosten der Instrumente Umweltpolitische Instrumente sollten die Einhaltung ökologischer Rahmenwerte mit geringstmöglichen Kosten ermöglichen. l Ein Vergleich der Kosten der Instrumente soll hier zunächst anhand der aggregierten Vermeidungskosten. die einer Volkswirtschaft durch den Einsatz einzelner Instrumente entstehen, durchgeführt werden. Die Grenzkosten der Vermeidung von Emissionen werden von Unternehmen zu Unternehmen bzw. von Anlage zu Anlage unterschiedliche Verläufe aufweisen. 2 Dabei lassen sich folgende Feststellungen treffen. • Bei Auflagenregelungen, die von allen Unternehmen einen bestimmten Vermeidungsgrad verlangen. etwa durch Emissionsvorschriften. die dem technischen Entwicklungsstand entsprechen sollen. werden Ld.R. keine unterschiedlichen marginalen Vermeidungskosten der Emittenten berücksichtigt. Hinzu kommt, daß Auflagenregelungen gegenwärtig in der Regel so ausgestaltet sind, daß die Anlagenbetreiber häufig eine "End of Pipe"-Lösung heranziehen. das heißt, eine Minderung der Emission am Ende des Produktionsprozesses herbeiführen. Dabei bleibt dann unberücksichtigt, daß das gleiche Ergebnis eventuell günstiger zu erreichen wäre, wenn man Änderungen in vorangehenden Stufen des Produktionsprozesses vornimmt, indem man beispielsweise die Inputs substituiert bzw. den Produktionsprozeß verändert. Aus diesen Gründen wird die Auflagenregelung für nicht kosteneffizient gehalten. Anders ist es bei den marktwirtschaftlichen Lösungen. den Abgaben und Zertifikaten. Diese Lösungen führen dazu, daß die Emissionsverminderungen an den Stellen vorgenommen werden, an denen dies besonders günstig ist, während sie dort unterbleiben, wo dies sehr teuer ist. • Die Abgaben- und Zertifikatelösung sind kosteneffizient, weil sie dem einzelnen Betreiber die Möglichkeit eröffnen, selbst zu entscheiden, an weicher Anlage, auf welcher Stufe im Produktionsprozeß und in weicher Höhe eine Schadstoffvermeidung sich rechnet und ab weicher Grenze es kostengünstiger ist, die Abgabe zu zahlen bzw. Zertifikate zu halten. GesamtwirtschaftIich führen Abgaben- und Zertifikatelösung aufgrund des gewinnmaximierenden Verhaltens der einzelnen Emittenten zu erheblichen Kosteneinsparungen gegenüber herkömmlichen Auflagenlösungen und somit zu

1 Allerdings werden häufig nur die reinen EmissioDSvermeidungsko5ten berücksichtigt, ohne die Kosten der Administration miteinzubeziehen. 2 Vgl. BOHM, KNEESE (1971); KNEESE, BOWER (1972); KNEESE, SCHULZE (1975), S. 81; HARRISON, PORTNEY (1982), S. 147 f. ENDRES (1985), S. 54. Empirische Angaben finden sich bei CRANDALL (1983).

5. Be\U1cilung der Inslrwncnle der Umwellpolitik

116

einem geringstmöglichen Verlust an Güterversorgung. 1 Jeder Emittent wird (marginal) Vermeidungsinvestitionen bis in Höhe des Steuersatzes bzw. des Zertifikatekurses durchführen. Liegen die Grenzkosten der Vermeidung von Emissionen über der Abgabenhöhe bzw. dem Zertifikatekurs, werden die Abgaben entrichtet oder Zertifikate gehalten und unter Umständen hinzuerworben. Im umgekehrten Fall werden Vermeidungsmaßnahmen durchgeführt. Damit erspart man Abgaben bzw. den Zertifikateerwerb. Gegebenenfalls werden sogar Zertifikate verkauft. Die folgende Abbildung veranschaulicht die Reaktionsweise der Emittenten.

DM

z,t t - - - - - - - ".....

~--------~------------+UB X

(Abbildung 14) Der ökologische Standard Q mag so festgelegt sein, daß ihm Emissionen von X entsprechen. Durch Ermittlung des Grenzvermeidungskostenverlaufs der Emittenten oder wahrscheinlicher durch ein trial-and-error Verfahren ermittelt die Umweltbehörde den entsprechenden Steuersatz t. Alle Emittenten, deren Grenzvermeidungskosten oberhalb von t liegen, werden die Abgabe zahlen. Alle Emittenten, deren Grenzvermeidungskosten geringer als t sind, werden bis in Höhe von t Emissionsvermeidungen vornehmen und für den Rest Abgaben zahlen. Eine Zertifikatelösung würde die Ausgabe von Zertifikaten in einer Menge vorsehen, die X entsprechen. Dabei würde sich dann der Kurs für die Zertifikate bei z einstellen. Alle Emittenten, deren Grenzvermeidungskosten oberhalb von z liegen, halten bzw. erwerben Zertifikate. Umgekehrt, werden alle diejenigen, deren Grenzvermeidungskosten unterhalb von z liegen, solange weitere Vermeidungsinvestitionen vornehmen, bis die Grenzvermeidungskosten dem Kurs der Zertifikate entsprechen. Dadurch freiwerdende Zertifikate können verkauft werden und die so erzielten Mittel gegebenenfalls zur Finanzierung der Investitionen eingesetzt werden. 1 VgI. BONUS (1975), S. 49. Hierbei ist zu beachten, daß wir gesamtwirtschaftliche Kosten betrachten. Für den einzelnen Emittenten kann der Kostenvergleich von Auflagenlösungen, Abgaben- und ZertifikatelösUDgen ein anderes Ergebnis bringen. Vgl. dazu Gp. 5.6.2.

5.2. Erfüllung der ökonomischen Anforderungen

117

Die Vorteilhaftigkeit von Abgaben und Zertifikaten gegenüber Auflagen, verglichen anhand der marginalen Vermeidungskosten, verdeutlicht die folgende Abbildung:

DM

A

O ~----~~~~~~~--~~"U8 50% 70% 100%

(Abbildung 15)

Die Umweltpolitik setzt z.B. einen Standard fest, der einer Reduktion der gegenwärtigen Emissionen von 100% auf die Hälfte vorsieht. In unserem Beispiel sind davon 3 Emittenten mit einer identischen Emissionsmenge aber unterschiedlichen Grenzvermeidungskosten GVK 1, GVK2 und GVK3 betroffen. Eine Auflagenlösung würde jetzt jedem einzelnen Emittenten die bisher erlaubte Emission halbieren und damit den gewünschten Standard erreichen. Dabei würden den Emittenten zusammen folgende Vermeidungskosten entstehen: VKAuf

=ACL + AEL + AGL

Eine Abgaben- oder Zertifikatelösung mit einer Abgabenhöhe bzw. einem Kurs der Zertifikate von z t würde den Emittenten die Möglichkeit geben, flexibler zu reagieren. Emittent 1 mit GVK 1 würde in diesem Fall nur bis zum Punkt M reduzieren, für Emittent 2 würde sich nichts ändern. Emittent 3 aber würde über das bisherige Niveau hinaus reduzieren, bis K.

=

Insgesamt fallen so Vermeidungskosten von

= = = =

=

VK 1 AHM ACL· BCLM VK2 AEL VK3 AHK AGL + GHKL ........................................................... _........ _--IVK AHM + AEL + AHK 0-CL + AEL + AGL)

=

=

"" AUF VK

VKAbg

=VKz =VKAuO + GHKL • BCLM

+ GHKL • BCLM

S. Beurteilung der Instrumente der Umwellpolitik

118

Da aufgrund des ansteigenden Verlaufs der Vermeidungskosten bei zunehmender Emissionsreduktion BeLM > GHKL

ist, gilt

VKAun > VKAbg> YKz. l Abgaben- und Zertifikatelösung führen im Gegensatz zur Auflagenlösung zu einem effizienten Ergebnis, wenn die Kosten der Emissionsvermeidung betrachtet werden. Hingewiesen sei an dieser Stelle aber darauf, daß sich die individuelle Belastung der einzelnen Betreiber etwas anders darstellt. Während die Emittenten im Falle der Auflagen nur die reinen technischen Vermeidungskosten zu tragen haben, haben sie bei den marktwirtschaftlichen Instrumenten unter Umständen weitere Ausgaben. 2 Die Abgabenlösung belastet sie mit zusätzlichen Kosten in Höhe von

t· [OK + OL + OMJ. Auch die Zertifikate lösung kann dem Emittenten teurer als eine Auflagenlösung kommen. Werden die Zertifikate anfangs frei vergeben und dann um 50% abgewertet, so entstehen Emittent 2 keine weiteren Kosten. Emittent 1 dagegen muß Zertifikate zukaufen in Höhe von Z·LM

=EBLM.

Emittent 3 kann durch Verkauf seiner überschüssigen Zertifikate Einnahmen erzielen in Höhe von Z • KL

=HEKL =EBLM.

Im Falle einer Versteigerungslösung, in dem ein Kontingent in Höhe von 50% der bisherigen Emission versteigert wird, ist die Belastung der Emittenten gleich der Belastung bei der Abgabenlösung. • Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, daß Abgaben- und Zertifikate lösung der Auflagenlösung in einem Vergleich der gesamtwirtschaftlichen Vermeidungskosten überlegen sind. 3 Dabei haben wir allerdings bisher Administrations- und Transaktionskosten der Instrumente vernachlässigt. 1 Andere Darstellungen mit dem gleichen Ergebnis finden sich beispielsweise bei ENDRES (1985), S. 58 f.; HANSMEYER (1977), S. 373 f.; OSTERKAMP (1984), S. 11 f. 2 Vgl. dazu die detailiertere Analyse in Gp. 5.6.2. 3 Theoretisch könnte die Auflagenlösung die gleiche Effizienz aufweisen wie Abgaben oder ZertifikatelösilDg. Wären der Umweltbehörde die Grenzvermeidungskosten sämtlicher Emittenten bekannt, könnte sie die Auflagen individuell differenziert vornehmen und so zum gleichen allokativen Ergebnis kommen wie bei Abgaben- und Zertifikatelösung. Wie aber schon mehrfach aufgezeigt wurde, ist die Kenntnis sämtlicher Grenzvermeidungskostenverläufe kaum wahrscheinlich oder aber mit so hohen InforlQationskosten verbunden, daß die gewonnene Effizienz dadurch wieder verloren ginge.

5.2. Erfüllung der ökonomischen Anforderungen

119

Damit kommen wir zu der Frage, wie es sich bei den Instrumenten mit diesen Kosten, die bei der Umweltbehörde und bei den Emittenten anfallen, verhält. • Zunächst ist festzustellen, daß diese Kosten vergleichend betrachtet werden sollen; d.h. Kosten, die bei allen Instrumenten gleichermaßen anfallen, können hier vernachlässigt werden. Dazu zählen vor allem Kosten, die bei der Festlegung der ökologischen Standards anfallen. So entstehen Kosten bei der Festlegung und Entscheidung über eine regionale und zeitliche Differenzierung der Standards. Es entstehen Planungskosten bei der Festlegung unterschiedlicher Nutzungsarten, die mit unterschiedlichen Standards verbunden sein können. Die Festlegung von Schadenskriterien erfordert möglicherweise die Aufstellung von Urnrechnungstabellen, die eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Schadstoffe hinsichtlich ihrer Umweltwirkungen erlauben. Diffusionsfunktionen müssen abgeleitet werden, um die für alle Instrumente erforderlichen Zusammenhänge zwischen Emissionen und Immissionen aufzuzeigen und die Ermittlung der mit dem gewünschten Immissionsstandard kompatiblen Emissionsmengen zu ermöglichen. 1 Diese Probleme können mitunter äußerst komplex und administrativ aufwendig sein; Sie fallen aber unabhängig davon an, welches Instrument tatsächlich eingesetzt wird. Auch nehmen diese Probleme und damit die Kosten tendenziell zu, je stärker die Standards differenziert werden sollen, da damit eine stärkere Differenzierung der Instrumente verbunden ist. 2 • Neben diesen Kosten der Definition umweltpolitischer Zielgrößen fallen Überwachungs- und Kontrollkosten an. 3 Die instrumentelle Steuerung der Umweltnutzung setzt voraus, daß die Emissionen gemessen und überprüft werden können. 4 Diese Notwendigkeit besteht prinzipiell sowohl bei Abgaben- und Zertifikatelösungen als auch bei Gebots- und Verbotslösungen. 5 Es darf also bezweifelt werden, daß eines der Instrumente von dieser Seite her spezifischen

1 Vgl. FROHWEIN (1976), S. 87. 2 Vgl. etwa KNÖDGEN, UPPENBRINK (1984), S. 8I. 3 Die Höhe des Überwachungs- und Kontrollaufwands hängt neben den Kosten für die Messung, nicht zuletzt von dem Aufwand ab, der getrieben wird, um Verstöße der Emittenten gegen ihre Betreiberpflichten bzw. Übertretungen ihrer Emissionserlaubnisse aufzudecken und zu verhindern. Der Anreiz der Emittenten zu Verstößen und Übertretungen läßt sich allerdings durch die Androhung von Sanktionen beeinflußen. Vgl. dazu die Untersuchung von BAUMOL, BLACKMANN (1980), S. 419 f. MERAN und SCHWALBE untersuchen die Wirksamkeit von Sanktionen für den Fall, daß individuelle Emissionen nicht immer genau überprüft werden können. Vgl. MERAN, SCHWALBE (1985), S. 1- 15. 4 Die Höhe der Kosten der Messung hängt u.a. vom Stand der Meßtechnik ab. Schon 1982 konstatierte SIEBERT, daß Emissionen im Industriesektor mit vertretbaren Kosten gemessen werden können. VgJ. SIEBERT (1982A), S. 219; Vgl. auch DALES (1976), S. 154 f. 5 Vgl. SIEBERT H. (1981), S. 34.

120

5. Beurteilung der Instrumente der Umweltpolitik

Mehraufwand für die Administration mit sich bringt. l Es erscheint deshalb fragwürdig einer Abgaben- oder Zertifikatelösung einen Mehraufwand gegenüber der Auflagenlösung bei der Emissionserfassung anzulasten. In der bisheriien Betrachtuni findet sich also kein plausibles Argument, das für große Unterschiede in den administrativen Kosten von Auflagen, Zertifikaten und Abgaben spricht. Von daher bleibt die gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit von Abgaben und Zertifikaten aufgrund der größeren Kosteneffizienz bei den direkten Vermeidungskosten gegenüber Auflagen erhalten. • Ein weiteres Argument gegen marktwirtschaftliehe Instrumente besteht nun darin, daß durch die Einführuni dieser Instrumente zusätzliche administrative Kosten entstehen. Besonders die Zertifikate würden neuen Verwaltungsaufwand verursachen. 2 Mehrausg.,ben sollen zum einen bei der Erstausgabe und zum anderen bei der Einrichtung von Umweltbanken entstehen. Das erste Argument ist sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen, allerdings dürfte es sich um einen einmaligen Mehraufwand handeln. Ein solcher Mehraufwand würde etwa auch bei der Abgabenlösung anfallen, wenn erstmalig die Abgabenbescheide zu erteilen sind. Besonders häufig wird aber das zweite Argument vorgebracht, daß nämlich durch den Aufbau von Umweltbanken ein erheblicher Mehraufwand entstehen würde. "Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, daß für den Börsenhandel ein neuer staatlicher Apparat aufgebaut werden müßte: Umweltbörsen, regionale und überregionale Umweltbanken, Börsengerichtsbarkeit."3 Warum es einer eigenen Umweltgerichtsbarkeit bedürfen sollte. bleibt unklar.~ Streitigkeiten zwischen Betreibern und Behörden bzw. auch innerhalb der Betreibergruppe können durchaus wie bisher von der bestehenden Gerichtsbarkeit ausgetragen werden. Umweltbanken können zudem nichts anderes sein als Computer. die Angebot, Nachfrage und Verbleib der Zertifikate speichern und Interessenten und Behörden auf dem Laufenden halten.5 Ein so gestalteter BörsenhandeJ spricht auch gegen die These, daß 1 GruudsätzIich stellt sich hier die Frage, ob die Aufgabe der Messung der Emissionen unbedingt staatli· chen Stellen anvertraut werden muß. So hält man beispielsweise eine Eigenveranlagung der Unternehmen ("self reporting") unter staatlicher Aufsicht für möglich. Vgl. SIEBERT (1982A), S. 29l. Durch angemes· sene Sanktionen bei Verstößen könnte die Kontrolle auf Stichproben beschränkt werden. Für Zertifikate schlägt BONUS beispielsweise vor, daß der Staat, ähnlich der jährlichen Einkommensteuererklärung, Emissionserklärungen verlangen sollte, die die laufenden Nummern der gehaltenen Titel enthalten und die gelegentlich auf Korrektheit überprüft werden. Vgl. BONUS (1985A) S. 5; Vgl. zum 'self reporling' auch ROBERTS (1976), S. 188 f. 2 Vgl. HAUFF (1984), S. 164.

3 HARTKOPF, BOHNE (1983), S. 245. 4 Vgl. in diesem Sinne auch die umfangreiche rechtswissenschaftliche Untersuchung von BECKER·NEETZ (1988) 5 Vgl. BONUS (1984B), S. 27; WICKE (1980), S. 172.

5.2. Erfüllung der ökonomischen Anforderungen

121

mit dem Handel von Zertifikaten nicht unwesentliche Transaktionskosten auf Seiten der Emittenten verbunden seien. Als weiteres Zwischene[~ebnis kann damit festgehalten werden, daß bei der Implementation neuer Instrumente Kosten entstehen mögen, diese Kosten aber als eher geringfügig und einmalig veranschlagt werden können. Zwar lehnt die Bundesregierung beispielsweise die Zertifikate unter anderem wegen des erheblichen Verwaltungsaufwandes abI, dem Verfasser scheint es aber ungewiß, ob längerfristig tatsächlich eine Erhöhung der administrativen Kosten durch Abgaben oder Zertifikate zu erwarten ist. längerfristig dürften die Verwaltungskosten eher geringer sein, da der Genehmigungstatbestand für die Emission einfacher wird: Ist man im Besitz eines Zertifikates oder nicht? Eventuell zusätzlich anfallende administrative Kosten werden kaum die Kostenvorteile kompensieren, die zu Beginn dieses Abschnitts dargelegt wurden. • Bislang wurde allerdings ein vorwiegend statischer Charakter der Umweltpolitik zugrundegelegt. Damit bleibt die Frage, ob sich die Kostenrelationen der Instrumente verschieben, wenn man berücksichtigt, daß die Instrumente die Einhaltung des öko logischen Ziels auch in dynamischer Hinsicht langfristig geWährleisten sollen. 2 Für die Höhe der Verwaltungskosten, die bei der Behörde und bel den Emittenten anfallen. ist von großer Bedeutung, ob und wie das Instrument bei veränderten Umweltbedingungen bzw. einer notwendigen Verschärfung der Umweltqualitätsziele angepaßt wird. 3 Zertifikate sollen dies durch Abwertung ermöglichen, Abgaben durch eine Erhöhung des Abgabensatzes und Auflagen durch Verschärfung der entsprechenden Gebote und Verbote. Die Bundesregierung sieht durch das Abwertungsverfahren einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand auf die Behörden zukommen. 4 Bei einem Vergleich der Zertifikatelösung mit der Auflagenlösung mag dieses Argument nicht so recht einleuchten. Durch die Möglichkeit der Abwertung könnte der bürokratische Aufwand, der durch die Festschreibung des Standes der Technik bzw. des allgemein anerkannten technischen Standards anfällt, entfalJen. 5 Die Festsetzung entsprechender Abwertungsraten. die dem

1 Vgl. BUNDESMINISTER DER INNERN (1984), S. 5. 2 Ein anderer Aspekt der dynamischen Effizienzbetrachtung ist der Vergleich der Instrumente hinsichtlich der Anreizwirkung für die Entwicklung technischen Fortschrius, wie wir ihn an späterer Stelle vornehmen. Denn technischer Fortschritt senkt langfristig die Kosten des Umweltschutzes und spielt daher eine große Rolle für die Betrachtung der EffIZienz in dynamischer Hinsicht. 3 Vgl. SPRENGER (1984), S. 62 f. 4 Vgl. BUNDESMINISTER DES INNERN (1982), S. 5. 5 Beispielsweise hätte der langwierige Prozeß der Novellierung des Teils 3 der TA-Luft vor einigen Jahren entfallen können.

122

5. Bcurtcilung dcr Insuumcntc der Umwcltpolitik

neuen gewünschten Standard genügen, dürfte mit weniger Arbeit verbunden sein. 1 Eine Verringerung des Verwaltungsaufwands tritt insofern auch ein, als sich bei einer Zenifikatelösung, aber auch bei einer Abgabenlösung, nachträgliche Anordnungen erübrigen. 2 Insgesamt kann aber durch die Abwenung möglicherweise Mehraufwand entstehen. Man muß sich aber die Frage stellen, ob die mit einer Zenifikateabwertung mögliche Emissionsreduzierung und Umweltqualitätsverbesserung mit dem bisherigen Auflagensystem ohne zusätzlichen Aufwand erzielt werden könnte. Beispiele finden sich in jüngerer Vergangenheit in der Verschärfung des Wasserhaushaltsgesetzes durch die 5. Novelle, die zum 1.1.1987 in Kraft trat und auch im Abwasserrecht erstmals den Stand der Technik für sogenannte gefährliche Stoffe einführte, und in der Novellierung der TA-Luft, Teil 3, die beispielsweise eine Senkung der Emissionsgrenzwerte für viele Stoffe vorsieht. Beide Maßnahmen dürften dazu geführt haben und auch zukünftig dazu führen, daß eine Vielzahl neuer Genehmigungsbescheide zu erteilen waren und zu erteilen sind. Die Zahl der nachträglichen Anordnungen dürfte so eine zunehmende Tendenz aufweisen, soll der neue ermittelte Stand der Technik in Form der neuen Grenzwene in der TA-Luft durchgesetzt werden. Diese Beispiele verdeutlichen, daß auch bei einer Verschärfung von Auflagen mit nicht unerheblichen Mehraufwendungen zu rechnen ist. Im Vergleich zu einer Auflagenlösung kann man bei der Zertifikatelösung also nicht unbedingt von einer wesentlichen (relativen) Zunahme des administrativen Aufwands durch die Festlegung eines neuen Standards ausgehen. Auch insgesamt hat die Betrachtung bisher in diesem Punkt keine erheblichen Nachteile für die Zertifikatelösung zu Tage gebracht. Je mehr Erfahrung die Verwaltung außerdem mit einem neuem Instrumentarium sammeln wird, desto geringer dürfte der zusätzliche Arbeitsaufwand wenn es ihn denn geben sollte - ausfallen. 3 Ein administrativer Mehraufwand für Zertifikate dürfte die allokativen Kostenvorteile bei weitem nicht aufzehren. Auch die bei den Unternehmen durch den Handel eventuell auftretende Transaktionskosten dürften bei Einsatz von Computern und elektronischen Informationssystemen keine gewichtigen Argumente gegen Zertifikate sein. 4 Auflagenlösungen und ZenifikateIösungen haben als Mengenlösungen gegenüber der Abgabenlösung gemeinsam den Vorteil , daß bei diesen Lösungen wirtschaftliches Wachstum und inflationäre Preisvereinbarungen keine Neuanpassung der Umweltqualitätsstandards erfordern, da die erlaubten Schadstoffmengen und deren 1 Die Frage der Durchsetzung, die alle Instrumente betrifft, ist schwieriger zu beantworten. Hier dürften es allerdings erhöhte Abgaben besonders schwer haben. Vg!. dazu auch Gp. 5.6.2. 2 Vgl. BUNDESMINISTER DES INNERN (1984), S. 5. 3 Solche Erfahrungen hat man etwa in den Vereinigten Staaten mit dem Emissions Trading Programm gemacht. Vgl. SPRENGER (1983), S. 90. 4 Ia der Literatur ist man vielfach der Meinung, daß administrative Kosten bei Zertifikaten auf alle Fälle niedriger sind als bei Auflagen. Vgl. DALES (1968A), S. 802; BONUS (1985A), S. 5.

5.2. ErfUllung der ökonomischen Anforderungen

123

Einhaltung davon nicht berührt werden. 1 Die Kosten der Lösung für den Emittenten steigen nominal durch Inflation und real durch wirtschaftliches Wachstum. Im Falle des wirtschaftlichen Wachstums müssen sich expandierte oder zahlenmäßig vermehrte Emittenten das durch die erlaubte Immission begrenzte Emissionspotential teilen. Das führt bei den Betreibem zu einem tendenziellen Anstieg der Grenzvermeidungskosten. Wie gesagt, ergibt sich aber für Zertifikate- und Auflagenlösung kein Unterschied. Grundsätzlich anders verhält sich hier hingegen die Abgabenlösung. Diese Lösung kann aufgrund der Unsicherheit der Erreichung der fIXierten Standards im Vergleich zu den Mengenlösungen höhere Kosten bei Administration und Betreibern verursachen, da eine Neuanpassung der veränderten Preise durch ein trial-and-errorVerfahren erfolgen müßte. Die Unsicherheit stellt einen schwer abzuschätzenden Kostenfaktor der Abgabenlösung da, die zu relativen Effizienzeinbußen gegenüber den Mengenlösungen führen muß. Lassen sich diese Einbußen auch nicht genau quantifIzieren, so können doch einige tendenzielle Aussagen getroffen werden. Jede nötige Veränderung der Norm, jede nötige Differenzierung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht, jede nominale Änderung des Preisniveaus durch Inflation, jeder konjunkturelle Einfluß auf das Wachstum der Wirtschaft2 verlangt eine Anpassung des Abgabensatzes, soll die Norm nicht verletzt werden. 3 • Damit ist, wenn überhaupt jemals der richtige Abgabensatz ermittelt werden kann, ein ständiger Prozeß der Abgabenänderung erforderlich. Selbst wenn man auf einen solchen permanenten Anpassungsprozeß verzichtet und aus pragmatischen Gründen eine periodische Anpassung vornimmt, ist doch ein aufwendiges Verfahren der Abgabenermittlung notwendig.4 Dieses Verfahren dürfte zu Kosten führen, die bei den

1 Eine ausführliche analytische Darstellung dieser Zusammenhänge erfolgt in Gp. 5.2.2. 2 Auf die Probleme der Abgabenlösung für den Fall wirtschaftlichen Wachstums wird häufig verwiesen. Vgl. ROBERTS (1976), S. 189 f.; ROSE-ACKERMAN (1973), S. 518 f.; ROSE-ACKERMAN (1977), S. 391. 3 Eine nominale Änderung des Preisniveaus ließe sich durch eine Indexierung der Abgabe möglicherweise in die Abgabenlösung einbeziehen. Allerdings dürfte sich das Problem der Wahl eines gecignctcn Indexes stcllcn. Außerdem hat einc Inflation durchaus auch rcalc Wirkungcn, da beispiclswcise dic Inflation von dcn Bctrcibern untcrschicdlich schnell antizipicrt wird und damit einc Ändcrung dcr rclativen Prcise hcrvorruft, dic cinc rclativc Indcxicrung zur Folgc haben müßtc. 4 BAUMOL und OATES wciscn darauf hin, daß Abgaben odcr Stcucrn kurzfristig kaum angcpaßt wcrden könncn. Ein solchcr politischcr Anpassungsprozcß kann ihrcr Mcinung nach chcr Jahrc als Monatc in Anspruch nchmcn. Vgl. BAUMOl., OATES (1975), S. 154 Cf.; B.AUMOL., OATES (1979), S. 242; Vgl. auch ROBERTS (1976), S. 188. Muß dic Abgabenhöhc politisch vcrhandclt werdcn, so trctcn Kosten durch Vcrhandlungen und dcn Prozcß dcr politischcn Entschcidung auf. Diese Kostcn trctcn aber auch auf, wenn bei dcn Mengcnlösungcn der Standard verhandclt werdcn müßte. Dcnkbar wärc cinc politisch unabhäDgigc Kommission, dic über dic nötigcn Standards zu cntschcidcn hättc. Aber kann es cinc solchc UAabhänsjv Kommission tatsächlich gcben? Auch hicr blcibt das Problcm dcr Unsichcrhcit bei der FcstIcgung dcr Standards crhaltcn.

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5. Beurteilung der Instrumente der Umweltpolilik

Mengenlösungen entfielen. 1 Möglicherweise wären diese Kosten auf der Seite der Umweltbehörde noch tragbar. Schwerer wiegen die Anpassungskosten dagegen auf der Seite der Abgabenzahler. "Moreover, it is expensive for business enterprises to have to adjust production to frequent changes in the level of fees."2 "Another, perhaps more serious, reason that the fine tuning model may be irrelevant is that most production activity involves investment. The investment may be in research, development, reorganisation, new equipment, learning by doing, etc... Whatever its fonn, such investment takes time and it is largely irreversible. Once made, it cannot be easily or costlessly taken back, nor can the knowledge gained be effortlessly transferred to other situations. This means that there are costs to adjusting regulations, and they are likely to be substantial."3 Deshalb erscheint eine laufende Änderung der Abgabenhöhe äußerst problematisch.4 Den Betreibern muß eine längerfristige Investitionspolitik ermöglicht werden. Gerade weil Investitionen im Umweltschutzbereich und in der Umwelttechnik häufig beträchtliche Mittel binden und nicht ohne weiteres reversibel sind ("sunk costs"), werden eine verläßliche Kalkulationsgrundlage und verläßliche Rahmendaten unerläßlich sein. Ein momentan fixer, über die Zeit aber ständig variierender Abgabensatz gibt den Betreibern instabile, irreführende Preis- und damit Investitionssignale, die zum Aufbau falscher "Umweltkapazitäten" führen, wodurch das Qualitätsziel dann verfehlt werden könnte. Diese nicht-ziel konformen Signale wirken sich gleichfalls auf den potentiellen Marktzutritt und damit auf die Investitionen von Neuzugängen aus. Dadurch werden möglicherweise Emissionsquellen installiert, die bei korrekten Signalen und der damit einhergehenden Einhaltung des Qualitätsziels nicht installiert werden dürften. 5 Umgekehrt würden bei zu hohen Abgaben mögliche Investitionen unterbleiben. Beides führt zu volkswirtschaftlich hohen Kosten, die im ersten Fall noch dadurch verstärkt würden, daß die bereits getätigten Investitionen völlig brachliegen würden. da eine nötige Abgabenanhebung sie unrentabel machen müßte. • Die Abgabenlösung ist aber noch mit einem weiteren Problem behaftet. Bislang sind wir bei unseren Überlegungen davon ausgegangen. daß die Betreiber auf die Preissignale der Abgabe mit korrekten Entscheidungen entsprechend ihren Grenzvermeidungskosten reagieren. 1 VgI. zu den Problemen von Abgaben und triaJ-and-error Verfahren auch RUSSEL (1979), S. 161 ff.

2 BAUMOL, OATES (1979), S. 242.

3 WEITZMAN (1978), S. 684. Vgl. auch VISCUSI (1985), S. 28 f. 4 Aus den gleichen Gründen ist eine laufende Änderung der Standards und Umwehqualitätsziele und beispielsweise eine daraus resultierende Verringerung der Zertifikatekontingente nicht wünschenswert. 5 VgI. NOLL (1983), S. 199.

5.2. Erfülhmg der ökonomischen Anforderungen

125

Denkbar ist aber durchaus ein strate~isches Verhalten der Betreiber, wenn diese von vornherein von einer mehrmaligen Änderung des Abgabensatzes ausgehen. Damit unterlaufen sie möglicherweise den Prozeß der korrekten Abgabenermiulung. Die Umweltbehörde ist bei der Abgabenermiulung auf die Zusammenarbeit und die korrekte Handlungsweise der Betreiber angewiesen, da sie sich mit ihrem Abgabesatz an den Grenzvermeidungskosten der Betreiber orientieren muß. 1 Rechnen nun die Betreiber von vornherein damit, daß eine Veränderung der Abgabensätze unvermeidlich ist, wird diese Erwartung Rückwirkungen auf den Prozeß der Ermittlung der korrekten Abgabenhöhe haben: Falls in einer abgegrenzten Region oder beispielsweise an einem flußlauf nur wenige Betreiber vorhanden sind, hat jeder einzelne Betreiber einen Anreiz, den anderen Betreibern überzogene Kosteninformationen zuzuspielen, in der Hoffnung, daß diese entsprechend übermäßig investieren, weil sie eine hohe Abgabe erwanen. Fällt dann die Abgabe niedriger aus, so könnte der erste Betreiber Voneile gegenüber den anderen Emittenten realisieren, da er entsprechend seinen tatsächlichen Grenzvermeidungskosten investieren wird, während andere zu viel investien hätten. Wenn aber nun ~ ihre Mitemittenten in Verdacht haben, daß diese ihre Vermeidungskosten übertreiben, werden alle Betreiber zu wenig investieren und eine geringere Enussionsvermeidung realisieren, und zwar solange, bis sie glauben, die tatsächlichen Kosten der anderen zu kennen. 2 Selbst bei einer Vielzahl von BetreIbern, von denen jeder fur sich genommen dIe Um· weltqualität nur unbedeutend beeinflussen kann, kann ein einzelner Betreiber kaum absehen, wie die richtige, endgültige Abgabenhöhe sich einpendeln Wird, da er die Kosten der anderen Betreiber nicht abschätzen kann. Auch in diesem Fall wird er wohl eher zurückhaltend investieren. 3 Ein weiteres Problem taucht dadurch auf, daß unter einem Abgabensystem für die Betreiber ein Anreiz besteht, sich untereinander abzusprechen, da sie davon ausgehen, daß die Umweltbehörde nur äußerst unzureichende Informationen über ihre Vermeidungskosten besitzt. 4 Die Umweltbehörde wird entsprechend der Reaktion der Betreiber auf einen anfänglichen Abgabensatz die Abgabe nach oben oder unten variieren. Falls der angestrebte Standard übererfüllt wird, sollte die Abgabe gesenkt werden und umgekehn. 5 Dieses Verhalten der Umweltbehörde können die Betreiber sich zunutze 1 Vgl. ROSE-ACKERMAN (1977), S. 395; ROSE·ACKERMAN (1973), S. 523. 2 Vgl. ROSE-ACKERMAN (1973), S. 523. 31m Falle der Irreversibilität von Investitionen werden Überzoaenen AUSKabeg für Umweltschutz unnötig hohe Kosten verursachen. Die Betreiber glauben damit mög!ichen Abgabenerhöhungen zuvorzukommen und dem Risiko einer kompletten Fehlinvestition zu begegnen. Diese Überzogenen Umweltschutzausgaben fehlen natÜrlich an anderer Stelle und führen dort zu Zielverlusten. Vgl. auch VlSCUSI (1985), S. 43. 4 EiD solches Problem stellt sich bei einer MengenfIXierung nicht ein. S Vgl. ROSE-ACKERMAN (1973), S. 524, ROSE-ACKERMAN (1977), S. 395 f.

126

5. Beurteilung der Instrwncnle der Umweltpolilik

machen, indem sie sich untereinander absprechen und den Prozeß der korrekten Abgabenermittlung manipulieren. Beispielsweise könnten die Emittenten in einem "Abgabenkartell" bei insgesamt ansteigenden marginalen Vermeidungskosten ihre Emissionen in einer Ermittlungsperiode soweit reduzieren, daß die marginalen Vermeidungskosten tatsächlich über der Abgabenhöhe liegen, damit in der Folgeperiode eine Abgabensenkung stattfindet. 1 Insgesamt werden bei Auftreten solcher Verhaltensweisen die Kosten der Abgabenermittlung steigen. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß die Abgabenlösung im Gegensatz zu einer »grandfathering«-Zertifikatelösung und zu Auflagen zu einer zusätzlichen laufenden Belastung der Emittenten durch die Abgabenzahlung für die verbleibende Restverschmutzung2 und zu einer aus allokations theoretischer Sicht ungünstig zu beurteilenden Erhöhung des Staatsanteils führt. Dem privatwirtschaftlichen Sektor werden so zugunsten des Staates finanzielle Mittel, entzogen. • Es kann zusammenfassend konstatiert werden, daß die Diskussion der administrativen Kosten, die bei der Umweltbehörde und bei den Betreibern anfallen, insbesondere zu erheblichen Nachteilen für die Abgabenlösung geführt hat. Konnten bei der Betrachtung dieser Aufwendungen keine überzeugenden Gründe für nennenswerte Unterschiede bei Auflagen und Zertifikatelösung gefunden werden, so kann durch den in der Abgabenlösung implizit vorhandenen trial-and-error-Prozeß und die damit verbundene Anpassung der Abgabenhöhe nicht nur von erheblichen Aufwendungen der Behörden ausgegangen werden, sondern auch von erheblichen Belastungen der Betreiber,3 die auf verläßliche Rahmendaten für ihre Investitionsplanung angewiesen sind. Diese Verläßlichkeit fehlt gerade der Abgabenlösung und macht ihren Einsatz zur Erreichung eines Umweltqualitätszieles praktisch unmöglich. Überhaupt dürfen umweltpolitische Instrumente die Anforderungen an Betreiber nur relativ selten und vorausschaubar verändern. 4 Die Abgabenlösung impliziert genau das Gegenteil. • Betrachtet man abschließend Auflagen, Abgaben und Zertifikate unter dem Gesichtspunkt der Kosteneffizienz, so zeichnen sich Abgaben und Zertifikate dadurch aus, daß sie im Gegensatz zur Auflagenlösung ein gegebenes Umweltqualitätsziel zu minimalen gesamtwirtschaftlichen Vermeidungskosten zu erreichen vermögen, sie 1 Die Problematik der Bildung eines Kartells ( .. free rider .. ) wird hier nicht erörterl. Insgesamt dürften die aufgezeigten Manipulationsmöglichkeiten wohl praktisch nicht allzu schwer wiegen. Außerdem kann davon ausgegangen werden, daß sich bei der Umweltbehörde im Laufe der Zeit gewisse Lemcffekte zeigen, die bei der AbgabenfllCierung hilfreich sind. 2 Vgl. zur Belastung der Eminenten durch Abgabenzahlungen ausführlich Gp. 5.6.2. 3 Vgl. dazu auch SENECA, TAUSSIG (1984), S. 224.

4 'la order to be given a chance to work, a regulatory strategy must bc lcft in place for an exteaded period after it has bcen adopted. If a firm anticipates the regulations are going to change in the near future, it is aot goiDg to take very seriously compliance with them now. This docs not mean that regulations, onte fonaulated, must bc immutable for all time. It is just thatthey must remain in force long enough to be bcIievable." WElTZMAN (1978), S. 684.

5.2. Erfüllung der ökonomischen AnfordClUßgen

127

hier also den Vorteil der marktlichen Allokation mittels Preisen genießen. Bezieht man aber weitere Kosten, die Behörden und Betreibern durch Implementation und Vollzug der Instrumente entstehen könnten, mit ein, so fallen die Abgaben in der Einschätzung der Vorteilhaftigkeit wieder zurück. Die fehlende MengenfIXierung und das daraus resultierende trial-and-error-Verfahren lassen eine Abgabenlösung zumindest in den Fällen, in denen Umweltqualitätsziele in Form bestimmter Immissionsstandards realisiert werden sollen, kaum praktikabel erscheinen. 1 • Will man eine Ran~ordnun~ der Instrumente aufstellen, so sind bisher Zertifikate den Auflagen und Abgaben überlegen, da Auflagen zu teuer sind und Abgaben, die zwar zunächst ebenso effizient wie Zertifikate zu sein scheinen, für Betreiber und Umweltbehörde große Risiken in sich bergen, weil die Erreichung des Umweltzieles ungewiß erscheint bzw. mit enormen administrativen Kosten für beide Seiten verbunden wäre. 2 5.2.2. Exkurs: Die Bedeutung der Unsicherheit und der Dynamik der Wirtschaft mr die Beurteilung der umweltpolitischen Instrumente Als zusätzliches Kriterium bei der Wahl zwischen Abgaben, Zertifikaten und Auflagen kommt die Unsicherheit über marginale Schäden und marginale Vermeidungskosten der Umweltbelastung und die Wirksamkeit der Instrumente in einer dynamischen Wirtschaft hinzu. Die praktische Umweltpolitik und der Umweltschutz werden dadurch erschwert, daß politische Entscheidungen, die den Umweltschutz und die Ökologie betreffen, häufig mit Unsicherheiten und ungesichertem Wissen über die naturwissenschaftlichen, medi1 Eine formale mathematische Analyse der Problematik der Unsicherheit über die Zielerreichung liefert WEITZMAN. Er hält im Falle von notwendigen Kontingentierungen zur Erreichung eines bestimmten Qualitätszieles die von DALES vorgeschlagene Zertifikatelösung für am besten geeignet, da sie die Vorteile der preislichen Allokation mit den Vorteilen der Mengenftxierung verbindet, diese Lösung also die Vorteile von Auflagen und Abgaben realisiert, deren Nachteile aber meidet. Vgl. WEITZMAN (1974), S.

490, FN 1.

2 Da man um diese Probleme der Abgabenlösung weiß, argumentieren Befürworter dieser Lösung häufig anders. Sie sagen, daß schon die Festlegung des Umweltqualitätszieles mit vielen Unsicherheiten behaftet sei. Ziel der Umweltpolitik ist daher nicht mehr die Festlegung eines Umweltstandards - den man aufgrund der Unsicherheit ja selbst immer wieder ändern müßte· sondern die Einführung eines Abgabensystems überhaupt. "Every product of the public policy process is in some way both an instrument and a target ... More to the point in terms of environmental issues, since targets are usually expressed by Congress in imprecise though high-sounding terms, the making of public policy really involves simultaneous creation of targets and instruments in the administrative process." RUSSEL (1979), S. 163. "A fully coherent set of effluent charges is not possible at the moment, but levying such charges on a broad front would recognize the interdependencies among environmental media and promote processes that consume fewer materia1s or that are more conductive to recycling as well as treatment of residual materia1s where appropriate." KNEESE, SCHULTZE (1975), S. 106. Schon die impliziten umweltschützenden Anreize, die von der Abgabenlösung ausgehen, rechtfertigen dieses Instrument. Dem könnte man dann noch zustimmen, wenn Immissionsschwellen keine RoUe spielen, es also genereU um eine Rückführung der Belastung bzw. Veränderung des Verhaltens der Akteure in Richtung Umweltschonung geht. Ob aber selbst in diesen Fällen Zertifikate nicht überlegen sind, ist damit noch nicht gesagt.

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5. Beurteilung der Instrumente der Umweltpolitik

zinischen und sozialen Zusammenhänge und damit auch über die Folgen der Entscheidungen behaftet sind. Weiterhin ist von Bedeutung, daß diese Entscheidungen nicht in einer statischen, sondern in einer dynamischen Wirtschaft zu treffen sind. Hier wirken sich Inflation, Wirtschaftswachstum, Bevölkerungswachstum, sich ändernde Einstellungen der Menschen zum Umweltschutz, medizinischer sowie technischer Fortschritt auf die umweltpolitischen Ziele und Instrumente aus und machen Anpassungen erforderlich.! In diesem Abschnitt sollen einerseits Auswirkungen von Unsicherheit über die enstehenden Schäden der Umweltbelastung und die anfallenden Vermeidungskosten von Umweltschäden und andererseits Auswirkungen eines dynamischen Wirtschaftsprozesses auf die relative Vorteilhaftigkeit der Instrumente Abgabenlösung als Preislösung und Zertifikatelösung als Mengenlösung in der Umweltpolitik untersucht werden. Auflagen werden nicht gesondert behandelt, da in diesem Fall prinzipiell die gleichen Aussagen zutreffen wie für Zertifikate. Daher wird in diesem Abschnitt auch von einer Preis- und einer Mengenlösung gesprochen, wenn von Abgaben einerseits und von Zertifikaten bzw. Auflagen andererseits die Rede ist. 2 Bevor zunächst die Bedeutung der Unsicherheit für die Umweltproblematik und Auswahl der umweItpolitischen Instrumente in Theorie und Praxis systematisch diskutiert wird, sollen unterschiedliche Arten und Quellen der für die Umweltproblematik relevanten Unsicherheit aufgezeigt werden. Unsicherheit durchdringt die Umweltproblematik auf drei Ebenen, • auf der Ebene der umweltpolitischen Entscheidungsträger, • auf der Ebene der Emittenten bzw. Anlagenbetreiber und • auf der Ebene der Umwelt- bzw. Kontrollbehörden. Auf der Ebene der umweltpolitischen Entscheidun~strä~er3 kann Unsicherheit aus einer unzureichenden Kenntnis der marginalen Schäden,4 der marginalen Vermeidungskosten 1 Zur Bedeutung der Unsicherheit für die Instrumente vgl. F1SHELSON (1976), S. 189 ff.; ROBERTS, SPENCE (1976), S. 193 ff.; MORGAN (1983), S. 197 ff.; DOWNING (!984), S. 97 ff.; NICHOLS (1984), S.43 ff.; OPALUCH (1984), S. 1 ff.; SPENCE, WEITZMAN (1978), S. 204 ff.; WATSON, RIDKER (1984) S. 310 ff. 2 Obwohl ebenfalls ein dynamischer Aspekt, wird der technische Fortschritt hier nur am Rande mitbetrachtet, da dieser Aspekt aufgrund seiner außerordentlich großen Bedeutung für die Umweltpolitik und den Umweltschutz ausführlich in Gp. 5.3. diskutiert wird. 3 Unsicherheiten, die grundsätzlich durch die politischen Mechanismen in einem demokratischen System hervorgerufen werden, etwa durch Wahlzyklen, Änderungen der politischen Landschaft uvm., werden hier nicht gesondert betrachtet. Solche Veränderungen werden als Ausdruck geänderter Zahlungsbereitschaften für Umweltqualität von den Entscheidungsträgern im Sinne der Erkenntnisse der Neuen Politischen Ökonomie kalkuliert. 4 Unsicherheit über die marginalen Schäden ist durchaus nicht nur bei einer Internalisierung der externen Effekte nach Ansatz 1 von Bedeutung: In die Festlegung der ökologischen Rahmenwerte (Ansatz 2) ffießen Bewertungen der entstehenden Schäden mit ein. Muß die ursprüngliche Bewertung der Schäden

5.2. Erfüllung der ökonomischen Anforderungen

129

sowie aus einer unzureichenden Kenntnis der Diffusionsbeziehungen in den Umweltmedien - die wiederum eine unzureichende Kenntnis der auftretenden marginalen Schäden zur Folge hat bzw. die hier schon bestehende Unsicherheit noch verstärkt - erwachsen. Daraus ergeben sich dann Unsicherheiten bei der Festlegung der Umweltqualitätsziele und der daraus abzuleitenden Vermeidungsanforderungen. Auf Betreiberebene kommen als Quellen von Unsicherheit in erster Linie die Grenzvermeidungskosten sowie Rückwirkungen aus dem Verhalten und Handeln der Kontrollbehörden in Betracht. Ursächlich für bestehende Unsicherheit bezüglich der Grenzvermeidungskosten kann zum einen eine bislang ungenügend erprobte Technik oder eine völlig neue Technik, die eine Kalkulation zukünftig möglicher Kostenersparnisse 1 erschwert, zum anderen eine ungenaue Kenntnis der physikalisch-chemischen Diffusionsvorgänge sein. Zusätzlich kann die Unsicherheit über die Entwicklung der Inputpreise die Unsicherheit der Betreiber über (zukünftige) marginale Vermeidungskosten verstärken. Eine weitere bedeutende Quelle von Unsicherheit für die Betreiber kann schließlich aus dem Verhalten und den Aktivitäten der Umweltbehörden (und auch der übergeordneten Politik) erwachsen. Beispiele dafür sind je nach eingesetztem umweltpolitischem Instrument eine häufige Änderung der Abgabenhöhe, der Standards, oder die Veränderung der Kontingente, die ihren Niederschlag in den Umweltschutzaufwendungen finden. Unsicherheit auf der Ebene der UmweltbehÖrden schließlich beinhaltet implizit viele der für die Betreiber oben angeführten Punkte, z.B. die Unsicherheit der Betreiber bzgl. ihrer zukünftigen marginalen Vermeidungskosten, weIche die Unsicherheit der Kontrollbehörden über die gesamtwirtschaftlichen marginalen Vermeidungskosten verstärkt. Unsicherheit über die Entwicklung bestimmter Technologien und der Inputpreise sind in jeder Phase der Aggregation der Vermeidungskosten gegenwärtig. 2 Wenn die Kontrollbehörde selbst auch nicht von der Unsicherheit betroffen ist, die sie auf die Betreiber durch Änderung der umweltpolitischen Anforderungen überträgt, so sieht sie sich selbst doch mit zwei weiteren Quellen von Unsicherheit konfrontiert. So kann es sein, daß es der Behörde selbst dann nicht gelingt, die für sie wichtige gesamtwirtschaftliche Vermeidungskostenkurve zu ermitteln, wenn den Betreibern ihre revidiert werden, so müssen unter Umständen auch die Rahmenwerte geändert werden, weil sich beispielsweise herausgestellt hat, daß die bisherigen Rahmenwerte die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts nicht gewährleisten können. 1 Diese Kostenersparnisse können bedingt sein l.B. durch Erfahrungskurvenphänomene oder möglicherweise in Zukunft auftretende »economies of scale«. Zu Erfahrungskurven- bzw. Lemkurveneffekten vgl. BAETGE (1979), S. 1125 ff.

2 Eine andere QueUe von Unsicherheit für die Kontrollbehörden und die Umweltpolitiker ist selbstverständlich die bereits angesprochene Gefahr des strategischen Verhaltens von Emittenten in bestimmten Situationen, die eine Abschätzung der Reaktion der Emittenten auf bestimmte umweltpolitische Maßnahmen und damit die Ermittlung einer gesamtwirtschaftlichen Grenzvermeidungskostenkurve weiter erschwcrt.

130

5. Beurteilung der lnslIunlenle der Umwellpolitik

individuellen Grenzvermeidungskosten durchaus bekannt sind. 1 Schließlich wirkt sich auf die Handlungen der Behörden, genau wie bei den politischen Entscheidungsträgem, die Unsicherheit aus, die aus einer unzureichenden Kenntnis der tatsächlichen Schäden bei einem bestimmten BeIastungsniveau erwächst. So können beispielsweise Irrtümer in der Veranschlagung voraussichtlicher Auswirkungen von Umweltbelastungen auf die Gesundheit der Bevölkerung, unzureichende Rahmenwerte bzw. Umweltqualitätsstandards zur Folge haben. Selbst wenn die auftretenden (marginalen) Schäden zu einem bestimmten Zeitpunkt korrekt ermittelt worden wären, ergibt sich das Problem der räumlich und zeitlich unterschiedlichen (marginalen) Schäden aufgrund variierender Assimilationskapazitäten, Emissionsmengen und Belastungssituationen. Für die Zwecke dieser Untersuchung läßt sich das Problem der Unsicherheit auf die Unsicherheit über tatsächlich entstehenden (marginale) Schäden und marginale Vermeidungskosten beschränken, da alle soeben diskutierten Unsicherheitsfaktoren auf den drei Ebenen hieraus resultieren. Betrachtet man nun die Instrumente, so läßt sich im statischen Modell mit vollständiger Information zeigen, daß zwischen Abgaben und Zertifikaten, die durch Versteigerung ausgegeben werden, keine Effizienzunterschiede bestehen. 2 In der Realität kann man allerdings schwerlich von vollständiger Information ausgehen. Deswegen gibt es sehr wohl bedeutende Unterschiede zwischen Zertifikaten und Abgaben.3 Wie gezeigt worden ist, taucht die größte Unsicherheit auf, wenn es darum geht, die marginalen Schäden bzw. die marginalen Nutzen der Schadensvermeidung zu schätzen. Die Zusammenhänge zwischen Emissionen und auftretenden Schäden sind unzureichend erforscht und bekannt. Eine monetäre Quantifizierung und Zurechnung ist zudem nicht unproblematisch. Problematisch ist aber auch die Schätzung der anderen Komponente für die Erreichung des Optimums, der marginalen Vermeidungskosten. Verläßliche Daten sind für die Behörden schwer beschaffbar und enorm teuer. 4 Diese sind auf Informationen der Emittenten angewiesen, die nun allerdings Anreize haben, sich strategisch zu verhalten und unkorrekte Angaben zu machen, um empfindliche Gegenmaßnahmen zu vermeiden, und die wirklichen technischen Möglichkeiten nicht zu offenbaren. 5 Deshalb wird hier jetzt der Frage nachgegangen, welche Reaktionen die Preis- und die Mengenlösung er1 Nicht zuletzt aus diesem Grund hat BAU MOL vom Pareto-Kriterium Abstand genommen und den Standard-Preis-Ansatz vorgeschlagen. Vgl. BAU MOL (1972); BAUMOL, OATES (1971). Vgl. auch Gp. 1.3.1. 2 Vgl. OATES (1981), S. 472, NlCHOLS (1984) S. 7 ff. 3 Vgl. insbesondere ROBERTS, SPENCE (1976); WEITZMAN (1974); ADAR, GRIFFIN (1976). 4 Vgl. NlCHOLS (1984) S. 43 ff. 5 Über die Bedeutung bestehender Unsicherheit über die marginalen Vermeidungskosten vgl. FISHELSON (1976), S. 191 ff.; WEITZMAN (1974), S. 4n ff.

5.2. Erfüllung der ökonomischen Anforderungen

131

warten lassen, wenn solche Unsicherheiten zur Festlegung falscher umweltpolitischer Ziele führen und daraus die Notwendigkeit der Zielanpassung erwächst. Dabei werden wir zunächst diskutieren, welche Auswirkungen sich im Falle der ~ optimalen Imernalisierune der externen Effekte nach Ansatz 1 ergeben. Auswirkungen der Veränderung marginaler Schäden können dabei durchaus von Interesse für die Beurteilung der Instrumente unter Ansatz 2 sein, da, wie wir bereits angesprochen hatten, eine Abschätzung der auftretenden (marginalen) Schäden in die Festlegung ökologischer Rahmenwerte miteinfließt: Stellt sich heraus, daß die auftretenden Schäden tatsächlich über- oder unterschätzt worden sind, das ökologische Gleichgewicht also in anderer Weise berührt ist, als ursprünglich angenommen wurde, müssen die ökologischen Rahmenwerte möglicherweise angepaßt werden. 1 Ebenso muß in Ansatz 1 eine tendenzielle Veränderung der marginalen Kosten berücksichtigt werden. 2 In den folgenden Ausführungen wird prinzipiell davon ausgegangen, daß umweltpolitische Entscheidungsträger im Falle neuer Erkenntnisse sowohl bei einer Umweltpolitik nach Ansatz 1 - variierende Marginalbedingungen führen zu neuen Optimalpunkten - als auch nach Ansatz 2 - ökologische Rahmenwerte - gehalten sind, Anpassungen vorzunehmen. 3 Dabei ist von großer Bedeutung, welcher Aufwand politisch und finanziell notwendig ist, um diese Anpassung durchzuführen. Idealerweise sollten die umweltpolitischen Instrumente deswegen einen Mechanismus zur Selbstkorrektur enthalten, falls Unsicherheiten eine Korrektur erforderlich machen. Die wirtschaftliche Dynamik verstärkt dabei die Notwendigkeit einer flexiblen Anpassungsmöglichkeit, da wirtschaftliche Dynamik tendenziell die auftretenden (marginalen) Schäden und Vermeidungskosten beeinflußt, wie noch zu zeigen sein wird. 4 Im folgenden Gliederungspunkt werden Mengen- und Preislösung - unter Zugrundelegung von auf Unsicherheit beruhenden Entscheidungsirrtümern - hinsichtlich ihrer 1 Vgl. auch die Situation in Abb. 10 in Gp. 1.3.2., in der die ökologischen Rahmenwerte nicht mehr binden, weil beispielsweise die Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung für UmwellVerbesscrung ein höheres Umweltqualitätsniveau zuläßt, als im ökologischen Rahmen vorgesehen ist. 2 Selbst bei Ansatz 2 dürfen gestiegene marginale Vermeidungskosten nicht völlig von den Umweltbehörden ignoriert werden, da im Falle einer völligen Mißachtung gestiegener marginaler Vermeidungskosten in Ansatz 2 die Zieleinbußen bei anderen wirtschaftspolitischen Zielen stark anwachsen könnten. Wenn diese Zieleinbußen (negative Einkommenswirkungen, Beschäftigungseinbußen ete.) ein bestimmtes Maß übersteigen, besteht die Gefahr, daß die Zahlungsbereitschaft für Umweltschutz rapide abnimmt und die Politik die umweltpolitischen Ziele nicht mehr durchzusetzen vermag. Minimalziel muß allerdings ein Immissionsstandard sein, der die Funktion des ökologischen Systems gewährleistet und damit Schäden, die das ökologische Gleichgewicht gefährden, verhindert. 3 Die Anpassung der Ziele durch die Politik und die Administration erfolgt nicht etwa, weil diese sich wie ein »wohlmeinender Diktator« verhalten, sondern weil demokratische Mechanismen, wie sie die Neue Politische Ökonomie herausgearbeitet hat, die Politik zum Handeln zwingen. 4 Vgl. NlCHOLS (1984), S. 61 ff. Eine Möglichkeit, die Unsicherheit zu verringern, besteht sicherlich darin, die Informationsbasis für die Entscheidung zu verbessern. Dieser Möglichkeit sind aber Grenzen gesetzt, da die Informationskosten sehr rasch anwachsen. Deshalb soUte die Umweltpolitik ein Instrumentarium wählen, das dem Vorhandensein von Unsicherheit Rechnung trägt und leicht anpaßbar ist.

5. Bcurtcilung der Instrumente der UmwcItpolitik

132

Auswirkungen zunächst auf das Pareto- Optimum bei Internalisierung der externen Effekte (Ansatz 1) miteinander verglichen, da ein solcher Vergleich die relative Bedeutung von Zielabweichungen bei den Instrumenten sehr gut veranschaulicht. Anschließend erfolgt eine Betrachtung für den praktisch bedeutsamen Fall der Festlegung ökologischer Rahmenwerte (Ansatz 2) in der Umweltpolitik. In einem weiteren Gliederungspunkt schließlich wird die Auswirkung wirtschaftlicher Dynamik auf die Instrumente untersucht. 5.2.2.1. Aspekte der Unsicherheit im Falle der pareto-optimalen Internalisierung externer Effekte (Ansatz I)

Welche Wirkung die Unsicherheit oder besser eine mögliche Fehleinschätzung der marginalen Schäden und Kosten allokationstheoretisch im Falle einer Preis- oder einer Mengenlösung hat, läßt sich anschaulich an Abbildung 16 zeigen. l

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(Abbildung 16A)

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(Abbildung 168)

Die Abbildungen 16A und 16B zeigen verschiedene mögliche KurvenverIäufe, die bei bestehender Unsicherheit denkbar wären und deuten mögliche WohlfahrtsverIuste an, wenn bei der Festlegung der Preise (Abgabenhöhe) bzw. Mengen (z.B. Zertifikatekontingent) nicht die korrekten Grenzvermeidungskosten und Grenzschäden zugrundegelegt werden. In der Abbildung sind die bereits bekannten Kurven der Grenzvermeidungskosten GVK und der Grenzschäden GSK eingezeichnet. Die zunächst angenommenen Schäden bewegen sich entlang der GSKo-Kurven. Damit sollte die Emission nach Ansatz 1 auf das Niveau Xo begrenzt werden. Zunächst wäre also to die richtige Abgabenhöhe und Xo die richtige Menge im Falle der Mengenlösung bzw. Zertifikatelösung. 1 Vgl. dazu auch ROSE·ACKERMAN (1973), S. 522 f.; ACKER MAN u.a. (1974), S. 262 ff.; F1SHELSON (1976), S.191 ff.; WATSON, RIDKER (1984), S. 312; N1CHOLS (1984), S. 52 ff.

5.2. Erfüllung der ökonomischen Anforderungen

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Nun stellt sich heraus. daß die marginalen Schäden z.B. größer sind als ursprunglieh angenommen wurde. In Abb. 16A gilt anstatt der ursprunglieh angenommenen marginalen Schadenskurve GSKo dann GSK I . Das richtige Emissionsniveau wäre jetzt Xl' Sowohl Preis- als auch Mengen/ösung müßten angepaßt werden. Ohne Anpassung wäre das Emissionsniveau zu hoch. 1 Beide Lösungen würden zu einem identischen Wohlfahrtsmhlll in Höhe der schraffierten Fläche führen. Unsicherheit über die Höhe der mar~i­ nalen Schäden hat bei Kenntnissen über die marginalen Vermeidungskosten ~ direkten Einfluß auf die Vorteilhaftigkeit von Mengen- oder Preislösung. Ohne eine genaue Analyse der politischen Entscheidungsprozesse und der Kosten dieser Entscheidungsprozesse läßt sich in diesem Fall keine Aussage zugunsten des einen oder anderen Instrumentes treffen. Ob sich politisch eher eine Anpassung der Abgabe nach oben oder eine Verknappung bzw. Abwertung der erlaubten Emissionsmenge bewerkstelligen läßt. kann hier nicht entschieden werden. 2 Die Unsicherheit über die Höhe der marginalen Schäden kann bei Preis- l.llli1 Mengenlösungen zu falschen Ergebnissen führen. die der Revision bedürften.

Ea.m:

• Unsicherheit über die Höhe der marginalen Schäden hat für die Auswahl ~ lnill:u.: ~ keine Bedeutung. Auf eine weitere Betrachtung möglicher Wohlfahrtsverluste durch Unsicherheit über marginale Schäden kann deshalb verzichtet werden. • Dieses Ergebnis hat auch Bedeutung für den Fall ökologischer Rahmenwerte. da notwendige Änderungen dieser Werte aufgrund revidierter Erkenntnisse über die tatsächliche Umweltbeeinträchtigung ~ bei einer Mengen- als auch bei einer Preislösung erfolgen müßten. neue Erkenntnisse über entstehende Schäden also keinen Einfluß - bei Nichtberucksichtigung der Anpassungskosten - auf die Vorteilhaftigkeit des einen oder anderen Instrumentes haben. Unsicherheit kann aber auch bezüglich der marginalen Vermeidungskosten bestehen. Lassen sich die marginalen Vermeidungskosten eventuell auch näher eingrenzen und sind die Probleme nicht so groß wie bei der Bestimmung der marginalen Schäden. so 1 Eine solche Verschiebung der marginalen Schadenskurve könnte beispielsweise durch neue medizinische Erkenntnisse hervorgerufen werden. Bisher noch unbedenkliche Emissionsmengen werden plötzlich als Verursacher von Gesundheitsschäden identifiziert. Ein anderes Beispiel wäre das Waldsterben. Hält man heute bestimmte Emissionen noch für unbedenklich, so können neue Erkenntnisse eine Revision dieser MeinUDg nötig machen. Schließlich könnte auch der Wen der geschädigten Objekte oder Posten gestiegen sein. In allen Fällen sind die Schäden größer als ursprünglich angenommen. Eine weitere Emissionsminderung ist erforderlich. 2 Allerdings spricht einiges dafür, daß eine Abwertung von Zertifikaten aufgrund der direkten ökologischen Spürbarkeit eher durchzusetzen ist, als eine Erhöhung der Abgabe, die insbesondere bei den Emittenten auf erheblichen Widerstand stoßen dürfte. Die Durchsetzung einer Abgabenerhöhung dürfte zudem im politischen Entscheidungsprozeß längere Zeit in Anspruch nehmen, zumal man sich für eine plausible BegrüDdUDg des Ausmaßes einer Erhöhung auf zugrundeliegende Analysen der Grenzverm~idUDgskosten stützen müßte, während diese bei Zertifikateabwertungen nicht erforderlich wären.

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5. Beurteilung der Instrumente der Umwellpolitik

dürfte ihre Ermittlung kaum jemals völlig exakt gelingen und Schätzfehler sehr wahrscheinlich sein. In Abb. 16B sind z.B. die tatsächlichen Grenzvermeidungskosten GVK 1 geringer als die ursprünglich erwarteten GVJ