Das Totenmahl in Syrien im 2. Jahrtausend v. Chr.: Eine Untersuchung zur Bedeutung, Symbolik und Tradition eines altorientalischen Konzepts in philologischer, archäologischer und religionsgeschichtlicher Perspektive am Beispiel von Mari, Qaṭna und Ugarit 3447115858, 9783447115858

Sarah Lange-Weber widmet sich in ihrer Studie dem Totenmahl in Syrien im 2. Jahrtausend v.Chr. Diese bedeutende Praktik

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German Pages 552 [555] Year 2021

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Titelseiten
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tafelverzeichnis
Vorwort des Herausgebers
Vorwort der Verfasserin
1 Einleitung
1.1 Begriffsdefinitionen und Methodik
1.1.1 Eine Ausgangsdefinition des Totenmahls
1.1.2 Begriffe im Zusammenhang mit dem Totenmahl
1.1.3 Der Tod als Übergangsritual für die Toten und die Hinterbliebenen
1.1.4 Interpretationsmöglichkeiten und -konzepte für Grabbefunde
1.1.4.1 Diversität in den Bestattungsformen als Ausdruckeiner differenzierten Gesellschaft?
1.1.4.2 Die Interpretation der Funde im G
1.1.4.3 Die Deutung der Speise- und Gefäßbeigaben im Grab
1.1.5 Die Bearbeitung der Texte
1.2 Das Totenmahl – eine weit verbreitete kulturelle Praxis
1.2.1 Das Totenmahl in unterschiedlichen Kulturen
1.2.2 Das Totenmahl im Alten Orient
1.2.3 Dem Totenmahl zugrunde liegende religiöse Vorstellungen im Alten Orient
1.3 Historische Einordnung von Mari, Qaṭna und Ugarit
1.3.1 Syrien in der Bronzezeit
1.3.2 Mari
1.3.3 Qaṭna
1.3.4 Ugarit
2 Mari
2.1 Der archäologische Befund
2.1.1 Die Gräber
2.1.1.1 Die Zeit der šakkanakku (FBZ IV bis MBZ I)
2.1.1.2 Die Mittlere Bronzezeit
2.1.1.3 Die Mittelassyrische Zeit (SBZ)
2.1.1.4 Resümee: Die Gräber in Mari von der Zeit der šakkanakku bis zur Mittelassyrischen Zeit
2.1.2 Der Petit Palais Oriental
2.1.3 Der Königspalast
2.1.4 Die Standbildnisse aus der Ville III in Mari und ihre Funktion im Rahmen desTotenkultes
2.2 Die schriftlichen Quellen
2.2.1 Der Totenkult zur Zeit der Amurriter
2.2.2 Die unterschiedlichen Rituale im Kontext des Totenmahls in Mari
2.2.2.1 kispu(m)
2.2.2.2 Das pagrāʾum-Opfer für Dagān
2.2.2.3 Der Kult der Göttin Dēritum
2.3 Zusammenfassung zum Totenmahl in Mari
3 Qaṭna
3.1 Der archäologische Befund
3.1.1 Die Gräber und Grüfte
3.1.1.1 Die einfachen Gräber
3.1.1.2 Die vorpalastzeitlichen Grüfte
3.1.1.3 Die Grüfte des Königspalastes von Qaṭna
3.1.2 Rundplastiken aus Qaṭna als Empfänger von Opfergaben
3.2 Die schriftlichen Funde aus Qaṭna: Ein Exkurs zu der Frage der Vergöttlichung derköniglichen Ahnen in Qaṭna
3.2.1 Der Fundort der „Qaṭnainventare“ – der „Heilige Bezirk“ der dNIN.É.GAL
3.2.2 Die Weihadressaten der Inventare II und IV
3.2.2.1 Die grammatische Deutung der variierenden Bezeichnungen für die DINGIR.MEŠ LUGAL
3.2.2.2 Interpretation der Bezeichnung DINGIR.MEŠ LUGAL unter Berücksichtigungder religionshistorischen Aspekte
3.2.3 Gegenüberstellung des Kultes der DINGIR.MEŠ LUGAL und der königlichen Ahnen
3.3 Zusammenfassung zum Totenmahl in Qaṭna
3.3.1 Speisebeigaben im Rahmen der Primärbestattung
3.3.2 Speiseopfer im Rahmen der Sekundärbestattung
3.3.3 Speiseopfer für das Kollektiv der Ahnen
3.3.4 Keramikgefäße und Tierknochen abseits der Bestattungsbereiche in der Königsgruft
3.3.5 Die Ausübung der Totenpflege in Qaṭna
3.3.6 Die Art der Speisebeigaben
4 Ugarit
4.1 Der archäologische Befund
4.1.1 Die Gräber und Grüfte
4.1.1.1 Bisherige Arbeiten über den archäologischen Befund der Gräber
4.1.1.2 Der architektonische Kontext der Grüfte von Ugarit
4.1.1.3 Die Königsgrüfte
4.1.1.4 Das Inventar der Grüfte
4.1.1.5 Zusammenfassung und Interpretation der Grabbefunde in Bezug auf dasTotenmahl
4.1.2 Rundplastiken und Stelen
4.1.2.1 Die Rundplastiken
4.1.2.2 Die Stele des Baʿal au foudre
4.1.2.3 Zusammenfassung zu den Rundplastiken und Stelen
4.2 Die schriftlichen Quellen
4.2.1 KTU 1.161
4.2.1.1 Kommentar
4.2.1.2 Interpretation des Textes KTU 1.161
4.2.2 Die rāpiʾūma in den alphabetischen Keilschrifttexten
4.2.2.1 Die sogenannten rāpiʾūma-Texte KTU 1.20 – KTU 1.22
4.2.2.2 Ein Ausschnitt aus dem Baʿal-Zyklus KTU 1.6 VI
4.2.2.3 KTU 1.108 – rpu mlk ʿlm
4.2.3 Die Epen des Aqhatu und des Kirta
4.2.3.1 Das Aqhatu-Epos KTU 1.17
4.2.3.2 Das Kirta-Epos KTU 1.15
4.2.4 Die Stelen mit den Inschriften KTU 6.13 und KTU 6.14
4.2.5 Schlussfolgerungen aus den schriftlichen Quellen bezüglich des Totenmahls in Ugarit
4.2.5.1 Die rāpiʾūma und malakūma – Totengeister Ugarits
4.2.5.2 Die Teilnehmer am Totenmahl
4.2.5.3 Die verschiedenen Opferarten
4.2.5.4 Mögliche Orte für das Totenmahl
4.3 Zusammenfassung zum Totenmahl in Ugarit
5 Zusammenführung der Ergebnisse
5.1 Speisebeigaben im Rahmen der Primärbestattung
5.2 Speiseopfer anlässlich der Sekundärbestattung
5.3 Die (regelmäßige) Totenpflege
5.3.1 Totenpflege bei der „einfachen“ Bevölkerung.
5.3.2 Totenpflege im Rahmen des Totenkultes
5.3.3 Totenpflege im Rahmen des individuellen Ahnenkultes
5.3.4 Totenpflege für das Kollektiv der Ahnen
5.3.5 Totenpflege auf der öffentlichen Ebene
5.4 Die Teilnehmer am Totenmahl
5.5 Der Ort für das Totenmahl
5.6 Die Terminologie des Totenmahls
6 Schlusswort
Abkürzungsverzeichnis der Bibliographie
Bibliographie
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Hierarchisierung der relevanten Begriffe im Zusammenhang mit dem Totenmahl
Abb. 2: Die Handlungsebenen und -abfolgen im Zusammenhang mit Totenbräuchen und -ritualen
Abb. 3: Karte des östlichen Mittelmeerraumes mit den im Text erwähnten Orten
Abb. 4: Verteilung der Grabformen nach Perioden in Mari
Abb. 5: Verteilungskarte der Gräber in Mari aus der Zeit der šakkanakku (die größeren Symbole inder Abbildung repräsentieren die jeweils angegebene Anzahl an Gräbern dieser Art in dementsprechenden Bereich)
Abb. 6a-b: Grabbefund und Gefäßbeigaben des Grabes T. 1052
Abb. 7: Dendrogramm zur Darstellung der Relation zwischen Grabtypen, deponierten Keramikgefäßen und Tierknochen zur Zeit der šakkanakku in Mari; die durchgezogenen schwarzenLinien zeigen die Konstellationen an, in denen Tierknochen vorhanden waren
Abb. 8: Rekonstruktion der Gruft T. 763 unter Saal I des Petit Palais Oriental
Abb. 9: Schnitt der Anlage der Gruft T. 928 unter dem Palastfußboden des Saales XVI des Petit Palais Oriental mit der dazwischen liegenden, 2 m hohen Erdschicht
Abb. 10: Schematische Abfolge der Bauphasen mit der Errichtung der Grüfte in der Baugrube des Petit Palais Oriental
Abb. 11: Grundriss der Gruft T. 763 unter dem Petit Palais Oriental
Abb. 12: Grundriss der Gruft T. 928 unter dem Petit Palais Oriental
Abb. 13: Verteilungskarte der Gräber aus der Zeit der Mittleren Bronzezeit I in Mari (das größere Dreieck in der Abbildung repräsentiert die angegebene Anzahl an Gräbern dieser Art)
Abb. 14: Verteilungskarte der Gräber aus der Zeit der Mittleren Bronzezeit II in Mari (die größeren Symbole in der Abbildung repräsentieren die jeweils angegebene Anzahl an Gräbern dieserArt in dem entsprechenden Bereich)
Abb. 15: Dendrogramm zur Darstellung der Relation zwischen Grabtypen, deponierten Keramikgefäßen und Tierknochenin der Mittleren Bronzezeit I in Mari; die durchgezogene schwarzeLinie zeigt die einzige Konstellationen an, in der Tierknochen vorhanden waren
Abb. 16: Dendrogramm zur Darstellung der Relation zwischen Grabtypen, deponierten Keramikgefäßenund Tierknochen in der Mittleren Bronzezeit II in Mari; da in den Gräbern der MittlerenBronzezeit II keine Tierknochen nachgewiesen werden konnten, sind alle Linien grau gestrichelt
Abb. 17: Verteilungskarte der Gräber der drei Friedhöfe aus der Mittelassyrischen Zeit in Mari (die größeren Symbole in der Abbildung repräsentieren die jeweils angegebene Anzahl anGräbern dieser Art in dem entsprechenden Bereich)
Abb. 18: Das mittelassyrische Erdgrubengrab T. 114 (Friedhof 1) mit einem vermutlich erwachsenen Individuum, auf dessen Becken eine Schale aus Fayence und auf dessen Brust eine Keramikschale platziert wurden
Abb. 19: Das mittelassyrische Erdgrubengrab T. 140 (Friedhof 1) mit einem jugendlichen oder erwachsenen Individuum mit zwei neben dem Kopf platzierten Keramikschalen, die jeweilsvon einer weiteren Schale abgedeckt werden. Ein weiteres Keramikgefäß ist neben demBecken platziert
Abb. 20: Das mittelassyrische Erdgrubengrab T. 667 (Friedhof 2) mit einem erwachsenen Individuum, neben dessen Kopf eine Schale platziert wurde, die von einer weiteren Schale abgedeckt wird
Abb. 21: Das reich ausgestattete, mittelassyrische Doppeltopfgrab T. 135 (Friedhof 1) eines erwachsenen Individuums mit Keramikgefäßen im Brust- und Beckenbereich
Abb. 22: Das mittelassyrische Doppeltopfgrab T. 122 (Friedhof 1) mit einer Keramikschale im Schulterbereich
Abb. 23: Dendrogramm zur Darstellung der Relation zwischen Grabtypen, deponierten Keramikgefäßen und Tierknochen in der Mittelassyrischen Zeit in Mari; die durchgezogenen schwarzen Linien zeigen die Konstellationen an, in denen Tierknochen vorhanden waren
Abb. 24: Verteilung der Keramikgefäße und Objekte auf die Gräber von der Zeit der šakkanakku bis zur Mittelassyrischen Zeit in Mari
Abb. 25a-b: Grabbefund und Gefäßbeigaben des Sarkophaggrabs T. 1034 eines jungen Individuums aus der Zeit der šakkanakku
Abb. 26: Grabbefund und Gefäßbeigaben des Erdgrubengrabs T. 727 eines jugendlichen oder erwachsenenIndividuums aus der Zeit der šakkanakku
Abb. 27a-b: Grabbefund und Gefäßbeigaben des Sarkophaggrabes T. 480 eines jugendlichen oder erwachsenen Individuums aus der Mittleren Bronzezeit I
Abb. 28: Das Erdgrubengrab T. 653 aus der Mittleren Bronzezeit II mit zahlreichen auf dem jugendlichen oder erwachsenen Individuumplatzierten Keramikgefäßen
Abb. 29: Die Anzahl der Keramikgefäße pro Grab und die Häufigkeit ihres Vorkommens unterteilt nach Perioden
Abb. 30: Anzahl der Gräber mit organischen Überresten von Speisebeigaben in Form von Tierknochenoder Früchten
Abb. 31: Grundriss des Petit Palais Oriental in Mari
Abb. 32: Grundriss des Königspalastes von Mari
Abb. 33: Rekonstruktion des Raumes 65 mit dem Annexraum im Osten im Königspalast von Mari
Abb. 34: Die Statue des Ištup-Ilum
Abb. 35: Übersichtsplan über die einzelnen Grabungsbereiche am Tall Mišrife einschließlich der Verteilung aller Gräber und Grüfte, sowie der Statuenfunde aus Qaṭna
Abb. 36: Verteilungskarte der einfachen Gräber und Grüfte im Bereich des Königspalastes
Abb. 37: Das Erdgrubengrab G-34 mit zwei im Kopfbereich platziertenKeramikgefäßen
Abb. 38: Verteilung der Gräber im Bereich des Ostpalastes (Grabungsbereich T; in Tab. III im Anhang sind diese Gräber mit dem Präfix „T-“ aufgeführt)
Abb. 39: Das Erdgrubengrab T-38 mit einem auf der Seite in Hockerposition bestatteten Kind mit einer Keramikflasche hinter den Schultern
Abb. 40: Dendrogramm zur Darstellung der Relation zwischen Alter der Bestatteten, Grabtypen, deponierten Keramikgefäßen und Tierknochen; die durchgezogenen schwarzen Linien zeigen die Konstellationen an, in denen Tierknochen vorhanden waren. Da nur in den mittelbronzezeitlichen Gräbern im Bereich des Königapalastes Tierknochen vorkamen, die als Überreste von Speisebeigaben im Grab gedeutet werden können, werden die übrigen Bestattung indieser Abbildung nicht dargestellt
Abb. 41: Gefäßansammlung in der Gruft IV vermischt mit organischem Material
Abb. 42: Verteilung der Menschenknochen in der Gruft IV
Abb. 43: Verteilung der Keramikgefäße in der unteren Lage der Verfüllung der Gruft IV
Abb. 44a-c: Verteilung der Keramikgefäße in den oberen Lagen der Verfüllung der Gruft IV
Abb. 45: Exemplarische Zusammenstellung der Gefäßformen aus der Gruft IV
Abb. 46: Verteilungsplan der Keramikfunde und der Menschenknochen (letztere sind durch die griechischen Buchstaben gekennzeichnet) in der Gruft I
Abb. 47: Exemplarische Zusammenstellung der Keramikgefäße aus der Gruft I
Abb. 48: Der zur Vorkammer der Königsgruft führende Korridor AQ mit den Schalen vor der TürAQc-AQd und vor dem Durchgang zur Vorkammer
Abb. 49: Die Schalen vor der Tür AQc-AQd im Korridor
Abb. 50: Die Schalen vor dem Durchgang vom Korridor zur Vorkammer
Abb. 51: Drei Keramikschalen in der nordöstlichen Ecke der Vorkammer
Abb. 52a-b: Die beiden Ahnenstatuen vor dem Eingang zur Königsgruft mit vor ihnen niedergelegten Gefäßen für Speiseopfer
Abb. 53: Grundriss der Königsgruft mit den darin aufgestellten Installationen
Abb. 54: Die Hauptkammer mit den Säulenbasen und dem Durchgang zu Kammer 3 rechts im Bild
Abb. 55: Der Basaltsarkophag 1 in der südöstlichen Ecke der Hauptkammer
Abb. 56: Der Basaltsarkophag 2 in der westlichen Nebenkammer
Abb. 57: Die vermutlich als Ossuarium dienende östliche Nebenkammer
Abb. 58: Der Bestattungstisch in der westlichen Nebenkammer mit den Überresten eines menschlichen Skelettes im Verband
Abb. 59: Die Organische Unterlage1 in der nordöstlichen Ecke der Hauptkammer
Abb. 60: Die Organische Unterlage 2 westlich des SarkophagsInst. 1322
Abb. 61: Die Organische Unterlage 3 vor dem Zugang zur südlichen Nebenkammer
Abb. 62: Die Organische Unterlage 4 in der südwestlichen Ecke der Hauptkammer
Abb. 63: Die südliche Nebenkammer mit der deutlich erkennbaren organischen Ablagerung im Südender Kammer und den Steingefäßen an der östlichen Kammerwand
Abb. 64: Das Gefäßdepot in der Nordwestecke der Hauptkammer
Abb. 65: Der südwestliche Bereich der Hauptkammer mit den beiden Steinbänken Inst. 1328 und Inst. 1329
Abb. 66: Die Keramikgefäße im Spalt zwischen dem Sarkophag 1 in der Hauptkammer und der südlichen Kammerwand
Abb. 67: Der erste Zustand der Gruft VII nach der Entfernung des Felsschuttes, der sich auf der obersten Fundlage abgelagert hatte
Abb. 68: Die Verteilung der nachvollziehbaren Holzkisten in der Gruft VII
Abb. 69: Anhäufung von Keramikgefäßen in der südwestlichen Ecke der Südkammer der Gruft VII
Abb. 70a-b: Fragment einer vermutlich königlichen Sitzstatue(MSH02.J. 3087.712) aus dem Grabungsbereich J
Abb. 71: Männliche Sitzstatue aus dem Bereich der „Coupole de Loth“
Abb. 72: Typische Bestattung aus den oberen Schichten des Friedhofs in Ugarit mit Gefäßbeigaben
Abb. 73: Eine Erdbestattung mit Gefäßbeigabe
Abb. 74: Sekundär außerhalb eines Bestattungsgefäßes deponierter Schädel mit Beigaben
Abb. 75: Zeichnung der oberen Lage im Grab 65 mit zahlreichen Vorratsgefäßen, Norden ist unten
Abb. 76: Befund der unteren Lage im Grab 65, Norden ist unten
Abb. 77: Die Gefäße in der oberen Lage in der nordwestlichen Ecke des Grabes 65
Abb. 78: Ein vermutlich primär bestattetes Individuum im Nordosten der Kammer des Grabes 65 mit einem neben seinem Kopf platzierten Gefäß
Abb. 79: Beispielhafte Verteilung von Gräbern unter Wohnhäusern der Unterstadt
Abb. 80a-c: Obere, mittlere und untere Lage des Grabes 4 mit einer als Ossuarium dienenden Nische im unteren Niveau, in der sich neben den Knochen auch Keramikgefäße fanden
Abb. 81: Installiertes Gefäß vermutlich zum Empfangen von Libationen außerhalb des Grabes 119
Abb. 82: Gefäß außerhalb des Grabes 1005
Abb. 83a-b: Außerhalb des Grabes 1004 installiertes Gefäß zum Empfangen von Libationen und seine Verortung am Grab
Abb. 84: Gefäß im Bereich des Dromos von Grab 513
Abb. 85: Schnitt durch das Grab 154 mit einem in den Boden eingelassenen Gefäß zum Empfangen von Libationen
Abb. 86: Libationsinstallation des Grabes 112
Abb. 87: Grundriss des Königspalastes
Abb. 88: Zone funéraire innerhalb des Palastes mit den Grüften 204, 205 und 206 unter Raum 28
Abb. 89: Libationsmulden in der Türschwelle von Raum 27 zu Raum 28
Abb. 90: Zeichnung des Grabes 63 mit einem augenscheinlich primär bestatteten Individuum an der westlichen Kammerwand
Abb. 91: Die obere Lage im Grab 52 mit einem primär bestatteten Individuum, dessen Hände aufund unter einer Keramikschale liegen
Abb. 92: Die mittlere Lage im Grab 52 mit einem primär bestatteten Individuum und an den Seitenwänden platzierten Vorratsgefäßen
Abb. 93a-b: Sorgsam an den Seitenwänden des Grabes 642 aufeinander gestapelte Keramikgefäße
Abb. 94: Überblick über die Fundverteilung der in dieser Arbeit behandelten Statuen, Stelen undTexte aus Ugarit (die Urheber dieses Plans betiteln den mit * markierten Tempel als Tempeldes Dagan. In dieser Arbeit wird jedoch der Annahme gefolgt, dass der Tempel El geweihtwar; siehe Kapitel 4.2.4)
Abb. 95a-b: Fotografie und Zeichnung der Stele des „Baʿal au foudre“, RS 4.427
Abb. 96: Detail der Königsdarstellung auf der Stele des „Baʿal au foudre“, RS 4.427. Erkennbar istder Zopf oder die Strähne, die am Hinterkopf ansetzt und unterbrochen durch eine Beschädigung auf Halshöhe bis unter die Schulterblätter reicht
Abb. 97a-b: Gefäßständer mit Darstellung des Königs, RS 78.041
Abb. 98: Terrakottafragment mit Darstellung des Königs, RS 75.247
Abb. 99a-b: Stele mit dem als Rešef identifizierten Gott und einer kleineren Figur hinter ihm, RS 23.217
Abb. 100: Dekoration auf einem Gefäß aus dem Haus des „Prêtre Magicien“
Abb. 101: „Aḥirom-Sarkophag“, westliche Schauseite mit der Szene einer Trauerfeier vor der Königsstatue
Abb. 102a-c: Statue des Idrimi aus Alalaḫ mit separat gefertigtem Basaltthron; a: Rekonstruktion (Mayer-Opificius 1981: Abb. 7), b-c: Fotografie
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Kurzdefinitionen der relevanten Begriffe im Zusammenhang mit dem Totenmahl
Tab. 2: Die šakkanakku von Mari und die zeitgleichen Herrscher von Akkad sowie der III. Dynastie von Ur
Tab. 3: Überblick über die Herrscher von Mari, Qaṭna und Ugarit sowie der Großmächte Ḫatti, Mittani und Ägypten (wird fortgesetzt)
Tab. 4: Überblick über die unterschiedlichen Grabformen zur Zeit der šakkanakku in Mari
Tab. 5: Überblick über die absolute Zahl der Kinderbestattungen und deren prozentualer Anteil an den Gräbern pro Grabform zur Zeit der šakkanakku in Mari
Tab. 6: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen und die Gesamtanzahl von Keramikgefäßen pro Grabform zur Zeit der šakkanakku in Mari
Tab. 7: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen unterteilt nach Kindern, Erwachsenen und unbestimmten Gräbern sowie die Gesamtanzahl von Keramikgefäßen pro Grabform und Altersgruppe zur Zeit der šakkanakku in Mari (Grab 1070 wird sowohl als Erwachsenengrabals auch als Kindergrab gezählt, da es sich um eine Doppelbestattung handelt)
Tab. 8: Verteilung der Keramikgefäße und der anderen Beigaben auf die Gräber nach Altersgruppen zur Zeit der šakkanakku in Mari (in Klammern ist die Anzahl der Gräber ergänzt, in denen Tierknochen) vorhanden waren
Tab. 9: Überblick über die unterschiedlichen Grabformen in der Mittleren Bronzezeit in Mari
Tab. 10: Überblick über die absolute Zahl der Kinderbestattungen und deren prozentualer Anteil an den Gräbern pro Grabform in der Mittleren Bronzezeit in Mari (vgl. Tab. 9)
Tab. 11: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen insgesamt und die Gesamtanzahlvon Keramikgefäßen pro Grabform in der Mittleren Bronzezeit I in Mari
Tab. 12: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen unterteilt nach Kindern, Erwachsenenund unbestimmten Gräbern sowie die Gesamtanzahl von Keramikgefäßen pro Grabformund Altersgruppe in der Mittleren Bronzezeit I in Mari
Tab. 13: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen insgesamt und die Gesamtanzahl von Keramikgefäßenpro Grabform in der Mittleren Bronzezeit II in Mari
Tab. 14: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen unterteilt nach Kindern, Erwachsenenund unbestimmten Gräbern sowie die Gesamtanzahl von Keramikgefäßen pro Grabformund Altersgruppe in der Mittleren Bronzezeit II in Mari
Tab. 15: Verteilung der Keramikgefäße und der anderen Beigaben auf die Gräber der Mittleren BronzezeitI in Mari nach Altersgruppen (in Klammern ist die Anzahl der Gräber ergänzt, in denen Tierknochen vorhanden waren)
Tab. 16: Verteilung der Keramikgefäße und der anderen Beigaben auf die Gräber der Mittleren BronzezeitII in Mari nach Altersgruppen
Tab. 17: Überblick über die unterschiedlichen Grabformen und deren Verteilung auf die verschiedenen Friedhöfe der Mittelassyrischen Zeit in Mari
Tab. 18: Überblick über die absolute Zahl der Kinderbestattungen pro Grabform und Friedhof undderen prozentualer Anteil an den Gräbern pro Grabform in Bezug auf die Gesamtanzahl der Gräber der Mittelassyrischen Zeit in Mari (vgl. Tab. 17)
Tab. 19: Verteilung der Keramikgefäße auf die verschiedenen Grabformen und Friedhöfe der Mittelassyrischen Zeit in Mari
Tab. 20: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen unterteilt nach Kindern, Erwachsenen und unbestimmtenGräbern sowie die Gesamtanzahl von Keramikgefäßen pro Grabformund Altersgruppe in der Mittelassyrischen Zeit in Mari
Tab. 21: Verteilung der Objekte und Keramikgefäße auf die verschiedenen Grabformen der drei mittelassyrischen Friedhöfe in Mari (in Klammern ist die Anzahl der Gräber ergänzt, in denen Tierknochen vorhanden waren)
Tab. 22: Verteilung der Objekte und Keramikgefäße auf die Kindergräber der verschiedenen Grabformender drei mittelassyrischen Friedhöfe in Mari (in Klammern ist die Anzahl der Gräberergänzt, in denen Tierknochen vorhanden waren)
Tab. 23: Verteilung der Objekte und Keramikgefäße auf die Gräber nach Altersgruppen in der MittelassyrischenZeit in Mari (in Klammern ist die Anzahl der Gräber ergänzt, in denen Tierknochen vorhanden waren)
Tab. 24: Die Gräber mit dem jeweils umfangreichsten Keramikinventar aus der Zeit der šakkanakku,der Mittleren Bronzezeitund der Mittelassyrischen Zeit in Mari
Tab. 25: Zusammenstellung von 72 Tageslieferungslisten für kispu(m) (wird fortgesetzt)
Tab. 26: Zusammenstellung der 28 Ölausgabelisten für kispu(m), sofern vorhanden mit der Nennung der jeweils zuständigen Beamten
Tab. 27: Zusammenstellung der 37 Listen mit monatlicher Zusammenfassung der Ausgaben fürkispu(m) (wird fortgesetzt)
Tab. 28: Die Monatsnamen in den Maritexten zur Zeit Zimrī-Lîms und der assyrischen Vorherrschaft
Tab. 29: Überblick über die chronologische Verteilung der Gräber und Grüfte in Qaṭna (nach Pfälzner2019d: Tab. 1; im Druck b: Tab. 179; vgl auch Pfälzner 2019b: 133-135 und Pfälzner 2019a:96-125 für eine detaillierte Erörterung der Palastphasen; modifiziert durch Autorin)
Tab. 30: Überblick über die Verteilung der Grabarten der einfachen Gräber der Frühen bis Späten Bronzezeit in Qaṭna
Tab. 31: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabarten nach Grabungsbereichen und dieGesamtanzahlvon Keramikgefäßen pro Grabart in der Frühen bis Späten Bronzezeit in Qaṭna
Tab. 32: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabarten unterteilt nach Kindern und Erwachsenenund die Gesamtzahl von Keramikgefäßen pro Grabart und Altersgruppe in derFrühen bis Späten Bronzezeit in Qaṭna
Tab. 33: Verteilung der Objekte und Keramikgefäße auf die Gräber nach Altersgruppen in der Frühen bis Späten Bronzezeit in Qaṭna (in Klammern ist die Anzahl der Gräber ergänzt, in denen Tierknochen vorhanden waren, die als Speisebeigaben gedeutet werden können)
Tab. 34: Überblick über die (vermutlich) intakten Gräber mit der Anzahl der Individuen, Gesamtanzahl der Keramikgefäße und den am häufigsten vorkommenden Gefäßformen
Tabellen im Anhang
Tab. I: Zusammenstellung der Gräberdaten aus Mari
Tab. II: Konkordanzliste und Referenzen für die administrativen kispu(m)-Texte aus Mari
Tab. III: Zusammenstellung der Gräberdaten aus Qaṭna
Tab. IV: Zusammenstellung der Gräberdaten aus Uga
Tafelverzeichnis
Tafel 1: Plan der Königsgruft mit dem darin vorgefundenen Inventar und den für das Totenmahl relevanten Informationen
Tafel 2: Die Handlungsebenen und -abfolgen von Totenbräuchen und -ritualen und die Nachweise fürdamit in Zusammenhang stehende Ausführungen des Totenmahls in den archäologischen und schriftlichen Quellen aus Mari, Qaṭna und Ugarit
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Qatna Studien Supplementa

QS

Supplementum 4

Sarah Lange-Weber

Das Totenmahl in Syrien im 2. Jahrtausend v. Chr. Eine Untersuchung zur Bedeutung, Symbolik und Tradition eines altorientalischen Konzepts in philologischer, archäologischer und religionsgeschichtlicher Perspektive am Beispiel von Mari, Qatna und Ugarit

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Sarah Lange-Weber

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Coverdesign: Christiane Hemmerich Konzeption und Gestaltung, Tübingen, www.hemmerich.de Coverabbildung: Das Gefäßdepot in der nordwestlichen Ecke der Hauptkammer der Königsgruft von Qat.na (Foto: Konrad Wita).

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Inhalt Abbildungsverzeichnis..................................................................................................................................... XI Tabellenverzeichnis.......................................................................................................................................... XVII Tafelverzeichnis............................................................................................................................................... XIX Vorwort des Herausgebers............................................................................................................................... XXI Vorwort der Verfasserin................................................................................................................................... XXIII 1 Einleitung.................................................................................................................................................

1

1.1 Begriffsdefinitionen und Methodik................................................................................................ 1.1.1 Eine Ausgangsdefinition des Totenmahls............................................................................. 1.1.2 Begriffe im Zusammenhang mit dem Totenmahl................................................................ 1.1.3 Der Tod als Übergangsritual für die Toten und die Hinterbliebenen................................... 1.1.4 Interpretationsmöglichkeiten und -konzepte für Grabbefunde............................................ 1.1.4.1 Diversität in den Bestattungsformen als Aus­druck einer differenzierten Gesellschaft?............................................................................................................... 1.1.4.2 Die Interpretation der Funde im Grab........................................................................ 1.1.4.3 Die Deutung der Speise- und Gefäßbeigaben im Grab.............................................. 1.1.5 Die Bearbeitung der Texte................................................................................................... 1.2 Das Totenmahl – eine weit verbreitete kulturelle Praxis................................................................ 1.2.1 Das Totenmahl in unterschiedlichen Kulturen..................................................................... 1.2.2 Das Totenmahl im Alten Orient........................................................................................... 1.2.3 Dem Totenmahl zugrunde liegende religiöse Vorstellungen im Alten Orient...................... 1.3 Historische Einordnung von Mari, Qaṭna und Ugarit.................................................................... 1.3.1 Syrien in der Bronzezeit....................................................................................................... 1.3.2 Mari...................................................................................................................................... 1.3.3 Qaṭna.................................................................................................................................... 1.3.4 Ugarit...................................................................................................................................

2 2 3 7 11 11 12 16 18 19 19 20 21 23 23 28 30 32

2 Mari..........................................................................................................................................................

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2.1 Der archäologische Befund............................................................................................................ 2.1.1 Die Gräber............................................................................................................................ 2.1.1.1 Die Zeit der šakkanakku (FBZ IV bis MBZ I)............................................................ 2.1.1.1.1 Die Verteilung der Keramikgefäße nach Grabformen, Alter und Geschlecht... 2.1.1.1.2 Lage, Form und Funktion der Gefäßbeigaben................................................... 2.1.1.1.3 Überreste von Speisebeigaben in den Gräbern.................................................. 2.1.1.1.4 Wohlstand als Kriterium für die Mitgabe von Keramikgefäßen und Speisebeigaben.................................................................................................. 2.1.1.1.5 Die Grüfte aus der Zeit der šakkanakku............................................................ 2.1.1.2 Die Mittlere Bronzezeit.............................................................................................. 2.1.1.2.1 Die Verteilung der Keramikgefäße nach Grabformen, Alter und Geschlecht... 2.1.1.2.2 Lage, Form und Funktion der Gefäßbeigaben................................................... 2.1.1.2.3 Überreste von Speisebeigaben in den Gräbern.................................................. 2.1.1.2.4 Wohlstand als Kriterium für die Mitgabe von Keramikgefäßen und Speisebeigaben..................................................................................................

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VI

Inhalt 2.1.1.3 Die Mittelassyrische Zeit (SBZ)................................................................................. 2.1.1.3.1 Die Verteilung der Keramikgefäße nach Grabformen, Alter und Geschlecht... 2.1.1.3.2 Lage, Form und Funktion der Gefäßbeigaben................................................... 2.1.1.3.3 Überreste von Speisebeigaben in den Gräbern.................................................. 2.1.1.3.4 Wohlstand als Kriterium für die Mitgabe von Keramikgefäßen und Speisebeigaben.................................................................................................. 2.1.1.4 Resümee: Die Gräber in Mari von der Zeit der šakkanakku bis zur Mittelassyrischen Zeit................................................................................................. 2.1.1.4.1 Die funktionale Deutung der Gefäße im Grab.................................................. 2.1.1.4.1.1 Keramikgefäße zur Aufbewahrung von Speisebeigaben......................... 2.1.1.4.1.2 Keramikgefäße als „Essgeschirr“............................................................. 2.1.1.4.1.3 Keramikgefäße zur Aufbewahrung unter­schiedlicher Beigaben.............. 2.1.1.4.1.4 Gefäße anderer Materialien...................................................................... 2.1.1.4.2 Welche Speisebeigaben wurden dargebracht?................................................... 2.1.1.4.2.1 Verwendete Gefäßformen zur Zeit der šakkanakku................................. 2.1.1.4.2.2 Verwendete Gefäßformen in der Mitt­leren Bronzezeit I.......................... 2.1.1.4.2.3 Verwendete Gefäßformen in der Mitt­leren Bronzezeit II........................ 2.1.1.4.2.4 Verwendete Gefäßformen in der Mittel­­assyrischen Zeit.......................... 2.1.1.4.2.5 Veränderungen in der Verwendung ver­schiedener Gefäßformen im Laufe der Zeit........................................................................................... 2.1.1.4.3 Die rituelle Bedeutung der Speise- und Gefäßbeigaben: Beigaben für den Toten, Überreste eines Banketts oder Anzeichen einer regelmäßigen Totenpflege?....................................................................................................... 2.1.1.4.3.1 Hinweise auf ein Bankett am Grab.......................................................... 2.1.1.4.3.2 Hinweise auf eine regelmäßige Totenpflege am Grab............................. 2.1.1.4.3.3 Alternative Deutungsmöglichkeiten für die Gefäß- und Knochenfunde im Grab.................................................................................................... 2.1.1.4.4 (Keine) Speisen für die Toten?.......................................................................... 2.1.1.4.4.1 Gefäß- und Speisebeigaben abhängig von Alter und Geschlecht?........... 2.1.1.4.4.2 Gefäß- und Speisebeigaben als Zeichen eines höheren sozialen Status?........................................................................................  2.1.1.4.4.3 Beeinflusste die ideelle Funktion die Mitgabe von Gefäß- und Speisebeigaben?....................................................................................... 2.1.2 Der Petit Palais Oriental..................................................................................................... 2.1.3 Der Königspalast.................................................................................................................. 2.1.4 Die Standbildnisse aus der Ville III in Mari und ihre Funktion im Rahmen des Totenkultes........................................................................................................................... 2.2 Die schriftlichen Quellen................................................................................................................ 2.2.1 Der Totenkult zur Zeit der Amurriter................................................................................... 2.2.2 Die unterschiedlichen Rituale im Kontext des Totenmahls in Mari.................................... 2.2.2.1 kispu(m)...................................................................................................................... 2.2.2.1.1 Der Begriff kispu(m).......................................................................................... 2.2.2.1.2 Die schriftlichen Quellen zu kispu(m) in Mari.................................................. 2.2.2.1.2.1 Die administrativen kispu(m)-Texte......................................................... 2.2.2.1.2.1.1 Die Tagesausgabelisten.................................................................... 2.2.2.1.2.1.2 Die Ölausgabebelege....................................................................... 2.2.2.1.2.1.3 Die monatlichen Zusammenfassungen............................................ 2.2.2.1.2.2 Zusammenstellung der administrativen kispu(m)-Listen......................... 2.2.2.1.2.3 Außerplanmäßige kispu(m)-Feiern........................................................... 2.2.2.1.2.4 Der Text Mari 12803................................................................................ 2.2.2.1.2.4.1 Kommentar...................................................................................... 2.2.2.1.2.4.2 Interpretation des Textes M. 12803 ................................................

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Inhalt

VII

2.2.2.1.3 Die Verwaltung der Speisen für das kispu(m)-Ritual........................................ 2.2.2.1.4 Zeitpunkt der Ausübung des kispu(m)............................................................... 2.2.2.1.5 Die Adressaten des kispu(m)............................................................................. 2.2.2.1.5.1 LUGAL.MEŠ........................................................................................... 2.2.2.1.5.2 malikū....................................................................................................... 2.2.2.1.6 Die „Festgesellschaft“....................................................................................... 2.2.2.1.7 Art und Umfang der kispu(m)-Speisen.............................................................. 2.2.2.1.7.1 Die Art der Speisen.................................................................................. 2.2.2.1.7.1.1 Brotarten.......................................................................................... 2.2.2.1.7.1.2 Mehl und Getreide........................................................................... 2.2.2.1.7.1.3 Früchte............................................................................................. 2.2.2.1.7.1.4 Sonstiges.......................................................................................... 2.2.2.1.7.2 Der Umfang der Speisegaben................................................................... 2.2.2.1.8 Der Ort für die Ausübung des kispu(m)............................................................. 2.2.2.1.8.1 Der Šamaš-Tempel................................................................................... 2.2.2.1.8.2 Die „Gärten“............................................................................................. 2.2.2.1.8.3 Der „östliche Palast“................................................................................ 2.2.2.1.8.4 Der Königspalast...................................................................................... 2.2.2.1.8.5 Terqa......................................................................................................... 2.2.2.1.8.6 Dēr............................................................................................................ 2.2.2.1.8.7 Zusammenfassung zu den Ausübungs­orten des kispu(m)........................ 2.2.2.1.9 Interpretation der Funktion des kispu(m) in Mari............................................. 2.2.2.2 Das pagrāʾum-Opfer für Dagān.................................................................................. 2.2.2.3 Der Kult der Göttin Dēritum....................................................................................... 2.3 Zusammenfassung zum Totenmahl in Mari...................................................................................

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3 Qaṭna........................................................................................................................................................

147

3.1 Der archäologische Befund............................................................................................................ 3.1.1 Die Gräber und Grüfte......................................................................................................... 3.1.1.1 Die einfachen Gräber.................................................................................................. 3.1.1.1.1 Drei Gefäßbestattungen im Bereich des späteren Königspalastes (FBZ IV).... 3.1.1.1.2 Die Gräber im Bereich des späteren Königs­palastes (MBZ I).......................... 3.1.1.1.3 Die Gräber im Grabungsbereich T.................................................................... 3.1.1.1.3.1 Die Gräber der „pre-Eastern Palace“-Zeit (MBZ II A)............................ 3.1.1.1.3.2 Die Gräber der „post-Eastern Palace“- Zeit (MBZ II B – SBZ I)............ 3.1.1.1.4 Gräber im Grabungsbereich J (MBZ II) und im Bereich der „Coupole de Loth“ (MBZ)................................................................................ 3.1.1.1.5 Fünf spätbronzezeitliche Bestattungen inner­halb einer Zisterne im Grabungsbereich H............................................................................................ 3.1.1.1.6 Zusammenfassung und Interpretation............................................................... 3.1.1.2 Die vorpalastzeitlichen Grüfte.................................................................................... 3.1.1.2.1 Gruft IV (FBZ IV)............................................................................................. 3.1.1.2.2 Gruft I (MBZ I)................................................................................................. 3.1.1.2.3 Zusammenfassung und Interpretation............................................................... 3.1.1.3 Die Grüfte des Königspalastes von Qaṭna.................................................................. 3.1.1.3.1 Die Königsgruft von Qaṭna............................................................................... 3.1.1.3.1.1 Die architektonische Einbindung der Königsgruft................................... 3.1.1.3.1.2 Der Korridor AQ und seine Einbindung in das rituelle Geschehen in Zusammenhang mit den Totenritualen.................................................

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VIII

Inhalt 3.1.1.3.1.3 Speiseopfer in der Vorkammer der Königsgruft...................................... 3.1.1.3.1.3.1 Speiseopfer in der Vorkammer in der Mittleren Bronzezeit IIA bis Späten Bronzezeit I.................................................................... 3.1.1.3.1.3.2 Speiseopfer in der Vorkammer in der Späten Bronzezeit I............. 3.1.1.3.1.3.3 Speiseopfer in der Vorkammer in der Späten Bronzezeit IIA......... 3.1.1.3.1.3.4 Zusammenfassung zu den Speiseopfern in der Vorkammer............ 3.1.1.3.1.4 Das Totenmahl in der Königsgruft........................................................... 3.1.1.3.1.4.1 Das Inventar der Königsgruft von Qaṭna....................................... 3.1.1.3.1.4.2 Untersuchung und Auswertung des archäologischen Materials im Hinblick auf das Totenmahl..................................................... 3.1.1.3.1.4.3 Die Ausübung des Totenmahls in der Königsgruft im Verlauf ihrer Nutzung................................................................................. 3.1.1.3.1.4.4 Die mittelbronzezeitlichen Bestattungen in den Sarkophagen in Kammer 1 und Kammer 4 und die Darbringung von Speisen... 3.1.1.3.1.4.5 Die mittelbronzezeitlichen sekundä­ren Umbettungen und damit verbundene Speiseopfer in der östlichen Nebenkammer.............. 3.1.1.3.1.4.6 Die spätbronzezeitlichen Primärbestattungen, die sekundäre Mani­pulation von skeletalen Überres­ten und die Frage der Darbringung von Speiseopfern...................................................... 3.1.1.3.1.4.7 Die südliche Nebenkammer als Ort der rituellen Darbringung von Speisen für die Ahnen............................................................. 3.1.1.3.1.4.8 Die Nordwestecke in der Hauptkammer als Gefäßdepot.............. 3.1.1.3.1.4.9 Die Durchführung von rituellen Banketten zu Ehren der Toten.... 3.1.1.3.1.4.10 Entsorgte Tierknochen und Gefäße an schwer zugänglichen Stellen – zur späteren Nutzung und in Vergessenheit geraten....... 3.1.1.3.1.4.11 Abschließende Interpretation zum Totenmahl in der Königsgruft.. 3.1.1.3.2 Die Gruft VII..................................................................................................... 3.1.1.3.2.1 Überblick über den Befund der Gruft VII................................................ 3.1.1.3.2.2 Hinweise auf Speiseopfer......................................................................... 3.1.2 Rundplastiken aus Qaṭna als Empfänger von Opfergaben................................................... 3.2 Die schriftlichen Funde aus Qaṭna: Ein Exkurs zu der Frage der Vergöttlichung der königlichen Ahnen in Qaṭna........................................................................................................... 3.2.1 Der Fundort der „Qaṭnainventare“ – der „Heilige Bezirk“ der dNIN.É.GAL...................... 3.2.2 Die Weihadressaten der Inventare II und IV........................................................................ 3.2.2.1 Die grammatische Deutung der variierenden Bezeichnungen für die DINGIR.MEŠ LUGAL............................................................................................... 3.2.2.2 Interpretation der Bezeichnung DINGIR.MEŠ LUGAL unter Berücksichtigung der religionshistorischen Aspekte............................................................................... 3.2.3 Gegenüberstellung des Kultes der DINGIR.MEŠ LUGAL und der königlichen Ahnen.... 3.3 Zusammenfassung zum Totenmahl in Qaṭna................................................................................. 3.3.1 Speisebeigaben im Rahmen der Primärbestattung............................................................... 3.3.2 Speiseopfer im Rahmen der Sekundärbestattung................................................................. 3.3.3 Speiseopfer für das Kollektiv der Ahnen............................................................................. 3.3.4 Keramikgefäße und Tierknochen abseits der Bestattungsbereiche in der Königsgruft....... 3.3.5 Die Ausübung der Totenpflege in Qaṭna.............................................................................. 3.3.6 Die Art der Speisebeigaben..................................................................................................

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4 Ugarit........................................................................................................................................................

227

4.1 Der archäologische Befund............................................................................................................ 4.1.1 Die Gräber und Grüfte......................................................................................................... 4.1.1.1 Bisherige Arbeiten über den archäologischen Befund der Gräber.............................

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Inhalt

IX

4.1.1.2 Der architektonische Kontext der Grüfte von Ugarit................................................. 4.1.1.2.1 Die Architektur der Grüfte................................................................................ 4.1.1.2.2 Der aus der architektonischen Einbindung ableitbare Nutzungszeitraum der Grüfte.......................................................................................................... 4.1.1.2.3 Die Lokalisation und Zugänglichkeit der Grüfte innerhalb der Wohnhäuser... 4.1.1.2.4 Die Räume oberhalb der Grüfte........................................................................ 4.1.1.2.5 Mit den Grüften in Verbindung stehen­de Installationen.................................... 4.1.1.2.5.1 Nischen im Dromos und in der Grabkammer.......................................... 4.1.1.2.5.2 Ossuarien in der Grabkammer................................................................. 4.1.1.2.5.3 Gruben mit ritueller Funktion.................................................................. 4.1.1.2.5.4 Die Libationsinstallationen...................................................................... 4.1.1.2.5.5 Annexräume zu den Gräbern.................................................................... 4.1.1.3 Die Königsgrüfte........................................................................................................ 4.1.1.4 Das Inventar der Grüfte.............................................................................................. 4.1.1.4.1 Das Keramikinventar......................................................................................... 4.1.1.4.2 Die Ausführung des Totenmahls an den Gräbern.............................................. 4.1.1.4.2.1 Mögliche Zuordnung der Gefäßbeigaben zu den verstorbenen Individuen................................................................................................ 4.1.1.4.2.2 Zeitpunkt der Einbringung der Gefäßbeigaben in die Gruft.................... 4.1.1.4.2.3 Art der Speisebeigaben............................................................................. 4.1.1.5 Zusammenfassung und Interpretation der Grabbefunde in Bezug auf das Totenmahl................................................................................................................... 4.1.2 Rundplastiken und Stelen..................................................................................................... 4.1.2.1 Die Rundplastiken...................................................................................................... 4.1.2.2 Die Stele des Baʿal au foudre..................................................................................... 4.1.2.3 Zusammenfassung zu den Rundplastiken und Stelen................................................. 4.2 Die schriftlichen Quellen................................................................................................................ 4.2.1 KTU 1.161........................................................................................................................... 4.2.1.1 Kommentar................................................................................................................. 4.2.1.2 Interpretation des Textes KTU 1.161.......................................................................... 4.2.2 Die rāpiʾūma in den alphabetischen Keilschrifttexten........................................................ 4.2.2.1 Die sogenannten rāpiʾūma-Texte KTU 1.20 – KTU 1.22.......................................... 4.2.2.2 Ein Ausschnitt aus dem Baʿal-Zyklus KTU 1.6 VI.................................................... 4.2.2.3 KTU 1.108 – rpu mlk ʿlm........................................................................................... 4.2.3 Die Epen des Aqhatu und des Kirta..................................................................................... 4.2.3.1 Das Aqhatu-Epos KTU 1.17....................................................................................... 4.2.3.2 Das Kirta-Epos KTU 1.15.......................................................................................... 4.2.4 Die Stelen mit den Inschriften KTU 6.13 und KTU 6.14.................................................... 4.2.5 Schlussfolgerungen aus den schriftlichen Quellen bezüglich des Totenmahls in Ugarit..... 4.2.5.1 Die rāpiʾūma und malakūma – Totengeister Ugarits.................................................. 4.2.5.2 Die Teilnehmer am Totenmahl.................................................................................... 4.2.5.3 Die verschiedenen Opferarten.................................................................................... 4.2.5.3.1 Das ṯʿ-Opfer....................................................................................................... 4.2.5.3.2 Ein kispu(m) in Ugarit?..................................................................................... 4.2.5.4 Mögliche Orte für das Totenmahl............................................................................... 4.3 Zusammenfassung zum Totenmahl in Ugarit.................................................................................

231 233

5 Zusammenführung der Ergebnisse.......................................................................................................

293

5.1 Speisebeigaben im Rahmen der Primärbestattung......................................................................... 5.2 Speiseopfer anlässlich der Sekundärbestattung.............................................................................. 5.3 Die (regelmäßige) Totenpflege.......................................................................................................

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X

Inhalt 5.3.1 Totenpflege bei der „einfachen“ Be­völkerung..................................................................... 5.3.2 Totenpflege im Rahmen des Totenkultes............................................................................. 5.3.3 Totenpflege im Rahmen des individuellen Ahnenkultes...................................................... 5.3.4 Totenpflege für das Kollektiv der Ahnen............................................................................. 5.3.5 Totenpflege auf der öffentlichen Ebene............................................................................... 5.4 Die Teilnehmer am Totenmahl................................................................................................ 5.5 Der Ort für das Totenmahl...................................................................................................... 5.6 Die Terminologie des Totenmahls...........................................................................................

297 297 298 299 299 299 300 301

6 Schlusswort..............................................................................................................................................

303

Abkürzungsverzeichnis der Bibliographie....................................................................................................... Bibliographie.................................................................................................................................................... Anhang.............................................................................................................................................................

305 309 343

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1:

Hierarchisierung der relevanten Begriffe im Zusammenhang mit dem Totenmahl..................... 

8

Abb. 2:

Die Handlungsebenen und -abfolgen im Zusammenhang mit Totenbräuchen und -ritualen....... 

10

Abb. 3:

Karte des östlichen Mittelmeerraumes mit den im Text erwähnten Orten (© IANES, Universität Tübingen; Ent­wurf: M. Novák, Ausführung: A. Bianchi, Modifizierung durch Autorin).... 

24

Abb. 4:

Verteilung der Grabformen nach Perioden in Mari...................................................................... 

36

Abb. 5:

Verteilungskarte der Gräber in Mari aus der Zeit der šakkanakku (die größeren Symbole in der Abbildung repräsentieren die jeweils angegebene Anzahl an Gräbern dieser Art in dem entsprechenden Bereich. Grundkarte: Jean-Marie 1999: Pl. 2; modifiziert durch Autorin)......... 

39

Abb. 6a-b: Grabbefund und Gefäßbeigaben des Grabes T. 1052 (Jean-Marie 1999: Pl. 220)....................... 

40

Abb. 7:

Dendrogramm zur Darstellung der Relation zwischen Grabtypen, deponierten Keramikgefäßen und Tierknochen zur Zeit der šakkanakku in Mari; die durchgezogenen schwarzen Linien zeigen die Konstellationen an, in denen Tierknochen vorhanden waren.......................... 

47

Abb. 8:

Rekonstruktion der Gruft T. 763 unter Saal I des Petit Palais Oriental (Margueron 1984b: 206 Fig. 5).................................................................................................................................... 

49

Abb. 9:

Schnitt der Anlage der Gruft T. 928 unter dem Palastfußboden des Saales XVI des Petit Palais Oriental mit der dazwischen liegenden, 2 m hohen Erdschicht (Margueron 1990: 403 Fig. 2)........................................................................................................................................... 

49

Abb. 10:

Schematische Abfolge der Bauphasen mit der Errichtung der Grüfte in der Baugrube des Petit Palais Oriental (Margueron 2004: 362 Fig. 346).............................................................. 

50

Abb. 11:

Grundriss der Gruft T. 763 unter dem Petit Palais Oriental (Margueron 1984b: 200 Fig. 2)..... 

51

Abb. 12:

Grundriss der Gruft T. 928 unter dem Petit Palais Oriental (Margueron 1990: 400 Fig. 1)....... 

51

Abb. 13:

Verteilungskarte der Gräber aus der Zeit der Mittleren Bronzezeit I in Mari (das größere Dreieck in der Abbildung repräsentiert die angegebene Anzahl an Gräbern dieser Art. Grundkarte: Jean-Marie 1999: Pl. 2; modifiziert durch Autorin)................................................. 

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Verteilungskarte der Gräber aus der Zeit der Mittleren Bronzezeit II in Mari (die größeren Symbole in der Abbildung repräsentieren die jeweils angegebene Anzahl an Gräbern dieser Art in dem entsprechenden Bereich. Grundkarte: Jean-Marie 1999: Pl. 2; modifiziert durch Autorin)........................................................................................................................................ 

54

Dendrogramm zur Darstellung der Relation zwischen Grabtypen, deponierten Keramikgefäßen und Tier­knochen in der Mittleren Bronzezeit I in Mari; die durchgezogene schwarze Linie zeigt die einzige Konstellationen an, in der Tierknochen vorhanden waren...................... 

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Dendrogramm zur Darstellung der Relation zwischen Grabtypen, deponierten Keramikgefäßen und Tierknochen in der Mittleren Bronzezeit II in Mari; da in den Gräbern der Mittleren Bronzezeit II keine Tierknochen nachgewiesen werden konnten, sind alle Linien grau gestrichelt.............................................................................................................................................. 

60

Verteilungskarte der Gräber der drei Friedhöfe aus der Mittelassyrischen Zeit in Mari (die größeren Symbole in der Abbildung repräsentieren die jeweils angegebene Anzahl an Gräbern dieser Art in dem entsprechenden Be­reich. Grundkarte: Jean-Marie 1999: Pl. 2; modifiziert durch Autorin)............................................................................................................ 

63

Das mittelassyrische Erdgrubengrab T. 114 (Friedhof 1) mit einem vermutlich erwachsenen Individuum, auf dessen Becken eine Schale aus Fayence und auf dessen Brust eine Keramik­schale platziert wurden (Jean-Marie 1999: Pl. 28)......................................................... 

66

Das mittelassyrische Erdgrubengrab T. 140 (Friedhof 1) mit einem jugendlichen oder erwachsenen Individuum mit zwei neben dem Kopf platzierten Keramikschalen, die jeweils von einer weiteren Schale abgedeckt werden. Ein weiteres Keramikgefäß ist neben dem Becken platziert (Jean-Marie 1999: Pl. 32).................................................................................. 

66

Das mittelassyrische Erdgrubengrab T. 667 (Friedhof 2) mit einem erwachsenen Individuum, neben dessen Kopf eine Schale platziert wurde, die von einer weiteren Schale abgedeckt wird (Jean-Marie 1999: Pl. 87)................................................................................... 

67

Abb. 14:

Abb. 15: Abb. 16:

Abb. 17:

Abb. 18: Abb. 19:

Abb. 20:

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XII Abb. 21:

Abbildungsverzeichnis Das reich ausgestattete, mittelassyrische Doppeltopfgrab T. 135 (Friedhof 1) eines erwachsenen Individuums mit Keramikgefäßen im Brust- und Beckenbereich (Jean-Marie 1999: Pl. 31)........................................................................................................................................... 

69

Abb. 22:

Das mittelassyrische Doppeltopfgrab T. 122 (Friedhof 1) mit einer Keramik­scha­le im Schulterbereich (Jean-Marie 1999: Pl. 28)............................................................................................ 

69

Abb. 23:

Dendrogramm zur Darstellung der Relation zwischen Grabtypen, deponierten Keramikgefäßen und Tierknochen in der Mittel­assyrischen Zeit in Mari; die durchgezogenen schwarzen Linien zeigen die Konstellationen an, in denen Tierknochen vorhanden waren.......................... 

72

Abb. 24:

Verteilung der Keramikgefäße und Objekte auf die Gräber von der Zeit der šakkanakku bis zur Mittelassy­rischen Zeit in Mari............................................................................................... 

74

Abb. 25a-b: Grabbefund und Gefäßbeigaben des Sarkophaggrabs T. 1034 eines jungen Individuums aus der Zeit der šakkanakku (Jean-Marie 1999: Pl. 213-214)............................................................ 

82

Abb. 26:

Grabbefund und Ge­fäß­beigaben des Erdgrubengrabs T. 727 eines jugendlichen oder erwachsenen Individuums aus der Zeit der šakkanakku (Jean-Marie 1999: 127)........................... 

82

Abb. 27a-b: Grabbefund und Gefäßbeigaben des Sarkophaggrabes T. 480 eines jugendlichen oder erwachsenen Individuums aus der Mittleren Bronzezeit I (Jean-Marie 1999: Pl. 69).................... 

83

Abb. 28:

Das Erdgrubengrab T. 653 aus der Mittleren Bronzezeit II mit zahlreichen auf dem jugendlichen oder erwachsenen Indivi­duum platzierten Keramikgefäßen (Jean-Marie 1999: Pl. 84)..... 

83

Abb. 29:

Die Anzahl der Keramikgefäße pro Grab und die Häufigkeit ihres Vorkommens unterteilt nach Perioden............................................................................................................................... 

84

Abb. 30:

Anzahl der Gräber mit organischen Überresten von Speisebeigaben in Form von Tierknochen oder Früchten....................................................................................................................... 

86

Abb. 31:

Grundriss des Petit Palais Oriental in Mari (Margueron 2004: Fig. 424)................................... 

90

Abb. 32:

Grundriss des Königspalastes von Mari (Margueron 2004: Fig. 437)......................................... 

92

Abb. 33:

Rekonstruktion des Raumes 65 mit dem Annexraum im Osten im Königspalast von Mari (Margueron 2004: Pl. 60)............................................................................................................. 

93

Abb. 34:

Die Statue des Ištup-Ilum (Margueron 2004: Fig. 403)............................................................... 

95

Abb. 35:

Übersichtsplan über die einzelnen Grabungsbereiche am Tall Mišrife einschließlich der Verteilung aller Gräber und Grüfte, sowie der Statuenfunde aus Qaṭna (Pfälzner 2006 – 2008: Abb. 1; modifiziert durch Autorin nach Morandi Bonacossi et al. 2009: Fig. 1).........................  148

Abb. 36:

Verteilungskarte der einfachen Gräber und Grüfte im Bereich des Königspalastes (© QaṭnaProjekt der Universität Tübingen; modifiziert durch Autorin nach Morandi Bonacossi 2011: Fig. 3)...........................................................................................................................................  151

Abb. 37:

Das Erd­gruben­grab G-34 mit zwei im Kopfbereich plat­zierten Keramik­gefäßen (© Qaṭ­naProjekt der Univer­sität Tübingen)................................................................................................  152

Abb. 38:

Verteilung der Gräber im Bereich des Ostpa­lastes (Grabungsbereich T; in Tab. III im Anhang sind diese Gräber mit dem Präfix „T-“ aufgeführt) (Morandi Bonacossi et al. 2009: Fig. 11).........................................................................................................................................  154

Abb. 39:

Das Erdgrubengrab T-38 mit einem auf der Seite in Hockerposition bestatteten Kind mit einer Keramikflasche hinter den Schultern (Morandi Bonacossi – Canci 2009: 152).................  155

Abb. 40:

Dendrogramm zur Darstellung der Relation zwischen Alter der Bestatteten, Grabtypen, deponierten Keramikgefäßen und Tierknochen; die durchgezogenen schwarzen Linien zeigen die Konstellationen an, in denen Tierknochen vorhanden waren. Da nur in den mittelbronzezeitlichen Gräbern im Bereich des Königapalastes Tierknochen vorkamen, die als Überreste von Speisebeigaben im Grab gedeutet werden können, werden die übrigen Bestattung in dieser Abbildung nicht dargestellt................................................................................................  159

Abb. 41:

Gefäßansammlung in der Gruft IV vermischt mit organischem Material (Du Mesnil du Buisson 1935: 145 Fig. 52 bis).....................................................................................................  161

Abb. 42:

Verteilung der Menschenknochen in der Gruft IV (Du Mesnil du Buisson 1935: Pl. XL 1).......................................................................................................................................  162

Abb. 43:

Verteilung der Keramikgefäße in der unteren Lage der Verfüllung der Gruft IV (Du Mesnil du Buisson 1935: Pl. XLII 1).......................................................................................................  162

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Abbildungsverzeichnis

XIII

Abb. 44a-c: Verteilung der Keramikgefäße in den oberen Lagen der Verfüllung der Gruft IV (Du Mesnil du Buisson 1935: Pl. XLI 1.-3.)...................................................................................................  163 Abb. 45:

Exemplarische Zusammenstellung der Gefäßformen aus der Gruft IV (Du Mesnil du Buisson 1935: Pl. XLIII und XLIV)....................................................................................................  164

Abb. 46:

Verteilungsplan der Keramikfunde und der Menschenknochen (letztere sind durch die griechischen Buchstaben gekennzeichnet) in der Gruft I (nach Du Mesnil du Buisson 1927a: Pl. VII 1+2; Übereinanderlegung der zwei Pläne durch Autorin).....................................................  165

Abb. 47:

Exemplarische Zusammen­stellung der Keramikgefäße aus der Gruft I (Du Mesnil du Buisson 1927a: Pl. XIII 1.-3.)..............................................................................................................  166

Abb. 48:

Der zur Vorkammer der Königsgruft füh­rende Korridor AQ mit den Schalen vor der Tür AQc-AQd und vor dem Durchgang zur Vorkammer (© Qaṭna-Projekt der Universtität Tübingen) . .......................................................................................................................................  168

Abb. 49:

Die Schalen vor der Tür AQc-AQd im Korridor (Foto: Günter Mirsch).....................................  169

Abb. 50:

Die Schalen vor dem Durchgang vom Korridor zur Vorkammer (Foto: Günter Mirsch)............  169

Abb. 51:

Drei Keramikschalen in der nordöstlichen Ecke der Vorkammer (Foto: Konrad Wita)..............  173

Abb. 52a-b: Die beiden Ahnenstatuen vor dem Eingang zur Königsgruft mit vor ihnen niedergelegten Gefäßen für Speiseopfer (Fotos: Konrad Wita)............................................................................  175 Abb. 53:

Grundriss der Königsgruft mit den darin aufgestellten Installationen (© Qaṭna-Projekt der Universtität Tübingen)........................................................................................................................ 177

Abb. 54:

Die Hauptkammer mit den Säulenbasen und dem Durchgang zu Kammer 3 rechts im Bild (Foto: Konrad Wita).....................................................................................................................  178

Abb. 55:

Der Basaltsarkophag 1 in der südöstlichen Ecke der Hauptkammer (Foto: Konrad Wita)..........  181

Abb. 56:

Der Basaltsarkophag 2 in der westlichen Nebenkammer (Foto: Konrad Wita)...........................  183

Abb. 57:

Die vermutlich als Ossuarium dienende öst­liche Nebenkammer (Foto: Konrad Wita)...............  187

Abb. 58:

Der Bestattungs­tisch in der westlichen Ne­ben­kammer mit den Überresten eines mensch­li­ chen Skelettes im Verband (Foto: Konrad Wita)..........................................................................  192

Abb. 59:

Die Organische Un­terlage 1 in der nordöst­lichen Ecke der Hauptkammer (Foto: Konrad Wita)..............................................................................................................................................  194

Abb. 60:

Die Organische Un­terlage 2 westlich des Sar­ko­phags Inst. 1322 (Foto: Konrad Wita)..............  195

Abb. 61:

Die Organische Unterlage 3 vor dem Zugang zur südlichen Nebenkammer (Foto: Konrad Wita).............................................................................................................................................  196

Abb. 62:

Die Organische Unterlage 4 in der südwestlichen Ecke der Hauptkammer (Foto: Konrad Wita).............................................................................................................................................  197

Abb. 63:

Die südliche Ne­ben­­­­kam­mer mit der deut­lich erkennbaren or­ga­ni­schen Ablagerung im Süden der Kammer und den Steingefäßen an der öst­lichen Kammerwand (Foto: Konrad Wita)...........  199

Abb. 64:

Das Gefäßdepot in der Nordwestecke der Hauptkammer (Foto: Kon­rad Wita)..........................  201

Abb. 65:

Der südwestliche Bereich der Hauptkammer mit den beiden Steinbänken Inst. 1328 und Inst. 1329 (Foto: Konrad Wita)....................................................................................................  204

Abb. 66:

Die Keramikgefäße im Spalt zwischen dem Sarkophag 1 in der Hauptkammer und der südlichen Kammerwand (Foto: Konrad Wita).....................................................................................  206

Abb. 67:

Der erste Zustand der Gruft VII nach der Entfernung des Felsschuttes, der sich auf der obersten Fundlage abgelagert hatte (Foto: Marc Steinmetz)........................................................  211

Abb. 68:

Die Verteilung der nachvollziehbaren Holzkisten in der Gruft VII (© Qaṭna-Projekt der Universtität Tübingen)...........................................................................................................  211

Abb. 69:

Anhäufung von Ke­ra­mikgefäßen in der süd­westlichen Ecke der Süd­kammer der Gruft VII (Foto: Marc Steinmetz)................................................................................................................  212

Abb. 70a-b: Fragment ei­ner vermutlich kö­­nig­­li­chen Sitz­sta­tue (MSH02.J. 3087.712) aus dem Gra­ bungsbe­reich J (Mo­randi Bonacossi 2009b: 146; Morandi Bonacossi 2006: 55 Fig. 2).............  214 Abb. 71:

Männliche Sitzstatue aus dem Bereich der „Coupole de Loth“ (Du Mesnil du Buisson 1927b: Pl. LXXIX 1., Pl. LXXX 1).............................................................................................  214

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XIV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 72:

Typische Bestattung aus den oberen Schichten des Friedhofs in Ugarit mit Gefäßbeigaben (Schaeffer 1932: Fig. 11)..............................................................................................................  228

Abb. 73:

Eine Erdbestattung mit Gefäßbeigabe (Schaeffer 1931: Pl. IX-3)...............................................  228

Abb. 74:

Sekundär außerhalb eines Bestattungsgefäßes deponierter Schädel mit Beigaben (Schaeffer 1939b: Fig. 42)................................................................................................................................. 229

Abb. 75:

Zeichnung der oberen Lage im Grab 65 mit zahlrei­chen Vorratsgefäßen, Norden ist unten (Schaeffer 1938a: Fig. 17)............................................................................................................  230

Abb. 76:

Befund der unteren Lage im Grab 65, Norden ist unten (Schaeffer 1938a: Fig. 18)...................  230

Abb. 77:

Die Gefäße in der oberen Lage in der nordwestlichen Ecke des Grabes 65 (Schaeffer 1938a: Pl. XXI-3).....................................................................................................................................  230

Abb. 78:

Ein vermutlich primär bestattetes Individuum im Nordosten der Kammer des Grabes 65 mit einem neben seinem Kopf platzierten Gefäß (Schaeffer 1938a: Pl. XXI-4)................................  230

Abb. 79:

Beispielhafte Verteilung von Gräbern unter Wohnhäusern der Unterstadt (Schaeffer 1938a: Abb. 2; modifiziert durch Autorin)...............................................................................................  232

Abb. 80a-c: Obere, mittlere und untere Lage des Gra­bes 4 mit einer als Ossuarium dienenden Nische im unteren Niveau, in der sich neben den Knochen auch Keramikgefäße fanden (Schaeffer 1938a: Fig. 8-10)..........................................................................................................................  237 Abb. 81:

Installiertes Gefäß vermutlich zum Empfangen von Libationen außerhalb des Grabes 119 (Schaeffer 1934: Pl. XII-1)...........................................................................................................  238

Abb. 82:

Gefäß außerhalb des Grabes 1005 (Schaeffer 1929: Pl. LVII-3).................................................  238

Abb. 83a-b: Außerhalb des Grabes 1004 installiertes Gefäß zum Empfangen von Libationen und seine Verortung am Grab (Schaeffer 1933: Pl. IX-2, Fig. 5).................................................................  239 Abb. 84:

Gefäß im Bereich des Dromos von Grab 513 (Callot 1994: Fig. 189)........................................  239

Abb. 85:

Schnitt durch das Grab 154 mit einem in den Boden eingelassenen Gefäß zum Empfangen von Libationen (Marchegay 1999c: Pl. 91.2; Ras Shamra Mission, Schaeffer-Fonds, Collège de France).....................................................................................................................................  240

Abb. 86:

Libationsinstallation des Grabes 112 (Schaeffer 1933: Abb. 12).................................................  240

Abb. 87:

Grundriss des Königspalastes (Yon 2006: Abb. 20).....................................................................  243

Abb. 88:

Zone funéraire innerhalb des Palastes mit den Grüften 204, 205 und 206 unter Raum 28 (Niehr 2004c: Abb. 128)...............................................................................................................  243

Abb. 89:

Libationsmulden in der Türschwelle von Raum 27 zu Raum 28 (Foto: Sarah Lange-Weber)....  244

Abb. 90:

Zeichnung des Grabes 63 mit einem augenscheinlich primär bestatteten Individuum an der westlichen Kammerwand (Schaeffer 1938a: Fig. 25)..................................................................  247

Abb. 91:

Die obere Lage im Grab 52 mit einem primär bestatteten Individuum, dessen Hände auf und unter einer Keramikschale liegen (Marchegay 1999c: Pl. 48.1; Ras Shamra Mission, Schaeffer-Fonds, Collège de France)...........................................................................................  248

Abb. 92:

Die mittlere Lage im Grab 52 mit einem primär be­statteten Individuum und an den Seitenwänden platzierten Vorratsgefäßen (Marchegay 1999c: Pl. 49.2; Ras Shamra Mission, Schaeffer-Fonds, Collège de France)...........................................................................................  248

Abb. 93a-b: Sorgsam an den Seitenwänden des Grabes 642 aufeinander gestapelte Keramikgefäße (Matoïan – Marchegay 2015: Fig. 20; Marchegay 1999c: Pl. 116.8; Ras Shamra Mission, Schaeffer-Fonds, Collège de France).............................................................................................  249 Abb. 94:

Überblick über die Fundverteilung der in dieser Arbeit behandelten Statuen, Stelen und Texte aus Ugarit (die Urheber dieses Plans betiteln den mit * markierten Tempel als Tempel des Dagan. In dieser Arbeit wird jedoch der Annahme gefolgt, dass der Tempel El geweiht war; siehe Kapitel 4.2.4; Grundplan: Yon 2006: IV Fig. 1; modifiziert durch Autorin)..............  253

Abb. 95a-b: Fotografie und Zeichnung der Stele des „Baʿal au foudre“, RS 4.427 (Yon 1991a: Fig. 6.5 und Fig. 11a).................................................................................................................................  255

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Abbildungsverzeichnis Abb. 96:

XV

Detail der Königsdarstellung auf der Stele des „Baʿal au foudre“, RS 4.427. Erkennbar ist der Zopf oder die Strähne, die am Hinterkopf ansetzt und unterbrochen durch eine Beschädigung auf Halshöhe bis unter die Schulterblätter reicht (Foto: Sarah Lange-Weber)................  257

Abb. 97a-b: Gefäßständer mit Darstellung des Königs, RS 78.041 (Yon 1991a: Fig. 12e; Yon 2006: Nr. 41)...........................................................................................................................................  257 Abb. 98:

Terrakottafragment mit Darstellung des Königs, RS 75.247 (Yon 1991a: Fig. 12d)...................  257

Abb. 99a-b: Stele mit dem als Rešef identifizierten Gott und einer kleineren Figur hinter ihm, RS 23.217 (Yon 1991a: Fig. 20).....................................................................................................................  257 Abb. 100: Dekoration auf einem Gefäß aus dem Haus des „Prêtre Magicien“ (Schaeffer 1966a: Fig. 1)...  258 Abb. 101: „Aḥirom-Sarkophag“, westliche Schauseite mit der Szene einer Trauerfeier vor der Königsstatue (Yon 1991a: Fig. 15b)........................................................................................................  263 Abb. 102a-c: Statue des Idrimi aus Alalaḫ mit separat gefertigtem Basaltthron; a: Rekonstruk­tion (MayerOpificius 1981: Abb. 7), b-c: Fotografie (Smith 1949: Frontispiece, © The British Institute at Ankara).....................................................................................................................................  263

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Tabellenverzeichnis Tab. 1:

Kurzdefinitionen der relevanten Begriffe im Zusammenhang mit dem Totenmahl.........................

7

Tab. 2:

Die šakkanakku von Mari und die zeitgleichen Herrscher von Akkad sowie der III. Dynastie von Ur..............................................................................................................................................

25

Tab. 3:

Überblick über die Herrscher von Mari, Qaṭna und Ugarit sowie der Großmächte Ḫatti, Mittani und Ägypten (wird fortgesetzt)....................................................................................................

26

Tab. 4:

Überblick über die unterschiedlichen Grabformen zur Zeit der šakkanakku in Mari......................

38

Tab. 5:

Überblick über die absolute Zahl der Kinderbestattungen und deren prozentualer Anteil an den Gräbern pro Grabform zur Zeit der šakkanakku in Mari.................................................................

38

Tab. 6:

Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen und die Gesamtanzahl von Keramikgefäßen pro Grabform zur Zeit der šakkanakku in Mari...........................................................

41

Tab. 7:

Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen unterteilt nach Kindern, Erwachsenen und unbe­stimmten Gräbern sowie die Gesamtanzahl von Keramikgefäßen pro Grabform und Altersgruppe zur Zeit der šakkanakku in Mari (Grab 1070 wird sowohl als Erwachsenengrab als auch als Kindergrab gezählt, da es sich um eine Doppelbestattung handelt).....................

41

Verteilung der Keramikgefäße und der anderen Beigaben auf die Gräber nach Altersgruppen zur Zeit der šakkanakku in Mari (in Klammern ist die Anzahl der Gräber ergänzt, in denen Tierknochen vorhanden waren)........................................................................................................

47

Tab. 8: Tab. 9:

Überblick über die unterschiedlichen Grabformen in der Mittleren Bronzezeit in Mari.................

52

Tab. 10: Überblick über die absolute Zahl der Kinderbestattungen und deren prozentualer Anteil an den Gräbern pro Grabform in der Mittleren Bronzezeit in Mari (vgl. Tab. 9).......................................

55

Tab. 11: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen insgesamt und die Gesamtanzahl von Keramik­gefäßen pro Grabform in der Mittleren Bronzezeit I in Mari.....................................

56

Tab. 12: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen unterteilt nach Kindern, Erwachsenen und unbestimmten Gräbern sowie die Gesamtanzahl von Keramikgefäßen pro Grabform und Altersgruppe in der Mittleren Bronzezeit I in Mari..................................................................

56

Tab. 13: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen insgesamt und die Gesamtanzahl von Keramik­gefäßen pro Grabform in der Mittleren Bronzezeit II in Mari....................................

57

Tab. 14: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen unterteilt nach Kindern, Erwachsenen und unbe­stimmten Gräbern sowie die Gesamtanzahl von Keramikgefäßen pro Grabform und Altersgruppe in der Mitt­leren Bronze­zeit II in Mari.................................................................

57

Tab. 15: Verteilung der Keramikgefäße und der anderen Beigaben auf die Gräber der Mittleren Bronzezeit I in Mari nach Altersgruppen (in Klammern ist die Anzahl der Gräber ergänzt, in denen Tierknochen vorhanden waren)........................................................................................................

61

Tab. 16: Verteilung der Keramikgefäße und der anderen Beigaben auf die Gräber der Mittleren Bronzezeit II in Mari nach Altersgruppen...................................................................................................

61

Tab. 17: Überblick über die unterschiedlichen Grabformen und deren Verteilung auf die verschiedenen Friedhöfe der Mittelassyrischen Zeit in Mari..................................................................................

63

Tab. 18: Überblick über die absolute Zahl der Kinderbestattungen pro Grabform und Friedhof und deren prozentualer Anteil an den Gräbern pro Grabform in Bezug auf die Gesamtanzahl der Gräber der Mittelassyrischen Zeit in Mari (vgl. Tab. 17)................................................................

64

Tab. 19: Verteilung der Keramikgefäße auf die verschiedenen Grabformen und Friedhöfe der Mittelassyrischen Zeit in Mari......................................................................................................................

64

Tab. 20: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabformen unterteilt nach Kindern, Erwachsenen und unbe­stimmten Gräbern sowie die Gesamtanzahl von Keramikgefäßen pro Grabform und Altersgruppe in der Mittelassy­rischen Zeit in Mari..................................................................

65

Tab. 21: Verteilung der Objekte und Keramikgefäße auf die verschiedenen Grabformen der drei mittelassyrischen Friedhöfe in Mari (in Klammern ist die Anzahl der Gräber ergänzt, in denen Tierknochen vorhanden waren)........................................................................................................

71

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XVIII

Tabellenverzeichnis

Tab. 22: Verteilung der Objekte und Keramikgefäße auf die Kindergräber der verschiedenen Grabformen der drei mittelassyrischen Friedhöfe in Mari (in Klammern ist die Anzahl der Gräber ergänzt, in denen Tierknochen vorhanden waren)...........................................................................

71

Tab. 23: Verteilung der Objekte und Keramikgefäße auf die Gräber nach Altersgruppen in der Mittelassyrischen Zeit in Mari (in Klammern ist die Anzahl der Gräber ergänzt, in denen Tierknochen vorhanden waren).............................................................................................................................

72

Tab. 24: Die Gräber mit dem jeweils umfangreichsten Keramikinventar aus der Zeit der šakkanakku, der Mittleren Bronze­zeit und der Mittelassyrischen Zeit in Mari....................................................

81

Tab. 25: Zusammenstellung von 72 Tageslieferungslisten für kispu(m) (wird fortgesetzt)............................ 102 Tab. 26: Zusammenstellung der 28 Ölausgabelisten für kispu(m), sofern vorhanden mit der Nennung der jeweils zuständigen Beamten..................................................................................................... 106 Tab. 27: Zusammenstellung der 37 Listen mit monatlicher Zusammenfassung der Ausgaben für kispu(m) (wird fortgesetzt)............................................................................................................... 107 Tab. 28: Die Monatsnamen in den Maritexten zur Zeit Zimrī-Lîms und der assyrischen Vorherrschaft...... 125 Tab. 29: Überblick über die chronologische Verteilung der Gräber und Grüfte in Qaṭna (nach Pfälzner 2019d: Tab. 1; im Druck b: Tab. 179; vgl auch Pfälzner 2019b: 133-135 und Pfälzner 2019a: 96-125 für eine detaillierte Erörterung der Palastphasen; modifiziert durch Autorin).................... 149 Tab. 30: Überblick über die Verteilung der Grabarten der einfachen Gräber der Frühen bis Späten Bronzezeit in Qaṭna.......................................................................................................................... 158 Tab. 31: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabarten nach Grabungsbereichen und die Gesamt­anzahl von Keramikgefäßen pro Grabart in der Frühen bis Späten Bronzezeit in Qaṭna.... 158 Tab. 32: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabarten unterteilt nach Kindern und Erwach­senen und die Gesamtzahl von Keramikgefäßen pro Grabart und Altersgruppe in der Frühen bis Späten Bronzezeit in Qaṭna............................................................................................ 158 Tab. 33: Verteilung der Objekte und Keramikgefäße auf die Gräber nach Altersgruppen in der Frühen bis Späten Bronzezeit in Qaṭna (in Klammern ist die Anzahl der Gräber ergänzt, in denen Tierknochen vorhanden waren, die als Speisebeigaben gedeutet werden können)......................... 159 Tab. 34: Überblick über die (vermutlich) intakten Gräber mit der Anzahl der Individuen, Gesamtanzahl der Keramikgefäße und den am häufigsten vorkommenden Gefäßformen..................................... 246

Tabellen im Anhang

Tab. I:

Zusammenstellung der Gräberdaten aus Mari................................................................................. 344

Tab. II:

Konkordanzliste und Referenzen für die administrativen kispu(m)-Texte aus Mari....................... 455

Tab. III: Zusammenstellung der Gräberdaten aus Qaṭna............................................................................... 458 Tab. IV: Zusammenstellung der Gräberdaten aus Ugarit............................................................................... 470

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Tafelverzeichnis

Tafel 1:

Plan der Königsgruft mit dem darin vorgefundenen Inventar und den für das Totenmahl relevanten Informationen.

Tafel 2:

Die Handlungsebenen und -abfolgen von Totenbräuchen und -ritualen und die Nachweise für damit in Zusammenhang stehende Ausführungen des Totenmahls in den archäologischen und schriftlichen Quellen aus Mari, Qaṭna und Ugarit.

© 2021, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11585-8 - ISBN E-Book: 978-3-447-39168-9

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Vorwort des Herausgebers

Der vorliegende vierte Band der Reihe Qaṭna Studien Supplementum beinhaltet die überarbeitete Ve­r­sion der von Sarah Lange-Weber im Jahr 2014 an der Philosophischen Fakultät der Universität Tü­bingen eingereichten Dissertationsschrift. Es war mir eine große Freude, dieses Werk in die Reihe aufzunehmen, da es in enger thematischer und organisatorischer Anlehnung an das Qaṭna-Projekt der Universität Tübingen und daraus hervorgegangener Forschungsinitiativen entstanden ist. Frau Lange-Weber verfasste ihre Dissertation als Stipendiatin des Promotionsverbundes „Symbole der Toten. Archäologische, naturwissenschaftliche und reli­gions­geschichtliche Untersuchungen zu se­pul­ kralen und memorialen Kontexten im Alten Orient“. Diese Forschungsinitiative entstand unter dem Eindruck der im Jahr 2002 in Qaṭna entdeckten Königsgruft, deren Anlage und Inventar mannigfaltige Auf­schlüsse zum Totenkult im alten Syrien boten. Mit Hilfe des Promotionsverbundes sollten sie vor einem breiteren Hintergrund kulturvergleichend analysiert, eingeordnet und bewertet werden. In dem von 2008 bis 2011 durch die Universität Tübingen finanzierten Verbund entstanden insgesamt sechs Promotions­ ar­beiten, die sich mit verschiedenen Aspekten des Umgangs mit den Toten in Syrien und benachbarten Regionen zwischen dem 3. und 1. vorchristlichen Jahr­tausend befassten. Frau Lange-Weber hatte sich in diesem Rahmen erfolgreich darum beworben, das Thema des Totenmahls im Rahmen einer Dissertation zu bearbeiten. Sie hat dies in sehr umfassender und tiefgehender Weise verwirklicht und dabei so­wohl verschiedene theoretische Konzepte als auch diverse Methoden, insbesondere archäologische und philologische, angewandt. Daraus ist ein Werk entstanden, welches das Totenmal in Syrien im 2. Jahrtausend v. Chr. in all seinen verschiedenen Facetten darstellt und dabei einen breiten geographischen Horizont von Ugarit im Westen über Qaṭna bis Mari im Osten einbezieht. In exemplarischer Weise wurden alle verfügbaren archäologischen und philologischen Quellen zum Thema des Totenmahls aus den drei genannten Orten beschrieben, analysiert und miteinander verglichen. Die Leserinnen und Leser werden in diesem Buch also Antworten auf zahlreiche Fragen zu diesem Thema finden, von Speiseopfern bei der Bestattung bis hin zur regelmäßigen Totenpflege und dem damit verbundenen Ahnenkult. Diese Monografie kann deshalb mit Fug und Recht als ein Standardwerk über das Totenmahl im Alten Orient bezeichnet werden. Die Autorin war neben ihren eigenen Forschungen über viele Jahre als Wissenschaftliche Mitarbeiterin

aktiv in das Qaṭna-Projekt am Institut für die Kulturen des Alten Orients (IANES) in Tübingen eingebunden. Sie war sogar in sehr maßgeblicher Weise an den Ausgrabungen, Dokumentationsarbeiten und Aus­ wertungen der Befunde der 2009 entdeckten Gruft VII involviert. Daraus erwuchs nicht nur eine intensive Detailkenntnis aller Aspekte der königlichen Grabstätten und des Totenkultes in Qaṭna aus erster Hand, durch welche ihre eigene Dissertation sehr gewinn­bringend bereichert wurde. Darüber hinaus fand durch Gespräche und Diskussionen in beständiger Weise eine gegenseitige Stimulierung statt, die nicht nur zwischen Frau Lange-Weber und den Beteiligten des Promotionsverbundes, sondern auch zwischen ihr und den im Qaṭna-Projekt Forschenden in lebhafter Weise bestand. Auch das Qaṭna-Projekt hat dadurch von der Autorin dieses Bandes viele wich­tige Anregungen er­halten und sehr profitiert. Dafür bin ich Sarah Lange-Weber außerordentlich dank­bar. Vor allem möchte ich dies zum Anlass nehmen, das leidenschaftliche Engagement der Autorin für das Qaṭna-Projekt über viele Jahre hinweg lobend he­rauszustellen und ihr auch dafür meinen aufrichtigen Dank und allergrößte Hochachtung auszuspre­ chen. Das vorliegende Buch ist also nicht nur Zeugnis einer intensiven persönlichen Forschungsarbeit, son­ dern auch Ausweis für eine jahrelange fruchtbare wissenschaftliche Kooperation. Ungeachtet dessen sind selbstverständlich die bedeutenden Ergebnisse, die hier dargelegt werden, eigenverantwortliches Re­sul­tat der wissenschaftlichen Leistungen der Au­­­to­­rin. Auch nach Abgabe der Arbeit als Dissertationsschrift wurde sie nicht müde, die Ergebnisse – bis­weilen durchaus auch kontrovers – zu diskutieren und ihre Argumente zu schärfen. Dadurch bedeutete die Erstellung der überarbeiteten Druckversion einer­­seits einen erheblichen Aufwand, andererseits entstand daraus aber auch eine noch überzeugendere Gesamt­darstellung. Die Mühen der Autorin schlossen schließlich auch noch das Setzen des Bandes mit ein, das vollständig in Eigenregie erfolgte. Deshalb kann die Verfasserin mit gutem Grund stolz auf das Endergebnis sein. Als „Doktorvater“ und Herausgeber bin ich für meinen Teil auf jeden Fall sehr stolz auf Sarah Lange-Weber und ihr hier vorgelegtes Werk. Ich wün­sche mir, dass dieses Werk die ihm gebührende Auf­merksamkeit und Würdigung in der Fachwelt er­halten wird. Tübingen, im Dezember 2020 Peter Pfälzner

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Vorwort der Verfasserin

Dieser Publikation liegt meine 2014 abgeschlossene Dissertation mit dem gleichnamigen Titel „Das Totenmahl in Syrien im 2. Jahrtausend v. Chr.: Eine Untersuchung zur Bedeutung, Symbolik und Tradition eines altorientalischen Konzepts in philologischer, archäologischer und religionsgeschicht­ licher Perspektive am Beispiel von Mari, Qaṭna und Ugarit“ zugrunde. Die Doktorarbeit ist im Rahmen des 2008 ins Leben gerufenen Promotions­ verbundes „Symbole der Toten. Archäologische, naturwissenschaftliche und religionsgeschichtliche Untersuchungen zu sepulkralen und memorialen Kontexten im Alten Orient“ entstanden. An dieser Stelle möchte ich Prof. Dr. Peter Pfälzner einen großen Dank aussprechen, dass er das Thema dieser Dissertation an mich herangetragen hat, das Vertrauen in mich hatte, dieses zu bewältigen und mir dadurch die Möglichkeit gab, in einem wunderbaren Umfeld zu promovieren. Ein dreijähriges Stipendium der Landesgraduiertenförderung des Landes Baden-Württemberg ermöglichte mir ein finanziell sorgenfreies Arbeiten an der Dissertation. Während des Entstehens der Doktorarbeit, aber auch in der langfristigen Überarbeitung, war mir die konstante Unterstützung meiner beiden Doktorväter Prof. Dr. Herbert Niehr und Prof. Dr. Peter Pfälzner durch hilfreiche Ratschläge und wertvolle Anregungen gewiss – ihnen gilt an dieser Stelle mein besonderer Dank. Prof. Dr. Konrad Volk danke ich für seine konstruktive Kritik und Korrekturen sowie die informativen Gespräche zu den philologischen Teilen dieser Arbeit. Ebenso möchte ich Prof. Dr. Andreas Fuchs in meine Danksagung aufnehmen, der mir zu einigen historischen und philologischen Teilaspekten der Arbeit interessante Informationen lieferte. Ein weiterer Dank gilt Prof. Dr. Jens Kamlah, der bereitwillig als Drittgutachter für die Be­wertung der Dissertation zur Verfügung stand. Besonders dankend zu erwähnen sind zudem die Mitglieder des Promotionsverbundes, Tina Köster, Katharina Teinz, Anne Wissing, Matthias Lange, Panayiotis Andreou und Stefan Heitmann, die am Entstehungsprozess dieser Arbeit durch zahlreiche Diskussionen, kritische Fragen, konstruktive Kritik und Anregungen in wesentlichen Teilen beigetragen haben. Außerdem haben sie die etwas mehr als fünf Promotionsjahre mit unseren zahlreichen Colloquien und Exkursionen zu einer schönen und spannenden Zeit gemacht. Zusätzlich danke ich allen Teilneh­ mern der vom Promotionsverbund organisierten Symposien und Workshops, den Mitgliedern der

ViGMA-Gruppe sowie den Teilnehmern am ASOR Meeting 2013 in Baltimore für die fruchtbaren Diskussionen und Anregungen, von denen viele in die vorliegende Arbeit eingeflossen sind. Mein Dank gebührt außerdem Eva Geith, Ste­ phanie Döpper, Monika Doll, Susanne Degenhardt Stefan Baumann und Marion Etzel, die mir mit unterschiedlichen Auskünften hilfsbereit zur Seite standen, konstruktive Kritik an dem entstehenden Manuskript geäußert und/oder Teile der Arbeit be­reit­willig korrigiert haben. Elisa Roßberger war so freundlich, mir ihre – damals noch unveröffent­ lichte – Dissertation zu dem Schmuckinventar aus der Königsgruft von Qaṭna zur Verfügung zu stellen und hat maßgeblich zur heutigen Form des Kapitels zu den DINGIR.MEŠ.LUGAL (Kapitel 3.2) bei­ getragen. Ein weiterer Dank gilt Sophie Marchegay, die ihre Dissertation zu den Gräbern von Ugarit ausführlich mit mir diskutierte. Nach Einreichung (Februar 2014) und Verteidigung (Dezember 2014) der Dissertation war eine endgültige Überarbeitung für die Publikation nötig. Dieser durch Projektanstellungen, anderweitige Pu­b­li­­kationsverpflichtungen, Konferenzvorträge und Ausgrabungen immer wieder unterbrochene und verzögerte Prozess hat nicht nur mir einiges an Geduld abverlangt. Vor allem die neuesten Er­­ kenntnisse von Prof. Dr. Peter Pfälzner zu der chronologischen Tiefe und seine Neuinterpretationen der Befunde der Königsgruft von Qaṭna (im Druck) haben eine grundlegende Überarbeitung dieses Teils der Arbeit unabdingbar gemacht. Ansonsten wurde die nach Abgabe meiner Arbeit erschienene Literatur nur da aufgenommen, wo es nötig und besonders sinnvoll erschien. Im Hinblick auf diese überarbei­ tete Fassung meiner Dissertation möchte ich Nicole Reifarth einen besonders großen Dank aussprechen – sie hat große Teile der nun vorliegenden Publikation gelesen, wertvolles Feedback gegeben, mir zu einigen Detailbefunden in der Königsgruft von Qaṭna wertvolle Informationen aus dem von ihr in Vorbereitung befindlichen Manuskript zur Verfügung gestellt und viele hilfreiche Diskussionen mit mir geführt. Den folgenden Personen und Institutionen ist für ihre freundliche Erlaubnis zu danken, die in dieser Arbeit verwendeten Abbildungen publizieren zu dürfen: Prof. Dr. Peter Pfälzner, Prof. Dr. JeanClaude Margueron, Prof. Dr. Marguerite Yon, Prof. Dr. Valérie Matoïan, Prof. Dr. Daniele Morandi Bonacossi, Olivier Callot (Laboratoire HiSoMA),

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Vorwort der Verfasserin

Gina Coulthard (The British Institute at Ankara), Ma­­rian­ne Cotty (Louvre) und Prof. Dr. Herbert Niehr. Für die kontinuierliche Unterstützung, die Ermutigungen und das ehrliche Interesse an meiner Arbeit während der Entstehung der Dissertation, aber auch in den letzten Jahren, möchte ich meinen Eltern herzlichst danken. Ihnen und auch meinen Schwie­ gereltern gilt zudem ein Dankeschön für die Unterstützung und Kinderbetreuung, die – wann immer möglich – gerne angeboten wurde. Während der Überarbeitung der Dissertation hat mir mein Mann

Martin Weber stets den Rücken freigehalten, mich ermutigt und viel Geduld bewiesen. Vor allem im vergangenen Jahr, in dem unser Sohn Nils gerne häufiger seine Mama zum Spielen oder Vorlesen gehabt hätte, hat er die Kinderbetreuung und „alles andere“ in einem Umfang übernommen, der gar nicht genug gewürdigt werden kann. Den beiden gilt mein größtes Dankeschön! Ob es wünschenswert ist, dass „Mama arbeiten“ einer der ersten Sätze unseres Sohnes war, sei dahingestellt, aber ich verspreche an dieser Stelle, dass es in Zukunft mehr Familienzeit an den Wochenenden geben wird! Oktober 2020 Sarah Lange-Weber

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1 Einleitung

„The placing of food and drink in a grave is only part, and not necessarily the last part, of a whole sequence of feasts, fasts or food offerings which is triggered by a death.“1 In Vorderasien wurden bei Ausgrabungen zahlrei­ che Gräber freigelegt, deren breite Materialbasis die Möglichkeit zu vielschichtigen Studien bietet. Die Forschung konzentrierte sich lange Zeit auf eine schlichte Beschreibung der Grabbefunde oder behandelte vereinzelte Aspekte des Umgangs mit den Toten. Eine Rekonstruktion der in diesem Zusammenhang stattfindenden Rituale und ihrer Abläufe anhand detaillierter Untersuchungen der Befunde und Funde wurde jedoch kaum vorgenommen. Dieses For­schungsgebiet wurde zwar in den letzten Jahrzehnten zunehmend aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlichen Schwerpunkten in zahlreichen Konferenzen diskutiert,2 bislang gibt es jedoch keine Publikation, die zur Untersuchung des Totenmahls in Syrien systematisch alle Gräber verschiedener Orte über einen bestimmten Zeitraum betrachtet und diese mit den weiteren Materialien aus diesen Orten in einen Kontext gestellt hätte. 1 2

Parker Pearson 1999: 10. Herauszuhebende Erkenntnisse konnten bei den Konferenzen „The Archaeology of Death in the Ancient Near East“ an der Victoria University of Manchester 1992 (publiziert in Campbell – Green [Hrsg.] 1995), „Totenritual und Jenseitskonzeptionen – Methodische Ansätze zur Analyse von Grabbefunden“ im Seminar für Vorderasiatische Altertumskunde der Freien Universität Berlin 1998 (vgl. Bonatz – Novák – Oettel 2000 und die weiteren Beiträge in Altorientalische Forschungen 27), „Körperinszenierung – Objektsammlung – Monumentalisierung: Totenritual und Grabkult in frühen Gesellschaften“ an der Eberhard Karls Universität Tübingen 2004 (publiziert in Kümmel – Schweizer – Veit [Hrsg.] 2008) und „Performing Death. Social Analyses of Funerary Traditions in the Ancient Mediterranean“ am Oriental Institute, Chicago 2006 (publiziert in Laneri [Hrsg.] 2007) gewonnen werden. An diese Konferenzen schließen die von dem an der Eberhard Karls Universität Tübingen angesiedelten Promotionsverbund „Symbole der Toten“ abgehaltenen Konferenzen an: „(Re-)Constructing Funerary Rituals in the Ancient Near East“, Mai 2009 im Schloss Hohentübingen (publiziert in Pfälzner et al. [Hrsg.] 2012), „Symbols of the Dead“ ein Workshop bei dem 7th International Congress of the Archaeology of the Ancient Near East in London, April 2010, und „Grave Inventories and their (Inter)regional Context. An Interdisciplinary Approach“, November 2010 im Schloss Hohentübingen (die beiden zuletzt genannten wurden publiziert in Pfälzner et al. [Hrsg.] 2014). Die philologischen Quellen wurden ausführlich bei der 26. Rencontre Assyriologique Internationale mit dem Titel „Death in Mesopotamia“ diskutiert (Alster [Hrsg.] 1980).

Neben einer Betrachtung aller relevanten archäologischen Befunde und Funde werden in dieser Arbeit die philologischen Belege gleichermaßen berücksichtigt. Denn gerade in der Vorderasiatischen Altertumskunde kann das Zusammenspiel von Archäologie und Philologie ent­scheidende Hinweise liefern, wenn es darum geht, Rituale und Bräuche zu ergründen, die die grundlegenden Konzepte einer Gesellschaft widerspiegeln. Bei der Bestattung eines Menschen sowie in der Zeit danach spielen in unterschiedlichen Kulturen viele verschiedene Rituale eine wichtige Rolle. Die Prozesse, denen der Verstorbene unterzogen wird, sind vielschichtig und kaum vollständig zu verstehen. Gerade in Bezug auf den Alten Orient sind diese Prozesse in vielerlei Hinsicht noch zu erforschen und zugleich derart komplex, dass bereits ein Teil­aspekt genügend Material für eine Dissertation bietet. Während die Vorbereitung des Leichnams, die Trauerrituale, das Begräbnis selbst sowie die Überführung des Totengeistes in die Unterwelt und die Sicherstellung seiner Versorgung wichtige Teilbereiche bilden, ist auch eine Zusammenschau all dieser Handlungen erstrebenswert, um das Gesamt­ konzept zu verstehen. Um weitere Grundlagen für ein solches Gesamtkonzept zu liefern, gilt es jedoch zunächst, einzelne Rituale im Umgang mit den Toten detailliert zu untersuchen und besser zu verstehen. In diesem Sinne bietet die vorliegende Dissertation „Das Totenmahl in Syrien im 2. Jahrtausend v. Chr. Eine Untersuchung zur Bedeutung, Symbolik und Tradition eines altorientalischen Konzepts in philologischer, archäologischer und religionsgeschicht­ licher Perspektive am Beispiel von Mari, Qaṭna und Ugarit“ eine umfassende Untersuchung des Teilaspekts „Totenmahl“. Je mehr Arbeiten dieser Art die einzelnen Aspekte im Umgang mit den Toten detailliert beleuchten, umso genauer kann ein Gesamtbild von diesen gezeichnet werden. Für die vorliegende Studie wurden die drei Orte Mari, Qaṭna und Ugarit ausgewählt, die zum oben genannten Forschungsgegenstand die umfassendste Quellenlage für das zweite vorchristliche Jahrtausend in Sy­rien bieten. Neben dem Kriterium der umfang­reichen Materialbasis zum Thema Totenmahl bietet sich ein Vergleich der drei Orte an, weil sie als politisch relevante Größen in Syrien im zweiten Jahrtausend v. Chr. diplomatische Beziehungen zu­ein­ander unterhielten und somit auch ein kultureller Austausch anzunehmen ist (siehe Kapitel 1.3). Ein solcher Austausch wird unter anderem durch die Anlage des Königspalastes von Qaṭna bestätigt, des-

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Einleitung

sen Erbauer offenbar den Königspalast von Mari gut kannten und diesen nicht nur imitieren, sondern noch übertrumpfen wollten.3 Die Frage, ob solch eine Nachahmung sich nur auf die Planung eines heraus­ ragenden Gebäudes beschränkte oder ob damit auch eine Anlehnung an die dortige Kultur erfolgte, woraus unter anderem ähnliche Kultkonzepte hätten resultieren können, gilt es im Folgenden zu prüfen. Ein weiteres Kriterium für die Auswahl dieser Orte ist, dass sie alle über längere Zeiträume im zweiten Jahrtausend v. Chr. durch amurritische Könige re­giert wurden und somit Ähnlichkeiten in den kulturell geprägten Hand­lungen anzunehmen sind. Es ist zu untersuchen, ob dies auch zu Ähnlichkeiten in den Bestattungspraktiken und dem Totenkult führte oder ob sich diese je­weils regional unterschieden. Schließlich bieten sich diese drei Orte außerdem zur Untersuchung an, da sie zusätzlich zu dem Aspekt, dass sie in engem Kontakt miteinander standen, jeweils in unterschiedlichen, sich überschnei­denden Abschnitten des zweiten Jahrtausends v. Chr. eine bedeutende politische Stellung in Syrien hatten. Somit lässt sich neben möglicherweise regional divergierenden Konzepten auch eine chronologische Entwicklung sowohl innerhalb der Orte als auch ortsübergreifend untersuchen. Aus Mari sind vor allem die Belege aus der Mitt­ leren Bronzezeit für diese Arbeit relevant. Da die so­genannte Ville III bereits gegen Ende des dritten Jahrtausends v. Chr. beginnt und kontinuierlich bis zur Zerstörung am Ende der Mittleren Bronzezeit I existiert, werden in Bezug auf Mari alle Befunde der „Ville III“ berücksichtigt. Dies hat auch den Vorteil, dass am Beispiel von Mari der Übergang vom dritten zum zweiten Jahrtausend nachvollzogen werden kann. Wie bereits erwähnt, standen Mari und Qaṭna in der Hochphase Maris bereits in engem Kontakt miteinander (siehe auch Kapitel  1.3.2). Nachdem das Königreich Mari zerstört worden war, existierte Qaṭna weiterhin und blieb bis in die Späte Bronzezeit ein wichtiges Königreich in der Levante. Ugarit erlebte seine Blüte in der Späten Bronzezeit, aus der der Großteil der Befunde und Funde stammt. So kann mithilfe von Qaṭna eine Verknüpfung des Materials aus Mari und Ugarit erfolgen, während die Befunde aus Qaṭna selbst zudem eine Untersuchung der Entwicklung von Bestattungspraktiken im Hinblick auf das Totenmahl von der Mittleren bis zur Späten Bronzezeit ermöglichen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, durch die Berücksichtigung der archäologischen Befunde, der Funde, der philologischen Quellen sowie der Ergebnisse weitreichender interdisziplinärer Studien alle derzeit zur Verfügung stehenden Informationen zum Thema 3

Pfälzner 2009c: 170.

Totenmahl aus diesen Orten zusammenzutragen und auszuwerten. Das erste Kapitel widmet sich der Definition rele­ vanter Begriffe, erörtert die soziale Dimension des Umgangs mit den Toten und diskutiert verschiede­ne Interpretationsmöglichkeiten der Grabbefunde. Da­rü­ber hinaus dienen einige allgemeine Hinter­ grundinformationen, ebenso wie eine Erläuterung der religiösen Vorstellungen zum Thema „Totenmahl“, zu dessen besserer Einordnung in den altorien­ talischen Kontext. Der theoretische Vorspann dieser Arbeit dient einer Einordnung des behandelten Themas sowie als Leitlinie für die folgenden Kapitel zu den Befunden und Texten in Bezug auf das Totenmahl in Mari, Qaṭna und Ugarit. Die behandelten Aspekte und vor allem das in Abb. 2 dargestellte Schema werden in der Schlussfolgerung erneut zu prüfen und anhand der Ergebnisse der Kapitel zum Material aus den drei syrischen Orten zu ergänzen sein. Themen wie „Ahnenkult“, „Bestattungs-“ oder „Totenrituale“ werden in dieser Arbeit nur inso­fern angesprochen, als es im Zusammenhang mit dem „Totenmahl“ notwendig ist und zum näheren Ver­ ständ­nis oder zu dessen Einordnung beiträgt. Für umfassendere Behandlungen der genannten The­ men sei an dieser Stelle auf die 2017 abgeschlossene Dissertation von M. Lange4 sowie die zurzeit in Vorbereitung befindlichen Doktorarbeiten von P. Andreou und K. Teinz verwiesen.5

1.1 Begriffsdefinitionen und Methodik 1.1.1 Eine Ausgangsdefinition des Totenmahls Die Grundannahme dieser Arbeit ist, dass das „Toten­mahl“ alle Handlungen umfasst, durch die der Totengeist und alle seine weiteren „Existenzformen“ mit Nahrung versorgt werden sollen. Dies können zum einen Speisebeigaben im Grab selbst und ein anlässlich der Bestattung durchgeführtes 4

5

Der Titel der Dissertation von M. Lange lautet: „Religions­ geschichtliche Untersuchungen zum Umgang mit den Toten in ausgewählten nordsyrischen und südostanatolischen König­reichen der Eisenzeit“ (Lange, M. in Vorbereitung). Die Arbeitstitel der genannten Dissertationen, die im Rahmen des Promotionsverbundes „Symbole der To­ ten“ am Institut für die Kulturen des Alten Orients der Universität Tübingen entstehen, lauten „Rituale und symbolisches Handeln: eine vergleichende Untersuchung von Bestattungs- und Totenritualen des 2.  Jahrtausends v. Chr. in Syrien“ (P. Andreou) und „Ahnen und symbolische Stätten der Erinnerung: Untersuchungen zum Ahnenkult des 3. und 2. Jahrtausends v. Chr. in Vorderasien“ (K. Teinz). Erste Ergebnisse der Studien im Rahmen dieses Promotionsverbundes wurden publiziert in Pfälzner et al. (Hrsg.) 2012; 2014.

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Begriffsdefinitionen und Methodik Festmahl oder Bankett sein. Zum anderen wird damit aber auch das – zeitlich von diesen zu differenzierende – Darbringen von Speisen vor einer Statue oder auch das Abhalten eines Banketts mit dem symbolisch anwesenden Toten als Form des Gedenkens bezeichnet. Der Begriff des „Totenmahls“ umfasst in dieser Studie also alle in Bezug auf eine verstorbene Person mit Speisen verbundene Handlungen. Etwaige Einschränkungen hinsichtlich des Bezugs dieser Speisen zu dem Toten und den mit ihrer Darbringung verknüpften Handlungen und deren Intentionen werden im Rahmen der Untersuchungen des archäologischen und philologischen Materials erarbeitet. 1.1.2 Begriffe im Zusammenhang mit dem Totenmahl Die Verwendung von Begriffen wie etwa „Toten­ kult“ oder „Ahnenkult“, die im Zusammenhang mit dem Tod stehen, erfolgt häufig undifferenziert und ohne der jeweiligen Abhandlung eine Definition voranzustellen. Die damit einhergehende fehlende Stringenz führt dazu, dass beispielsweise der Begriff „Totenkult“ für sehr unterschiedliche Aspekte des Umgangs mit den Toten verwendet wird.6 Entsprechend ungenau formuliert findet dieser Begriff Eingang in manches Lexikon, wobei der „Totenkult“ beispielsweise als „die für einen und an einem aktuell Verstorbenen vollzogenen Rituale und Bräuche inklusive der Bestattung“7 definiert wird. Abgesehen davon, dass mit dieser Definition jeder Tote eine kultische Verehrung erhielte (siehe unten), endet dieser Definition zufolge der „Totenkult“ be­reits mit der Bestattung. Dass beide Kriterien für den Begriff „Totenkult“ nicht zutreffend sind und sein können, zeigen die folgenden Begriffsdefinitionen. Da im Zusammenhang mit dem Totenmahl fast jede Handlungsstufe der Hinterbliebenen ab dem Zeitpunkt des Todes einer Person von Bedeutung ist, wird eine Reihe von Begriffen, die im Kontext „Tod“ und „Bestattung“ relevant sind, für die vorliegende Arbeit definiert und in Bezug zu­einander ge­setzt. Voraussetzung für die im Folgenden erläu­ terte Abfolge ist eine ordnungsgemäße Bestattung, die dem Verstorbenen von seinen Angehörigen gewährt wird. Der Tod einer Person betrifft zwei Ebenen. Zum einen ist dies die emotionale Ebene, da der Verlust eines Menschen Trauer bei den Angehörigen hervorruft. Zum anderen ist dies eine pragmatische Ebene, auf der (sofortige, rituelle) Handlungen in Bezug auf 6 7

Ähnlich kritisierten dies bereits Lundström 2000: 6; Kühn 2005: 7 f.; 2011; Kamlah 2009: 258. Buß 2006b.

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den Leichnam erforderlich sind. Dies sind Handlungen wie das Schließen der Augen, die Waschung, evtl. Salbung und die Bekleidung des Leichnams, die als „Leichenpflege“ bezeichnet werden können. Anschließend erfolgt möglicherweise die Aufbahrung im familiären oder, je nach sozialem Status des Verstorbenen, im öffentlichen Rahmen. Der Vorgang der Grablegung selbst ist als „Bestattung“ oder „Begräbnis“ zu bezeichnen.8 Diese Vorgänge werden begleitet von verschiedenen „Trauerriten“, die sich im Alten Orient in der Klage der Angehörigen, dem Raufen, Ausreißen oder Scheren der Haare, dem Bedecken der Kleider mit Staub und dem Schlagen der Brust äußern konnten. Mitunter wurden sogenannte Klagefrauen verpflich­tet, die diese Riten ausführten.9 Das Begräbnis eines Verstorbenen erfolgte aufgrund der klimatischen Verhältnisse im Alten Orient zeitnah, oft noch am selben oder am folgenden Tag,10 und wurde von einem „Begräbnis­ ritual“ begleitet,11 das sich zumindest zum Teil in den im Grab archäologisch nachweisbaren Gegenständen widerspiegelt (siehe auch Kapitel 1.1.4.2). Die in dem vorangehenden Abschnitt genann­ ten (Teil-)Begriffe wie „Ritus“, „Ritual“ und „Kult“ bedürfen einer Präzisierung, ebenso sind die unmittelbar damit zusammenhängenden Begriffe „Totenpflege“, „Totenkult“ und „Ahnenkult“ zu definieren und voneinander abzugrenzen. Dabei ist es unumgänglich, auch die diesen Begriffen zugrunde liegenden Konzepte zumindest in Kürze zu erläutern und die in dieser Arbeit vertretene Auffassung diesbezüglich darzustellen. Eine Diskussion der verschiedenen Deutungsmöglichkeiten, die den 08 Anders als bei Wenning 2006a und Kamlah 2009: 260 wird die „Bestattung“ in dieser Arbeit nicht von dem „Begräb­ nis“ unterschieden, da beide Begriffe etymologisch auf Handlungen zurückzuführen sind, die dasselbe Ziel ver­ folgen: „Begräbnis“/„begraben“ ist auf das Wort „graben“ zurückzuführen (Kluge 2002: 367 s. v. graben) und beinhaltet somit den Vorgang des Anlegens des Grabes, die Platzierung des Leichnams in dem Grab sowie die Verfüllung des Grabes. „Bestatten“ ist „[…] eine Verstärkung des einfachen staten ‚an einen Ort bringen, festlegen‘ […]. Das Wort wird dann verhüllend für ‚ins Grab legen‘ gebraucht“ (Ebenda: 115 s. v. bestatten). R. Poppa, R. Hachmann und S. Penner sowie J.-W. Meyer unterscheiden zwischen Aufbahrungssitte und Beiset­zungs­sitte/Bestattungssitte, definieren diese jedoch unterschiedlich (vgl. Poppa 1978: 19-26; Hachmann – Penner 1999: 171-173; Meyer 2000: 23 f.). D. Hock­mann wiederum fasst unter der „Bestattungssitte“ „a) Grab­form/aufbau/-ort, b) Beisetzungssitte, c) Beigabensitte und d) spezielle Handlungen in zeitlicher wie räumlicher Nähe zur Grablegung“ zusammen (Hockmann 2010: 19); siehe zur Aufbahrung im Alten Orient auch Groneberg 1990: 254-256. 09 Hachmann – Penner 1999: 334; Scurlock 2000: 1885 f.; Cohen 2005: 46-58; Wenning 2006a. 10 Wenning 2006a; Charpin 2008: 71; Veenhof 2008: 99 f.; Jacquet 2012: 124. 11 Kamlah 2009: 260.

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Einleitung

in Gräbern freigelegten Gegenständen zukommen können, erfolgt in Kapitel 1.1.4.2. Während der „Totenglaube“ als Hintergrund der Handlungen zu verstehen ist, die im Zusammenhang mit dem Toten erfolgen, ergeben sich aus ihm die „Totenbräuche“, die wiederum die Handlungen und vorgenommenen Maßnahmen selbst bezeichnen.12 Eine dieser Maßnahmen ist die mit dem von A. Tsukimoto eingeführten Begriff „Totenpflege“13 zu bezeichnende Versorgung der Toten mit Nahrung. Im Zusammenhang mit der „Totenpflege“ wurde mitunter dem Toten gedacht, wobei man von „Toten­ gedenken“ sprechen kann.14 Sofern diese Handlungen als ritualisiert betrachtet werden können, werden sie im Folgenden unter dem Begriff „Totenritual“ zusammengefasst.15 Dabei bezeichnen die Begriffe „Ritus“ und „Ritu­al“ ein soziales Verhalten, das häufig in einem religiösen Kontext steht, aber auch säkulare, z.  B. politische, wiederkehrende Handlungen ansprechen kann.16 Während als „Ritus“ die einzelne Handlung, oder auch die kleinere Sinneinheit zu verstehen ist, bildet das „Ritual“ die größere Sinneinheit, die aus vielen Einzelriten bestehen kann. G. A. Klingbeil folgend kann man sagen, das „Ritual ist die stimmige Sequenz von stilisiertem sozialem Verhalten, das aufgrund seiner Signalwirkung von gewöhnlicher sozialer Interaktion unterschieden wird. Diese Signalwirkung hilft dem ‚Publikum‘ sich auf das Ritu­al an sich zu konzentrieren, und betont, dass es sich um ein außergewöhnliches Ereignis handelt, das an einem besonderen Platz, in einem besonderen Moment, zu einem besonderen Anlass stattfindet und dessen Auswirkungen die Teilnehmer und das Publi­ kum betreffen.“17 Oder, um es mit Nigel Barleys 12 Hachmann – Penner 1999: 169; Tropper 1989: 5 f. 13 Tsukimoto 1985: 22. 14 D. Kühn wählt den Begriff „Totengedenken“ bzw. „Totenmemoria“ anstatt „Totenkult“, um die soziale Di­ men­sion des Umgangs mit den Toten zum Ausdruck zu brin­gen, die ihr zufolge bei dem Ausdruck „Totenkult“ nicht hinreichend berücksichtigt wird (Kühn 2005: 8). Da jedoch der Begriff des „Gedenkens“ nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht lediglich einen Teil des „Kultes“ ausmacht und in dieser Arbeit besonders die Handlungen in Bezug auf die Versorgung der Toten, die mitunter ebenfalls im Rahmen des „Totenkultes“ verortet werden können, relevant sind, scheint der Begriff des „Totengedenkens“ zu eingeschränkt, als dass er als Äquivalent zu „Totenkult“ verwendet werden könnte. Zudem betrifft der Begriff „Totengedenken“ aus Sicht der Autorin auch die Ebene der nicht religiös erhöhten Verstorbenen und ist auch insofern von dem Terminus „Totenkult“ abzugrenzen. 15 Vgl. auch Novák – Oettel 2000: 215. 16 Vgl. Laneri 2007: 2 f. mit einer Darstellung des Bedeutungs­ wandels des Begriffs „Ritual“ und weiterführender Literatur; eine ansprechende Zusammenstellung der Diskussionen zu dem Begriff „Ritual“ ist auch zu finden in Hauser 2012: 1-5. 17 Klingbeil 2010; vgl. für eine religionswissenschaftliche Definition des Begriffs Ritual bzw. Ritus auch Lang 1998.

Worten zu sagen: „Es gehört zu den Merkmalen von Ritualen, daß in ihrem Zusammenhang alles potentiell bedeutungsträchtig wird, über sich hinausweist und Unsichtbares sichtbar werden läßt.“18 Während der Begriff „Ritual“ auch im profanen Be­reich Anwendung finden kann, ist der Terminus „Kult“ in seinem Ursprung mit einer rein religiösen Konnotation belegt. Dabei bilden verschiedene religiöse Rituale ein kultisches System.19 Dieser ursprünglichen Bedeutung des Wortes „Kult“ folgend, werden in dieser Arbeit ausschließlich solche Kontexte als dem „Kult“ zugehörig verstanden, bei denen durch den „Kult“ verehrte Wesen religiös erhöht und die zugehörigen Rituale aus religiösen Motiven heraus ausgeübt werden.20 Da der Kultbegriff folglich eine Erhöhung und Verehrung des im Kult bedachten Wesens beinhaltet, kann der Begriff „Totenkult“ sich wiederum nur auf religiös ver­ ehrte, numinose, Tote beziehen und beinhaltet ihre Verehrung im Rahmen von religiösen kultischen Handlungen, die auch schon zum Zeitpunkt des Begräbnisses einsetzen können.21 So­wohl die „Totenpflege“ als auch die „Totenbräuche“ können Bestandteile des „Totenkultes“ sein, sofern der Adressat dieser Handlungen eine kultische Erhöhung bzw. Verehrung erfuhr. Der Begriff „Totenverehrung“ ist stets im Rahmen des „Totenkultes“ anzusiedeln. Da im Rahmen dieser Verehrung der Tote ebenso mit den üblichen Nahrungsmitteln versorgt werden musste, ist erneut die „Totenpflege“ in diesem Konzept mit eingeschlossen. Im Rahmen des Totenkultes, beispielsweise für einen Herrscher, kann die Totenpflege institutiona­ lisiert und auf staatlicher Ebene ausgeführt werden. Die Verehrung von bestimmten Vorfahren und die gemeinsame Ausführung der Rituale kann zur Bildung einer „abstammungsdeterminierten“ oder, im Falle der Verehrung eines verstorbenen Herrschers, einer „staatlichen Solidargemeinschaft“ führen.22 Die­se Art der Totenverehrung bzw. des Totenkultes fällt oft schon in den Bereich der Ahnenverehrung bzw. des Ahnenkultes (s. u.). Abzugrenzen von der „Totenverehrung“ ist die „Totenabwehr“ gegenüber den ruhelosen Toten­ geistern, die teilweise, bei einer nicht aus­schließlich positiven Auffassung des Überbegriffs „Totenkult“, unter diesem eingeordnet wird (siehe Kapitel 1.2.3).23 18 Barley 2000: 142. 19 In der modernen Verwendung wird der Begriff „Kult“ zwar auch in manchen nicht-religiösen Zusammenhängen synonym zu „Ritual“ gebraucht (Lang 1993: 474 f.; Klingbeil 2010), einer solchen Auffassung des Terminus‘ wird in dieser Publikation allerdings nicht gefolgt. 20 Vgl. auch Lang 1993: 475; Kamlah 2009: 258.. 21 Tropper 1989: 4-6; Kamlah 2009: 258-260. 22 Vgl. Novák 2003: 70. 23 Hasenfratz 2001: 234 f.

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Begriffsdefinitionen und Methodik Eine Unterkategorie zu den Begriffen „Toten­ kult“ und „Totenverehrung“ sind die Begriffe „Ahnen­kult“ und „Ahnenverehrung“, die entgegen ihrer häufig bedeutungsgleichen Verwendung nicht mit ersteren identisch sind. In dieser Arbeit wird konsequent zwischen Toten- und Ahnenkult unterschieden. Dies mag nicht in allen Fällen den historischen Gegebenheiten entsprechen, bei denen die Übergänge bisweilen wahrscheinlich fließend waren und den je­weiligen Bedürfnissen angepasst wurden. Dennoch ist eine solche, modern anmutende Unterscheidung notwendig, wenn man die Befunde differenziert beleuchten möchte. Beim „Ahnenkult“ sind zwar ebenfalls reli­giös verehrte Tote die Adressaten, dieser Begriff drückt jedoch zusätzlich eine persönliche Bin­dung zum Verstorbenen aus. Zudem muss es sich um „besonders hervorgehobene Mitglieder einer Gemeinschaft“24 handeln, die in den „Ahnenstatus“ erhoben wurden. Während in familienbasierten Gesell­schaften die Familienoberhäupter als „Ahnen“ in Erscheinung treten können, bietet die dynastische Struktur eines Königtums ebenfalls die Grundlage für die Entwicklung eines Ahnenkultes.25 In jedem Fall besteht beim Ahnenkult eine „persönliche Bin­ dung“ des Verehrenden zu dem Toten.26 Deshalb sind Nachkommen eine wichtige Voraussetzung für die Ahnwerdung, da sie den Ahnenkult ausführen und gleichsam auf die Abstammungslinie verweisen können, wofür zudem der Name des Verstorbenen bekannt sein muss.27 In diesem Zusammenhang ist auch die soziale Dimension des Ahnenkultes erneut 24 Kamlah 2009: 259. 25 Tropper 1989: 6-11; Kamlah 2009: 259. 26 Lundström 2000: 6-8; Veit 2008 : 23 f.; Kamlah 2009: 258 f. Die textlichen und ethnologischen Quellen legen zudem nahe, dass ein „natürlicher Tod“ wichtige Prämisse für den Ahnenkult ist. mūt ilišu, „natürlicher Tod“ im Gegensatz zu mūt lā šīmtim, „frühzeitiger, unnatürlicher Tod“ (Veenhof 2008: 97; siehe auch Lundström 2000: 7; Kamlah 2009: 259); T.-S. Tsan spricht von einem „(normalen) Tod“ (Tsan 2000: 82). Als „schlimmer Tod“ gilt der Tod durch Krankheit, Kindbettsterben, Krieg, Verbrechen, Selbstmord, Feuer oder Ertrinken (Bauer 1989; Groneberg 1990: 249 f.; Selz 2004b: 47 f.; Hockmann 2010: 8). Die Annahme, dass ein „natürlicher Tod“ Voraussetzung für die Ahnwerdung sei, ist, gerade in Bezug auf die altorientalischen Königtümer, in Frage zu stellen. Als Beispiel kann der Fall des ermordeten Sanherib (688-681 v. Chr.) angeführt werden, dessen Sohn Asarhaddon (680-669 v. Chr.) ihm ein Mausoleum errichtete (Wiseman 1974: 252) und für den kaum angenommen werden kann, dass sein Sohn ihm nicht die Verehrung eines Ahns zukommen ließ. Allerdings waren offenbar drastische Maßnahmen notwendig, um derart rastlose Totengeister dauerhaft zu besänftigen. So richtet Assurbanipal (668630 v. Chr.) gefangene Babylonier an dem Ort hin, wo sein Großvater Sanherib ermordet wurde, um dem Totengeist ein Opfer darzubringen (Scurlock 2000: 1890). 27 Palmisano 1988: 420; Lundström 2000: 7; Tsan 2000: 82; Kamlah 2009: 259

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zu betonen, da der Ahnenkult ein wichtiges Instrument in der Erbregelung sein kann. Die Verehrung der Ahnen obliegt in der Regel dem Familienoberhaupt, sodass dessen Machtposition durch die Ausführung des Ahnenkultes auch für Außenstehende dokumentiert und legitimiert wird. Entsprechend werden, sobald das Familienoberhaupt stirbt, sein Besitz und die Verantwortung für den Ahnenkult auf den Nachfolger übertragen.28 Nach T.-S. Tsan ist die Voraussetzung für Ahnenkult „die Verbundenheit der Lebenden mit ihren Ahnen und die Kommunikation zwischen ihnen sowie die daraus resultierende Notwendigkeit, diese gegenseitige (reziproke) Be­­ ziehung durch Opfergaben, Gebete und andere Rituale aufrechtzuerhalten.“29 Allerdings wird ein dafür prädestinierter Verstor­ bener nicht automatisch zum Ahnen. Um diesen Status zu erreichen, muss er nach einer gewissen Phase der Totenruhe, die auch eine räumliche Trennung von Verstorbenem und Lebenden beinhaltet, mithilfe von Ritualen durch die Hinterbliebenen in den Ah­nenstatus überführt werden.30 Durch diese Rituale, die auch eine Sekundärbestattung der sterb­ lichen Überreste mit einbeziehen können, wird der Verstorbene als Ahn wieder in die Gemeinschaft der Lebenden aufgenommen.31 So bietet in manchen Kulturen „die sichtbare Reduktion der Fleischeshülle auf das Gerippe einen natürlichen Anhaltspunkt für die Trennung des Geistes vom Körper und der Leben­den von dem Toten.“32 Allerdings wird die Dauer dieser Ahnwerdung in den von T.-S. Tsan untersuchten Kulturen sehr unterschiedlich angegeben und kann zwischen einigen Monaten und bis zu drei Jahren betragen.33 Entsprechend wird der Verwesungspro­ zess des Leichnams offenbar nicht überall als Kriterium für die Ahnwerdung angesehen. Bezüglich der Regelmäßigkeit der Kontakt­auf­ nahme mit den Ahnen verweist P. Pfälzner darauf, dass bei den Matakam in Kamerun für die sog. Seelenkrüge, eine Form von Ahnengefäßen, regelmäßig Opfergaben dargebracht werden.34 T.-S. Tsan stellt ebenso bezüglich seiner ethnographischen Beispiele aus Ostasien fest, dass die Kontaktaufnahme mit den Ahnen regelmäßig, zu festgelegten Zeiten statt­ findet.35 Dies ist, neben dem täglichen kleineren Ri­tual, meist am ersten und 15. Tag des Mondmonats 28 Pfälzner 2001a: 390; 2009a: 85. 29 Tsan 2000: 81. 30 Lundström 2000: 6 f.; Tsan 2000: 83; Teinz 2012; ähnliches beobachtet auch Barley 2000: z. B. 114. 31 Lundström 2000: 6 f.; siehe auch Tsan 2000: 83; Keswani 2004: 13 f.; Buß 2006a: 18; Teinz 2012; zur Definition von „Sekun­där­bestattungen“ siehe Wilhelm 2000: 164 f. 32 Barley 2000: 137. 33 Tsan 2000: 83. 34 Pfälzner 2001: 392. 35 Ebenda: 84.

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Einleitung

sowie zu Festtagen und zu besonderen Anlässen. Dabei wird der Ahnenkult interessanterweise nicht nur im Hausbereich, sondern auch am Grab beim jährlichen „Grab­­pflegefest“ ausgeführt. Mitgebrachte Speisen werden ausgelegt und die Toten zum Mahl eingeladen. Nach dem Ritual werden diese Speisen von den Familienmitgliedern gegessen.36 Auf diese Art und Weise werden die Ahnen der letzten drei bis fünf Generationen verehrt.37 Laut M. Bayliss gibt es auch im Alten Orient aus dem altbabylonischen Mari und aus neuassyrischer Zeit Hinweise, dass der Ahnenkult der Könige mehrere Generationen angedauert hat. Für den Ahnenkult von Privatpersonen hingegen ist lediglich eine Vereh­rung der letzten beiden Generationen belegt.38 In der darauffolgenden Phase verändert sich der Status der Ahnen, indem der als Individuum erinnerte Ahn nach wenigen Generationen entweder in ein Kollektiv von Ahnen übergeht oder vergessen wird.39 Ein Übergang des Verstorbenen in das Kollek­tiv der Ahnen kann physisch durch die Umbettung der Gebeine in eine Knochengrube oder ein Ossuarium symbolisiert werden.40 So beispielsweise auch bei den in Kamerun lebenden Dowayo, die die Schädel der Toten in großen Krügen verstauen, „um den Über­gang vom individuellen Toten zum kollektiven Ahn zu markieren.“41 Auch die altorien­talischen Quellen zeugen davon, dass das Indivi­duum nach einer gewissen Zeit in das Kollektiv der Ahnen, eṭem kimti, aufgenommen wurde.42 Jedoch ist davon auszugehen, dass die Ahnwerdung bzw. die Aufnahme in das Kollek­tiv hinsicht­ lich verstorbener Könige im Alten Orient einer anderen Dynamik unterlag als bei den übrigen Mitgliedern der königlichen Familie und anderen Personen, die den Ahnenstatus erlangten.43 Da Könige auch zu legitimatorischen Zwecken im Rahmen des

36 Tsan 2000: 84. 37 A. a. O. 38 Bayliss 1973: 121-125; zum königlichen Ahnenkult auch Tropper 1989: 10 f.; vgl. auch Lundström 2000: 7, Fn. 6. 39 Vgl. Tsan 2000: 84; Scurlock 2000: 1892; Buß 2006a: 18; Hockmann 2010: 14, 25 f.; Pfälzner 2012a: 206 (siehe zur Transformation der Toten zu Ahnen in Qaṭna auch Kapitel 3.3). 40 Vgl. bspw. Hertz 1960: 69 f. Die Schilderung Hertz‘, dass die vollständige Aufnahme in die Gesellschaft der Unterwelt erst mit der Vereinigung der Gebeine des Individuums mit denen seiner Vorfahren erfolgt, ist in Bezug auf den Alten Orient nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung nicht anzunehmen (siehe Kapitel 1.1.3). 41 Barley 2000: 207; siehe auch Pfälzner 2001a: 398, Abb. 12. 42 Bottéro 1992: 279 f.; Abusch 1995: 309; Scurlock 2000: 1888 f.; van der Stede 2007: 24. 43 Vgl. auch Bayliss 1973: 123 f.; Tropper 1989: 10 f.; Bottéro 1992: 280; Laneri 2007: 8 f. mit weiterführender Literatur.

Ahnenkultes verehrt wurden, ist davon auszugehen, dass ihr individueller Status über lange Zeit aufrecht erhalten wurde bzw. bestimmte Ahnen bei Bedarf individuell angerufen wurden, auch wenn sie be­reits in das Kollektiv der Ahnen übergegangen waren. Für diese Zwecke konnten unter anderem die verschiedenen Königslisten herangezogen werden,44 die die Namen der Könige über lange Zeit tradier­ ten. Sie belegen zudem, dass die Könige häufig vergöttlicht wiedergegeben wurden und somit einen abermals erhöhten Status erlangten.45 Dabei ist an die Trennung des „body natural“ und des „body politic“ im Sinne der Theorie der „King’s Two Bo­dies“ zu denken. Während der „body natural“ des Königs be­stattet wurde und ebenso wie alle anderen Leichname vergänglich war, blieb der „body politic“ mittels einer Statue oder auch durch die Anrufung seines Namens präsent.46 Das Beispiel der Verehrung eines verstorbenen Königs verdeutlicht die politische Dimension von Ritualen, die A. Cohen in Anlehnung an D. I. Kertzer diskutiert und folgendermaßen formuliert: „[…] ritual is a powerful means of communication, allowing groups to give voice to claims to power and to convey messages to followers.“47 Abschließend werden in Tab. 1 Kurz­definitionen für die bislang diskutierten Begriffe gelistet, die in Abb. 1 in ihren Bedeutungs­zusammenhängen dar­ gestellt und hierarchisiert werden. In Abb. 2 wird ein Großteil der diskutier­ten Begriffe in ihren Zusammenhängen und den je­weiligen Handlungsebenen in Bezug zueinander gesetzt und sie verdeutlicht nochmals die gebotenen Definitionen. Im Hinblick auf das Totenmahl wird diese Grafik im Schlusskapitel erneut aufgegriffen, um zu überprüfen, an welchen Punkten eine Versorgung durch Speisen in den Orten Mari, Qaṭna und Ugarit festgestellt werden kann.

44 Für einen Überblick über die unterschiedlichen Königslisten siehe Edzard 1980-1983; Grayson 1980-1983. Für die ugaritische Königs- und Götterliste siehe u. a. Pardee 2002: 11-16, 195-210. 45 Diesbezüglich ist anzumerken, dass manche Könige zwar vergöttlicht wurden, dadurch aber nicht unbedingt „gottgleich“ waren. Dies zeigen u.  a. die Königs- und Götterlisten aus Ugarit, die eine eindeutige Hierarchisierung wiedergeben (siehe Kapitel 4.2.3.1). Zudem hielten sich auch die ahngewordenen und vergöttlichten Könige in der Unterwelt auf, wie der Text KTU 1.161 belegt, in dem alle verstorbenen Könige, unabhängig von ihrem Status, aus der Unterwelt evoziert werden (siehe Kapitel 4.2.1). Der Aussage M. Nováks, dass verehrte Vorfahren als heros eponymos zu Haus- bzw. Familiengöttern, ilāni ša bīti, wurden (Novák 2003: 70; in Anlehnung an van der Toorn 1996a; 1996b), ist aus Sicht der Autorin nicht zuzustimmen (siehe für die ausführliche Diskussion zu diesem Thema Kapitel 3.2.2.2). 46 Vgl. Niehr 2006e: 161-164; Pfälzner 2011c: 153 f. in Anlehnung an Kantorowicz 1957; siehe auch Huntington – Metcalf 1979: 119-183 mit Fallbeispielen aus dem Alten Ägypten und der Moderne. 47 Cohen 2005: 13; mit Verweis auf Kertzer 1988: 102-124.

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Begriffsdefinitionen und Methodik Begriff

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Definition Toter mit erhöhtem Status, persönliche Bindung der Hinterbliebenen zum Verstorbenen, in der Regel hervorgehobenes Mitglied der Gemeinschaft/Familienoberhaupt

Ahn Ahnenkult

Totenkult* in Bezug auf Ahnen*

Ahnenverehrung

Totenverehrung* in Bezug auf Ahnen*

Aufbahrung

Ausstellung eines Leichnams im familiären Kreis oder öffentlichen Rahmen

Begräbnis/Bestattung

Vorgang der Grablegung

Kult

Bezieht sich auf religiös erhöhte Wesen; beinhaltet alle rituellen Elemente einer Religion

Leichenpflege

Letzte Behandlung des Leichnams vor der Beisetzung (z. B. Waschung, Salbung, Bekleidung)

Ritual

Setzt sich möglicherweise aus vielen Riten zusammen; ist eine stimmige Sequenz von bestimmten Handlungen mit den unter Ritus* aufgeführten Eigenschaften

Ritus

Einzelne Handlung, die durch wiederholtes Durchführen, überhöhte Bedeutung und erhöhte Signalwirkung von gewöhnlichen Handlungen zu unterscheiden ist

Totenbräuche

Handlungen und Praktiken, die sich aus dem Totenglaube* in Bezug auf den Umgang mit den Verstorbenen ergeben

Totengedenken

Erinnerung des Toten in rituellem Rahmen

Totenglaube

Glaube, der sich auf die Vorstellungen der Unterwelt und das Leben nach dem Tod bezieht

Totenkult

Kultische Verehrung von religiös erhöhten Verstorbenen, kann Totenpflege* und Totenbräuche* mit einschließen

Totenpflege

Regelmäßige Versorgung des Toten in der Unterwelt

Totenritual

Jegliche ritualisierte Handlung in Bezug auf den Toten

Totenverehrung

Totengedenken*, das im Rahmen des Totenkultes* anzusiedeln ist; kann institutionalisiert/auf staatlicher Ebene ausgeführt werden

Trauerriten

Klage der Angehörigen in ritueller Form, mitunter durch Klagefrauen ausgeführt

Tab. 1: Kurzdefinitionen der relevanten Begriffe im Zusammenhang mit dem Totenmahl.

1.1.3 Der Tod als Übergangsritual für die Toten und die Hinterbliebenen „[…] it is through death that the social relationships of the living are defined and expressed.“48 Die vorausgehenden Begriffsdefinitionen zeigen, dass der sozialen Dimension eine besonders wichtige, wenn nicht sogar die Hauptrolle im Kontext von Bestattungen, Totenpflege sowie von Totenund Ahnenkult zukommt. In Bezug auf den Bestattungsvorgang und das Begräbnis hat dies P. Keswani besonders gut auf den Punkt gebracht: „Beyond merely ‘giving the dead their due’, fune­rals are often focal contexts for the negotiation of social hierarchies, the affirmation of social alliances, and the articulation of sanctified propositions about relationships between individuals, groups, their ancestors, and the cosmos.“49 Bereits 1907 deutete R. Hertz Toten­rituale als eine Reihe von Transformationen in den Beziehungen zwischen den Lebenden und den 48 Douglass 1969: 219. 49 Keswani 2004: 1.

Toten, die mit der Vereinigung des Totengeistes mit der Gesellschaft der Ahnen und der Reintegration der Trauernden in die Gesellschaft der Lebenden endet.50 Ähnliche Ansätze, aller­dings auch auf andere Lebensabschnitte anwendbar, ar­bei­tete A. van Gennep ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus.51 Inzwischen ist allgemein anerkannt, dass der Tod, ebenso wie die Geburt, der Eintritt in das Erwachse­ nenalter und die Heirat als Übergangsriten, „rites de passage“, zu betrachten sind. Dabei sind diese in drei Phasen zu unterteilen: Die Ablösungsphase wird durch die Trennungsriten, „rites de séparation“, die Zwischenphase durch die Schwellen- bzw. Umwandlungsriten, „rites de marge“, und die Inte­ gra­tionsphase durch die Angliederungsriten, „rites d’agrégation“, ge­kenn­zeich­net.52 Im Falle des Todes erfolgt das Durchlaufen dieser drei Phasen für den Toten und die Hinterbliebenen nicht zwingend parallel. Stattdessen ist es möglich, 50 Hertz 1960: v. a. 77-86. 51 Van Gennep 2005 (die Originalpublikation „Les rites de passage. Étude systématique des rites“ erschien 1909). 52 Ebenda: 21, 29.

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Einleitung

Leichenpflege Aufbahrung

Begräbnis/ Bestattung

Totenglaube

Totenbräuche

Trauerriten Totengedenken

Totenpflege wenn ritualisiert, dann

Totenritual (bestehend aus einzelnen Riten)

religiös erhöhte Tote

Totenkult

als Ahnen verehrte Tote

Totenverehrung

Ahnenkult

Ahnenverehrung

als Ahnen verehrte Tote

Abb. 1: Hierarchisierung der relevanten Begriffe im Zusammenhang mit dem Totenmahl.

dass sich der Verstorbene bereits in der Integrations­ phase befindet, während sich einzelne Hinterbliebene noch in der Zwischenphase befinden.53 Dabei können auch die Lebenden, je nach Intensität ihrer Beziehung zum Toten, diese Phasen zu unterschiedlichen Zeitpunkten abschließen.54 Im Einzelnen lassen sich die drei Phasen der rites de passage wie folgt auf die den Tod begleitenden Rituale projizieren: Zunächst kann die Ablösungsphase zum Teil bereits vor dem tatsächlichen Eintreten des Todes beginnen, etwa im Falle einer schweren Krankheit, die es den Angehörigen erlaubt, nach und nach vom Sterbenden Abschied zu nehmen. Damit, spätestens aber mit dem Versterben einer Person und den darauf folgenden Handlungen im Rahmen der Leichenpflege, setzen die Tren­ 53 Vgl. Pfälzner 2012a: 205. 54 Van Gennep 2005: 144.

nungs­riten ein, die durch das Begräbnis abgeschlossen werden.55 Gerade die auf die Trennungsriten folgende Zwi­ schen­phase kann für die einzelnen „Beteiligten“ unterschiedlich lang sein. Verschiedene Texte aus dem Alten Orient beschreiben die Reise des Toten in die Unterwelt (siehe auch Kapitel 1.2.3), während der sich der Tote in dieser Zwischenphase befand.56 55 Mit dieser Eingrenzung der Trennungsriten folgt diese Arbeit der Definition von P. Pfälzner, der die Aufbahrung als Bestandteil der Trennungsriten betrachtet (Pfälzner 2012a: 205; anders van Gennep 2005: 144, der die Aufbahrung als Teil der Umwandlungsriten ansieht; allerdings widerspricht sich van Gennep selbst, indem er an anderer Stelle „das Schließen des Sarges oder des Grabes“ als Abschluss der Trennungsriten definiert [Ebenda: 158]). 56 P. Pfälzner sieht die Übergangsphase hauptsächlich durch eine absichtliche Entfleischung der menschlichen Kno­ chen oder eine allmähliche Verwesung des Leichnams ge­ kenn­zeichnet. Er kommt zu dem Schluss, „During this time, of variable length, the dead still maintains a link to

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Begriffsdefinitionen und Methodik Für die Hinterbliebenen stellt diese Phase die Zeit der Trauer dar. In manchen Fällen kann die vorgeschriebene Trauerzeit – verschiedene Texte aus dem Alten Orient legen nahe, dass diese sieben Tage betrug57 – der Dauer der Reise des Toten in die Unterwelt entsprechen.58 In dieser Trauerzeit bilden die Hinterbliebenen eine Gruppe, die weder in der Welt der Lebenden noch in der Welt der Toten zu verorten ist, sondern in gewisser Weise einer „Zwischensphäre“ angehört, da sich die Hinterbliebenen in Kleidung und Verhalten vom Rest der Gesellschaft abheben.59 Dabei hängt die Dauer der Trauer­zeit stark von der Beziehung der Lebenden zum Toten ab und nimmt bei engeren Bindungen zu. Sollte der Tote zu Lebzeiten eine hohe soziale Stellung inne gehabt haben, kann auch eine öffentliche Trauer verhängt werden (Abb. 2, die gestrichelten Pfeile unter den Feldern „Trauerriten“ und „öffentliche Klage“ markie­ren die unbestimmte Länge dieser Phase).60 Die Zwischenphase endet für die Hinterbliebenen mit der Integrationsphase und den Angliederungs­ riten sowie der damit einhergehenden Reintegration in die Gesellschaft der Lebenden. Für den Totengeist (Akk. eṭemmu[m]) besteht die Integrationsphase aus der Ankunft in der Unterwelt und der Aufnahme in die jenseitige Gesellschaft.61 Van Gennep nennt in diesem Zusammenhang das gemeinsame Mahl, das entweder auf die Bestattung folgt und im Rahmen einer Gedenkfeier eingenommen wird, oder am Ende der Trauerzeit stattfindet. Dieses Mahl dient ihm zufolge der Erneuerung der Verbindung zwischen den Hinterbliebenen und manchmal auch dazu, die Verbindung zum Verstorbenen aufrecht­ zuerhalten.62 Somit wurde der Tote zu einem festgelegten Zeitpunkt nach der Bestattung mit Hilfe des Angliederungsritus in die Gesellschaft der Unterwelt integriert. Gemäß van Genneps rites de passage durchläuft ein Toter diese drei Phasen wie oben beschrieben, wobei in unterschiedlichen Kulturen Abwei­ chun­gen möglich sind, etwa dass der Eintritt in

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the living and their society through common meals, visits to the dead and food offerings.“ (Pfälzner 2012a: 205). Nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht ist einerseits der Schlussfolgerung zuzustimmen, dass während der Übergangsphase weiterhin eine Verbindung zwischen dem Verstorbenen und den Hinterbliebenen besteht. Andererseits nimmt die Autorin für die Übergangsphase eine kürzere Dauer an, als dies P. Pfälzner postuliert. Nach dem in dieser Arbeit ausgearbeiteten Modell spielt die Verwesung des Leichnams erst im zweiten Zyklus der rites de passage (siehe unten) eine Rolle. Hauser 2012: 14-16 mit den jeweiligen Belegstellen. Vgl. van Gennep 2005: 143 f. A. a. O.; vgl. bspw. auch Macho 2000: 118 f. Vgl. van Gennep 2005: 143 f.; vgl. auch Scurlock 2000: 1885 f.; Barley 2000: 213 f.; Lundström 2001b: 245 f. Van Gennep 2005: 144, 158 f. Ebenda: 158 f.

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die Unterwelt mal mit der ersten Grablege erfolgt und mal eine Sekundärbestattung notwendig ist, um die Integration in die Unterwelt vollständig abzuschließen. Die Herausforderung, die die archäo­lo­gischen Befunde und die textlichen Quellen aus dem Alten Orient bieten, liegt darin, dass offenbar nicht alle Toten denselben rituellen Prozessen ausgesetzt waren. So existieren Primärbestattungen neben Sekun­därbestattungen, ohne dass anzunehmen ist, dass die in ihrer primären Grablege vorgefundenen Verstorbenen nie in die Unterwelt integriert wurden (siehe für die Bedeutung der Integration der Verstorbenen in die Unterwelt Kapitel 1.2.3). Gleichzeitig muss es rituelle Beweggründe gegeben haben, warum einige Tote eine oder mehrere Umbettungen erfuhren (siehe hierfür Beispielhaft die Königsgruft von Qaṭna, Kapitel 3.3.2 und 3.3.3). Eine Lösung wäre, van Genneps Theorie auf die Toten in unterschiedlichen Bestattungsstadien unterschiedlich anzuwenden: Die, die offenbar lediglich eine Primärbestattung erhielten, wurden demnach bereits mit der ersten Grablege mithilfe der rites d’agrégation in die Unterwelt integriert. Diejenigen, die eine Sekundärbestattung erhielten, verblieben länger in der Zwischenphase und wurden erst mit ihrer Sekundärbestattung Teil der Unterweltsge­ sellschaft.63 Allerdings scheint es unwahrscheinlich, dass in ein und derselben Kultur die einzelnen Toten nach derart unterschiedlichen Jenseitsvorstellungen behandelt wurden. Den keilschriftlichen Quellen zufolge lief man zudem Gefahr, dass der Verstorbene im Diesseits Unheil anrichten konn­te, solange die Sekundärbestattung nicht erfolgte und der Totengeist noch nicht in die Unterwelt inte­griert war (vgl. Kapitel 1.2.3). Da die Theorie der rites de passage ein herausragendes Instrument ist, um Ritual­abläufe schematisch zu untersuchen, sie aber nur dann wirklich wertvoll wird, wenn sie allgemein­gültig für eine Kultur anwendbar ist, ist an dieser Stelle eine Erweiterung von A. van Genneps Konzept im Hinblick auf den Alten Orient vorzuschlagen. Diese Erweiterung verändert nicht die Abfolge der drei Phasen der rites des passage oder spricht ihnen ihre Zusammengehörigkeit ab, sondern beinhaltet eine optionale Wiederholung der rites de passage, die nur dann erfolgt, wenn der Tote in einen anderen „Zustand“ versetzt wird. Um diese Wiederholungen voneinander abzugrenzen, wird im Folgenden von 63 P. Pfälzner schlägt sogar vor, die Sekundärbestattung noch als Teil der Zwischenphase zu definieren und erst mit der Tertiär- oder Quartärbestattung der Verstorbenen – zumindest in Bezug auf die Königsgruft von Qaṭna – die Übergangsriten als abgeschlossen zu betrachten (Pfälzner 2012a: 217). Siehe für seine insgesamt abweichende Zuweisung der unterschiedlichen Stadien des Verstorbenen zu den verschiedenen Übergangsriten Pfälzner 2012a: 205 f., 217.

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Einleitung Behandlung der sterblichen Überreste

Status des Verstorbenen

Handlungen der Angehörigen (private Ebene)

Handlungen der Gesellschaft (öffentliche Ebene)

Eintreten des Todes

1. Zyklus der rites de passage

rites de séparation

rites de marge

Leichenpflege/ Aufbahrung

Aufbahrungsriten

Begräbnis/ Primärbestattung

Begräbnisriten

öffentliche Trauer

Trauerriten

Eintritt in die Unterwelt

rites d‘agrégation

Totenpflege/ Totengedenken

Totenkult (in Bezug auf das Individuum)

3. Zyklus der rites de passage 2. Zyklus der rites de passage

Totenkult (in Bezug auf das Individuum)

rites de séparation

Überführung des Toten in Ahnenstatus

evtl. Sekundärbestattung

rites de marge

Ahnwerdung Ahnenkult (in Bezug auf das Individuum)

rites d‘agrégation rites de séparation rites de marge rites d‘agrégation

evtl. erweiterte Sekundärbestattung

Totenkult/Ahnenkult (in Bezug auf das Individuum)

Überführung des Einzelnen in Kollektiv der Ahnen

Übergang in Kollektiv der Ahnen

Ahnenkult (in Bezug auf das Kollektiv)

Totenkult/Ahnenkult (in Bezug auf die Dynastie)

zwingende Folge des Vorhergehenden keine zwingende Folge des Vorhergehenden und oft nur für bestimmte Individuen vorgesehen

Abb. 2: Die Handlungsebenen und -abfolgen im Zusammenhang mit Totenbräuchen und -ritualen.

dem ersten, zweiten und dritten Zyklus der rites de passage die Rede sein. Der erste Zyklus der rites de passage ist durch die Primärbestattung abgeschlossen. Diesen ersten Zyklus durchlief nach der vorgeschlagenen Definition jeder Verstorbene, unabhängig von der Bestattungsart und von der bestehenden Möglichkeit einer Sekundärbestattung.64 Mit der Schließung des Grabes 64 Für eine andere Auffassung siehe erneut a. a. O.

und den folgenden Angliederungsriten wurde die Aufnahme des Toten in der jenseitigen Gesellschaft gewährleistet und damit die Versorgung desselben in der Unterwelt ermöglicht. Da Sekundärbestattungen nur in bestimmten Fäl­len erfolgen, müssen diese eine Ver­änderung des Daseins des Toten implizieren, die nicht jedem Toten zuteil wird. Dabei ist an den Ahnwerdungs­ prozess zu denken, der bestimmten Mitgliedern der Ge­sellschaft vorbehalten ist. Vor diesem Hinter­

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Begriffsdefinitionen und Methodik grund sind, nach oben angeführter Überlegung, an den abgeschlossenen Handlungsablauf der Integration des Toten in die Unterwelt zwei weitere Zyklen der rites de passage anzuschließen, die die Ahnwerdung begleiten und schließlich in der Aufnahme im Kollektiv der Ahnen münden. Dazu wird der Tote zunächst im Rahmen des zweiten Zyklus der rites de passage (Abb. 2) von seinem Dasein als „einfacher Totengeist“ in den Ahnenstatus überführt.65 Hierbei wird er durch Trennungsriten von seinem bisherigen Status gelöst, was mit dem Aufheben der – möglicherweise zum Teil noch im Verband befindlichen – Gebeine vom ersten Bestattungsplatz einhergehen kann. Der Akt der Umbettung an den Ort der Sekundärbestattung erfolgt im Rahmen der Umwandlungsriten, während denen sich der Tote erneut – wenn auch nur sehr kurz – in einer Zwischenphase befindet. Schließlich wird er mit Hilfe der Angliederungsriten in den Ahnenstatus überführt und die sterblichen Überreste am Bestimmungsort für die Sekundärbestattung niedergelegt. Die Ahnwerdung kann beispielsweise durch Riten, in denen man dem Toten frische Speiseopfer darbringt, abgeschlossen werden. Der dritte Zyklus der rites de passage verläuft ähnlich wie der zweite Zyklus (Abb.  2) und kann mitunter im Rahmen einer weiteren Sekun­ därbestattung von statten gehen: Mit der Aufnahme der Gebeine vom Ort der Sekundärbestattung be­­ ginnt die Ablösungsphase vom Dasein als individuell ansprechbarer Ahn. Der Transport zum Ort der Niederlegung – ein Ossuarium oder auch eine Knochengrube – kann mit der Zwischenphase betitelt werden. Die Ablage der menschlichen Knochen und die damit erfolgende Vermischung mit den Gebeinen anderer Verstorbener führt, begleitet von Angliede­ rungsriten, zur Aufnahme des ahngewordenen Toten in das Kollektiv der Ahnen. Damit und mit der Darbringung von Speisen für das Kollektiv, ist die Integrationsphase abgeschlossen. Aus den dargestellten Überlegungen wird deutlich, dass der zweite und dritte Zyklus der rites de passage vermutlich weniger komplex ausfällt als die anlässlich des Todes einer Person durchgeführten Rituale. Dennoch ist das von A. van Gennep entwickelte Konzept auch auf die nach dem Tod folgenden Übergangsprozesse anwendbar. Die verschiedenen Stadien, die ein Mensch nach seinem Tod erreichen kann und die ethnografischen Belege dafür, dass für die jeweilige Überführung in einen anderen Status festgelegte Rituale notwendig waren, zeigen, dass der Mensch nicht nur zu Lebzeiten und ein letztes Mal mit dem Eintritt seines Todes Gegenstand der rites de passage war. Vielmehr kann angenommen werden, dass auch ein Verstorbener im Alten Orient bei dem Wechsel 65 Ausführlicher beschäftigt sich K. Teinz in ihrer Dissertation mit Ahnwerdungsprozessen (siehe Fn. 5).

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seiner Daseinszustände mehrfach durch die rites de passage begleitet wurde. Möglicherweise sind diese Wechsel der Daseinszustände sogar mit denen zu Lebzeiten zu korrelieren: Dabei wäre die Geburt mit dem Tod gleichzusetzen, wobei der Mensch jeweils in eine „neue Welt“ eintritt; das Erwachsenwerden hingegen könnte mit der Ahnwerdung verglichen werden. Die Heirat wiederum weist als eine Vereinigung mit einer anderen Person und damit mit der Aufnahme in einen erweiterten Verwandtschafts­ kreis interessante Parallelen zur Aufnahme in das Kollektiv der Ahnen auf. 1.1.4 Interpretationsmöglichkeiten und -konzepte für Grabbefunde Eine generell zu stellende Frage im Hinblick auf die Interpretation von Grabbefunden ist, inwiefern die altorientalischen schriftlichen Quellen herangezogen werden können, um den archäologischen Befund zu deuten. Dabei ist eine der größten Schwierigkeiten, dass bislang keine Ritualtexte entdeckt wurden, die explizit die Bestattungsrituale beschreiben würden. Aus diesem Grund liefern vor allem Briefe und die in den Reinigungs- und Löseritualen beschriebenen imitativen Bestattungen Hinweise zur Rekonstruktion der Bestattungsrituale.66 Die möglichen Funktionen der Grabbeigaben werden zudem häufig über mythologische Erzählungen von der Unterwelt hergeleitet (siehe Kapitel 1.2.3). Zwar sind, wie Steven Lundström anmahnt, sowohl die chronologischen Diskrepanzen als auch die regional unterschiedlichen Traditionen zu berücksichtigen, die nur sehr schwer in ihren Einzelheiten erfasst werden können,67 dennoch können die schriftlichen Quellen, auch wenn sie keinen direkten Rückschluss auf den archäologischen Befund erlauben, zumindest Interpretationsmöglichkeiten für den Befund aufzeigen. Der im Folgenden zusammengefasste Forschungs­ stand in Bezug auf die Interpretation von Grabbefunden zeigt, welche Interpretationsmöglichkeiten für im Grab niedergelegte Speisen in Frage kommen. 1.1.4.1 Diversität in den Bestattungsformen als Aus­druck einer differenzierten Gesellschaft? Die große Diversität der im Alten Orient nachgewie­ senen Grab- und Bestattungsformen ist bemerkens­ wert. Es wurden intra- und extramurale Friedhöfe angelegt, Hausbestattungen vorgenommen sowie Felsgräber und Mausoleen errichtet. Die Grabformen reichen von aufwendig angelegten Grüften über aus Lehmziegeln oder Steinen errichtete Kistengräber, einfache Erdgruben sowie Gefäßbestattun66 Lundström 2009: 31-37; 2012; 2013: 125 f.; zu den imitativen Bestattungen siehe vor allem Mofidi Nasrabadi 1999: 34-59. 67 Lundström 2013: 125.

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Einleitung

gen bis hin zu Doppeltopfgräbern. In Grüften und Erdgrubengräbern konnte zudem ein Sarkophag zur Bestattung des Leichnams dienen. An Bestattungsformen sind Brand- und Körperbestattungen nachgewiesen, wobei der Verstorbene im zweiten Fall in hockender oder in gestreckter Position ins Grab gelegt wurde. In den größeren Grabformen waren neben Einzelbestattungen auch Kollektivbestattungen möglich.68 Neben der Varianz bei Grab- und Bestattungsformen zeigt auch die Ausstattung der Gräber große Unterschiede. Von Gräbern, die keinerlei Inventar aufweisen, bis zu solchen, die mit zahlreichen Ob­jekten aus kostbaren Materialien ausgestattet wurden, ist jede Abstufung und Kombination in der Zusammenstellung des Grabinventars denkbar.69 Diese Vielfalt ist nicht ohne Weiteres, wie häufig versucht, generell mit sozialen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Unterschieden zu erklären, sondern kann offenbar auch individuelle Vorlieben widerspiegeln. Beispielsweise muss nicht jede neu auftauchende Grab- oder Bestattungssitte die Zuwanderung neuer ethnischer Gruppen bedeuten. Ebenso wenig sind Unterschiede in der Grabausstattung zwingende Indikatoren für eine soziale Hie­ rarchiesierung.70 Da im Hinblick auf das Totenmahl unter anderem die Ausstattung des Grabes mögliche Rückschlüsse erlaubt, werden die Interpretationsmöglichkeiten der Objekte im Grab in den folgenden zwei Unterkapiteln näher betrachtet. 1.1.4.2 Die Interpretation der Funde im Grab Zunächst ist in Bezug auf das Inventar der Gräber daran zu erinnern, dass stets zwischen dem systemischen und dem archäologischen Inventar zu unterscheiden ist. Das systemische Inventar, welches alle Gegenstände umfasst, die sich ursprünglich im Grab befunden haben, wird durch taphonomische Prozesse71 auf das archäologische Inventar redu­ziert, das die Funde umfasst, die tatsächlich noch bei der archäologischen Freilegung vorgefunden werden.72 Entsprechend ist vor allem in Bezug auf die Inter68 Novák 2003: 63; zur Definition von „Kollektivbestattungen“ siehe Wilhelm 2000: 165 f. 69 Novák 2003: 63. 70 Ebenda: 64-68, 72-74; vgl. auch Ucko 1969: 266-269; Meyer 2000: 21 f.; Keswani 2004: 3; Kümmel 2008: 477 f.; Hockmann 2010: 6-10; ebenso die Vertreter der Postprozessualen Archäologie Hodder 1980; 1982: v.  a. 9-11, 13 f.; Pader 1980: v. a. 143-145, 157 f.; Chapman – Randsborg 1981: 11-14; Parker Pearson 1982: v.  a. 100 f., 112; 1993: v. a. 204-207, 226 f.; 1999: 32 f., 84 f., 94; Shanks – Tilley 1982: 129 f.; Morris 1987: 38-43. 71 Zur Definition taphonomischer Prozesse siehe Sommer 1991. 72 Schiffer 1972; 1976: 26-41; 1983; Pfälzner 2001b: 46-47, Abb. 15; 2011a: 39; Keswani 2004: 22.

pretation des Totenmahls zu berücksichtigen, dass der archäologische Befund nicht den Zustand des vollständigen Inventars bei der Bestattung wider­ spiegeln kann und insbesondere organische Subs­ tanzen zum Teil nur noch sehr schwer nachweisbar sind. Folglich ist zu fragen, welche Aussagen anhand des archäologischen Inventars bezüglich des Totenmahls getroffen werden können und wie die Diskrepanz zwischen dem erwarteten Inventar und dem tatsächlich vorgefundenen zu bewerten ist. Auf diese Pro­blematik wird bei der Diskussion der archäologischen Befunde näher einzugehen sein. Die mehrfach erfolgte Feststellung, dass die Grabausstattung weniger den sozialen Status des Verstorbenen als den der Hinterbliebenen preisgibt,73 ist grundsätzlich sicherlich richtig, dennoch kann aus Sicht der Autorin der Verstorbene nicht von seinen Angehörigen losgelöst betrachtet werden. Vielmehr sind der Tote und die Hinterbliebenen als soziale Einheit zu verstehen, die zwar intern einer weiteren Hierarchisierung unterliegen konnte, aber dennoch als Einheit einen bestimmten Status innerhalb der jeweiligen Gesellschaft besaß. Insofern spiegeln nach der hier vertretenen Auffassung das Grab und dessen Ausstattung den sozialen Status des Verstorbenen und seiner Hinterbliebenen wider. Außer Frage steht allerdings, dass die letzte Auswahl und das Arrangement der Grabbeigaben den Hinterbliebenen oblagen, auch wenn der Verstorbene zu Lebzeiten etwaige Vor­kehrungen getroffen haben sollte. Ebenso kritisch ist die These zu betrach­ten, dass die Ausstattung des Grabes allein auf den sozialen Status des Verstorbenen und der Hinterbliebenen zurückzuführen ist, nach der Prämisse „je reicher die Ausstattung des Grabes, umso höher die soziale Stellung des Verstorbenen bzw. seiner Angehörigen“. Diese Annahme ignoriert gleich mehrere Aspekte.74 Besonders wichtig sind zwei Punkte: Zum einen muss der Umfang der Grabausstattung nicht zwingend den Wohlstand eines Individuums im Vergleich zu den restlichen Bestattungen eines Friedhofes widerspiegeln. Die wirtschaftlichen Verhältnisse und damit auch die Möglichkeit einer Ge­sellschaft, die Verstorbenen mit umfangreichen Gaben auszustatten, kann sich innerhalb der Belegungszeit eines Friedhofes verändern, sodass Umfang und Qualität der Ausstattung auch auf chronologische Entwicklungen zurückgeführt werden können.75 Zum anderen kann die Ausstattung der Gräber auch abhängig vom Geschlecht und Alter des Bestatteten variieren. Allerdings erlaubt diese Feststellung nicht, auf der Basis von wenigen anthropologisch untersuchten Bestattungen, Ge­­schlechts­bestimmungen 73 Siehe z. B. Barley 2000: 152; Novák 2003: 72. 74 Siehe zu dieser Problematik auch Novák 2003: 72. 75 Vgl. a. a. O.

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Begriffsdefinitionen und Methodik allein aufgrund der Beiga­ben vorzunehmen. Dies mag in Einzelfällen zum richtigen Ergebnis führen, birgt aber die Gefahr, dass man bei einer falschen Grundannahme zu falschen Schlüssen bezüglich der sozialen Dimension dieser Bestattungen gelangt. Beispielsweise werden dem König Ur-Nammu in der literarischen Überlieferung Geschenke für die Unterweltsgöttin mitgegeben. Würde man diese Objekte im archäologischen Kontext finden und fälschlicherweise für persönliche Gegenstände des Verstorbenen halten, käme es zum eben beschriebenen Trugschluss.76 M. Novák folgend müssen somit „[…] zur Be­stimmung tatsächlich vorhandener sozialer Un­ter­schiede innerhalb einer Gesellschaft anhand der Ausstattung von Gräbern zunächst chronologi­ sche, geschlechts- und altersspezifische sowie reli­ giöse Faktoren berücksichtigt und archäologisch heraus­gefiltert werden […].“77 Um entsprechend ein möglichst differenziertes Bild der Bestattungsvorgänge, der sie begleitenden Rituale und der ausführenden Gesellschaft zeichnen zu können, ist es unumgänglich, alle verfügbaren Informationen zusammenzuführen und neben dem archäologischen Befund auch anthropologische Untersuchungen und die philologischen Quellen heranzuziehen.78 Für die Kulturen Vorderasiens können wir auf verschiedene Texte zurückgreifen, die das Leben in der Unterwelt beschreiben (siehe Kapitel 1.2.3). Dies ermöglicht Interpretationsmodelle, die der alt­ orien­talischen Kultur angepasst sind. Dabei wird in dieser Arbeit grundsätzlich P. Pfälzners Kon­zept gefolgt, bei dem die mit den Funden verbundenen Handlungen in den Vordergrund gestellt werden. Von diesem Konzept ausgehend ist es das Ziel der durchgeführten Untersuchungen, vom archäo­ logischen Befund auf die (ri­tuellen) Handlungen zu schließen, die diesen Befund geformt haben. Sofern diese Handlungen rekonstruiert werden können, ist es erstrebenswert, auch die ideellen Vorstellungen und Intentionen dieser Handlungen vor allem im Hinblick auf das Totenmahl zu ergründen.79 Die von P. Pfälzner vorgeschlagenen Kategorien sind zunächst als theoretisches Modell zu betrach­ ten, anhand dessen eine Interpretation von Grabbefunden zu versuchen ist. Auch wenn es sich von selbst versteht, dass der tatsächliche Grabbefund es kaum erlaubt, alle im Grab gefundenen Gegenstände zu kategorisieren, ist es dennoch notwendig, einen Katalog zu erstellen, der die möglichen Optionen zur Interpretation eines Objekts vor Augen führt.

76 77 78 79

Vgl. Ebenda: 72 f. Ebenda: 73. Vgl. auch Ebenda: 74 f. Vgl. Pfälzner 2011a: 50.

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Die Objekte im Grab sind demnach in folgende Kategorien zu unterteilen:80 • Beigaben • Ritualobjekte • Gebrauchsobjekte • Streufunde Dabei erfüllen die „Grabbeigaben“ meist eine symbolische Funktion in Bezug auf den Toten. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise an die Auflistung von Beigaben bei der Bestattung eines neuassy­ rischen Königs zu denken, in der es heißt: „Rs. Kol. ii 13’ Geräte aus Gold und Silber, 14’ alles, was zur Ausstattung eines Grabes gehört 15’ (und) seiner Herrschaft angemessen ist, 16’ das, was er liebte, 17’ zeigte ich in Gegenwart von Šamaš 19’[sic!] und 20’ legte (es) 19’ zusa[mm]en mit dem Vater, meinem Erzeuger 20’ ins Grab. 21’ [Ge]schenke für die fürstlichen 22’ Anunnaki 23’ und die Götter, die in der Unte[rw]elt wohnen 24’ schenkte [ich].“81 Dieser Text nennt bereits zwei der fünf funktio­nalen Untergruppen, die P. Pfälzner im Hinblick auf die Kate­gorie „Grabbeigaben“82 definiert. Diese können folgendermaßen zusammengefasst werden: „Beigaben mit persönlicher Funktion“ zur Gewährleistung der „[…] Kontinuität der ‚individuellen Person‘.“: Dabei handelt es sich um den persönlichen Besitz des Verstorbenen zu dessen Leb­zeiten, der die Identität des Verstorbenen konser­ vieren soll.83 80 Ebenda: 48. 81 Rs. Kol. ii 13’ ú-nu-ut KÙ.GI KÙ.BABBAR 14’ mim-ma tar-si-it KI.MAḪ 15’ si-mat be-lu-ti-šú 16’ ša i-ram-mu 17’ ma-ḫar dUTU 18’ ú-kal-lim-ma 19’ i[t]-ti AD ba-ni-a 20’ a-na KI.MAḪ GAR-un 21’ [q]i-šá-a-ti a-na mal-ki 22’ dA-nun-naki 23’ ù DINGIR.MEŠ a-ši-bu-ut K[I-t]im 24’ [ú-q]a-a-a-iš (Transliteration und Übersetzung: Lundström 2013: 139, Fn. 104). 82 Zur Unterteilung der Objekte im Grab in die Kategorien „Beigaben“, „Mitgaben“ und „Tracht“ siehe Hachmann – Penner 1999: 172-174; Meyer 2000: 24; zur Unterteilung in Beigaben und Tracht siehe Novák – Oettel 2000: 218 f.; berechtigte Kritik an diesem Konzept äußert P. Pfälzner 2011a: 48, Fn. 39; vgl. auch Lundström 2013: 125-141. In die Kategorie der „Grabbeigaben“ fallen entsprechend der hier vertretenen Definition auch die von J. N. Postgate festgelegten Gruppen: „a) personal ornaments etc., inse­pa­ rable from the body; b) possessions peculiar to the individual (such as cylinder seal, toilet-set, and perhaps a weapon or two); c) possessions intended for the use of the individual, but not necessarily peculiar to him or her during life; d) food and drink offerings and their containers (for own consumption); e) food and drink offerings and their containers (for the consumption of others)“ (Postgate 1980: 77). 83 Pfälzner 2011a: 49 (Hervorhebung im Original).

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Einleitung

„Beigaben mit Prestigefunktion“ zur „[…] Repro­ duktion der ‚sozialen Person‘ im Jenseits.“: Darunter sind Objekte zu verstehen, die zu den Pres­tige­gütern der Gesellschaft gehören und anhand derer „die soziale Stellung des Verstorbenen im Tod / im Jenseits“ definiert wird.84 Teil dieser Beigaben ist auch die Tracht,85 die, auch wenn sie zum persönlichen Besitz des Verstorbenen gezählt haben sollte,86 als Statussymbol betrachtet werden kann.87 „Beigaben mit Benutzungsfunktion“ „[…] die­­nen der Aktion der ‚sozialen Person‘.“88: Unter diesen Beigaben sind solche Gegenstände zu verstehen, die für den Verstorbenen einen praktischen Nutzen in der Unterwelt besaßen. Dazu zählen sowohl Gebrauchsgüter, die im „Alltag“ im Jenseits Verwendung fanden, wie auch Objekte, die als Geschenke für die Unterweltsgötter gedacht waren oder Hilfsmittel für die Reise in die Unterwelt. „Beigaben mit symbolischer Funktion“ beziehen sich auf einen Aspekt der „individuellen Person“: Dazu zählen Objekte mit symbolischer oder apotropäischer Wirkung, die dem Schutz des Verstorbenen dienen.89 „Beigaben mit reziproker Funktion“ zur „[…] Kontextualisierung der ‚sozialen Person‘.“: Dabei handelt es sich um Geschenke von außenstehenden Personen an den Verstorbenen, die im Grab depo­ niert wurden. Diese Objekte sollen die persönliche, soziale und politische Verbindung mit dem Toten veranschaulichen.90 Zu der zweiten eingangs genannten Kategorie der „Grabritualobjekte“ zählen beispielsweise Kultgeräte, Libationsgefäße oder auch Opferschalen. Sie werden bei der Durchführung von Ritualen oder anderen Aktivitäten am Grab verwendet. Während die „Grabritualobjekte“ direkt und in aktiver Weise verwendet werden, haben die „Grabgebrauchs­ objekte“ nur eine indirekte und passive Funktion. 84 A. a. O. (Hervorhebung im Original). 85 Bei der Tracht handelt es sich um die Kleidung des Toten sowie Schmuck und andere vom Toten getragene Gegenstände, wie Siegel, Amulette und Waffen, die untrennbar vom Körper des Bestatteten sind (siehe auch Postgate 1980: 77). Zur Veränderung der Lage von Objekten, die sich während der Verwesung direkt an dem Leichnam befanden, siehe Wilhelm 2000: 163; zur Einwirkung der taphonomischen Prozesse auf das Skelett siehe Witzel 2000. 86 Vgl. auch Poppa 1978: 36-49; Strommenger 1957-1971: 605 f.; Hachmann – Penner 1999: 171 f.; Meyer 2000: 24; allerdings ist es nicht zwingend, dass die Tracht, die der Verstorbene trägt, seinen persönlichen Besitz darstellt (siehe auch Lundström 2013: 138). Schmuckstücke können dem Toten beispielsweise auch von den Familienmitgliedern nach dem Tod angelegt worden sein. Solche Objekte werden von Hachmann und Penner als „Liebesgaben“ bezeichnet (Hachmann – Penner 1999: 173). 87 Pfälzner 2011a: 49. 88 A. a. O. (Hervorhebung im Original). 89 A. a. O. 90 A. a. O.

Unter den „Grabgebrauchsobjekten“ sind Bah­ ren und Särge sowie Werkzeuge zur Errichtung des Grabes zu verstehen.91 Vorratsgefäße sind abhängig von ihrer Position und der daraus ableitbaren Funktion entweder als „Gebrauchsobjekte“ zu verstehen, wenn sie Speisen enthielten, die beispielsweise von den Hinterbliebenen verteilt wurden, oder als „Beigaben mit Benutzungsfunktion“, wenn sie der ständigen Versorgung des Toten oder als Geschenk für die Götter dienen sollten. Die von P. Pfälzner eingeführte Kategorie der „Grabstreufunde“ bezeichnet Objekte, die sich zusam­men mit Schutt in dem Grab abgelagert ha­ben oder dort verloren wurden. Ebenso bezeichnet P. Pfälzner „Abfall in Form von Essensresten“ als „Grabstreufund“ und verweist darauf, dass diese „einen Hinweis auf Mahlzeiten in einem Grab liefern“ können.92 Dieses von P. Pfälzner erstellte Modell hat gegen­ über den bislang gängigen Interpretationsmo­dellen zwei entscheidende Vorteile: Zum einen orien­ tiert sich die Unterteilung der Grabbeigaben in die fünf Unterkategorien an den Vorstellungen vom Leben nach dem Tod in Vorderasien (siehe Kapitel 1.2.3). Im Gegensatz dazu verwenden J.-W. Meyer, R. Hachmann und S. Penner sowie R. Poppa die Funktion der Gegenstände im Alltagsleben als Grundlage für die Kategorisierung und fragen von dieser ausgehend nach der Funktion im funerären Kontext.93 Unter diesem Gesichtspunkt ist das vorgestellte Konzept konkret auf den Alten Orient anwendbar und bietet eine wesent­lich präzisere Kategorisierung als die traditionelle Unterteilung in „Beigaben“, „Mitgaben“ und „Tracht“. Der zweite Vorteil ist, dass die Kategorien „Grabritualobjekte“, „Grab­ge­brauchsobjekte“ und „Grabstreufunde“ eine Zuord­nung auch derjenigen Objekte zulässt, die nicht direkt mit dem „Dasein“ des Toten in der Unterwelt im Zusammenhang stehen. Diese Objekte wären bei den traditionellen Erklärungsmodellen zum Teil entweder in unpassenden Kategorien eingeordnet worden oder hätten in dem jeweiligen Modell nicht ihrer Funktion entsprechend berücksichtigt werden können. Es ist allerdings anzumerken, dass P. Pfälzner dieses Modell im Hinblick auf die Königsgruft von Qaṭna und somit für einen sehr komplexen Grabbefund entwickelt hat. In Bezug auf weniger komplexe Bestattungen ist daher nicht zu erwarten, dass alle von ihm entwickelten Kategorien zur Anwendung kommen. Im Umkehrschluss bietet dieses Modell die Möglichkeit, sehr unterschiedliche Grabbefunde 91 Vgl. Ebenda: 48. 92 A. a. O. 93 Hachmann – Penner 1999: 171-174; Poppa 1978: 3649; Meyer 2000: 24. Vgl. auch die berechtigte Kritik bei Lundström 2013: 127-136.

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Begriffsdefinitionen und Methodik anhand gleicher Prämissen zu untersuchen und es zugleich umso umfassender anzuwenden, je komplexer der jeweilige Befund ist. Im Hinblick auf das Totenmahl sind die unter die Kategorie „Grabbeigaben“ fallenden Objekte besonders interessant. P. Pfälzner merkt bezüglich der Unterteilung der „Grabbeigaben“ in die verschiedenen Funktionsgruppen selbstkritisch an, „[…] dass es innerhalb der großen Gruppe der Grab­beigaben im Allgemeinen schwer oder sogar unmöglich ist, an Hand der konkreten archäologi­ schen Objekte zu unterscheiden, welche Intention mit ihrer Darbringung verbunden war, d. h. welcher Variante von Kategorie I [Anm. = Grabbeigaben] sie zuzurechnen sind.“94 Immerhin können mithilfe der keilschriftlichen Texte mögliche Interpretationen für die Intentionen zumindest in Hinblick auf die Speisebeigaben angeführt werden. Vor allem die Untergruppe der „Beigaben mit Benutzungsfunktion“ schließt verschiedene der Funktionen, die den Keramik- und Speisebeigaben zugedacht gewesen sein können, mit ein (siehe Kapitel 1.1.4.3). In dieser Kategorie sind alle Objekte zusammenzufassen, die „der Aktion der ‚sozialen Person‘“95 dienen, worunter zum einen die Objekte für den „Gebrauch“ durch den Verstorbenen in der Unterwelt fallen, aber auch die Geschenke für die Unterweltsgötter. Die Geschenke für die Götter sind dem Toten indirekt dadurch nützlich, dass die Götter gnädig gestimmt werden und so die Eingliederung des Toten in die Gesellschaft der Unterwelt erleichtert wird. Per Defi­nition ist bei Gaben für Gottheiten oder erhöhte numinose Wesen von „Opfern“ zu sprechen.96 Da die „Libation“ als „Trankopfer“ definiert ist, gilt für sie ebenfalls, dass sie Gottheiten oder numinosen Wesen dargebracht wurde.97 Eine Unterscheidung zwischen den Beigaben für den Toten selbst und den Geschenken für die Götter allein anhand des archäologischen Befundes ist, wenn überhaupt, nur schwer möglich. Lundström kritisiert eine Unterteilung der Kategorien nach den von R. Hachmann und S. Penner98, R. Poppa99 sowie J.-W. Meyer100 angewandten Kriterien: „Lage des Ob­jektes“, „Beziehung des Toten zum Objekt“ und „Funktion des Objektes“. Für die vorliegende 094 Pfälzner 2011a: 50. 095 Ebenda: 49 (Hervorhebung im Original). 096 Seiwert 1998: 269 I. 1.; Mayer – Sallaberger 2003-2005: 94 § 1, § 3.1. 097 Heimpel 1987-1990; Kamlah 2009: 270; Kampling 2009: 165. 098 Die Einteilung der Objekte im Grab in Mitgaben und Beigaben nehmen R. Hachmann und S. Penner anhand der Lage im Verhältnis zum Toten vor (Hachmann – Penner 1999: 174-181). 099 Poppa 1978: 36-49. 100 J.-W. Meyer wendet dies auf den sog. Königsfriedhof von Ur an und unterteilt die Objekte anhand ihrer Lage in Bei- und Mitgaben (Meyer 2000: 26-31).

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Arbeit besonders hervorzuheben ist sein Kritikpunkt, dass auch mögliche diachrone Entwicklungen und regionale Unterschiede beispielsweise in Mesopotamien und Syrien in Bezug auf die Lage eines Objekts berücksichtigt werden müssen.101 Die Tatsache, dass in den schriftlichen Quellen keine Angaben zur Lage der Objekte gemacht werden, wird von Lundström als Indiz gedeutet, dass diese nur eine untergeordnete Rolle spielte. Eine seiner Schlussfolgerungen lautet: „Die Funktionen und persönlichen Bezüge, die sich für Beigaben aus den schriftlichen Quellen herausarbeiten lassen, können theoretisch wohl für alle Objekte vorausgesetzt werden, ganz gleich, wo diese im Grab liegen. Die Mängel der archäologischen Modelle könnten also darin begründet sein, dass die archäologischen Befunde die damit verbundenen Interpretationswünsche gar nicht beantworten können, da bei der Einrichtung und Ausstattung der Gräber diese Frage gar keine Rolle spielte.“102 Zwar könnte Lundström durch­aus Recht damit haben, dass die Lage der Objekte nicht erwähnt wurde, weil sie eine eher geringe Rolle spielte, allerdings kann es ebenso gut sein, dass sie deshalb nicht thematisiert wurde, weil die Regeln, nach denen man die Objekte im Grab deponierte, allgemein bekannt waren, auch wenn sich diese möglicherweise regional unterschieden. Zudem ist seiner Argumentation entgegenzusetzen, dass zwar, den Texten folgend, in Bezug auf ver­ einzelte Gräber die Grabbeigaben möglicherweise in ihrer Funktion gedeutet werden können,103 jedoch auch hier das Argument der diachronen Entwicklung und der regionalen Unterschiede gelten muss. Somit können die in größerer Anzahl aus Mesopotamien bekannten Texte nicht ohne Weiteres auf die Grabbefunde in Syrien projiziert werden. Mangels ähnlich detaillierter Schilderungen in den aus Syrien stammenden Keilschrifttexten kann die Konsequenz nicht sein, dass für die Grabbefunde in Syrien keine Deutung zulässig ist. Stattdessen ist es, entgegen Lundströms Kritik, aus Sicht der Autorin möglich, in einigen Fällen anhand der Lage eines Objektes sehr wohl die Beziehung zum Verstorbenen und damit die Funktion des Objektes zu erschließen. Dies gelingt beispielsweise in Mari, wo manchen Toten eine Schale auf das Becken gestellt und die Hände 101 Lundström 2013: 136 f.; Lundström führt die Beispiele der Königsgrüfte von Assur und Qaṭna an (Ebenda: 137, Fn. 99). 102 Ebenda: 141. 103 Dies gilt beispielsweise für den Text „Tod des Ur-Nammu“ im Vergleich mit dem Grab PG 755, dem Grab des Mes-kalamdug vom sog. Königsfriedhof von Ur. Dabei weisen die in dem Text genannten Geschenke für die Unterweltsgötter zahlreiche Übereinstimmungen mit den Grabbeigaben in dem genannten Grab auf (eine Wiedergabe des Inhalts der entsprechenden Zeilen ist zu finden in Kramer 1967: 111; für eine Beschreibung des Grabbefundes siehe Woolley 1934: 155-160).

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Einleitung

des Toten in dieser Schale platziert wurden (siehe Kapitel 2.1.1.3.2 und 2.1.1.4.1.4). Bei einem solchen Befund nicht von einer direkten Beziehung des Toten zum Objekt zu sprechen, würde dem archäologischen Befund nicht gerecht werden. 1.1.4.3 Die Deutung der Speise- und Gefäßbeigaben im Grab Einen eindeutigen Nachweis für die Niederlegung von Speisen im Grab stellen Tierknochen oder Kerne verschiedener Früchte sowie Getreide­körner dar. Ein weiterer häufig angeführter Nachweis für die Einbringung von Speisen ins Grab sind Keramikgefäße. In Anlehnung an das vorherige Kapitel ist an dieser Stelle auf die Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten hinzuweisen, die Speisebeigaben zukommen können. Sollten diese für den Toten selbst vorgesehen gewesen sein, wäre zu überlegen, ob es sich um eine dauerhafte oder temporäre Versorgung handeln sollte, wobei sich die temporäre Versorgung auf eine Übergangsphase zwischen Dies­seits und Jenseits beziehen und die dauerhafte Versorgung dem Dasein in der Unterwelt gelten würde.104 Darüber hinaus sind auch andere Interpretationen zu erwägen. So wäre ebenso eine Deutung als Geschenk bzw. Opfergabe für die Unterweltsgötter oder für bereits vergöttlichte Tote105 denkbar. Zudem kann es sich bei Gefäßen und Speiseresten um die Überbleibsel eines Totenmahls am Grab handeln, wobei es sich sowohl um von der Trauer­ gemeinde genutzte Gefäße als auch um das „Essgeschirr“ handeln könnte, welches dem Toten für die Teilnahme am Bankett ins Grab gelegt wurde.106 Des Weiteren wäre denkbar, dass es sich bei den Gefäßen um Wertgegenstände handelte, die den sozialen Status anzeigen und/oder dem persönlichen Besitz des Verstorbenen zugeschrieben werden konn­ten.107 Die Verwendungen, die sich aus den Keilschrifttexten für die Speisebeigaben im Grab herleiten lassen, sind ebenfalls mannigfaltig, sodass auch unter Berücksichtigung dieser Quellen keine eindeutige Interpretation gefunden werden kann: Bei 104 Vgl. Winter 1999: 250. 105 In einem solchen Fall wird in den Texten des ersten Jahrtausends v. Chr. aus Mesopotamien auch von einem kispu gesprochen (Mofidi Nasrabadi 1999: 65 f.). 106 Cohen 2005: 90; vgl. auch Felli 2012: 91 f. 107 Vgl. Kamlah 2009: 263; Kamlah schränkt seine Auflistung an Interpretationsmöglichkeiten selbst ein, indem er es für unwahrscheinlich erachtet, „dass es sich bei den unzähligen Keramikgefäßen in den Gräbern jeweils um die Lieblingstöpfe der Verstorbenen gehandelt hat“ (Ebenda: 263, Fn. 34). Er nennt außerdem noch die Möglichkeit, dass die Keramikgefäße die Überreste eines nicht-religiösen Totenmahls darstellen könnten, erklärt aber auch diese Option für unwahrscheinlich (a. a. O.); zu einer Diskussion der verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten für Speiseund Keramikbeigaben im Grab siehe auch Patrier 2014: 264269.

den „imitativ magischen Bestattungen“ werden die Speisen als „Reiseproviant“ bezeichnet.108 In dem Text „Ur-Nammus Tod“ bringt Ur-Nammu Stiere, Hasen und Schafe als Geschenke für die Götter,109 aber auch Stiere und Schafe, um ein Bankett für die „Bewohner“ der Unterwelt auszurichten.110 Somit lassen nur die Texte der „imitativ magi­ schen Bestattung“ den Schluss zu, dass im Grab deponierte Speisen für den Toten selbst, genauer für dessen Reise bestimmt waren. Aus dem litera­ rischen Werk „Ur-Nammus Tod“ lässt sich hingegen ableiten, dass Speisebeigaben im Grab nicht für den Toten selbst, sondern für die Götter bzw. für die anderen Bewohner der Unterwelt vorge­ sehen waren. Zwar ist durchaus denkbar, dass auch Ur-Nammu selbst an dem von ihm ausgerichteten Bankett teil­nimmt, allerdings sind die Speisen nicht für ihn allein gedacht gewesen. Zudem ist an dieser Stelle die Inschrift auf der Stele der Mutter des Nabonid (555 – 539 v. Chr.), Adad-guppiʾ, zu nennen, in der berichtet wird, dass direkt im Anschluss an die Grablege der Königsmutter Rinder und Widder geschlachtet und die Teilnehmer der Trauerfeier zusammengerufen wurden.111 Damit wird in diesem 108 Sürenhagen 2002: 326 f. Texte aus dem 1. Jahrtausend v. Chr., die die Speisen explizit als (Reise)proviant auszeichnen, wurden beispielsweise publiziert in Mofidi Nasrabadi 1999: 44, 46 (II.4.6.1: 6), 46, 48 (II.4.6.5: 85), 50 (II.4.7: 18 f.), 64 (II.5.4: 17 f.); weitere Texte, für die B. Mofidi Nasrabadi „Reiseproviant“ auflistet (Ebenda: 65: II.2.2.1, II.3.1?, II.3.2, II.4.2, II.4.9), benennen die Speisen nicht explizit als Proviant, weshalb sie an dieser Stelle nicht mit einbezogen werden. 109 „84 The faithful shepherd – his heart knew of the cultic norms of the netherworld: 84a Urnamma – his heart knew of the cultic norms of the netherworld: 85 The king offers sacrifices for/of the netherworld, 86 Urnamma offers sacrifices for/ of the netherworld, 87 As many perfect bulls, perfect bucks and fattened sheep as could be brought. […] 90 To Nergal, the Enlil of the netherworld, Shepherd Urnamma offers as a sacrifice in his palace.“ und erneut in der Zusammenfassung aller Geschenke für die Götter: „128a [The magnificent bulls], the per[fect bu]cks and the fattened sheep [which have been brought?], 129 [The magnificent bulls], the perfect bucks and the fattened sheep which have been obtained?, 130 […] . . . . 131 He [giv]es? to the [Anun]a?, the great e n s i 2 of the netherworld.“ (Flückiger-Hawker 1999: 116 f., 123 f., siehe auch den Kommentar bei Ebenda: 172). 110 „81 The king slaughters numerous bulls and sheep. 82 Urnamma seated them (i.e. the people of the netherworld) at huge banquet-tables. 83 (For) the food of the netherworld is bitter and the drink of the netherworld is salty.“ (Ebenda: 116, siehe auch den Kommentar bei Ebenda: 172). 111 „[…] (15) mit wohlriechendem Öl [salbte?] er ihren Leichnam [und] (16) legte (ihn) ins Verborgene. Gemästete [Rinder] und Widder sch[lachtete er zahlreich] (18) (und) versammelte vor sie (=Hadad-ḥappe) die Leu[te von] (19) Bābil und Barsipa und die Kö[nige,] (20) die in fernen Bezirken wohnen, [Fürsten] (21) und Statthalter von [der Grenze zum] (22) Lande Ägypten am ob[eren]Meere (23) bis zum unteren Meere b[ot er auf, und] (24) eine Trauer und […] (25) ein Weinen se[tzten sie] bitterlich [auf und] (26) erhoben ihr Klagegeschrei.“ (Schaudig 2001: 513).

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Begriffsdefinitionen und Methodik Text das Schlachten zahlreicher Tiere mit dem Begräbnis und der Trauerfeier verknüpft. Zwar wird aus dem Text nicht deutlich, ob die Überreste dieser Feierlichkeit im Grab deponiert wurden, dennoch sollte dieser Fall bei der Untersuchung von Grabbefunden in Hinblick auf Speisebeigaben berücksichtigt werden. Einen Text, der eindeutig belegt, dass die im Grab deponierten Speisen für den Toten selbst und dessen Dasein in der Unterwelt vorge­sehen waren, gibt es nach Kennt­nis der Autorin nicht. Fraglich ist, ob eine Unterteilung entsprechend der in den Texten erwähnten Funktion im archäo­ lo­gischen Befund möglich ist und ob der archäologische Befund Interpretationsmöglichkeiten zulässt, die aus den Texten nicht abgeleitet werden können. Um diese Fragen zu beantworten, werden zunächst die vorhandenen Gefäßformen im Grab näher untersucht. Zur Frage der Funktion bestimmter Gefäße bedürfen die verschiedenen Gefäßformen, die in den Gräbern gefunden wurden, einer näheren Betrach­tung. Dafür werden die Untersuchungen von P. Pfälzner und K. Duistermaat herangezogen.112 Die Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten der Gefäßformen werden im Folgenden kurz zusammengefasst und dienen als Grundlage für die Interpretationsvorschläge der Keramikgefäße113 in den Gräbern. Allerdings werden die Gefäßfunktionen auf die für den Grabkontext in Frage kommenden Funktionen reduziert, da eine Nutzung beispielsweise zur Zubereitung von Nahrung in diesem Themenzusammenhang irrelevant ist. Die Gefäßformen im Einzelnen: Näpfe, kleine bis mittlere Schalen und Schüs­ seln:114 Diese dienten der kurzfristigen Lagerung von fester und flüssiger Nahrung sowie dem Servieren 112 Als Kriterien für mögliche Funktionen und Nutzungsweisen der unterschiedlichen Gefäßformen wurden die Ware, Herstellungstechniken, Form, Größe, Fassungsvermögen, Behandlung der Oberfläche, Dekor und Besonderheiten in Bezug auf das Gefäß an sich sowie Brandspuren, Rückstände des Inhalts, Nutzungsspuren und der archäo­lo­gische Kontext untersucht (Duistermaat 2008). 113 Bezüglich der Bezeichnungen der Formtypen ist anzu­ merken, dass P. Pfälzner und K. Duistermaat zwar mit präzise definierten Typen arbeiten und diese anhand von Abbildungen belegen, eine ähnlich präzise Angabe bei den in dieser Arbeit angesprochenen Keramikgefäßen zu­ mindest in Hinblick auf Ugarit und Mari jedoch kaum möglich ist. Wie an entsprechender Stelle vermerkt (siehe Kapitel 2.1.1.1.2 und 4.1.1.4.1), wurden die Gefäße aus den älteren Grabungen nur in Einzelfällen abgebildet, sodass die Konsequenz, mit der die Ausgräber ihre Formansprachen in der Dokumentation vornahmen, nicht überprüft werden kann. Aus diesem Grund wurden die von den Verfassern verwendeten Begriffe lediglich aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt. 114 P. Pfälzner behandelt unter „B I a: Näpfe“ und „B I b: Mittel­ große Schalen und Schüsseln“ (Pfälzner 2001b: 180-183); K. Duistermaat differenziert in „carinated bowls“, „carinated bowls with a long vessel wall above the carination“ und

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von Nahrung und als Essgeschirr.115 Zudem konnten sie beim Befüllen oder der Entnahme von Nahrungsmitteln aus Vorratsgefäßen zu Hilfe genommen werden.116 Ebenso ist ihre Verwendung als Gefäßdeckel oder Lampe belegt.117 Der Unterschied zwischen Näp­fen, Schalen und Schüsseln besteht in dem unterschiedlichen Gefäßvolumen.118 Große Schalen und Schüsseln:119 Diese dienten der Aufnahme120 und kurz- oder langfristigen Lage­ rung von größeren Mengen an Nahrungsmitteln.121 Laut Duistermaat konnten sie zudem für den Transport über kurze Distanzen genutzt werden.122 Kleine und mittelgroße Flaschen:123 Kleine Flaschen dienten vor allem zur Aufbewahrung von Flüssigkeiten in geringen Mengen; diese Aufbewah­ rung war vermutlich kurzfristig, wenn Flüssigkeiten wie Wasser gebraucht wurden, oder auch langfristig, wenn sie kostbare Flüssigkeiten enthielten. Zu­dem ist auch für die kleinen Flaschen belegt, dass sie Getreidekörner enthalten konnten.124 Die mittel­großen Flaschen eigneten sich, da sie größere Mengen aufnehmen konnten, generell für eine län­gerfristige Lagerung von festen und flüssigen Nahrungsmitteln.125 Kleine, mittelgroße und große Töpfe:126 Kleine Töpfe enthielten vermutlich eher feste Nahrungsmittel, dienten jedoch nicht der langfristigen Lagerung. Zudem konnten sie dem Transport über kurze Strecken dienen. Aufgrund ihres kleinen Volumens und der großen Öffnung eigneten sie sich kaum für die Lagerung von Flüssigkeiten.127 Mittelgroße und große Töpfe dienten als Vorratsgefäße für die langfristige Lagerung, wobei die großen Töpfe nach der Befüllung nicht mehr bewegt werden konnten und somit einer stationären Nutzung dienten.128 „small and large straight-sided bowls“ (Duister­maat 2008: 565-569). 115 Pfälzner 2001b: 180 f.; Duistermaat 2008: 565-569 (nennt in Bezug auf die Lagerung keine flüssigen Nahrungsmittel). 116 Pfälzner 2001b: 180. 117 Duistermaat 2008: 567. 118 Pfälzner 2001b: 181. 119 Bei P. Pfälzner „B I c: Große Schalen und Schüsseln (Ebenda: 183); bei K. Duistermaat „Deep bowls and straight-sided pots“ (Duistermaat 2008: 569-571). 120 Pfälzner 2001b: 183. 121 Duistermaat 2008: 571. 122 A. a. O. 123 Bei P. Pfälzner „B II a: Kleine Flaschen“ und „B II b: Mittel­ große Flaschen“ (Pfälzner 2001b: 184 f.); bei K. Duistermaat „Small jars“ (Duistermaat 2008: 574 f.). 124 Pfälzner 2001b: 184 f.; vgl. auch Duistermaat 2008: 574 f. 125 Pfälzner 2001b: 185. 126 Bei P. Pfälzner „B II c: Kleine Töpfe“, „B II d: Mittelgroße Töpfe“ und „B II e: Große Töpfe“ (Ebenda: 185-191); bei K. Duistermaat „closed pots (not cooking pots)“, „Large jars without necks“ und „large storage pots“ (Duistermaat 2008: 572 f., 575-577, 582-584). 127 Pfälzner 2001b: 185-187; Duistermaat 2008: 572 f. 128 Pfälzner 2001b: 187-191; siehe auch Duistermaat 2008: 575577, 582-584.

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Einleitung

Von den Töpfen zur Aufbewahrung von Nah­rungs­ mitteln sind die sogenannten Cooking Pots zu unterscheiden.129 Diese wurden vorrangig, wie der Name schon sagt, zum Kochen und Verarbei­ten von fester und flüssiger Nahrung verwendet. Da sie jedoch auch in Kontexten der Vorratshaltung gefunden wurden, dienten sie offenbar ebenso als Vorratsgefäße.130 Im Hinblick auf die Funktion von Gefäßen, die für diese Arbeit interessant sind, unterscheidet Duistermaat des Weiteren Krüge,131 die zur kurzfristigen Aufbewahrung, für den Transport und das Ausgießen von Flüssigkeiten verwendet wurden und Becher,132 die als Trinkgefäße dienten. Von den von Duistermaat aufgeführten Sonderformen ist außerdem die sogenannten Pilgerflasche an dieser Stelle zu nennen, die dem Transport über lange Distanzen und der Aufbewahrung von (importierten) Flüssigkeiten gedient haben dürfte.133 Neben der allgemeinen Funktion der Keramikgefäße wird auch, entgegen Lundströms Kritik (siehe Kapitel 1.1.4.2), die Lage der Objekte im Grab als Kriterium herangezogen. Letzteres erfolgt jeweils in den drei Kapiteln zu den untersuchten Orten Mari, Qaṭna und Ugarit. Ebenfalls werden in der jeweiligen archäologischen Auswertung die aus dem Kontext und der allgemeinen Funktionen ableitbaren spezifischen Funktion der Keramikgefäße im Einzelnen diskutiert. An dieser Stelle ist anzumerken, dass bei mo­der­ nen Ausgrabungen die Möglichkeit besteht, anhand biochemischer Untersuchungen der Rückstände an den Gefäßwänden134 den ursprünglichen Inhalt des Gefäßes näher zu identifizieren und somit Rückschlüsse darauf zu ziehen, welcher Art der In­halt des Gefäßes war. Einschränkend ist diesbe­ züg­lich allerdings anzumerken, dass die analysierten Rückstände auch von einer Nutzung des Gefäßes vor dessen Deponierung im Grab stammen können. Dass nicht jedes Keramikgefäß im Grabkontext automatisch Speisebeigaben enthielt, zeigen auch die folgenden Untersuchungen mit Beispielen, bei denen in den Keramikschalen in Einzelfällen, wie in Mari, Schmuck aufbe­wahrt wurde.135 Gefäße im Grab mit hohem Eigenwert, wie etwa Importe, konnten eben­falls entweder als Aufbewahrungsgefäße (u.  a. für Speisen) dienen oder sie wurden ohne Inhalt, allein aufgrund ihres Wertes, darin platziert. Folglich werden in den folgenden Kapiteln zwar 129 Bei P. Pfälzner „B III a: Kochtöpfe“ (Pfälzner 2001b: 192); bei K. Duistermaat „Closed cooking pots“ (Duistermaat 2008: 571 f.). 130 Pfälzner 2001b: 192. 131 „Jars with a handle“ (Duistermaat 2008: 577). 132 „Goblets“ (Ebenda: 578 f.). 133 „Pilgrim flasks“ (Ebenda: 580). 134 Vgl. bspw. die Absätze zu den biochemischen Analysen in Kapitel 3.1.1.3.1.4.2. 135 Siehe den Eintrag zu T. 44 in der Tab. I im Anhang.

die Keramikgefäße mit ihrer Verteilung, ihrer Lage und ihren Formen im Einzelnen beschrieben, jedoch sind diese nicht automatisch mit Speisebeigaben gleichzusetzen. Wie zu Beginn dieses Kapitels erwähnt, dienen neben Keramikgefäßen (und Analysen ihres Inhalts) auch Tierknochen, widerstandsfähige Kerne verschiedener Früchte und Getreidekörner als Nachweis für die Niederlegung von Speisen im Grab. Gleichwohl muss, selbst wenn organische Überreste häufig einen eindeutigen Nachweis für Speisebeigaben im Grab darstellen, auch bei ihnen unterschieden werden. Zum einen können bei den pflanzlichen Überresten nur die essbaren Früchte mit einbezogen werden. Zum anderen stellen nicht alle Tierknochen einen Hinweis auf verzehrbare Teile des Tieres dar. Diesbezüglich sind etwa Hörner zu nennen, aber auch Unterkiefer oder beispielsweise Fußknochen repräsentieren keine fleischlastigen Partien des Tieres.136 Allerdings ist fraglich, ob derart klare Unterscheidungen bei „Speisebeigaben“ im Grab getroffen wurden oder ob bewusst bestimmte Teile des Tieres im Grab niedergelegt wurden, die dem Toten als eine Art „Pseudo-Speisebeigabe“ dienen sollten, während der Rest des Tieres als tatsächliche Speise für die Hinterbliebenen diente. Zusätzlich ist auch an solche Speisen zu denken, die kaum Spuren im archäologischen Befund hinterlassen. Dazu zählen beispielsweise Brot und Früchte ohne widerstandsfähigen Kern. Ebenfalls als Teil des Totenmahls bzw. der Versorgung der Toten, die im archäologischen Befund nicht mehr nachweisbar sind, können Flüssigkeiten betrachtet werden, die nicht in Gefäßen aufbewahrt, sondern beispielsweise über der Erde ausgegossen wurden. Diese Überlegungen zur Interpretation des ar­chäo­logischen Befundes in Hinblick auf Speisebeigaben und die kontinuierliche Versorgung der Toten mit Nahrung sollen in den folgenden Kapiteln als Leitfaden zur Interpretation des Totenmahls dienen. 1.1.5 Die Bearbeitung der Texte Eine Auswertung des Konzepts des Totenmahls in den drei Städten Mari, Qaṭna und Ugarit erfolgt in dieser Arbeit nicht allein anhand des archäologischen Befundes. Neben den Grabkontexten, Stelen, Sta­ tuen oder auch architektonischen Komplexen, die es zu untersuchen gilt, sind auch die keilschriftlichen Texte aus den jeweiligen Orten bezüglich der Versorgung der Toten mit Speisen von besonderem Interesse. Anhand bereits vorliegender Transliterationen werden eigene Übersetzungen angefertigt. Sofern publiziert, werden die Autographien der 136 Vgl. die Analysen von Vila zu den Tierknochen in der Königsgruft von Qaṭna in Kapitel 3.1.1.3.1.4 mit Unter­ kapiteln; siehe auch Doll 2010: 216 f., 236.

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Das Totenmahl – eine weit verbreitete kulturelle Praxis Texte berücksichtigt, um sich bei divergierenden Transliterationen ein eigenes Bild zu machen bzw. um bei veralteten Lesungen der Keilschriftzeichen eine moderne Lesung einfügen zu können. Hingegen besteht in dieser Arbeit nicht der Anspruch einer vollständigen Neubearbeitung der Texte mit umfassendem Kommentar. Da der Großteil der Texte bereits mehrfach bearbeitet wurde, ist dies weder nötig noch sinnvoll. Stattdessen werden explizit die Begriffe, die Hinweise auf das Totenmahl bzw. auf dessen Kontext liefern, im Kommentar diskutiert, um in den Interpretationen darauf Bezug nehmen zu können. Einzelheiten zur Bearbeitung der jeweiligen Texte werden in den entsprechenden Kapiteln näher erläutert.

1.2 Das Totenmahl – eine weit verbreitete kulturelle Praxis Nachdem in den vorhergehenden Kapiteln eine Diskussion zu den in Bezug auf das Totenmahl re­levanten Begriffen und eine Erläuterung der Vorgehensweise bei der Bearbeitung der archäologischen Befunde und der schriftlichen Quellen sowie eine Er­läuterung des theoretischen Modells von A. van Gennep erfolgte, sind im Folgenden die religions­ historischen Hintergründe zum Totenmahl im Alten Orient zu erläutern. Bevor dies jedoch geschieht, soll zunächst ein Einblick in die Verbreitung des Totenmahls gegeben werden. 1.2.1 Das Totenmahl in unterschiedlichen Kulturen „Der Totenglaube ist der Teil der Religion, der die Vorstellungen vom Dasein des toten Menschen und die damit verbundenen Auffassungen von der Vorbereitung des Todes und von den Bestattungsmaßnahmen betrifft. Er richtet sich nach dem jeweils herrschenden Mythos, d. h. er wird nicht nur durch die Religion, sondern auch durch die Sozialordnung und andere Kulturbereiche mitbestimmt.“137 Dieses einleitende Zitat von R. Hachmann und S. Penner trifft, entsprechend der Verortung des Totenmahls im Totenglauben, auch auf die Darbringung von Speisen für die Toten zu. Dabei beruht die Versorgung des Toten auf bestimmten Vorstellungen einer Weiterexistenz des Verstorbenen. Umso inte­ ressanter ist es, dass sich die Versorgung der Toten mit Nahrung über die Jahrtausende hinweg in verschiedenen Kulturen als fester Bestanteil der Totenrituale erhalten hat. Die folgenden ausgewählten Beispiele wurden mit Bedacht kurz gehalten und 137 Hachmann – Penner 1999: 169.

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erheben weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch soll den einzelnen Ausprägungen der jeweiligen Totenversorgung an dieser Stelle nachgegangen werden. Ziel dieses Überblicks ist lediglich aufzuzeigen, dass das Totenmahl bzw. die Versorgung der Toten mit Speisen keine rein altorien­talische Praxis ist, sondern in sehr verschiedenen Kulturen ausgeführt wurde und wird. Durch die berühmten Speise­szenen in den ägyptischen Gräbern und die sogenannten Opferformeln und Opferlisten sowie durch die archäologisch nachweisbaren Speisereste ist das Totenmahl für das Alte Ägypten hinreichend belegt.138 Ähnlich umfang­reich sind die antiken griechischen und römischen Quellen, die in der Ikono­graphie, durch die Anlage der Gräber und anhand historischer Quellen eine Versorgung der Toten mit Speisen belegen.139 Ebenso konnten auch in hallstattzeitlichen Gräbern Speise­reste nach­ ge­wie­sen werden.140 Darüber hinaus be­zeugen die alttestamentlichen Texte die Darbringung von Spei­ sen für die Toten. Zwar beschränken sich diese auf den Zeitpunkt des Begräbnisses,141 allerdings ist durch die Zeugnisse einiger Kirchenväter bekannt, dass unter den frühen Christen eine Praxis exis­ tierte, die Verstorbenen mithilfe von Totenmählern zu ehren, was sich auch im archäolo­gischen Befund widerspiegelt.142 Auch heute finden sich noch Rituale im Christentum, anhand derer die Toten mit Speisen versorgt werden sollen. Dies geschieht unter anderem zu „Allerheiligen“ bzw. „Allerseelen“. Während dieser Feierlichkeiten wird die Toten­speise in Form des Seelen­brotes dargebracht.143 Besonders gut lässt sich diese Praxis beispielsweise in Mexiko beobachten, wo um Allerheiligen „die Toten ins Land der Leben­ den zurückgebeten und königlich bewirtet“ werden, „[…] ihnen werden Getränke und Leckerbissen vor­ gesetzt.“144 Aber auch in anderen modernen, nicht-christlichen Gesellschaften können Rituale beobachtet werden, mithilfe derer die Toten an ihrem Aufenthaltsort mit Speisen versorgt werden. So verbleibt beispielsweise bei den Toraja in Indonesien der Leichnam der Großmutter, in Stoff eingewickelt, eine Zeit lang innerhalb der Häuser der Familie. Auf diesem Bündel wird täglich ein Tablett mit Essen und Trinken 138 Siehe bspw. Verhoeven 1986; Assmann 2001: 432-452. Zu den Opferformeln bzw. Opferlisten siehe Barta 1963; 1968; Lapp 1986. 139 Siehe beispielhaft Lindsay 1998; Schwarzmaier 2003; Schrumpf 2006: v.  a. 88-90, 95-107; Eckhardt – Leonhard 2010; Stadler 2010: 165-168. 140 Stadler 2010. 141 Frevel 2006: 389 f. Siehe zum archäologischen Befund der Gräber in Palästina auch Bloch-Smith 1992: 44; Wenning 1993: 179; 2006b: 14 f.; Kamlah 2009: 262 f., 269 f. 142 Siehe bspw. Andrews 1966: 237 f.; Février 1990. 143 Sörries 2002a; 2002b. 144 Barley 2000: 44.

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Einleitung

abgestellt, bis die nächste Phase der Bestattung beginnt.145 Ebenso können Speiseopfer in Taiwan146 oder auch bei verschiedenen Stämmen in Westafri­ ka147 beobachtet werden.

Nach dem kleinen Exkurs zum Totenmahl in unterschiedlichen Kulturen wird im Folgenden der Blick wieder auf den Alten Orient gerichtet. Die Menschen im Alten Orient betrachteten den Eintritt des Todes nicht als abruptes Ende, sondern als Übergang in eine andere Daseinsform.148 Dabei wurden zwei Daseinsformen des Verstorbenen unterschieden: die physische Existenz der sterblichen Überreste (eṣemtū) und der immaterielle Geist des Toten (eṭemmu).149 Durch die Beisetzung des Leichnams und die entsprechenden Bestattungsrituale wurde der Tote der Erde übergeben und damit auf seinen Weg in die Unterwelt gebracht.150 Nach Auffassung einiger Wissenschaftler musste der Tote bei der Bestattung und fortan durch die Hinterbliebenen (regelmäßig) versorgt werden, um sicher zu gehen, dass es ihm an nichts mangelte.151 Ebenso musste sichergestellt sein, dass das Grab unversehrt blieb und der Tote in seiner Ruhe nicht gestört wurde.152 Für die Versorgung der Toten mit Speisen gab es mehrere Beweggründe: Grundsätzlich wurde den Totengeistern eine gewisse Macht zugeschrieben, die sie sowohl positiv als auch negativ nutzen konnten. Das heißt, einerseits konnten die Totengeister beispielsweise die Familie schützen und dafür Sorge tragen, dass eine Schlacht sieg­reich ausging.153 Sofern ihnen jedoch keine ordentliche Bestattung oder keine entsprechende Totenpflege zu­teil wurde, konnten sie

andererseits aber auch als böse Geister ins Diesseits zurückkehren und Unheil, mitunter auch Tod, über die Menschen bringen.154 Die positive Macht der Totengeister konnte mit­ hilfe von Nekromantie erwirkt werden, indem der Geist eines Verstorbenen – etwa in eine Statue – evoziert wurde. Man brachte ihm Speisen und möglicherweise andere Gaben dar, bat ihn darum, einen positiven Ausgang für die jeweilige Situation zu bewirken und sorgte am Ende durch weitere Rituale dafür, dass der Totengeist wieder in die Unterwelt zurückkehrte.155 Aber auch anlässlich eines jährli­ chen Festes von Dumuzi, das ein Brief aus Mari mit der Ernte verknüpft,156 durften die Toten, dem Mythos von Ištars Gang in die Unterwelt zufolge, aus der Unterwelt aufsteigen. Das Fest datiert auf den 27. – 29. Duʾuzu (Juni/Juli). Zudem zeigen eini­ge Hinweise auf Handlungen von Totengeistern, dass sie offenbar im Monat Abu (Juli/August) ver­ mehrt aus der Unterwelt aufstiegen. J. A. Scurlock vermutet, dass dies wiederum gegen Ende des Monats um den 27. – 29. Abu passierte. Während die­ser Feste versorgte man die Totengeister offenbar mit Speisen, bevor man sie wieder zurück in die Unterwelt schickte.157 Wurde der Totengeist nicht gezielt durch Rituale ins Diesseits gerufen, sondern stieg ungerufen aus der Unterwelt empor – sei es, weil er einen „schlimmen Tod“158 starb, weil er nicht ordentlich bestattet wurde oder weil die Totenpflege für ihn ausblieb – konnte dies, dessen waren sich die Menschen im Alten Orient gewiss, nichts Gutes für sie bedeuten.159 Die Angst vor bösen Totengeistern übertrugen die Mesopotamier auch auf sich selbst, weshalb sie sich davor fürchteten keine ordentliche Bestattung oder regelmäßige Totenpflege zu erhalten.160 Aus diesem

145 Ebenda: 67. 146 Tsan 2000: 83. 147 Siehe bspw. Pfälzner 2001a: 392-398. 148 Groneberg 1990: 244; Novák 2000: 141. 149 Bottéro 1980: 28 f.; 1982: 374; 1983: 154; 1992: 271273; Tropper 1989: 47; Novák 2000: 141; 2008: 213; Selz 2006:87 f. (mit einer Diskussion zu der Frage, ob der eṭemmu auch schon zu Lebzeiten im Körper des Menschen wohnte); van der Stede 2007: 15 f.; Michel 2008: 187; Jacquet 2012: 123. 150 Bottéro 1980: 31; 1982: 376; 1992: 275 f.; Tsukimoto 1985: 8; Groneberg 1990: 254; Novák 2000: 141; Lundström 2013: 121; Katz 2003: 15 f., 26-36, 42-47, 50, 61, 100, 104 f.; van der Stede 2007: 51, 72; Hauser 2012: 7. Allerdings sind auch weitere Eintrittsmöglichkeiten in die Unterwelt genannt, etwa Erdspalten, Risse oder Löcher in der Erde, ebenso das westliche Ende der Welt, wo Šamaš in die Unterwelt verschwindet (siehe bspw. Bottéro 1992: 275). 151 Bottéro 1992: 281; Novák 2000: 141 f.; Meijer 2003: 52. 152 Bottéro 1980: 28; vgl. auch Fn. 164 in dieser Arbeit. 153 Vgl. Skaist 1980: 126 f.; Bottéro 1983: 172-174; 1992: 283; Tropper 1989: 58-62, 69-109; Groneberg 1990: 259; van der Stede 2007: 24; Michel 2008: 194; Hauser 2012: 21-23; Lundström 2013: 122-124.

154 Bottéro 1980: 32, 39-42; 1983: 162-172; 1992: 283-285; Xella 1980: 152; Tsukimoto 1985: 237 f.; Tropper 1989: 55; Groneberg 1990: 250; da Silva 1998: 9; Hachmann – Penner 1999: 333 f.; Scurlock 2000: 1889-1892; 2006; Sürenhagen 2002: 325 f.; Katz 2007: 167; van der Stede 2007: 25, 7274, 109-113; Michel 2008: 187, 194-196; Veenhof 2008: 99; Hauser 2012: 20 f.; Jacquet 2012: 123; Lundström 2013: 122-124. 155 Tropper 1989: 58-62, 69-109, v. a. 83-103. 156 Katz 2007: 169. 157 Scurlock 2000: 1889. 158 Siehe Fn. 25. 159 Beispielsweise schildert der Text KTU 1.82 (8-15) aus Ugarit, wie eine Verstorbene aus der Unterwelt hinaufgestiegen ist und nun ihrem früheren Ehemann schadet (Dietrich – Loretz 1986/87/88/89/91: 338 f.). 160 Deutlich wird dies in dem Gebet des Lugalbanda an den Sonnengott Utu. Lugalbanda wird auf einem Feldzug in das iranische Bergland schwer krank und von seinen Gefährten in einer Berghöhle zurückgelassen. In seinem Gebet fleht er den Sonnengott um Hilfe an, denn „159) Auf dem unbekannten Weg am Rande des Berglandes 160) (Oh) Utu, ist ein Unbekannter ein schlechter Mensch! 161) Ich will nicht wie Wasser an einem trügerischen Ort hervorkommen! 162) Pottasche will ich nicht wie Gerste essen (müssen)!

1.2.2 Das Totenmahl im Alten Orient

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Das Totenmahl – eine weit verbreitete kulturelle Praxis Grund war es essenziell, Nachkommen zu haben, zu deren Pflicht es gehörte, sich um derartige Belange zu kümmern.161 Allerdings belegen Adoptionsurkunden aus Nuzi und ein altbabylonischer Brief, dass auch adoptierte Kinder die Durchführung der Totenpflege übernehmen konnten.162 Die Bedeutung der Versorgung durch die Nachkommen kann mithilfe eines Zitats aus dem sumerischen Gilgameš-Epos illus­ triert werden. Dort fragt Gilgameš Enkidu: „(152) Hast du den gesehen, dessen Geist keinen Versorger hat?“ Und Enkidu antwortet: „(152-153) Ich sah (ihn). Er isst die Reste aus dem Topf (und) Brotkrumen, die auf die Straße geworfen wurden.“163 Wie wichtig die regelmäßige Versorgung der To­ten war, lassen ebenso Grabinschriften erkennen, die sich darauf beziehen, dass die Hinterbliebenen die Totenpflege nicht mehr leisten konnten oder wollten. In einem solchen Fall war der Verstorbene darauf angewiesen, dass etwaige Grabbesucher für seine Totenpflege Sorge trugen. In einer Grabinschrift wird manna atta, „wer du auch seiest“, aufgefordert, das Grab instand zu halten und sich der Totenpflege anzunehmen. Wurde dieser Aufforderung gefolgt, sollte dies positive Folgen für den Ausführenden haben; erfüllte der Grabbesucher die an ihn durch die Inschrift herangetragene Bitte nicht, war Bestrafung die Konsequenz.164 Aber auch negativ konnotierte Inschriften, in denen gedroht wird, die Ver­sor­gung der Toten zu verhindern, zeugen von der Bedeutung der Totenpflege. Zu nennen sind dies­bezüglich zwei neuassyrische Inschriften, in denen derjenige, der das Grab beschädigte, mit dem Fluch belegt wurde, dass sein Totengeist keine Versorgung in der Unterwelt erhalten solle.165 Ebenso ist hier an eine Inschrift von Assurbanipal zu denken, in der er berichtet, dass er 163) Ich will nicht wie ein Wurfholz in der Steppe, dem mir unbekannten Ort, fortgeworfen werden! 166) Wie ein Schwacher will ich nicht auf diesem Berg enden!“ (Lundström 2003: 44 f., Transliteration in ebenda Fn. 79). 161 Tsukimoto 1985: 239. 162 Bayliss 1973: 120; Skaist 1980: 124 f.; Tsukimoto 1985: 92 f.; Groneberg 1990: 256; Potts 1997: 226 f.; Veenhof 2008: 99. 163 Tafel XII, 152 f.: „152 šá e-ṭem-ma-šú pa-qí-da la i-šu-ú tamur a-ta-mar 153 šu-ku-la-at di-qa-ri ku-si-pat aka-li šá ina su-qí [n]a-da-a ik-kal“ (Transliteration nach George 2003: 734 f.). George übersetzt den Terminus pāqidu(m) in Zeile 152 mit „provider of funerary offerings“ (George 2003: 735), obwohl der Begriff an sich lediglich die Bedeutung “pro­ vider, overseer, caretaker” (CAD P: 137 – 8 s. v. pāqidu a) hat und sowohl in Zusammenhang mit lebenden als auch mit toten Personen stehen kann. Die aus dieser Übersetzung häufig abgeleitet Vermutung, dass sich diese Textpassage auf am Grab dargebrachte Speiseopfer bezieht, ist somit zu revidieren (siehe hierzu auch Kapitel 5.1). 164 Lundström 2001a: 256-258; 2003: 36; 2011; 2013: 123; siehe auch Bottéro 1982: 378-390 und für die Grabinschriften der ersten Hälfte des ersten Jt. v. Chr. Mofidi Nasrabadi 1999: 15-24. 165 Tsukimoto 2010: 107; publiziert wurden die Texte in Fadhil 1990a (IM 125000) und 1990b.

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die Gräber der elamischen Könige freigelegt und sie ihres kispu(m) und der Wasser­spende beraubt hat.166 Neben der Macht, die den Totengeistern zu­ge­ schrie­ben wurde, ist auch die soziale Dimension des Totenmahls hervorzuheben. Zum einen diente es der Eingliederung des Verstorbenen in die Ge­­ sell­­­schaft der Unterwelt. Zum anderen sind die Zusammenkunft der Hinterbliebenen anlässlich der regelmäßigen Totenpflege und die Bande zwischen den Verstorbenen und den Lebenden, die damit auf­recht erhalten wurde, wichtige Aspekte.167 Die Hinterbliebenen verwiesen durch das Mahl und durch die damit einhergehende Anrufung ihrer verstorbenen Familienmitglieder auf ihre Vergangenheit und Herkunft,168 und betonten dadurch die Legitimi­ tät ihrer Position in der Gesellschaft. 1.2.3 Dem Totenmahl zugrunde liegende religiöse Vorstellungen im Alten Orient „[…] 7zu dem Ort, an dem Staub ihre Hungerstillung ist, ihre Speise Le[hm], […]“169 (Ištars Gang in die Unterwelt) Die Vorstellungen der Menschen im Alten Orient vom Leben nach dem Tod werden in verschiedenen schriftlichen Quellen beschrieben. Dabei handelt es sich vor allem um mythische und epische Erzählungen, die Auskunft über die Unterweltsvorstellungen der Mesopotamier geben, auch wenn diese bei aller Kontinuität mitunter durchaus voneinander abweichen.170 Zu nennen sind unter anderem der „Tod des Gilgameš“171, das „Gilgameš-Epos“172, „Inannas/ Ištars Gang in die Unterwelt“173 und „Nergal und Ereškigal“174 sowie weitere literarische Texte, wie „Ur-Nammus Tod“175 und die „Unterweltsvision eines assyrischen Prinzen“176 Hinzu kommen verschiedene Briefe, Verwaltungsurkunden, Rechts­texte und Herrscherinschriften, die Verweise auf Bestat-

166 Tsukimoto 2010: 107. 167 Da Silva 1998: 15-17; Selz 2004b: 51, Fn. 152. 168 Kühn 2005: 6. 169 Lundström 2003: 42 „[…] 7a-šar epru (SAḪAR.ḪÁ) bubu-us-su-nu a-kal-šu-nu ṭi-i[ṭ-ṭi] […]“ (Transliteration in Ebenda: Fn. 72). 170 Vgl. Ebenda: 38, 41-43; Hauser 2012: 5 f. 171 Cavigneaux – al-Rawi 2000; Selz 2001a. 172 Hecker 1993; Parpola 1997; George 2003; Foster 2001; Selz 2001b. 173 Für die akkadische Fassung siehe Bottéro – Kramer 1989: 318-330; Müller 1993: 760-766; Katz 1995; Dalley 1997a; für die sumerische Fassung siehe Sladek 1974; Bottéro – Kramer 1989: 276-300; Römer 1993: 458-495. 174 Gurney 1960; Hutter 1985; Bottéro – Kramer 1989: 437-464; Müller 1993: 766-780; Dalley 1997b; 1997c. 175 Kramer 1967; Flückiger-Hawker 1999: 92-182. 176 Livingstone 1989: 68-76.

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Einleitung

tungen bzw. Begräbnisfeierlich­keiten177 enthalten. Zur Rekonstruktion von Bestattungsriten ist vor allem auf die große Textgruppe der Reinigungs- und Löserituale bzw. „imitativen Bestattungen“178 zu verweisen.179 Oftmals wird die Unterwelt aus heutiger Sicht, aufgrund der verschiedenen Beschreibungen in den literarischen Texten, als trist und trostlos dar­gestellt, wie auch das Eingangszitat beispielhaft illus­triert.180 Nach jüngeren Interpretationen ist eine solche Darstellung jedoch so nicht mehr haltbar.181 Lundström zeigt in einer ausführlichen Diskussion, dass die Mesopotamier sich die Unterwelt nicht grund­ sätzlich als diesen tristen, staubigen Ort ausmalten, sondern die Vorstellungen durchaus individuell waren und die Unterwelt gewissermaßen als Spiegelung des diesseitigen Lebens aufgefasst wurde. Er bezieht sich dabei hauptsächlich auf die Beschrei­ bung der Unterwelt als Stadt mit unterschiedlichen Bezirken.182 Dementsprechend stellt auch A. Tsukimoto fest, dass das Leben in der Unterwelt offenbar als ungefähre Fortsetzung des irdischen Lebens ge­sehen wurde und der Tote seine soziale Stellung des Diesseits im Jenseits beibehielt. Der siebten Tafel des Gilgameš-Epos zufolge „blieben die Könige in der Unterwelt weiter Könige, und die Priester Priester.“183 Die These von der Vorstellung eines angenehmen Daseins in der Unterwelt vertritt auch Caitlín E. Barrett, die sie aus dem mitunter umfangreichen Grabinventar ableitet, das ihres Erachtens eine Verwendung in der Unterwelt finden sollte. Es sei zu vermuten, dass viele dieser Objekte 177 Besonders detailliert ist der Bericht in der Inschrift Nabonids zur Begräbnisfeierlichkeit anlässlich der Bestattung seiner Mutter Adad-guppiʾ (Schaudig 2001: 500-513). 178 Mofidi Nasrabadi 1999: 34-59; Scurlock 2006: 50-53; Schwemer 2007: 98 f., 101-105, 219, 222-226. 179 Groneberg 1990: 245-247; Lundström 2013: 119-121. 180 Bottéro 1980: 32-34, 42 f.; 1982: 376; 1992: 276-279, 285 f.; Xella 1980: 152; Groneberg 1990: 260; Potts 1997: 226; Berlejung 2001: 479; Sürenhagen 2002: 325; Meijer 2003: 51 f.; Selz 2004b: 54 f.; Kühn 2005: 6; Hauser 2012: 8-10; Jacquet 2012: 123. 181 Lundström 2003: 41-43, 46 f.; 2013: 126 f., 141-150; vgl. für weniger negative Interpretationen der Unterwelt auch Scurlock 2000: 1887 f.; Hockmann 2010: 18 f. 182 Lundström 2003: 38; 2013: 126 f., 141-150 mit ausführlicher Darstellung und kritischer Betrachtung der Rezeption der mesopotamischen Texte; die Darstellung der Unterwelt als Stadt heben auch schon Bottéro 1980: 34; 1992: 277; Groneberg 1990: 258 f.; van der Stede 2007: 90 f. hervor, allerdings wiederum mit der von S. Lundström kritisierten negativ konnotierten Beschreibung der Unterwelt (Bottéro 1980: 32-34, 42 f.; 1992: 276-279, 285 f.; Groneberg 1990: 258-261; van der Stede 2007: 115 f.). Eine Vorstellung der Unterwelt mit topographischen Eigenheiten, nach Belegen aus Ugarit, beschreibt Krebernik 2013: 188. 183 Tsukimoto 1985: 10; allerdings verweist A. Tsukimoto auch wiederum darauf, dass „Die Stimmung, die die Totenwelt beherrscht, […] trotzdem trüb und schattenhaft“ sei (a. a. O.). Vgl. auch Katz 2007: 183 f.

einen bestimmten Zweck in der Unterwelt zu erfüllen hatten.184 Im Einzelnen gestaltete sich die Unterwelt laut einigen der genannten literarischen Texten derart, dass der Tote auf seinem Weg dorthin sieben bzw. vierzehn Tore durchschreiten musste, an denen er dem jeweiligen Wächter ein Geschenk zu überlassen hatte.185 Die Unterwelt selbst wird „als Stadt mit dafür charakte­ristischen Infrastruktur wie Straßen und Gebäuden, ja ganzen Stadtvierteln“186 darge­ stellt. In den Außenbezirken fristen die Toten ein trostloses Dasein, wie die häufig zitierten Schilderungen aus „Inannas/Ištars Gang in die Unterwelt“ und die zwölfte Tafel des Gilgameš-Epos schildern. Aber auch ein freudvolles Leben war in der Unterwelt möglich, sofern es einem gelang in die „Gemeinschaft der Unterweltlichen“ aufgenommen zu werden, wie etwa der Herrscher Ur-Nammu oder der Gott Nergal.187 In der Unterwelt herrschte, ebenso wie im Diesseits, eine soziale Rangordnung, an deren Spitze, je nach Überlieferung, die Unterweltsgötter Ereškigal und Nergal oder Ninazu, oder auch Gottheiten wie Inanna/Ištar und Dumuzi standen.188 Deren Entourage bestand aus den untergeordneten Gottheiten, dämonischen Wesen und der Gesamtheit der Totengeister.189 Einmal in diese Gesel­lschaft auf­genommen, führten die Toten anscheinend ein „an­ge­nehmes Leben“.190 Die erfolgte Aufnahme in die Gesellschaft der Unterwelt wird durch Sitze oder Throne, gišGU.ZA, symboli­siert, auf denen die Toten Platz nahmen, um die ihnen dargebrachten Opfer einzunehmen.191 Für eine Eingliederung in die Gesellschaft der Unter­welt waren vor allem die korrekt durchgeführte Bestattung und die Totenpflege relevant. Der soziale Stand und Wohlstand dürften zwar, so Lundström, auf die Durchführung der Bestattung und den Umfang der Grabbeigaben Einfluss gehabt haben, allerdings gäbe es keinerlei Hinweise darauf, dass der Privatmann auf seinem Weg in die Unterwelt direkt in die dunklen Außenbezirke gelangte, 184 Barrett 2007: 19; eine ausführliche Begründung ihrer These ist zu finden in Ebenda: 7-19. 185 Hutter 1985: 160; Katz 1995; 2003: 192 f. (zur Reise in die Unterwelt in den sumerischen Quellen siehe Ebenda: 32-43); Lundström 2003: 41; 2013: 121. 186 Lundström 2013: 121; vgl. auch Hutter 1985: 160 f.; Potts 1997: 225 f.; Katz 2003: 192-196. 187 Lundström 2001b: 245 f., 249; 2013: 121 f.; Barrett 2007: 7-10. 188 Die Götter der Unterwelt werden zum Teil unter dem kol­ lek­tiven Begriff der „Anunnaki“ zusammengefasst. Für eine nähe­re Definition dieses Begriffs siehe bspw. von Soden 1964; Tsukimoto 1985: 184-200; Black – Green 1992: 34; Bottéro 1992: 274. 189 Vgl. van der Stede 2007: 53-71; Lundström 2013: 122 mit weiterführender Literatur. 190 Lundström 2013: 145. 191 Lundström 2001b: 248 f., Fn. 13.

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Historische Einordnung von Mari, Qaṭna und Ugarit während der König vor die Götter treten konnte. Die Darstellung der Unterwelt als „Jammertal“ trifft demnach offenbar nur auf diejenigen zu, die durch ihre Familie nicht mit Speisen und Getränken versorgt wurden. Diesen Totengeistern blieb tatsächlich nichts anderes übrig, als sich von Ton und Brackwasser zu ernähren.192 Dass es sich bei der Unterwelt nicht, wie manch ein literarischer Text glauben lässt, um ein „Land ohne Wiederkehr“ handelt, zeigen die zahlreichen Belege, denen zu entnehmen ist, dass die Totengeister ins Diesseits zurückkehrten – entweder im Rahmen einer Evozierung oder um die Lebenden heimzusuchen (siehe auch Kapitel 1.2.3).193 Für die im Folgenden präsentierten Untersuchungen ist zu bedenken, dass es sich bei diesen Vorstellungen der Unterwelt um mesopotamisch geprägte Vorstellungen handelt. Da aus der syrischen Region keine gegenläufigen Unterweltsdarstellungen be­­ kannt sind bzw. verschiedene der Mythen und Epen sogar im syrischen Raum und bis hin nach Ḫatti rezi­ piert wurden,194 kann dieses Konzept der Unterwelt dennoch als Anhaltspunkt für die nachstehenden Interpretationen herangezogen werden. Gleichwohl sind auch weitere kulturelle Einflüsse im syrischen Raum, besonders im zweiten Jahrtausend v. Chr., bei einer Interpretation der Grabbefunde zu berücksichtigen. Die folgende Darstellung der historischen Ereignisse dieser Zeit in Syrien soll einen Überblick über die politischen Geschehnisse geben und dadurch die möglichen kulturellen Einflüsse auf die syrische Gesellschaft aufzeigen.

1.3 Historische Einordnung von Mari, Qaṭna und Ugarit Im letzten einleitenden Kapitel erfolgt eine Darstellung der historischen Gegebenheiten in Syrien im zweiten Jahrtausend v. Chr. sowie eine damit verknüpfte Kontextualisierung der in dieser Arbeit behandelten Orte Mari, Qaṭna und Ugarit (Abb. 3, Tab. 2 bis 3). Dabei ist es, um einen zusammenhängenden Überblick über die Geschichte Syriens im zweiten Jahrtausend v. Chr. geben zu können, notwendig, auch das Ende des dritten vorchristlichen Jahrtausends mit einzubeziehen. Die mitunter etwas detailliertere Darstellung der sehr komplexen politischen Ereignisse soll es dem Leser ermöglichen, die im Verlaufe der Arbeit genannten einzelnen Herrscher in das politische Geschehen einzuordnen.

192 Lundström 2013: 145 f. 193 Bottéro 1992: 285; siehe zur Verbindung von Diesseits und Jenseits auch bspw. Selz 2004b: 52 f. 194 Siehe beispielhaft für die Verbreitung des Gilgameš-Epos unter anderem bis nach Ugarit und Ḫattuša Sallaberger 2008: 92 f.

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Die Jahreszahlen in dieser Arbeit richten sich nach der sogenannten Mittleren Chronologie. 1.3.1 Syrien in der Bronzezeit In der gesamten Bronzezeit ist die nördliche Levante, das sind das heutige westliche Syrien, der Libanon und das nördliche Palästina, geprägt durch zwei ent­scheidende Faktoren: zum einen durch die wirtschaftliche Bedeutung, die dieser Raum aufgrund des Rohstoffes Holz und der wichtigen Handelsrouten besaß, und zum anderen durch das Zusammenleben von Sesshaften und Nomaden in dieser Region. Zwar sind Nomaden im Allgemeinen schwer im archäologischen Befund nachzuweisen, allerdings zeigen sowohl die Texte aus Mari als auch sorgfältige Untersuchungen von Siedlungsmustern in Randbereichen, dass diese in der Bronzezeit in der nördlichen Levante einen Teil der Gesellschaft bildeten.195 Das wichtigste Exportgut der nördlichen Levante war Holz aus den westlichen Gebirgsregionen, dem Libanongebirge im Süden und dem Ansariyehgebirge im Norden. Es mangelte jedoch an Metall­ vorkommen und wertvollen Steinen, sodass diese aus den angrenzenden Regionen importiert werden mussten. Die wirtschaftliche Bedeutung der nördli­ chen Levante basierte allerdings nur bedingt auf den Importen und Exporten des Landes. Wesentlich wichtiger war seine Funktion als Handelsdrehschei­be zwischen Ägypten im Süden, Mesopota­mien im Osten und Anatolien im Norden. Zusätzlich zu den Handelsrouten über Land bot die Küste der nördlichen Levante zahlreiche natürliche Häfen, die zu­min­dest seit dem zweiten Jahrtausend v. Chr. den Seehandel mit Zypern und der Ägäis begünstigten.196 Über die für diese Arbeit relevanten historischen Ereignisse seit dem späten dritten Jahrtausend v. Chr. geben zunächst die ca. 17000 Keilschrifttafeln aus dem Palast G von Ebla Auskunft.197 Seit der akkadischen Zeit (ca. 2350 – 2200 v. Chr.) liefern auch die mesopotamischen Quellen Informationen über die Geschichte Syriens. So führten sowohl Sargon (ca. 2340 – 2285 v. Chr.) als auch Narām-Sin (um 2250 v. Chr.) Feldzüge gegen die Königtümer in der nördlichen Levante und zerstörten dabei unter anderem den Palast  G in Ebla sowie verschiedene Tempel und den „kleinen östlichen Palast“ in Ma­ri.198 Für die Herrscher der III. Dynastie von Ur 195 Klengel 1992: 67; Genz 2012: 608. 196 Genz 2012: 608. Für eine detaillierte Darstellung der wirt­ schaftlichen Beziehungen Syriens siehe Klengel 1992: 42 f.; 2009: 39; Helck 1995: 87-89; Singer 1999: 614-616; Akkermans – Schwartz 2003: 323 f.; Genz 2012: 608, 620, 626; Pfälzner 2012b: 770, 794 f. 197 Akkermans – Schwartz 2003: 235-239, 268 f.; Wilhelm 2009: 31; Genz 2012: 609. 198 Akkermans – Schwartz 2003: 278; Genz 2012: 609.

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Einleitung

Baku

Ankara HATTUŠA

KARKEMIŠ ALALAKH

HALAB

Tall es-Sweyhat EBLA UGARIT Tall Faq'us NUHAŠŠE? NIJA? QATNA Byblos

QADEŠ

ASSUR

MARI

RAPIQU BABYLON

ANTIKER ORTSNAME / Moderner Ortsname Moderne Staatsgrenze Gurndkarte: Richard Szydlak Entwurf: Mirko Novak Ausführung: Alice Bianchi

N

Modifizierung: Sarah Lange-Weber 0

100

300 0

200 500 1000

500 km 3000

5000 m

© IANES - Tübingen

Tall al-Amarna

Abb. 3: Karte des östlichen Mittelmeerraumes mit den im Text erwähnten Orten (© IANES, Universität Tübingen; Ent­ wurf: M. Novák, Ausführung: A. Bianchi, Modifizierung durch Autorin).

(ca. 2100 – 2000 v. Chr.) ist zudem belegt, dass sie Beziehungen bis nach Byblos an der levantinischen Küste unterhielten.199 Für die heutige Geschichtsschreibung, die sich mit der Zeit zwischen dem Ende des dritten Jahr­ tausends v. Chr. und der Zerstörung Maris durch Ḫammurāpi von Babylon (1792 – 1750  v. Chr.) ca. 1760 v. Chr. beschäftigt, sind die Mari-Texte von zentraler Bedeutung. Zudem liefern die Archive aus Alalaḫ (Schicht VII) und Ḫattuša wichtige Informa­ tionen für diese Periode.200 Die Texte bezeugen den Aufschwung des Königreiches Yamḫad, welches im zweiten Jahrtausend v. Chr. die Region von der Amuq-Ebene bis zum Euphrat kontrollierte. Wei­ tere wichtige politische Größen in dieser Zeit waren Qaṭna im Süden der nördlichen Levante, Karkemiš und Mari am Euphrat sowie das bislang nicht loka­ lisierte Uršum.201 Die Tatsache, dass die meisten Herrscher des zweiten Jahrtausends v. Chr. in der nördlichen Levante amurritische Namen besaßen, lässt vermuten, dass eine neue politische Elite mit nomadischen Wurzeln zu Beginn der Mittleren 199 Genz 2012: 609. 200 Klengel 1992: 44. 201 Genz 2012: 609 f., 621-626.

Bronzezeit in vielen Orten die Macht übernahm.202 Der einflussreichste amurritische Herrschaftsbe­ reich wurde von Samsī-Addu I. (1830 – 1775 v. Chr.) in Obermesopotamien etabliert. Dieser dehn­te seine Macht von Assyrien bis zum Ḫābūr aus und nahm schließlich auch Mari ein, wo er seinen Sohn, Yasmaḫ-Addu (ca. 1803 – 1775 v. Chr.) auf den Thron setzte (siehe auch Kapitel 1.3.2). Der Tod Samsī-Addus führte gleichzeitig zum Zerfall des Reiches. In Mari wurde Zimrī-Lîm (1775 – 1760 v. Chr.) König und verbündete sich mit dem König von Yamḫad. Beide pflegten gute Beziehungen zu Ugarit und es wird sogar von einem Staatsbesuch der beiden Könige aus Mari und Yamḫad in Ugarit berichtet.203 Das Ende der Mittleren Bronzezeit wird im Allgemeinen mit dem Feldzug der ersten hethi­ tischen Könige in Nordsy­rien nach 1650 v. Chr. gleich­gesetzt.204 Zu Beginn der Späten Bronzezeit (ca. 1600 – 1200 v. Chr.) mussten sich die Hethiter allerdings aufgrund innenpolitscher Konflikte aus dem nord­ 202 Akkermans – Schwartz 2003: 288-290; Wilhelm 2009: 31 f.; Genz 2012: 609 f., 621-626. 203 Wilhelm 2009: 32; Villard 1986. 204 Klengel 1992: 80-83; Genz 2012: 610, 621.

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Historische Einordnung von Mari, Qaṭna und Ugarit syrischen Gebiet wieder zurückziehen. Diese Gelegenheit nutzten die Hurriter, die etwa gleichzeitig mit der Gründung des Reiches der Hethiter das hurritische Reich in Obermesopotamien etabliert hatten, indem sie die Kontrolle über die nördliche Levante erlangten.205 Während die Hurriter ihre Vorherrschaft in der nördlichen Levante etablierten, wurden die König­ tümer in der südlichen Levante von den Ägyptern dominiert.206 Die im ägyptischen Tall al-Amarna gefundenen zahlreichen Keilschriftdokumente belegen die internationalen Beziehungen Ägyptens zu seinen vorderasiatischen Nachbarn. Für diese, aber auch für die anschließende Periode sind zudem die schriftlichen Quellen aus Ḫattuša, Ugarit, Alalaḫ (Schicht IV) und Qaṭna von besonderem Interesse.207 In der darauf folgenden Periode wurden die Hurriter durch die Großmacht der Hethiter abgelöst (ca. 1350 – 1200 v. Chr.). Unter Šuppiluliuma  I. (ca. 1355 – 1320 v. Chr.) besiegten die Hethiter die Hurriter im nördlichen Syrien und eroberten verschie­ dene syrische Königreiche. Es gelang ihnen, den Machtbereich der Ägypter bis zum Königreich Qa­deš im zentralen Westsyrien zurückzudrängen, wo der Konflikt zwischen den beiden Großmächten in der Schlacht von Qadeš (1275 v. Chr.) seinen Höhepunkt erreichte, gefolgt von einem 1277 v. Chr. geschlossenen Staatsvertrag.208 Das Ende dieser Periode korreliert mit Ereignissen, die zu einem abrupten Wandel in der politischen und kulturellen Landschaft führten. Diese Veränderung wird im Allgemeinen auf die sogenannten „Seevölker“ zurückgeführt,209 allerdings zeigen jüngere Publikationen, dass eine differenzierte Betrachtung der klimatischen und sozialen Gegebenheiten komplexere Erklärungsmodelle nach sich zieht.210 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Späte Bronzezeit von einer neuen politischen Ordnung in der nördlichen Levante geprägt war. Die meisten Königreiche aus der Mittleren Bronzezeit bestehen zwar in der Region fort und weisen eine Kontinuität hinsichtlich ihrer Materialkultur und der Siedlung auf, jedoch verändern sich die politi­ schen, kulturellen und zum Teil sogar ethnischen Strukturen dieser Königtümer graduell während der Späten Bronzezeit. Hauptsächlich verantwortlich für

diese Veränderungen waren die Einflüsse aus den Großreichen der Ägypter, Hurriter und Hethiter.211 212

Mari

südliches Mesopotamien

Ebiḫ-Il

Herrscher von Akkad: Sargon (ca. 2340-2285) Man-ištūšu (1. Hälfte 23. Jh.)

Ididiš (2238-2178)

Narām-Sîn (ca. 2250)

Šu-Dagan (2178-2173) Ismaḫ-Dagan (2173-2128) Nûr-Mêr (2128-2123)

Šar-kali-šarri (ca. 2200)

Ištup-Ilum (2123-2112) Išgum-Adad (2112-2104) Apil-kīn (2104-2069?)

III. Dyn. von Ur: Ur-Nammu (2112-2095)

Iddin-Ilum (2069?) Šulgi (2094-2047)

? Ili-Išar (2064-2052) Tūra-Dagān (2052-2032) Puzur-Ištar (2032-2007) Ḫitlal-Erra (2007-2000)

Amar-Sîn (2046-2038) Šū-Sîn (2037-2029) Ibbi-Sîn (2028-2004)

Ḫanun-Dagan (2000-?) Legende Südmesopotamische Macht/ unter südmesopotamischer Vorherrschaft

205 Klengel 1992: 86; Wilhelm 2009: 34. 206 Klengel 1992: 90; Wilhelm 2009: 34. 207 Pfälzner 2012b: 770-774. 208 Ebenda: 770-772. 209 Akkermans – Schwartz 2003: 358 f.; Wilhelm 2009: 34; Pfälzner 2012b: 770-772. 210 Siehe Weber 2017 mit einer umfangreichen Debatte zu dieser Thematik und einer Zusammenfassung des wissen­ schaftlichen Diskurses. An weiterer kritischer Literatur sind exemplarisch Fischer – Bürge (Hrsg.) 2017, Millek 2019 und 2020: 29-87 zu nennen.

Eigenständig?

Tab. 2: Die šakkanakku von Mari und die zeitgleichen Herrscher von Akkad sowie der III. Dynastie von Ur.212 211 Vgl. Pfälzner 2012b: 770. 212 Die Jahreszahlen in Tab. 2 für die šakkanakku von Mari beruhen auf Margueron 2004: 328; die Datierungen der süd­ mesopotamischen Herrscher richten sich nach Edzard 2009.

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Einleitung Ḫatti

Ḫurri/Mittani

Ägypten

Ugarit

Qaṭna

Mari

Amenemhat III. (1853-1806/05)

Yaḫdun-Lîm (ca. 1820-1806)

Amenemhat IV. (1807/06-1798/97)

Sumu-Yamam (ca. 1806-1803)

Königin Neferusobek (1798/97-1794/93)

Išḫī-Addu (>1783 – 1776)

Yasmaḫ-Addu (ca. 1803-1775)

Amud-pi-El (1775 – 1783 – 1776 v. Chr.)255, der gute Beziehungen zum König von Obermesopotamien, Samsī-Addu (1830 – 1775 v. Chr.), pflegte. Er verheiratete sogar seine Tochter Damḫurazi, auch Bēltum genannt, mit Samsī-Addus Sohn, Yasmaḫ-Addu (1803 – 1775 v. Chr.), dem damaligen König von Mari.256 Zwischen den beiden König­ reichen Qaṭna und Mari verlief damals offenbar eine gemeinsame Grenze, die in einem Brief des Königs Yasmaḫ-Addu erwähnt wird.257 In Qaṭna folgte IšḫīAddu schließlich sein Sohn Amud-pi-El (1775 – m á š ![ŠÁR. MAŠ] má l u g a l [x] é g u - z a - š è) geopfert (Transliteration nach Sigrist – Owen – Young 1984: Plate XVII). In einem weiteren Text (PDT 2, 1056) werden Opferlieferungen ausgegeben für das Innere des Hauses des Thrones des d Amar-dSîn (Vs. II 3: š à é gišg u - z a da m a r- dEN.ZU) und für das Innere des Hauses des Thrones des Ur-dNammu (Vs. II 6: šà é gišg u - z a u r- dn a m m u ) (Transliteration nach Yildiz – Gomi 1988: 121). 792 Sallaberger 1993: 147 f., v. a. Fn. 696 und 698.

117

Herrschers. Offenbar handelt es sich um eine „besondere Opferstätte für den verstorbenen Herrscher neben dem ki-a-naĝ“793, an welcher möglicherweise der Person selbst gedacht wurde.794 In diesem Zusammenhang ist auch an den ugaritischen Text KTU 1.161 zu erinnern, in dem der Thron des verstorbenen Königs Niqmaddu während des Bestattungsrituals beweint wird (siehe Kapitel 4.2.1).795 Allerdings war die Nutzung dieser „Throne“ ebenso wie das ki-anaĝ nicht auf Könige beschränkt. Sie werden auch in Zusammenhang mit Ausgaben für eine (private) Totenfeier erwähnt.796 Außerdem konnte ein solcher „Thron“ in Mari auch für Gottheiten ge­stiftet werden, wie die Jahresbezeichnungen „Jahr in dem Zimrī-Lîm einen großen Thron für GN errichtete“797 belegt. Die Texte UET 3, 76 und PDT 2, 1056 nennen ein „Haus des Thrones“ und in dem Text MVN 13, 120 werden „Tore“ verschiedener „Throne“ erwähnt (siehe Fn. 791). Gleichzeitig zeigt der Text PTST 66, dass der „Thron“ nicht an einem Ort verbleiben musste, sondern auch außerhalb seines üblichen Aufstellungsortes verwendet wurde: „Thron von Ur-dNammu, dŠulgi und dAmar-dSin als er das Ufer des Tigris ein­ genommen hatte?“.798 Diese Belege verdeutlichen, dass nicht das „Haus des Thrones“ per se den Kultort bezeichnet, sondern vielmehr, dass durch die Aufstellung eines „Thrones“ der jewei­ lige Ort zum Kultort wird. Entsprechend wird das „Haus der Throne“ in Mari dadurch zum Kult­ ort, dass darin offenbar mehrere „Throne“ aufgestellt waren, ob dauerhaft oder ausschließlich für die Durchführung des in dem Text M. 12803 beschriebenen Rituals, lässt sich nicht ent­schei­ den. Bemerkenswert ist, dass aus Mari der einzige Beleg stammt, in dem vom „Thron“ im Plural gesprochen wird. Es bleibt jedoch die Frage, wo genau sich dieses „Haus der Throne“ in Mari befunden hat. Bislang wurden verschiedene Möglichkeiten für die Lokalisierung angeführt: Die mehrfache Nennung des Gottes Šamaš ließ M. Birot vermuten, dass sich dieses „Haus“ im Tempel von Šamaš befand.799 Außerdem kommen als Ort der 793 Ebenda: 147. 794 A. a. O. 795 KTU 1.161: 13; vgl. auch Dietrich – Loretz 1980: 382. 796 Sallaberger 1993: 147, Fn. 696. 797 Im Einzelnen sind dies die Jahre ZL 5 (Thron für Šamaš), ZL 10 (Thron für Addu von Maḫanum) und ZL 12 (Thron für Dagān von Terqa); vgl. auch Kapitel 2.2.2.1.2.3. 798 Sallaberger 1993: 147, Fn. 698; für die Transliteration siehe Sigrist 1990: Pl. 15 Nr. 66‘: Vs. 2-5: gišg u - z a u r- dn a m m u d ⌈š u l- g i ⌉ ù da m a r- de n . z u u 4 g ú ídi d i g n a b a - d a b 5ba-a. 799 Birot 1980: 146.

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Mari

Königspalast und der östliche Palast in Frage.800 Im ersten wurde in Raum 65 die Statue des Išṭup-Ilum gefunden und es besteht die Vermutung, dass dort ursprünglich weitere Statuen aufgestellt wurden.801 Im zweiten befinden sich die zwei monumentalen Grüfte (T. 763 und T. 928) unter Raum I und dem sogenannten Thronsaal (Raum XVI) (siehe Kapitel 2.1.1.1.5), sodass ein Totenkult in den darüber liegenden Räumen gut vorstellbar wäre. Mit eben diesem Argument favorisieren J.-M. Durand und M. Guichard eine Identifikation des Ausübungsortes des kispu(m), also dem „Haus der Throne“, mit dem „Thronsaal“ des kleinen östlichen Palastes.802 Zudem könnte man in Anlehnung an das é ma-tim „Haus der Toten“ in Ebla, bei dem es sich laut Alfonso Archi um das Mausoleum in NEnaš handelt, in dem mindestens zwei Throne aufgestellt waren, ebenfalls argumentieren, dass das Ritual in dem östlichen Palast oberhalb der Gräber stattfand. Während des Rituals der königlichen Hochzeit in Ebla sitzen der König und die Königin auf den beiden Thronen ihrer Väter („tuš al6 2 GIŠ-uštil a-bù-sù“). Aus dieser Begebenheit folgert Archi, „������������������������������������������������ Through this ritual, the king and queen ‘substitute‘ their ancestors“.803 Für die Lokalisierung des É gišGU.ZA.ḪI.A schlägt A. Jacquet neben den bereits genannten Möglichkeiten den Tempel der Bēlet-Ekallim innerhalb des Königspalastes als Ort für die Aus­ übung des monatlichen kispu(m) und des jährlichen ḫumṭum vor.804 In Anbetracht der besonderen Umstände, die mit dem in M. 12803 beschriebenen Ritual verknüpft sind, ist es nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung am wahrscheinlichsten, dass das in dem Text erwähnte É gišGU.ZA.ḪI.A, wie einst von M. Birot angenommen, mit dem Tempel des Šamaš in Verbindung zu bringen 800 Vgl. auch Durand – Guichard 1997: 63. 801 Siehe u. a. Durand 1985b: 159, Fn. 55; Margueron 2004: 465. 802 Durand – Guichard 1997: 63 f.; auch J.-C. Margueron erwägt den östlichen Palast als Ort für das kispu(m)-Opfer, erwähnt allerdings den Terminus É gišGU.ZA.ḪI.A in diesem Zusammenhang nicht (Margueron 2004: 451). 803 Archi 2012: 7 f. in Bezug auf die Texte ARET XI 1, 2 und 3. In diesem Mausoleum in Ebla waren die drei eblaitischen Könige Šagišu, Ibbini-lim und Išrud-damu bestattet und auch noch Jahrhunderte nach deren Tod wurde ein Teil des königlichen Hochzeitsrituals dort durchgeführt, während dessen den drei genannten Ahnen der Dynastie Opfer dargebracht wurden (Ebenda: 12 f.). 804 Dies begründet er anhand des Opfers für Šamaš in der ersten Kolumne im Zusammenhang mit dem kispu(m)-Opfer und dem weiteren Opfer für Šamaš in der dritten Kolumne, in der dieses Opfer im „Tempel der Göttin“ dargebracht wird (Jacquet 2008a: 393). Wie bei dieser Interpretation zu verstehen ist, dass das ḫumṭum selbst ausdrücklich im „Tempel des Dagān“ dargebracht wird, erklärt A. Jacquet nicht.

ist. Als wichtigstes Argument ist die Tatsache geltend zu machen, dass Šamaš an prominenter Stelle im Text genannt wird und mehrfach betont wird, dass das Opfer für Šamaš vor der Ausübung des kispu(m) dargebracht werden muss. Hinzu kommt, dass Yasmaḫ-Addu, Sohn des SamsīAddu, wahrscheinlich der König ist, in dessen Namen die Rituale ausgeführt werden und er mit dem kispu(m) für die beiden akkadischen Könige Sargon und Narām-Sîn längst verstorbenen, südmesopotamischen Herrschern gedenkt (siehe die Interpretation zum Text unten). Ein Tempel wie der Šamaš-Tempel in Mari, der durch Umbaumaßnahmen des Königs Yaḫdun-Lîm (ca. 1820 – 1806 v. Chr.), der im Nordwesten ein terrassenartiges Massiv ergänzen ließ und somit an mesopotamische Vorbilder anknüpfte, scheint für die Unterstreichung der historischen Bezug­ nah­me dieses Rituals bestens geeignet.805 805 Margueron 2004: 502-506; siehe auch Lange 2015: 119 f. Diese monumentale Ergänzung des Tempels scheint den Willen Yaḫdun-Lîms zu verdeutlichen, dem Kult des Šamaš, dessen große Heiligtümer in Sippar und Larsa zu finden waren, in Mari eine größere Bedeutung zu verleihen. J.-C. Margueron vergleicht den Tempel mit dem in die Regierungszeit von Samsī-Addu zu datierenden Tempel in Karana (Tall Rimaḥ) und dem mittelassyrischen AssurTempel in Kar-Tukilti-Ninurta (Ebenda: 504; vgl. auch Orthmann 1975: 245, 248, 263 Nr. 53, 270 Nr. 66, allerdings noch mit der Annahme, dass der Tempel in Karana der älteste dieser Art sei; sowie Heinrich 1982a: 200, 235-237; 1982b: Abb. 291, 326). Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Tempel in Karana vor oder nach der Erweiterung des Šamaš-Tempels durch Yaḫdun-Lîm in Mari zu datieren ist und somit welcher Bau den anderen beeinflusst hat. Da die beiden Herrscher Yaḫdun-Lîm (ca. 1820 – 1806 v. Chr.) und Samsī-Addu (1830 – 1775 v. Chr.) zeitgleich regierten und hinsichtlich des Tempels in Karana nur angenommen werden kann, dass er zur Regierungszeit des Samsī-Addu errichtet wurde (Orthmann 1975: 263 Nr. 53), ist die chronologische Reihenfolge der beiden Tempel nicht eindeutig festzulegen. Folgt man M. Novák in seiner Interpretation, wäre davon auszugehen, dass die Konzeption einer engen Verbindung eines „Tieftempels“ mit einer Hochterrasse aus Syrien stammt. Diese Vermutung begründet er anhand des aus der Zeit der šakkanakku stammenden „Löwen-Tempels“ aus Mari und der Tatsache, dass die von Samsī-Addu in Assur errichtete Ziqqurrat, wie auch die babylonischen Vorbilder, separat und ohne einen angegliederten Tempel errichtet wurden (Novák 2001: 372 f.). Ob jedoch auch die Angliederung einer Hochterrasse an einen Tempel ihren Ursprung in Syrien, genauer in Mari hat, oder ob beim Tempel in Karana die Kombination einer Ziqqurrat mit einem Tempel aufgrund des Vorbilds des „Löwen-Tempels“ in Mari verwirklicht und dieses Konstrukt dann wiederum von Yaḫdun-Lîm in Mari übernommen wurde, lässt sich zum aktuellen Stand der Forschung nicht abschließend beantworten. Ohne Zweifel kann anhand des Šamaš-Tempels in Mari jedoch erneut die Zusammenführung syrischer (Kombination Hoch- und Tieftempel) und mesopotamischer (Hochterrasse/Ziqqurrat) Traditionen beobachtet werden. Für eine Diskussion zur Unterscheidung von Hochterrasse und Ziqqurrat, zur Begriffsverwendung und der Entwicklung dieser Bauformen siehe u. a. Pfälzner 2008: 416-429; Allin­

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Die schriftlichen Quellen (I 7, 10) gišGU.ZA.ḪI.A Neben der Frage, wo genau sich das „Haus der Throne“ befindet, ist zudem zu klären, was genau mit den „Thronen“ gemeint sein könnte. Das RlA führt unter dem Begriff gišgu-za/kussû an, dass es sich um den Oberbegriff für Sitzmöbel handelt, der je nach Textkontext mit „Hocker“, „Bank“, „Stuhl“, „Sessel“, „Thron“ oder „Packsattel“ zu übersetzen sei.806 In dem hier gegebenen Kontext scheint die Übersetzung mit „Thron“ in Anbe­ tracht der kultischen Funktion des Objekts und der Zuordnung zu verstorbenen Königen und Göttern angemessen. Jedoch ist zu bemerken, dass gerade im 3. und zu Beginn des 2. Jahrtausends dieses Möbelstück meist ohne Rückenlehne gefertigt wurde und dementsprechend eher als „Hocker“ zu bezeichnen ist.807 Neben den zahlreich in Texten belegten, aus Holz hergestellten gišGU.ZA,808 gab es auch Sitzmöbel, die aus Stein gefertigt wurden, wie der „lebensgroße“ Basaltstuhl aus Ugarit belegt (siehe Kapitel 4.1.2.1), und sehr wahrscheinlich einen kultischen Charakter besaßen. Dass der Begriff im 3. und zu Beginn des 2. Jahrtausends eher Sitzmöbel in Form von Hockern bezeichnet, passt gut zu den sitzenden „Beterstatuen“ aus Mari, die mit einem Schemel dargestellt sind (siehe Kapitel 2.1.4). Dies bringt uns zu einem weiteren, in diesem Zusammenhang wichtigen Aspekt. In den vorhergehenden Zeilen des Textes M. 12803 wird konkretisiert, dass im „Haus der Throne“ ein Schaf für die „Bildnisse“ von Sargon und Narām-Sîn dargebracht werden soll (siehe oben). Das „Haus der Throne“ muss man sich demnach nicht als ein Gebäude oder einen Raum allein mit aufgestellten Thronen vorstellen, sondern vielmehr scheint dieses „Haus“ neben den, dem Namen nach anzunehmenden, „Thronen“ ebenfalls Statuen zu beherbergen. Dass diese Throne auch speziell für die Statuen gedacht waren, zeigt der Text ARMT XXV 287, in dem für den „Thron der Statue des Dagān“ (gišGU.ZA ša alam dda-gan) Silber ausgegeben wird.809 Darüber ob in dem hier diskutierten „Haus der Throne“ möglicherweise auch weitere ger-Csollich 2013 sowie Miglus 2017 und Wicke 2017 jeweils mit weiterführender Literatur. 806 Röllig – Waetzold 1993-1997: 328; siehe auch Paoletti 2012: 164. 807 Röllig – Waetzold 1993-1997: 328. 808 A. a. O. 809 Zudem sind in diesem Text Gold und Silber in unter­schied­ licher Menge und Form für die Lamassu-Statuen verzeichnet (Limet 1986: 91). Des Weiteren existiert die Gleichsetzung giš GU.ZA GÌDIM = ku-us-su-ú e-ṭim-me „Thron des Totengeistes“ (MSL V ḪAR-r a = ḫubullu: 157 Z. 93; RA 28 19, Z. 17 [Langdon 1931: 19]; vgl. Bayliss 1973: 119, Fn. 33), die entsprechend sowohl den Thron, als auch die damit verbundene Statue mit einem Totengeist „belebt“.

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Statuen im Rahmen der Zeremonie mit Opfern bedacht wurden, lässt sich nur spekulieren. Auch hier wäre wiederum an die sitzenden Betersta­ tuen zu denken, die entsprechend mit dem Begriff giš GU.ZA in Verbindung gebracht würden. (I 15, 23-24, 30-31) ikkassap kispam kasāpum wurde mit „ein kispum darbringen“ übersetzt, um die im Text vorgenommene Unterscheidung zwischen den Opfern, die für die Götter „geopfert“ werden (naqûm)810, und dem kispu(m), das für die Toten bereitgestellt wird (kasāpum)811, wiederzugeben. Die unterschiedliche Wortwahl (kasāpum/darbringen vs. naqûm/opfern), die je nach Kontext vorgenommen wurde, ist im Akkadischen so konsequent durchgeführt worden, dass ihr die entsprechende Bedeutung beigemessen werden sollte (siehe auch die Interpretation zu diesem Text). (I 20) lúḫana.MEŠ jaradi Bei den „jaradum-Ḫanäer“812 handelt es sich, laut J.-M. Durand, um vom Euphratufer stammende Amurriter. Seit Altbabylonischer Zeit wird der Terminus verwendet, um die nomadische Bevöl­ kerung zu benennen, die nicht als einheimisch angesehen wird (für eine Erörterung der Adressaten dieses kispu(m)-Rituals siehe die Interpretation zu diesem Text).813 (II 1) um biblim Der „Tag des Biblum“ bezeichnet den Tag, an dem der Mond in seiner ersten Phase sichtbar ist.814 (II 5) KI LAMMAx šé-di-im Die hier vorgeschlagene Lesung der Zeile 5 der zweiten Kolumne nimmt, anders als zuvor präsentierte Lesungen,815 keine fehlerhafte Schrei­bungen der Zeichen an. Stattdessen ist aus Sicht der Autorin davon auszugehen, dass in dieser Zeile ein Ort beschrieben wird, an dem bildliche Repräsentationen der Lamassuund Šēdu-Geister zu finden sind, deren Dualität zahlreich belegt ist.816 Beide Begriffe für diese 810 naqûm bedeutet wörtlich „ausgießen“ und spielt auf das Ausgießen von Tierblut, häufig vor einer Gottheit, an. Allerdings kann das Verb auch verwendet werden, um das Ausgießen von Mehl oder Flüssigkeiten auf die Erde zu beschreiben (Jacquet 2008a: 389, 396; 2011: 20). 811 Siehe CAD K: 242 s.  v. kasāpu B „to present a funerary offering“ und AHw A-L: 453 s. v. kasāpu(m) II „Totenopfer darbringen“; vgl. auch Kapitel 2.2.2.1.1. 812 Von J.-M. Durand als „Bédouins-yaradum“ bezeichnet (Durand – Guichard 1997: 64). 813 A. a. O. 814 Jacquet 2008a: 395. 815 Siehe Fn. 781. 816 Vgl. CAD L: 63-64 s. v. lamassu 1c.; CAD Š II: 256-259 s. v. šēdu A.

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beiden Schutz- bzw. Lebensgeister können auch ohne eine entsprechende Erweiterung mit einem Begriff wie ṣalmu(m) „Statue“817 für eine bildliche Repräsentation der Geister stehen.818 Diese Zeile greift möglicherweise auf die Zeilen 5-7 der ersten Kolumne zurück, in der den beiden „Bildnissen“ (lamasat) der akkadischen Könige im „Haus der Throne“ (siehe oben) ein Opfer dargebracht wird. Auch in dieser Passage wird vermutlich bereits auf die schützende Wirkung eines Lamassu Bezug genommen (siehe den Kommentar zu I 5). Auch wenn es sich bei dem KI LAMMAx šēdim und dem É gišGU.ZA.ḪI.A jeweils um einen Ort handeln dürfte, an dem bestimmte Sta­ tuen aufgestellt waren, scheint es aufgrund der unterschiedlichen Schreibungen unwahrscheinlich, dass es sich um denselben Ort handelte. (II 7) gimkum Gimkum, ein Begriff, der in keinem anderen Text in Mari erwähnt wird, könnte mit dem Fest des Kinkum aus Ešnunna gleichzusetzen sein.819 Kinkum ist in Ešnunna zugleich der Name für den letzten Monat, der in Mari dem Monat Addaru entspricht, in den der vorliegende Text datiert.820 (II 8) qersu J.-M. Durand und M. Guichard übersetzen den Begriff mit „des structures de tente“.821 Laut AHw ist ein qersu „ein hölzerner Verschlag […] im Kult“.822 Die dort aufgeführten Belege zeigen deut­lich, dass es sich um eine errichtete Räum­ lichkeit handelt, die betretbar ist. (III 15-18) ḫumṭum Bei dem Fest des ḫumṭum handelt es sich um ein Monatsfest, das zur Zeit der assyrischen Vorherrschaft in dem Monat Addaru und zur Regie­rungszeit Zimrī-Lîms in dem korrespondie­ renden Monat Uraḫum (siehe 2.2.2.1.4) ausgeübt wurde. Offenbar wurde das Fest von einem feierlichen Einzug des ḫumṭum-Opfers in den Tempel begleitet. Geopfert wurde zumeist dem Gott Šamaš, allerdings ist auch belegt, dass das ḫumṭum für Šamaš und Addu zusammen dargebracht wurde.823 Ob das Opfer in dem vorlie­ genden Text für Dagān bestimmt ist oder ob der 817 CAD Ṣ: 78-85 s. v. ṣalmu. 818 Vgl. CAD L: 64 f. s.  v. lamassu 2.; CAD Š II: 259 s.  v. šēdu A 2. 819 Birot 1980: 144; Durand – Guichard 1997: 65; Jacquet 2008a: 395. 820 Vgl. Durand – Guichard 1997: 65. 821 Ebenda: 70. 822 AHw M-S: 918 s. v. qersu. 823 Durand – Guichard 1997: 44 f. Zu dem ḫumṭum-Fest siehe auch Jacquet 2008a: 397-398; 2008b: 414-416; 2011: 41.

Adressat des Opfers sich lediglich im Tempel des Dagān befindet, wird in dem Text M. 12803 nicht deutlich. Da jedoch auch in einem weiteren Text aus Mari (ARMT XXI 95) für das ḫumṭum etwas in den „Palast des Dagān“ geliefert wird,824 liegt es nahe anzunehmen, dass das Fest tatsächlich zu Ehren des Gottes Dagān ausgeführt wurde, auch wenn in diesem Text diesbezüglich ebenfalls keine eindeutige Formulierung existiert. 2.2.2.1.2.4.2 Interpretation des Textes M. 12803 Der Text M. 12803 ist vor dem Hintergrund zu betrach­ten, dass er nicht, wie der Großteil der admi­ nis­trativen kispu(m)-Listen in die Zeit des ZimrīLîm (ca. 1775 – 1760 v. Chr.) datiert, sondern sehr wahrscheinlich in die Regierungszeit des SamsīAddu (ca. 1830 – 1775 v. Chr.). Somit wurde dieses kispu(m)-Ritual vermutlich von dessen Sohn Yasmaḫ-Addu (ca. 1803 – 1775 v. Chr.) ausgeführt. In dem Text werden keine Einzelheiten der rituellen Handlungen beschrieben; weder die Handlungen des Königs und der anderen Teilnehmer, noch die zu rezitierenden Texte. Stattdessen wird die Anzahl der benötigten Opfertiere, die Reihenfolge der einzelnen Opferhandlungen sowie die Form in der die Opfertiere den jeweiligen Adressaten dargebracht werden sollen, genannt. Es scheint sich bei diesem Text somit um eine Art groben Ablaufplan für die Opferhandlungen in der ersten Woche des Monats Addaru zu handeln, nicht jedoch um detaillierte Anweisungen oder gar einen Ritualtext im eigentlichen Sinne.825 Dieser Ablaufplan sieht vor, dass am ersten Tag des Monats Addaru das kispu(m)-Ritual und das Opfer für Šamaš dargebracht werden (I). Inwiefern diese beiden Opfer in Zusammenhang stehen, wird unten ausführlicher diskutiert. Der Tag des Biblum (der Tag, an dem der Mond in seiner ersten Phase sichtbar ist)826 ist offenbar ungeeignet, um Opfer darzubringen (II 1), sodass erst an einem folgenden Tag das Mahl der Götter oder Göttinnen am Ort der Lamassu- und Šēdu-Bildnisse geopfert wird (II 4-6). Am Tag des Gimkum wird im Folgenden ein Esel geopfert (II 7-10). Dieses Opfer scheint mit dem Auszug der Götter und des König aus dem Inneren des Palastes und der danach erfolgenden Rückkehr in ihre jeweilige Behausung (II 11-14) in Zusammenhang zu stehen. A. Jacquet interpretiert das qersum als eine Art Zelt,827 das vorab errichtet wurde 824 Birot 1980: 144 f.; Durand – Guichard 1997: 44, v. a. Fn. 156. 825 Vgl. Jacquet 2008a: 397; A. Jacquet schreibt dem Text einen administrativen oder buchhalterischen Charakter zu. Der Interpretation M. Birots, dass es sich um eine Art liturgischen Kalender handelt (Birot 1980: 145), kann aufgrund der fehlenden Angaben zu dem genauen Ablauf der Rituale nicht zugestimmt werden (vgl. auch Jacquet 2008a: 397). 826 Jacquet 2008a: 395. 827 Siehe auch den Kommentar zu qersum, II 8.

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Die schriftlichen Quellen und in dem nun die Opferzeremonie stattfindet. In Anlehnung an die nomadische Vergangenheit der assyrischen Dynastie, scheint dies eine schlüssige Erklärung für den Auszug der Götter sowie des Königs aus dem Palast und ihre Rückkehr zu sein, bei der sie nach der Zeremonie ins „Zelt“ einzogen.828 Nach der Rückkehr wird erneut ein Esel geopfert (II  15). Das folgende ḫumṭum im Tempel des Dagān (III  15-19) scheint nicht identisch zu sein mit dem Opfer des Königs für Šamaš,829 da letzteres im Vorhof des „Tempels der Göttin“ dargebracht wird (III 20-22). Danach wird außerdem der siebte Tag des Monats erwähnt, sodass anzunehmen ist, dass die genann­ten Rituale in dieser Zeitspanne stattfanden.830 Diese letzten annähernd zu identifizierenden Szenen verdeutlichen, dass nicht alle aufeinanderfolgenden Ritualszenen im direkten Zusammenhang stehen, sondern bestätigen hingegen nochmals, dass es sich offenbar um eine Art Ablaufplan mit einer Aneinanderreihung der Rituale der ersten Woche des Ad­daru handelt. Dem Charakter dieses Textes entsprechend ist die erste Kolumne, in der auch kispu(m) erwähnt wird, derart zu interpretieren, dass hier zwar mehrere rituelle Handlungen, die am ersten Tag des Addaru ausgeführt werden, aneinandergereiht sind, diese aber nicht unbedingt zueinander in Bezug stehen. Folgende Ritualszenen lassen sich in der ersten Kolumne differenzieren und, sollten die Szenen wie der restliche Text in chronologischer Reihenfolge wider­gegeben sein, kann die folgende Ritualfolge festgehalten werden: • • • • • • •

bevor der König kommt, wird ein Schaf für die „Bildnisse“ von Sargon und Narām-Sîn geopfert offenbar im Folgenden in Anwesenheit des Königs: Fleisch wird für Šamaš aufgelegt kispu(m) für Sargon, Narām-Sîn, die Ḫanäer und die Numḫäer wird dargebracht der König und seine Untertanen opfern den Göttern Am folgenden Tag: kispu(m) wird durch die Untertanen dargebracht

828 Jacquet 2008a: 395 f. 829 Hierbei handelt es sich vermutlich um „Šamaš der Himmel“, dessen Kultort sich im Königspalast innerhalb des heiligen Bezirks der Bēlet-Ekallim befand (Ebenda: 392). 830 Allerdings erwecken die unbeschrifteten Bereiche der Tafel – der untere Teil der Kolumne  4 und die Kolumnen 5-7 – den Eindruck, als sei die Tontafel nicht fertiggestellt worden. Es könnte sich somit um eine ursprünglich länger geplante Auflistung von Ritualen handeln, wobei nicht festzustellen ist, sollten tatsächlich weitere Einträge geplant gewesen sein, wie viele weitere Tage mit dieser Tafel abgedeckt worden wären (vgl. auch Ebenda: 396).

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Gerade die konsequent durchgehaltene Verwendung der Verben naqû(m) und kasāpu(m) im Text (siehe oben) vermitteln den Eindruck, als hätte das Opfern des Schafes (naqû[m]) für die „Bildnisse“ von Sargon und Narām-Sîn unabhängig vom kispu(m)-Ri­ tual stattgefunden. Das Schaf für die „Bildnisse“ im „Haus der Throne“ (I 5-7), das Schaf für den „Thron“ (I 8) und das Opfer des „Hauses der Throne“ (I 10) erfolgten, der Reihenfolge des Textes entsprechend, offenbar bevor der König in das „Haus der Throne“ kam. Ob das Mahl, das im Palast ausgegeben wird, mit dem geopferten Schaf zusammenhängt, ist nicht eindeutig. Das satzverbindende – ma (I 4) könn­te zwar einen Hinweis auf einen Zusammenhang zwi­ schen diesen beiden Ausgaben liefern, allerdings ist nicht zu vergessen, dass es sich hier um einen Text administrativen Charakters handelt, sodass ein ritueller Zusammenhang nicht zwingend gegeben ist. Interessant ist jedoch vor allem, dass den „Bildnissen“ der akkadischen Könige Sargon und NarāmSîn ein Opfer dargebracht wird, bei dem der König vermutlich nicht anwesend war und das offenbar nicht in direktem Zusammenhang mit dem kispu(m)Opfer steht.831 Die Funktion dieses Opfers wird aus dem Text nicht ganz deutlich. Es ist aller­dings zu bezweifeln, dass es sich – ohne die Anwesenheit des Königs – um ein Opfer für die Totengeister der beiden Könige handelt. Stattdessen könnte auch der Terminus lamassatu (siehe den entsprechenden Kommentar zu I 5) ein Hinweis darauf sein, dass die beiden (vergöttlichten) Könige in ihrer Funktion als Schutzgötter ein Opfer vom Tempelpriester(?) erhielten. Das im Folgenden für Šamaš aufgelegte Fleisch wird in zeitlicher Relation zu dem kispu(m)-Opfer gesetzt. Es wird zweifach betont, dass mit kispu(m) erst begonnen wird, wenn das Fleisch für Šamaš bereitet wurde (I 14-24). Zwar kann man feststellen, dass das Opfer für Šamaš offenbar anlässlich des kispu(m) erfolgt und, wie auch schon M. Birot anmerkte, ist eine enge Verknüpfung des Sonnengottes mit einem Opferritual für die Totengeister nicht verwunderlich,832 allerdings sind die unterschiedlichen Zeitpunkte der beiden Rituale nicht zu vernachlässigen. Allein die Zeilen 16 – 24 der ersten Kolumne beschäftigen sich konkret mit dem im Namen des Königs dargebrachten kispu(m). Dabei sind vor allem die genannten Adressaten von besonderem 831 Ein Beispiel, das relativ eindeutig den hier nicht zwingend gegebenen Zusammenhang zwischen dem Opfer für die giš GU.ZA.MEŠ und einem als kispu(m) dargebrachten Schaf liefert, stammt aus Sippar und lautet 1 ÙZ ša a-na pa-ni giš GU.ZA Ifzi-zi-i in-na-ak!-sú 1 US a-na KI.SÌ.GA „1 Ziege für den Thron der fZizi wurde geschlachtet, 1 Mutterschaf für das kispu(m)“ (JCS 11: 36 Nr. 27 [Goetze 1957: 36 f.] = CUA 70; Tranksription nach Talon 1978: 55 f.). 832 Birot 1980: 146.

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Inte­resse. kispu(m) wird sowohl für die beiden verstorbenen akkadischen Könige Sargon (ca. 2340 – 2285 v. Chr.) und Narām-Sîn (um 2250 v. Chr.), als auch die jaradum-Ḫanäer, „die aus Numḫa“ und ebenso für „Weitere“ dargebracht. Die Nennung der beiden akkadischen Könige erklärt sich vermutlich durch die Herkunft der Dynastie Samsī-Addus. Nach dem aktuellen Forschungsstand ist es am wahr­ schein­lichsten, dass diese aus dem Land von Akkad stammt.833 Somit ist die Bezugnahme Yasmaḫ-Addus auf zwei große Herrscher des Akkadreiches nicht weiter verwunderlich. Die Nen­nung der jaradumḪanäer, „der aus Numḫa“ und der „Weiteren“ bezieht sich auf den nomadischen Teil der Bevölkerung. Wie bereits oben erwähnt (siehe den Kommentar zu I 20), bezeichnet der Begriff „jaradum-Ḫanäer“ die nomadische Bevölkerung, die nicht als einheimisch anzusehen ist.834 Mit „denen aus Numḫa“ wird ein weiterer Nomadenstamm genannt und die „Wei­ teren“, sofern die Ergänzung richtig ist, stehen vermutlich für „la masse indifférenciée des gens de la tribu“835. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Ḫanäer auch in der „Assyrischen Königsliste“ (unter dem Eponym Ḫanu, Z. 10) und in der „Genealogie der Ḫammurapi-Dynastie“ (unter dem Eponym Ḫeana, Z. 4) auftauchen und dort jeweils vor dem Urahne Ditānu/Didānu genannt werden (zu Didānu siehe auch Kapitel 4.2.5.2).836 J. J. Finkelstein setzt den in der „Genealogie der Ḫammurapi-Dynastie“ vorkommenden Terminus Nam-ḫu-ú mit dem Ter­ mi­nus INu-a-bu in der Assyrischen Königsliste gleich.837 Sollte diese Annahme korrekt sein, würde Yasmaḫ-Addu in dem im Text M. 12803 beschriebenen Ritual nicht nur mit den beiden großen Herrschern Sargon und Narām-Sîn auf die sesshaften Akkader verweisen, sondern auch auf die nomadischen Vorfahren. Folglich würde er den wichtigsten Vorfahren der assyrischen Dynastie mit diesem Ritual ein kispu(m)-Opfer darbringen.838 Dass dieses kispu(m)-Opfer ausschließlich für die dynastisch relevanten Vorfahren der assyrischen Dynastie und nicht für nähere Verwandte des Kö­nigs839 dargebracht wird, unterstreicht die legiti­ 833 Durand – Guichard 1997: 28; Jacquet 2002: 60 f.; Charpin 2004a: 148-150; 2004b: 372-376; gegen die ursprünglich von B. Landsberger postulierte Herkunft aus Terqa (Landsberger 1954: 35, Fn. 26) sprach sich auch schon W. von Soden aus (von Soden 1954: 25). 834 Charpin – Durand 1986: 166; Durand – Guichard 1997: 64. 835 Durand – Guichard 1997: 65. 836 Finkelstein 1966: 98; Jonker 1995: 225 f. 837 Finkelstein 1966: 99; siehe auch Tsukimoto 1985: 77. 838 Vgl. auch Charpin – Durand 1986: 175 und Jacquet 2002: 55 f. 839 A. Tsukimoto bemerkt, dass der Vater von Samsī-Addu, Ilakabkabu, nicht erwähnt wird (Tsukimoto 1985: 78). Aller­ dings brachte zum einen vermutlich Yasmaḫ-Addu, der in Mari eingesetzte König, die hier diskutierten Opfer dar

ma­torische Bedeutung, die dieses kispu(m)-Opfer bzw. -Ritual erfüllen sollte und mithilfe dessen der König seine Herkunft zur Schau stellen wollte.840 Zudem erhält dieses kispu(m)-Ritual mit einer sol­ chen Auflistung von Empfängern des kispu(m) eine eindeutig kommemorative Dimension, die die Stammesstrukturen der nomadischen Gesellschaft widerspiegelt.841 Auf das kispu(m)-Ritual folgt ein Opfer, das so­wohl von dem König, als auch von seinen Untertanen (muškēnu[m]) in den „Häusern der Götter“ dargebracht wird. Diese Formulierung weist nach A. Jacquets überzeugender Argumentation darauf hin, dass gleichzeitig an mehreren Orten das gleiche Opferri­tual durchgeführt wurde. Dies geschah auf der einen Seite durch den König und auf der anderen Seite durch seine Untertanen in den jeweils zur Verfügung stehenden Tempeln, d. h. vermutlich im Palasthei­ligtum durch den König und in den lokalen Kapellen durch die Untertanen.842 Sollte der Text die auszuführenden Rituale tatsächlich in chronologischer Reihenfolge wiedergeben, wäre in den Zeilen 28 – 31 ein kispu(m)-Opfer durch die Untertanen des Königs für den Folgetag dokumentiert. Dort heißt es, sofern die Ergänzungen richtig sind, „bevor […] der König am Morgen hinausgeht wird ein kispum […] dargebracht“. Falls dieser Abschnitt nicht nur im Text, sondern auch im rituellen Ablauf auf die zuvor genannten Handlungen folgte, würde somit das durch die Untertanen ausgeführte kispu(m)-Opfer nicht an demselben Tag ausgeführt werden wie das kispu(m)-Opfer des Königs. Dieses ist zwar in den administrativen Listen in der Regel für den 1. oder 16. des Monats festgeschrieben (siehe Tab. 25 und Kapitel 2.2.2.1.4), allerdings ist zu bedenken, dass sich diese administrativen Listen (A. Tsukimoto geht hingegen davon aus, dass Samsī-Addu dieses kispu[m]-Ritual ausführte) und zum anderen würde ein Gedenken seines Großvaters, der in der assyrischen Königsliste nicht als Herrscher aufgeführt wird, nicht dem hier verfolgten Zweck dienen (siehe bspw. Hecker 2005: 29). 840 Vgl. auch Birot 1980: 149 und Michalowski 1993: 86 f. 841 Jacquet 2008b: 412. An dieser Stelle ist auch auf den Text BM 80328 zu verweisen (Finkelstein 1966; Lambert 1968: 1-2; Charpin – Durand 1986), in dem der babylonische König Ammi-ṣaduqa (1646 – 1626 v. Chr.) seine Ahnen anruft. Dieser nennt an erster Stelle die Dynastie der Amurriter. Neben diesen werden auch weitere nomadische Stäm­me Aufgeführt, die am kispu(m)-Ritual teilnehmen. Laut A. Jacquet, sind hier drei konzentrische Gruppen zu unterscheiden, die von Ammi-ṣaduqa mit dem kispu(m)Opfer versorgt werden: die königliche Familie, die durch Blutsverwandtschaft und Schicksal berechtigt war, das Königtum zu führen; Mitglieder anderer Stämme, die im Rahmen von Feldzügen des Königs ums Leben kamen; die Gesamtheit der Sippe. Dadurch ruft Ammi-ṣaduqa die gesamte Geschichte der Familie in Erinnerung, um das Gedenken und die Einheit zu erhalten (Jacquet 2002: 60). 842 Jacquet 2008a: 394 f.

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Die schriftlichen Quellen ausschließlich auf das durch den König ausgeübte kispu(m)-Ritual beziehen. Alternativ könnte man in Erwägung ziehen, dass das kispu(m)-Ritual der Untertanen ebenfalls am ersten Tag, jedoch bereits am Morgen, erfolgte. Eine Erklärung, warum dies vor dem kispu(m)-Ritual des Königs hätte stattfinden sollen und dennoch an das Ende der Auflistungen gesetzt wurde, ist jedoch schwer zu finden. 2.2.2.1.3 Die Verwaltung der Speisen für das kispu(m)-Ritual Die administrativen kispu(m)-Listen stammen aus verschiedenen Archiven innerhalb des Königspalas­ tes. Die in ARMT IX und XII publizierten Texte wurden in Raum 5 im Westen des Palastes, die Texte des Bandes ARMT VII in Raum 110 und die Texte des Bandes XI in Raum 111 gefunden (Abb. 32).843 Für die von A. Jacquet mit den Kürzeln Kisp., M. und S. publizierten Texte,844 wurde die Herkunft bislang nicht veröffentlicht und für die Ölausgabebelege aus der Zeit der assyrischen Vorherrschaft ist lediglich publiziert, dass diese Texte aus den Räumen 116 (Textnr. TH 82,62, TH 82.93 und TH 82.120) und 108 oder 115 (Eponym Addu-bani, Aššur-malik und Awīliya) stammen.845 Die Räume 108, 110, 111, 115 und 116 grenzen an den Hof 106, um den herum der größte Anteil der Tontafeln aus Mari (hauptsächlich administrative Dokumente) gefunden wurde.846 In dem Raum 5 im westlichen Bereich des Palastes wurden mehrere hundert Tontafeln entdeckt, die Wirtschaftsangelegenheiten des Palastes betreffen.847 Die Tontafeln lagen angehäuft in Gefäßen, die an der südlichen Wand des Raumes gelagert waren.848 Außerdem befanden sich zahlreiche Tontafeln auf einem höheren Niveau im Versturz des Raumes, sodass mit Sicherheit angenommen werden kann, dass diese Tafeln aus einem oberen Stockwerk herunter gestürzt sind. Auch für die Räume 108, 110 und 111, in denen kispu(m)-Listen freigelegt werden konnten, lässt die Befundsituation darauf schließen, dass zumindest ein Teil der Tafeln dieser Archive aus dem oberen Stockwerk stammt.849 Diese Befund843 Bottéro 1957: III; Birot 1960b; 1964 und Burke 1963. 844 Jacquet 2002: 65-68; 2011: 43-45, 48 f. 845 Charpin 1984: 107. 846 Sasson 1972: 55 f.; Guichard 1997: 420. 847 Margueron 1986:145-147 848 Parrot 1958: 217-219. 849 Margueron 1986: 148; zudem nennt J.-C. Margueron den Raum 107, fügt aber auch hinzu, dass die Liste an Räumen noch beliebig erweitert werden kann (a. a. O.). Entsprechend ist nicht auszuschließen, dass auch die Räume 115 und 116 Tontafeln enthielten, die aus einem Archiv im oberen Stockwerk hinunter gestürzt waren. Hinsichtlich des Archivs in Raum 115 ist zudem anzumerken, dass J.-C. Margueron bezweifelt, dass sich in diesem Raum selbst ein Archiv befunden hat. Möglicherweise steht die Ansammlung

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situationen zeigen in Bezug auf die hier relevanten kispu(m)-Texte vor allem, dass diese gemeinsam mit zahlreichen anderen Listen innerhalb der für administrative Zwecke bestimmten Palastarchive aufgehoben und nicht gesondert verwaltet wurden. Es ist jedoch bemerkenswert, dass 47 der 57 Tagesund Monatslisten mit bekannter Herkunft aus dem Archiv in Raum 5 stammen. Die Nähe des Raumes 5 zu dem Küchentrakt des Palastes, der sich in der direkten Verlängerung des Thronsaales befindet (siehe Abb. 32),850 und die Überlegung, dass Archive meist in der Nähe der Provenienzstellen der Texte angelegt wurden,851 führt zu dem Schluss, dass die Speisen für das kispu(m)-Ritual in der Palastküche vorbereitet wurden und nicht außerhalb des Palastes. Die Ausgabe der Speisen an den für das kispu(m)Opfer Zuständigen erfolgte möglicherweise in die­sem Bereich, wurde vor Ort quittiert und die ent­ spre­chenden Listen fortan in dem Raum 5 aufbewahrt. Die Ölausgabebelege aus der Zeit des Zimrī-Lîm, von denen ebenfalls der Großteil (elf von 15) aus dem Archiv des Raumes 5 stammen, lassen noch weitere Aussagen bezüglich der Verwaltung der kispu(m)-Ausgaben zu. Wie der Tab. 26 entnommen werden kann, wurden alle Ölausgabebelege dieser Zeit namentlich quittiert. Es ist festzustellen, dass von alledem, was für kispu(m) verzeichnet wird, ausschließlich die Ölausgaben namentlich quittiert werden und dies nur dann, wenn diese Ölausgaben nicht im Zusammenhang mit weiteren Speisen (siehe die Tageslieferungslisten in der Tab. 25) aufgelistet wurden. Da sich das Datum von keinem der Ölausgabebelege mit einem der Tageslieferungslisten deckt, kann nicht angenommen werden, dass das Öl von einem Beamten auf einer separaten Tafel quittiert und anschließend in die Tageslieferungsliste aufgenommen wurde. Vielmehr hat es den Anschein als wären diese Ölausgaben für kispu(m) anstatt der in den Tageslieferungslisten verzeichneten Speisen ausgegeben worden. Dies legt zumindest die Tatsache nahe, dass 18 der 28 Belege (zehn der 15 Belege aus der Zeit Zimrī-Lîms) das übliche Datum für kispu(m) tragen, nämlich entweder den ersten oder den 16. Tag eines Monats. Zudem datieren drei der Ölausgabebelege auf den 1-vi, den 16-vi und den 1-vii des 6. Regierungsjahres des ZimrīLîm und füllen damit genau die Lücke, die bei den Tagelieferungslisten zwischen dem 1-v und 1-viii des 6. Regierungsjahres existiert. Sofern man nicht annimmt, dass es sich hierbei um eine durch den an Tontafeln in diesem Raum auch mit der Durchsicht der Archive durch die babylonischen Beamten nach der Eroberung durch Ḫammurapi in Zusammenhang (Margueron 1984a: 43). 850 Margueron 2004: 465-467. 851 Papritz 1959: 20.

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Mari

Fundzufall gegebene Informationslage handelt, könnten die alternierenden Daten dadurch erklärt werden, dass allein das ausgegebene Öl an den entsprechenden Tagen für das kispu(m) verwendet wurde.852 In den Ölausgabebelegen können zwei verschiedene Zuständigkeiten ausgemacht werden. Zum einen wird in allen Listen der Beamte genannt, welcher die Speisen in Empfang nimmt und zum anderen sind manche dieser Belege gesiegelt, sodass die Bestätigung der Ausgabe durch eine weitere Person erfolgte. Die Tatsache, dass ausschließlich Ölausgaben namentlich von einem Beamten quittiert und zudem von einem weiteren Beamten gesiegelt wurden,853 legt nahe, dass es sich hierbei um ein wertvolles Gut handelte, dessen genauer Verbleib, zumindest zur Zeit des Sumu-Yamam und später unter Zimrī-Lîm, strenger dokumentiert werden musste, als bei anderen Ausgaben wie etwa Brot. Bei den auf den Ölausgabebelegen namentlich erwähn­ten Empfängern des Öls wird in dem 1., 4., 5. und 6. Regierungsjahr des Zimrī-Lîm der Beamte Balumenuḫe, in dem 5., 6. und 7. Jahr der Beamte Iliašraja und in einem Fall im 7. Jahr der Beamte Ilinaṣir genannt (vgl. Tab. 26). Allerdings zeigen zahlreiche weitere Belege aus den Mari-Archiven, dass diese Personen nicht speziell für das Öl des kispu(m) zuständig waren, sondern vielmehr für die Ausgabe von Öl, bzw. Öl und Sesam allgemein.854 In den meisten Fällen, in denen die Namen dieser Personen belegt sind, handelt es sich um Ausgaben der genannten Produkte, die für das Mahl des Königs bestimmt waren.855 M. Birot vermutet, dass 852 Für eine Diskussion der Verwendungszwecke von Öl im kispu(m)-Ritual siehe Kapitel 2.2.2.1.7.1.4. 853 Die beiden Listen, in denen die Ausgabe von Opfertieren für das kispu(m)-Ritual belegt ist, werden lediglich gesiegelt. Ein Empfänger der Opfertiere ist nicht notiert (vgl. ARMT XXIII 60 und 248). 854 Vgl. auch Birot – Kupper – Rouault 1974: 75, 119, 122. 855 Ba-lu-me-nu-ḫe: Empfänger von Ölausgaben für das Mahl des Königs (ARM IX 41, 91; ARMT XI 61, 72, 73, 91, 94, 97, 158-161, 164, 165, 173, 192, 194, 238, 254; AMRT XII 16, 151, 154, 155, 175, 182-185, 191, 193, 197, 210, 211, 217-219, 238, 252, 253, 259, 381, 382, 384, 400, 401, 423, 434, 462, 464, 576, 579, 580, 590, 600, 615, 718, 720) und für andere Zwecke (ARMT XXI 107, 124, 127-129). Ì-lí-aš-ra-ja: Empfänger von Ölausgaben für das Mahl des Königs (ARM VII 143, 174; ARM IX 2, 73, 74, 88, 106, 132, 134, 135, 164, 166, 192; ARMT XI 56, 78, 80, 83, 84, 87, 111, 150, 151, 154, 155, 188, 218, 248, 264, 288; AMRT XII 126, 131, 137-140, 144, 147, 160, 162, 165, 168, 171, 204, 205, 220, 225, 228, 230, 232, 233, 235, 245, 247, 360-362, 365, 366, 370, 375, 387, 395, 427, 428, 435, 439, 460, 470, 474, 477-479, 483, 486, 524, 529, 531, 533, 540, 543, 561, 570, 575, 581, 582, 587, 716, 717, 719, 721, XXI 132), Empfänger von Öl und Sesam für das Mahl des Königs (ARMT XI 77, ARMT XII 323, 326), Empfänger von Sesam für das Mahl des Königs (ARMT XI 75, 287), Empfänger von Öl mit anderer Verwendung oder dessen Verwendung im Text nicht näher bestimmt ist (ARMT XII 725, XXI 122, 123, 124; XXII 265, 266, 267).

es sich bei den Empfängern des Öls entweder um An­gestellte der Küche, die zum Öllager geschickt wurden oder um Angestellte des Lagers selbst handelt.856 Ohne weitere Texte kann die Frage der genauen Zuständigkeit bzw. der Einbindung der Beam­ten in die Palastverwaltung jedoch nicht beantwortet werden. Die Siegelung, die auf sechs, vermutlich sogar sieben, der Ausgabebelege für Öl zu finden war, trägt den Namen des Ama-duga. Ama-duga ist be­kannt als „Diener“ des Samsī-Addu und als Verwalter der Küche zur Zeit Zimrī-Lîms.857 Somit ist auch er kein Beamter, der speziell für die kispu(m)Opfer zuständig war, sondern ebenfalls, wie die drei anderen namentlich genannten Personen, Angestellter der allgemeinen Palastverwaltung. Ein ähnlicher Fall liegt bei Asqudum, einem ho­hen Beamten vor, dessen Siegel unter anderem unter den zwei Texten zu finden ist, die die Ausgabe von Fleisch für kispu(m) belegen.858 Er hatte sowohl das Amt eines Wahrsagers, als auch das eines ranghohen Beamten inne.859 Dass neben den genannten Texten auch zahlreiche weitere Texte bezüglich der Ausgabe von Opfertieren sein Siegel tragen,860 zeigt, dass dieser administrative Bereich zumindest zeitweise seiner Kontrolle unterstand und nicht allein auf das kispu(m)-Opfer beschränkt war.861 Folglich kann bezüglich der Verwaltung hinter den kispu(m)-Speisen festgehalten werden: Die Tatsachen, dass die administrativen kispu(m)-Listen gemeinsam mit den anderen administrativen Texten aus dem Palast aufbewahrt wurden, dass die Ausgabe für kispu(m) vermutlich in der Palastküche erfolgte, dass für das Öl und die Opfertiere für kispu(m) die gleichen Beamten zuständig waren wie für die anderen Öl- und Opfertierausgaben und dass die kispu(m)-Ausgaben in den monatlichen Zusammenfassungen, aber zum Teil auch schon bei den Tageslieferungslisten, neben dem Mahl des Königs und auch anderen Ausgaben aufgelistet wurden, zeigen, dass zumindest die mit dem kispu(m)-Opfer verknüpften administrativen Handlungen gemeinsam mit dem übrigen Tagesgeschäft des Palastes geregelt wurden.

Ìl--na-ṣir: Empfänger von Ölausgaben für das Mahl des Königs (AMRT XII 112, 294, 344, 353, 354, 519). 856 Birot 1960b: 266. 857 Birot – Kupper – Rouault 1974: 58. 858 ARMT XXIII 60 und 248; siehe das Kapitel 2.2.2.1.2.3. 859 Birot – Kupper – Rouault 1974: 67; eine Diskussion des Zusammenhangs der beiden Ämter des Asqudum ist zu finden bei Durand 1983: 30 f. und Lafont 1984: 250 f.; und ausführlich zu seiner Person: Durand 1988: 71-93. 860 Fast alle 137 Texte, die die Ausgabe von Opfertieren dokumentieren und in ARMT XXI und XXIII publiziert wurden, tragen das Siegel des Asqudum (Jacquet 2011: 13). 861 Vgl. auch Lafont 1984: 250 f.

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Die schriftlichen Quellen 2.2.2.1.4 Zeitpunkt der Ausübung des kispu(m) kispu(m) wurde in Mari in der Regel am ersten und am 16. Tag eines Monats für die LUGAL.MEŠ dargebracht. Am ersten Tag eines Monats wurden zum Teil zusätzliche Speisen für die malikū dargebracht.862 Den Tabellen 25 bis 27 zufolge datieren 47 der 96 Listen mit Angabe des Tages auf den 1. Tag eines Monats und 22 weitere auf den 16. Tag.863 Die Daten lassen keinen Zweifel daran, dass sich dieses zweiwöchentliche oder monatliche Ritual an den Mondphasen orientiert, wobei die Monate, abhängig von der genauen Beobachtung des Mondes, neben den üblichen 30 Tagen auch 29 oder in Ausnahmen sogar nur 28 Tage dauern konnten. Der erste Tag eines Monats fiel demnach immer auf den ersten Tag, an dem der Mond nicht mehr zu sehen war.864 Dass die Tage, an denen das kispu(m)-Ritual statt­ fand, festgelegt waren, zeigt der Brief ARM I 65, in dem Samsī-Addu seinen Sohn Yasmaḫ-Addu über seine Ankunft in Terqa am „Tag des kispum“ infor­ miert, ohne diesen Tag zu präzisieren (siehe Kapitel 2.2.2.1.8.5). Der Brief ist auf den 25. Tag des Monats Mammîtum (v) datiert, sodass Yasmaḫ-Addu annehmen konnte, dass sein Vater am 1. Tag des Folgemonats in Terqa ankommen würde (vgl. Tab. 28).865 Den Umstand, dass manche Texte Ausgaben für kispu(m) bereits wenige Tage vor dem ersten oder 16. Tag eines Monats (also am 28., 29. oder 30. bzw. 15. Tag) nennen, erklären A. Jacquet und auch schon P. Talon damit, dass die Speisen für kispu(m) zwar vor dem Neumond ausgegeben wurden, jedoch erst für den Tag des Neumondes vorgesehen waren. Neben diesen Texten seien auch andere, die das kispu(m)Ritual mit einem oder zwei Tagen Verspätung ansetzen, noch in den üblichen Ablauf einzugliedern. Letztere könnten durch gewisse Hinderungsgründe, etwa durch Abwesenheit des Königs oder die Feststellung der Wahrsager, dass dieser Tag unpassend für das kispu(m)-Ritual gewesen wäre, entstanden sein.866 Zwar können diese kispu(m)-Feiern möglicherweise noch innerhalb des zu erwartenden Zeit­ rahmens angesetzt gewesen sein, berücksichtigt 862 Siehe u. a. Jacquet 2002: 53; 2008a: 393; 2008b: 412; 2012: 128; vgl. auch Talon 1978: 57; Dietrich – Loretz 1981a: 70; Tsukimoto 1985: 58 und bereits Birot 1964: 23; vgl. auch Tab. 25 bis 27. 863 A. Jacquet spricht von 90 explizit datierten Texten, von denen 45 den ersten und 21 den 16. Tag eines Monats nennen (Jacquet 2012: 128). A. Tsukimoto verweist zudem u. a. auf Texte aus Lagaš aus der Ur-III-Zeit, die das Darbringen von Opfern für die verstorbenen Herrscher von Ur zum Neumond und zum Vollmond jeweils im selben Text dokumentieren: ITT II 761, 793 (=RT XIX 186), 804, 955, 957, 959, 964, 967, 973, 985, 1019; UDT 39 (vgl. Tsukimoto 1985: 62 f., Fn. 243). 864 Jacquet 2008b: 408; 2012: 128. 865 Vgl. auch Jacquet 2011: 46. 866 Talon 1978: 62; Jacquet 2012: 129.

Der Mari-Kalender867

Der Kalender des Obermesopotamischen Königreiches

i

Urâḫum

viii* Niggallum

ii

Malkânum

ix*

Maqrānum

iii

Laḫḫum

x*

Dumuzi

iv

Abûm

xi*

Abûm

v

Ḫibirtum

xii*

Tîrum

vi

Ḫubur

i*

Nikmum

vii

Kinûnum

ii°

Kinûnum

viii

Dagān

iii*

Tamḫîrum

ix

Lillijâtum

iv*

Nabrûm

x

Bêlet-biri

v*

Mammîtum

xi

Kiṣkiṣṣum

vi*

Mana

xii

Ebûrum

vii*

Addarum

Tab. 28: Die Monatsnamen in den Maritexten zur Zeit Zimrī-Lîms und der assyrischen Vorherrschaft.868 867 868

man jedoch die ungewöhnlichen Mengen der Ausgaben an diesen Tagen869 (siehe Kapitel 2.2.2.1.7.2), kommt man zu dem Schluss, dass es sich bei diesen kispu(m)-Feiern nicht um ein reguläres kispu(m)-Ri­ tual gehandelt haben kann. Besonders A. Jacquets und P. Talons Annahme, dass es sich bei den Ausgaben, die einen Tag vor dem regulären Termin ausgegeben werden, nur um verfrühte Ausgaben für das reguläre kispu(m)-Opfer handelt, muss aufgrund dieser Gegebenheiten revidiert werden. Vielmehr zeigt die Kombination der Datumsangabe mit der ausgegebenen Menge, dass diese Ausgaben für ein ungewöhnliches kispu(m)-Opfer erfolgt sein müssen. Zudem zeigen einige Texte, dass es sich bei einem kispu(m)-Opfer, das um einen Tag verspätet ausgegeben wurde, nicht um ein verschobenes reguläres kispu(m)-Opfer handelt. Der Text Kisp. 5 erwähnt ein kispu(m)-Opfer am 17. Tag des ii. Monats des Jahres ZL 5, während nach ARMT XII 192 bereits am Tag zuvor das regu­ läre kispu(m)-Opfer ausgeführt wurde. Es ist somit deutlich, dass es sich bei dem Ritual am 17. Tag um ein zusätzliches kispu(m) handeln muss. Zusätzlich zu den um einen Tag vom regulären Termin abweichenden Listen, sind noch 18 weitere 867 Der Kalender des obermesopotamischen Königreiches, der zurzeit von Samsī-Addu und Yaḫdun-Lîm verwendet wurde, beginnt im Herbst (Jacquet 2008b: 405-407). Entsprechend ist der Beginn des Mari-Kalenders im Frühjahr anzusetzen. Anders als A. Jacquet nennen J.-M. Durand und M. Guichard den Monat Addaru als viii. Monat und nehmen an, dass dieser dem Monat Urâḫum entspricht (Durand – Guichard 1997: 44); vgl. auch Kapitel 2.2.2.1.2.4. 868 Die Tabelle richtet sich nach ebenda: 405. 869 Vgl. die Texte Kisp. 5, S.79a,079, ARMT IX 173, M. 10622, M. 10585, ARMT XII 342 und M. 10154 (siehe Tab. 25).

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Mari

Texte,870 die kispu(m) für ein ungewöhnliches Datum dokumentieren, zu verzeichnen. Laut diesen Texten fallen die Ritualhandlungen auf den 4., 6., 7., 8., 9., 11., 18., 20., 22., 23., 25. und 27. Tag der verschie­ de­nen Monate. Die Texte MARI 2 197, Fn. 12 (iii-ZL 6),871 ARMT XII 430 (?-iii-ZL 6), 432 (4-iv-ZL 6) und 437 (9-ivZL 6) belegen vermutlich ein außerplanmäßiges kispu(m)-Opfer, das einige Wochen nach dem Tod der Königsmutter fAddu-dûrî, die im ii. Monat (malkânum) des 6. Regierungsjahres von Zimrī-Lîm starb, durchgeführt wurde. Ebenso dürfte der Text ARMT XII 543, der auf den 23-i-ZL 7 datiert, ein außerplanmäßiges kispu(m)-Ritual anlässlich des Todes des Prinzen Yaḫdun-Lîm zu Beginn desselben Monats darstellen.872 Ungewöhnliche Tage für die Ausübung des kispu(m) sind wahrscheinlich jedoch nicht allein mit dem kürzlichen Ableben eines Mitglieds der königlichen Familie zu erklären. Vielmehr dürften diesen auch andere Anlässe zugrunde liegen, wie etwa ein Brief an Zimrī-Lîm belegt, der die durch einen Priester vermittelte Aufforderung des Gottes Dagān enthält, ein kispu(m)-Opfer für den eṭemmu(m) des Sohnes von Zimrī-Lîm, YaḫdunLîm, darzubringen.873 Anhand seiner umfangreichen Studien zu dem kultischen Kalender in Mari,874 stellt A. Jacquet in Bezug auf die außerplanmäßigen kispu(m)-Feiern fest, dass auch diese sich trotz ihres ungewöhnlichen Datums an dem Mondkalender zu orientieren scheinen. Dies leitet er daraus ab, dass sich inner­halb der außerplanmäßigen kispu(m)-Tage zwei Zeit­ räume unterscheiden lassen: dies sei zum einen vom 6.-8. Tag und zum anderen zwischen dem 23. und 25. Tag.875 Dabei handelt es sich um die Zeiträume, in denen der Mond zu einem Viertel bzw. zu drei Vierteln sichtbar ist. Es hat somit den Anschein, als würde auch eine außerplanmäßige kispu(m)-Feier, 870 TH 82.93 (11-xi*-A-b), ARM VII 8 (06-ii°-A-b), A. 1403 (07-xi°-A-m), M. 8567 (27-iii*-N-S), M. 13219 (06-x-ZL 1), ARMT XII 108 (25-vi-ZL 4), M. 10588 (18-iv-ZL 5), S.79a,069 (07-ix-ZL 5), Kisp. 17 (20-i/iii-ZL 6), MARI 2 197, Fn. 12 (iii-ZL 6), ARMT XII 432 (04-iv-ZL 6), ARMT XII 437 (09-iv-ZL 6), ARMT XII 364 (07-ix-ZL 6), ARMT IX 89 (20[+x?]-ix-ZL 6), ARMT XII 543 (23-i-ZL 7), ARMT XII 282 (08-x-ZL 8), S.79a,093 (22-iii-[ZL 5]), ARM IX 201 (07-vi-n.d.), ARMT XI 266 (27-x-n.d.) (siehe Tab. 25). 871 Materne 1983: 197, Fn. 12; siehe auch das Kapitel 2.2.2.1.2.3. 872 Jacquet 2011: 166; 2012: 129; allerdings nennt A. Jacquet den Text ARMT XII 430 in Bezug auf die Königsmutter nicht. 873 ARM III 40, vgl. auch Kapitel 2.2.2.1.5; siehe auch Jacquet 2002: 53 f.; 2012: 129. 874 Jacquet 2007; 2008b; 2011. 875 Jacquet 2012: 129 (Jacquet 2002: 54 noch mit etwas anderen Zeiträumen: zwischen dem 7. und 10. sowie dem 20. und 23.); betrachtet man allerdings die Datumsangaben der außer­planmäßigen kispu(m)-Feiern (siehe Fn. 870), sollte der letztgenannte Zeitraum auf den 22.-27. Tag erweitert wer­den.

sei es als Ersatz für eine reguläre kispu(m)-Feier oder zusätzlich zu den üblichen Terminen, erst abgehalten werden können, wenn eine bestimmte Mondphase erreicht ist. Dies unterstreicht nochmals den Zusammenhang zwischen kispu(m) und den Mondphasen, von denen abhängig der Termin für das kispu(m)Ritual gewählt wurde.876 Interessanterweise kann beobachtet werden, dass die Tageslieferungslisten, durch die das kispu(m)Ritual auf einen ungewöhnlichen Termin datiert wird, entweder auch besondere Speisen, große Mengen von den üblichen Speisen oder sogar beides für das jeweilige kispu(m)-Ritual verzeichnen (siehe hierzu auch Kapitel 2.2.2.1.6). Zudem ist festzustellen, dass die drei Listen, die ausschließlich Speisen für die malikū auflisten und keine Ausgaben für das kispu(m)-Opfer der LUGAL.MEŠ, ebenfalls auf ein ungewöhnliches Datum fallen.877 2.2.2.1.5 Die Adressaten des kispu(m) Der Text M. 12803 belegt, dass auch in Mari das kispu(m)-Ritual nicht nur an die königliche Familie gebunden war, sondern auch für die Bevölkerung einen Bestandteil des rituellen Kalenders darstellte. Die einleitende Formulierung, dass es sich um „das kispum-Ritual im Inneren der Stadt (und) des Umlandes“ (I 2-3) handelt, in Verbindung mit der Formulierung „kispum von den muškēnum“ (I 30) verdeutlicht, dass das kispu(m)-Ritual in allen Teilen der Bevölkerung und in allen Gegenden des Landes durchgeführt wurde. Die Tatsache, dass kispu(m) in den administrativen Listen ausschließlich für die LUGAL.MEŠ genannt wird, verstärkt den Eindruck, dass es sich bei kispu(m), wie auch schon an anderer Stelle belegt, eigentlich um ein Ritual im familiären Kult handelt, bei dem die verstorbenen Familienangehörigen mit Speisen versorgt werden.878 Allerdings zeigt wiederum der Text M. 12803, dass der „familiäre Kreis“ je nach politischer Intention nach Belieben erweitert werden konnte. Bezüglich dieses Textes ist anzumerken, dass, auch wenn Sargon und Narām-Sîn nach dem Verständnis der assyrischen Könige vermutlich als Vorfahren ihrer Dynastie zu 876 Jacquet 2012: 129. 877 S.79a,079 (29-ii-ZL 5), ARMT XII 342 (30-iv-ZL 8), ARMT XII 282 (8-x-ZL 8). 878 Vgl. auch Jacquet 2008a: 393; 2008b: 411 f. Ein besonders eindeutiger Text, der die Versorgung der einzelnen verstorbenen Mitglieder einer Familie mit dem kispu(m)Opfer belegt, stammt aus Assur (KAR 227 Rs. Col. 3 Z. 9 f. = LKA 89 Rs. r. Z. 2 f.). Darin werden „mein Vater, mein Großvater, meine Mutter, meine Großmutter, mein Bruder, meine Schwester“ (AD.MU AD.AD.MU AMA.MU AMA. AMA.MU ŠEŠ.MU NIN.MU) explizit und allgemeiner „meine Familie, meine Sippe und meine Verwandte“ (kimti-ja ni-šu-ti-ja u sa-la-ti-ja) genannt, die bereits begraben wurden und für die ein kispu(m)-Opfer dargebracht werden soll (vgl. Talon 1978: 58).

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Die schriftlichen Quellen betrachten sind (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.4), ein tatsächliches verwandtschaftliches Verhältnis zwischen ihnen und Yasmaḫ-Addu ausgeschlossen werden kann. Somit wurde das kispu(m)-Ritual auch für legi­ timatorische Zwecke genutzt, indem die dynastisch wichtigen Vorfahren mit kispu(m) bedacht wurden, nicht jedoch die engsten Verwandten (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.4). Ob auch ein solches kispu(m)-Ritual in einem privaten Rahmen abgehalten wurde, wie A. Jacquet es vorschlägt,879 bleibt jedoch zu diskutieren (siehe Kapitel 2.2.2.1.8). Die hauptsächlich administrativen kispu(m)Tex­te aus dem Palast von Mari dokumentieren ihrer Natur entsprechend die Adressaten des für die Verstor­benen der königlichen Familie abgehaltenen kispu(m). Neben den am häufigsten genannten LUGAL.MEŠ werden in einem Fall die „Väter“880 als Empfänger für das kispu(m)-Opfer genannt. Dieser Text belegt erneut die familiäre Konnotation dieses Rituals, das grundsätzlich eine familiäre Bindung zu den Verstorbenen voraussetzt. Gleichzeitig ist diesbezüglich auch darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Väter“ vermutlich ebenso auf die „ideellen“ Vorfahren angewendet werden konnte. Wiederum einen Bezug zum familiären Kultcharakter des kispu(m) bezeugt der Text MARI 2 197 Fn. 12, in dem, sofern der Text korrekt wiedergegeben ist, die verstorbene Mutter des Königs, fAddu-dûrî, mit einem kispu(m)Opfer bedacht wird. Dieser Text weist, wie bereits oben erwähnt (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.3) zudem die Besonderheiten auf, dass zum einen eine einzelne Person als Empfängerin für kispu(m) genannt wird und es sich zum anderen einmalig um eine weibliche Person handelt. Ersteres lässt sich damit erklären, dass dieses kispu(m)-Ritual zu einem außerplanmäßigen Termin stattfand und dieser bedingt war durch die im Monat zuvor erfolgte Bestattung der Mutter des Königs, die nun individuell im Folgemonat im Rahmen eines kispu(m)-Rituals mit Speisen bedacht werden sollte. 2.2.2.1.5.1 LUGAL.MEŠ Die häufigsten Empfänger des kispu(m) sind die LUGAL.MEŠ, die in der Regel in der Formel ana kispim ša LUGAL.MEŠ in den administrativen Listen auftreten. Wie Miranda Bayliss bereits festellte, legt der Plural nahe, dass mehrere Generationen bei dem Ritual adressiert wurden. Sie bemerkte aber zugleich, dass es in den Texten keinen Hinweis auf die Größe der Gruppe der kispu(m)-Empfänger gibt.881 Zwar gibt es auch bis dato nach Kenntnis der Autorin keine schriftlichen Quellen, die den Umfang der Empfängergruppe der Opfer definieren. 879 Jacquet 2008a: 393. 880 M. 11410; siehe Kapitel 2.2.2.1.2.3. 881 Bayliss 1973: 123.

127

Hinsichtlich der Frage, wie genau die LUGAL.MEŠ angerufen wurden, kann jedoch auf die sowohl in amurritischen Königshäusern als auch in privaten Familien niedergeschriebenen Genealogien verwie­ sen werden. Anhand einer solchen Namensliste konnte gewährleistet werden, dass im Rahmen der jeweiligen Feste die Genealogie einer Familie rezi­ tiert und damit die einzelnen Totengeister einer Fa­mi­lie evoziert wurden, sodass sie an dem Festmahl teilhaben konnten.882 Dass sich der Personenkreis, der im Rahmen einer kispu(m)-Feier mit Speisen versehen wurde, nicht allein auf die direkten Verwandten des Königs beschränkt, zeigt der Text M. 12803 (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.4), in dem Yasmaḫ-Addu die großen akkadischen Könige Sargon und Narām-Sîn ­sowie die Ḫanäer, die Numḫäer und weitere nomadische Stämme mit dem kispu(m)-Opfer versorgt werden. Demnach ist, wie bereits angemerkt (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.4 und 2.2.2.1.5), die Ausgabe von Speisen für ein kispu(m)-Opfer der LUGAL.MEŠ nicht aus­schließlich als kispu(m) für die direkt verwandten Könige des Herrschers zu verstehen. Der Text M. 12803 vermittelt in Verbindung mit dem Brief ARM III 40 (siehe unten) ein Bild von der Art und Weise, in der die Totengeister in Mari in Erscheinung traten. Entsprechend der aus Mesopotamien bekannten Vorgehensweise, wurden auch in Mari die Totengeister offenbar in eine Statue evoziert, um sie in dieser Erscheinungsform mit den Speisegaben zu versorgen. Der Text M. 12803 be­zeugt, dass die „Bildnisse“ von Sargon und Narām-Sîn mit Opfern bedacht werden sollen, während der Brief ARM III 40 belegt, dass das kispu(m)-Opfer für den eṭemmu(m), den Totengeist, des verstorbenen Prinzen Yaḫdun-Lîm zu weihen ist. Zwar datiert der Text M. 12803 in die Zeit der assy­ rischen Vorherrschaft und der Brief ARM III 40 ist an den König Zimrī-Lîm gerichtet, dennoch recht­ fertigt die Kultkontinuität innerhalb der Stadt, die Verknüpfung der Aussagen dieser beiden Texte.883 Dieser Text zeigt vor allem zwei interessante Aspekte auf, die im Zusammenhang mit dem kispu(m)-Ritual eine Rolle spielen. Eine bemer­kens­ werte Aussage ist die, dass dem eṭemmu(m) des verstorbenen Prinzen Yaḫdun-Lîm ein kispu(m)-Opfer dargebracht werden soll. Somit wird auch in Mari der Bezug zu den Totengeistern ausdrücklich formuliert. Des Weiteren bezeugt der Text, dass der Priester einen Auftrag des Gottes Dagān empfangen konnte (in welcher Form wird nicht genannt), den König aufzufordern, ein kispu(m)-Opfer für die Verstorbenen darzubringen. Inwiefern der Brief über den Ort, an dem das kispu(m)-Ritual ausgeführt wird, informiert, wird in Kapitel 2.2.2.1.8 näher erläutert. 882 Jacquet 2012: 130. 883 Siehe auch Kapitel 2.2.2.1.2.4; v. a. Fn. 809.

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Mari

ARM III 40884 1

[a-na] be-lí-ja

2

[q]í-bí-ma

3

um-ma ki-ib-ri- da-gan

Zu meinem Herren sprich: d

Folgendermaßen (spricht) Kibri-dDagān,

4

ÌR-ka-a-ma

5

d

6

a-lum te[r-q]aki ù ḫa-al-ṣú- [š]a-lim

die Stadt Terqa und die Festung sind wohlauf.

7

ša-ni-tam u4-um ṭup-pí an-né-e-em

Etwas anderes: Der Tag, als ich diese Tontafel

8

a-na [ṣe]-er be-lí-ja ú-[š]a-[b]i-lam

zu meinem Herren schickte,

9



10

il-li-[ka]m-ma

kam und

11

a-wa-tam ki-a-am [i]q-bé-⌈e⌉-[em]

bezüglich einer Angelegenheit sprach er so zu mir,

12

um-ma-a-mi

folgendermaßen:

13

ANlum iš-pu-ra-an-[ni]

„Der Gott wies mich an:

14

ḫu-mu-uṭ a-na LUG[AL]

»Beeile dich! An den König

15

šu-pu-ur-ma

schreibe:

16

ki-ìs-pí a-na i-ṭe4-em-m[i-im]

Die kispum-Opfer für den eṭemmum

17

ša ja-aḫ-du-un-l[i-im]

des Yaḫdun-Lîm

18

li-ik-ru-bu

mögen geweiht werden«“

19

an-ni-tam mu-uḫ-ḫu-um šu-ú

Dies ist es, was der muḫḫum-Priester

20

iq-bé-e-em-ma a-na be-lí-ja

zu mir sagte und an meinen Herren

21

aš-ta-ap-ra-am

habe ich es geschrieben.

22

be-lí [š]a e-l[i]-šu ṭà-ba-at

Mein Herr, dies, was ihm gut erscheint,

23

li-pu-úš

möge er tun.

884

dein Diener:

[d]a-gan ù ik-ru-ub-él [ša]-al-mu d

[m]u-uḫ-ḫu-um ša [d]a-gan d



d

Dagān und dIkrub-El sind wohlauf,

der muḫḫum-Priester des dDagān

2.2.2.1.5.2 malikū Die Identität der malikū ist ein Thema, das in der Wissenschaft kontrovers diskutiert wurde und wird. Dabei reichen die Deutungsvorschläge für die malikū von „Unterwelts-Geistern oder -Dämonen“885 über „Prinzen“886 bis hin zu „Ratgebern des Fürsten“887. In der jüngsten Forschung auf diesem Feld, kommt A. Jacquet zu dem Schluss, dass es sich um verstorbene Mitglieder der königlichen Familie handelt, die be­stimmt waren, König zu werden, jedoch vor884 Die Transliteration orientiert sich an der neueren Publikation in Durand 1988 und weicht entsprechend in einigen Details von Kupper 1948: Pl. XLIV ab (die erste Transliteration und Übersetzung erschien in Kupper 1950: 64 f.). Bei A. Jacquet wird der Text aufgeführt als ARM 3 40 = ARM 26/1 221 (Jacquet 2012: 129, Fn. 40), die Fundnummer ist A.4934. 885 Nougayrol 1950: 32 f.; Aro 1961: 604; Burke 1963: 139; Birot 1964: 24; Healey 1975: 236 f.; Talon 1978: 69 f.; Finet 1985: 90. 886 Durand 1985b: 159, Fn. 55; dabei versteht J.-M. Durand unter „Prinzen“ Personen, die eine geringere Macht als die Könige ausübten, wie etwa Stammesoberhäupter oder Mitglieder der königlichen Familie (a. a. O.). 887 Bottéro 1957: 190; Wiseman 1965: 125; Tsukimoto 1985: 65-69.

her verstarben.888 Aus Sicht der Autorin ist zwar A. Jacquets Interpretation in vielen Punkten zuzustimmen, die daraus resultierende Definition der malikū weicht jedoch von seiner ab. Im Folgenden werden die Belege für die malikū sowie Auszüge von A. Jacquets akribisch ausgearbeiteter Argumentation889 in Kürze wiedergegeben, um die Hintergründe der in dieser Arbeit postulierten Interpretation der malikū zu erläutern. Wie bereits in Kapitel 2.2.2.1.2.1 dargestellt, wurden die malikū in 32 und damit in knapp der Hälfte der Tageslieferungslisten sowie in drei monatlichen Zusammenfassungen neben den LUGAL.MEŠ mit Speisen bedacht. Da es in keinem der Texte ana kispim ša maliki, sondern lediglich ana maliki, heißt, ist nicht davon auszugehen, dass auch die malikū ein kispu(m) erhielten. Dennoch lässt die Tatsache, dass ihre Nennung fast ausschließlich im Zusammenhang mit dem kispu(m)-Opfer für die LUGAL. MEŠ erfolgt, es zu, die für die malikū ausgegebenen Speisen im gleichen Kontext zu interpretieren. Die 888 Jacquet 2002: 64; 2008a: 393; 2008b: 413; 2011: 49; 2012: 129. 889 Siehe v. a. Jacquet 2002; 2011: 49.

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Die schriftlichen Quellen parallel zu diesen Texten existierenden Ausnahmen sind die fünf Listen ARMT VII 8, XII 282, XII 342, M. 8567 und S.79a,079, in denen die malikū ohne vorherige Nennung des kispu(m) für die Könige mit Speisen versorgt werden. Aufgrund der Einordnung dieser Passagen im Kontext des kispu(m), d.  h. im Rahmen des Totenkultes, ist es unumgänglich, das Wesen der malikū zu defi­nieren: Etymologisch lässt sich, wie A. Jacquet ausführlich und überzeugend darlegt, das Wort malikū von der westsemitischen Wurzel mlk herleiten.890 Er zeigt auf, dass sich dieses Wort in Mari in der lokalen Form muluk ebenso wie in der akkadisch korrigierten Form malik wiederfindet und die westsemitische Bedeutung „König“ beibehält. So kann beispielsweise der Personenname „Addumalik“ übersetzt werden mit „Addu ist König“. An diesem Beispiel zeigt sich auch die Problematik der übrigen vorgeschlagenen Deutungen für malikū (siehe oben), die eine Umsetzung dieses Personennamens in „Addu ist Totengeist“ oder „Addu ist Ratgeber“ nach sich ziehen würden.891 Da jedoch in den kispu(m)-Texten aus Mari vor der Nennung der malikū das kispu(m)-Opfer für die LUGAL.MEŠ ausgegeben wird, kann es sich nach A. Jacquets Auffassung bei den malikū nicht um Könige im eigentlichen Sinne handeln. Stattdessen schließt sich seine Deutung in mancher Hinsicht an die J.-M. Durands an,892 indem er die malikū als verstorbene Mitglieder der königlichen Familie interpretiert, die jedoch nie das Amt des Königs ausübten.893 In Hinblick auf die unterschiedlichen Konnota­ tionen der Termini mit der Grundbedeutung „Kö­ nig“ in Mari, sind auch die Texte aus der Zeit der šakkanakku zu betrachten, in denen Opfergaben für die šarrū (šar-ru), d. h. die verstorbenen Könige, dar­ gebracht werden (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.1). Der zu dieser Zeit verwendete Begriff für den amtierenden König lautet šagina (Akk. šakkanakku), sodass das in dieser Zeit existierende Wortpaar šagina/ šarru(m) dem späteren Wortpaar LUGAL/maliku(m) gegenüber zu stellen ist. Nach A. Jacquets Auffassung waren in den beiden Epochen entsprechend šagin und LUGAL (Akk. šarru[m]) die Bezeichnungen für den König und bei den šarru(m) und maliku(m) handelte es sich um die verstorbenen Mitglieder der königlichen Familie, die nie die Königswürde besessen hatten; „soigneusement distinguée d’elle par la terminologie“.894 Zwar ist die deutliche Differenzierung, auf welche A. Jacquet hinweist, auch nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht ausschlaggebend für die Deutung der malikū, allerdings 890 Jacquet 2002: 61 f. 891 Ebenda: 61 f., Fn. 62; Jacquet 2011: 49 c. 892 Siehe Fn. 886. 893 Jacquet 2002: 63. 894 A. a. O.; Jacquet 2011: 49.

129

scheint eine andere Interpretation für sie schlüssiger. Die Wortpaare šagin /šarrū sowie LUGAL.MEŠ/ malikū sind nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung in ihrer Interpretation mit dem Wortpaar malku/rāpiʾūma aus den ugaritischen Texten zu vergleichen.895 Dieser Vergleich erschließt sich zwar nicht aus der ursprünglichen Bedeutung der jeweiligen Worte, aber aus der Position, welche die damit betitelten in der Unterwelt einnahmen. Akzeptiert man die Interpretation, dass in Ugarit die rāpiʾūma eine „Wesensform“ der Totengeister darstellen, die erst nach dem Ablauf einer bestimmten Zeit von den verstorbenen Königen, den malakūma, angenommen werden konnte (siehe Kapitel 4.2.5.1), muss man zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass es sich bei beiden „Daseinsformen“ um verstorbene Könige handelt. Dementsprechend wird an dieser Stelle eine Deutung der malikū in Mari vorgeschlagen,896 derzufolge es sich, wie A. Jacquet überzeugend darlegen konnte, dem Wort nach wahrscheinlich ebenso um „Könige“897 gehandelt hat. Der in Ugarit ermittelten Bedeutung der unterschiedlichen Adressatengruppen zufolge (siehe Kapitel 4.2.5.1) ebenso wie nach dem archäologischen Befund in Qaṭna (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.11), der einen Statuswandel der Verstorbenen nahelegt, hätte es auch in Mari eine Wandlung des Status der Verstorbenen gegeben.898 Demzufolge hätten die Toten zunächst ihren Titel LUGAL behalten und wären in den administrativen Listen unter den LUGAL.MEŠ zusammengefasst worden. Ein Übergang der individuell erinnerten Verstorbenen in das Kollektiv der Ahnen, hätte zugleich die Aufnahme in die Gruppe der malikū bedeutet. 895 Anders Krebernik, der die malikū aus Mari mit den mlkm in Ugarit gleichsetzt (Krebernik 2013: 203) und zugleich annimmt, „daß mlk ein rpủ ist“ (Ebenda: 205). 896 Eine weitere Parallele existiert zwischen der Hymne für Šapšu im ugaritischen Baʾal-Zyklus (KTU 1.6 VI) und der babylonischen Šamaš-Hymne. In KUT 1.6 VI heißt es (45)špš (46) rpim . tḥtk, „Šapšu, du herrschst über die rāpiʾūma“ (siehe auch Kapitel 4.2.2.2) und parallel dazu in der Šamaš-Hymne (31) šap-la-a-ti m[a-a]l-ki […] ta-paq-qid „In der Unterwelt betreust du die malkū […]“ (Lambert 1960: 126 f.; siehe auch Hecker 2013: 67). Aufgrund dieser Parallele stellt auch Healey fest, „In that context rpʾum might have been expected as the equivalent of dMA.LIK.MEŠ in the Ugaritic version.“ (Healey 1975: 238, Fn. 44). Gleichfalls geht Niehr von einer „Identität von Rapiu und Milku“ aus und führt fort, dass „Rapiu als Eponym der rapiʾūma Milku, dem Eponym der malakūma, entspricht.“ (Niehr 1998: 571). 897 Siehe auch die Einträge in den entsprechenden Wörter­ büchern: AHw M-S: 595 f. s.  v. malku(m) I, maliku(m) „Fürst, König“; CAD M I: 166-168, s. v. malku A (maliku) „king, (foreign) ruler“. 898 Ähnlich bereits M. Dietrich und O. Loretz, die zu dem Schluss kamen, die malikū „stellen Ahnen dar, die nicht mehr mit Namen bekannt sind, deren Existenz aber trotzdem noch als Realität gilt.“ (Dietrich – Loretz 1981a: 73). Allerdings scheint sich deren weitere Deutung, dass die malikū schließ­ lich in den Zustand von bösen Unterweltsdämonen absinken, nicht aus den gegebenen Quellen zu bestätigen.

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Mari

2.2.2.1.6 Die „Festgesellschaft“ Verschiedene Texte weisen darauf hin, dass der König selbst nach Möglichkeit beim kispu(m)-Ritual für die königlichen Vorfahren anwesend sein sollte899 und es kann angenommen werden, dass er der Haupt­­akteur während des entsprechenden Festaktes gewesen ist. Seine Anwesenheit belegt zum Beispiel der Text M. 12803 (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.4), aber auch der Brief ARM I 65 legt dies nahe (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.3). Zudem lassen leicht von den üblichen Tagen abweichende Daten vermuten, dass diese Verschiebung unter anderem deshalb entstanden sein könnte, weil der König an dem entsprechenden Tag nicht hätte zugegegen sein können (siehe Kapitel 2.2.2.1.4). Dennoch ist es schwer vorstellbar, dass bei den damals zu überwindenden Distanzen und den entsprechend langen Wegen, die auch ein König bei seinen Feldzügen oder Reisen zurücklegen musste, dieser tatsächlich zweimal im Monat bei den Feierlichkeiten anlässlich des kispu(m) anwesend sein konnte. Nimmt man erneut den oben genannten und in Kapitel 2.2.2.1.2.3 ausführlich wiedergegebenen Text ARM I 65 als Beispiel, kann man aus diesem zwar ersehen, dass Samsī-Addu „am Tag des kispum“ in Terqa eintreffen wollte, zugleich heißt dies jedoch auch, dass er an diesem Tag nicht in seiner Residenzstadt Šubat-Enlil für das kispu(m)-Ritual zugegen sein konnte. Im Falle seiner Reise nach Mari kann man davon ausgehen, dass er entsprechend dort gemeinsam mit seinem Sohn Yasmaḫ-Addu das kispu(m)-Ritual durchführte. Aber kann daraus geschlossen werden, dass das kispu(m)-Opfer nur an dem Ort durchgeführt wurde, wo sich der König aufhielt? In Bezug auf Samsī-Addus Besuch in Mari erfolgte eine Durchführung des kispu(m) ohnehin für die gemeinsamen Vorfahren. Wenn der König jedoch in einen anderen Ort reiste oder im Rahmen eines Feldzuges unterwegs war, wäre eine Ausübung des kispu(m) nicht ohne Weiteres möglich gewesen. Entsprechend scheint es wahrscheinlich, dass der König bei diesem Ritual vertreten werden konnte, möglicherweise durch hochrangige Familienmitglieder oder Priester. Allerdings liefern die Texte aus Mari nur bedingt Hinweise auf weitere Personen, die zusätzlich zum König bei der Zeremonie anwesend gewesen sein dürften. Dennoch kann an­genommen werden, dass Priester verschiedene Ritualhandlungen durchführten. Ebenso ist mit weiteren Mitgliedern der Königsfamilie zu rechnen, wie etwa der Königsmutter, die im Kult in Mari eine wichtige Rolle spielte.900 Die Festgesellschaft konnte des Weiteren offenbar durch in die Familie eingeheiratete Personen ergänzt werden. Hier ist etwa der 899 Siehe bereits Bayliss 1973: 123; Talon 1978: 61. 900 Für die Rolle der Königsmutter fAddu-dûrî siehe Kapitel 2.2.2.1.2.3 und Durand 1983: 19-20.

König Ḫaja-sumu von Ilanṣurā, der Ehemann zweier Töchter Zimrī-Lîms zu nennen, während dessen Besuch ein auffällig großes kispu(m)-Ritual durchgeführt wurde (siehe auch Kapitel 2.2.2.1.7.2). Die Anwesenheit weiterer hoher Beamte ist für das kispu(m)-Ritual nicht belegt. Solche Gäste wurden jedoch vermutlich zumindest für andere, offiziellere Zeremonien im Rahmen des Totenkultes erwartet (siehe Kapitel 2.2.1). 2.2.2.1.7 Art und Umfang der kispu(m)-Speisen Bereits M. Birot stellte fest, dass die Speisen, die im Rahmen des kispu(m) dargebracht wurden, den Speisen für das alltägliche Mahl des Königs sehr ähnelten.901 Im Folgenden sollen dennoch der Umfang und die Art der Speisen im Einzelnen erörtert werden, um eine genauere Vorstellung von den während des kispu(m) dargebrachten Gaben zu erhalten. 2.2.2.1.7.1 Die Art der Speisen Den Hauptanteil der für das kispu(m)-Opfer in Mari verzeichneten Speisen bilden verschiedene Sorten Brot (NINDA.KUM, NINDA.GU, NINDA mersu, NINDA emṣu, NINDA burrum und makūtum). Aber auch Getreide und Mehl spielen eine wichtige Rolle unter den Speisen für das kispu(m)-Opfer (šipku bzw. ŠE šipki, A.TIR, ŠE.Ì.GIŠ, ZÌ.KUM, burrum, ŠE alappāni). Außerdem werden in Mari Früchte wie Kichererbsen und Datteln sowie ein Milchprodukt(?), Sesamöl, Honig/Dattelsirup und Süßbier, vermutlich in Form von Sirup, in den Listen aufgeführt. Ausnahmen bilden die beiden Texte ARMT XXIII 60 und 248 (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.3), in denen jeweils ein Schafsbock (UDU.NÍTA)902 erwähnt wird. Entsprechend der Unterscheidung im Su­meri­ schen zwischen ninda ki-sì-ga-ni „Brot (als) sein Totenopfer“ bzw. ú ki-sì-ga „Speise (als) Totenopfer“ und a  ki-sì-ga „Wasser (als) Totenopfer“ (siehe Kapitel 2.2.2.1.1) ist auch im Akkadischen zwischen Libationen und kispu(m) zu differenzieren. Auch wenn in Mari nur die negative Evidenz vorliegt, dass für kispu(m) keine Libationen (weder in den kispu[m]-Listen, noch in dem Text M. 12803) notiert wurden, lässt sich eine Trennung zwischen kispu(m) und Libation anhand weiterer, nicht aus Mari stammender Texte eindeutig belegen.903 Aus diesen Tex901 Birot 1960b: 285 f. 902 UDU.NÍTA (Akk. immeru[m]), Schafsbock („1. sheep, 1. sheep and goats, 3. ram“ CAD I/J: 129-134 s.  v. immeru); offenbar handelt es sich bei UDU.NÍTA um ein kastriertes männliches Tier (Snell 1986: 137). 903 Vgl. u. a. CT 17, 37 Y, 7-10 „7. ki.sì.ga.a.dé.àm urugal.la.ta 8. im.ta.è.a.meš 9. a-na ka-sa-ap ki-is-pi u na-aq-mé-e 10. iš-tu qab-rì kimin“ – „7-10. für kispu(m)-Darbringung und

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Die schriftlichen Quellen

131

ten ist abzuleiten, dass im Rahmen der Totenpflege das Darbringen von Speisen (kispu[m]) und das Li­bie­ren von Wasser (nāq mê) zwar gemeinsam durchgeführt wurden, jedoch sind diese klar voneinander zu trennen. Die Beschwörungsserie utukkū lemnūtu verdeutlicht, dass diese beiden Rituale durch die Anrufung des Namens (šumam zakārum) des Verstorbenen vervollständigt wurden.904 Dort heißt es (CT 16, 10 v) „Ob du ein Totengeist bist, der keinen für das Darbringen des kispu hat, oder ein Totengeist, der keinen für das Vergießen des Wassers hat, oder ein Totengeist, der keinen für das Anrufen des Namens hat.“905 Die häufige Erwähnung des nāq mê außerhalb Maris und die Bedeutung, die dem Ausgießen von frischem Wasser für die Toten beizumessen ist,906 lässt es sehr wahrscheinlich erscheinen, dass auch in Mari das Libieren von Flüssigkeiten (neben Wasser sind auch Bier und Wein verzeichnet)907 ein Bestandteil der Totenpflege war. Dass dieses nicht gemeinsam mit kispu(m) in den Ausgabelisten erwähnt wird, lässt sich vermutlich damit erklären, dass es sich bei den kispu(m)-Texten aus Mari um administrative Listen handelt, die ausschließlich die Ausgabe von Speisen, vermutlich aus der Pa­lastküche, vermerken, die für das nāq mê benötigten Getränke jedoch mögli­cher­weise von einer anderen Verwaltungs­stelle ausgegeben wurden, von der keine Belege mehr er­halten sind. Dies muss jedoch, bis weitere Texte einen Hinweis für das nāq mê im Totenkult in Mari liefern, eine Hypothese bleiben.

Im Hinblick auf die im Rahmen des kispu(m) dargebrachten Speisen, werden im Folgenden, die unterschiedlichen Speisegaben im Einzelnen aufgelistet und, wenn nötig, näher erörtert.

Wasserlibierung sind sie aus dem Grab herausgekommen.“ (Tsukimoto 1985: 148); dem Text K 891, 14 zufolge, hat der neuassyrische König Assurbanipal die Totenpflege wieder eingeführt: „a-di ki-is-pi na-aq a.MEŠ a-na gidim.MEŠ LUGAL.MEŠ du-ut m[aḫ-ri-ja] šá šub-ṭu-lu ár-ku-us“ – „ Schließlich hab ich die ‛Totenpflege’ und Wasserlibation für die Totengeister meiner königlichen [Vor]gänger, die abgeschafft waren, (wieder) eingeführt.“ (Ebenda: 110 f.); allerdings sorgte er zugleich dafür, dass die elamitischen Feinde die nötige Totenpflege nicht mehr erhielten, VAB 7, 56 vi 75: „e-tim-me-šu-nu la ṣa-la-lu e-me-ed ki-is-pi naaq A.MEŠ ú-za-am-me-šu-nu-ti“ – „I inflicted restlessness on their ghosts. I deprived them of funerary offerings and pourers of water“ (Bayliss 1973: 117). Für ähnliche Fluchformeln siehe auch Tsukimoto 2010: 107. 904 Vgl. Bayliss 1973: 116 f.; Tsukimoto 1985: 230. Zur Bedeu­ tung des Rituals der Anrufung des Namens siehe v. a. Radner 2005: 74-77. Radner verweist auch auf das in Mari und Ebla belegte zukrum-Fest, bei dem ebenfalls die Toten namentlich gerufen wurden. Dabei kam Dagān als bēl bukari „Herr der Nachkommenschaft“ eine zentrale Bedeutung zu (Ebenda: 76). 905 „9gidim l ú k i . s è - g a n u - t u k u - a ḫ é - m e - e n 10lu-u e-ṭem-mu šá ka-sip4 ki-is-pi la i-šú-ú MIN 11g i d i m l ú a dé-a nu- t u k u - a ḫ é - m e - e n 12[lu-u] e-ṭém-mu šá na-qa me-e la i-šú-ú MIN 13⌈ g i d i m ⌉ l ú m u p à - d a n u - t u k u - a ḫé-me-en 14[lu-u] e-ṭém-mu šá za-kir8 šu-me la i-šú-ú MIN“ (Transliteration: Radner 2005: 75). 906 Bayliss 1973: 116 f.; Heimpel 1987-1990: 4; da Silva 1998: 10-14. 907 Heimpel 1987-1990: 1 f.

NINDA emṣu Bei diesem Brot handelt es sich offenbar um ein Sauerteigbrot, dass durch die Bezeichnung emṣu „sauer“914 näher definiert wird.

2.2.2.1.7.1.1 Brotarten Den Begriffen für die unterschiedlichen Brotarten in den kispu(m)-Listen wird meist das Zeichen NINDA vorangestellt, das hier die Funktion eines Determinativs übernimmt. NINDA bezeichnet im Allgemeinen eine feste Nahrung und in der entsprechenden Kombination ein aus Getreide bestehendes Brot. Dass die Menge der Brote mit einem Hohlmaß widergegeben wird, kann damit erklärt werden, dass hier nicht das Volumen des Brotes selbst, sondern die verwendete Menge Getreide angegeben wird.908 Durch die Ergänzungen des Zeichens NINDA wird die Qualität oder auch die Getreideart des Brotes näher bestimmt.909 makūtum Wird im CAD als „a bread or cake“ aufgeführt.910 NINDA burrum Während das CAD und das AHw unter burrum lediglich allgemeine Angaben machen („a cereal“911 oder „eine Art Korn“912), leitet R. Borger seine Übersetzung aus dem Arabischen her und bestimmt das Getreide als Weizen.913 Entsprechend wäre dieses Brot aus Weizenteig hergestellt worden.

NINDA.GU Das seit sargonischer Zeit verwendete Kompositum NINDA.GU zählt zu den Termini, die durch die Ergänzung die Qualität des Brotes näher be­stimmen. Entsprechend bezeichnet NINDA. GU ein „gutes Brot“.915

908 Bottéro 1957: 257. Zu den Überlegungen, warum es sich bei dem Zeichen NÍG (Lesung NINDA oder auch ÌNDA), trotz der Abmessung mit Hohlmaßen, nicht um einen Brei, sondern um Brot handelt siehe Brunke 2011: 95-97. 909 Vgl. Brunke 2011: 116. 910 CAD M I: 143, s. v. makūtu 4.; im AHw fehlt ein entspre­ chender Eintrag. 911 CAD B: 330 s. v. burru. 912 AHw A-L: 140 s. v. burrum. 913 Borger 1957-1971: 309; Bottéro 1957: 252; Hrozný: 36-38. 914 CAD E: 152 f. s. v. emṣu A „sour“; c) „said of bread made with sour dough“; AHw A-L: 215 s.  v. emṣu(m) „sauer“; siehe auch Bottéro 1957: 258; Birot 1960b: 278. 915 Brunke 2011: 101 f., 116.

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Mari

NINDA.KUM Das Logogramm KUM (Akk. ḫašlu, „zersto­ ßen“916) bezieht sich in diesem Fall, nicht auf das Brot selbst, sondern auf das Mehl, aus dem es gemacht ist: ZÌ.KUM („zerstoßenes Mehl“917). Laut J. Bottéro und M. Birot ist NINDA.KUM entsprechend als grob gefertigtes Brot zu be­­ schreiben.918 NINDA mersu Der Ausdruck NINDA mersu bezeichnet ein süßes Brot bzw. eine Art Kuchen. Im AHw ist unter mersu ein „Rührkuchen“919 verzeichnet, der aus Datteln, Öl bzw. Butter und Gewürzen gefertigt wird.920 Außerdem konnten weitere Zutaten wie Honig,921 verschiedene getrocknete Früchte (Rosinen, Äpfel, Feigen) und Nüsse zugefügt werden.922 2.2.2.1.7.1.2 Mehl und Getreide A.TIR Der Terminus A.TIR (Akk. sasqûm) bezeichnet ein „Feinmehl“923, das unter anderem als Opfermehl genutzt wurde.924 F. Hrozný definiert dies näher als Emmermehl und vermutet, dass das A entsprechend der Wortbedeutung Bezug auf Wasser nimmt. Dabei könnte das Mehl in zwei unterschiedlichen Zuständen mit dem Wasser ver­mischt worden sein. Entweder wäre das Korn vor dem Mahlen angefeuchtet worden, um ein möglichst weißes und schönes Mehl zu erhalten, oder man hätte das Mehl selbst mit dem Wasser verrührt, um eine Speise in Form von Brei zuzubereiten.925 burrum siehe NINDA burrum. ŠE alappāni Die Gerste, aus der das alappānum hergestellt wird (siehe alappānum).926 916 AHw A-L: 334 s. v. ḫašlu(m); CAD Ḫ: 141 s. v. ḫašlu. 917 Siehe auch Milano 1993-1997: 26. 918 Bottéro 1957: 258 f.; Birot 1960b: 278. 919 AHw M-S: 646 s. v. me/irsu ( 2) a) 2. „spB Sesam, Datteln od Öl, Butter“. 920 CAD M II: 108 f. s. v. mirsu „a confection made of dates, oil, butter, etc.“; „a) ingredients [dates, fats and spices]“. 921 Bottéro 1957: 259; Birot 1960b: 278. 922 Bottéro 1995: 22 f. 923 Milano 1993-1997: 25; siehe auch AHw M-S: 1032 s. v. sask/ qû(m); von A. Jacquet auch als „sasqûm gruel“ bezeichnet (Jacquet 2012: 129). 924 CAD S: 192-194 s. v. sasqû; in Mari wird das Mehl auch für das Mahl des Königs verwendet; nach der Altbabylonischen Zeit ist seine Funktion rein rituell (Ebenda: 194). 925 Hrozný 1913: 118-120; ähnlich auch Bottéro 1957: 264. 926 CAD A I: 335 f. s. v. alappānu 3; siehe auch Bottéro 1957: 260.

ŠE.Ì.GIŠ Über viele Jahre wurde kontrovers diskutiert, ob es sich bei ŠE.Ì.GIŠ (Akk. šamaššammū) um „Sesam“ oder um „Leinen“ handelt. Die Diskussion kam vor allem dadurch zustande, dass die Ähnlichkeit von šamaššammū zu der semitischen Wurzel smsm, griechisch sesamon, eine Übersetzung mit „Sesam“927 zwar nahe legt, lange Zeit aber keine archäologischen Nachweise für Sesamsamen gefunden werden konn­ ten.928 Inzwischen ist Sesam auch archäologisch belegt und erstmals zu sargonischer Zeit nachzuweisen. Als Hauptlieferant für Öl in Mesopotamien diente die Pflanze jedoch erst seit der neusumerischen Zeit.929 ŠE šipki bzw. šipku930 Bei šipku, bzw. ŠE šipki, handelt es sich laut AHw um eine bestimmte Art Gerste.931 Im CAD wird die Deutung „a general term for cereals and vetches“ angegeben.932 Nach M. Birots Interpretation ist der Übersetzung im CAD der Vorzug zu geben, da laut ihm, unter dem Begriff šipku verschiedene Getreide- bzw. Mehlsorten in den Listen zusammengefasst wurden. Entsprechend seiner Definition würden von den in den kis­ pu(m)-Listen vorkommenden Getreidesorten das ZÌ.KUM und das A.TIR mit šipku zusammengefasst werden.933 Da diese Termini in keiner der kispu(m)-Listen gemeinsam vorkommen (vgl. Tab. 25 und 27), also entweder das Mehl selbst oder der Oberbegriff šipku genannt werden, ist diese Möglichkeit durchaus denkbar. Bottéro schlägt vor, dass bei šipku, ähnlich wie bei alappānu, das vorangestellte ŠE anzeigt, dass es sich um das Korn selbst handelt, während šipku ohne die Bestimmung mit ŠE die bearbei­tete und gekochte Form als Brei darstellen könn­te.934 ZÌ.KUM ZÌ.KUM (Akk. isqūqu[m]) bezeichnet eine be­­ stimmte Art Mehl (siehe auch NINDA.KUM),935 die, laut Lucio Milano und anderen, nicht mit ZÌ.GU zu identifizieren ist.936 927 AHw Ṣ-Z: 1155 s. v. šamaššammū; Borger 1957-1971: 310; Bottéro 1957: 265 f.. 928 Helbaek 1966: 618; entsprechend auch das CAD: (CAD Š I: 301-307 s. v. šamaššammū, v. a. h). 929 Waetzold 1980-1983: 588 § 8; Stol 2009-2011: 401 § 2. 930 A. Jacquet schreibt zwar Šipqu (Jacquet 2002: 65-68) und liest das Zeichen KU offenbar als qú, allerdings führt das CAD die Belege aus Mari unter šipku an (siehe unten Fn. 932). 931 AHw Ṣ-Z: 1245 s. v. šipku(m) 1) b). 932 CAD Š III: 71 f. s. v. šipku B. 933 Birot 1960b: 279-281. 934 Bottéro 1957: 267; 1995: 218. 935 AHw A-L: 389 s. v. isqūqu(m), is/šquqqu. 936 Milano 1993-1997: 26 (siehe auch Bottéro 1957: 262 f.; Birot 1964: 11; Borger 2003: 426-428 Nr. 810); anders CAD I/J: 202 f. s. v. isqūqu, v. a. 203.

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Die schriftlichen Quellen 2.2.2.1.7.1.3 Früchte GÚ.GAL Bei GÚ.GAL handelt es sich um eine Hülsenfrucht, die entweder mit Saubohnen, Erbsen oder Linsen zu identifizieren ist.937 Zum Teil wird diese Frucht von den Babyloniern auch als Getreideart eingeordnet.938 ZÚ.LUM ZÚ.LUM, Akk. suluppu(m), bezeichnet die ge­reif­te Dattel.939 2.2.2.1.7.1.4 Sonstiges alappānum Das CAD führt unter dem Eintrag alappānu Verschiedenes an: „1. (a specific bittersweet taste in pomegranates and dates), 2. (a beer of bittersweet taste), 3. a kind of barley from which the beer is made)“940. In Mari ist dies die einzige belegte Art Bier, während in Neuassyrischer Zeit verschie­ dene Arten existieren. Das alappānum-Bier in Mari wurde aus einer bestimmten Art Gerste hergestellt.941 Das AHw führt unter alappānu „sü­ßer Granatapfel“ und „Süßbier“ an.942 Zwar wird Bier in den Listen als Getränk (KAŠ) klassifiziert, allerdings scheint es sich vielmehr um eine Art Sirup zu handeln (dišiptuḫḫu), den man über einen Kuchen geträufelt (SUD) hat.943 Alternativ könnte die süße Grundsubstanz auch mit Wasser aufgefüllt worden sein, um als Getränk zu dienen. Dies legen zumindest die lexikalischen Texte nahe, die als Entsprechung für das KAŠ.A.SUD „mit Wasser vermischtes Bier“ unter anderem alappānum aufführen.944 tiktum tiktum ist die in Mari übliche Schreibung für diktum,945 das im CAD als „a diary product“ auf-

937 Powell 2003-2005: 21 f.; Frantz-Szabó 2003-2005: 24. 938 Borger 1957-1971: 309. 939 Volk 2003-2005: 286; siehe auch Borger 2003: 255-258 Nr. 24; CAD S: 373-377 s. v. suluppū. 940 CAD A: 335 f. s. v. alappānu. 941 A. a. O. 942 AHw A-L: 35 s. v. alappānu, lappānu. 943 Bottéro 1957: 260 f.; Birot 1960b: 282, 294; siehe auch Jacquet 2012: 129 mit „alappânum sauce“. 944 Röllig 1970: 35, 84 Anm. 114. Diese zwei möglichen Verwendungsformen, als Sirup und – mit Wasser aufge­ gos­sen – als Bier, könnten auch M. Birots Feststellung begründen, der aufgrund der großen Mengen, die teilweise vom alappānu anlässlich großer Bankette registriert sind, annimmt, dass es sich um ein Getränk handelt (Birot 1964: 12 f.). 945 Ich danke an dieser Stelle A. Jacquet für diesen Hinweis (persönliche Kommunikation, 8.1.2013).

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gelistet wird. Bottéro führt für tiktu(m) „sorte de farine, mal connue“ an.946 Ì.GIŠ Mit Ì.GIŠ (Akk. šamnu) ist wörtlich ein pflanzliches Öl gemeint, das genauer als Sesamöl klassifiziert werden kann (siehe auch den Eintrag zu ŠE.Ì.GIŠ).947 Abgesehen von seinem Verwendungszweck als Speise, hatte Öl im Totenkult offenbar auch andere Funktionen, wie die drei Texte ARM VII 17, 62 und 81 belegen. In diesen Listen wird das Öl im Rahmen einer Kulthandlung verwendet. Die drei Texte verzeichnen die Ausgabe von Öl „a-na qa-at/d LUGAL(.GAL)“.948 Dabei könn­te es sich zum einen um Öl „für die Hand des großen Königs“ (a-na qa-at LUGAL.GAL) handeln, das, so die Idee W. Yuhongs, als Opfer im Rahmen des kispu(m) dargebracht worden sein könnte, zumal die drei Texte auf den 1. und 16. der jeweiligen Monate datieren.949 Zum anderen könnte man, wie J.-M. Durand, a-na qa-ad lesen, wobei das Verb von qâdu(m) „anzünden“950 abzu­leiten sei und das Öl entsprechend für ein Brandopfer gedacht gewesen wäre.951 Beide Interpretationsversuche könnten somit auf den Totenkult als Kontext hindeuten. Der Parallelismus mit dem Text M. 11410 (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.3) legt nahe, sich für die Lesung a-na qa-at „für die Hand“ zu entscheiden. In dem genannten Text wird ebenfalls Öl für kispu(m) ausgegeben sowie Öl „für die Ölung der Rechten und der Linken während des Mahls […]“. Dieser Parallelismus ließe sich schwerlich erklären, wenn man davon ausginge, dass es sich um Öl für ein Brandopfer handelt. Der Text ARM VII 17 stellt die Verwendung des Öls, ähnlich wie M. 11410, in einen größeren Zusammenhang.

946 Bottéro 1995: 221. 947 Birot 1960b: 265, Fn. 4; J. Bottéro erwägt neben einer Übersetzung mit Sesamöl allerdings auch die Möglichkeit, dass es sich um Olivenöl handelt (Bottéro 1957: 266). 948 Bei den Texten ARM VII 17, 62 und 81 ist nicht eindeutig, um welchen großen König es sich handelt. Fest steht ledig­ lich, dass am Ende desselben Jahres, in das die drei Texte datieren (Eponymat Ṭab-ṣilli-Aššur), der König Samsī-Addu gestorben ist (Charpin – Ziegler 2003: 137). 949 Yuhong 1992: 72, allerdings bezieht sich W. Yuhong lediglich auf die Texte ARM VII 62 und 81 und damit auf den jeweils ersten des Monats. 950 AHw M-S: 892 s. v. qâdu; und „to set afire, to light, to kindle“ CAD Q: 52 s. v. qâdu 1; den Verweis auf J.-M. Durand liefert Charpin 2008: 84. 951 Zur Rolle des Feuers im Rahmes des Ahnenkultes siehe van der Toorn 1996a: 129-130; vgl. auch Charpin – Ziegler 2003: 138; Charpin 2008: 84.

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Mari

ARM VII 17 1

45 SÌLA Ì tam-ri-rum 45 SÌLA tamrirum-Öl,

2

5 SU Ì gišŠU.ÚR.MÌN 5 šiqlu Zypressen-Öl,

3

⌈5⌉ SU Ì giša-si

5 šiqlu Myrten-Öl,

4

3 SU Ì ka-na-ak-tim

3 šiqlu WeihrauchbaumÖl,

5

10 SU Ì di-qa-ra-tim

10 šiqlu „Öl-der-Schüssel“

6

a-na qa-at LUGAL

für die Hand des Königs

7

ù pa-ša-aš

8



der Person,

9

w[a-š]i-ib gišG[U.ZA]

die (auf) dem Stuhl sitzt

und die Salbung

ṣa-bi-im

10 i-nu-ma NÍG.GUB. GAL

während des großen Mahls (=Bankett?)

ITI ḫi-bir5-tim

im Monat Ḫibirtum

11

12 [U]4 16 KAM

13 l[i-m]u ṭà-ab-ṣíl-líd a-šur

am 16. Tag Eponym: Ṭāb-ṣilli-Aššur

Zwar wird nicht präzisiert, um welche sitzende Person es sich handelt, dennoch zeigt der Ausdruck i-nu-ma NÍG.GUB.GAL, dass auch diese Ausgabe im Rahmen einer größeren Feier er­folgte. LÀL Der Begriff LÀL, Akk. dišpu, bezeichnet ent­ weder Honig952 oder Dattelsirup.953 K. Volk verweist zwar darauf, dass durch die klimatischen Bedingungen in Mesopotamien dort keine Honig­ produktion möglich war, aller­dings existierte im syrisch-palästinischen Raum Bienenhonig, wie Tributlieferungen an Thutmosis III. (1490 – 1436 v. Chr.) be­legen. Auch die altbabylonischen Briefe aus Mari bezeugen, dass kleine Mengen LÀL nach Mari verschickt wurden. Aufgrund der geringen Mengen könnte es sich dabei ebenfalls um den teuren Bienenhonig handeln, allerdings ist auch eine Übersetzung mit „Dattelsirup“ für Mari nicht auszuschließen.954 2.2.2.1.7.2 Der Umfang der Speisegaben Der Umfang der Speisen unterlag zu den regulären kispu(m)-Feiern einer strengen Regelmäßigkeit, so­dass innerhalb einer Dynastie, abgesehen von den Speisen für die malikū, keine Differenz zwischen dem Umfang am 1. und dem am 16. Tag eines Monats festgestellt werden kann.955 Gleichermaßen wird für die malikū die Menge an Speisen mit einer 952 Borger 2003: 288 f. Nr. 170; AHw A-L: 173 s. v. dišpu(m); CAD D: 161-163 s. v. dišpu; siehe auch Bottéro 1957: 261 f. 953 Volk 1999: 283-286. 954 A. a. O. 955 Jacquet 2002: 54; 2012: 129.

bemerkenswerten Kontinuität beibehalten. Nicht bestätigt werden kann die Aussage M. Birots und A. Jacquets, dass in den kispu(m)-Listen für den 1. Tag eines Monats, die keine Speisen separat für die malikū auflisten, die Menge der Speisen für das kispu(m)-Opfer um die Ration für die malikū erhöht wurde.956 Lediglich die beiden Tageslieferungslisten M. 9961 und M. 10269 datieren auf den ersten eines Monats, ohne eine Ausgabe von Speisen für die malikū explizit zu nennen. Zu erwarten wären für die malikū 3 SÌLA NINDA.KUM, 2 SÌLA NINDA mersu und 15 SU Ì.GIŠ (vgl. Tab. 25). Der Text M.  9961 verzeichnet 2 SÌLA NINDA mersu mehr als gewöhnlich und der Text M. 10269 listet 4 SÌLA NINDA.KUM zusätzlich auf. Jedoch sind die Mengen der jeweils anderen beiden zu erwartenden Speisegaben nicht erhöht, sodass die drei für die malikū üblichen Speisen nicht bei den Speisen für das kispu(m)-Opfer der LUGAL.MEŠ hinzugefügt wurden.957 Des Weiteren ist anzumerken, dass abhängig von den jeweilig herrschenden Dynastien, die Mengen und die Arten der Speisen variieren. Aus der Zeit der assyrischen Vorherrschaft sind zwei Listen er­halten, die jeweils 10 SÌLA958 NINDA.KUM, 20 SÌLA NINDA mersu, 4 SÌLA Ì.GIŠ, 20 SÌLA A.TIR und ½ SÌLA LÀL für das kispu(m)-Opfer der Könige verzeichnen. Unter der Regentschaft von Zimrī-Lîm ändern sich die Mengen und die Arten der Speisen merklich. Zunächst sind die ungewöhnlichen Ausgaben von zwei Schafsböcken bemerkenswert, die zwischen dem zweiten und sechsten Regierungsjahr ZimrīLîms für das kispu(m)-Opfer verzeichnet worden sein müssen (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.3). Hinsichtlich der „gewöhnlichen“ Speisen, liegt uns aus dem ersten Jahr von Zimrī-Lîms Regentschaft lediglich ein Beleg vor, der die Ausgabe von 2 SÌLA Ì.GIŠ für kispu(m) belegt. Ab dem 3. Regierungsjahr lässt sich das kispu(m)-Ritual in 956 Birot 1964: 23 f.; Jacquet 2002: 54 f. 957 Die beiden von P. Talon angeführten Texte ARM XII 3 und IX 218 (Talon 1978: 65 f.), denen inzwischen auch M. 10146 hinzugefügt werden könnte (siehe Tab. 25 und 27), können aus Sicht der Autorin nicht in diesem Zusammenhang gewertet werden. Die beiden Tageslieferungslisten ARM XII 3 und M. 10146 sind die einzigen beiden Listen dieser Art, die in die Zeit der assyrischen Vorherrschaft datieren. Aus dieser Zeit existieren keine Tageslieferungslisten, die die malikū nennen, sodass entsprechend aus den angegebenen Mengen keine Schlüsse gezogen werden können. Bei dem Text ARM IX 218 IV ist es ähnlich schwierig, da es sich hierbei um eine monatliche Zusammenfassung handelt, die zum einen nur geringfügig von vergleichbaren Listen abweicht und für die es erneut keine Vergleichsbeispiele gibt, wie die Liste ausgesehen hätte, wenn die malikū separat erwähnt worden wären. 958 Wie bereits in Kapitel 2.2.2.1.2.3 dargelegt, handelt es sich bei einem SÌLA in Mari um ein Volumenmaß, dass etwas weniger als ein Liter umfasst.

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Die schriftlichen Quellen gro­ßer Regelmäßigkeit nachweisen; ab dieser Zeit mit immer wiederkehrenden Speisen in Form von verschiedenen Brotarten. Allerdings gibt es auch in Zimrī-Lîms Regierungszeit nochmal eine Veränderung ab dem 6. Regierungsjahr. Das kispu(m)-Opfer für die Könige (LUGAL. MEŠ) fällt generell wesentlich umfangreicher aus, als die Speisen für die malikū. Die konsequent durchgehaltene Regelmäßigkeit, die für das kispu(m)Ritual am ersten und 16. eines Monats festgestellt werden kann, führt dazu, dass mindestens fünf Texten,959 die zwar das reguläre Datum aufweisen, allerdings äußerst ungewöhnliche Mengen oder auch Speisearten verzeichnen, eine besondere Bedeutung zugeschrieben werden muss. Zudem sind möglicherweise drei weitere Texte960 in diese Kategorie zu zählen, allerding sind in diesen Texten nur sehr geringe Abweichungen zu den üblichen kispu(m)-Ausgaben festzustellen, sodass auch eine Ungenauigkeit in der Verwaltung nicht ausgeschlossen werden kann. Im Hinblick auf einen der fünf oben genannten Texte (ARMT XII 499), können die größeren Mengen und die ungewöhnlichen Speisen tatsächlich anhand des Kalenders von Mari erklärt werden. Zu dem Zeitpunkt, an dem das kispu(m)-Ritual ausgeführt wurde (16-x-ZL 7) war Ḫaja-sumu, König von Ilanṣurā und Ehemann von zwei Töchtern Zimrī-Lîms zu Besuch.961 Dementsprechend dürften sich die größeren Mengen und die ungewöhnlichen Speisen durch den hohen Besuch und die damit verbundene größere Festgesellschaft erklären. Für die LUGAL.MEŠ wurden im Einzelnen zu den regulären Festen im 3. bis 5. Regierungsjahr962 3 SÌLA NINDA.KUM, 3-5 SÌLA NINDA emṣu, 14 SÌLA NINDA mersu, 10 SÌLA šipku, 2 SÌLA(in einer Ausnahme 2 SÌLA und 15 šiqlu) Ì.GIŠ und 20 SÌLA NINDA.GU verzeichnet. Für die malikū belaufen sich die Ausgaben in diesen Listen auf 3 SÌLA NINDA.KUM, 2 SÌLA NINDA mersu und 15 šiqlu Ì.GIŠ. Eine Ausnahme stellt hier die Liste Kisp. 9 dar, bei der die Ausgaben für die LUGAL.MEŠ zwar genau den regulären Ausgaben entsprechen, die Ausgaben für die malikū jedoch von der Norm abweichen. Ab dem 6. Regierungsjahr Zimrī-Lîms ändert sich vor allem, dass das NINDA.GU kaum noch verzeichnet wird, stattdessen aber größere Mengen NINDA.KUM notiert werden und die Mengen der übrigen Speisen etwas stärker variieren, als 959 S.79a,075 (1-vii-ZL 5), ARMT XII 418 (1-ii-ZL 6), ARMT XII 430 (?-iii-ZL 6), ARMT XII 499 (16-x-ZL 7) und M. 10269 (1-vi-ZL 9) (vgl. Tab. 25). 960 ARMT XII 30 (1-x-ZL 3), M. 9830 (1-viii-ZL 6) und M. 10589 (1-i-ZL 7) (vgl. Tab. 25). 961 Sasson 1979: 126. 962 Zu den regulären kispu(m)-Festen werden alle Texte aus den jeweiligen Regierungsjahren in der Tab. 25 gezählt, die nicht in den Fußnoten 853, 854, 890 oder 891 genannt sind.

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noch in den Regierungsjahren zuvor. Das heißt im Einzelnen, dass nun zu den regulären Terminen 20 SÌLA NINDA.KUM963, 3-6 SÌLA NINDA emṣu, 14 SÌLA NINDA mersu964, 10 SÌLA šipku und 2 SÌLA Ì.GIŠ965 ausgegeben wurden. Die in diesen Listen ver­zeichneten Speisen für die malikū, umfassen in der Regel 3 SÌLA NINDA.KUM, 2 SÌLA NINDA mersu966 und 15 šiqlu Ì.GIŠ.967 Diese Norm verliert allerdings ihre Gültigkeit, wenn das kispu(m)-Ri­ tual an einem ungewöhnlichen Datum stattfand. In einzelnen Fällen konnten sogar Abweichungen an einem regulären Termin verzeichnet werden, sodass in Erwägung gezogen werden muss, dass auch die Mengen und die Arten der dargebrachten Speisen, ein Hinweis darauf sein können, dass das kispu(m)Ritual aus einem bestimmten Anlass oder mit einer besonderen Motivation durchgeführt wurde. Was genau der Hintergrund dieser außerplanmäßigen kispu(m)-Feste gewesen sein könnte, lässt sich leider, aufgrund des rein administrativen Charakters der Listen, nur in Einzelfällen rekonstruieren (siehe Kapitel 2.2.2.1.4). Bei den Listen, die bei der Art und dem Umfang der Speisen nicht dem Standard entsprechen und somit ein außergewöhnliches kispu(m)-Opfer dokumentieren, wurden in manchen Fällen zusätzlich zu den üblichen Gaben unterschiedlichste Speisen notiert.968 Dabei handelt es sich um alappānum, A.TIR, GÚ.GAL, LÀL, makūtum, NINDA burrum, ŠE.Ì.GIŠ, ZÌ.KUM und ZÚ.LUM. In den monatlichen Zusammenfassungen finden sich zusätzlich tiktum, ŠE alappāni und ŠE šipki. 2.2.2.1.8 Der Ort für die Ausübung des kispu(m) Unglücklicherweise liefern die administrativen Do­ku­mente aus Mari nur in Ausnahmefällen Infor­ ma­tionen über den Ort, an dem das kispu(m)-Ritual ausgeübt wurde. Zudem stimmen die kispu(m)Listen diesbezüglich nicht überein, sodass unter Berücksichtigung aller relevanten schriftlichen Quellen sowie des archäologischen Befundes, zu dem Schluss zu kommen ist, dass das kispu(m)-Ri­ 963 Zu Beginn des 6. Regierungsjahres noch vereinzelt 18 SÌLA NINDA.KUM (ARMT XII 412, ARMT XII 431). In einem späteren Fall 20 SÌLA NINDA.GU statt NINDA.KUM (ARMT XII 681). 964 In Ausnahmen 16 oder 17 SÌLA NINDA mersu (ARM IX 123, ARMT XI 127, ARMT XII 396). 965 In einer Ausnahme 2 ½ SÌLA Ì.GIŠ (ARM IX 123). 966 In einem Fall 3 NINDA mersu (ARMT XII 473); einmal statt NINDA mersu 2 SÌLA NINDA emṣu (ARMT XII 396). In Kisp. 39 wurde kein NINDA.KUM ausgegeben, allerdings 3 statt 2 SÌLA NINDA mersu. 967 In einer Ausnahme (ARMT IX 203) überstiegen die Ausgaben für die malikū insgesamt den Standard: 10 SÌLA NINDA.KUM, 6 SÌLA NINDA mersu und ½ SÌLA Ì.GIŠ 968 Vgl. auch Talon 1978: 64; Tsukimoto 1985: 59; Jacquet 2002: 54 f.

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Mari

tual in Mari an unterschiedlichen Orten abgehalten werden konnte.969 Außerdem scheinen die Fäl­le, in denen der Ort für die Ausführung ausdrücklich genannt wird, außerplanmäßige kispu(m)-Feiern und damit vermutlich auch außerplanmäßige Orte für das kispu(m)-Ritual zu dokumentieren. Somit fehlen weiterhin Hinweise auf den Ort, an dem das kispu(m)-Ritual im Regelfall veranstaltet wurde. Auch die Gräber liefern, bis auf eine mögliche Ausnahme, keine Hinweise darauf, dass sie im Rahmen der Totenpflege erneut geöffnet und Speisen in ihnen niedergelegt wurden (siehe Kapitel 2.1.1.4.3). Dies schließt zwar eine Darbrinung des kispu(m) an den Gräbern nicht aus, dennoch ist nach den Orten, an denen das kispu(m)-Ritual regelmäßig abgehalten wurde, auch anderenorts zu suchen. 2.2.2.1.8.1 Der Šamaš-Tempel Der nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht mit dem „Haus der Throne“ zu identifizierende ŠamašTempel (siehe den Kommentar zu É gišGU.ZA.ḪI.A in Kapitel 2.2.2.1.2.4.1) stellt zumindest in dem Text M. 12803 den Ort für die Ausführung des kispu(m) dar. Die Gegebenheiten, dass Yasmaḫ-Addu wahrscheinlich der in dem Text angesprochene König ist, dass Šamaš zunächst Opfer dargebracht werden und dass außerdem die akkadischen Könige sowie die Ḫanäer und Numḫäer ein kispu(m)-Opfer erhalten, legt die Vermutung nahe, dass es sich hier um eine kultische Handlung von großer politischer Relevanz handelte. Somit stand dieses kispu(m)-Opfer vermutlich in einem anderen Kontext als die regulären kispu(m)-Feiern, die anhand der administrativen kispu(m)-Listen belegt werden können. Mehrere Faktoren legen nahe, dass in der Regel ein anderer Ort als der Šamaš-Tempel für die Aus­ übung des kispu(m) genutzt wurde: • •

In keiner administrativen kispu(m)-Liste werden Opfergaben für Šamaš erwähnt. In Anbetracht dessen, dass Yasmaḫ-Addu den Thron in Mari usurpiert hat und Zimrī-Lîm rechtmäßiger Nachfolger der Līm-Dynastie war, war das kispu(m)-Ritual von YasmaḫAddu anders oder stärker politisch motiviert als das des Zimrī-Lîm.

969 Vergleichbar dürfte die Situation in Ebla sein, wo die Ahnen ebenfalls an verschiedenen Orten verehrt werden konnten. Im Einzelnen waren dies der Palast in Ebla sowie die Orte NEnaš, Darib, Irad und Uduḫudu (Archi 2012: 9 Nr. 1.7). Allerdings ist fraglich, ob in Mari ebenfalls von verschiedenen extramuralen Bestattungsorten für die Könige ausgegangen werden sollte wie in Ebla. Zumal diese sich vermutlich in Ebla, im Zuge der Zentralisierung der Macht, ins Innere der Stadt verlagerten, wie die Errichtung des Hypogäums unter dem Königpalast in Ebla vermuten lässt (Ebenda: 14).



Zahlreiche Statuen in den Tempeln der Stadt, v.  a. im Ištar-Tempel und im Tempelkomplex der Ninni-zaza und der Ištarat (siehe Kapitel 2.1.4) sowie die Statue des Ištup-Ilum (ca. 2100 v. Chr.) am Fuße der Treppe des Thronsaales legen nahe, dass an diesen Orten Kulthandlungen stattgefunden haben, die zumindest zum Teil im Rahmen des Totenkultes erfolgt sein dürften.

2.2.2.1.8.2 Die „Gärten“ Die Texte ARMT XI 266 und ARMT XII 466 verweisen auf Feierlichkeiten, die in den „Gärten“ (ina rapiqatim) stattfinden sollten. Wie bereits erläutert (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.3), ist es wahrscheinlich, dass das kispu(m)-Ritual nicht regelmäßig inner­halb dieser Gärten stattfand, sondern nur zu besonderen Gelegenheiten. Wo genau sich diese Gärten befunden haben, lässt sich nicht mit Gewissheit beantworten. Nicht nur der ungewöhnliche Ort, sondern auch die großen Mengen an Speisen legen nahe, dass es sich bei dem in dem Text ARMT XI 266 belegten kispu(m) um eine außerplanmäßige kispu(m)-Feier handelt. Möglicherweise ist diese vergleichbar mit einem jährlich stattfindenden Ritual zum Gedenken an die königlichen Ahnen in Ebla („si-dù-si-dù en-en“), welches ebenfalls innerhalb des Gartens („GIŠ-kiri6“) ausgeführt wurde.970 2.2.2.1.8.3 Der „östliche Palast“ Die oben angeführten Überlegungen zu den kis­ pu(m)-Feierlichkeiten im Garten des Palastes der šakkanakku, führen zu der Diskussion, ob es sich bei diesem Palast um den Ort für das kispu(m)-Ritual handelt. Anhaltspunkt hierfür sind die beiden Grüfte T. 763 und T. 928, die unter dem Saal I und Thronsaal XVI angelegt wurden (siehe Kapitel 2.1.1.1 und 2.1.1.1.5). J.-C. Margueron vermutet, dass das kispu(m)-Ritual, aufgrund einer zu erwartenden Nä­he zu den Grüften, innerhalb dieses Palastes abgehalten worden ist.971 Da jedoch unklar ist, ob neben den verstorbenen Mitgliedern der Königsfamilie zur Zeit der šakkanakku dort auch die Angehörigen der Līm-Dynastie bestattet wurden, ist es fraglich, ob auch das reguläre kispu(m)-Ritual der Angehörigen der Līm-Dynastie dort zu verorten ist. Wahrscheinlicher ist aus Sicht der Autorin, dass im östlichen Palast zu besonderen Anlässen ein kispu(m)-Opfer dargebracht wurde. In diesem Zusammenhang kön970 Ebenda: 19. Siehe zum Ahnenkult in Ebla auch die in Vorbereitung befindliche Dissertation von K. Teinz, „Ahnen und symbolische Stätten der Erinnerung: Untersuchungen zum Ahnenkult des 3. und 2. Jahrtausends v. Chr. in Vorderasien“. 971 Margueron 2004: 449-450; vgl. auch Kapitel 2.1.1.1.

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Die schriftlichen Quellen nte auch die in Kapitel 2.1.1.1.5 erwähnte Installation, die möglicherweise mit der Gruft T.  763 in Verbindung stand, eine Rolle gespielt haben. 2.2.2.1.8.4 Der Königspalast Entgegen der Annahme A. Jacquets,972 kann man aus Sicht der Autorin nicht ohne Weiteres aus den administrativen Listen ableiten, dass das kispu(m)Ritual im Königspalast ausgeübt wurde. Grund dafür ist, dass es sich hierbei lediglich um Listen handelt, die die Ausgabe der Speisen im Palast belegen, nicht jedoch, dass die Speisen für die Durchführung des Rituals im Palast verblieben. Auch der Text M. 12803 kann nicht als Argument für den Thronsaal des Palastes als Ort des kispu(m)-Rituals herangezogen werden, da das É gišGU.ZA.ḪI.A nach der hier vorgelegten Interpretation anderswo zu lokalisieren ist (siehe den Kommentar zu É  gišGU.ZA.ḪI.A in Kapitel 2.2.2.1.2.4.1).973 Auch wenn die Texte keinen positiven Hinweis auf die Durchführung des kispu(m)-Rituals im Palast liefern, scheint der archäologische Befund zumindest eine Verehrung der Statuen früherer Könige in­nerhalb des Königspalastes, genauer im Thronsaal, nahezulegen (siehe Kapitel 2.1.3 und 2.1.4).974 Ob es sich bei der Art der Verehrung, die den Statuen innerhalb des Königspalastes wahrscheinlich zuteil wurde, um kispu(m) gehandelt hat, kann jedoch nicht eindeutig beantwortet werden. Bei den Installationen vor und auf den Stufen, die zum Annexraum im Osten des Thronsaales führten, handelt es sich um Feuerstellen und um Vorrichtungen zum Ableiten von Flüssigkeiten. Eine „brennende Feuerstelle“ hat­te im Totenkult vermutlich eine symbolische Be­deutung975 und auch das Libieren von Flüssigkei­ ten, nāq mê (siehe Kapitel 2.2.2.1.7) bildete einen wichtigen Bestandteil der Totenpflege. Da nāq mê häufig gemeinsam mit kispu(m) belegt ist, könnte man annehmen, dass auch im Königspalast von Mari die verschiedenen Rituale gemeinsam durchgeführt wurden, wobei das kispu(m)-Opfer zwar nicht durch Installationen vor dem Annexraum nachgewiesen werden kann, allerdings ist für dieses Ritual auch keine Installation zu erwarten. Sollte in diesem Bereich tatsächlich das kispu(m)Ritual durchgeführt worden sein und die postulierte Einordnung des Rituals in den Familienkult zutreffen (siehe Kapitel 2.2.2.1.5), wären, wie die Statue des 972 Jacquet 2012: 130 f. 973 Anders Durand 1987: 108 f. 974 Der Annahme Y. al-Khalesis, dass die „tripartite unit“ 117119 und 124-126 als „funerary quarter“ („bīt kispim“) zu identifizieren sei, wird aufgrund der fehlenden Indizien und der wenig überzeugenden Argumentation (al-Khalesi 1977: 68-72) nicht gefolgt. Dem widerspricht auch Tsukimoto 1985: 60 f. 975 Van der Toorn 1996a: 129-130.

Ištup-Ilum im Annexraum des Thronsaales nahelegt, auch die šakkanakku als „Ahnen“ verehrt worden. Diesbezüglich ist zudem erneut auf die Verehrung von Sargon und Narām-Sîn durch Yasmaḫ-Addu im Rahmen des kispu(m) zu verweisen (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.4). 2.2.2.1.8.5 Terqa Zwei Texte aus Mari wurden zuvor herangezogen, um die Ausübung des kispu(m) in dem etwa 70 km von Mari entfernten Terqa976 zu belegen. Dabei handelt es sich um die Briefe ARM I 65 und ARM III 40 (sieheKapitel 2.2.2.1.5.1).977 In ARM I 65 lässt Samsī-Addu seinen Sohn wissen, dass er am „Tag des kispum“ in Terqa ankommen wird: ARM I 65978 1

a-na ja-ás-ma-aḫ-dIM

Zu Yasmaḫ-Addu

2

qí-bí-ma

sprich,

3

um-⌈ma⌉ UTU-ši- IM

folgender⌈maßen⌉, SamsīAddu,

4

a-bu-ka-a-ma

dein Vater:

5

u4-um ki-ìs-pí-im

Am Tag des kispum

6

a-na ter-qaki

werde ich in Terqa

7

a-ka-aš-ša-dam

ankommen.

8

an-ni-tam lu-ú ti-de

Dies mögest du zur Kenntnis nehmen.

9

ITI ma-mi-tim U4 25 KAM BA.ZAL-ma

Im Monat Mammîtum, der 25. Tag ist vergangen,

10

ṭup-pa-am an-né-e-em

diese Tontafel

11

ú-ša-bi-la-kum

wird dir geschickt.

d

d

Wie bereits in Kapitel 2.2.2.1.4 dargelegt, ist anzu­ neh­men, dass mit der Angabe „am Tag des kispum“ die Ankunft des assyrischen Königs auf den 1. Tag des Monats Mana festgelegt ist, also den Folge­ monat des im Text zitierten Mammîtum. Der in Kapitel 2.2.2.1.5.1 zitierte Brief ARM III 40 beinhaltet die Aufforderung, ein von Dagān angeordnetes kispu(m)-Opfer für den eṭemmu(m) des Prinzen Yaḫdun-Lîm darzubringen. Dieser Text belegt allerdings nicht, in diesem Punkt ist A. Jacquet recht zu geben, dass sich auch das Grab des YaḫdunLîm in Terqa befand.979 Außerdem ist aus diesem Text nicht zu schließen, dass das kispu(m)-Opfer 976 Lafont 1984: 245 f. 977 Siehe u. a. Birot 1960b: 284, Fn. 5; Kupper 1987-1990: 385. 978 Transliteration nach der Autographie in Dossin 1946: Pl. LXXIV; transkribiert und übersetzt wurde der Text erstmals in Dossin 1950: 126 f. 979 Jacquet 2012: 132; so auch Durand 2008: 610, der zuvor die These, dass das Grab des Yaḫdun-Lîm in Terqa sei, vertreten hat (Charpin – Durand 1989).

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Mari

selbst, welches von Dagān „in Auftrag gegeben wird“, in Terqa stattfand. Dieser Text sagt nur aus, dass Dagān980 durch den dort ansässigen Priester zu dem König spricht, um den entsprechenden Auftrag „zu erteilen“. Allerdings scheint die Anwesenheit des Königs notwendig gewesen zu sein, um das kispu(m)-Ritual ausüben zu können (siehe auch Kapitel 2.2.2.1.4 und 2.2.2.1.6), sodass der erstgenannte Text ARM I 65 erneut in Betracht gezogen werden sollte. Auch wenn in diesem zunächst nur ein bestimmtes Datum festgelegt wird, an dem Samsī-Addu in Terqa ankommen soll, wird dadurch nahegelegt, dass das kispu(m)-Opfer an diesem Tag auch in Terqa stattfand.981 Da der König seinen Sohn darüber informiert, dass er an diesem Tag eintreffen werde, kann zugleich angenommen werden, dass Yasmaḫ-Addu selbst seinen Vater dort empfangen sollte. Wenn man davon ausgeht, dass sowohl Yasmaḫ-Addu, als auch Samsī-Addu sich „am Tag des kispum“ in Terqa befanden, wäre es unlogisch einen anderen Ort als Terqa für dieses kispu(m)-Ri­ tual annehmen zu wollen. Bezüglich der Durchführung des kispu(m)-Ri­ tuals in Terqa sollte außerdem auf eine Inschrift Samsī-Addus aus Terqa verwiesen werden, in der die Errichtung eines Tempels mit dem Namen É KI.SI. GA belegt ist, der Dagān geweiht wurde. Während verschiedene Wissenschaftler diesen Tempel als bīt kispi verstanden haben,982 widerspricht A. Tsukimoto einer solchen Gleichsetzung. Der vollständige Titel des Tempels lautet „É KI.SI.GA É qú-ul-ti-šu É dDagan“.983 A. Tsukimoto wendet ein, dass zum einen die Schreibung KI.SI.GA statt KI.SÌ.GA als Sumerogram für kispu(m) ungewöhnlich sei und zum anderen gefragt werden müsse, ob ein „Haus des kispu(m)“ mit dem Dagān-Tempel in Verbindung gebracht werden kann. Zum ersten Aspekt ist anzumerken, dass eine wörtliche Übersetzung von É KI.SI.GA, „Ort der Stille“984, besser in den Kontext passt, da dann der folgende Ausdruck É qú-ul-ti-šu „Haus seiner Stille“ als Apposition verstanden werden kann. Dies entspräche der häufig vorzufindenden Konstruktion der Form sumerischer Tempelname + akkadische Ergänzung + „Haus des GN“.985 Die weitere Schwie­ rigkeit, die A. Tsukimoto anmerkt, besteht darin, dass bei der Lesung „Haus des kispu(m)“ dieses Gebäude mit dem Dagān-Tempel zu identifizieren

sein müsste. Eine Darbringung des Totenopfers für Dagān selbst wurde zwar mehrfach in Erwägung gezogen,986 allerdings lässt sich diese Verbindung anhand der textlichen Quellen nicht nachweisen (siehe auch Kapitel 2.2.2.2). A. Tsukimoto ist inso­ fern zuzustimmen, dass unter Berücksichtigung des gesamten Tempelnamens einer Übersetzung von É KI.SI.GA mit „Haus der Stille“ der Vorzug zu geben ist. Dabei handelt es sich, angesichts einer vorzuneh­ menden Differenzierung von pagrāʾum und den rituellen Opferhandlungen für die Toten (siehe Kapitel  2.2.2.2), zunächst lediglich um den Tempel des Dagān. In Anbetracht dessen, dass jedoch SamsīAddu und Yasmaḫ-Addu beide am „Tag des kispum“ (ARM I 65, siehe oben) in Terqa anwesend gewesen sein dürften, das kispu(m)-Ritual meist in Anwesenheit der Könige durchgeführt wurde und der Text ARM III 40 (siehe Kapitel 2.2.2.1.5.1) belegt, dass dieses offenbar auch von Dagān in Auftrag gegeben werden konnte, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Dagān-Tempel auch als Ausübungsort für das kispu(m)-Ritual diente. Ähnliches ist bereits in Bezug auf den Šamaš-Tempel festgestellt worden (siehe oben).

Die bislang unentdeckten Gräber der kö­­nig­­­­­­li­chen Familie von Mari verortet A. Jac­quet, aufgrund des genauen Kultkalen­ders und der Reisen, die nach dem Tod des Prinzen Yaḫdun-Lîm unternommen wurden, in der etwa 20 km von Mari entfernten Stadt Dēr.987 Die Ereignisse, die A. Jacquet im Zusammenhang mit dem Tod des Prinzen rekonstruiert, sind die folgenden: Am 1. Tag des ersten Monats des Jahres ZL 7 wird noch ein reguläres kispu(m)-Ritual in Mari abgehalten (M. 10589)988; innerhalb der ersten Tage des Monats stirbt Yaḫdun-Lîm; danach reist ZimrīLîm nach Dēr, wo am 10. und am 11. des Monats Speisen für das Mahl des Königs ausgegeben werden (M. 10613 und M. 9989)989; ARMT XXV 539990 no­tiert am 12. Tag verschiedene edle Geschenke für das Grab des Yaḫdun-Lîm und am 23. Tag wird Öl für ein außerplanmäßiges kispu(m)-Ritual ausgegeben (ARMT XII 543, siehe Tab. 26). Aus der durch diese Texte gegebenen Abfolge an Handlungen schließt A. Jacquet, dass die Reise Zimrī-Lîms nach Dēr in

980 Einer der wichtigsten Tempel des Gottes Dagān stand in Terqa (Feliu 2003: 94). 981 Vgl. auch Tsukimoto 1985: 72 f. 982 Bspw. Finkelstein 1966: 116; Grayson 1972: 24 f.; al-Khalesi 1977: 55; Menzel 1981: 52; Dalley 1984: 122 f. 983 IAK VIII 5 (Ebeling – Meissner – Weidner 1926: 26 f.) 984 Siehe auch George 1993: 110 Nr. 608 mit der Übersetzung „House, Silent Place“ und das CAD mit der Übersetzung „place of silence“ für KI.SI.GA (CAD Q: 302 f. s. v. qūltu 2.). Siehe hierzu auch Charpin 2004b: 372, v. a. Fn. 7. 985 Tsukimoto 1985: 71, Fn. 281.

986 Ebenda: 71 mit den entsprechenden Verweisen. 987 Jacquet 2012: 132 f.; die Distanzangabe von Dēr zu Mari beruht auf Lafont 1984: 245 f. Dieser stellte auch fest, dass Terqa und Dēr die am weitesten voneinander entfernten Kultorte in der Nähe von Mari sind (Ebenda: 246). Auch J.-M. Durand vermutet in Bezug auf das Grab des „Vaters“ des Zimrī-Lîm, dass sich dieses entweder in dem Palast der šakkanakku oder in Dēr befand (Durand 2008: 610). 988 Jacquet 2011: 163 f. 989 Ebenda: 164 f. 990 Limet 1986: 169.

2.2.2.1.8.6 Dēr

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Die schriftlichen Quellen Zusammenhang mit der Bestattung seines Sohnes stand. Er folgert, dass die königlichen Gräber der Līm-Dynastie von Mari sehr wahrscheinlich dort zu finden sind.991 Diese Abfolge von zeitlich und inhaltlich eng verknüpften Ereignissen lässt A. Jacquets Schlussfolgerung sehr wahrscheinlich erscheinen. 2.2.2.1.8.7 Zusammenfassung zu den Ausübungs­orten des kispu(m) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass, wie eingangs schon erwähnt, die in den Texten erwähnten Orte zwar offenbar für das kispu(m)-Ritual genutzt wurden, jedoch ist in keinem Fall eine Nutzung anlässlich einer regulären kispu(m)-Feier anzunehmen. Somit sind der Šamaš-Tempel und die „Gärten“ in Mari sowie der Dagān-Tempel in Terqa und ein nicht zu bestimmender Platz in Dēr zwar wahrscheinlich zu bestimmten Anlässen zur Ausübung des kispu(m) genutzt worden, allerdings kann dies nicht für das reguläre zweiwöchig stattfindende kispu(m)-Ritual angenommen werden. Anlässe für diese außerplanmäßigen kispu(m)-Feiern konnten ein besonderes Fest, wie mutmaßlich bei den Gärten, oder auch eine kurz zuvor erfolgte Bestattung, wie wahrscheinlich beim Beispiel von Dēr, sein. Der einzige Ort, der in den Texten nicht erwähnt wird, bei dem der archäologische Befund jedoch auf eine Nutzung im Rahmen des Totenkultes hinweist, ist der Thronsaal im Königspalast. Zwar kann nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass es sich bei den dort stattfindenden Kulthandlungen um die Ausübung des kispu(m) handelt, allerdings legt sowohl die dort gefundene Statue des Ištup-Ilum, als auch die Installationen, die auf das kispu(m)-Opfer häufig begleitende Rituale hindeuten, eine solche Interpretation nahe. So lange keine weiteren Texte aus Mari oder noch freizulegende archäologische Befunde diese Annahme widerlegen, ist folglich der Thronsaal als Ausübungsort des regulären kispu(m) anzunehmen.992 2.2.2.1.9 Interpretation der Funktion des kispu(m) in Mari kispu(m) ist grundsätzlich als ein Ritual zu defi­ nieren, das im familiären Rahmen ausgeführt wurde.993 Zwar existiert in Mari kein Beleg, dass Fremde zu der kispu(m)-Feier eingeladen wurden,994 aller­ dings legen die bei außerplanmäßigen kispu(m)Feiern verzeichneten großen Mengen an Opfergaben zwei Dinge nahe: Zum einen, dass die Teilnehmer der Zeremonie während der kispu(m)-Feier gemein991 Jacquet 2012: 132 f. 992 Vgl. auch Pfälzner 2007: 49 f.; 2011c: 71, Fn. 2. 993 Durand – Guichard 1997: 63; Jacquet 2008b: 411 f. 994 Vgl. Jacquet 2012: 130.

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sam mit den Totengeistern Speisen zu sich nahmen, zum anderen, dass die Festgesellschaft zu bestimmten Anlässen erweitert werden konnte und entsprechend größere Speisemengen benötigt wurden (siehe auch Kapitel 2.2.2.1.6 und 2.2.2.1.7). Dies bedeutet, dass der „familiäre“ Kreis, in dem das kispu(m)-Ritual üblicherweise ausgeführt wurde, um hochrangige Personen erweitert werden konnte. Zu denken wäre hier beispielsweise an den Brief A.2428 (siehe Kapitel 2.2.2.2), der die Teilnahme zweier Boten Zimrī-Lîms zwar nicht am kispu(m)-Ritual, aber an der Totenklage für Sumu-Epuḫ (um 1800 v. Chr.) im Palast von Ḫalab belegt. Damit soll nicht sugge­riert werden, dass es sich bei kispu(m) um eine Feier handelte, die außerhalb des privaten Rahmens lag. Vielmehr wird postuliert, dass, je nach Adressaten und Anlass des kispu(m), zum Zwecke der Legitimation der damaligen Herrscher, ein gewisses Publikum nötig war, um die erwünschte Wirkung zu erzielen. Das kispu(m)-Ritual beruht auf den in Mesopotamien verbreiteten religiösen Vorstellungen von der Unterwelt, denen zufolge die Totengeister in der Unterwelt zufriedenzustellen waren, um ein friedliches Dasein von Lebenden und Verstorbenen zu garantieren (siehe Kapitel 1.2.2 und 1.2.3). Während die regulär stattfindenden kispu(m)-Feiern vermutlich diesem Zweck dienten, lassen die außerplanmäßigen kispu(m)-Feiern mit der auf­ grund der großen Speisenmengen anzunehmenden größeren Festgesellschaft eine besondere Motivation für das kispu(m)-Opfer vermuten. Denkbar wäre beispielsweise, dass der König seine rechtmäßige Ausführung des Amtes unterstreichen musste oder auch, dass er die Gunst seiner verstorbenen Vorfahren benötigte, um einen günstigen Ausgang einer Schlacht o.ä. zu bewirken. Für diesen Zweck wurde möglicherweise ein außerplanmäßiges und größeres kispu(m)-Ritual durchgeführt, sodass ein von der Norm abweichender Ort ebenfalls angebracht erschien. Entsprechend zeigt der Text M. 12803 deutlich, dass es bei der Ausübung des kispu(m)Rituals nicht allein um das Darbringen von Speisen für die verstorbenen Familienmitglieder geht. Die anlässlich des kispu(m) verrichtete Feier konnte, je nach Em­pfängern des kispu(m), ebenso eine politische und symbolische Wirkung haben, indem die Kontinuität der Geschichte erneut in Erinnerung gerufen wurde, welche die Macht der herrschenden Familie legitimierte. Allerdings steht außer Frage, dass die ge­nann­ten Wirkungen und Motivationen ebenso bei den regulären kispu(m)-Feiern eine Rolle spielten, auch wenn nicht immer ein aktueller Anlass bestanden haben dürfte. Ebenso wie in Mari kann das kispu(m) weder in den alt- oder mittelbabylonischen noch in den neuassyrischen und neubabylonischen Texten einem tatsächlichen Bestattungsritus zugeschrieben wer-

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Mari

den. Stattdessen wird es in Bezug auf „Bestattungen“ nur bei „imitativ-magischen Bestattungen“995 angesprochen und auch in diesen Texten ist nicht belegt, dass das kispu(m) für den zu Bestattenden selbst vorgesehen war. Dort ist es lediglich für die Unterweltsgottheiten, die Totengeister der Familie, für fremde Totengeister und Dämonen sowie für ein Ersatztier bezeugt (vgl. auch Kapitel 1.1.4.3).996 Entsprechend kann das kispu(m) in Mesopotamien nicht als Teil der „Grabbeigaben“ definiert werden, wie es A. Tsukimoto erwägt,997 sondern bezeichnet auch dort ausschließlich die „Totenpflege“ nach der Bestattung.998 Durch seine Funktion ist das kispu(m)-Opfer in Mari folglich lediglich als Versorgung der Toten nach der Bestattung nicht jedoch als Grabbeigabe bezeugt und somit ausschließlich im Rahmen der „Totenpflege“ bzw. des „Totenkultes“ zu verorten. Diese Feststellung schließt nicht aus, dass dem Toten in Mari Grabbeigaben während der Bestattungszeremonie dargebracht wurden, was im Gegenteil anhand des archäologischen Befundes (siehe Kapitel 2.1) eindeutig belegt ist. Sie soll vielmehr darauf aufmerksam machen, dass das Konzept und der Begriff des kispu(m) nicht für die Bestattung selbst belegt sind und somit vermutlich ein in be­stimmten Ausprägungen abweichendes Ritual zu erwarten ist. Ähnlich argumentiert A. Jacquet, von dem an dieser Stelle einige Kriterien zur Definition des kispu(m) übernommen werden können: Eine gewisse Regel­ mäßigkeit der Darbringung der Speisen, d. h. min­ destens einmal im Monat; bestimm­te Vorfahren, deren Namen bekannt sind, werden während der Zeremonie angerufen und zu diesem Mahl geladen.999 An dieser Stelle ist anzumerken, dass in Mari 995 Tsukimoto 1985: 125; Mofidi Nasrabadi 1999: 65 f. Die Belegstellen der „imitativ-magischen Bestattungen“ sind AMT 90 Nr. 1, 1-10 (BAM Bd. 5 Nr. 449, II 1-10); BAM 234, 31-34; BBR 49 Rs. 1-27; CT 17 Nr. 6, 10-18; CT 17 Nr. 37c, Rs. 14 ff.; LKA 79, Vs. 1-33 (KAR 245, Vs. 1-22); LKA 80, Rs. 1-14; LKA 84 Vs. 10-29; LKA 90 Vs. 1-23; RA 65 Nr. 134, Rs. 1-27; TIM 5 Nr. 68. 996 Mofidi Nasrabadi 1999: 65; siehe auch Hauser 2012: 14; Hauser geht zudem davon aus, dass in neuassyrischer Zeit der Tote das kispu(m) beim Abschluss des Begräbnisses erhielt, führt allerdings keine schriftlichen Belege an, die diese Annahme stützen: „Ausdruck der Aufnahme der Toten im Jenseits bei den anderen Totengeistern ist der Abschluss der Beisetzungsrituale, bei dem nun auch der just Bestattete kispu(m) erhielt. […] Dies erhalten nur eindeutig mit dem Jenseits verbundene Gottheiten wie Ereškigal und die Annunaki sowie Familiengeister. Wenn diese Art des Opfers also denjenigen im Jenseits vorbehalten war, so ist das kispu(m) an Neubestattete das Indiz für eine erfolgreiche Überführung des Toten in seine neue Lebenswelt“ (a. a. O.). 997 Tsukimoto 1985: 125. 998 Mofidi Nasrabadi 1999: 65. 999 Jacquet 2012: 130, 134; A. Jacquet führt außerdem noch das Kriterium, dass Brot gebrochen und zwischen den Lebenden und den Toten geteilt werden musste, an. Dies ist allerdings aufgrund der in Kapitel 2.2.2.1.1 diskutierten Bedeutung des Begriffs kispu(m) abzulehnen.

kispu(m) allein für die LUGAL.MEŠ belegt ist, nicht jedoch für die malikū. Nach der in Kapitel 2.2.2.1.5.1 und 2.2.2.1.5.2 angeführten Definition der LUGAL.MEŠ und der malikū ist, passend zum Konzept A. Jacquets, kispu(m) allein für die individuell verehrten Ahnen des Königshauses belegt. Die in das Kollektiv der Ahnen eingetretenen Ahnen, die malikū, wurden nicht mehr namentlich angerufen und folglich nicht mehr im Rahmen des kispu(m), sondern nun im Rahmen eines anderen Rituals, das allerdings in den gleichen Kontext einzuordnen ist, mit Speisen versorgt. 2.2.2.2 Das pagrāʾum-Opfer für Dagān Der Begriff des pagrāʾum ist lediglich aus Ḫalab und Mari zur Zeit Zimrī-Lîms bekannt. Es scheint sich also bei diesem Kult um ein amurritisches Phänomen in Vorderasien zu handeln, sodass es nicht überrascht, dass das pagrāʾum fest mit dem syrischen Gott Dagān verbunden ist.1000 Die enge Verbindung von Dagān zum pagrāʾum ist anhand des für ihn belegten Titels bēl pagrāʾi „Herr des pagrāʾum“ eindeutig bezeugt.1001 Jedoch ist die oft angeführte Bedeutung des pagrāʾum als Totenopfer nicht nachweisbar. Diese wurde in vielen Fällen aus einer Gleichsetzung von pagrāʾum mit dem in Ugarit belegten pgr hergeleitet, wobei weder dieser Gleichsetzung zuzustimmen1002 noch das pgr in Ugarit sicher in den Bereich des Totenkultes einzuordnen ist (siehe Kapitel 4.2.4). Die Definition des in Ugarit belegten pgr als Totenopfer führte erstmals W. F. Albright an. Dieser begründet seine Interpretation mit der Bedeutung des Wortes „pagru, peger, which means ‘corpse’ in Accadian, Aramaic and Hebrew“1003 und der Tatsache, dass dieser Ausdruck auf zwei Stelen aus Ugarit (KTU 6.13 und 6.14) verschriftlicht wurde. Im Parallelismus mit dem Aqhatu-Epos, in dem nach einer häufigen Interpretation eine Stele im Rahmen des Ahnenkultes errichtet wird, setzt Albright auch die Stelen mit den Inschriften KTU 6.13 und 6.14 in diesen Kontext.1004 Es muss hierbei jedoch angemerkt werden, dass skn an sich lediglich Stele bedeutet und nur durch die Erweiterung ilib, was häufig als „gött­ licher Vater“ im Sinne des Ahn verstanden wird, in dem Aqhatu-Epos in den Totenkontext eingeordnet wird.1005 Allerding ist ein solches Verständnis dieser Passage im Aqhatu-Epos fraglich (siehe dazu Kapitel 4.2.3.1) und auch die Nennung der Weihung der Stelen per se rechtfertigt noch keine Deutung im Totenkult. Vielmehr werden die auf den Stelen aus Ugarit 1000 Jacquet 2007: 286 b. 1001 ARM X 63, 15 (Dossin 1978: 100-103). 1002 Lipiński 2012, 339. 1003 Albright 1946: 106. 1004 A. a. O.; vgl. auch Tsukimoto 1985: 71 f. 1005 Vgl. auch Tsukimoto 1985: 71 f.

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Die schriftlichen Quellen erwähnten pgr-Opfer inzwischen hauptsächlich im Vergleich mit dem in Mari erwähnten pagrāʾum als Totenopfer gedeutet,1006 sodass ins Bewusstsein gerufen werden muss, dass diese Deutung auf sehr wackligen Füßen steht und überdies die Gefahr eines Zirkelschlusses birgt. Um tatsächlich eine Aussage über den Charak­ter des pagrāʾum treffen zu können, müssen aus diesem Grund, weitere Quellen betrachtet werden, die möglicherweise eine Aussage zu dieser Frage erlauben. Für die weitere Deutung sollte jedoch zunächst die grundsätzliche Bedeutung des Be­griffes pagrāʾum erläutert werden. Die Etymologie des Wortes pagrāʾum führt dieses Wort zurück auf pagru(m), was so viel bedeutet wie „Körper, Rumpf, Torso oder auch Leiche bzw. Tierleiche“.1007 Die Tatsache, dass der Begriff pagrāʾum in mehreren Texten aus Mari das Wort niqû „Opfer“ näher definiert, zeigt, dass es sich of­fen­bar um eine bestimmte Opferart handelt.1008 Die Verbindung nīq pagrāʾi könnte zwar für sich genommen auch als Genitiv im Sinne von „das Opfer für den Leichnam“ verstanden werden, allerdings kann diese Deutung anhand des Briefes ARMT XXVI 25, den Zimrī-Lîm an Amud-pi-El schreibt, ausgeschlossen werden. ARMT XXVI 251009 38 a-na SÍSKUR-re paag-ra-i ša dda-gan

Zu dem „Opfer des toten Tieres“ für Dagān

39 ù SÍSKUR-re ša eš4tár qé-re-e-ta

und dem Opfer für Ištar bist du eingeladen.

Die eindeutige Wiedergabe als Genitivus objectivus durch das ša verdeutlicht, dass es sich bei diesem Opfer um die Darbringung eines toten Tieres, also ein Schlachtopfer,1010 in diesem Fall für Dagān, handelt, was das Verständnis als „Opfer für einen Leichnam“ ausschließt.1011 Dies untermauern ver1006 Wyatt 1980: 377; Pardee 2002: 123. 1007 Siehe CAD P: 11-17 s.  v. pagrāʾu mit Verweis auf pagru A mng. 3b-2´ („carcass“); AHw M-S: 809 s.  v. pagru(m) („Körper, Leib; Leiche“). Lipiński übersetzt pagrāʾum mit „ploughing“ (Lipiński 2012, v.  a. 336), was jedoch in Bezug auf die Verwendung in Mari aus Sicht der Autorin nicht zu überzeugen vermag (seiner Deutung hinsichtlich der Verwendung von pgr auf den Stelen mit den Inschriften KTU 6.13 und KTU 6.14 aus Ugarit wird in dieser Arbeit allerdings gefolgt [siehe Kapitel 4.2.4]). 1008 ARM XIV 12 Rs. 3 f., ARMT XXVI 25: 38, ARM II 90 Rs. 18, 22/ARMT XXVI 220: 18, 22 (vgl. CAD P: 11 s. v. pagrāʾu). 1009 Transliteration nach Durand 1988: 155. 1010 Vgl. auch Tsukimoto 1985: 72; Dietrich – Loretz 2005: 236; Jacquet 2007: 239, 286 c; 2011: 54. 1011 Van der Toorn 1996a: 162; anders Durand 1995: 283 f.; Jacquet 2007: 286; 2011: 54 f. Die Annahme, dass Dagan als bēl pagrê in Mari als „Empfänger der Totenopfer“ agiert hat (Niehr 2009: 342), ist nach der hier vertretenen Auffassung des pagrāʾum abzulehnen.

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schiedene Texte, in denen lediglich das „pagrāʾum für Dagān“ belegt ist.1012 A. Jacquet geht davon aus, dass hinsichtlich des pagrāʾum zwischen zwei Ausführungen unterschieden werden muss: dem Fest des pagrāʾum und den über das Jahr verteilten pagrum-Opfern. Das Fest des pagrāʾum, welches durch den Ausdruck inūma pagrāʾim bestimmt wird,1013 wurde einmal im Jahr, in der zweiten Hälfte des Monats Dagān (viii), kurz vor dem Fest der Ištar, gefeiert. Die Festaktivitäten wurden von verschiedenen Verwaltungsakten begleitet, während denen auch die Verwaltung, Zubereitung und Konservierung des „Fleisches des pagrāʾum“ erfolgte, das im Laufe des Jahres ausgegeben, aufgeteilt und geopfert werden musste. Dementsprechend unterscheiden auch die Verwaltungstexte aus Mari zwischen dem Fest des pagrāʾum, zu welchem bestimmte Verbündete oder Vasallen eingeladen wurden, und dem pagrumOpfer, das während des restlichen Jahres dargebracht wurde.1014 Die pagrum-Opfer sind für die Monate Malkānum (ii)1015, Dagān (viii)1016, Bēlet-biri (x)1017, Kiṣkiṣṣum (xi)1018 und Ebūrum (xii)1019 belegt.1020 Hinsichtlich der geladenen Gäste belegt ein Brief des Boten Šu-nuḫra-Ḫālū an seinen König ZimrīLîm, dass er und ein zweiter Bote, Zū-Ḫadnim, dem pagrāʾum im Palast von Ḫalab beiwohnten (siehe 1012 A.15, 51 (Durand 1988: 473 f.); A.2428 (siehe unten); A.2428: 3 (Durand 2002: 151 Nr. 45); ARMT XXVI 233: 51. Der Text ARMT XXI 76 hingegen nennt ungewöhnlicher Weise„1 UZU.GÌR ša GU4 ša pa-ag-ra-i a-na LÚ.MEŠ ḫa-na“, „1 Lauf eines Rindes des pagrāʾum für die Ḫanäer“ (Transliteration nach Durand 1983: 90 f.). Ob der Bezug zu den Ḫanäern sich ähnlich darstellt wie in dem Text M. 12803 (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.4) und somit die nomadischen Vorfahren anspricht oder ob es um die Ausgabe eines pagrāʾum-Opfers an die Ḫanäer geht, damit diese möglicherweise ein entsprechendes Fest feiern konnten, lässt sich dieser administrativen Liste nicht entnehmen. Aus diesem Grund wird dieser Beleg an dieser Stelle weder als Argument für noch gegen die Interpretation des pagrāʾum als Totenopfer angeführt. 1013 ARMT XXIII 561, M. 10634 und M. 18087 (Jacquet 2011: 52). 1014 Jacquet 2007: 239, 241; der Text ARMT XXIII 561 belegt die Ausgabe für Silber anlässlich des pagrāʾum. Die sonst fast konsequent belegte Ausgabe von Tieropfern für das pagrāʾum und die Bedeutung des Wortes pagrāʾum selbst legen nahe, dass diese Ausgabe von Silber für den Kauf eines Opfertieres gedacht war (vgl. Villard 1984: 533 e). Die weitere von P. Villard erwogene Möglichkeit, dass auch Silber bei der Zeremonie geopfert werden konnte, scheint aus den genannten Gründen unwahrscheinlich. 1015 ARMT XXI 62 (30-ii-ZL 9); die Datumsangaben zu den Texten bezüglich des pagrāʾum beruhen auf der Kolla­ tionierung von A. Jacquet (Jacquet 2007: 285 f.). 1016 ARMT XXI 70 (16-viii), ARMT XXI 147 ([ix]-ZL 4), M. 18087 (16?-viii). 1017 M. 18153. 1018 M. 10634 (5-xi-ZL 6). 1019 ARMT XXI 76 (30!-xii), M. 18014 (7-xii), M. 18075 (16!-xii-ZL 2). 1020 Durand 1988: 157; Jacquet 2007: 285 f.

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Mari

A.2428 unten); aber auch eine Einladung an Amudpi-El, den König von Qaṭna, wurde von Zimrī-Lîm ausgesprochen (siehe ARMT XXVI 25 oben). Letzteres Beispiel belegt zudem dass das pagrāʾum, auch wenn es nur für Ḫalab, Mari und Ugarit belegt ist, ebenso in anderen Teilen Syriens bekannt war. Zwar belegen die Texte nicht, dass sich das pagrāʾum als Totenopfer verstehen lässt, dennoch zeigt zumindest ein Text, dass in dessen Rahmen auch Handlungen des Totenkultes ausgeführt werden konnten. Es handelt sich hierbei um den bereits oben zitierten Text A.2428, in dem eine Totenklage für einen verstorbenen König in Zusammenhang mit dem pagrāʾum steht.10211022 1023 1024 A.24281021 3 [i-n]u-ma pa-ag-ri-a-im Anlässlich des pagrāʾum für Dagān, ša dda-gan 4 [d]ša-la-aš ù dḫé-ba-at i-na é-kál-lim

Šalaš und Ḫebat1022 im Palast;

5 [a]-na i-[d]i-ir-tim1023 ra-bi-tim ša su-mu-epu-uḫ wa-aš-ba-[nu]

für die große Klage des Sumu-Epuḫ1024 haben wir gesessen

6 ù ḫa-mu-ra-bi [N]Ì.GUB ma-ḫa-ar DINGIR.MEŠ iš-ku-un

und Ḫammurapi veranstaltete das Mahl vor den Göttern.

7 i-na NÌ.GUB ma-aḫ-rišu wa-aš-ba-nu

Bei dem Mahl haben wir vor ihm gesessen.

Es kann festgehalten werden, dass im Palast von Ḫalab die Klage für den verstorbenen König Sumuepuḫ in Zusammenhang mit dem pagrāʾum für die Götter veranstaltet wurde, welches in Form eines Mahls stattfand. Dass dieses vor den Göttern ausgeführt wurde, kann nur so verstanden werden, dass das Opfer vor den Statuen der Götter dargebracht 1021 Transliteration nach Durand 2002: 151; siehe auch ebenda für die vollständige Transliteration und Übersetzung des Textes. 1022 J.-M. Durand merkt an, dass es nicht weiter verwunderlich ist, dass Dagān und seine Gefährtin Šalaš in diesem Kontext genannt werden; die Nennung von Ḫebat hingegen ist ver­ wunderlich und birgt einen neuen Hinweis bezüglich ihrer Herkunft (Ebenda: 150). A. Jacquet betitelt diese als Tochter von Dagān und Šalaš (Jacquet 2007: 240). 1023 Die beiden Texte A. 414 (ARMT XXVI 11; Durand 1988: 107-109) und A.3920 (ARMT XXVI 281; Ebenda: 581 f.) belegen ebenso die Anwesenheit von Palastangestellten bei ähnlichen Klagefeiern, die sowohl als funeräre Klagefeier als auch als Gedenkfeier angelegt sein konnten (siehe Durand – Guichard 1997: 66); siehe auch Kapitel 2.2.1 mit A. Jacquets Interpretation zum (ḫ)idirtum. 1024 Aus dem Text geht nicht deutlich hervor, ob mit der Anrufung von Sumu-Epuḫ der Totengeist des verstorbenen Gründers der Dynastie beopfert wird (Durand 2002: 150) oder der Sohn des Yarīm-Līm, der entsprechend ein Namensvetter seines Großvaters gewesen wäre (Charpin 2008: 87).

wurde und diese Statuen entweder permanent im Palast aufgestellt waren oder möglicherweise für diese Zeremonie in den Palast gebracht wurden. Es stellt sich jedoch die Frage, wer genau mit „vor ihm“ in Zeile 7 gemeint ist. Da die Götter hier im Plural angesprochen werden, ist auszuschließen, dass die Statue des Gottes Dagān gemeint ist. Vorstellbar wäre jedoch, dass damit eine Statue des Sumu-Epuḫ gemeint ist, die folglich bei dieser Interpretation neben den Statuen der Götter gestanden hätte. Zu denken wäre diesbezüglich auch an den Text M. 12803, in dem ebenfalls Statuen des Gottes Šamaš und der Könige Sargon und Narām-Sîn zumindest im gleichen Gebäude aufgestellt gewesen sein dürften. Allerdings kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Pronominalsuffix – šu in der 7. Zeile auf den ausführenden König Ḫammurapi Bezug nimmt. Auch wenn mit diesem Text eine Ausführung des pagrāʾum im Rahmen einer Totenklage für einen König belegt ist, ist deshalb nicht anzunehmen, dass dadurch das pagrāʾum selbst als Totenopfer zu verstehen ist. Im Gegenteil wird auch in diesem Text das pagrāʾum eindeutig dem Gott Dagān zu­geschrieben.1025 Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass Dagān zwar oft als Unterweltsgott betrachtet wurde, sich dies aller­dings hauptsächlich durch die oben angeführten Texte begründet und die Belege somit nicht eindeutig sind.1026 Da die Zu­­ schrei­bung eines Unterweltscharakters von Dagān anhand der Textbelege kaum haltbar ist, begründet L. Feliu das Darbringen von Opfern für Dagān während der Rituale im Rahmen des Totenkultes mit seiner herausragenden Rolle im syrischen Pantheon, im innersyrischen Gebiet am mittleren Euphrat, und seinem Wesen als „Schöpfer-Vater-Gott“.1027 Entsprechend kann Dagān auch nicht als Vertreter der Toten betrachtet werden, der im Rahmen des pagrāʾum stellvertretend die Totenopfer empfängt. Ein Zusammenhang zwischen pagrāʾu(m) und kispu(m) ist in Mari ebenfalls nicht schriftlich belegt. Allerdings kann nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht angenommen werden, dass das kispu(m)Ritual mitunter im Dagān-Tempel in Terqa ausgeführt wurde (siehe Kapitel 2.2.2.1.8.5),1028 wobei auch dies in dem genannten Zusammenhang und in Anbetracht der Bedeutung Dagāns nicht weiter 1025 Anhand dieses Textes argumentiert L. Feliu für den „funerären“ Charakter des pagrāʾum (Feliu 2003: 71). An­ ders argumentieren u. a. J. F. Healey, K. van der Toorn und B. B. Schmidt, die in diesem pagrāʾum schlicht ein Opfer von toten Tieren für Dagān sehen, ohne diesem einen „speziell funerären“ Charakter zuzuschreiben (van der Toorn 1996a: 162 f.; Healey 1986: 29 f.; 1996: 68 f.; Schmidt 1994: 3638). 1026 Van der Toorn 1996a: 162; Feliu 2003: 305 f. 1027 Feliu 2003: 305 f. 1028 Auch in neuassyrischer Zeit belegen einige Texte, dass das kispu(m) in Assur im Dagān-Tempel ausgeführt wurde (Tsukimoto 1985: 72).

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Zusammenfassung zum Totenmahl in Mari verwundert. Ebenso konnte das kispu(m)-Ritual im Tempel von Šamaš ausgeführt werden,1029 ohne dass es mit den Opfern für Šamaš gleichzusetzen wäre. Abschließend ist festzuhalten, dass das pagrāʾum nicht als Totenopfer identifiziert werden kann, son­ dern dass es lediglich ein Schlachtopfer für den Gott Dagān darstellt. Dass dieser auch im Kontext des Totenkultes eine Rolle spielen konnte, liegt an seiner Bedeutung. Aus den angeführten Gründen sollte somit eine klare Differenzierung zwischen kispu(m) und pagrāʾu(m) vorgenommen werden, deren Form und Funktion klar voneinander getrennt werden können.1030 2.2.2.3 Der Kult der Göttin Dēritum Wie in Kapitel 2.2.2.1.8.6 argumentiert, ist A. Jacquet zu folgen und die Gräber der königlichen Familie von Mari wahrscheinlich in der Stadt Dēr zu lokalisieren. Eine derart enge Bindung zu der Stadt Dēr würde zugleich erklären, warum der Kult der Göttin Dēritum, „Die von Dēr“, für die Könige von großer Relevanz war. Dēritum war die große Göttin, die als Verteidigerin der königlichen Familie eine wichtige Rolle spielte und deren Fest regelmäßig im Monat Kiṣkissum gefeiert wird. Insgesamt ist dieses jährliche Fest in elf Jahren, in vier Jahren aus der Zeit Yasmaḫ-Addus und sieben Jahre aus der Zeit Zimrī-Lîms, textlich dokumentiert. Jaquet nimmt sogar an, dass der Kult der Dēritum bereits Ende des 3. Jt. v. Chr. von den Bensim’aliten in Mari eingeführt wurde, als diese in der Region des Mittleren Euphrats ankamen. Von da an wurde die Göttin so­wohl von den assyrischen Königen in Mari, als auch von den Königen der Līm-Dynastie verehrt, wobei der Kult sich offenbar über die Jahrzehnte und Jahrhunderte leicht veränderte. Während der Zeit der assyrischen Vorherrschaft fand die Ausübung des Kultes offenbar in der ersten Hälfte des Monats statt, während er zur Zeit Zimrī-Lîms in Mari und in Dēr offenbar schon zu Beginn des Monats vorbereitet wurde. Die Reise des Königs nach Dēr fand am 16. Tag des Monats statt und der Teil des Festes, an dem der König teilnahm, dauerte vier Tage bis zum 19. Tag des Kiṣkiṣṣum. Zum Zeitpunkt dieses Festes gibt es allerdings keinen Nachweis, dass auch den Verstorbenen im Rahmen einer Kultfeier Opfer dargebracht worden wären.1031 Im Vergleich mit Qaṭna vermutet A. Jacquet, „if one accessed the grave on a particular occasion, it was not during the kispum but in order to perform another great festival, rather annual, such as the festi1029 Siehe in Kapitel 2.2.2.1.2.4.1 den Kommentar zu É  gišGU. ZA.ḪI.A und Kapitel 2.2.2.1.8.1. 1030 So bereits Jacquet 2007: 243; 2011: 55; 2012: 130, Fn. 49. 1031 Jacquet 2012: 133; zu dem Fest der Dēritum siehe auch Jacquet 2008b: 421 f.

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val of Deritum, the defender of the Dynasty.“1032 Aufgrund dessen, dass die einfachen Gräber gar nicht und die Grüfte unter dem Palast der šakkanakku in Mari ausschließlich für weitere Bestattungen oder zur Entnahme von Grabbeigaben geöffnet worden zu sein scheinen (siehe Kapitel 2.1.1.1.5), ist aus Sicht der Autorin fraglich, ob bezüglich der in Dēr vermuteten Königsgräber eine wiederholte Öffnung zum Darbringen von Opfergaben erfolgte. Da diese bislang jedoch nicht entdeckt wurden, muss diese Frage vorerst offen bleiben.

2.3 Zusammenfassung zum Totenmahl in Mari Die Gegenüberstellung des archäologischen und philo­logischen Materials hat gezeigt, dass dieses in Mari kaum als diskrepant oder konkordant, sondern viel­mehr als komplementär, beschrieben werden kann. Die zahlreichen Belege ermöglichen es, einzelne Aspekte der verschiedenen Ausprägungen des Totenmahls detailliert nachzuvollziehen und einige Teilaspekte dieser Rituale in Zusammenhang zu setzen. Gleichzeitig bleiben jedoch auch in Mari bestimmte Aspekte unbeleuchtet, sodass die Einzelheiten des Ritualablaufs weiterhin unbekannt sind. Grundsätzlich sind in Mari drei Ausprägungen des Totenmahls nach dem hier gegebenen Verständnis (siehe Kapitel 1.1.1) zu unterscheiden. Dabei handelt es sich zum einen um die Versorgung des Verstorbenen am Grab während der Bestattung, zum anderen um die kurz nach der Beisetzung und später in regelmäßigen Abständen erfolgende Ausführung des kispu(m) für die verstorbenen Individuen (LUGAL.MEŠ) und schließlich um die Versorgung der im Kollektiv der Ahnen aufgegangenen Toten (malikū) mit Speisen. Die Darbringung von Speisen und Keramikgefäßen während der Bestattung ist in Mari allein anhand des archäologischen Befundes nachweisbar. Aus diesem lässt sich schließen, dass die Gefäße im Grab verschiedene Funktionen erfüllen konnten. Sie dienten hauptsächlich als Behältnisse für Speisebeigaben oder wurden dem Toten vermutlich als „Essgeschirr“ mitgegeben (siehe Kapitel 2.1.1.4.1). Allerdings lässt der archäologische Befund keine Schlüsse zu, dass auch nach der Bestattung noch Speisen ins Grab eingebracht worden wären. Ei­nen Hinweis auf spätere Öffnungen oder gar ein regelmäßiges Einbringen von Speisen in das Grab gibt es, wenn überhaupt, nur in einer Ausnahme. Berücksichtigt man die unterschiedlichen Funktionen, die die Keramikgefäße erfüllen konnten, existieren lediglich in 55 Gräbern aus allen Perioden (7,5 %) eindeutige Belege für Speisebeigaben. Zwar 1032 Jacquet 2012: 134.

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144

Mari

wurden in etwa 40 % der Gräber Keramikgefäße bei­ gegeben, allerdings können für diese in den meisten Fällen die Funktionen nicht eindeutig bestimmt werden (siehe Kapitel 2.1.1.4.1). Somit besteht durch­ aus die Möglichkeit, dass auch die Verstorbenen in den Gräbern mit nicht funktional bestimmbaren Keramikgefäßen zum Teil Speisebeigaben erhalten haben. Des Weiteren scheint es wahrscheinlich, dass auch in den Gräbern ohne Keramikgefäße Speise­ beigaben existierten, die nicht mehr nachzuweisen sind. Opfergaben wie etwa Brot, Kuchen und Öl, die in den kispu(m)-Listen zu den am häufigsten genann­ ten Speisen zählen, wären im archäologischen Be­fund nicht mehr zu identifizieren. Allerdings wäre es methodisch unzulässig, für all die Gräber, in denen keine Speisebeigaben anhand von Keramik­ gefäßen oder Tierknochen nachgewiesen werden konn­ten, anzunehmen, dass die Speisen lediglich in anderer Art und Weise eingebracht wurden. Mögliche Gründe dafür, dass einige der Gräber sehr wahrscheinlich ohne Speisebeigaben blieben, wurden in Kapitel 2.1.1.4.4 erläutert. Es konnte gezeigt werden, dass die Existenz der Speise- und Gefäßbeigaben nicht mit dem Wohlstand eines Verstorbenen bzw. seiner Angehörigen begründet werden kann. Zwar wurden in reicheren Gräbern tendenziell auch umfangreichere Gefäß- und Speisebeigaben, u. a. in Form von Fleischbeigaben, dokumentiert, allerdings gibt es ebenso Belege, bei denen reich ausgestattete Gräber keinerlei Hinweise auf Speisebeigaben enthielten. Umgekehrt konnten Gräber, die keinerlei Beigaben in Form von Prestigeobjekten und ähnlichem enthielten, durchaus mit Keramikgefäßen ausgestattet sein. Der Wohlstand der Stadt und damit der Gesellschaft, aber auch die kulturellen Hintergründe der Gesellschaft spiegeln sich vermutlich in dem Umfang und der Art der Grabbeigaben, wie etwa im Rückgang der Grabbeigaben nach der Zerstörung der Stadt durch Ḫammurapi, wider. Es ist zu vermuten, dass diese Faktoren auch bei den Speisebeigaben eine Rolle spielten. Möglicherweise wandelte sich zudem die Bedeutung dieser Beigaben, was sich daran ablesen lässt, dass es sich bei den Keramikgefäßen in den Gräbern zunehmend um „Essgeschirr“ gehandelt zu haben scheint, während in den frühen Perioden Speisen offenbar auch als Vorrat für die Verstorbenen ins Grab eingebracht wurden (siehe Kapitel 2.1.1.4.3). Der offenbar wichtigere Teil der Versorgung der Toten fand erst nach der Bestattung in Form des kispu(m) statt. Die in diesem Rahmen erfolgte regelmäßige Versorgung der Toten lässt sich in Mari ausschließlich anhand des Textmaterials belegen. Einige archäologische Belege können lediglich zur näheren Eingrenzung der Ausführungsorte des kispu(m) dienen. kispu(m) kann zum einen kurz nach dem Ableben von hochrangigen Personen (Königsmutter fAddu-dûrî und Prinz Yaḫdun-Lîm) und zum

anderen regelmäßig zweimal im Monat am Tag des Neu- und des Vollmondes nachgewiesen werden. Der Text M.  12803 legt nahe, dass kispu(m) sowohl für die königliche Familie, als auch für die einfache Bevölkerung ausgeübt wurde. Dabei sind diese Belege möglicherweise nochmals in dem Sin­ ne zeitlich zu differenzieren, dass das kispu(m)Ritual der einfachen Bevölkerung einen Tag nach dem kispu(m)-Ritual der Königsfamilie dargebracht worden sein könnte. In beiden Fällen handelt es sich bei den während der Zeremonie anwesenden Personen vorrangig um Familienmitglieder. Altbabylonische Texte aus Babylonien1033 und Elam1034 nennen hierbei explizit den Erben des Verstorbenen als Zuständigen für das kispu(m), im Sinne der Toten­pflege, des (verstorbenen) Vaters. Zum Ritualablauf ist zu sagen, dass während der Zeremonie das Libieren von Wasser (nāq mê) und die Anrufung des Namens des Verstorbenen (zakār šumi-šu) ausgeführt wurde. In Mari wurden im Rahmen des kispu(m) hauptsächlich Speisen, wie Brot, dargebracht, die im archäologischen Kontext nicht mehr nachweisbar sind. Entsprechend sind, abgesehen von Datteln und Schafsfleisch, keine Überschneidungen der archäo­logischen Belege für Speisebeigaben und den kispu(m)-Texten feststellbar. Dennoch ist, aufgrund der Bedeutung, die dem Brot im kispu(m)-Ritual zukommt, durchaus denkbar, dass hiervon auch bei der Bestattung reichlich dargebracht wurde. Nichts­ destoweniger sollte klar unterschieden werden zwischen Speisebeigaben, die während der Bestattung im Grab niedergelegt wurden, und dem nach der Bestattung stattfindenden kispu(m)-Ritual. Dies ergibt sich daraus, dass keiner der kispu(m)-Texte einen Hinweis darauf liefert, dass dieses bereits während der Bestattung dargebracht wurde. Vermutlich sind für das kispu(m)-Ritual der kö­nig­lichen Familie verschiedene Ausübungsorte anzu­nehmen. Dazu zählen der östliche Palast, der Šamaš-Tempel, Dēr und der Dagān-Tempel in Terqa. Die Texte, in denen die jeweiligen Orte genannt werden, zeigen, dass diese kispu(m)-Feiern vermutlich zusätzlich zu den regulären kispu(m)-Feiern durchgeführt wurden. Dies lassen neben den explizit ge­­ nannten Orten auch die ungewöhnlichen Daten, 1033 YOS 2, 20 = YBC 7062 (Ebeling 1943: 15 f.; Stol 1981: 14 f., 17 Nr. 20); TCL 1,7 = TD 7 (AO 4622) (Heidel 1946: 151 f.; Ungnad 1914: 72 f. Nr. 80); VS 16,5 = VAT 777 und VS 16,51 = VAT 1550 (Schroeder 1917: 3 Nr. 5, 21 Nr. 51; Frankena 1974: 6 f. Nr. 5, 34 Nr. 51); CT 48 Nr. 100 = BM 81336 (Finkelstein 1968: Pl. 44 Nr. 100); CUA 70 (Goetze 1957: 36-37 Nr. 27); BA 5: 511 Nr. 46 (Friedrich 1906: 511); BM 78564 (Nougayrol 1967: 222 f.); TLB 1, 92 (Edzard 1961: 69); CT 43, 106 = BM 17495 (Figulla 1963: Pl. 43 Nr. 106; Kraus 1964: 78 f. Nr. 106); MSL V ḪAR-r a = ḫubullu: 23 Z. 192-198; TIM 2, 88; vgl. Tsukimoto 1985: 39-56. 1034 MDP 23, 285 (Scheil 1932: 152-154).

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Zusammenfassung zum Totenmahl in Mari sowie ungewöhnliche und umfangreichere Speisen vermuten. Die Anlässe der außerplanmäßigen kis­ pu(m)-Feiern lassen sich allerdings nur in sehr wenigen Fällen, etwa nach dem Tod der Königsmutter f Addu-dûrî oder des Prinzen Yaḫdun-Lîm rekonstruieren. Für die an den regulären Tagen stattfindenden kispu(m)-Feiern wird kein Ort explizit genannt. Der archäologische Befund lässt es allerdings als sehr wahrscheinlich erscheinen, dass diese im Bereich des Annexraumes im Osten des Thronsaales des Königspalastes stattgefunden haben. Wahrscheinlich waren die Beterstatuen, die nach dem Tod des „Be­sitzers“ als Vertreter der jeweiligen Person Opfer­gaben erhalten konnten und vermutlich zum Teil in eben diesem Annexraum standen, in dieses Ritual mit eingebunden. Für die Ausführung von Handlungen im Rahmen des Totenkultes im Be­reich des Thronsaales sprechen auch die dort vorgefundenen Installationen. Eine weitere Form der Totenpflege mit etwas anderer Konnotation als die des kispu(m), dürfte

145

den Speisen für die malikū zugrunde liegen. Diese Speisen sind eventuell in Analogie zu Ugarit und Qaṭna als Speisen für die namentlich nicht mehr bekannten Toten, d. h. für das Kollektiv der Ahnen, zu verstehen. Die Speisen wurden einmal monatlich, gemeinsam mit dem kispu(m)-Opfer dargebracht, bestanden allerdings aus wesentlich weniger um­­ fang­­­reichen Speisen als die des kispu(m)-Opfers. So­wohl das kispu(m)-Opfer, als auch die Speisen für die malikū sind hauptsächlich als familiäre Rituale zu verstehen, konnten aber, insbesondere im Fall der Könige auch eine politische Konnotation erhalten. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das pagrāʾum, anders als häufig argumentiert, nicht als Totenopfer gewertet werden kann. Die Texte weisen dieses lediglich als ein Opfer für den Gott Dagān aus, der aufgrund seiner Bedeutung im syrischen Pantheon, auch im Rahmen eines Totenrituals mit dem pagrāʾum bedacht werden konnte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dieses Opfer als ein Totenopfer zu verstehen ist.

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3 Qaṭna

Während des französischen Mandats über Syrien führte der französische Adlige R. du Mesnil du Buisson in den Jahren 1924 und 1927 bis 1929 die ersten Ausgrabungen am Tall Mišrife durch.1035 In der Zeit danach entstand auf den Ruinen von Qaṭna ein mo­der­nes Dorf, dessen Bewohner jedoch zwischen 1980 und 1982 durch die syrische Antikendirektion umgesiedelt wurden. Dadurch ermöglichte man erneut eine archäologische Untersuchung des Ortes, die 1994 durch den syrischen Archäologen M. AlMaqdissi aufgenommen wurde. Seit 1999 werden die Ausgrabungsarbeiten in Qaṭna im Rahmen eines internationalen Kooperationsprojektes weiter­geführt. Dieses Kooperationsprojekt besteht aus dem syri­ schen Team unter der Leitung von M. Al-Maqdissi (syrische Antikendirektion), dem sy­risch-deutschen Team unter der Leitung von P. Pfälzner (Universität Tübingen) und dem syrisch-italienischen Team unter der Leitung von D. Morandi Bonacossi (Universität Udine).1036 Seit 2011 ruhen die Arbeiten in Mišrife aufgrund des anhaltenden Bürgerkrieges in Syrien. Die Arbeiten des syrischen Teams konzen­trieren sich auf mehrere Grabungsstellen im Bereich südlich des Königspalastes, der Südstadt sowie des West- und des Nordtores, das syrisch-italienische Team führt vor allem im östlichen Teil des Königs­ palastes, auf der zentralen Kuppe sowie im Bereich des nördlichen „Unterstadtpalastes“ Ausgrabungen durch und das syrisch-deutsche Team arbeitet im zentralen und westlichen Bereich des Königspa­ lastes (Abb. 35).1037 Die bemerkenswerte Entdeckung der Königsgruft unter dem nordöstlichen Zentralbereich des Palastes im Jahr 2002 durch das syrisch-deutsche Team führte zu zahlreichen interdisziplinäre Studien in Bezug auf den komplexen Befund der Gruft und brachte neue Erkenntnisse zu Bestattungspraktiken und Totenkult in königlichen Gräbern in Syrien im zweiten Jahrtausend v. Chr.1038 Die Entdeckung einer weiteren Gruft unter dem Königspalast, die sogenannte Gruft VII, im Jahr 2009 erlaubt eine Ergänzung und Modifizierung der Interpretationen zur Königsgruft und birgt die Möglichkeiten weitere Aspekte der Totenrituale in Qaṭna zu beleuchten. Da die Auswertung der Grabungsbefunde zum aktuellen Zeitpunkt 1035 Du Mesnil du Buisson 1935: 8-11; Al-Maqdissi 2009a. 1036 Pfälzner 2006-2008: 162. 1037 Ebenda: 163 Abb. 1. 1038 Siehe v. a. Al-Maqdissi et al. 2003; Pfälzner 2007; Pfälzner (Hrsg.) 2011; die abschließende Publikation der Königs­ gruft (Pfälzner – Schmidt – Dohmann im Druck) befindet sich zur Zeit im Druck.

allerdings noch nicht final abgeschlossen ist, können in dieser Arbeit nur vorläufige Ergebnisse berücksichtigt werden.1039 Neben diesen komplexen und zum Zeitpunkt der Entdeckung ungestörten Grabbefunden, wurden in Qaṭna fünf weitere, zum Teil geplünderte Felsgrüfte und mehrere Einzelgräber freigelegt, die ebenso für die vorliegende Studie von Interesse sind. Zudem erfordern die in der Vorkammer zur Königsgruft aufgestellten Ahnenbildnisse eine nähere Betrachtung, die eine Ausweitung der Untersuchung auf ähnliche Statuen aus Qaṭna nach sich zieht. Anschließend an den archäologischen Befund werden einige der schriftlichen Quellen aus Qaṭna, die sogenannten Qaṭnainventare, hinsichtlich ihrer Relevanz für den Totenkult diskutiert.

3.1 Der archäologische Befund Im Folgenden wird zunächst der archäologische Befund detailliert untersucht, um mögliche Rück­ schlüs­se auf die Ausübung des Totenmahls in Qaṭna ziehen zu können. Dabei werden nicht nur die Befunde, die direkt Aufschluss über das Darbringen und Verzehren von Speisen geben können, betrach­ tet, sondern auch solche Hinweise berücksichtigt, die auf eine Veränderung der Totenbräuche in Qaṭna hinweisen. Als erstes werden die Gräber und Grüfte, die das umfangreichste Material zu dem behandelten Thema bieten, eingehend untersucht. Im Anschluss werden die Rundplastiken aus Qaṭna thematisiert, die neben den Ahnenstatuen aus der Vorkammer zur Königsgruft möglicherweise im Rahmen des Totenkultes eine Rolle spielten (zur Verteilung siehe Abb. 35). 3.1.1 Die Gräber und Grüfte1040 Anders als in Mari (siehe Kapitel 2.1.1) wurde in Qaṭna eine wesentlich geringere Anzahl an Einzelgräbern freigelegt, die zudem zu großen Teilen noch 1039 Vorläufige Ergebnisse wurden bereits publiziert in Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2010; 2011; Pfälzner 2012b. Die anthropologischen Daten werden von S. Degenhardt im Rahmen ihrer Dissertation bearbeitet; eine Aufarbeitung des archäologischen Materials erfolgt durch G. Baccelli, H. Dohmann und S. Lange-Weber. 1040 Da zu verschiedenen Zeiten von unterschiedlichen Ausgräbern in verschiedenen Grabungsstellen gegraben wurde und die freigelegten Gräber jeweils nur projektintern nummeriert wurden, kommt es bei den Nummerierungen zu Dopplungen. Aus diesem Grund wurde den jeweiligen

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Qaṭna

O 1 Gruft VII

Gruft V 1

2

T

3

4 2

6

Einfache Gräber 1 - 19 Gräber (FBZ IV - MBZ I) 2 - 6 Gräber (MBZ IIA) 3 - 30 Gräber (MBZ IIB - SBZ I)

4 - 3 Gräber (MBZ II) 5 - 2 Gräber (MBZ?) 6 - 14 Gräber (MBZ II), bislang unpubliziert

5

3

Statuen(fragmente) 1 - 2 Ahnenstatuen aus der Vorkammer der Königsgruft 2 - Fragment einer königlichen Statue 3 - männliche Sitzstatue

Abb. 35: Übersichtsplan über die einzelnen Grabungsbereiche am Tall Mišrife einschließlich der Verteilung aller Gräber und Grüfte, sowie der Statuenfunde aus Qaṭna (Pfälzner 2006 – 2008: Abb. 1; modifiziert durch Autorin nach Morandi Bonacossi et al. 2009: Fig. 1).

unpubliziert sind. Entsprechend ist eine statistische Aufstellung dieser einfachen Gräber nur bedingt aussagekräftig (siehe Tab. 30 bis 33. Die für die Zeit gute Dokumentation der von R. du Mesnil du Buisson entdeckten Grüfte, sowie vor allem die in der jüngsten Zeit zur Königsgruft und der Gruft VII durchgeführten interdisziplinären Studien erlauben jedoch eine sehr detaillierte Betrachtung dieser komplexen Befunde, sodass eine Zusammenführung der unterschiedlichen Studien sehr interessante Rückschlüsse zulässt. Auch die Einzelgräber aus Qaṭna wurden größtenteils in den jüngeren Ausgrabungen freigelegt, sodass auch zu diesen, sofern bereits pu­bli­ziert, meist mehr Informationen vorliegen als zu den Gräbern aus Mari. Inwiefern R. du Mesnil du Buisson alle freigelegten Gräber publiziert hat, ist unklar.1041 Insgesamt wurden in Qaṭna sieben Felsgrüfte freigelegt. Darunter datiert Gruft   IV in die Frühe Grabnummern die römische Ziffer oder der Großbuchstabe der jeweiligen Grabungsstelle voran gestellt (vgl. Abb. 35). Die Gräber I-1 bis I-3 erhielten ursprünglich von R. du Mesnil du Buisson keine Grabnummer, sodass diese in der vorliegenden Arbeit erstmals nummeriert wurden. 1041 Vgl. auch die Anmerkung bei Morandi Bonacossi 2011: 27.

Bronzezeit und stellt somit den ältesten bislang in Qaṭna freigelegten Grabbefund dar (siehe Kapitel 3.1.1.2.1; vgl. zur chronologischen Einordnung der Gräber und Grüfte Tab. 29). Die Grüfte I bis III und V sowie sechs Gefäßbestattungen und vermutlich 13 Erdgräber, verteilen sich entlang der nördlichen Abbruchkante eines etwas östlich des Zentrums von Qaṭna gelegenen Felsplateaus und wurden durch die Errichtung des Königspalastes in der Mittleren Bronzezeit II A überbaut (siehe Kapitel 3.1.1.1.1, 3.1.1.1.2 und 3.1.1.2 sowie Abb. 36).1042 Des Weiteren wurden unter dem Fußboden des Ostpalastes sechs Gefäßbestattungen entdeckt, die, gemäß der Errichtung des Gebäudes, in die Mittlere Bronzezeit II A oder früher datieren (siehe Kapitel 3.1.1.1.3.1). Etwa 30 Bestattungen wurden nach der Aufgabe des Ostpalastes, am Ende der Mittleren Bronzezeit II B (oder auch in der frühen Späten Bronzezeit I), im Grabungsbereich T angelegt (siehe Kapitel 3.1.1.1.3.2). Neben diesen Gräbern wurden drei 1042 Weitere Gräber der jüngsten Ausgrabungen des syrischen Teams, die unter dem südlichen Teil des Saales A freigelegt wurden, sind bislang nicht abschließend publiziert (Al-Maqdissi 2008: 6 f.; siehe auch Morandi Bonacossi 2011: 27, Fn. 70).

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Kinderbestattungen

Nutzungs­ phase

Überbaut durch Palast

Gruft I

Nutzungs­ phase

Überbaut durch Palast

Nutzungs­ phase

Überbaut durch Palast

Nutzungs­ phase

Gruft II Gruft III Gruft IV

Felsgrüfte

Nutzungs­ phase

Gruft V

Ausfüh­ rungs­plan Urplan

G 9b

Modifi­ kation/ Erneue­­rung

Nutzungs­ inventar/ Zerstö­rung des Palastes

Nutzung

G 9a

G 8a – c

G 7b­– c

Palastphase

I

II

III

IV

Zu­ stand

3. Lehm­fläche

Nutzungsinventar

Aktivi­tät

G-VK 9a

G-VK 8

G-VK 7–8

Erbauung Vor­kammer

Benutzung des Felsbodens

Auffül­lungs­ lage (Weiter­ benut­zung)

1. Lehm­fläche; G-VK 7c Aufstellen der Basalt­statuen

G-VK 7b 2. Lehm­fläche

G-VK 7a

Raumphase

Vorkammer

I

II

III

IV

V

Zu­ stand

Königspalast

Ablegen der Steinplatten

Nutzungs­ inventar

Aktivi­tät

G-KG 9a

G-KG 8b

G-KG 7c – 8a

G-KG 7b

Anlage der Grab­kammern

Ältere Begehungs­ fläche aus Kalkmergel

Pla­nie­rungs­ schicht

Einzug Steinmauer

G-KG 7a3 Lehmfußboden

G-KG 7a2

G-KG 7a1

Raum­ phase

Königsgruft

Nut­ zungs­ phase

Aktivität

Gruft VII

Tab. 29: Überblick über die chronologische Verteilung der Gräber und Grüfte in Qaṭna (nach Pfälzner 2019d: Tab. 1; im Druck b: Tab. 179; vgl auch Pfälzner 2019b: 133-135 und Pfälzner 2019a: 96-125 für eine detaillierte Erörterung der Palastphasen; modifiziert durch Autorin).

Existenz Ost­ Anlage palast u. Nutzung der „pre- Gräber Eastern Palace“Gräber

„postÜber­ Eastern baut Palace“durch Gräber Königspalast

Königs­ Ost- Bereich Coupole J de Loth palast palast

Anlage u. Nutzung FBZ III der – IV B Gräber (2500 – 2000)

MBZ I (2000 – 1800)

MBZ II A (1800 – 1700)

MBZ II B (1700 – 1600)

SBZ I (1600 – 1400)

SBZ II A (1400 – 1340)

Datie­ rung

Einfache Gräber

Der archäologische Befund

149

150

Qaṭna

weitere Gefäßbestattungen im Bereich einer aufge­ ge­benen Keramikwerkstatt (Grabungsbe­reich  J) und mindestens drei Bestattungen im Be­reich der „Coupole de Loth“ freigelegt (siehe Kapitel 3.1.1.1.4). 3.1.1.1 Die einfachen Gräber In verschiedenen Bereichen des Stadtgebietes von Qaṭna konnten einfache Erdgräber und Gefäßbestattungen freigelegt werden, die zwischen die Frühe Bronzezeit IV und die Späte Bronzezeit II A datieren. Diese wurden hauptsächlich unter dem Königspalast und im Bereich des Ostpalastes entdeckt. Vereinzelt wurden auch welche auf der Kuppel des Tells und im Bereich der „Coupole de Loth“ von R. du Mesnil du Buisson ausgegraben. Das syrisch-italienische Team hat zudem fünf spätbronzezeitliche Bestattungen in einer Zisterne im Grabungsbereich H freigelegt. Außerdem wurden die Knochen von 14 Bestattungen aus einem Brunnen im syrischen Grabungsbe­reich D paläopathologisch untersucht.1043 Zu letzteren wurden jedoch bislang keine Befunde publiziert, sodass diese nicht in die folgenden Untersuchungen mit einbezogen werden können. Im Folgenden werden die einfachen Gräber der verschiedenen Bereiche und Perioden in Hinblick auf Gefäß- und Speisebeigaben detailliert disku­ tiert. Eine Zusammenführung und Interpretation der Befunde erfolgt anschließend an die Beschreibung aller Befunde. 3.1.1.1.1 Drei Gefäßbestattungen im Bereich des späteren Königspalastes (FBZ IV) Folgt man der Datierung D. Morandi Bonacossis, so wurden drei Gefäßbestattungen (I-1 bis I-3) in unmittelbarer Nähe zueinander unter dem Königs­palast in der Frühen Bronzezeit IV angelegt.1044 Es handelt sich um die Bestattung von drei Kleinkindern – ein ca. zwei Jahre altes Kind und zwei Kleinkinder nicht älter als zwei Monate – in drei Bestattungsgefäßen. Zwei der Gefäße waren wahrscheinlich in Form einer Doppeltopfbestattung aneinander ge­scho­ben worden, das dritte Gefäß stand aufrecht daneben. Beigaben sind für diese Bestattungen nicht er­­ wähnt.1045 Die Gefäßbestattungen waren im Bereich der Halle C vermutlich unter dem Fußboden eines frühbronzezeitlichen Wohnhauses eingetieft worden (Abb. 36).1046 Ähnliche Bestattungen von Neugeborenen oder Kindern wurden von dem syrischen 1043 Canci – Bartoli 2007; siehe auch Kapitel 3.3.6. 1044 Morandi Bonacossi 2007: 225, Fn. 11; 2011: 27. 1045 Du Mesnil du Buisson 1930: 149-151, Abb. 1-2, Pl. XXIX: 2, XXXII: 2. Spalte von links; 1935: 73. 1046 Morandi Bonacossi 2011: 27.

Grabungsteam unter weiteren frühbronzezeitlichen Wohnhäusern im südlichen Teil des Saales A entdeckt.1047 3.1.1.1.2 Die Gräber im Bereich des späteren Königs­palastes (MBZ I) Die nördliche Abbruchkante des Felsplateaus stellt die natürliche Begrenzung des Friedhofs der späten Frühen Bronzezeit IV  B bzw. frühen Mittleren Bronzezeit I dar.1048 Dieser setzte sich zusammen aus aufwändig gestalteten Schachtgräbern die sich entlang der Abbruchkante erstreckten sowie einfachen Erdgräbern und Gefäßbestattungen, die im südlichen Teil des Friedhofs freigelegt wurden.1049 Dieser Friedhof wurde durch den Königspalast überbaut und durch dessen Fundamente stark gestört.1050 Bei den Ausgrabungsarbeiten R. du Mesnil du Buissons in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts1051 und den jüngsten Ausgrabungen des syrisch-deutschen und des syrisch-italienischen Teams konnten Erdgräber und Gefäßbestattungen unter den Räumen CB, CC, F, FI, N und O, sowie unter den Sälen A und B und unter der Halle C des Palastes freigelegt werden.1052 1047 Morandi Bonacossi 2007: 225, Fn. 22 mit Berufung auf eine persönliche Kommunikation mit M. Al-Maqdissi; Morandi Bonacossi 2011: 27; mit Verweis auf Al-Maqdissi 2008: 11 und besagte Kommunikation. 1048 Die Datierung des Friedhofs beruht auf der Beobachtung, dass dieser über einer Siedlung der Frühen Bronzezeit IV angelegt und über längere Zeit genutzt wurde, wie die fünf aufeinander folgenden Phasen in denen bis zu drei Gräber einander überlagerten, belegen. Die Nutzung des Friedhofs endet, als dieser durch den Königspalast überbaut wird (Morandi Bonacossi 2008: 363, siehe auch Tab. 29). Wenn man, anders als D. Morandi Bonacossi, der Datierung der Tübinger Archäologen folgt, ist die Errichtung des Palastes an den Beginn der Mittleren Bronzezeit IIA (Phase G 9b) zu setzen, sodass der Friedhof nur bis zum Ende der Mittleren Bronzezeit I (im Grabungsbereich G entspricht dies Phase G 10) in Benutzung gewesen sein kann (vgl. auch Pfälzner 2019a: 113 f., Tab. 19). 1049 Für eine ungefähre Begrenzung des mindestens 140 x 70 Meter großen Bereiches des Friedhofs siehe Morandi Bonacossi 2011: 11, 12 Fig. 2, 26. 1050 Ebenda: 11. 1051 Du Mesnil du Buisson 1928a: 8; 1930: 151 f.; 1935: 73, Pl. XVI (Gefäßbestattungen wurden fälschlicherweise als Gründungsdepots interpretiert und mit einem „L“ markiert). 1052 Die größte Konzentration an Gräber befand sich unter dem nordöstlichen Teil des Palastes, unter den Räumen CB, CC und FI (Morandi Bonacossi 2007: 224 f.; 2011: 11-14; D. Morandi Bonacossi nennt außerdem noch den Raum FJ, allerdings wurden unter diesem lediglich zwei Keramikgefäße gefunden, die D. Morandi Bonacossi als Grabbeigaben interpretiert (siehe Fn. 1059). Die vereinzelten Gräber unter den übrigen Räumen wurden publiziert in R. du Mesnil du Buisson 1928a: 8; 1930: 151 f. (I-1 unter Halle C und I-2 unter Raum F); Novák – Pfälzner 2002a: 212 f. (I-3 unter Saal B und G-13 unter Raum N); Novák – Pfälzner 2001: 176, 192 f. Abb. 23; 2002a: 212 f.; Canci 2003: 201 (G-34 unter Raum O); eine abschließende Publikation der Gräber

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151

Der archäologische Befund KÖNIGSPALAST VON QATNA Rekonstruierter Plan der Nutzungsphase G 7 Lehmziegelmauer Felshang/Falaise Säulenbasen Orthostaten Basalttreppe rekonstruierte Türdurchgänge Stampflehmunterbau rekonstruierter Stampflehmunterbau Anbau - SBZ I Erdgrubengrab Gefäßbestattung

VK 10

5

0

GRUFT V

N

20m

10 m

Entwurf: D. Morandi Bonacossi, M. Novák, P. Pfälzner, A. Savioli, J. Schmid Umsetzung: A. Bianchi, G. Elsen-Novák, R. Beutelschieß, J. Verdonkschot

Gruft I

BASTION 2

EN

GC

GB

DE

O

DA

DK

U

I-5

BV

BH

AF

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SAAL A

13

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SAAL B

HALLE C I-4

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STAMPFLEHMUNTERBAU BG

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Gruft III

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22

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24

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21 25 18

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16 17 19 26 23

44 34

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Gruft VII

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41

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BASTION 1

Gruft II

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I-1 bis I-3

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GRUFT IV 5

0

10

10 m

20m

N

Abb. 36: Verteilungskarte der einfachen Gräber und Grüfte im Bereich des Königspalastes (© Qaṭna-Projekt der Universität Tübingen; modifiziert durch Autorin nach Morandi Bonacossi 2011: Fig. 3).

Die Erdgräber, bei denen zum Teil noch eine Lehm­ ziegeleinfassung erhalten war, verteilen sich wie folgt in dem späteren Palastareal: Unter Raum CC konnten acht Erdgräber (H-17 bis H-19, H-21 und H-23 bis H-26)1053 und unter den Räumen CB (H-22), FI (H-16)1054 und O (G-34)1055 jeweils ein Erdgrubengrab freigelegt werden. Die in der Tab. III im Anhang zusammengestellten Informationen bezüglich der Speise- und Gefäßbeigaben in den Erdgräbern, u.  a. in Bezug auf das Alter und Geschlecht der Verstorbenen, können folund Grüfte unter dem Königspalast im Grabungsbereich G – abgesehen von der Königsgruft und der sogenannten Gruft  VII – erfolgt in Lange-Weber im Druck; vgl. auch Tab. III im Anhang. 1053 Grabnummern in der italienischen Grabungsdokumentation: G 17-19, 21, 23-26 (Morandi Bonacossi 2007: 224 f.; 2011: 13 Fig. 3, 16-25); vgl. auch Tab. III im Anhang. 1054 Grabnummern in der italienischen Grabungsdokumentation: 16 (unter Raum FI), 22 (unter Raum CB) (Morandi Bonacossi 2007: 224 f.; 2011: 13 Fig. 3, 14-16, 20); vgl. auch Tab. III im Anhang. 1055 Grabnummer in der deutschen Grabungsdokumentation: 34 (Novák – Pfälzner 2001: 176, 192 f.; 2002a: 212 f.; Canci 2003: 201); Lange-Weber im Druck; vgl. auch Tab. III im Anhang.

gendermaßen zusammengefasst werden. In den elf Gräbern waren fünf Männer1056 und zwei Frauen1057 bestattet. Neben diesen sieben erwachsenen Individuen sind ein Kind im Alter von etwa zehn Jahren (H-23), zwei Kleinkinder im Alter von bis zu ca. einem Jahr (H-18 und H-19) und ein Neugeborenes zu verzeichnen (H-22). Von den sieben Erwachsenen waren dreien unterschiedlich viele Gefäße mitgegeben worden. Im Grab einer ca. 18 Jahre alten Frau (G-34) wurden ein Becher und ein kleines Töpf­chen gefunden, einem männlichen Erwachsenen von etwa 25 Jahren (H-16) wurden zwei Schalen sowie eine kleine Flasche mitgegeben. Einer weiteren erwachsenen Person (H-24) wurde eine Schale mit ins Grab gelegt. Bei der männlichen Bestattung mit drei Gefäßen befanden sich in der Nähe einer der Schalen außerdem Knochen von Ovicapriden, die die Überreste von Speisebeigaben darstellen könnten. Bei 1056 Drei Männer zwischen 25 und 35 Jahren (H-16, H-17 und H-21), ein 25 bis 35 Jahre altes Individuum ist mit wahrscheinlich männlich angegeben (H-23), bei einem männlichen Individuum war das Alter nicht mehr bestimmbar (H25); vgl. auch Tab. III im Anhang. 1057 Eine Frau im Alter von ca. 18 Jahren (G-34), eine zwischen 35 und 45 Jahren (H-26); vgl. auch Tab. III im Anhang.

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Qaṭna

Abb. 37: Das Erd­gruben­grab G-34 mit zwei im Kopfbe­ reich plat­­zierten Keramik­ge­ fä­ßen (© Qaṭ­­na-Projekt der Uni­ver­­sität Tübingen).

den anderen vier bestatteten Erwachsenen wurden keine Beigaben im Grab gefunden. Ebenso konnten weder für das zehnjährige Kind, noch für das Neugeborene Keramikgefäße als Grabbeigaben dokumentiert werden. Jedoch erhielten die beiden ca. ein Jahr alten Kinder je­weils Grabbeigaben in Form von Keramikgefäßen. Beide Kleinkinder erhielten eine kleine Schale, bei einem der beiden (H-18) konnte zudem eine kleine Flasche als Grabbeigabe verzeichnet werden. Im oberen Teil der Verfüllung der Grabgrube des Neugeborenen wurden ver­ einzelte Tierknochenfragmente gefunden. Ob diese dort intentionell während der Auffüllung des Grabes abgelegt wurden oder schlicht mit dem Auffüllmaterial für die Grube vermischt waren, lässt sich nicht mehr feststellen. Allerdings wäre davon auszugehen, dass man Speisebeigaben, die dem Kind hätten mitgegeben werden sollen, auch unmittelbar neben dem verstorbenen Kind platziert worden wären. Bei drei Gräbern (G-34 [Abb. 37], H-16 und H-24) wurde die Lage der Keramikgefäße publiziert. Diese befanden sich jeweils im Bereich des Kopfes.1058 Soweit zu den Gräbern mit Gefäßbeigaben Abbildungen publiziert wurden, ist erkenn­bar, dass die Gefäße jeweils aufrecht standen und somit zumindest theoretisch mit Speisen gefüllt gewesen sein könnten (vgl. auch die Überlegungen zu den in den Mari-Gräbern platzierten Keramikgefäßen in Kapi­tel 2.1.1.4.1.1 und 2.1.1.4.1.2). Abgesehen von diesen elf Bestattungen, die un­ter dem Palastbereich freigelegt werden konnten, wei­ sen die Befunde darauf hin, dass sich auch unter dem Saal A ehemals Gräber befanden.1059 Allerdings 1058 Vgl. die Tab. III im Anhang mit den jeweiligen Literaturangaben. 1059 Morandi Bonacossi 2011: 26. In dem nordöstlichen Bereich des Raumes FJ fand das italienische Grabungsteam

wur­den diese offenbar durch die Fundamentgrube der westlichen Mauer von Saal A zerstört, sodass ledig­lich die Schädel und einige Knochenfragmente zurück­blieben.1060 Schließlich kann festgehalten werden, dass die Erd­gräber aus dem Bereich des Königspalastes so­­ wohl ohne als auch mit Grabbeigaben aufgefunden wurden, wobei Keramikgefäße und andere Beigaben sowohl gemeinsam als auch getrennt voneinander vorkamen (siehe Tab. 33). Entsprechend war die Mitgabe von Keramikgefäßen nicht davon abhängig, ob auch andere Beigaben in das Grab eingebracht wurden. Auch ein Zusammenhang zwischen der An­zahl der Keramikgefäße und weiterer Beigaben kann nicht festgestellt werden. So erhielt die Bestattung mit drei Keramikgefäßen beispielsweise keine weiteren Beigaben (H-16), während eine Bestattung mit einer Keramikschale zusätzlich eine Bronzenadel enthielt (H-24). Die Gefäßbestattungen, die in dem späteren Pa­­ last­­areal dokumentiert werden konnten, wurden zudem eine fragmentierte Knickwandschale und eine weitere flache Schale in einer eisenzeitlichen Grube, von denen D. Morandi Bonacossi vermutet, dass es sich um ehemalige Grabbeigaben handelt. Diese datieren zwischen die Mittlere Bronzezeit I A und Mittlere Bronzezeit I B-II A (Morandi Bonacossi 2011: 25 f.). Die Interpretation als Grabbeigaben und die damit einhergehende Rekonstruktion eines Grabes basieren auf D. Morandi Bonacossis Annahme, dass den Verstorbenen jeweils ein bestimmtes Keramikset mitgegeben wurde. Nach den bislang publizierten Gräbern kann ein solches Set allerdings nicht nachgewiesen werden (siehe Fn.  1064), sodass an dieser Stelle auch die Interpretation der beiden Gefäße als Grabbeigaben in Frage gestellt werden muss. Zudem wurden keinerlei menschliche Knochen in dieser Grube dokumentiert, weshalb dieser Befund in der vorliegenden Arbeit nicht als Grab angesprochen wird. 1060 Morandi Bonacossi 2011: 25 f.; aufgrund ihrer Zerstörung können diese Gräber nicht mit in die Untersuchung aufgenommen werden.

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Der archäologische Befund unter Saal B und Halle C, sowie unter den Räumen F, N und O freigelegt. Im Einzelnen handelt es sich um eine Gefäßbestattung eines maximal sechs Monate alten Kleinkindes unter Saal B (G-13), zwei Gefäßbestattungen mit Neugeborenen, von denen je eine unter Halle C (I-4) und unter Raum O (G-44) entdeckt wurde, eine weitere Gefäßbe­stattung unter Raum N (G-41) mit einem eineinhalb bis zwei Jahre alten Kleinkind sowie ein Kleinkind unbe­stimmten Alters in einer Gefäßbestattung unter Raum F (I-5). Lediglich die Bestattung des Kleinkindes im Alter von eineinhalb bis zwei Jahren, die sich unter Raum N befand, enthielt neben dem Kinderskelett ein Fragment eines Rinderunter­kiefers. Die vier Gefäßbe­stat­ tungen mit den Neugeborenen, dem sechs Monate alten Säugling und dem Kind unbestimmten Alters unter Saal B, Halle C sowie unter Raum F enthielten keine Grabbeigaben.1061 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die einfachen Erdgräber im Bereich des Königspa­ lastes vor allem von Erwachsenen belegt waren. Allerdings wurden auch ein zehnjähriges Kind, sowie zwei Kleinkinder von maximal einem Jahr und ein Neugeborenes in Erdgräbern in diesem Be­reich bestattet. In den fünf Gefäßbestattungen waren so­wohl zwei Neugeborene, als auch Kleinkinder von maximal zwei Jahren bestattet.1062 In fünf von elf Erdgräbern konnten Grabbeigaben in Form von Keramikgefäßen und in einem Fall auch von Tierknochen dokumentiert werden, dabei handelt es sich in drei der fünf Fälle um Erwachsene, in zwei Fällen wurden die Grabbeigaben Kleinkindern mitgegeben. Bei einer von fünf Gefäßbestattungen wurde ein Tierknochen dokumentiert, dessen Interpretation als Überrest von Speisebeigaben jedoch fraglich ist. Somit wurden Grabbeigaben für weniger als die Hälfte der 16 Bestattungen insgesamt und ebenso für weniger als die Hälfte der sieben erwach1061 Vgl. Tab. III im Anhang. 1062 Diese Feststellung widerspricht der Zusammenfassung D. Morandi Bonacossis, der zu folgendem Ergebnis kommt, „Infants (from circa several months to one year of age) were interred in simple grave cuts of roughly circular shape. […] Newborns and fully-developed foetuses were buried in large pottery vessels, generally cooking pots, without grave goods or personal ornaments, in accordance with a welldocumented custom regarding extremely young babies who were not accorded a well-defined social status. […] it may be observed that, in the north-central part of the cemetery, adults and infants at least a moth or two old were buried in simple grave cuts and accompanied by few grave goods […].“ (Morandi Bonacossi 2011: 33). Gerade bezüglich der letzten Aussage ist darauf hinzuweisen, dass D. Morandi Bonacossi in seinem Beitrag bei dem Erdgrubengrab 22 (H22) von einem „newborn or fully grown foetus“ (Ebenda: 20) spricht und somit seine Angabe von mindestens einem oder zwei Monaten in der Zusammenfassung wiederlegt. Ein Muster, wie D. Morandi Bonacossi es in seiner Zusammenfassung präsentiert ist bei den Gräbern des Friedhofs im Bereich des Königspalastes nicht festzustellen.

153

senen Bestatteten verzeichnet. In Gräbern, in denen Neugeborene bzw. Säuglinge bis zu sechs Monaten bestattet wurden (drei Gefäßbestattungen und ein Erdgrubengrab), konnten in keinem Fall Keramikgefäße oder Tierknochen verzeichnet werden. Bei den ins Grab mitgegebenen Keramikgefä­ ßen handelt es sich in zwei von fünf Fällen um ein einzelnes Keramikgefäß (eine Knickwandschale [H-24] und eine bikonische Schale [H-19]), in zwei Fällen um zwei Keramikgefäße (ein Knickwandbecher und ein kleines Töpfchen in dem Lehm­ ziegelgrab G-34, eine Knickwandschale und eine kleine Flasche in dem Erdgrubengrab H-18) und in einem Fall handelt es sich um drei Keramikgefäße (zwei Knickwandschalen und eine kleine Flasche in H-16).1063 Diese Feststellung wider­spricht der Aussage D. Morandi Bonacossis, dass die Grabbeigaben „usually consisted of a sort of tableware set made up of two or three pottery vessels, generally a plate or shallow open bowl, a high carenated bowl and a small flask, or at times only bowl and flask.“1064 3.1.1.1.3 Die Gräber im Grabungsbereich T Weitere Erdgrubengräber und Gefäßbestattungen der Mitt­leren Bronzezeit II und eventuell der Späten Bronzezeit wurden in den Jahren 2007 und 2008 im Bereich T des Ostpalastes in Qaṭna freigelegt. Diese werden bis dato von dem syrischen und dem syrisch-italienischen Team untersucht, sodass für 1063 Lange-Weber im Druck; vgl.Tab. III im Anhang. 1064 Morandi Bonacossi 2011: 33. Die Benennung von einem „[…] Set von Tischgeschirr, meist bestehend aus einem Teller oder einer flachen Schale, einer tieferen Schale und einer kleinen Flasche.“ (Canci – Morandi Bonacossi 2009: 152) kann anhand der vorliegenden Daten und der hier gegebenen Auflistung nicht bestätigt werden. Das von D. Morandi Bonacossi so benannte Set kommt lediglich in einem Grab (H-16, in der italienischen Grabungsdokumentation G. 16) vor und wird in verschiedenen Publikationen als Beispiel für die in den Gräbern deponierten Keramikgefäße verwendet (Morandi Bonacossi 2007: 226 Abb. 4; 2011: 14 f., Fig. 6, 7; Canci – Morandi Bonacossi 2009: 152). D.  Morandi Bonacossi vergleicht die Gräber, aufgrund der Keramikbeigaben mit den Gräbern aus Ebla und Šiyuḫ Taḫtāni. Allerdings enthielten die Gräber in Ebla typischerweise mehr Keramikgefäße (vgl. Ebenda: 34; mit Verweis auf Baffi Guar­data 1988; 2000); in den Gräbern in Šiyuḫ Taḫtāni waren die Gefäße meist zu Füßen des Bestatteten, anstatt wie in Qaṭna im Bereich des Kopfes, deponiert und beinhalteten zudem Fleischbeigaben (Morandi Bonacossi 2011: 34; mit Verweis auf Sconzo 2007: 298). D. Morandi Bonacossi schreibt, „The individual inhumations in the south-central sector of the Mishrifeh cemetery may therefore be consi­ dered typical of intramural earth burials pertaining to the low-middle classes of Syrian society in the first half of the 2nd millennium BC, as they are also known from other sites in central and northern inner Syria.“ (Morandi Bonacossi 2011: 34). Dieser Vergleich scheint aufgrund der Angeführ­ ten Inkonsistenz bezüglich der Beigabe von Keramikgefäßen und Speisen nicht haltbar, sodass dieser Aussage so nicht zugestimmt werden kann.

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Qaṭna 3.1.1.1.3.1 Die Gräber der „pre-Eastern Palace“-Zeit (MBZ II A) Bei den sechs Bestattungen der frühen Phase handelt es sich um Kinderbestattungen (T-39, T-40, T-44 bis T-47). All diese Kinder wurden einheitlich in den unteren Hälften von Keramikgefäßen in mit Steinen gefüllten Gruben beigesetzt. Anschließend wurden die Gruben mit lockerer Erde aufgeschüttet. In zwei dieser Gräber (T-39 und T-40) wurden Keramikgefäße – ein kleiner Becher (Mittlere Bronzezeit II) und eine kleine bemalte Flasche (Mittlere Bronzezeit I B – II A) in Grab T-39 sowie ein weiteres Keramikgefäß in T-401068 – entdeckt, die im Zusammenhang mit dem Totenmahl stehen könnten.1069 3.1.1.1.3.2 Die Gräber der „post-Eastern Palace“- Zeit (MBZ II B – SBZ I)

Abb. 38: Verteilung der Gräber im Bereich des Ostpa­lastes (Grabungsbereich T; in Tab. III im Anhang sind diese Gräber mit dem Präfix „T-“ aufgeführt) (Morandi Bonacossi et al. 2009: Fig. 11).

diese Gräber, vor allem hinsichtlich ihrer stratigraphischen Einbindung, lediglich vorläufige Untersuchungen vorliegen.1065 Bei diesen Gräbern handelt es sich zum einen um sechs Gräber, die vor der Errichtung des Ostpa­ lastes, in der „pre-Eastern Palace“-Zeit,1066 und zum an­deren um ca.  30 Gräber, die nach der Aufgabe des Palastes, in der „post-Eastern Palace“-Zeit in die dort anstehenden Schichten eingetieft wurden (Abb. 38). Diesbezüglich ist anzumerken, dass die Errich­tung des Ostpalastes ans Ende der Mittleren Bronzezeit II A datiert wird und der Palast am Ende der Mittleren Bronzezeit II B (möglicherweise auch frühe Späte Bronzezeit I) aufgegeben wurde.1067

1065 Morandi Bonacossi 2011: 11, Fn. 1. Die menschlichen Überreste wurden inzwischen detailliert vorgelegt in Canci 2015: 508-511. 1066 Morandi Bonacossi et al. 2009: 73. Die früheren Gräber werden anhand ihrer Grabbeigaben in die Mittlere Bronzezeit II A datiert (Ebenda: 74). 1067 Ebenda: 73, 109 f.

Im Hinblick auf die „post-Eastern Palace“-Zeit nennen M. Al-Maqdissi und D.  Morandi Bonacossi etwa 30 Bestattungen, die zur Zeit der Aufgabe des Ostpa­las­tes (Ende der Mittleren Bronzezeit II B bzw. frühe Späte Bronzezeit I) im Grabungsbereich T in die anstehenden Schichten eingetieft wurden.1070 Bislang wurden sechs Erdgrubengräber und eine Gefäß­bestattung veröffentlich.1071 Zusätzlich wurden von zwei Erdgräbern lediglich die Abbildungen pu­bliziert (T-I und T-XII),1072 sodass sich die Daten z­u diesen Gräbern auf die Informationen beschränken, die diesen Abbildungen zu entnehmen sind. Bei den acht Erdgrubengräbern handelt es sich in sechs Fällen vermutlich um die Gräber von Erwachsenen, wobei in einer dieser Erdgruben neben dem erwachsenen Indidivuum auch einige Kinderknochen bestattet wurden. In drei Fällen wurde jeweils ein Kind in diesen Gräbern bestattet.1073 Zwei der drei Erdgräber mit Kinderbestattungen enthielten so­wohl Keramikgefäße als auch weitere Beigaben. T-38 beinhaltete eine kleine Keramikflasche, die sich hinter der rechten Schulter des auf der linken Seite liegenden Kindes befand, und eine Bronzenadel in der Nähe der linken Schulter (Abb. 39).1074 1068 Ebenda: 80; vgl. auch Tab. III im Anhang. 1069 Vgl. Ebenda: 73 f. 1070 Al-Maqdissi et al. 2008: 6 f. 1071 Vgl. a. a. O.; Morandi Bonacossi et al. 2009: 73-76; Canci 2015: 508-511. 1072 Al-Maqdissi et al. 2008: 13 f. Fig. 7-10. Die beiden Gräber T-I und T-XII werden im Bericht der syrisch-italienischen Mission mit No I und No XII verzeichnet; vgl. auch Tab. III im Anhang. 1073 Alter der Kinder: 7± 2 Jahre (T-38; Morandi Bonacossi et al. 2009: 73-76; Canci 2015: 510); ein Neugeborenes (T-41; Canci 2015: 510); für das zweite Grab kann nur aufgrund der Abbildung angenommen werden, dass es sich um ein Kind handelt (T-XII) (siehe Al-Maqdissi et al. 2008: Fig. 9); vgl. auch Tab. III im Anhang. 1074 Morandi Bonacossi et al. 2009: 73-76; vgl. auch Tab. III im Anhang

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Der archäologische Befund

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ten Gefäßbeigaben verzeichnet werden. Die Position der Flasche in Grab T-38 lässt nicht aus­schließen, dass diese ursprünglich gefüllt war. Für die übrigen Gefäße in den Gräbern ist die Lage nicht publiziert. Somit kommt für die Gefäße sowohl eine Interpretation als Behältnisse für Speisebeigaben, als auch, vor allem in Bezug auf den Becher in der Gefäßbestattung T-39, eine Interpretation als „Essgeschirr“ in Betracht. Zehn Bestattungen in diesem Be­reich wiesen keine Beigaben auf, die Rückschlüsse auf Speisen erlauben würden (vgl. Tab. 31). 3.1.1.1.4 Gräber im Grabungsbereich J (MBZ II) und im Bereich der „Coupole de Loth“ (MBZ)

Abb. 39: Das Erdgrubengrab T-38 mit einem auf der Seite in Hockerposition bestatteten Kind mit einer Keramikflasche hinter den Schultern (Morandi Bonacossi – Canci 2009: 152).

Das Grab T-XII enthielt neben drei Keramikgefäßen mehrere Ringe, eine Muschel, einen Gegenstand, bei dem es sich um ein Alabastron handeln könnte, und ein weiteres Objekt.1075 Ein weiteres Grab (T-I), in dem vermutlich ein Erwachsener bestattet war, enthielt ebenfalls drei Keramikgefäße. In diesem Grab wurden allerdings keine weiteren Grabbeigaben entdeckt.1076 Die weiteren fünf Erdgrubengräber mit darin bestatteten Erwachsenen sowie das übrige Erdgrubengrab und die beiden Gefäßbestattungen, in denen Kinder beigesetzt worden waren, wiesen keine Grabbeigaben auf.1077 Zusammenfassend kann somit für die Bestattungen im Grabungsbereich T festgehalten werden, dass aus der „pre-Eastern Palace“-Phase insgesamt sechs und aus der „post-Eastern Palace“-Phase ein Neugeborenes in Gefäßen bestattet wurden, während die sechs (inkl. T-I) Erwachsenen (in einem Fall inkl. einiger Knochen eines 1,5-jährigen) und das ca. 7 Jahre alte Kind sowie ein weiteres Kind (Alter nicht publiziert, T-XII) in Erdgrubengräbern beigesetzt worden sind. In zwei von sechs Gefäßbestattungen von Kleinkindern der älteren Phase sowie in drei von neun „post-Eastern Palace“-zeitlichen Erdgräbern konn­ 1075 Al-Maqdissi et al. 2008: Fig. 10. 1076 Ebenda: Fig. 8. 1077 Morandi Bonacossi et al. 2009: 73-76.

Abseits der Gräber in den Bereichen des Königs­ pa­lastes und des Ostpalastes wurden fünf weitere Bestattungen freigelegt. Sie liegen im Bereich der „Coupole de Loth“ und im Grabungsbereich J des italienischen Teams am höchsten Punkt des Tells (Abb. 35). R. du Mesnil du Buisson dokumentiert eine recht­ eckige und eine ovale Vertiefung mit Kinderbestattungen im Bereich der „Coupole de Loth“.1078 Dabei handelt es sich um eine Gefäßbestattung aus zwei in­ein­andergeschobenen Gefäßen, in der ein fast zwei Jahre altes Kleinkind bestattet war (IX-2), und um eine Gefäßbestattung in dem das Skelett eines einjährigen Kindes (IX-1) aufgefunden wurde. Für beide Bestattungen dokumentierte R. du Mesnil du Buisson jeweils eine kleine Schale, die den Kindern als Beigaben mit ins Grab gegeben wurden.1079 In einer weiteren ovalen Vertiefung legte R. du Mesnil du Buisson die Knochen von drei Kindern sowie ein Rinderknochenfragment und die Knochen von Ovicapriden frei, allerdings konnten diese offenbar keinen einzelnen Gräbern mehr zugeordnet werden.1080 Im Grabungsbereich J dokumentierte das italie­ nische Team drei weitere Gefäßbestattungen der Mittleren Bronzezeit II, die in den Bereich einer aufgegebenen Keramikwerkstatt eingetieft waren. In drei cooking pots war jeweils ein Säugling, jünger als sechs Monate,1081 bestattet (J-12 bis J-14). In keiner dieser Gefäßbestattungen ließen sich Grabbeigaben nachweisen, die auf Speisen hindeuten könnten.1082 Für die beiden Bereiche außerhalb des Königspa­ lastes und des Ostpalastes kann somit festgestellt werden, dass Kleinkinder im Alter zwischen sechs 1078 Siehe Tab. III im Anhang; Du Mesnil du Buisson 1930: 153157. 1079 Siehe Tab. III im Anhang; Du Mesnil du Buisson 1930: 153 f. 1080 Ebenda: 155 f. 1081 Canci 2002: 169 f. 1082 Morandi Bonacossi 2002: 133; Canci – Morandi Bonacossi 2009: 152.

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Qaṭna

Monaten und zwei Jahren in Gefäßen bestattet wurden. Säuglinge, die jünger als sechs Monate waren, erhielten keine Beigaben, die beiden Kleinkinder, die ein Jahr und älter waren, erhielten indes jeweils eine kleine Keramikschale. 3.1.1.1.5 Fünf spätbronzezeitliche Bestattungen inner­halb einer Zisterne im Grabungsbereich H Innerhalb einer Zisterne im Grabungsbereich H wur­den fünf Bestattungen in fünf unterschiedlichen Lagen identifiziert (H-27 bis H-31).1083 Für diese Bestattungen konnten zwar keine Grabgruben oder ähnliche Begrenzungen als Gräber innerhalb der Zisterne freigelegt werden, aber es ließ sich anhand der Lage der Knochen feststellen, dass zumindest drei der fünf übereinander Bestatteten (H-27, H-28 und H-30) dort im Rahmen ihrer Primärbestattung niedergelegt worden waren. Auch für das Indivi­ duum in der 2. Lage (H-28) ist eine Primärbestattung nicht auszuschließen, allerdings wurden die Knochen in ihrer Lage stark gestört. Bei den Knochen der 5. Lage (H-31) handelt es sich lediglich um ein rechtes Femur und eine rechte Tibia, sodass diesbe­ züglich nicht von einer Primärbestattung gesprochen werden kann. Interessanterweise ist keins der Individuen älter als 20 Jahre. Bei den drei in Artikulation vorgefundenen Individuen handelt es sich um zwei Kinder (H-27: 12 Jahre ± 30 Monate; H-30: 8 – 10 Jahre) und ein, vermutlich weibliches, 15-jähriges Indidivuum (H-29). Das Indidivuum, dessen Knochen verstreut und stark gestört vorgefunden wurden (H-28) war erwachsen (19 Jahre) und vermutlich männlich, die zwei einzelnen Beinknochen in der 5. Lage (H-31) konnten einem 17 – 20-jährigen Indivi­ duum zugeordnet werden.1084 Für die ersten vier Lagen erwähnt Canci Tierknochen, die mit den Bestattungen assoziiert waren, für die 1. und 3. Lage werden diese Knochen als Ovicapriden näher spezifiziert.1085 Zwar ist nicht auszuschließen, dass es sich bei den Tierknochen um Abfälle handelt, die neben den menschlichen Bestattungen in die Zisterne geworfen wurden, allerdings lässt die direkte Assoziation mit den Menschenknochen, die mindestens in drei Fällen in Form einer Primärbestattung in der Zisterne niedergelegt wurden, zumindest die Möglichkeit zu, dass die Bestatteten Fleischbeigaben erhielten. Andere Beigaben, etwa in Form von Keramikgefäßen, sind für die Be­stat­tungen in der Zisterne nicht dokumentiert.

1083 Canci 2015: 506-508 ("Grave 27" bis "Grave 31"); vgl. Tab. III im Anhang. 1084 Canci 2015: 506-508; vgl. Tab. III im Anhang. 1085 Ebenda.

3.1.1.1.6 Zusammenfassung und Interpretation Das Bild, welches von den einfachen Gräbern in Qaṭna gezeichnet werden kann, ist lediglich vorläufig und bedarf, nach der abschließenden Publikation der freigelegten Grabbefunde, eventuell einer erneuten Überarbeitung. Nichtsdestoweniger werden im Folgenden die bisherigen Beobachtungen zusammenfassend dargestellt. Erwachsene wurden, anders als beispielsweise in Mari (siehe Kapitel 2.1.1), ausschließlich in Erdgrubengräbern bestattet. Dabei erhielten nur vier von insgesamt 13 Erwachsenen Grabbeigaben, die auf die Darbringung von Speisen schließen lassen. Bemer­ kenswert ist, dass Keramikgefäße offenbar unabhängig vom Geschlecht des verstorbenen Erwachsenen in dem Grab deponiert wurden.1086 So erhielten ein weibliches und zwei (vermutlich) männliche Individuen Keramikbeigaben. Das vierte Individuum in dem Erdgrubengrab T-I, das Keramikbeigaben erhielt, wurde anhand des Fotos als adult klassifiziert, nähere Angaben zu dem Individuum können nicht ermittelt werden (siehe Tab. III im Anhang). Bei den kindlichen Individuen, die sowohl in Erdgrubengräbern als auch in Gefäßen bestattet wurden, konnten in acht von 25 Fällen – unabhängig von der Grabform – Beigaben in Form von Keramikgefäßen dokumentiert werden, die auf Speisebeigaben hindeuten (vgl. Tab. 32 und 33). Unter den Kindern, die Keramikgefäße mit ins Grab gelegt bekommen haben, ist ein siebenjähriges (± 2 Jahre) Individuum, ansonsten handelt es sich (vermutlich) um Kleinkinder, von denen das jüngste nur mehrere Monate bis ein Jahr alt war (H-18, vgl. Tab. III im Anhang). Tierknochen, die ebenfalls ein Hinweis auf Spei­se­beigaben sein können, wurden in einem ein­deu­tigen Kontext lediglich in Grab H-16 im Fundament­bereich des Königspalastes gefunden. Sie lagen in dem Erdgrubengrab in der Nähe einer flachen Schale und dürften mit den Gefäßbeigaben in Zu­sammenhang stehen. Weitere Tierknochen stammen aus wesent­lich unspezifischeren Kontexten. Dies ist zum einen das Erdgrubengrab H-22 unter dem Raum CB des Königspalastes, in dessen Verfüllung im oberen Teil vereinzelte Tierknochenfragmente gefunden wurden. Zudem waren vier von fünf (Teil)Bestattungen aus der Zisterne im Grabungsbereich H mit Tierknochen assoziiert (siehe Kapitel 3.1.1.1.5). Da bei den Bestattungen in der Zisterne aber weder die Art der Grablege noch der spezifischere Kontext bisher publiziert sind und auch nähere Details zu den Tierknochen (welche Knochenelemente, in Artikulation oder nicht, etc.) fehlen, kann bezüglich dieser Knochen nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass es sich um die Überreste von Speisebeigaben handelt. 1086 Dies konstatiert auch D. Morandi Bonacossi (2011: 34).

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Der archäologische Befund Insgesamt erhielten somit vier von 13 Erwachsenen, ein älteres Kind und sieben Kleinkinder der ins­ gesamt 25 bestatteten Kinder Gefäßbeigaben, die als Behältnisse für Speisen gedient haben könn­ten. Somit kann in ungefähr einem Drittel der Bestattungen von Beigaben gesprochen werden, die möglicherweise im Zusammenhang mit dem Totenmahl standen (vgl. Tab. 32 und 33). Im Einzelnen wurden die folgenden Gefäße bzw. Kombinationen an Gefäßen in den Gräbern vorgefunden (vgl. auch Tab. III im Anhang).

157

Sofern die Keramikgefäße als Behältnisse und nicht als „Essgeschirr“ gedient haben (vgl. Kapitel 2.1.1.4.1.1 und 2.1.1.4.1.2), können ihnen in Anlehnung an Kapitel  1.1.4.3 folgende Funktionen zugeschrieben werden: die Schalen und der Becher dienten in diesem Fall vermutlich zur Aufbewahrung von flüssiger oder fester Nahrung;1087 der kleine Topf

diente am ehesten der Aufbewahrung von fester Nahrung und die Flaschen und Krüge in den Gräbern könnten als Behältnisse zur Aufbewahrung von Flüssigkeiten gedeutet werden.1088 A. Canci und D. Morandi Bonacossi sehen in den Grabbeigaben einen Hinweis darauf, dass „[…] die Beigaben von Essen ein zentraler Bestandteil des Bestattungsritus in Syrien während dieser Epoche war.“1089 Es ist jedoch anzumerken, dass angesichts der Befunde der einfachen Gräber, dieser Rückschluss zu weit gegriffen ist. Immerhin konn­ten in 26 von 38 Gräbern keine Grabbeigaben nachgewie­ sen werden, die auf Speisen hindeuten. Jedoch ist nicht auszuschließen, dass Speisebeigaben häufiger vorhanden waren, man diese jedoch im archäologischen Befund nicht mehr nachweisen konnte (vgl. auch Kapitel 2.1.1.4.4). Fraglich ist, ob das Fehlen von Gefäßbeigaben und Überresten von Speisebeigaben auf taphonomische Prozesse zurückzuführen ist. Diese wären beispielsweise nicht mehr im archäologischen Be­fund nachweisbar, wenn die Gefäße aus vergänglichem Material bestanden und die Speisen auf­grund fehlender Knochen oder fehlender beständiger Kerne keine Spuren hinterlassen hätten. Zudem wäre denkbar, dass dieser Befund einer abweichenden Ausführung des Totenrituals geschuldet ist, der sich möglicherweise in der Bedeutung von Speisebeigaben im Grab begründet. Dies könnte als Hinweis interpretiert werden, dass der Versorgung des Toten im Grab eine geringere Bedeutung zugeschrieben wurde als der Versorgung des Toten nach der Bestattung (siehe Kapitel 2.1.1.4.4.3). Geht man davon aus, dass den Toten ähnliche Speisen mitgegeben wurden, wie sie die Lebenden verzehrten, handelte es sich hierbei um Gemüse, Getreide und Speisen mit tierischem Eiweiß. Die Speisen, die die Menschen in Qaṭna zu Lebzeiten zu sich nahmen, konnten anhand der SpurenelementAnalysen an den Knochen aus den einfachen Gräbern ermittelt werden (siehe auch Kapitel 3.3.6).1090 Sollten die Toten mit ähnlicher Nahrung versorgt worden sein, würden solche Speisen nicht zwingend Spuren im Grabbefund hinterlassen. So hätte es sich bei den Beigaben auch um Brot und Ähnliches handeln können, das auch beispielsweise in Körben aufbewahrt worden sein könnte und keine Überreste in Form von Knochen oder Kernen hinterlassen hätte. Aller­ dings ist dies nur eine Erklärungsmöglichkeit für den Befund, der im Großteil der Gräber zunächst keine Hinweise auf Speisebeigaben erkennen lässt (siehe oben).

1087 Da die Tierknochen in der nähe der Schale des Grabes H-16 nicht zwingend zur Bestattung dazugehörige Speisebeigaben darstellen (vgl. Ebenda: 33), können diese nur Bedingt zur Deutung der Schale in diesem Grab herangezogen werden.

1088 Vgl. auch a. a. O. 1089 Canci – Morandi Bonacossi 2009: 152; siehe auch Morandi Bonacossi 2011: 33. 1090 Morandi Bonacossi 2011: 34, Fn. 90; mit Verweis auf Canci – Bartoli 2007.

Gräber mit einem Gefäß: • 1 Knickwandschale (H-24, unter Königspalast, MBZ I), • 1 kleine Flasche (T-38, über Ostpalastfußböden, MBZ II B – SBZ I?), • 1 kleine bikonische Schale (H-19, unter Königs­ palast, MBZ I), • 1 kleine Schale (IX-2, Sondage "Coupole de Loth", MBZ?), • 1 kleine Schale (IX-1, Sondage "Coupole de Loth", MBZ?). Gräber mit zwei Gefäßen: • 1 Knickwandbecher und 1 kammstrichver­zier­ ter, kleiner Topf (G-34, unter Königspalast, MBZ I), • 1 hohe Knickwandschale, 1 kleine Flasche (H-18, unter Königspalast, MBZ I), • 1 kleiner Becher, 1 kleine Flasche (T-39, unter Ostpalast, MBZ II A), • 2(?) Keramikgefäße (keine genaueren Angaben, T-40, unter Ostpalast, MBZ II A). Gräber mit drei Gefäßen: • 2 Knickwandschalen (eine davon flach), 1  klei­ne Flasche (H-16, unter Königspalast, MBZ I), • 1 Schale, 1 Krug, 1 kleine Flasche (T-I, eingetieft in MBZ II-Schicht), • 2 Krüge mit breiter Schulter und schulterständigem Henkel, 1 kleiner Krug mit Tülle (T-XII, eingetieft in MBZ II-Schicht).

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158

Qaṭna Erdgrubengrab (Anzahl der Kinderbestattungen in Klammern)1091 0 0 % 11 (4) 68,75 % 0 0 % 8 (2)1092 88,9 % 0 0 % 0 0 % 19 (6) 48,7 %

Grabart Bereich Königspalast (FBZ IV) Bereich Königspalast (MBZ I) Grabungsbereich T (MBZ II A) Grabungsbereich T (MBZ II B – SBZ I) Grabungsbereich J (MBZ II) „Coupole de Loth“ (MBZ?)1093 Insgesamt

Gefäßb. (ausschließlich Kinderbestattungen) 3 100 % 5 31,25 % 6 100 % 1 11,1 % 3 100 % 2 100 % 20 51,3 %

Insg. 3 16 6 9 3 2 39

Tab. 30: Überblick über die Verteilung der Grabarten der einfachen Gräber der Frühen bis Späten Bronzezeit in Qaṭna.

Bereich Königspalast (FBZ IV) Bereich Königspalast (MBZ I) Grabungsbereich T (MBZ II A) Grabungsbereich T (MBZ II B – SBZ I) Grabungsbereich J (MBZ II) „Coupole de Loth“ (MBZ?) Insgesamt

Gräber mit Keramik

Gräber ohne Keramik

Anzahl der Keramikobjekte*

Gefäßbestattung

0

0 %

3

100 %

0 (Ø 0)

Erdgrubengrab Gefäßbestattung Insgesamt

5 0 5

45,5 % 0 % 31,25 %

6 5 11

54,5 % 100 % 68,75 %

9 (Ø 1,8) 0 (Ø 0) 9 (Ø 1,8)

Gefäßbestattung

2

33,3 %

4

66,7 %

4(?) (Ø 2)

Erdgrubengrab Gefäßbestattung Insgesamt

3 0 3

37,5 % 0 % 33,3 %

5 1 6

62,5 % 100 % 66,7 %

7 (Ø 2,3) 0 (Ø 0) 7 (Ø 2,3)

Gefäßbestattung

0

0 %

3

100 %

0 (Ø 0)

Gefäßbestattung

2

100 %

0

0 %

2 (Ø 1)

Erdgrubengrab Gefäßbestattung Insgesamt

8 4 12

42,1 % 20 % 30,8 %

11 16 27

57,9 % 80 % 69,2 %

16 (Ø 2) 6 (Ø 1,5) 22 (Ø 1,8)

*Durchschnitt bezieht sich nur auf die Gräber, in denen Keramik enthalten ist.

Tab. 31: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabarten nach Grabungsbereichen und die Gesamt­anzahl von Keramikgefäßen pro Grabart in der Frühen bis Späten Bronzezeit in Qaṭna.

Erdgrubengrab Gefäßbestattung Insgesamt Erwachsene Erdgrubengrab Insgesamt Kinder

Gräber mit Keramik 66,7 % 4 4 20 % 8 30,8 % 4 30,8 % 12 30,8 %

Gräber ohne Keramik 2 33,3 % 16 80 % 18 69,2 % 9 69,2 % 27 69,2 %

Anzahl der Keramikobjekte* 7 (Ø 1,75) 6 (Ø 1,5) 13 (Ø 1,63) 9 (Ø 2,25) 22 (Ø 1,8)

Tab. 32: Verteilung der Keramikgefäße auf die einzelnen Grabarten unterteilt nach Kindern und Erwachsenen und die 10911092 1093in der Frühen bis Späten Bronzezeit in Qaṭna. Gesamtzahl von Keramikgefäßen pro Grabart und Altersgruppe 1091 Zu den skeletalen Überresten der zwei Erwachsenen unter Saal A gibt es keine zu erkennenden Gräber mehr, sodass diese nicht mit in die Statistik aufgenommen werden können (siehe auch Kapitel 3.1.1.1.2 und Fn.  1060), gleiches gilt für die Bestattungen innerhalb der Zisterne in Grabungsbereich H (siehe Kapitel 3.1.1.1.5). 1092 Für zwei der Erdgräber sind bislang keine Informationen publiziert, die auf das Alter der Bestatteten schließen lassen (Al-Maqdissi, et al. 2008: 13 f. Abb. 7-10), allerdings lässt sich aufgrund der Abbildungen vermuten, dass es sich um ein Kind und einen Erwachsenen handelt. Für ein weiteres

Erdgrubengrab (T-48) wurde nicht publiziert, in welchem stratigraphischen Verhältnis dieses zu den Fußböden des Ostpalastes steht (Canci 2015: 511), so dass dieses nicht in die nach Bereich und Perioden unterteilte Tabelle übernommen werden kann. 1093 Zu den Knochen von drei Kindern, die R. du Mesnil du Buisson in einer Sondage freilegte, fehlen weitere Angaben, die auf die Grabart schließen lassen könnten, sodass diese Bestattungen nicht mit in die Statistik aufgenommen werden können (Du Mesnil du Buisson 1930: 155 f.).

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+ + + + -

4

100%

1

3

0%

0

2

100% 1 (1)

0%

0

0

3

0%

0

5

5 (1)

0

0

0

2

28,6%

100%

66,7%

11,1%

7

2

2

100%

28,6%

28,6%

22,2% 1 (1) 14,2%

0%

6

4

0

2

0

100%

66,7%

0%

33,3%

0%

2

0

0

0

2

1

1

0

0

0

100%

33,3%

0%

0%

66,7%

Kinder Erd- Gefäß% grab best. insg.

Bereich J

6

5

0

1

0

100%

83,3%

0%

16,7%

0%

3

2

1

0

0

100%

66,7%

33,3%

0%

0%

Erwachsene Kinder Erd% Gefäß% grab insg. best. insg.

Grabungsbereich T (MBZ II B – SBZ I)

2

0

0

1

1

100%

0%

0%

50%

50%

Kinder Gefäß% best. insg.

„Coupole de Loth“

1

3

1

19

20

8 (1) 15 (1)

3

4 (1)

4

Erd- Gefäßgrab best.

100%

59%

10,3%

17,9%

12,8%

% insg.

Insgesamt

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Erdgrab (7)

Gefäßbest. (5)

ohne Gefäße (4)

mit Gefäßen (3)

ohne Gefäße (5)

ohne Gefäße (2)

ohne Tierknochen (4)

ohne Tierknochen (2)

mit Tierknochen (1)

ohne Tierknochen (4)

mit Tierknochen (1)

ohne Tierknochen (1)

mit Tierknochen (1)

ohne Tierknochen (2)

Abb. 40: Dendrogramm zur Darstellung der Relation zwischen Alter der Bestatteten, Grabtypen, deponierten Keramikgefäßen und Tierknochen; die durchgezogenen schwarzen Linien zeigen die Konstellationen an, in denen Tierknochen vorhanden waren. Da nur in den mittelbronzezeitlichen Gräbern im Bereich des Königapalastes Tierknochen vorkamen, die als Überreste von Speisebeigaben im Grab gedeutet werden können, werden die übrigen Bestattung in dieser Abbildung nicht dargestellt.

Königspalast (MBZ I)

Kinder (9)

Erdgrab (4)

mit Gefäßen (2)

Tab. 33: Verteilung der Objekte und Keramikgefäße auf die Gräber nach Altersgruppen in der Frühen bis Späten Bronzezeit in Qaṭna (in Klammern ist die Anzahl der Gräber ergänzt, in denen Tierknochen vorhanden waren, die als Speisebeigaben gedeutet werden können).

Keramik Objekte Keramik Objekte Keramik Objekte Keramik Objekte Insgesamt

Bereich GrabungsBereich Königspalast Königspalast bereich T (MBZ I) (FBZ IV) (MBZ II A) Kinder Kinder Erwachsene Kinder Gefäß% Erd- Gefäß% ErdGefäß% % insg. best. insg. grab best. insg. grab best. insg.

Der archäologische Befund

159

160

Qaṭna

Sofern den Toten Keramikgefäße mitgegeben, die Gräber noch gut genug erhalten waren und die Lage der Keramik publiziert wurde, sind diese meist im Bereich des Kopfes verzeichnet (Abb. 37 und 39).1094 Diese Keramikobjekte sowie die in einem Fall vorgefundenen Tierknochen, waren, laut D. Morandi Bonacossi „[…] probably related to the consumption of funerary meals during the burial ceremony.“1095 Diesbezüglich wäre beispielsweise denk­bar, dass es sich bei den Speisebeigaben im Grab um den Anteil handelte, der dem Toten im Rahmen eines Banketts zugedacht wurde, das anlässlich seiner Bestattung abgehalten wurde. Möglicherweise fand dies im Rahmen eines Rituals statt, dass den Toten in die Unterwelt überführen sollte. Denkbar wäre auch eine Funktion als Proviant für die Reise in die Unterwelt (vgl. Kapitel 1.1.4.3). Dass die mitgegebenen Speisen zur Ausrichtung eines Banketts in der Unterwelt für die Götter oder die übrigen Totengeister (siehe Kapitel 1.1.4.3 und 1.2.3) dienen sollten, lässt sich aufgrund des geringen Umfangs ausschließen. In Bezug auf die Keramikgefäße ist zudem denkbar, dass sie dem Toten ohne Inhalt mitgegeben wurden und ihm als „Essgeschirr“ in der Unterwelt dienen sollte (vgl. Kapitel 2.1.1.4.1.2). Zusätzlich zu der Frage, ob z. B. nur bestimm­te Altersgruppen Keramikgefäße als Beigaben erhiel­ ten, ist der Aspekt, ob man bei den Individuen, die Keramikgefäße erhielten, auf einen höheren Status der verstorbenen schließen kann. Tab. 33 zeigt, dass lediglich in fünf der zwölf Gräber, in denen Keramikgefäße dokumentiert werden konnten, auch weitere Beigaben vorhanden waren. Zudem enthielten vier Gräber zwar keine Keramikgefäße, dafür aber andere Beigaben. Insgesamt lässt weder der Umfang noch die Art der Beigaben, bei denen es sich nicht um Keramikgefäße handelt, es zu, ausgeprägte status­bezogene Abstufungen innerhalb der Gräber vorzunehmen, da es sich bei den übrigen Beigaben häufig nur um eine Bronzenadel oder eine einzelne Perle handelt. Der einzige bemer­ kenswertere Fund ist eine Bronzegürtelschnalle mit Muschelbesatz, die in einem Erdgrubengrab (H-26) eines 35 – 45, vermutlich weiblichen Individuums gefunden wurde.1096 Ausgerechnet dieses Grab enthielt keine Hinweise auf Speisebeigaben. Folglich lässt sich insgesamt festhalten, dass die einfachen Gräber in Qaṭna keine Korrelation zwischen möglichem Status und Speisebeigaben im Grab erlauben, zumal eine soziale Differenzierung inner­ halb der Gräber kaum möglich ist.

1094 Siehe auch Morandi Bonacossi 2011: 33. 1095 Morandi Bonacossi 2008: 363. 1096 Morandi Bonacossi 2007: 224 f., vgl. auch Tab. III im Anhang.

3.1.1.2 Die vorpalastzeitlichen Grüfte Entlang der Abbruchkante des Felsplateaus befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den dortigen einfachen Gräbern auch mehrere Felskammergräber (Abb. 36). Sie bilden den nördlichen Sektor des Friedhofes von Qaṭna. Die Grüfte I-III und V-VII sind bogenförmig entlang der Abbruchkante angelegt, welche, wie die Verteilung der Grüfte vermuten lässt, im Westen von Gruft II nach Süden abknickt.1097 Bereits der französische Ausgräber R. du Mesnil du Buisson entdeckte in den 20er Jahren drei Felsgräber in diesem Bereich (Gruft I-III) und ein weiteres südlich des Palastes (Gruft IV). Gruft IV ist das älteste dieser Felsgräber und da­tiert ans Ende der Frühen Bronzezeit. Die Grüfte I-III datieren, ebenso wie die einfachen Gräber im südlichen Teil des Friedhofs in die Mittlere Bronzezeit I.1098 Hinzu kommen die zwei Grüfte A und B, die R. du Mesnil du Buisson im Nordwesten der „Ouvrage en Creux“ (Abb. 35) entdeckte. Zu diesen fehlen jedoch jegliche Angaben einer Datierung, sodass diese nicht mit in die vorliegenden Untersuchungen aufgenommen werden.1099 Die Grüfte A und B sowie die Grüfte II und III wurden ohne aussagekräftiges Inventar vorgefunden,1100 sodass lediglich für die Grüfte I und IV umfangreiche Funde dokumentiert werden konnten. Bei diesen Schachtgräbern handelt es sich um Anlagen mit einer Hauptkammer und mindestens einer Seitenkammern. In den unberaubten Kammern zeigen luxuriöse Grabbeigaben, dass die Grüfte zur Beisetzung der Elite von Qaṭna dienten. Unter den Beigaben fanden sich Bronzewaffen, Schmuck und zahlreiche Keramikgefäße.1101 1097 Vergleiche auch Morandi Bonacossi 2011: 27. 1098 Du Mesnil du Buisson 1935: 144-167 für Gruft IV; Du Mesnil du Buisson 1926 und 1927a für Gruft I und II; und Du Mesnil du Buisson 1928b für Gruft III. Für eine Datierung der Grüfte siehe auch Morandi Bonacossi 2007 : 225. 1099 Du Mesnil du Buisson 1927b: 287 f. 1100 Das Inventar in Gruft II und III wies nur eine geringe Anzahl an Keramikscherben bzw. vereinzelten Perlen und menschlichen Zähnen auf. Damit ist zwar belegt, dass die Grüfte ursprünglich benutzt wurden, allerdings scheint die Annahme von R. du Mesnil du Buisson, dass die Grüfte geplündert worden waren (Du Mesnil du Buisson 1928b: 81 f.), nicht plausibel. Die Befunde weisen vielmehr da­rauf hin, dass man die Grüfte sorgfältig ausgeräumt hatte, sodass keinerlei Überreste von Bestattungen mehr durch die Ausgräber freigelegt werden konnten. Zumindest wäre es sehr ungewöhnlich, dass Grabräuber nicht nur die wertvollen Objekte aus einem Grab entwenden, sondern sich auch um die skeletalen Überreste bemühen. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass der Inhalt der Grüfte im Zusammenhang mit der Errichtung des Königspalastes und der damit einhergehenden Überbauung der Grüfte, umgebettet wurde. Als Zielort der Umbettungen kämen die Grüfte I und VII in Betracht, für die eine zeitgleiche Benutzung mit den Grüften II und III angenommen werden kann (siehe Tab. 29). 1101 Canci – Morandi Bonacossi 2009: 151.

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Der archäologische Befund

161

Abb. 41: Gefäßansammlung in der Gruft IV vermischt mit organischem Material (Du Mesnil du Buisson 1935: Fig. 52 bis).

Zusätzlich zu den bereits in den 20er Jahren gefun­ denen Grüften entdeckte auch D. Morandi-Bonacossi mit dem syrisch-italienischen Team im Jahr 2006 eine Gruft („Gruft V“), die allerdings ebenfalls fundleer war.1102 Die 2002 vom syrisch-deutschen Team freigelegte Königsgruft (Gruft VI) und die von den gleichen Ausgräbern im Jahr 2009 entdeckte Gruft VII unter dem Nordwestflügel des Königspalastes wurden hingegen mit umfang­reichem Grabinventar freigelegt (siehe Kapitel 3.1.1.3.1 und 3.1.1.3.2).1103 Im Folgenden werden zunächst die Grüfte I und IV aufgrund ihres Inventars, das Rückschlüsse auf das Totenmahl erlaubt, näher beschrieben. Anschließend erfolgt eine detaillierte Untersuchung des Befundes der Königsgruft, deren Material aufgrund der mit modernsten Methoden erfolgten Ausgrabung und den hierzu durchgeführten interdisziplinären Stu­ dien eine außergewöhnlichen Möglichkeit bietet, das Totenmahl in Hinblick auf die königlichen Toten zu betrachten. Die Gruft VII wird anschließend gemäß dem aktuellen Stand der Auswertung ebenfalls diskutiert.

Die Gruft IV wurde von R. du Mesnil du Buisson und seinem Team südlich des Königspalastes entdeckt (Abb. 35 und 36) und datiert in die Frühe Bronzezeit IV.1104 Trotz der frühen Datierung soll die­se Gruft, da sie eine der vier unberaubten Grüfte darstellt, an dieser Stelle der Vollständigkeit halber in Kürze beschrieben werden. Ein rechteckiger Schacht führte

hinunter zu dem ursprünglich u. a. mit einem flachen Stein gut verschlossenen Eingang der Gruft. .1105 Die Kammer der Gruft weist im Norden, Osten und Westen Nischen auf. Aufgrund einer erhöhten Grundfläche der Nischen und den dort gefundenen Bronzewaffen vermutet R. du Mesnil du Buisson, dass diese Nischen möglicherweise den Bestattungen wichtiger Personen vorbehalten waren.1106 Im Inneren der Kammer fanden die Ausgräber eine 25-90 cm hohe Schicht aus organischem Material, in der die menschlichen Knochen und eine Vielzahl an Keramikgefäßen eingebettet waren (Abb. 41 bis 44a-c). In den oberen Schichten wurden 14 Erwachsene sowie einige Kinder und in den unteren Schichten ca. 20 Individuen freigelegt, sodass insgesamt ca. 40 Personen in der Gruft nachgewiesen werden konnten. Die größte Anhäufung an Knochen befand sich direkt hinter dem Eingang, sodass es in der letzten Zeit der Benutzung unmöglich war den Bereich des Eingangs zu passieren (siehe Abb. 42).1107 Insgesamt interpretiert der Ausgräber die Befundsituation der Gruft als sukzessive Bestattungen, die jeweils dort abgelegt wurden, wo Platz war; die Anhäufung von Gefäßen erfolgte in den Ecken, um die Wege in der Kammer freizulassen; am Ende der Nutzung wurden die Bestattungen schließlich direkt hinter dem Eingang deponiert.1108 Das Inventar aus 284 Keramikgefäßen der Gruft setzte sich wie folgt zusammen: 120  Becher, 92 Töpfe verschiedener Größen, 39 Krüge, 26 Krüge mit seitlichem Ausguss, sechs kleine Schalen oder

1102 A. a. O.; Morandi Bonacossi 2007 : 225-227. 1103 Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2010; 2011; Pfälzner 2012b. 1104 Du Mesnil du Buisson 1935: 144, Pl. XVI unterer Rand. Die Datierung der Gruft erfolgte anhand der Keramikfunde (Ebenda: 144 f., 152) und der Metallfunde (Ebenda: 157).

1105 Ebenda: 144 f., Abb. 52. 1106 Ebenda: 146. 1107 Ebenda: 144 – 146, 152, Abb. 52. 1108 Ebenda: 147.

3.1.1.2.1 Gruft IV (FBZ IV)

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Qaṭna

Abb. 42: Verteilung der Menschenknochen in der Gruft IV (Du Mesnil du Buisson 1935: Pl. XL 1).

Abb. 43: Verteilung der Keramikgefäße in der unteren Lage der Verfüllung der Gruft IV (Du Mesnil du Buisson 1935: Pl. XLII 1).

Näpfe1109 und eine große Schale (Abb. 45). In der Gruft  IV konnten, anders als in der Gruft I keine

Teller oder flachen Schalen freigelegt werden.1110 Somit wurden in der Gruft IV in Qaṭna hauptsäch-

1109 Von R. du Mesnil du Buisson als kegelförmige „Untertasse“ bezeichnet (Ebenda: 147, 150).

1110 Ebenda: 147. Eine Zusammenfassung der Charakteristika der Keramik bietet Ebenda: 158 f., Pl. XLIII – XLVII.

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Der archäologische Befund

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Abb. 44a-c: Verteilung der Keramikgefäße in den oberen Lagen der Verfüllung der Gruft IV (Du Mesnil du Buisson 1935: Pl. XLI 1.-3.).

lich solche Keramikgefäße im Grab deponiert, die der Aufbewahrung von Nahrungsmitteln sowie dem Ausgießen und Verzehr von Flüssigkeiten dienten (vgl. Kapitel 1.1.4.3). Auch R. du Mesnil du Buisson bemerkt, dass anstatt der in Gruft I auftretenden

charakteristischen Schalen in der Gruft IV Becher dominierten.1111 In Bezug auf diese Becher ist er­neut an die Interpretation von Gefäßbeigaben als

.

1111 Ebenda: 149.

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Qaṭna

Abb. 45: Exemplarische Zusammenstellung der Gefäßformen aus der Gruft IV (Du Mesnil du Buisson 1935: Pl. XLIII und XLIV).

„Essgeschirr“ zu denken, demnach die Becher den Toten mitgegeben worden wären, damit sie in der Unterwelt ein Behältnis für dargebrachte Flüssigkeiten bzw. die Flüssigkeiten in den mitgegebenen Flaschen gehabt hätten (siehe auch Kapitel 1.1.4.3 und 2.1.1.4.1.2). Alernativ ist jedoch auch an die Möglichkeit zu denken, dass die Becher im Rahmen einer Totenfeier von den Hinterbliebenen verwendet und anschließend in der Gruft deponiert wurden. Auch eine Kombination der postulierten Verwen­ dung der Becher ist in Erwägung zu ziehen, bei der diese zunächst im Rahmen einer Totenfeier verwendet und anschließend den Toten zur „Benutzung“ in der Unterwelt mit in die Gruft gelegt wurden. Zur Lage der Gefäße notiert R. du Mesnil du Buisson, dass diese vor allem in den Ecken angehäuft lagen.1112 Anhand seiner Zeichnungen zeigt sich jedoch, dass in der unteren Lage die Gefäße vor allem direkt östlich des Eingangs und an der kleinen Zwischenwand zwischen der westlichen und nördlichen Nische vergesellschaftet waren (Abb. 43). Ei­nige weitere Gefäße lagen in der westlichen Nische und von den beiden größeren Konzentrationen in Richtung Kammermitte verteilt. In der unteren Lage blieb die östliche Nische fast völlig leer von Keramikgefäßen und auch die nördliche Nische war weitestgehend frei von Gefäßen. Die Keramikgefäße der oberen Lage der Funde in Gruft IV (Abb. 44a-c) konzentrierten sich vor allem wiederum im Be­reich zwischen dem Eingang und dem südlichen Bereich der östlichen Nische, sowie im südlichen Teil der westlichen Nische. Weitere Konzentrationen an Gefäßen befanden sich an den Zwischenwänden zwischen den Nischen. Weite­re einzelne Gefäße 1112 Ebenda: 147.

lagen großflächig verteilt im restlichen Be­reich der Kammer. Es fällt auf, dass in beiden Lagen der Be­reich östlich des Eingangs bevorzugt genutzt wurde, um Keramikgefäße abzu­stellen. Betrachtet man die Abbildung der Verteilung der skelettalen Überreste im Vergleich mit der Ausbreitung der Keramikgefäße (vgl. Abb. 42 bis 44a-c), so ist zudem bemerkenswert, dass besonders im Bereich der Schädel, Keramikanhäufungen dokumentiert wur­den. Möglicherweise ist dies damit zu erklären, dass zumindest ein Teil der Keramikgefäße den verstorbenen Individuen direkt mitgegeben wurden. Eine Platzierung der Keramikgefäße in Kopfnähe und eine damit erfolgende Zuteilung der Gefäße zu dem Verstorbenen entspräche der Plat­zierung der Keramikgefäße in den einfachen Gräbern in Qaṭna. Es hat den Anschein, als hätten sich in der unteren Lage vor allem kleinere Gefäße wie Becher befunden, während in den oberen Lagen vor allem Töpfe und größere Gefäße in der Verteilungskarte markiert sind. Allerdings ist eine solche Verteilung möglicherweise auch auf die taphonomischen Prozesse zurückzuführen, durch die kleinere Objekte eher in die unteren Schichten gelangen können als größere. Da für die Menschenknochen keine stratigraphischen Bezüge zu den Keramikgefäßen festgehalten wurden, lässt es sich nicht entscheiden, ob beispielsweise während der gesamten Nutzung der Gruft Bestattungen vorgenommen wurden, oder ob man ab einem bestimmten Zeitpunkt lediglich sukzessive Keramikgefäße im Eingangsbereich abstellte, um die Toten dauerhaft in der Unterwelt zu versorgen. Zu möglicherweise in der Gruft vorhandenen Tierknochen, trifft R. du Mesnil du Buisson keine Aussage.

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Der archäologische Befund

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Abb. 46: Verteilungsplan der Keramikfunde und der Menschenknochen (letztere sind durch die griechischen Buchstaben gekennzeichnet) in der Gruft I (nach Du Mesnil du Buisson 1927a: Pl. VII 1+2; Übereinanderlegung der zwei Pläne durch Autorin).

3.1.1.2.2 Gruft I (MBZ I) Der Eingang zu Gruft I, die vermutlich in der Mitt­leren Bronzezeit  I angelegt wurde, befindet sich im Königs­palast nördlich des Brunnens (Raum U) eingetieft in die Falaise (Abb. 36).1113 Von einem rechteckigen Schacht aus erreicht man das Zweikammergrab über drei Stufen durch eine nie­ drige Öffnung.1114 Die Tatsache, dass R. du Mesnil du Buisson diese Gruft ungestört auffand, ist offenbar darauf zurückzuführen, dass sie sorgfältig bei der Errichtung des Königspalastes zu Beginn der Mitt­ leren Bronzezeit IIA zugesetzt und überbaut wurde. Dieses Vorgehen zeugt von dem Respekt den die Erbauer des Palastes den Verstorbenen entgegenbrachten.1115 R. du Mesnil du Buisson fand auf dem Boden der Gruft eine Ablagerung aus menschlichen Knochen, für die er annahm, dass es sich um die Überreste 1113 Du Mesnil du Buisson 1927a : 13 ; 1935: Pl. XVI. In der Grabungskampagne 2010 konnte die Gruft I durch das syrisch-deutsche Grabungsteam erneut freigelegt und genau lokalisiert werden (Dohmann-Pfälzner – Pfälzner 2011: 4144). Eine detaillierte Publikation des Befundes dieser Gruft erfolgt in Lange-Weber im Druck. 1114 Du Mesnil du Buisson 1927a: 14, Pl. V; Lange-Weber im Druck. 1115 Dohmann-Pfälzner – Pfälzner 2011: 44.

von sukzessiven Bestattungen im selben Bereich handelte. In der Gruft I ließen sich 16 erwachsene Individuen rekonstruieren. Allerding schließt R. du Mesnil du Buisson aus der großen Menge an organischem Material, das er in der Kammer vorfand, dass die Zahl der Bestatteten beträchtlich höher gelegen haben könnte. Mit wenigen Ausnahmen wurden die Bestatteten offenbar parallel zu den Eingangsstufen niedergelegt, der Kopf meist nach Osten zeigend. Möglicherweise wurden auch fünf Kinder in der Gruft bestattet, die Wirbelknochen, die diesen Kindern zugeschrieben wurden, könnten allerdings auch zu Tieren gehört haben.1116 Abgesehen von die­ sen Knochen, deren Zuweisung nicht gesichert ist, sind keine weiteren Tierknochen für die Gruft I dokumentiert. Neben zahlreichen Keramikgefäßen, die innerhalb einer Erdanhäufung im Eingangsbereich frei­ legte worden waren, waren weitere Keramikgefäße, nach R. du Mesnil du Buissons Beurteilung, ohne erkennbare Ordnung in der Kammer verteilt. Zum Teil waren sie augenscheinlich bereits in der Antike zerbrochen und viele standen verkehrt herum (Abb. 46).1117 Insgesamt sind für die Gruft 99 Keramikge1116 Du Mesnil du Buisson 1927a: 14 f. 1117 Du Mesnil du Buisson 1927a: 14.

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Qaṭna

Abb. 47: Exemplarische Zusammen­stellung der Keramikgefäße aus der Gruft I (Du Mesnil du Buisson 1927a: Pl. XIII 1.-3.).

fäße dokumentiert.1118 Diese hohe Anzahl an Keramikgefäßen ließ R. du Mesnil du Buisson ebenfalls auf eine beträchtliche Anzahl an Bestattungen schließen.1119 Eine gewisse Bandbreite bei den Stilen, in denen die Keramikobjekte gefertigt wurden, erklärt er durch die lange Nutzungsdauer der Gruft von ca. einem Jahrhundert.1120 An Gefäßformen sind Töpfe, Schalen verschiedener Größen, Flaschen, Krüge und der sogenannten Champagnerbecher belegt (siehe Abb. 47).1121 Auffällig an dem Befund ist, dass die Keramikgefäße vor allem östlich und südöstlich des Eingangs­ bereiches angehäuft gewesen sind (Abb. 46). Aller­dings zeigt der Verteilungsplan auch, dass sich die Gefäße vereinzelt auch im restlichen Bereich der Kammer verteilten. Zudem ist bemerkenswert, dass in der räumlichen Erweiterung im Westen der Kammer keine Keramikgefäße verzeichnet wurden, obwohl sich auch in diesem Bereich Menschenknochen befanden.1122 Der Mangel einer exakten Dokumentation der Lage der einzelnen Knochen und einer Verzeichnung von Primär- sowie Sekundärbe­ stattungen in Zusammenhang mit den Keramikgefäßen, macht eine Deutung des Befundes schwierig. Der Ausgräber ging zwar davon aus, dass sich die Verteilung anhand von sukzessiven Bestattungen erklären lässt: „[…] lorsque’on apportait un corps nouveau avec son mobilier funéraire, on repoussait les vases anciennement déposés; on en fit même une 1118 Vgl. Ebenda: Pl. VII 2; Dohmann-Pfälzner – Pfälzner 2011: 44. 1119 Du Mesnil du Buisson 1927a: 15. 1120 Ebenda: 16. 1121 Ebenda: 16-18, 28 Abb. 46-54, 70, Pl. VIII-XIII; R. du Mesnil du Buisson datiert diese Keramikgefäße in die Mitte des 2. Jt. v. Chr. (Ebenda: 18). 1122 Du Mesnil du Buisson 1927a: Pl. VII: 2.

sorte de dépôt sur les côtés de la porte.“1123 Allerdings ist diese Interpretation so schwer haltbar. Zum einen würde man, sollten die Beigaben vorheriger Bestattungen zur Seite geschoben worden sein, eine Knochenansammlung mit verschiedenen Beigaben an einer der Seitenwände oder sogar in der westlichen Nebenkammer erwarten. Stattdessen wurde jedoch der Großteil der Gefäße im Eingangsbereich gefunden. Dass entsprechend der zweiten Annahme die Gefäße am Eingang im Rahmen einer Bestattung abgestellt wurden, ist eine mögliche Interpretation. Allerdings zeigt die Verteilung weiterer Gefäße im restlichen Teil der Grabkammer und deren Vergesellschaftung mit Gebeinen, dass dies, sofern die Interpretation zutreffen sollte, nicht die einzige Form der Darbringung von Speisen war. Vielmehr hat es den Anschein, als seien die Keramikgefäße jeweils gemeinsam mit den Verstorbenen an einem Ort in der Kammer abgelegt worden. Dies könnte auch die Ansammlung an Keramikgefäßen östlich des Eingangs erklären, die sich, entsprechend der oben beschriebenen Lage der Skelette, größtenteils im Kopfbereich der Bestattungen befunden haben dürften. Ob es sich letztendlich bei diesen Gefäßen ausschließlich um Beigaben für einzelne Bestattungen handelt oder um das wiederholte Einbringen von in Gefäßen aufbewahrten Speisen für die Toten, die man vom Eingang aus dort abstellte, lässt sich (anhand der vorliegenden Dokumentation) nicht mehr entscheiden. Eine Interpretation, dass es sich um das Geschirr handelt, das von dem durch die Hinterbliebenen abgehaltenen Totenmahl übrig blieb und nach der Zeremonie in der Gruft abgestellt wurde, ist unwahr­scheinlich. Dagegen spricht die Tatsache, dass es sich, der zeichnerischen Dokumentation zufolge, hauptsächlich um Töpfe und Krüge 1123 Ebenda: 16.

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Der archäologische Befund

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handelte. Dies würde darauf hindeuten, dass hier eher Lebensmittel in den entsprechenden Gefäßen zur Aufbewahrung als Opfergaben abgestellt wurden. Anderenfalls hätte man eher flache Schalen zum Verzehr von Speisen erwartet (siehe auch Kapitel 1.1.4.3).

die Befunde der Grüfte, und damit der Grabstätten der Eliten dieses Königreiches, mit einfacheren Gräbern und deren potenziell im Zusammenhang mit dem Totenmahl stehenden Beigaben zu vergleichen.

3.1.1.2.3 Zusammenfassung und Interpretation

Dank der intensiven Analyse der Befunde durch verschiedene Spezialisten besteht die Möglichkeit das Totenmahl unter Berücksichtigung der archäozoo­ logischen und anthropologischen Ergebnisse, unter Berücksichtigung der Keramik – ihrer Verteilung und der chemischen Untersuchungen ihres Inhalts – sowie unter Berücksichtigung der raumkontextuellen Gegebenheiten zu betrachten. Obwohl nur in sehr geringem Maße vorhanden, sollen auch die Texte, die im weitesten Sinne den Totenkult in Qaṭna betreffen, in dieser Untersu­chung Beachtung finden (siehe zu den schriftlichen Quellen aus Qaṭna auch Kapitel 3.2). Die neuesten Ergebnisse, die die abschließende Auswertung der Königsgruft erbrachte, haben das Verständnis der Königsgruft und der in ihr stattgefundenen Bestattungen sowie der rituellen Abläufe grundlegend verändert. Dieses veränderte Verständ­ nis ist unter anderem durch neue 14C-Daten für ver­schiedene Knochen aus der Gruft, durch eine chro­nologische Einordnung aller Keramikgefäße sowie eine neu entworfene Gesamtinterpretation der Gruft durch P. Pfälzner bedingt.1126 Diese abschließende Aufarbeitung der Befunde und Funde in der Königsgruft führt auch dazu, dass das originale Kapitel aus der hier publizierten Dissertation umfangreich überarbeitet werden musste, um die neuesten Ergebnisse zu berücksichtigen.1127 Im Folgenden werden die für das Totenmahl re­le­ vanten Aspekte abermals1128 aufgegriffen, um sie im abschließenden Kapitel 5 im vorliegenden Band in den Gesamtkontext dieser Arbeit zu stellen.

Es kann festgehalten werden, dass die besprochenen Grüfte wiederholt für Bestattungen von Personen dienten. Sobald kein Platz mehr für eine weitere Be­stattung vorhanden war, wurden die Knochen älterer Bestattungen zum Teil an einer Wand aufgehäuft und dadurch mit den Knochen vorhergehender Bestattungen vermengt. Ähnlich wie auch für die Königsgruft konstatiert (siehe Kapitel  3.1.1.3.1.4.5 und 3.1.1.3.1.4.11), nehmen A. Canci und D. Mo­ran­di Bonacossi an, „[…] dass die Verstorbenen ihre individuelle Identität einbüßten und Teil einer anonymen Gruppe von Vorfahren wurden […].“1124 Für die beiden Grüfte, deren Inventar noch er­halten war, ist festzuhalten, dass sie über eine be­stimmte Zeitspanne mehrfach genutzt wurden und über Treppen und/oder Schächte zugänglich waren.1125 Den in die Grüfte eingebrachten Bestattungen wurden vermutlich Gefäßbeigaben mitgegeben, die zumin­dest zum Teil in der Nähe der Verstorbenen deponiert worden zu sein scheinen. Sobald ältere Bestattungen beiseite geschoben werden mussten, um Platz für weitere Bestattungen zu schaffen, wurden vermutlich auch die dazugehörigen Keramikgefäße an die Seite geräumt. Zumindest bei der Gruft  I erweckt die Fundverteilung zudem den Eindruck, als wären vom Eingang aus noch weitere Gefäße in der Gruft platziert worden. Die vorhandenen Gefäßformen lassen darauf schließen, dass zumindest die geschlossenen Gefäße zur Aufbewahrung von Speisen dienten. Die zahlreichen Becher in der Gruft IV sowie die wenigen Schalen und Becher in der Gruft I könnt­en zudem als „Essgeschirr“ für die Toten gedacht gewesen sein (siehe auch Kapitel 2.1.1.4.1.2). 3.1.1.3 Die Grüfte des Königspalastes von Qaṭna Die außergewöhnlichen Befunde der 2002 entdeckten Königsgruft und der 2009 gefundenen Gruft VII unter dem Königspalast liefern hinreichend Informationen bezüglich der Ausführung des Totenmahls in Qaṭna. Zudem bietet sich in Qaṭna die Gelegenheit, 1124 Canci – Morandi Bonacossi 2009: 151; siehe auch Morandi Bonacossi 2011: 27 f.; der weiteren Annahme von A. Canci und D. Morandi Bonacossi, dass die Gruppe von Vorfahren „[…]als ‚Familien-Gottheit‘ gemeinschaftlich verehrt wurde.“ (Canci – Morandi Bonacossi 2009: 151), wird in dieser Arbeit nicht zugestimmt (siehe Kapitel 3.2.2.2). 1125 Vgl. auch Roßberger 2015: 37.

3.1.1.3.1 Die Königsgruft von Qaṭna

3.1.1.3.1.1 Die architektonische Einbindung der Königsgruft Die Königsgruft und somit der Bau des Palastes datieren in die Regierungszeiten des Išḫī-Addu (>1783 – 1776 v. Chr.) und seines Sohnes Amudpi-El (1775 – männlich (Grazilität), 2. und 3. Juvenis (14-18 Jahre), Geschlecht männlich > weiblich (Robustizität), 4. Infans 2 (unter 10 Jahre), Geschlecht nicht bestimmbar. An erwachsenen Individuen gab es im Einzelnen: 5. adult (älter als 25 Jahre), Geschlecht männlich > weiblich (Robustizität), 6. adult (älter als 20 Jahre), Geschlecht weiblich > männlich (Grazilität), 7. Matur(-senil), Geschlecht nicht bestimmbar. Witzel 2011a: 378 f. 1299 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.7.2 („Die zeitliche Abfolge der Depositionen in Kammer 2“).

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Der archäologische Befund

Abb. 57: Die vermutlich als Ossuarium dienende öst­li­ che Nebenkammer (Foto: Konrad Wita).

licher Teilverband konn­te dokumentiert werden1300), eingebettet in eine flache Schutt­schicht. Dies deutet darauf hin, dass hier menschliche und tierische Knochen aus anderen Kammer der Gruft sekundär in die östliche Nebenkammer umgebettet wurden.1301 Unter den 82 stark fragmentierten Tierknochen in dieser Schicht fanden sich vor allem Langknochen, aber auch einige Fußknochen von Ovicapriden. Ein Oberarmknochen eines Rindes sowie zwei unbestimmte Vogel­knochen waren ebenfalls in der Tierknochenkollek­tion vertreten. 60 Tierknochenfragmente ließen sich nicht näher be­stimmen, wurden aber allesamt kleinen Arten (Ovicapriden u.Ä.) zugewiesen.1302 Vier Keramikschalen der Mittleren Bronze­zeit bezeugen eine Darbringung von Speiseopfern für die Toten bereits zur Zeit der Ablagerung.1303 P. Pfälzner postuliert, dass es sich bei dem ältesten Ablagerungsniveau (Schicht b) um ausschließlich mittelbronzezeitliche Sekundärbe­ stattungen und Objekte handelt.1304 Schicht c Auch in der mittleren Schicht c lagen Menschen- und Tier­knochen vermischt in eine Erdablagerung einge1300 Witzel im Druck: Kapitel 2.2.6.2 („Menschenknochen aus der ältesten Ablagerung G-Fs2156 der Kammer 2“). 1301 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.2.4 („Die archäologische Stratigraphie und Chronologie der Kammer 2“). 1302 Vila im Druck: Kapitel 2.2.6.3 („Tierknochen aus der ältesten Ablagerung G-Fs2156“). 1303 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.2.4 („Die archäologische Stratigraphie und Chronologie der Kammer 2“). 1304 Ebenda: Kapitel 4.7.2 („Die zeitliche Abfolge der Deposi­ tionen in Kammer 2“).

bettet. Von zwei menschlichen Knochen konnten 14 C-Daten bestimmt werden, die eine Zeitspanne abdecken, die vor der Anlage der Gruft beginnt und bis in die ersten Jahre der Nutzung reicht.1305 Da diese Datierungen den Zeitpunkt des Todes der Individuen bestimmen, deren Knochen in die Kammer 2 umgebettet wurden, ist es denkbar, dass es sich bei diesen menschlichen Überresten um zwei der ersten Primärbestattungen in der Königsgruft handelt.1306 Die Knochen wären im Folgenden erst mit der Einbringung der als Schicht c definierten Akkumulation in die östliche Nebenkammer umgebettet worden. Besonders bemerkenswert ist die große Anzahl an Tierknochen in dieser Schicht. Von insgesamt 583 dokumentierten Knochenresten konnten 110 taxonomisch identifiziert werden. Der Großteil der Knochen stammt von Ovicapriden, sehr wahrscheinlich Schafen. Rinderknochen waren mit 13 Elementen nur in verhältnismäßig geringer Anzahl vertreten. Von diesen Tieren wurden zum einen zahlreiche Langknochen und Wirbel verzeichnet, die als Überreste der fleischreichen Teile der Tiere interpretiert werden können, aber auch Fußknochen 1305 1954 – 1777 calBC (2sigma) und 2008 – 1783 v. Chr. (2 sigma); aufgrund der Datierung der Errichtung der Gruft um 1780 v. Chr., geht P. Pfälzner davon aus, dass für beide Proben eine Datierung in die letzten Jahre der angegebenen Zeitspanne zutreffen müsste. Eine dritte Probe datiert in den Zeitraum 2017 – 1883 calBC (2sigma) und somit in die Mittlere Bronzezeit I und vor den Zeitpunkt, als die Gruft angelegt wurde. Bei dieser Probe geht P. Pfälzner davon aus, dass ein taphonomisch bedingter Alterungseffekt zu diesem älteren Datum geführt hat (Ebenda: Kapitel 4.6.2.2 [„14CDaten aus der Ablagerung der Schicht c in Kammer 2“]). 1306 Ebenda: Kapitel 4.6.2 („14C-Daten aus Kammer 2“).

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Qaṭna

waren zahlreich vertreten. Des Weiteren konnten 22 Vogelknochen bestimmt werden, die von einem Huhn, von Wildgänsen, Tauben, einer Turteltaube und nicht näher identifizierbaren Sperlingsvögeln stammen. Letztere sind vermutlich auf natürlichem Weg in die Gruft gelangt. In einer mittelbronzezeitlichen Schale, die im Nordosten der Ablagerung, unmittelbar südwestlich der organischen Ablagerung Inst.  1359 stand, wurden zwei Tierknochen freigelegt: Ein Teil eines Schenkelbeins (Femur) eines Schafes und ein Hühner­bein. E. Vila zieht in Erwägung, dass diese Knochen in situ auf der Schale lagen. An dem Hühner­bein waren Schnittspuren zu erkennen, die darauf hinweisen, dass das Fleisch von den Knochen getrennt wurde. Zudem zeigt ein Fußknochen eines Schafes Schnittspuren, die auf die Exartikulation beim Schlachten hinweisen und Schnittspuren an einem Wirbelkörper eines Schafes deuten auf eine Durchtrennung der Wirbelsäule oder das Entfernen von Fleisch hin. Interessant ist zudem, dass die 110 identifizierten Knochen mindestens drei Schafen und zwei Rindern unterschiedlichen Alters zugewiesen werden können.1307 Von drei Keramikschalen, die dieser Schicht zugeschrieben werden können, datieren zwei, die von den Knochen und Erdablagerungen vollständig umgeben waren, in die Mittlere Bronzezeit. Eine dritte Schale, die nahe der Oberkante dieses Ablagerungsniveaus umgedreht und in zerbrochenem Zustand vorgefunden wurde, ist in die Späte Bronzezeit zu datieren. Die Datierung und jeweilige Einbettung der Schalen spricht dafür, dass das mitt­lere Ablagerungsniveau, Schicht c, offenbar über einen langen Zeitraum entstand und von der Mitt­leren Bronzezeit bis in die Späte Bronzezeit datiert.1308 Schicht d Die Oberkante der Schicht c diente als Begehungs­ fläche Inst.  1358, auf der sich Ablagerungen, Schicht  d, der im weiteren vorgenommenen Hand­ lungen akkumulierten. Daraus schließt P. Pfälzner, dass beide Schichten Teil eines kontinuierlichen Prozesses darstellen, von denen die Schicht d mit der letzten Nutzung in anderen Teilen der Gruft korre­liert werden kann. Dass in dieser letzten Phase keine intensive Nutzung der Kammer 2 mehr erfolgte, kann daraus abgelesen werden, dass die Begehungsfläche Inst.  1358 kaum verdichtet war und entsprechend wenig begangen worden war. Ein Menschenknochen aus dieser Schicht datiert ebenfalls an den Beginn der Nutzung der Königsgruft, jedoch etwas jünger als die Knochen der 1307 Vila im Druck: Kapitel 2.2.3.3 („Tierknochen aus den Fundstellen G-Fs2140 und G-Fs2141“). 1308 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.7.2 („Die zeitliche Abfolge der Depositionen in Kammer 2“).

Schicht  c.1309 Auch bei dem zu diesem Knochen gehörenden Individuum dürfte es sich folglich um eine sehr frühe Bestattung aus der Königsgruft handeln, die im Rahmen ihrer Umbettung in die Schicht d der Kammer 2 überführt wurde. Die Menschenknochen dieser Schicht lagen stark vermischt mit 214 Tierknochenfragmenten, von denen mehr als die Hälfte taxonomisch bestimmt werden konnten. Der Großteil der Tierknochen fand sich im Zentrum der Kammer und im südwestlichen Bereich, neben dem Durchgang. Im nordwestlichen Teil der Kammer konnte ein Unterschenkelknochen einer Ovicapriden in einer Schale der Späten Bronzezeit IIA dokumentiert werden, der sich dort möglicherweise noch in der originalen Position einer der letzten Opferdarbringungen befand. Von den übrigen Knochen konnten 57 Knochen Ovi­capriden (bei den mit größerer Genauigkeit bestimm­baren Knochen handelt es sich fast aus­schließlich um Schafsknochen) zugeschrieben werden. Des Weiteren befanden sich 19 Rinder­ knochen und 28 Vogelknochen von mindestens zwei Tauben, drei Wildgänsen und einem Greifvogel in dieser Schicht der Kammer  2. Während letzterer vermutlich nicht als Speiseopfer sondern intrusiv in die Gruft gelangte (dies gilt auch für verschiedene Nagetierknochen), zählen Tauben und Gänse zu den Vogelopfern, die auch in der Hauptkammer belegt sind. Unter den Schafsknochen, die min­destens vier Individuen zugewiesen werden können, sind Knochen aus dem gesamten postcranialen Ske­lett vertreten. Die Rinderknochen stammen aus den Gliedmaßen sowie von Rippen und Wirbeln und stellen somit allesamt Überreste der fleischlastigen Teile dar. Mehrere Schafs- und Rinderknochen wiesen Schnittspuren auf, die von verschiedenen Schlachthandlungen zeugen: Schlachtung des Tie­ res oder Entfernung des Kopfes, Zergliederung der Wirbelsäule, Entfernung von Fleisch, Abtrennen der Extremitäten am Vorder-/Hinterfußgelenk. In zwei Fällen, dem Hinterfuß eines Schafes und dem Vorderfuß eines Rindes, konn­ten anatomische Verbindungen festgestellt werden. Diese Teile des Skeletts besitzen keinen Wert als Speiseopfer und können als Schlachtabfälle angesprochen werden. Sie lagen vor dem Durchgang von Kammer  2 in die Hauptkammer und wurden, so E. Vila, möglicherweise, aufgrund des erhaltenen Verbandes, im Rahmen einer der letzten Handlungen in Kammer 2 abgelegt.1310 Der Schicht d werden elf Keramikgefäße zu­ge­ schrieben. Dabei handelt es sich um sieben Schalen, drei Flaschen und einen Krug, von denen eine Schale 1309 1888 – 1750 calBC (2sigma) (Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.6.2.3 [„Ein 14C-Datum aus der Ablagerung der Schicht d in Kammer 2“]). 1310 Vila im Druck: Kapitel 2.2.2.3 („Tierknochen aus der Fundstelle G-Fs2131“).

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Der archäologische Befund und eine Flasche in die Mitt­lere Bronzezeit datieren. Die mittelbronzezeitliche Schale stand westlich des organischen Objekts Inst.  1359 in einem Bereich, in dem ebenfalls mittelbronzezeitliche Schalen der Schichten b und c zu finden waren. Offenbar wurden die Gefäße hier in Form einer Gruppe aufeinander­ gestapelt und die der Schicht d zugeschriebene Schale gehörte tatsächlich zur Gefäßgruppe der älteren Schichten. Auch für die mittelbronzezeitliche Flasche nimmt P. Pfälzner an, dass sie bereits mit den älteren Bestattungen in die Kammer 2 gebracht worden sein dürfte. Ebenso dürfte der Krug, der in die Späte Bronzezeit I einzuordnen ist, vermutlich schon länger Teil des ritu­ellen Kreislaufs in der Gruft gewesen sein. Die übrigen sechs Schalen und zwei Flaschen datieren in die Späte Bronzezeit IIA. Sie wurden erst im Rahmen der letzten Nutzung in die Kammer eingebracht und dienten vermutlich zur Darbringung von Opfergaben für die älteren Bestattungen.1311 Die organischen Ablagerungen vor der Ostwand von Kammer 2 Die bereits erwähnten organischen Ablagerungen, die als Überreste von Holzkisten gedeutet wurden, sind auf die Zeit der Akkumulation der Schicht  c zurückzuführen und hätten, sofern es sich um Holz­ kisten gehandelt hat, bis zum Ende der Gruftbenutzung in der Kammer 2 gestanden.1312 In den Bereichen beider organischer Ablagerungen ließen sich die Knochen von jugendlichen und erwachsenen Individuen identifizieren. Aus dem Bereich der nördlichen organischen Ablagerung (Inst. 1359) wurde ein Menschenknochen mittels 14C-Analyse datiert, aus dem Bereich der südlichen organischen Ablagerung (Inst. 1360) konnten zwei Knochen da­tiert werden. Während der Knochen aus dem Bereich der nördlichen organischen Ablagerung wiederum mit dem Ende der datierbaren Zeitspanne in den Beginn der Nutzung der Gruft fällt,1313 datieren die beiden Knochen aus der südlichen organischen Ablagerung wahrscheinlich in die Mittlere Bronzezeit IIA1314 und 1311 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.2.4 („Die archäologische Stratigraphie und Chronologie der Kammer 2“), Kapitel 4.4.9 („Die spätbronzezeitliche Keramik“) und Kapitel 4.7.2 („Die zeitliche Abfolge der Depositionen in Kammer 2“). 1312 Ebenda: Kapitel 4.2.4 („Die archäologische Stratigraphie und Chronologie der Kammer 2“). 1313 1913 – 1766 calBC (2sigma) (Ebenda: Kapitel 4.6.2.1 („14C-Daten aus den organischen Objekten Inst. 1359 und Inst. 1360 der Schicht c in Kammer 2“). 1314 1871 – 1669 calBC (2sigma) und 1877 – 1692 calBC (2sigma), jeweils mit einer größtmöglichen Wahrscheinlichkeit einer Datierung in die letzten hundert Jahre (Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.6.2.1 [„14C-Daten aus den organischen Objekten Inst. 1359 und Inst. 1360 der Schicht c in Kammer 2“])

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stellen damit die jüngsten datierten Knochen in der östlichen Nebenkammer dar. Im Bereich der südlichen der beiden organischen Ablagerungen waren keine datierbaren Funde vor­ handen.1315 In diesem Bereich fanden sich die Knochen von jugend­lichen und erwachsenen Individuen, die gleichermaßen in das obere und untere differenzierte Niveau eingebettet lagen.1316 Die Menschenknochen waren mit insgesamt 179, teilweise sehr stark fragmentierten, Tierknochen vermischt. In der oberen Lage der Ablagerung fanden sich neben einem Rin­derknochen sechs Knochen von Ovicapriden (davon drei sicher als Schaf identifiziert), die einem erwachsenen und einem Jungtier zugewie­sen werden können. Zwei Unterarmknochen (Ra­dien) der Schafe wiesen Schnittspuren auf, die auf Fleischentfernung hindeuten. In der unteren Lage wurden wesent­lich zahlreichere, aber auch stärker zersplitterte Tier­knochen dokumentiert. Insgesamt zählt E. Vila 42 Knochen von Ovicapriden (14 davon näher als Schaf bestimmt), vier Rinderknochen und drei Vogelknochen (einmal Gans, zweimal Taube). An Oberarm- und Oberschenkelknochen von Ovicapriden waren Schnittspuren vorhanden, die vom Schlachten und Entfernen des Fleisches stammen. Zudem legt der Befund nahe, dass Knochen eines rechten Vorderfußes und eines rechten Hinterfußes im anatomischen Verband abgelegt wurden.1317 Im Be­reich der nördlichen organischen Ablage­ rung konn­ten drei Schalen geborgen werden – eine mittelbronzezeitliche (MBZ II), die vollständig in das dort anstehende Material eingebettet war, eine fragmentierte spätbronzezeitliche Schale und eine weitere spätbronzezeitliche Schale, die auf der Oberkante der Ablagerungen stand.1318 Diese Schalen sind vergesellschaftet mit den menschlichen Knochen eines juvenilen Individuums, die in die unteren Lagen der Ablagerung eingebettet waren, und Überresten eines erwachsenen Individuums, die aus dem oberen Niveau geborgen wurden.1319 Die Menschenknochen waren vermischt mit 129 Tier­ knochen, von denen die Hälfte bestimmt werden konnte. Insgesamt 40 Knochen konnten Schafen bzw. Ovicapriden zugewiesen werden und lassen auf eine Mindestindividuenzahl von drei Schafen schließen. Die in nur sehr geringer Zahl (drei Ele1315 Ebenda: Kapitel 4.2.4 („Die archäologische Stratigraphie und Chronologie der Kammer 2“). 1316 Witzel im Druck: Kapitel 2.2.5.3.2 („Menschenknochen im Bereich des organischen Objekts Inst.  1360 vor der östlichen Kammerwand“). 1317 Vila im Druck: Kapitel 2.2.5.4.2 („Tierknochen aus dem Bereich von Inst. 1360“). 1318 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.2.4 („Die archäologische Stratigraphie und Chronologie der Kammer 2“). 1319 Witzel im Druck: Kapitel 2.2.5.3.1 („Menschenknochen im Bereich des organischen Objekts Inst.  1359 vor der östlichen Kammerwand“).

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mente) vorhandenen Rinder­nochen stammen von mindestens einem Tier. Abge­sehen von diesen in den meisten Ablagerungen häufig vertretenen Tieren fanden sich im Be­reich der organischen Ablagerung verhältnismäßig viele Vogel­knochen: sechs Gänseknochen (Mindestindivi­duen­zahl 1) und drei Sperlingsvogelknochen. Bei den Schafsknochen sind zwar Elemente aller Skelettregionen vertreten, allerdings überwiegen die Fußknochen (Vorder- und Hinterfuß), die zudem anatomische Zusammenhänge aufwiesen. Daraus leitet E. Vila ab, dass der Bereich der postulierten Holzkiste weniger gestört worden war als die anderen Bereiche der Gruft.1320 Zusammenfassung zum Totenmahl in Kammer 2 Insgesamt lassen sich aus den menschlichen Überresten der Kammer 2 sieben Individuen rekonstruieren – vier Individuen, die vor dem Errei­chen des Erwachsenenalters verstorben sind und drei erwachsene Individuen.1321 Vieles spricht dafür, dass es sich bei Knochen aus Schicht c, Schicht d und aus dem Bereich des organischen Objekts Inst. 1360 um ein einzelnes weibliches, jugendliches Indivi­ duum handeln könnte.1322 Falls dem so ist, wären die Knochen dieses Individuums im Lauf der Zeit über verschiedene Fundstellen verteilt worden, was als Folge einer Bewegung der Knochen im Rahmen der fortlaufenden rituellen Verehrung der Verstorbenen interpretiert werden könnte. Da nicht anzunehmen ist, dass die Hinterbliebenen bei einer solchen Knochenanhäufung noch Bezug auf die sterb­lichen Überreste einzelner Individuen nehmen konn­ten, ist davon auszugehen, dass mit der Umbettung der Knochen in diese Kammer der Tote seinen Status als namentliches Individuum verlor und in das Kollek­tiv der Ahnen integriert wurde.1323 Trotz einer möglichen Verteilung der Knochen eines Individuums über die verschiedenen Ablagerungen, ist eine chronologische Abfolge der Schichten über lange Zeit­räume hinweg aus der stratigraphischen Abfolge 1320 Vila im Druck: Kapitel 2.2.5.4.1 („Tierknochen aus dem Bereich von Inst. 1359“). 1321 Siehe Fn. 1298. 1322 Eine Passung mit einem anatomischen Verband in Schicht b lässt sich nicht ausschließen, aufgrund des Fragmentierungsgrades aber auch nicht belegen (Witzel im Druck: Kapitel 2.2.7.2 [„Der anthropologische Befund“] und Kapitel 2.2.6.2 [„Menschenknochen aus der ältesten Ablagerung G-Fs2156 der Kammer 2“]). Desweiteren sind möglicherweise auch zu weiteren Individuen zugehörige Knochenelemente teilweise über die Fundstellen der Schichten c und d sowie die organischen Ablagerungen verteilt (Witzel im Druck: Kapitel 2.2.7.2 [„Der anthropologische Befund“]). 1323 So auch P. Pfälzner: „Here, in contrast to the main chamber and to chamber 4, the bones were deposited without respect to the unity of the individual person. The dead became part of a collective group of the deceased. […] the individual ancestors became collective ancestors after having been trans­ ferred into the ossuary.” (Pfälzner 2012b: 412 f.).

der Ablagerungen und der Verteilung der datierbaren Funde in Kammer 2 nachvollziehbar.1324 Während vor allem die Keramikschalen und -flaschen der Späten Bronzezeit IIA aus der Schicht d darauf hindeuten, dass in dieser Zeit die älteren Sekundärbe­stattungen in der Kammer 2 weiterhin rituell mit Speisen versorgt wurden, lässt der Großteil der Tierknochen durch die starke Vermi­schung mit den Menschenknochen eher vermuten, dass diese gemeinsam mit den Menschen­knochen umgebettet wurden. Vermutlich stellen diese Tier­knochen bereits die Überreste von Speiseopfern dar, die den Verstorbenen an ihrem primären Bestattungsplatz dargebracht wurden und anschließend, gemeinsam mit den menschlichen Gebeinen, in die östliche Nebenkammer umgebettet wurden.1325 Denkbar wäre allerdings auch, dass ein Teil der Tierknochen in Kammer 2 von wiederholt dargebrachten Fleischopfern stammt, deren Knochen im weiteren Verlauf der rituellen Nutzung dann jedoch, ebenso wie die Menschenknochen, immer wieder bewegt wurden. Zudem fasst E. Vila zusammen, dass die vermutlich in anatomischem Verband abgelegten Fußknochen in den Bereichen der Organischen Unterlagen als Primärabfälle, d.  h. Schlachtabfälle, angesprochen werden können. Andere Knochen in der Kammer 2 interpretiert E. Vila als Sekundärabfälle, die als Überreste von in der Gruft konsumiertem Fleisch oder von Fleischopfern schließlich in der Kammer 2 deponiert wurden. Dies bezeugt die Bedeutung dieser Knochen, die im rituellen Kreislauf verblieben und nicht außerhalb der Gruft entsorgt wurden.1326 Eine andere Interpretation legen einige Tier­ knochen in zwei Schalen nahe: Dies ist zum einen eine mittelbronzezeitliche Schale in Schicht  c und eine Schale der Späten Bronzezeit IIA in der nord­ westlichen Ecke der Kammer in der Schicht d, in denen die Tierknochen möglicherweise noch in situ lagen. Diese Befunde, ebenso wie die Keramikgefäße in Form von Schalen, Flaschen und Krügen, die in der unteren Lage in die Mittlere Bronzezeit datieren und in den darüber folgenden Ablagerungs­ horizonten zunehmend aus spätbronzezeitlichen Formen bestehen, lassen eine kontinuierliche Versorgung mit Speiseopfern der umgebetteten Knochen in der östlichen Nebenkammer annehmen.1327 Zwar ist nicht auszuschließen, dass es sich bei den mittel1324 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.7.2 („Die zeitliche Abfolge der Depositionen in Kammer 2“). 1325 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.4.2 („Der Wandel der Aktivitätszonen und der passiven Zonen in Kammer 2“) und Kapitel 5.7.7 („Die Chronologie der Nahrungsgaben in Kammer 2“). 1326 Vila 2011: 394, 399-402; im Druck: Kapitel 2.2.7.3 („Der archäozoologische Befund“). 1327 Siehe zur Kontinuität der Opferdarbringungen in Kammer 2 Pfälzner 2003: 101; 2012b: 214; im Druck c: Kapitel 5.7.7 („Die Chronologie der Nahrungsgaben in Kammer 2“).

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Der archäologische Befund bronzezeitlichen Gefäßen um frühere Beigaben handelt, die Vergesellschaftung mehrerer Keramikgefäße an bestimmten Plätzen in der Kammer zeigt jedoch eher „wie stark die Opferhandlungen in dieser Kammer in ihrem Ablauf ritualisiert waren.“1328 P. Pfälzner sieht in dem Befund veranschaulicht, dass die Kammer 2 eine Veränderung in ihrer Benutzung erfuhr: „Mit fortschreitender Benutzungs­zeit fand eine Reduzierung der Umbettungen in die Kammer statt, aber eine Zunahme der rituellen Ver­ehrung der umgebetteten Bestattungen.“1329 Bei den nachweisbaren Überresten von dargebrachten Speiseopfern oder konsumierten Speisen handelt es sich zusammenfassend hauptsächlich um Fleisch von Ovicapriden (gut 77%).1330 Bei gut 15% der Tierknochen aus der Kammer 2 handelt es sich um Rinderknochen1331 und knapp 6% der Knochen stammen von verschiedenen Vögeln.1332 Interessant ist, dass eine Veränderung in den prozentualen Anteilen dieser Tiere über die chronologisch unter­ scheidbaren Ablagerungen hinweg zu beobachten ist. Während in der ältesten Schicht b fast aus­schließlich Ovi­capriden-Knochen (97,6%) vorkamen und die restlichen 2,4% Vogelknochen waren, nimmt der Anteil der Ovicapriden beständig ab, je jünger die Ablagerung ist (Schicht c: 80,1%, Schicht d: 71,7%), der Anteil der Vogelknochen nimmt zu (Schicht c: 3,8%, Schicht d: 8,4%) und Rinder­knochen sind in den Schichten  c und d auch zunehmend vertreten (Schicht c: 15,4%, Schicht d: 17,6%).1333 1328 Ebenda. 1329 Ebenda: Kapitel 5.4.2 („Der Wandel der Aktivitätszonen und der passiven Zonen in Kammer 2“). 1330 Zu den Ovicapriden wurden auch die Knochen der unbestimmten kleinen Arten dazu gezählt, da sie mit der größten Wahrscheinlichkeit ebenfalls auf diese Gruppe entfallen (Vila 2019c: Tab. 62, dort als „PM : vestiges taille petits mammifères (Ovis/Canis)“ angeführt). 1331 Zu den sicher als Rind bestimmten Knochen wurden, aufgrund der wahrscheinlichen Zugehörigkeit (Vila 2019c: Tab. 62, dort als „GM : vestiges taille grands mammifères (Dama/Bos/Equus)“ aufgeführt), auch die unbestimmten Knochen der großen Arten gezählt. 1332 Vgl. die Tabellen zur archäozoologischen Auswertung bei Vila im Druck: die jeweiligen Unterkapitel zu Kapitel 2.2 („Die Befunde und Fundverteilung der Kammer 2“). 1333 Vgl. ebenfalls die Tabellen zur archäozoologischen Aus­ wer­tung bei Vila im Druck: die jeweiligen Unterkapitel zu Kapitel 2.2 („Die Befunde und Fundverteilung der Kam­ mer 2“). Für die Berechnung der prozentualen Anteile wurden an dieser Stelle die Bereiche der organischen Objekte Inst. 1359 und Inst. 1360 mit der Ablagerung der Schicht d zusammengefasst, da die postulierten, vergangenen Holzkisten vermutlich noch während der Akkumulation dieser Schicht befüllt wurden. In ihrer Zusammenfassung zum archäozoologischen Befund der Kammer 2 errechnet E. Vila den prozentualen Anteil der Vogelknochen in Rela­ tion zu allen taxonomisch bestimmten Knochen. In dieser Arbeit wurden die prozentualen Anteile der Vogelknochen in Relation zu allen Tierknochen (auch den unbestimmten) ermittelt, da die unbestimmten kleinen und großen Arten Ovicapriden oder Hunden bzw. Hirsch, Rind oder Equiden

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Während die Tierknochen ein eindeutiger Beleg für die Darbringung von Fleischgaben sind, be­zeugen die geschlossenen Gefäße, dass den Toten Flüssigkeiten libiert wurden. Die biochemischen Analysen von einer Flasche und zwei Schalen be­zeugen zudem für die Kammer 2, dass die Schalen durchaus auch pflanzliche Speisen enthalten haben könnten und aus den Libationsgefäßen nicht nur Wasser ausgegossen worden sein muss, sondern in diesen ebenfalls Flüssigkeiten mit pflanzlichen Bestandteilen bereitgehalten worden sein könnten.1334 3.1.1.3.1.4.6 Die spätbronzezeitlichen Primärbestattungen, die sekundäre Mani­pulation von skeletalen Überres­ten und die Frage der Darbringung von Speiseopfern Insgesamt können in der Königsgruft fünf Berei­ che nachgewiesen werden, an denen in der Späten Bronzezeit  I Primärbestattungen niedergelegt wurden. Dabei handelt es sich zum einen um die vier als Organische Unterlagen gedeuteten Bereiche in der Hauptkammer und zum anderen um den sogenann­ ten Bestattungstisch in der westlichen Nebenkammer.1335 Der Bestattungstisch in der westlichen Nebenkammer Bei den menschlichen Überresten in einer zu rekonstruierenden Holzkiste auf dem sogenann­ten Bestattungstisch handelt es sich um die einzige in anatomischer Anordnung vorgefundene Primärbe­ stattung der Gruft (Abb. 58).1336 Zwar konnte die Bestattete anhand der sie begleitenden Schmuckfunde und einer 14C-Probe des degradierten Weichgewebes der Toten in das 15. Jh. v. Chr., und somit ca. 90 – 100 Jahre vor der Verschüttung der Gruft datiert werden,1337 dennoch kann sie, aufgrund der zugewiesen werden können (siehe Fn. 1330 und 1331). Entsprechend sind die von E. Vila errechneten prozentualen Anteile wesentlich höher als die in dieser Arbeit angeführten Zahlen. 1334 Evershed et al. 2011: Tab. 1, 2, 5, 6, 9 und 10; vgl. die Ergebnisse der mittelbronzezeitlichen Schalen MSH02Gi2094 und MSH02G-i2095 sowie der spätbronzezeitlichen Flasche MSH02G-i2084. Zur Frage des Ursprungs der Rückstände in den Gefäßen siehe auch Kapitel 3.1.1.3.1.4.2. 1335 Siehe für eine ausführliche Beschreibung der organischen Objekte Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.1.3 („Die organischen Objekte 1 bis 4“); der sog. Bestattungstisch wird in Ebenda: Kapitel 1.8.4.3 („Der Bestattungstisch“) im Detail beschrieben. 1336 Witzel – Kreutz 2007: 177; Witzel 2011a: 367 f.; 2011b: 527. Das Individuum ist Matur(-Senil?) (über 30 Jahre, vermutlich sogar über 50 Jahre), Geschlecht weiblich > männlich (Witzel 2011a: 378; 2011b: 530-532). 1337 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.7.4.3 („Depositionsprozesse auf dem Bestattungstisch“).

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Abb. 58: Der Bestattungs­ tisch in der westlichen Ne­ ben­kammer mit den Überresten eines mensch­li­chen Skelettes im Verband (Foto: Konrad Wita).

Er­haltung des anatomischen Verbandes, als letzte in die Königsgruft eingebrachte Bestattung verstanden werden.1338 Besonders interessant im Zusammenhang mit dem Totenmahl ist, dass neben der Primärbestattung auf dem Bestattungstisch kei­nerlei Keramikgefäße oder Tierknochen gefunden wurden. Auch für in der unmittelbaren Umgebung stehende Gefäße, etwa unter dem Be­stattungstisch, ist eine Assoziation mit der Primärbestattung auf­grund der chrono­ logischen Einordnung dieser Gefäße in die Mittlere Bronzezeit auszuschließen.1339Aus diesem Befund leitet P. Pfälzner die Erkenntnis ab, dass im Rahmen der Primärbestattung der Toten keine Speisebeigaben mitgegeben wurden, sondern diese offenbar erst mit einem gewissen Abstand nach der Primärbestattung einsetzten.1340 Unter anderem aufgrund der mittelbronzezeitlichen Funde unter dem Bestattungstisch geht P. Pfälzner davon aus, dass dieser zuvor als Steinbank im Rahmen von Totenkulthandlungen verwendet worden ist. In diesem Zusammenhang könnten auch drei große Steine mit Mulden, die sich ebenfalls unter der Steinbank bzw. dem Bestattungstisch fanden, gestanden haben. Von den Steinen sind zwei qua­ derförmig, einer mit drei Mulden im Durchmesser von 7 cm und einer mit einer Mulde mit 5 cm Durch­ messer. Ein weiterer Stein ist rundlich und besitzt eine größere Mulde mit einem Durchmesser von 25  cm. Aufgrund des Fundkontextes dieser Steine postuliert P. Pfälzner, dass die Steine mit Mulden für Libationen gedient haben könnten. Ihr Fund­ 1338 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.8.2.1.2 („Primärbe­stat­tungs­ plätze der Späten Bronzezeit“). 1339 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.7.4.4 („Depositionsprozesse auf dem Fußboden der Kammer 4“) und im Druck c: Kapitel 5.7.9 („Die Verteilung von Nahrungsgaben in Kammer 4“). 1340 Ebenda.

ort in einer schwer erreichbaren Position lässt darauf schließen, dass sie in der letzten Nutzungs­ phase nicht mehr verwendet wurden, sondern dass in den früheren Phasen der Gruftnutzung an dieser Bank Totenkulthandlungen ausgeführt wurden, die Libationen und vermutlich auch Speiseopfer beinhalteten.1341 Die Organischen Unterlagen in der Hauptkammer In vier Bereichen der Hauptkammer konnten anhand von markanten Bodenverfärbungen organi­sche Ab­­ la­­gerungen nachgewiesen werden, die sich grob in ihrer rechteckigen Ausdehnung erfassen ließen. Bei den mikroarchäologischen und biochemischen Untersuchungen von Dünnschliffen und Proben aus den zunächst als „Holzbahren“1342 interpretierten Ob­­jek­ten konnte kein Holz nachgewiesen wer­ den.1343 Des­halb ist nach der neuesten Inter­pre­ tation davon aus­zu­gehen, dass hier Liegen, Bahren oder eine andere Form einer Unterlage, z.  B. aus Schilf, Stroh oder einem Holzrahmen, in dem Flechtwerk aufgespannt war, vorhanden waren.1344 Diese Organischen Unter­lagen1345 sind als Orte für 1341 Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.4.3 („Der Bestattungstisch“). 1342 Pfälzner 2011d: 137-141; 1343 Reifarth et al. in Vorbereitung. 1344 Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.1.3 („Die organischen Objekte 1 bis 4“). Anders als P. Pfälzner deuten N. Reifarth et al. diese Bereiche, in denen sie zwar eine organische Konzentrationen bestätigen, diese jedoch nicht als ausreichenden Hinweis für eine feste Konstruktion, etwa aus Holz und z. B. Matten ansehen (Reifarth et al. in Vorbereitung). 1345 Der Begriff der „Organischen Unterlagen“ wurde geprägt, um eine möglichst interpretationsneutrale, deskriptive Bezeichnung für die Befunde zu wählen (Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.1.3 [„Die organischen Objekte 1 bis 4“]). In

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Der archäologische Befund Primärbestattungen der Späten Bronzezeit  I (1550 – 1400 v. Chr.)1346 zu deuten.1347 Dies lässt sich aus der Vergesell­schaftung von verstreut lie­genden menschlichen Knochen,1348 einem Großteil des in der Gruft gefundenen Schmuckes1349 und zahlreicher Nachweise von Textilien, auf die die Toten gebettet und/oder damit bekleidet, bzw. eingewickelt worden wären,1350 schließen. Die in diesen Be­reichen identifizierten biochemischen Marker erlauben die Schlussfolgerung, dass Leich­­name an diesen Stellen zumindest teilweise verwesten (für einen abweichenden Befund der Organischen Unterlage 3 siehe unten)1351 und weisen die Organischen Unterlagen somit ebenfalls als Orte primärer Bestattungen aus (Abb. 59 bis 62). Die menschlichen Knochen lagen aller­dings so vertreut und ohne anatomische Anordnung vor, dass die menschlichen Überreste im weiteren Verlauf der Nutzung der Gruft sekundär mani­puliert worden sein müssen.1352 Da in den Bereichen der vier Organischen Unterlagen die Knochen von jeweils einem bis drei Individuen nachweisbar waren, kommt P. Pfälzner zu dem Schluss: „Aufgrund des Nachweises von meist mehr als einem Individuum auf den Unterlagen müssen mehrere Bestattungen nacheinander an diesen Stellen niedergelegt worden sein, wobei die Knochen der älteren Bestattungen dabei nicht oder nicht vollständig entfernt wurden. In späterer Zeit wurden dann auch die Knochen der letzten Bestattung aus ihrem anatomischen Verband gelöst, vielleicht als Resultat ritueller Handlungen.“1353 Im Zusammenhang mit der Frage­stellung dieser Arbeit ist besonders interessant, inwiefern Speisebeigaben oder -opfer in diesen Bereichen eine Rolle spielten. Zur Beantwortung dieser Frage werden im Folgenden die Deponierung von Keramikgefäßen und die vorgefundenen Tierknochen für die jewei­ lige Organische Unterlage zusammengefasst. der englischsprachigen Publikation zu den taphonomischen Studien (Reifarth – Pümpin [Hrsg.] in Vorbereitung) werden diese Ablagerungen als „dark deposits“ angesprochen. 1346 Diese Datierung beruht auf 14C-Daten, die mit den Organischen Unterlagen 1 und 2 in Verbindung stehen, und einer chronologischen Einordnung der mit den Organischen Unterlagen assoziierten Funden (siehe im Detail Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.7.1.1 [„Depositionsprozesse auf den Organischen Unterlagen 1 bis 4“]). 1347 Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.1.3 („Die organischen Objekte 1 bis 4“); im Druck c: Kapitel 5.8.2.1.2 („Primärbestattungsplätze der Späten Bronzezeit“). 1348 Witzel 2011a: 374-378 (Bereiche B, C, D, I). 1349 Roßberger 2011: 122-131, Abb. 1; 2015: 41, 43-44, 46-52, 54-59, 63-68. 1350 Reifarth – Pümpin in Vorbereitung. 1351 Evershed et al. 2011: 440-442; James 2008: 61-64, 82, 84 Fig. 4.7, 142-146. 1352 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.8.3.1 („Sekundärbestattungen auf den Organischen Unterlagen der Kammer 1“). 1353 Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.1.3 („Die organischen Objekte 1 bis 4“).

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Die Organische Unterlage 1 im Nordosten der Hauptkammer Im Bereich der Organischen Unterlage 1 wurden die Knochen von einem bis maximal drei Individuen identifiziert.1354 In diesem Bereich lagen vier Schalen und ein Krug, die allesamt in die Späte Bronzezeit  IIA datieren (Abb. 59 und Tafel 1).1355 Zwei der Schalen stehen etwas versetzt übereinander am östlichen Rand der Organischen Unterlage, direkt vor der östlichen Kammerwand. Zwei Schalen liegen verkehrt herum im Südwesten und Südosten der Organischen Unterlage. Der Krug aus der Späten Bronzezeit IIA liegt etwas nördlich der Organischen Unterlage auf der Steinplatte Inst.  1323. Ein weiteres geschlossenes Gefäß unmittelbar neben diesem Krug, dessen Rand abgebrochen ist, datiert vermutlich in die gleiche Zeit.1356 Die beiden geschlossenen Gefäße liegen zwar etwas abseits der Organischen Unterlage, sind jedoch – da es sich bei der Organischen Unterlage um die am nächsten liegende Akkumulation von menschlichen Knochen handelt – vermutlich dennoch mit den rituellen Handlungen an der Organischen Unterlage in Zusammenhang zu bringen. Bezüglich der Gruppierung der Schalen und des spätbronzezeitlichen Kruges stellt P. Pfälzner fest, dass diese „ein festes Set von Grabkeramik der letzten Benutzungsphase der Gruft bilden.“1357 Neben den beiden geschlossenen Keramikgefäßen wurde auf der Steinplatte vor der nördlichen Kammerwand eine Kanne aus Serpentinit gefunden, die vermutlich eine ähnliche Funktion erfüllen sollte wie die Keramikgefäße. Biochemische Analysen der Rückstände aus den drei geschlossenen Gefäßen erbrachten folgende Ergebnisse: Für die Probe aus dem Keramikkrug der Späten Bronzezeit IIA wurden tierische Fette nachgewiesen, während die Rückstände in dem dane­ben­ liegenden Keramikgefäß und der Serpentinit­kanne pflanzliche Wachse beinhalteten.1358 Diese Er­geb­ nis­se zeigen möglicherweise erneut, dass in der Gruft nicht nur Wasser libiert bzw. in den Gefäßen aufbewahrt wurde. In Hinblick auf die tierischen Fette wäre bei Flüssigkeiten an Milch zu denken, deren Darbringung oder Verwendung in der Gruft durch zwei Tontafeln belegt ist (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.8).1359 1354 Das sicher identifizierte Individuum war zumindest adult, Geschlecht nicht bestimmbar (Witzel – Kreutz 2007: 176; Witzel 2011a: 368, 377). Siehe auch Witzel im Druck: Kapitel 2.1.4.3 („Die Menschenknochen aus der Nordostecke der Kammer 1“). 1355 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.4.9.1 („Kammer 1“). 1356 Ebenda. 1357 Ebenda. 1358 Evershed et al. 2011: 417, Tab. 4, Tab. 13, Tab. 14 (vgl. die Proben der Gefäße MSH02G-i2096, -i2097 und -i2098). 1359 Siehe Fn. 1264.

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Abb. 59: Die Organische Un­ terlage 1 in der nordöst­lichen Ecke der Hauptkammer (Fo­ to: Konrad Wita).

Ein weiterer besonderer Fund von der Organischen Unterlage  1 ist eine plastisch gestaltete Hand aus Goldblech, die als Teil eines Libations­armes gedeutet wird. P. Pfälzner vermutet, dass sie ursprünglich im Kontext der an der Organischen Unterlage 1 statt­ findenden Libationen verwendet wurde.1360 Im nördlichen Bereich der Organischen Unterlage 1, vor allem an ihrem westlichen Rand, wurden insgesamt 34 Tierknochen geborgen. Davon konn­ten lediglich vier eindeutig bestimmt werden, nämlich als Ovicapriden, bzw. in einem Fall genauer als Schaf. Dabei handelt es sich um eine Elle, eine Speiche, einen Vorderfußknochen und ein Fersenbein.1361 Die Organische Unterlage 2 westlich des Sarkophags in der Hauptkammer Im Bereich der Organischen Unterlage 2 (Abb. 60 und Tafel 1) wurde eine größere Anzahl mensch­ licher Knochen geborgen, mit denen nur relativ wenige Tierknochen vermengt waren. Durch die Mehrzahl der Knochen sind vor allem zwei Individuen repräsentiert, ein drittes Individuum kann nur anhand von einigen Zahnfunden rekonstruiert werden.1362 1360 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.6.4.3.3 („Die goldene Hand“). 1361 Vila im Druck: Kapitel 2.1.4.4 („Die Tierknochen aus der Nordostecke der Kammer 1“). 1362 Im Bereich der Organischen Unterlage 2 finden sich zwei Knochenkonzentrationen: 1. (die größere Konzentration) Adult (unter 40 Jahre), Geschlecht weiblich > männlich, 2. (die kleinere Konzentration) Adult-Matur (30-50 Jahre), Geschlecht männlich > weiblich, 3. (vor der Längsseite des Sarkophags, nur nachgewiesen anhand einzelner Zähne) Adult (unter 40 Jahre), Geschlecht nicht bestimmbar (Witzel – Kreutz 2007: 176; Witzel 2011a: 374 f.). Siehe auch Witzel im Druck: Kapitel 2.1.6.2 („Die Menschenknochen aus der Südostecke der Kammer 1“).

Insgesamt assoziiert P. Pfälzner zehn Keramikgefäße mit der Organischen Unterlage 2. Darunter sind eine Flasche der Mittleren Bronzezeit IIB und zwei Schalen der Späten Bronzezeit IIA, die sich unmittelbar auf bzw. am östlichen Rand der Organischen Unterlage befanden. Etwas nördlich der Organischen Unterlage lag eine weitere Schale, die in die Späte Bronzezeit IIA datiert werden kann. Die übrigen sechs Gefäßen lagen gruppiert auf der südwestlichen Erweiterung1363 der Organischen Unterlage 2. Dabei handelt es sich um eine weitere Flasche der Mitt­leren Bronzezeit IIB, einen Krug, einen „Nuzibecher“ und eine Schale der Späten Bronzezeit I sowie um zwei Schalen der Späten Bronzezeit IIA.1364 Neben den Keramikgefäßen auf der Organischen Unterlage  2 lagen zudem zwei Kannen aus KalzitAlabaster mit Henkeln und hohem Standfuß sowie ein zugehöriger Deckel. Zwei weitere Kalzit-Alabasteramphoren fanden sich neben den Säulenbasen nördlich der Organischen Unterlage 3. Diese könnten für rituelle Handlungen, vermutlich Libationen, an der Organischen Unterlage 2 oder der Organischen Unterlage 3 genutzt worden sein.1365 In einer Schale der Späten Bronzezeit IIA, die mittig auf der Organischen Unterlage  2 liegt, und in dem Krug der Späten Bronzezeit I, der sich im Südwesten der Unterlage befand, sowie in zwei 1363 Zu einer Deutung dieser südwestlichen Erweiterung als eine mögliche frühere Unterlage, die gleichzeitig oder nacheinander mit einer weiteren Unterlage nördlich der zentralen Organischen Unterlage hier aufgestellt war und über denen im weiteren Verlauf die mittlere Organische Unterlage westlich des Sarkophags aufgestellt wurde, siehe Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.1.3 („Die organischen Objekte 1 bis 4“). 1364 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.4.9.1 („Kammer 1“) zu den mittelbronzezeitlichen Gefäßen und Kapitel 4.5.6.1 („Kammer 1“) zu den spätbronzezeitlichen Gefäßen. 1365 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.6.4.2 („Die Verteilung der aktiv benutzten Steingefäße“).

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Der archäologische Befund

Abb. 60: Die Organische Un­ ter­­lage 2 westlich des Sar­­­ko­­ phags Inst. 1322 (Fo­to: Kon­ rad Wita).

der vier Steingefäße aus dem Kontext der Organischen Unterlage 2 konnten in den Rückständen der Gefäßinhalte pflanzliche Wachse nachgewiesen werden.1366 Wie auch bei der Organischen Unterlage  1 zeigt dieses Ergebnis, dass in den geschlossenen Gefäßen nicht nur Wasser bereitgehalten bzw. aus diesen libiert worden sein könnte. Zudem bedeutet das Ergebnis dieser Analysen, dass die Keramikschalen nicht ausschließlich zur Darbringung von Fleischopfern genutzt worden sein müssen. Auch Speisen aus Früchten sind als Opfergabe denkbar.1367 Im Bereich der Organischen Unterlage 2 wurden 21 Tierknochen aufgelesen und weitere 22 im Bereich der südwestlichen Erweiterung. Von diesen ließen sich 21 bestimmen. Der Großteil der Knochen (15 Elemente) war erneut den Ovicapriden zuzurechnen. Ein Knochen konnte als Rinderknochen identifiziert werden. Ein Knochen stammt von dem Flügel einer Wildgans, ein weiterer Vogelknochen konnte nicht näher bestimmt werden.1368 Unter den Knochen der Ovicapriden und Rinder waren vor allem Langknochen und Wirbel, sodass in diesem Bereich vor allem

1366 Evershed et al. 2011: 425, Tab. 2, Tab. 10, Tab. 14 (vgl. die Proben der Gefäße MSH02G-i944, -i1837, -i1840 und -i1842). 1367 Siehe jedoch die einschränkenden Anmerkungen zur Herkunft der Rückstände in Kaptitel 3.1.1.3.1.4.2. 1368 Vila im Druck: Kapitel 2.1.6.3 („Die Tierknochen aus der Südostecke von Kammer 1“); vgl. die Kollektionen der Fundstellen G-Fs2106 und G-Fs2137. Unter den 43 Tierknochen waren zudem drei Tali eines Damhirsches, die nicht als Speisebeigabe oder -opfer gewertet werden können. Zusätzlich zu diesen Tierknochen befanden sich in dem Bereich der Organischen Unterlage 2 (Fundstelle G-Fs2106) 31 Marderknochen und 52 Fragmente des Panzers einer Landschildkröte, die ebenfalls einem anderen Kontext als dem der Speisedarbringung zuzuschreiben sind (Vila 2011: 384 Abb. 2, 386 Tab. 3; im Druck: Kapitel 2.1.13.2 [„Synthese zu den Tierknochen von Kammer 1“]).

die fleischlastigen Teile der Tiere niedergelegt wurden.1369 Die Organische Unterlage 3 vor dem Eingang von der Hauptkammer zur südlichen Nebenkammer Vor dem Zugang von der Hauptkammer zur Kammer 3 konnte die Organische Unterlage 3 identifiziert werden. In der nordwestlichen Ecke der Organischen Unterlage 3 (Abb. 61 und Tafel 1) wurden lediglich einige Zähne geborgen, die einem einzelnen Indivi­ duum zugeschrieben werden können. Weitere mensch­liche Knochen waren im gesamten Bereich der Organischen Unterlage nicht vorhanden.1370 Zudem ist auffällig, dass mit der Organischen Unterlage 3 nur sehr wenige Keramikgefäße assoziiert werden können: ein „Nuzibecher“, der in die Späte Bronzezeit I datiert und auf der nordwest­ lichen Ecke der Organischen Unterlage stand sowie zwei Schalen der Späten Bronzezeit IIA, die westlich der Organischen Unterlage auf einer Steinplatte abgestellt wurden. Ob letztere allerdings tatsächlich mit der Organischen Unterlage im Zusammenhang standen ist unklar.1371 Weitere, stark zerscherbte Keramikgefäße – eine kleine Schale, der Rand einer weiteren Schale, eine Schüssel und eine Flasche – lagen unmittelbar nördlich der Organischen Unterlage. Allerdings ist auch bei diesen nicht eindeutig, ob sie ursprünglich mit der Organischen Unterlage in Verbindung standen. 1369 Ebenda: Kapitel 2.1.6.3 („Die Tierknochen aus der Südost­ ecke von Kammer 1“). 1370 Spätjuvenil bis jungadult (unter 30 Jahren), Geschlecht nicht bestimmbar (Witzel 2011a: 368, 378; im Druck: Kapitel 2.1.9.3 [„Die Menschenknochen aus dem Bereich vor dem Durchgang zu Kammer 3“]). 1371 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.4.9.1 („Kammer 1“).

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Abb. 61: Die Organische Unterlage 3 vor dem Zugang zur südlichen Nebenkammer (Foto: Konrad Wita).

Direkt auf der Organischen Unterlage 3 waren keine Tierknochen zu verzeichnen. Lediglich in dem westlich angrenzenden, organischen Bereich wurden fünf Knochenreste identifiziert: ein Beckenfragment einer Ovicapriden, ein Knochen des Schienbeingelenks eines Rindes und zwei nicht näher bestimm­ bare Sperlingsvogelknochen.1372 Eine Deutung dieses Befundes mit relativ geringer Funddichte in Bezug auf das Totenmahl erfolgt in der Zusammenfassung zu den organischen Unterlangen. Die Organische Unterlage 4 im Südwesten der Hauptkammer Im nördlichen Bereich der Organischen Unterlage 4, die im Südwesten der Hauptkammer direkt vor die Steinbänke gestellt wurde (Abb. 62), konnten zwei, möglicherweise drei Individuen rekonstruiert werden.1373 1372 Vila im Druck: 2.1.9.4 („Die Tierknochen aus dem Bereich vor dem Durchgang zu Kammer 3“). 1373 Die skeletalen Überreste im Nordosten der Organischen Unterlage weisen auf ein adult(-matures) Individuum (über 30 Jahre), möglicherweise männlich, hin (Witzel im Druck: Kapitel 2.1.11.3 [„Die Menschenknochen in der Südwestecke der Kammer 1“]). Einige weitere Knochen im nordwestlichen Randbereich der Unterlage deuten auf ein über 30 Jahre altes, vermutlich weibliches Individuum hin. Zudem könnte ein Backenzahn zu einem kindlichen Individuum (älter als 6 Jahre) gehören (Witzel 2011a: 377; Witzel im Druck: Kapitel 2.1.12.3 [„Die Menschenknochen im Nordwestbereich der Kammer 1“]).

Auf und unmittelbar neben der Organischen Unterlage 4 befanden sich drei ausnahmslos ge­schlos­ sene Keramikgefäße: Eine Flasche aus der Mittleren Bronzezeit und ein stark fragmentier­ter Krug der Späten Bronzezeit IIA wurden auf der Ansammlung organischen Materials geborgen. Westlich der Organischen Unterlage fand sich zudem ein Krug der Späten Bronzezeit I.1374 Die mittelbronzezeitliche Flasche enthielt Rückstände von pflanzlichen Wachsen.1375 Von allen Bereichen, in denen Organische Unterlagen rekonstruiert werden konnten, sind in der südwestlichen Ecke der Hauptkammer die meisten Tierknochen vorhanden gewesen. E. Vila zählt 217 Knochenelemente für den südwestlichen Bereich der Kammer, von denen die Hälfte bestimmt werden konn­te. Neben zahlreichen Knochensplittern lagen auch drei vollständig erhaltene Langknochen von Rindern vor. Die meisten Knochen von Ovi­capriden, darunter vor allem solche von den nicht fleischlastigen Teilen, aber auch Wirbel und Rippen, lagen isoliert vor. Dennoch deuten bestimm­te, zusammengehörige Knochen darauf hin, dass teilweise ganze Skelettbereiche in diesem Bereich abgelegt worden sein könnten: die rechte Schulter eines Rindes und das rechte Hinterbein einer Ovicapriden. Insgesamt sind die Knochen der Hauswiederkäuer mindestens drei Ovicapriden und zwei Rindern zuzuweisen. Außerdem wurden die Knochen von zwei Wildgänsen im Bereich der Organischen Unterlage  4 bestimmt.1376 Die Vielzahl der Knochen im Bereich der Organischen Unterlage 4 ist vermutlich nicht darauf zurückzuführen, dass den Verstorbenen auf dieser Unterlage mehr Fleischopfer dargebracht wurden als den Verstorbenen auf den anderen Organischen Unterlagen. Vielmehr wurden in diesem Bereich vermutlich verschiedene, mit dem Totenmahl in Verbindung stehende Handlungen durchgeführt. Neben der Darbringung von Fleischopfern für die Verstorbenen auf der Organischen Unterlage  4 war dies wahrscheinlich die Teilnahme der Hinterbliebenen an einem Bankett für die Toten (siehe unten Kapitel 3.1.1.3.1.4.9). Ein 14C-Datum1377 eines Tierknochens aus diesem Bereich belegt, dass die mit Speisen in Verbindung stehenden Rituale bis in die letzte Nutzungsphase der Gruft durchgeführt wurden.1378 1374 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.4.9.1 („Kammer 1“). 1375 Evershed et al. 2011: Tab. 2; siehe auch Fn. 1264. 1376 Vila im Druck: Kapitel 2.1.10.4 („Die Tierknochen aus der Südwestecke von Kammer 1“), vgl. die Kollektionen der Fundstellen G-Fs2109, G-Fs2110, G-Fs2111 und G-Fs2146. 1377 1428 – 1299 v. Chr. (Probennummer MSH19G-q2, Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.6.1 („14C-Daten aus der Kammer 1“). 1378 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.7.4 („Die Nahrungsgaben an den spätbronzezeitlichen Bestattungsplätzen der Haupt­ kammer“) und Kapitel 5.7.6.2 („Hinweise auf den Konsum von Opfernahrung in der Südwestecke der Kammer 1“).

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Der archäologische Befund

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Damhirsches und ein Panzerfragment einer Landschildkröte.1380 Zusammenfassung zum Totenmahl in den Be­reichen der Organischen Unterlagen

Abb. 62: Die Organische Unterlage 4 in der südwestlichen Ecke der Hauptkammer (Foto: Konrad Wita).

Tierknochen im Zentralbereich der Kammer 1 Im Zentralbereich der Hauptkammer wurden 212 weitere Tierknochen gefunden, die nicht eindeutig einem bestimmten Kontext zugewie­sen werden können. Für diese Tierknochen zieht P.  Pfälzner in Betracht, dass sie in Zusammenhang mit den Opfergaben für die Toten auf den Organischen Unterlagen gestanden haben könnten. Entsprechend ließen sich drei Schalen im Zentralbereich der Kammer er­klären. Allerdings ist zudem nicht auszuschließen, dass es sich um Abfälle handelt, die beim Wegräumen der Überreste der Speiseopfer von den Organischen Unterlagen entstanden.1379 Von den Tierknochen konn­ten 45 Knochen näher bestimmt werden, unter denen erneut die Knochen von Ovicapriden am häufigsten vertreten waren, gefolgt von Rinderknochen. Unter diesen Knochen ließen sich das rechte Vorderbein eines Rindes und eines Schafes sowie weitere Überreste von Vorder- und Hinterläufen identifizieren. Zudem waren zahl­reiche Wirbel und Rippen vorhanden, sodass auf verschiedene fleischlastige Teile der Tiere geschlossen werden kann. Von den Tieren, die sich zum Verzehr eignen, sind zudem zwei Vogelknochen zu nennen (einer unbestimmt und einer von einer Taube). In der Nähe der Steinbasen Inst. 1318 und Inst. 1319 fanden sich außerdem insgesamt sieben Tali des mesopotamischen 1379 Ebenda: Kapitel 5.7.4 („Die Nahrungsgaben an den spät­ bronze­zeitlichen Bestattungsplätzen der Haupt­kammer“).

Die Befunde der Organischen Unterlagen zeigen, dass den Verstorbenen in diesem Bereich sowohl feste Nahrung als auch Libationen dargebracht wurden. Besonders bemerkenswert ist, dass die meisten Gefäße in den Bereichen der Organischen Unterlagen in die Späte Bronzezeit IIA datieren und somit jünger sind als die Bestattungen, für die anzunehmen ist, dass sie bereits in der Späten Bronzezeit I in die Gruft eingebracht wurden (siehe oben). Dies zeugt folglich von einer rituellen Versorgung der früheren Bestattungen, die vermutlich bis zum Ende der Nutzung der Gruft vorgenommen wurde. Dabei war offenbar nicht entscheidend, dass die bestatteten Individuen noch als solche erkenn­bar waren, vielmehr scheint der Bestattungsort als solcher mit den sekundär mani­pulierten, skeletalen Überresten Ziel der rituellen Handlungen gewesen zu sein.1381 Die Keramikgefäße aus der Mittleren Bronzezeit lassen sich wahrscheinlich damit erklären, dass diese zum Zeitpunkt der Bestattungen in den Be­reichen der Organischen Unterlagen bereits Teil des Inventars der Königsgruft waren und in den besagten Berei­ chen wiederverwendet wurden.1382 Die Gefäße, die in die Späte Bronzezeit I datiert werden können (eine Schale im Bereich der Organischen Unterlage 2, der Nuzibecher auf der Organischen Unterlage  3 und der Krug westlich der Organischen Unterlage  4), könn­ten sowohl im Rahmen der Primärbestattungen als Beigaben auf den Organischen Unterlagen platziert worden sein1383 oder sie wurden erst im weiteren Verlauf der rituellen Handlungen im Rahmen von wiederkehrenden Speiseopfern für die Toten be­reit­gestellt. Für die letzte Möglichkeit spricht der Befund der Primärbestattung auf dem Bestattungstisch in der Kammer 4. Da im Zusammenhang mit dieser spätbronzezeitlichen Bestattung keinerlei Hinweise auf Speisebeigaben gefunden wurden, ist es naheliegend anzunehmen, dass die Toten im Be­reich der Organischen Unterlagen zum Zeitpunkt ihrer Primärbestattung ebenfalls keine Speisebeigaben erhielten. Auch wenn die Organischen Unterlagen generell sehr ähnlich interpretiert werden können, erlauben einige Abweichungen in den Befunden eine dif1380 Vila im Druck: 2.1.8.5 („Die Tierknochen aus dem Zentral­ bereich von Kammer 1“). 1381 Vgl. Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.7.4 („Die Nahrungsgaben an den spätbronzezeitlichen Bestattungsplätzen der Haupt­kammer“). 1382 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.7.1.1 („Depositionsprozesse auf den Organischen Unterlagen 1 bis 4“). 1383 Ebenda.

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ferenzierte Interpretation: Während die Organischen Unterlagen 1 und 2 ein sehr ähnliches Gefäßre­ pertoire besitzen, ist die genaue Fundposition der Schalen im Bereich der Organischen Unterlage  1 interessant. Die beiden Schalen im Süden der Organischen Unterlage, die verkehrt herum gefunden wurden, könnten – sofern sie nicht im Nachhinein beim Zusammensacken des organischen Objekts verkippt sind – niedergelegte Speisen bedeckt haben. Die Position, in der diese Schalen aufgefunden wurden, erinnert an die Schalen vor den Ahnenstatuen in der Vorkammer. Zwar wurden unter den Schalen im Bereich der Organischen Unterlage 1 keine Tierknochen gefunden, allerdings ist auch denkbar, dass Brot oder Früchte hier zugedeckt wurden, die keine nachweisbaren Kerne besitzen. Auffällig ist zudem der Befund der Organischen Unterlage 3. Wie P. Pfälzner feststellt, dürfte die Organische Unterlage 3 als letzte in der Hauptkammer platziert worden sein. Diese versperrt fast vollständig den Zugang zur südlichen Nebenkammer, allerdings war zu diesem Zeitpunkt vermutlich kein anderer geeigneter Platz zum Ablegen der Unterlage mehr frei. Dazu passt, so P. Pfälzner weiter, dass nur ein Individuum für diese Unterlage nachgewiesen werden konnte und somit nicht über einen längeren Zeitraum weitere Bestattungen in diesem Bereich eingebracht wurden.1384 Dabei ist zu bedenken, dass dieses Individuum nur anhand von einigen Zähnen nachgewiesen werden konnte. Hinzu kommt, dass lediglich ein Nuzibecher direkt mit der Organischen Unterlage assoziiert werden kann und keine Tier­ knochen auf dieser Unterlage gefunden wurden. Die einzigen eindeutigen Nachweise für Speiseopfer in Form von wenigen Tierknochen und zwei Keramikschalen fanden sich westlich der Organischen Unterlage und sind nicht zweifelsfrei mit der Organischen Unterlage in Verbindung zu bringen. Wenn überhaupt, so hat es im Bereich der Organischen Unterlage  3 somit offenbar keine umfangreichen Speiseopfer gegeben. Dennoch zeigen zwei rekonstruierbare Per­lenketten und zahlreiche Knöpfe1385 an, dass die Organische Unterlage  3 für eine Be­stattung ausge­ stattet wurde und ein Toter/eine Tote dort offenbar auch niedergelegt wurde. Vorstellbar wäre, dass die Organische Unterlage nur sehr kurz als Bestattungs­ platz gedient hat, bevor die menschlichen Überreste von der Unterlage eingesam­melt wurden, um sie woanders sekundär zu bestatten. Dabei wären ei­nige Zähne und die Perlen der beiden Ketten am Ort der Primärbestattung liegen geblieben. Dazu passen die Ergebnisse der biochemischen Untersu­chungen dieses Bereiches, zu denen M. James zusammenfasst: „Overall, molecular evidence for the presence of the degraded remains of a human corpse at this 1384 Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.1.3 („Die organischen Objekte 1 bis 4“). 1385 Roßberger 2015: 54-55, Tafel 21.

location is weak.“1386 Da der Nuzibecher auch auf­ grund seines Werts als Import­keramik in diesem Bereich eine Beigabe mit hohem Prestigewert dar­ stellen könnte und nicht zwingend ein Zeugnis von Speiseopfern sein muss, unterstützt der Befund dieser Organischen Unterlage die Interpretation, dass den Bestatteten im Rahmen ihrer Primärbestattung keine Speisebeigaben dargebracht wurden (siehe oben). Ein weiterer von den anderen Organischen Unterlagen abweichender Befund ist der der Organischen Unterlage  4. Die äußerst umfangreiche Ansammlung von Tierknochen in diesem Bereich lässt sich jedoch vermutlich nicht mit einer anderen Vorgehensweise bei der Darbringung von Speiseopfern für die Verstorbenen auf der Organischen Unterlage erklären, sondern vielmehr dadurch, dass in diesem Bereich durch unterschiedliche rituelle Aktivitäten Tierknochen zurückgelassen wurden (siehe oben und Kapitel 3.1.1.3.1.4.9). 3.1.1.3.1.4.7 Die südliche Nebenkammer als Ort der rituellen Darbringung von Speisen für die Ahnen Da während der Ausgrabungen keinerlei menschliche Knochen in der südlichen Nebenkammer, Kammer 3, gefunden wurden,1387 geht P. Pfälzner davon aus, dass in dieser keine Bestattungen vor­genommen worden waren.1388 Der zentrale Einrichtungsgegenstand in dieser Kammer ist anhand einer organischen Ablagerung an der Südwand der Kammer nachge­ wie­sen (siehe Tafel  1 und Abb. 63). Diese organische Ablagerung bestand, den makroskopi­schen Beobachtungen zufolge, zumindest zum Teil aus Holz und wird von P. Pfälzner als königliche Kline oder Liege gedeutet.1389 Anhand der im Be­reich der 1386 James 2008: 144. James schreibt weiter: „The total P and hydroxyproline concentrations from this sediment were found to be slightly elevated, but not to the extent observed within sediments from the other three rectangular deposits. Similarly, although TAGS were detected within the lipid extract of this sediment, they too were present at low concentrations.“ 1387 Witzel 2011a: 367. 1388 Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.3 („Kammer  3“). Der Nachweis von zahlreichen Knochensplittern in den mi­ kromorphologisch untersuchten Schichten der Fußbodenablagerungen aus dieser Kammer (Pümpin 2011: 112 f.; in Vorbereitung), führt P. Pfälzner, aufgrund zahlreicher in der Kammer gefundener Tierknochen, auf ältere Tieropfer zurück, die über einen längeren Zeitraum in der Kammer vorgenommen worden wären (Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.3 [„Kammer 3“]). 1389 Pfälzner 2011c: 84; im Druck a: Kapitel 1.8.3 („Kammer 3“); im Druck b: Kapitel 4.7.3 („Die zeitliche Abfolge der Depositionen in Kammer 3“). Im Rahmen der mikromorphologischen Studien dieser Ablagerung konnten zwar keine Nachweise für Holz erbracht werden (Reifarth et al. in Vorbereitung), dies führt P. Pfälzner allerdings auf den starken Degenerationsgrad des Holzes zurück (Pfälzner im

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Der archäologische Befund

Abb. 63: Die südliche Ne­­ ben­­­­­kam­mer mit der deut­­lich er­kenn­baren or­ga­­ni­­schen Ab­ la­ge­rung im Sü­den der Kam­ mer und den Steingefä­ßen an der öst­­lichen Kam­mer­wand (Foto: Konrad Wita).

organischen Ablagerung gefundenen Objekte rekonstruiert P. Pfälzner eine über zwei Meter lange Liege, die teilweise mit Goldfolie besetzt war und auf der mit Purpur und Krapp gefärbte, mit Goldknöpfen besetzte Tücher ausgebreitet waren.1390 In der südlichen Nebenkammer fanden sich 21 Steingefäße, von denen sich der Großteil an der östlichen Kammerwand aufreihte. All diese Steingefäße datieren in die Mittlere Bronzezeit, wurden aber, so P. Pfälzner, erst in der letzten Nutzungsphase der Gruft in ihrer endgültigen Position arrangiert.1391 Insgesamt zählen acht Gefäße zum Keramikinventar der Kammer 3. In der südöstlichen Ecke dieser Kammer befand sich am Südende der vor der Ostwand arrangierten Reihe aus Steingefäßen eine Keramikflasche mit schulterständigem Henkel, deren Form typisch ist für die Mittlere Bronzezeit II. Vom gleichen Typ fanden sich zwei weitere Flaschen im Bereich der organischen Ablagerung. Zwischen diesen beiden mittelbronzezeitlichen Flaschen wurde eine Schale der Späten Bronzezeit  IIA plat­ ziert. Diese Fundgruppe wurde durch augenscheinlich bewusst platzierte Tierknochen ergänzt (siehe unten). Ein weiteres Keramikgefäß, das anhand mehrerer Fragmente im Bereich der organischen Ablagerung nachgewiesen werden kann, ist ein Henkelkrug der Späten Bronzezeit IIA. Die dunkle Druck a: Kapitel 1.8.3 [„Kammer 3“]). Dies sieht N. Rei­ farth allerdings kritisch, da an anderen Stellen in der Königsgruft erhaltene Holzbefunde vorliegen, so das nicht mit einem großflächigen Zerfall von Holz argumentiert werden kann (Reifarth et al. in Vorbereitung). 1390 Ebenda; siehe auch Reifarth – Pümpin in Vorbereitung. 1391 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.5.4 („Die mittel­bronze­ zeitlichen Steingefäße“).

Färbung der Gefäße im Bereich der organischen Ablagerung (Abb. 63) lässt vermuten, dass sie unter dem dort aufgestellten Möbelstück gestanden haben und sich das dunkle Material beim Zerfall auf ihnen abgelagert hat. Drei weitere Keramikschalen der Späten Bronzezeit IIA waren in einem Dreieck auf dem Fußboden vor der postu­lier­ten Kline platziert worden und waren ebenfalls mit Tierknochenüberresten assoziiert.1392 Die Rückstände in den drei mittelbronzezeitlichen Keramikflaschen wurden biochemisch untersucht. Während in der Flasche im Süden der Stein­ gefäßreihe lediglich pflanzliche Wachse nachgewie­ sen wurden, enthielten die beiden Keramikflaschen, die vermutlich unter der postulierten Liege oder Kline gestanden haben, neben pflanzlichen Wachsen auch Spuren von Harzen.1393 Der Ursprung dieser biochemischen Marker ließ sich nicht detaillierter bestimmen. Zwar wäre es verlockend, bei einer Kombination von pflanzlichen Wachsen und Harzen in solchen Flaschen an mit Harz versetzte Weine zu denken, die sich im Altertum offenbar großer Beliebtheit erfreuten,1394 allerdings weisen die Er­gebnisse von N. Reifarth und ihren Kollegen in 1392 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.4.9.3 („Kammer 3“) und Kapitel 4.5.6.3 („Kammer 3“); siehe auch Paoletti 2011: 297. 1393 Evershed et al. 2011: 417, Tab. 2, Tab. 4 (die Proben der Gefäße MSH02G-i808, -i810 und -i1681). 1394 McGovern 2003: 309. Diese Möglichkeit bedeutet nicht, dass auch in den sechs Steingefäßen aus der Kammer 3, in der die Kombination von pflanzlichen Wachsen und Harzen nachgewiesen werden konnte (Evershed et al. 2011: Tab. 14), eine ähnliche Flüssigkeit zu erwarten ist. Im Gegenteil, bei diesen mittelbronzezeitlichen Steingefäßen ist, aufgrund der Andersartigkeit des Behältnisses, mit anderen Substanzen zu rechnen. Vorstellbar wären z.  B. Salben oder aro-

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eine andere Richtung. Sie analysierten Rückstände in der westlichen Keramikflasche im Bereich der organischen Ablagerung und in der benachbarten Schale, deren Zusammensetzung auf eine fleischhaltige, ursprünglich wohl breiartige Masse hindeuten.1395 Ob in dieser Masse ebenso Bestandteile enthalten waren, die die Rückstände von pflanzlichen Wachsen und Harzen erklären könnten oder ob diese von einer früheren Nutzung stammen, lässt sich nicht beantworten. Insgesamt wurden in der südlichen Nebenkammer 265 Knochen(fragmente) als Tierknochen identifiziert. Im Bereich der organischen Ablagerung lagen 95 Tierknochen, von denen ein Drittel be­stimmt werden konnte. Bei dem Großteil der Knochen handelt es sich, wie in den meisten Bereichen der Gruft, um Schaf- oder Ziegenknochen – darunter so­wohl Knochen der Vorder- und Hinterläufe als auch Rippen und Wirbel. Assoziierbare Knochen eines ganzen Fußes eines Hammels wurden ebenso wie ein vollständiger, in anatomischer Artikulation vorliegender Unterkiefer eines Schafes geborgen, der unmittelbar neben der Schale im Nordwesten der Organischen Unterlage lag. An Rinderknochen wurden lediglich ein Zahn und ein Fußknochen be­­ stimmt. Drei weitere Tierknochen, die als Überreste von Speiseopfern gewertet werden können, waren als Vogelknochen bestimmbar, darunter ein Knochen einer Wildgans.1396 Im zentralen Kammerbereich fanden sich 170 Tierknochen(reste), von denen etwa die Hälfte bestimmbar war. Auch in diesem Be­reich handelt es sich, wie in den meisten Fällen, um Knochen von Ovi­capriden, von denen alle Skelett­ elemente repräsentiert sind, wobei die Fußknochen über­wiegen. Insgesamt können die Knochen min­ destens drei Individuen – zwei erwachsenen Schafen und vermutlich einer jungen Ziege – zugeschrieben werden. Rinder­knochen waren mit neun Elementen im zentralen Kammerbereich wesentlich häufiger vorhanden als im Bereich der Organischen Unterlage. Es handelt sich um Beinknochen und einen fragmentierten Wirbel, die einem erwachsenen Rind zugeschrieben werden können. Die Rinderknochen konzentrierten sich vor allem in den Bereichen um die nördliche und die südliche Keramikschale der beschriebenen Dreiergruppe, wobei im Bereich der nördlichen Keramikschale auch einige Knochen von Ovicapriden lagen. Von 13 Vogelknochen im zen­ tralen Kammerbereich konnten drei Knochen min­ destens zwei Tauben zugeschrieben werden und ein Knochen stammt von einem Rebhuhn. Die übrigen neun Vogelknochen sind Sperlingsvögeln zuzu­ matisierte Öle, die ebenfalls eine solche Kombination von Biomarkern hervorrufen würden. 1395 Reifarth et al. in Vorbereitung (zu den Substanzen in den Gefäßen MSH02G-i808 und -i809))-. 1396 Vila im Druck: Kapitel 2.3.2.3 („Die Tierknochen aus dem Bereich der Inst. 1428“).

schrei­ben, die vermutlich auf natürlichem Weg in die Gruft gelangten.1397 Charakteristisch für Kammer  3 ist, dass ei­nige Knochenreste von Rindern und Ovicapriden bemerkenswert gut erhalten sind. Laut E. Vila weist die Existenz von anatomischen Assoziationen darauf hin, dass Teile von Gliedmaßen in anatomischem Zusammenhang niedergelegt wurden, einschließlich solcher, die von wertvollen Fleischteilen stammen. Dabei könnte es sich um Opfergaben für die Totengeister gehandelt haben, für die sowohl tatsächliche Fleischopfer bereitgehalten, als auch symbolische Fleischopfer in Form von Schädelteilen oder Füßen niedergelegt worden wären.1398 Der Gesamtbefund dieser Kammer – die fehlen­ den menschlichen Knochen, das als königliche Kline gedeutete Objekt, die mittelbronzezeitlichen Steingefäße und andere Funde, die noch in der Späten Bronzezeit in besonderer Weise arran­ giert wurden sowie der Nachweis einer Beopfe­ rung dieses Arrangements mit Speisen – veranlasst P. Pfälzner, diese Kammer als Bankettraum für die königlichen Totengeister zu deuten.1399 Er kommt zu dem Schluss: „Die Kammer 3 war also ein symbolischer Ort, an dem die Macht der königlichen Ahnen repräsen­tiert und in eine Erinnerungskultur eingebettet war. Die Stelle der Kammer 3 war dafür besonders gut geeignet, weil diese Kammer in dem dem Pa­last nachem­pfundenen Raumgefüge der Gruft den Regierungssaal des Palastes (Saal B) repräsen­ tiert. [...] Sie [die Liege] könnte als Aufenthaltsort der Seelen der verstorbenen Könige angesehen worden sein. Dies würde die herausgehobene Bedeutung dieses Objektes innerhalb der Königsgruft erklären.“1400 Und weiter: „Angesichts der Tatsache, dass die königliche Grabanlage als dynastische Familiengruft seit der Mittleren Bronzezeit benutzt wurde, ist an dieser Stelle seit der frühen Benutzungszeit der Gruft ein Fokus der rituellen Aktivitäten im Kontext des politisch motivierten Ahnenkultes zu vermuten.“1401 3.1.1.3.1.4.8 Die Nordwestecke in der Hauptkammer als Gefäßdepot Die umfangreichste Vergesellschaftung von Funden, die in Zusammenhang mit Speisen stehen, wurde in der nordwestlichen Ecke der Hauptkammer der 1397 Ebenda: Kapitel 2.3.3.2 („Die Tierknochen aus dem zentralen Kammerbereich“). 1398 Vila 2011: 395-398; im Druck: Kapitel 2.3.7.1 („Der archäo­zoologische Befund“). 1399 Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.3 („Die Kammer 3“); im Druck c: Kapitel 5.7.8 („Die Bedeutung von Nahrung für die Kammer 3“); siehe auch schon Al-Maqdissi et al. 2003: 206 f.; Pfälzner 2007: 58. Eine alternative Deutung wurde in Lange 2014a: 251 f. vorgeschlagen. 1400 Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.3 („Kammer 3“). 1401 Ebenda.

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Abb. 64: Das Gefäßdepot in der Nordwestecke der Hauptkammer (Foto: Kon­rad Wita).

Königsgruft entdeckt (siehe Tafel  1 und Abb. 64). Vor der westlichen Wand der Nordwestecke der Gruft befindet sich eine Steinbank, vor der zwei Kalksteinplatten liegen; eine direkt östlich der Steinbank, eine weitere im rechten Winkel dazu entlang der Nordwand der Kammer.1402 Nach P. Pfälzners Interpretation wurde die Steinbank seit Nutzungsbeginn der Gruft zum Abstellen von Vorratsgefäßen genutzt. Die beiden Steinplatten in diesem Bereich können zwar, aufgrund der Ablagerung mehrerer Artefakte unter der nördlichen Steinplatte nicht zu Beginn der ältesten Nutzung eingebracht worden sein, dienten aber dennoch nachweislich ab der Mitt­ leren Bronzezeit als Ort zum Abstellen einer großen Gruppe von Vorratsgefäßen.1403 Durch die Anordnung der Gefäße sowie die vor­ kommenden Gefäßformen und -typen in der nordwestlichen Ecke kann dieser Bereich eindeutig als Gefäßdepot identifiziert werden, das von der Mitt­ leren Bronzezeit bis zur Späten Bronzezeit IIA genutzt wurde.1404 Insgesamt befanden sich 83 der über 200 Gefäße aus der Gruft in diesem Bereich.1405 Anhand einer detaillierten Analyse der Aufstellungsorte der Keramik und deren Datierung sowie assoziierter Funde zeichnet P.  Pfälzner folgendes Bild dieses Bereiches: Als erstes müssen elf großformatige Vorratsgefäße, deren Typ in die Mittlere Bronzezeit datiert, sehr gleichmäßig auf der Steinbank und den davor liegenden Steinplatten auf1402 Pfälzner 2011c: 81 f.; im Druck a: Kapitel 1.8.1.2 („Die Steinbänke und Steinplatten“). 1403 Ebenda. 1404 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.7.1.6 („Depositionsprozesse in der Nordwestecke der Hauptkammer“). 1405 Paoletti 2011: 294.

gestellt worden sein – fünf auf der Bank, zwei auf der davorliegenden Steinplatte und vier auf der Steinplatte an der Nordwand (ein weiteres Vorratsgefäß ist nur durch eine Randscherbe belegt). Dass diese Vorratsgefäße über einen langen Zeitraum genutzt wurden, belegen mit Gips ausgeführte Reparaturen an den Gefäßen. Zu den Vorratsgefäßen gehörende Deckel wurden neben diesen gefunden. Zwei mittelbronzezeitliche Keramikflaschen wurden außerdem zwischen den Vorratsgefäßen platziert und zwei mittelbronzezeitliche Schalen nebeneinander unter der Steinbank abgestellt. Unterhalb der Steinbank wurden im nördlichen Teil zudem zwei kleine Tontafeln gefunden, die je­weils die Inschrift 1 GA ŠE6, „1 (Sila) (ab)gekochte Milch.“, aufweisen.1406 Dass abgekochte Milch erwähnt wird, ist vermutlich mit der längeren Haltbarkeit zu erklären.1407 Da die Tontafeln in die altbabylonische Zeit datiert werden können,1408 bilden sie mit den Vorratsgefäßen eine homogene Gruppe. Vermutlich waren diese beiden Tontafeln ursprünglich zur Kennzeichnung als „Etiketten“ an zwei der Vorratsgefäße oder an den Flaschen befestigt.1409 Zwar konn­ten in keinem der mittelbronzezeitlichen Gefäße im Bereich der Nordwestecke mittels biochemischer Analysen tierische Fette nachgewiesen werden (siehe unten), allerdings ist es zum einen gut möglich, dass diese schlicht nicht mehr nachweisbar waren oder zum anderen, dass die „Etiketten“ ausgerechnet zu einem oder beiden 1406 Richter 2003: 183; 2011: 363; Richter – Pfälzner 2012: 168 f. 1407 Richter 2003: 183, Fn. 77. 1408 Ebenda: 183. 1409 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.5.6.1 („Kammer 1“); im Druck c: Kapitel 5.6.5.3 („Die Verteilung der Inschriften“).

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Vorratsgefäßen und/oder der mittelbronzezeitlichen Flasche gehörten, in denen keinerlei identifizierbare Rückstände mehr vorhanden waren (vgl. Tafel 1). Vermutlich wird das mittelbronzezeitliche En­­ sem­­­ble aus Keramikgefäßen und den beiden Ton­ täfelchen durch gebrochene Tonsicherungen mit Abrollungen des Königssiegels von Išḫī-Addu er­gänzt, die unter der Steinbank gefunden wurden. Diese wurden offenbar, ebenso wie die „Milchetiketten“, nach Anlieferung der Gefäße in der Königsgruft von diesen entfernt und am Ort der Öffnung der Gefäße entsorgt.1410 Die Existenz dieser Siegelungen zeigt an, dass die in die Gruft gelieferten Speisen im Zuständigkeitsbereich des Königs lagen,1411 wie es auch für die kispu(m)-Texte aus Mari anzunehmen ist (siehe Kapitel 2.2.2.1.3). Dies dürfte, wie auch P. Pfälzner anmerkt, mit der Rolle des Familienoberhauptes, in diesem Fall des Königs, in der Totenpflege für die königlichen Ahnen zusammenhängen.1412 Dass dieses mittelbronzezeitliche Arrangement an Gefäßen auch im weiteren Verlauf der Nutzung der Gruft als Gefäßdepot geachtet und weiterverwendet wurde, zeigen die zahlreichen spätbronzezeitlichen Gefäße, die um die Vorratsgefäße herum gruppiert wurden. Zum einen wurden vier Schalen der Späten Bronzezeit I unter der Steinbank abgestellt und ein Krug, der in die Späte Bronzezeit  I datiert an die nördliche Wand gelehnt. Zum anderen wurden die weiteren spätbronzezeitlichen Gefäße, die größtenteils in die Späte Bronzezeit IIA datieren, im weiteren Verlauf der Nutzung offenbar sukzessive um die Gefäße herum platziert.1413 Die biochemischen Analysen von 55 Gefäßen aus der nordwestlichen Ecke der Hauptkammer ergaben, dass Proben dreier spätbronzezeitlicher Gefäße (zwei Schalen und ein Krug)1414 tierische Fette vermischt mit pflanzlichen Wachsen enthielten. In weiteren 29 offenen und geschlossenen Gefäßen konnten aus­ schließlich pflanzliche Wachse ermittelt werden. Die Bestandteile der Proben von 23 weiteren Gefäßen aus diesem Bereich konnten nicht identifiziert werden.1415 Interessant ist, dass eine fragmentierte Schalen aus der Späten Bronzezeit  I,1416 deren Probe Pflanzenwachse beinhaltete, vermutlich als Deckel für eines der mittelbronzezeitlichen Vorratsge1410 Richter – Pfälzner 2012: 168 f.; im Druck b: Kapitel 4.5.3 („Die mittelbronzezeitlichen Siegel und Siegelungen“) und Kapitel 4.5.6.1 („Kammer 1“); im Druck c: Kapitel 5.6.5.2 („Die Verteilung der Siegelabrollungen “). 1411 Ebenda: Kapitel 5.6.7.5 („Die alten Siegel“). 1412 Ebenda. 1413 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.4.9.1 („Kammer 1“) und Kapitel 4.7.1.6 („Depositionsprozesse in der Nordwestecke der Hauptkammer“). 1414 MSH02G-i2518 und -i2568 sowie MSH02G-i2543. 1415 Evershed et al. 2011: Tab. 1-14. 1416 MSH02G-i2523.

fäße1417 im Nordwesten der Hauptkammer diente.1418 Da das Gefäß umgekehrt auf dem Vorratsgefäß lag (siehe Tafel  1 und Abb. 64), kann es folglich zum Zeitpunkt der Zerstörung des Palastes keine Speisen enthalten haben. Dies zeigt, dass die Schale sekundär als Gefäßdeckel verwendet wurde und zuvor einen anderen Zweck innerhalb oder außerhalb der Gruft in der Nahrungsaufbewahrung oder -zubereitung erfüllte. Zugleich belegt dieser Befund, dass die mittelbronzezeitlichen Vorratsgefäße auch in den späteren Perioden weiterverwendet wurden. Der nordwestliche Bereich der Hauptkammer ist einer von zwei Bereichen in dieser Kammer, in der sich der Großteil der Tierknochen konzentriert (der zweite Bereich liegt im Südwesten der Kammer vor den Steinbänken [siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.9]). Insgesamt wurden 560 Tierknochenelemente in diesem Bereich gezählt, die sich hauptsächlich in zwei Teilbereichen konzentieren – zum einen (G-Fs2126) östlich des südlichen Endes der Steinplatte vor der Steinbank und zum anderen (G-Fs2147) östlich und südlich des östlichen Endes der Steinbank vor der nördlichen Kammerwand (siehe Tafel 1).1419 Im südlichen Teilbereich (G-Fs2126) ließen sich unter den 259 Knochen erneut hauptsächlich Ovi­ capriden und Rinder identifizieren. Darunter Knochen der Vorder- und Hinterläufe sowie zahlreiche Rippen und Wirbel beider Tierarten. Zwar wurden keine anatomischen Verbände vorgefunden, dennoch konnte E. Vila anhand der Wachstumsphasen mehrere Individuen unterschei­den: ein neugeborenes, wenige Wochen altes Lamm (oder Zicklein), ein mehrere Monate altes Lamm und ein erwachsenes Schaf. Zudem sind in diesem Bereich ein Vogelknochen und ein Fischwirbel erwähnenswert, der sich er­halten hat. Im nördlichen Teilbereich (G-Fs2147) wurden unter den dort vorgefundenen 280 Knochen erneut zahl­reiche Rippen, Wirbel und Fragmente des Brustbeins von Rindern und Ovi­capriden be­stimmt. Außerdem wurden Gliederknochen identifiziert, die in zehn Fällen Ovicapriden und in neun Fällen Rindern zugewiesen werden konnten. Diese sind mindestens zwei Schafen (einige Monate alt und erwachsen) und einem erwachsenen Rind zuzuweisen. Weiterhin wurden in diesem Teilbereich ein Hasenknochen, ein Knochen einer Wildgans und ein weiterer, unbestimm­ter Vogelknochen verzeichnet.1420 Weitere vereinzelte Tierknochen (21 Elemente) wurden unter der Steinbank, aber auch in dem Be­­ reich vorgefunden, in dem die beiden Steinplatten 1417 MSH02G-i2522. 1418 Vgl. Evershed et al. 2011: 427 f. Tab. 9, 10. 1419 Vila im Druck: Kapitel 2.1.12.4 („Die Tierknochen aus der Nordwestecke von Kammer 1“); vgl. die Kollektionen der Fundstellen G-Fs2126 und G-Fs2147. 1420 Ebenda; vgl. die Kollektionen der Fundstellen G-Fs2126 und G-Fs2147.

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aufeinandertreffen und östlich der Ecke, die diese bilden. Dabei handelt es sich insgesamt um acht Knochen von Ovicapriden, zwei Rinderknochen und zwei Vogelknochen. Acht weitere Knochen konnten lediglich den „kleinen Arten“ (z.  B. Ovicarpiden, Hund, o.Ä.) zugeschrieben werden.1421 Insgesamt kann für den nordwestlichen Bereich der Hauptkammer festgehalten werden, dass die Tierknochen die fleischlastigen Elemente von Schaf und Rind repräsentieren: Schinken, Schulter und Kotelett.1422 Nach P. Pfälzners Beobachtung legen sich die Tierknochen in einem von Südwesten nach Nordosten verlaufenden Streifen vor die Gefäße und nur einige wenige Knochen ziehen bis an die Gefäße heran oder verteilen sich zwischen diesen.1423 Bislang wurde für den Nordwesten der Hauptkammer die Frage nach den Menschenknochen noch nicht thematisiert, da die Fülle an Keramikgefäßen und Tierknochen einen anderen Fokus setzt. Im Bereich des Keramikdepots fanden sich nur sehr wenige menschliche Knochenfragmente, die einem Erwachsenen und möglicherweise einem weite­ ren, nicht-erwachsenen Individuum zugeordnet wer­den können.1424 P. Pfälzner hält bezüglich der menschlichen Überreste fest, dass diese sich nicht chronologisch zuordnen lassen, es sich aber um sekundär verlagerte Knochen älterer Bestattungen handeln dürfte.1425 P. Pfälzner deutet die nordwestliche Ecke der Hauptkammer als einen Bereich, von dem aus Nahrungsmittel und Flüssigkeiten für die Speiseopfer verteilt wurden: „Die eingehenden Gefäße mit der Nahrung wurden zum überwiegenden Teil hier geöffnet, wie die gebrochenen Tonsicherungen unter der Bank Inst. 1331 anzeigen. Auch die bei den Nahrungsopfern benutzten Ritualgefäße, wie flache Schalen und Krüge, wurden hier aufbewahrt, so lange sie nicht benötigt wurden, und hierher zurückgebracht, wenn sie gerade nicht gebraucht wurden. So erklärt sich die große, chaotische Ansammlung von Gefäßen in diesem Bereich.“1426 In diesem Kontext seien auch die Tierknochen zu erklären, die als Überreste von Speiseopfern oder konsumiertem Fleisch in diesem Bereich entsorgt worden wären. Bei den Tierknochen in diesem Bereich handele es sich somit um „[...] primären Abfall [...], der in der Gruft angefallen ist und hier auch entsorgt

wurde.“1427 Ebenso wie in der Kammer 2 bezeugen die inner­halb der Gruft „entsorgten“ Tierknochen deren rituelle Bedeutung, aufgrund derer sie dem Kreislauf der Bestattungen in der Gruft nicht mehr vollständig entrissen wurden.1428 Fraglich ist, in welchem Rahmen die in der Nord­ westecke deponierten Speisen dargebracht oder konsumiert wurden. Der Bereich könnte zum einen anlässlich jeder Bestattungsfeier „aktiviert“ worden sein, aber auch im Rahmen wiederkeh­render, regel­ mäßiger(?) ritueller Feierlichkeiten könnten die notwendigen Speisen zur Verfügung gestellt worden sein. Bei einer solchen Interpretation wären die Speisen nicht für einen be­stimmten Bestatteten und seine Ankunft in der Unterwelt vorgesehen gewesen, sondern vielleicht für alle Toten in der Gruft, deren Totengeister längst in der Unterwelt angekommen waren und in deren Gedenken Bankette abgehalten wurden (siehe das folgende Kapitel 3.1.1.3.1.4.9). Dies würde die Speise­gaben in den Rahmen der „Totenpflege“ einord­nen (siehe Kapitel 1.1.1).1429

1421 Ebenda; vgl. die Kollektionen der Fundstellen G-Fs2113, G-Fs2160, G-Fs2161 und G-Fs2162. 1422 Vila 2011: 385-391. 1423 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.7.6.1 („Ein Depot von Tierknochenabfall in der Nordwestecke der Kammer 1“). 1424 Witzel im Druck: Kapitel 2.1.12.3 („Die Menschenknochen im Nordwestbereich der Kammer 1“). 1425 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.5.2 („Die Toten der Kammer 1“). 1426 Ebenda: Kapitel 5.7.6.1 („Ein Depot von Tierknochenabfall in der Nordwestecke der Kammer 1“).

1427 Ebenda. 1428 Vgl. ebenda. Siehe auch Kapitel 3.1.1.3.1.4.5 und die dort zitierte Interpretation von E. Vila, die solche umgebetteten Tierknochen jedoch als sekundäre Abfälle definiert (im Gegensatz zu primären Schlachtabfällen, wie etwas Fußknochen). 1429 Zur Darbringung eines kispu(m) anlässlich einer Bestattung siehe Kapitel 1.1.4.3, v. a. Fn. 105. 1430 Pfälzner 2003: 99; 2005: 57 f.; 2007: 58; 2009d: 202; 2011c: 80; im Druck a: Kapitel 1.8.1.2 („Die Steinbänke und Steinplatten“).

3.1.1.3.1.4.9 Die Durchführung von rituellen Banketten zu Ehren der Toten Die südwestliche Ecke der Hauptkammer stellt einen weiteren relevanten Bereich in Bezug auf das Totenmahl dar (siehe Tafel  1 und Abb. 65). In diesem Bereich waren zwei weitere Steinbänke im rechten Winkel zueinander direkt an der Kammerwand errichtet worden. Auf der südlichen Hälfte der Steinbank an der Westwand waren Keramikgefäße, Steingefäße, Tierknochen und eine Tonsicherung abgelegt worden, diejenige an der Südwand wies keinerlei Objekte oder organischen Ablagerungen auf. Aufgrund dieses Befundes schlägt P. Pfälzner für die Steinbank an der südlichen Kammerwand und für das nördliche Ende der Steinbank an der westlichen Kammerwand vor, dass diese Bänke zum Sitzen dienten und somit einen Hinweis auf mensch­ liche Partizipation an den Ritualen in der Königsgruft liefern.1430 Unmittelbar vor und östlich von der südlichen Bank liegen zwei weitere Kalksteinplatten auf dem Boden. Auf der Kalksteinplatte vor der Bank waren ebenfalls keine Gegenstände abgestellt worden und lediglich der nördliche Rand war durch die Organische Unterlage  4 überlagert. Die Tat-

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Abb. 65: Der südwestliche Bereich der Hauptkammer mit den beiden Steinbän­ ken Inst. 1328 und Inst. 1329 (Foto: Konrad Wita).

sache, dass auch auf dieser Steinplatte keine Funde verzeichnet wurden, führt zu der Vermutung, dass auch sie im Zusammenhang mit der Sitzfunktion der südlichen Steinbank stand, etwa als Lauffläche, zum Abstellen der Füße oder um die Reinhaltung des Platzes vor der Bank zu erleichtern.1431 Unter die Steinbänke geworfene, gebrochene Tonsicherungen wertet P. Pfälzner als Indiz, dass hier Gefäße, in denen Nahrungsmittel geliefert wurden, geöffnet wurden. Unter der westlichen Steinbank gefundene Tierknochen – 24 Elemente, von denen sieben als Ovicapriden und einer als Rin­ derfußknochen bestimmt werden konnten1432 – wären entsprechend als weggeworfene Essensreste zu wer­ ten und als Hinweis darauf, dass von den Personen, die auf den Bänken saßen, auch Fleisch verspeist wurde. Ebenso seien die Tierknochen auf der westlichen Steinbank – von 49 konnten neun als zugehörig zu Ovicapriden und Rind bestimmt werden1433 – als Überreste von verspeistem Fleisch in diesem Bereich der Gruft zu werten. Im gleichen Kontext wären auch die vier flachen Schalen, die Schüssel aus der Späten Bronzezeit IIA sowie die zwei mittelbronzezeitlichen Flaschen als Behältnisse zur

1431 Pfälzner 2011c: 80 f.; Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.8.1.2 („Die Steinbänke und Steinplatten“). 1432 Vila im Druck: Kapitel 2.1.10.4 („Die Tierknochen aus der Südwestecke von Kammer 1“); vgl. die Kollektion der Fundstelle G-Fs2130. 1433 Ebenda; vgl. die Kollektionen der Fundstelle G-Fs2153; einschränkend ist jedoch anzumerken, dass es sich bei dem Rinderknochen lediglich um eine Patella handelt, die möglicherweise zu einem der Oberschenkelknochen auf der Organischen Unterlage 4 gehört (ebenda).

Nahrungsmittelaufnahme zu interpretieren.1434 Das Vorhandensein der mittelbronzezeitlich datierenden Flaschen sieht P. Pfälzner als Hinweis, dass ältere Gefäße in diesem Bereich in einem aktiven Nutzungskontext der Späten Bronzezeit stehen. Zusätzlich zu den Keramikgefäßen auf der Stein­bank fanden sich auch mehrere Gefäße unter der Steinbank an unterschiedlich gut erreichbaren Stellen: Dabei handelt es sich unter anderem um mehrere gestapelte Schalen – darunter vier Schalen aus der Späten Bronzezeit I und sieben Schalen aus der Späten Bronzezeit IIA, die innerhalb des Stapels gemischt waren – die möglicherweise für eine spätere Nutzung bereitgestellt waren. Die Vermischung der Typen aus verschiedenen Perioden zeigt, dass diese Schalen hier nicht sukzessive abgestellt wurden, sondern vermutlich immer nach ihrem Gebrauch in der Gruft eingesammelt und für die nächste Gelegenheit verstaut wurden. An geschlossenen Gefäßen fanden sich ein Krug der Späten Bronzezeit  I und zwei Krüge der Späten Bronzezeit  IIA sowie zwei Töpfe aus der Mittleren Bronzezeit. Von letzteren stand sogar einer gut er­reichbar am nördlichen Rand der westlichen Steinbank neben dem Eingang zu Kammer 4.1435 Da die Gefäße unter der Bank unterschiedlich gut er­reich­bar waren, kommt P. Pfälzner zu der Schlussfolgerung, dass bei der Deponierung der Gefäße von einer Misch­form von aktiven und passiven Zonen zu sprechen ist. Dabei 1434 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.7.6.2 („Hinweise auf den Konsum von Opfernahrung in der Südwestecke der Kammer 1“). 1435 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.4.9.1 („Kammer 1“) und Kapitel 4.7.1.5 („Depositionsprozesse im Bereich der Bank Inst. 1329“).

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Der archäologische Befund wären die abseits gelegenen Gefäße Teil der passiven Zone, während die leicht erreichbaren Gefäße noch in aktiver Benutzung waren (siehe auch Kapitel 3.1.1.3.1.4.10).1436 Die biochemischen Analysen von den Rückständen aus fünf Keramikgefäßen, die mit den aktiven und passiven Zonen auf und unter den Steinbänken assoziiert werden können, erbrachten folgende Er­geb­nisse: Bei vier Proben aus geschlossenen Ge­fäßen (zwei spätbronzezeitliche Krüge, zwei mittelbronzezeitliche Töpfe) handelt es sich aus­schließlich um pflanzliche Wachse. Die Schüssel der Späten Bronzezeit IIA, die Teil des Ensembles auf der Steinbank Inst. 1329 war, enthielt sowohl pflanz­liche Wachse als auch tierische Fette und Harzkomponenten.1437 Sofern diese Rückstände von der Nutzung der Gefäße innerhalb der Gruft stammen, würden die Proben erneut zeigen, dass nicht nur Wasser für die Toten li­biert, aufbewahrt oder in deren Gedenken getrunken wurde. Neben den oben erwähnten Tierknochen, die auf und unter der Steinbank Inst.  1329 gefunden wurden, befanden sich zahlreiche Tierknochen (217 Elemente) im Bereich der Organischen Unterlage 4. Da diese be­reits näher besprochen wurden (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.6), ist es unnötig an dieser Stelle die Details zu wiederholen. Allerdings ist im Zusammenhang mit dem möglichen Abhalten eines Banketts in der südwestlichen Ecke der Königsgruft von Interesse, dass im Bereich der Organischen Unterlage 4 ungewöhnlich viele Tierknochen im Vergleich mit den anderen Organischen Unterlagen verzeichnet werden konnten. Es ist anzunehmen, dass ein Teil dieser Tierknochen ebenfalls von dem in diesem Bereich verzehrten Fleisch stammt. Dabei wären die Knochen, die von E. Vila als vermutlich zusammengehörig eingestuft wurden, sodass von der Ab­lage ganzer Skeletteile der fleischlastigen Berei­ che ausgegangen werden kann,1438 als Speiseopfer für die Verstorbenen auf der Organischen Unterlage  4 zu werten. Die einzelnen Knochen dürften hingegen eher als Überreste des Banketts zu Ehren der Toten zu verstehen sein.1439 1436 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.7.1.5 („Depositionsprozesse im Bereich der Bank Inst. 1329“). Siehe zum Konzept der aktiven und passiven Zonen Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.7 („Aktivitätszonen und passive Zonen der Königsgruft und deren Depositionsprozesse“) und Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.4 („Die Depositionsgeschichte des Grabinventars in den aktiven und passiven Zonen der Gruft von der Mittleren zur Späten Bronzezeit “), mit Verweis auf Pfälzner 2001b: 41, 52 f. 1437 Evershed et al. 2011: Tab. 1-6 (siehe die Analysen der Rückstände in den Gefäßen MSH02G-i835, -i2367, -i2370, -i2371 und -i2552). 1438 Vila 2011: 385-391; im Druck: Kapitel 2.1.10.4 („Die Tierknochen aus der Südwestecke von Kammer 1“). 1439 Vgl. Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.7.6.2 („Hinweise auf den Konsum von Opfernahrung in der Südwestecke der Kammer  1“).

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Weitere Indizien, die nahelegen, dass in der Gruft gespeist wurde, sind Schnittspuren an einigen der Tierknochen in der östlichen Nebenkammer (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.5), die darauf hinweisen, dass der Verzehr von Speisen in der Gruft stattgefunden hat. Die Knochen wiesen – trotz ihres schlechten Erhaltungs­zustandes – verschiedene Spuren auf. Dabei handelt es sich konkret um Hinweise auf die Zerteilung von bestimmten Fleischpartien und um Spuren der Abtrennung vom Fleisch von den Knochen. Die Schnittspuren, aber auch die Existenz von zahlreichen Vorder- und Hinterfußknochen in der Gruft legen neben dem Verzehr von Fleisch auch die Zerteilung der Tiere im Grab nahe.1440 Bemerkenswert ist, dass ein Teil der Knochen der Säugetiere und Vögel eine bräunliche Verfärbung aufweist, die nach E. Vilas Deutung möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass die Knochen Hitze ausgesetzt worden waren.1441 Zum anderen könnte der von C. Witzel festgestellte Umstand, dass die Toten über eine Stunde auf ca. 250° C erhitzt wurden, den Verzehr von Speisen in der Gruft plausibel machen. Eine derartige Erhitzung hätte bestimmte Prozesse der Leichen­zersetzung aufgehalten,1442 sodass auch entsprechende Gerüche reduziert worden wären. Neben all den Indizien, die dafür sprechen, dass im Bereich der Steinbänke im Südwesten der Hauptkammer Speisen im Gedenken an die Toten verzehrt wurden, sind zwei kleine Ansammlung von Menschenknochen in diesem Bereich zu erwähnen. Diese befanden sich unter den Bänken in der südwestlichen Raumecke der Hauptkammer. Fast alle dieser Knochen gehörten vermutlich zu einem Individuum, ein einzelnes Element repräsentiert ein zweites Individuum.1443 P. Pfälzner erklärt diese Ansammlung von Menschenknochen derart, dass es sich um ältere Bestattungen an einer nicht bekann­ ten Stelle der Hauptkammer handeln muss, die sekundär unter die Bänke geraten sind.1444 Vorstellbar wäre m.  E. auch, dass diese Bestattungen zu Beginn der Gruftnutzung auf den Steinbänken im Südwesten der Hauptkammer niedergelegt wurden, von wo der Großteil der Knochen nach einer Zeit in das Ossua­rium, die Kammer 2, oder auch in die 1440 Vila 2011: 399-401. 1441 Einige Tierknochen in der nord­westlichen Ecke der Hauptkammer waren zudem sicht­bar verkohlt. Laut E. Vila sind diese Brandspuren allerdings eher zufällig entstanden, als durch Menschen verursacht (Ebenda: 399). 1442 Witzel – Kreutz 2007: 185; Witzel 2009: 210; Witzel et al. in Vorbereitung. 1443 1. zumindest adult, Geschlecht weiblich > männlich, 2. Juvenis (unter 16 Jahren), Geschlecht nicht bestimmbar. Witzel – Kreutz 2007: 176; Witzel 2011a: 377 f.; im Druck: Kapitel 2.1.10.3 („Die Menschenknochen in der Südwestecke der Kammer 1“). 1444 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.5.2 („Die Toten der Kammer 1“).

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Gruft VII unter dem Nordwestflügel des Palastes (siehe Kapitel 3.1.1.3.2) umgebettet worden wäre. Ei­nige wenige Knochen wären weniger achtsam in die Ecke zwischen den beiden Bänken und der Kammerwand gefegt worden. In diesem Fall hätten die Steinbänke nicht von Beginn an zum Sitzen gedient, um ein Bankett für die Toten abzuhalten. Dennoch wäre, selbst wenn es in diesem Bereich Bestattungen gegeben hätte, auch schon zu einem frühen Zeitpunkt mit einer Funktion der Steinbänke im Rahmen von Banketten zu Ehren der Toten zu rechnen. Bezüglich der Deutung der Steinbänke im Rahmen von Feierlichkeiten mit dem Verzehr von Speisen in Andenken an die Toten ist auch an die Gestal­tung der Hauptkammer zu erinnern, die mit ihren vier Säulen an den Aufbau der sogenannten Halle C anknüpft (siehe Kapitel  3.1.1.3.1.4).1445 P. Pfälzner schlägt vor, dass möglicherweise auch der funktio­nale Aspekt der Empfangshalle übernommen werden sollte, und die Hauptkammer ebenfalls als Ort der Versammlung betrachtet werden kann.1446 3.1.1.3.1.4.10 Entsorgte Tierknochen und Gefäße an schwer zugänglichen Stellen – zur späteren Nutzung und in Vergessenheit geraten Neben den zahlreichen Keramikgefäßen, die in den vorangegangenen Kapiteln bezüglich ihres rituellen Kontexts erwähnt wurden oder aus deren Aufstellungsort man einen praktischen Nutzen ableiten kann, wurden weitere Keramikgefäße an weniger eindeutigen Orten in der Gruft abgestellt. Von diesen Orten wurden einige der Gefäße vermutlich immer wieder auf­genommen, um sie im Rahmen der Aktivitäten in der Gruft zu nutzen. Bei anderen lässt der Fundort darauf schließen, dass sie dem aktiven Geschehen in der Gruft entzogen worden waren. Anhand einer chronologischen Einordnung der Keramikgefäße und allen weiteren Materialien und Funden sowie einer umfangreichen Depositionsanalyse kommt P. Pfälzner in Hinblick auf bestimmte Bereiche zu dem Schluss, dass manche Keramikgefäße in „passiven Zonen“ abgestellt wurden.1447 Bereits in der Mittleren Bronzezeit gab es solche passiven Zonen, die sich unter anderem unter der Steinbank in der Nordwestecke der Hauptkammer fanden, wo laut P. Pfälzner der Abfall, der im Kontext der Nahrungsbevorratung anfiel, entsorgt wurde. In der Späten Bronzezeit wurde dann in diesem Bereich der nördlichste Streifen des Keramikdepots zu einer 1445 Pfälzner 2007: 58 und ausführlich in Pfälzner im Druck a: Kapitel 1.5 („Die Symbolik der architektonischen Gestalt der Grabkammern“). 1446 Ebenda; Pfälzner 2011c: 78 f. 1447 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.4 („Die Depositionsgeschichte des Grabinventars in den aktiven und passiven Zonen der Gruft von der Mittleren zur Späten Bronzezeit“).

Abb. 66: Die Keramikgefäße im Spalt zwischen dem Sarkophag 1 in der Hauptkammer und der südlichen Kammerwand (Foto: Konrad Wita).

passiven Zone, was sich aus dort abgelegten, nicht mehr benötigten Objekten früherer Bestattungen und der durch die davorgestellten Keramikgefäße erschwerten Zugänglichkeit ableiten lässt.1448 Auch die Bereiche unter den beiden Steinbänken im Südwesten der Hauptkammer wurden offenbar seit der Mittleren Bronzezeit zur Entsorgung von Abfällen genutzt, die im Rahmen von Ritualen zur Versorgung der Toten mit Speisen anfielen. Die Kontinuität der Ablagerungen in diesem Bereich weist darauf hin, dass der Boden unter den Bänken, anders als es für andere Bereiche postuliert wird, nicht gereinigt worden sein kann.1449 Neben den Bereichen unter den Steinbänken, waren offenbar die Spalten und Nischen neben den beiden Sarkophagen besonders geeignet, um nicht mehr benötigte Keramikgefäße abzustellen. So wurde zum einen offenbar der Spalt zwischen dem Sarkophag in der Hauptkammer und der südlichen Kammerwand in der Späten Bronzezeit  IIA als Abstellort für Gefäße der Späten Bronzezeit  I genutzt (Abb. 66). Diese könnten ursprünglich mit den Bestat­tungen auf der benachbarten Organischen 1448 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.7.1.6 („Depositionsprozesse in der Nordwestecke der Hauptkammer“); im Druck c: Kapitel 5.4.1 („Der Wandel der Aktivitätszonen und der passiven Zonen in Kammer 1“). 1449 Ebenda.

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Der archäologische Befund Unterlage  2 assoziiert gewesen sein.1450 Ebenso wurden augenscheinlich die Nischen zwischen dem Sarkophag in der westlichen Nebenkammer und den Seitenwänden genutzt, um hier ältere Grabobjekte zu deponieren, darunter auch Keramikgefäße der Mittleren und Späten Bronzezeit. Gleiches gilt für verschiedene Fußbodenbereiche in Kammer 4, unter anderem unter dem Bestattungstisch und der Steinbank an der Westwand der Kammer.1451

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Zwei Fundkategorien geben vornehmlich Auskunft über die Darbringung von Speiseopfern und den Verzehr von Speisen in der Gruft. Dies sind zum einen die Tierknochen und zum anderen die Keramikgefäße. Während erstere in großer Zahl in beinahe allen Bereichen der Gruft gefunden wurden und einen eindeutigen Nachweis für Fleischopfer liefern, ist bei den Keramikgefäßen deren Datierung und (bewusste) Platzierung an bestimmten Orten ausschlaggebend für ihre Deutung. Die drei übergeordneten Kategorien an Gefäßformen – flache Schalen, Krüge/Flaschen und Vorratsgefäße – die hauptsächlich in der Gruft vertreten waren, erlauben den Rückschluss, dass feste Nahrung dargebracht oder verzehrt, Flüssigkeiten libiert und Speisen in der nordwestlichen Ecke der Hauptkammer für die in der Gruft abgehaltenen Rituale bereit gehalten wurden.1452 P. Pfälzner hält die Schalen besonders geeignet für die Darbringung von Brot, das in den kispu(m)Texten aus Mari eine wichtige Rolle spielt. Dies lässt sich zwar anhand der erhaltenen Überreste, die in einigen wenigen Keramikschalen biochemisch als pflanzliche Wachse bestimmt werden konnten (siehe Tafel 1),1453 nicht nachweisen, ist jedoch eine plausible Möglichkeit für die Schalen, deren Inhalts­ stoffe nicht bestimmt werden konnten. Dass neben den biochemischen Markern, die auf einen Inhalt aus Früchten oder Gemüse hindeuten, in manchen Schalen auch Tierknochen gefunden wurden, zeigt, dass die Schalen vielfältig einsetzbar waren.1454 Es ist zudem anzunehmen, dass die verschiedenen Schalen

in der Gruft im Laufe der Zeit mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt wurden. Auch für die geschlossenen Gefäße, die Krüge und Flaschen kommen verschiedene Füllungen in Betracht. Dies ist neben Wasser u.  a. die durch Tontafeln in der Königsgruft belegte Milch.1455 Die biochemischen Untersuchungen der geschlossenen Gefäße haben in der Mehrheit der Fälle auch für diese Gefäße pflanzliche Wachse als Rückstände nachweisen können (siehe Tafel  1).1456 Zu denken wäre diesbezüglich an Öl oder auch an alkoholische Getränke wie Wein oder Bier. Allerdings sind auch dickflüssigere oder breiartige Substanzen als Inhalt der geschlossenen Gefäße nicht auszuschließen (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.7). Mit Hinblick auf den Ursprung der Rückstände aus den (Keramik-) Gefäßen in der Gruft ist jedoch erneut einschränkend darauf hinzuweisen, dass diese Rückstände auch von einer früheren Nutzung der Gefäße außerhalb der Gruft stammen können (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.2). P. Pfälzner schließt aus der Tatsache, dass keine Trinkgefäße in der Gruft gefunden wurden, dass die Flaschen und Krüge vorrangig zum Libieren von Flüssigkeiten gedient haben dürften.1457 Er defi­ niert die Schalen und Krüge, die in der letzten Nutzung häufig in enger Verbindung in der Königsgruft vorkommen, als Set der spätbronzezeitlichen Grabkeramik.1458 Die Vorratsgefäße dienten dazu, größere Mengen von Nahrungsmitteln aufzubewahren und leicht zugänglich zu machen.1459 Allerdings müssen die Gefäße nach ihrer Nutzung jedes Mal gründlich gereinigt worden sein. Dies war zum einen aus hygie­nischen Gründen notwendig und lässt sich zum anderen daraus ableiten, dass kaum organische Verkrustungen in den Vorratsgefäßen gefunden wur­den.1460 Die Tatsache, dass manche der mittelbronzezeitlichen Vorratsgefäße mit einer weißen Substanz repariert wurden, die als Gips gedeutet wird, bezeugt ihre lange Nutzung in der Gruft und führt zu der Schlussfolgerung, dass sie wiederholt mit Nahrungsmitteln befüllt wurden.1461 An Fleischopfern lässt sich in der Königsgruft hauptsächlich das Fleisch von Schafen und Ziegen nachweisen, aber auch Rinder und Vögel waren

1450 Ebenda. 1451 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.7.4.4 („Depositionsprozesse auf dem Fußboden der Kammer  4“); im Druck c: Kapitel 5.4.4 („Der Wandel der Aktivitätszonen und der passiven Zonen in Kammer 4“). 1452 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.7.2 („Die Indikatoren des Totenmahls“). 1453 In wenigen Schalen konnten zusätzlich tierische Fette oder Harze nachgewiesen werden (Evershed et al. 2011:421-429, Tab. 6, 10). 1454 vgl. auch Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.7.2 („Die Indikatoren des Totenmahls“).

1455 Siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.8 und Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.7.2 („Die Indikatoren des Totenmahls“). 1456 Evershed et al. 2011: 414-417, Tab. 2, 4. 1457 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.7.2 („Die Indikatoren des Totenmahls“). 1458 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.4.9 („Die spätbronzezeitliche Keramik“); im Druck c: Kapitel 5.6.4.1.1 („Die Definition und Funktion des spätbronzezeitlichen Ritualkeramiksets“). 1459 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.7.2 („Die Indikatoren des Totenmahls“). 1460 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.6.5.1 („Die Verteilung der Keramikversorgungsgefäße “). 1461 Pfälzner im Druck b: Kapitel 4.5.6.1 („Kammer 1“).

3.1.1.3.1.4.11 Abschließende Interpretation zum Totenmahl in der Königsgruft

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Bestandteil der dargebrachten Speisen. Während der prozentuale Anteil an Vogelknochen in der östlichen Nebenkammer über die verschiedenen Schichten von der Mittleren zur Späten Bronzezeit zunimmt, lässt sich ein ähnliches Muster auch beim Vergleich der Sarkophage und Organischen Unterlagen fest­ stellen: In den Sarkophagen stellen nur 1,4% der Tierknochen Vogelknochen dar, in den Bereichen der Organischen Unterlagen bilden sie 9,5% der Tierknochen.1462 Zwar ist, wie in den vorangehenden Kapiteln dargestellt, auch bei den Sarkophagen noch in der Späten Bronzezeit mit der Darbringung von Speiseopfern zu rechnen, dennoch setzten diese in den Sarkophagen bereits in der Mittleren Bronzezeit ein, sodass mit einer Vermi­schung der Tierknochen der verschiedenen Perioden zu rechnen ist. Da das Darbringen von Opfern an den Organischen Unterlagen ausschließlich in der Späten Bronzezeit stattgefunden hat, lässt sich folglich aus den unterschiedlichen Anteilen an Vogelknochen durchaus eine vermehrte Darbringung von Vogelfleischopfern für die Späte Bronzezeit in der Königsgruft ableiten. Wie den vorhergehenden Darstellungen zu ent­ neh­men ist, können in der Königsgruft von Qaṭna mehrere Bereiche definiert werden, die auf unterschiedliche Art und Weise in Zusammenhang mit Speisebeigaben und -opfern für die Toten stehen. Dabei gab es offenbar von der Mittleren zur Späten Bronzezeit eine Veränderung in den Bestattungs­ orten und entsprechend auch eine Verschiebung des rituellen Fokus. Während in der Mittleren Bronzezeit  IIA die Sarkophage als Orte für Primärbestattungen ge­dient haben dürften (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.4), wurden die Toten in der Späten Bronzezeit I in den Bereichen der Organischen Unterlagen in der Hauptkammer und auf dem Be­stat­tungstisch niedergelegt (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.6). Interessant ist, dass es in der Königsgruft keinen eindeutigen Nachweis gibt, dass die Toten bei ihrer Primärbestattung Speiseopfer erhielten. Zwar erlauben die mittelbronzezeitlichen Gefäße und ein entsprechend datierender Tierknochen in den Sarkophagen, ebenso wie Keramikgefäße der Späten Bronzezeit  I in den Be­reichen der Organischen Unterlagen in der Hauptkammer den Rückschluss, dass die Toten im Rahmen ihrer primären Bestattung mit Speisen versorgt wurden, allerdings ließen sich diese Befunde auch mit der Darbringung von Speiseopfern anlässlich der – in zumin­dest einigen der Fällen sicherlich noch in derselben Periode erfolgten – Sekundärbestattungen

erklären. Gegen die Darbringung von Speiseopfern während der Primärbestattung spricht der Befund vom Bestattungstisch, auf dem sich die einzige Be­stattung in primärer Lage befindet und auf dem keine Hinweise auf dargebrachte Speisen gefunden wurden, ebenso wie der Befund der Organischen Unterlage 3, der Ähnliches suggeriert. Während die Frage der Darbringung von Speisen im Rahmen von Primärbestattungen nicht eindeutig geklärt werden kann, legt der Befund die Beopfe­ rung der Toten mit Speisen im Rahmen von und nach der Sekundärbestattung eindeutig nahe. Gemäß der chronologischen Analyse von P. Pfälzner ist davon auszugehen, dass die Toten sowohl in der Periode ihrer sekundären Umbettung, als auch bis zur letzten Nutzung der Gruft rituell mit Speiseopfern versorgt wurden (siehe im Detail die Kapitel 3.1.1.3.1.4.4 bis 3.1.1.3.1.4.6). Diesbezüglich kann postuliert werden, dass die sekundär manipu­lier­ten skelettalen Überreste in den Sarkophagen und auf den Organischen Unterlagen zumindest noch eine gewisse Zeit nach der Verlagerung der Knochen individuellen Verstorbenen zugeordnet werden konn­ten und in diesen Bereichen möglicherweise die individuellen Ahnen mittels ritueller Handlungen, die u.  a. Speise- und Libationsopfer beinhalteten, ver­ehrt wurden. Ihren individuellen Status dürften die Verstorbenen spätes­ tens verloren haben, als ihre Gebeine in das Ossua­ rium umgebettet wurden, sodass die Toten zu diesem Zeitpunkt vermutlich in das Kollektiv der Ahnen integriert wurden (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.5). Im Hinblick auf die östliche Nebenkammer formulierte P. Pfälzner die Interpretation, dass durch das Niederlegen der Verstorbenen in dieser Kammer die Knochen nicht mehr als Objekte der Bestattungsriten, sondern als Symbole der Ahnen mit der Funktion von Ahnenreliquien, zu betrachten seien.1463 Der Tote verlor seine Bedeutung als Individuum und wurde in das Kollektiv der Ahnen integriert.1464 Neben der bis in die Späte Bronzezeit IIA nachgewiesenen Versorgung der Toten in der östlichen Nebenkammer dürfte das Kollektiv der Ahnen auch durch die Speiseopfer vor den Ah­nenstatuen in der Vorkammer versorgt worden sein (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.3.3). Weitere Handlungen, die das Darbringen und/ oder den Verzehr von Speisen zu Ehren der Toten beinhalten, sind hinsichtlich der Speiseopfer in der südlichen Nebenkammer anzunehmen, in Bezug auf die postulierten in der Königsgruft abgehaltenen Bankette und bezüglich der Befunde im Korridor und in der Vorkammer (abseits der Ahnenstatuen).

1462 Die Prozentwerte wurden aus der von Vila ermittelten vorhandenen Anzahl der Vogelknochen der jeweiligen Bereiche im Verhältnis zur Gesamtzahl der dort gefundenen Tierknochen ermittelt (inkl. der unbestimmten Knochen der kleineren und größeren Arten, die bei den errechneten Werten als nicht-Vogelknochen gezählt wurden, siehe auch Fn. 1333); vgl. die Tabellen in Vila im Druck.

1463 Pfälzner 2005: 58. P. Pfälzner merkt an, dass in diesem Zusammenhang der Verbleib der Schädel der Verstorbenen ungeklärt bleibt. Da nur ein einziger in der Gruft gefunden wurde, besteht die Möglichkeit, dass die Schädel als besonders wertvolle Ahnenreliquien galten und an einen bisher unbekannten Ort verbracht wurden (a. a. O.). 1464 So bereits Pfälzner 2012b: 215.

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Der archäologische Befund Bei diesen rituellen Handlungen sind die Adressaten allerdings weniger konkret zu fassen als in den Be­reichen, in denen die menschlichen Überreste der Verstorbenen mit Speiseopfern bedacht wurden. Während für die südliche Nebenkammer angenommen wird, dass dort die Totengeister der Könige mit Speisen versorgt wurden (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.7), könnten die in der Gruft abgehaltenen Bankette sowohl zu Ehren einzelner Toter, anlässlich deren Bestattung man sich möglicherweise in der Gruft versammelt hat, oder auch im Gedenken an einzelne Tote oder das Kollektiv abgehalten worden sein (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.9). Die Hinweise auf die Darbringung von Speisen und das Ausgießen von Libationen im Korridor und in der Vorkammer sind ebenfalls keinen konkreten Adressaten zuzuweisen (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.2 und 3.1.1.3.1.3). Da die Handlungen vor den Türen im Korridor die Vorstellung eines symbolischen Charakters der Türen unterstützen, kann angenommen werden, dass eine beispielsweise anlässlich einer Bestattung stattfin­ dende Prozession, die den Korridor entlang schritt, an jeder der Türen einhalten musste, um das Voll­ ziehen des jeweils notwendigen Rituals zum Öffnen der Tür abzuwarten. Zwar können die Adressaten der dargebrachten Speisen und Libationen an diesen Orten nicht mehr bestimmt werden, aller­dings wäre zum Beispiel an die Totengeister in der Unterwelt zu denken, bzw. die in der Gruft bestatteten Toten, die mit diesen Gaben beruhigt werden sollten, bevor man „ihren Bereich“ betrat, oder auch an die Unterweltsgötter. ��������������������������������������� Sollte es sich um Speiseopfer und Libationen für die Totengeister gehandelt haben, wären diese in den Rahmen des in dieser Arbeit diskutier­ ten Themas einzuordnen. Insgesamt können zumindest vier unterschiedliche Handlungsarten bezüglich des Totenmahls in der Königsgruft von Qaṭna festgestellt werden: 1. Speise­opfer für die Toten bei und nach der Sekundärbe­stattung (möglicherweise wurden die Toten zu diesem Zeitpunkt bereits als Ahnen ver­ ehrt); 2. die Versorgung des Kollektivs der Ahnen mit Speiseopfern in der östlichen Nebenkammer und vor den Ahnenstatuen in der Vorkammer; 3. die Darbringung von Speisen für die königlichen Totengeister in der südlichen Nebenkammer; 4. das Abhalten von Banketten anlässlich einer Bestattung und/oder in Gedenken an die Toten. Fraglich ist, wie oft oder regelmäßig Bankette in der Königsgruft abgehalten wurden. Aus den Befunden lässt sich lediglich ableiten, dass solche Bankette stattgefunden haben, und zwar von der Mitt­leren Bronzezeit  IIA bis in die Späte Bronzezeit  IIA. P. Pfälzner kommt zu der Schlussfolgerung, „dass das Totenmahl in der Königsgruft von Qaṭna – obwohl der Terminus für diesen Ort noch nicht textlich belegt ist – als kispu ausgewiesen ist, weil es sich um eine wiederholte, kontinuierlich

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durchgeführte Versorgung der Verstorbenen mit Nahrung handelte.“1465 Allerdings ist die Verwen­ dung des Begriffs aus Sicht der Autorin nicht unpro­ blematisch. Zwar kann festgestellt werden, dass die Speiseopfer in der Königsgruft in einem sich wie­ der­holenden Ritual dargebracht wurden, über die Regelmäßigkeit der Ausübung der Rituale, etwa alle zwei Wochen wie es für das kispu(m) in Mari belegt ist, lassen sich aus dem vorliegenden Befund jedoch keine Aussagen ableiten. Denkbar wäre auch, dass das Totenmahl nur zu besonderen Anlässen in der Gruft zeremoniert wurde.1466 Zwar sind in Mari auch „außerplanmäßige“ kispu(m)-Feiern belegt, allerdings ist ein weiteres Kriterium für ein kispu(m)Ritual sehr wahrscheinlich, dass die Verstorbenen namentlich genannt werden konnten (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.2, 2.2.2.1.5 und 2.2.2.1.9). Da zumin­ dest ein Teil der Speiseopfer in der Königsgruft von Qaṭna für ein Kollektiv von Ahnen dargebracht wurde, kann der Begriff kispu(m) nicht pauschal für die in der Königsgruft durchgeführten Rituale angewendet werden. Dies schließt allerdings nicht aus, dass es sich bei einem Teil dieser Rituale um kispu(m)-Rituale gehandelt hat. Ordnet man die Bestattungsrituale und die Darbringung von Speise- und Libationsopfern in die von A. van Gennep definierten rites de passage ein, die sich nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung auch nach dem Tod noch mehrfach wie­derholen konnten (= Zyklen der rites de passage, siehe Kapitel 1.1.3), sind zunächst die Primärbestattungen zu betrachten. Die Bestattungsrituale begannen vermutlich in den Palasträumen und beinhalteten unter anderem die Erhitzung des Leichnams.1467 Abgeschlossen wurde der Bestattungsvorgang mit der Primärbestattung in den Sarkophagen in der Mitt­ leren Bronzezeit oder auf dem Bestattungstisch und in den Bereichen der Organischen Unterlagen in der Hauptkammer in der Späten Bronzezeit. Mit dieser ersten Bestattung und begleitenden bzw. nachfolgenden Ritualen wurde zugleich der erste Zyklus der rites de passage (siehe Kapitel 1.1.3) abgeschlossen, der mit der Überführung des Toten in die Gesell­ schaft der Unterwelt endete. Sehr wahrscheinlich wurde bereits anlässlich der Primärbestattung ein Bankett zu Ehren des oder der Toten veranstaltet. Be­züglich von Speiseopfern, die die Toten im Rahmen ihrer Primärbestattung unmittelbar er­halten haben, sind die Befunde nicht eindeutig. Sollten die Verstorbenen tatsächlich anlässlich ihrer Primärbe­ 1465 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.7.10 („Zusammenfassung: Die Orte und die Dauer des Totenmahls in der Königs­ gruft“); siehe auch im Druck c: Kapitel 5.10.2 („Die Bedeutung der kispu-Rituale “). 1466 Für die Kriterien, die das kispu(m) in Mari definieren – als zweiwöchiges Ritual zu Ehren der individuell anrufbaren Ahnen – siehe im Detail Kapitel 2.2.2.1.9. 1467 Pfälzner 2012b: 208-211.

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stattung selbst keine Speiseopfer erhalten haben, würde dies an die zahlreichen „einfachen“ Gräber erinnern, in denen ebenfalls keine Hinweise auf Speisebeigaben oder -opfer gefunden wurden (siehe hierzu auch das abschließende Kapitel 3.3.1). Die Handlungen, die die Sekundärbestattung beglei­­teten, sollten vermutlich für eine Überführung des Toten in den Status des Ahnen und schließlich in das Kollektiv der Ahnen sorgen. Diese Handlungsab­ läufe fallen, entsprechend der Definition in Kapitel 1.1.3 in den zweiten und dritten Zyklus der rites de passage. Sobald ein Toter in den Status des Ahnen überführt worden war, wurde dieser im Rahmen des individuellen oder kollektiven Ahnenkultes verehrt. Dieser fand über lange Zeiträume statt und konnte sowohl politisch, als auch sozial intentioniert sein (siehe auch Kapitel 1.1.1 und 1.1.3).1468 3.1.1.3.2 Die Gruft VII Die Gruft VII befindet sich mit ihrer Vorkammer unter dem Raum DA im Nordwestflügel des Königs­ palastes (Abb. 36). Die zwei Grabkammern der Gruft VII dürften, ähnlich wie die Gruft I (siehe Kapitel  3.1.1.2.2), bereits in der Mittleren Bronzezeit  I angelegt und in dieser auch schon genutzt worden sein. Mit der Errichtung des Palastes und des Nord­ westflügels in der Mitt­leren Bronzezeit  II wurde die Gruft VII überbaut und in das architektonische Gefüge des Palastes inte­griert.1469 Die Funde aus der Gruft VII datieren größtenteils an das Ende der Mitt­leren Bronzezeit II1470 und sind somit zeitgleich mit der ältesten Nutzung in der Königsgruft. Diesbe­ züglich ist erneut anzumerken, dass eine Umbettung von mittelbronzezeitlichen Bestattungen aus der Königsgruft in die Gruft VII ein wahrscheinliches Szenario darstellt.1471 Berücksichtigt man, wie dicht der Boden der Gruft VII mit Knochen und Funden bedeckt war (siehe unten), wird schnell deutlich, dass die Gruft VII vornehmlich zur finalen Deposition von älteren Bestattungen diente und in der Gruft kaum die Möglichkeit bestand, umfangreiche weitere Handlungen auszuführen. Allerdings bezeugen, auch wenn die Funde aus der Gruft größtenteils an das Ende der Mittleren Bronzezeit II datieren, zwei Keramikschalen, die auf dem Fußboden der Vorkammer gefunden wurden, und eine Öllampe in einer Nische in der südlichen Grabkammer, die jeweils in die Späte Bronzezeit IIA datieren, dass auch die Gruft VII bis zur Zerstörung des Palas­ tes zugänglich war und den Toten in dieser Gruft

1468 Vgl. Pfälzner 2005: 57. 1469 Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2011: 72, 77, 133. 1470 Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2010: 78; 2011: 83, 134. 1471 Ebenda: 77 f.; Pfälzner 2012b: 215; Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.5 („Die in der Königsgruft Bestatteten“).

Opfergaben dargebracht wurden (siehe Tab. 29).1472 In der Ostwand der Vorkammer befindet sich der knapp 1,2 m hohe Eingang zu der zweikammerigen Gruft.1473 Da die Abschlusspublikation der Gruft VII zum aktuellen Zeipunkt vorbereitet wird,1474 werden an dieser schnelle nur die wichtigsten Befunde in Kürze ge­nannt, um die Gruft VII in die Handlungen im Rahmen des Totenmahls einreihen zu können. 3.1.1.3.2.1 Überblick über den Befund der Gruft VII Der Boden der Gruft war mit einer bis zu 40 cm starken Ablagerung bedeckt, die hauptsächlich aus Menschenknochen bestand (Abb. 67).1475 Diese Ablagerung aus Knochen konzentrierte sich in meh­ reren Anhäufungen, an deren Rändern sich Reste von Holz erhalten hatten, die darauf schließen lassen, dass die Knochen in Holzkisten deponiert waren. Insgesamt konnten, im Laufe der Arbeiten in der Gruft, 16 Holzkisten unterschieden werden, in denen jeweils die Knochen mehrerer Personen zusammen mit zahlreichen, teilweise sehr wertvollen Objekten, angehäuft waren (Abb. 68).1476 Die meisten Knochen lagen vereinzelt in den Kisten, allerdings zeichneten sich schon in den oberen Be­reichen immer wieder größere anatomische Verbände ab und in den unteren Lagen wurden mitunter annähernd vollständige Skelette geborgen.1477 Zum aktuellen Zeitpunkt der Untersuchungen wird eine Mindestindividuenzahl von 82 angenommen.1478 Ebenso wie auch in der Königsgruft konnten Knochen von weiblichen und männlichen Erwachsenen, sowie von Jugendlichen identifiziert werden. Aller­ dings war die Anzahl an Kinderskeletten in der Gruft VII größer als in der Königsgruft und, anders als in der Königsgruft, befanden sich darunter auch Ske­ lette von Kleinkindern.1479 3.1.1.3.2.2 Hinweise auf Speiseopfer In Hinblick auf Speisebeigaben sind vor allem die Keramikgefäße und Tierknochen sowie deren Verteilung in der Gruft VII zu betrachten. Grundsätzlich konnte in Bezug auf größere Grabbeigaben, 1472 Vgl. Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2011: 81, 134; siehe auch Kapitel 3.1.1.3.2.2. 1473 Ebenda: 75. 1474 Dohmann et al. in Vorbereitung. 1475 Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2010: 77 f.; 2011: 71-77. 1476 Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2011: 79. 1477 Witzel – Flohr – Degenhardt 2011: 101. 1478 Bei der Zahl 82 (schriftliche Mitteilung vom 18.2.2020 von S. Degenhardt) handelt es sich um den MNI (Minimal number of individuals) der Gruft VII (zu dessen detaillierter Bestimmung und der angewandten Methode siehe Degenhardt in Dohmann et al. in Vorbereitung). Vgl. auch Degenhardt et al. 2013. 1479 Witzel – Flohr – Degenhardt 2011: 103.

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Der archäologische Befund

Abb. 67: Der erste Zustand der Gruft VII nach der Entfernung des Felsschuttes, der sich auf der obersten Fundlage abgelagert hatte (Foto: Marc Steinmetz).

9784

9791

9810

9810

Inst. 3247

Inst. 3246

Inst. 3448

Inst. 3245 Inst. 3458

Inst. 3455

Inst. 3449

Inst. 3454

Inst. 3726

Inst. 3451

Inst. 3446 9806

Inst. 3456 9784

Inst. 3447 Inst. 3453 Inst. 3248

Inst. 3457

9804 9791

Abb. 68: Die Verteilung der nachvollziehbaren Holzkisten in der Gruft VII (© Qaṭna-Projekt der Universtität Tübingen).

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Qaṭna

Abb. 69: Anhäufung von Ke­ra­mikgefäßen in der süd­­westlichen Ecke der Süd­­kammer der Gruft VII (Fo­to: Marc Steinmetz).

wie etwa Keramik- oder Steingefäße festgestellt werden, dass diese nicht zusammen mit den Knochen in den Kisten untergebracht, sondern neben den Kisten auf dem Kammerboden plat­ziert wurden und zum Teil sogar in- und übereinander gesta­ pelt waren (Abb. 69). Besonders bemerkenswert sind die Gruppierungen solcher Funde rechts und links des Eingangs zur Grabkammer an den westlichen Kammerwänden, wobei besonders in den unteren Lagen der südlichen Gruppierung an der Westwand zahlreiche Keramikgefäße freigelegt werden konnten.1480 Weitere Gruppierungen von Keramikgefäßen auf dem Kammerboden befanden sich in der südlichen Nebenkammer, zwischen der Kiste Inst. 3446 und der Zwischenwand (vor allem flache Schalen und Flaschen)1481 und in der nördlichen Nebenkammer angelehnt an die Kiste Inst. 3449 (zwei Keramikgefäße).1482 Zudem wurden in verschiedenen Kisten zwischen und auf den Gebeinen Keramikgefäße gefunden,1483 die dort­hin entweder vom ursprünglichen Bestattungsort der Verstorbenen, gemeinsam mit den menschlichen (und tierischen) Knochen umgebettet wurden oder erst im Rahmen der Umbettung der Gebeine als frische Speiseopfer für die Verstorbenen dargebracht 1480 Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2011: 80, 83 f.; Dohmann et al. in Vorbereitung. 1481 Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2011: 89; im Detail Dohmann et al. in Vorbereitung. 1482 Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2011: 98. 1483 Dohmann et al. in Vorbereitung. Keramikgefäße, die auf mit einem Holzdeckel verschlossenen Holzkisten abgestellt worden wäre (so rekonstruiert in Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2011: 84, 88, 93), ließen sich im Rahmen der Aufarbeitung des Befundes nicht feststellen. Lediglich eine Kalzit-Alabasterflasche stand vermutlich ursprünglich auf der Kiste Inst. 3457 im Südosten der Südkammer (Dohmann et al. in Vorbereitung).

wurden (vgl. auch die Befunde der Sekundärbestattungen in der Königsgruft in Kapitel 3.1.1.3.1.4 mit Unterkapiteln). An welchem Ort solche Speiseopfer, sollten sie im Rahmen der Sekundärbestattung mit in die Kisten gegeben worden sein, dargebracht wurden, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Zwar wurden manche Kisten nachweislich über einen längeren Zeitraum immer wieder befüllt, aller­dings kann nicht festgestellt werden, ob dies zum Beispiel in der Königsgruft geschah oder an einem anderen Ort außerhalb der Gruft VII oder ob manche Kisten nur teilweise befüllt in die Gruft VII gebracht wurden und dort weiter befüllt wurden.1484 Entsprechend ist zwar vorstellbar, dass unabhängig von dem Ort, an dem die Kisten befüllt wurden, immer wieder einzelne Keramikgefäße im Rahmen von Opferhandlungen mit in die Kisten eingebracht wurden, allerdings wäre ein solches Vorgehen nur in wenigen Einzelfällen praktiziert worden. Der we­sent­lich größere Teil des Befundes, vor allem die gruppier­ ten und zum Teil in- und übereinander ge­stapelten Gefäße vor der Westwand der Südkammer, erwecken eher den Eindruck, als wären die Gefäße an diesem Ort abgestellt worden, nachdem sie mit den menschlichen Überreste von einem anderen Ort entfernt worden waren, aber in räumlicher Nähe zu den Be­statteten bleiben sollten.1485 Inte­ressant sind zwar einige Tierknochen in einer Schale direkt südlich des Eingangs an der westlichen Wand, allerdings könn­ ten auch diese gemeinsam mit der Schale umgebettet worden sein. Dies ist umso wahrscheinlicher, da sich der Großteil der Tierknochen verstreut zwischen den Menschenknochen fand und es sich folglich um Überreste von zuvor dargebrachten Speisen han1484 Ebenda. 1485 Lange-Weber in Dohmann et al. in Vorbereitung.

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Der archäologische Befund delt, die gemeinsam mit den menschlichen Knochen umgebettet worden sein müssen. Diesbezüglich ist besonders der Befund der Kiste Inst.  3246 an der mittleren Nord­wand der Nordkammer interessant. In dieser Kiste, die mit Abstand die größte Zahl an einzelnen, disartikulierten Menschenknochen auf­wies, war über ein Drittel der insgesamt 342 Tierknochen aus der gesamten Gruft vertreten und stark mit den menschlichen Knochen vermischt.1486 Diese Tier­knochen wurden offenbar von dem Ort ihrer letzten Ablage gemeinsam mit umliegenden Funden und menschlichen Knochen eingesammelt und umgebettet. Die Art der Deponierung der Keramikgefäße und die Verteilung der Tierknochen lassen somit anneh­men, dass in der Gruft VII keine frischen Speiseopfer dargebracht wurden bzw. wenn dann nur sehr vereinzelt. Ein weiterer Befund, der diese Interpretation stützt, existiert in einer Schale, in die ein mensch­licher Schädel gelegt worden war und die somit eindeutig nicht mehr zur Darbringung von Speisen verwendet wurde.1487 Dass sowohl Keramikgefäße als auch Tierknochen offenbar zusammen mit den menschlichen Gebeinen in die Gruft VII umgebettet wurden, lässt sich durch den ideellen Zusammenhang zwischen Grabbeigaben bzw. Opfergaben und Bestattungen erklären. Es hat den Anschein, als wären Grabbeigaben und Opfergaben bzw. deren Überreste fest in den kultischen Kreislauf eingebunden, sobald sie einmal in diesem verwendet worden waren. Dabei sind möglicherweise in der Gruft VII zwei unterschiedliche Vorgehensweisen zu beobachten. Zum einen konnten bestimmte Grabbeigaben offenbar noch einzelnen Individuen zugeordnet werden. Möglicherweise war diese Form der Zuordnung auch für die Ablageart einiger Keramikschalen und anderer Gefäße entscheidend, die innerhalb mancher Kisten und in deren unmittelbarer Umgebung platziert wurden. Diese wären entsprechend bei der Aufnahme der Knochen mitsamt den Bestattungen eingesammelt und in den Kisten deponiert worden. Zum anderen existierten Fundansammlungen, die vermuten lassen, dass keine individuelle Zuordnung der Funde mehr möglich war. Diesen Anschein, als wären sie von einem anderen Ort mitgenommen und in der Gruft VII abgelegt worden, allerdings in unab­ hängiger Lage zu den Knochen der Toten, zu denen sie einst gehörten, vermitteln die entlang der Wände aufeinander gestapelten Keramikgefäße, vor allem

1486 Degenhardt in Dohmann et al. in Vorbereitung. Die Tierknochen aus der Gruft VII werden zum aktuellen Zeitpunkt von E. Vila ausgewertet. Detaillierte Ergebnisse können an dieser Stelle entsprechend noch nicht berück­sich­tigt werden. 1487 Vgl. Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2010: 77 f.; 2011: 88; Lange-Weber in Dohmann et al. in Vorbereitung.

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diejenigen im Westen der Südkammer.1488 Auch wenn ein Zusammenhang zwischen den Gegenständen und der „Sphäre der Toten“ generell zweifelsfrei bestand, war eine Zuordnung der Beigaben zu den einzelnen Individuen vermutlich kaum noch möglich. Dennoch schien es von Bedeutung den Toten diese Gegenstände nicht zu entreißen, sondern sie ebenfalls umzubetten, um ihre „soziale Identität“ zu wahren (siehe dazu auch Kapitel 1.1.4.2).1489 Sollte eine Umbettung der Verstorbenen tatsächlich aus Platzgründen erfolgt sein, wie von P. Pfälzner postuliert, wäre in Bezug auf die Totenpflege keine Veränderung zu erwarten. Auch wenn die Toten durch die Umbettung in die Gruft VII in größerer Entfernung zu dem Ort der Ahnenverehrung in der Vorkammer der Königsgruft lagen, ist nicht anzu­ neh­men, dass sie durch eine erneute Umbettung ihre Bedeutung verloren und entsprechend wäre auch ihre Versorgung in der Unterwelt weiterhin, zumin­ dest durch die vor den Ahnenstatuen dargebrachten Speiseopfer, gewährleistet gewesen (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.3.3). 3.1.2 Rundplastiken aus Qaṭna als Empfänger von Opfergaben In diesem Kapitel werden in Kürze ein Statuenfragment und eine Statuette beschrieben, die möglicherweise eine ähnliche Funktion erfüllen sollten wie die beiden Ahnenstatuen aus der Vorkammer zur Königsgruft.1490 Die im Folgenden aufgeführten Bildnisse weisen jeweils das für opferempfangende Statuen charakteristische Merkmal der rechten, auf dem Oberschenkel ausgestreckten Hand, die eine Schale oder einen Becher hält, auf und lassen somit vermuten, dass sie ehemals ebenfalls eine Funktion als Opferempfänger erfüllten.1491 Der Fundort der 1488 Pfälzner – Dohmann-Pfälzner 2011: 135; Lange-Weber in Dohmann et al. in Vorbereitung.. 1489 Ähnlich formulierte dies bereits E. Roßberger (2014: 210212). 1490 Für eine detaillierte Beschreibung der Ausarbeitung, stilistischen Merkmale und Datierung der beiden Ahnenstatuen aus der Königsgruft siehe Novák – Pfälzner 2003: 156-162; Pfälzner 2011b: 64. 1491 Zwei Statuenköpfe, die aus Mišrife stammen, deren Fundkontext und weitere Ausgestaltung jedoch nicht bekannt sind (Ronzevalle 1914 : 127-129, Pl. III, IV und ClermontGanneau 1898: 26 f.), werden in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Zudem wird auf zwei Fragmente von Sitzstatuen an dieser Stelle nicht näher eingegangen, die nur von den Oberschenkel abwärts erhalten sind und deren Eigenschaft als Opferempfänger entsprechend nicht belegt sind. Dabei handelt es sich um ein Statuenfragment aus dem Bereich des nördlichen Osttores (Du Mesnil du Buisson 1935: 43 – 44) und um ein Fragment einer Sitzstatue aus der Umgebung der „Coupole de Loth“ (Du Mesnil du Buisson 1927a: 21 Fig. 59, 22 f., Pl. LXXX: 2; 1935: 45). Nicht berücksichtigt wird außerdem die Bronzestatuette eines Gottes (publiziert in Ronzevalle 1914: 132, Pl. V: 1-2; Dussaud 1926: 339, Pl.

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Qaṭna

Abb. 70a-b: Fragment ei­ner vermutlich kö­­nig­­li­chen Sitz­ sta­tue (MSH02.J. 3087.712) aus dem Gra­bungsbe­reich J (Mo­randi Bo­na­cossi 2009b: 146; Mo­ran­di Bonacossi 2006: Fig. 2).

Abb. 71: Männliche Sitzstatue aus dem Bereich der „Cou­ pole de Loth“ (Du Mesnil du Buisson 1927b: Pl. LXXX 1, Pl. LXXIX 1).

beiden Statuen ist auf der Karte Abb. 35 eingezeichnet. Ein Statuenfragment, das aufgrund des ausgeformten Wulstsaummantels als königliche Sitzstatue interpretiert wird,1492 stammt aus dem Grabungsbe­ reich J (Abb. 70a-b). Die Statue gehörte vermutlich zu einem öffentlichen Gebäude, das mit den Keramikwerkstätten auf dem höchsten Punkt der Akropolis verbunden war.1493 Zwar ist die Statue derart beschädigt, dass der Kopf und der untere Teil LXX). Zwar erwägt P. Matthiae dass es sich auch um einen vergöttlichten Ahnen handeln könnte (Matthiae 1990: 345351), allerdings gibt es in Qaṭna an keiner anderen Stelle einen Hinweis darauf, dass die verstorbenen Könige vergöttlicht wurden – weder in den sogenannten Qaṭna-Inventaren (siehe Kapitel 3.2), noch bei den eindeutig als solche zu identifizierenden Ahnenstatuen aus der Vorkammer (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.3.3). P. Matthiae spricht in Zusammenhang mit den vergöttlichten Ahnen auch in Qaṭna von den rāpiʾūma. Eine Verortung der rāpiʾūma in Qaṭna ist jedoch nach Ansicht der Autorin irreführend und entspricht nicht den tatsächlichen Befunden (siehe auch Fn. 1189). 1492 D. Morandi Bonacossi geht davon aus, dass die hier erwähnte Statue, ebenso wie zwei weitere Statuenfragmente aus dem Grabungsbereich J, die zu mindestens zwei Votivstatuen gehören, „deified royal ancestors“ darstellten (Morandi Bonacossi 2006: 58-60). Die Interpretation als königliche Statue erklärt sich vor allem durch den ausgestalteten Wulstsaummantel (Morandi Bonacossi 2006: 58 f.). Der Interpretation, dass die königlichen Ahnen in Qaṭna vergöttlicht wurden, kann nach der aktuellen Materiallage nicht zugestimmt werden (vgl. Fn. 1491). 1493 Morandi Bonacossi 2009b: 146 f.

der Statue fehlen und auch die Hände sind nicht vollständig erhalten, dennoch deutet der im Ansatz noch erhaltene rechte Daumenknöchel darauf hin, dass die Statue eine Schale auf ihrem Schoß gehalten hat und erinnert somit an zahlreiche ähnlich gestaltete Votivstatuen der Altsy­rischen Periode.1494 Die erwähnte Sitzstatuette stammt aus dem Be­reich der „Coupole de Loth“ und wurde inmitten einer Ansammlung von Knochen gefunden. Sie ist lediglich etwa 20 cm hoch und streckt den rechten Arm im rechten Winkel vom Körper weg, sodass dieser parallel zum rechten Oberschenkel verläuft (Abb. 71). Laut R. du Mesnil du Buisson hielt die Figur ursprüng­lich mit der rechten Hand einen Gegenstand, der bei der Auffindung bereits abgebrochen war.1495 Vor allem die Haltung der Arme erinnert sehr an die Ahnenstatuen aus der Vorkammer der Königsgruft. Wenn die Figur mit der rechten Hand eine Schale oder einen Becher gehalten hat, wäre eine ähnliche Funktion anzunehmen, womit sie vermutlich ebenfalls als Ahnenstatue anzusprechen wäre. Das Fehlen eines Wulstsaummantels hingegen ist ein Zeichen dafür, dass es sich nicht um eine königliche Figur, sondern offenbar um eine Person von geringerem Status handelte. 1494 Für eine ausführliche Beschreibung der Statue und eine Diskussion ihrer Herkunft, ihrer ursprünglichen Einbindung und einer Interpretation der Fundumstände siehe Morandi Bonacossi 2006 mit interessanten Vergleichsbeispielen; Morandi Bonacossi 2009b : 146 f. 1495 Du Mesnil du Buisson 1927b: 294; 1935 : 44.

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Die schriftlichen Funde

3.2 Die schriftlichen Funde aus Qaṭna: Ein Exkurs zu der Frage der Vergöttlichung der königlichen Ahnen in Qaṭna Abgesehen von den zwei kleinen Tontafeln (QTT 59 und QTT 60), die in der Königsgruft selbst gefunden wurden (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.8), gibt es in Qaṭna keine Texte, die direkt mit Speisebeigaben oder -opfern für die Toten in Verbindung gebracht werden könnten. Dennoch sollte eine weitere Textkategorie betrachtet werden, die im Rahmen der Diskussion zu den Ahnen in Qaṭna eine Rolle spielt. Dabei handelt es sich um die in der Forschungsli­teratur als „Qaṭnainventare“ be­zeichneten Texte, welche im sogenannten Heiligen Bezirk der Göttin dNIN.É.GAL, der BēletEkallim („Herrin des Pa­lastes“) in der nord­östlichen Ecke der Halle C bereits 1927 von R. du Mesnil du Buisson gefunden wurden.1496 Ein weiteres Duplikat eines dieser Inventare wurde 2003 von dem sy­rischdeutschen Team in einem ehemaligen Schnitt der französischen Ausgrabungen entdeckt.1497 Des Weiteren sind drei Briefe, die von den qaṭnäischen Königen Išḫī-Addu und Akizzi nach Ekallātum und Amarna verschickt wurden, sowie drei Briefe, die an Idadda adres­siert worden waren, in diesem Kontext nennens­wert (siehe Kapitel 3.2.2.1). Da keiner dieser Texte Hinweise darauf liefert, ob und in welcher Form den könglichen Ahnen Speisen dargebracht wurden, dient der folgende Exkurs einzig dazu, die Frage zu diskutieren, ob die verstorbenen Könige aus Qaṭna nach ihrem Tod vergött­licht wurden. Dies ist nicht nur in Hinblick auf die nachweislich in der Vorkammer mit Speisen versorgten Ahnenstatuen interessant, sondern, sofern eine Vergöttlichung der verstorbenen Könige stattgefunden hat, würden diese Texte auch Hinweise auf einen weiteren Ort der Ahnenverehrung, nämlich den „Heiligen Bezirk“ der dNIN.É.GAL, liefern. Bei den Qaṭnainventaren handelt es sich insgesamt um 15 Tontafeln und Fragmente, die zum Teil nahezu identische Duplikate („Rezensionen“) von vier unterschiedlichen Inventaren beinhalten. In die­sen Inventaren werden die Weihgaben für verschiedene göttliche Adressaten aufgelistet. Entspre­ chend der Adressaten lassen sich die Texte in drei 1496 Du Mesnil du Buisson 1928a: 23 f. Der Begriff der „Qaṭnainventare“ wird in der Forschung lediglich in Bezug auf die in dem Heiligen Bezirk der dNIN.É.GAL gefundenen Inventare verwendet. Weitere Texte, die der Kategorie der Inventare angehören, wie etwa diejenigen, die Teil des 2002 gefundenen Archivs des Idadda sind, werden nicht unter den „Qaṭnainventaren“ zusammengefasst. Für die übrigen in Qaṭna gefundenen Texte siehe Bottéro 1950: 105118; Du Mesnil du Buisson 1927b: 292-294; 1935: 169; Eidem 2003: 164-167; Richter 2002b; 2003; Richter – Lange 2012. 1497 Richter 2004; Richter – Pfälzner 2012: 170-172.

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Gruppen unterteilen: Das Inventar I verzeichnet Opfer­gaben für die dNIN.É.GAL; die Inventare II und IV sind den DINGIR.MEŠ LUGAL gewidmet; das Inventar III kann keiner Gottheit im Einzelnen zugeordnet werden, da es sich lediglich um ein Fragment handelt.1498 In dieser Arbeit sind besonders die Qaṭnainventare II und IV mit der Nennung der DINGIR.MEŠ LUGAL interessant. Die Behandlung dieser Texte in der vorliegenden Arbeit erfolgt vor allem aufgrund des Vorschlages von F. M. Fales, dass die königlichen Ahnen in den DINGIR.MEŠ LUGAL aufgegangen sein könnten.1499 Wäre dies der Fall, würden die in den Inventaren genannten Opfergaben für die DINGIR.MEŠ LUGAL unter anderem im Rahmen des Totenkultes dargebracht worden sein. 3.2.1 Der Fundort der „Qaṭnainventare“ – der „Heilige Bezirk“ der dNIN.É.GAL Das Heiligtum der dNIN.É.GAL, das von R. du Mesnil du Buisson als „Le Saint des Saints“ be­zeichnet wurde, ist in dem heute als Raum P bezeichneten sehr kleinen schmalen Annexraum der Halle C zu verorten. Diesem Annexraum ist zusätzlich ein rechteckiger Bereich, „Le Sanctuaire“, in der nord­ östlichen Ecke der Halle selbst zuzuschreiben. Im Folgenden wird eine an bisher erschienenen Publi­ kationen orientierte Terminologie verwendet, in der „Le Sanctuaire“1500 den rechteckig abgegrenz­ ten Bereich im Nordosten von Halle C bezeichnet. Raum  P1501 oder „Le Saint des Saints“ betiteln 1498 Bottéro 1949: 33. Für eine Zuweisung der einzelnen Inventare siehe auch Virolleaud 1928: 90 f. Die Inventare wurden erstmals Ende der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts dokumentiert (Du Mesnil du Buisson 1928a: 23 f.) und das Inventar I von C. Virolleaud in philologischer Bearbeitung 1930 publiziert (Virolleaud 1930). Eine vollständige Edition aller vorhandenen Inventartexte erfolgte ca. 20 Jahre später durch Bottéro 1949 (Autografie, Transliteration, Übersetzung); Bottéro 1950 (Glossar). Bei den Ausgrabungen in Mišrife wurden vier Kopien des Inventars I (A, B = AO. 12956, C, D = AO. 12958, -61, -63, -64, -66, -70 bis -74), vier, möglicherweise fünf, Kopien des Inventars II (A = AO. 12957, B, C, D = AO. 12965, die Kopie der syrisch-deutschen Grabung E = MSH03G-i071) und jeweils eine Kopie der Inventare III (in zwei Fragmenten = AO. 12959, AO. 12962) und IV gefunden (Virolleaud 1928: 90). Bei dem genannten von der syrisch-deutschen Mission 2003 gefundenen Inventartext handelt es sich um ein Duplikat des Inventars II. 1499 Fales 2004: 94; dieser Auffassung schloss sich auch Roßberger in ihrer Dissertation zunächst an (2010: 329), redigierte diese Annahme dann allerdings für die Publikation ihrer Arbeit, in der sie eine deutliche Trennung des Kultes der „Götter des Königs“ und des Totenkultes favorisiert (2015: 315). 1500 Für die Bezeichnungen „Le Sanctuaire“ und „Le Saint des Saints“ siehe unter anderem Du Mesnil du Buisson 1928a: Pl. VII; 1935: Pl. XVI 1501 Siehe unter anderem Pfälzner 2007: 44 f., Abb. 16.

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Qaṭna

den kleinen Annexraum und der Begriff „Hei­li­ ger Bezirk“1502 wird verwendet, wenn die beiden Be­reiche als Einheit betrachtet werden.1503 3.2.2 Die Weihadressaten der Inventare II und IV Für den folgenden Exkurs ist die Natur der Empfängergruppe der DINGIR.MEŠ LUGAL und ihr möglicher Zusammenhang mit dem Ahnenkult in Qaṭna von Interesse. Es stellt sich die Frage, wie dieser Begriff zu verstehen ist und was der Begriff möglicher­weise über das Verständnis des Ahnenkonzepts in Qaṭna aussagt. Um die Grundlage für die folgende Diskussion zu geben, werden zunächst die Kontexte, in denen die verschiedenen Termini zur Bezeichnung der Empfängergruppe in den Inventaren II und IV verzeichnet sind, aufgelistet:15041505 1506

II A 1 DUBpí šu-ku-ut-ti ša DINGIR.MEŠ LUGAL

Tafel des Schmuckes der DINGIR.MEŠ LUGAL

II A rev. 1 AŠ.ME1505 30 f. KÙ.GI GAL ŠÀ 1 ZI-nu1506 uq-qur (31) šum-ša!-šu ša DINGIR.MEŠ LUGAL […]

1 große (Sonnen-) Scheibe aus Gold, (ins) Innere ist 1 Mondsichel graviert, ihr Name ist „(die) der DINGIR.MEŠ LUGAL“

1502 Vergleiche Ebenda: 45 („sacred realm“). 1503 Für eine Beschreibung des genauen Fundortes, eine Diskussion der ursprünglichen Aufbewahrung sowie eine Interpretation wo im „Heilen Bezirk“ die dNIN.É.GAL und wo die DINGIR.MEŠ.LUGAL verehrt wurden, siehe Du Mesnil du Buisson 1928a: 23 f., Pl. VII; Pfälzner 2007: 45; Roßberger 2015: 304 – 306. 1504 Transliterationen und Zeilenzählung nach Bottéro 1949: 210. 1505 Das Sumerogramm AŠ.ME steht für das Akkadische šamšatu und ist nach Borger, CAD und AHw mit „(Sonnen-)Scheibe“ zu übersetzten (Borger 2003: 245; AHw S-Z: 1158 s.v. šamšatu[m]; CAD Š I: 332-335, v.a. 333, s.v. šamšatu). 1506 Die lange Zeit vertretene Lesung von ZI.NU als zinû, „Palmettenblatt“, (Durand 1990: 155; Fales 2004: 94, Fn. 48; siehe auch CAD Z: 123 f. s.v. zinû „1. midrib of the frond of the date palm, 2. (an ornament in the shape of a palm frond) […]“; AHw S-Z: 1529 s.v. zinû[m] „Palmwedelrippe“), wäre zwar denkbar, zumal in der Königsgruft und der Gruft VII mehrere Goldbleche mit eingravierten Volutenpflanzen gefunden wurden (siehe bspw. Pfälzner 2009f: 221, 227), wurde inzwischen jedoch revidiert. Die jüngste Lesung als sīnu, „Mondsichel“ (Durand 1997: 242; 2000: 128; siehe auch CAD S: 294 s.v. sīnu „1. the moon, 2. crescent-shaped or semicircular object“), scheint nun wahrscheinlicher und findet, laut Roßberger, ebenfalls hervorragende Parallelen im Schmuckinventar aus der Königsgruft von Qaṭna, wo es unter anderem zwei Sonnenscheiben mit eingeritzter Mondsichel gibt (Roßberger 2015: 340 mit den entsprechenden Verweisen).

II A rev. 1 GAL1507 KÙ.GI 43 ša DINGIR.MEŠ ša a-bi1508 […]

1 Prunkbecher aus Gold der DINGIR.MEŠ ša abi

II A rev. 1 la-ak-ku 44 KÙ.BABBAR ša DINGIR a-bi […]

1 Lakku-Gefäß aus Silber des DINGIR abi

II B rev. 1 la-ak-ku 1 Lakku-Gefäß aus 44 KÙ.BABBAR ša Silber der DINGIR. DINGIR.MEŠ[xxx] MEŠ [xxx] IV rev. […] šu-ku-ut-ti 8-9 DINGIR LUGAL

15071508

[…] Schmuck des DINGIR LUGAL

3.2.2.1 Die grammatische Deutung der variierenden Bezeichnungen für die DINGIR.MEŠ LUGAL Die Überschrift der Tafel lautet „Tafel des Schmuckes der DINGIR.MEŠ LUGAL“. Somit wird die Tafel selbst, in der im Einzelnen die verschiedenen ge­weih­ten Schmuckobjekte benannt sind, durch den ersten Teil der Überschrift, „Tafel des Schmuckes“, defi­niert. Die Bezeichnung der DINGIR.MEŠ LUGAL bezieht sich, ebenso wie der erste Teil der Überschrift auf die gesamte Tafel und rechtfertigt so, auch wenn verschiedene Bezeichnungen für die Weihadressaten innerhalb des Inventars existieren, das Bestreben nach einem allgemeingültigen Verständnis eben dieser Weihadressaten. Um sich der Definition der DINGIR.MEŠ LUGAL zu nähern, müssen die Begriffe zum einen aus philologischer Sicht bezüglich ihrer syntaktischen Besonderheiten und zum anderen aus religionshistorischer Sicht betrachtet werden. Zusätzlich zu dem Terminus DINGIR.MEŠ LUGAL (A II 1 u. A II rev. 31) wird im selben In­ventar auch DINGIR.MEŠ ša a-bi (II A rev. 43) und DINGIR a-bi (II A rev. 44) gebraucht. In dem Inventar IV taucht, ebenfalls ohne Pluralmarker, der Terminus DINGIR LUGAL (IV rev. 9) auf. An anderer Stelle nimmt der Schreiber Bezug auf den oder die Weihadressaten mithilfe des singularischen pronominalen Suffixes -šu (II A 5 u. 9). 1507 GAL kann akkadisch kāsu mit der Bedeutung „Prunkbecher, Trinkgefäß“ gelesen werden (Paoletti 2012: 147 s.v. gal). Diese Lesung des Zeichens ist an verschiedenen Stellen des Inventars zu favorisieren. Vgl. auch Fales 2004: 103, Fn. 103. 1508 Zwar liest Fales, der die Rezension A des Inventars II im Louvre kollationieren konnte (Fales 2004: 94) ša DINGIR.MEŠ a-bi, allerdings enthält Bottéros Autographie zusätzlich das Zeichen ŠA zwischen DINGIR.MEŠ und a-bi (Bottéro 1949: 210). Die Korrektheit der Autografie Bottéros wird anhand eines Fotos der Rückseite der Tafel bestätigt, auf dem das Zeichen ŠA eindeutig zu erkennen ist (einsehbar ist ein Foto dieser Tafel unter http://commons. wikimedia.org/wiki/File:Louvres-antiquites-moyen-orientp1020197.jpg [14.03.2011]).

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Die schriftlichen Funde Während C. Virolleaud die erste Zeile des Inventars II noch mit „[…] des dieux du roi“1509 übersetzte, kam J. Bottéro aufgrund des singularischen pronominalen Suffixes -šu und der Tatsache, dass MEŠ nicht in allen Schreibungen dieser Inventare vorkommt, zu dem Ergebnis, dass das Zeichen MEŠ in diesem Kontext keinen Plural markiert und übersetzt „[…] du dieu du roi“.1510 Auch in neueren Übersetzungen bleibt die Unsicherheit bezüglich des Numerus der göttlichen Wesen/des göttlichen Wesens bestehen. D. O. Edzard und K. R. Veenhof übersetzen besagte Zeile mit „Tafel (betreffend) den Schatz der Gottheit (!) des Königs“1511, während M. Fales sich für eine Übersetzung mit „tavoletta della dotazione di gioielli degli dèi del re“1512 entscheidet. Und auch Richter übersetzt „Verzeichnis des Schatzes [o. der Schätze] der Götter des Königs.“1513 Zwar ist J. Bottéro darin zuzustimmen, dass MEŠ nicht zwingend als Pluralmarker fungiert, wie auch Beispiele aus Amarna, Ugarit und Babylon belegen,1514 allerdings ist hinsichtlich des pronominalen Suffixes -šu anzumerken, dass dieses zumindest im ugaritischen Dialekt des Akkadischen offenbar Bezug auf ein durch MEŠ markiertes plurales Substantiv nehmen kann.1515 Somit ist es weder möglich anhand des Pluralmarkers MEŠ, noch anhand des Pronomens -šu eine klare Aussage hinsichtlich des Numerus der DINGIR.MEŠ LUGAL zu treffen. Unabhängig davon, ob die Bezeichnung als Plural oder Singular aufgefasst wird, betrachten alle besagten Autoren die Begriffe DINGIR.MEŠ und LUGAL als Genitivverbindung.1516 Als ein Indiz da­für, dass es sich tatsächlich um eine Genitivver­ bindung handeln muss, kann die Bezeichnung in Zeile 43 (II A rev.) gesehen werden. Der Ausdruck DINGIR.MEŠ ša abi drückt eindeutig aus, dass es sich bei abi „Vater“ um einen Genitiv handelt, der abhängig ist von DINGIR.MEŠ „Götter“, sodass dieser Ausdruck mit „Götter des Vaters“ zu über1509 Virolleaud 1928: 90; vgl. auch Fales 2004: 92. 1510 Bottéro 1949: 5, 33 f.; vgl. Fales 2004: 92. 1511 Edzard – Veenhof 1976-1980: 137; vgl. auch Fales 2004: 92-94, Fn. 38. 1512 Fales 2004: 92. 1513 Richter 2004: 218; siehe zu der Diskussion des Numerus auch Roßberger 2015: 313. 1514 W. L. Moran merkt bezüglich eines Amarna-Briefes des Königs Rib-Hadda von Byblos an den Pharao (EA 84) an, dass der Ausdruck DINGIR.MEŠ (Z. 35) „very often has a singular referent […]“ (Moran 1992: 156, Fn. 11; vgl. Roßberger 2015: 313, Fn. 1954). Auch in den im ugaritischen Dialekt des Akkadischen geschriebenen Texten wird MEŠ oft im Zusammenhang mit einem Substantiv singularischer Funktion verwendet (Huehnergard 1989: 89). Ebenso kann für Texte aus Babylon, W. G. Lambert zufolge, eine singularische Auffassung des Ausdrucks DINGIR.MEŠ begründet werden (Lambert 1960: 67). 1515 Huehnergard 1989: 90. 1516 Vgl. Fales 2004: 92.

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setzen ist. Diese Schreibung ist innerhalb der Texte des Inventars II einmalig, zeigt jedoch, dass der Schreiber durchaus die eindeutige Widergabe einer Genitivverbindung, die durch die Auflösung mit ša konstruiert wird,1517 beherrschte. Sofern es sich bei den genannten Termini nicht um Synonyme handeln sollte, käme neben einer Interpretation des Sumerogramms DINGIR.MEŠ LUGAL im Sinne einer Genitivverbindung, auch die Lesung d.MEŠLUGAL in Frage, mit der diese Zeichenfolge die divinisierten, also „göttlichen Könige“ bezeichnen würde.1518 Allerdings merkt Fales an, dass eine Lesung d.MEŠLUGAL aus philologischer Sicht unwahrscheinlich scheint, da, auch wenn das Pluralzeichen MEŠ mit diversen Prädeterminativen in verschiedenen Texten aus Qaṭna und parallelen peripheren akkadischen Dokumenten des 2. Jt. v. Chr. auftaucht, so gäbe es bisher keine Belege, in denen das Zeichen MEŠ in Kombination mit dem Prädeterminativ DINGIR vorkäme.1519 In einer Vielzahl von Beispielen aus Ugarit, ebenso wie in einigen Beispielen aus Emar wird der Plural durch ein MEŠ in Zusammenhang mit verschiedenen Prädeterminativen gekennzeichnet,1520 und auch in Qaṭna wird das Pluralzeichen zusammen mit dem Prädeterminativ LÚ verwendet. Während Fales für letzteres nur eine administrative Liste anführen konnte, in der die lú.MEŠa-ša[-ri-du-ti(?)] (Ergänzung Fales) ge­nannt werden,1521 ist inzwischen eine Vielzahl dieser Belege durch die Publikation des Archivs des Idadda durch Richter bekannt.1522 Aber auch unter Berücksichtigung der inzwischen bekannten Texte ist Fales darin zuzustimmen, dass MEŠ immer nur im Zusammenhang mit dem Prädeterminativ LÚ und kein einziges Mal mit DINGIR auftritt.

1517 Da bei einem Plural auf -ū (in diesem Fall ilū) der Status constructus genauso lautet wie die plurale Form des Status rectus, wird eine solche Genitivverbindung manchmal durch die Verwendung eines ša oder, in eindeutigem Zusammenhang, durch den Singular des Status constructus gebildet (von Soden 1995: 103 § 64 l). Allerdings heißt dies nicht, dass aufgrund dieser Regel auch die singularen Verbindungen wie DINGIR LUGAL und DINGIR abi automatisch als Plural aufgefasst werden müssen. Da an anderer Stelle im gleichen Text der Pluralmarker MEŠ durchaus im Zusammenhang mit DINGIR verwendet wird, ist die Annahme einer bewussten Unterscheidung dieser Ausdrücke gerechtfertigt. 1518 Vgl. Fales 2004: 92. 1519 Fales 2004: 92 f. 1520 Ebenda: 93, Fn. 39; mit Verweis auf Huehnergard 1989: 8790; Seminara 1998: 43-47. 1521 Fales 2004: 93, Fn. 39; Bottéro 1950: 112, 116 A 1; siehe auch Richter 2012a: 75 f. QTT 6 s. Kommentar zu Z. 4. 1522 Dabei handelt es sich im Einzelnen um Bezeichnungen für Berufe, Funktionen und Truppen sowie um Bezeichnungen für „Personenklassen“ (vgl. Richter 2012a: 173-195 Indices).

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Qaṭna

Sollte es sich dennoch bei dem Zeichen DINGIR um ein Determinativ mit dem Pluralmarker MEŠ handeln, wäre die oben genannte Bezeichnung DINGIR. MEŠ LUGAL mit „göttliche Könige“ zu übersetzen. Eine Lesung des Zeichens DINGIR als Determinativ in den Ausdrücken DINGIR LUGAL und DINGIR abi, also dLUGAL und dabi1523, „göttlicher König“, bzw. „göttlicher Vater“ wäre grammatikalisch gene­ rell unproblematisch. Ein gleiches Verständnis, aber eine andere grammatische Auffassung wäre gegeben, wenn man einem Verweis des CAD folgt, nachdem der Plural DINGIR.MEŠ auch als attributives Adjektiv „divine“1524 verstanden werden kann. In den Belegen aus dem Inventar II stünde dieses Adjektiv jeweils vor dem entsprechenden Substantiv. Zwar können attributive Adjektive zur besonderen Betonung ausnahmsweise auch dem Substantiv vorangestellt werden,1525 aller­ dings ist eine solche Wortstellung für keines der im CAD genannten Beispiele belegt. Zusammenfassend kann somit vorerst festgehalten werden, dass aufgrund der grammatischen Deutung der Begrifflichkeiten keine klare Aussage bezüglich des Numerus getroffen werden kann. Hinsichtlich der Beziehung der einzelnen Begriffe untereinander ist eine Interpretation als Genitivverbindung und somit eine Übersetzung mit „Götter des Vaters“ am wahrscheinlichsten. Zwar könnte man annehmen, dass in Qaṭna die Verwendung des Pluralzeichens MEŠ zum ersten Mal auch mit dem divinisierenden Prädeterminativ DINGIR verwendet wird, und ebenso dass die Verwendung des Ausdrucks DINGIR.MEŠ im Sinne eines attributiven Adjektivs nicht völlig auszuschließen ist, doch wäre in beiden Fällen von einer Ausnahmeregelung auszugehen, für die es keine Notwendigkeit zu geben scheint. 3.2.2.2 Interpretation der Bezeichnung DINGIR. MEŠ LUGAL unter Berücksichtigung der religionshistorischen Aspekte Es stellt sich die Frage, wie die Bezeichnungen DINGIR.MEŠ LUGAL, DINGIR.MEŠ ša abi, DINGIR 1523 Der Genitiv von dabi würde sich in diesem Fall aus dem Kontext der Zeile (II A rev. 44) ergeben: 1 la-ak-ku KÙ.BABBAR ša dabi. 1524 Wörtlich heißt es im CAD: „note for the use of the plural in the meaning ‛divine’: šaturri DINGIR.MEŠ divine womb Tn. Epic ‛vi’ 18“ (CAD I/J: 91-103, v. a. 92, s. v. ilu 1a; mit Verweis auf Lambert 1957-1958: 50 F, Column Y Zeile 9). Auch bezüglich einer anderen Textstelle übersetzt das CAD den Ausdruck DINGIR.MEŠ mit der adjektivischen Bedeutung „divine“, „ša illikannâši UZU DINGIR.MEŠ zumuršu he who came to us has a body of divine flesh Gilg. IX ii 14“ (ebenda, v. a. 91, s. v. ilu 1a) und „mani itti šēr DINGIR. MEŠ mināšu his body is considered of divine nature“ (eben­ da; mit Verweis auf Lambert 1957-1958: 50 F, Column Y Zeile 8). 1525 Von Soden 1995: 187 § 133 f.

abi und DINGIR LUGAL in dem Qaṭnainventar II aus religionshistorischer Sicht interpretiert werden sollten: allein als Gottheit(en) des lokalen Pantheons mit Schutzfunktion für das Königshaus, oder zusätz­ lich als vergöttlichte königliche Vorfahren, wie Fales es vorschlägt (siehe oben). Ein Verständnis der Begriffe im Sinne von vergöttlichten (verstorbenen) Königen wäre gut mit dem Konzept der Vergöttlichung königlicher Vorfahren zu vereinen, wie es aus dem Mesopotamien des späten 3. Jahrtausends v. Chr.1526 und dem hethi­ tischen Reich bekannt ist. Auch für das westliche Syrien des 2. Jahrtausends v. Chr. ist dieses Konzept anwendbar, wie das Kennzeichnen der Könige von Ugarit durch ein vorangestelltes il bzw. DINGIR in den Königslisten1527 sowie das Aufführen der Könige (mlkm bzw. dma-lik.MEŠ) in den Götterlisten1528 (siehe Kapitel 4.2.5.1) belegt.1529 Auf der anderen Seite gibt es Ansichten, die den Ahnenkult in diesem Kontext verneinen. Sie identifizieren hingegen die Weihadressaten als DINGIR. MEŠ mit Gottheiten aus dem lokalen Pantheon, z. B. mit einer Gottheit zum Schutz des Verstorbenen oder einem Familiengott.1530 Persönliche bzw. familieneigene Schutzgötter sind durch zahlreiche Belege aus Vorderasien bekannt, wobei sich die Quellen durch­ aus nicht auf die königliche Elite beschränken. Ebenso kommen solche Schutzgötter in Texten und im Onomastikon der nicht-königlichen Gesell­schaft vor und sind anhand von Siegellegenden, Briefen und Urkunden bezeugt.1531 Diese persönlichen Schutzgötter werden zwar, anders als in den Qaṭnainventaren, oft namentlich genannt, erhalten aber häufig den genannten Ausdrücken ähnelnde Appositionen wie beispielsweise „mein/dein/sein Gott“ oder „Gott meines/deines Vaters“ und werden so in Bezug zu der betroffenen Person gesetzt. Diese persönlichen Schutzgötter können in Beispielen aus Assyrien und Babylonien oft mit Göttern des lokalen Pantheons identifiziert werden;1532 in der amurritischen Tradition verweisen die persönlichen Götter hingegen eher auf die Stammestradition der jeweiligen Dynastie.1533 Und auch in hurritisch beein­flussten Städten, 1526 Zur Vergöttlichung von (verstorbenen) Königen im späten 3. Jt. v. Chr. vgl. auch Reichel 2008. 1527 KTU 1.113 (= RS 24.257) und RS 94.2518 (siehe u. a. Pardee 2002: 195-210). 1528 KTU 1.47 (= RS 1.017), KTU 1.118 (= RS 24.264) und RS 20.024 (siehe u. a. Ebenda: 11-16). 1529 Vgl. Fales 2004: 93; Xella 1995b: 2062; vgl. auch Roßberger 2015: 315. 1530 Vgl. Fales 2004: 93; siehe Pitard 1996: 125-129 und Schmidt 1996: 146-155 für Vergleichsbeispiele aus Emar und Nuzi, hier allerdings mit Beispielen aus der nicht-königlichen Gesellschaft. 1531 Roßberger 2015: 313, Fn. 1960 mit umfangreicher weiter­ füh­ren­der Literatur. 1532 Van der Toorn 1996a: 78-92; vgl. auch Roßberger 2015: 313. 1533 Van der Toorn 1996a: 78-92.

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Die schriftlichen Funde darunter Emar und Nuzi, zeugen die Texte von einer Verehrung mehrerer persönlicher Götter.1534 In den Qaṭnainventaren, ebenso wie in mehreren Briefen, fehlt eine namentliche Gleichsetzung der DINGIR.MEŠ LUGAL mit bestimmten Göttern. Bei den Briefen handelt es sich zum einen um drei Briefe aus dem Archiv des Idadda, in denen die Götter von Qaṭna bzw. von dem König Idadda erwähnt werden, auch hier ohne eine namentliche Nennung eines Gottes.1535 Zum anderen werden die Götter ähnlich anonym auch in weiteren aus Qaṭna stammenden Briefen erwähnt. In einem Brief an den König Išme-Dagān von Ekallātum, Sohn von Samsī-Addu, schreibt der König Išḫī-Addu von Qaṭna, er wäre, wenn Išme-Dagān ihm nichts geschickt hätte wegen dem DINGIR ša a-bi-ia,1536 „Gott meines Vaters“, sehr bekümmert gewesen.1537 Ein weiterer Brief, den Išḫī-Addu an Yasmaḫ-Addu von Mari schreibt, nennt die DINGIR.MEŠ ša a-li-ša,1538 „Götter ihrer (=die Tochter Išḫī-Addus) Stadt“, wegen deren Verehrung die Tochter nach Qaṭna zurückkehren soll.1539 In keinem dieser Briefe werden diese Götter näher spezifiziert, belegen aber durch das in allen Fällen vorkommende ša, dass es sich jeweils um eine Genitivverbindung handelt. Somit rechtfertigen die Belege durchaus eine Interpretation im Sinne eines oder mehrerer persönlicher Götter des Königs bzw. seines Vaters.1540 Dass es zudem für mehrere 1534 Van der Toorn 1994: 39-42. 1535 Richter 2012a: QTT 2 Z. 18 (DINGIR.MEŠ), QTT 4 Z. 53 (DINGIR.MEŠ), QTT 5 Z. 17 f. (DINGIR.MEŠ-ma ša LÚabi-ia). 1536 ARM V 20: 16. 1537 Dossin 1952: 36 f. Nr. 20; Vorländer 1975: 155 f.; vgl. auch Roßberger 2015: 314. 1538 ARM II 51: 19 f. 1539 Jean 1950: 108 f. Nr. 52; vgl. auch Roßberger 2015: 314. Der Brief ARM X 113 scheint die Antwort zu sein auf eine ähnliche Order an eine Tochter des Königs von Mari zur Ausübung des Kultes der DINGIR.MEŠ ša a-bi-ia (ARM X 113: 21), „Götter meines Vaters“, zurückzukehren (Durand 2000: 436 f.; vgl. auch Roßberger 2015: 314, Fn. 1969). Ebenso existieren im Kontext der hethitischen Religion Belege für einen „Gott des Vaters“ bzw. „Götter des Vaters“, und auch in diesem Kontext werden die Götter nicht näher benannt (Görke 2004, v. a. 211). 1540 Die Identifizierung der DINGIR.MEŠ LUGAL mit bestimmten Gottheiten kann bislang nicht abschließend geklärt werden. Infrage für diese „persönlichen Götter“ kommen, anhand der aktuellen Quellenlage, Šamaš, Sin, Addu und dUwirinnu: In dem Amarna-Brief EA 55, den Akizzi an den ägyptischen Pharao Echnaton schickte, wird in vier Zeilen der Ausdruck dUTU DINGIR a-bi-ia, „dŠamaš, Gott meines Vaters“, im Zusammenhang mit einer Statue des Gottes verwendet (Siehe EA 55 Z. 53, 56, 59, 63 in Moran 1992: 127 f.; Knudtzon 1915: 332-336; für die Autographie siehe Bezold 1892: 75 mit anderer Zeilenzählung als Knudtzon und Moran: 47, 50, 53, 57; vgl. auch Bottéro 1949: 34). Zwar könnte die Nennung von Šamaš mit der Apposition DINGIR a-bi-ia in einem Brief an Echnaton politisch motiviert sein, um die Gunst des Pharaos zu erwerben (vgl. Fales 2004: 94, Fn. 46), allerdings könnte eine den DINGIR. MEŠ LUGAL geweihte (Sonnen-)Scheibe aus Gold in den

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Götter Statuen gegeben hat, bestätigen die drei Briefe QTT  21541, QTT  41542 und QTT  51543 aus dem Archiv des Idadda. Berücksichtigt man diese zusätzlichen textlichen Belege, sollte der Ausdruck DINGIR.MEŠ LUGAL in der ersten Zeile des Inventars II tatsäch­lich wörtlich verstanden und als Plural aufgefasst werden, da er den Inhalt der gesamten Tafel betrifft und die ver­ schiedenen, in der Tafel wiedergegebenen sprachlichen Konstruktionen widerspiegelt. Entsprechend Qaṭnainventaren einen weiteren Hinweis auf Šamaš darstellen (der Aussage Roßbergers, dass der Ausdruck DINGIR. MEŠ LUGAL in Zeile 31 des Inventars II „als Name einer Sonnenscheibe“ verwendet wird [Roßberger 2015: 312], ist nach der Auffassung der Autorin nicht zuzustimmen. Nach der in dieser Arbeit präsentierten Übersetzung [siehe II A rev. 31] ist der Name der Sonnenscheibe nicht „DINGIR. MEŠ LUGAL“, sondern es ist „[die] der DINGIR.MEŠ LUGAL“). Gleichzeitig verweist dieses Objekt, aufgrund der eingravierten Mondsichel (siehe Kapitel 3.2.2.1), auf Sin (siehe auch den im CAD angeführten Beleg, „UD.28. KAM ana Sin UD.SAR ana MAN AŠ.ME KÙ.GI likrub on the 28th day [of the eighth month] he should offer to the moon a crescent and to the sun a sun disk of gold“ [CAD Š I: 333 s. v. šamšatu]). Bei einem weiteren möglichen Beleg für die Identifizierung eines persönlichen Gottes, handelt es sich um die Siegellegende des Išḫī-Addu, anhand derer Addu (einer Diskussion der unterschiedlichen Lesungen des für den Wettergott verwendeten Logogramms dIŠKUR widmet sich Schwemer 2001: 443-587 ) möglicherweise als Schutzpatron des Königshauses von Qaṭna anzusprechen ist (Morandi Bonacossi – Eidem 2006: 54-56; Durand 2006; ebenso wie für den König Išḫī-Addu scheint eine fragmentarische Siegelabrollung des Siegels eines Steinschneiders aus Qaṭna den westsemitischen Wettergott Addu als persönlichen Gott zu nennen [Richter 2002b: 252-254]). Zusätzlich wird in dem Inventar II (II A rev. 41) der Göttername d Uwurinnu genannt (II A rev. 41: 1 GAL KÙ.BABBAR ṣurpu ša dú-wi-ri-in-nu „1 Becher aus veredeltem Silber der/ von dUwirinnu“ [Transliteration nach Bottéro 1949: 210]). Aus dem Text wird nicht klar, ob es sich bei diesem wohl hurritischen Namen um eine Gottheit handelt, welcher der in derselben Zeile genannte Silberbecher geweiht wurde, oder ob dUwurinnu der Stifter des Silberbechers ist. Da sowohl die DINGIR.MEŠ LUGAL (in besagter Variation), als auch die namentlich erwähnten Stifter mit der Konjunktion ša eingeleitet werden, ist dies dem Text nicht zu entnehmen. Immerhin wäre die Nennung einer hurritischen Gottheit im Hinblick auf den soziokulturellen Hintergrund der Bevölkerung von Qaṭna (zu dem Einfluss des Hurritischen in Qaṭna siehe Kapitel 1.3.3 und Richter 2002a: 605, Fn. 14; 2005: 115 f.) im Rahmen eines lokalen Pantheons durchaus denkbar. Dies wird auch dadurch wahrscheinlich, dass ansonsten für keinen König in Qaṭna eine Vergöttlichung bekannt ist. 1541 „(18) Mein Bruder, ihre beiden Götter(statuen) (19) habe ich (an mich) genommen, (21) und ich habe (19) sie (somit also) (20) aus den Händen ihrer Feinde (21) gerettet.“ (Richter 2012a: 48 f.). 1542 „(53) Und siehe: (56) Ich werde (53) (eure?) Götter (56) nicht beschützen […]“ (Ebenda: 60 [Hervorhebung im Original zur Kennzeichnung der nicht gesicherten Übersetzung]). 1543 „(17) Jetzt (20) wird er (: Šarrušše) ihnen (: Bewohner von Armatte) (17) die Götter von Ni’ (18) und die Götter meines Vaters (: Idadda) (19) unfreiwillig (20) geben.“ (Ebenda: 69).

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Qaṭna

könnten die Ausdrücke DINGIR und DINGIR.MEŠ durchaus auf mehrere bzw. im Singular wiederum auf einen bestimmten persönlichen Schutzgott des Königs bzw. des Vaters Bezug nehmen. Dafür existiert eine Parallele im altbabylonischen Konzept, für das B. Groneberg vermutet, dass eine Person „mehrere Götter nacheinander ansprach, oder aber mehrere Götter nebeneinander als ‛seinen Gott’ in unterschiedliche Funktionen berief.“1544 Ihre Vermutung ergibt sich daraus, dass in manchen Texten von „den Göttern“ einiger Könige die Rede ist, und ebenso dass in einigen Siegelinschriften mehrere Götter genannt werden.1545 Unter Berücksichtigung dessen, dass aus grammatischer Sicht eine Genitivverbindung am naheliegendsten ist und verschiedene vergleichbare Textzeugnisse vermuten lassen, dass die Kennzeichnung MEŠ tatsächlich auf mehrere Götter Bezug nimmt, kommt man im Einzelnen bei einer wörtlichen Übersetzung der Termini zu den folgenden Bezeichnungen: „Götter des Königs“ (II A 1, rev. 31), „Gott des Königs“ (IV rev. 8-9), „Götter des Vaters“ (II A rev. 43) und „Gott des Vaters“ (II A rev. 44). Wie aus der zuvor erfolgten Diskussion deutlich wurde, werden diese Ausdrücke offenbar synonym gebraucht, und zwar derart, dass sie tatsächlich denselben Gott bzw. dieselben Götter bezeichnen. Ob es sich bei dem Bezug auf einen einzelnen Gott um den favorisierten „Schutzgott“ des Vaters, und auch seines nachfolgenden Sohnes handelt, und bei dem Plural der Götter um mehrere Götter des wahrscheinlich lokalen Pantheons, die von dem König und seinem Vater als „persönliche Götter“ der Familie verehrt wurden, kann nur vermutet werden. Bemerkenswert ist zudem, dass die „persönlichen Götter“ im Babyloni­schen nicht von einem Einzelnen verehrt wurden, sondern dass der Kult des „persönlichen Gottes“ kollektiv zu verstehen ist. So zeigen Studien von Siegeln mehrerer Mitglieder einer Familie, dass verschiedene Generationen ein und denselben Gott als persönliche Gottheit benennen; eine Tradition, die bereits aus sumerischen Texten aus der Mitte des 3. Jt. v. Chr. bekannt ist.1546 Der persönliche Gott wurde den Belegen zufolge vom Vater an den Sohn und vom Sohn an den Enkel übertragen: „He was part of the heritage, so to speak, and as such the god of the patrilineal family.“1547 Van der Toorn vergleicht die Übertragung des Kultes des persönlichen Gottes mit der Nutzung des Siegels vom Vater durch den Sohn. Auch dies war ein Ausdruck der familiären Identität im Gegensatz zur individuellen 1544 Groneberg 1986: 94 f. 1545 A. a. O. 1546 Van der Toorn 1996a: 71, 74; mit entsprechenden Belegen auch schon Charpin 1990: 61-69. 1547 Van der Toorn 1996a: 72; 2004: 426; vgl. auch Hirsch 1966: 57.

Identität. Nach dem Tod des Vaters übernahm der älteste Sohn die Position des Verstorbenen als paterfamilias. Durch die Nutzung des Siegels des Vaters wurde die Legitimation des Nachfolgers sichtbar und der in der Siegelinschrift genannte Gott wurde – aufgrund der Familientradition – auch der Gott des Sohnes.1548 Die Verehrung des gleichen persönlichen Gottes durch den Vater und den Sohn wird auch in der Korrespondenz assyrischer Händler um 1900 v. Chr. deutlich. Hier wird der Ausdruck „dein Gott“ und „Gott deines Vaters“ synonym verwendet.1549 Diese Vergleiche lassen – auch wenn die regio­ nale und chronologische Diskrepanz nicht zu vernachlässigen ist – die Möglichkeit wahrscheinlich erscheinen, dass die Ausdrücke DINGIR(.MEŠ) LUGAL und DINGIR(.MEŠ) ša abi tatsächlich mehrere persönliche Götter des Königs, bzw. seines Vaters, oder aber einen der Götter aus diesem Kol­ lektiv bezeichnen.1550 Dieser Gott, bzw. möglicherweise auch mehrere Götter des Königs werden somit vermutlich nicht allein aus Rücksicht auf den (verstorbenen) Vater verehrt, sondern waren zugleich identisch mit den persönlichen Göttern des herrschenden Königs. Da es sich bei dem Inventar II um Texte aus der Zeit des Königs Idadda handelt, würde es sich somit um die „persönlichen Götter“ bzw. den „persönlichen Gott“ seines Vaters Ulašuda, der vermutlich ein lokaler Fürst war, handeln, die durch Idadda im Sinne der Familientradition weiter verehrt wurden. Auch M. Fales argumentiert im Sinne einer solchen Interpretation, dass die Be­zeichnungen DINGIR.MEŠ ša a-bi1551 und DINGIR a-bi Bezug nehmen auf den Vater, bzw. den Gott/die Götter des Vaters. Der Sohn des verstorbenen Vaters trägt somit dafür Sorge, dass dessen Schutzgott in das Inventar für „gli dèi del sovrano“ aufgenommen wird.1552 Dabei ist einschränkend anzumerken, dass Idadda selbst als Stifter von Weihgaben in keinem der Inventare auftaucht. Stattdessen ist es Amud-piEl, der „Sohn Idaddas“, der Weihgaben spendet und dies vermutlich zu Lebzeiten Idaddas.1553 Fales sieht in den Bezeichnungen der DINGIR (MEŠ ša) abi einen Bezug zu den Ahnen des Königs­ 1548 Van der Toorn 1996a: 72. Für eine Diskussion derselben Thematik vergleiche auch Charpin 1990: 72-74. 1549 Van der Toorn 1996a: 72-74. Auch die Belege aus Ebla, lassen nach Ansicht der Autorin die Möglichkeit zu, dass dort der „Gott des Vaters“ und der „Gott des Königs“ identisch waren. Anders interpretiert diese Belege jedoch Archi, der annimmt, dass diese Götter nebeneinander existierten (Archi 2012: 14-16). 1550 Vgl. auch Roßberger 2015: 314. 1551 Fales liest DINGIRMEŠ a-bi (siehe Fn. 1508). 1552 Fales 2004: 94. 1553 Inventars II (II A rev. 39); neben Amud-pi-El werden in den Inventaren fSapa, Aki-dTeššup und Naplimma („König“) namentlich als Opferspender erwähnt. Warum Idadda nicht als Spender von Opfergaben aufgelistet, sondern nur in den Kolophonen der Texte genannt wird, bleibt unklar.

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Die schriftlichen Funde hauses von Qaṭna. Er nimmt aufgrund der Tatsache, dass der Sohn dafür sorgt, dass der Schutz­gott des Vaters in das Inventar aufgenommen wurde, an, dass der Sohn diese Verehrung im Rahmen seiner Fürsorge für den funerären Bereich der verstorbenen Herrscher ausübt.1554 Diese Annahme würde auch dem Verständnis zahlreicher Wissenschaftler der Rechtstexte aus Emar und Nuzi entsprechen. Der Vergleich basiert auf der ähnlichen Anonymität der Bezeichnungen für die DINGIR.MEŠ LUGAL in den „Qaṭnainventaren“ und dem Ausdruck DINGIR.MEŠ in den Testamentsurkunden aus Emar und Nuzi. Die Tatsache, dass die Begriffe „meine Götter“ und „meine Toten“ bzw. „meine Geister“ (mētu, „Toter“, in Emar und eṭemmu, „Totengeist“, in Nuzi)1555 in dem klar umrissenen Kontext der Texte aus Emar und Nuzi gemeinsam auftreten, führt dazu, dass die Begriffe von verschiedenen Autoren als synonym aufgefasst werden und somit angenommen wird, dass die Menschen nach ihrem Tod zu Göttern wurden.1556 Folgt man dieser Interpretation, wären dies die einzigen Texte, in denen auch Personen von nicht-königlichem Stand nach ihrem Tod eine Vergöttlichung erfahren hätten.1557 W. T. Pitard und B. B. Schmidt sind hingegen der Auffassung, dass die Götter und die Toten in diesen Texten nicht als synonym aufgefasst werden können, sondern lediglich beide der Versorgung durch die Hinterbliebenen bedurften.1558 Eine ähnliche Interpretation findet, nach meiner Auffassung, auch in Qaṭna ihre Gültigkeit. Nach oben dargelegter Interpretation der Begrifflichkeiten aus Qaṭna handelt es sich bei den DINGIR(.MEŠ) LUGAL bzw. DINGIR(.MEŠ ša) 1554 Fales 2004: 94. 1555 Pitard 1996: 124. 1556 Tsukimoto 1985: 104 f.; Rouillard – Tropper 1987: 353 f.; Loretz 1992: 152-167; van der Toorn 1994; 2008. Die Argumente, die K. van der Toorn anführt, um ein Verständnis der Termini DINGIR.MEŠ und mītū oder mētū als Hendiadyoin zu begründen sind nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung wenig überzeugend. Dabei bezieht er sich vor allem auf Texte aus Emar, in denen das Verb nubbû (laut J. Huehnergard liegt damit in Emar eine einmalige Verwendung des Verbes nabû im D-Stamm vor [Huehnergard 1983: 28]) ähnlich zu verstehen sei, wie der Ausdruck zakār šumi-šu, die „Anrufung des Namens“ (siehe auch Kapitel 2.2.2.1.7.1), sodass sich durch dieses Verb in Hinblick auf beide Substantive ein Bezug zum Totenkult herstellen ließe (van der Toorn 1994: 46, Fn. 40). Dem ist zu entgegnen, dass das Verb nabû, sofern die Form nubbû wirklich davon herzuleiten ist, in mehreren Fällen mit der Anrufung einer Gottheit in Verbindung steht (siehe CAD N I: 32-36 s.  v. nabû [v.  a. 2]) und sich entsprechend problemlos auf die DINGIR.MEŠ mit dem Verständnis als „Götter“ und die Totengeister beziehen kann. 1557 Pitard 1996: 124. 1558 Ebenda: 125-129; vgl. auch Schmidt 1994: 122-131; 1996; Fales 2004: 93; eine etwas vorsichtigere Kritik an der Interpretation K. van der Toorns und anderer äußert Fleming 2008: 40-43.

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abi tatsächlich um die Götter des Königs, bzw. seines Vaters, die nicht mit dem Totenkult der Vorfahren in Verbindung stehen. Eine „Übernahme“ des „persönlichen Schutzgottes“ war Teil der Legitimation des ältesten Sohnes als Nachfolger des Vaters, ebenso wie Teil des pflichtmäßig anzutretenden Erbes. Dass der „persönliche Gott“ des Vaters schon zu Lebzeiten desselben bereits durch den Sohn verehrt wurde, bezeugt die Nennung des Sohnes von Idadda, Amud-pi-El, in der Rezension A des Inventars II (II A rev. 39), das vermutlich im 18. Regierungsjahr von Idadda entstand (siehe Kapitel 1.3.3). 3.2.3 Gegenüberstellung des Kultes der DINGIR.MEŠ LUGAL und der königlichen Ahnen Eine Verehrung der DINGIR.MEŠ LUGAL und der dNIN.É.GAL von Qaṭna erfolgte im „Heiligen Be­zirk“ (siehe Kapitel 3.2.1) in der Halle C und war somit Teil öffentlicher Kulthandlungen. Eine Ver­ehrung der königlichen Ahnen lässt sich, nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung, anhand der Texte aus Qaṭna nicht belegen. Diese ist hingegen anhand der Sitzbildnisse in der Vorkammer (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.3.3) in ihrem eindeutigen Kontext nachzuweisen. Möglicherweise wurde der Ahnenkult auch in Saal A des Palastes praktiziert (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.1). Demnach sind diese beiden Kulte be­züglich ihres Ausübungsortes lokal voneinander abgegrenzt. Der Heilige Bezirk der Göttin dNIN.É.GAL in der Empfangshalle des Pa­lastes ebenso wie der Saal A hinter dem Thronsaal waren einem verhältnismäßig großen Publikum zugänglich. Das königliche Hypogäum war hingegen ein Ort, dessen Größe und die komplexe Zugangs­ situation über den langen, abwärts führenden Korridor mit seinen vier Türen und die Vorkammer nur ein begrenztes Publikum zuließ. Eine Verehrung der Toten und die Darbringung von Speisen in deren unmittelbarer Nähe fand somit in einem wesentlich privateren Rahmen statt. Zudem ist zu vermuten, dass die kultische Ver­ ehrung der Götter und der Ahnen in ihrer Ausübung einen unterschiedlichen Charakter besaß. Der Kult um die Ahnen der Königsfamilie zeigt sich in den zwei Sitzbildnissen in der Vorkammer zur Königsgruft. Diese erhielten, ebenso wie die Toten in der Gruft selbst, Speise- und Libationsopfer (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4). Dabei gibt die Gestalt der Statuen mit den angelegten Armen und einer Schale zum Empfangen von Libationsopfern (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.3.3) keine Möglichkeit diese Statuen auch mit Fingerringen oder Armreifen auszustatten. Die Inventare II und IV aus Qaṭna hingegen listen ausschließlich Schmuckgegenstände und wertvolle Schalen auf, die vermutlich zur Ausstattung einer

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göttlichen Statue dienten. Eine solche Statue müsste, zumindest in ihrer Gestaltung anders sein, als die Königsstatuen aus der Vorkammer von Qaṭna.

3.3 Zusammenfassung zum Totenmahl in Qaṭna Bei dem Friedhof der Mittleren Bronzezeit I im Be­reich des Königspalastes ist eine enge räumliche Nähe der einfachen Erdgräber und Gefäßbe­stattungen mit den Felsgrüften der Elite Qaṭnas festzustellen. Damit existierten, wie auch schon D. Morandi Bonacossi bemerkte, zwei verschiedene Bestattungsideo­ logien innerhalb eines Friedhofes nebeneinander. Zum einen die gemeinschaftliche Mehrfachbestattung in den Felsgrüften und zum anderen die individuelle Bestattung in den Einzelgräbern. Dabei sei das Phänomen der „de­personalization and collectivi­ zation“ der Toten in Mehrfachgräbern in Felsgrüften nicht überraschend, sondern vielmehr ein weit verbreitetes Merkmal der Elite in Syrien zwischen der 2. Hälfte des 3. Jahrtausends und der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr.1559 D. Morandi Bonacossi folgert, „The importance attributed to the ideology of collective burial may well reflect the tribal heredity of a pastoral society to which the elite of the state of Qaṭna, rather than the lower levels of the social hierarchy, laid some claim by means of their fune­ rary rituals, thus underlining the fundamental ideological importance of tribal origin in modelling the hierarchies of urban society.“1560 Die Königsgruft und die Gruft  VII sind die einzigen Felskammergräber in Qaṭna, in denen in der Späten Bronzezeit IIA noch rituelle Handlungen ausgeführt wurden (siehe Kapitel 3.1.1.3.1 und 3.1.1.3.2). Sie stellen den Höhepunkt der kollektiven Bestattungen dar, insofern als in der Königsgruft über längere Zeit Primärbestattungen durchgeführt wurden, deren Knochen im weiteren Verlauf sekundär manipuliert oder umgebettet wurden (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.4 bis 3.1.1.3.1.4.6). Die Gruft VII schließlich kann als der Ort gelten, an dem zahlreiche Bestattungen oder deren Überreste gesammelt wurden, um vermutlich u. a. in der Königsgruft mehr Platz zu schaffen (siehe Kapitel 3.1.1.3.2.1). Insbesondere das Ossuarium in der Königsgruft und die Gruft  VII spiegeln somit den Gedanken eines Kollektivs und das Bestreben, dieses Kollektiv intakt zu halten, in besonderer Weise wider. Bezüglich der Speisebeigaben in den Gräbern in Qaṭna kann abschließend festgehalten werden, dass diese zum Teil sehr unterschiedlich aus1559 Morandi Bonacossi 2011: 34; u. a. mit Verweis auf Carter – Parker 1995, Janßen 2002, Porter 2002a, 2002b, Cooper 2006: 202-256, Novák 2008. 1560 Morandi Bonacossi 2011: 34.

fielen. Von den einfachen Gräbern, die in Qaṭna freigelegt wurden, enthielten etwa zwei Drittel keine Keramikgefäße, die einen Hinweis auf Speisebeigaben dar­­stel­len können, das andere Drittel war anläss­ lich der Primärbestattung nachweislich mit Speisen ver­­sorgt worden.1561 Ob es in der Königsgruft von Qaṭna Hinweise auf eine Darbringung von Speisen anlässlich der Primärbestattung gegeben hat, soll im folgenden Kapitel diskutiert werden. Anlässlich der Sekundärbestattungen und im Rahmen sich wiederholender ritueller Hand­lungen in der Gruft wurden die Toten hingegen zweifelsfrei mit Speiseopfern bedacht (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.11). 3.3.1 Speisebeigaben im Rahmen der Primärbestattung Während bei etwa einem Drittel der einfachen Gräber mit Primärbestattungen aus Qaṭna eindeutige Nachweise für Speisebeigaben verzeichnet werden können, ist die Befundlage in der Königsgruft nicht eindeutig. An den Orten der Primärbestattungen in der Königsgruft – den Sarkophagen in der Mittleren Bronzezeit IIA (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.4) und den Organischen Unterlagen in der Späten Bronzezeit I (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.6) wurden jeweils zwar auch Gefäße vorgefunden, die in die gleichen Perioden wie die dort vorgenom­menen Primärbestattungen datieren und auch einige Tierknochen ließen sich mittels 14C-Datierung in die entsprechenden Perioden einordnen, dennoch ist zu berücksichtigen, dass die Knochen der Bestatteten in einem Zustand vorgefunden wurden, in dem sie bereits sekundär manipuliert oder umgebettet worden waren. Die Befunde bezeugen somit eindeutig, dass an den Orten der Primärbestattungen nach einer gewissen Zeit weitere rituelle Handlungen u. a. möglicherweise anlässlich der sekundären Verlagerung der Knochen durchgeführt wurden. Ob die Gefäße und Tierknochen, die in dieselbe Periode wie die vorgenommenen Primärbestattungen datieren, tatsächlich anlässlich der Primärbestattungen an den jeweiligen Orten niedergelegt wurden oder ob diese Form der rituellen Verehrung erst eine gewisse Zeit nach dem Ereignis der primären Bestattung einsetzte, lässt sich aus den genannten Befunden nicht mehr ableiten. Aller­dings spricht der Befund der Organischen Unterlage  3 und des Bestattungstisches dafür, dass im Rahmen der Primärbestattung keine Speiseopfer dargebracht oder den Toten Speisebeigaben mitgegeben wurden. Der Bestattungstisch, auf dem sich die einzige Bestattung in anatomischer Anordnung befand, lässt keine Rückschlüsse auf Speisebeigaben oder -opfer zu. Die Organische Unterlage 3 weist einen Befund 1561 Zu den möglichen Gründen, warum sich in manchen Gräbern keine Hinweise auf Speisebeigaben befanden, siehe Kapitel 3.1.1.1.6; vgl. auch Kapitel 2.1.1.4.4.

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Zusammenfassung zum Totenmahl in Qaṭna auf, aus dem sich zum einen ableiten lässt, dass diese Unterlage nur sehr kurz als Bestattungsplatz diente und liefert zum anderen nur sehr bedingt Hinweise auf Speisebeigaben oder -opfer, die mit der Organischen Unterlage 3 assoziiert werden können. Die Befunde dieser beiden Bestattungsplätze legen folglich nahe, dass anlässlich der Primärbestattung keine Speisen direkt neben den Toten platziert wurden (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.11).1562 Davon ausgehend, dass der rituelle Ablauf für alle Bestatteten in der Königsgruft gleich gewesen sein dürfte, lässt sich aus diesen Befunden ableiten, dass auch an den anderen Orten der Primärbestattungen, die Speise­ opfer erst einige Zeit nach der Niederlegung des Verstorbenen einsetzten. Fraglich ist zudem, ob den Verstorbenen in den beiden von R. du Mesnil du Buisson entdeckten, früher datierenden Grüften I (Mittlere Bronzezeit I) und IV (Frühe Bronzezeit IV B bis III) anlässlich ihrer Bestattung Speisebeigaben mitgegeben wurden. Die Keramikgefäße gruppieren sich in beiden Grüften hauptsächlich im Eingangsbereich. Allerdings entsteht zudem der Eindruck, dass einige Keramikgefäße sowohl in der Gruft I als auch in der Gruft IV in der Nähe der Schädel der Verstorbenen platziert wurden (vgl. Kapitel 3.1.1.2.1 und 3.1.1.2.2). Auf­grund dessen, dass für die sterblichen Überreste der Individuen nicht exakt bestimmt werden kann, wann sie in der Gruft niedergelegt wurden, ist es nicht möglich – wie es P. Pfälzner für die Königsgruft gelungen ist – eine Korrelation zwischen den Verstorbenen und den datierbaren Keramikgefäße vorzunehmen, um nachzuvollziehen, ob die Gefäße wahrscheinlich bereits im Rahmen der Primärbestattung neben den Verstorbenen abgestellt wurden oder doch eher im Verlauf weiterer ritueller Handlungen wie in der Königsgruft. Allerdings erinnert die Position der Gefäße in der Nähe der Schädel an die Gefäßbeigaben in den einfachen Gräbern. In diesen fanden sich, sofern nachvollziehbar, die Speisebeigaben häufig in der Nähe des Kopfes des Verstorbenen. Dabei handelte es sich in den einfachen Gräbern um nur ein oder zwei Gefäße, in einem Einzelfall auch um drei. Diese Positionierungen erwecken den Anschein, als hätte ein direkter Bezug zwischen den Gefäßen und dem Verstorbenen hergestellt werden sollen (siehe Kapitel 3.1.1.1.6). Der geringe Umfang an Gefäßbeigaben, die of­fen­bar für den Toten selbst gedacht waren, könn­te seine Teilnahme am Bankett anlässlich seiner Bestattung symbolisieren oder mit dem aus den imitativ-magischen Bestattungstexten bekann­ ten Reiseproviant in Verbindung zu bringen sein (vgl. Kapitel 1.1.4.3). Denkbar wäre auch, dass die Gefäße den Verstorbenen während des bei der Be­stattung abgehaltenen Banketts und in der Unter1562 Ähnlich auch Pfälzner 2012b: 211.

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welt als „Essgeschirr“ dienen sollten. Somit wären die Speisebeigaben im Rahmen der Primärbestattung entweder Bestandteil der Rituale, die den Toten in die Unterwelt überführen sollten oder sie sollten sein Leben in der Unterwelt erleichtern. Mit Eintritt in die Unterwelt und Eingliederung des Toten in die jenseitige Gesellschaft wäre der erste Zyklus der sogenannten rites de passage abgeschlossen.1563 Die Beobachtung, dass in den Einzelgräbern nur Kinder, die älter als sechs Monate waren, Gefäßoder Speisebeigaben erhielten, vermitteln den Eindruck, dass Neugeborene und Kleinkinder keine Gefäß- und Speisebeigaben erhielten (siehe Kapitel 3.1.1.1.6). 3.3.2 Speiseopfer im Rahmen der Sekundärbestattung Besonders bemerkenswert ist bezüglich der Königsgruft, dass sekundär manipulierte menschliche Überreste in den Bereichen der primären Bestattungs­orte (die Sarkophage für die Mittlere Bronzezeit IIA und die Organischen Unterlagen für die Späte Bronzezeit  I, siehe oben) ebenso wie die sekundär umgebetteten Knochen in der Kammer 2 intensiv und über einen langen Zeitraum, nämlich bis ans Ende der Nutzung der Königsgruft in der Späten Bronzezeit IIA, mit Speiseopfern versorgt wurden (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.4 bis 3.1.1.3.1.4.6). Diesbezüglich ist vorstellbar, dass zumin­dest zum Teil noch bekannt war, welche Individuen an den je­weiligen Bestattungsorten niedergelegt worden waren. Dass sowohl die Menschenknochen als auch die Tierknochen im Rahmen ritueller Handlungen wiederholt bewegt wurden, lässt sich aus der starken Vermischung der unterschiedlichen Knochen schließen. Anzunehmen ist, dass unter anderem im Rahmen der Sekundärbestattung frische Speiseopfer neben den Toten niedergelegt wurden. Aber auch wenn die Speiseopfer in den Bereichen der primären Bestattungsorte allein von einer regelmäßigen Versorgung der Toten zeugen sollten und die Verstorbenen weder im Rahmen ihrer Primärbestattung noch im Rahmen ihrer Sekundärbestattung Speiseopfer erhielten, ist dennoch davon auszugehen, dass der Akt der Sekundärbestattung einen weitreichenden symbolischen Wert besaß. Denkbar wäre, dass der Verstorbene dadurch in einen neue Status in der Ge­sellschaft der Unterwelt, möglicherweise in den eines individuellen Ahnen, überführt werden sollte (vgl. Kapitel 3.1.1.3.1.4.11). Die mit der sekundären Manipulation oder Umbettung der Gebeine in Zusammenhang stehenden rituellen Handlungen 1563 Für die in dieser Arbeit vertretene Interpretation der rites de passage und der Annahme einer Wiederholung der rites de passage in mehreren Zyklen – auch nach dem Tod – siehe Kapitel 1.1.3.

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wären nach dem in dieser Arbeit vorgeschlagenen Konzept im Rahmen des zweiten Zyklus der rites de passage erfolgt (siehe Kapitel 1.1.3). In Bezug auf die einfachen Bestattungen in Qaṭna gibt es keine Hinweise auf eine rituelle Sekundärbe­ stattungen der Gebeine. 3.3.3 Speiseopfer für das Kollektiv der Ahnen Im Ossuarium der Königsgruft ist die letzte Ruhestätte der Verstorbenen innerhalb der Königsgruft nachvollziehbar. Dabei lässt die starke Vermi­ schung von Menschen und Tierknochen anneh­men, das bereits an anderen Orten für die Toten dargebrachte Speiseopfer gemeinsam mit den Gebeinen der Verstorbenen in das Ossua­rium umgebettet wurden. Zugleich bezeugen die Keramikgefäße aus der Späten Bronzezeit I und Späten Bronzezeit IIA, die in der östlichen Nebenkammer abgestellt worden waren, dass den dorthin umgebetteten Toten auch im weiteren Verlauf der Gruftnutzung Speiseopfer im Rahmen ritueller Handlungen dargebracht wurden. Dies legen auch verschiedene Tierknochen nahe, die in der östlichen Nebenkammer in anatomischer Artikulation gefunden wurden und entsprechend nach ihrer Niederlegung nicht mehr gestört wurden (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.5). Mit der Umbettung der Knochen in das Ossua­ rium verlor der Verstorbene vermutlich spätestens seine Identität als Individuum und wurde in das Kollektiv der Ahnen aufgenommen.1564 Die Knochen des Einzelnen waren nach seiner Deponierung nicht mehr von denen der anderen zu trennen, sodass die Toten nicht mehr als Individuen ansprechbar waren. Aus diesem Grund konnten ihm als Individuum fort­an auch keine Speiseopfer mehr dargebracht werden. Stattdessen erhielt er seine Versorgung im Rahmen der kollektiven Ahnenverehrung, die in Qaṭna sowohl durch die Schalen der Späten Bronzezeit IIA in der östlichen Nebenkammer belegt ist als auch durch das Darbringen von Speiseopfern vor den Ahnenstatuen erfolgte (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.3.3 und 3.1.1.3.1.4.5). Eine mögliche erneute Umbettung könnte in den Bestattungen und Knochenansammlungen in der Gruft VII zu sehen sein. Es hat den Anschein, als wären diese aus anderen Grüften – etwa der Königsgruft – in die Gruft VII gebracht worden. Nach dem aktuellen Stand der Forschung gewinnt man den Eindruck, als hätten die Toten nach ihrer (erneuten) Umbettung in die Gruft VII keine frischen Speiseopfer mehr erhalten. Lediglich in der Vorkammer wur-

1564 Siehe Kapitel 1.1.3. Dieses Verständnis von der Veränderung des Status beschreibt ebenfalls Pfälzner (2012b: 213215).

den zwei Schalen gefunden, die darauf hindeuten, dass nach dem Aufstellen der Kisten in der Gruft VII auch an dieser Stelle dem Kollektiv der Ahnen ein Opfer dargebracht wurde (siehe Kapitel 3.1.1.3.2 mit Unterkapiteln). 3.3.4 Keramikgefäße und Tierknochen abseits der Bestattungsbereiche in der Königsgruft Bezüglich der Keramikgefäße, die nicht mit sekundär manipulierten oder umgebetteten Knochen assoziiert waren, stellt sich die Frage, welchen Zweck diese Gefäße in der Gruft erfüllten. P. Pfälzners Interpretation folgend, dürften sowohl die Tierknochen als auch die Inhalte der Keramikgefäße in der Südkammer für die königlichen Totengeister vorgesehen gewesen sein, die durch den breiten Durchgang zur Hauptkammer symbolisch an den dort stattfindenden Banketten teilnahmen (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.7). Die übrigen Keramikgefäße und Tierknochen, die sich vor allem im Nordwesten der Hauptkammer (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.8), aber auch im Bereich der Steinbänke im Südwesten und in verschiedenen Nischen und Spalten der Gruft verteilten, standen größtenteils vermutlich in Zusammenhang mit den wiederholt dargebrachten Speiseopfern für die Verstorbenen und mit den im Rahmen von rituellen Feierlichkeiten abgehaltenen Banketten. In diesem Zusammenhang hätten die Vorratsgefäße immer wieder zur Bereithaltung von Speisen gedient und die neben den Vorratsgefäßen abgestellten Schalen und anderen Gefäße, die auch zum Teil als Schalenstapel unter und auf den Steinbänken im Südwesten zu finden waren, wären ebenfalls im Rahmen dieser Bankette verwendet worden. In diesem Zusammenhang hätte die Steinbank an der Südwand der Hauptkammer und die nördliche Hälfte der Steinbank an der Westwand als Sitzmöglichkeit gedient (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.9). Aus dem Bereich des Gefäßdepots im Nordwesten wären die gut zugänglichen Gefäße wiederholt hervorgeholt worden, um sie im Rahmen des Banketts zu verwenden (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.8). Gefäße, die an weniger gut zugänglichen Stellen abgestellt wurden, etwa im hinteren Bereich des Gefäßdepots, in Nischen und Spalten zwischen den Sarkophagen und Kammerwänden oder an abgelegenen Stellen unter den Steinbänken in der Hauptkammer und der westlichen Nebenkammer, wurden vermutlich nicht mehr aktiv verwendet, sondern waren an diesen Stellen „entsorgt“ worden, verblieben aber auf­grund ihrer vorherigen Verwendung im Rahmen von dargebrachten Speiseopfern oder als Geschirr, das bei den Banketten verwendet worden war, und der damit einhergehenden Bedeutung für den Totenkult in der Gruft (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.10).

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Zusammenfassung zum Totenmahl in Qaṭna 3.3.5 Die Ausübung der Totenpflege in Qaṭna Im Befund der Königsgruft bezeugen die Sarkophage und Organischen Unterlagen ebenso wie die östliche Nebenkammer eindeutig, dass den Verstorbenen an diesen Orten wiederholt und über einen langen Zeitraum Speisen geopfert wurden. Eine ähnliche Bedeutung hatten sehr wahrscheinlich die vor den Ahnenstatuen in der Vorkammer dargebrachten Speisen. Diese Opferhandlungen können als Toten­ pflege verstanden werden, bei der die Toten in der Unterwelt mit Speisen und Flüssigkeiten vesorgt wurden. Wie häufig diese Opferhandlungen für die einzelnen Individuen oder das Kollektiv dargebracht wurden, lässt sich aus dem Befund nicht erschließen. P. Pfälzner schlägt, in Anlehnung an die kispu(m)Texte aus Mari vor, dass die rituelle Darbringung von Speisen in der Königsgruft monatlich stattgefunden haben könnte1565 und fügt die Möglichkeit an, dass die größeren Zeremonien, bei denen mehrere Personen beteiligt waren, eventuell nur bei besonderen Anlässen durchgeführt wurden.1566 Bedenkt man jedoch die Zeitspanne, in der sich die Überreste der Speiseopfer an den verschiedenen Bestattungs­ plätzen in der Gruft angesammelt haben, erhält man den Eindruck, dass bei einer monatlichen Darbringung von Speisen oder einer ähnlichen Regelmäßigkeit, mehr Tierknochen hätten zu finden sein müssen (für die Keramikgefäße gilt dies nicht, da diese offenbar wiederholt benutzt wurden). Dies gilt vor allem dann, wenn man die geringe Mindest­individuenzahl an geopferten Tieren bedenkt, die E. Vila für die einzelnen Bereiche rekonstruiert.1567 Zwar haben mit Sicherheit die taphonomischen Prozesse in der Gruft dazu geführt, dass nur ein Teil der Tierknochen, die sich ursprünglich in der Gruft befanden, erhalten blieb und zudem ist auch in Hinblick auf die Tier­ knochen vorstellbar, dass die Bestattungsbe­reiche in regelmäßigen Abständen zumindest zum Teil gerei­ nigt wurden, dennoch ändert dies nichts daran, dass sich aus dem Befund keine Aussagen zur Häufigkeit und Regelmäßigkeit der Speiseopfer ableiten lassen. Dass es eine wiederkeh­rende Darbringung von Speisen gab, daran besteht kein Zweifel. So­fern die Speisen nur zu besonderen Anlässen in der Gruft selbst dargebracht worden sein sollten, wäre zu erwarten, dass die regelmäßige Totenpflege andern­ orts stattgefunden hätte. Auch aus den Texten aus Mari lässt sich ableiten, dass die langfristige Versorgung eines Verstorbenen mit der als kispu(m) 1565 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.10.2 („Die Bedeutung der kispu-Rituale“). Für das kispu(m) in Mari ist ein zweiwöchiger Turnus belegt (siehe Kapitel 2.2.2.1.4). 1566 Pfälzner im Druck c: Kapitel 5.7.11 („Lebende und Tote beim Totenmahl“). 1567 Vgl. die Angaben in den Kapiteln 3.1.1.3.1.4.4 bis 3.1.1.3.1.4.8 zu den einzelnen Bereichen.

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bezeichneten Totenpflege nicht im Grab stattfand.1568 Dies ist auch für die einfachen Gräber in Qaṭna rele­ vant. Da nur in einem Drittel der einfachen Gräber Speisebeigaben nachgewiesen werden konnten und zudem in den einfachen Gräbern keine langfristige Versorgung für die Verstorbenen möglich ist (siehe Kapitel 3.1.1.1.6), stellt sich die Frage, ob auch für sie eine wiederkehrende, lang­anhaltende Versorgung mit Speisen gewährleistet war, wie sie in der Königsgruft eindrücklich belegt ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versorgung der Toten mit Speisen in der Unterwelt wäre eine Vernachlässigung der Totenpflege sehr unwahrscheinlich. Dies heißt im Umkehrschluss, dass die Beigaben in den Gräbern nicht für die langfristige „Versorgung“ der Toten in der Unterwelt gedacht waren, sondern lediglich, wie es die Texte vermuten lassen, für den Weg in die Unterwelt (vgl. Kapitel 1.2.2 und 1.2.3). Entsprechend kann für die einfachen Gräber in Qaṭna, in denen keine Speisebeigaben nachgewiesen werden konn­ten, nicht davon ausgegangen werden, dass die Verstorbenen keine Totenpflege erhielten. Diese wäre jedoch zu den regelmäßigen Terminen – und diese Feststellung könnte möglicherweise für alle Toten in Qaṭna gelten – nicht im Grab dargebracht worden. 3.3.6 Die Art der Speisebeigaben Es bleibt die Frage zu diskutieren, was für Speisen den Toten dargebracht wurden. Aufgrund der detail­liert durchgeführten Untersuchungen des archäo­logischen Materials durch unterschiedliche Wis­sen­schaftler lässt sich in Qaṭna ein verhältnismäßig deutliches Bild zeichnen. Die unterschiedlichen Gefäßformen der offenen und geschlossenen Gefäße lassen annehmen, dass, sofern sie der Aufbewahrung von Speisen dienten, sowohl flüssige als auch feste Nahrung in die Gräber und Grüfte eingebracht wurde. R. Evershed und sein Team der University of Bristol konn­ten zudem fest­ stellen, dass sich die Rückstände aus den Keramikgefäßen hauptsächlich in drei Gruppen unterteilen lassen: pflanzliche Wachse, tierische Fette und Harzkomponenten. Letztere konnten jedoch hauptsächlich in Steingefäßen und nur in wenigen Keramikgefäßen nachgewiesen werden. Vor allem bei den Steingefäßen ist anzunehmen, dass ein Großteil der nachgewiesenen Rückstände beispielsweise mit Ölen, Duftstoffen oder Salben in Zusammenhang zu bringen ist, die vermutlich in den Steingefäßen in die Levante transportiert wurden. Sollten die analysier­ 1568 Siehe Kapitel 2.2.2.1.8 mit Unterkapiteln; siehe zur Problematik der Anwendung des Terminus kispu(m) auf den Befund in der Königsgruft Kapitel 2.2.2.1.9 mit einer Definition des kispu(m) und Kapitel 5.3 mit Unterkapiteln.

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Qaṭna

ten Rückstände in den Keramikgefäßen von in der Gruft dargebrachten Speisen stammen (siehe dazu auch Kapitel 3.1.1.3.1.4.2), würden die nachgewie­ senen Rückstände in ihren unterschiedlichen Kombinationen darauf hindeuten, dass die Gefäße ver­schiedene Speisen und Getränke enthielten. Die drei allgemeinen, durch die Biochemiker fest­gelegten Gruppierungen, können durch die weiteren Forschungsdisziplinen konkretisiert werden. Hinsichtlich der flüssigen Nahrung, die den Toten in Qaṭna dargebracht worden zu sein scheint, kann auf die beiden in der Königsgruft gefundenen Tontafeln verwiesen werden, die jeweils ein Liter abgekoch­te Milch nennen (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4.8). Im archäologischen Befund selbst können Spuren von Speisebeigaben vor allem anhand von Tierknochen und den Überresten von bestimmten Früchten nachgewiesen werden. Dabei ist der Umfang an Tier­knochen in der Königsgruft erheblich größer, als in den früher datierenden, einfachen Gräbern (Mittlere Bronzezeit I), in denen größtenteils keine Tierknochen verzeichnet werden konnten. Die Analysen der Tierknochenfunde ergaben, dass sowohl in den einfachen Gräbern, als auch in der Königsgruft hauptsächlich Teile vom Schaf, von der Ziege und vom Rind den Toten mitgegeben wurden (siehe Kapitel 3.1.1.1.6 und 3.1.1.3.1.4.11). In der Königsgruft treten zudem die Knochen einiger Tiere auf, wie etwa Vögel, die in Qaṭna bislang in keinem anderen Grabkontext identifiziert wurden (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.4 mit Unterkapiteln). Neben den biochemischen und archäozoolo­ gischen Untersuchungen, ist auf die archäobotanischen und osteologischen Analysen des Materials aus Qaṭna zurückzugreifen. S. Riehl, L. Peña-Chocarro und M. Rottoli analysierten die Pflanzenrückstände aus dem Bereich des Königspa­ lastes und anderer Wohngebie­te aus Qaṭna im Hinblick auf das Nahrungsspektrum der bronze- und eisenzeitlichen Bevölkerung.1569 Zwar stammen nur wenige der Proben, die Pflanzenreste auf­wie­ sen aus der Königsgruft selbst, dennoch zeigt das Beispiel der Tierknochen der in dieser Zeit am häufigsten gezüchteten Tiere wie Ziegen, Schafe und Rinder, dass die Speisen der Toten aus dem Nahrungsspektrum der Lebenden entnommen sein dürften. Angesichts dieser Beobachtung ist es auch in Hinblick auf die Speisen für die Toten durch­ aus interessant, zu welchen Ergebnissen die Wis-

senschaftler in Bezug auf die Pflanzenrückstände außerhalb von Grabkontexten kommen. Aus diesem Grund sollen die Ergebnisse dieser Untersuchungen im Folgenden zusammenfassend dargestellt werden. An Getreide konnte in der Bronzezeit Gerste (wahrscheinlich zweireihig) am häufigsten dokumentiert werden. Am zweithäufigsten fand man Emmer und Nacktweizen, allerdings trat Emmer nur in Verbindung mit Gerste auf und es verliert nach der Frühbronzezeit außerhalb des Palastes seine Bedeutung.1570 An Früchten wurden hauptsächlich Oliven, Weintrauben, Bitter-Wicken, Linsen, Saatplatterbsen sowie dicke Bohnen und in sehr geringen Mengen Feigen nachgewiesen.1571 In der Königsgruft wurde der Kern einer Traubenkirsche gefunden. Deren Frucht ist zwar essbar, der Stein kann jedoch to­xische Wirkung haben.1572 Diese Untersuchungen werden auch durch die Messungen der Spurenelemente in einigen mensch­ lichen Knochen durch A. Canci und F. Bartoli bestätigt. Eine hohe Konzentration von Strontium und Magnesium zeigt, dass die Ernährung der Verstorbenen zu ihren Lebzeiten auf Getreide und Gemüse basierte. Eine hohe Konzentration von Zink und Calcium wiederum belegt, dass ausreichend und regelmäßig tierische Fette (Fleisch, Milch, Milchprodukte und Schalentiere) verzehrt wurden. Letzteres trifft vor allem auf Bestattete im Grabungsbereich D der Mitt­lere Bronzezeit II zu (Abb. 35),1573 was darauf hindeutet, dass es sich bei diesen um eine Gruppe mit höherem Status handelt.1574 Die Tierknochen ebenso wie die beiden Tontafeln in der Königsgruft, die die Lieferung von einem Liter abgekochter Milch belegen, verdeutlichen, dass zumindest in Bezug auf die Darbringung von Fleisch und Milch für die Toten, sich diese Speisen mit den zu Lebzeiten verzehrten Nahrungsmitteln decken. Auch die Rückstände von pflanzlichen Wachsen, die in zahlreichen Keramikgefäßen nachgewiesen wurden, erlauben die Vermutung, dass den Toten auch pflanzenbasierte Speisen, die entsprechende Rückstände hinterlassen würden, dargebracht wurden. Eine genauere Bestimmung der Pflanzen, die diese Rückstände hinterlassen, erlauben die vor­ genommenen Untersuchungen leider nicht. Dennoch kann abschließend festgehalten werden, dass die Toten offenbar eine bestimmte Auswahl von den Speisen erhielten, die auch zu ihren Lebzeiten zu den üblichen Nahrungsmitteln gehörten.

1569 Peña-Chocarro – Rottoli 2007; Riehl 2007.

1570 Riehl 2007: 145, 147; Peña-Chocarro – Rottoli 2007: 123, 133. 1571 Riehl 2007: 147 f.; Peña-Chocarro – Rottoli 2007: 123, 133. 1572 Riehl 2007: 147 f. 1573 Dabei handelt es sich um 14 Bestattungen, die aus einem Brunnen im Grabungsbereich des syrischen Teams geborgen wurden. Nähere Informationen zu diesen Bestattungen sind bislang nicht publiziert. 1574 Canci – Bartoli 2007: 169-172.

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4 Ugarit

Zahlreiche Funde und Befunde, die während der Ausgrabungen in Ugarit freigelegt wurden,1575 sind im Rahmen der Untersuchungen zum Totenmahl zu berücksichtigen. Dies sind neben den umfangreichen Grabbefunden, die S. Marchegay in ihrer Dissertation aufgearbeitet hat,1576 verschiedene Rundplastiken sowie mehrere Texte mit bemerkens­wertem Inhalt.1577 Die Königsgrüfte in Ugarit wurden von den Ausgräbern unglücklicherweise geplündert vorgefunden, sodass im Bereich dieser Grüfte – abgesehen von, in der Wissenschaft teilweise als Libations­ installationen aufgefassten, Mulden1578 – keine archäologischen Befunde existieren, anhand derer eine Aussage zum königlichen Totenmahl getroffen werden könnte. Im Stadtgebiet von Ugarit wurden hingegen neben zahlreichen geplünderten Gräbern auch einige ungestörte Gräber entdeckt. Diese enthielten neben den sterblichen Überresten auch Keramikassemblagen, die Aussagen über das Totenmahl erlauben. Außerdem wurden bei zwei dieser Gräber Installationen entdeckt, die vermutlich zur Aufnahme und Weiterleitung libierter Flüssigkeiten dienten. Eine weitere Fundgattung, die in Hinblick auf die Untersuchungen des Totenmahls interessant sein könnte, ist die der Statuen. Allerdings sind diese Objekte in ihrer Darstellung in keinem Fall eindeutig auf das Totenmahl zu beziehen und oft fehlt eine Dokumentation des genauen archäologischen Kontextes, sodass eine Deutung nur schwer möglich ist. Das archäologische Material ergänzend bilden die schriftlichen Quellen aus Ugarit ein bemerkenswert umfangreiches Korpus. Dieses besteht aus Texten verschiedener Genres, die unter anderem Informationen zum Bestattungs- und Totenkult in Ugarit liefern und mitunter Rückschlüsse auf dargebrachte Speisen erlauben.

4.1 Der archäologische Befund 4.1.1 Die Gräber und Grüfte Während der Ausgrabungen C. F.-A. Schaeffers wurden in Ugarit zahlreiche Gräber freigelegt. Ihre 1575 Für eine ausführliche Darstellung der Grabungsgeschichte des Ortes siehe Curtis 1985: 19, 26; Yon 2006: 5, 8; http:// www.ras-shamra.ougarit.mom.fr/ (8.8.2019). 1576 Marchegay 1999a; 1999b und 1999c. 1577 Für die Verteilung der Rundplastiken und Texte siehe Abb. 94. 1578 Cornelius – Niehr 2004: 81; siehe Kapitel 4.1.1.3.

genaue Anzahl ist nicht bekannt: manche von C. F.-A. Schaeffer erwähnten Gräber sind heute nicht mehr wiederzufinden, andere noch zu sehende Gräber wurden an keiner Stelle erwähnt1579 und der Großteil der Gräber wurde nicht publiziert. Dennoch lassen sich einige allgemeine Beobachtungen zu den Bestattungspraktiken in Ugarit festhalten.1580 Für die Mittlere Bronzezeit konnten mehrere verschiedene Grab- und Bestattungsformen nachgewiesen werden: Einzel- und Kollektivgräber, Primär- und Sekundärbestattungen, einfache Grubengräber, Gefäßbestattungen für Kinder und aufwändigere Steingrüfte. Unter anderem dokumentierten die Ausgräber in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts östlich des Baʿal-Tempels zahlreiche Gräber, die in Primär- und Sekundärbestattungen unterteilt werden konnten.1581 Den Primärbestattungen waren Gefäße als Grabbeigaben mitgegeben worden, die man in der Nähe des Schädels, der Schulter oder den Füßen abgestellt hat (Abb. 72 und 73). Bei zwei sekundären Bestattung wurden Teile des Ske­letts unter anderem in großen Gefäßen deponiert, während der Schädel entweder neben oder unter dem Gefäß lag. Bei einer dieser Sekundärbestattungen wurden, dem Foto zufolge (Abb. 74), neben dem Schädel Keramikgefäße deponiert. Außerdem dokumentieren die Ausgräber soge­nannte Massengräber. Einige dieser „Massengräber“ scheinen aus Umbettungen zu bestehen, die im Rahmen der Leerung von mittelbronzezeitlichen Gräbern erfolgten. Bei anderen dieser sogenannten Massengräber handelt es sich anscheinend lediglich um sukzessiv in der Erde bestattete Individuen. Zudem existieren mit Steinen eingefasste Grubengräber, die mehrere Skelette enthielten. Beispielhaft ist das charnier pt 68 zu nennen, bei dem es sich um eine 3 x 1,75 m große und 10 m tiefe Erdgrube handelt, die im oberen Teil mit Steinen gesäumt wurde. In dieser Grube wurden mindestens 40 Individuen be­stattet, die sich zum Teil einzeln, zum Teil in einer Vergesellschaftung von mehreren Individuen, über mehrere Lagen verteilten. Außerdem wurden in diesem Grab verschiedene Grabbeigaben entdeckt, 1579 Salles 1995: 173; Marchegay 2008: 98. 1580 Eine tabellarische Zusammenstellung aller einfachen Grä­ ber, unterteilt nach Grab- und Bestattungsform, mit ihren jeweiligen Grabbeigaben, wie dies für die Gräber von Mari und Qaṭna geschehen ist, ist aufgrund der Publikationslage in Ugarit nicht möglich. In der Tab. IV im Anhang werden aus diesem Grund nur die von S. Marchegay bearbeiteten Kammergräber zusammengestellt. 1581 Marchegay 1999a: 146; 2008: 104, 107.

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Ugarit

Abb. 72: Typische Bestattung aus den oberen Schichten des Friedhofs in Ugarit mit Gefäßbeigaben (Schaeffer 1932: Fig. 11).

Abb. 73: Eine Erdbestattung mit Gefäßbeigabe (Schaeffer 1931: Pl. IX-3).

wie beispielsweise kanaanäische Keramik der ersten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. und eini­ge mittelbronzezeitliche zypriotische Gefäße sowie Bronzeobjekte.1582 S. Marchegay erwägt in ihrer Dissertation, dass diese mit Steinen eingefassten Gruben die erste Art von Kollektivgräbern in Ugarit waren.1583 Des Weiteren hält sie es für möglich, dass diese in Ugarit selten dokumentierte Grabart durch die in der Mittleren Bronzezeit aufkommenden aus Stein konstruierten Kammergräber verdrängt wurde. Die Steinkammergräber mit Grabkammer und Dromos wurden wahrscheinlich erstmals zu Beginn der Mittleren Bronzezeit im 18. Jahrhundert v. Chr. errichtet. Sie existierten eine Zeit lang parallel zu den oben genannten Grabarten und dominierten schließlich das Bild der Grabanlagen in der Späten 1582 Schaeffer 1932: 16 f., Pl. XV: 1; vgl. auch Marchegay 1999a: 147. 1583 Marchegay 1999a: 146 f.

Bronzezeit. Die Mittlere Bronzezeit stellt in Ugarit eine Übergangsphase im Bereich der Bestattungs­ praktiken dar. Sie markiert den Wechsel zwischen der Nutzung einfacher Gräber in den früheren Peri­oden1584 und dem Aufkommen komplexer Stein­kammergräber in der Mittleren und Späten Bronze­zeit.1585 Von der zweiten Phase der Mittleren Bronzezeit bis zum Ende der Späten Bronzezeit in Ugarit kann bezüglich der Bestattungspraktiken ein äußerst homogenes Bild beobachtet werden. Die Neugeborenen erhielten eine Gefäßbestattung, die meist unter dem Fußboden eines Wohnhauses angelegt wurde. Die Erwachsenen wurden in Steingrüften bestattet, welche in die Wohnbereiche der Stadt integriert sind.1586 S. Marchegay geht davon aus, dass diese Kollektivgräber in Form von Steingrüften bzw. Kammergräbern im Bereich der Wohnhäuser auch der Tatsache geschuldet sind, dass sich im Rahmen der urbanen Entwicklung die Bevölkerungsdichte in Ugarit vergrößerte und somit eine Notwendigkeit für derartige Maßnahmen entstand.1587 Solche aus Steinen errichteten Kammergräber sind bereits seit dem Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. aus Mesopotamien aber auch zeitgleich mit Ugarit aus der Levante und Zypern bekannt.1588 Während in Ugarit für die Mittlere Bronzezeit et­wa 23 solcher Kammergräber nachgewiesen sind,1589 ist die Anzahl der spätbronzezeitlichen 1584 Zu den Grabformen in Ugarit aus dem Neolithikum, dem Chalkolithikum und der Frühen Bronzezeit siehe https:// www.ras-shamra.ougarit.mom.fr/pratiquesfuneraires.html (8.8.2019); Marchegay 1999a: 146; 2008: 104, 107. 1585 Ebenda: 147; Marchegay 2008: 104 f. 1586 Marchegay 1999a: 145. 1587 Ebenda: 148; Marchegay 2008: 106. 1588 Marchegay 2008. 1589 Möglicherweise existierten mehr als 23 dieser von C. F.A. Schaeffer in die Zeit der Hyksos (Schaeffer 1938a:

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Der archäologische Befund Steinkammergräber wesentlich höher. Allerdings ist zu erwarten, dass zukünftige Ausgrabungen in tieferen Schichten der Wohngebiete, weitere mittelbronzezeitliche Steingrüfte zu Tage fördern werden.1590 Insgesamt bearbeitet S. Marchegay in ihrer Arbeit 214 als Kammergräber angelegte Steingrüfte, von denen sich 205 im Stadtgebiet Ras Shamra, acht in Minet el-Beida und eins in Ras Ibn Hani befin­ den.1591 Die Steingrüfte weisen eine lange Nutzungsdauer auf, in der Personen mehrerer Generationen beige­ setzt wurden. Mitunter waren Bestattungen aus einer Zeitspanne von bis zu zwei oder drei Jahrhunderten in ein und derselben Gruft (z. B. Nr. 63 und 65, siehe Abb. 75 bis 78 und Abb. 90) vertreten. Ande­rerseits wurden über einen Zeitraum von nur ca. einhundert Jahren mehrere Dutzend Personen in einem Grab (Nr. 51) bestattet, sodass dieses in relativ kurzen Abständen sehr häufig geöffnet und wieder geschlossen worden sein muss. Somit lassen sich zwar Aussagen darüber treffen, wie viele Individuen in einem Grab bestattet wurden und über welchen Zeitraum dies geschah, jedoch ist kaum etwas über die Art und Weise, wie diese Bestattungen erfolgten und wie der Verstorbene zuvor behandelt wurde bekannt.1592 Festgehalten werden kann lediglich, dass die Funde von Gewandnadeln und Fibeln in einigen der Gräber darauf schließen lassen, dass die Toten entweder bekleidet oder in ein Leichentuch eingewickelt waren. Sie wurden offenbar meist direkt auf dem Boden der Grabkammer niedergelegt. In einigen seltenen und sehr späten Fällen wurden die Verstorbenen in einem Sarkophag aus Stein (hölzerne Särge sind nicht nachgewiesen) bestattet.1593 Weitere Ausnahmen stellen zwei Individuen aus dem Grab 52 dar, die möglicherweise auf zwei Liegen in der Gruft aufgebahrt wurden (vgl. die Tab. IV im Anhang).1594 247, 254) datierten Gräber. Zumindest wurden zahlreiche weitere Gräber vor 1970 ausgegraben, zu denen zu wenige Informationen aufgezeichnet wurden, als dass eine genaue Datierung möglich wäre. Eine Datierung in die Mittlere Bronzezeit ist entsprechend nicht auszuschließen (Marchegay 2008: 105). 1590 Marchegay 2008: 105. 1591 Von diesen konnten 158 identifiziert und lokalisiert werden, 43 wurden auf dem Plan oder vor Ort lokalisiert, allerdings ist keine Nummerierung der Ausgräber bekannt, zwölf Gräber erhielten eine Grabnummer während der frühen Aus­grabungen, konnten aber nicht mehr lokalisiert werden. Zu einem Grab liegen zwar Informationen vor, jedoch ist weder der Ort noch die Grabnummer bekannt (Ebenda: 98 f.). 1592 Marchegay 1999a: 154; mit Verweis auf Salles 1995, siehe v. a. S. 177; Pardee 2000a; 2000b. 1593 http://www.ras-shamra.ougarit.mom.fr/tombesachambre. html (03.09.2013). 1594 C. F.-A. Schaeffer entdeckte 1932 außerdem zwei Felsgrüfte der Spätbronzezeit (15.-14. Jh. v. Chr.) in Minet el-Beida. Diese gehörten nach seiner Auffassung zu einer Nekropole, die vor der Errichtung des Hafens von Minet el-Beida über

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Abb. 74: Sekundär außerhalb eines Bestattungsgefäßes deponierter Schädel mit Beigaben (Schaeffer 1939b: Fig. 42).

Bezüglich der Datierung der Gräber kann festgehalten werden, dass die meisten der 214 in S. Marchegays Dissertation bearbeiteten Steingrüfte in die Zeit zwischen der zweiten und dritten Phase der Mittleren Bronzezeit1595 und dem Zeitpunkt der Zerstörung Ugarits um 1190-1185 v. Chr. datieren.1596 4.1.1.1 Bisherige Arbeiten über den archäologischen Befund der Gräber Zu den Bei- oder Opfergaben für die Toten in Ugarit haben sich in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Wissenschaftler geäußert. Allerdings sind viele der bisher veröffentlichten Stellungnahmen zu diesem Thema sehr allgemein formuliert, ohne dass der tatsächliche Befund in seinen Einzelheiten berücksichtigt worden wäre. Beispielsweise schreibt K. Spronk in Bezug auf die Gräber, „There are some der Felskante, in welche die Grüfte eingearbeitet waren, existierte (Schaeffer 1933: 96-100). Weitere Funde, die eine Nekropole in diesem Bereich bestätigen könnten, blieben allerdings aus (Marchegay 1999a: 147 f.). 1595 S. Marchegay folgt in ihrer Unterteilung derjenigen M. Yons, die eine erste Phase der Mittleren Bronzezeit von 2000 bis 1900 v. Chr. ansetzt und die zweite und dritte Phase von ca. 1900 bis 1650 v. Chr. (Yon 2006: 16). 1596 Marchegay 1999a: 8; mit dem Verweis, dass die Datierung von M. Yon (Yon 1997; vgl. Yon 2006) übernommen wurde.

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Ugarit

Abb. 75: Zeichnung der oberen Lage im Grab 65 mit zahl­rei­chen Vorratsgefäßen, Norden ist unten (Schaeffer 1938a: Fig. 17).

Abb. 76: Befund der unteren Lage im Grab 65, Norden ist unten (Schaeffer 1938a: Fig. 18).

Abb. 77: Die Gefäße in der oberen Lage in der nordwestlichen Ecke des Grabes 65 (Schaeffer 1938a: Pl. XXI-3).

Abb. 78: Ein vermutlich primär bestattetes Individuum im Nordosten der Kammer des Grabes 65 mit einem neben seinem Kopf platzierten Gefäß (Schaeffer 1938a: Pl. XXI-4).

indications of repeated offerings to the dead.“1597 Er bezieht sich jedoch lediglich auf die sogenannten Libationsinstallationen und führt keine Beispiele für die Niederlegung von Speisebeigaben oder -opfern 1597 Spronk 1986: 143; mit Verweis auf Schaeffer 1939a: 46-56 und Sukenik 1940.

an. Selbiges ist in der Publikation von C. F.-A. Schaeffer der Fall (siehe auch Kapitel 4.1.1.2.5.4).1598 Diese beiden Beispiele illustrieren, dass bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts lediglich die soge­ 1598 Schaeffer 1939a: 49-53.

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Der archäologische Befund nannten Libationsinstallationen aus Ugarit in der Forschung berücksichtigt wurden.1599 Belege für Speisebeigaben und Speiseopfer im Rahmen des Totenkultes, wurden nur ungenügend in die Untersuchungen mit einbezogen. Die große Anzahl von Gräbern, die in Ugarit nachgewiesen werden konnte, birgt jedoch Informationen, die über mögliche Libationsopfer hinaus gehen. Inzwischen kann im Rahmen der Untersu­ chungen des archäologischen Befundes der Gräber in Ugarit dankenswerterweise auf die unpublizierte Dissertation von S. Marchegay1600 zurückgegriffen werden. Zwar beschränkt sich S. Marchegay in ihren Untersuchungen auf die unter den Häusern angelegten Kammergräber, sodass nach wie vor eine Aufarbeitung der einfachen Gräber aus Ugarit aussteht, doch hat sie mit ihrer Dissertation zu der Forschung in diesem Bereich einen großen Beitrag leisten können.1601 Neben der Problematik, dass die Grabungsdokumentation in vielen Bereichen große Lücken aufweist, bestand zudem für die Arbeit S. Marchegays die Schwierigkeit, dass schon in der Antike ein Großteil der Gräber in Ugarit geplündert wurde. So sagt sie in der Einleitung ihrer Dissertation, „Le matériel funéraire est très peu connu: il est vrai que la grande majorité des tombes a été pillée, cependant les quelques objets découverts dans celles-ci ont été peu publiés, ni même parfois inventoriés. Ainsi, il est d’une part difficile de restituer le mobilier funéraire d’une tombe, et d’autre part de connaître leur datation, car leur contexte archéologique est, de surcroît, souvent inconnu.“1602 Trotz der geschilderten Schwierigkeiten ist es erstrebenswert, alle Aspekte des archäologischen Befundes, die eine Aussage zum Totenmahl in Uga­ rit möglich machen, in Erwägung zu ziehen. Hierfür bietet sich zum einen die von S. Marchegay ausführlich untersuchte Architektur der Gräber und deren Eingliederung in die Wohnhausarchitektur an, zum anderen sind die einzelnen Vorrichtungen in den 1599 Siehe für eine differenzierte Betrachtung der Libations­ instal­lationen Kapitel 4.1.1.2.5.4. 1600 Marchegay 1999a; 1999b; 1999c. Die in dieser Arbeit aufgeführten Grabnummern folgen der neuen Num­ merierung von S. Marchegay (siehe Tab. IV im Anhang). An dieser Stelle möchte ich S. Marchegay nicht nur für das zur Verfügungstellen ihrer Dissertation sehr herzlich danken, sondern auch für die persönlichen Gespräche im Sommersemester 2010 in Tübingen, in denen wir viele Aspekte der Gräber in Ugarit diskutieren konnten. 1601 S. Marchegay sammelte minuziös die verfügbaren Infor­ mationen (Ausgrabungsnotizen, Inventare, Pläne, Skizzen und Fotografien) für jedes einzelne Kammergrab in Ugarit, über dessen Architektur und über den dazugehörigen Wohnraum, über den Befund im Grab und die Formen des jeweiligen Inventars. (Marchegay 1999a; 1999b und 1999c). 1602 Marchegay 1999a: 7.

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Gräbern und Funde, die in diesen gemacht wurden, von großem Interesse. Bezüglich des Themas des Totenmahls sind auch die Vorrichtungen außerhalb des Grabes zu betrach­ ten, da auch sie den Kult betreffen könnten. Allerdings ergibt sich die Schwierigkeit, dass solche in Ugarit nur in wenigen Fällen durch die Archäologie eindeutig nachgewiesen werden konnten. So verweist auch S. Marchegay in Bezug auf Installationen, die außerhalb des Grabes – entweder in der Grabgrube oder in dem darüber gelegenen Raum – errichtet wurden, und einen Bezug zu dem Grab aufweisen, darauf, dass „Leur présence implique la pratique d’un culte funéraire qui existait à Ougarit, mais qui est rarement attesté par l’archéologie. […] De plus, lorsque ces aménagements existent, il est souvent difficile de prouver leur relation avec la tombe.“1603 Zwar stellte C. F.-A. Schaeffer bei vielen Vorrichtungen noch einen Bezug zu den Gräbern her, allerdings weiß man heute, dass der Großteil dieser Vorrichtungen nicht im funerären Kontext zu interpretieren ist.1604 Im Folgenden werden die Architektur der Grüfte, ihre architektonische Einbindung in die Wohnhäu­ser und verschiedene Besonderheiten in der Konstruktion der Grüfte, die für die Ausführung des Toten­ mahls relevant sein könnten, dargestellt und dis­­kutiert. Eine anschließende Zusammenstellung des Inventars soll das Bild der Darbringung des Totenmahls weitestmöglich vervollständigen. 4.1.1.2 Der architektonische Kontext der Grüfte von Ugarit Im Rahmen der Untersuchungen des Totenmahls in Syrien stellt sich die Frage, wo sich die Gräber und Grüfte befanden, wer Zugang zu diesen hatte und über welchen Zeitraum sie genutzt wurden (für eine beispielhafte Verteilung der Gräber innerhalb der Unterstadt siehe Abb. 79). Vor allem Informationen zur Zugänglichkeit und zum Nutzungszeitraum könnten Aufschluss darüber geben, ob die Gräber regelmäßig besucht wurden, möglicherweise um den Verstorbenen Opfer darzubringen. Die in Ugarit errichteten Grüfte wurden aus­ schließlich unter bewohnten Bereichen, wie Wohnhäusern und dem Palast, angelegt. Unterhalb von öffentlichen Plätzen, Tempeln und den sakralen Bereichen konnten keine Grüfte entdeckt werden.1605 Die Anlage von Grüften unterhalb der Wohnhäuser kann allerdings, so S. Marchegay, nicht automatisch zu dem Schluss führen, dass die Bewohner eines Wohnhauses auch die „Nutzer“ des dazugehörigen Grabes waren. Ihre Untersuchungen 1603 Ebenda: 23 f. 1604 Ebenda: 24. 1605 Marchegay 1999a: 38.

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Abb. 79: Beispielhafte Verteilung von Gräbern unter Wohnhäusern der Unterstadt (Schaeffer 1938a: Abb. 2; modifiziert durch Autorin).

ergaben, dass mehrere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen sind, wobei sie hauptsächlich zwei Fälle unterscheidet: zum einen, dass das Grab gleichzeitig mit dem Wohnhaus errichtet und genutzt wurde und zum anderen, dass das Grab älter als das Wohnhaus war.1606 Insgesamt ist zu beobachten, dass nicht jedes Wohnhaus eine Gruft besaß, sondern dass sich das 1606 Ebenda: 39.

Verhältnis auf eine Gruft pro zwei bis drei Wohnhäuser beziffert. Dabei wurden auch in Häusern mit einfacher Bauweise und bescheidener Größe Grüfte integriert, was darauf schließen lässt, dass allein die Beherbergung einer Gruft nicht als Indikator für den sozialen Status der Bewohner dienen kann. Stattdessen ist davon auszugehen, dass die Entscheidung, eine Gruft unter dem Wohnhaus anzulegen, einem bestimmten Konzept folgte. Die Entscheidung hing, nach S. Marchegays Vermutung, davon

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Der archäologische Befund ab, ob es bereits eine andere Möglichkeit gab, die Verstorbenen zu bestatten. Diese konnte möglicherweise in Form des Grabes der Vorfahren exis­ tieren, das sich vielleicht unter einem anderen Haus der Stadt oder außerhalb von dieser befand.1607 S. Marchegay stellt die Hypothese auf, dass die Nutzung eines bestimm­ten Grabes von mehreren Familien möglich war und nicht beschränkt blieb auf die Bewohner eines Hauses.1608 Ob dennoch ein verwandtschaftliches Verhältnis zwischen den Nutzern vorlag, lässt sich nicht mehr ermitteln. Die Integration der Grüfte in die Wohnhäuser zeigt, wie eng der Bereich des häuslichen Lebens mit dem des Todes zusammen hing. Dies heißt auch, dass die Grüfte bzw. die Toten permanent im Alltag der Lebenden präsent waren und man annehmen kann, dass die Versorgung der Toten nicht in Vergessenheit geriet. Der Umfang der Versorgung kann jedoch nicht ohne Weiteres be­stimmt werden (siehe Kapitel 4.1.1.4.2). 4.1.1.2.1 Die Architektur der Grüfte Grundsätzlich bestehen die Grüfte in Ugarit aus zwei Elementen, dem Dromos, oder einer Zugangsgrube, und einer von dort aus begehbaren Grabkammer. Dieser Grundplan unterliegt mit teils geringen Abweichungen einer großen Regelmäßigkeit in den Grüften Ugarits von der Mittleren bis zur Späten Bronzezeit.1609 Weder die Proportionen noch die Ausrichtung der Gräber scheint dabei einer Regel zu folgen.1610 Die häufigste Bauweise, die bei den Steingrüften vorgefunden wurde und somit als „typisch“ zu bezeichnen ist, besteht aus mit Bruchsteinen konstruierten Seitenwänden und einer Decke aus Steinplatten. Dies gilt sowohl für die Mittlere, als auch für die Späte Bronzezeit.1611 Bemerkenswert ist, dass bereits eines der ältesten Gräber, das an das Ende des 18. bzw. den Beginn des 17. Jahrhunderts v. Chr. datiert, aus behauenen Steinen mit Kraggewölbe er­richtet wurde und sich somit schon unter den frühen Gräbern in Ugarit auch sehr elaborierte Gräber befanden.1612 Im Laufe der Zeit wurde vermehrt statt eines Zugangsschachtes ein Dromos als Eingang zu den Gräbern errichtet, was auf die Absicht einer besseren Begehbarkeit des Grabes schließen lässt. Die Entwicklung in der Grabarchitektur gipfelt in der Errichtung der großen Steingrüfte mit einer Decke in Form eines Kraggewölbes mit abschließender Steinplatte 1607 Ebenda: 66 f.; Marchegay 2008: 106 f. Allerdings verweist S. Marchegay darauf, dass bis dato keine extramuralen Bestattungen in Ugarit nachgewiesen werden konnten (Marchegay 1999a: 67, Fn. 125). 1608 Marchegay 1999a: 67. 1609 Ebenda: 80. 1610 Marchegay 2008: 99. 1611 Marchegay 1999a: 153; 2008: 103. 1612 Marchegay 2008: 108.

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in der Späten Bronzezeit.1613 Diese großen Grüfte spiegeln zum einen den technischen Fortschritt in der dritten Phase der Späten Bronzezeit (1365 – 1200 v. Chr.)1614 in Ugarit wider. Zum anderen repräsentieren sie, nach S. Marchegay, wahrscheinlich auch das Auftreten neuer Bestattungspraktiken, die zwar nicht näher bekannt sind, jedoch offenbar beinhalteten, dass der Wohlstand und die Macht der betroffenen Familie im Rahmen des Bestattungs­ rituals zum Ausdruck kamen.1615 Vermutlich wurden sowohl die Wände der Grabkammern, als auch die Wände der Dromoi, unabhängig davon, ob sie aus Bruchsteinen oder behauenen Steinen errichtet waren, verputzt.1616 4.1.1.2.2 Der aus der architektonischen Einbindung ableitbare Nutzungszeitraum der Grüfte Im Rahmen ihrer Untersuchungen der Nutzungs­ zeiträume von Wohnhäusern und der darunter lie­ genden Gräber, betrachtet S. Marchegay sowohl die stratigrafischen Aspekte, als auch die Architektur der Gräber und der damit zu assoziierenden Gebäude. Sie führt mehrere Möglichkeiten an, wie die Grüfte und die darüber liegenden Häuser zeitlich zusammen hängen können: • • • • • •

Die Gruft wurde zeitgleich mit dem Wohnhaus errichtet. Die Gruft wurde vorzeitig zu dem dazugehörigen Wohnhaus errichtet. Die Gruft wurde aufgegeben und durch das neue Wohnhaus überbaut. Die Gruft wurde in das neu über ihr errichtete Wohnhaus integriert. Die Gruft wurde im Nachhinein in ein Wohnhaus eingefügt. Die Gruft wurde während eines Umbaus in das Wohnhaus integriert.1617

Zahlreiche Grüfte wurden zeitgleich mit Häusern errichtet, die im späteren Verlauf der Besiedlung zerstört und durch neue Häuser überbaut wurden. 1613 Ebenda: 102. 1614 S. Marchegay schließt sich der Unterteilung in die einzelnen Phasen von M. Yon an. Die zugewiesenen Jahreszahlen stammen in diesem Fall aus Monchambert 2004: 321. 1615 Marchegay 1999a: 153; 2008: 103. 1616 Marchegay 1999a: 101. 1617 Grüfte, die im Nachhinein in ein Wohnhaus integriert wurden, sind „La maison au nord de la Bibliothèque (acropole) : tombe 103“ (Ebenda: 43), „La maison de l’îlot I (tranchée Ville sud)  : tombe 501“ (Ebenda: 43 f.) und „Le Palais nord de Ras Ibn Hani  : tombe 1101“ (Ebenda: 44). Grüfte, die während eines Umbaus in das Wohnhaus integriert wurden: „La maison C de l’îlot XIII (tranchée Ville sud): tombe 511“ (a.  a.  O.), „La maison B de la Ville basse est: tombe 8“ (a.  a.  O.) und „La résidence de Yabninou: tombe 210“ (Ebenda: 45).

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Dabei blieben die Grüfte selbst in der Regel unver­ sehrt, und wurden meist durch die neue Überbauung nur verschlossen.1618 Die Grüfte, die durch den Neubau eines Wohnhauses verschlossen worden waren, konnten entsprechend nicht durch die Bewohner des neuen Hauses genutzt werden. Diese Bewohner brauchten somit einen neuen Ort, an dem sie ihre Toten bestatten konnten. Hierfür wurde entweder ein Ort außerhalb des Wohnhauses gewählt oder einer direkt an dem Wohnhaus selbst, wenn es dort die Möglichkeit gab ein weiteres Grab zu errichten.1619 In dem „Haus des Rapanou“ wurden sogar drei Grüfte aufeinanderfolgend genutzt, die je einem anderen Stadium dieses Wohnhauses zuzurechnen sind.1620 Dass die Grüfte bei der Überbauung nicht gestört oder beschädigt wurden, zeugt von einem respektvollen Umgang mit den Verstorbenen, auch wenn diese möglicherweise einer fremden Familie angehörten. Die Neuerrichtung eines Wohnhauses zog allerdings nicht automatisch die Aufgabe der bereits existierenden Gruft nach sich. In seltenen Fällen wurde die alte Gruft von den Bewohnern des neuen Hauses weiterhin benutzt. Dabei handelt es sich meist um Fälle in denen das ältere Haus nicht vollständig sondern nur partiell zerstört war. Ein solches Beispiel findet sich im sogenannten Haus des Prêtre Magicien, in dem eine Gruft aus der Mittleren Bronzezeit (Nr. 615) in der Späten Bronzezeit weiter benutzt wurde.1621 Nachweise für eine erneute Nutzung von älteren Gräbern lassen sich, so S. Marchegay, leider nur für vereinzelte Fälle erbringen, im Übrigen lässt sich dies aufgrund von Plünderungen meist nicht nachweisen.1622 4.1.1.2.3 Die Lokalisation und Zugänglichkeit der Grüfte innerhalb der Wohnhäuser Bezüglich der Lokalisation der Grüfte weist S. Marchegay darauf hin, dass „il n’existe pas de règle concernant la localisation des espaces-tombes, et plusieurs cas sont possibles. La raison de cette absence de règle s’explique par le fait que si l’emplacement de la tombe est généralement prévu dans la construction de la maison, c’est la tombe qui doit s’adapter à la configuration de la maison et non l’inverse. Ainsi, plus la superficie des maisons est réduite, plus les possibilités d’emplacement de la tombe sont limitées.“1623 1618 Ebenda: 45. 1619 Beispielsweise wurde im „maison  B“ ein älteres Grab (Nr.  7) aufgegeben und diesem gegenüber ein neues Grab (Nr. 8) angelegt; Ebenda: 45 f. 1620 Ebenda: 45 f. 1621 Ebenda: 46. 1622 Ebenda: 46 f. 1623 Ebenda: 49.

S. Marchegay unterteilt die Grüfte entsprechend ihrer Zugänglichkeit in zwei Gruppen: Zum einen die Grüfte mit ihrem Eingang in der Nähe des Haus­ einganges (Abb. 79, Grab Nr. 4) und zum anderen die Grüfte, deren Eingang sich etwas abgelegen vom Hauseingang befand (Abb. 79, Grab Nr. 5). In Ausnahmen konnte sich der Zugang zu einer Gruft auch in der Mitte eines Wohnhauses befinden, allerdings gibt es hierfür nur einen sicheren Beleg, das Grab Nr. 209 im Zentrum des Hauses des Yabninu. Die anderen Beispiele1624 sind Gräber, die meist älter sind als die Häuser, unter denen sie liegen, und somit ursprünglich vermutlich eine andere Position inner­ halb des Hauses hatten.1625 Insgesamt ist festzustellen, dass man im Großteil der spätbronzezeitlichen Wohnhäuser in Ugarit den Bereich des Grabes ohne Weiteres von außerhalb des Hauses erreichen konnte, auch wenn daraus keine Systematik abgeleitet werden kann. Bei zahlreichen Grüften war es möglich, diese zu betreten ohne den Haupteingang des Hauses passieren zu müssen. Somit existierte ein vom restlichen Wohnhaus unabhängiger Zugang zur Gruft.1626 S. Marchegay und J.-F. Salles gehen davon aus, dass ein externer Zugang zu den Grüften vor allem dann nützlich wurde, wenn der Besitzer des Hauses wechselte.1627 In diesem Fall konnten die vorherigen Besitzer weiterhin den Verstorbenen der Familie Opfer darbringen oder weitere Verstorbene in der Gruft bestatten, ohne die in dem Haus lebende Familie zu stören. Allerdings ist einzuräumen, dass unklar ist, in welchem Maße das häusliche Leben durch solche Zeremonien gestört worden wäre, da keine schriftlichen Quellen zum Totenritual exis­ tieren außer in Bezug auf das königliche Bestattungsritual.1628 Auch wenn anhand der textlichen Evidenz keine Rückschlüsse auf den Umfang der Totenrituale der „einfachen“ Bevölkerung gezogen werden können, ist dennoch anzunehmen, dass zumindest die ritualspezifischen Elemente sich in den Grundsätzen decken. Ein wesentliches Element der alt­ orientalischen Jenseitsvorstellungen ist der, dass die Toten Einfluss auf das Leben und Wohlergehen ihrer Hinterbliebenen hatten. Dies wird auch in Ugarit anhand des Aqhatu-Epos‘ (siehe Kapitel 4.2.3.1) und des Rituals KTU 1.161 (siehe Kapitel 4.2.1)

1624 Nr. 507 in der Südstadt, Nr. 305 und Nr. 306 im Haus des Rapanou, sowie das Grab Nr. 307 im benachbarten Haus von Rapanou, das Grab Nr. 313 im Haus B im Häuserblock 2 und das Grab Nr. 401 im Haus B im zentralen Bereich der Stadt. 1625 Marchegay 1999a: 50 f. 1626 Dieser wird von S. Marchegay als „accès extérieur indé­ pendant“ bezeichnet (Ebenda: 52; siehe auch Marchegay 2008: 107). 1627 Marchegay 1999a: 68; Salles 1987: 160. 1628 Marchegay 1999a: 68.

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Der archäologische Befund deutlich,1629 sodass generell von einer Versorgung der Toten in der Unterwelt ausgegangen werden kann. Ein Interesse der ursprünglichen Hauseigentümer, die Gruft weiterhin besuchen und nutzen zu können, ließe sich somit anhand der gegebenen Jenseitsvorstellungen und dem damit zusammenhängenden Totenkult erklären (siehe Kapitel 1.2.2 und 1.2.3). Fraglich ist, ob die Nutzungsrechte einer Gruft auch zusammen mit einem Haus verkauft werden konnten und welche Konstellationen diesbezüglich denkbar wären. S. Marchegay führt folgende Möglichkeiten an: Die neuen Besitzer eines Hauses konnten nach Absprache mit den vorherigen Nutzern die Gruft auch für ihre Verstorbenen nutzen. Sollte dies nicht möglich sein, sei es vorstellbar, dass die neuen Besitzer eines Hauses weiterhin die Gruft nutzten, in der sie vorher ihre Verstorbenen bestattet hatten, oder dass sie eine neue Gruft unter ihrem Haus errichteten, wie es im Haus des Rapanou nachgewiesen werden konnte. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Personen, die keine Gruft in ihrem eigenen Haus hatten, das Recht erwirkten, die Gruft in einem anderen Haus mit nutzen zu dürfen.1630 4.1.1.2.4 Die Räume oberhalb der Grüfte Die Grüfte befanden sich in der Regel unter zwei Räumen, einem, der sich oberhalb der Grabkammer befand, und einem, der oberhalb des Dromos angelegt war.1631 Die oben beschriebene unabhängige Zugänglichkeit zu den Grüften erfolgte entweder direkt durch den Raum oberhalb des Dromos1632 oder man durchquerte zunächst den Raum oberhalb der Grabkammer, bevor man von dem Raum oberhalb des Dromos in die Gruft hinabsteigen konnte.1633 In einem dritten allerdings sehr seltenen Fall, befand sich die Gruft lediglich unter einem einzigen Raum, welcher von außen betreten werden konnte.1634 Damit erfüllte der Raum oberhalb des Dromos ohne Zweifel eine funeräre Funktion, da er den Zugang zur Gruft darstellte.1635 Die Funktion des Raumes oberhalb der Grabkammer kann nicht eindeutig erschlossen werden. Dieser wurde zwar teilweise auf dem Weg in die Gruft durchschritten, das Inventar dieser Räume ähnelt jedoch dem aus den restlichen Räumen der Erdgeschosse derselben Häuser ebenso wie dem Inventar aus Häusern ohne darunter gelegene Gruft. Diese Überreste des ursprünglichen Inventars bestanden in der Regel aus zahlreichen Scherben von Gefäßen und Pithoi, was dafür spricht, dass die Räume unter anderem zur 1629 Siehe auch Salles 1987: 160 f. 1630 Marchegay 1999a: 69. 1631 Ebenda: 52; Marchegay 2008: 107. 1632 Marchegay 1999a: 52. 1633 Ebenda: 55. 1634 Ebenda: 57. 1635 Ebenda: 71; Marchegay 2008: 107.

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Lagerung verwendet wurden.1636 Somit liefert der Raum unmittelbar oberhalb der Grabkammer keinen Hinweis für eine Nutzung im funerären Kontext. Dennoch ist S. Marchegay zuzustimmen, dass die Integration der Gruft in das Haus darauf hindeutet, dass die Bestattungszeremonien unter anderem in den Räumen oberhalb der Gruft stattgefunden haben dürften.1637 4.1.1.2.5 Mit den Grüften in Verbindung stehen­de Installationen In den Grüften von Ugarit wurden zum einen Nischen mit unterschiedlicher Funktion und zum anderen Gruben, Libationsinstallationen und kleine Annexräume dokumentiert, die in Bezug zu den Bestattungs- und Totenritualen standen und auch im Hinblick auf das Totenmahl zum Teil eine Rolle spielten. 4.1.1.2.5.1 Nischen im Dromos und in der Grabkammer Bei den Nischen handelt es sich um rechteckige Aussparungen in der Mauer oder, in seltenen Fällen, um Aushöhlungen im Stein. Sie befanden sich in unterschiedlichen Höhen in der Seitenwand der Grabkammer und des Dromos und besaßen je nach Anbringungsort eine unterschiedliche Funktion. Nischen im mittleren und oberen Bereich der Grabkammerwand (im Schnitt etwa 25 – 30 x 40 cm, größere Nischen konnten bis zu 50 x 70 cm groß sein)1638 wurden, wie das Beispiel der ungestörten Gruft 51 zeigt, zum Abstellen von Opfergaben und Öllampen benutzt. In der Gruft  51 wurden diese Opfergaben in zwei Nischen und einer Wandöffnung zum Ossuarium abgestellt und bestanden aus einem Keramikteller, der Teile eines Colliers enthielt, einem Bronzedolch und einem Bronzespeer.1639 Dieser Befund zeigt somit, dass zwar Keramikgefäße in diesen Nischen platziert wurden, allerdings in dem beschriebenen Fall nur, um ein Schmuckobjekt aufzubewahren. Da jedoch lediglich in diesem einen Beispiel Funde in den Nischen dokumentiert werden konnten, ist eine Nutzung der Nischen zum Abstellen von Speisen nicht generell auszuschließen. Auch die Nischen in den Seitenwänden der Dromoi dürften eine ähnliche Funktion gehabt haben. Nischen in den Wänden, die auf Fußbodenhöhe angebracht waren, besaßen die Funktion eines Ossuariums, wie die Knochen früherer Bestattungen, die in sie hineingeschoben worden waren, zeigen. Diese werden im folgenden Kapitel, zusammen 1636 Marchegay 1999a: 70 f. 1637 Ebenda: 73. 1638 Ebenda: 101 f., 119 f. 1639 Ebenda: 120.

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mit anderen als Ossuarien dienende Installationen, diskutiert. 4.1.1.2.5.2 Ossuarien in der Grabkammer Da die Grüfte in Ugarit für Mehrfachbestattungen genutzt wurden, musste ein Weg gefunden werden, um für neue Bestattungen Platz zu schaffen. In wenigen Fällen wurden die Knochen der vorherigen Bestattungen lediglich in die Ecken und gegen die Rückwand der Grabkammer geschoben. In vielen Grüften gab es hierfür stattdessen spezielle Vorrichtungen, die aufgrund ihrer Funktion als „Ossuarien“ zu bezeichnen sind. Sie besaßen in der Regel eine der drei folgenden Formen: • • •

eine mitunter verschließbare Nische, ausgespart am unteren Ende einer der Wände der Grabkammer,1640 eine ausgemauerte Grube im Boden der Grabkammer und seltener ein kleiner Hohlraum oder ein größerer Annexraum hinter der Kammerwand, der durch eine kleine Aussparung mit der Grabkammer verbunden war.

Interessanterweise befanden sich in diesen „Ossua­ rien“ nicht nur die menschlichen Knochen vorhe­ riger Bestattungen, sondern auch die Beigaben, die jene Verstorbenen einst erhielten.1641 Bei diesen Beigaben konnte es sich auch um Gefäße handeln, wie die Abb. 80a-c, mit der als Ossuarium dienenden Nische in Grab 4 zeigt. C. F.-A. Schaeffer merkt an, dass sich in diesem Ossuarium auch Gefäße befanden „du type de la fin du niveau II, XVIIe-XVIe siècle“1642, allerdings ohne weitere Präzisierung der Gefäßformen.1643 Bei den Gruben im Boden konnten zwei Arten unterschieden werden. Zum einen gab es solche, die sich in einer Ecke oder vor einer Wand befanden und ausschließlich als Ossuarium dienten. Zum anderen existierten Gruben, die in der Mitte der Kammer in den Boden eingelassen waren und entweder eine Funktion als Ossuarium, oder auch eine andere rituelle Funktion im Totenkult inne haben konnten (siehe Kapitel 4.1.1.2.5.3).1644 Die Gruben, die als Ossuarium dienten, enthielten sowohl Menschenknochen, als auch Opfergaben, die verschiedene Keramikgefäße mit einschließen konnten.1645 1640 Ebenda: 101. 1641 Ebenda: 120 f. 1642 Schaeffer 1938a: 213; vgl. auch Marchegay 1999a: 121. 1643 Marchegay 1999a: 121; siehe auch die Gräber Nr. 10, 22, 41, 42, 51, 63, 65 und 69 in der Tab. IV im Anhang. 1644 Ebenda: 122. 1645 Ebenda: 122 f.; siehe Grab Nr. 41, 64, 67 in der Tab. IV im Anhang.

Das Beispiel des Grabes 51 zeigt von welchem Ausmaß der Inhalt eines Ossuariums sein konnte. In diesem Fall handelt es sich um ein Ossuarium in der Form eines mit der Grabkammer verbundenen kon­­ struierten Hohlraumes. Die in Ugarit im Übrigen nur selten durchgeführten anthropologischen Untersu­ chungen zeigten, dass in dem 95 cm langen, 45 cm breiten und 110 cm hohen Hohlraum die Knochen von 34 Individuen versammelt lagen. Hierzu merken die Ausgräber in ihren Grabungsnotizen an, „les os longs brisés sont mélangés pêle-mêle avec les crânes et quelques poteries communes (coupe terre cha­ mois, lampe à bec noirci, petite bouteille jaune, etc). Il y a là treize crânes, dont un de très jeune enfant.“1646 Ein ähnlicher Hohlraum hinter einer Grabkammer wurde in Minet el-Beida in dem Grab 1007 freigelegt. In den von S. Marchegay gesichteten Grabungsnotizen fanden sich präzise Angaben zu dessen Inhalt: Zwölf Schädel, zahlreiche Langknochen, ein Becken, ein Kreuzbein, fragmentierte Gefäße der lokalen Keramik sowie zypriotischer und mykenischer Art, Fragmente von Alabastergefäßen, Fragmente von Elfenbeinobjekten, glasartiges Material etc.1647 4.1.1.2.5.3 Gruben mit ritueller Funktion Die aus behauenen Steinen errichteten Gräber des 14. und 13. Jahrhunderts v. Chr. waren häufig mit einer runden Grube in der Mitte des Kammerbodens versehen. Diese hatten in der Regel einen Durchmesser von 50 cm, die Tiefe konnte bis zu 1,8 m betragen. Abgesehen von ihrer Lage in der Raummitte ähnelten sie den Gruben, welche am Rand anderer Kammern errichtet wurden und als Ossuarien dienten (siehe oben). Auch der Inhalt einiger dieser Gruben in der Raummitte (Keramikscherben, menschliche Knochen etc.) lässt darauf schließen, dass zumindest einige von ihnen ebenfalls als Ossuarien genutzt wurden. Für Gruben, die eine andere rituelle Funktion besaßen, ist ein Beispiel aus dem Grab 201 besonders aussagekräftig. Die etwa 1,5 m tiefe Grube war mit Wänden aus Bruchsteinen konstruiert und durch die Fußbodenplatten der Grabkammer abgedeckt worden. Ein rundes Loch in dem Plattenbelag, das als Öffnung zu der Grube gedient hatte, wurde bei der Plünderung des Grabes beschädigt. Trotz der Plünderung konnten die Ausgräber Fragmente von dekorierten Keramikgefäßen und zwei Alabastergefäßen aus der Grube bergen. J.-C. Margueron konnte nachweisen, dass der Durchmesser eines dieser beiden Gefäße größer war als die Öff1646 Ebenda: 123 mit Verweis auf Schaeffer 1935, Notes de fouilles, p. 3: 1. Mai. 1647 Ebenda: 124.

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Der archäologische Befund

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Abb. 80a-c: Obere, mittlere und untere Lage des Gra­bes 4 mit einer als Ossuarium dienenden Nische im unteren Niveau, in der sich neben den Knochen auch Keramikgefäße fanden (Schaeffer 1938a: Fig. 8-10).

nung zur Grube. Dementsprechend müssen diese Gefäße im Rahmen der Errichtung des Grabes als Votivgaben in die Grube gestellt worden sein.1648 Auch für das Grab 308 ist es wahrscheinlich, dass eine Grube in der Mitte der Grabkammer Votivgaben enthielt. Zumindest dokumentierte der Ausgräber J.-C. Courtois, dass sich hierin einige intakte Gefäße befanden. Diese wurden allerdings nicht inventari­ siert und inzwischen wurde die Grube, deren Ausmaße unbekannt sind, verschüttet.1649 In zwei Fällen (Grab 103 und 112) scheinen solche Gruben in der Kammermitte in Zusammenhang mit Libationsinstallationen zu stehen (siehe Kapitel 4.1.1.2.5.4). Gruben mit einer vermutlich rituellen Funktion wurden jedoch nicht nur in der Raummitte, sondern auch außerhalb des Grabes errichtet. So etwa bei dem Grab 119, wo eine Grube außerhalb der Grab1648 Ebenda: 126. 1649 Ebenda: 127.

kammer angelegt worden war. Ebenso wie bei dem als Ossuarium dienenden Hohlraum außerhalb von Grab 51 (siehe Kapitel 4.1.1.2.5.2) kommunizierte die Grube außerhalb von Grab 119 mit der Grabkammer anhand einer Aussparung in der Grabkammerwand. Da kein Inventar der Grube dokumentiert wurde, ist es schwierig Aussagen über die Funktion zu treffen, doch wäre eine rituelle Funktion denkbar. S. Marchegay schlägt vor, dass vom Inneren der Grabkammer eine Libation durch die Aussparung in die Grube gegossen wurde. Eine derartige Einrichtung würde an die des Grabes 139 erinnern, bei dem ein Gefäß in das Mauerwerk des Grabes eingelassen war, in das man ebenfalls von der Grabkammer aus durch eine Aussparung in der Wand ein Libationsopfer gießen konnte (siehe Kapitel 4.1.1.2.5.4).1650

1650 A. a. O.

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Ugarit

Abb. 81: Installiertes Gefäß vermutlich zum Empfangen von Libationen außerhalb des Grabes 119 (Schaeffer 1934: Pl. XII-1).

Abb. 82: Gefäß außerhalb des Grabes 1005 (Schaeffer 1929: Pl. LVII-3).

4.1.1.2.5.4 Die Libationsinstallationen

noch zugänglich, bei anderen war die Gefäßöffnung bereits im Zuge des Einbaus des Gefäßes in das Grab verschlossen worden. Bei Ersteren wurde vermutet, dass sie zur Aufnahme von Libationen dienten, letztere stellen wahrscheinlich Gründungsdepots dar.1653 Der Inhalt der Gefäße mit unzugänglicher Öffnung, die S. Marchegay als Gründungsdepots interpretiert, wurde nicht detailliert dokumentiert. Sie befanden sich bei den Gräbern 119, 401, 701 und 1005 (Abb. 81 bis 82). S. Marchegays Hypothese zu diesen Gefäßen ist, dass sie möglicherweise einen Vorrat an Wasser oder Wein enthielten, der dort während eines Rituals im Rahmen der Errichtung des Grabes für die in der Gruft zu bestattenden deponiert wurde. Allerdings räumt sie selbst ein, dass ein solches Ri­tual nicht anderweitig belegt ist.1654 Ein weiteres Gefäß befand sich in einer Seitenmauer des Dromos zu Gruft  513.1655 Hier wurde ein am Rand fragmentiertes Gefäß gefunden, das sorgfältig aufrecht in der Wand installiert wurde und von kleinen Bruchsteinen umgeben war (Abb. 84).1656 Aufgrund der Platzierung in der Seitenwand des Dromos, schlägt S. Marchegay vor, dass das Gefäß möglicherweise für Libationen bestimmt war. Eine weitere vergleichbare Einrichtung ist in den Archiven und den Grabungspublikationen nicht direkt belegt, allerdings wird in der Dokumentation angedeutet, dass ein ähnliches Gefäß im Dromos zu Gruft 306 gefunden wurde.1657

Aufgrund C. F.-A. Schaeffers Annahme, dass er einen Friedhof ausgraben würde, wurden zahlreiche Rinnen in den Decken der Gräber und die durch Grab­räuber in die Abdeckplatten geschlagenen Lö­cher, als Libationsinstallationen interpretiert. Dass es sich bei den Decken der Gräber zugleich um die Fußböden der obenliegenden Häuser handelte, bemerkte er zunächst nicht und brachte die Installationen mit einer regelmäßigen Versorgung der Toten mit Flüssigkeiten in Verbindung.1651 Eine erneute Untersuchung und Neubewertung der „Libationsinstallationen“ erfolgte inzwischen im Rahmen der Dissertation von S. Marchegay, sodass auch in Bezug auf diesen Themenkomplex im Folgenden auf ihre Arbeit zurückgegriffen werden kann.1652 Bei „Libationen“ handelt es sich per Definition um „Trankopfer“, die Gottheiten oder anderen „numinosen“ Wesen dargebracht wurden (siehe Kapitel 1.1.4.2). Es stellt sich daher die Frage, ob in den Gräbern von Ugarit Installationen zur Darbringung einer Libation existierten. Darüber hinaus wäre zu klären, für wen diese Trankopfer gedacht waren. In zahlreichen Gräbern konnten Gefäße freigelegt werden, die an außergewöhnlichen Positionen installiert worden waren und dadurch nicht zu der üblichen Grabausstattung zählten. Sie besaßen offenbar eine eigene rituelle Funktion. Die Öffnungen einiger dieser Gefäße waren während der Nutzung des Grabes 1651 Pitard 1994; 2002: 151-153; Salles 1995: 180 f.; Marchegay 1999a: 78, 137. 1652 Für eine Betrachtung der sogenannten Libationsmulden an der Türschwelle zu den Königsgrüften siehe Kapitel 4.1.1.3.

1653 Marchegay 1999a: 134. 1654 Ebenda: 136. 1655 Die Zählung der Gräber erfolgt nach S. Marchegays neuer Nummerierung (siehe Ebenda: 16 f., 18). 1656 Callot 1994: 174; Marchegay 1999a: 103 f. 1657 Marchegay 1999a: 104.

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Der archäologische Befund

239

Abb. 83a-b: Außerhalb des Grabes 1004 installiertes Gefäß zum Empfangen von Libationen und seine Verortung am Grab (Schaeffer 1933: Pl. IX-2, Fig. 5).

Im Grab 139 entdeckten die Ausgräber ein Vor­ ratsgefäß, das über eine zum Teil verschlossene Aussparung in der SO-Ecke der Grabkammer zugänglich war. Das Gefäß war zum Kammerin­ neren geneigt und offenbar für die Aufnahme von Libationen bestimmt. Möglicherweise diente hierfür ein kleiner Krug, der zerbrochen am Boden des Gefäßes gefunden wurde.1658 In dem Grab 1004 aus Minet el-Beida konnte eine ähnliche Anbringung eines Gefäßes dokumentiert werden (Abb. 83a-b). Hier war ein bau­chiges, 120 cm hohes Gefäß in der Baugrube von Außen gegen die Südmauer des Grabes gelehnt und anschließend mit der Grubenverfüllung bedeckt worden. Eine Aussparung in der Kammerwand ermöglichte den Zugang zur Gefäßöffnung vom Kammerinneren. In dem Inneren des Gefäßes befanden sich mehrere klei­ nere Schalen und Be­cher.1659 Das Innere der Gefäße war, den Ausgräbern zufolge „noir, produit soit par le contenu, soit par un enduit intentionnel“.1660 S. Mar­ chegay stellt jedoch die Überlegung auf, dass diese Gefäße möglicherweise nicht ausschließlich dem Zweck von Libationen dienten, sondern dass solche großen Gefäße eventuell im Laufe der Nutzung des Grabes ihre Funktion verloren und die genann­ ten Schalen und Becher in ihm entsorgt wurden. Aufgrund fehlender Informationen darüber, ob alle

1658 Ebenda: 134; das Gefäß ist publiziert in Schaeffer 1949: 208-209, Abb. 86: 21, der kleine Krug aus dem Inneren des Gefäßes in Ebenda: 160-161, Abb. 62: 6. 1659 Schaeffer 1933: 100; vgl. Marchegay 1999a: 134, im Einzelnen nennt S. Marchegay eine mykenische Trinkschale, ein mykenisches Gefäß und einen mykenischen Krug (a. a. O.). 1660 Marchegay 1999a: 134. Eine Abbildung des Gefäßes findet sich in Schaeffer 1949: 152-153 Abb. 58: 13.

Abb. 84: Gefäß im Bereich des Dromos von Grab 513 (Callot 1994: Fig. 189).

Gefäße noch intakt oder bereits zerbrochen waren, bleibt diese Interpretation hypothetisch.1661 Die Gräber 103 und 154 besaßen jeweils ein Gefäß, das in den Boden der Grabkammer eingelas­ sen war. Im Fall des Grabes 103 war dieses Gefäß möglicherweise mit einer Libationsinstallation ver­ bunden (siehe unten). Im Falle des Grabes 154 war das amphorenförmige Gefäß offenbar in einer Grube unterhalb des Fußbodens platziert worden und ragte 1661 Marchegay 1999a: 134 f.

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240

Ugarit

Abb. 85: Schnitt durch das Grab 154 mit einem in den Boden eingelassenen Gefäß zum Empfangen von Libationen (Marchegay 1999c: Pl. 91.2; Ras Shamra Mission, Schaeffer-Fonds, Collège de France).

mit der Öffnung mehrere Zentimeter über den Fußboden hinaus. Es könnte sich folglich ebenfalls um ein Gefäß zum Empfangen von Libationsopfern ge­han­delt haben (Abb. 85), allerdings sind die Publikationen und die Dokumentation der Ausgräber diesbezüglich nicht eindeutig.1662 Bei den zwei Gräbern 103 und 112 scheinen Gruben in der Mitte der Grabkammer in Verbindung mit Libationsinstallationen zu stehen. Im Grab 112 war eine Grube mit einer Größe von 50 cm in der Mitte der Kammer unter dem Plattenbelag angelegt worden (Abb. 86). Drei Mulden und eine Rinne wurden in die Oberfläche der Fußbodenplatten in der Nähe der Ostwand eingetieft. Die Rinne verläuft entlang der Ostwand Richtung Norden, knickt dann nach Westen ab und ist dort mit einem unter den Steinplatten liegenden Rohr verbunden, das in die Grube unterhalb des Fußbodens in der Kammermitte mündet.1663 Es ist anzunehmen, dass die Mulden und die Rinne an der Ostwand der Grabkammer dazu dienten, Libationen aufzunehmen und diese in die Grube unter dem Grabkammerboden zu leiten. Das Grab 103 besaß möglicherweise eine ähnliche Libationsinstallation wie das Grab 112, allerdings ist diese Installation wesentlich schlechter dokumen­ tiert, als die des oben beschriebenen Grabes. Die Ausgräber erwähnen diesbezüglich, dass bei der letzten Säuberung des Grabes eine Rinne mit mulden­ artigen Vertiefungen in dem Steinbelag zutage trat. Außerdem entdeckte man in der Kammermitte unter einer von den Grabräubern herausgerissenen Steinplatte ein in den Boden eingelassenes fragmen­ tiertes Gefäß, in das die Libation vermutlich geleitet wurde. Es wäre somit ein ähnliches Vorgehen wie bei Grab 112 anzunehmen, nur mit dem Unterschied, 1662 Ebenda: 135. 1663 Schaeffer 1933: 115; Margueron 1983: 18; vgl. auch Marchegay 1999a: 126.

Abb. 86: Libationsinstallation des Grabes 112 (Schaeffer 1933: Abb. 12).

dass die Libation nicht in eine Grube, sondern in ein Gefäß geleitet worden wäre.1664 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in einigen Gräbern in Ugarit Libationsinstallationen errichtet worden waren. Durch die Art, in der die Gefäße in die Gräber integriert worden waren, wird der Anschein erweckt, als hätten sie zumindest zum Teil dem Zweck gedient, Libationsopfer aufzunehmen. Dabei wäre die Flüssigkeit nicht in dem Grab selbst verblieben, sondern wäre von dem Grab aus in ein Gefäß gegossen worden, das sich außer­ halb der Grabkammer befand, entweder hinter einer Seitenwand oder unterhalb des Fußbodens. Dieses Vorgehen erinnert an die Hinweise aus den sumerischen Keilschrifttexten, dass das Grab als Zugang zur Unterwelt diente (siehe auch Kapi����� tel 1.2.3). Folglich hätte das Grab nicht nur für den Toten selbst, sondern auch für Opfergaben, den Eingang in die Unterwelt dargestellt. D. Katz stellt die zwei sumerischen Texte „Lulil und seine Schwester“ und „Das Mädchen und der Bote“ in diesen Zusam1664 Margueron 1983: 18 f.; vgl. auch Marchegay 1999a: 126 f., 135. Im westlichen Bereich des Grabes  320 existierte möglicherweise ebenfalls eine Libationsinstallation, bestehend aus einer Rinne, die in einer Mule mündete. Zusätzlich befanden sich vier weitere Mulden weiter nördlich in einer Bodenplatte des Grabes. Allerdings stand diese Installation nicht in Verbindung mit der Grube in der nordwestlichen Ecke der Grabkammer (Saliby 1979-1980: 137 Abb. 29).

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Der archäologische Befund menhang. In diesen Erzählungen wird Wasser für die Toten in die Erde bzw. in eine Libationsröhre gegossen.1665 Auch B. Alster zitiert aus der Hymne an Inanna-Ninegalla einen Hinweis, dass Totenopfer am Neujahrstag in die Unterwelt gegossen werden sollten.1666 Beide Autoren verweisen in diesem Zusammenhang auf Tonröhren in den frühdynastischen Gräber von Ur, die von den Fußböden der darüber liegenden Räume in die Gräber führten.1667 Allerdings geht D.Katz davon aus, dass die Libationen zwar in die Gräber geleitet wurden, jedoch nicht für den Toten im Grab, sondern für den Totengeist in der Unterwelt gedacht waren.1668 Da auch in Ugarit die Libationsopfer nicht in das Grab gegossen, sondern von dem Grab nach außen, ist vorstellbar, dass auch hier die Libationen für die Totengeister in der Unterwelt gedacht waren. Möglicherweise wurde die Flüssigkeit dennoch anlässlich einer Bestattung in die entsprechenden Vorrichtungen libiert, sodass, ähnlich wie bei dem kispu(m) in den imitativ-magischen Bestattungstexten, auch die Unterweltsgötter und die Totengeister der Familie während der Bestattungsfeier mit Opfern versehen wurden (siehe Kapitel 1.1.4.3 und 2.2.2.1.9). In diesem Fall wäre somit die Libation im Rahmen der Totenpflege erfolgt (siehe Kapitel 1.1.1).

241

Drei Gräber (201, 210, 1101) wiesen einen Annex­ raum auf, der durch eine bzw. drei Aussparungen in der Kammerwand mit der Grabkammer kommunizierte, aber nicht von dieser aus betretbar war. Diese Gräber stammen alle aus dem 13. Jahrhundert v. Chr. und gehören zu den großflächigeren Grabanlagen aus behauenem Stein mit Deckengewölbe. Die Annexräume ähneln den als Ossuarien dienenden Hohlräumen, allerdings sind sie an einer anderen Stelle im Grab platziert. Sie befinden sich an der Rückwand des Grabes, gegenüber dem Eingang. Die Annexräume wurden leer vorgefunden, was vermutlich auf Grabräuber zurückzuführen ist, die, wie die hinterlassenen Spuren zeigen, einen hohen Aufwand betrieben, um sich Zugang zu diesen Räumlichkeiten zu verschaffen. S. Marchegay leitet daraus ab, dass in diesen Räumen wertvolle Gegenstände depo­niert worden sein müssen und schließt eine Funktion

als Ossuarium aus.1669 Eine mögliche Interpretation stammt von J.-F. Salles, der davon ausgeht, dass der Raum dazu gedient hätte, die rāpiʾūma nach ihrer Evokation zu empfangen, damit sie an der Bestattungszeremonie teilhaben konnten.1670 Eine derartige Evozierung der Totengeister anlässlich einer Bestattung geht aus dem in Kapitel 4.2.1 behandelten Text KTU 1.161 hervor. S. Marchegay hält dies ebenfalls für die plausibelste Interpretation, auch wenn es dafür keine archäologischen Hinweise gibt. Sie vergleicht die Annexräume mit den ägyptischen Serdabs der Mastabas1671 und sieht in den Annexräumen in Ugarit eine Umsetzung dieses Konzeptes.1672 Die Serdabs dienten zur Aufbewahrung einer Statue, in der der Ka des Verstorbenen „wohnte“. Diese Ser­ dabs waren lediglich über einen Sichtschlitz mit dem Raum auf der anderen Seite der Mauer, in dem sich die Lebenden aufhielten, verbunden. In Bezug auf die Serdabs war dies die einzige Möglichkeit der Kommunikation zwischen dem Toten, repräsentiert durch die Statue, und den Lebenden. Im Vergleich mit den Annexräumen in Ugarit ist eine ähnliche Architektur zu beobachten, aufgrund derer S. Marchegay die Aufbewahrung einer Statue in dem Annexraum für möglich hält. In diese Statuen wären, nach ihrer Auffassung, vermutlich im Rahmen einer Bestattungsfeier, ähnlich wie in Ägypten, die Totengeister der Verstorbenen evoziert worden.1673 S. Marchegay präzisiert die Vorstellung einer solchen Statue dahingehend, dass sie vermutlich aus kostbaren Materialien gefertigt war, so wie andere aus Ugarit stammende Exemplare von Statuen aus vergoldeter Bronze.1674 Eine solche Vorstellung würde auch die Anstrengungen erklären, die die Grabräuber unternahmen, um an den Inhalt der Annexräume zu gelangen.1675 Durch diese Hypothese wird der Grabkammer eine vielschichtigere Funktion, als nur die der Beherbergung von Knochen der Verstorbenen zu­geschrieben. S. Marchegay bezeichnet die Grabkammern mit Annexraum (201, 210, 1101) als eine Art „chapelles funéraires“, bei denen möglicherweise die Bestattungsrituale innerhalb der Grabkammer ausgeführt wurden. Diese Bestattungsrituale hätten, in Anlehnung an die Praktiken in Ägypten, möglicherweise das Rezitieren von Ritualtexten, das Darbringen von Opfern und das Verbrennen von Weihrauch vor

1665 Lulil und seine Schwester: „59. a a - p a 4- š è b a l - b i s a ḫ a rkur-ra d é - b i “, „59. Pour out the water to the libation pipe, pour it in the dust of the Netherworld!“; Das Mädchen und der Bote: „45. a í b- d é k i i n - d é b a - a b - n a g ̃ “, „45. I poured water, I poured to the ground, he drank it.“ (Katz 2003: 100-102). 1666 „a-pa 5 k u r- r a - k e 4 g á l š a - m u - r a - a b - t a g “, „He opened a water pipe into the underworld“ (Alster 1983: 11 f.). 1667 Ebenda: 15 Anm. 40; Katz 2003: 101. 1668 Katz 2003: 101.

1669 Marchegay 1999a: 130. 1670 Salles 1995: 177 f. 1671 Der erste Beleg für eine Serdab stammt aus dem PyramidenTempel des Djoser (2. König der 3. Dynastie, um 2650/2600 v. Chr.). Später fanden sie eine häufige Verwendung in den Mastabas der Ägypter. Ihre Nutzung ist bis in die Zeit der 5. Dynastie belegt (Brovarski 1984; von Beckerath 1975). 1672 Marchegay 1999a: 130. 1673 Ebenda: 130 f. 1674 Ebenda: 131 f.; siehe auch Yon 2006: 132 f. Nr. 14-15. 1675 Marchegay 1999a: 132.

4.1.1.2.5.5 Annexräume zu den Gräbern

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Ugarit

der Öffnung in der Wand zum Annexraum, oder zu­mindest innerhalb der Grabkammer, beinhaltet. Die großen Dimensionen und die bautechnisch hochwertige Ausfertigung der Grüfte würden das reine Bedürfnis der Aufbewahrung von Leichnamen übersteigen und seien dafür gemacht worden, um von den Lebenden gesehen zu werden.1676 Die drei genannten Gräber gehörten reichen und einflussreichen Leuten: Das Grab 1101 im Nord­palast von Ras Ibn Hani wurde von der könig­ lichen Familie von Ugarit, vermutlich von der des Ammištamru II. (1260-1230 v. Chr.) genutzt.1677 Das Grab 210 befindet sich in der Residenz des Yabninu (Ende des 13. Jahrhunderts v. Chr.), der aus einer einflussreichen Familie stammt und einen großflächigen Wohnsitz vorweisen konnte. Die Besitzer des Wohnhauses 75-77, unter dem sich das Grab 201 befand, sind nicht mehr bekannt. Die großen Dimensionen und die hohe Qualität der Architektur bezeugen jedoch einen großen Wohlstand auch dieser Familie.1678 Alle drei Gräber stammen vermutlich aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts v. Chr., sodass S. Marchegay zu dem Schluss kommt, dass die unzugänglichen Annexräume eine Einrichtung in den späteren Gräbern Ugarits waren.1679 Der dieser Interpretation der Annexräume zu­grunde gelegte ägyptische Einfluss in Ugarit ist anhand vieler Belege nachweisbar; dies sind zum einen die importierten Objekte aus Ägypten, sowie die in ihrer Gestaltung ägyptisch beeinflussten Objekte und zum anderen diesbezüglich eindeutige Texte.1680 Eine Adaption der ägyptischen Serdabs in Ugarit wäre jedoch das erste Zeugnis ägyptischen Einflusses im Bereich des Totenkultes. S. Marchegay bringt aber durchaus überzeugende Argumente an, die ihre Hypothese stützen: Der politische und kommerzielle Austausch mit Ägypten wurde kontrolliert durch mächtige Personen und wohlhabende Händ­ ler. Einer dieser Händler war, den königlichen und privaten Archiven vom Ende des 13.  Jahrhunderts v. Chr. zufolge, ein gewisser Yabninu. Er unter­ hielt Handelskontakte mit verschiedenen Regionen, nachweislich insbesondere mit Ägypten. Zudem war er einer der Hauptverantwortlichen für die wirt­ schaftlichen und politischen Angelegenheiten des Königreiches von Ugarit und damit einer der Offiziellen des derzeitigen Königs Ammištamru II. S. Marchegay vermutet, dass die Würdenträger Ugarits durchaus mit den funerären Praktiken der Ägypter vertraut waren, möglicher­weise auch mit denen aus früheren Perioden. Sie hält es für möglich, dass die Gesandten aus Ugarit bei ihren Besuchen auch 1676 A. a. O. 1677 A. a. O.; siehe auch Bounni – Lagarce 1998: 30-35. 1678 Marchegay 1999a: 132. 1679 A. a. O. 1680 Courtois 1990: 110-134.

ältere Grabmonumente besichtigen konnten und bestimmte Totenrituale, die nah an ihren Glaubensvorstellungen lagen, übernahmen.1681 Sie geht jedoch nicht davon aus, dass diese Praktiken sich auch auf die restliche Bevölkerung Ugarits übertragen hätten, „[…] elles étaient plutôt réservées à une élite qui manifestait certainement sa puissance et sa richesse dans les cérémonies funéraires, et notamment en y introduisant parfois des éléments égyptiens.“1682 Eine Assoziation ägyptischer Totenrituale mit der Elite Ugarits erklärt sich durch das Prestige, das allem Ägyptischen zugeschrieben wurde. Dass es sich bei zwei der drei Besitzer der Gräber, in denen ein nicht begehbarer Annexraum, vorhanden war, um die bedeutenden Persönlichkeiten Yabninu und Amiṯtamru II. handelt, lässt S. Marchegays Hypothese umso wahrscheinlicher erscheinen. So scheint es durchaus möglich, dass Yabninu bei Besuchen in Ägypten von diesen Praktiken erfuhr, vielleicht sogar die Statuen in den Serdabs zu Gesicht bekam, und diese kulturelle Praxis nach Ugarit „importierte“ und dort auch dem derzeitigen König nahe brachte.1683 Zu dieser Überlegung passt auch die Feststellung, dass das Grab 210 vermutlich im Nachhinein, d. h. in der zweiten Hälfte des 13. Jahr­ hunderts v. Chr. und somit zu Lebzeiten Yabninus, in das Haus des Yabninu integriert wurde.1684 4.1.1.3 Die Königsgrüfte In Ugarit wurden an zwei Orten Grüfte für die Könige angelegt. Dies ist zum einen unter Raum 28 im großen Königspalast von Ugarit (Nr. 204, 205 und 206) und zum anderen unter dem Nordpalast in Ras Ibn Hani (Nr. 1101).1685 Wie oben bereits beschrieben (siehe Kapitel 4.1.1.2.3), lagen die Gräber in Ugarit in der Regel nah am Eingang zu den Wohnhäusern, sodass sie von außen leicht zugänglich waren. Aber auch von den Eingängen der Gebäude abseits gelegene Gräber sind dokumentiert, wofür die Grüfte unter dem Königspalast von Ugarit das beste Beispiel bieten. Diese Grüfte befinden sich unterhalb des Raumes 28 und liegen damit weit entfernt vom nordwestlichen oder nordöstlichen Eingang zum Palast (Abb. 87 und 88). Somit ist kein Zugang zu diesen Grüften von außen möglich.1686 Gleiches gilt für die Königsgruft unter dem Nordpalast, wo ebenfalls die Gruft im Inneren des Gebäudes angelegt wurde.1687 Aller­ dings folgen der Palast und die Königsgrüfte einem eigenen Konzept und sind nicht mit der gängigen 1681 Marchegay 1999a: 133. 1682 A. a. O. 1683 Ebenda: 132-134. 1684 Ebenda: 50, 132. 1685 Siehe die jeweiligen Einträge in der Tab. IV im Anhang. 1686 Marchegay 1999a: 49. 1687 Ebenda: 68.

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Der archäologische Befund

Abb. 87: Grundriss des Königspalastes (Yon 2006: Abb. 20).

häuslichen Architektur vergleichbar. Vielmehr, so S. Marchegay, ist die Organisation dieses Bereichs vermutlich eng verknüpft mit der Durchführung des königlichen Totenkultes.1688 Durch die Anlage der Grüfte innerhalb des Gebäudes konnten Störungen von außen vermieden und die Nutzung auf die Mitglieder der königlichen Familie beschränkt werden.1689 Die Bautechnik der Königsgrüfte ähnelt grundsätzlich der der Grüfte unter den Wohnhäusern. Auch die Königsgrüfte wurden aus behauenen Steinen errichtet und mit einem Kraggewölbe und zur Abdeckung dienenden Steinplatten versehen. Im Unterschied zu den meisten anderen Gräbern aus Ugarit führt jedoch der Dromos unter Raum 28 des großen Königspalastes nicht nur zu einer Grabkammer, sondern zu einem Doppelkammergrab (Nr. 204 und Nr. 206), das über einen Gang mit einer dritten Grabkammer (Nr. 205) verbunden wurde, die mit sie1688 Ebenda: 49; siehe auch Salles 1995: 182 f. Zwar nennt S. Marchegay auch weitere Grüfte, für die ein Eingang nur weit entfernt vom äußeren Zugang des Hauses möglich ist (Nr. 201, Nr. 210, Nr. 304, Nr. 307 und Nr. 312. Marchegay 1999a: 50), allerdings bestehen bei diesen Grüften Unklarheiten bezüglich des archäologischen Kontextes. 1689 Marchegay 1999a: 68.

Königsnekropole

Abb. 88: Zone funéraire innerhalb des Palastes mit den Grüften 204, 205 und 206 unter Raum 28 (Niehr 2004c: Abb. 128).

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Ugarit

Abb. 89: Libationsmulden in der Türschwelle von Raum 27 zu Raum 28 (Foto: Sarah Lange-Weber).

ben Nischen versehen ist. Nördlich des Ganges, der die Grabkammern miteinander verbindet, befindet sich eine ca. vier Meter tiefe brunnenähnliche Grube.1690 Auch die Gruft unter dem Nordpalast in Ras Ibn Hani weist eine Besonderheit auf. Zwar besteht diese Gruft wiederum nur aus einer Grabkammer, allerdings besitzt sie einen Annexraum, der über eine Aussparung in der Kammerwand mit der Grabkammer verbunden ist (vgl. auch Kapitel 4.1.1.2.5.5).1691 Unglücklicherweise wurden diese Königsgräber bereits in der Antike geplündert, sodass keine Aussage zum Inventar der Gräber getroffen werden kann.1692 Möglicherweise geben jedoch mehrere in zwei Reihen angeordnete Mulden in der Türschwelle zwischen Raum 27 und Raum 28 des Königspa­ lastes Aufschluss über zumindest einen Aspekt des königlichen Totenkultes. Im Vergleich mit den Libationsinstallationen in den Grüften 103 und 112 (siehe Kapitel 4.1.1.2.5.4 und Abb. 86), ist auch für die Mulden in der Türschwelle eine Deutung im Kontext der Libationsopfer anzunehmen (Abb. 89).1693 Sollte 1690 Marchegay 1999b: 378-387; vgl. auch Niehr 2004c: 80-83. 1691 Marchegay 1999a: 130-134 und Marchegay 1999b: 769777. 1692 Marchegay 1999b: 378-387; vgl. auch Niehr 2004c: 80-83. 1693 Diese Interpretation erwägt erstmals Niehr 2004c: 80 f. Ein rechteckiger Stein mit ähnlichen Vertiefungen wurde auch in Raum F im Königspalast von Qaṭna von dem französischen Ausgräber R. du Mesnil du Buisson gefunden. Er interpretierte die Funktion des Steines als Ort, an dem Speiseopfer wie Brot, Kuchen und Getreide niedergelegt wurden (Du Mesnil du Buisson 1935: 103 f.). Weitere Ausgrabungen in diesem Bereich ergaben jedoch, dass der Stein mit Vertiefungen in

diese Deutung zutreffen, könnten die Libationen sowohl direkt in die eingetieften Mulden der Türschwelle, als auch in Gefäße zu deren Aufstellung die Mulden möglicherweise dienten, ausgegossen worden sein. Durch diese „Libationsmulden“ in der Türschwelle würde somit der kultische Cha­rakter des Raumes hinter der Türschwelle unterstrichen werden. H. Niehr folgend wäre der Raum 28 mit den darunter liegenden Königsgräbern entsprechend als ḫšt1694 „Totenkultraum“ zu interpretieren.1695 Die Libationsopfer für die Könige von Ugarit sind sehr wahrscheinlich auch schriftlich belegt: Der Text KTU 1.119 ist Teil einer Serie von Ritualen, die vor allem das Darbringen von Opfern für die Götter, insbesondere für Baʿal, verzeichnen. Zweimal wird erwähnt, dass diese Opfer in dem Monat ʾIbaʿlatu (Dezember – Januar) stattfinden und im Verlauf des Textes wird mehrfach spezifiziert, an welchen Verbindung mit weiteren Installationen stand, die den Raum F als Badezimmer auswiesen. Diese Installationen und die unmittelbare Nähe zu dem Palastbrunnen, die einen schnellen Zugang zur Wasserversorgung ermöglichte, unterstützen die neueste Interpretation (Novák – Pfälzner 2001: 174176; 2002b: 85 f.; Pfälzner 2007: 45 f.). Somit erlauben die unterschiedlichen Kontexte der Steine mit Vertiefungen trotz ihrer Ähnlichkeit unterschiedliche Interpretationen. Die Türschwelle im Königspalast von Ugarit befindet sich im Eingang zu dem Raum, unter welchem sich die Königsgräber befinden, während der rechteckige Stein aus dem Königspalast von Qaṭna in enger Verbindung mit der Wasserversorgung des Palastes stand. 1694 J. Tropper übersetzt ḫšt mit „Totenheiligtum“ (Tropper 2008: 53 s. v. ḫšt). 1695 Niehr 2004c: 81; Pfälzner 2011c: 151.

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Der archäologische Befund Tagen diese Opfer erfolgen sollen. In Zeile 25 ist ein Opfer für die malakūma genannt, das an dieser Stelle erwähnenswert ist. KTU 1.1191696 25 (…) mtk . mlk⌈m .⌉ (…) Eine Libation der Könige

D. Pardee kommentiert diese Zeile mit „mtk mlkm, ‚libation of the Malakūma (kings),‘ is offered either by living kings (and the plural would be generic, since Ugarit apparently had one living king at a time) or for the benefit of dead kings, i.e., the kings named in […] (RS 24.257/RS 94.2518) and/or those named in […] (RS 34.126) – if the reference is to dead kings, mlkm here corresponds to the entry mlkm in the deity lists ([…] [RS 1.1017:33], […] [RS 92.2004:42]).”1697 Ein weiterer Text, KTU 1.91, weist in der zweiten Zeile die Formulierung dbḥ mlk „Opfer des Königs“ auf.1698 Dadurch, dass es sich bei dieser Zeile um eine Art Überschrift für die folgenden Opfergaben handelt, die für die Götter dargebracht werden, wird deutlich, dass in dem Fall, in dem es um Opfergaben von dem König handelt, das Wort mlk im Singular verwendet wird. Dies zeigt, dass in Bezug auf die mtk mlkm der zweiten Interpretation D. Pardees hier der Vorzug zu geben ist. Dafür sprechen auch die oben angeführten Vergleiche für die Libationsinstallationen und die Annahme, dass auch die verstorbenen Könige von Ugarit in der Unterwelt verweilten (siehe u. a. Kapitel 4.2.1). Zugleich würde dies bestätigen, dass die Libationen, die vermutlich über der Türschwelle sowie in die dafür vorgesehenen Installationen in den Gräbern ausgegossen wurden, tatsächlich als Opfer für die Bewohner der Unterwelt dienen sollten, wobei das Grab als Zugang zu eben dieser verstanden wurde. 4.1.1.4 Das Inventar der Grüfte 4.1.1.4.1 Das Keramikinventar Neben den bereits beschriebenen Libationsinstallationen sind die Keramikgefäße innerhalb und in der Nähe der Gräber sowie vereinzelt erwähnte Tierknochen die einzigen weiteren archäologischen Zeugnisse einer möglichen Versorgung der Toten mit Nahrung durch die Hinterbliebenen. Dabei ist auch in Bezug auf die Gräber Ugarits zu bedenken, dass Keramikgefäße nicht zwingend zur Aufbewahrung von Speisen gedient haben müssen. Sie können zum einen auch andere Beigaben enthalten haben, wie etwa die Schale mit einem Collier in Gruft 51 oder 1696 Transliteration nach Pardee 2002: 52. 1697 Ebenda: 104 Anm. 52. 1698 Ebenda: 214-216.

245

sollten den Toten möglicherweise als „Essgeschirr“ dienen (siehe Kapitel 1.1.4.3 und 2.1.1.4.1.2). Bezüglich der einfachen Grubengräber kann fest­­gehalten werden, dass Beigaben in Form von Gefäßen im Bereich des Kopfes, der Schultern oder den Füßen deponiert wurden.1699 Ebenso wurden in dem „Massengrab“ mit 40 Individuen den Bestatteten mehrere Gefäße mit ins Grab gegeben.1700 Von der in Ugarit besonders hervorzuhebenden Gruppe der 214 Kammergräber wurden lediglich 26 Gräber mit intaktem Inventar vorgefunden. Da jedoch aus diesen Gräbern der Großteil des dokumentierten Grabinventars stammt, sollen sie im Folgenden genauer betrachtet werden. Die Keramikgefäße, die in den Gräbern von Ugarit gefunden wurden, waren von unterschiedlicher Herkunft. Es fanden sich neben der zahlenmäßig überwiegenden lokalen Keramik auch zypriotische, mykenische und selten auch minoische Gefäße.1701 Nach der Überarbeitung der Berichte von C. F.-A. Schaeffer und seiner Kollegen durch S. Marchegay sind die folgenden Gefäßformen zu unterscheiden: Vorratsgefäß, (kleiner) Krug, bilbil-Krug, Flasche, Amphore, Teller, Schale/Schüssel, Trinkgefäße, kleinformatige Gefäße, (weitere) Gefäße. Außerdem wurden die Sonderformen Pyxis, Krater und Rython separat aufgelistet (siehe auch Tab. IV im Anhang). Es ist jedoch einschränkend anzumerken, dass sich diese Begrifflichkeiten ausschließlich auf die französischen Ausdrücke stützen.1702 Da die Unterscheidungskriterien zum Teil nicht zu erkennen sind bzw. die Begrifflichkeiten nicht immer konsequent angewendet wurden, werden Schalen und Schüsseln in einer Kategorie zusammengefasst. Aufgrund der Tatsache, dass, wie bereits erwähnt, nur 26 der 214 von S. Marchegay in ihrem Katalog aufgenommenen Kammergräber (vermutlich) intakt vorgefunden wurden, ist es kaum möglich eine Aussage bezüglich des prozentualen Anteils der Gräber mit Keramikgefäßen zu machen. Da jedoch jedes der intakten Gräber mindestens vier Keramikgefäße enthielt, liegt es nahe anzunehmen, dass auch die restlichen Gräber ursprünglich Gefäße enthielten. 1699 Schaeffer 1931: 4 f., Pl. IX, 2, X, 1; vgl. auch Marchegay 1999a: 146. 1700 Schaeffer 1932: 16 f., Pl. XII, 2, XV, 1; vgl. auch Marchegay 1999a: 147. 1701 Marchegay 1999a: 25; vgl. auch Tab. IV im Anhang. 1702 In den Ausgrabungsberichten war von „jarres, cruches, cruchons, ‚bilbils‘, ‚bouteilles‘, plats et jattes, coupes et bols, lampes, autres vases“ die Rede (a. a. O.). Allerdings gelang S. Marchegay eine Korrektur, bzw. Präzision einzelner Formen von Objekte nach modernen Definitionen, sofern diese in der Grabungsdokumentation beschrieben waren (a.  a.  O.; mit Verweis auf Yon 1981 und der Anmerkung, dass die Begriffe „bilbils“ und „bouteilles“ nicht mehr mit den aktuellen Definitionen in der Wissenschaft korrespondieren).

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246

Ugarit

Grab Nr.

Anzahl der Individuen

2

einige Langknochen

4 5 8 10 17 21 22 24 25

ca. 10 Individuen k. A. k. A. k. A. 1 Schädel genannt k. A. mehrere Knochen k. A. mehrere (Lang)Knochen 66 Individuen (davon 34 Individuen im Ossuarium und 2 Kinder im Dromos) 12 Individuen zahlreiche Knochen 1 Individuum + einige Menschenknochen mind. 2 Individuen, Gruft für 2-3 Generationen mind. 8 Individuen mind. 9 Individuen (darunter 3 Kinder) k. A. k. A. k. A. einige Knochen mind. 6 Individuen k. A. k. A. zahlreiche Skelette mind. 1-2 Individuen

51 52 61 62 63 65 69 130 153 306 617 618 625 635 642 1008

Summe Keramikgefäße 16

Krüge

Flaschen

Teller

Schalen/ Schüsseln

5

1

1

1

andere Gefäßformen 8

180 9 5 16 63 4 59 19 5

46 1 2 9 29 0 30 7 0

36 0 0 3 10 0 5 2 0

20 1 0 0 12 0 0 0 2

37 4 1 3 1 2 10 8 1

41 3 2 1 11 2 14 2 2

101

27

25

30

11

8

39 72

6 48

10 5

1 9

15 4

7 6

72

35

14

3

0

20

109

81

6

11

2

9

118

47

22

13

16

20

78

49

1

8

2

18

28 51 72 72 103 14 6 109 8

14 14 35 55 64 4 0 40 8

7 8 3 2 12 3 0 12 0

3 8 13 0 2 0 0 12 0

0 13 16 2 14 1 1 33 0

4 8 5 13 11 6 5 12 0

Tab. 34: Überblick über die (vermutlich) intakten Gräber mit der Anzahl der Individuen, Gesamtanzahl der Keramikgefäße und den am häufigsten vorkommenden Gefäßformen.

Neben der Problematik der (antiken) Plünderung erschwert die unzulängliche Dokumentation des Grabinventars während C. F.-A. Schaeffers Ausgrabungen die Auswertung.1703 Zusätzlich zu der damit verbundenen Ungewissheit, ob das Inventar der Gräber vollständig aufgenommen wurde, ist eine ungenaue Dokumentation der anthropologischen Daten festzustellen (Tab. 34). Allerdings lassen die Angaben zu den Gräbern 4, 51 und 52, bei denen eine genaue Angabe zur Anzahl der Individuen notiert wurde, ersehen, dass die Individuenanzahl offenbar nicht mit der Menge an Keramikgefäßen korreliert werden kann. 1703 Siehe auch Marchegay 2008: 109.

Wie die Tabelle zeigt, zählen verschiedene Krugformen, Flaschen, Teller und Schalen/Schüsseln zu den am häufigsten vertretenen Gefäßformen. Aller­dings ist zusätzlich zu der Feststellung, dass die Gesamtzahl der Keramikgefäße nicht von der Anzahl der Individuen abhängig ist, ebenfalls festzustellen, dass auch die Anzahl der jeweiligen Gefäßformen nicht miteinander korreliert werden kann. Während das Grab 63 mit 81 Krügen die größte Anzahl dieser Art beinhaltete und dabei aber nur 2 Schalen/Schüsseln enthielt, wies das Grab 4 mit 37 Schalen/Schüsseln die meisten dieser Art und außerdem 46 Krüge auf. Es kann somit kein Muster festgestellt werden, wie etwa, dass mit jedem Teller oder jeder Schale auch ein Krug oder eine Flasche in das Grab eingebracht wurde.

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Der archäologische Befund

247

Abb. 90: Zeichnung des Grabes 63 mit einem augenscheinlich primär bestatteten Individuum an der westlichen Kammerwand (Schaeffer 1938a: Fig. 25).

4.1.1.4.2 Die Ausführung des Totenmahls an den Gräbern 4.1.1.4.2.1 Mögliche Zuordnung der Gefäßbeigaben zu den verstorbenen Individuen Die Tab. 34 zeigt, dass es keine Korrelation zwischen der Anzahl der Individuen und der Anzahl der in einem Grab vorhandenen Keramikgefäße gibt. Zu dieser Feststellung gelangt man, wenn man beispielsweise die Gräber 4, 51 und 52 betrachtet. Das Grab 51 enthielt die Knochen von 66 Individuen (davon befanden sich allerdings die Knochen von 34 Individuen im Ossuarium) und insgesamt 101 Keramikgefäße, 93 davon zählen zu den in der Tab. 34 am häufigsten aufgelisteten Formen, fünf der Gefäße wurden explizit als Inventar des Ossuariums aufgelistet. Das Grab 52 hingegen enthielt zwölf Individuen und insgesamt 39 Keramikgefäße. Somit sind in dem Grab 51 im Schnitt 1,53 Gefäße pro Person in dem Grab vorhanden, betrachtet man das Verhältnis ohne die Knochen und die Gefäße die dem Ossuarium zugeschrieben werden, lässt sich

ein Schnitt von 3,03 Gefäßen pro Person ermitteln. Bei dem Grab 52 beträgt das Verhältnis 3,25 Gefäße pro Person. Dieser innerhalb der Grabkammern relativ ähnlichen Verteilung steht beispielsweise das Grab 4 gegenüber, in dem ca. zehn Individuen 180 Keramikgefäße erhielten, dies entspricht durchschnittlich 18 Gefäßen pro Person. Auch die Gräber 63 und 65 fallen durch eine relativ hohe Gefäßanzahl pro Person auf. Eine derartige Unregelmäßigkeit in Bezug auf die Anzahl der Grabbeigaben pro Person kann anhand verschiedener Theorien erklärt werden. Zum einen könnte es sein, dass je nach Wohlstand der Familie, den Verstorbenen unterschiedlich viele Beigaben ins Grab gelegt wurden. Zum anderen ist es möglich, dass zwar jeder Verstorbene zunächst ein vorgegebenes Ensemble aus Grabbeigaben erhielt, diese jedoch im weiteren Verlauf der Versorgung der Toten unterschiedlich ergänzt wurden. Diese Erweiterung des Inventars war möglicherweise abhängig von der Dauer der Versorgung, die enden konnte, wenn eine Familie keine Nachkommen mehr hatte, den Ort verließ oder möglicherweise in ein anderes Haus zog und eine andere Gruft für die Toten der Familie verwendete

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Ugarit

Abb. 91: Die obere Lage im Grab 52 mit einem primär bestatte­ten Individuum, dessen Hände auf und unter einer Keramikscha­le liegen (Marchegay 1999c: Pl. 48.1; Ras Sham­ra Mis­sion, Schaeffer-Fonds, Collège de France).

Abb. 92: Die mittlere Lage im Grab 52 mit einem primär be­statteten Individuum und an den Seitenwänden platzier­ ten Vorratsgefäßen (Marchegay 1999c: Pl. 49.2; Ras Shamra Mission, Schaef­ fer-Fonds, Collège de France).

(siehe Kapitel 4.1.1.2und 4.1.1.2.2). Außerdem ist nicht auszuschließen, dass das Grabinventar noch während der Nutzung des Grabes durch die Hinterbliebenen verändert wurde. Nicht nur dergestalt, dass bei der Bestattung neue Gegenstände in das Grab eingebracht wurden, sondern möglicherweise auch dadurch, dass Objekte, die zu einer älteren Be­stattung gehörten, wieder entnommen wurden. Fraglich ist, ob sich eine bestimmte Anzahl und Form von Gefäßen, die den Toten im Moment ihrer Bestattung mit ins Grab gegeben wurden, ermitteln lässt. Betrachtet man lediglich die Steingrüfte in Ugarit, kann man eine solche Einschätzung schwerlich vornehmen. Abgesehen von den bereits genannten Problemen, dass in vielen Fällen keine menschlichen Knochen dokumentiert sind und dass die Keramikgefäße vermutlich nicht in allen Fällen tatsächlich vollständig aufgenommen wurden, ist es, bis auf wenige Ausnahmen, nicht mehr möglich, die Gefäße einzelnen Individuen eindeutig zuzuweisen.

Dies liegt auch daran, dass die meisten mensch­ lichen Knochen, die in der Dokumentation Erwähnung finden, bereits an die Wände der Steingrüfte geschoben wurden, um Platz für neue Bestattungen zu schaffen (wie beispielsweise in Grab 4, Abb. 80). Ein weiteres Problem ist, dass kaum Angaben zu der relativen Lage der Gefäße zu den Individuen, die sich noch in der Lage ihrer primären Bestattung befanden, vorliegen. Der wichtigste Anhaltspunkt für eine derartige Zuwei­sung sind die wenigen Zeichnungen, die es von der Fundverteilung und der Verteilung der Knochen gibt. Sowohl in Grab 4, als auch in Grab 65 befand sich den Zeichnungen zufolge eine Art Napf, bzw. eine tiefe Schüssel mit Henkel, und ein kleiner Krug in der Nähe des Individuums (Abb. 75 obere Lage [am unteren Rand der Grabkammer] und Abb. 78). Bei dem Individuum in Grab 65 lässt sich dies dahingehend präzisieren, dass der Napf/die Schüssel in der Nähe des Schädels abgestellt worden war, während sich ein kleiner bilbil-Krug im Bereich

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Der archäologische Befund

249

Abb. 93a-b: Sorgsam an den Seitenwänden des Grabes 642 aufeinander gestapelte Keramikgefäße (Matoïan – Marchegay 2015: Fig. 20; Marchegay 1999c: Pl. 116.8; Ras Shamra Mission, Schaeffer-Fonds, Collège de France).

des linken Ellenbogens befand.1704 Zudem lässt die Zeichnung von Grab 63 vermuten, dass neben dem bestatteten Individuum eine Schale, bzw. ein Teller, ein kleiner Krug und zwei weitere Gefäße abgestellt wurden (Abb. 90). Jedoch werden in allen drei Fällen diese Gegenstände lediglich aufgrund der Nähe in der sie bei den jeweiligen Individuen verzeichnet wurden mit dem Individuum assoziiert. Eine direkte Verbindung der Gefäße mit dem Individuum kann aufgrund des Mangels an weiteren Informationen nicht belegt werden. Bei den Steingrüften von Ugarit kann in einem Fall die Beigabe eines Tellers für ein Individuum eindeutig nachgewiesen werden. In Grab 52 wurde ein Teller im Beckenbereich eines erwachsenen Individuums abgestellt, wobei eine Hand des Verstorbenen unter, und eine Hand über dem Teller lag (Abb. 91). In dem Fall des sogenannten Massengrabes charnier pt 68 (ca. 19 – 16. Jahrhundert v. Chr.)1705 wurden mehrere Lagen mit Bestattungen freigelegt. In der zweiten Lage wurden zwei bis drei bestatteten Individuen1706 zwei flache Schalen und ein kleiner Krug mitgegeben. Möglicherweise ist die Anzahl der flachen Schalen als Indiz zu betrachten, dass es sich tatsächlich nur um zwei bestattete Individuen handelt. Betrachtet man nochmals die Zahlen in der oben aufgeführten Tab. 34 und die jeweiligen Gräber in der Tab. IV im Anhang, so lässt sich zumindest fest­ 1704 Bzgl. der Position des bilbil-Kruges siehe auch Schaeffer 1938a: 216; vgl. auch Marchegay 1999b: 202. 1705 Schaeffer 1932: 17. 1706 Ebenda: 16.

stellen, dass in jedem Grab so viele Keramikgefäße vorhanden waren, dass jedem Verstorbenen min­ destens ein Teller und/oder eine Schale/Schüssel sowie eine Flasche und/oder ein Krug mitgegeben worden sein könnte. Somit wäre statistisch ge­sehen jeder Verstorbene mit einem Gefäß, das eher für flüssige Nahrung diente, und einem Gefäß, das tendenziell für feste Nahrung vorgesehen war (siehe Kapitel 1.1.4.3), ausgestattet gewesen. Des Weiteren lässt sich feststellen, dass neben dem Gefäßensemble, das möglicherweise dem ein­ zelnen Bestatteten mitgegeben wurde, auch Vorratsgefäße in den Gräbern deponiert wurden. Die Vorratsgefäße wurden den Zeichnungen und Fotos der Gräber zufolge tendenziell an den Seitenwänden der Grabkammer aufgestellt (Abb. 91 bis 93a-b). Während in den Gräbern 4, 51 und 52 die Gefäße eher vereinzelt entlang der Wände der Grabkammer aufgefunden wurden, da sie dort entweder aufgestellt oder, wie es in Grab 4 den Anschein hat, mit dem restlichen Grabinventar an einer Wand zusammen geschoben worden waren, scheinen die Vorratsgefäß in den Gräbern 153, 625 und 642 gemeinsam mit anderen Keramikgefäßen in einer Ecke bzw. an einer Wand der Grabkammer sorgsam aufgestapelt worden zu sein. Vor allem das Bild der aufeinander gestapelten Gefäße in Grab 642 (Abb. 93a-b) erweckt den Anschein, als wären diese Gefäße direkt neben der Tür abgestellt worden. Die Frage, ob dies aus­schließlich anlässlich einer Bestattung geschah, oder ob die Gruft auch zu anderen Zeitpunkten geöffnet wurde, kann nicht beantwortet werden. Die Verteilung der Vorratsgefäße in den Gräbern 25 und 65 stellt sich augenscheinlich anders dar, als in den bereits besprochenen Gräbern (siehe beispielhaft

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Ugarit

Abb. 75). In beiden Gräbern hat es den Anschein, als wären die Vorratsgefäße nicht von Anfang an entlang der Wände deponiert worden, sondern als wären sie zuoberst des übrigen Inventars in der Grabkammer verteilt worden. Zumindest bei dem Grab 65 scheint es, als wäre das Grab irgendwann aufgegeben und mit einer späteren Konstruktion überbaut worden.1707 Eine Verteilung der Vorratsgefäße über den mensch­ lichen Knochen und kleineren Keramikgefäßen der unteren Lage könnte sich möglicherweise dahin­ gehend erklären lassen, dass man vor der Überbauung des Grabes sicher gehen wollte, dass die Toten auf lange Zeit mit Nahrung versorgt sind. Um dies zu gewährleisten, wurden die Vorratsgefäße, die große Mengen an Lebensmitteln enthalten haben könnten, in das Grab eingebracht. Diesmal musste jedoch keine Rücksicht mehr darauf genommen werden, dass die Gefäße sorgsam am Rand des Grabes ver­ staut wurden, da kein Platz für spätere Bestattungen benötigt wurde. Ein ähnlicher Handlungsablauf ließe sich auch für das Grab 25 vermuten, allerdings fehlt es bei diesem Grab an Indizien für eine Aufgabe und Überbauung. 4.1.1.4.2.2 Zeitpunkt der Einbringung der Gefäßbeigaben in die Gruft Für den Großteil der Grüfte, für die eine Dokumentation der menschlichen Knochen vorhanden ist (Beschreibung, Fotos oder Zeichnungen), kann festgestellt werden, dass die Überreste der Primärbe­ stattungen an die Seitenwände oder in die Ossuarien geschoben wurden, um Platz für weitere Bestattungen zu schaffen. Interessanterweise wurden bei der „Umbettung“ der menschlichen Knochen auch die Grabbeigaben, die die Verstorbenen erhalten hatten, gemeinsam mit den Knochen umgelagert. So sammelten sich die Knochen, Keramikobjekte und weitere Beigaben nicht nur an den Seitenwänden der Grabkammern, sondern wurden auch vermischt in den Ossuarien aufgefunden, wie die Gräber 4, 10, 42, 51, 63 und 69 zeigen.1708 Es ist hervorzuheben, dass die Bestatteten auch nach ihrer Umbettung nur von ihren ursprünglichen Grabbeigaben weiterhin begleitet worden zu sein scheinen. Zumindest ist – abgesehen von den Vorratsgefäßen – kein Fall belegt, in dem erneut Keramikgefäße auf die zusammengeschobenen Knochen gestellt wurden, um den Verstorbenen Speisen darzubringen; bzw. lässt sich eine solche Befundsituation nicht aus der vorhandenen Grabungsdokumentation rekonstruieren. 1707 Marchegay 1999b: 201. 1708 Siehe beispielhaft die Abb. 80a-b des Grabes 4, in dem eine Nische als Ossuarium diente (siehe auch Tab. IV im Anhang); vgl. auch Kapitel 4.1.1.2.5.2.

4.1.1.4.2.3 Art der Speisebeigaben Bezüglich der Frage, welche Speisen den Verstorbenen mitgegeben wurden, lassen sich nur be­dingt Aussagen treffen. Lediglich bei den Gräbern 7, 64, 65, 304, 313, 602, 701 und 1006 wurden Tierknochen dokumentiert.1709 Allerdings ist auf­ grund der bereits angemerkten mangelhaften Dokumentationslage nicht davon auszugehen, dass diese Aufnahme vollständig ist. Auf der anderen Seite kann von den genannten Gräbern Grab 602 nicht als Beleg für Speisebeigaben in Form von Fleisch herangezogen werden, da hier lediglich ein Talus eines Schafes/einer Ziege erwähnt ist, der vermutlich in einem anderen Kontext eine Rolle gespielt hat (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.3.3). Für Grab 7 und Grab 64 wurde lediglich festgestellt, dass sich generell Tierknochen in der Grabkammer bzw. im Ossuarium befanden, für Grab 1006 werden einige Tierknochen, darunter Backenzähne von Wiederkäuern erwähnt. In Grab 65 werden vor allem Knochen vom Schaf erwähnt und für Grab 313 sind mehrere Tierknochen, darunter auch Fischknochen, aufgelistet. Für Grab 304 gibt es zwar eine ausführlichere Auflistung der zoologischen Überreste (darunter Schne­cken­ gehäuse, Muscheln, Schafsknochen, Fischwirbel, u.  a.),1710 allerdings stammen diese aus der Auffüllung des Grabes, sodass unwahrscheinlich ist, dass sie ausschließlich das ehemalige Grabinventar repräsentieren. Das beste Beispiel für Tierknochenfunde in den Gräbern von Ugarit liefert das 1994 von S. Marchegay freigelegte Grab 701. In diesem konn­ ten die Wirbel, Zähne, Rippen und Langknochen von Vögeln, Schafen und größeren Tieren dokumentiert werden.1711 Somit kann abschließend festgehalten werden, dass den Toten in Ugarit offenbar das Fleisch von Vögeln, Fischen, Schafen und größere Tieren (z. B. bestimmte Wiederkäuer) in unterschiedlichen Konstellationen mitgegeben wurde. Neben den Tierknochen gibt es noch einen bemerkenswerten Fund aus dem Grab 52. Dort entdeckten die Ausgräber in der obersten Lage zahlreiche vertrocknete Oliven in einem Gefäß, die somit als Speisebeigabe oder -opfer dargebracht worden waren. Dieser Befund zeigt, dass Speisen nicht nur für eine kurze Zeit vor den Toten abgestellt und später von den Hinterbliebenen selbst verspeist wurden, sondern dass diese zumindest zum Teil tatsächlich in dem Grab verblieben.

1709 Siehe die jeweiligen Einträge in der Tab. IV im Anhang. 1710 Siehe den Eintrag zu Grab 304 in Tab. IV im Anhang. 1711 Für eine detailliertere Auflistung siehe die Tab. IV im Anhang.

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Der archäologische Befund 4.1.1.5 Zusammenfassung und Interpretation der Grabbefunde in Bezug auf das Totenmahl Besonders die von S. Marchegay untersuchten komplexen Kammergräber erlauben es, einige Aussagen zur Ausübung des Totenmahls in Ugarit zu treffen. Diesbezüglich sind nicht nur die noch intakt vorgefundenen Gräber (siehe Tab. 34) von Bedeutung, sondern auch die Installationen in den Gräbern und die Einbindung der Gräber in die Wohnhausarchitektur. Interessant ist auch die Entwicklung der Architektur der Gräber, in der sich die anzunehmende Veränderung in der Bestattungspraxis bzw. im Totenkult, nämlich die zunehmende Durchführung der Totenrituale im bzw. am Grab, widerspiegelt. Auch die einfachen Gräber in Ugarit erlauben Aussagen über den Totenkult. Es lässt sich fest­ halten, dass zumindest einigen Toten Keramikgefäße, und somit möglicherweise Speisebeigaben, mit ins Grab gegeben wurden. Über die Regelmäßigkeit, den Umfang oder die Art dieser Beigaben in den einfachen Gräbern lassen sich allerdings keine Angaben mehr machen. Ebenso kann in Bezug auf die komplexeren Steingrüfte unter den Wohnhäusern kein Ergebnis hinsichtlich der Regelmäßigkeit und des minimalen/maximalen Umfangs der Speisebeigaben ermittelt werden. Aufgrund der in der Antike erfolgten Plünderungen und der unzureichenden Dokumentation der früheren Ausgräber, können die Grabbefunde und damit die Möglichkeiten der Darbringung von Speisebeigaben oder -opfern nur ausschnittweise präsentiert werden. Grundsätzlich kann im Hinblick auf das Totenmahl in Ugarit festgestellt werden, dass die Toten im Rahmen ihrer Bestattung Gefäßbeigaben erhielten, die in einigen Fällen in direkter Assoziation mit den Verstorbenen gefunden wurden. Zwar stellt sich generell die Frage, inwiefern Keramikgefäße als Stellvertreter für Speisebeigaben betrachtet werden können. Vor allem prestigeträchtigere Objekte, wie die importierte Keramik, könnten sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch aufgrund des Eigenwertes des Objektes in der Grabkammer befinden und dienten nicht unbedingt zur Aufbewahrung einer anderen Beigabe. Zudem besteht die Möglichkeit, dass bestimmte Gefäße, wie etwa Schalen, den Toten als „Essgeschirr“ zur „Teilnahme“ am Bankett der Hinterbliebenen oder zur „Nutzung“ in der Unterwelt mitgegeben wurden. Allerdings können im Fall von Ugarit keine Unterscheidungen zwischen reinen Prestigebeigaben, Aufbewahrungsgefäßen oder „Essgeschirr“ gemacht werden, da in den wenigsten Fällen der Inhalt der Gefäße dokumentiert, geschwei­ge denn Analysen der Rückstände vor­ genommen wurden.

251

Außerdem ist anzumerken, dass die Gesamtanzahl der Gefäße nicht mit der Anzahl der bestatteten Individuen in den Gräbern korreliert werden kann (siehe Kapitel 4.1.1.4.1), sodass den Toten vermutlich unterschiedlich viele Gefäße mitgegeben wurden. Allerdings ist es zumindest statistisch möglich, dass jedem Verstorbenen mindestens ein Teller bzw. eine Schale/Schüssel und ein Krug bzw. eine Flasche bei seiner Bestattung mitgegeben wurde. Sollte diese Zuweisung zutreffen, wäre entweder, erinnert man sich an die imitativ-magischen Bestattungstexte (siehe Kapitel 1.1.4.3), an eine Art Reiseproviant oder an besagtes „Essgeschirr“ für die Toten zu denken. Außerdem wurden in einigen Gräbern Vorratsgefäße deponiert (siehe Kapitel 4.1.1.4.2.1), was darauf hindeuten könnte, dass man eine längerfristige Versorgung der Toten in der Unterwelt gewährleisten wollte. Abgesehen von den Grabbeigaben, die den Toten vermutlich im Rahmen ihrer Bestattung zugedacht wurden, lassen die Installationen in den Gräbern ebenso wie die Grabarchitektur die Vermutungen zu, dass während der Bestattungsfeierlichkeiten noch weitere Rituale in und an dem Grab durchgeführt wurden. Diesbezüglich ist allerdings zu bemerken, dass es offenbar eine Veränderung im Totenkult im Laufe der Zeit gab, die das Grab als Ort der Feierlich­keiten zunehmend betonte, nachdem anfangs die rituellen Feierlichkeiten mutmaßlich oberhalb des Grabes stattfanden. Darauf weisen zum einen die zunehmend elaboriert ausgestalteten Dromoi hin, die eine bessere Begehbarkeit der Gräber erlaubten, zum anderen aber auch die Tendenz die Gräber zunehmend aufwändiger zu gestalten, indem die Grabkammer in den späteren Perioden vermehrt aus behauenen Steinen errichtet und mit einem Kraggewölbe versehen wurde (siehe Kapitel 4.1.1.2.1). Ebenso stellen die Libationsinstallationen in den Gräbern ein Indiz dafür dar, dass zusätzliche Rituale im Rahmen der Bestattung ausgeführt wurden. Interessanterweise wurden alle Libationsinstallationen derart angelegt, dass sich die Gefäße oder Gruben, in die die Flüssigkeiten gegossen oder geleitet wurden, außerhalb des Grabes befanden und entweder über eine Aussparung in der Wand oder ein Rohrsystem erreichbar waren. Entsprechend wurden die Flüssigkeiten von dem Grab in das umgebende Erdreich libiert. Bedenkt man, dass das Grab als Eingang zur Unterwelt betrachtet wurde, könnten diese Opfer möglicherweise im Rahmen einer Bestattung für die Unterweltsgötter oder die Totengeister in der Unterwelt gedacht gewesen sein (siehe Kapitel 4.1.1.2.5.4). Auch die Libations­mulden vor dem Königsgrab unterliegen vermutlich einem ähnlichen Konzept. Zu diesem Ergebnis gelangt man zumindest, wenn man den Text KTU 1.119 berück-

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Ugarit

sichtigt, in dem den Königen (im Plural!) Wasser libiert wird (siehe Kapitel 4.1.1.3). Aber auch die in drei Gräbern aus dem 13. Jahrhundert v. Chr. vorhandenen Annexräume lassen vermuten, dass im Grab nicht nur die jüngst Verstorbenen mit Beigaben versehen wurden, sondern möglicherweise auch anderen Toten Opfer dargebracht wurden (siehe Kapitel 4.1.1.2.5.5). In gewisser Weise stellen somit die Gräber mit Annexräumen nicht nur eine Besonderheit innerhalb der Gräber Ugarits dar, sondern auch den Höhepunkt einer Entwicklung in der Gräberarchitektur, die erlaubte, dass die Trauer­ feier zunehmend im Grab stattfand (siehe auch Kapitel 4.1.1.2.1). Möglicherweise dienten diese Annexräume zur Evozierung der Totengeister, wie es auch in dem Ritual KTU 1.161 (siehe Kapitel 4.2.1) beschrieben wird. Entsprechend wäre zu erwarten, dass diese Totengeister während der Bestattungsfeier Opfergaben erhielten. Allerdings ist fraglich, inwiefern sich diese Art der Evozierung und Beopferung von dem Ausgießen der Libationen unterschied. Ein Aspekt wäre, dass für die Libationen nicht zwingend eine Evozierung der Totengeister notwendig erscheint, da die Libationen direkt in die Erde und damit symbolisch in die Unterwelt gegossen wurden. Wodurch sich derlei Unterschiede, sollten sie wie beschrieben ausgeprägt gewesen sein, begründeten, lässt sich anhand des vorliegenden Materials nicht feststellen. Denkbar wäre beispielsweise, dass die verschiedenen Ausprägungen von den unterschiedlichen Adressaten der Opfergaben, einer Veränderung im Totenkult oder der traditionellen Verwurzelung der Hinterbliebenen abhängig waren. Desweiteren ist im Hinblick auf die Bestattungsfeier selbst noch ein anderer Aspekt anzusprechen: der Umgang mit früheren Bestattungen. Offenbar gab es unterschiedliche Vorgehensweisen, was ältere Bestattungen betraf, sobald neue Tote in die Gruft eingebracht wurden. Die Überreste wurden entweder an den Wänden zusammengeschoben oder in ein Ossuarium überführt. In jedem Fall wurde offenbar zumindest ein Teil der früheren Grabbeigaben weiter­hin gemeinsam mit den Knochen an einem anderen Ort deponiert, sodass sich auch in den Ossuarien Keramikgefäße befanden (siehe Kapitel 4.1.1.2.5.2 und 4.1.1.2.5.3). Hinweise auf erneute Speiseopfer im Rahmen der Umbettung gibt es nicht (siehe Kapitel 4.1.1.4.2.2). Nachdem bislang ausschließlich die rituellen Handlungen, die im Rahmen einer Bestattung notwendig waren, betrachtet wurden, werden im Folgenden jene Speiseopfer zusammenfassend dar­ gestellt, die abseits der Bestattungen in und an den Gräbern nachgewiesen werden können. Zum einen ist in diesem Zusammenhang auf einige Gefäße hinzuweisen, die als „Gründungsdepots“ derart außer­ halb der Gräber installiert wurden, dass ihre Öffnung

im Verlaufe der Errichtung des Grabes verdeckt wurde. Möglicherweise sollten diese allgemein für die in der folgenden Zeit im Grab bestatteten Personen dienen und deren Totengeister milde stimmen (siehe Kapitel 4.1.1.2.5.4). Außerdem legen manche Befunde nahe, dass auch nach den Bestattungen weiterhin Opfergaben für die Verstorbenen dargebracht wurden. Dies zeigen Gefäße, die in den oberen Lagen der Gräber deponiert wurden (siehe Kapitel 4.1.1.4.2.2). Zudem lässt die Anlage und einfache Zugänglichkeit der meisten Gräber darauf schließen, dass auch nach den Bestattungsfeiern immer wieder Opfer für die Toten dargebracht wurden. Dies war durch die Zugänge, die teilweise außerhalb der Häuser oder unmittelbar im Eingangsbereich lagen, auch für Personen möglich, die nicht in dem jeweiligen Haus wohnten (siehe Kapitel 4.1.1.2.3). Allerdings sind die Regelmäßigkeit, die Adressaten und der Umfang der Opfergaben nicht bekannt. Möglicherweise wurden die Opfer auch mitunter in dem Raum oberhalb des Dromos oder in dem Dromos selbst deponiert. Der Raum oberhalb der Gruft wurde nachweislich für alltägliche Zwecke genutzt, könnte aber beispielsweise im Rahmen der Bestattungen ebenfalls eine Rolle gespielt haben (siehe Kapitel 4.1.1.2.4). Abschließend lässt sich hinsichtlich der Art der Speisebeigaben und -opfer feststellen, dass das Fleisch von Vögeln, Fischen, Schafen und größeren Wirbeltieren in den Gräbern deponiert wurde, allerdings sind diesbezüglich wiederum keine Aussagen zur Quantität möglich. Außerdem belegt der Fund von Oliven in einem Grab, dass diese als Speisebeigaben oder -opfer dargebracht wurden (siehe Kapitel 4.1.1.4.2.3). Somit lässt sich zusammenfassen, dass im Zu­sammenhang mit dem Totenmahl in Ugarit so­­ wohl Speisebeigaben und -opfer für die Verstor­ benen während der Errichtung des Grabes, im Rahmen ihrer Bestattung und nach der Bestattung dargebracht wurden. Diese konnten wahrscheinlich sowohl für den zu Bestattenden, als auch für zuvor Verstorbene bzw. „ältere“ Totengeister in der Unterwelt bestimmt sein. 4.1.2 Rundplastiken und Stelen Die Grabbefunde haben gezeigt, dass die Toten im Rahmen ihrer Bestattung mit Speisebeigaben versorgt wurden und auch zu späteren Zeitpunkten scheinen Opfergaben für die Verstorbenen dargebracht worden zu sein. Zudem lassen die Libations­ installationen und die in drei Gräbern gefundenen Annexräume vermuten, dass auch die „älteren“ Totengeister, eventuell während der Bestattungs­ zeremonie, mit Libations- und Speiseopfern versorgt wurden. Fraglich ist, ob die in Ugarit gefundenen Rundplastiken und Stelen ebenfalls in den Kontext

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Der archäologische Befund

4 *

1 2 3 5 6

7 8

2

4 3

1

Textfunde

1 - KTU 1.161 2 - KTU 1.20 - 1.22 3 - Ba‘al-Zyklus (KTU 1.1 - 1.6)

4 - KTU 1.108 5 - Aqhatu-Epos (KTU 1.17 - 1.19) 6 - Kirta-Epos (KTU 1.14 - 1.16)

7 - KTU 6.13 (Stele) 8 - KTU 6.14 (Stele)

Statuen und Stelen(-fragmente) 1 - Torso Königsstatue 2 - Basaltthron1 3 - Kalksteinstatuette des ‚El‘

4 - Stele des ‚Ba‘al au foudre‘

Abb. 94: Überblick über die Fundverteilung der in dieser Arbeit behandelten Statuen, Stelen und Texte aus Ugarit (die Urheber dieses Plans betiteln den mit * markierten Tempel als Tempel des Dagan. In dieser Arbeit wird jedoch der Annahme gefolgt, dass der Tempel El geweiht war; siehe Kapitel 4.2.4; Grundplan: Yon 2006: IV Fig. 1; modifiziert durch Autorin).

des Totenmahls eingeordnet werden können. Dass die Rundplastiken und Stelen aus Ugarit mitunter eine Funktion im Totenkult erfüllten, lässt sich auf­ grund von zahlreichen Beispielen – etwa den Ahnen­ statuen aus Qaṭna (siehe Kapitel 3.1.1.3.1.3.3), der Statue des Idrimi aus Alalaḫ,1712 aber auch den etwas 1712 Siehe bspw. Smith 1949; Dietrich – Loretz 1981b; MayerOpificius 1981; Fink 2008.

später datierenden Stelen bspw. aus Samʾal1713 und Neirab1714 – zumindest vermuten. Diese Objekte und entsprechende Inschriften aus den jeweiligen Orten 1713 Siehe bspw. Bonatz 2000a: 21 (Nr. C 46), 23 (Nr. C 72); Wartke 2005: 72 Abb. 69; Struble – Rimmer Herrmann 2009; Rimmer Herrmann 2014; Niehr 2006b: 111-119, 133 f.; Pardee 2009. 1714 Siehe bspw. Clermont-Ganneau 1897; Bonatz 2000a: 17, 67 (Nr. C 11), 20, 68 (Nr. C 35).

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Ugarit

(siehe beispielhaft das Kapitel 2.2.2.1.2.4) lassen ähnliche Funktionen für die Statuen aus Ugarit wahrscheinlich erscheinen, allerdings ist eine detaillierte Betrachtung der Kontexte nötig, um diesbezüglich entsprechende Schlussfolgerungen ziehen zu können. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Einord­ nung der Rundbilder und/oder Stelen aus Ugarit in den Bereich des Totenkultes noch nicht zwingend eine Verortung im Rahmen des Totenmahls erlaubt. An schriftlichen Belegen für Statuen im Totenkult in Ugarit kann nur der Ausdruck ẓlm in der ersten Zeile des Textes KTU 1.161 angeführt werden, der möglicherweise mit „Statue“ zu übersetzen ist. Mit einer solchen Übersetzung würde diese Zeilen heißen, „Tafel des Opfers (für) die Statue“, aller­ dings ist ebenso eine Übersetzung mit „Schatten“ denkbar (siehe Kapitel 4.2.1.1), sodass dieser Text nicht als eindeutiger Beleg gelten kann. Dennoch scheint es wahrscheinlich – in Parallele mit den oben genann­ten Beispielen – dass in Ugarit Statuen exis­ tierten, in die die Totengeister, die in dem Text KTU 1.161 angerufen werden, evoziert werden konnten (siehe Kapitel 4.2.1.2). Das ansonsten oft als Beleg für Stelen im Totenkult herangezogene Aqhatu-Epos (siehe Kapitel 4.2.3.1)1715 sowie die Stelen-Inschriften KTU 6.13 und 6.14 (siehe Kapitel 4.2.4), sind nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht in einem anderen Kontext zu interpretieren und bezeugen nicht die Verwendung von Stelen im Totenkult. Dennoch sollten die Rundplastiken und Stelen aus Ugarit an dieser Stelle betrachtet werden, um eine mögliche Verwendung im Rahmen des Totenkultes, auch unter Berücksichtigung der in KTU 1.161 evozierten Totengeister, zu prüfen. 4.1.2.1 Die Rundplastiken Drei Rundplastiken aus Ugarit hätten theoretisch im Rahmen des Totenmahls verwendet worden sein können, allerdings fehlt es an spezifischen Kontexten, um die Annahme einer Verwendung im Rahmen des Totenmahls oder auch nur im Kontext des Totenkultes belegen zu können.1716 Dies ist zum einen das Fragment einer Königsstatue mit einem Wulstsaummantel, das im Schutt südwestlich des Baʿal-Tempels gefunden wurde.1717 Zum anderen könnte ein Basaltstuhl mit Rückenlehne,1718 der im sog. Batiment au trône gefunden wurde, welches zum Teil oberhalb

1715 Vgl. bspw. Albright 1946: 106; Bonatz 2000b: 133; Niehr 2009: 341. 1716 H. Niehr vertritt diesbezüglich eine andere Ansicht und diskutiert verschiedene Darstellungen aus Ugarit, in denen er den vergöttlichten König repräsentiert sieht (Niehr 2019). 1717 RS 4.546 (Schaeffer 1933: 120, Pl. XV-1, 3; Yon 1991b: 347; Bonatz 2000a: 133). 1718 RS 90.1 (Yon 1991b: 346 f.; Callot 2013).

der Ruinen des Nordpalastes er­richtet wurde,1719 im Kontext des Totenkultes einge­setzt worden sein. Zumindest wird ein Thron in dem Ritualtext KTU 1.161 erwähnt, in dem es in Zeile 13 heißt „Thron des Niqmaddu, sei beweint“ (vgl. die Übersetzung in Kapitel 4.2.1). Somit ist es theoretisch möglich, dass dieser Basaltstuhl oder -thron im Rahmen eines Bestattungsrituals eine wichtige Rolle spielte.1720 Für eine Verortung des Basaltstuhls im Bereich des Totenmahls kann aller­dings auf­grund fehlender eideutiger Funde aus dem Fundkontext des Basaltstuhls nicht überzeugend argumentiert werden. Die dritte zu nennende Rundplastik, die in der Literatur zum Teil in den Bereich des Totenkultes eingeordnet wird, ist die Kalksteinstatuette, die zumeist als „El“ identifiziert wird.1721 H. Niehr schlägt für diese Statue eine Deutung als deifizierten König vor,1722 allerdings überzeugen aus Sicht der Autorin die Argumente von A. Otto, die die konventionelle Identifizierung mit El unterstützt, Parallelen zieht mit der Ikonographie des Gottes Dagan im 2. Jahrtausend v. Chr. und zudem die beiden Gottheiten in ihrer Funktion und Bedeutung vergleicht.1723 4.1.2.2 Die Stele des Baʿal au foudre Verschiedene wissenschaftliche Beiträge,1724 in denen die Stele des Baʿal au foudre im Rahmen des Totenkultes interpretiert wurde, machen es notwendig diese im Folgenden zu besprechen.1725 Dabei 1719 Ebenda: 90 f., 96-99; Yon 1991b: 347; C. F.-A. Schaeffer ging davon aus, dass der Basaltstuhl oder -thron aus dem benachbarten Nordpalast stammt (Schaeffer 1972: 33 Fig. 7). 1720 Siehe auch Bonatz 2000a: 133. Die Annahme D. Bonatz‘, „Die Nähe zum Nord-Palast und seinen Residenten aus der Dynastie Niqmadus (…) lassen es immerhin als möglich erscheinen, daß hier die Totenfeiern des Königshauses mit den dazugehörigen Statuen der Ahnen und deren Sitzmobiliar stattgefunden haben.“ (Ebenda: 199 Anm. 232), geht jedoch aus Sicht der Autorin in diesem Zusammenhang zu weit. Zumindest war zu der Zeit von Niqmaddu IV, für den das Bestattungsritual ausgeführt wird (siehe Kapitel 4.2.1), der Königspalast inklusive der Königsgruft bereits gebaut (Yon 2006: 36) und der Nordpalast möglicherweise schon nicht mehr in Benutzung (Ebenda: 62). 1721 RS 88.70 (Yon – Gachet 1989; Yon 1991b: 347 f.; 2006: 130 f.). 1722 Cornelius – Niehr 2004: 44 f.; Niehr 2006e: 175; 2009: 341 f.; Pfälzner 2011c: 153; 2019: 94-96. 1723 Otto 2006: v. a. 257-265. 1724 Bonatz 2000a: 135; Cornelius – Niehr 2004: 65; Niehr 2006e: 175; 2009: 341; Pfälzner 2011c: 152. 1725 Zwar erwägt Bunnens auch für die „El-Stele“ eine Interpretation im Kontext des Totenkultes (Bunnens 1995: 218), allerdings ist eine Deutung der Darstellung als Adoration vor einem Gott durch einen König wesentlich wahrscheinlicher (Yon 1985: 181 f.; 1991a: 305-307; Niehr 1992: 293-297 mit weiterführender Literatur; Cornelius – Niehr 2004: 44 f.). Die beiden Stelen mit den Inschriften KTU 6.13 und 6.14, werden, da sie allein aufgrund ihrer Inschrift in den Kontext des Totenkultes eingeordnet

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Der archäologische Befund

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Abb. 95a-b: Fotografie und Zeichnung der Stele des Baʿal au foudre, RS 4.427 (Yon 1991a: Fig. 6.5 und Fig. 11a).

ist, im Hinblick auf das Thema dieser Arbeit, vor allem der Frage nachzugehen, ob es Hinweise gibt, dass die Stele im Kontext des Totenmahls eine Rolle gespielt hat. Die Stele des Baʿal au foudre (RS 4.427, Abb. 95a-b) wurde bei den Ausgrabungen 1932 auf der Akropolis, am Hang westlich des Baʿal-Tempels entdeckt1726 und von M. Yon in die Späte Bronzezeit datiert, allerdings griff der Bildhauer dabei offenbar auf einige mittelbronzezeitliche Motive zurück.1727 Die Bildfläche der Stele1728 wird ausgefüllt von einer als Baʿal gedeuteten Figur.1729 Rechts neben der als Baʿal identifizierten Figur, links von einem Speer, den Baʿal in den Boden rammt, befindet sich eine weitere männliche Figur, die wesentlich kleiner ist als der Gott. Im Folgenden ist zu diskutieren, ob es sich bei dieser Person um den ugaritischen König in seiner Funktion als Priester handelt, wie wurden, im philologischen Teil dieser Arbeit behandelt (siehe Kapitel 4.2.4). 1726 Yon 1991a: 294. 1727 Ebenda: 299. 1728 Höhe 142 cm, Breite 50 cm, Tiefe 28 cm. 1729 Yon 1985:180; 1991a: 195 f., 198; 294-296; 2006: 135. Fenton 1996.

etwa von M. Yon vertreten,1730 oder ob davon auszugehen ist, dass diese Figur mit einem verstorbenen König zu assoziieren ist, wie beispielsweise von D. Bonatz und H. Niehr favorisiert.1731 Das Größenverhältnis zeigt zunächst, dass die kleinere Person dem Gott untergeordnet ist,1732 allerdings weisen die Darstellung auf der Stele und ein Sockel, auf dem 1730 Yon 2006: 152 f. Nr. 41. 1731 Bonatz 2000a: 135; Niehr 2019: 92-94. 1732 C. F.-A. Schaeffer hat vorgeschlagen, dass es sich bei der kleineren Person auf der Stele des Baʿal au foudre, in Anlehnung an den Aufbau ägyptischer Bildszenen, um ein Kind, genauer um den „Sohn des Baʿal“, d.  h. nach seiner Auffassung um den lokalen König handelt, der mö­gli­cherweise die prêtrise erhielt (Schaeffer 1949: 129 f.; vgl. auch Yon 1985: 180 f.). Zwar sind in Ugarit zahlreiche ägyptische Einflüsse belegt (Yon 1991a: 295299; Bonatz 2000a: 135) und auch eine Identifizierung der Person mit dem König scheint wahrscheinlich, jedoch ist eine Gleichsetzung des Königs mit dem „Sohn des Baʿal“ nicht haltbar. Zum einen tritt der König im KirtaEpos ausschließlich als „Sohn des El“ (KTU 1.16 I 10. 20; II 48 [vgl. Greenstein 1997: 31, 35]) auf und zum anderen spricht die ähnliche Darstellung auf der Stele mit Rešef dagegen, den König als Sohn des dargestellten Gottes zu interpretieren, da demnach der König Sohn mehrerer Götter sein müsste.

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Ugarit

die Person steht, darauf hin, dass es sich um einen bedeutenden Mann handeln muss.1733 M. Yon interpretiert die Darstellung derart, dass es sich bei der kleinen Figur um den König von Ugarit handelt. Durch den Anbringungsort auf der Stele steht dieser und im übertragenen Sinn auch das Königreich im Schutz des Gottes Baʿal. Zugleich nimmt sie an, der König sei hier in seiner priesterlichen Funktion, und somit als „Priest-King“,1734 dar­gestellt.1735 D. Bonatz assoziiert die kleine Figur mit einem ver­stor­benen König. Anhaltspunkt für diese Inter­ pretation ist der Sockel, auf dem die Person steht, sodass sie ebenso wie der Gott den Eindruck einer Statue vermittelt. Zudem blickt die Figur in die gleiche Richtung wie Baʿal und kommuniziert somit mit dem Betrachter. Dadurch wird sie selbst zum Objekt der Verehrung. D. Bonatz sieht in dieser Darstellung des Königs die Möglichkeit, dass es sich um den „(vergöttlichten) Ahnherr als jenseitiges Medium der Gottheit“1736 handelt. Weiter schreibt D. Bonatz, „Der in den Boden gerammte Speer des Gottes symbolisiert die chthonische Achse zur Unterwelt, genauso wie dies auf dem bekannten Relief des sogenannten Schwertgottes in Yazılıkaya der Fall ist (…). Der Bildhierarchie folgend könnte deshalb nach dem Bild des Gottes das Bild des Schutzbefohlenen, im Sinne eines königlichen Ahnenbildnisses verehrt worden sein.“1737 Sollte es sich bei dieser Figur tatsächlich um die Darstellung eines verstorbenen Königs handeln und dieser wie von D. Bonatz postuliert neben dem Gott verehrt worden sein, wäre es durchaus vorstellbar, dass die Adoranten vor der Stele Speiseopfer niedergelegt oder Libationen ausgegossen haben, wodurch die Stele im Kontext des Totenmahls eine Rolle gespielt hätte. Allerdings sind keine entsprechenden Funde aus dem Fundkontext der Stele bekannt, weshalb diesbezüglich nur spekuliert werden kann. Zudem sind diese Überlegungen nur dann relevant, wenn der Identifizierung der Figur als verstorbener König an

1733 Siehe auch Yon 1991a: 295-297. M. Yon erwägt, dass ein einfacher Sockel ohne sichtbares Dekor dem König vorbehalten war, wie auch auf der Stele RS 7.116 (Ebenda: 335 Fig. 15 a), während der Gott auf zwei übereinander errichteten Basen mit wellenförmiger Verzierung gestellt wurde, um seinen höheren Rang anzuzeigen (Yon 1985: 181, 186). 1734 Yon 2006: 152 f. Nr. 41. 1735 Yon 1991a: 296 f.; M. Yon gibt in Yon 2006 an, dass der König dargestellt sei „in priestly dress“ (Ebenda: 134 f. Nr. 18), allerdings gibt es keine Vergleichsbeispiele, die eine Person mit solcher Kleidung eindeutig als Priester ausweisen würden. Entsprechend kann dieser Schluss allein anhand der Bildkomposition und der Darstellungsweise gezogen werden (Yon 1985: 184 f.). 1736 Bonatz 2000a: 135; dieser Interpretation schließt sich auch H. Niehr an (Niehr 2006e: 175; Pfälzner 2011c: 152). 1737 Bonatz 2000a: 135.

dieser Stelle gefolgt wird, was jedoch im Folgenden zu diskutieren ist. Eine detaillierte Betrachtung der Darstellung der Figur (Abb. 96) und verschiedene Vergleichsbeispiele können in der Frage der Interpretation Aufschluss geben. Die auf einem Sockel stehende Person trägt ein langes, gewickeltes Gewand mit Fransensaum und hält ihren linken Arm unter dem Gewand oder nah am Oberkörper. Die rechte Hand ist zum Gruß erhoben. Zudem trägt die Person entweder eine ungewöhnliche Haartracht mit einem Zopf oder eine Kappe mit einer gelockten Strähne, die nach hinten herunter hängt.1738 Diese Art einer figürlichen Darstellung findet sich in Ugarit nicht nur auf der Stele des Baʿal au foudre, sondern auch auf einem Gefäßständer (RS 78.041, Abb. 97a-b) aus der Nähe des Sanctuaire aux Rhytons, einem Terrakottafragment (RS 75.247, Abb. 98)1739 und vermutlich auf einer Stele mit einem als Rešef identifizierten Gott (RS 23.217, Abb. 99a-b)1740 und ist auf diesen Vergleichen zum Teil wesentlich deutlicher als auf der Stele des Baʿal au foudre zu erkennen.1741 Zudem wird der König vermutlich auf einem Gefäß aus dem Haus des Prêtre Magicien in einer Szene, in der er einem Gott libiert, mit gelockter Strähne dargestellt (Abb. 100).1742 Vor allem der Vergleich mit dem Gefäßständer ist bemerkenswert, da auf diesem eine männliche Person mit gleicher Körperhaltung, gleichem Gewand und vermutlich gleicher Frisur oder Kopfbede­ ckung abgebildet ist.1743 Auf der Abbildung auf dem Gefäßständer wird die Person zwar nicht von einem Gott begleitet, allerdings schwebt eine Flügelsonne über seinem Kopf. Hinzu kommt die Stele RS 23.217, auf der, wie auch auf der Stele des Baʿal au foudre, zwei Personen hintereinander abgebildet sind, die in die gleiche Richtung blicken. Die hintere Person ist erheblich kleiner als die vordere, hat die rechte Hand zum Gruß erhoben und trägt das gleiche Gewand wie der „König“ auf der Stele mit Baʿal. Die vordere Figur auf der Stele wurde, aufgrund eines von ihr gespann­ ten Bogens mit dem Gott Rešef identifiziert.1744 Ebenso wie auf dem Terrakottafragment, das ver1738 M. Yon folgt der Interpretation als Kappe mit „longue mèche bouclée“ (Yon 1985: 184). 1739 Margueron 1977: 182, Pl. X-3; Yon 1985: 181 f.; 1991a: Fig. 12 d. 1740 Yon 1991a: 310 f., 327 Fig. 7.14, 340 Fig. 20. 1741 Außerdem erinnert eine Figur auf einer kleinen Stele (Stèle dite de l’alliance) an besagte Darstellung (Yon 1985: 185 f.; 1991a: 303-305, 335 Fig. 15 a). 1742 Pope 1971; Yon 2006: 146 f.; Niehr 2013a: 613 f. 1743 Siehe für diesen Vergleich Yon 1985: 181-183; 1991a: 296 f. Anders H. Niehr, der die Figur in der Darstellung auf dem Gefäßständer als vergöttlichten König interpretiert (Niehr 2019: 97-98). 1744 Yon 1991a: 310 f.

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Der archäologische Befund

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Abb. 97a-b: Gefäßständer mit Darstellung des Königs, RS 78.041 (Yon 1991a: Fig. 12e; Yon 2006: Nr. 41).

Abb. 96: Detail der Königsdarstellung auf der Stele des Baʿal au foudre, RS 4.427. Erkennbar ist der Zopf oder die Strähne, die am Hinterkopf ansetzt und unterbrochen durch eine Beschädigung auf Halshöhe bis unter die Schulterblätter reicht (Foto: Sarah Lange-Weber).

Abb. 98: Terrakottafragment mit Darstellung des Königs, RS 75.247 (Yon 1991a: Fig. 12d).

Abb. 99a-b: Stele mit dem als Rešef identifizierten Gott und einer kleineren Figur hinter ihm, RS 23.217 (Yon 1991a: Fig. 20).

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Ugarit

Abb. 100: Dekoration auf einem Gefäß aus dem Haus des Prêtre Magicien (Schaeffer 1966a: Fig. 1).

mutlich zu einem Kultständer gehört, hält die Person einen Gegenstand in der linken Hand. Die ähnliche Darstellungsweise auf den zwei Stelen, dem Kultständer und dem Fragment eines Kultständers sprechen gegen eine Interpretation der diskutierten Figur als Ahnherr. Vielmehr scheint es wahrscheinlich, dass wie bereits von M. Yon angenommen (siehe oben), der König hier in seiner Funk­ tion als Priester dargestellt ist und die Kultständer somit den Bezug zu den von ihm durchgeführten rituellen Handlungen darstellen. Diese Überlegung wird gestützt durch die Darstellung auf dem Gefäß aus dem Haus des Prêtre Magicien, in der vermutlich der König während einer Kulthandlung dargestellt ist und eine Kopfbedeckung zu tragen scheint, die der zuvor beschriebenen sehr ähnlich ist. Abschließend ist festzuhalten, dass auch wenn D. Bonatz Erklärung in Bezug auf den Sockel und die Blickrichtung schlüssig und eine Interpretation als verstorbener König plausibel ist, vor allem die auf der parallelen Darstellung gut zu erkennende Haartracht bzw. Kopfbedeckung und die verschiedenen Kontexte der gleichen Darstellung, eine Interpretation als „Priester-König“ wahrscheinlicher er­­scheinen lassen. Aufgrund der Favorisierung einer Interpretation als „Priester-König“ wären somit möglicherweise vor der Stele dargebrachte Speiseopfer oder Libationen lediglich als Opfergaben für den Gott zu verstehen und nicht im Kontext des Totenmahls. 4.1.2.3 Zusammenfassung zu den Rundplastiken und Stelen Die vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, dass keine Statue oder Stele aus Ugarit eindeutig im Kontext des Totenkultes gedeutet werden kann. Ent­ sprechend geben weder die Statuen selbst noch ihre Fundkontexte weitere Hinweise auf die Ausübung des Totenmahls.

4.2 Die schriftlichen Quellen Neben den archäologischen Quellen geben verschie­ dene Texte aus Ugarit Aufschluss über einzelne Aspekte des Totenmahls und manche mit dem Tod oder der Bestattung verknüpfte Handlungen und Rituale. Von besonderer Bedeutung ist diesbe­ züg­lich das Ritual KTU 1.161, das anlässlich der Be­stattung des Königs Niqmaddu  IV. durchgeführt wurde. Des Weiteren geben Passagen von drei narrativen Texte, das Aqhatu-Epos (KTU 1.17), der Baʿal-Zyklus (KTU 1.6) und das Kirta-Epos (KTU 1.15) Aufschluss über die für die folgenden Untersuchungen relevanten Aspekte. Außerdem werden die sogenann­ten rāpiʾūma-Texte (KTU 1.20 – 1.22) betrachtet, um zu einer Definition der rāpiʾūma im Kontext des Totenkultes zu gelangen. Um der Diskussion die nötige Grundlage zu geben, werden im Folgenden die genannten Texte – teilweise nur in Passagen – übersetzt und kommentiert, um für die Untersuchungen wichtige und möglicherweise problematische Begrifflichkeiten zu diskutieren und letztendlich zu einer vergleichenden Interpretation zu gelangen. Für die Arbeit mit den Texten wurden die aktuellsten Transliterationen von D. Pardee und S. B. Parker1745 herangezogen. 1745 Pardee 2002; Parker (Hrsg.) 1997. In dieser Arbeit wird dabei der von S. B. Parker verwendeten Konvention gefolgt, keine „künstlichen“ Worttrenner einzufügen, d.  h. dass bspw. Präpositionen nicht optisch von dem folgenden Wort getrennt werden. Zusätzlich werden auch keine sinngemäßen optischen Trennungen, wie es etwa auch S. B. Parker vornimmt, eingefügt, sofern sie nicht im Keilschrifttext stehen. Damit wird in dieser Arbeit einer Konvention gefolgt, für die sich auch W. T. Pitard ausspricht (Pitard 1992). Er argumentiert, dass „[…] much of that type of division is undoubtedly correct, some of it may not be. Dividing sequences of letters that are not separated by word dividers often obscures other potential groupings and adds a measure of interpretation to the transcription that is inappropriate for an epigraphic edition.“ (Pitard 1992: 35).

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Die schriftlichen Quellen Lediglich in einigen Passagen wurden, aufgrund einer abweichenden Interpretation, eigene Ergänzungen vorgeschlagen.1746 4.2.1 KTU 1.161 Das Ritual KTU 1.161 beschreibt das erforderliche Vorgehen, um den Totengeist des verstorbenen Königs nach dessen Bestattung in die Unterwelt zu überführen. Für diese Arbeit besonders interessant ist die Frage, ob dem Text entnommen werden kann, dass im Rahmen dieses Rituals Speiseopfer dargebracht wurden und, sofern dies der Fall ist, welcher Art diese Speiseopfer waren und für wen sie vorge­ sehen waren. Der Text KTU 1.161 wurde 1973 in dem „Haus des Urtenu“, einem hohen Beamten des Haushaltes der Königin Ṯarriyelli, gefunden. Vermutlich bezieht sich sein Inhalt auf den vorletzten bekannten König von Ugarit, Niqmaddu  IV. (ca. 1225/20 – 1215 v. Chr.).1747 Zu seiner Regierungszeit agierte sehr wahrscheinlich auch der Oberpriester Ilimilku, auf den die Verschriftlichung der verschiedenen Epen Baʿal, Kirta und Aqhatu zurückgehen.1748 Da das Ritual KTU 1.161 zum Zeitpunkt der Verfassung der Epen

259

vermutlich bereits existierte, dürften verschiedene Parallelen zwischen den Texten auf KTU  1.161 zurückzuführen sein.1749 Das Ritual KTU 1.161 enthält neben einigen Aspekten des erweiterten Begräbnisrituals auch einen Bestandteil, der den Ahnenkult betrifft, da in ihm die rāpiʾūma und zwei längst verstorbene Könige eingeladen werden.1750 Mit der ersten Zeile wird die Inschrift als OpferText klassifiziert. In den Zeilen 2  – 10 werden die rāpiʾūma angerufen an dem Opferritual teilzuneh­ men, zusätzlich werden in den Zeilen 11 – 12 die verstorbenen Könige Amiṯtamru II. (ca. 1350 v. Chr.) und Niqmaddu III. (ca. 1350 – 1315 v. Chr.) eingeladen. Sie werden nicht als rāpiʾūma ange­ sprochen, sondern tragen den Titel malku „König“. Es folgt in den Zeilen 13 – 17 der Aufruf vor dem Thron, dem Fußschemel und dem Tisch des Königs Niqmaddu  IV. die Abwesenheit des verstorbenen Königs zu beklagen. Die Zeilen 18 – 26 beschreiben, wie die Göttin Šapšu den verstorbenen König dazu aufruft, sich in die Unterwelt zu seinen Ahnen hinab­ zubegeben. In den Zeilen 27 – 34 erwähnt der Text das ṯ-Opfer, welches offenbar für das Wohlergehen der Königsfamilie und der Stadt Ugarit sorgen soll. 1751 1752 1753

KTU 1.161

1751

1

spr . dbḥ . ẓlm

Tafel des Opfers (für) die Statue

2

qritm ⌈. r⌉pi . a[rṣ …]

Ihr seid geladen rāpiʾūma der Unter[welt]

3

qbitm . qbṣ . d[dn …]

Ihr seid gerufen Versammlung des Di[dānu]1752

4

qra . ulkn . r⌈p⌉[u …]

Geladen ist ulkn, der rāpi[ʾu]

5

qra . trmn . rp[u …]

Geladen ist trmn, der rāpi[ʾu]

6

qra . sdn . w ⌈.⌉ rd[n …]

Geladen ist sdnwrd[n]

7

qra . ṯr . ʿllmn […]

Geladen ist ṯrʿllmn1753

8

qru . rpim . qdmym […]

Geladen sind die sehr alten rāpiʾūma

9

qritm . rpi . arṣ

Ihr seid geladen, rāpiʾūma der Unterwelt

10

qbitm . qbṣ . dd⌈n⌉

Ihr seid gerufen, Versammlung des Didā⌈nu⌉

11

qra . ʿmṯtm⌈r .⌉ m⌈l⌉k

Geladen ist Amiṯtam⌈ru⌉, der K⌈ön⌉ig

12

qra . u . nqm⌈d⌉ [.] ⌈mlk⌉

Geladen ist auch Niqmaddu, der ⌈König⌉

1746 D. Pardees Transliterationen basieren auf den von ihm neu erstellten Kollationen der Texte (Pardee 2002: 6), S. B. Parker stützt sich auf verschiedene epigrafische Studien und auf Fotografien, die vom West Semitic Research Project zusammengetragenen wurden (Parker [Hrsg.] 1997: 5). 1747 Nach der konventionellen Zählung handelt es sich um Niqmaddu III., nach der neueren Zählung, ausführlich begründet von D. Arnaud, muss es sich um Niqmaddu IV. handeln (Arnaud 1999; diese Zählung nehmen bspw. auch Tsumura 1993: 44, 47; Niehr 2006d: 264 f., Fn. 55; 2008: 249; 2009: 333 an). 1748 Kutter 2008: 18, mit ausführlicher Begründung (Ebenda: 18, Fn. 11) und Verweis u. a. auf Niehr 1999: 121.

1749 H. Niehr, persönliche Kommunikation (29.10.2013). 1750 Zu den Begriffen „Begräbnisritual“ und „Ahnenkult“ siehe Kapitel 1.1.2. 1751 Transliteration nach Pardee 2002: 87 f. 1752 Bei Didānu handelt es sich offenbar um eine äquivalente Form von Tidnum oder Tednum, dem ersten in Mesopotamien bekannten amurritischen Stammesnamen (Jacquet 2002: 56, Fn. 32). Didānu wird entsprechend in der Assyrischen Königsliste und der Genealogie der Ḫammurāpi-Dynastie aufgeführt (vgl. Dietrich – Loretz – Sanmartín 1977: 48, 52; Healey 1978: 86; Levine – de Tarragon 1984: 654 f.; Pope 1981: 175; Ford 1992: 84; Schmidt 1994: 72-82; Singer 1999: 613; Suriano 2010: 151). 1753 Möglicherweise ist ṯrʿllmn identisch mit mlk . ʿllmy in KTU 1.22 Vs. I 10 (Pardee 2011: 54 f.); für eine Übersetzung von KTU 1.22 siehe Kapitel 4.2.2.1.

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260

Ugarit 13

ksi . nqmd [.] ⌈ibky⌉

Thron des Niqmaddu, ⌈sei beweint⌉

14

w . ydmʿ . ⌈h⌉dm . ⌈p⌉ʿnh

und man soll Tränen vergießen (für) den ⌈Sche⌉mel seiner ⌈Fü⌉ße.

15

lpnh . ybky . ṯlḥn . ml⌈k⌉

Vor ihm werde beweint der Tisch des Kön⌈igs⌉

16

w . ⌈y⌉blʿ . udmʾth

und ⌈man⌉ schlucke hinunter seine Tränen.

17

ʿdmt . w . ʿdmt . ʿdmt

Verzweiflung! Oh, Verzweiflung der Verzweiflung!

išḫn . špš . wišḫn

Werde heiß Šapšu, oh, werde heiß (19)großes Licht!

18 – 19

(19)

nyr . rbt .

19

ʿln . špš . tṣ⌈ḥ⌉

Von oben ru⌈ft⌉ Šapšu:1754

20

aṯr ⌈.⌉ [b]ʿlk . l . ks⌈i⌉

„Hinter deine ⌈He⌉rren, vom Thro⌈n⌉,

20 – 21

aṯr

hinter (21)deine Herren in die Unterwelt steige hinab,

21 – 22

arṣ (22)rd . w . špl . ʿpr .

in die Unterwelt (22)steige hinab und senke dich in den Staub,

22 – 23

tḥt (23)sdn . w. rdn .

unter (23)sdnwrdn

23 – 24

tḥt . ṯr

unter ṯr (24)ʿllmn

(21)

bʿlk . arṣ . rd .

(24)

ʿllmn .

24

tḥt . rpim . qdm⌈y⌉m

unter die sehr alten rāpiʾūma

25

tḥt . ʿmṯtmr . mlk

unter Amiṯtamru, den König,

26

tḥm1755 . u . nq[md] . mlk

auch unter Niq[maddu], den König.

27

ʿšty . w . ṯ⌈ʿ⌉[y .

Eins und ein ṯʿ⌈-⌉[Opfer,

27

ṯn .] ⌈w .⌉ ṯʿ[y]

zwei] ⌈und⌉ ein ṯʿ-[Opfer],

28

ṯlṯ . w. ṯʿy [.]

drei und ein ṯʿ-Opfer,

28

⌈a⌉[rb]⌈ʿ⌉ . w . ṯʿ[y]

⌈v⌉[ier] und ein ṯʿ-[Opfer],

29

ḫmš . w . ṯʿy .

fünf und ein ṯʿ-Opfer,

29

ṯ⌈ṯ .⌉ [w .] ⌈ṯ⌉ʿy

se⌈chs⌉ [und] ein ⌈ṯʿ⌉-Opfer,

30

šbʿ . w . ṯʿy .

sieben und ein ṯʿ-Opfer.

30 – 31

tq⌈d⌉mʿṣr

31 – 32

šlm . ʿmr[pi] (32)w . šlm . bah1756.

Wohlergehen für Ammura[pi] (32)und Wohlergehen für sein Haus;

32 – 33

šlm . [ṯ]ry⌈l⌉ (33)šlm . bth .

Wohlergehen für [Ṯ]arriy⌈elli⌉, (33)Wohlergehen für ihr Haus;

33 – 34

šlm . u⌈g⌉rt (34)šlm . ṯģrh

Wohlergehen für U⌈g⌉arit, (34)Wohlergehen für seine Stadttore.

(31)

1754 1755 1756

šlm .

Du sollst op⌈fe⌉rn: einen Vogel (31)(für das) Wohlergehen.

4.2.1.1 Kommentar (1) ẓlm: In der Diskussion zu diesem Text gibt es verschiedene Auffassungen, ob der Begriff ẓlm mit „Schatten“ oder „Statue“ zu übersetzen ist. J. Tropper übersetzt in seinem „Kleinen Wörterbuch des Ugaritischen“ ẓl mit „1. ‚Schatten‘ […] 2. ‚Schatten‘ = ‚Reflexion, Schimmer, Glanz‘ […] 3. ‚Schatten‘ = ‚Totengeist‘“.1757 G. del Olmo Lete und J. Sanmartín bieten in ihrem Eintrag zu ẓl folgende Übersetzung: „1. ‚shade‘ […] 2. ‚reflection, sheen‘ […] 3. ‚spirit 1754 Diese Zeilenaufteilung kann aufgrund der Parallele im Baʿal-Zyklus (KTU 1.6 VI 22) angenommen werden, in welcher der Ausdruck ʿln špš tṣḥ als geschlossene Wendung vorkommt. 1755 Lies: tḥt (Pardee 2002: 115 Anm. 129). 1756 Lies: bth oder bnh (Ebenda: 115 Anm. 131). 1757 Tropper 2008: 144 f. s. v. ẓl.

(of ancestors)‘“1758. Diese Übersetzungen leiten sich von dem Hebräischen ṣl, dem Aramäischen ṭll, dem Syrischen ṭelolō und dem Aramäischen ṣillum ab. Allerdings verweisen G. del Olmo Lete und J. Sanmartín auch auf W. G. E. Watson, der ẓl mit „statue“ übersetzt und dies von dem Akkadischen ṣalmu ableitet.1759 D. Pardee übersetzt ẓlm mit „shades“1760 und kommentiert „ẓl is used only here to designate the ‚Shades of the Dead.‘ It appears to be a ge­ne­ ral term for Rapaʾūma, which is the technical term for the dead in the underworld.”1761 Auch O. Loretz übersetzt ẓlm mit „Schatten“ und vermerkt in diesem Zusammenhang, dass wir mit dieser Formulierung „zum ersten Mal Aufschluß 1758 Del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 1003 f. s. v. ẓl. 1759 Watson 1986: 18; siehe auch Schmidt 1994: 109-111. 1760 Pardee 2002: 87; vgl. auch Bordreuil – Pardee 1982: 125 f. 1761 Pardee 2002: 113 Anm. 123; siehe auch Krebernik 2013: 189.

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Die schriftlichen Quellen über die ugaritischen Vorstellungen zur Existenz­ form der Ahnen, die auch aus Mesopotamien bekannt sind“ erhalten.1762 Zwar ist ihm inso­ fern zuzustimmen, als dass der Totenbeschwörer in den sumerischen lexikalischen Listen als lú gissu – è – [dè] „derjenige, der den ‚Schatten‘ heraufholt“ bezeichnet wird,1763 eine ähnliche Verwendung des akkadischen Begriffs ṣillu(m) „Schatten“ ist jedoch nicht belegt.1764 H. Niehr argumentiert in seiner neuesten Übersetzung des Textes von 2007 für eine Auffassung von ẓlm als „Statuen“, da „[…] die mitt­ lerweile übliche Deutung als ‚Schatten‘ nicht zur sonstigen Verwendung des Terminus im Ugaritischen paßt und Statuen eine wichtige Rolle im königlichen Totenkult einnehmen.“1765 Damit schließt sich H. Niehr der Interpretation des Begriffs ẓl(m) als „Statue“ an, die bereits u.  a. W. G. E. Watson1766 und P. Xella1767 vertraten. D. Bonatz nimmt ebenfalls diese Übersetzung auf und verweist in Zusammenhang mit seinen Untersuchungen zu den syro-hethitischen Grabdenkmälern darauf, dass es zwar die verbreitete Vorstellung gäbe, dass der Totengeist aus der Unterwelt in Form eines Schattens heraufbeschworen wird, es allerdings „nichtsdestoweniger wahrscheinlich [ist], daß der Totengeist danach einem Substitut innewohnen mußte, um dergestalt am Totenmahl teilnehmen zu können (…).“1768 Je nachdem, welche Übersetzung für den Begriff ẓl(m) man also heranzieht, ist dieser Terminus als Erscheinungsform der rāpiʾūma („Schatten“) oder als Medium, in das diese evo­ ziert wurden („Statue“) zu verstehen. In Ugarit sind zwar keine Statuen bekannt, die eindeutig dem Kontext des Totenkultes zugeordnet werden können (siehe Kapitel  4.1.2.1), dennoch ist ein solcher Zusammenhang durchaus vorstellbar.1769 In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Begriff ẓlm, dadurch, dass er einen ent­ scheidenden Bestandteil der Überschrift für den gesamten Text darstellt, nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung auf alle Opferempfänger in dem Text zu beziehen ist, d. h. die rāpiʾūma, die malakūma und den jüngst verstorbenen König Niqmaddu, der im Text jedoch ohne Titel genannt wird. 1762 Loretz 1993: 297. 1763 MSL XII l ú = ša: 168 Z. 359 (vgl. Tropper 1989: 147 f.; Loretz 1993: 297). 1764 Vgl. CAD Ṣ: 189-192, s. v. ṣillu. 1765 Niehr 2007: 251, Fn. 43. 1766 Watson 1986: 18. 1767 Xella 1981: 282 – 284. 1768 Bonatz 2000a: 199 Anm. 229. 1769 Siehe die Anmerkung zu Zeile 13-15 ksi, hdm, ṯlḥn sowie Kapitel 2.1.4, 3.1.2 und 4.1.2.

261

Dass es für die zuvor verstorbenen Könige bzw. die Ahnen Statuen gab, ist gemäß dem Konzept der Evozierung anzunehmen (siehe auch Kapitel 4.1.2). Und auch bezüglich des jüngst verstorbenen Königs kann vermutet werden, dass nicht nur ein leerer Stuhl bzw. Thron bei der Trauerfeier vorhanden war, sondern dass auf diesen wahrscheinlich ebenfalls eine Statue gesetzt wurde.1770 Allerdings gibt es weder für die eine noch für die andere Option eindeutige Belege aus Ugarit. Die wenigen Statuen und Sta­ tuenfragmente aus Ugarit erlauben weder einen Rückschluss auf den Zeitpunkt ihrer Anfertigung noch eine Zuordnung zu bestimmten Herrschern (siehe Kapitel 4.1.2 mit Unterkapiteln). Dennoch ist aufgrund der zahlreichen Belege für Statuen im Totenkult und der bislang nicht belegten Verwendung des Begriffs „Schatten“ im Semitischen in selbigem Kontext, nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung diesbezüglich W. G. E. Watson, P. Xella und H. Niehr zu folgen und ẓlm mit „Statue“ zu übersetzen.1771 Möglicherweise wird mit diesem Begriff eine ähnliche doppelte Deutungsmöglichkeit geschaffen, wie in dem Text Mari 12803, in dem den lamassatu von Sargon und Narām-Sîn ein Schaf geopfert wird. Der Begriff lamassatu hat die Grundbedeutung „Schutzgeist“, bezieht sich in dem genannten Text allerdings sehr wahrscheinlich auf die Bildnisse der beiden Götter.1772 (2) rpi: Der Begriff rāpiʾūma wird in den Keilschrifttexten wiedergegeben mit rpi/u (KTU 1.161), rpi/um (KTU 1.6 VI 46; KTU 1.20 – 1.22). Bei der Vokalisation stellt sich die Frage, welche Bedeutung man diesem Terminus zugrunde legen möchte. Allgemein wird das Wort von der Wurzel rpʾ „heilen“ hergeleitet. Die beiden meist vertretenen Versionen der Aussprache sind rāpiʾūma und rapīʾūma.1773 Ersteres würde den Begriff als aktives Partizip (Präsens) vokalisieren mit der Bedeutung „Heiler“1774, letzteres gibt ein Verständnis als Verbalsubstantiv „der Heile“1775 wieder. In dieser Arbeit wird sich der Interpretation des Begriffs als Partizip angeschlossen und die rāpiʾūma als „Heiler“ verstanden. Dieses Verständnis scheint vor allem vor dem Hintergrund des Textes KTU 1.161 (insb. Z. 31 – 34) plausi1770 Siehe die Anmerkung zu Zeile 13-15 ksi, hdm, ṯlḥn. Eine andere Interpretation wurde noch favorisiert in Lange 2012: 164. 1771 Anders Lange 2012: 162-164. 1772 Vgl. den Kommentar zu M. 12803 I 5 in Kapitel 2.2.2.1.2.4.1. 1773 Vgl. z.  B. Tropper 2008: 107 s.  v. rpu, rpʾ; ähnlich auch Pitard 1999: 259, Fn. 2. 1774 Tropper 2000: 471 f.; 2008: 107 s. v. rpu. 1775 Tropper 2000: 480 f.; 2008: 107 s. v. rpu.

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Ugarit

bel, da die positive Konnotation der Totengeister in diesem Text deutlich betont wird. Hier werden die Totengeister unter anderem evoziert, um die königliche Familie zu schützen. Eine ausführliche Diskussion des Begriffs rpu erfolgt am Ende des philologischen Teils dieser Arbeit unter Berücksichtigung der, in diesem Zusammenhang bedeutenden, sogenann­ ten rāpiʾūma-Texte (siehe Kapitel 4.2.2.1 und 4.2.5.1). (13-15) ksi, hdm, ṯlḥn: Der ksu „Thron“, hdm „Fußschemel“ und ṯlḥn „Tisch“, die von den Trauernden beweint werden sollen, werfen die Frage auf, ob diese in Verbin­ dung mit einer Statue zu verstehen sind, oder ob das entscheidende Element der leere Thron ist. Zahlreiche Textbeispiele zeigen, dass ein Stuhl oder ein Thron offenbar eine besondere Bedeutung im Totenkult hatte. Dieser schien als Ort, an dem sich der Totengeist während der Be­stattung aufhielt, zu dienen.1776 Möglicherweise wurden der Stuhl und andere Möbelstücke, ge­nannt wird beispielsweise ein Bett, gemeinsam mit dem Toten bestattet und damit mit ihm in die Unterwelt überführt.1777 Zudem gibt es verschiedene Hinweise in den keilschriftlichen Texten, dass zumindest in Herrscherkreisen, anlässlich des Todes einer Person eine Statue errichtet wurde, sodass diese als „Aufenthaltsort“ des Totengeistes dienen konnte.1778 Wie ein neuassyrischer Text zu einer königlichen Bestattung belegt, ist auch denkbar, dass eine solche Statue mit in dem Grab bestattet wurde.1779 Ebenso erinnert dies an die von S. Marchegay beschriebenen Annexräume in einigen ugaritischen Gräbern, die möglicherweise zur Aufbewahrung einer wertvollen Statue, in die der Totengeist evoziert werden konnte, dienten (siehe Kapitel 4.1.1.2.5.5). Dass solche Statuen in Verbindung mit den genannten Thronen aufgestellt und vor 1776 Scurlock 2002: 2-6; Veenhof 2008: 116 f. 1777 Dies geht u. a. aus den Reformen des Uruinimgina hervor (siehe Scurlock 2002: 4). Auch O. Loretz geht davon aus, dass die Totengeister „[…] nach diesem Ritual das Mobiliar des jüngst verstorbenen Königs und diesen selbst in die Unterwelt hinab [begleiten].“ (Loretz 1993: 300); in einer anderen Veröffentlichung formulieren M. Dietrich und O. Loretz wiederum die nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht zu weit gehende Annahme, „Folglich ist KTU 1.161 ein Ritual, das beim Begräbnis des Königs die Grabbeigaben der Möbel regelt“ (Dietrich – Loretz 1991b: 105 f.). Eine solche Interpretation legt den Schwerpunkt des Textes auf die Möbel und missachtet, dass im Großteil des Textes die Evozierung der Totengeister und die Eingliederung des verstorbenen Königs in diese, die Hauptrolle spielt. 1778 Scurlock 2002: 1 f. 1779 K.7856 + K.6323 Rev. Col. II’ (Mc Ginnis 1987: 5); Scurlock 2002: 2.

ihnen Kulthandlungen vollzogen wurden, zeigt auch der in das 13. Jahrhundert v. Chr. datierende Aḥirom-Sarkophag, auf dem vermutlich eine Statue des verstorbenen Königs bei der Trauerfeier abgebildet wurde (Abb. 101).1780 Das in der Szene dargestellte Mobiliar ruft wiederum in Erinnerung, dass auch in dem Text KTU 1.161 nicht nur der Stuhl des Herrschers, sondern auch sein Fußschemel und der Tisch erwähnt werden (Zeile 20-21), die allesamt, wie auch die aus dem ersten Jahrtausend bekannten Speisetischszenen zeigen, im Totenkult zum Tragen kamen.1781 Vermutlich lässt sich dieses Konzept, in dem der Stuhl bzw. Thron eine derart bedeutende Rolle spielt und eine Statue optional auf diesem platziert werden konnte, auch auf den nach der Bestattung folgenden Totenkult bzw. Ahnenkult anwenden. Scurlock merkt diesbezüglich jedoch an, dass es durchaus wahrscheinlich ist, dass es sich bei den Statuen, die anlässlich einer Be­stattung angefertigt wurden und solchen, die im Rahmen des Totenkultes eine Rolle spielten, nicht um die gleichen Statuen handelte.1782 Dass jedenfalls die „Stühle“ bzw. „Throne“ auch im Totenkult einen wichtigen Bezugspunkt darstellten, verdeutlicht unter anderem der Text Mari 12803, der das É gišGU.ZA.ḪI.A „Haus der Throne“ nennt, in dem das kispu(m) ausgeführt wird. Auch diese Throne waren zumindest zum Teil wiederum mit Statuen kombiniert, wie die in diesem Zusammenhang genannten Statuen der Könige Narām-Sin und Sargon belegen (siehe Kapitel 2.2.2.1.2.4.2). Das beste archäologische Beispiel einer Statue, die mit einem solchen Thron kombiniert wurde, liefert die Statue von Idrimi aus Alalaḫ, die auf einem Thron aus Basalt eingepasst werden konnte (Abb. 102a-c).1783 Diese Beispiele zeigen, dass bereits dem Stuhl bzw. Thron an sich eine hohe Bedeutung zugeschrieben werden kann. Im Zusammenhang mit einer Bestattungsfeier eines Königs ist jedoch davon auszugehen, dass die Person zusätz­lich durch eine Statue repräsentiert wurde,1784 in der sich der Totengeist während der Trauerfeier auf1780 Niehr 2012b: 566 f., 573 f.; siehe zum Aḥirom-Sarkophag auch Niehr 2006c. 1781 Vgl. auch Niehr 2012b: 569. 1782 Scurlock 2002: 2. Auch bei den hethitischen Königen wurde im Rahmen der Bestattung zwischen dem zweiten und dem Beginn des siebten Tages nach Eintreten des Todes eine Statue angefertigt, die für die restlichen Tage der 14tägigen Feierlichkeiten den Verstorbenen repräsentierte. Ob diese Statue am Ende der Bestattungsfeier allerdings als Ahnenstatue im Tempel aufgestellt oder wie der Leichnam des Königs verbrannt wurde, ist nicht bekannt (van den Hout 1994, v. a. 59-70; 1995). 1783 Smith 1949: 2-7, Fig. 2; Mayer-Opificius 1981: 281-284; siehe auch Niehr 2012b: 566. 1784 Vgl. auch Dietrich – Loretz 1980: 381; Niehr 2012b: 569 f.

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Die schriftlichen Quellen

Abb. 101: „Aḥirom-Sarkophag“, westliche Schauseite mit der Szene einer Trauerfeier vor der Königsstatue (Yon 1991a: Fig. 15b).

Abb. 102a-c: Statue des Idrimi aus Alalaḫ mit separat gefertigtem Basaltthron; a: Rekonstruk­tion (Mayer-Opificius 1981: Abb. 7), b-c: Fotografie (Smith 1949: Frontispiece, © The British Institute at Ankara).

hielt. Zu dieser Vorstellung passt die Aufforde­ rung in KTU 1.161, Zeile 20 – 21, nach der sich der Totengeist vom Thron aus hinter seinen Herren in die Unterwelt hinab begeben soll.1785 (20) bʿlk: Der Terminus bʿlk ist als Plural aufzufassen,1786 da in den Zeilen 23 – 26 die verschiedenen Ahnen aufgelistet werden, unter die sich der 1785 Für eine Zusammenstellung der verschiedenen Interpreta­ tions­möglichkeiten dieser beiden Zeilen siehe auch Tsumura 1993: 48-52. 1786 So auch Bordreuil – Pardee 1991: 155.

jüngst verstorbenen Niqmaddu einreihen soll. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass mit bʿlk „deine Herren“, die im Folgenden genannten Vorfahren bzw. Ahnen, gemeint sind. Zwar ist auch ein singularisches Verständnis gängig, demnach Didānu als „Herr“ des Niqmaddu IV. zu interpretieren wäre,1787 allerdings widerspricht dem, dass

1787 Caquot – de Tarragon – Cunchillos 1989: 108 f., Fn. 334; Niehr 2008: 252. H. Niehr geht davon aus, dass „Mit ‚Herr‘ […] Didānu, der Anführer der rapiʾūma, gemeint [ist]; insofern scheidet ein pluralistisches Verständnis hier aus.“ Ebenda: 252, Fn. 55.

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264

Ugarit

Didānu als einzelne Person nicht angerufen wird, sondern nur die „Versammlung des Didānu“. (22-26) tḥt Die lokale Präposition tḥt1788 besitzt zwei Bedeutungsnuancen, die das Verständnis dieser Passage grundlegend beeinflussen. Zum einen kann tḥt übersetzt werden mit „unter“ im Sinne einer hierarchischen Unterordnung oder als „unter“ im Sinne von „inmitten“.1789 Somit stellt sich die Frage, ob sich der König in die Gruppe der rāpiʾūma und der beiden namentlich genannten malakūma „Könige“ einreihen oder ob er sich diesen „unter“ordnen sollte. Mögliche Anhaltspunkte können aus dem Kirta-Epos gewonnen werden, da es zeigt, dass ein König zu einem rāpiʾu werden konnte (siehe Kapitel 4.2.3.2). Zudem können die Pa­rallelen aus den sogenannten rāpiʾūma-Texten, in denen die rpum die Apposition ilnym/ilm „die Göttlichen/Götter“ erhalten (siehe Kapitel 4.2.2.1), und die Parallelen aus der ugaritischen Königsliste, in der den Königen die Erweiterung il voran­ gestellt wird,1790 angeführt werden. Diese Texte zeigen, dass die Könige nach ihrem Tod eine Vergöttlichung erfuhren und entsprechend vermutlich ebenfalls zu „göttlichen“ rāpiʾūma wurden. Es ist jedoch zu betonen, dass, auch wenn diese Beispiele zeigen, dass ein König zu einem rāpiʾu werden konnte, in dem Text KTU 1.161 eine klare Unterscheidung zwischen rāpiʾūma und malākuma vorgenommen wurde. Berücksichtigt man die verschiedenen Belege für die rāpiʾūma und die Konstellationen, in denen die rāpiʾūma und die malākuma auftauchen, ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die verstorbenen Könige, sobald sie in die Unterwelt gelangten, zunächst den Status der malākuma erlangten. Erst nach einer undefinierten, aber offenbar relativ langen Zeitspanne, erlangten die verstorbenen Könige den Status als rāpiʾūma.1791 1788 Die Möglichkeit, tḥt als Verb im Imperativ „geh hinab“ aufzufassen, wie es R. G. Lehmann (Universität Mainz) im Rahmen eines Gastvortrags der Autorin vorgeschlagen hat (siehe auch Tsumura 1993: 43 und Schmidt 1994: 119) würde zwar inhaltlich naheliegen, ist jedoch aus philologischer Sicht sehr ungewiss (del Olmo Lete 2014: 159, Fn. 77). 1789 Vgl. del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 865-866 s. v. tḥt (I) 1), 3) und 4). 1790 KTU 1.113 (siehe beispielsweise Pardee 2002: 195210). Auch in der akkadischen Königsliste aus Ugarit (RS 88.2012, 94.2501, 94.2518 und 94.2528) wurde den Königen das Determinativ DINGIR vorangestellt (darauf verweist u. a. Niehr 2009: 338). Siehe auch die Diskussion zu den ilib in Kapitel 4.2.3.1. 1791 Eine Unterscheidung von alten und jungen Ahnen ist nicht einzigartig sondern findet laut O. Loretz Parallelen in Mesopotamien (Loretz 1993: 297; mit Verweis auf Bayliss 1973: 121).

Dies scheint der höchste Status zu sein, den ein König in der Unterwelt erreichen konnte. Aus der Zusammenstellung in KTU 1.161, in der der verstorbene König ohne Titel angesprochen wird, zwei namentlich genannte Könige den Titel mlk führen und die übrigen Totengeister mit rpu betitelt werden, geht eine eindeutige Hierarchi­ sierung hervor. Es kann somit angenommen werden, dass die Präposition tḥt mit „unter“ im Sinne einer hierarchischen Unterordnung zu verstehen ist. (27 – 31) ṯʿ Die Passage, in der das ṯʿ-Opfer dargebracht wird, wurde auf unterschiedliche Weise interpretiert. D. Pardee liest „Once and perform the ṯʿ-sacrifice; Twice and perform the ṯʿ-sacrifice”1792 etc. bis zum siebten Mal, und versteht dies als einen Verweis auf das siebenfache Hinabsteigen des Königs in die Unterwelt.1793 J.-F. Salles verbindet dies mit einer brunnenartigen Grube neben Grab 206, einer der drei Königsgrüfte, und schlägt vor, dass das im Text genannte Hinab­ steigen in die Unterwelt (Zeile 20 – 22), mit einem siebenmaligen Absenken des Leichnams in die Grube symbo­lisiert worden sein könn­ te.1794 Allerdings weist J.-F. Salles im gleichen Text darauf hin, dass diese Grube nicht mit den drei Grüften verbunden war und „il jouait évidemment un rôle de premier plan dans les rituels funèbre et funéraire du Palais Royal.“1795 Das Absenken eines Leichnams in eine Grube, bei der es sich nicht um ein Grab handelt, scheint höchst ungewöhnlich. Und auch ein mehrfaches Absenken des Verstorbenen in ein Grab ist anderweitig nicht belegt. Theoretisch ist auch denkbar, dass sich die siebenfache Nennung des Opfers auf die zuvor namentlich genannten Verstorbenen be­zieht: Didānu, ulkn, trmn, sdnwrdn, ṯr-ʿllmn, Amiṯtamru und Niqmaddu. Allerdings müsste man dann die Passagen in denen die rāpiʾūma als Kollektiv genannt werden dahingehend interpretieren, dass diese Zeilen lediglich als zusammenfassende Bezeichnungen für die im Folgenden einzeln genannten rāpiʾūma dienen: „(2) Ihr seid geladen rāpiʾūma der Unterwelt, (3) Ihr seid gerufen Versammlung des Didānu (…) (8) Geladen sind die sehr alten rāpiʾūma“. In dieser Arbeit wird jedoch die Auffassung vertreten, dass die parallel verwendeten Ausdrücke in Zeile 2 und 3 tatsächlich das Kollektiv der rāpiʾūma bzw. der Versammlung des Didānu anspricht. In der Zeile 8 werden hingegen die vorher nament1792 Pardee 2002: 88. 1793 Ebenda: 86. 1794 Salles 1995: 179; anders Niehr 2007: 226-228. 1795 Salles 1995: 179.

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Die schriftlichen Quellen lich genannten rāpiʾūma nochmals als die sehr alten rāpiʾūma klassifiziert (siehe unten). Somit würde, bei der Annahme, das siebenfache ṯʿ-Opfer sei für die sieben namentlich genannten Verstorbenen, die zu Anfang gerufene Gruppe der rāpiʾu vernachlässigt werden. Nach dem in dieser Arbeit vertretenen Ver­ ständnis ist daher der Übersetzung von J. F. Healey, A. Caquot und H. Niehr1796 zu folgen, die diese Zeilen als ein Opfer, das an sieben aufeinander folgenden Tagen geschieht, verstehen. Ein solches Verständnis scheint mit Blick auf die siebentägigen Bestattungszeremonien in Mesopotamien sehr wahrscheinlich.1797 Dieser Interpretation folgend wäre zu ergänzen „(Tag) eins und ein ṯʿ-Opfer, (Tag) zwei und ein ṯʿ-Opfer“ etc. (30) ʿṣr Das Vogel-Opfer, welches in Zeile 31 genannt wird, versteht D. Pardee als Vorsorge für das Wohlbefinden der Königsmutter, den neuen Kö­nig und die Stadt Ugarit.1798 G. del Olmo Lete verbindet das Vogel-Opfer hingegen mit den vorhergehenden Opfern: „On(c)e (it is recited) and an offerer, two and (another the) offerer […] seven and (another the) offerer: they offer: a bird.“1799 Das ṯʿ-Opfer ist als solches in diesem Text nicht näher definiert, allerdings kann aufgrund der Texte KTU 1.39 und KTU 1.40, in denen dieses Opfer wiederum auftritt, ein Speise- bzw. Schlachtopfer angenommen werden.1800 Da es sich bei dem ṯʿ-Opfer sehr wahrscheinlich um ein Speiseopfer handelt, ist durchaus möglich, dass dieses in Verbindung mit dem Vogelopfer am Ende der Passage steht.1801 In diesem Zusammenhang sollte der Titel des Rituals KTU 1.161 erneut erwähnt werden, der das Wort dbḥ enthält, was nach G. del Olmo Lete und J. Sanmartín mit „1) ‚sacrifice, (sacrificial) banquet‘; 2) ‚offering‘; 3) month name (?)“1802 übersetzt werden kann. Bedenkt man den Titel von KTU 1.161 und die Tatsache, dass die ṯʿ-Opfer und das Vogel-Opfer direkt auf die Text1796 Healey 1978: 87; Caquot – de Tarragon – Cunchillos 1989: 109 f.; Niehr 2008: 252. 1797 BAM V 449 II 1-10 (Transliteration und Übersetzung in Tsukimoto 1985: 135, mit Fn. 456), so auch im GilgamešEpos (Gil. X 58, 135, 235; siehe bspw. George 2003: 681, 687, 693) und der Harran-Inschrift H1 B III 26 f. (Gadd 1958: 52 f.) (vgl. Tsukimoto 1985: 136, Fn. 459). 1798 Pardee 2002: 86 – 88. 1799 Del Olmo Lete 1999a: 197. 1800 Siehe hierzu die Diskussion zu den verschiedenen Opferarten in Kapitel 4.2.5.3. 1801 Anders Minunno 2013: 65-67. 1802 Del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 262 s. v. dbḥ; siehe auch del Olmo Lete 1995: 37-40; 2004: 544, Fn. 17; Merlo – Xella 1999: 291-293.

265

stelle folgen, in welcher der König in die Unterwelt hinabsteigt, können diese Opfer als ein Totenmahl im weitesten Sinne verstanden werden. Fraglich ist allerdings, für wen die ṯʿ-Opfer bestimmt waren. Sollten sie dem König auf seinem Weg in die Unterwelt als Proviant dienen oder sind sie für die Toten, unter die er sich einreihen soll, gedacht (siehe Kapitel 1.2.2)? Einen Hinweis könnten die Zeilen 30 – 31 liefern. Versteht man das Vogel-Opfer als nähere Definition des ṯʿ-Opfers (siehe Kapitel 4.2.5.3.1), wäre das ṯʿ-Opfer unter anderem dargebracht worden, um dem Königshaus und der Stadt Wohlergehen zu bescheren. Diese „Schutzfunktion“ ist im Allgemeinen den Totengeistern in der Unterwelt zuzuschreiben (vgl. Kapitel 1.2.3), sodass diese ṯʿ-Opfer vermutlich eher den Toten, unter die sich Niqmaddu IV. einreihen soll, zugedacht wurden, anstatt für den verstorbenen König selbst vorgesehen gewesen zu sein. 4.2.1.2 Interpretation des Textes KTU 1.161 Abschließend lässt sich zu dem Text KTU 1.161 fest­halten, dass diese Niederschrift eines Rituals, das im Zusammenhang mit dem Tod des Königs steht, Einblick in die Konzeption und hierarchische Gliederung der Unterwelt gewährt. Zunächst werden nach dem Tod des Königs die Totengeister aus der Unterwelt evoziert. In den Zeilen 2 – 12 und 23 – 26 werden die Namen derer genannt, denen in dem Text ein Opfer dargebracht wird und unter die sich der jüngst verstorbene König Niqmaddu IV.1803 (13) einreihen soll. Unter den Angerufenen befinden sich die „rāpiʾūma der Unterwelt“ (2 und 9), die „Versammlung des Didānu“ (3 und 10), die „sehr alten rāpiʾūma“ (8 und 24) und eine Reihe namentlich ge­nann­ter rāpiʾūma (4 – 7). Allerdings ist es durchaus möglich, dass die namentlich aufgeführten rāpiʾūma unter dem Begriff der „sehr alten rāpiʾūma“ in der darauf folgenden Zeile zusammengefasst werden. Dafür spricht, dass die „rāpiʾūma der Unterwelt“ und die „Versammlung des Didānu“ in diesem Text fest stehende Synonyme bilden. Der Terminus für „die sehr alten rāpiʾūma“ folgt hingegen nur auf die Aufzählung einzeln ge­nannter rāpiʾūma. Zusätz­ lich werden die zwei Könige Amiṯtamru und Niqmaddu (11 und 12)1804 aufgeführt, die jeweils den 1803 Siehe Fn. 1747. 1804 Dass der in Zeile 13 aufgeführte Niqmaddu, dessen Thron und Schemel beweint werden sollen, nicht derselbe ist wie in Zeile 12, ergibt sich daraus, dass der jüngst verstorbene König aufgefordert wird sich unter eben die beiden Könige Amiṯtamru II. und Niqmaddu III. sowie unter die rāpiʾūma einzureihen. Bemerkenswert ist, dass es sich bei diesen Königen nicht um die beiden Könige handelt, die als letztes vor Niqmaddu IV. verstorben sind, sondern dass zwischen ihnen und Niqmaddu IV. noch vier weitere Könige regierten (siehe Tab. 3 und für die Geschichte Ugarits Singer 1999,

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266

Ugarit

Titel malku „König“, nicht aber rāpiʾu tragen.1805 Möglicherweise dienen diese Zeilen lediglich, wie von W. T. Pitard vorgeschlagen, als eine Art Platzhalter, der signa­lisiert, dass an dieser Stelle die Namen einer bestimm­ten Liste vorzulesen sind, etwa für die malakūma die Namen aus der ugaritischen Königsliste KTU  1.113 (siehe Kapitel 4.2.3.1). Dies würde auch erklären, warum die Auflistung der Namen im Text beim zweiten Mal nochmals verkürzt widergegeben wird.1806 Bemer­ kenswert ist, dass weder der jüngst verstorbene Könige Niqmaddu, noch seine Hinterbliebenen mit Titeln aufgeführt werden. Offenbar sollte eine klare Rangordnung ausgedrückt werden, der zufolge sich in diesem Zusammenhang der Totengeist des jüngst verstorbenen Königs unter die anderen Totengeister einzureihen hatten. Nachdem die Totengeister angerufen wurden, werden der Thron, der Fußschemel und der Tisch des verstorbenen Königs beweint. Verschiedene Vergleiche legen nahe, dass es zudem eine Statue gab, die den König auf seinem Thron repräsentierte und in der sich der Totengeist während der Trauerzeit „aufhielt“.1807 Sodann wird die Sonnengottheit Šapšu in das Geschehen mit eingebunden (Zeile 18-19), wobei sich die Präsenz der Sonnengöttin durch ihre nächtlichen Wanderungen durch die Unterwelt und der dadurch bestehenden Verbindung zu den Toten erklärt.1808 Šapšu ruft im Folgenden den jüngst verstorbenen König dazu auf, hinter den Geistern seiner Vorfahren in die Unterwelt hinabzusteigen und sich unter ihnen einzuordnen.1809 Abschließend wird je ein ṯʿ-Opfer vermutlich an sieben aufeinander folgenden allerdings noch mit der konventionellen Zählung). H. Niehr führt für die Nennung dieser beiden Könige den Grund an, dass Niqmaddu III. in der zweiten Hälfte des 14. Jh. v. Chr. an der Gruft im Königspalast mit gebaut hat. Somit setzte vermutlich bereits mit seinem Vater Amiṯtamru  II. die Tradition der Königsbestattung und die Praxis des königlichen Totenkultes in und an der Gruft in Raum 28 ein (Niehr 2009: 333; Pfälzner 2011c: 149 f.). 1805 Von W. T. Pitard wurde vorgeschlagen, dass die einzeln genannten rāpiʾūma ebenso wie die malakūma der Gruppe der „rāpiʾūma der Unterwelt“ und der „Versammlung des Didānu“ angehören (Pitard 1978: 69). Allerdings stellt sich die Frage, warum zwei Mitglieder der rāpiʾūma noch als malakūma betitelt werden sollten, wenn sie schon Teil der besagten Gruppe waren. 1806 A. a. O. 1807 Siehe den Kommentar zu [13-15] ksi, hdm, ṯlḥn. 1808 Vgl. Healey 1977: 90-103; 1978: 87; Dietrich – Loretz 1983: 21; del Olmo Lete 1999a: 168; Kutter 2008: 87; anders Schmidt 1994: 84-88. 1809 Interessanterweise existiert auch ein hurritischer Ritualtext (KTU 1.125), in dem der König Amiṯtamru III. zu seinen königlichen Ahnen in die Unterwelt begleitet werden soll (Dietrich – Mayer 1997). Dieses Konzept ist, wenn auch weniger ausführlich, somit in Ugarit mehrfach belegt. Da der Text jedoch keinerlei Informationen zu etwaigen Opfergaben enthält, wird er in dieser Arbeit nicht im Einzelnen behandelt.

Tagen dargebracht und soll dem Wohlergehen der Hinterbliebenen und der Stadt dienen.1810 Nachdem mit dem Text KTU 1.161 der wichtigste Text in Zusammenhang mit Bestattungsritualen und dem Totenkult in Ugarit vorgelegt und diskutiert wurde, werden im Folgenden weitere Texte heran­ gezogen, die unter anderem eine nähere Definition der rāpiʾūma und des ṯʿ-Opfers erlauben. 4.2.2 Die rāpiʾūma in den alphabetischen Keilschrifttexten Für eine Diskussion der verschiedenen Gruppen von rāpiʾūma und ihrer Einordnung in den Ahnenkult ist es nötig, im Folgenden die sogenannten „rāpiʾūmaTexte“ (KTU 1.20 – 1.22)1811 und einen Ausschnitt aus dem Baʿal-Zyklus (KTU 1.6) zu behandeln. Zusätzlich wird der Text KTU 1.108 in diesem Zusammenhang präsentiert, obwohl die Relevanz dieses Textes in Zusammenhang mit den rāpiʾūma und dem Totenmahl nicht ohne Zweifel ist. 4.2.2.1 Die sogenannten rāpiʾūma-Texte KTU 1.20 – KTU 1.22 Der Text KTU 1.20 wurde während der Ausgrabungen 1931 in Ugarit in der Nähe des südlichen Türdurchganges des Hauses des Oberpriesters entdeckt.1812 Bereits ein Jahr zuvor hat man in diesem Haus die beiden Tafelfragmente KTU 1.21 und KTU 1.22 gefunden. Allerdings lagen sie offenbar nicht in dem gleichen Bereich wie KTU 1.20, genaueres ist über ihre Herkunft jedoch nicht bekannt.1813 Außer diesen Texten wurden auch die sechs Tafeln und verschiedene Fragmente, die den Baʿal-Zyklus wiedergeben (KTU 1.1 – 1.6) in der sogenannten Bibliothek im Haus des Oberpriesters gefunden.1814 Bei den drei „rāpiʾūma-Texten“ handelt es sich um drei Fragmente, die vermutlich von einer mindestens sechsspaltigen Tontafel stammen.1815 Die sehr fragmentarischen Texte geben eine Erzählung wieder, bei der die rāpiʾūma eine zentrale Rolle spielen. Eine Gesamtbetrachtung der drei sogenannten rāpiʾūmaTexte erfolgt nach der Präsentation der einzelnen Texte und den Erläuterungen zu einzelnen im Hinblick auf die Interpretation wichtigen Elementen. Eine abschließende Diskussion zu den rāpiʾūma folgt am Ende des philologischen Teils. 1810 Zum ṯʿ-Opfer siehe Kapitel 4.2.5.3.1. 1811 Eine erste Publikation der Tafeln erfolgte in Virolleaud 1936 und 1941, eine neue Edition erarbeiteten u. a. Pitard 1992 und jüngst Pardee 2011. 1812 Pitard 1992: 41. 1813 Ebenda: 51. 1814 Smith 1997: 81. 1815 Pardee 2011: 1-10 mit ausführlicher Diskussion der bisher erfolgten Rekonstruktionsversuche der Tafel(n).

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Die schriftlichen Quellen

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KTU 1.22 = Vorderseite, Kolumne I1816 1 1-2

mm⌈ – ⌉[…] […] (2)h .

2

hnbnk . hn⌈ – ⌉[…]

3

bnbn . aṯrk .

3-4

Siehe, dein Sohn, siehe […] […] der Sohn des Sohnes,1817 dein Nachkomme,1818

hn [.] ⌈ġz⌉[r ]⌈ – ( – )⌉ ydk . (4)

siehe, der ⌈He⌉[ld …] deine Hand.

ṣġr . tnšq . šptk .

Den Kleinen werden küssen deine Lippen.

4-5

ṯm (5)ṯkm . bmṯkm . aḫm .

Dort, Schulter an Schulter die Brüder,

5-6

qym . il (6)blsmt .

die Helfer Els sind in Eile.

4

6

ṯm . y⌈ʿ⌉bš . šm . il . mtm

Dort, es finden sich ein (im) Namen von El die zwei Männer;

7

yʿbš . brkn . šm . il . ġzrm

es finden sich ein (für) den Segen (im) Namen von El zwei Helden.

8

ṯm . ṯmq . rpu . bʿl .

Dort (ist) ṯmq, der rāpiʾu des Baʿal,

8-9 9-10 10 10-11

1819

mhrbʿl

(9)

wmhr . ʿnt .

Krieger des Baʿal und Krieger der Anat.

ṯm . yḥpn . ḥyl(10)y .

Dort (ist) yḥpn, der Mächtige,

zbl . mlk . ʿllmy .

der Fürst, der König von ʿllmy.

km . tdd

Wenn Anat eilt zur Jagd,

ʿnt . ṣd .

(11)

11

tštr . ʿpt . šmm

lässt sie die Vögel des Himmels aufscheuchen.

12

ṭbḫ . alpm .

Schlachtet die Rinder,

12

apṣin . šql .

schlachtet ebenso das Kleinvieh,

ṯrm

die Ochsen und die gemästeten Widder,

12-13

wmri ⌈.⌉ ilm .

(13)

13

ʿglm . dt . šnt

die einjährigen Kälber

14

imr . qmṣ . llim .

ein Lamm, einen Haufen Zicklein.

kksp

Wie Silber für die Reisenden1820 (waren) die Oliven,

14-15

(15)

lʿbrm . zt .

15

ḫrṣ . lʿbrm . kš

16

upr . ṯlḥn . bqʿl

16-17

(wie) Gold für die Reisenden (waren) die Datteln. 1821

bqʿl

.

mlkm .

(17)

Und die Früchte des Tisches von den Wein-blüten, von den Weinblüten des Königs;

17

hn . ym . yṣq . yn . ṯmk

siehe, (an diesem) Tag goss er ein den Wein von ṯmk,

18

mrṯ . yn . srnm .

den Wein-Most aus srn,

y⌈n⌉ . bld

den Wein aus dem Land ġll,

18-19 19 19-20 20 21 21-22

ġll .

(19)

yn . išryt . ʿnq .

den Wein der Glückseligkeit aus ʿnq,

smd

den Wein aus dem Libanongebirge,

ṭṣ

1822

lbnn .

(20)

. mrṯ . yḥrṯ ⌈.⌉ il

den Tau des Mostes, (den) El kultiviert hat.

hn . ym . wṯn .

Siehe, einen Tag und einen zweiten

tlḥm . rpum (22)tštyn .

aßen die rāpiʾūma (und) tranken;

1816 1817 1818 1819

1816 Reihenfolge der Tafelfragmente und Transliteration nach ebenda. 1817 D. Pardee nimmt an, dass hier der Nachkomme Danilus angesprochen wird, auf den auch ṣġr in Zeile 4 Bezug nimmt (Ebenda: 49-51, siehe auch Fn. 71 mit ausführlicher Diskussion). 1818 Vgl. KTU 1.17 I (28) in Kapitel 4.2.3.1; anders D. Pardee, der „le fils, le fils en ta place“ übersetzt (Ebenda: 44) und dies als Ort versteht, an dem die Lebenden und Toten sich versammeln (Ebenda: 50). 1819 Diese und die folgende Zeile sind in ihrer Deutung sehr unsicher. M. Dietrich, O. Loretz und J. Sanmartín übersetzen „dort verbündete(?) der Name Els die beiden Heroen, verbündete der Segen des Namens Els die zwei

18201821 1822

Helden“ (Dietrich – Loretz 1995: 1312); bei D. Pardee heißt es „Là les deux hommes célèbrent le nom de ʾIlu, les deux héros célèbrent en bénissant le nom de ʾIlu“ (Pardee 2011: 44). 1820 N. Wyatt übersetzt ʿbrm mit „vagabonds“ und verweist auf weitere bereits vorgeschlagene Übersetzungen (Wyatt 1998: 322, siehe auch Fn. 42); D. Pardee merkt an, dass dieser Begriff ohne Parallele bleibt, er jedoch dennoch einem Verständnis als „voyageurs, vagabonds, trépassés“ zustimmt (Pardee 2011: 56, siehe auch Fn. 88), die in diesem Fall die Gäste des Banketts wären. 1821 Für eine Diskussion dieses Begriffs siehe Pardee 2011: 56 f 1822 Sehr wahrscheinlich ein Schreibfehler: ṭl zu lesen (Lewis 1997: 204).

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268

Ugarit ṯlṯ . rbʿ . ym .

einen dritten, einen vierten Tag,

22-23

ḫmš

einen fünften (und) einen sechsten Tag

23-24

tlḥmn . rpum (24)tštyn .

aßen die rāpiʾūma (und) tranken

bt . ikl . bprʿ

im Speisesaal auf dem Gipfel,

22

24

ṯdṯ . ym .

(23)

bṣq ⌈.⌉ birt . lbnn .

…(?) an den Hängen des Libanon.

mk . bšbʿ (26)[b]⌈ymm .

Schließlich, am siebten [der] ⌈Tage,

apn⌉k . aliyn . bʿl

darauf⌉hin Aliyanu Baʿal

27

[

[…] sein Freund, mein Vater […]

28

[

25 25-26 26

]⌈ – – – ⌉ . rʿh . aby⌈ – ?⌉[ ] ]⌈ – – ⌉[ ]



KTU 1.21 = Vorderseite, Kolumne II? 1823

1

[

]⌈ – ⌉rzʿy1823 .

[…] mein rzʿ:

lkbty [rpim .

„Geht (zu) meinem Haus, [rāpiʾūma.

2

bb]⌈t⌉y . aṣḥkm ⌈.⌉

In mein] Haus rufe ich euch.

3

iqra [km . ilm . bh]⌈k⌉ly .

Ich lade [euch ein, oh Götter, in meinen Pa]last.“

aṯrh . rpum [ltdd .

Zu seinem Ort, rāpiʾūma, [eilt fürwahr;

4

aṯrh] . ltdd . ilnym

zu seinem Ort] eilt fürwahr, ihr Göttlichen.

5

[

[ …] mein rzʿ:

1-2

3-4

5-6

(2)

(3)

(4)

]⌈ – ⌉rzʿy .

apank . yrp [um (6)

]⌈k⌉m . rʿy .

6 6-7

ht . alk (7)[

7-8

amġy . lbt (8)[ ]

8 8-9 9 10 10-11

[

]ṯlṯt .

bqr]⌈b⌉ . hkly .

wyʿn . il (9)[

]⌈ – ⌉ .

lk . bty . rpim

„Auch ich, oh, rāpiʾū[ma1824 …] meine Freunde. Jetzt werde ich gehen [ am] dritten (Tag) werde ich eintreffen im Haus, […] [im Inner]en meines Palastes.“ Und es sprach El, […] „Geht (zu) meinem Haus, rāpiʾūma.

[bbty . aṣ]ḥkm .

[In mein Haus rufe] ich euch.

iqrakm (11)[ilm . bhk]⌈l⌉y .

Ich lade euch ein [, oh Götter, in meinen Pala]st.“

11

aṯrh . rpum (12)[ltdd .

Zu seinem Ort, rāpiʾūma, [eilt fürwahr;

12

aṯ]⌈r⌉h . ltdd . ⌈il⌉[n]⌈ym⌉

zu sei]nem Ort eilt fürwahr, ihr Gött[li]chen.

[

…………..

]⌈ – ⌉rn[…]

KTU 1.22 = Vorderseite, Kolumne II 1

[ – ] ⌈ – ( – ) . ṯl⌉[…]

[…]

2

b . hkly . ⌈ – ⌉[…]

[ in] meinen Palast.“

3

lkbty . ⌈r⌉[pim .

„Geht (zu) meinem Haus, rā[piʾūma.

bbty . aṣḥ] km .

In mein Haus rufe ich] euch.

iqr[akm . ilm . bhkly]

Ich lad[e euch ein, oh Götter, in meinen Palast.“] 1824

3-4 4

(4)

1823 Für eine Diskussion der häufig vorgenommenen Ergänzung zu mrzʿy (siehe u. a. Dietrich – Loretz 1995: 1310; Lewis 1997: 201; del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 581 s. v. mrzʿy; Tropper 2008: 78 s. v. mrzʿ und mrzḥ) und der Ablehnung eines Verständnisses dieser Zeichenfolge als Schreibung für mrzḥ siehe Pardee 2011: 57-59.

1824 An dieser Stelle wird die Lesung von T. J. Lewis (Lewis 1997: 200; 1996: 129) und D. Pardee (Pardee 2011: 46) übernommen, die hier einen Plural annehmen und „o shades“ übersetzen. Anders M. Dietrich und O. Loretz (Dietrich – Loretz 1995) sowie K. Spronk (Spronk 1986), die diese unvollständige Form als Verb auffassen und „he will he[al

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Die schriftlichen Quellen 5

aṯrh . r[pum . ltdd .

Zu seinem Ort, rā[piʾūma, eilt fürwahr,

5-6

aṯrh] ltdd . il[ynm .

zu seinem Ort] eilt fürwahr, ihr Gött[lichen,

6-7

wyʿn . ṯmq] (7)mhr . bʿ⌈l⌉

Und es sprach ṯmq], Krieger des Baʿal,

7-8

[… mhr] (8)ʿnt .

[ Krieger] der Anat.

lkb⌈t⌉[y . rpim .

„Geht zu meinem [Haus, rāpiʾūma.

8 8-9 9-10

(6)

bbty] (9)aṣḥ . km . ⌈i⌉[qrakm . ilm . b]

In mein Haus] rufe ich euch. hkly .

(10)

Ich [lade euch ein, oh Götter, in] meinen Palast.“

10

aṯ⌈r⌉[h . rpum . ltdd]

Zu seinem O[rt, rāpiʾūma, eilt fürwahr,]

11

aṯrh . lt[dd . ilm

zu seinem Ort ei[lt, ihr Götter.

…]

…] yḥpn, der [Mächtige,

11-12

(12)

yḥpn . ḥy[ly .

12

zbl . mlk . ʿllmy]

der Fürst, der König (von?) ʿllm]

13

šmʿ . atm . […]

„Hört, ihr […]

14

ym . lm . qd⌈ – ⌉[…]

der Tag, an dem […]“

15

šmn . prs⌈ġ⌉[…]

Öl … […]

16

ydr . hm . y⌈ – ⌉[…]

er worfelte (und) sie ..[…]

[…]

das Holz(?), das Lamm(?)

16-17

(17)

ʿ⌈ṣ .⌉ amr .

17

yu⌈ḫ⌉[d . ksa . mlkh]

Er nah[m den Thron seiner Herrschaft ein,]

18

n⌈ḫ⌉t . kḥṯ . d⌈r⌉[kth .

den Sessel, den Sitz seiner M[acht.]

18-19

bbty]

[„In mein Haus] rufe ich die rāpiʾūma.

19-20

[. iqra . ilm]

20-21

aṯrh . rpum . l] (21)tdd .

[Zu seinem Ort, rāpiʾūma,] eilt,

aṯr⌈h⌉[ . ltdd . ilynm]

zu seinem Ort [eilt, ihr Göttlichen.]

21

(19)

aṣḥ . rpi⌈m⌉ bqrb . h[kly .

(20)

[Ich lade ein die Götter] in das Innere meines Pa[lastes.“]

22

asr . m⌈r⌉[kbthm .

Sie schirrten an ihre St[reitwagen,]

22

tṣmd . sswm]

[die Pferde zäumten sie auf.]

23

tʿln . lm⌈r⌉[kbthm .

Sie stiegen auf ihre St[reitwagen,]

tit . ʿl]

[sie kamen] auf ihren Hengsten.

23-24

(24)

ʿrhm .

tl[kn . ym . wṯn .

Sie gi[ngen einen Tag und einen zweiten;]

aḫr . špšm] (25)bṯlṯ .

[nach Sonnenuntergang] am dritten (Tag)

25

m⌈ġy⌉[…]

trafen sie ein […]

26

⌈il⌉[n]⌈y⌉[m…]

die Gött[lichen ...]

24 24-25

269

KTU 1.20 = Rückseite?, Kolumne V? 1 1-2

ṯmn . bqrb . hkl⌈y .

„[…] acht1825 in das Innere meines Palastes.“

a⌉[ṯrh . rpim] ndd .

Zu [seinem Ort sollen die rāpiʾūma eilen,

(2)

aṯrh . ndd . il⌈m⌉[.

zu seinem Ort sollen eilen die Götter.

mrkbthm] (3)asr .

[Ihre Streitwagen] schirrten sie an,

3

sswm . tṣmd . ⌈b g⌉[…]

sie zäumten auf die Pferde in [...]

4

tʿln . lmrkbthm .

Sie stiegen auf ihre Streitwagen,

2 2-3

1825

you]“ bzw. „wird [Baal euch(?) heilen]“ übersetzen. Anlass für die zuletzt genannte Übersetzung ist das voranstehende 1825 K. Spronk ergänzt eine vorangehende Zeile „[ šbʿ bbty], [„ y, das an keiner anderen Stelle in Zusammenhang mit den seven in my house,]“ (Spronk 1986: 165) und äußert sich rpum geschrieben wird, um eine Vokativpartikel anzufügen. zur Bedeutung der Zahl sieben. Er vermutet, dass die Zahl Aus diesem Grund wird es von den Autoren als ein Verb in acht in der bei ihm folgenden Zeile als „common parallel der 3. sg. m. der Präfixkonjugation des Verbs rpʾ „heilen“ to the number seven“ genutzt wurde (Ebenda: 166 f. mit (Tropper 2008: 107 s. v. rpʾ) aufgefasst. weiteren Beispielen).

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270

Ugarit 4

t⌈i⌉[t . ʿl . ʿrhm]

sie [kamen auf ihren Hengsten.]

5

tlkn . ym . wṯn [.?]

Sie gingen einen Tag und einen zweiten,

5

aḫr ⌈.⌉ š[pšm . bṯlṯ]

nach Son[nenuntergang am dritten (Tag)]

6

mġy ⌈.⌉ rpum . lgrnt .

trafen die rāpiʾūma ein auf den Tennen,

6-7

⌈i⌉[lm . bqrb] mṭʿt .

die Gö[tter (kamen an) im Inneren] der Pflanzung.

7

wyʿn . dnil .[…]

Und es rief Danilu, […]

8

yṯb . ġzr . mthrnm⌈y⌉

es antwortete der Held, Mann aus hrnm:

[rpum] bgrnt .

[„Die rāpiʾūma] auf den Tennen,

8-9 9-10 10

(7)

(9)

ilm . bqrb . m[ṭʿt…]

(10)

dtit .

Götter im Inneren Pfla[nzung,] die gekommen sind,

yspi . spu . q[…]

sollen essen. Es sollen essen […]

tpḥ . ṯṣr . shr⌈ – – ⌉[…]

[…] Apfel …

⌈ – ⌉r⌈ – ⌉[ ]⌈ – . – – ⌉[…]



KTU 1.21 = Rückseite, Kolumne V? […]d . larṣ

[ ] auf der Erde

KTU 1.20 = Rückseite?, Kolumne VI? 1

[…. rp]um . td⌈b⌉ḥ⌈n⌉

[(Für) die rāpiʾ]ūma wird geschlachtet,

2

[… ]⌈ – ⌉ʿd . ilnym

[…] die Göttlichen.

3

[…]⌈ – k⌉m⌈t⌉mtm

[…] wie die Toten

4

[…]b ⌈.⌉ kqrb . ⌈s⌉d

[…] wie inmitten des Rates

5

[…]⌈a⌉ [.?] bym . qẓ

[…] am Tag der Sommerernte

6

[…rp]⌈i⌉m . ⌈tl⌉ḥmn

[die rāp]iʾūma speisen

7

[…]⌈ – ⌉m . tštyn

[…] sie trinken

8

[… ]il . dʿrgzm

[…] der Gott, der die ʿrgzm-Substanz

9

[…]⌈.⌉ dt . ʿl . lty

[…] der auf/zu Lasten von/oben …

10

[… ]⌈t⌉dbḥ . amr

[…] sie schlachten ein Lamm

11

[… ]⌈ym – – ⌉



Kommentar KTU 1.22 Vs. I (8) ṯmq Laut G. del Olmo Lete und J. Sanmartín handelt es sich hierbei um einen „DN, lesser deity belonging to the group of the rpum“.1826 KTU 1.21 Vs. II? (8) il M. Dietrich und O. Loretz folgen an dieser Stelle K. Spronk und J. C. de Moor und lesen „yʿ n il ‚Und il sagte‘“.1827 Sie nehmen somit einen Fehler im Keilschrifttext an und folgen der Interpretation, dass nicht El der Sprecher 1826 Del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 917 s. v. ṯmq. 1827 Dietrich – Loretz 1995: 1311, siehe auch Fn. 21 mit Verweis auf Spronk 1986 und de Moor 1987; auch Lloyd 1990: 174 nimmt an, dass Danilu die Gäste in KTU 1.21 Vs. II? und KTU 1.22 Vs. II einlädt.

ist, sondern Danilu, der mythische König des Aqhatu-Epos. Bei K. Spronk heißt es zu dieser Zeile lediglich „The lines 6 – 8 can be restored by comparison with KTU 1.20:II. 5 – 7. This parallel also indicates that ʾil in KTU 1.21:II.8 is almost certainly to be corrected in dnʾil. The same mistake (homoioteleuton) was made to KTU 1.19:II.12.”1828 Auch bei J. C. de Moor wird diese durchaus gravierende Veränderung des Textes nur mit einer kurzen Fußnote bedacht, dort heißt es: „The tablet has wyʿn ʾil. This is either a scribal error for wyʿn ʾil (homoioteleuton) or we have to translate ‚And the god said‘ which would imply that Daʾnilu had been deified (see for a similar case Aqhat III (KTU 1.19): ii.12).”1829 1828 Spronk 1986: 169, Fn. 6. 1829 De Moor 1987: 267, Fn. 271.

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Die schriftlichen Quellen Anders als bei M. Dietrich und O. Loretz, sowie bei K. Spronk und bei J. C. de Moor wird hier die Annahme vertreten, dass in dem Keilschrifttext kein Fehler vorliegt.1830 Geht man von einem Fehler aus, wäre wiederum im Parallelismus zu erwarten, dass Danilu mit seinen Epitheta „Und es rief Danilu, Mann des rāpiʾū, es antwortete der Held, Mann aus hrnm:“ (vgl. KTU 1.20 Rs. V [7 – 8]) genannt worden wäre, mit denen er häufig auch im Aqhatu-Epos vertreten ist. Allerdings gibt es dafür keinerlei Anhaltspunkte und auch der nötige Platz für diese Epitheta zu Beginn der folgenden Zeile 9 steht selbst bei einer großzügigen Berechnung der Tafelgröße nicht zur Verfügung. Mit dieser Begründung wird in der hier vorgelegten Übersetzung davon ausgegangen, dass in dem Keilschrifttext an dieser Stelle die Schreibung korrekt ist und El derjenige ist, der die rāpiʾūma zum marziḥu-Fest einlädt. Diese Annahme unterstützt auch J. L. McLaughlin in seinem Artikel „The marzeaḥ at Ugarit“ und führt weitere Argumente an.1831 KTU 1.22 Vs. II (6-10) Einladung des ṯmq: in Zeile 6 ergänzt D. Pardee aufgrund der Parallele zu KTU 1.22 Vs. I (8-9) ṯmq, sodass diesem die ausgesprochene Einladung zugeschrieben wird. Demnach würde ṯmq, der rāpiʾu des Baʿal, die anderen rāpiʾūma einladen, wodurch Baʿal bereits in das Geschehen einbezogen wird. Aufgrund der Parallele, dass El ebenfalls die rāpiʾūma mit diesen Worten einlädt und der Tatsache, dass sich ṯmq und yḥpn zuvor im Namen des El einfinden, ist anzunehmen, dass ṯmq in dieser Passage die Einladung von El an die rāpiʾūma weiterleitet.

271

ergänzt werden. Dies würde genau in die Zeile passen, wenn man annimmt, dass die beiden Spalten auf dieser Tafel gleich breit waren. KTU 1.22 Vs. II (15, 17) šmn prs/amr J. Tropper übersetzt prs mit „Hohlmaß für Getreide (Halbkor)“1836, sodass es sich möglicherweise auch in dieser Zeile um eine Mengenangabe für das Öl handeln könnte. M. Dietrich und O. Loretz übersetzen hingegen „Öl der Entscheidung [goß er aus]“,1837 was sie vermutlich aus der Bedeutung von parāsu(m) im Akkadischen ableiten, wofür das AHw „(ab)trennen; entscheiden anführt.“1838 Diese Zeile und die gesamte folgende Passage wird von M. Dietrich und O. Loretz jedoch im Zusammenhang mit der Annahme gelesen, dass Danilu derjenige ist, der zum marziḥu-Fest einlädt und nun ein Gelübde ablegt, was er tun wird, wenn sein Sohn König von Amurru werden sollte. Letzteres führt auch dazu, dass sie in der Zeile 17 amr nicht als Lamm lesen, sondern annehmen, dass dies das Land ist, über das Danilus Sohn herrschen soll.1839 Dem ist zu widersprechen, da zum einen anzunehmen ist, dass Danilu ausschließlich in KTU 1.20 genannt wird. Zum anderen wird selbst in dem Text, in dem der König Danilu zweifelsfrei ge­nannt wird, eine Erwähnung des Landes Amurru nicht erwägt.1840 Folglich ist auch das Verständnis dieser Passage von M. Dietrich und O. Loretz abzulehnen. Stattdessen wird eine Übersetzung von amr mit „Lamm“ favorisiert.

KTU 1.22 Vs. II (12) yḥpn G. del Olmo Lete und J. Sanmartín führen unter diesem Eintrag den Kommentar „DN, divine hero in the rpum group“1832 an. M. Dietrich, O. Loretz und J. Sanmartín1833 ergänzen ebenso wie S. B. Parker1834 in Parallele zu KTU 1.22 Vs. I (10) ḥy[ly]. M. Dietrich und O. Loretz verstehen dies als Nisbenbildung und übersetzen somit „Yḥpn, der Hayi[lite]“1835. Dieser Interpretation ist sich nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung anzuschließen. Das Epitheton zbl . mlk . ʿllmy . „der Fürst, der König von ʿllmy“, das dieser Herrscher in KTU 1.22 Vs. I (10) zugewiesen bekommt, könnte auch in KTU 1.22 Vs. II (12)

KTU 1.20 Rs.? V? (6) ilm Zwar kommt in den weiteren „rāpiʾūma-Texten“ (KTU 1.21 und KTU 1.22) – soweit erhalten – ausschließlich der Parallelismus rpum/ilnym vor, allerdings ist in dem hier ergänzten Text in den Zeilen 2 und 9 der Parallelismus rpum/ilm eindeutig belegt. Aufgrund der Parallelstelle in demselben Text, wurde somit in der Zeile 6 lediglich ilm und nicht ilnym ergänzt. Es ist auffällig, dass diese Besonderheit in einer Passage vorkommt, die als einzige den König Danilu als Handelnden aufweist. Zwar ergänzen u. a. M. Dietrich und O. Loretz in KTU 1.21 den il (El) zu dnil (Danilu), allerdings wird einer solchen Ergänzung in dieser Arbeit nicht gefolgt.1841 Es stellt sich somit die Frage, ob die divergierende Terminologie in den einzelnen Passagen in Verbindung mit der Nennung des Königs steht. Es scheint möglich,

1830 So auch Lewis 1997: 200. 1831 McLaughlin 1991: 275 f. 1832 Del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 961 s. v. yḥpn. 1833 Dietrich – Loretz – Sanmartín 1995: 66. 1834 Lewis 1997: 202. 1835 Dietrich – Loretz 1995: 1315.

1836 Tropper 2008: 96 s. v. prs/ś. 1837 Dietrich – Loretz 1995: 1315. 1838 AHw M-S: 830 s. v. parāsu(m) I. 1839 Dietrich – Loretz 1995: 1315. 1840 Siehe die Anmerkung zu KTU 1.20 I [10] amr. 1841 Siehe den Kommentar zu KTU 1.21 Vs. II? (20).

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272

Ugarit

dass Danilu hier als Sprechender die rāpiʾūma als Götter bezeichnet und sie damit als über sich erhaben anspricht. Aus Els Perspektive hingegen werden die rāpiʾūma möglicherweise deshalb nur als „Göttliche“, nicht aber als „Götter“ betrach­ tet, weil sie aus seiner Perspektive hie­rarchisch tiefer stehen. Die Termini ilm und ilnym geben zwar keine hierarchische Ordnung vor, da es sich bei ersterem um den Plural des Wortes il (Gott) und bei dem zweiten um das substantivierte Adjektiv ilny* (göttlich)1842 handelt, allerdings lässt sich eine solche Hierarchisierung von Göttern und verstorbenen Königen auch aus dem Aufbau der ugaritischen Götterliste ableiten.1843 Möglicherweise wurden den Termini ilm und ilnym entsprechend zumindest in den „rāpiʾūmaTexten“ die jeweiligen Bedeutungsnuancen verliehen. KTU 1.20 Rs.? V? (6) dnil Anders als in KTU 1.21 und KTU 1.22 wird in dem fragmentarischen Textstück KTU 1.20 der aus dem Aqhatu-Epos (KTU 1.17 – 1.19) bekann­te König Danilu mit seinen Epitheta ge­nannt. Er ist es, der in diesem Text die rāpiʾūma anspricht. Zu einer weiteren Deutung des Danilu in diesem Kontext folgt in der Schlussfolgerung eine kurze Diskussion zu diesen Texten. KTU 1.20 Rs.? V? (9) grn/mṭʿt Interessanterweise tritt Danilu hier in Zusammenhang mit den Tennen auf. Dieser Bezug erinnert an das Aqhatu-Epos (KTU 1.17 V 4 – 8)1844, in dem Danilu in der Funktion als Richter beim Stadttor auftritt, und zwar (6)tḥt (7)adrm . dbgrn „zwischen den Vornehmen, die auf den Tennen waren“. Es ist durchaus denkbar, dass diese Szene in KTU 1.20 Rs.? V? wieder aufgegriffen wird. Somit dienten die Tennen offenbar verschiedenen öffentlichen Zwecken: zum einen der Versammlung bei der Rechtsprechung durch den König, zum anderen dem Empfang der Gäste bei öffentlichen Feiern wie dem marziḥu-Fest. Der in diesem Zusammenhang folgende Terminus mṭʿt grenzt den Ort der Tennen möglicherweise näher ein. Die Übersetzung bei J. Tropper mit „Pflanzung“1845 sowie bei G. del Olmo Lete und J. Sanmartín mit „plantation“1846 bzw. bei T. J. Lewis mit „plan[ted fields,]“1847 lässt einen Ort vor den Stadtmauern von Ugarit annehmen. Da sich die Tennen nach der Beschreibung im Aqhatu-Epos 1842 Siehe Tropper 2008: 9 s. v. il1, 10 s. v. ilny*. 1843 Siehe den Kommentar zu KTU 1.17 I (26 etc.) ilib in Kapitel 4.2.3.1. 1844 Siehe Parker 1997: 58. 1845 Tropper 2008: 82 s. v. mṭ‛t. 1846 Del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 602 s. v. mṭ‛t. 1847 Lewis 1997: 199.

(KTU 1.17 V 4 – 8) in der Gegend der Stadttore befinden, könnte es sich somit um einen Platz direkt außerhalb der Stadttore handeln. KTU 1.21 Rs. V? […]b . larṣ Diese Zeile könnte sowohl mit „auf der Erde“ als auch mit „in der Unterwelt“ übersetzt werden, wobei die Übersetzung „auf der Erde“ aus zwei Gründen zu bevorzugen ist.1848 Zum einen geht es in dem Text darum, die rāpiʾūma in den „Palast des El“ im Diesseits einzuladen. Zum anderen folgen, nach der von D. Pardee vorgeschlagenen Reihenfolge der Fragmente,1849 weitere Handlungen in Bezug auf die rāpiʾūma, sodass diese in der besagten Zeile noch auf der Erde „präsent“ sein dürften. KTU 1.20 Rs.? VI? (1) In Parallele mit KTU 1.22 Vs. I (12 – 15) wird hier angenommen, dass für die rāpiʾūma und nicht von den rāpiʾūma geschlachtet wird. KTU 1.20 Rs.? VI? (5) bym qẓ J. Tropper bietet in seinem Wörterbuch mehrere Möglichkeiten für den Terminus qẓ, und zwar „Sommer; Sommerernte, -frucht“1850 und übersetzt die Passage mit „am Tag der Sommerernte“1851. Auch T. J. Lewis bietet eine Übersetzung bei der er sich auf eine Angabe eines bestimmten Tages festlegt: „on the festive summer day“.1852 G. del Olmo Lete und J. Sanmartín hingegen führen für qẓ „1)‚summer‘; 2) ‚summer fruit‘“ an und übersetzen die hier zitierte Belegstelle mit „in the days of summer“.1853 In der hier vorliegenden Übersetzung wurde, nach J. Tropper und T. J. Lewis, eine Übersetzung mit der Angabe eines bestimm­ten Tages gewählt „am Tag der Sommerernte“, da es sich hierbei um eine konkrete Zeitangabe für die Evozierung der rāpiʾūma handelt. Somit wird in dieser Arbeit der Interpretation J. Troppers gefolgt, dass es sich bei dem möglichen Zeitpunkt um das in Ugarit zur Erntezeit begangene Neujahrsfest handelt, was nicht nur durch den „Tag der Sommerernte“ naheliegend scheint, sondern auch durch die Angabe, dass die rāpiʾūma auf den Tennen und im „Inneren der Pflanzungen“ ankommen (KTU 1.20 Rs. VI [6 – 9], KTU 1.22 Vs. II [25 – 26]). „An diesem Fest, an dem Baʿals Auferstehung zum Leben und der Rückkehr der Fruchtbarkeit gefeiert wurde, 1848 Sowohl T. J. Lewis (Ebenda: 200), als auch M. Dietrich und O. Loretz (Dietrich – Loretz 1995: 1311) übersetzen diesen Abschnitt ebenfalls mit „auf der Erde“. 1849 Pardee 2011. 1850 Tropper 2008: 103 s. v. rẓ. 1851 Tropper 1989: 139. 1852 Lewis 1997: 197. 1853 Del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 722 s. v. qẓ.

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Die schriftlichen Quellen scheinen die (königlichen) Ahnen zusammen mit dem Gott Baʿal belebt worden zu sein.“1854

273

Bei den drei Texten KTU 1.20, 1.21 und 1.22 stellt sich die Frage, in welchem Zusammenhang diese Tafelfragmente zu verstehen sind. Nachdem zunächst u. a. von W. T. Pitard und N. Wyatt an­genommen wurde, dass der Text KTU 1.20 von einem anderen Schreiber als KTU  1.21 und KTU  1.22 verfasst wurde,1858 konnte D. Pardee in der jüngsten Pu­blikation zu diesen Texten überzeugend darlegen, dass alle drei Texte von dem Schreiber Ilimilku geschrieben wurden, aus dessen Hand auch andere wichtige narrative Texte, wie z. B. das Aqhatu-Epos, stammen.1859 D. Pardee rekonstruiert die drei Fragmente als Bestandteile einer Tafel, die in mindestens sechs Spalten unterteilt war.1860 Demnach würden die drei Fragmente auch alle Bestandteile der gleichen Erzählung sein, in der verschiedene Elemente mehrfach wiederholt werden.1861 Des Weiteren besteht die Frage, ob diese Texte im Zusammenhang mit dem Aqhatu-Epos gesehen werden können. Die Tatsache, dass in KTU 1.20 Danilu mitsamt seiner Epitheta genannt wird, hat mehrfach zu der Ansicht geführt, dass es sich bei den „rāpiʾūma-Texten“ um die vierte Tafel des Aqhatu-

Epos handelt.1862 Folglich hätte das Bankett entweder als Vorbereitung dafür gedient, dass Aqhatu wieder ins Leben gerufen wird oder es könnte sich um eine ähnliche, das ganze Epos zu einem Abschluss bringende, Szene handeln.1863 Nach der von Pardee rekonstruierten Reihenfolge der Fragmente KTU  1.20  – KTU  1.22 inner­ halb einer Tontafel lässt sich die Erzählung wie folgt zusammenfassen: Zunächst wird vermutlich ein Enkel Danilus erwähnt, bei dem es sich entweder um einen Sohn von Aqhatu oder um einen Sohn von seiner Schwester Pūġatu handeln dürfte.1864 Im Weiteren werden zwei der rāpiʾūma, ṯmq und yḥpn, genannt, die im späteren Verlauf des Textes eine Mittlerrolle zwischen El und den übrigen rāpiʾūma zu übernehmen scheinen. Danach wird Anat genannt die zur Jagd geht und es wird die Anweisung gegeben verschiedene Tiere zu schlachten, die gemeinsam mit unterschiedlichen Früchten und Wein den „Reisenden“ serviert werden. Das mit dieser Beschrei­bung eingeleitete Fest dauert sechs Tage, in denen die rāpiʾūma offenbar an den Berghängen des Libanon verköstigt werden. Am siebten Tag stößt Baʿal zu der Festgesellschaft hinzu. Nach einem größeren abgebrochenen Bereich werden mehrere Einladungen an die rāpiʾūma ausgesprochen, zum einen von El, und zum anderen – vermutlich in seinem Auftrag – von ṯmq und möglicherweise auch von yḥpn. Demnach sollen rāpiʾūma in das Haus des El kommen, womit wahrscheinlich sein Tempel in Ugarit gemeint ist. Sobald El dort angekommen ist, spricht er erneut seine Einladung aus, woraufhin die rāpiʾūma ihre Streitwagen anschirren und ihre Pferde aufzäumen. Ebenso wie El benötigen auch die rāpiʾūma für diesen Weg drei Tage. Bei ihrer Ankunft auf den Tennen werden sie von Danilu begrüßt. Möglicherweise steht diese Szene der Begrüßung von Els Gästen durch den König im Zusammenhang mit seiner Funktion als Priester.1865 Sofern die Rekonstruktion D. Pardees1866 und die in dieser Arbeit angeführte Interpretation des Textes zutreffen, werden folglich die rāpiʾūma zunächst an einem Ort im Libanongebirge sechs Tage lang bewirtet. Nach Baʿals Ankunft am siebten Tag, spricht El eine Einladung in seinen „Palast“, seinen Tempel in Ugarit, aus, zu dem sich die rāpiʾūma sogleich begeben, wo sie erneut bewirtet werden. Der letzten rekonstruierten Spalte zufolge, finden die

1854 Tropper 1989: 139; mit Verweis auf de Moor 1972: 12 f. und Spronk 1986: 195; für eine ausführliche Diskussion des ugaritischen Neujahrsfestes siehe Loretz 1999; 2001. 1855 Del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 182 s. v. ʿrgz. 1856 Tropper 2008: 5 s. v. amr, 10 s. v. imr. 1857 Dietrich – Loretz 1995: 1308. 1858 Pitard 1992: 41; 1999; Wyatt 1998: 248. 1859 Pardee 2011: 1-10. 1860 Siehe zur Rekonstruktion Ebenda: 8 f. 1861 Anders Pitard 1999: 262

1862 Vgl. Pope 1977:163, 166; de Moor 1976: 332; Spronk 1986: 160 – 161; Margalit 1989: 464 – 465; Loretz 1993: 300 f.; Dietrich – Loretz 1995: 1306 f.; Pardee 2011: 6 f.; anderer Auffassung sind Dijkstra 1988: 36; Lewis 1996: 119; Pitard 1999: 263; vgl. auch Parker 1997: 78 Anm. 1. 1863 Pitard 1999: 263. 1864 Pardee 2011: 51. 1865 Zur Darstellung des Königs als Priester siehe Kapitel 4.1.2.2. 1866 Pardee 2011.

KTU 1.20 Rs.? VI? (8) ʿrgzm G. del Olmo Lete und J. Sanmartín führen zu diesem Begriff die Umschreibung „an aromatic and medicinal substance (‚juniper berries(?)‘“ an.1855 KTU 1.20 Rs.? VI? (10) amr J. Tropper verweist unter amr auf imr „Lamm“.1856 M. Dietrich und O. Loretz übersetzen hingegen „opfert Amurru“ und verweisen auf KTU 1.22 Vs. II (17).1857 Eine Übersetzung mit „Amurru“ wäre jedoch ohne Parallele und es bleibt in ihrer Übersetzung unklar, ob Amurru in diesem Satzgefüge Subjekt oder Objekt wäre, d. h. ob der Satz so zu verstehen wäre, dass Amurru geopfert werden soll, oder dass Amurru die Opferhandlung ausführt. Da es sich allerdings in den Texten generell um Schlachtopfer handelt und diese von einzelnen Akteuren ausgeführt werden, wäre die Nennung eines Landes an dieser Stelle in jedem Fall höchst ungewöhnlich.

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274

Ugarit

Feierlichkeiten bei El zum Neujahrsfest statt, sodass sich die rāpiʾūma an diesem Tag gleichfalls in Ugarit aufhalten. Neben diesen Beobachtungen ist festzuhalten, dass nach der neuesten Rekonstruktion von D. Pardee das marziḥu in den rāpiʾūma-Texten nicht erwähnt wird und somit der Name der abgehaltenen Feste nicht bekannt ist. Folglich kann auch keine Einordnung des marziḥu in den Totenkult, wie sie von verschiedenen Autoren vorgenommen wurde,1867 erfolgen.1868 4.2.2.2 Ein Ausschnitt aus dem Baʿal-Zyklus KTU 1.6 VI Ein weiterer Text, der die rāpiʾūma erwähnt, ist ein mythologischer Text: der Baʿal-Zyklus. In diesem wird ebenfalls ein Zusammenhang zwischen Šapšu und den rāpiʾūma hergestellt, wie er auch in dem Text KTU 1.161 besteht. Die entscheidende Passage folgt auf eine Kampfszene zwischen Baʿal und dem Gott der Unterwelt, Mot.1869 Schließlich verkündet Šapšu, dass Mots Vater El seinen Kampf mit Baʿal nicht billigen würde, sollte er von dessen Verhalten erfahren, und Mot seinen Thron nehmen würde.1870 Die Zeilen 35 – 42 sind abgebrochen, könnten aber die vorhergehende Szene vervollständigen und erklären, wer in den folgenden Zeilen aufgefordert wird die geopferten Speisen zu essen und den Wein zu trinken. Außerdem wurde in den abgebrochenen Zeilen möglicherweise die folgende Rede Šapšus eingeleitet, die sich auf die Reise der Sonnengöttin durch die Unterwelt be­zieht.1871 Da es nach Smith ungewöhnlich wäre, die genannte Sonnengottheit zur Teilnahme an einem Fest einzuladen, ist hier allerdings vermutlich eher mit einem mit KTU 1.161 vergleichbaren Ritual zu rechnen. In diesem Falle wäre der Angerufene mit dem verstorbenen König zu identifizieren.18721873 KTU 1.6 VI1873 42 – 43 ltštql (43)[…] . ṭry .

Begib dich fürwahr […] frische Speisen.

43 – 44 ap . ltlḥm (44)[l] ḥm . trmmt .

Ja, iss fürwahr die geopferten Speisen,

1867 Margalit 1979/1980: 101-103; Lewis 1989: 87; Pope 1972: 192 f.; 1977: 166; vgl. auch McLaughlin 1991: 281. 1868 Ebenfalls kritisch sieht Schmidt eine Verknüpfung des marziḥu mit dem Totenkult (Schmidt 1994: 62-66 mit Erläuterung der Etymologie des Begriffes marzēaḥ). 1869 Zu den Motiven dieser Szene, v. a. in Bezug auf Mot, siehe Gulde 2007: 80-94; Spronk 2008. 1870 Vergleiche bspw. die Übersetzung von Smith 1997: 162 f. 1871 Ebenda: 163, 175 Anm. 202. 1872 Ebenda: 175 Anm. 202. 1873 Transliteration aus Ebenda: 163 f.

44 – 45 ltšt (45)yn . tgẓyt .

trinke den libierten Wein.

45 – 46 špš tḥtk

Šapšu, du herrschst über die rāpiʾūma,

(46)

rpim .

47 špš . tḥtk . ilnym

Šapšu, du herrschst über die Göttlichen,

48 ʿdk . ilm

um dich herum sind die Götter,

48 – 49 hn . mtm (49)ʿdk .(...)

siehe, die Toten sind um dich herum. (…)

Kommentar (45 – 49) rpim/ilnym/ilm/mtm In diesen Zeilen wird nicht nur ein weiteres Mal, wie schon in KTU 1.161 Šapšu in einen Zusammenhang mit der Unterwelt gebracht, es wird auch betont, dass die Sonnengottheit über die Totengeister herrscht. Des Weiteren wird in diesem Text, wie auch schon in den „rāpiʾūmaTexten“, der Terminus der rāpiʾūma mit meh­ reren anderen Termini parallel verwendet: ilnym, ilm und mtm.1874 Zwar kann die Pluralform mtm auch mit „Männer“ oder „Menschen“1875 übersetzt werden, allerdings ist es naheliegend in dem Kontext der Gottheit Šapšu, die nachts in der Unterwelt herrscht und unter Berücksichtigung von KTU 1.161, worin Šapšu in Zusammenhang mit den rāpiʾūma eindeutig im Kontext des Totenkultes auftritt, diesen Terminus hier mit „Tote“1876 zu übersetzen. 4.2.2.3 KTU 1.108 – rpu mlk ʿlm Die Tontafel mit dem Text KTU 1.108 wurde im Jahr 1961 in Raum 10 des Hauses des hurritischen Priesters freigelegt. In diesem Text wird ein Ritual beschrieben, an dem verschiedene Götter teilnehmen. Besonders Rāpiʾū, „König der Unterwelt“, spielt in dieser Szene eine prominente Rolle und es ist zu klären, ob und welche Bedeutung den rāpiʾūma bei diesem Ritual zu­geschrieben werden sollte.1877

1874 Anders B. B. Schmidt, der davon ausgeht, dass hier sowohl die Verstorbenen, als auch die Götter selbst angesprochen werden, „[…] the sun goddess‘ role as judge over the fates of humanity and mortal heroes, but more central to the cycle’s overall emphasis, Shapshu rules the world of the lesser divinities and ultimately that of the major gods (like Baal and Mot).“ (Schmidt 2000: 239). 1875 Tropper 2008: 81 s. v. mt3; del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 598 s. v. mt (III). 1876 Tropper 2008: 18 s. v. mt2; del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 596 f. s. v. mt (I). 1877 Zu einer Deutung des Textes KTU 1.108 als Ritualtext siehe Niehr im Druck.

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Die schriftlichen Quellen

275

KTU 1.1081878

Vorderseite [hl]n . yšt . rpu . mlk . ʿlm .

[Sieh]e! Es wurde aufgestellt Rāpiʾū, König der Unterwelt

wyšt [il]⌈g⌉ṯr . wyqr .

und zwar wurde aufgestellt der Gott des Gaṯaru und des Yaqaru,1879

2

il . yṯb . bʿṯtrt

der Gott, der sitzt in Aṯtartu,

3

ilṯpṭ . bhdrʿy .

der Gott, der Recht spricht in Hadraʿyi,

3

dyšr . wyḏmr

vor dem gesungen und musiziert wird,1880

4

bknr . wṯlb .

mit der Leier und der Flöte,

4

btp . wmṣltm .

mit dem Tamburin und den Zimbeln,

1 1-2

(2)

bm rqdm . dšn .

mit den Kastagnetten aus Elfenbein,

5

bḥbr . kṯr . ṭbm

von den guten Gefährten des Koṯaru.

6

wtšt . ʿnt . gṯr .

Und es wurde aufgestellt Anat des Gaṯaru,

4-5

(5)

bʿlt . mlk .

Herrin des Königtums,

bʿ(7)lt . drkt .

Herrin der Herrschaft,

7

bʿlt . šmm . rmm

Herrin der hohen Himmel,

8

[bʿl]t

[Herr]in des Firmaments,

6 6-7

8 8-9 9

1881

. kpṯ .

wʿnt . di . dit .

die fliegende Anat, die schwebt,

rḫpt(9)[bšm]⌈m⌉rm .

die sich hoch in den Himmel erhebt,

aklt . ʿgli l

die den Jungstier des El beim Gastmahl verspeist,

[!] 1882

. mšt

[i]⌈m⌉r . špr .

(und) feine Lämmer.

wyšt . il (11)[…]

Und es wurde aufgestellt El […]

11

[…] …⌉n . ilġnṯ . ʿglil

[…] der Gott ġnṯ, der Jungstier des El

12

[……]⌈…⌉d . il . šdyṣdmlk

[…] der Gott der Steppe, der jagt, mlk

13

[……]⌈…⌉ . yšt . ilh

[…] es wurde aufgestellt ʾIlāhu

14

[………] ⌈…⌉iṯmh

[…] sein Rind mit festem Fleisch(?)

15

[…………]⌈r⌉š⌈p⌉[…]

[…] Rašpu

10 10-11

Rückseite 16

[…………] […] ⌈…⌉mġy

[…] ankommen

17

[………]⌈n⌉drh

[…] sein Eid

18

[……]

18

[tštk . a]rš . lbʿl

[Deinen Erfolg begehrt] er von Baʿal

19

[…] 1883

[wlirštk . y]mġk .

[und auf deinen Wunsch wird er] (es) bringen(?)

19-20

rpumlk (20)[ʿlm . ymġy]k .

Rāpiʾū, der König [der Unterwelt wird (es) bringe]n

20-21

ltštk . liršt [k]

Für deinen Erfolg, auf [deinen] Wunsch,

[byd .]rpi . mlkʿlm .

[bei der Macht] des Rāpiʾū, König der Unterwelt,

21 21-22 1878 1879

22-23

(21)

bʿz

[rpi .]⌈m⌉lk . ʿlm .

(22)

bḏmrh . bl(23)[anh] .

bei der Stärke [des Rāpiʾū], König der Unterwelt, bei seinem 18801881 Schutz,18821883 bei [seiner Macht],

1878 Transliteration nach Pardee 2002: 193 f.; vgl. auch Fn. 1746 in dieser Arbeit. 1879 Für ein Verständnis des ergänzten il in Zeile 2 als Status constructus siehe Niehr im Druck mit Verweis auf Caquot 1989: 114. Zur Identität von Gaṯaru und des Yaqaru siehe Niehr im Druck.

1880 Für eine Übersetzung dieser Zeile im Passiv siehe Niehr im Druck. 1881 Die Ergänzung richtet sich nach ebenda. 1882 Lesung nach ebenda Anm. 11. 1883 D. Pardee merkt an, dass eine so umfangreiche Rekon­ struktion der Zeile nur hypothetisch sein kann (Ebenda: 206 Anm. 14).

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276

Ugarit bḥtkh . bnmrth .

bei seiner Herrschaft, bei seinem Glanz.

23-24

lr [p]i . arṣ . ʿzk .

Oh Rā[p]iʾū der Unterwelt: deine Stärke,

24-25

ḏmrk . la nk .

deinen Schutz, deine Macht,

ḥtkk . nmrtk .

deine Herrschaft, deinen Glanz.

btk (26)ugrt .

Inmitten von Ugarit,

26

lymt . špš . wyrḫ

für die Tage der Sonne und des Mondes

27

wnʿmt . šnt . il

und die Lieblichkeit der Jahre Els.

23

25 25-26

(24)

(25)

Kommentar (1) rpu mlk ʿlm O. Loretz stimmt denen zu, „die in rpu mlk ʿlm den Eponym und (die) mythischen vergöttlichten König(e) von Ugarit sehen.“1884 Er schreibt weiter „An erster und letzter Stelle in KTU 1.108 richtet sich der Beschwörer an den großen rpu ‚Heiler‘ von Ugarit, der treffend das Epitheton mlk ʿlm ‚ewiger König‘ erhält und in dem so alle königlichen Ahnen der Dynastie zusammengefaßt sind. Diese Deutung von KTU 1.108 wird durch das Begräbnisritual KTU 1.161 bestätigt.“1885 H. Niehr argumentiert hingegen überzeugend vor dem Hintergrund von KTU 1.5 II 12, „Rapiu als verstorbener Urahn des Königs­ hauses von Ugarit hat in der Unterwelt seinen sozialen Rang behalten und wird als höchster der rpʾm deshalb als mlk ʿlm, ‚König der Unterwelt‘ bezeichnet.“1886 Nach Ansicht der Autorin ist diesbezüglich H. Niehr zuzustimmen und Rāpiʾū aufgrund der Namensgleichheit als oberster der rāpiʾūma zu betrachten. Er ist somit ebenso wie die Totengeister in der Unterwelt zu verorten. Zugleich ist anzunehmen, dass er als ihr Stell­ vertreter fungieren und somit ihre Aufgaben übernehmen, aber auch die Opfergaben für sie überbringen konnte. (1, 6, 10, 13) yšt C. Virolleaud war der erste, der diese Form auf das Verb šty „trinken“ bezog,1887 eine Deutung, die häufig aufgegriffen und wiederholt wurde.1888 H. Cazelles, J. Sapin und H. Niehr argumentieren hingegen überzeugend, dass es sich um eine Form des Verbes šyt „stellen, legen, setzen“ (Passiv1884 Loretz 1993: 295. 1885 A. a. O. 1886 Niehr 1997: 296; in KTU 1.5 II 12 heißt es nach einer Niederlage Baʿals gegen Mot ʿbdk . an . wdʿlmk, was H. Niehr mit „Ich bin dein Diener und der deiner Unterwelt“ übersetzt. H. Niehr begründet eine Auffassung des Terminus ʿlm als „Unterwelt“ damit, dass der Ausdruck „durch das enklitische Personalpronomen auf den Gott Mot bezogen ist und ʿbd mittels des Pronomens d durch ʿlm näher bestimmt wird. Insofern kann mit ʿlm nur der Herrschaftsbereich des Gottes Mot, die Unterwelt, gemeint sein.“ (Ebenda: 295). 1887 Virolleaud 1968: 553. 1888 Niehr im Druck.

form des Grundstammes, 3. Pers. sg. mask, bzw. in Zeile 6 fem.) handeln dürfte und sich dieses auf die Statuen der genannten Gottheiten bezieht, die entsprechend vor Beginn des in KTU 1.108 beschriebenen Rituals – vermutlich durch das Kultpersonal – aufgestellt wurden.1889 (18) bʿl D. Pardee merkt zu dieser Zeile an, dass hier, wenn dies tatsächlich mit „Baʿal“ und nicht mit „Herr“ zu übersetzen ist, Baʿal eine Mittlerrolle zwischen dem König und Rāpiʾū inne hat, „his intervention allows the qualities evoked in lines 21‘ – 23‘ to pass to the king (lines 23‘ – 25‘) ensuring his success.“1890 J. Tropper schreibt, „Das eigentliche Oberhaupt und ‚Erster‘ der Rapiuma ist der Gott Baʿal, der auch die Epitheta zbl bʿl arṣ . ‚Fürst/Herr der Unterwelt‘1891 und rpu ‚Heilbringer, Retter‘ trägt. Baʿal gilt als jener Gott, der bei seinem Kampf mit Mot, dem Gott des Todes, in die Unterwelt hinabgestiegen und wieder siegreich aus ihr zurückgekehrt ist. Durch seinen Abstieg und seine Rückkehr aus der Unterwelt hat er den Toten den Weg geöffnet, zu Rapiuma, ‚Heilbringern‘, zu werden, die den Lebenden noch nützlich sein können.“1892 Berücksichtigt man diesbezüglich die Epitheta Baʿals und die sogenannten rāpiʾūma-Texte, steht eine enge Verbindung von Baʿal, Rāpiʾū und der Unterwelt außer Frage. Inwiefern Baʿal in diesem Text jedoch die Mittlerrolle zwischen König und Rāpiʾū übernimmt ist fraglich, sind doch die Zeilen, aus denen dieses hergeleitet wird, ohne Parallele rekonstruiert. (23 – 24) lr[p]i . arṣ . ʿzk Diese Zeile ist Gegenstand vieler kontroverser Diskussionen. Bei der Frage, ob es sich hier um die „rāpiʾūma der Unterwelt“1893 oder um eine 1889 Niehr im Druck mit Verweis auf Cazelles 1977: 220; Sapin 1983: 179. 1890 Pardee 2002: 206 Anm. 14. 1891 KTU 1.5 VI 10; 1.6 III 1.3.9.21; IV 5.16 (jeweils // aliyn bʿl).“ (Tropper 1989: 126, Fn. 24). 1892 Ebenda: 125 f. 1893 So etwa Pardee 1988: 81 f., 111 f., 115-117; 1994: 154; van der Toorn 1991: 59 f.; Ford 1992: 78 f.; Niehr 2013a: 614; 2013b: 143-144.

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Die schriftlichen Quellen Variante von rpi mlk ʿlm handelt, ist aus Sicht der Autorin, wie es auch schon O. Loretz getan hat, J. Tropper zuzustimmen, der „O Rapiu der Unterwelt!“ übersetzt.1894 In der Wissenschaft wurde seit der Auffindung dieses Textes kontrovers diskutiert, inwiefern die rāpiʾūma hier eine Rolle spielen und ob es sich bei diesem Text um das Darbringen von Opfern für diese handeln könnte. Der Hauptstreitpunkt in dieser Diskussion ist, ob in den Zeilen 23 – 24 lrpi arṣ nur als eine Varianten des sonst geschriebenen rpu mlk ʿlm verwendet wurde, oder ob diese Formulierung sich auf die „rāpiʾūma der Unterwelt“ bezieht. Wie be­reits oben dargelegt, wird in dieser Arbeit keine direkte Einbeziehung der rāpiʾūma angenommen. Festzuhalten ist, dass verschiedene Götter, darunter Rāpiʾū, Anat, El, ġnṯ, ʾIlāhu, Rašpu und Baʿal in Form von Statuen anwesend sind und einem Rital beiwohnen, das von Musik begleitet wird. Besonders prominent ist in diesem Text der Gott Rāpiʾū vertreten, der insgesamt in den erhaltenen Teilen des Textes fünf Mal genannt wird und auf den vor allem auf der Rückseite der Tafel ausführlich Bezug genommen wird. In bisherigen Interpretationen zu diesem Text herrscht die Meinung vor, dass der Hauptfokus auf dem Wohlergehen der Stadt Ugarit läge und dass mit diesem Text ein Teil des Neujahrsfestes beschrieben würde.1895 Die Interpretationen divergieren sobald die rāpiʾūma thematisiert werden. K. Spronk sieht einen Zusammenhang zwischen der Ankunft der rāpiʾūma,1896 die er bereits in Zeile 17 ergänzt, und der Rückkehr Baʿals aus der Unterwelt.1897 Eine ge­wagtere Interpretation erwägt J. C. de Moor, der ebenfalls bereits in Zeile 17 die rāpiʾūma ergänzt und diesen Text als Einladung an die rāpiʾūma zu dem Bankett des Neujahrsfestes versteht. Er übersetzt den Begriff rāpiʾūma mit „Saviours“ und verweist darauf, dass sich ihr Titel damit dem Titel ihres Herren Baʿal „the Saviour“1898 anschließt, welchen Baʿal aufgrund seiner Rolle als Sieger über den Tod erhalten hätte.1899 D. Pardee und G. del Olmo Lete setzen den Text KTU 1.108 im Zusammenhang mit dem Text KTU 1.161 und der ugaritischen Königsliste (KTU 1.113).1900 A. Caquot betrachtet diesen Text in engem Bezug zu Text KTU 1.1611901 und ordnet neben 1894 Loretz 1993: 295; Tropper 1989: 143. 1895 Spronk 1986: 180; de Moor 1987: 187; Tropper 1989: 142. 1896 K. Spronk ergänzt in den Zeilen 16-17 [k]mġy 17[rpʾum .] / [rgm . lmlk . w]drh und übersetzt „[When the rpʾum] arrive, / [say to the king and] his family:” (Spronk 1986: 179). 1897 Ebenda: 180. 1898 De Moor 1987: 187. 1899 Ebenda: 187, Fn. 1. 1900 Pardee 2002: 193; del Olmo Lete 2014: 148-161. 1901 Caquot – de Tarragon – Cunchillos 1989: 111.

277

diesen beiden Texten zusätzlich KTU 1.124, ein Text, in dem Didānu angerufen wird, um zu heilen, in sein Kapitel „Vestiges du Rituel et du Mythe des Mânes“1902 ein. Auch H. Niehr setzt den Text KTU 1.108 in Verbindung mit den Texten KTU 1.124 und KTU 1.161 und be­zeichnet ihn als „Protokoll einer Nekromantie“.1903 Somit sehen diese Autoren die rāpiʾūma hier in einer bedeutenden Rolle und betrach­ten den Text vor dem Hinter­grund des königlichen Totenkultes. Die Erwähnung verschiedener Götter im Kontext des königlichen Totenkultes vergleicht A. Caquot mit späteren Texten aus Samʾal: „La participation de divinités au banquet des Mânes royaux est connue plus tard, au VIIIe siècle, par l’inscription de Panamuwa Ier de Samal souhaitant que son âme mange et boive avec le dieu Hadad.“1904 D. Pardee konstatiert zudem, dass die Fokussie­ rung des Textes auf das Trinken (D. Pardee folgt in seiner Übersetzung der Form yšt dem Verständnis von C. Virolleaud, siehe oben) einen Hinweis darstellen könnte, dass die Anwesenheit der verschiedenen genannten Götter bei ihren marziḥuFeiern beschrieben wird. Oder aber dieses Ritual könne die ugaritische Version des mesopotamischen kispu(m) reflektieren:1905 „[…] it appears to be an invitation to the deities invoked to join in a feast at which Rāpiʾū, the first deity named, is described as requesting of Baʿlu that he transmit the powers of the Rapaʾūma to the living king.”1906 Da in diesem Text kein Name genannt wird, ist es reine Spekulation, wer die betreffende Person sein soll, aller­dings legt D. Pardee die Hypothese dar, dass dieser Text (und KTU 1.113) zu der gleichen Serie gehören könn­te, wie der Text KTU 1.161.1907 Somit würde es sich auch hier um den Übergang von der Herrschaft Niqmaddu IV. zu ʿAmmurāpiʾ handeln. Sofern man nicht der Übersetzung folgt, bei der das Trinken im Fokus steht – wie es in dieser Arbeit favorisiert wird – fällt dieser Aspekt eines rituellen Festes weg. Dennoch ist dem Text zu entnehmen, dass den Göttern Speisen dargebracht werden: Z. 9 – 10 „die [=Anat] den Jungstier des El beim Gastmahl verspeist, (und) feine Lämmer“, Z. 14 „sein Rind mit festem Fleisch(?)“ (möglicherweise in Bezug auf ʾIlāhu). Die Problematik bei den angeführten Interpretationen als marziḥu-Feiern oder ugaritisches kispu(m) ist aus Sicht der Autorin zum einen, dass die rāpiʾūma in diesem Text in keiner der erhaltenen 1902 Ebenda: 101-123. 1903 Niehr im Druck. 1904 Caquot – de Tarragon – Cunchillos 1989: 111; mit Verweis auf KAI 214, 21-22 (Ebenda: 111, Fn. 344). 1905 Pardee 2002: 193. 1906 A. a. O. 1907 A.  a.  O. Eine ähnliche Annahme vertritt auch Niehr im Druck.

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Ugarit

Zeilen erwähnt werden1908 und zum anderen, dass der Versuch unternommen wird, dieses Ritual mit kon­kre­ten rituellen Feiern wie dem marziḥu oder dem kispu(m) zu vergleichen, ohne, dass es dafür eindeutige Hinweise gibt. Im Gegenteil, bedeutende Unterschiede sollten eine Differenzierung zwischen den einzelnen Ritualfeiern nach sich ziehen, um nicht eine Vereinheitlichung in den Begrifflichkeiten herbeizuführen, die derart nicht angebracht ist. Im Hinblick auf das Neujahrsfest wäre zu erwarten, dass nicht, wie es im vorliegenden Text der Fall ist, Rāpiʾū eine größere Rolle spielt, sondern Baʿal. Zudem fehlt sowohl eine Zeitangabe, wann diese Feier stattfindet, als auch – nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht – eine Evozierung der rāpiʾūma, die im Rahmen des Neujahrsfestes zu erwarten wäre (siehe Kapitel 4.2.2.1).1909 Eine ugaritische Version des mesopotamischen kispu(m) in dieser Feier sehen zu wollen, scheint ebenfalls unbegründet, vor allem, wenn man berücksichtigt, dass das kispu(m) bestimmten Regeln unterlag – etwa einer gewissen Regelmäßigkeit (siehe Kapitel 2.2.2.1.9) – von denen in diesem Text keine erwähnt wird. Betrachtet man nun nochmals den Text selbst, kann man folgende prägnante Aspek­te festhalten: Zunächst handelt es sich um eine von Musik begleitete Ritualfeier, während derer verschiedenen Göttern Speisen dargebracht werden. Dieses Szenario dürfte wohl für die meisten Ritualfeiern angenommen werden. Ausgezeichnet wird die beschriebene Feier dadurch, dass Rāpiʾū eine herausragende Stellung inne hat und gemeinsam mit Baʿal erwähnt wird. Zudem lässt die Zeile 20, „für deinen Erfolg, auf deinen Wunsch“, annehmen, dass mit dem Personal­pronomen der zweiten Person singular auf einen Menschen, vermutlich den König, Bezug genommen wird, den Rāpiʾū offenbar stärken bzw. schützen soll.1910 Nimmt man an, dass Rāpiʾū als pars pro toto für die Gesamtheit der rāpiʾūma der Unterwelt steht, wäre desweiteren zu konstatieren, 1908 Auch J. Tropper distanziert sich von einer Auffassungen einer Beschwörung der rāpiʾūma in diesem Text. Er nimmt eine Adressierung Baʿals mit verschiedenen Epitheta an und erwägt auch r[p]i arṣ „Heiler der Unterwelt“ als Epitheton für Baʿal (Tropper 1989: 142 f.). 1909 Eine Anlehnung an eine Szene aus dem Aqhatu-Epos, in der Baʿal die verstorbenen belebt und bewirtet, wie es K. Spronk vorschlägt (Spronk 1986: 155), ist nach Ansicht der Autorin nicht überzeugend. In KTU 1.17 VI (30-32) heißt es: kbʿl . kyḥwy . yʿšr ḥwy . yʿš/r . wy[š]qynh ybd . wyšr . ʿlh / nʿmn[wt]ʿnynn . (Transliteration nach Parker 1997: 61). „So wie Baʿal fürwahr belebt, (und) bewirtet den Belebten, er bewirtet (ihn) und gibt ihm zu trinken; er für ihn spielt und singt, ihm lieblich antwortet“. Mit dieser Szene würde wiederum das Neujahrsfest aufgegriffen, so u. a. K. Spronk (Spronk 1986: 155). 1910 Zur Interpretation dieses Textes als Gebet für den König siehe Niehr 2013a: 614 f., 619.

dass dieser Wunsch nicht nur von Rāpiʾū selbst sondern auch von den rāpiʾūma der Unterwelt erfüllt wird. Entsprechend würde in diesem Text zwar indirekt die schützende und segnende Funktion der Totengeister angesprochen werden, ein direkter Bezug zu einer Totenfeier, Neujahrsfeier oder ähnlichem existiert jedoch nicht.1911 Die Formel in den Zeilen 26 – 27, dass der „Segen“ Rāpiʾūs für Ugarit „für die Tage der Sonne und des Mondes und die Lieblichkeit der Jahre Els“ anhalten soll, zeigt, dass der „Segen“ nicht nur für einen einzelnen König, sondern für die gesamte Dynastie erbeten wurde.1912 Dies schließt natürlich nicht aus, dass dieses Ritual regelmäßig wiederholt wurde, um sich des Schutzes durch den Gott gewiss zu sein. Angaben zu einer solchen Regelmäßigkeit sind dem Text jedoch nicht zu entnehmen. 4.2.3 Die Epen des Aqhatu und des Kirta Nachdem in den vorherigen Kapiteln die Eigenschaften der rāpiʾūma anhand einiger Textbeispiele näher erläutert wurden, werden im Folgenden zwei Ausschnitte aus den Epen des Aqhatu und des Kirta präsentiert, die beleuchten, inwiefern die Nachkommen des Verstorbenen im Totenkult eine Rolle spielten. Zwar existiert in der Wissenschaft die Diskussion, ob es legitim ist, Begebenheiten aus einem literarischen Text auf die allgemeine Lebenswelt abzuleiten,1913 allerdings argumentieren H. Niehr und D. Schloen zu Recht, dass das Aqhatu-Epos ebenso wie andere Epen von dem ugaritischen Oberpriester Ilimilku für ein zeitgenössisches Publikum (zur Zeit Niqmaddu IV.)1914 geschrieben wurden und deshalb die soziale Welt mit der literarischen Welt von Aqhatu als deckungsgleich angesehen werden kann.1915 4.2.3.1 Das Aqhatu-Epos KTU 1.17 Unter den sogenannten Sohnespflichten, die in dem Aqhatu-Epos genannt werden, werden neben dem Erhalt des guten Rufs des Vaters und einigen Hilfestellungen für den gealterten Vater (28 – 31, 32  – 33), unter anderem die Errichtung einer Stele für den „Gott seines Vaters“ im Heiligtum (26  f.), 1911 Ähnlich auch Loretz 1993: 295. 1912 Ähnlich auch D. Pardee; möglicherweise ist ebenfalls seine Ergänzung zu erwägen, „when the present living king joined the Rapaʾūma he would, in turn, take up the role of assuring the transmission of these virtues on to his successor.” (Pardee 2002: 206 Anm. 14). Diese Überlegung kann durchaus auch für die indirekte Anrufung der rāpiʾūma durch Rāpiʾū in Betracht gezogen werden. 1913 So beispielsweise Dietrich – Loretz 2000: 98 f. 1914 Niehr 2006e: 172 f. 1915 Ebenda: 173; Niehr 2007: 228; Schloen 2001: 352; vgl. auch Merlo – Xella 1999: 289 f.

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Die schriftlichen Quellen das Evozieren des Totengeistes (27 f.) und das Darbringen von Opfern für die großen Götter (31  f.) aufgelistet. Dem Epos zufolge sollen diese Pflichten vom künftigen Sohn des Königs Danilu, Aqhatu,

279

erfüllt werden. Im Folgenden werden die Zeilen, die sich mit den Kultangelegenheiten des Familienoberhauptes beschäftigen, näher betrachtet.

KTU 1.17 I1916 25 25-26 26 26-27

wykn . bnh . bbt .

Und es soll sein Sohn sein im Haus,

šrš . bqrb (26)hklh .

ein Nachkomme im Inneren (26)seines Palastes;

nṣb . skn . ilibh .

der errichtet eine Stele für den Gott seines Vaters,

bqdš

im Heiligtum (27)die Kultstele seiner Sippe;

ztr . ʿmh .

(27)

27

larṣ . mšṣu . qṭrh

der aus der Unterwelt heraussteigen lässt seinen Rauch;

28

lʿpr . ḏmr . aṯrh .

aus dem Staub den Beschützer seiner Nachkommen;

ṭbq . lḥt

der verschließt die Kinnlade seiner Verächter;

28-29

(29)

niṣh .

29

grš . d . ʿšy . lnh

der vertreibt den, der ihm Böses antut;

30

aḫd . ydh . bškrn .

der ergreift seine Hand bei Trunkenheit;

mʿmsh

[k]šbʿyn .

der ihn stützt wenn er gesättigt ist vom Wein;

31

spu . ksmh . bt . bʿl

der verzehrt seinen Anteil im Haus des Baʿal

32

[w]mnth . bt . il

[und] seine Portion im Haus des El

30-31

32-33 33

(31)

ṭḫ . ggh . bym

[ṯi]ṭ .

(33)

rḥṣ . npṣh . bym . rṯ

der verputzt sein Dach am Tag des Schlammes; der wäscht seine Kleidung am Tag des Schmutzes.

Kommentar KTU 1.17 I (26) skn Nachdem dieser Begriff in früheren Publikationen kontrovers diskutiert wurde, ist inzwischen allgemein eine Übersetzung mit „Stele“ anerkannt. So auch die einschlägigen Wörterbücher: G. del Olmo Lete und J. Sanmartín bieten für skn die Übersetzung „stela“1917 an, bei J. Tropper wird der Begriff etwas spezifischer mit „Kultstele“1918 übersetzt. Diesbezüglich ist anzumerken, dass der mit skn verwandte und in Emar und Mari belegte Begriff sikkanum lediglich generell eine Stele bezeichnet, aber nicht notwendigerweise eine Grabstele.1919 KTU 1.17 I (26) ilibh Der Begriff ilib ist mit regressiver Vokalharmonie gebildet aus ilu abi, wörtlich „Vatergott, Gott des Vaters, göttlicher Vater“. G. del Olmo Lete und J. Sanmartín übersetzen ilib mit “1) ‚father god‘ 1916 Transliteration nach Parker 1997: 53; diese Passage wird noch zwei weitere Male in dem Text wiederholt (KTU 1.17 II 0-5 und KTU 1.17 II 14-22), jeweils mit anderen Sprechern, sodass Danilu einmal in der zweiten Person und einmal in der ersten Person angesprochen wird (Ebenda: 55, 56). 1917 Del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 759 s. v. skn (II). 1918 Tropper 2008: 110 s. v. skn2. 1919 Van der Toorn 1991: 44; 1993: 384, Fn. 36; Durand 1985a; Dietrich – Loretz – Mayer 1989.

(deified ancestor; ancestral or fami­ly god)”1920 K. van der Toorn und andere verstehen ilib als „deified ancestor“ bzw. „ancestral spirit“.1921 K van der Toorn argumentiert u. a. mit dem Kontext im Aqhatu-Epos, in dem die Pflichten des Sohnes aufgezählt werden und stellt fest, dass „the se­cond bicolon is best interpreted as a reference to the continuation of the royal lineage in the person of a male inhabitant of the family house.“1922 J. C. de Moor leitet über das Hurritische eine Übersetzung als „god-father“ oder „the god (or: El) who is the father“ her.1923 Nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht ist die von G. del Olmo Lete und J. Sanmartín präsen­tierte Mög­ lichkeit eines Verständnisses des „father god“ als „ancestral or family god“, also als „Gott des Vaters“ die wahrscheinlichste.1924 Eine solche 1920 Del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 52 s. v. ilib (I). 1921 Van der Toorn 1993: 383 f.; siehe auch Pope 1977: 163 f.; 1981: 160 f.; Healey 1979: 355; Xella 1983: 288; van der Toorn 1991: 44; Tsumura 1993: 40 f.; Parker 1997: 53, 55 f. 1922 Van der Toorn 1993 1923 De Moor 1995: 7; ähnlich Sørensen 1999: 10 f. 1924 Eine solche Übersetzung wurde auch schon in einigen Interpretationen zu diesem Text aus den 50er und 60er Jahren favorisiert (bspw. Gray 1957: 75 f., siehe v. a.75, Fn. 7; Koch 1967: 214). Und auch spätere Rezeptionen dieses Textes greifen eine solche Interpretation auf (Vorländer 1975: 157 mit zahlreichen anderen Belegen für den „persönlichen Gott“; Schmidt 1994: 53-59 mit weiteren Argumenten; Niehr 2006e: 174; 2009: 338 mit der Übersetzung „Gott des Vaters“, allerdings mit der Auffassung, dass hiermit „[…]

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Auffassung begründet sich zum einen aus der ugaritischen Königs- und Götterliste und zum anderen aus den Vergleichen in Qaṭna, Emar und Nuzi. Zwar wurde die ugaritische Königsliste KTU 1.1131925 häufig heran­gezogen, um eine Übersetzung des Begriffs ilib mit „vergöttlichte Ahnen“ zu rechtfertigen, allerdings muss diesbezüglich differenziert werden. Die Königsliste wurde deshalb in die Diskussion mit einbezogen, weil den Personennamen das Wort ilu, bzw. in der akkadischen Version (RS 94.2518) das Zeichen DINGIR „Gott“ vo­ran­gestellt ist und die verstorbenen Könige somit eine Vergöttli­ chung erfuhren.1926 D. Pardee weist zwar darauf hin, dass in der akkadischen Liste das zweite Wort jeweils im Genitiv steht, sodass „the god of (the king in question)“ zu übersetzen wäre, zumal die Personennamen jeweils mit einem Personenkeil markiert sind, aller­dings argumentiert er überzeugend, dass dies als „genitive of identification“ zu verstehen sei und die Zeilen entsprechend mit „the god (who is) Yaqaru, etc.“ übersetzt werden müssten.1927 Dazu passend werden die Könige unter dem Begriff mlkm bzw. dmalik-MEŠ am Ende der ugaritischen Götterliste aufgeführt (KTU 1.47 [33], KTU 1.118 [32] und RS 20.24 [32]).1928 Diese Listen belegen somit ohne Zweifel eine Vergött­lichung der Könige nach ihrem Tod. Zugleich wird in der Götterliste je­weils an erster Stelle der hier diskutierte Terminus ilib bzw. äquivalent DINGIR a-bi angeführt.1929 Die Tatsache, dass die vergöttlichten Könige am Ende der Liste er­scheinen, die Liste jedoch mit ilib eröffnet wird, zeigt aus Sicht der Autorin einen Bedeutungsunterschied zwischen diesen, sodass ilib nicht für die vergöttlichten der Vorfahr bzw. der Ahn sowohl der Götter wie der Könige gemeint […]“ ist; Krebernik 2013: 209). Diesbezüglich ist anzumerken, dass, auch wenn die Interpretation K. Kochs in Bezug auf den „Gott des Vaters“ angenommen wird und ihm Recht zu geben ist, dass „[…] der König keineswegs mit dem Gott seiner Vorfahren identisch.“ ist, seiner Feststellung zu widersprechen ist, dass die Ahnen nicht vergöttlich worden wären (Koch 1967: 214 f., Fn. 10). 1925 Für eine Bearbeitung der Königsliste siehe etwa Kitchen 1977; del Olmo Lete 1999a: 177-180; 1999b: 314 f.; Pardee 2002: 195-210. 1926 Siehe u. a. Wyatt 2005: 715 f. 1927 Pardee 2002: 199 f.; anders bspw. Schmidt, der in der Königsliste einen wiederholten Bezug zu Ritualen, die für den „personal god of the former kings“ ausgeführt wurden, sieht (Schmidt 1994: 67-71). 1928 Vgl. del Olmo Lete 1999b: 308 f.; Pardee 2002: 15 f., 18 f.; siehe auch Niehr Pfälzner 2011c: 146. Dass die Könige zwar vergöttlicht wurden, allerdings offenbar eine den Göttern gegenüber untergeordnete Rolle spielten, diskutiert u. a. Ford 1992: 91. 1929 Vgl. Pardee 2002: 14-18. Die Texte KTU 1.47 und KTU 1.148 weisen zudem in ihrer ersten Zeile die Überschrift dbḥ ṣpn bzw. il ṣpn „Götter des Zaphon“ auf, was als Überschrift für die Listen zu verstehen ist (Ebenda: 23 Anm. 3).

Könige stehen kann. Stattdessen bekräftigt der Aufbau der ugaritischen Götterliste ebenfalls ein Verständnis von ilib bzw. DINGIR a-bi als „Gott des Vaters“. Eine solche Übersetzung ist auch in Anlehnung an die Texte aus Qaṭna, Emar und Nuzi an dieser Stelle anzunehmen. Wie in Kapitel 3.2.2.1 begründet, wird in dieser Arbeit die Auffassung vertreten, dass die Bezeichnungen DINGIR.MEŠ LUGAL, DINGIR.MEŠ ša abi, DINGIR abi und DINGIR LUGAL in den „Qaṭnainventaren“ zu übersetzen sind mit „Götter des Königs“, „Götter des Vaters“, „Gott des Vaters“ bzw. „Gott des Königs“. Einer ähnlichen Interpretation wird in Hinblick auf Emar und Nuzi gefolgt (siehe Kapitel 3.2.2.1 und 3.2.2.2) und auch in Bezug auf diese Zeile aus dem Text KTU 1.17 I ist eine solche Übersetzung zu favorisieren. Entsprechend wäre diese Passage zu übersetzen mit „der er­rich­ tet eine Stele für den Gott seines Vaters“.1930 KTU 1.17 I (27) ʿmh Während J. Tropper den Begriff ʿm noch relativ neutral mit „Sippe, Volk“1931 übersetzt, sind G. del Olmo Lete und J. Sanmartín in ihrer Interpretation bereits etwas spezifischer. Sie übersetzen „lineage, ancestors“1932 und nehmen damit direkt Bezug auf den unter anderem von ihnen an­genommenen Kontext des Totenkultes in dieser Passage des Aqhatu-Epos. Betrachtet man diese Zeile jedoch mit der für die vorherige Zeile angeführten Interpretation, scheint eine Übersetzung mit der Grundbedeutung des Wortes, „Sippe“ naheliegender. In diesem Fall wäre der Ausdruck „im Heiligtum die Kultstele seiner Sippe“ im Parallelismus zu der vorhergehenden Wendung „der errichtet eine Stele für seinen Gott des Vaters“ zu verstehen. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass in der amurritischen Tradition die persönlichen Götter tendenziell auf die Stammestradition einer Dynastie verweisen (siehe auch Kapitel 3.2.2.2).1933 Der persönliche „Gott des Vaters“ war, davon ist somit auszugehen, in vielen oder sogar allen Fällen der Gott der Sippe.1934 T. J. Lewis verweist darauf, dass die Stele des Gottes der Vorfahren bzw. der Sippe vermutlich eher in einem lokalen Heiligtum aufgestellt wurde, als in einem der großen Tempel.1935

1930 So auch Lewis 2008: 70. Für eine Interpretation des Gesamt­ konzeptes dieses Textes siehe unten. 1931 Tropper 2008: 17 s. v. ʿm. 1932 Del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 163 s. v. ʿm (II). 1933 Van der Toorn 1996a: 78-92. 1934 Auch Koch übersetzt diesen Terminus mit „Sippengott“ (Koch 1967: 215). 1935 Lewis 2008: 69, 72 f.

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Die schriftlichen Quellen KTU 1.17 I (27) qṭrh Die generelle Bedeutung des Terminus qṭr wird von J. Tropper mit „‚Rauch‘ 1.17:I:27 (hier: ‚Totengeist‘?)“1936 angegeben. G. del Olmo Lete und J. Sanmartín bieten „smoke“ und „1.17 I 27 and par. (possibly with the connotation of ‚spirit‘ […] or ‚incense‘)“.1937 Die Grundbedeutung dieses Begriffs ist folglich „Rauch“, jedoch ist die Konnotation im Rahmen der beschriebenen Kulthandlungen näher zu erörtern. Wie die verschiedenen Übersetzungen erkennen lassen, gibt es keinen Konsens für die Bedeutung dieses Terminus und es stellt sich die Frage, welche der Übersetzungen am ehesten den Cha­ rakter der zwei Zeilen KTU 1.17 I (27 – 28) trifft. In der folgenden Zeile heißt es „aus dem Staub den Beschützer seiner Nachkommen“ als Parallelismus zu „aus der Unterwelt […] seinen qṭr“. Dass diese Zeilen als Parallelismus zu verstehen sind, zeigt u. a. ein Beispiel aus KTU 1.161 (21 – 22) ảrṣ (22)rd . w . špl . ʿpr „in die Unterwelt (22) steige hinab und senke dich in den Staub“. In den hier besprochenen Zeilen aus dem Aqhatu-Epos bewegt sich somit der Tote, bzw. sein Geist, nicht wie in KTU 1.161 in die Unterwelt, sondern in entgegen gesetzter Richtung. Er soll sich nicht in die Unterwelt und den Staub begeben, sondern wird aus dieser wieder evoziert. Versteht man die Zeilen im Aqhatu-Epos als einen solchen Parallelismus, ist auch qṭr als Parallele zu „Beschützer seiner Nachkommen“ zu verstehen und somit zu personifizieren. Da die Totengeister bekann­ termaßen auch zu positiven Zwecken aus der Unterwelt evoziert werden konnten – etwa um Schutz für die Hinterbliebenen zu gewährleisten – ist eine Deutung des Begriffs qṭr „Rauch“ als „Totengeist“ durchaus gerechtfertigt, um so das Bild des evozierten Toten zu vervollständigen. Dennoch ist die eigentliche Bedeutung des Terminus qṭr „Rauch“ nicht zu vernachlässigen und es ist durchaus vorstellbar, dass Rauch zum Beispiel mit Hilfe von Weihrauch erzeugt wurde, um eine Erscheinungsform des Totengeistes zu produzieren.1938

281

„Beschützer (Sg. oder Pl.) seines Kultraumes“1941. Hier wird allerdings eine andere Übersetzung des Begriffes aṯr bevorzugt, die an eine weitere von J. Tropper aufgelistete Bedeutung anknüpft: „im Gefolge von, hinter, nach“.1942 Diese Übersetzungsvariante führt zu einem Verständnis des Begriffes als Bezeichnung für die Nachkommen des Toten. Somit wäre der Totengeist des Vaters der Beschützer seiner Nachkommen und die Wiederbelebung des Toten, bzw. das Evozieren seines Totengeistes in die hiesige Welt, erfüllte auch für die Nachkommen des Toten einen positiven Zweck. Die Evozierung wird, so J. Tropper, „auch im Interesse der Lebenden vollzogen, welche die Verstorbenen als positive Mächte zum Schutze der Familie (vgl. ḏmr aṯrh) betrach­ ten und sich also von der Evokation der Ahnen eine positive Beeinflussung ihres Schicksals erwarten.“1943 Diese schützende Funktion der Totengeister wurde bereits in den Texten KTU 1.161 und KTU 1.108 deutlich. Abschließend kann zu dieser Textpassage festgehalten werden, dass es offenbar darum geht, dass der Nachkomme die wichtigsten Kultbereiche, für die das Familienoberhaupt zuständig war, übernimmt. Somit würden diese drei Passagen aus dem Aqhatu-Epos mit jeweils identischem Aufbau je drei Parallelismen enthalten: 1a) Der errichtet eine Stele für den Gott seines Vaters, 1b) im Heiligtum die Kultstele seiner Sippe. 2a) Der aus der Unterwelt heraussteigen lässt seinen Totengeist, 2b) aus dem Staub den Beschützer seiner Nachkommen. 3a) Der verzehrt seinen Anteil im Haus des Baʿal 3b) und seine Portion im Haus des El.

KTU 1.17 I (28) ḏmr . aṯrh J. Tropper führt unter ḏmr die Übersetzung „bewachen, schützen (…) Beschützer“1939 an; unter aṯr vermerkt er die Bedeutung „Ort, (Kult-) Stätte“1940. In der Diskussion dieses Textes übersetzt J. Tropper den gesamten Ausdruck mit

Diese unterschiedlichen Kultbereiche wären somit auch nicht direkt miteinander zu verknüpfen sondern Sprechen die drei wichtigsten Verantwortungsbereiche eines Familienoberhauptes an: 1) der Kult für den Gott der Familie, 2) die Versorgung der Totengeister mit (regelmäßigen) Opfergaben 3) die regelmäßige Teilnahme an Kultfeiern im Baʿal- und El-Tempel.1944 Auch T. J. Lewis betont die Bedeutung des Familienkultes in Bezug auf den Gott der

1936 Tropper 2008: 102 s. v. qṭr. 1937 Del Olmo Lete – Sanmartín 2004: 720 f. s. v. qṭr, mit dem Verweis auf del Olmo Lete 1981: 617 (“spirit”) und auf Pardee 1997: 344 („incense“). Vgl. auch Sørensen 1999: 13. 1938 Vgl. auch de Moor 1995: 8 f.; Dietrich – Loretz 1991a: 85 f.; anders van der Toorn 1991: 45; 1993: 383, Fn. 31. 1939 Tropper 2008: 32 s. v. ḏmr1. 1940 Ebenda: 8 s. v. aṯr.

1941 Tropper 1989: 132. 1942 Tropper 2008: 8 s. v. aṯr. 1943 Tropper 1989: 133 f. 1944 In einer früheren Publikation wurde die gesamte Passage noch im Kontext des Totenkultes aufgefasst (Lange 2012: 168). Diese Interpretation ist nach der eingehenden Untersuchung der Beispiele aus Qaṭna, Emar und Nuzi zu revidieren.

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Ugarit

eigenen Vorfahren. Zugleich zeigt er auf, dass auch der Verzehr des Anteils des Vaters durch den Sohn im Tempel von Baʿal und El, Bestandteil der Familienreligion ist. Dieses sei „[…] yet another example of how family religion strengthens bonds both vertical (family to deity) and horizontal (family member to family member).“1945 4.2.3.2 Das Kirta-Epos KTU 1.15 Zusätzlich zu dem eben zitierten Aqhatu-Epos soll auch ein kleiner Auszug aus dem sogenannten KirtaEpos angeführt werden, der eine enge Verbindung der Nachkommen mit dem Totenkult des Verstorbenen belegt. Der Kontext der folgenden Passage beginnt be­reits in der vorhergehenden Kolumne, in der El Kirta einen Kindersegen durch die von ihm gewählte Frau ankündigt. Die folgenden drei Zeilen werden in der Kolumne III zweifach aufgeführt (Zeile 2-4 und 13-15). Nach den drei untenstehenden Zeilen sind weiterhin die Nachkommen des Königs Thema des Textes.1946 Vor dem geschilderten Hintergrund bezeugen diese Zeilen, dass in Ugarit das Vorhandensein von Nachkommen dem Verstorbenen einen Platz innerhalb der rāpiʾūma sicherte. KTU 1.15 III1947 13

mid . rm [. krt]

Mögest du hoch erhaben sein, [oh Kirta]

14

btk . rpi . ar[ṣ]

inmitten der rāpiʾūma der Unterw[elt,]

15

bpḫr . qbṣ . dtn

in der Zusammenkunft der Versammlung des Didānu

4.2.4 Die Stelen mit den Inschriften KTU 6.13 und KTU 6.14 In der Wissenschaft wurden im Zusammenhang mit dem Totenmahl ebenfalls die zwei Stelen RS 6.021 und RS 6.028 mit den Inschriften KTU 6.13 und KTU 6.14 diskutiert. Da die beiden Stelen allein aufgrund ihrer Inschrift in den Kontext des Totenmahls eingeordnet wurden, werden sie folglich als Schriftträger an dieser Stelle behandelt. Die beiden Stelen sind in ihrer Grundform recht­ eckig mit einem bogenförmigen oberen Abschluss. Die Stele RS 6.021 ist bis auf eine Beschädigung am oberen linken Rand vollständig, sodass der Zapfen zum Aufstellen der Stele noch vorhanden ist. Von 1945 Lewis 2008: 70. 1946 Greenstein 1997: 25 f. 1947 Transliteration nach a. a. O.

der zweiten Stele RS 6.028 ist nur der obere rechte Teil erhalten. Beide Inschriften sind dreizeilig. Von der Inschrift KTU 6.14 auf der Stele RS 6.028 sind die linken Zeichen der unteren Zeile durch die Beschädigung der Stele betroffen.1948 Die beiden Stelen wurden in den Trümmern außerhalb eines Tempels gefunden, der aufgrund der Nennung des Gottes Dagan in ihren Inschriften meist mit diesem Gott assoziiert wird.1949 Da die Stelen jedoch nicht innerhalb, sondern außerhalb des Tempels gefunden wurden, Dagan in den Mythen von Ugarit keine herausragende Rolle spielt und stattdessen El einer der beiden Hauptgötter ist, schreibt H. Niehr den Tempel dem Gott El zu.1950 Seiner Ansicht folgend wird in dieser Arbeit angenommen, dass die beiden großen Tempel in Ugarit den Göttern Baʿal und El geweiht waren. N. Wyatt geht ebenso davon aus, dass in diesem Tempel der Gott El ver­ehrt wurde und erwägt zudem, dass Dagan möglicherweise eine Art Gastrecht in dem Tempel gewährt wurde.1951 Es ist zusätzlich zu bedenken, dass es sich bei dem Fundort der Stelen nicht unbedingt um den ursprünglichen Aufstellungsort der Stelen handelt. Darauf deutet auch hin, dass in der Nähe kein Sockel gefunden wurde, in den der Zapfen der vollständig erhaltenen Stele hätte eingefügt werden können.1952 Die Stele mit der Inschrift KTU 6.13 wird von Ṯarriyelli, der Mutter des ugaritischen Königs Niqmaddu  IV., geweiht; die andere Stele stammt von Uzzinu, einem eng mit der Königsfamilie verbundenen Statthalter (um 1200 v. Chr.).1953 In den Inschriften wird jeweils eine Stele bzw. pgr für Dagan geweiht und zusätzlich ein Ochse dargebracht. KTU 6.131954 1

skn . dšʿlyt1955

2

⌈ṯ⌉ryl . ldgn . pgr

⌈Ṯa⌉rriyelli; für Dagan pgr

3

⌈w⌉ảlplảkl

⌈und⌉ einen Ochsen zum Verspeisen

Stele, die geweiht hat

1955

1948 Yon 1991a: 301-303, 334 Fig. 14 a, b. 1949 Ebenda: 301-302; Bonatz 2000b: 133 f.; Callot 2011: 67-86. 1950 Cornelius – Niehr 2004: 64; Niehr 2012a: 150; vgl. auch Merlo – Xella 1999: 303; Lewis 2008: 70, 84 f. Anm. 57, 79. 1951 Wyatt 1980: 376; vgl. auch Bonatz 2000a: 199 Anm. 233. 1952 Healey 1986. 30; Yon 1991a: 301 – 303, 334 Fig. 14 a, b; Bonatz 2000a: 134. 1953 Niehr 2009: 342. 1954 Transliteration nach Pardee 2002: 124 (siehe auch Fn. 1746 in der vorliegenden Arbeit). 1955 Die Wurzel ‛lw/y wird von J. Tropper mit „G >hinaufsteigen, hinaufgehen(hinauf)steigen lassen; ein Opfer darbringen w, > 25 Jahre (adult) 6. w > m, > 20 Jahre (adult) 7. w/m?, Matur(-senil)

i1186 i2553

Kammer 2 Ort für Sekundärbestattungen der MBZ IIA Darbringung von Speiseopfern bis in SBZ IIA

i0194(03)

i2554 i2555

q1390

Menschenknochen 1 (-2) Individuen 1. w > m, adult 2. w/m?, < 6 Jahre (Infans 2)

q1392

Menschenknochen sekundär manipuliert/ umgebettet 1 (-3) Individuen (eins bestimmbar) 1. w/m? mind. adult

i1011

i1012

i0098 i1005

q1387 i2666

Bestattungstisch Ort für Primärbestattung der SBZ I Keine Hinweise auf Speiseopfer

Menschenknochen in anatomischer Anordnung 1 Individuum w > m, > 30 (vermutl. > 50) Jahre

i0034(04)

q1388

Menschenknochen sekundär manipuliert/ umgebettet 2 (-3) Individuen 1. w > m, > 30 Jahre 2. m > w, > 30 Jahre 3.(?) w/m?, > 6 Jahre (Infans 2)

Sarkophag 1 Ort für Primärbestattungen der MBZ IIA Darbringung von Speiseopfern bis in SBZ IIA

q1198 i1483

43 Tierknochen - Ovicapriden, Rind, Gänseflügelknochen - Überwiegend fleischlastige Teile des Tieres

26 Tierknochen - v. a. Ovicapriden (Schaf z. T. eindeutig identifiziert), Rind, Gänseschädelfragment - Überwiegend fleischlastige Teile des Tieres, u. a. zwei fast vollständige Hinterbeine vom Schaf

i2356

217 Tierknochen - v. a. Ovicapriden, Rind, Knochen von 2 Wildgänsen - zwei Skelettteile rekonstruierbar: rechte Schulter eines Rindes, rechtes Hinterbein einer Ovicapriden Menschenknochen sekundär manipuliert/ umgebettet 3 Individuen 1. w > m, < 40 Jahre 2. m > w, 30-50 Jahre 3. m/w?, < 40 Jahre

i2147 i2152

i2144

5 Tierknochen - 1 Knochen von Ovicapriden, 1 Rinderknochen, 2 Vogelknochen

q1116

i0825 i0830

Menschenknochen sekundär manipuliert/ umgebettet 3 Individuen 1. w/m?, 7-10 Jahre 2. m > w, 14-16 Jahre 3. m > w, < 25 Jahre

Organische Unterlage 2 Ort für Primärbestattungen der SBZ I Darbringung von Speiseopfern bis in SBZ IIA

TALL MISRIFE - QATNA Königsgruft

q1172 i0408(07) i0396(07)

44 Tierknochen - Ovicapriden (Schaf eindeutig identifiziert), Rind - Überwiegend fleischlastige Teile der Tiere

Sarkophag 2 Ort für Primärbestattungen der MBZ IIA Darbringung von Speiseopfern bis in SBZ IIA

Menschenknochen sekundär manipuliert /umgebettet 2 Individuen 1. m, > 50 Jahre 2. w, 30-40 Jahre

A8585 A8685 A8584

Organische Unterlage 4 Ort für Primärbestattungen der SBZ I Darbringung von Speiseopfern bis in SBZ IIA

i2238

i2347 i2240

i2236

i2245

i2241

i0413(07) i0397(07) i0449(07)

i2237

Menschenknochen 2 Individuen 1. w > m, adult 2. w/m?, < 16 Jahre (juvenis) i2234

24 Tierknochen unter westl. Steinbank - Ovicapriden, Rind 49 Tierknochen auf westl. Steinbank - Ovicapriden, Rind

A8684

Basaltsarkophag

Menschenknochen 1 Individuum m/w?, < 30 Jahre

i0412(07) i0410(07) i0407(07)

i2239 i2257

i2235

i2242

Steininstallation Organische Ablagerung

i2256

Keramikgefäß Steingefäß Menschenknochen

Organische Unterlage 3 Ort für Primärbestattungen der SBZ I Darbringung von Speiseopfern bis in SBZ IIA

Tierknochen Gefäßinhalte* Tierische Fette Harze

Steinbänke Inst. 1328 (Süden) u. Inst. 1329 (Westen) Ort für rituelle Bankette

Plan der Königsgruft mit dem darin vorgefundenen Inventar und den für das Totenmahl relevanten Informationen.

N

Pflanzliche Wachse

*Symbole, die sich nicht in erkennbarem Zusammenhang mit einem Gefäß befinden, beziehen sich auf das Gefäß unterhalb der Installation, auf der das Symbol zu sehen ist.

Kammer 3 Ort der rituellen Darbringung von Speisen für die Ahnen

265 Tierknochen - v. a. Ovicapriden (Schaf u. Ziege z. T. eindeutig identifiziert), Rind, Gänseschädelfragment - Überwiegend fleischlastige Teile des Tieres, assoziierbare Knochen: Fuß eines Hammels, Unterkiefer eines Schafes, Teile von Gliedmaßen

Zeichnung: M. Abbado, T. Abd el-Hay, A. Ahrens, K. al-Hammud, H. Dohmann, S. Görke, M. Mohammed, S. Mankel, H. Rasmussen, J. Schmid, K. Sternitzke, C. von Rüden, C. Witzel. Umzeichung: M. Abbado, A. Bianchi, C. Schmidt, E. Roßberger, G. Elsen Novàk, B. Glissmann; modifiziert durch S. Lange-Weber

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© 2021, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11585-8 - ISBN E-Book: 978-3-447-39168-9

Tafel 1_Verteilung Königsgruft.indd 1

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Tafel 2 Behandlung der sterblichen Überreste

Mari

Qatna

Ugarit

Status des Verstorbenen

Mari

Qatna

Ugarit

Handlungen der Angehörigen (private Ebene)

Mari

Qatna

Ugarit

Handlungen der Gesellschaft (öffentliche Ebene)

Eintreten des Todes

1. Zyklus der rites de passage

rites de séparation

rites de marge

Leichenpflege/ Aufbahrung

Aufbahrungsriten

Begräbnis/ Primärbestattung

Begräbnisriten

öffentliche Trauer

Trauerriten

Eintritt in die Unterwelt

t -Opfer für Niqmaddu IV? Totenpflege/ Totengedenken

rites d‘agrégation

t -Opfer für die mlkm Totenkult (in Bezug auf das Individuum)

3. Zyklus der rites de passage 2. Zyklus der rites de passage

Totenkult (in Bezug auf das Individuum)

rites de séparation

kispum für Sargon und Naram-Sin evtl. Sekundärbestattung

KG - sekundäre Manipulation von Primärbestattungen im Sarkophag

Überführung des Toten in Ahnenstatus

rites de marge

Ahnwerdung

rites d‘agrégation rites de séparation

KG - Speisen für individuell angerufene Totengeister?

? kispum für die LUGAL.MES evtl. erweiterte Sekundärbestattung

KG - erweiterte Sekundärbestattung im Ossuarium

?

rites de marge

Übergang in Kollektiv der Ahnen

t -Opfer für individuelle rpu Festmahl für individuelle rpu?

Festmahl für individuelle rpu? Totenkult/Ahnenkult (in Bezug auf das Individuum)

Überführung des Einzelnen in Kollektiv der Ahnen

Speiseopfer für die maliku

t -Opfer für rpi ars/qbs ddn Festmahl für die rp m?

rites d‘agrégation

Ahnenkult (in Bezug auf das Individuum)

kispu(m) für muškēnu?

Ahnenkult (in Bezug auf das Kollektiv)

Festmahl für die rp m?

Totenkult/Ahnenkult (in Bezug auf die Dynastie)

Zwingende Folge des Vorhergehenden Keine zwingende Folge des Vorhergehenden und oft nur für bestimmte Individuen vorgesehen

Die Handlungsebenen und -abfolgen von Totenbräuchen und -ritualen und die Nachweise für damit in Zusammenhang stehende Ausführungen des Totenmahls in den archäologischen und schriftlichen Quellen aus Mari, Qaṭna und Ugarit. © 2021, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-11585-8 - ISBN E-Book: 978-3-447-39168-9

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